Tobit 9783170204430, 9783170385856, 9783170385863, 3170204432

Diese Kommentierung stellt die antikjüdische Tobiterzählung in einen breiten traditionsgeschichtlichen Kontext, indem si

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Tobit
 9783170204430, 9783170385856, 9783170385863, 3170204432

Table of contents :
Deckblatt
Titelseite
Inhalt
Vorwort der Herausgeberinnen und Herausgeber
Vorwort der Verfasserin
Einleitung
Zur Anlage dieser Kommentierung
Einführung
Textüberlieferung
Synchrone Aspekte der Tobiterzählung
Gliederung und Struktur der Erzählung
Gattung(en)
Erzählstil
Figuren der Handlung
Wichtige Themen: Leitwörter, bedeutende Motive und Motivfelder
Diachrone Perspektiven der Tobiterzählung
Zur Literarkritik
Datierung und Entstehungsort
Biblische und außerbiblische Bezüge und traditionsgeschichtliche Aspekte
Biblische Referenzen
Außerbiblische antikjüdische Traditionen
Weitere Traditionen
Gesamtinterpretation
Textgeschichtliche Aspekte
Kanonizität und Wirkungsgeschichte
Kanongeschichtliche Aspekte
Wirkungsgeschichte
Die Buchüberschrift: Tobits Herkunft und seine Exilierung (1,1-2)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung und Struktur
Einzelanalyse
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Die Exposition: Tobits und Saras Leid, ihre Gebete und die Entsendung des Engels (1,3-3,17)
Der Lebensweg des frommen Tobit, seine Verzweiflung und sein Gebet (1,3-3,6)
Tobits Lebensmotto: Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit (1,3)
Tobits toratreues Leben in der Heimat (1,4-9)
Tobits Barmherzigkeitstaten im Exil und seine Verfolgung (1,10-2,1a)
Die Bestattung eines Landsmanns und Tobits Erblindung (2,1b-10)
Der Streit mit Hanna und die Verhöhnung Tobits (2,11-14)
Tobits Verzweiflung und sein Gebet (3,1-6)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung und Struktur
Einzelauslegung
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Saras Leid und ihr Gebet (3,7-15)
Saras Schicksal: Vom Dämon heimgesucht und von einer ihrer Mägde verspottet (3,7-10)
Saras Verzweiflung und ihr Gebet (3,11-15)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung und Struktur
Einzelexegese
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Die Erhörung der Gebete und die Entsendung des Engels Rafaël (3,16-17)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung und Struktur
Einzelexegese
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1-14,1a)
Planung der Reise und Tobits Lebenslehre (4,1-21)
Tobit erinnert sich an das Silber bei Gabaël in Medien (4,1-2)
Tobits Lebenslehre (4,3-21)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung, Struktur und Gattung/Formen
Einzelanalyse
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Die Suche nach einem Reisebegleiter, Vereinbarungen und Abschied (5,1-6,1)
Die Suche nach einem Reisebegleiter und Vereinbarungen für die Reise (5,1-17a)
Verabschiedung und Hannas Schmerz (5,17b-6,1)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung und Struktur
Einzelexegese
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Von Ninive nach Ekbatana: ein bedeutsamer Fischfang und die Vorbereitung auf die Begegnung mit Sara (6,2-18)
Am Tigris: ein bedeutsamer Fischfang (6,2-9)
Das Gespräch über die Begegnung mit Sara: Heirat und Dämonenvertreibung (6,10-18)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung und Struktur
Einzelexegese
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Der Empfang bei Saras Familie in Ekbatana und Vorbereitungen für die Heirat (7,1-17)
Ankunft und Empfang bei Saras Familie (7,1-9a)
Vorbereitungen für eine außergewöhnliche Eheschließung (7,9b-17)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung und Struktur
Einzelauslegung
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Die Vertreibung des Dämons und eine glückliche Hochzeit (8,1-21)
Die Vertreibung des Dämons und die Hochzeitsnacht (8,1-18)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung und Struktur
Einzelanalyse
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Rafaël holt das Silber bei Gabaël in Rages (9,1-6)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung und Struktur
Einzelauslegung
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Die Heimreise naht (10,1-13)
In Ninive: Tobits und Hannas Sorge um ihren Sohn (10,1-7a)
In Ekbatana: Die Verabschiedung von Tobias und Sara (10,7b-13)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung und Struktur
Einzelauslegung
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Die Heimkehr: Tobits Heilung und Saras Ankunft (11,1-18)
Tobias’ Wiedersehen mit den Eltern und Tobits Heilung (11,1-15)
Der Empfang Saras und die Hochzeitsfeier (11,16-18)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung, Struktur und bestimmende Motive
Einzelauslegung
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Die Verabschiedung Rafaëls: Entlohnung, Mahnungen und Selbstoffenbarung (12,1-22)
Die Entlohnung des Reisebegleiters (12,1-5)
Rafaëls Abschiedsrede und seine Offenbarung (12,6-22)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung, Struktur und Gattung
Einzelauslegung
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Tobits Lobgesang: Gottes Erbarmen und das neue Jerusalem (13,1-14,1a)
Lobpreis des Erbarmens Gottes unter den Völkern (13,1-8)
Der Jubel im Neuen Jerusalem (13,9-14,1a)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Gliederung und Struktur
Einzelauslegung
Wichtige buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b-15)
Tobits Abschiedsrede, Tod und Begräbnis (14,1b-11)
Bis zum Tod des Tobias: Das Ende des Exils naht! (14,12-15)
Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Synchrone Analyse
Einführung, Gliederung und Struktur
Einzelanalyse
Buchinterne Bezüge
Diachrone Analyse
Synthese
Anhang
Abkürzungen
Allgemein
Textversionen und Übersetzungen der Tobitüberlieferung
Weitere Quellen
Literatur
1. Tobit: Textausgaben und Kommentare
1.1 Textausgaben
1.2 Kommentare zu Tobit (Auswahl)
2. Weitere Quellen und Hilfsmittel
3. Weitere Forschungsliteratur
Register
Verzeichnis griechischer Wörter
Verzeichnis außerbiblischer Quellen (in Auswahl)
Schlagwortverzeichnis
Bibelstellenverzeichnis (in Auswahl)
Altes Testament
Neues Testament
Editionsplan

Citation preview

Internationaler Exegetischer Kommentar zum Alten Testament (IEKAT) Herausgegeben von: Walter Dietrich, David M. Carr, Adele Berlin, Erhard Blum, Irmtraud Fischer, Shimon Gesundheit, Walter Groß, Gary Knoppers (†), Bernard M. Levinson, Ed Noort, Helmut Utzschneider und Beate Ego (apokryphe/deuterokanonische Schriften)

Umschlagabbildungen: Oben: Teil einer viergliedrigen Bildleiste auf dem Schwarzen Obelisken Salmanassars III. (859–824 v. u. Z.), welche die Huldigung des israelitischen Königs Jehu (845–817 v. u. Z.; 2 Kön 9f.) vor dem assyrischen Großkönig darstellt. Der Vasall hat sich vor dem Oberherrn zu Boden geworfen. Hinter diesem stehen königliche Bedienstete, hinter Jehu assyrische Offiziere sowie, auf den weiteren Teilbildern, dreizehn israelitische Lastträger, die schweren und kostbaren Tribut darbringen. © Z. Radovan/BibleLandPictures.com Unten links: Eines von zehn Reliefbildern an den Bronzetüren, die das Ostportal (die sog. Paradiespforte) des Baptisteriums San Giovanni in Florenz bilden, geschaffen 1424–1452 von Lorenzo Ghiberti (um 1378–1455): Ausschnitt aus der Darstellung ‚Adam und Eva‘; im Mittelpunkt steht die Erschaffung Evas: „Und Gott der HERR baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und brachte sie zu ihm.“ (Gen 2,22) Fotografiert von George Reader. Unten rechts: Detail der von Benno Elkan (1877–1960) geschaffenen Menora vor der Knesset in Jerusalem: Esra liest dem versammelten Volk das Gesetz Moses vor (Neh 8). Die Menora aus Bronze entstand 1956 in London und wurde im selben Jahr von den Briten als Geschenk an den Staat Israel übergeben. Dargestellt sind in insgesamt 29 Reliefs Themen aus der Hebräischen Bibel und aus der Geschichte des jüdischen Volkes.

Beate Ego

Tobit

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2021 Alle Rechte vorbehalten © W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart Print: ISBN 978-3-17-020443-0 E-Book-Formate: pdf: 978-3-17-038585-6 epub: 978-3-17-038586-3 Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Inhalt .................

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Vorwort der Verfasserin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zur Anlage dieser Kommentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Textüberlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synchrone Aspekte der Tobiterzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gliederung und Struktur der Erzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gattung(en) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erzählstil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Figuren der Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Themen: Leitwörter, bedeutende Motive und Motivfelder . . Diachrone Perspektiven der Tobiterzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Literarkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datierung und Entstehungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biblische und außerbiblische Bezüge und traditionsgeschichtliche Aspekte Biblische Referenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerbiblische antikjüdische Traditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Traditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesamtinterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Textgeschichtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kanonizität und Wirkungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kanongeschichtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Buchüberschrift: Tobits Herkunft und seine Exilierung (1,1–2) . . . .

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Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Exposition: Tobits und Saras Leid, ihre Gebete und die Entsendung des Engels (1,3–3,17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort der Herausgeberinnen und Herausgeber

Der Lebensweg des frommen Tobit, seine Verzweiflung und sein Gebet (1,3–3,6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Saras Leid und ihr Gebet (3,7–15) . . . . . . . . . . . . . . . . Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6 Die Erhörung der Gebete Synchrone Analyse . Diachrone Analyse . Synthese . . . . . . . .

Inhalt

und die Entsendung des Engels Rafaël (3,16–17) ..................................... ..................................... .....................................

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a) Planung der Reise und Tobits Lebenslehre (4,1–21) . . . . . . . . . . . . . . . . Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Suche nach einem Reisebegleiter, Vereinbarungen und Abschied (5,1–6,1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ninive nach Ekbatana: ein bedeutsamer Fischfang und die Vorbereitung auf die Begegnung mit Sara (6,2–18) . . . . . . . . . . . . . . . . Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Empfang bei Saras Familie in Ekbatana und Vorbereitungen für die Heirat (7,1–17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Vertreibung des Dämons und eine glückliche Hochzeit (8,1–21) . . . Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rafaël holt das Silber bei Gabaël in Rages (9,1–6) . . . . . . . . . . . . . . . . . Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Heimreise naht (10,1–13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Heimkehr: Tobits Heilung und Saras Ankunft (11,1–18) . . . . . . . . . . Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Verabschiedung Rafaëls: Entlohnung, Mahnungen und Selbstoffenbarung (12,1–22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tobits Lobgesang: Gottes Erbarmen und das neue Jerusalem (13,1–14,1a) Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

145 145 148 150 152

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177 181 191 196

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197 201 208 215

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268 271 282 287 288 292

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Inhalt

7

Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15)

313

Synchrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Diachrone Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Editionsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387

Vorwort der Herausgeberinnen und Herausgeber Der Internationale Exegetische Kommentar zum Alten Testament (IEKAT) möchte einem breiten internationalen Publikum – Fachleuten, Theologen und interessierten Laien – eine multiperspektivische Interpretation der Bücher des Alten Testaments bieten. Damit will IEKAT einer Tendenz in der gegenwärtigen exegetischen Forschung entgegenwirken: dass verschiedene Diskursgemeinschaften ihre je eigenen Zugänge zur Bibel pflegen, sich aber gegenseitig nur noch partiell wahrnehmen. IEKAT möchte eine Kommentarreihe von internationalem Rang, in ökumenischer Weite und auf der Höhe der Zeit sein. Der internationale Charakter kommt schon darin zum Ausdruck, dass alle Kommentarbände kurz nacheinander in englischer und deutscher Sprache erscheinen. Zudem wirken im Kreis der Herausgebenden, Autorinnen und Autoren Fachleute unterschiedlicher exegetischer Prägung aus Nordamerika, Europa und Israel zusammen. (Manche Bände werden übrigens nicht von einzelnen Autoren, sondern von Teams erarbeitet, die in sich bereits multiple methodische Zugänge zu dem betreffenden biblischen Buch verkörpern.) Die ökumenische Dimension zeigt sich erstens darin, dass unter den Mitwirkenden Personen christlicher wie jüdischer Herkunft sind, und dies wiederum in vielfältiger religiöser und konfessioneller Ausrichtung. Zweitens werden bewusst nicht nur die Bücher der Hebräischen Bibel, sondern die des griechischen Kanons (also unter Einschluss der sog. „deuterokanonischen“ oder „apokryphen“ Schriften) ausgelegt. Auf der Höhe der Zeit will die Reihe insbesondere darin sein, dass sie zwei große exegetische Strömungen zusammenführt, die oft als schwer oder gar nicht vereinbar gelten. Sie werden gern als „synchron“ und „diachron“ bezeichnet. Forschungsgeschichtlich waren diachrone Arbeitsweisen eher in Europa, synchrone eher in Nordamerika und Israel beheimatet. In neuerer Zeit trifft diese Einteilung immer weniger zu, weil intensive synchrone wie diachrone Forschungen hier wie dort und in verschiedensten Zusammenhängen und Kombinationen betrieben werden. Diese Entwicklung weiterführend werden in IEKAT beide Ansätze engstens miteinander verbunden und aufeinander bezogen. Da die genannte Begrifflichkeit nicht überall gleich verwendet wird, scheint es angebracht, ihren Gebrauch in IEKAT zu klären. Wir verstehen als „synchron“ solche exegetischen Schritte, die sich mit dem Text auf einer bestimmten Stufe seiner Entstehung befassen, insbesondere auf seiner Endstufe. Dazu gehören nicht-historische, narratologische, leserorientierte oder andere literarische Zugänge ebenso wie die durchaus historisch interessierte Untersuchung bestimmter Textstufen. Im Unterschied dazu wird als „diachron“ die Bemühung um Einsicht in das Werden eines Textes über die Zeiten bezeichnet. Dazu gehört das Studium unterschiedlicher Textzeugen, sofern sie über Vorstufen des Textes Auskunft geben, vor allem aber das Achten auf Hinweise im Text auf seine schrittweise Ausformung wie auch die Frage, ob und wie er im Gespräch steht mit älteren biblischen wie außerbiblischen Texten, Motiven, Traditionen, Themen usw. Die diachrone Fragestellung gilt somit

10

Vorwort der Herausgeberinnen und Herausgeber

dem, was man die geschichtliche „Tiefendimension“ eines Textes nennen könnte: Wie war sein Weg durch die Zeiten bis hin zu seiner jetzigen Form, inwiefern ist er Teil einer breiteren Traditions-, Motiv- oder Kompositionsgeschichte? Synchrone Analyse konzentriert sich auf eine bestimmte Station (oder Stationen) dieses Weges, besonders auf die letzte(n), kanonisch gewordene(n) Textgestalt(en). Nach unserer Überzeugung sind beide Fragehinsichten unentbehrlich für eine Textinterpretation „auf der Höhe der Zeit“. Natürlich verlangt jedes biblische Buch nach gesonderter Betrachtung und hat jede Autorin, jeder Autor und jedes Autorenteam eigene Vorstellungen davon, wie die beiden Herangehensweisen im konkreten Fall zu verbinden sind. Darüber wird in den Einführungen zu den einzelnen Bänden Auskunft gegeben. Überdies wird von Buch zu Buch, von Text zu Text zu entscheiden sein, wie weitere, im Konzept von IEKAT vorgesehene hermeneutische Perspektiven zur Anwendung kommen: namentlich die genderkritische, die sozialgeschichtliche, die befreiungstheologische und die wirkungsgeschichtliche. Das Ergebnis, so hoffen und erwarten wir, wird eine Kommentarreihe sein, in der sich verschiedene exegetische Diskurse und Methoden zu einer innovativen und intensiven Interpretation der Schriften des Alten Testaments verbinden. Die Herausgeberinnen und Herausgeber Im Herbst 2012

Vorwort der Verfasserin Die Tobiterzählung hat in den letzten Dekaden zunehmend das Interesse der Forschung auf sich gezogen. Die Veröffentlichung der Textfunde vom Toten Meer von Joseph Fitzmyer im Jahre 1995 stellte dabei einen wichtigen Faktor dar. Ein weiterer Meilenstein war dann die Publikation der mittelalterlichen jüdischen aramäischen und hebräischen Tobittexte durch Stuart Weeks, Simon Gathercole und Loren Stuckenbruck (2004). Somit wurde die Erforschung des Textes auf eine neue Basis gestellt. Da in der Tobiterzählung zudem Themen und Motive wie „jüdische Identität und Diaspora“, „Magie und traditionelle Medizin“, „Engel und Dämonen“, „Tora“ und „Gebetsfrömmigkeit“ eine bedeutende Rolle spielen, kommt ihr auch in Diskursen im Kontext der antikjüdischen Religionsgeschichte eine Schlüsselposition zu. Ich selbst freue mich, dass ich an der Erforschung dieses Textes nunmehr seit Anfang der 90er Jahre teilnehmen darf und dass ich dabei immer Neues entdecken konnte. Mit der Fertigstellung dieses Kommentars und am Ende eines langen Weges gilt es, Dank zu sagen. An erster Stelle sei hier die VolkswagenStiftung genannt, die meinen Antrag für das Projekt „Historisch-kritische Kommentierung der Tobiterzählung in ihren antik-jüdischen, frühchristlichen und mittelalterlich-jüdischen Versionen“ im Rahmen des Opus Magnum-Förderangebots positiv beschieden hat. Ihre Finanzierung einer Vertretungsprofessur erlaubte es mir, mich über zwei Jahre voll auf die Arbeit an diesem Kommentar zu konzentrieren (10/2016–9/2018). Frau PD Dr. Kathrin Liess, München, hat mich in dieser Zeit in der Lehre so umfassend vertreten, dass der Unterrichtsbetrieb an meinem Lehrstuhl ohne jegliche Einschränkung stattfinden konnte. Dank sei auch der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum sowie der Universitätsleitung für die großzügige Gewährung einer so langen „Auszeit“ vom universitären Alltagsgeschäft. Der Deutschen Bibelgesellschaft, Stuttgart, danke ich für die Genehmigung, den Tobittext aus „Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung, hg. von Wolfgang KRAUS und Martin KARRER, © 2009, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart“ meiner Arbeit zugrunde legen zu dürfen. Dann richtet sich der Blick auf all jene, die an der Arbeit selbst beteiligt waren, allen voran die wissenschaftlichen Hilfskräfte Sophia Daniel, Natalie Gabisch, Richard Jamison, Leonie Stör und Isabell Wolf; ein besonderer Dank geht an Karina Krainer, die das Projekt von Anfang an bis zum Abschluss mit viel Ausdauer und Sorgfalt begleitete. Dank sei auch dem Hauptherausgeber der IEKAT-Reihe Prof. Dr. Walter Dietrich für sein Engagement bei der Betreuung dieser Kommentierung sowie Florian Specker vom Lektorat des Kohlhammer-Verlages für seine Geduld und seinen Zuspruch bei der Fertigstellung des Manuskripts. Schließlich danke ich all denen, die sich im Laufe der langen Zeit, in der diese Kommentierung entstanden ist, für Tobit und seine Familie, für Sara und Asmodäus und den Engel Rafaël interessiert und die mich durch ihre Fragen und ihre Geschichten sowie durch Einladungen zu Workshops und Vorträgen bei meiner Arbeit inspiriert haben. Geleitet war meine Arbeit an dieser Erzählung durch die Faszination für einen Text, in dem viele unterschiedliche Motive der antikjüdischen Vorstellungswelt zusammenfließen und dessen Tradenten immer neue Fa-

12

Vorwort der Verfasserin

cetten ihres Stoffes erschlossen haben, die sowohl für die jüdische als auch für die christliche Tradition sinnstiftend wurden.

Einleitung Zur Anlage dieser Kommentierung Die Tobiterzählung (künftig: Tob) ist sowohl in hebräischer und aramäischer Sprache (so die fragmentarische Überlieferung der Texte von Qumran) bezeugt als auch in drei griechischen (GI, GII und GIII) sowie zwei lateinischen („Vetus Latina“ und „Vulgata“) Versionen. Wegen des fragmentarischen Charakters der Qumrantexte muss eine Kommentierung, die der gesamten Erzählung gerecht werden will, bei der griechischen Überlieferung ansetzen. Da die Langform GII, die hauptsächlich durch Ms. Sinaiticus belegt ist, die älteste und so gut wie vollständige Version der Erzählung repräsentiert und die dort fehlenden Abschnitte 4,7–19b und 13,6c–10 sich mit Hilfe des Kurztextes GI und der Vetus Latina relativ einfach rekonstruieren lassen,1 soll diese Version in der vorliegenden Kommentierung zum Ausgangspunkt genommen werden.2 Als Basis meiner Übersetzung diente die Übersetzung des Tobittextes in „Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung“, hg. von Wolfgang KRAUS und Martin KARRER, © 2009, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. Soweit keine gesonderten Verweise erfolgen, beziehen sich die Stellenangaben auf den Langtext, also die Version GII; die dort fehlenden Verse 4,7–19b und 13,6c–10 wurden rekonstruiert. Die Versangaben orientieren sich an der Septuaginta-Ausgabe von Robert HANHART (1983). Die einzelnen Abschnitte der Kommentierung sind wie folgt gegliedert: Nach einer Übersetzung des Textes nach der Version GII folgen zunächst Anmerkungen zur Übersetzung, in die knappe Hinweise zum Kurztext GI sowie zur Qumranüberlieferung und zur Vulgata eingeschlossen sind. Ziel dabei ist es, inhaltlich relevante Abweichungen knapp zu benennen. Um den Umfang dieses Kommentars in einem überschaubaren Rahmen zu halten, muss im Hinblick auf eine ausführliche Darbietung dieser Textversionen und ihrer einschlägigen Übersetzungen auf die bereits vorliegenden und leicht zugänglichen Publikationen verwiesen werden: Eine umfassende Präsentation aller Qumrantexte mit einem philologischen Fokus bieten Joseph FITZMYER3 und Michaela HALLERMAYER4. Der Kurztext GI findet sich in Septuaginta Deutsch (2009)5 und die Überlieferung der Vulgata bietet die jüngst erschienene Übersetzung in der Reihe TVSCVLVM6. Die weiteren Ausführungen zum Text orientieren sich an dem durch die Kommentarreihe „Internationaler exegetischer Kommentar zum Alten Testament“ vorgegebenen Format und differenzieren deutlich zwischen einer synchronen und diachronen Betrachtung der Texte.7 Un1 2 3 4 5 6 7

Hierzu WEEKS, Restoring; DERS., Reconstructing. Alle Versangaben ohne weiteren Zusatz beziehen sich auf GII, die in Ms. Sinaiticus fehlenden Verse wurden rekonstruiert. FITZMYER, Tobit (DJD); siehe auch den Kommentar des Autors. HALLERMAYER, Text. Eine Auflistung der Varianten von GIII findet sich bei WEEKS, Third Greek Version. Hilfreich ist auch die Einbeziehung von SKEMP, Vulgate. Siehe hierzu das Vorwort der Herausgeber.

14

Einleitung

ter der Überschrift „Synchrone Analyse“ fragt der erste Hauptteil der Kommentierung vornehmlich nach der Struktur des Textes, der Erzählweise, nach wichtigen Motiven und der theologischen Aussage, wie sie dem Text unmittelbar entnommen werden können. Ein weiterer Hauptteil untersucht dann diachrone Aspekte des Textes. Da eine Kommentierung der Gesamterzählung mit einem Übersetzungstext arbeiten muss, erlaubt die Überlieferung des Buches nur begrenzt literarkritische Schlüsse. Vor diesem Hintergrund verzichtet die hier vorliegende Arbeit im Kommentarteil auf eine kleinteilige Literarkritik und bietet vor allem in der Einleitung einige grundlegende Informationen zu diesem Aspekt und ein „großflächiges“ Modell zur Literargeschichte. Umso aufschlussreicher sind im Hinblick auf die diachrone Struktur der Überlieferung jedoch die Bezüge zu älteren biblischen Texten sowie die traditionsgeschichtlichen Kontexte. Eine Synthese wird am Ende eines jeden Kapitels die vorangehenden Darlegungen zu einem knappen Gesamtbild zusammenfassen. Die wichtigsten Einsichten zur Entwicklung vom Langtext GII zum Kurztext GI, zur Vulgata und zu nach-antiken jüdischen Überlieferungen werden, um den Umfang des Kommentars nicht zu sprengen, zusammenfassend in der Einleitung präsentiert. Eine durchgehende inhaltliche Kommentierung der Vulgata sowie eine ausführliche Präsentation der nach-antiken Texte und ihrer textgeschichtlichen Entwicklungen muss späteren Studien vorbehalten bleiben. Somit liegt der Schwerpunkt der Kommentierung selbst – neben einer synchronen Betrachtung – auf der Traditionsgeschichte, wohingegen der Einleitungsteil neben den üblichen sog. „Einleitungsfragen“ auch wichtige textgeschichtliche Entwicklungen in ihren inhaltlichen Dimensionen behandelt. Seit der Publikation der Fragmente aus Qumran ist das Interesse an Tob stetig gestiegen.8 Da diese Kommentierung in einem überschaubaren Umfang gehalten werden musste, war es mir nicht möglich, die zahlreichen Arbeiten zu Tob alle ausführlich zu diskutieren und zu würdigen. Allen Kolleginnen und Kollegen sei an dieser Stelle herzlich für ihre Beiträge gedankt, auch wenn nicht immer explizit auf diese verwiesen werden konnte.

Einführung Das Tobitbuch erzählt die Geschichte des frommen und gerechten Tobit, der nach der assyrischen Eroberung in der Diaspora leben muss, dort unverschuldet erblindet und auf wundersame Art und Weise durch göttliche Hilfe, vermittelt durch einen Engel, geheilt wird. Dieser Handlungsstrang wird parallelisiert mit der Geschichte der Sara, die sich auch ihrerseits in größter Not befindet, da ein böser Dämon bereits sieben Männer, die sie heiraten wollten, vor der Hochzeit getötet hat, weshalb sie nun Schmach und Hohn ausgesetzt ist. Gott entsendet den Engel Rafaël, der – inkognito in Gestalt des jungen Mannes Azarias – wiederum Tobias, 8

Siehe die einschlägigen Forschungsüberblicke von MOORE, Scholarly Issues (1989); SPENCER, Recent Research (1999); PERRIN, Almanac (2014).

Textüberlieferung

15

den Sohn Tobits, anweist, Herz, Leber und Galle eines Fisches einzusetzen, um Tobit und Sara von ihren Leiden zu befreien. Tobias und Sara werden zudem ein Paar und können somit das Gebot der Endogamie, das für den Erzähler ein wichtiger Bestandteil des Mosegesetzes ist, erfüllen. Letztlich aber wird die Rückkehr ins Heilige Land und in die herrlich erbaute Stadt Jerusalem erwartet. Das individuelle Schicksal der Protagonisten dient als Paradigma für das Geschick des Volkes und fungiert als Beispielgeschichte für dessen Erlösung.

Textüberlieferung Die Textüberlieferung des Buches ist komplex. Außer den hebräischen bzw. aramä- Überblick ischen Qumranfragmenten liegen drei verschiedene griechische Textformen vor (der sog. Kurztext GI, der Langtext GII und eine Mischform GIII). Zu den älteren Übersetzungen gehören – neben einer syrischen, sahidischen, äthiopischen und armenischen Version – auch zwei lateinische Fassungen: die Vetus Latina und die Vulgata des HIERONYMUS. Während die Vetus Latina große Ähnlichkeiten mit dem Langtext GII aufweist, hat die Übersetzung des HIERONYMUS bei aller Nähe zur Vetus Latina eine ganz eigene Prägung. Darüber hinaus existieren noch fünf spätere, hebräische Textversionen sowie eine aramäische, die sich z. T. bis ins Mittelalter zurückverfolgen lassen. Es handelt sich um Rückübersetzungen der griechischen bzw. lateinischen Texte, die die Überlieferung frei gestalten.9 Die Qumranfunde konnten eindeutig belegen, dass die Erzählung ursprünglich Qumran in einer semitischen Sprache verfasst wurde. So wurden im Jahre 1952 in Höhle 4 zahlreiche Einzelfragmente des Textes in aramäischer und hebräischer Sprache gefunden. Insgesamt handelt es sich um vier aramäischsprachige bruchstückhaft erhaltene Rollen (1–4) sowie ein hebräischsprachiges fragmentarisches Manuskript (5): 1. 2.

3.

4.

9

4QpapToba ar (4Q196) ist auf Papyrus in späthasmonäischer Schrift geschrieben und auf ca. 50 v. Chr. zu datieren. Hier konnten 20 Fragmente von unterschiedlicher Länge identifiziert werden; 30 Teile sind unidentifiziert. 4QTobb ar (4Q197) ist auf braune Lederfragmente geschrieben. Diese Abschrift wurde in frühherodianischer Formalschrift verfasst und kann in die Zeit zwischen ca. 25 v. Chr. und 25 n. Chr. datiert werden. Von dieser Kopie konnten fünf Fragmente identifiziert werden; zwei blieben unidentifiziert. 4QTobc ar (4Q198) besteht aus zwei Fragmenten auf dünnem gegerbtem Leder. Die Schrift kann als späthasmonäische oder frühherodianische „book hand“ mit einigen semikursiven Elementen klassifiziert werden und ist zeitlich ungefähr um 50 v. Chr. anzusetzen. Die beiden Fragmente enthalten anscheinend Teile von Tob 14; allerdings kann das zweite nicht klar zugeordnet werden. 4QTobd ar (4Q199) wird von zwei Einzelfragmenten auf braunem Leder repräsentiert. Der Text ist in hasmonäischer Schrift geschrieben und kann auf ca. Die Forschungsliteratur zur Textgeschichte des Tobitbuches kann hier nur exemplarisch aufgenommen werden; zum Ganzen siehe die Zusammenstellung bei EGO, Art. Tobit. Aramaic (Ancient), sowie DIES., Art. Tobit. Hebrew (Ancient).

16

5.

Einleitung

100 v. Chr. datiert werden. Es handelt sich damit um den ältesten uns erhaltenen Text des Tobitbuches. 4QTobe hebr (4Q200), das einzige hebräischsprachige Fragment, besteht aus neun Einzelfragmenten auf Leder. Die Schrift kann als frühe herodianische „formal hand“ bezeichnet werden, die zwischen ca. 25 v. Chr. bis 25 n. Chr. anzusetzen ist. Es sind insgesamt 11 Fragmente enthalten; die Identifizierung von zwei Fragmenten ist unsicher.

Überblick über die Qumranfragmente 4Q196–200 4QpapToba ar

4QTobb ar

1

1,17

2

1,19–2,2

3

2,3

4

2,10–11

5

3,5

6

3,9–15

7

3,17

8

4,2

9

4,5

10

4,7

11

4,21–5,1

2

4,21–5,1

12

5,9

3

5,12–14

13

6,6–8

4i

5,19–6,12

14 i 6,13–18

4 ii

6,12–18

14 ii 6,18–7,6

4 iii 6,18–7,10

1

4QTobc ar

4QTobd ar

3,6–8

4QTobe hebr

1i

3,6

1 ii

3,10–11

2

4,3–9

3

5,2

4

10,7–9

5

11,10–14

17 i 12,18–13,6

6

12,20–13,4

17 ii 13,6–12

7i

13,13–14

7 ii

13,18–14,2

8

?

9

3,3–4

1 15

5

16

7,11

7,13 8,17–9,4

12,1

18

13,12–14,3

1

14,2–6

19

14,7

2

14,10 (?)

20–49 ?

6–7

?

2

14,10

Schließlich existiert noch ein Fragment Schøyen Ms. 5234 zu Tob 14,3–6.

Textüberlieferung

17

Die Fragmente aus Qumran weisen einige Charakteristika auf, die für die Schreiberpraxis in Qumran typisch sind. Das Aramäische wird als Mittelaramäisch klassifiziert, das anderen nichtbiblischen Texten aus Qumran, wie z. B. dem GenesisApokryphon oder dem Hiobtargum, ähnelt und in die Zeit zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und dem Anfang des 2. Jh.s n. Chr. zu datieren ist. Die Sprache des hebräischen Fragments stellt dagegen ein Beispiel eines spät-nachexilischen Hebräisch dar. Ein viel diskutiertes Problem seit der Entdeckung dieser Fragmente ist die Frage, welche Textform – die aramäische oder die hebräische – als Original anzusehen ist. Erschwerend für eine Entscheidung ist das Faktum, dass zwar 20 Prozent des aramäischen, aber nur sechs Prozent des hebräischen Textes erhalten sind und es nur wenige Überlappungen der beiden Überlieferungen gibt, sodass ein direkter Vergleich längerer Passagen nicht möglich ist. Insgesamt hat sich in den letzten Jahren die Tendenz zu der Annahme, dass die Erzählung zunächst auf Aramäisch verfasst und dann ins Hebräische übersetzt wurde, verstärkt. Als wichtiges Argument kann angeführt werden, dass die Erzählung aufgrund zahlreicher Motivparallelen als Bestandteil eines breiteren Korpus aramäischer Texte aus der Zeit des Zweiten Tempels verstanden werden kann.10 Durch die Übersetzung des Textes ins Hebräische erhielt das Buch eine größere Autorität.11 Als weitere Stufe der Textgeschichte lässt sich die Erzählung in den griechi- Die griechischen Versischen Versionen greifen, nämlich in – – –

GI – repräsentiert durch den Codex Vaticanus (4. Jh.), den Codex Alexandrinus (5. Jh.) und den Codex Venetus (8. Jh.) sowie durch eine Anzahl von Minuskelhandschriften; GII – repräsentiert durch den Codex Sinaiticus (4. Jh.; es fehlen 4,7–19b und 13,6i–10b) sowie die Minuskelhandschrift 319 (3,6–6,16), GIII – repräsentiert durch die Handschriften 106 und 107 (auf 6,9–12,22 beschränkt).12

Seit der Entdeckung des Codex Sinaiticus in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Frage nach dem Verhältnis von GI zu GII zum zentralen Thema der Tobitforschung. Nach langer Diskussion13 hat sich in den letzten Jahren vor dem Hintergrund, dass die Qumrantexte im Wesentlichen der Form des Langtextes entsprechen, zunehmend der Konsens durchgesetzt, dass GII die ältere Textform darstellt, die in GI überarbeitet wurde. Die sprachliche Grundtendenz dieser Revision besteht in einer Kürzung des 10 Zu den Fragmenten aus Qumran siehe die Erstedition FITZMYER, Tobit (DJD); HALLERMAYER, Text; WEEKS/GATHERCOLE/STUCKENBRUCK, Book of Tobit, 29–31; für das Fragment aus der Sammlung Schøyen siehe HALLERMAYER/ELGVIN, Schøyen Ms. 5234. Zur Forschungsgeschichte PERRIN, Almanac, 108f.; siehe auch EGO, Art. Tobit. Aramaic (Ancient); DIES., Art. Tobit. Hebrew (Ancient). 11 PERRIN, Scripturalization. 12 Für eine Beschreibung der griechischen Versionen siehe HANHART, Tobit, 31–36; DERS., Text und Textgeschichte, 22–72; sehr hilfreich ist auch HALLERMAYER, Text, 8–11, sowie WAGNER, Tobit-Synopse, xiii–xvi; siehe auch HAUSPIE, Tobit; SCHWARTZ, Remarques littéraires. 13 Siehe hierzu den Überblick bei WEEKS, Reconstructing, 1–4, sowie die Hinweise auf die ältere Forschungsgeschichte bei EGO, Tobit (JSHRZ VI/1.2), 120–122; wichtig sind u. a. NICKLAS, Vielfalt; THOMAS, Greek Text, sowie SIMPSON, Chief Recensions.

onen

18

Lateinische Versionen Vetus Latina

Vulgata

Weitere antike Übersetzungen

Einleitung

Textes sowie in seiner Glättung, welche die stark semitisierende Sprachform von GII in ein flüssigeres Griechisch umarbeitet. GIII wiederum kann als eine gegenüber GI und GII nochmals sekundäre Textform bestimmt werden, die grundsätzlich GII zuzuordnen ist, aber auch Textelemente von GI übernommen hat.14 Allerdings gibt es auch Fälle, bei denen die Überlieferung von Qumran mit der Überlieferung von GI zusammengeht. Dies deutet darauf hin, dass die uns vorliegenden Texte der Version GII nicht deren älteste Version repräsentieren, sondern bereits eine spätere Abschrift eines nicht mehr vorhandenen Originals darstellen, in welche sich im Überlieferungsprozess kleine Veränderungen eingeschlichen haben. Ob diese frühere griechische Version eine hebräische oder aramäische Vorlage hatte, kann wegen der geringen Textbezeugung nicht entschieden werden.15 Die griechischen Texte bilden wiederum die Grundlage für die lateinischen Versionen. Die Vetus Latina, von der bislang keine kritische Edition vorliegt, setzt GII als Vorlage voraus16 und spielt deshalb für die Rekonstruktion von GII eine bedeutende Rolle. Wichtige alte Handschriften sind u. a. Codex Regius 3564, die Alcalà-Bibel und Codex Reginensis 7.17 Als weitere lateinische Übersetzung ist die Vulgata des HIERONYMUS aus dem Jahre 404 zu nennen. Nach seinem eigenen Zeugnis, das er in der dazugehörenden Vorrede gibt, entstand diese Übersetzung an einem einzigen Tag. Ein Dolmetscher übertrug den Text vom Aramäischen ins Hebräische, aus welchem HIERONYMUS dann ins Lateinische übersetzte. Diese Schilderung erklärt den paraphrastischen Charakter des Textes, der sowohl zu den aramäischen Texten aus Qumran als auch zu den griechischen Versionen häufig große Differenzen aufweist. Wenn die Vulgata aber oft eine große Nähe zu der Vetus Latina zeigt, so wird deutlich, dass sich HIERONYMUS bei seiner Arbeit auch dieser als Vorlage bediente.18 Neben den griechischen und lateinischen Übersetzungen liegt noch eine Reihe weiterer alter Übersetzungen ins Syrische, Koptische, Äthiopische, Armenische, Georgische und Arabische vor. Die syrische Version ist ein Mischtext aus allen drei griechischen Versionen mit z. T. ganz eigenständigen Traditionen.19 Für die ande-

14 Zu GIII siehe HANHART, Text und Textgeschichte, 44f.; siehe auch HALLERMAYER, Text, 10, sowie WAGNER, Tobit-Synopse, xiv–xvi; WEEKS, Third Greek Version. 15 Zum Ganzen HALLERMAYER, Text, 179–182. 16 HALLERMAYER, Text, 11f. (Lit.); HANHART, Tobit, 12–14. 17 So die Auswahl bei WEEKS/GATHERCOLE/STUCKENBRUCK, Book of Tobit, 21–26; weitere Belege bei HANHART, Tobit, 11–14. Eine Edition wird derzeit von J.-M. AUVERS (Löwen/ Belgien) vorbereitet; siehe AUWERS, La tradition vieille latine. 18 So SKEMP, Vulgate, 368, zur Vulgata siehe auch GAMBERONI, Auslegung, 74f.; HANHART, Tobit, 14f. Weiterführend zur Übersetzung des HIERONYMUS siehe GALLAGHER, Why Did Jerome Translate Tobit and Judith. 19 Zur syrischen Überlieferung siehe FITZMYER, 14f.; HANHART, Tobit, 17; LEBRAM, Peschitta; BUKOVEC, Woher stammt Tobit 13. BUKOVEC setzt sich hier mit der These LEBRAMs auseinander, wonach die syrische Version von Tob 13 mit ihrer Sonderüberlieferung die Vorlage für die anderen Versionen des Kapitels sein soll. Dabei kommt er auf der Basis einer vergleichenden Analyse zu dem Schluss, dass dieses Kapitel eine „derivative translation“ darstellt, welche die Tendenz hat, einen früheren, heute aber unbekannten Text zu kürzen und zu harmonisieren.

Gliederung und Struktur der Erzählung

19

ren Überlieferungen spielt GI als Vorlage eine wichtige Rolle, aber auch andere Lesarten (GIII und auch GII) konnten einfließen.20 Schließlich existieren noch mehrere nach-antike hebräische sowie eine aramäische Version der Erzählung aus mittelalterlicher bzw. noch späterer Zeit, nämlich „Hebraeus Münster“ (1542; basierend auf Ms. Konstantinopel 1516), „Hebraeus Fagius“ (1542; nach Ms. Konstantinopel 1519), „Hebraeus Londini“ (ed. Gaster 1897; nach dem Ms. der British Library, Add. 11639, 13. Jh.); „Hebrew Gaster“ (ed. Gaster 1897, nach einem verloren gegangenen Manuskript aus dem 15. Jh. von Gaster selbst erstellt [Codex Or. Gaster 28]) und Ozar ha-Qodesch (Druck Lemberg 1851, Manuskript unbekannt) sowie einer aramäischen Version (ed. Neubauer 1878; nach Bodleian Hebrew Ms. 2339).21 Diese Texte, die keine direkten Fortführungen der alten semitischsprachigen Tradition darstellen, sondern vielmehr freie Rückübersetzungen aus dem Griechischen bzw. Lateinischen sind, zeigen sowohl midraschähnliche Erweiterungen als auch paraphrastische Verkürzungen und Auslassungen.22

Synchrone Aspekte der Tobiterzählung Gliederung und Struktur der Erzählung Vor dem Hintergrund, dass der Langtext GII die älteste uns vorliegende und fast vollständige Fassung der Erzählung bietet, wird diese die Basis für die vorliegende Kommentierung bilden. Die Geschichte lässt sich in Buchüberschrift, Exposition, Hauptteil und Epilog gliedern: 1,1–2

Die Buchüberschrift: Tobits Herkunft und seine Exilierung

1,3–3,17 Die Exposition: Tobits und Saras Leid, ihre Gebete und die Entsendung des Engels 1,3–3,6 Der Lebensweg des frommen Tobit, seine Verzweiflung und sein Gebet 1,3 Tobits Lebensmotto: Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit 1,4–9 Tobits toratreues Leben im Land 1,10–2,1a Tobits Barmherzigkeitstaten im Exil und seine Verfolgung 20 Zu diesen Versionen vgl. HANHART, Tobit, 18–20; zum Ganzen siehe auch die entsprechenden Artikel in „Textual History of the Hebrew Bible“, die die Zusammenhänge detailliert aufarbeiten. 21 Vgl. die Zusammenstellung des Materials in der 2004 erschienenen Edition von WEEKS/ GATHERCOLE/STUCKENBRUCK, Book of Tobit, 2–333 (Text); 336–413 (Anmerkungen); ibid., 30–46, findet sich auch ein kurzer Überblick zu den einzelnen Versionen; siehe auch EGO, Art. Tobit. Hebrew (Medieval); DIES., Tobit. Aramaic (Medieval) (mit einem ausführlichen Rekurs auf die Forschungsgeschichte), sowie SKEMP, Medieval Hebrew (H5). 22 Für Grundlinien siehe die Ausführungen im Abschnitt „Textgeschichte“; eine umfassende Präsentation und Diskussion des Materials ist einem eigenen Forschungsprojekt vorbehalten.

Die nachantiken jüdischen Überlieferungen

20

Einleitung

2,1b–10 2,11–14 3,1–6

Die Bestattung eines Landsmanns und Tobits Erblindung Der Streit mit Hanna Tobits Verzweiflung und sein Gebet

3,7–15 Saras Schicksal und ihr Gebet 3,7–10 Saras Leben: Vom Dämon heimgesucht und von einer ihrer Mägde verspottet 3,11–15 Saras Verzweiflung und ihr Gebet 3,16–17

Die Rettung naht: Die Entsendung des Engels Rafaël

4,1–14,1a

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen 4,1–21 Planung der Reise und Tobits Lebenslehre 4,1–2 Tobit erinnert sich an das Silber bei Gabaël 4,3–21 Tobits Lebenslehre 5,1–6,1 Suche nach einem Reisebegleiter, Vereinbarungen und Abschied 5,1–17a Suche nach einem Reisebegleiter und Vereinbarungen 5,17b–6,1 Die Verabschiedung und Hannas Schmerz 6,2–18

Von Ninive nach Ekbatana: ein bedeutsamer Fischfang und die Vorbereitung auf die Begegnung mit Sara 6,2–9 Am Tigris: ein bedeutsamer Fischfang 6,10–18 Das Gespräch über die Begegnung mit Sara: Heirat und Dämonenvertreibung

7,1–17

Der Empfang bei Saras Familie in Ekbatana und die Vorbereitungen für die Heirat 7,1–9a Ankunft und Empfang bei Saras Familie 7,9b–17 Vorbereitungen für eine außergewöhnliche Eheschließung

8,1–21 Die Vertreibung des Dämons und eine glückliche Hochzeit 8,1–18 Die Hochzeitsnacht mit der Vertreibung des Dämons 8,19–21 Das Antrauungsmahl 9,1–6

Rafaël holt das Silber bei Gabaël in Rages

10,1–13 Die Heimreise naht … 10,1–7a In Ninive: Tobits und Hannas Sorge um Tobias 10,7b–13 In Ekbatana: Die Verabschiedung von Tobias und Sara 11,1–18 Die Heimkehr: Die Heilung Tobits und die Ankunft Saras 11,1–15 Tobias’ Wiedersehen mit den Eltern und die Heilung Tobits 11,16–18 Der Empfang Saras und die Hochzeitsfeier

21

Gliederung und Struktur der Erzählung

12,1–22

Die Verabschiedung Rafaëls: Entlohnung, Mahnungen und Selbstoffenbarung 12,1–5 Die Entlohnung des Reisebegleiters 12,6–22 Rafaëls Abschiedsrede und seine Offenbarung

13,1–14,1a Tobits Lobgesang: Gottes Erbarmen und das neue Jerusalem 13,1–8 Lobpreis des Erbarmens Gottes unter den Völkern 13,9–14,1a Der Jubel im Neuen Jerusalem und Schluss 14,1b–15 Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung 14,1b–11 Tobits Abschiedsrede, Tod und Begräbnis 14,12–15 Bis zum Tod des Tobias: Das Ende des Exils naht! In ihrem Hauptteil weist die Erzählung eine konzentrische Struktur23 auf: Überschrift

1,1–2

Buch der Geschichte …; Genealogie Tobits

Exposition

1,3–3,17

Tobits und Saras Not und der Heilsplan Gottes

4,1–21

Lebenslehre Tobits für Tobias als Abschiedsrede vor seiner Reise, um das Geld bei Gabaël zu holen

5,1–6,1

Suche eines Reisebegleiters, Lohnvereinbarungen und Verabschiedung

6,2–8,17

Auf dem Weg von Ninive nach Ekbatana, Fischfang, Vertreibung des Dämons und Antrauungsmahl mit Sara

A

B

C

D C'

B'

A' Epilog

9,1–6

Rafaël holt das Geld bei Gabaël

10,1–11,19

Gespräche über die Heimkehr, Rückreise von Ekbatana nach Ninive, Heilung Tobits und Hochzeitsfeier

12,1–22

Das Entlohnungsangebot für den Reisebegleiter und die Selbstvorstellung des Engels

13,1–14,1a

Tobits Lobgesang

14,1b–15

Lebenserfüllung und Vermächtnis

23 Diese Gliederung stellt eine Weiterentwicklung der von ENGEL vorgeschlagenen Gliederung dar. ENGEL, Buch Tobit, 352–354, stellt 7,9b–10,13 unter der Überschrift „Die Hochzeitsfeier in Ekbatana“ als Abschnitt „D“ ins Zentrum. Der Hauptteil besteht aus A „Entsendungsplan und Lebenslehre / Testament Tobits für Tobias“ (4,1–21), B „Suche eines Reisebegleiters, Vereinbarungen und Abschied“ (5,1–6,1), C „Die Reise von Ninive nach Ekbatana“ (6,2–7,9a), C’ „Die Heimreise von Ekbatana nach Ninive (11,1–19), B’ „Entlohnungsangebot an den ‚Reisebegleiter und dessen Selbstvorstellung (12,1–22) sowie A’ „Der Lobgesang Tobits“ (13,1–18).

22

Einleitung

Gattung(en) Die Geschichte kann als eine romanhafte Lehrerzählung mit stark didaktischer Tendenz24 bezeichnet werden. Sie weist im Kernteil Tob 2–12 zahlreiche volkstümliche, humoristische Elemente auf;25 durch die Rahmung in Tob 1; 13 und 14 wird der Ton dann aber weitaus ernster. Die kunstvolle Verschränkung der Handlungsstränge sowie das Motiv der Zusammenführung der beiden Liebenden erinnert an die Gattung des hellenistischen Romans. Allerdings ist die Erzählung im Gegensatz zu den klassischen Beispielen dieser Gattung sehr zurückhaltend im Hinblick auf die Darstellung der Sexualität. Auch das Thema der Zusammenführung der Liebenden ist hier abgewandelt, denn für den hellenistischen Roman ist es typisch, dass die Liebenden getrennt werden, um dann nach vielen Abenteuern und Gefahren wieder zusammenzufinden.26 Diese komplexe Erzählung enthält wiederum weitere literarische Formen, die in die Redeelemente eingebaut sind: Hier ist an erster Stelle Tobits Testament (4,3–19) zu nennen, das aus einer Ansammlung von weisheitlichen Ermahnungen und Sentenzen besteht, sowie – ganz ähnlich im Duktus – die Offenbarungsrede des Engels (12,6–20). Testamentähnlichen Charakter haben auch Tobits Worte kurz vor seinem Tod (14,3–11), wobei hier aber neben den weisheitlichen Ermahnungen zum Tun der Barmherzigkeit (mit dem Verweis auf Achikar als eine Art Beispielgeschichte) (14,8–11) auch ein eschatologischer Geschichtsausblick (14,4–7) enthalten ist. Als weitere eigenständige Gattung erscheinen Gebete und Dankeshymnen (3,2–6.11–15; 8,5–8.15–17; 13,1–18; siehe unten zu „Wichtige Motive“), die in die Handlung integriert sind und die Protagonisten charakterisieren. Dabei kommt dem Dankeshymnus (13,1–18), der wiederum aus zwei Teilen (Diaspora- und Jeru24 So ENGEL, Buch Tobit, 359; WILLS, Jewish Novel, 92; siehe auch DAVIES, Didactic Stories; für einen Überblick zur Forschung siehe DESELAERS, Buch Tobit, 261–279, wo die verschiedenen Vorschläge zur Gattung des Buches (z. B. Midrasch, Lehrerzählung, Legende, Märchen, Novelle, Roman) vorgestellt und diskutiert werden (Lit.); siehe auch MÜLLER, Die weisheitliche Lehrerzählung, 77–98; FITZMYER, 34, spricht von „Kleinliteratur“. 25 Siehe WILLS, Jewish Novel, 73–76.91–92. Die ältere Literatur hat vor allem auf die Nähe zum Motiv des „Dankbaren Toten“ verwiesen; siehe hierzu ausführlich DESELAERS, Buch Tobit, 268–270.280–292 (Lit.). BLENKINSOPP, Biographical Patterns, 38, war der Erste, der versuchte, die Klassifikation des Volksmärchens, wie sie von dem russischen Formalisten Vladimir PROPP (1895–1970) entwickelt wurde, auf Tob anzuwenden; siehe hierzu kritisch MILNE, Folktales and Fairy Tales, 46–52; SOLL, Tobit and Folklore Studies, 39–53. Zum Ganzen siehe auch LINDBECK, Brides Who Challenge Death. Weiterführend zu Folkloreelementen bei Tobit siehe HARARI, Art. Tobit, 524f. Zur Rezeption der Erzählung in der mittelalterlichen jüdischen Volksliteratur siehe ebenfalls LINDBECK, Brides who Challenge Death. 26 Zum Bezug zum hellenistischen Roman siehe WILLS, Jewish Novel, 79; ibid., 76–83.91–92; ferner BAUTCH, Responses to Hegemony, 158–160; kritisch zu dieser These äußert sich JOHNSON, Historical Fictions, 9–55. Allgemein zur Gattung des hellenistischen Romans WILLS, Jewish Novellas in a Greek and Roman Age. Eine ausführliche Behandlung der Thematik erfolgt jetzt in der Studie von USENER, LXX und ihre Vernetzung. Ich danke dem Autor sehr herzlich, dass er mir das zum Zeitpunkt der Arbeit an meinem Kommentar noch unveröffentlichte Manuskript seines Beitrags zur Verfügung gestellt hat.

Erzählstil

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salemhymnus) besteht, aufgrund seines Umfangs und seiner exponierten Position am Ende der Erzählung besondere Bedeutung zu.

Erzählstil Für den Großteil der Geschichte ist der Stil szenischen Erzählens, der vor allem aus kürzeren Dialogen besteht, vorherrschend. Durch dieses Stilmittel kommen Erzählzeit und erzählte Zeit oft zur Deckung und so wird die Leserschaft schnell in die Handlung hineingenommen. Darüber hinaus enthält die Erzählung aber auch längere Redeeinheiten (3,1–6; 4,3–21; 12,6–20; 13,1b–18; 14,3–11).27 Die Rahmenteile Tob 1,3–22 und 14,1–15 haben eher summarischen Charakter, insofern hier ein weit gespannter Rückblick auf Tobits Leben gegeben wird. Auffällig ist der Erzählerwechsel. Das Buch beginnt nach der Überschrift (1,1–2) mit der IchErzählung des alten Tobit (ab 1,3) und wechselt dann, wie es der Stoff erfordert, mit der Geschichte der Sara in die 3. Pers. (3,7). Diese Perspektive wird bis zum Buchende beibehalten. Man hat überlegt, diesen Wechsel literarkritisch zu erklären (siehe unten Diachronie), allerdings kongruiert der Erzählerwechsel nicht mit gängigen literarkritischen Modellen. Außerdem kennen auch andere frühjüdische Erzählungen (so Esr, Neh, GenAp) einen solchen Wechsel der Erzählperson.28 Wenn ab Tob 3,7 einerseits ein Erzähler spricht, der einen deutlichen Wissensvorsprung gegenüber seinen Figuren hat, und andererseits auch häufig – durch den szenischen Erzählstil – die Figurenstimmen zu hören sind, die von den metaphysischen Hintergründen des Geschehens zunächst ja noch nichts wissen, so zeigt die Geschichte insgesamt eine ironische Komponente – so insbesondere, wenn von der Begleitung eines „guten Engels“ (vgl. 5,22) die Rede ist. Vor allem die Kernerzählung Tob 2–12 enthält solche Momente, zu denen auch die Episode vom Ausheben des Grabes während der Hochzeitsnacht gehört (8,9f.).29 Die Erzählung weist eine ganz besondere Art der Spannung auf, die man als „anticipatory suspense“ bezeichnet hat. Im Gegensatz zur „suspense of uncertainty“, bei der der Ausgang der Ereignisse tatsächlich noch offen erscheint, ist ab Tob 3,16–17 mit der Nachricht von der Entsendung des Engels klar, dass die Geschichte mit der Heilung Tobits und Saras enden wird. Offen – und auch das erzeugt natürlich wieder Spannung – bleibt allerdings, wie dies im Einzelnen ge27 Eine detaillierte narratologische Analyse, die zwischen den Rahmenreden und den Erzählteilen differenziert und zudem deren gegenseitige Bezogenheit ausleuchtet, bietet RAUTENBERG, Verlässlichkeit des Wortes. Für einen narratologischen Zugang zur Erzählung siehe DI PEDE, Lecture narrative. Zur Rolle des Erzählers siehe auch NOWELL, Narrator. 28 Hierzu MILLER, Genesis Apocryphon; NOVICK, Liturgy and First Person Narratives. 29 Zum Erzählmittel der Ironie siehe MCCRACKEN, Narration and Comedy, 410–415, der insgesamt die Komik des Buches unterstreicht. Allerdings hat man manchmal den Eindruck, dass er dieses Element zu stark in den Vordergrund stellt, so z. B. wenn er die Betonung familiärer Strukturen als komisches Element verstehen will; kritisch zu MCCRACKEN äußern sich auch COUSLAND, Comedy, 536–553, und SCHELLENBERG, Suspense, 314. Vgl. ferner NOWELL, Irony.

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schehen soll, und die Kunst des Erzählers besteht dabei nicht zuletzt darin, die beiden Lebensfäden von Tobit und Sara miteinander zu verknüpfen.30 Typisch für die Erzählweise des Buches ist es auch, bestimmte Ereignisse, die sich zeitgleich zutragen, nebeneinander zu stellen. Das beste Beispiel hierfür ist die „Parallelschaltung“ der Geschicke Tobits und Saras, die beide in ihrem jeweiligen Gebet kulminieren (1,3–3,6; 3,7–15) und die mit der Entsendung des Engels zusammengeführt werden (3,16f.). Darüber hinaus wird auch von der Hochzeitsnacht sowohl in der Innen- als auch in der Außenperspektive erzählt (8,1–18), und schließlich thematisiert Tob 10,1–13 die Heimkehr Tobias’ sowohl aus dem Blickwinkel seiner Eltern als auch aus dem der Brauteltern. Die kunstvolle Verflechtung der verschiedenen Erzählstränge sowie ihre Zusammenführung können als Stilmittel verstanden werden, das die göttliche Führung des Geschehens zum Ausdruck bringt.31 Sehr gerne gibt der Erzähler auch einen Einblick in die Gefühlswelt und die Emotionen der Protagonisten und bietet somit in rezeptionsästhetischer Hinsicht das Identifikationspotential, das der Leserschaft die mentale Partizipation an dem Geschehen ermöglicht.32

Figuren der Handlung Im Zentrum der Erzählung stehen die Figuren Tobit, Sara und Tobias, deren Schicksale eng verbunden sind. Weitere wichtige Figuren, die das Geschehen begleiten, sind Hanna, Tobits Frau, die Brauteltern Raguël und Edna sowie Gabaël in Medien. Namentlich genannt werden zudem noch Achikar und sein Neffe Nadab. Durch den Verweis auf die Assyrerkönige Salmanassar V. (726–722 v. Chr.; siehe 1,2.13.15), Sanherib (704–681 v. Chr.; siehe 1,15) und Asarhaddon (680–669 v. Chr.; siehe 1,21f.) spannt der Erzähler ein Koordinatensystem auf, das das Geschehen in einen zeitlichen Rahmen stellt. Weitere Akteure sind Gott, der Engel Rafaël und der Dämon Asmodäus. Wichtige Figuren, die namentlich nicht genannt werden, sind die Person, die Tobit wegen seiner Bestattung der Toten beim König anzeigt (1,19), die Nachbarn, die ihn verspotten (2,8), Tobits mitexilierte Brüder, die ihn bemitleiden (2,10), Saras Mägde (3,8f.) sowie die Einwohner Ninives bzw. die Juden, die sich über Tobits Heilung wundern und sich mit der Familie nach der Ankunft Saras freuen (11,16f.; siehe dort zum Begriff „Juden“.). Im Hinblick auf eine Charakterisierung der Figuren sind insbesondere die FiTobit, Tobias und Sara gurenstimmen bedeutsam, da der Erzähler selbst in der Erzählstimme keine expliziten Aussagen über den Charakter der Protagonisten macht. Dabei kommt der Figur Tobits eine besondere Rolle zu, da die Erzählform in der 1. Pers. am Anfang des Buches (1,3–3,6) einen deutlichen Blick auf seinen frommen Charakter und seine emotionale Verfasstheit ermöglicht. Für Saras Darstellung ist ihr Gebet (3,11–15) bedeutsam. Tobias wird durch den gesamten Handlungskontext als gehorsamer Sohn porträtiert, für den das Gebot des Vaters höchste Priorität hat. Eine sehr persönliche Zeichnung findet sich bei Hanna, insofern diese sich mit 30 Zum Ganzen siehe SCHELLENBERG, Suspense, 317; MACATANGAY, Apocalypticism, 208, ist mit der Aussage, dass das Buch keine Spannung enthalte, zu undifferenziert. 31 Ausführlich zur Simultaneität SCHELLENBERG, Suspense, 321–324. 32 Zu rezeptionsästhetischen Aspekten weiterführend EGO, Resilienznarration.

Figuren der Handlung

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der Lebenshaltung und dem Geschick ihres Mannes auseinandersetzt (2,11–14) und sie zudem ihren Schmerz und ihre Trauer um das Ergehen ihres Sohnes zum Ausdruck bringt (5,18–20; 10,4–7a). Der Erzähler lenkt den Blick immer wieder auf die Welt der Frauenfiguren und ihre emotionale Verfasstheit;33 allerdings fällt dennoch auf, dass Frauen im Vergleich mit den männlichen Protagonisten eine eher passive Rolle spielen.34 Gott wirkt – so das Gottesbild der Tobiterzählung – im Verborgenen; nirgends Gott als Figur wird erzählt, dass Gott direkt in das Geschehen eingreift. Er kann Leid bringen, was als Strafe oder Züchtigung verstanden wird (μαστιγόω – so 11,15), erhört aber schließlich die Gebete der Protagonisten, indem er den Engel Rafaël entsendet, der ihnen Hilfe und Rettung bringt (3,16f.). Somit lässt die Erzählung keinen Zweifel daran, dass Gott sich der Frommen erbarmt (8,16f.; 11,17) und all das Gute gewirkt hat, das den Protagonisten begegnet (10,13; 11,17; 12,22). Gottes Handeln erscheint ansonsten noch im Kontext der Geschichte, insofern er in seiner Gerechtigkeit sein Volk bestrafen oder züchtigen kann (μαστιγόω – 13,2.5.9; vgl. auch 3,5 mit dem Hinweis auf Gottes Gerichtshandeln), aber auch hier hat letztlich seine erbarmende Zuwendung das letzte Wort (ἐλεέω – 13,2.5.9). In diesem Kontext finden sich auch passive Formulierungen, die im Sinne eines passivum divinum verstanden werden können (siehe z. B. 13,10; 14,4). Während in den zahlreichen Abschnitten, in denen die Figurenstimmen reden (sei es direkt oder indirekt), Gott relativ häufig erwähnt wird (siehe insbesondere die Gebete und Tobits Weisheitslehre in 4,3–19, aber auch 10,13; 11,16), kommt er in den Passagen, in denen der Erzähler direkt spricht, selten vor (so nur 3,16f.). Die meisten Nennungen zeigen sich in den drei letzten Kapiteln in der Abschiedsrede des Engels (12,6–20), im Lobgebet Tobits (13) und in seiner Sterberede (14,3–11). Insbesondere der Hymnus in Tob 13 nennt Gott sehr häufig. Wenn so „fast ausschließlich die Figuren der Erzählung Gott im Munde [führen], sei es in ihrem monologischen Erzählen und Reden, sei es in Gesprächen miteinander oder in Gebeten […], erhält das Reden von Gott einen persönlichen Anstrich und die Qualität des Bekennens zu der Gottheit.“ Somit kann das Reden der Figuren „von und zu Gott“ als „exemplarisch vorbildhaft“ beschrieben werden.35 In GII erscheinen v. a. folgende Gottesbezeichnungen bzw. -namen: „Gott“, „Herr“, „Gott/Herr des Himmels“, „Gott Israels“, „Höchster“ sowie „König“, „(heiliger) Name“ und „unser Vater“. –

Die häufigste Gottesbezeichnung ist ὁ θεός, „Gott“. Der Begriff erscheint in GII insgesamt über 50-mal, in der Regel mit dem bestimmten Artikel (vgl. aber 3,11 und 8,15 im Vokativ).36

33 Siehe zu diesem Aspekt DI LELLA, Emotion; EGGER-WENZEL, Emotional Relationship. 34 Hierzu siehe auch JACOBS, Seen and Heard. 35 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 329f. Zur Rede von Gott in Tob siehe auch den Beitrag von REITERER, Archangel’s Theology. 36 So 1,4.12; 3,11.16.17; 4,21; 5,4.10.17; 7,12; 8,5.15; 9,6; 11,14.16.17; 12,6.7.11.14.17.18.20.22; 13,2.4.18; 14,2.4.5.6.7.10.15 (Mehrfachnennungen in einem Vers werden nicht eigens aufgeführt); siehe auch die Auflistung bei SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 327, sowie REITERER, Archangel’s Theology, 257, Anm. 14–18.

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Einleitung – – –

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An zweiter Stelle steht die Gottesbezeichnung κύριος mit fast 30 Belegen.37 In ungefähr der Hälfte der Fälle ist dieses Wort mit dem bestimmten Artikel verbunden;38 fünf der Belege haben, stets ohne Artikel, den Vokativ κύριε.39 κύριος und ὁ θεός können auch miteinander kombiniert werden, dann trägt das an zweiter Stelle stehende Wort θεός den Artikel.40 Manchmal treten beide Gottesbezeichnungen mit dem nachfolgenden Genitivattribut τοῦ οὐρανοῦ41 oder τοῦ οὐρανοῦ καὶ τὴς γής42 auch miteinander verknüpft auf („Herr / Gott des Himmels [und der Erde]“). In diesem Kontext findet sich auch je einmal die Verbindung ὁ θεὸς τῶν πατέρα ἡμῶν, „der Gott unserer Väter“ (8,5). GII hat darüber hinaus einmal ὁ θεὸς τοῦ Ισραηλ, „der Gott Israels“ (13,18). Hinzu kommt die Kombination mit Personalpronomina im Genitiv.43 Die Gottesbezeichnung ὕψιστος, „Höchster“, erscheint nur einmal (1,13). Weitere Gottesbezeichnungen sind βασιλεύς, „König“ (auffallend häufig in 13),44 sowie τὸ ὄνομα τὸ ἅγιον, „der heilige Name“45 bzw. τὸ ὄνομα, „der Name“46. Schließlich ist auch die Gottesbezeichnung „unser Vater“ (13,4) belegt.47

Karin SCHÖPFLIN weist darauf hin, dass alle Gottesbezeichnungen der profanen Sprache entstammen und – mit Ausnahme der Bezeichnung „der Name“– „jeweils Spitzenpositionen innerhalb eines sozialen Gefüges (beschreiben) und […] somit Relationsbegriffe“ sind. Auch wenn die Texte vom Namen Gottes sprechen, wird dieser selbst doch nie genannt, „sodass Gott streng genommen namenlos bleibt“.48 Die Wirksamkeit des Engels Rafaël, der zum Medium des göttlichen RettungsRafaël handelns wird, umfasst eine Vielzahl von Funktionen, und er erscheint in ganz unterschiedlichen Rollen, so als Gebetsmittler (12,12), als Thronengel (12,15; siehe auch 3,16), als Wegbegleiter und Schutzengel (5–11 passim), als Offenbarer medizinischen Wissens (6,5.7–9; 11,4.7f.), als Brautwerber (7,9), als Dämonenvertreiber (8,3) sowie als Unterweiser in der Tora (6,10–18) und als Weisheitslehrer und Lehrer des rechten Gotteslobs (12,6–15.17–20).49 37 So 3,2.3.6.10.15; 4,5.19.21; 5,20; 6,18; 7,11.17; 8,4; 9,6; 10,11.13; 12,12.15.20; 13,4.8.15; 14,15 (ohne Angabe von Mehrfachnennungen); siehe auch die Auflistung bei SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328. 38 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328. 39 So 3,2.3.6.15; siehe SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328. 40 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328; siehe 4,21; 14,15. 41 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328; mit κύριος in 6,18; 7,11.17; 10,11; mit θεός in 5,17 („der Gott, der im Himmel ist“); 7,12; 8,15. 7,11 hat nur οὐρανός (ἐκ τοῦ οὐρανοῦ). 42 10,13 liest κύριος τοῦ οὐρανοῦ καὶ τὴς γὴς; siehe SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328. 43 τοῦ θεοῦ σοῦ, „dein Gott“ in 1,12; 4,21; „unser Herr“ bzw. „unser Gott“ in 13,4; siehe SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328. 44 10,13 („König über alles)“; 13,6.10 („König der Ewigkeiten“); 1,18; 13,7.11.16 („König des Himmels“); 13,15 („großer König“); siehe SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 329. 45 13,11.18. 46 3,11; 8,5; 11,14; 12,6; 14,8.9. 47 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 329. 48 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 329; siehe auch ibid., 337. 49 Zu Rafaël siehe u. a. EGO, Mit dem Engel unterwegs; DIES., Figure; DIES., Engel Rafael; NOWELL, Work; LICHTENBERGER, Engel als Reisebegleiter; REITERER, Archangel’s Theology; SCHNUPP, Schutzengel; für die Verbindung mit anderen frühjüdischen Erzählungen siehe die Zusammenstellung bei BARKER, Archangel Raphael. Zum Einzelnen sei auf die Auslegungen z. St. verwiesen.

Wichtige Themen: Leitwörter, bedeutende Motive und Motivfelder

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Rafaëls Gegenspieler ist der Dämon Asmodäus. Auch diese Figur hat unterschiedli- Asmodäus che Facetten: Asmodäus wirkt mit der Tötung der Ehemänner zunächst als Schadensdämon, dessen Aggressivität nicht näher erklärt ist (3,8). In diese Richtung deutet auch der hebr. Name „Aschmodai“ (der allerdings in den Qumranfragmenten nicht erhalten ist und erst in späteren Texten erscheint), denn er weckt Assoziationen an den hebräischen Begriff ‫ שׁמד‬hif., „ausrotten, vernichten“.50 Wenn seine „Entfernung“ oder „Lösung“ im Kontext der Mission Rafaëls als „Heilung“ verstanden werden kann (so 3,17), dann scheint der Dämon eine Art Krankheit zu verkörpern. Asmodäus kann als Symbolisierung einer Infektionskrankheit verstanden werden: Während Sara zwar infektiös ist, aber keine Symptome zeigt, hat diese für die betroffenen Männer einen tödlichen Ausgang. Dies erklärt die Aussage, dass Asmodäus Sara in Liebe verbunden ist (so 4Q196 14 i 4; Ms. 319; 6,15 GI); es klingt hier aber auch die Vorstellung von einem Incubus-Dämon51 an. Solche Dämonen zeigten sich in nächtlichen sexuellen Träumen, die wiederum als Grund für Erkrankungen angesehen werden konnten. Insofern der Dämon die endogamen Ehen Saras verhindert, die wiederum in der Vorstellungswelt der Erzählung dem Gebot der Tora entsprechen, fungiert er als Gegenspieler eines toragemäßen Lebens und als ein Feind Israels. Der Dämon kann mit Räucherwerk vertrieben werden (6,8.14f.17; 8,2f.); außerdem wird er von Rafaël noch gefesselt, sodass er fortan keinen Schaden mehr anrichten kann (8,3).52

Wichtige Themen: Leitwörter, bedeutende Motive und Motivfelder Die Erzählung enthält verschiedene Leitwörter, die sich wiederum zu Motiven und schließlich auch zu Motivfeldern zusammenfassen lassen und die auf deren zentrale Themen verweisen. Diese Felder können sich berühren oder sogar überschneiden. Wenngleich ihnen unterschiedliche narrative Funktionen und Bedeutungen zukommen (die an anderer Stelle noch weiter zu differenzieren wären), so durchziehen sie doch die gesamte Erzählung. Ein Motiv, das gleich am Anfang der Erzählung erscheint, ist das der Gefangen- „Exil vs. Jeruschaft bzw. des Exils. Hier stehen die Begriffe αἰχμαλωσία, „Gefangenschaft“, salem“ αἰχμαλωτεύω/αἰχμαλωτίζω, „in Gefangenschaft führen“, αἰχμάλωτος, „Gefangener“, im Zentrum. Tobit gehört zu der Gruppe der Nordisraeliten, die unter Salmanassar (726–722 v. Chr.) ins Exil nach Ninive geführt wurden (1,2), wo er seinen „Brüdern“ viele Wohltätigkeiten erweist und dafür mit Verfolgung, Enteignung und sozialer Schmach bezahlen muss (1,3.10–20; 2,1–7; zum Begriff siehe 1,3.10). Auch im Verlauf der Kerngeschichte wird immer wieder auf die Exilserfahrung rekurriert: So erklärt Tobit in seinem Gebet die Exilierung mit seinen eigenen 50 So bereits SCHUMPP, 64; siehe auch FITZMYER, 150f.; LITTMAN, 78. 51 Zu dieser Vorstellung generell siehe STEPHENS, Demon Lovers. Zur Deutung des Dämons als Interpretament einer ansteckenden Krankheit siehe HAMIDOVIĆ, Les racines bibliques, 107–120. 52 Zu Asmodäus siehe u. a. EGO, Denn er liebt sie; DIES., Banishment; DIES., Vertreibung; FRÖHLICH, Demon, 33f.; DIES., Wisdom, 254f.; OWENS, Asmodeus; zum Einzelnen siehe die Auslegungen z. St.

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Einleitung

Sünden und denen seines Volkes (3,3–6; zum Begriff 3,4). Auch Sara spricht in ihrem Gebet davon, dass sie sich im „Land der Gefangenschaft“ befindet (3,15); zudem verweisen Tobias und sein Reisebegleiter bei ihrer Vorstellung im Hause Raguëls auf ihre Zugehörigkeit zu den Exilierten (7,3). Die Verbindung zwischen den Sünden des Volkes und der Exilierung findet sich auch in Tobits Hymnus am Ende des Buches unter dem Stichwort διασπείρω (13,3) bzw. διασκορπίζω (13,5) mit der Bedeutung „zerstreuen“. Tobits Hymnus macht deutlich, dass das Exil der Ort sein soll, an dem Gottes mächtiges Handeln vor den Völkern bekannt wird. Israel wird so zum Zeugen seines Gottes in der Völkerwelt (13,1–6). Im Neuen Jerusalem sollen dann auch die Gefangenen erfreut werden (13,10). In seinem Geschichtsausblick schaut Tobit auf das Babylonische Exil (14,4). Das Buch endet mit dem Untergang Ninives, und so ist es schließlich das stolze Reich der Assyrer selbst, das die Schmach und das Leid der Exilierung tragen muss (14,15).53 Gegenpol zur Exilserfahrung ist das Leben im Land und in Jerusalem. Dieses Motiv (und damit die Spannung „Exil vs. Land“) wird ebenfalls gleich am Anfang eingebracht: Explizit verweist der Erzähler auf Tobits Herkunft aus Nordgaliläa und lässt den Protagonisten dann in der Ich-Form auch über sein Leben im Land vor seiner Exilierung berichten, in dem er regelmäßig nach Jerusalem wallfahrtete (1,4–8). Hier findet eine Verbindung mit dem Motiv des „Mosegesetzes“ statt (1,8: νόμος Μωσῆ und ἐντολή; 1,6: πρόσταγμα αἰώνιον). Auch beim Gespräch mit dem künftigen Reisebegleiter seines Sohnes erscheint die Erinnerung an Tobits Wallfahrten nach Jerusalem (5,14). Das Thema ist zudem auch integraler Bestandteil der Zukunftshoffnung: So wird das Endogamiegebot mit der Landgabe verbunden (4,12), und am Ende des Buches erscheint das Motiv der Rückkehr nach Jerusalem als ein breites Thema, insofern Tobit in seinem Hymnus das Neue Jerusalem als eine Stadt des Jubels besingt, in der die Gefangenen erfreut und in die auch die Völker mit ihren Gaben strömen werden (13,8–18). Ebenso verweist Tobit in seinem Geschichtsausblick kurz vor seinem Tod auf die Rückkehr der gesamten Gola und die Erbauung Jerusalems (14,5–7).54 Tobits Pilgerschaft nach Jerusalem kann so als eine Antizipation der eschatologischen Jerusa53 Zur Konzeption des Exils siehe EGO, Geschichtstheologische Elemente; DIES., Heimat; DIES., Diaspora. DESELAERS hat in seiner 1982 erschienenen Monographie das Ziel der Erzählung dahingehend bestimmt, dass sie von dem „,wahren Israeliten‘ in der bedrohlichen Situation des Exils erzählen [will]. Weil er [d. h. Tobit] den Gegensatz zwischen dem Wohnen im Land und in der Fremde kennengelernt hat, ist die neue Situation besonders einschneidend. Wenn die Aufmerksamkeit auf Tobit gelenkt wird, geht es um die Frage, was denn den ‚wahren Israeliten‘ im Exil ausmacht“ (DESELAERS, Buch Tobit, 61); siehe auch SCHÜNGEL-STRAUMANN, 39: „Darum würde ich Tob auch als eine didaktische Wegerzählung beschreiben, die eine Antwort gibt auf die Frage: Wie soll ein frommer Israelit / eine fromme Israelitin in einer heidnischen Umwelt gottgefällig leben?“ Zum Ganzen siehe LEVINE, Teaching Jews, 48; DIES., Diaspora as Metaphor; ferner ENGEL, Auf zuverlässigen Wegen, 95; DERS., Buch Tobit, 254f. Vgl. hierzu auch RABENAU, Studien, 99: „Der fromme Jude lebt in der Diaspora und muß sich in seiner nichtjüdischen Umgebung bewähren“; siehe auch ibid. die Kapitelüberschrift: „Die Grunderzählung als Beispiel jüdischen Lebens in der Diaspora“ (116–147). 54 Auf die jüdisch-jerusalemische Orientierung der Erzählung hat ENGEL, Buch Tobit, 355f., nachdrücklich hingewiesen.

Wichtige Themen: Leitwörter, bedeutende Motive und Motivfelder

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lemwallfahrt gesehen werden; die für die Heilszeit erhofften Ereignisse werden aber alles Frühere überbieten. Die Erzählung setzt das Milieu einer wohlhabenden Schicht voraus, und Tobit scheint – zumindest in seinen guten Jahren – ein reicher Mann gewesen zu sein. Hätte er nicht über ein bestimmtes Vermögen verfügt, hätte er seine Landsleute nicht in ihrer Bedürftigkeit unterstützen können (1,16–20; 2,2–7); auch die Mahnungen zum Almosengeben (4,6–11.16–17) oder zur korrekten Bezahlung eines Lohnarbeiters (4,14) ergeben nur dann Sinn, wenn sie sich an ein Publikum richten, das zumindest einen gewissen finanziellen Spielraum hat. Auch die Beschreibung seines Mahls deutet auf diesen Aspekt hin (2,1f.). Ein wichtiges Handlungselement, das mit dem Reichtum der Familie verbunden ist, ist das bei Gabaël im fernen Medien deponierte Vermögen (1,14), das durch die erfolgreiche Reise des Tobias wieder in den unmittelbaren Besitz der Familie kommt (vgl. 4,1.20; 5,3.6; 9,1–6; 10,2; 11,15; 12,3; oft mit expliziten Vor- und Rückverweisen55). Auch die Heirat mit Sara hat positive Auswirkungen auf das Vermögen der Familie (8,21; 10,10; 14,13). Aber auch Tobits Verwandtschaft macht einen prosperierenden Eindruck. Für Achikar ist das ganz offensichtlich (1,22), ebenso muss Saras Familie über gewisse finanzielle Freiheiten verfügt haben, wenn reichlich aufgetischt werden kann (7,9; 8,19f.; 9,6) und für die Reise der Brautleute auch Dienstpersonal und Reittiere zur Verfügung stehen (9,2.5). Das Thema des Reichtums klingt auch durch den Namen „Tobit“ an, da er Assoziationen an die Familie der Tobiaden – einer begüterten Adelsfamilie im spätnachexilischen Judentum – weckt (siehe zu 1,1). Die Geschichte zeigt aber problematische Seiten des Reichtums: So findet sich in den Worten Hannas nach dem Abschied ihres Sohnes („Es soll ja nicht das Silber zum Silber kommen …“; 5,19f.) eine eindeutige Kritik an dessen Überschätzung, und die Fragilität des Reichtums bzw. des Besitzes wird durch Tobits eigenes Schicksal nur zu deutlich: Wegen der Unsicherheit auf den Straßen ist Tobit nach dem Regierungsantritt Sanheribs (704–681 v. Chr.) in seiner Aktivität als Fernhandelskaufmann eingeschränkt und kann somit nicht mehr seiner Erwerbstätigkeit nachgehen (1,15); als er wegen der Bestattung seiner Landsleute verfolgt wird, verliert er sein Vermögen (1,20), und nach seiner Erblindung ist er nicht mehr in der Lage, für seinen Unterhalt und den seiner Familie zu sorgen (so implizit durch 2,10 und 2,11). In diesen Situationen ist Tobit auf die Solidarität seiner Verwandtschaft (i. e. Achikar; 1,22; 2,10) bzw. seiner Frau (2,11) angewiesen. Innerhalb dieses breiten biographischen Rahmens kommt der Wertschätzung solidarischen Handelns eine bedeutende Rolle zu. Die Begriffe ἀλήθεια, „Wahrheit“, δικαιοσύνη, „Gerechtigkeit“, und ἐλεημοσύνη, „Barmherzigkeit bzw. Almosen“, durchziehen die Erzählung wie ein roter Faden und können als Leitwörter gelten.56 Alle drei Begriffe finden sich gleich am Anfang (1,3) und kehren sowohl in den erzählenden Abschnitten als auch in Redeelementen unterschiedlichster Art wieder. Dabei können aber auch nur einzelne Begriffe der Trias erscheinen. Durch die verschiedenen Belege ergibt sich eine Sinndimension, welche die gesamte Erzählung 55 Siehe die ausführliche Liste mit den Querbezügen bei SCHNUPP, Schutzengel, 60. 56 Siehe hierzu bereits ENGEL, Buch Tobit, 359–361; zum Motiv der „Wahrheit“ siehe SCHMITZ, Wahrheit.

Barmherzigkeitstaten, Armut und Reichtum

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überspannt: Die Begriffe werden am Anfang programmatisch eingeführt, dann durch die Handlung bestätigt, um schließlich in der Rede des Engels am Ende der Geschichte reflektiert und gleichzeitig auf die Zukunft hin entfaltet zu werden.57 Speziell die Gabe von Almosen (eine mögliche Übersetzung des Terminus ἐλεημοσύνη, die sich aus dem Kontext ergibt58) wird in der Abschiedsrede Tobits thematisiert (4,6–11.16–17). In diesem Kontext erfolgt des Weiteren eine explizite Verbindung mit den göttlichen Geboten und Weisungen (vgl. die Rahmung 4,5 und 4,19). Zudem wird der Gebotsgehorsam mit der Wendung „Gottes gedenken“ zusammengefasst (4,5f.).59 Ein weiterer Rekurs auf die Thematik findet sich in der Rede des Engels (12,8–10; hier wieder alle drei Begriffe) sowie am Ende der Erzählung, wenn es heißt, dass Tobit auch nach seiner Erblindung weiterhin barmherzige Taten wirkte (14,2). Durch Tobits Rede vor seinem Tod wird der Anspruch einer solchen Praxis an die nächste Generation weitergegeben (14,8.9, ebenfalls alle drei Begriffe) und es erfolgt so eine Art „Verstetigung“ dieser Haltung.60 Tobit wird als Vorbild eines solchen solidarischen Handelns präsentiert (vgl. den programmatischen Einsatz in 1,3), der sich auch in extremen Krisensituationen nicht vom praktischen Tun der Barmherzigkeit abhalten lässt. Er erweist – unter Einsatz seiner gesicherten Existenz – seinen mitexilierten Brüdern viele Barmherzigkeitstaten, indem er sie speist, bekleidet und bestattet (1,16–20; 2,2–7; vgl. ἐλεημοσύνη siehe 1,16). Trotz seiner persönlichen Krise, in der ihm seine Frau vorhält, dass seine Haltung der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zu nichts nütze war (vgl. 2,11–14 mit ἐλεημοσύνη und δικαιοσύνη), bleibt er seinen Idealen treu. In seinem Gebet schickt er sich in seine Situation und betont Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit (3,1–6), und im Anschluss daran ermahnt er seinen Sohn zu einem Leben in Gerechtigkeit und Wahrheit (4,5f.). Die gesamte Motivik impliziert einen narrativen Diskurs über den Tun-Ergehen-Zusammenhang. In Tobits Gebet (3,1–6) wird deutlich, dass „Barmherzigkeit“, „Gerechtigkeit“ (hier als Adjektiv) und „Wahrheit“ nicht nur menschliche Ideale, sondern auch göttliche Wirkgrößen darstellen (3,2). Insofern Gottes Handeln an Tobit als Barmherzigkeitshandeln zusammengefasst werden kann (11,17: ἐλεέω) und Tobit am Ende seines Lebens seinen Wohlstand auch wieder erlangt (14,2), steht die gesamte Motivik im Kontext eines funktionierenden Tun-Ergehen-Zusammenhangs: Derjenige, der seinen Nächsten barmherzige Taten erweist, erfährt auch die Barmherzigkeit Gottes. Dieser Zusammenhang wird in einem Subplot, d. h. einer Art Nebenhandlung, auch durch die Figur Achikars veranschaulicht, der als Exempel dafür dient, dass barmherziges Handeln letztlich belohnt wird (14,10f.).61 Am Ende der Erzählung soll dann in der Beschreibung des „Neuen Jerusalem“ mit seiner Lichtherrlichkeit (13,11; siehe auch 13,16f.) die spirituelle Dimension des Reichtums anklingen. 57 SCHMITZ, Wahrheit, 235. 58 Zur Semantik des Begriffes siehe die Studie von HEILIGENTHAL, Werke der Barmherzigkeit. 59 Zur religiösen Bedeutung der Barmherzigkeit weiterführend MACATANGAY, Charity and Cult. 60 Der Begriff ἀλήθεια erscheint darüber hinaus auch noch isoliert, wenn es um die Wahrheit einer Aussage geht, so 5,12.14; 12,11 beim Engel und 7,10 bei Raguël. 61 Zu Achikar siehe die grundlegenden Literaturhinweise in der Auslegung zu 1,22.

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Ein Sonderfall der Barmherzigkeitstaten ist die Bestattung. Tobit begräbt die Toten seines Volkes, die zu Opfern der Verfolgung wurden, als Ausdruck der Nächstenliebe (1,17–19; 2,3–8). Dieses Verhalten bringt ihm aber zunächst nur Unglück, da er vom König verfolgt (1,19f.) sowie von den Nachbarn (2,8) und auch seiner Frau (2,14) verspottet wird. Schließlich erblindet Tobit sogar in unmittelbarem Zusammenhang mit einer solchen Tat (2,9f.). In seinem Testament befiehlt er seinem Sohn, dass er ihn und seine Mutter würdig in einem Doppelgrab bestatten solle (4,3f.). Auf diesen Befehl, die Eltern zu bestatten, rekurriert Tobias, um zu begründen, dass er sein Leben nicht durch eine Heirat mit Sara riskieren möchte (6,15). Eine Ironisierung des Motivs findet während der Hochzeitsnacht statt, wenn der Brautvater Raguël in seiner Furcht, seinen künftigen Schwiegersohn könnte dasselbe Unglück ereilen wie dessen Vorgänger, ein Grab ausheben lässt (8,9f.), das dann aber glücklicherweise nicht benötigt wird, sodass er die Grube unbenutzt wieder zuschaufeln kann (8,18). Schließlich bestattet Tobias tatsächlich am Ende der Geschichte – in Entsprechung zur Lebenslehre Tobits (4,3) – seinen hochbetagten Vater (14,1.11), seine Mutter (14,12) und seine Schwiegereltern (14,13). Das Motiv ist nicht nur im Hinblick auf die Demonstration der Frömmigkeit Tobits bedeutsam, sondern zeigt auch, dass diese Frömmigkeit schließlich von Gott belohnt wird – ist es doch dieses Handeln, das den Engel Rafaël dazu bringt, das Gebet Tobits zu Gott zu bringen (12,12). In der Rede des Engels werden die negativen Folgen, die sich aus der Bestattung der Toten ergeben, auch als Probe interpretiert. Wenn der Sohn Tobias das Gebot der Elternbestattung, das zu der Weisheitslehre seines Vaters gehörte, befolgt, so zeigt er sich zudem als gehorsamer und vorbildlicher Sohn.62 Ein weiterer Schwerpunkt bezieht sich auf das Motivfeld „Wege und Reisen“, vertreten durch die Begriffe ὁδός, „Weg“, πορεύομαι, „reisen“, und εὐοδόω, „Gelingen haben“. Der Begriff πορεύομαι erscheint ebenfalls gleich am Anfang der Erzählung für die Wallfahrt nach Jerusalem (1,6f.), für Tobits Weg ins Exil (1,10), für seine Handelsreisen nach Medien (1,14f.) sowie sein Weg zu den Ärzten nach seiner Erblindung (2,10). Aber auch Tobias’ Suche in der Stadt nach einem Bedürftigen, der mit dem Vater speisen soll (2,3), wird mit diesem Begriff bezeichnet. Im Zentrum stehen allerdings die Aussagen mit πορεύομαι, die sich auf die Reise nach Ekbatana (5,2.3.4.5.6.9.10.16.17.21; 6,1.6.18) bzw. Rages (9,2.5) und den Rückweg von dort (11,4) bzw. die gesamte Reise (10,1.5.6; 11,6; 12,1) beziehen.63 Dabei ist eine Verbindung mit ὁδός häufig. Der Begriff kann aber auch isoliert erscheinen und sich direkt auf den konkreten Weg beziehen, auf dem Hanna ihren Sohn sehnsüchtig erwartet (11,5). Schließlich kann πορεύομαι auch für Tobits freies Einherschreiten nach seiner Heilung auf dem Weg zum Stadttor (11,16) verwendet werden. Eine besondere Rolle spielt das Wort εὐοδόω: Im Gespräch mit seiner Frau bringt Tobit seine Überzeugung zum Ausdruck, dass die Reise ihres Sohnes gelingen wird (5,22), und schließlich preist Tobias (10,13) bzw. Tobit Gott für den erfolg-

62 Zum Motiv der Bestattung siehe insbesondere die Studie von MACATANGAY, Bury Me Well; siehe auch BOLYKI, Burial; EGO, Death and Burial; SCHÖPFLIN, Scriptural Authority, 98–102; vgl. ferner die Aufzählung der Belege für θάπτω und τάφος bei EGGER-WENZEL, Abgrenzung, 23. Zur Vater-Sohn-Beziehung siehe EGO, Tobit and Tobias. 63 Siehe hierzu die Landkarte auf S. 202.

Tod und Bestattung

Wege und Reisen

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reichen Ausgang der Reise.64 Zudem findet sich auch eine übertragene Bedeutung des Begriffs εὐοδόω, insofern Raguël wünscht, dass Gott Tobias und seiner Tochter für die Eheschließung Gelingen schenken möge (7,12; 10,11). Begleitet werden diese konkreten Angaben zu Reise und Weg durch eine metaphorische Verwendung der Begrifflichkeit. Tobit geht auf den Wegen von Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit (1,3), bekennt aber in seinem Gebet, dass das Volk („wir“) nicht in Wahrheit auf den Wegen Gottes gewandelt sei (3,5). In seiner Abschiedsrede weist Tobit seinen Sohn an, dass er nicht auf den Wegen der Ungerechtigkeit gehen solle (4,5) bzw. dass er von Gott das Gelingen seiner Pläne erbitten möge (4,19). Diejenigen, die die Wahrheit tun, werden in ihren Werken Gelingen haben (4,6). Ein weiteres Wortfeld ist dem Thema der „Krankheit“ und „Heilung“ gewidKrankheit und Heilung met. Hier ist zunächst Tobits Blindheit zu nennen. Tob 2,10 erzählt von seiner Erblindung, und nach seinem Gebet wird Rafaël zu seiner Heilung entsandt (3,17). Da Tobit nichts von diesem hintergründigen Wirken Gottes weiß, beklagt er bei der Begegnung mit Azarias seinen Zustand (5,10). Implizit klingt das Motiv der Blindheit auch beim Fischfang und dem Ausnehmen der Innereien an, insofern Rafaël hier von einer Medizin gegen Blindheit sprechen kann (6,9). Dann verweist Raguël bei der Begrüßung von Tobias und Azarias explizit auf Tobits Blindheit (7,7), und der Kreis schließt sich, als Tobit bei der Rückkehr seines Sohnes geheilt werden kann und Gott lobpreist (11,8.10–17). In Tob 12,3 bezieht sich Tobias explizit auf die Heilung des Vaters zurück; Tob 12,13f. deutet die Erblindung Tobits nicht als unglücklichen Zufall, sondern als göttliche Prüfung. Tob 14,2 schließlich wirft einen Blick auf die biographische Einbindung der Erblindung Tobits: Danach erblindete er im Alter von 62 Jahren.65 Die Erzählung kennt zwei verschiedene Begriffe für das Heilungshandeln, nämlich ἰάομαι und θεραπεύω. Der Begriff ἰάομαι findet sich bei der Entsendung des Engels Rafaël (3,17) sowie in dessen Worten (siehe den Zuspruch für Tobit in 5,10 und den Rückblick des Engels in 12,14). Θεραπεύω dagegen erscheint im Kontext des Versuches Tobits, sich bei den Ärzten Hilfe zu holen (2,10), sowie bei Tobias’ Rückblick auf das Geschehen (12,3). So wird deutlich, dass das Heilungsgeschehen hier aus zwei Perspektiven beleuchtet wird: ἰάομαι steht für Heilungen, die im Kontext des göttlichen Rettungshandelns erfolgen, wohingegen bei θεραπεύω ein solcher Referenzrahmen nicht gegeben bzw. dem Sprecher nicht offenbar ist.66 Tob 3,17 (ἰάομαι) sowie Tob 12,3 (θεραπεύω) zeigen, dass auch die Vertreibung des Dämons (ein „böser Geist“), der eine Begegnung (ἀπάντημα) mit einem Menschen hat (6,8), als Heilungshandeln verstanden wird. Weitere Begriffe aus dem Wortfeld „Heilung“ sind φάρμακον sowie die damit verbundenen Fischinnereien Herz, Leber und Galle, aus denen das Räucherwerk gegen den Dämon und die Augensalbe für den Vater hergestellt werden (6,4.7; 64 DESELAERS, Buch Tobit, 343, mit einer ausführlichen Übersicht über die Belege (GI). 65 KIEL, Theological Blindness, interpretiert Tobits Blindheit metaphorisch im Sinne einer Blindheit in der rechten Gotteserkenntnis, die den Tun-Ergehen-Zusammenhang in der Beziehung zu Gott zu sehr in den Vordergrund stellt. 66 Für weitere Einzelheiten siehe die Auslegungen z. St. Zum theologischen Aspekt der Heilungen allgemein DESELAERS, Jahwe – der Arzt seines Volkes.

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11,8.11; siehe auch 2,10 allgemein als Arznei bei Augenkrankheiten). In Tob 2,10 werden auch die Ärzte (ἰατρός) genannt. Die Heilungen selbst sind dann ganz unterschiedlich beschrieben: Die Augensalbe soll aufgestrichen (ἐγχρίω) bzw. auf die Augen gehaucht (ἐμφυσάω) (6,9) oder geschmiert (ἐμπλάσσω) werden, sodass sie die weißen Flecken zusammenzieht (ἀποστύφω) und abschält (ἀπολεπίζω) (11,8). Beim Heilungsakt selbst bläst (ἐμφυσάω) Tobias dem Vater in die Augen, er trägt die Salbe auf (ἐπιβάλλω) und reicht sie ihm dar (ἐπιδίδωμι), dann werden die weißen Flecken mit den Händen abgeschält (ἀπολεπίζω) (11,11–13). Diese Unterschiede zwischen den einzelnen Abschnitten könnten darauf hindeuten, dass der Erzähler über die Abfolge der Handlungen („in die Augen blasen“ – „die Salbe aufstreichen“) beim Heilungsakt keine exakten Vorstellungen hatte. Die Heilung vom Dämon soll dadurch erfolgen, dass dieser „gelöst“ oder „geschieden“ (ἀπολύω) wird (3,17). Bei der eigentlichen Vertreibung (wo allerdings der Begriff ἰάομαι nicht erscheint) wird er dann durch den Geruch zurückgehalten (κωλύω) und entweicht (ἀποτρέχω) nach Ägypten, wo er gefesselt (δέω) wird (8,3). Ein wichtiges Motiv der Erzählung ist das der Familie. Bereits der Buchanfang Familie (1,1) zeigt durch den detaillierten Stammbaum die Bedeutung von familiären Strukturen.67 Der Wert der Familie äußert sich dann auch im Gespräch Tobits mit dem künftigen Reisebegleiter seines Sohnes, insofern er sich genau nach dessen Herkunft erkundigt und überglücklich ist, dass er die Verwandtschaft des jungen Mannes kennt (siehe 5,11–14). Auch die Begrüßungsszenen mit ihren z. T. stark emotional aufgeladenen Darstellungen unterstreichen die Bedeutung familiärer Strukturen (Tobias bei Raguël und Edna – 7,1–8; Gabaël beim Mahl bei Raguël – 9,6; Tobit und Sara – 11,17). In diesem inhaltlichen Rahmen steht auch die Verabschiedung Saras durch Vater und Mutter (10,12). Eine besondere Form der familiären Bindung äußert sich in Hannas Sorge um ihren Sohn, wobei hier auch, neben der Mutterliebe, materielle Aspekte mitschwingen können (5,18–20; 10,4–7a). Schließlich spielt die Thematik am Ende der Erzählung nochmals eine Rolle, insofern Tobit seinem Sohn und dessen Kindern eine Unterweisung über die künftigen Ereignisse der Geschichte ihres Volkes und die Bedeutung von Barmherzigkeitstaten erteilt (14,8.9).68 Neben dem Vater Tobit (siehe auch 4,3–21) erscheinen auch die Vorfahren, seien es allgemein die Erzväter (4,12) oder konkreter Ahnen aus der Familie (1,8: Debora), als bedeutsame Autoritäten.69 67 Auf die positive Bedeutung der Familie wurde häufig hingewiesen; siehe u. a. BAUTCH, Responses to Hegemony, 168; BELLIA, From Tobit to Ben Sira, 8f.11.15; BIBERGER, Unbefriedigende Gegenwart, 272–274; COUSLAND, Comedy, 545; DIMANT, Family; FASSBECK, Tobit’s Religious Universe, 177.179–181; JENSEN, Family; OEMING, Jewish Identity, 550; SOLL, Family; DERS., Window, 249f. Insbesondere zum Stammbaum u. a. DIMANT, Family, 158; KELLERMANN, Eheschließung, 143; SOLL, Family, passim. Vgl. dagegen MCCRACKEN, Narration and Comedy, 413, der die Bedeutung der Familie in der Erzählung sehr kritisch sieht: Tobit „is obsessed with tribe and family, as evidenced by the numerous references to ancestors …, kindred …, and close relatives …“. So kann er von Tobits „comic tribalism“ sprechen und von seinem „comic egoism“. Kritisch hierzu COUSLAND, Comedy, 546: „The ‚tribalism‘ of Tobit, therefore, reflects common Jewish practice in the Diaspora and is far from being a satirical dig at insularity or parochialism.“ 68 Siehe zu diesem Aspekt EGO, Belehrung und Unterweisung. 69 Siehe SCHÖPFLIN, Scriptural Authority, 94–105.

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Das Buch kennt aber auch Ansätze, die Familie zur Sippe hin zu entgrenzen; ja sogar das ganze Volk oder zumindest alle Exilierten können als eine Art Familie dargestellt werden. Dies belegt die Verwendung des Begriffes ἀδελφός, „Bruder“, der im Tobitbuch ein weites und manchmal etwas unklares Bedeutungsspektrum hat. Er kann sowohl den leiblichen Bruder bezeichnen (so 1,21) als auch einen Verwandten (so eindeutig 3,15; 7,10) oder eine Person aus derselben Sippe (4,12). Darüber hinaus wird der Begriff auch allgemein für einen Stammesgenossen (5,13.14; evtl. 5,17) oder für einen Menschen aus dem Volk Israel (so 1,10.16f.; 2,2; 14,4) verwendet. In diesem Kontext scheint der Bezug zum Exil eine wichtige Rolle zu spielen (so 1,3.10.16f.; 2,2; siehe auch 4,13). Oft ist auch eine konkrete Zuordnung nicht möglich (z. B. 1,3.5; 5,17; 7,11a). Der Begriff erscheint vor diesem Hintergrund auch häufig in der Anrede der Figuren untereinander. Neben der Zugehörigkeit zum selben Volk sind hier die verwandtschaftlichen Beziehungen bedeutsam (so insbesondere in den Dialogen in Kap. 5, 6 und 7). Die wiederholte, fast monotone Verwendung bringt dabei die enge Verbindung der Figuren untereinander zum Ausdruck. Wird der Begriff für Menschen aus dem Volk Israel verwendet, so werden die Exilierten wie eine große Familie dargestellt. Wenn am Ende der Erzählung ganz Israel in Jerusalem versammelt wird (13,9–18) und zudem alle Völker den Gott Israels preisen (13,11; 14,6f.), so kommt insgesamt eine zunehmende Universalisierung zum Ausdruck.70 Eine andere Abwandlung der Vorstellung einer Familie erfolgt insofern, als der Begriff „Bruder“ bzw. „Schwester“ für den Status des Ehegatten benutzt werden kann (so 7,11: „von nun an bist du ihr Bruder, und sie ist deine Schwester“; für Schwester siehe auch 10,12). In Tob 10,12 verwendet Edna den Begriff „Bruder“ zur Anrede ihres Schwiegersohnes; daneben erscheint der Begriff „Schwester“ auch als Anrede der Ehefrau durch ihren Mann (siehe 5,21; 7,15; 10,6; siehe auch 7,9.11, wo Raguël Sara als Schwester des Tobias bezeichnet).71 In engem Bezug zur Familie stehen die Motive „Ehe“ und „Hochzeit“.72 Bereits Ehe und Hochzeit der Verweis auf die Eheschließung Tobits mit Hanna (1,9; die Wendung ἐκ τοῦ σπέρματος τῆς πατριᾶς ἡμῶν) macht deutlich, dass für die Erzählung das Prinzip einer sippeninternen Endogamie wichtig ist.73 Im Kontext der Handlung betont Rafaël in Tob 6,13, dass die Eheschließung mit Sara „nach der Bestimmung des Buches des Mose“ (κατὰ τὴν κρίσιν τῆς βίβλου Μωυσέως) erfolgen soll; in Tob 6,16 wird das Gebot, Sara zu heiraten, zudem explizit mit dem Endogamiegebot verbunden, das bereits Bestandteil der Lebenslehre des Vaters war (allerdings ohne die entsprechende Begrifflichkeit). Die „Tora

70 Zur Thematik der Gemeinschaftskonzepte in Tob siehe die Monographie von RAUTENBERG, Verlässlichkeit des Wortes. Die Autorin legt den Akzent auf die Entwicklung des selbstbezogenen Tobit in Ausgrenzung und Isolation (1,3–3,6; 5,11–17a) hin zu einem universalistischen Konzept, in dem das gemeinsame Bekenntnis zu dem einen Gott (13,2–18) die entscheidende gemeinschaftsstiftende Größe darstellt. 71 Zum Begriff „Bruder“ siehe GRELOT, Les noms de parenté; SKEMP, ΑΔΕΛΦΟΣ. 72 Hierzu siehe vor allem die Beiträge von KELLERMANN, Eheschließung; MILLER, Marriage; ferner EGGER-WENZEL, Emotional Relationship; weiterführend JANSEN, Hochzeitsriten. 73 Zur sippeninternen Endogamie siehe FRÖHLICH, Wisdom, 249–254; HIEKE, Endogamy; LOADER, Sexuality; MILLER, Marriage, 53–82; NICKLAS, Marriage; KELLERMANN, Eheschließung, 141–150.

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des Mose“ ist auch die Leitlinie für den Prozess der Eheschließung zwischen Tobias und Sara (7,10–13). Im Hintergrund dieser Anweisung steht die Erbtöchtertora aus Num 36,6–9, wonach eine Tochter, die von ihrem Vater geerbt hat, innerhalb der eigenen Sippe heiraten soll, damit der Besitz in dieser bleibt (siehe hierzu bereits die Anspielungen in 3,15; siehe auch 8,21). Allerdings liegt in Tob eine Weiterentwicklung des Erbtöchtergesetzes vor, insofern das Übertreten dieses Gebots mit der Todesstrafe sanktioniert wird (6,13). Auch in Tob 3,16f. könnte dieses Motiv in der Begrifflichkeit, dass es Tobias zustand, Sara zu „erben“, im Hintergrund stehen. Daneben erscheint das Motiv der sippeninternen Endogamie auch im Rahmen der Unterweisung, da Tobit in seiner Abschiedsrede die Forderung nach Endogamie mit dem Handeln der Patriarchen begründet (4,12). Der Bezug zur Tora ist hier indirekt gegeben, da es ja der Pentateuch ist, in dem von den endogamen Ehen Abrahams, Isaaks und Jakobs erzählt wird (siehe Gen 24,3–4.37–38 und Gen 28,1–4). Im Kontext von Tob 4,12–13 spielt zudem auch die Landperspektive sowie die Bruderliebe als Akt der Solidarität eine Rolle. Diese Aussagen zur Ehe sind in die gesamte Handlung eingebettet. Den Auftakt bildet die Entsendung des Engels mit dem Auftrag, die Ehe zwischen Sara und Tobias in die Wege zu leiten, und das Thema ist dann sowohl in Tob 6,10–18 als auch in Tob 7 und 8 mit den Elementen „Brautwerbung“ und „Vertreibung des Dämons“ beherrschend. Mit den Feierlichkeiten beim Mahl nach der Eheschließung findet der Spannungsbogen einen ersten Abschluss (8,19–21; 9,6). In Tob 11,17f. folgt die Hochzeitsfeier in Ninive; hier verbindet sich das Motiv mit dem der Heilung Tobits. Einen Rückblick auf die Brautfindung enthält die Rede des Tobias in Tob 12,3. Die Vorschrift der Endogamie dient sowohl der gruppeninternen Kohäsion und Stabilisierung als auch der Abgrenzung nach außen. Dadurch kommt dieser Regelung insbesondere dann ein großes Gewicht zu, wenn eine Gruppe sich durch die (entweder reale oder imaginierte) Übermacht einer anderen Gruppe in ihrer Existenz als gefährdet empfindet. Das Gebot kann aber auch in einem erbrechtlichen Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen (siehe zu 3,15). Die Ablehnung von Eheschließungen mit Nichtisraeliten war in frühjüdischer Zeit ein wichtiges Thema, wie es insbesondere die Debatte in Esr 9–10 und Neh 13 belegt. Im Vergleich mit diesen Texten, die auf ein Verbot der Ehe mit Frauen aus anderen Völkern wie den Moabitern oder Ammonitern zielen, erfolgt hier eine Fokussierung auf eine sippeninterne Endogamie (so auch in den Erzelternerzählungen z. B. Gen 20,12 sowie Gen 24; 27,46; 28,1–2.6f. in Abgrenzung von den „Töchtern Kanaans“; siehe zu 4,12f.).74 Neben der Ehe von Tobias und Sara ist auch die Ehe von Tobit und Hanna Gegenstand der Erzählung, allerdings werden hier v. a. Konflikte geschildert: Der Streit mit Hanna führt Tobit in eine Lebenskrise (2,11–14), wohingegen er in Tob 5,18–22 seine über die Abreise des Sohnes verzweifelte Frau zu trösten versucht. Hannas Sorge um den Sohn ist auch Thema der Szene in Tob 10,1–7a. Wie bereits 74 Zum Thema „Endogamie“ im antiken Judentum allgemein siehe FREVEL/CONCZOROWSKI, Deepening the Water; FREVEL, Discourse on Intermarriage; LANGE, Your Daughters; DERS., Mixed Marriages (ibid. Hinweise auf weitere Lit. des Verfassers zum Thema der Fremdehen).

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in der Gesprächsszene in Tob 5,18–22 versucht Tobit seine Frau zu beruhigen (vgl. insbesondere die Wendung „Hab keine Sorge; er ist wohlbehalten“ in 5,21); während Tobit in Tob 5,18–22 aber erfolgreich ist und seiner Frau Trost zusprechen kann, will ihm dies später nicht gelingen. In Tob 10,1–7a findet sich der dritte und letzte Konflikt zwischen den Eheleuten.75 Einzelne Handlungsweisen werden als Realisierung des Mosegesetzes verstanToragehorsam und göttliche den, dem eine wichtige Autorität in der Erzählung zukommt.76 Die explizite Rede Weisungen vom „Gesetz des Mose“ (νόμος Μωσῆ) hat zwei Haftpunkte, nämlich die sippeninterne Endogamie (6,13.16; 7,10–13; siehe zu „Ehe und Hochzeit“) sowie die Wallfahrt nach Jerusalem (siehe 1,6.8; siehe zu „Exil vs. Jerusalem“).77 In diesem Kontext steht das „Gesetz des Mose“ also in einem kultischen Zusammenhang. Bemerkenswert ist, dass mit Debora, Tobits Großmutter, eine Frau in der Unterweisung Tobits aktiv ist.78 Aber auch weitere Verhaltensideale bzw. konkrete Handlungen werden mit dem göttlichen Gebot in Verbindung gebracht (allerdings ohne Rekurs auf den Terminus νόμος). Über den Begriff ἐντολή erschließt sich der Bezug zur Weisheitsrede Tobits in Tob 4, insofern hier explizit dazu aufgefordert wird, nicht von den Geboten Gottes abzuweichen (ἐντολή; 4,5), und die Mahnung, der Gebote zu gedenken, diese Liste von einzelnen Unterweisungen auch abschließt (ebenfalls ἐντολή; 4,19). So wird der Gebotsgehorsam geradezu zum Überbegriff für die einzelnen Anweisungen in Tobits Abschiedsrede, die neben dem Endogamiegebot v. a. Taten der Barmherzigkeit umfassen. Indem Tobit als Sprecher dieser Sentenzen erscheint, tritt er als Lehrer des göttlichen Gebotes auf. Schließlich sei noch auf die Begrifflichkeit vom „Gedenken Gottes“ verwiesen, die synonym mit dem Gebotsgehorsam gebraucht werden kann (siehe 4,5). Sie wird auch im Hinblick auf Tobits Beachtung der Speisegebote benutzt (1,11f.) und kann sogar in eschatologischer Perspektive erscheinen, wenn die Kinder Israel, die „Gottes in Wahrheit gedenken“, nach Jerusalem versammelt werden (14,7). Neben einer kultischen Perspektive auf das Gebot wird dessen soziale Dimension deutlich in den Vordergrund gestellt. Dahinter liegt das Potential, auf eine gottgemäße Lebensordnung zu verweisen, die sich unter der Bedingung einer tempellosen Existenz, z. B. in der Diaspora, verwirklichen lässt. Da der fromme und verzweifelte Tobit, der nach Gottes Weisungen lebt, Gott um Hilfe gebeten hat (3,3), entsteht ein reziproker Zusammenhang zwischen dem Erfüllen des göttlichen Gebots und der Zuwendung Gottes. Da das Motiv sowohl Teil der Narration als auch der Paränese ist, erfolgt auch hier wiederum eine Verbindung der beiden Bereiche.79

75 Siehe KELLERMANN, Eheschließung, 152; MILLER, Marriage, 196. 76 SCHÖPFLIN, Scriptural Authority, 90–94. 77 Es fällt auf, dass die Erzählung weder die Beschneidung noch die Sabbatruhe erwähnt; hierzu siehe EGGER-WENZEL, Acceptance, 87.104–106; die Autorin erklärt dies vor dem Hintergrund der Annahme, dass das Buch zur Zeit der Verfolgung unter Antiochus IV. entstanden sei. Stattdessen werden andere Identitätsmarker in den Vordergrund gestellt, so die Genealogie oder die Familie. 78 Zum Thema der Tora und zu den religiösen Idealen siehe MACATANGAY, Wisdom Discourse; siehe auch EGO, Torah in the Diaspora; GAMBERONI, Gesetz; weiterführende Literatur in den Auslegungen z. St. 79 Zur Verbindung der Gebote mit der Erzählung siehe EGO, ‚Law‘ und ‚narrative‘.

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Gebete und Lobpreis Gottes bilden ein weiteres Leitmotiv innerhalb der Erzählung, Gebete und wobei eine klare Linie festzustellen ist. Zunächst finden sich mit dem Gebet Tobits Lobpreis (3,2–6) und dem Gebet Saras (3,11–15) sowie dem der beiden Brautleute (8,5–8) Bittgebete, die auch – so im Falle der Gebete Tobits und Saras in Tob 3 – Klageelemente enthalten können. Im Anschluss an die unbeschadet überstandene Brautnacht kennt die Erzählung nur noch Hymnen (8,15–17; 11,14f.; 13,1–18). Zudem finden sich auch kurze Erzählnotizen über den Lobpreis Gottes (so 11,15.17; 12,22; 14,2.15). Da die Geschichte damit endet, dass Tobias vor seinem Tod Gott wegen des Untergangs Ninives preist, wird die Bedeutung dieses Motivs besonders deutlich herausgestellt (14,15). Diese Handlungselemente vom Loben Gottes werden durch paränetische Abschnitte in den Reden unterstrichen, insofern sowohl die Weisheitslehre Tobits (4,19) und die Abschiedsrede des Engels (12,6f.11.17f.20) als auch das Testament Tobits (14,8.9) zum Lobpreis Gottes auffordern. Durch intratextuelle Bezüge entstehen weitere Bedeutungsdimensionen: So bestätigt der Engel die Relevanz des Gotteslobs gleichsam von einer höheren, transzendenten Ebene aus. Wenn Tobias Gott lobt, erweist er sich als gehorsamer Sohn, der die väterlichen Ermahnungen bzw. die des Engels befolgt. Schließlich wird durch die Anweisungen zum Lobpreis dieses Element insofern verstetigt, als nun Tobias (Adressat in 4,19 und bei der Rede des Engels) sowie dessen Kinder (14,8.9) zum Gotteslob aufgefordert werden. Zudem verkündet Tobit das künftige Lob der kommenden Generationen (13,11) und des Neuen Jerusalem (13,18). Indem der Sohn Tobias auch den Lobpreis Gottes anstimmt (11,15; 14,15), zeigt er, dass sich diese Dimension tatsächlich erfüllt. Diese Belege verdeutlichen zudem, dass die einzelnen Elemente des Lobpreises eine Dynamik zu einer Erweiterung der Zuhörerschaft bzw. des Chores enthalten: Nach seiner Heilung zieht Tobit mit seinem Lobpreis durch die ganze Stadt (11,6); in seinem Hymnus spricht er dann alle Völker an (13,6; siehe auch 13,11.18). Damit wird die gesamte Erzählung von einer dialogischen Struktur zwischen Gott und Mensch geprägt. Durch den Bezug zwischen dem anfänglichen Bittgebet und dem Hymnus am Ende des Buches wird die Figur des Tobit geradezu paradigmatisch für die Bewegung von der Not zur Freude, die ihren Grund in Gottes Heilungs- und Rettungshandeln hat, mit dem Gott auf die Gebete der Menschen antwortet.80 Eng verbunden mit dem Lobpreis ist die Begrifflichkeit „Freude“ bzw. „sich Freude freuen“ (χαρά/χαίρω). Während der Anfang der Erzählung durch das Fehlen dieses Wortfelds gekennzeichnet ist, erscheint es mit dem Auftauchen des Engels in der Welt der Protagonisten zum ersten Mal. Der Engel begrüßt Tobit hier mit dem Wunsch, dass er viel Freude erleben möge. Dieser aber verweist explizit darauf, dass er in seinem Leben wegen seiner Erblindung eben keine Freude mehr habe (5,10). Diese Begrifflichkeit durchzieht dann die gesamte Erzählung: So erscheint sie mit dem Reisewunsch des Vaters an seinen Sohn (5,14: „Freudig mögest du 80 Zum Gebet in Tob siehe EGO, Lob als Existenzerschließung; GRIFFIN, Theology and Function of Prayer; FREY-ANTHES, Praise, 136–149, die besonders die Rolle der Klage hervorhebt; PFREMMER DE LONG, Surprised by God; VON STEMM, Der betende Sünder, 143–159 (mit vielen traditionskritischen Hinweisen); siehe auch HARRINGTON, Prayers, 86–90; MCDOWELL, Prayers of Jewish Women, 84 (insbesondere zum Genderaspekt); VAN DEN EYNDE, Prayer as Part of Characterization. Zur Rede des Engels weiterführend mit vielen traditionskritischen Referenzen siehe VON STEMM, Der betende Sünder, 159–180.

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ziehen“), bei der Ankunft von Tobias und seinem Reisebegleiter bei Raguël (7,1), als Wunsch Ednas an ihre Tochter Sara vor der Hochzeitsnacht (7,17), beim Abschied Tobias’ von seinen Schwiegereltern und dem Beginn seiner Heimkehr (10,13), beim Lobpreis des Tobias über die Heilung des Vaters und die geglückte Reise (11,15.16), bei der Begrüßung Saras in Ninive (11,17) und bei den Hochzeitsfeierlichkeiten mit den Bewohnern der Stadt und dem Erscheinen von Achikar und Nadab (11,17–18). Aber nicht nur im privaten Leben der Protagonisten spielt die Freude eine große Rolle; sie ist auch ein Element, das für das gesamte Volk Bedeutung hat, insofern sie aufs Engste mit der Erwartung des Neuen Jerusalem verbunden ist (vgl. 13,10.14; 14,7). Schließlich freut sich Tobias noch vor seinem Tod über den Untergang Ninives. Dies ist keine Schadenfreude, sondern eine Reaktion auf ein Ereignis, das ein Zeichen dafür darstellt, dass Gottes Heilsplan (vgl. 14,4–7) in Erfüllung geht (14,15 – der letzte Vers des gesamten Buches!). Auch das Motiv des Speisens kann als ein Leitmotiv angesehen werden. Die Speisen Form der Speisen spiegelt in gewisser Art und Weise die Stimmung innerhalb der Handlung und charakterisiert auch die Figuren. Insbesondere das Motiv der Speisung der mitexilierten Landsleute ist eng mit der Handlung verbunden, insofern es als Auslöser für eine Reihe von Ereignissen dient, die zu Tobits Blindheit, seiner Isolation und schließlich zu seiner Todesverzweiflung führen (2,1b–3,6).81 Als weitere Elemente sind zu nennen: Tobit gibt den zweiten Zehnten (der erste Zehnt ist für die Priester bestimmt) jedes dritte Jahr den Waisen, Witwen und Proselyten und verzehrt diesen gemeinsam mit ihnen in Jerusalem in Entsprechung zur Tora des Mose (1,6–8); als er dann im Exil ist, hält er von den Speisen der Völker Abstand (1,10f.). Somit macht sein Umgang mit den Speisen deutlich, dass er sich dem göttlichen Gebot gegenüber konform verhält. Insofern Tobit die Bedürftigen seines Volkes mit Nahrung versorgt, zeigt sich auch seine Barmherzigkeit (1,17; 2,2f.). Wegen der Not seiner Landsleute verzichtet Tobit auf das Festmahl und nimmt – nachdem er einen noch unbestatteten Toten versteckt hat – sein Brot „mit Trauer“ und unter Tränen ein (2,5.7). Die Gabe von Speisen an die Bedürftigen ist auch integraler Bestandteil seiner Lebenslehre (4,16f.). In der Szene mit dem Fisch scheint Tobias selbst in eine Speise verwandelt zu werden, aber dank des beherzten Eingreifens des Engels kehrt sich die gesamte Konstellation um und der Fisch wird nun zur Wegzehrung (6,3–6). Eine wichtige Rolle spielt das Motiv einer gemeinsamen Mahlzeit im Kontext der Brautwerbung: Nach dem Empfang bei Edna, Raguël und Sara schlachten die Gastgeber einen Widder (7,9a); bevor das Mahl aber stattfindet, verhandeln Raguël und Tobias über die Verheiratung (7,9b–13). Mehrmals fordert Raguël dabei Tobias zum Essen auf (7,10.11); Tobias will aber erst etwas zu sich nehmen, wenn die Angelegenheit der Eheschließung entschieden ist (7,11). Im Anschluss an das Mahl kann die Hochzeitsnacht beginnen (8,1). Nach der erfolgreich verlaufenen Hochzeitsnacht, bei der der Dämon vertrieben werden konnte, findet das üppige Antrauungsmahl statt (8,19), zu dem dann auch Gabaël hinzustößt (9,6). Schließlich erscheint das Motiv auch in der

81 Zum Motiv des Essens siehe JACOBS, Food and Eating; DIES., Delicious Prose. Dieser Kommentar postuliert, dass das Motiv der Speise das eigentliche Zentrum der Erzählung darstellt. Diese Sichtweise stellt allerdings einen zu einseitigen Zugang zu der Erzählung dar.

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Rede des Engels, nun aber unter umgekehrtem Vorzeichen, wenn dieser betont, dass er nur zum Schein gegessen habe (12,19). Auch die Opposition von „Dunkelheit“ und „Licht“ kann als Leitmotiv genannt Dunkelheit werden, wobei es bemerkenswert ist, dass dieses Motiv den Rahmen und die Kern- und Licht handlung umspannt. Der erblindete Tobit liegt in der Finsternis des Totenreiches und vermag das Licht Gottes nicht mehr zu schauen (5,10); Almosengeben aber – so die weisheitliche Sentenz – lässt nicht in die Finsternis eingehen (4,10). Tobias kann als Licht für seine Eltern bezeichnet werden (10,5; 11,14), und am Ende schaut der alte Tobias auf die künftige Gottesstadt Jerusalem mit ihrer Lichtherrlichkeit (13,11; siehe auch 13,16f.). Dass das Licht mehr als eine physische Qualität hat, wird auch deutlich, wenn im Hinblick auf Achikars positives Schicksal gesagt werden kann, dass er „ins Licht“ hinausging (14,10). Diese einzelnen Motive lassen sich kohärent miteinander verbinden, und so wird im Hinblick auf die Gesamterzählung ein Spannungsbogen aufgebaut. Dieser führt von Tobits Blindheit – also der Finsternis – über das Tun der Barmherzigkeit und Tobits Heilung zum Wiedererblicken des geliebten Sohnes Tobias und zur Hoffnung auf die Lichtherrlichkeit Jerusalems.82

Diachrone Perspektiven der Tobiterzählung Zur Literarkritik Das Tobitbuch ist auch Gegenstand literarkritischer Reflexion geworden.83 Bereits Tobits Lobdie ältere Literatur wollte zumindest in Tobits Lobgesang (13,1–18) eine sekundäre gesang Ergänzung sehen.84 Ein wichtiges Argument war in diesem Zusammenhang, dass sich an keiner Stelle dieses eschatologisch ausgerichteten Gebets direkte inhaltliche Beziehungen zur Handlung des Tobitbuches finden und das Lied sich auch in stilistischer Hinsicht von der restlichen Erzählung abhebt. Das Textstück zeigt zudem im Hinblick auf die Einbindung in den narrativen Kontext gewisse Unstimmigkeiten: Während Tobit und sein Sohn im Anschluss an die Selbstoffenbarung des Engels Rafaël Gott gemeinsam loben (12,22), verfasst Tobit sein Preislied anschließend in schriftlicher Form (13,1); Tobias dagegen wird in diesem Zusammenhang nicht mehr erwähnt. Zudem unterscheiden sich auch die eschatologischen Entwürfe am Ende des Buches bezüglich der Perspektive auf die Völker: Während Tobit in seinem Hymnus die Wallfahrt der Völker nach Jerusalem als integralen Bestandteil der Zukunftserwartung sieht (13,11b–d), spricht er in seinem Testa82 Zum Ganzen siehe EGO, Licht Gottes. 83 Vgl. für die jüngere Literatur den Forschungsüberblick bei KIEL, The Whole Truth, 18–24; JACOBS, Scribal Innovation, 586–589; MACATANGAY, Wisdom Discourse, 7–22; MOORE, Scholarly Issues, 77 (mit Hinweisen auf die ältere Literatur). 84 So ZIMMERMANN, 24–27; vgl. auch die Hinweise auf diese These bei GREGORY, Rebuilding of the Temple, 155 (Lit.).

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ment zwar explizit von der Umkehr der Völker, behält aber die Sammlung in Jerusalem und das Wohnen im Land den „Kindern Israel“ vor (14,6a–7c).85 Entwürfe für Dezidiert literarkritische Entwürfe für das gesamte Buch, die von einem mehrdas Gesamt- stufigen Wachstum ausgehen, präsentierten Paul DESELAERS (1982) und Marten RAbuch BENAU (1994). Nach DESELAERS erfuhr die um die Mitte des 3. Jh.s v. Chr. in Ägypten entstandene, knapp fünfzig Prozent des Gesamtbestandes umfassende Urfassung des Buches (für DESELAERS ist dies die Kurzfassung GI) ungefähr um 220 v. Chr. eine Überarbeitung in Jerusalem, wobei die Bedeutung des Gesetzes und der Propheten in den Vordergrund getreten sei. Eine weitere Überarbeitung soll zwei Jahrzehnte später vermutlich in Alexandria unter dem Einfluss der dortigen Pogrome vorgenommen worden sein und die Achikargestalt in die Erzählung eingeführt haben. Eine dritte und letzte Bearbeitung, die vornehmlich eschatologische Akzente setzte, soll schließlich um 185 v. Chr. in Jerusalem erfolgt sein.86 RABENAU wiederum möchte annehmen, dass das Buch in seiner Gesamtheit in Palästina entstand und dort auch in einem relativ kurzen Zeitraum mehrere Erweiterungen, die sich durch das gesamte Buch ziehen, erfuhr. „Die 1. Erweiterungsschicht, wahrscheinlich zwischen 147 und 141 v. Chr. in Palästina erstanden [sic!], spiegelt mit der Pflicht zur Totenbestattung die unruhigen Zeiten und verpflichtet besonders zur Solidarität mit den mittellosen, bedürftigen Brüdern. Die 2. Redaktion verarbeitet verstärkt die innerjüdischen Spannungen und wird in Palästina nach 140 v. Chr. erfolgt sein. Auch die 3. Erweiterung mit ihrer Betonung der Gesetzesfrömmigkeit erfolgte im letzten Drittel des 2. Jh.s v. Chr. in Palästina.“87 Beide literarkritischen Vorschläge hat die Forschung allerdings sehr zurückhaltend aufgenommen. DESELAERS’ Ansatz ist insofern problematisch, weil er von der Priorität von GI ausgeht. Bei RABENAU bilden – abgesehen von der Einbindung des Lobliedes Tobits (13,1) – nicht auffallende Widersprüche, sondern vielmehr meist stilistische Kriterien wie Dubletten oder redundante Formulierungen die Grundlage für eine Quellenscheidung, sodass er von bestimmten Themen auf eigenständige Schichten schließt. Dieses Vorgehen wirft insofern methodologische Probleme auf, da all diese Kriterien keineswegs zwingend und notwendig für eine Quellenscheidung sprechen.88 So plädiert auch die Mehrzahl der Ausleger für die literarische Einheitlichkeit des Buches.89 Einen neuen Vorstoß im Hinblick auf die Diachronizität der Erzählung unternahm Lawrence M. WILLS in seiner Arbeit über den griechischen Roman. Danach bilden Tob 2–12 den Kern, der sich am besten als eine volkstümliche Erzählung mit komischen Elementen beschreiben lässt. Tob 1, das einen viel strengeren Ton aufweist und das nur durch das Motiv der Bestattung und der Rede vom Erinnern 85 Siehe hierzu z. B. SCHUMPP, 256; weitere Literatur bei MOORE, 283. Vgl. hierzu auch die Literaturhinweise bei KIEL, The Whole Truth, 18–24. 86 DESELAERS, Buch Tobit, 21–56. Eine Zusammenfassung der Position von DESELAERS findet sich bei RABENAU, Studien, 8f. 87 RABENAU, Studien, 189f. 88 Siehe hierzu die dezidierte Kritik an RABENAU und DESELAERS bei NICKELSBURG, Review Rabenau, 349; weitere Kritik bei COLLINS, Judaism, 24; JACOBS, Scribal Innovation, 587. 89 Als Vertreter der literarischen Einheitlichkeit der Erzählung können exemplarisch genannt werden: KIEL, The Whole Truth, 18–24; MACATANGAY, Wisdom Discourse, 8–10; MOORE, 21f.; WEITZMAN, Allusion, 51.

Zur Literarkritik

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mit Tob 2 verbunden ist, stamme – so WILLS – von einer anderen Hand. Es erinnere mehr an Erzählungen von der Verfolgung einer gerechten und weisen Person, die in einem höfischen Kontext auftritt, und damit an die Josefsgeschichte, die Daniellegenden oder das Esterbuch. Auch Tob 13 und 14 stammten, so WILLS, von einer anderen Hand als die Kernerzählung; auch hier verweist er wieder auf den unterschiedlichen Ton der Erzählung. Ein inhaltlicher Widerspruch zum Kern der Geschichte liege zudem in Tob 14,10 vor, wo Nadab, der Neffe Achikars, im Einklang mit der Achikarlegende pejorativ beschrieben wird, wohingegen er in Tob 11,19 einfach als Cousin bei den Hochzeitsfeierlichkeiten erscheine.90 In eine ganz ähnliche Richtung votierte auch John J. COLLINS: Zwar sei es schwierig, eine detaillierte literarkritische Analyse vorzulegen, die einzelne Schichten unterscheide und sogar zwischen einzelnen Versen trenne; die Diversität des Materials lege jedoch die Vermutung nahe, dass zumindest der Abschnitt über Tobits Jerusalemfrömmigkeit in Kap. 1 sowie die eschatologischen Passagen in Tob 13 und 14 sekundäre Erweiterungen seien. Dabei formuliert COLLINS ohne Rekurs auf WILLS’ Ergebnisse: „The core story of Tobit concerns the adventures and misadventures of a family. Only in the opening and concluding chapters is that story placed in the broader context of the history of Israel. The concern for Jerusalem and for the reunification of Israel in these passages is extraneous to the core story, and not required for its completion. There is reason to suspect, then, that the beginning and the ending of the story have been expanded to provide a theological and historical frame, from a Judean, Jerusalemite perspective, that was no integral to the original story of Tobit.“91

Dies bedeute jedoch nicht, dass die gesamten Kapitel 1, 13 und 14 sekundär seien, da das Buch mit einer Einleitung begonnen und mit Tobits Tod geendet haben müsse; auch seien sekundäre Zusätze im „Kern“ des Buches Tob 2–12 nicht auszuschließen; eine Unterscheidung zwischen dem Rahmenteil und dem Kern des Buches könne aber genügen.92 Interessant und weiterführend im Hinblick auf die Thematik der Literarkritik ist ein Ansatz der neueren Forschung, wie er von Naomi JACOBS in einem Aufsatz mit dem Titel „Scribal Innovation and the Book of Tobit: A long Overdue Discussion“ eingebracht wurde. Sie unterscheidet sich in der Herangehensweise insofern von der klassischen Literarkritik, als dass hier nicht nach der Schichtung des Textes gefragt, sondern vielmehr mit punktuellen Bearbeitungen desselben im Kontext der Schreibertätigkeit gerechnet wird. JACOBS stellt fest, dass sich in der Erzählung eine ganz auffällige Verteilung in der Verwendung der Gottesbezeichnungen findet: Während im Rahmen vom „König des Himmels“ (1,18; 13,7.11.16) die Rede ist, spricht die Kernerzählung vom „Herrn / Gott des Himmels“ (6,18; 7,11.12.17; 8,15; 10,11.13; siehe auch 5,17: „der Gott, der im Himmel ist“). Dieser Befund bestätigt – so JACOBS – COLLINS’ und WILLS’ These, wonach die Kapitel Tob 1; 13 und 14 von Tob 2–12 zu trennen sind. Weitere Hinweise auf die Aktivität von Schreibern, die partiell in den Text eingegriffen haben, finden sich insbesondere im Kontext

90 WILLS, Jewish Novel, 84–88. 91 COLLINS, Judaism, 25. 92 COLLINS, Judaism, 25.

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der Regelungen zur Verheiratung von Tobias und Sara (7,11–13).93 Weiterführende Überlegungen zur Literarkritik des Buches präsentiert JACOBS in ihrer Monographie „Delicious Prose“. Auch hier argumentiert sie mit der Aktivität von einzelnen Schreibern, aber nun sind es z. T. auch größere Abschnitte, für die eine spätere Bearbeiterhand erwogen wird (so z. B. für 1,6–8; 1,10f.; 2,6; 2,11–14; einzelne Weisungen in der Abschiedsrede 4,3–19 [ohne genauere Spezifizierung], bei den Ausführungen zum Umgang mit der Galle 6,9; 11,8 und 11,12 oder bei den Angaben zu den verschiedenen Hochzeitsfeierlichkeiten in 7,9–14; 8,1; 8,19–20, 9,16; 12,7b–10; 12,12–14 oder 12,19).94 Kriterien zur Auffindung des sekundären Materials ähneln dabei denen aus der traditionellen Literarkritik, so inhaltliche Widersprüche oder stilistische Brüche, allerdings sind diese Fortschreibungen nun nicht mehr konkreten Schichten zuzuordnen. Die Vorschläge JACOBS’ haben unterschiedliche Plausibilität; insgesamt liegt es aber in der Tat nahe, mit einem längeren Wachstumsprozess und mit einzelnen Fortschreibungen zu rechnen. Als Minimalkonsens soll hier festgehalten werden, dass der älteste Teil der Minimalkonsens Erzählung in der Geschichte von der Heilung des frommen Tobit und der Vertreibung des Dämons zu finden ist (also im Wesentlichen in Tob 2–12). Zu überlegen wäre, inwiefern Tob 1,1–3 und Tob 1,10–22 in einer Grundschicht bereits zu diesem ältesten Teil der Erzählung gehörten. Der Protagonist muss zumindest kurz eingeführt werden, und die eigentliche Handlung setzt sowohl Tobits Reisen mit der Hinterlegung des Geldes (1,14) als auch sein Wirken bei der Bestattung der Landsleute (1,16–22) voraus. Vielleicht enthielt diese ursprüngliche Erzählung auch eine kurze Notiz über das Lebensende Tobits (ähnlich wie 14,1b–2). Der Rahmen mit dem Jerusalembezug scheint dagegen später hinzugefügt worden zu sein. Hierzu gehört wahrscheinlich Tob 1,1–3 in seiner jetzigen Gestalt (vielleicht mit einem älteren Substrat), Tob 1,4–8; 13 und 14 (vielleicht auch mit älteren Teilen). Die konkreten Angaben zu Tobits Herkunft aus Galiläa und deren Implikationen für die Vorstellung eines „Groß-Israel“ (1,1f.), die Jerusalemwallfahrt (1,4–8), die Verweigerung der Bestattung der Landsleute (1,17f.) und die Erwartung eines neuen Tempels (13,11; 14,6–7) lassen sich – wenn auch nicht zwingend – gut in zeitlicher Nähe zur Makkabäer- bzw. Hasmonäerzeit erklären.95 Zudem erscheint eine literarkritische Unterscheidung von Tob 13 und Tob 14 plausibel. Dafür spricht die Tatsache, dass diese Passagen Differenzen im Hinblick auf die künftige Rolle der Völker aufweisen. Während der Hymnus das Motiv der Völkerwallfahrt kennt (13,11–18), hat Tobits Testament lediglich eine universale Gotteserkenntnis der Völker im Blick (14,4b–7). Im Hymnus wird zudem das Motiv der Umkehr viel stärker in den Vordergrund gestellt. Nimmt man an, dass der Hymnus in Tob 13 jünger ist als das Kapitel mit der Geschichtsschau in Tob 14, so wäre die Kernerzählung von der Heilung des frommen Tobit und der unschuldigen Sara durch das Interesse einer geschichtstheologischen und eschatologischen Durchdringung des Stoffes in mehreren Stufen fortgeschrieben worden.

93 JACOBS, Scribal Innovation, 591–593. 94 Zum Ganzen siehe JACOBS, Delicious Prose, jeweils z. St.; allerdings sind die einzelnen Angaben hier oft relativ unkonkret. 95 Zum Einzelnen siehe die Ausführungen z. St.

Datierung und Entstehungsort

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Datierung und Entstehungsort In der Forschung zeichnet sich der Konsens ab, die ursprüngliche Version des Datierung Tobitbuchs zwischen der Mitte des 3. Jh.s und 175 v. Chr. zu datieren.96 Als Terminus a quo gilt die Kanonisierung der Propheten als Heilige Schrift (vgl. 14,4) sowie aufgrund der Wendung „nach der Bestimmung des Buches des Mose“ (vgl. 6,13; 7,11.12.13) die Abfassung der Chronik. Als Terminus ad quem wird in der Regel die Makkabäerzeit genannt, da man annimmt, dass die Erzählung im Wesentlichen keine expliziten Hinweise auf die Religionsnot enthält.97 Eine solche Datierung passt zum Thema „Magie und Medizin“ sowie zu Tobits Weisheitslehre mit den zahlreichen Bezügen zu Jesus Sirach (siehe auch die anderen inhaltlichen und sprachlichen Verbindungen mit den Apokryphen und dem Corpus der aramäischsprachigen Literatur aus der Zeit des Zweiten Tempels; dazu unten unter „Biblische Referenzen“ sowie „Außerbiblische Traditionen“). Wenn man die Rahmenteile im Wesentlichen als spätere Fortschreibungen versteht (siehe zur Literarkritik), so ist eine Endredaktion in der Hasmonäerzeit nicht unwahrscheinlich. Über den Entstehungsort der Erzählung liegt kein Forschungskonsens vor. Die Entsteeinzelnen Motive ergeben ein buntes Bild, da sowohl babylonische als auch grie- hungsort chische Elemente vorhanden sind. Viele der Ausleger votieren für die östliche Diaspora als Ursprungsort, aber es gibt auch Stimmen, die für Jerusalem bzw. einen anderen Ort im Land Israel plädieren; zudem hat man an Ägypten gedacht.98 Eine Entscheidung ist nicht einfach zu fällen. Der bereits für die Grunderzählung gegebene Diasporabezug sowie die Häufung von Motiven, die in die östliche Diaspora verweisen (so v. a. Asmodäus, viele medizinische Vorstellungen und das Exorzismusritual, das Bestattungsmotiv, die positive Rolle des Hundes, die spezifische Ehekonzeption) können zwar durch die Annahme eines Motivtransfers erklärt werden; wahrscheinlicher ist es jedoch, dass die östliche Diaspora, vermutlich Persien, tatsächlich als Herkunftsort des Stoffes zu gelten hat.99 Der Hinweis auf die 96 Hier kann nur exemplarisch auf einige Titel verwiesen werden, so die Zusammenfassung der jüngeren Forschung bei PERRIN, Almanac, 113–115 (Lit.); siehe auch EGO, Tobit (JSHRZ VI/1,2), 130f.; FITZMYER, 51–52; KIEL, The Whole Truth, 11–13; MILLER, Marriage, 10f. Vgl. dagegen ZIMMERMANN, 51; EGGER-WENZEL, Acceptance, 104, und DIES., Abgrenzung, 25, die eine Datierung in die Zeit von Antiochus IV. (175–164 v. Chr.) vorschlagen. Eine Frühdatierung in die Perserzeit wollen LEBRAM, Weltreiche, 333, und FLUSSER, Psalms, Hymns and Prayers, 556, annehmen. 97 Für diese Argumentation vgl. die Belege bei KIEL, The Whole Truth, 11–13 (mit Verweisen auf die ältere Literatur). 98 Siehe die Übersicht über die Literatur bei PERRIN, Almanac, 115f.; ferner DESELAERS, Buch Tobit, 320–341; EGO, Tobit (JSHRZ VI/1,2), 134; KIEL, The Whole Truth, 13–17; MILLER, Marriage, 10–15. Für eine Lokalisierung in Jerusalem in der neueren Literatur vgl. DIMANT, Qumran Aramaic Texts; DIES., Qumran Halakhah; FITZMYER, 54; siehe auch COLLINS, Judaism, 39, der für Galiläa votiert. MACATANGAY, Wisdom Discourse, 303, nimmt als Autor des Buches einen Weisheitslehrer in Jerusalem an, der seine Botschaft an die Diaspora richtet. 99 Exemplarisch HULTGÅRD, Judentum, 553; siehe auch MOULTON, Magian Material; RUSSELL, Tobit and Iran. Für eine ausführliche Diskussion dieser Fragestellung siehe BRODSKY, Zoroastrian Context, 38–49. Als wichtigste Motive, die für einen zoroastrischen Kontext sprechen, nennt der Autor die Bestattung und die Endogamie; siehe ibid., 50–63.

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fehlende Ortskenntnis des Autors100 oder die Motivverbindungen mit anderen aramäischen Texten aus der Zeit des Zweiten Tempels, die im Land Israel entstanden sind (so ein wichtiges Argument bei Devorah DIMANT und Andrew B. PERRIN), sprechen zumindest nicht eindeutig gegen eine Lokalisierung im Osten. Zum einen sind bei den antiken Autoren, die noch keine Atlanten u. ä. besaßen, keine exakten geographischen Kenntnisse als selbstverständlich vorauszusetzen; zum anderen erzwingen auch die Motivverbindungen mit den anderen aramäischen Texten nicht notwendigerweise eine Lokalisierung im Land. So empfiehlt es sich hier, eher die Argumente auszuloten, denn eine konkrete Festlegung zu machen.101 Die griechischen Versionen deuten durch die Verwendung von Spezialvokabular auf Alexandria als Ort der Übersetzung, zumindest aber auf einen hellenistisch gebildeten Autor (siehe zu 1,21f.; TA 11,12.13a-a). Das Ethos des Buches passt sehr gut in das Jerusalemer Milieu der WeisheitsMilieu lehre, wie sie durch den Siraziden vertreten ist. Wer weiß, vielleicht hat ein solcher Weisheitslehrer den Stoff auch von einer seiner Reisen mitgebracht (vgl. Sir 39,4) und dann mit einem starken Akzent auf der ethischen Unterweisung bearbeitet? Die Erzählung ist in jedem Fall in einem prosperierenden Milieu entstanden, in dem man sowohl mit den biblischen Traditionen, und zwar der Weisheit ebenso wie der Prophetie, aufs Engste vertraut war, als auch mit babylonischen und persischen Vorstellungen und der griechisch-hellenistischen Kultur im Kontakt stand.102 Eine Beziehung zur Familie der Tobiaden ist nicht auszuschließen, lässt sich aber nur schwerlich im Gesamtkontext der Überlieferung konkreter fassen (zu 1,1).

Biblische und außerbiblische Bezüge und traditionsgeschichtliche Aspekte Biblische Referenzen Wie die Kommentierung im Einzelnen zeigen wird, ist die Erzählung sehr eng mit der biblischen Überlieferung verbunden, indem sie in einem reichen Maße auf ältere biblische Texte und Traditionen rekurriert. Bereits Israel ABRAHAMS hat in einem 1893 erschienenen Aufsatz mit dem Titel „Tobit and Genesis“ darauf aufmerksam gemacht, in welch hohem Maße die Erzählung an Überlieferungen aus dem Pentateuch erinnert. Dabei hatte er insbesondere die Bestattungsnotizen im Blick.103 Lothar RUPPERT, der in diesem Kontext „von einer nachgestaltenden Er100 So z. B. FITZMYER, 54. 101 Siehe auch die Zurückhaltung in der neueren Literatur, so LITTMAN, XXIX; JACOBS, Delicious Prose, 26–27; MILLER, Marriage, 15. 102 So hat man auch vorgeschlagen, den Autor der Erzählung als einen „upper-class Jewish landowner“ zu sehen; siehe hierzu JACOBS, Delicious Prose, 28f.90, mit Verweis auf SMITH, Palestinian Parties, 159.163 und 190; ferner WILLS, Jewish Novel, 99–100. 103 ABRAHAMS, Tobit and Genesis.

Biblische Referenzen

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zählung“ sprechen kann,104 sowie Paul DESELAERS,105 George W. E. NICKELSBURG,106 Steven WEITZMAN,107 Norbert J. HOFMANN108 und Micah H. KIEL109 haben diesen Ansatz aufgegriffen und weiter ausgebaut.110 Wenn auch eine ausführliche Klassifikation der unterschiedlichen Referenzen einer eigenen Arbeit vorbehalten bleiben und für einzelne Bezüge auf die Kommentierung selbst verwiesen werden muss, können an dieser Stelle doch einige grundlegende Linien gezogen werden. – Ein klarer Rekurs auf die biblische Überlieferung erfolgt mit der Wendung vom „Buch des Mose“ bzw. dem „Gesetz des Mose“. Sie hat in der Überlieferung des Buches zwei konkrete Haftpunkte: zum einen in a) den Bestimmungen zur Wallfahrt nach Jerusalem und den Tempelabgaben, wodurch eine klare Fokussierung auf kultische Zusammenhänge erfolgt, und zum anderen b) im Kontext der Endogamieforderung. a) Bemerkenswert im Hinblick auf das Motiv der Jerusalemwallfahrt mit den Abgaben an den Jerusalemer Tempel (1,4–8; vgl. 1,8: νόμος Μωσῆ) ist zunächst, dass die einzelnen Bestimmungen hier sehr differenziert dargelegt werden, wobei zahlreiche Rückgriffe auf unterschiedliche biblische Gebote zu den Abgaben erfolgen.111 b) Der zweite Haftpunkt hängt mit dem Gebot der Endogamie zusammen, wonach der junge Tobias seine Verwandte Sara heiraten bzw. Sara einen Verwandten zum Ehemann nehmen soll. Die Referenz erfolgt zum ersten Mal in Tob 6,13 (siehe auch 7,11.12.13). Die Endogamieforderung der Abschiedsrede (4,12) enthält diesen expliziten Schriftbezug nicht; ebenso fehlt er im Gebet Saras (3,14). Allerdings findet sich an keiner Stelle der biblischen Überlieferung eine Bestimmung, die genau auf die hier vorliegende Form des Endogamiegebots, das auf die Heirat mit dem nächsten Verwandten ausgelegt ist und dessen Verletzung unter Todesstrafe steht, passt. Es ist anzunehmen, dass hier eine freie Auslegung der biblischen Erbtöchtertora (Num 27,1–11; 36,1–12) vorliegt, die den Terminus „Tora“ in einem weiteren Sinne auffasst, was auf eine Unterscheidung von „mündlicher“ und „schriftlicher Tora“ hinausläuft.112 – Prophetische Traditionen werden ausdrücklich eingeführt, wenn Tob 2,6 mit einer Zitationsformel auf Am 8,10 verweist und den betreffenden Vers auch im Wortlaut wiedergibt. Eine weitere explizite biblische Referenz (allerdings ohne Zitation einer bestimmten Stelle) findet sich in Tob 14,4 mit dem Verweis auf die Verkündigung Nahums zur Zerstörung Ninives. Tob 14,4.5 rekurriert zudem ganz

104 105 106 107 108 109 110 111 112

RUPPERT, Modellfall. DESELAERS, Buch Tobit, 292–304. NICKELSBURG, Search, 340–344. WEITZMAN, Allusion, 58–61. HOFMANN, Rezeption, 311–326; siehe auch SOLL, Misfortune and Exile; WEEKS, Deuteronomic Heritage. KIEL, Inner-biblical Exegesis, 295–313; siehe auch DERS., Moses Redux. Zu den biblischen Referenzen vgl. auch den Überblick bei CHESTER, Citing the Old Testament, 154–157; siehe auch knapp BRUM TEIXEIRA, Poetics and Narrative Function, 24f.; MACATANGAY, Wisdom Instructions, 25f. Zum Einzelnen siehe die Auslegung zu 1,4–8. Zum Einzelnen siehe die Auslegung zu 6,13 sowie 3,15.

Gesetz des Mose

Prophetische Traditionen

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allgemein auf die Verkündigung der Propheten Israels – zum einen im Hinblick auf das Geschick Assurs und Ninives (so 14,4) und zum anderen im Hinblick auf die Verheißungen zur Erbauung des Tempels (so 14,5).113 – Abgesehen von einer Vielzahl von biblischen Anspielungen114 fungieren bibSubtexte lische Texte ansonsten häufig als Subtexte, und zwar dergestalt, dass ein biblischer Text die Folie bildet, auf die v. a. durch eine Mehrzahl von Referenzen, aber auch durch Motivbezüge immer wieder rekurriert wird. a) Eine herausragende Rolle nimmt hier Gen 24 ein, wobei sich Parallelen in der Geschehensstruktur (z. B. die Brautwerbung als Grund für die Reise in 6,11 und Gen 24,4.7), gleichlautende Wendungen (z. B. das „Gelingen“ als Leitwort: 5,22; 10,11.13 und Gen 24,21.40.42.56), thematische Bezüge (das Thema der Endogamie in 1,9; 6,12.16; 7,10 und Gen 24,3f.7.40) und Anspielungen (das „Liebgewinnen“ der Frau: 6,18b und Gen 24,67) unterscheiden lassen.115 b) Hinzu kommen weitere Verbindungen mit den Erzelternerzählungen, die eher punktueller Art sind: Tobias’ Braut Sara trägt den Namen der Erzmutter, und die Begegnung von Tobias und Sara (7,1–9a) weckt zudem Assoziationen an Jakobs Begegnung mit den Leuten Labans in Gen 29,4–6.116 c) Darüber hinaus sind aber auch Entsprechungen zur Josefsgeschichte zu nennen. Sowohl Josef als auch Tobit befinden sich in einem fremden Land (1,1–2//Gen 39,1); beide haben einen offiziellen Posten inne (1,13//Gen 41,42–43); beide werden unverdientermaßen angegriffen und geraten in Lebensgefahr (1,19–20//Gen 37,18–28; 39,7–20); schließlich aber werden sie ins Recht gesetzt und kommen zu unerwartetem Reichtum (1,14; 14,2//Gen 45,11; 47,12).117

113 Zu diesen Bezügen siehe SCHÖPFLIN, Scriptural Authority, 86–90. 114 Siehe hierzu die Einzelnachweise in der Kommentierung. Da nur ein ganz geringer Teil der Qumranfunde den hebräischen Text (der zudem wohl eine Übersetzung aus dem Aramäischen darstellt) belegt, ist es im Einzelnen sehr schwer zu entscheiden, ob hier wörtliche implizite Zitate oder etwas freiere Anspielungen vorliegen. 115 Die beste Zusammenstellung der Bezüge von Tob zu Gen 24 findet sich bei DESELAERS, Buch Tobit, 292–298. Dabei kommt den einzelnen Parallelen unterschiedliches Gewicht zu; siehe EGO, Rezeption der Erzelternerzählung. 116 Siehe die Auslegungen z. St. 117 Ausführlich zu den Bezügen zur Josefserzählung siehe RUPPERT, Modellfall, 114–116, wonach nicht die Bezüge zu Gen 24, sondern diejenigen zur Josefsgeschichte die Struktur der Erzählung bestimmen; hier werden die Entsprechungen folgendermaßen gesehen: „Ein alter Vater (Jakob/Israel – Tobit) muß seinen Lieblingssohn (Benjamin) bzw. seinen einzigen Sohn (Tobia) auf eine gefahrvolle Reise in ein fernes Land (Ägypten – Medien) schicken, um von dort Güter (Lebensmittel – zehn Talente Silber) heimzubringen, welche die gegenwärtige Not (Hungersnot – Verarmung) wenden sollen. Dabei vertraut er seinen Sohn einem Begleiter (Juda – ‚Asarja‘) an. Falls der Sohn auf der Reise stürbe, könnte der Vater (wie auch im Falle Tobias die Mutter) vor Kummer ins Grab sinken (Gen 44,30f; Tob 6,15 BA). Doch dank dem Begleiter und seiner Hilfe entgeht der Sohn allen Gefahren, während ihn der Vater (Jakob: Gen 43,14; vgl. im Hinblick auf Josef Gen 37,33–35) bzw. die Mutter (Hanna: Tob 10,4.7) schon aufgegeben hat bzw. bereits tot glaubt. Auf der Reise trifft der Sohn unvermutet einen Verwandten (Josef – Raguel), von dem er nach dem Vater gefragt und auf die Versicherung, daß er noch lebe, unter Tränen umarmt (Gen 43,27f; Tob 7,4–6) und festlich bewirtet wird (Gen

Biblische Referenzen

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d) Neben diesen Entsprechungen zu narrativen Passagen der Genesis spielen für die Pentateuchrezeption auch die Bezüge zum Deuteronomium eine bedeutende Rolle. Hier ist – abgesehen von allgemeinen sprachlichen Wendungen – insbesondere auf die dtn.-dtr. Sündentheologie und die Vorstellung der Reziprozität zwischen der Umkehr des Volkes und dem Erbarmen Gottes zu verweisen, die in Tob 13,5–6 auf der Folie von Dtn 30,2–3.5 eingespielt wird. Deutliche Bezugnahmen auf Dtn 32 finden sich in Tob 13,2. Wenn in Tob 14,3–11 in Analogie zu Dtn 33 eine Abschiedsrede Tobits vor seinem Tod erfolgt, ist ein weiterer Bezug zum Dtn gegeben, sodass deutlich wird, dass dieses insgesamt auf die formale Gestaltung des Buches eingewirkt hat.118 e) Insbesondere Tobits eschatologischer Hymnus in Tob 13 sowie sein Geschichtsausblick in Tob 14,4–7 enthalten eine Vielzahl von Anspielungen auf die Heilsprophetie Deutero- und Tritojesajas sowie auf weitere Traditionen aus der prophetischen Überlieferung.119 Von besonderer Bedeutung ist es, dass Tob 14,5 zu den Belegen gehört, welche die Hoffnung auf die Errichtung eines neuen Tempels in einer Zeit artikulieren, in welcher der Jerusalemer Tempel mitsamt seinem Kultbetrieb (wieder bzw. noch) bestand. Bemerkenswert ist auch die Abschiedsrede Tobits, da hier – analog zu den apokalyptischen Entwürfen in der Henochüberlieferung wie der Tier- und der Wochenapokalypse – eine klar gegliederte Geschichtsschau dargeboten wird. f) Tobits biographischer Rückblick am Anfang der Erzählung (1,3–22) verweist auf historische Ereignisse wie die Exilierung durch die Assyrer (1,2.3.10), die Herrschaft Salmanassars (1,2.13.15), auf Sanherib und seine Ermordung (1,15.21) sowie auf die Regierung Asarhaddons (1,21f.). Der Autor greift hier auf die einschlägigen Notizen aus den biblischen Geschichtswerken, insbesondere den Königebüchern, zurück. Tobits Erzählung vom Abfall seiner „Brüder“, die der Sünde Jerobeams folgen (1,4–8), rekurriert auf 1 Kön 12,28–32. g) Die Erzählung hat auch mit Motiven anderer antikjüdischer Erzählungen wie Daniel und Judit Berührungen. Denn auch in diesen Texten finden sich Hinweise auf spezifisch jüdische Speisegesetze (Dan 1,8; Jdt 10,5) sowie die Betonung der Endogamie (Jdt 8,1–2), der rechten Bestattung (Jdt 8,3) und des Gebets (z. B. Dan 43,29f [sic!]; Tob 7,7f). Beim Wiedersehen zuhause umarmen der Vater (Jakob) bzw. die Mutter (Hanna) weinend ihren Sohn und versichern, daß sie nun gerne sterben wollten (Gen 46,30; Tob 11,9, vgl. 11,14). Vor seinem Sterben ruft der Vater Sohn (Josef – Tobia) und Enkel zu sich (Gen 47,29; 48,2; Tob 14,3), um von ihnen ein ehrenvolles Begräbnis zu verlangen (Gen 47,29–31; Tob 14,9) und ihnen wichtige Mitteilungen über künftige Ereignisse zu machen (Gen 48,15–22; Tob 14,3–11), wobei es sich um die Heimführung ins Land der Väter (Gen 48,21, vgl. 50,24) bzw. um die Rückführung der Exilierten (Tob 14,5, vgl. 13,5) handelt. Die Zukunft ist auch Thema einer gebundenen Rede des Vaters (Gen 49; Tob 13).“ Allerdings fällt es schwer, hier eine durchgehende Struktur anzunehmen, da der Stellenwert einzelner Elemente überbetont bzw. die Bedeutung anderer Ereignisse unberücksichtigt gelassen wird. Die Beschaffung des Geldes ist zwar das vordergründige Ziel der Handlung; inhaltlich kommt aber der Heilung Tobits bzw. der Lösung des Dämons von Sara und deren Verheiratung mit Tobias weitaus größeres Gewicht zu. Diese Züge kommen jedoch in diesem Modell zu wenig zur Sprache. 118 Hierzu siehe insbesondere HOFMANN, Rezeption, 311–326; siehe auch KIEL, Inner-biblical Exegesis, 298–300. 119 Zur Rezeption der prophetischen Überlieferung allgemein siehe ZSENGELLÉR, Topography, 182. Für einzelne Nachweise siehe die Kommentierungen z. St.

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2,20–23; 3,24–50LXX; 3,51–90LXX; Jdt 9,2–14; Est 4,17a–iLXX; 17k–zLXX). Besonders bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die Beziehungen zur Weisheitsschrift Jesus Sirachs. Enge Berührungen liegen im Kontext der ethischen Unterweisungen vor, wobei ein Schwerpunkt auf dem Gebot der Armenfürsorge und der Barmherzigkeitstaten liegt (vgl. die Worte des Vaters 4,3–19 bzw. die Abschiedsrede Rafaëls in 12,6–20; siehe auch zu 5,18). Aber auch im Hinblick auf die transzendente Verankerung des medizinischen Wissens (siehe zu 6,8–9) oder die Bedeutung des Gebets (siehe zu 3,16f.) fällt die Nähe zum Siraziden auf. h) An biblische Traditionen knüpft auch die Angelologie des Buches mit dem Engel Rafaël an und führt diese weiter. Dabei ist bemerkenswert, dass hier eine Vermischung zweier ursprünglich getrennter angelologischer Vorstellungen erfolgt, nämlich der des Botenengels und der des Thronengels. Diese ist innerbiblisch erst in späten Überlieferungen zu greifen.120 Wie in der Henochliteratur deutet sich dabei – im Unterschied zur biblischen Tradition – eine Hierarchisierung der Engelwelt an, da die Thronengel als eine besondere Gruppe hervorgehoben werden. Ein weiterer Unterschied zur älteren alttestamentlichen Überlieferung liegt vor, wenn der Engel hier auch einen Namen trägt.121 Eine solche Namensgebung ist in den biblischen Texten weder für den Boten- noch für die Thronengel bekannt.122 i) Weitere Entsprechungen sind allgemeiner Natur: Wie die Ester- und Danielerzählung spielt auch diese Geschichte in der östlichen Diaspora, sodass gerade im Hinblick auf die spezifische Problematik dieser Situation, wie die Abgrenzung von den Völkern durch spezielle Speisegebote, auch einzelne Passagen dieser Bücher anklingen. Hinzu kommen weitere Bezüge zu anderen biblischen Schriften: So scheint die Erzählung mit dem Thema des Leidens des Gerechten auch auf die Hiobgeschichte zu rekurrieren; auffälligerweise finden sich hier aber keine sprachlichen Anspielungen, sondern nur eine Motiventsprechung, wenn die beiden Protagonisten Zielpunkt des Vorwurfs und der Anklage ihrer Ehefrau werden.123

Außerbiblische antikjüdische Traditionen Neben diesen biblischen Referenzen spielen aber auch außerbiblische antikjüdische Traditionen eine bedeutende Rolle.124 So enthält die Erzählung zahlreiche Verbindungen zu anderen auf Aramäisch vorliegenden Texten aus der Zeit des 120 Zum Ganzen siehe die Ausführungen zu 3,16f. und 12,15 mit weiterführender Literatur. 121 Zum Einzelnen siehe die Auslegung zu 3,16f. 122 In der Hebräischen Bibel haben lediglich Gabriel und Michael einen Namen (siehe das Danielbuch). Im Neuen Testament stellt sich der Engel Gabriel mit Namen dem alten Zacharias vor und nennt – wie hier Rafaël – seine Funktionen als Thron- und Botenengel (Lk 1,19). 123 Auf den Bezug zu Hiob verweist u. a. PORTIER-YOUNG, Eyes to the Blind, 17; siehe die Auslegung zu 2,11–14. Des Weiteren wurden in der Literatur auch intertextuelle Bezüge zu den Psalmen hergestellt (hierzu RYAN, Psalms; ferner NICKLAS, Weg der Gerechten, sowie DI LELLA, Book of Judges). 124 Hierzu auch der Überblick zur älteren Forschung bei DESELAERS, Buch Tobit, 280–292 (u. a. zu GLASSON, Main Sources).

Weitere Traditionen

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Zweiten Tempels. Verbindende Motive sind die Wertschätzung der Endogamie, der Gedanke der Verbindung zwischen Dämonen und Menschenfrauen sowie die Halakha im Kontext der Abgaben am Jerusalemer Tempel. Darin berührt sich die Erzählung mit der Überlieferung des Äthiopischen Henoch, dem Aramaic Levi Document, dem Testament des Qahat, den Visionen Amrams und dem Genesis-Apokryphon.125 Insbesondere sind hier die engen Beziehungen zum Wächterbuch der Henochüberlieferung in äthHen 6–11 zu nennen. Diese Geschichte kennt den Gedanken, dass Engel den Menschenfrauen in sexueller Begierde zugeneigt sind und deshalb ihre himmlische Heimat verlassen, um sich mit ihnen zu verbinden; ihre Nachkommen werden dann auf Erden in der Gestalt von Riesen eine dämonische Existenz führen. Die gefallenen Engel werden unschädlich gemacht, indem man sie u. a. bindet, und so kann die Erde schließlich erlöst werden (äthHen 11–16; vgl. Gen 6,1–4).126

Allerdings hat diese Vorstellung in Tob bei Weitem nicht eine so universale Ausrichtung, wie dies im Wächterbuch der Fall ist, da das Motiv von der Liebe des Dämons zu Sara hier relativ isoliert erscheint und weder von einem Herabsteigen der himmlischen Wesen aus der himmlischen Welt noch von einer generellen Bedrohung der gesamten Schöpfung die Rede ist. Insofern, als Asmodäus die Fortexistenz des gesamten Volkes zu bedrohen vermag, ist jedoch eine nationale Ausrichtung unverkennbar.127

Weitere Traditionen Weitere Traditionen entstammen der sog. „Umwelt“, wobei ägyptische, mesopotamische, persische und griechische Texte bzw. Überlieferungen rezipiert werden. – Eine wichtige Rolle spielt der Achikarstoff, der uns heute in den Elephantine- Achikar texten vorliegt (aber sicherlich nicht auf Ägypten begrenzt war). Durch die Konstruktion, wonach Achikar ein Verwandter Tobits ist, hat der Autor diese Figur geschickt mit seiner Erzählung verbunden, und so wird die Figur des Tobit aufgewertet. Zudem fungiert die Achikarerzählung als eine Art Subplot, die die grundlegende Gültigkeit des Tun-Ergehen-Zusammenhangs veranschaulicht.128 Schließlich dient Achikar auch als Exempel familiärer Solidarität und barmherzigen Handelns (zum letzteren Aspekt siehe 2,10; 14,10).129 – Sowohl die „rationale“ Augenheilkunde als auch das Räucherritual haben Babylonische Medizin und viele Entsprechungen in babylonischen Traditionen. Magie

125 Siehe allgemein hierzu DIMANT, Qumran Aramaic Texts; MILLER, Genesis Apocryphon; PERRIN, Tobit’s Context; knapp BRUM TEIXEIRA, Poetics and Narrative Function, 31–41; FRÖHLICH, Wisdom, 256f.; DIES., Background, 56f. 126 Die Literatur zu diesem Thema ist in den letzten Jahren enorm angewachsen, siehe u. a. BACHMANN, Ausnahmezustand (Lit.). 127 Zu diesem Aspekt siehe die Auslegung zu 6,15. 128 Zu Achikar vgl. die Ausführungen bei 1,21f. 129 DESELAERS, Buch Tobit, 446; WEIGL, Rettende Macht, 242f. HAAG, Heiler Israels, 36f., spricht vom Exil als der „Wüste der Völker“, in dem der „Horizont für die Manifestation der Rettermacht Gottes als Heiler Israels“ entworfen wird.

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Einleitung

a) Babylonische Heiltexte bezeugen sowohl die Behandlung von Augenkrankheiten durch Salben als auch die Verwendung von Fischgalle für die Herstellung derselben. Durch die unterschiedlichen Angaben zum konkreten Prozess der Heilbehandlung (siehe oben im Abschnitt „Wichtige Themen“) bleiben die konkreten realen Bezüge der Erzählung aber im Unklaren.130 Bei der Blindheit, wie sie hier dargestellt wird, handelt es sich um den „pragmamorphen Typ“ einer Krankheit; Krankheitsursache ist ein lebloser Fremdkörper, der in den Menschen eingedrungen ist, und die Heilung erfolgt durch die mechanische Entfernung desselben. Eine andere Art des Krankheitsverständnisses begegnet mit dem Motiv des Dämons und dem Exorzismus durch das Räucherritual. Da die Ursache der Krankheit hier in einem lebendigen Wesen gesehen wird, kann vom Typ einer „biomorphen“ Krankheit gesprochen werden, und es ist nach der immanenten Logik eine Vertreibung des Schädlings zur Heilung vonnöten.131 Babylonische Texte enthalten reiches Material, das Dämonenvertreibungen durch Räucherrituale belegt.132 b) Neben diesen Bezügen kann zum Verständnis des breiteren Hintergrunds auf die babylonischen Zauberschalen verwiesen werden. Wenn diese auch erst in das 5.–7. nachchristliche Jahrhundert datiert werden können, belegen sie doch auf eindrückliche Weise die folgende Vorstellung: Dämonen, die auch geschlechtliche Verbindungen mit ihren „Opfern“ eingehen, können mit ihrer schädigenden Kraft den Bereich des Hauses affizieren und in Form von Krankheiten Unheil anrichten; sie werden durch Beschwörung „geschieden“, müssen fliehen und werden schließlich gebunden. In diesen Quellen ist sowohl Asmodäus als auch Rafaël belegt (siehe zu 3,8.17; 6,15; 8,3). Dieser allgemeine religionsgeschichtliche Hintergrund zeigt: Indem das Wissen um die richtige „Medizin“ in der Tobiterzählung durch den Engel Rafaël vermittelt wird, der wiederum von Gott zur Heilung der beiden Protagonisten entsandt wurde, erfolgt hier eine Legitimierung medizinisch-magischer Praktiken im Rahmen der Jahwereligion. Weder die Erblindung noch die Heimsuchung durch den Dämon werden dabei als eine göttliche Strafe dargestellt; diese Bedrohungen scheinen vielmehr grundlos über die Protagonisten hereingebrochen zu sein. – An zoroastrische Vorstellungen erinnert der Name des Dämons Asmodäus; Zoroastrische Traditionen er entspricht dem Dämon des Zorns, Ashmadaeva. Eine unmittelbare Konkretisierung als Krankheitsdämon wird in den einschlägigen Quellen allerdings nicht ge-

130 Zum Ganzen siehe die Kommentierung von 11,8.11–13. 131 Die Begriffe „pragmamorph“ bzw. für den Dämonenbefall „biomorph“ (siehe unten zur Situation der Sara) werden hier in Aufnahme der Ausführungen von G. LORENZ zu antiken Krankheitskonzepten verwendet. LORENZ, Antike Krankenbehandlung, 61f., spricht bei der Klassifizierung der vorhippokratischen Krankheitstypen von „technomorph“ und „biomorph“. Bei ersteren wird eine Krankheit als ein „handfester Gegenstand“ vorgestellt oder hat „zumindest eine greifbare, fühlbare Trägersubstanz“ und man kann sie „nach der Analogie handwerklich-technischer Vorgänge und Fertigkeiten“ durch Herausschneiden und ähnliche Praktiken entfernen. Bei letzterem Krankheitstyp wird ein lebendig vorgestelltes Wesen „als Urheber der Beschwerden vermutet, sei es nun ein Gott, ein Dämon, Geist oder auch ein Tier, ein einfacher Wurm“, und man versucht nun, „einem derartigen Wesen den Aufenthalt im Körper ungemütlich zu machen“, sei es durch Fortlocken, Exorzismus oder indem man das Wesen tötet. 132 Siehe zu diesem Aspekt die Kommentierung zu 8,2.3.

Weitere Traditionen

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geben; Ashmadaeva ist ganz allgemein der Dämon des Zorns und der Zerstörung.133 – Weitere Motive verweisen eher auf den griechischen Bereich bzw. dann auch Ägypten und Griechenland auf Ägypten: a) In literarischer Hinsicht bedeutsam ist die Einsicht, dass die Erzählung durch Form und Stoff an den griechischen Roman erinnert (siehe oben zu „Gattung[en]“). In der Forschungsliteratur hat man darüber hinaus eine wichtige Quelle in der Odyssee gesehen.134 So arbeitete Dennis R. MACDONALD eine Vielzahl von einzelnen Motivparallelen heraus, die er verschiedenen Etappen der Handlung zugeordnet hat.135 Problematisch bei dieser These ist allerdings, dass sich die Haupthandlung der Odyssee bzw. die Nebenhandlung der Telemachie ganz wesentlich von der Tobitgeschichte unterscheidet. Telemachos zieht los, um seinen Vater zu finden, während das Ziel der Handlung hier letztlich in der Heilung des blinden Tobit und der Vertreibung des Dämons besteht. Die wesentlichen Handlungsmotive (Fischfang, Vertreibung des Dämons und Hochzeit der Protagonisten sowie die Heilung des Blinden) erscheinen in der Telemachie gerade nicht. Es handelt sich bei den Entsprechungen zwischen Tobit und der Odyssee also eher um Motive allgemeiner Art, die hier wie Versatzstücke erscheinen. Welche Mutter wäre nicht überglücklich, ihr Kind nach einer langen und gefahrvollen Reise wieder zu sehen? Das Motiv der Hochzeit ist völlig anders kontextualisiert, und dass man bei einer solchen Feier isst und trinkt und sich zur Vorbereitung einer Waschung unterzieht, ist ebenfalls recht trivial. Das Motiv der Offenbarung der Identität Odysseus’ und der Rafaëls liegen auf ganz verschiedenen Ebenen und sind nicht kompatibel. Homer war in der gesamten Antike unter den Gebildeten (auch den jüdischen!) eine bekannte Größe,136 und so ist anzunehmen, dass der Autor der Tobitschrift die Odyssee gekannt und einzelne Versatzstücke, sei es bewusst oder unbewusst, in seine Erzählung eingefügt hat. Für die Erzählung selbst sind die Bezüge allerdings nicht von handlungstragender Relevanz.137 b) Das Motiv von der Verborgenheit des Engels könnte – wenngleich der Nukleus auch in der biblischen Überlieferung enthalten ist (z. B. Gen 16,7; siehe auch Gen 18,2; 19,1; Ri 13,16) – auch auf griechische Einflüsse zurückgehen, da hier das Motiv der „verborgenen Epiphanie“ häufig zu finden ist.138 Zudem könnten bei der Gestalt Rafaëls auch Bezüge zu der Figur des Hermes mitschwingen (zu 5,17); 133 Zu Asmodäus siehe zu 3,8. Ein ganz eigener Ansatz findet sich bei CHYUTIN, Tendentious Hagiographies, wonach das Buch mit den antikjüdischen Gruppierung der Therapeuten in Verbindung stand und seinen Ursprung in Ägypten habe. 134 Zum Ganzen siehe MACDONALD, Odyssey. MACDONALD knüpft hier an die ältere Arbeit von FRIES „Tobit und die Telemachie“ [1911] an und postuliert, dass die Odyssee als Vorlage für die Tobitgeschichte zu sehen ist. 135 Eine komprimierte Zusammenstellung der einzelnen Bezüge findet sich bei MACDONALD, Odyssey, 33f. 136 Zur Homerrezeption im antiken Judentum siehe FRENSCHKOWSKI, Offenbarung II, 53–55 (Lit.). 137 Kritisch zur Abhängigkeit der Erzählung von der Odyssee siehe JACOBS, Tobit’s Mysterious Canine, 231f. (insbesondere zum Motiv der verborgenen göttlichen Hilfe); DIES., Delicious Prose, 24–25.146.162–165 (zu den „Speisetexten“); vgl. NICKELSBURG, Odyssey, 45f. 138 Vgl. hierzu FRENSCHKOWSKi, Offenbarung II.

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auch eine Verbindung zu griechischen Kulturstiftern (insbesondere Prometheus und Chiron, vielleicht auch zu dem ägyptischen Thot) ist nicht auszuschließen (zu 6,6–9). c) Die griechischen Überlieferungen sind im Hinblick auf Dämonenvertreibungen eher zurückhaltend; Vergleichsmaterial findet sich hier vornehmlich in den Zauberpapyri mit der Vorstellung vom Binden des Dämons (zu 8,3). Allerdings weisen neuere Arbeiten darauf hin, dass der Antagonismus zwischen dem „magischen Osten“ und dem „rationalen Westen“, wie er oft in der Literatur dargestellt wird, nicht sachgemäß ist. Auch die babylonische Medizin gründet auf empirischen Beobachtungen, und für Griechenland ist im Bereich des Volksglaubens auch in hellenistischer Zeit mit vorhippokratischen Vorstellungen zu rechnen (zu 3,8). d) Wenn sich in den Jahrhunderten v. Chr. in der griechischen Welt ein Diskurs findet, der sich dezidiert dafür ausspricht, Krankheiten nicht in einem theologischen System zu begreifen, sondern rational-wissenschaftlich zu deuten, so könnte dies den Referenzrahmen darstellen, in dem Tobits Augenkrankheit und seine Heilung gesehen werden müssen und gegen den der Erzähler mit dem Motiv der durch den Engel vermittelten Heilkunst Stellung beziehen möchte. Insbesondere in Ägypten fand sich eine hoch entwickelte Augenheilkunde (zu 2,10; 6,6–9).

Gesamtinterpretation „Kern“ Die Geschichte erzählt in ihrem Kern (zum Umfang siehe „Literarkritik“) von zwei

Heilungen, nämlich von der des frommen erblindeten Tobit und von der Saras, die von einem Dämon belästigt wird, welcher ihre potentiellen Ehemänner tötet. Dieser Aspekt verbindet sich mit dem Reisemotiv und dem Schutz auf dem Weg sowie einem narrativen Diskurs über die theologische Dimension von Heilungspraktiken. In Tob begegnen die beiden verschiedenen Krankheitstypen, die für die vorhippokratische Medizin in der Alten Welt typisch sind, nämlich zum einen der pragmamorphe und zum anderen der biomorphe Typ. Für beide gilt: Heilung ist nur durch eine „Medizin“ zu finden, deren Wirksamkeit über den Engel von Gott (der in der Erzählung der eine Gott und der Gott Israels ist) offenbart wird. Somit findet eine Legitimierung magisch-medizinischer Praktiken im Rahmen der Jahwereligion statt. Gleichzeitig könnte hier auch eine klare Position gegenüber dem Versuch, medizinisches Wissen als eine menschliche Errungenschaft und damit innerweltlich zu konzipieren – so ein Diskurs im griechischen Denken der hellenistischen Zeit –, zu finden sein. Ein weiteres für die Erzählung wichtiges Thema ist das der Barmherzigkeitstaten. Es steht im Kontext eines theologischen Diskurses, der sich mit der Gültigkeit des Tun-Ergehen-Zusammenhangs auseinandersetzt. Während Tobits Erblindung der Vorstellung einer gerechten Belohnung für solidarisches Handeln diametral entgegenzustehen scheint, zeigt seine Heilung (wie auch die eingeflochtene Achikarreferenz), dass Barmherzigkeitstaten letztlich doch eine gerechte Belohnung erfahren. Die Erzählung kann hier als narrative Veranschaulichung der Weisheitslehre des Siraziden verstanden werden, die unermüdlich den Wert der Barmherzigkeitstaten betont und eine Belohnung für dieselben in Aussicht stellt (so z. B.

Gesamtinterpretation

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Sir 1,12f.[12f.18f.]), aber auch das Motiv der Demütigung und Prüfung durch Leiden kennt (Sir 2,1–18[22–23]). Damit ist der ethische Impuls der Erzählung nicht zu übersehen. Zudem betont der Erzähler die Rolle des Gebets und des göttlichen Lobpreises. Dabei kommt dem Engel als Mittler (und nicht als einem Wesen, das selbst Anbetung erfahren soll) besondere Bedeutung zu. So findet implizit eine Abgrenzung gegen die religiöse Verehrung von Engelwesen statt. Durch die zahlreichen intratextuellen Bezüge wird die Erzählung ganz in die altehrwürdige Tradition Israels eingebunden, wobei die Erzelternerzählungen eine ganz besondere Rolle spielen. Damit entsteht der Eindruck der Beständigkeit der göttlichen Zuwendung zu seinem Volk über die Generationen hinweg. Auch wenn die Belege für Exil und Rückkehr vornehmlich (wenn auch nicht ausschließlich) im Rahmenteil des Buches (1,2f.10; 13; 14; siehe unten) erscheinen, bilden sie doch den allgemeinen Verstehenshintergrund für die Interpretation des gesamten Geschehens. Insofern die Geschichte in der Diaspora spielt, bezeugen die Heilungen und die erfolgreiche Reise ganz generell Gottes Schutz und Zuwendung zu seinem Volk auch außerhalb des Landes und fernab von Jerusalem. Im Kontext der Exilsthematik erfolgt auch eine Aktualisierung und Neuauslegung der Tora, als für das Leben im Exil vor allem das Endogamiegebot sowie die Fürsorge für die Armen als zentrale Bestimmungen akzentuiert werden. Diese Elemente implizieren – wie auch die Distanzierung von den Speisen der Völker – eine Abgrenzung nach außen, mit der nach innen ein stärkerer Zusammenhalt und wachsende Solidarität korrelieren. Es erfolgt so der Versuch, die Identität des Volkes in einer Minderheitensituation zu stabilisieren. Durch das Medium des Gebets besteht zudem auch in der Diaspora die Möglichkeit, in Verbindung mit Gott zu treten, und Gottes Engel vermittelt den Seinen dessen helfende und heilende Zuwendung. Das Exil erweist sich damit – allem äußeren Anschein zuwider und trotz der dort erfahrenen Unsicherheit und Verfolgung – als ein Ort der Gottesnähe. Somit entfaltet der Erzähler grundlegende Koordinaten für das Leben im Exil, um auch dieses als Ort für Erfahrung der Hilfe Gottes verstehen zu können. Die Rahmenteile, die die Exilsituation und den Bezug zu Jerusalem betonen „Rahmen“ (zum Umfang siehe „Literarkritik“), stellen die Erzählung in einen geschichtstheologischen Kontext. Dabei kommt der Stadt Ninive eine Signalwirkung zu: Die Stadt steht am Anfang des Buches als pars pro toto für die assyrische Aggression und Machtentfaltung (1,3) und hat aufgrund der Rolle der assyrischen Expansion für die Geschichte Israels paradigmatischen Charakter. Tobit erscheint als das prototypische Opfer brutaler Weltmachtspolitik. Die Turbulenzen, in die er gerät, spiegeln die Unsicherheit der Existenz eines Deportierten. Insofern das Buch aber mit einem eschatologischen Geschichtsausblick und dem Untergang Ninives endet, bringt der Erzähler deutlich zum Ausdruck, dass Israel dank der Zuwendung seines Gottes letztlich diese Krise des Exils bewältigen wird. Somit steckt die Erzählung nicht nur die Koordinaten für ein Leben in der Diaspora ab, sie reagiert auch mit einem Zukunftsentwurf auf die geschichtstheologische Herausforderung der Exilserfahrung und der Konfrontation mit der Expansionspolitik der Großreiche.139 Die Prob139 Hierzu siehe BAUTCH, Responses to Hegemony, 167f.; EGO, Geschichtstheologische Elemente.

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lematik der Theodizee wird dabei durch den Rückgriff auf die dtn.-dtr. Theologie beantwortet: Die Aufgabe des Menschen besteht in der Umkehr und im Gebet. Weitere zentrale Komponenten zum Verständnis der Gesamterzählung erge„Kern“ und „Rahmen“ ben sich aus dem Zusammenspiel zwischen den Rahmenteilen und der Kernerzählung: Die Rahmung, die Jerusalem zum inhaltlichen Haftpunkt hat, unterstreicht zunächst das Diasporasetting; das Exil erscheint eindeutig als Interim. Von entscheidender Bedeutung ist aber vor allem die Tatsache, dass sich insgesamt eine enge Verschränkung der individuellen Geschichte Tobits und Saras mit der Geschichte des Volkes und somit dem kollektiven Aspekt findet. Hier spielen zunächst Stichwortverbindungen eine zentrale Rolle. Ein Schlüsseltext sind Aussagen in Tobits Hymnus (13,2.5.6a–d.9), wo Tobit Gott dafür preist, dass er das Volk wegen seiner Sünden züchtigt (μαστιγόω), sich ihm aber auch gnädig wieder zuwenden wird (ἐλεέω). Durch die Verwendung des Begriffes μαστιγόω entsteht hier ein Bezug zu Tobits Deutung seines eigenen Schicksals als Züchtigung (11,15). Tobits Hymnus weist auch enge Bezüge zu seinem Gebet (3,1–6) auf: Die Sentenz, dass Gott in die Unterwelt hinabführt und von dort auch wieder heraufholt (13,2), erinnert an Tobits Todeswunsch (3,6), wonach er wieder zur Erde werden möchte, und das Motiv des Exils als Bestrafung verweist auf Tobits Bekenntnis, dass er an den Sünden seines Volkes partizipiert (3,3–5). Schließlich sind der Hymnus Tobits (13,1–18) und sein Gebet (3,1–6) auch durch das Motiv des göttlichen Angesichts miteinander verbunden: Während Tobit in seinem Gebet die Nähe Gottes und die Erlösung darin sucht, dass Gott ihn sterben lässt (3,6), erscheint Gottes Angesicht im Hymnus im Kontext der Umkehr des Volkes und der erneuten göttlichen Zuwendung im Horizont der nationalen Erlösung durch die Rückkehr aus dem Exil (13,6). Auch der Begriff ἐλεέω (13,5.6) verbindet die Aussage vom göttlichen Erbarmen mit dem Kern der Geschichte. In ihrem gemeinsamen Gebet preisen Raguël und seine Frau Gott für seine Barmherzigkeit gegenüber Tobias und Sara in der Hochzeitsnacht (8,16f.), und Tobit wiederum versteht die Heilung von seiner Blindheit als Ausdruck des erbarmenden Handelns Gottes, das er in Ninive öffentlich lobt (11,17). Schließlich wird der Hymnus Tobits noch durch den Begriff ταλαίπωρος, „elend“, mit der Gesamthandlung verknüpft. Während der Hymnus den Wunsch äußert, dass in Jerusalem allen Elenden Liebe erwiesen werde (13,10), charakterisiert Raguël bei seiner Begrüßung der Reisenden Tobits persönliches Schicksal und seine Erblindung als „böses Elend“ (7,7). Ein weiteres Stichwort für die Verbindung der kollektiven mit der individuellen Sphäre ist das des Schmerzes. So kann Tobit in seinem Geschichtsausblick davon sprechen, dass das Haus Gottes in Jerusalem nach der Zerstreuung der Israeliten in die Gefangenschaft „im Schmerz“ (λύπη) sein wird (14,4). Das Stichwort „Schmerz“ verweist hier intratextuell sowohl auf das Schicksal Tobits als auch auf das Schicksal der Sara, die beide voller Schmerz ihre Gebete sprechen (3,1.6.10). Zudem wünscht Edna ihrer Tochter vor der Hochzeitsnacht, dass Gott ihren Schmerz in Freude verwandeln möge (7,17).140

140 Zu diesen Zusammenhängen EGO, Schmerz und Heilung.

Gesamtinterpretation

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Weitere Hinweise auf die Verbindung der individuellen Ebene mit der kollektiven finden sich, wenn gleich zu Beginn der Erzählung Tobit als Teil der Gruppe der Exilierten vorgestellt wird (1,3). Tobit nimmt das Wort Am 8,10LXX, das sich in einem Plural an das Kollektiv richtet, für sein eigenes Schicksal in Anspruch, und so wird deutlich, dass er als Repräsentant des gesamten Volkes fungiert. Auch Tobits Blindheit impliziert eine kollektive Dimension, insofern die Verbindung von Tod und Blindheit durch die biblische Tradition vorgegeben ist und diese Blindheit in einem kollektiven Kontext verorten kann. Blindheit gehört nach Dtn 28,28f.65 zu den Strafen für das untreue Israel (siehe auch Jes 6,9f.). Auf einen kollektiven Bezug des Motivs verweist auch die Beobachtung, dass der Zustand der Blindheit in Beziehung zur Situation des Stammes Naftali gesehen werden kann, da Aussagen vom „Volk, das im Finstern wandelt“ und „das im Lande der Dunkelheit lebte“ (Jes 8,23–9,1) auf diesen Stamm bezogen werden können. Auch der Hymnus mit dem Motiv der Lichtherrlichkeit Jerusalems (13,11; siehe auch die Edelsteine in der Stadt in 13,16–17) ist in diesem Zusammenhang zu verstehen, da es an die Heilung Tobits von seiner Blindheit, die ihn wieder das Licht sehen lässt, erinnert (vgl. 3,17; 5,10; 11,14). Darüber hinaus verweist auch das Element des Lobpreises auf die Verbindung zwischen Individuum und Kollektiv, insofern Tobit sowohl seinen Sohn (4,19) als auch dessen Kinder (14,8.9) zum Lobpreis Gottes auffordert. Schließlich findet eine Ausweitung dieses Chores auf die gesamte Völkerwelt statt (14,6f.; siehe auch 13,3.6.11). Wie bereits beim Stichwort λύπη deutlich wurde, steht auch die Figur Saras in einem kollektiven Horizont. Durch die intratextuellen Bezüge über den Namen „Sara“ zu den Klageliedern (siehe Klgl 1,1f. mit Jerusalem als Fürstin [‫ )]שׂרה‬kann ihre Geschichte als Parabel für das Geschick Jerusalems verstanden werden (siehe zu 3,7). So wird ihre Heilung paradigmatisch für die Erlösung des Volkes.141 Auch im Endogamiegebot klingt letztlich die kollektive Ebene der Erzählung an, da dieses Gebot der Identitätserhaltung und -sicherung des gesamten Volkes dient. In seiner Abschiedsrede macht Tobit die Einhaltung der Endogamieforderung zudem zur Bedingung für den Besitz des Landes (siehe 4,12). In diesem Kontext ist schließlich auch noch auf die Rolle des Dämons Asmodäus zu verweisen. Er ist nicht nur ein individueller Feind Saras. Da der Dämon mit seiner tödlichen Aggression gegenüber ihren Ehemännern letztlich der Zukunft des gesamten Volkes und der Realisierung der Toratreue entgegensteht, hat seine Vertreibung ebenfalls kollektive Dimensionen. Fazit: Durch die intratextuellen Bezüge entsteht ein konzises Konzept einer theologischen Geschichtsschau, das die Erzählung vom individuellen Geschick Tobits und seiner Familie übergreift und theologisch in die Geschichte Israels als Teil der Weltgeschichte einbindet. Das Exil ist aber nicht nur Ausdruck der Strafe; die Zerstreuung unter die Völker enthält auch einen positiven Aspekt, insofern sie zu einer Gelegenheit wird, Gott auch unter den Völkern zu preisen. Da die Rettung der Protagonisten für die Adressaten der Erzählung bereits in der Vergangenheit liegt, die Hoffnung auf eine Rückkehr ins Land und das Neue Jerusalem aber noch nicht erfüllt ist, entsteht eine gewisse Spannung zwischen der Geschichte von der

141 Hierzu weiterführend EGO, Schmerz und Heilung.

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Einleitung

Heilung Tobits und Saras und den eschatologisch ausgerichteten Abschnitten (13; 14,4–7). Die vergangene Rettung der Protagonisten wird so zum Exempel und Hoffnungszeichen der künftigen Zuwendung Gottes zu seinem Volk. Man kann die Erzählung als eine Resilienzgeschichte interpretieren, insofern die Kernerzählung mit dem Wandel vom Schmerz zur Heilung die Entwicklung Tobits zu einer resilienten Persönlichkeit zeigt und ihn gleichzeitig als kollektiven Resilienzträger charakterisiert (zu 13,1 – 14,1a „Wichtige buchinterne Bezüge“). Literarische Mittel wie die emotionale Darstellung des Geschehens dienen dabei den Rezipienten als Identifikationspotential, das die Funktion der Erzählung als individuelle und kollektive Resilienzresource erschließt.142

Textgeschichtliche Aspekte

Von GII nach GI

Weitere interessante diachrone Dimensionen eröffnet die Textgeschichte des Buches, insofern dieses in mehreren, z. T. sehr unterschiedlichen Versionen vorliegt.143 Hier sollen exemplarisch die Entwicklungen vom Langtext GII zum Kurztext GI, die Traditionen der Vulgata sowie Verbindungen zwischen der antiken Überlieferung und den nach-antiken jüdischen Texten aufgezeigt werden. Wichtig sind zunächst die inhaltlichen Verschiebungen, die sich in der Entwicklung von GII nach GI ergeben.144 a) GII und GI unterscheiden sich durch einen veränderten Umgang mit den Gottesbezeichnungen, der auf gewisse Tendenzen bei der Überarbeitung schließen lässt. –





GI hat, wie nicht anders zu erwarten, die Tendenz zu vereinfachen. So erscheint anstelle des Begriffs „Herrscher“ (3,14 GII) der weit verbreitete Begriff κύριος; Tob 14,7 GI redet nicht vom „Gott der Ewigkeit“, sondern vom „Herrn“; Tob 13,4 sagt anstelle von „Vater und Gott in alle Ewigkeiten“ zusammenfassend „Vater in alle Ewigkeiten“. Daneben sind noch Belege zu nennen, in denen auf die Gottesbezeichnung verzichtet wird (so in 3,3.6) bzw. in denen die entsprechenden Verse kein Pendant in GI haben (5,10; 12,20). In GI findet durch die Veränderung der Gottesbezeichnungen eine besondere theologische Akzentuierung statt. Auffallend ist die Rede vom „Tempel der Wohnung des Höchsten“ in Tob 1,4 GI (anstelle vom „Tempel der Wohnung Gottes“ in GII). Tob 13,18 GI liest „gepriesen sei der Gott, der alle Welt erhöht hat“ anstelle von „gepriesen sei der Gott Israels“. So werden die Macht Gottes und seine Universalität betont. GI verwendet kombiniert die Begriffe κύριος und ὁ θεός insgesamt sieben Mal (3,11; 4,19; 14,2.6–7), wohingegen κύριος ὁ θεός in GII nur zweimal erscheint (4,21; 14,15; beide Passagen haben keine Entsprechung in GI).

142 Siehe hierzu weiterführend EGO, Resilienznarration; DIES., Schmerz und Heilung. 143 Zur Textgeschichte siehe den entsprechenden Abschnitt oben; zum Ganzen siehe auch EGO, Mehrfachüberlieferung. 144 Dieser Vergleich von GI und GII fasst die einzelnen Beobachtungen in den „Anmerkungen zu Text und Übersetzung“ zusammen und knüpft zudem an verschiedene Einzelstudien von DYMA, HANHART, REITERER, SCHÖPFLIN, SKEMP und STUCKENBRUCK an.

Textgeschichtliche Aspekte – – –





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GI kann die Rede vom „Gott des Himmels“ zurücknehmen. So ersetzt sowohl Tob 6,18 GI als auch Tob 7,11 GI „Herr des Himmels“ aus GII durch den „barmherzigen Gott“; Tob 8,15 GI liest anstelle „Gott des Himmels“ nur „Gott“. Tob 10,13 zeigt eine Tendenz zur Abkürzung. GII liest: „er pries den Herrn des Himmels und der Erde, den König über alles“, während GI dann ganz lapidar formuliert: „er pries Gott“.145 In Tob 7,12 findet das Motiv in GI keine Entsprechung. Allerdings wird diese verkürzende Tendenz nicht durchgängig eingehalten, wenn Tob 10,12 GI lesen kann: „der Herr des Himmels bringe dich zurück“ (anstelle des einfachen „der Herr bringe dich zurück“ in GII) und die Wendung „Herr des Himmels“ in Tob 7,17 unverändert bleibt. Tob 5,17 GI betont den Himmel als Wohnort der Gottheit, indem es hier heißt: „der Gott, der im Himmel wohnt“ (anstelle von „der im Himmel ist“). GI unterstreicht die Heiligkeit Gottes, wenn Tob 12,12.15 GI das Gottesepitheton „der Heilige“ haben (anstelle der Bezeichnung κύριος). Außerdem spricht Tob 3,11 GI nicht nur vom „Namen, der in Ewigkeiten gepriesen werden soll“, sondern vom „heiligen und ehrenvollen Namen“; Tob 8,5 GI hat „dein heiliger und herrlicher Name“ (anst einfach „Name“ in 8,5 GII). Allerdings fällt auch auf, dass GI gerade da verkürzen kann, wo GII den Begriff „heilig“ verwendet (so in 13,11 GII, wo es anstelle von „kommen […] zu deinem heiligen Namen“ in GI heißt: „zum Namen des Herrn, des Gottes“). Tob 13,18 GI verzichtet auf die Wiedergabe der Wendung „den heiligen Namen preisen“ (so in GII). GI hat die Tendenz, Personalpronomina zu verwenden und damit die Beziehungsebene zu unterstreichen: Tob 3,11 GI hat in der Gebetsanrede „Herr, mein Gott“ (anstelle von „barmherziger Gott“); 4,5 GI: „Gedenke des Herrn, unseres Gottes“.146

b) Bemerkenswerte Veränderungen finden sich auch in der Angelologie und den medizinisch-therapeutischen Vorstellungen. –

– – – –

In GI spielt der Engel insgesamt eine größere Rolle, wenn das Gebet direkt „vor der Herrlichkeit des großen Rafaël“ erhört (3,16 GI) und die direkte Zuordnung des Engels zu Gott etwas zurückgenommen wird (siehe 5,4 GII: „ein Engel Gottes“ und GI: „Rafaël, der ein Engel war“). Tob 8,15 GI erweitert zudem den Lobaufruf durch die Einführung der Engel, die im Parallelismus auch „Heilige“ genannt werden können (siehe hierzu die Auslegung z. St.). Die Vorliebe für die Verwendung des Wortes ἅγιος, „heilig“, findet sich auch in Tob 8,15 GI in der Rede vom „heiligen“ Preislied. Allerdings hat man auch den Eindruck, dass GI das Motiv der Engelverehrung zurückdrängt (11,14). Der Bearbeiter von GI zeigt eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Gebrauch von medizinisch-magischer Begrifflichkeit und produziert so einen Text, der – vor dem Hintergrund des antikjüdischen Diskurses über die Legitimität therapeutischen Handelns – weniger verfänglich ist. Während GII τὸ φάρμακον als Überbegriff für Herz, Leber und Galle des Fisches (so 6,5.7) bzw. nur für die aus Fischgalle bestehende Augensalbe (so 11,8.11) benutzt, verzichtet GI an den betreffenden Stellen auf diese Begrifflichkeit.

145 REITERER, Archangel’s Theology, 259, möchte darin einen Hinweis auf ein abstrakteres Gottesbild von GI im Vergleich zu GII sehen. 146 Wichtige Aspekte zur Verwendung unterschiedlicher Gottesbezeichnungen finden sich bei SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 327–339, und REITERER, Archangel’s Theology, 258–264.

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Einleitung

c) In GI zeigt sich die Tendenz einer Rücknahme des Bezugs auf Israel und seine spezifischen Traditionen und eine Hinwendung zu einer Universalisierung. – –



So tritt die Israelbegrifflichkeit (siehe 1,5.8.18; 5,5.9; 13,18; 14,4 [2x].5.7)147 sowie die Verwendung des Begriffes „Bruder“ (z. B. 1,5; 5,9; 10,6) zurück. GI eliminiert den Ausdruck „das Buch des Mose“. So kann einmal anstelle dessen auf „das Gesetz des Mose“ verwiesen (so 6,13 GI) oder nur allgemein von der „Bestimmung“ gesprochen werden (7,11; siehe auch 7,12). Tob 6,16 GI ersetzt die Gebote durch die Wendung „die Worte, die dir dein Vater gebot“. In Tob 1,8 entfällt sogar gänzlich die Referenz auf die Mosetora, wenn weder der Drittzehnte noch die Unterweisung der Debora explizit mit der Thematik verbunden werden. Allerdings enthält GI auch die Mahnung an Tobias aus dem Munde des Vaters, das Gesetz und die Gebote zu halten (so 14,8.9).

d) GI hat die Tendenz, bestimmte Aussagen zu steigern und damit zu generalisieren. – – –

Die Sünde der Naftaliten besteht anstelle der Verletzung der Kultzentralisation in GI in deren Fremdgötterdienst (siehe 1,5). Während Tobit in Tob 10,2 GII nur fürchtet, dass die Reisenden aufgehalten worden sein könnten, steht in Tob 10,2 GI die Sorge im Raum, dass ihnen etwas zugestoßen sein könnte. Anstelle von Nadab (so 14,10f. GII), dem Neffen Achikars, erscheint in GI Haman. Durch die Nennung dieser Figur, die in der Estererzählung Israels Erzfeind darstellt und als politischer Gegner mit einem radikalen Vernichtungswillen konnotiert ist, schwingt in dem Konflikt Achikars mit seinem Neffen eine nationale Komponente mit.

e) GI macht gelegentlich den Eindruck, dass Frauenfiguren eine bedeutendere Rolle spielen. – –

So kommt Sara den beiden Reisenden entgegen, begrüßt diese als erste und führt sie in das Haus ihrer Eltern (7,1); vielleicht hat Edna hier auch das Siegelrecht (7,13). Aber es gibt auch die umkehrte Tendenz: Tob 8,15 nennt nur noch Raguël und nicht mehr eine Gruppe, zu der aufgrund des Kontexts wohl auch Edna gehörte.

Es ist schwierig, aus diesen Beobachtungen Rückschlüsse auf das Milieu zu ziehen, in dem die Überarbeitung GI entstanden sein könnte. Insgesamt fällt auf, dass GI die Universalität und Heiligkeit der Gottheit in den Vordergrund stellt sowie auch die Beziehung zu diesem Gott. Karin SCHÖPFLIN stellt fest, dass GI „die Distanz zwischen Gott und seinem Herrschaftsbereich inhaltlich vergrößert“.148 In diesem Zusammenhang versteht sie auch die Akzentuierung der Engelsfigur. Die Betonung der „Zugewandtheit der Gottheit zu ihren Verehrern“ macht sie an der häufigeren Verwendung des Terminus κύριος fest, der im Gegensatz zu „Gott“ einen Beziehungsbegriff darstellt. Aus diesem Befund möchte sie schließen, dass GI in einer Zeit mit „Gefährdungen“ [entstand], vergleichbar denen, wie sie in der Makkabäerzeit in Palästina gegeben waren, […] in der der Anspruch politischer Herrschaft auf gottgleiche Verehrung zugenommen hat“ und in der es um eine „Selbstversi147 Darauf verweist DYMA, Wallfahrt, 224, Anm. 617. 148 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 336.

Textgeschichtliche Aspekte

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cherung des jüdischen Glaubens und Denkens, eine Identitätssicherung durch die Gottesbeziehung“ ging.149 Ein wichtiges Kriterium für die Verortung dieser Überarbeitung scheint mir die Tendenz zu sein, die Überlieferung von Israel abzukoppeln, wie sie durch das Zurücktreten der Israel- und Verwandtschaftsbegrifflichkeit gegeben ist. Vor diesem Hintergrund wäre zu überlegen, ob GI bereits in einem christlichen Milieu anzusiedeln ist.150 Dazu passt auch, dass die Thematik des Gesetzes in den Hintergrund tritt und auf das „Buch der Tora“ gänzlich verzichtet werden kann. Der spezifische Charakter der Vulgata ist durch Unterschiede zur griechischen Vulgata Überlieferung, insbesondere zum Langtext, der über die Vetus Latina zumindest indirekt als Vorlage diente, zu erheben.151 Dabei kommt den Zusätzen (so z. B. der expliziten Angleichung von Tobits Leiden an das Hiobs und dessen Glaubenstreue in Tob 2,12–18 Vg. oder dem dreitägigen Gebet vor der Hochzeitsnacht in Tob 6,16–22 Vg.), die wohl direkt auf den Kirchenvater HIERONYMUS zurückzuführen sind,152 besondere Bedeutung zu. Möchte man das Material thematisch strukturieren, lassen sich folgende Bereiche nennen. a) Vg. zeichnet sich dadurch aus, dass sie einen starken Akzent auf eine lustfeindliche Sexualmoral legt. –



Dies zeigt sich an erster Stelle in dem Abschnitt über die sog. „Tobiasnächte“ in Tob 6,16–22 Vg. Danach sollen Tobias und Sara nach der Vertreibung des Dämons drei Nächte vor dem Vollzug ihrer Ehe im Gebet verharren, und der Umgang der Eheleute miteinander soll nicht der Befriedigung ihrer Lust dienen, sondern hat vielmehr das Ziel, eine Familie zu gründen (Tob 6,22 Vg.). Die Hinwendung zur Lust bedeutet die Abwendung von Gott und macht die Menschen Tieren wie Pferden und Maultieren gleich (Tob 6,17 Vg.). An dieser Stelle erfolgt auch eine Neukonzeptionierung der Figur des Dämons, da er nun als eine Kraft erscheint, die ihre schädigende Wirkung immer dort entfalten kann, wo Menschen nicht Herr ihrer Lust sind (Tob 6,17 Vg.).153 Tob 8,4.5 Vg. nimmt dann diese Zusammenhänge wieder auf, wobei nun das Ausgeliefertsein an die Lust als ein Charakterzug präsentiert wird, wie er v. a. für die Völker typisch ist. Da Tobias seine Lust zu beherrschen vermag, kann der Dämon

149 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 336. 150 Siehe hierzu auch die Überlegungen bei BREDIN, Significance of Jonah, 56f. Zum Ganzen vgl. bereits die Überlegungen bei SIMPSON, Chief Recensions, 529, der vermutet, dass die Version des Codex Vaticanus durch jüdische Autoritäten wegen ihrer Bedeutung in christlichen Kreisen abgelehnt wurde. 151 Diese Auflistung der Charakteristika der Vulgata fasst die einzelnen Beobachtungen aus dem Prozess meiner Arbeit an diesem Kommentar zusammen und knüpft zudem an GAMBERONI, Auslegung, 86–97, und SKEMP, Vulgate, 455–470, an. Eine ausführliche Darlegung der einzelnen Lesarten muss wegen der Umfangsbeschränkungen dieses Kommentars einer eigenen Studie vorbehalten bleiben. 152 Siehe SKEMP, Vulgate, 463–465. 153 Vgl. hierzu knapp GAMBERONI, Auslegung, 92: „In 6,19–21 könnte zugleich die Absicht mitspielen, den magischen Anflug im Gebrauch der Innereien des Fisches zu neutralisieren durch starke Betonung der Rolle des Engels, des Gebets und der Enthaltsamkeit, religiöser Faktoren also.“

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Einleitung



Asmodäus keine Macht über ihn ausüben. Asmodäus fungiert hier nicht als eine negativ konnotierte Gegenkraft (und ist damit auch gar nicht mehr „böse“, vgl. 3,8.17 mit Tob 3,8.25 Vg.), sondern verhält sich vielmehr affirmativ zu dem propagierten Wertesystem.154 Auch für die Beschreibung Saras, die durch die Figurenstimme in ihrem Gebet zum Ausdruck kommt, ist diese Haltung charakteristisch. Sara, die sich immer vom leichten Spiel der anderen Mädchen fernhielt, ist nur deshalb bereit, einen Mann zu ehelichen, weil dies dem Willen Gottes entspricht, nicht aber um ihrer eigenen Lust willen (Tob 3,17 Vg.).

b) Des Weiteren spielt auch die Betonung der Gottesfurcht eine bedeutende Rolle. –









Tobit lehrt seinen Sohn von frühester Jugend an, Gott zu fürchten (Tob 1,10 Vg.). Nicht das „des Herrn Gedenken“ ist das Kriterium dafür, zur Mahlzeit Tobits eingeladen zu werden, sondern vielmehr die Gottesfurcht (Tob 2,2 Vg.). Tobit verbirgt die Leichname aus Gottesfurcht (Tob 2,9 Vg.). Als Plus zur griechischen Vorlage unterstreicht Tob 2,13f. Vg. Tobits Frömmigkeit und seine Gottesfurcht, die ihm von Kindheit an beigebracht wurden. Sie beinhaltet auch das Halten der Gebote, wobei jedoch keine explizite Referenz auf die Mosetora erfolgt; trotz seiner Erblindung hält Tobit an dieser Haltung fest. In seinem Begrüßungssegen für Tobias bei der Feier im Haus Raguëls bezeichnet Gabaël Tobias als den „Sohn eines sehr guten und gerechten Mannes, der Gott fürchtet und Almosen gibt“ (Tob 9,9 Vg., nach TVSCVLVM). Schließlich zeichnet Gottesfurcht auch das Leben des Tobias bis in sein hohes Alter aus (Tob 14,16 Vg.). Auch Tobias und Sara werden als gottesfürchtig beschrieben: Gottesfurcht ist das eigentliche Motiv, das Sara zu einer Ehe bewegt (Tob 3,18 Vg.), Tobias ist Sara wegen seiner Gottesfurcht bestimmt (Tob 7,12 Vg.), und dies ist auch die Haltung, die die Eheleute bei ihrem Umgang miteinander haben sollen (Tob 6,22 Vg.). Zudem zeichnet sich die gesamte Festesfreude durch Gottesfurcht aus (Tob 9,12 Vg.). Weiterhin erscheint Gottesfurcht ganz generell als die angemessene Haltung für ein gelingendes Leben und steht weit über jedem materiellen Wert (Tob 4,23 Vg.). In Tobits Abschiedsrede am Ende des Buches heißt es: „Seht also, was er [Gott] an euch getan hat, und mit Furcht und Zittern bekennt euch zu ihm und erhöht den König der Zeiten in euren Werken“ (Tob 13,6 Vg., nach TVSCVLVM). Auch der Erzählzug, dass Tobit seinen Mitexilierten gute Ratschläge gibt (Tob 1,15 Vg.), sein Geld dem Gabaël wegen dessen Bedürftigkeit überließ (Tob 1,17 Vg.) und sein Vermögen an die Armen verteilt und sie tröstet (Tob 1,19 Vg.), gehört – wenn auch der Begriff „Gottesfurcht“ selbst hier nicht explizit erscheint – in diesen Kontext. Saras integre Lebensführung soll sich schließlich auch zeigen, wenn die Eltern bei der Verabschiedung ihr den Rat mit auf den Weg geben, „die Schwiegereltern zu ehren, den Ehemann zu lieben, das Gesinde zu leiten, den Haushalt zu führen und sich selbst untadelig zu zeigen“ (Tob 10,13 Vg.).

Durch diese verschiedenen Motive werden die Protagonisten der Erzählung, insbesondere der alte Tobit und auch Sara, noch positiver dargestellt, als dies bereits in der griechischen Vorlage der Fall ist. c) Wenn in Tob 2,13 Vg. die Gottesfurcht auch in Verbindung mit dem Halten der Gebote Gottes steht, so tritt die Bedeutung der Tora innerhalb der Erzählung insgesamt doch zurück. 154 Zur Rolle des Dämons siehe EGO, Denn er liebt sie, passim.

Textgeschichtliche Aspekte –



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In seinen Ratschlägen im Gespräch mit Tobias über die Eheschließung in Tob 6,11–22 Vg. verzichtet Rafaël im Gegensatz zu den griechischen Texten ganz auf dieses Motiv.155 Auch wenn in Tob 7,14 Vg. das „Gesetz des Mose“ als Grund für die Verbindung der beiden Eheleute genannt wird, spielt es doch (im Gegensatz zu 7,12f. G) bei der eigentlichen Antrauungszeremonie sowie dem Anfertigen der Heiratsurkunde keine Rolle mehr. An keiner Stelle nennt Vg. das „Buch des Gesetzes des Mose“ (vgl. dagegen GII). Auffällig ist auch, dass Vg. konsequent auf das Motiv der Waschung verzichtet (vgl. 2,5.9; 7,9), und so ist zu vermuten, dass diese Waschungen, die die Vorlage nennt, in einem rituellen Sinne verstanden wurden und der Übersetzer diesem Erzählzug keine weitere Bedeutung beimessen wollte.

d) Vg. unterstreicht die Bedeutung des Gebets. – – –

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– –

Nach Tob 3,10f. Vg. betet Sara drei Tage lang. Ein dreitägiges Gebet soll nach den Worten des Engels auch vor dem Vollzug der Ehe von Tobias und Sara erfolgen (Tob 6,18 Vg.; siehe auch Tob 8,4 Vg. mit der Ausführung der Weisung). Während in der griechischen Vorlage das Gebet der Brautleute der Vertreibung des Dämons zeitlich nachgeordnet wird, erfolgt diese in Tob 6,19 Vg. im Rahmen des Gebets. In Tob 7,13 Vg. interpretiert Raguël den Zuspruch des Engels, wonach er ohne Sorge sein solle und Gott seine Tochter für Tobias als einem gottesfürchtigen Mann bestimmt habe, mit den Worten: „Ich zweifle nicht, dass Gott meine Gebete und meine Tränen vor seinem Angesicht zugelassen hat“ (nach TVSCVLVM). Damit wird deutlich, dass Raguël die glückliche Fügung der Ereignisse als Erfüllung seiner Gebete versteht. Die griechischen Texte kennen dieses Element nicht. Tob 7,17 Vg. verbindet die Notiz vom gemeinsamen Mahl vor der Hochzeitsnacht mit dem Hinweis darauf, dass die Protagonisten Gott loben (vgl. dagegen Tob 7,14 G ohne religiöse Referenz). Auch in der Szene von der Heilung des Vaters in Tob 11 wird dem Gebet eine größere Rolle eingeräumt. So weist der Engel Tobias bereits vor der Begegnung mit dem Vater an, dass er, sobald er das Haus betritt, Gott anbeten und ihm danken und im Anschluss daran dem Vater die Salbe auf die Augen streichen solle (Tob 11,7f. Vg.). Diese Reihenfolge der Ereignisse wird dann auch bei der Heilung selbst eingehalten (Tob 11,12–15 Vg.). Unmittelbar nach der Heilung erscheint in Tob 11,16 Vg. die Notiz, dass Tobit, seine Frau und alle, die ihn kannten, Gott priesen. Da in G allein Tobit als Akteur des Gotteslobs erscheint, liegt hier eine deutliche Vergrößerung des Chores vor, wodurch das Gebet ebenfalls mehr Gewicht bekommt. Allerdings wird der Inhalt des Gebets, das ja auch den Lobpreis an die Engel enthielt, an dieser Stelle nicht mehr genannt. Auch beim Abschluss der Offenbarung des Engels zeigt sich dieser Erzählzug, insofern nun die Protagonisten gleich für drei Stunden auf ihr Angesicht niederfallen und Gott preisen (Tob 12,22 Vg.).156 Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch auf Tob 13,6 Vg. zu verweisen, wo explizit angeordnet wird, dass Gott „mit Furcht und Zittern“ bekannt werden solle.

155 Darauf verweist auch GAMBERONI, Auslegung, 92. Die einzige Erwähnung des Gesetzes in der Vulgata ist nach GAMBERONI wohl aus der Vetus Latina zu erklären. 156 SKEMP, Vulgate, 381–384.

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Einleitung

e) Ein weiteres zentrales Theologumenon der Vulgatafassung ist das der Prüfung. –



Tobits Schicksal wird explizit als Prüfung verstanden. Allerdings geht es dabei nicht um seine eigene Standfestigkeit und sein Gottvertrauen (die scheint der Übersetzer stillschweigend vorauszusetzen), sondern darum, den anderen ein Beispiel für seine Geduld zu geben. Da Tobit von Kindheit an Gott fürchtete und die Gebote hielt, wurde er nämlich nicht verbittert, sondern blieb in der Furcht Gottes. Aber auch Sara scheint ihr Schicksal in diesem Sinne zu interpretieren, wenn sie in ihrem Gebet sagen kann, dass die göttliche Prüfung und Züchtigung eine Krönung des menschlichen Lebens darstellt (Tob 3,21 Vg.). Wie GI verbindet auch der Übersetzer der Vulgata die Entsendung des Engels mit dem Motiv der Prüfung (Tob 12,12 Vg.).157

f) Im Hinblick auf die Bedeutung der Familie zeigt Vg. ein differenziertes Bild. Während Vg. die Bedeutung der Nachkommenschaft betont (Tob 9,11 Vg.; 10,4.5 Vg.), scheint anderen familiären Beziehungen weniger Gewicht zuzukommen. So wird das Motiv der Endogamie marginalisiert (Tob 4,13f. Vg.; siehe auch das Gebet Saras in Tob 3,12–23 Vg.), und auch der Begriff „Bruder“ kann eliminiert werden (so z. B. bei 1,15; 2,2; 5,10; 10,6). Achikar (in Vg. „Achior“) erscheint nur im Zusammenhang mit dem Hochzeitsfest in Ninive in Tob 11,20 Vg. g) Des Weiteren ist auch das Bild der Völker anders gezeichnet als in G. –



Der Schluss der Vulgatafassung des Tobitbuches erwähnt die Zerstörung Ninives nicht, sondern der Blick gilt hier den späteren Generationen, „die in einem rechtschaffenen Leben und in gesegnetem Lebenswandel [verblieben], sodass sie gern gesehen waren vor Gott wie vor den Menschen und allen Bewohnern des Landes“ (Tob 14,17 Vg.). Abgesehen von Tob 8,5 Vg., wo ein Seitenhieb auf die Lustzugewandtheit der Völker erfolgt, wird deren Rolle durchaus positiv gesehen. So verbindet Tob 8,19 Vg. das Dankgebet für die Vertreibung des Dämons bereits mit dem Motiv, dass die Betenden als Zeugen für Gottes Gnadenhandeln vor den Völkern auftreten sollen. Nach Tob 13,3–4 Vg. dient die Diasporaexistenz dazu, Gottes Wundertaten und seine Allmacht in der Völkerwelt bekannt zu machen; die Frommen sollen die Wunder Gottes erzählen und verkünden, dass es keinen „anderen allmächtigen Gott gibt neben ihm“.

h) Weitere deutliche Veränderungen finden sich in der Angelologie. – –



In Tob 10,11 Vg. enthält der Segenswunsch des Brautvaters auch das Motiv des beschützenden Engels. Vg. lässt Tobias die Wohltaten des Engels vollständiger und prägnanter zusammenfassen: „Mich hat er wohlbehalten hin- und zurückgeführt; das Geld hat er selbst von Gabaël geholt; dass ich eine Ehefrau habe, hat er bewirkt und den Dämon von ihr genommen; Freude hat er ihren Eltern bereitet; mich selbst hat er vor dem Verschlingen durch den Fisch gerettet; auch dass du das Licht des Himmels siehst, hat er bewirkt, und durch ihn sind wir mit allen Gütern erfüllt worden. Was werden wir ihm geben können, das all diesem angemessen ist?“ (Tob 12,3 Vg.; nach TVSCVLVM). Tob 12,19 Vg. unterstreicht die Andersartigkeit des Engels, wenn das Motiv des Nicht-Essens ausgeschmückt wird: „Ich schien zwar mit euch zu essen und zu trinken, aber ich nehme eine unsichtbare Speise und einen Trank zu mir, der von den Menschen nicht gesehen werden kann;“ (nach TVSCVLVM).

157 SKEMP, Vulgate, 370–372.

Textgeschichtliche Aspekte

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i) Die lateinische Fassung zeichnet sich schließlich auch dadurch aus, dass hier ein stärkerer Akzent auf individuell-eschatologische Anschauungen gelegt wird –



Tob 4,11 Vg. verheißt, dass das Geben von Almosen die Seele nicht in die Finsternis eingehen lässt. Dies lässt vermuten, dass HIERONYMUS hier von dem Gedanken einer unsterblichen Seele ausgeht; es werden somit Vorstellungen aus dem Bereich der christlichen Eschatologie eingetragen.158 Anstelle der „guten Gabe“, die das Almosen bildet, spricht Tob 4,12 Vg. davon, dass dieses eine „große Sicherheit“ (nach TVSCVLVM) darstellt. Auch an dieser Stelle scheint ein Einfluss eschatologischer Vorstellungen vorzuliegen.159

Die jüdische Tradition knüpft mit der aramäischen Version (Ar), Hebraeus Münster (HM), Hebraeus Fagius (HF), Hebraeus Londini (HL), Hebraeus Gaster (HG) und Ozar ha-Qodesch (OhQ) ab dem 13. Jh. an die griechische und lateinische Überlieferung an und entwickelt diese weiter.160 Ar, HM und HG weisen enge Beziehungen zueinander auf. Textgeschichtlich interessant ist insbesondere, dass HL in einem engen inhaltlichen Bezug zur Überlieferung der Vulgata steht.161 Eine Präsentation des gesamten Materials ist ein wissenschaftliches Desideratum und müsste aufgrund seines Umfangs in einer eigenen Publikation erfolgen. Hier soll ein Blick auf einige wesentliche Züge genügen, um so die großen Interpretationslinien des Stoffes deutlicher in den Blick zu bekommen.162 a) Eine wichtige Tendenz bei der Bearbeitung des Stoffes besteht darin, die Bedeutung der Almosengabe zu unterstreichen. – – – –

Ar und HG stellen das Thema der Zehntabgabe als eine besondere Form des Almosengebens an den Anfang und Schluss der Überlieferung (zu 1,1–2 und zu 14 Ende). Auch in Tobits Testament in Tob 4 erfolgt eine eindeutige Betonung des Motivs, wenn Ar und HM die Mahnung zum Almosengeben erweitern. Eine Eschatologisierung des Motivs enthält HF, insofern Almosen hier vor der Gehenna errettet und dem Spender von Almosen eine „große und gute Gabe“ von Gott verheißen wird (zu 4,10f.). Schließlich kann das Motiv auch in den Hymnus Tobits integriert werden, wenn hier nicht nur zum Lob Gottes, sondern auch zum Almosengeben aufgerufen wird (HM zu 13,6). Somit wird insgesamt in der Überlieferung ein starker Akzent auf diese Frömmigkeitspraxis gelegt.

b) Des Weiteren bildet auch die Verstärkung der Gebetsfrömmigkeit eine bedeutende Komponente. – – –

158 159 160 161

Tobits Bittgebet (3,1–6) kann dramatisiert bzw. durch einzelne Wendungen erweitert werden (siehe HM, HF, HL). HL fügt beim Angriff des Fisches ein kurzes Stoßgebet ein (zu 6,3). OhQ platziert das Gebet vor die Vertreibung des Dämons und verändert durch diese Neukontextualisierung den Stellenwert dieses Motivs ganz generell, da nun

SKEMP, Vulgate, 138. SKEMP, Vulgate, 139. Zu den einzelnen Textzeugen siehe oben die Ausführungen in der Textgeschichte. Vgl. hierzu die Hinweise bei EGO, Art. Tobit. Aramaic (Medieval); DIES., Art. Tobit. Hebrew (Medieval). 162 Alle Texte liegen in Originalsprache in der 2004 erschienenen Edition von WEEKS/GATHERCOLE/STUCKENBRUCK, Book of Tobit, 2–333, vor.

Die nachantiken jüdischen Überlieferungen

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Einleitung

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nicht mehr die Räucherzeremonie die Vertreibung des Dämons bewirkt, sondern das Vertrauen der Protagonisten in Gottes Hilfe (zu 6,17; 8,2). Besonders interessant ist das Gebet des Tobias in der Hochzeitsnacht, das als Akrostichon gestaltet ist (HL zu 8,6); zudem spricht hier auch Sara ein eigenes Gebet (zu 8,7). Auch die Segensworte werden weiter ausgestaltet (z. B. HL zu 5,18; 7,11–14; 8,15–17; Ar, HM und HL zu 9,6). Schließlich enthält HL zu 11,14 auch ein Lobgebet der Hanna.

c) Zudem können die Überlieferungen die Bedeutung des Toragehorsams unterstreichen (so u. a. HF zu 4,19; Ar zu 7,7; HM zu 8,7; 9,6). Ein Teil der Versionen legt auch einen deutlichen Akzent auf die Erfüllung der rituellen Bestimmungen und Reinheitsfragen (z. B. Ar, HM, HL, HG und OhQ zu 1,10f.; HF und OhQ zu 2,9). d) Die Versionen setzen zudem verschiedene theologische Akzente. Abgesehen von zahlreichen Einfügungen verschiedener Gottesepitetha spielen hier narrative Elemente eine bedeutende Rolle, etwa eine geschichtstheologische Reflexion zur Verfolgung durch Sanherib, die Gottes Gerechtigkeit betont (HM zu 1,18). e) Andere Motive der Erzählung, so die Angelogie und die Dämonologie, werden eher zurückhaltend und mit leichten Akzentuierungen aufgenommen. – – – – – – –

Bei der Aktivität des Engels kann das Motiv der Gebetsmittlerschaft betont werden (HG zu 12,12); auffällig ist aber v. a. Ar, wo das Motiv der Selbstoffenbarung des Engels gänzlich fehlt. Insgesamt bemerkenswert ist auch die Angleichung an den rabbinischen Sprachgebrauch, wenn Rafaël als Fürstׄ ‫ שר‬bezeichnet wird (so z. B. HM in Tob 3,17; 12,15). Am Ende, nachdem der Engel entschwunden ist, fürchten die Protagonisten, dass sie sterben könnten, da sie einen „Engel des Herrn der Heerscharen“ gesehen haben (HL zu Tob 12,21). Asmodäus kann entweder „König der Dämonen“ (so z. B. Ar, HM zu 3,8.17) oder „Reschef“ genannt werden (HL zu 6,16.18; 8,3; 12,3). Manche Texte scheinen konkretere dämonologische Vorstellungen zu haben, wenn etwa vom „Herausziehen“ des Dämons (HL zu Tob 6,8) die Rede ist. Eine Art Theologisierung der Dämonologie findet statt, insofern das Gebet vor die Vertreibung des Dämons platziert werden kann (OhQ zu Tob 6,17; 8,2). Der Verweis darauf, dass das Räucherwerk unter dem Rock Saras platziert wird (Ar, HM und HG zu Tob 6,17; 8,2), könnte darauf hindeuten, dass hier ein konkretes Räucherritual aus einem medizinischen Kontext Pate gestanden hat und der Autor, welcher das Motiv zum ersten Mal in die Überlieferung einspielte, dieses vor Auge hatte.

f) Eine bedeutende Tendenz, die sich in fast allen Überlieferungen findet, ist der Verzicht auf den eschatologischen Ausblick, wie er für den Schluss der Erzählung in den antiken Versionen typisch ist. So zeigen sich in gewisser Weise eine „EntEschatologisierung“ und eine Konzentration auf die eigentliche Handlung. Lediglich HF enthält die Wiedergabe des Jerusalemhymnus in Tob 13 bzw. 14,4–7 in einem nennenswerten Umfang. g) Ansonsten ist zu bemerken, dass die Erzählfiguren unterschiedlich akzentuiert werden. –

Dabei spielt v. a. die Figur der Hanna eine besondere Rolle. Insbesondere ihre religiöse Aktivität wird betont, wenn sie nun – im Gegensatz zu den älteren Texten

Textgeschichtliche Aspekte





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– als aktive Beterin dargestellt werden kann. Sie segnet ihren Sohn zum Abschied (HL zu Tob 5,18) und preist Gott nach seiner Rückkehr bzw. nach der Heilung Tobits (Ar zu Tob 11,9; HL zu Tob 11,14; HM zu Tob 11,16). Außerdem zieht sie ihrer künftigen Schwiegertochter entgegen (HM zu Tob 11,16). Des Weiteren kann auch Tobits Frömmigkeit betont werden, indem er als idealer Lehrer geschildert wird, der sich von jeder Sünde fernhält (HL zu Tob 1,9) und sich um das Wohl seiner Mitmenschen kümmert (HL zu Tob 1,13). Eine theologische Aufwertung von Tobits Ungehorsam gegenüber dem König formuliert HL, insofern Tobit hier sagen kann: „Ich fürchte den Herrn der Herren mehr als den König, der wie ich aus Erde geformt ist“ (zu Tob 2,8). Die Versionen sind außerdem darum bemüht, Saras Unschuld in den Hochzeitsnächten zu unterstreichen (Ar, HM und OhQ zu Tob 7,11).

h) In narratologischer Hinsicht interessant ist die Tendenz zur Dramatisierung der Handlung. Dieser Aspekt zeigt sich deutlich im Kontext der Not Tobits bei seiner Flucht und bei seinem Gebet (HG zu 1,20 [während seiner Flucht wird Tobits Haus geplündert]; HL und HF zu 3,1 [Beschreibung des körperlichen Zustands beim Gebet]) oder bei der Begegnung zwischen Vater und Sohn bei seiner Rückkehr (HL zu Tob 11,10). Auch die Begegnung mit dem Fisch wird ausgeschmückt, insofern dieser „groß und furchtbar“ ist (HL zu 6,1–3; siehe auch OhQ).

i) Weitere Elemente dienen der Beleuchtung narrativer Details, insbesondere im Kontext des Eheschließungsrituals. – – – –

So kann die Hochzeitszeremonie derart beschrieben werden, dass der Brautvater die Hand Saras in die Hand Tobias gibt und daraufhin die Antrauungsformel spricht (OhQ zu Tob 7,12). Außerdem erfolgen Angaben zum Material, auf das der Ehevertrag geschrieben wird, und bei der Eheschließung sind auch Zeugen zugegen (Ar und HM zu Tob 7,13). Besonders eindrücklich ist HL zu Tob 7,13–14, wonach sich die Ältesten der Stadt versammeln, Dinge niederschreiben (gemeint ist vermutlich der Ehevertrag), Gott preisen, Bräutigam und Braut segnen, um dann eine fröhliche Mahlzeit zu beginnen. Aber auch der Modus der Aushändigung des Geldes an Gabaël bzw. der Austausch der Unterschriften bei der Hinterlegung des Geldes kann genauer erklärt werden (HF zu Tob 3,17; HL zu 1,14; Ar, HM, HF, HG und OhQ zu 5,3).

j) Eine Reihe von Texten zeichnet sich durch das Bemühen aus, den Text an die biblische Überlieferung anzugleichen. Dies kann durch biblische Begriffe (z. B. ‫„[ גער‬Schelten“ des Dämons] (HF zu Tob 3,17; HL zu Tob 2,10; 8,6f.; 8,17) geschehen, durch die Einfügung von Schriftzitaten (z. B. Jer 31,17 zu 13,9 oder Ps 72,10 zu 13,11 in HF) oder durch einen Eingriff in die Textüberlieferung selbst, durch welchen die historischen Referenzen der Erzählung an die biblische Überlieferung angeglichen werden (OhQ zu Tob 1,10.15).

Somit lässt sich insgesamt feststellen, dass in diesen nach-antiken Texten der ethische Aspekt, insbesondere die Bedeutung von Almosengabe, Toragehorsam und Gebet unterstrichen wird. Angelologie und Dämonologie sowie die eschatologische Ausrichtung der Überlieferung treten dagegen zurück. Weitere Arbeiten haben diese groben Traditionslinien genauer zu beleuchten, wobei der Verbindung zwischen der Vulgatatradition und Hebraeus Londini besondere Aufmerksamkeit zukommen sollte.

66

Einleitung

Kanonizität und Wirkungsgeschichte Kanongeschichtliche Aspekte Antikes Die Erzählung erfreute sich im 1. Jh. v. Chr. im Land Israel einer großen Beliebtheit. Judentum Dafür sprechen ihre Bezeugung unter den Texten vom Toten Meer und ihre Über-

setzung vom Aramäischen ins Hebräische, durch welche das Buch die Aura einer altehrwürdigen Schrift erhielt. Auch die Übersetzung ins Griechische, die uns heute im sog. Langtext vorliegt und die sich eng an der aramäischen bzw. hebräischen Textform orientiert, belegt eine hohe Akzeptanz des Buches im Judentum der hellenistischen Zeit. Aus Gründen, die sich nicht mehr genau eruieren lassen, scheint das Buch in der jüdischen Tradition aber im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte an Akzeptanz und Bedeutung verloren zu haben. Gegen seine Aufnahme in den Kanon sprach vielleicht, dass es ursprünglich nicht auf Hebräisch verfasst worden war; aber auch inhaltliche Faktoren, etwa die kritische Auseinandersetzung mit Engelsvorstellungen, wie sie für das rabbinische Judentum typisch ist, könnten zu einer solchen Marginalisierung beigetragen haben.163 Es wurde auch vorgeschlagen, dass die Darstellung der Rolle der Frauen (insbesondere der Hannas, die ihrem Mann ganz selbstständig Paroli bietet) den Rabbinen missfiel.164 So findet sich weder in der Liste der biblischen Bücher bei JOSEPHUS in Contra Apionem (I, 8 [38]) noch in der rabbinischen Baraita bBB 14b ein Hinweis darauf, dass das Tobitbuch zu den heiligen Schriften gezählt würde. Auch die Zeugnisse der Kirchenväter unterstützen dieses Bild. ORIGENES (185–254) weiß zu berichten, dass das Buch zwar in den Kirchen gelesen wird, nicht aber von den Juden, die es auch nicht in hebräischer Sprache besitzen,165 und HIERONYMUS schreibt in seiner Einleitung zur Übersetzung des Buches in der Vulgata: Die „Hebräer scheiden das Buch aus der Liste der heiligen Schriften aus und schlagen es jenen zu, die sie Hagiographen nennen.“166 Alte Kirche Während das Tobitbuch in der jüdischen Überlieferung eine zunehmende Marund Mittelalter ginalisierung erfuhr, erfreute es sich in der Alten Kirche großer Beliebtheit und genoss in der Tradition des Westens über Jahrhunderte hin kanonischen Status. Da Johannes GAMBERONI das Material in seiner Studie zur Auslegungsgeschichte des Tobitbuches aus dem Jahre 1969 vorbildlich zusammengestellt hat, können hier einige grundlegende Hinweise genügen. Wenn die Bischöfe HIERONYMUS drängen, er solle das Buch ins Lateinische übersetzen, so zeigt sich die Bedeutung, die dieser Text für den Westen am Ende des 4. Jh.s hatte. Auch die einschlägigen Kanonverzeichnisse können Tobit auflisten. Zwar gab es immer wieder auch einzelne Stimmen, die dem Buch Tobit sein Recht bestritten, unter die Bücher der 163 Zur Nicht-Kanonizität des Buches Tobit in der jüdischen Tradition siehe ausführlicher EGO, Kanonizität (Lit.); vgl. ferner ORLINSKY, Essays in Biblical Culture; WOJCIECHOWSKI, Authority and Canonicity. Weiterführend zur Rolle des Buches in der jüdischen Tradition und seine Bedeutung für den Zionismus GOLDMAN, Jewish Literary Tradition. 164 Hierzu MILLER, Canonicity and Gender Roles, 214–220. 165 Siehe ORIGENES, Epistula ad Africanum 13 (MIGNE, PG 11, 79f.); zum Ganzen siehe GAMBERONI, Auslegung, 33. 166 GAMBERONI, Auslegung, 30.

Kanongeschichtliche Aspekte

67

Heiligen Schriften gezählt zu werden. All diese Diskussionen hatten auf die Praxis freilich jahrhundertelang keinen Einfluss.167 Für den Westen ist es die Fassung der Vulgata, die in ihrer Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte bedeutsam wurde. Eine solch positve Einstellung soll sich erst um die Wende vom 15. zum 16. Humanismus Jh. im Gefolge von Renaissance und Humanismus ändern. Explizite Kritik am In- und Reformahalt des Buches wurde zum ersten Mal bei dem Freiburger D. A. PELARGUS (1493/ tion 94–1531) laut. Dieser Humanist hatte das Buch zunächst einer eigenen Vorlesung für Wert befunden, zeigte sich dann aber – wie aus einem Brief an ERASMUS VON ROTTERDAM (ca. 1466–1536) hervorgeht – bald tief enttäuscht. Das Buch lasse einen kalt, sei hausbacken („jeiunus“) und vieles daran sei sehr dunkel, vor allem in der griechischen Version der Septuaginta. Auch ERASMUS VON ROTTERDAM äußerte eine ausgesprochen distanzierte Haltung zu diesem Buch.168 Die grundlegende kanonische Akzeptanz des Buches änderte sich – trotz gelegentlicher Kritik – erst im Zeitalter der Reformation, in dem die Maxime „ad fontes“ dazu führte, dass es – im Gegensatz zur katholischen Tradition – aus dem protestantischen Kanon ausgeschieden und nun zu den Apokryphen gezählt wurde. Der entscheidende Schritt zur De-Kanonisierung des Buches in der protestantischen Überlieferung kam von Andreas BODENSTEIN, genannt KARLSTADT (1486–1541). Für ihn war der Umfang des jüdischen Kanons das entscheidende Kriterium dafür, ob ein Buch auch in der christlichen Tradition als kanonisch oder nicht-kanonisch zu betrachten sei. Alles andere, wie die kirchliche Praxis oder die Bekanntheit des Verfassers, sei dagegen als sekundär zu erachten. Somit waren alle Bücher, die nicht im jüdischen Kanon enthalten waren, von vornherein auch für den christlichen Kanon ausgeschlossen. Da aber auch die Apokryphen wertvolle Wahrheiten enthalten, dürfe man diese Überlieferungen nicht verachten. Aber ihre Autorität komme nicht aus den Apokryphen selbst, sondern vielmehr, insoweit deren Wahrheiten auch in den kanonischen Schriften selbst enthalten seien.169 Was KARLSTADT in der Theorie darlegte, wurde dann von dem Drucker Johannes KNOBLAUCH in Straßburg in die Tat umgesetzt. Am 21. November 1522 brachte er eine Vulgata des Alten Testaments in insgesamt sechs Bänden heraus, wobei nun – im Gegensatz zu älteren Ausgaben – die deuterokanonischen Bücher getrennt in dem letzten Band zusammengefasst waren. Dieser trug den Titel: „Bücher, die von den Juden nicht als kanonisch angenommen sind“.170 Diese Tendenz, sich auf einen engeren Kanon zu beschränken, wurde durch das Erscheinen von jüdischen Druckausgaben der Hebräischen Bibel, die in dieser Zeit aus Italien kamen,171 verstärkt. Martin LUTHERs Entscheidung, die Apokryphen aus dem Kanon auszuscheiden und diese nur als „gut und nützlich zu lesen“ zu klassifizieren, war somit zu seiner Zeit sowohl theoretisch als auch praktisch vorgezeichnet, und die Notwendigkeit, dieses 167 Zur Auslegung des Tobitbuches von der Alten Kirche bis zu Beginn der Reformation ausführlich GAMBERONI, Auslegung, 19–196. Ein Nachhall auf die Erzählung findet sich auch in der christlich-gnostischen Schrift „Testament Salomos“ (3./4. Jh.); zum Ganzen siehe zu 3,8. 168 GAMBERONI, Auslegung, 201–204. 169 Zu KARLSTADT siehe GAMBERONI, Auslegung, 204–208. 170 GAMBERONI, Auslegung, 209. 171 So wurde die erste Rabbinerbibel im Jahre 1516/17 von Daniel BOMBERG in Venedig gedruckt; die zweite erschien dann im Jahre 1524/25.

68

Einleitung

Vorgehen explizit zu erklären, schien sich damit zu erübrigen. Vor diesem Hintergrund liest sich freilich LUTHERs Vorrede zum Tobitbuch von 1530 fast wie eine Apologie des Buches. So stellt er den alten Tobit nicht nur als Vorbild an Glaubenstreue, Geduld und dem Tun guter Werke dar, sondern betont auch die Kontinuität zwischen der hebräischen Dichtung der Bibel und der griechischen Dichtung. Wenn er das Tobitbuch mit dem Werk „eines feinen hebräischen Poeten“ vergleicht, „der keine leichtfertigen, sondern die rechten Sachen handelt und über die Maßen christlich treibt und beschreibt“,172 so deutet LUTHER zumindest an, dass das Buch Tobit, wenn auch auf Griechisch verfasst, doch dem Ideal der „Veritas Hebraica“ zu entsprechen vermag – von den hebräischen Fragmenten, die noch jahrhundertelang in der Judäischen Wüste auf ihre Entdeckung harren sollten, konnte LUTHER nichts ahnen.173 Für die katholische Kirche wurde dann, wie allgemein bekannt, die Kanonizität des Tobitbuches als Reaktion auf die Reformation im Konzil von Trient 1546 definitiv festgelegt, und es wird seitdem in dieser Tradition zu den sog. „Deuterokanonen“ gezählt.174

Wirkungsgeschichte Neues Testa- Die neutestamentliche Überlieferung zeigt durch ihre angelologischen und dämoment nologischen Vorstellungen zwar sehr viele Berührungen mit der Vorstellungswelt

des Buches, enthält insgesamt aber nur wenige explizite Bezugspunkte.175 An erster Stelle ist die Beschreibung des „Neuen Jerusalem“ in Offb 21,10–21 zu nennen, in der mit der Motivik der Lichtherrlichkeit der künftigen Stadt Tob 13,16b–18 anklingt. Die Trias der guten Werke „Almosen, Beten und Fasten“ erscheint auch in Mt 6,1–18, und Mt 7,12 // Lk 6,31 enthält zudem auch die Goldene Regel (vgl. Tob 4,15; allerdings in positiver Fassung). Ein direkter Kontakt mit der griechischen Überlieferung ist aber nur schwerlich auszumachen, insofern die Goldene Regel in der zeitgenössischen Popularphilosophie weit verbreitet war. Auch die Didache zitiert – zumindest sinngemäß – die Goldene Regel.176 Für die Literatur der Kirchenväter ist festzuhalten, dass die griechische Welt Kirchenväter nur die Kurzform der Erzählung belegt.177 Im Vordergrund steht die Rezeption

172 Vgl. das volle Zitat: „Darum ist das Buch uns Christen auch nützlich und gut zu lesen, als eines feinen hebräischen Poeten, der keine leichtfertige, sondern die rechten Sachen handelt und über die Maßen christlich treibt und beschreibt“; zitiert nach BORNKAMM, Luthers Vorreden zur Bibel, 156f. 173 Für eine ausführlichere Darlegung dieser Zusammenhänge siehe EGO, Kanonizität. 174 Der Begriff „deuterokanonisch“ stammt von SIXTUS VON SIENA (1520–1569); zum Ganzen siehe FITZMYER, 56; ibid., 55f., findet sich ein kurzer Abriss zur christlichen Kanongeschichte des Buches. 175 Zum Ganzen siehe DESILVA, Introducing, 81–84. 176 GAMBERONI, Auslegung, 19. Zum Ganzen siehe SKEMP, Avenues of Intertextuality, 43–70; vgl. DOCHERTY, Reception of Tobit, 81–94, insbesondere 92; sowie SCHUMPP, LXI. Weiterführend ist MACATANGAY, Story of Cornelius (mit der These, dass die Geschichte von Cornelius absichtlich auf Tob anspiele). 177 Sehr instruktiv sind die Belege bei SCHUMPP, LXIIf., der direkt auf die ausgelegten Passagen verweist.

Wirkungsgeschichte

69

der weisheitlich-moralischen Aussagen wie der Goldenen Regel als Ausdruck der Nächstenliebe oder die Sentenzen von den Heilswirkungen von Almosen, Fasten und Gebet.178 Aber auch die Wunder und das Wirken des Engels können thematisiert werden.179 Die westliche Welt bediente sich zunächst der Tradition der Vetus Latina. Hier gelangte auch eine allegorische Exegese, die den Fisch und das Wasser als Heilszeichen deutet, ins Blickfeld (vgl. OPTATUS VON MILEVE).180 Durch die Übersetzung des HIERONYMUS war es dann aber die Fassung der Vulgata, die für die abendländisch-christliche Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte bedeutsam wurde.181 Neben den einzelnen Auslegungen und Kommentaren182 ist an dieser Stelle die reiche Tradition in der bildenden Kunst zu nennen (siehe unten). Die Tatsache, dass christliche Hebraisten wie Sebastian MÜNSTER und der Reformator Paul FAGIUS jüdische Handschriften wie Ms. Konstantinopel 1516 oder Ms. Konstantinopel 1519 rezipieren und edieren, zeigt, dass das Tobitbuch in der Zeit des Humanismus und der Reformation – abgesehen von seiner Kanonizität im Katholizismus – sowohl in der jüdischen als auch in der protestantischen Tradition bekannt war und auch eine gewisse Wertschätzung erfuhr. Sebastian MÜNSTER veröffentlicht seine Version des Tobitbuches in Verbindung mit seiner Grammatik183 erstmals im Jahre 1542.184 Sie sollte dann Generationen von Hebräischschülern als Übungstext, an dem sie ihre Kenntnisse in der Praxis anwenden konnten, dienen. Damit hat die Textgeschichte des Tobitbuches auch für den jüdisch-christlichen Religionskontakt geradezu paradigmatische Bedeutung. Wie Hanne WESKOTT in ihrer 1972 erschienenen Dissertation darlegen konnte, hat das Buch in der bildenden Kunst eine breite Rezeption erfahren. Zahlreich sind nämlich die bildhaften Darstellungen, die sich dem Begraben der Toten, dem Streit der Eheleute, dem Fischfang, der Brautnacht mit der Vertreibung des Dämons (häufig als Drache dargestellt) und dem Gebet der Brautleute185 oder dem Abschied des Engels widmen.186 Während der Hund in der Erzählung selbst nur am Anfang und am Ende der Reise erscheint (6,2; 11,4), gibt es in der Malerei auch viele Darstellungen anderer Szenen (so z. B. beim Fischfang oder bei der Heilung des Vaters), in denen ein Hund mit abgebildet wurde.

178 Vgl. CLEMENS VON ALEXANDRIA, Stromateis 6,12 § 102,1–2; ebenso ATHANASIUS in Apol. c. Arian 11 (PG 25,268). 179 So ORIGENES, Homilia in Numeros 14,2 (GCS Origenes 7,125,2–6); ORIGENES, De oratione 14,4 (GCS Origenes 2,331,27–232,17). Siehe die Zusammenstellung bei GAMBERONI, Auslegung, 19–40. Allerdings trennt GAMBERONI bei der Nennung der Belege nicht explizit zwischen östlichen und westlichen Auslegern. 180 Zur Auslegung im Westen siehe SCHUMPP, LXIVf.; speziell zur allegorischen Auslegung GAMBERONI, Auslegung, 36–39. 181 Vgl. GAMBERONI, Auslegung, 83. 182 Ausführlich hierzu die Darstellung von GAMBERONI, Auslegung, 103–196. 183 Siehe hierzu insgesamt die Studie von LANGE, Sefer ha-Bachur. 184 GAMBERONI, Auslegung, 253–255. 185 So z. B. bei Jan Steen (https://www.artbible.info/art/large/457.html, abgerufen am 7.12.2018). 186 Zu den Einzelszenen und ihrer Entwicklung siehe WESKOTT, Darstellung der Tobiasgeschichte, 63–128.

Mittelalterliches Judentum und Humanismus

Tobit in der bildenden Kunst

70

Einleitung

Der Einfluss der Vulgata (und eben nicht der Septuaginta) wird auch in der Darstellung der Heilungsszene deutlich, die den Vater sitzend zeigt, während ihm sein Sohn Tobias die Salbe auf die Augen streicht (Tob 11,11–15 Vg.); nach der griechischen Tradition dagegen findet die Heilung statt, während Vater und Sohn außerhalb des Hauses aufeinander zugehen (11,10f.).187 Interessant ist die Szene auch für Medizinhistoriker, da diese als Staroperation verstanden wurde und dementsprechend dargestellt werden konnte.188 Die größte Bedeutung freilich haben die Reise des Tobias und das Motiv des Schutzengels bekommen. Wenn sich auch für alle Episoden der Geschichte Tobits und des Engels Bildbeispiele finden lassen, so ist es, betrachtet man das Material in seiner Gesamtheit, gerade das Wegmotiv, das eine prominente Rolle spielt.189 Tobias und der Engel erscheinen hier als gemeinsam Wandernde, die von einem Hund begleitet werden. Beide halten oft ihre Erkennungszeichen in der Hand: Rafaël das Salbgefäß und Tobias den Fisch. Nach einer Reihe religiöser Darstellungen in älteren Bibelmanuskripten und in Kirchengebäuden zeigt vor allem das Florenz des 15. Jahrhunderts großes Interesse an dem Motiv. Nun löst es sich aus dem religiösen Zusammenhang im engeren Sinne, wenn Privatleute, die ihre Söhne auf längere Auslandsreisen schicken, zum Auftraggeber solcher Bilder werden. Tobias schreitet dabei als vornehmer Patriziersohn neben dem Engel durch das Arnotal, während der Engel seine Flügel über ihm ausbreitet.190 Rafaël mit dem Salbgefäß wird zum Patron der Reisenden und Apotheker.191 Von Italien aus wandert das Motiv nach Norden, wobei – wie die Darstellungen von Adam ELZHEIMER (1578–1610) belegen – eine zunehmende Integration der Wandernden in die Landschaft stattfindet.192 Schließlich verschmilzt die Motivik mit einem ganz anderen Typus des Schutzengelmotivs, bei dem Engeln die Aufgabe zukommt, den Sterbenden beizustehen, dem Teufel zu wehren und die Seele sicher in den Himmel zu geleiten.193 Dies macht vor allem die Schutzengel-Gruppe von Franz Ignaz GÜNTHER 187 Siehe u. a. Bernardo Cavallino (http://altemeister.museum–kassel.de/32134/); Annibale Carracci (https://www.akg-images.de/archive/Der-junge-Tobias-heilt-seinen-blindenVater-2UMDHUFUYA1P.html); Jan Massys (https://www.yumpu.com/de/document/ view/6248567/bilder-zur-predigtreihe-des-tobit-buches/25); Rembrandt (https:// www.akg-images.de/archive/Der-junge-Tobias-heilt-seinen-blinden-Vater-2UMDHUVKK QQP.html); Franz Sigrist (https://digital.belvedere.at/objects/5059/der-junge-tobiasheilt-seinen-vater-mit-der-fischgalle?ctx=3a2f1486-1d2e-49ab-b758-cb574ac31cc0&idx= 8); alle abgerufen am 7.12.2018. 188 Hierzu siehe HEINEMANN/PINELL-STAEHLI, Rembrandt van Rijn and Cataract Surgery; GREEFF, Rembrandts Darstellungen der Tobiasheilung; GÜEMEZ-SANDOVAL, Tobías cura a su Padre. 189 Zum Wegmotiv generell siehe WESKOTT, Darstellung der Tobiasgeschichte, 12–25; siehe auch HART, Tobit in the Art of the Florentine Renaissance, 78–82 (Lit.); JACOBS, TobiasZyklus, 149–153. 190 Vgl. z. B. die Darstellung des Andrea del Verrocchio (https://upload.wikimedia.org/ wikipedia/commons/1/15/Workshop_of_Andrea_del_Verrocchio._Tobias_and_the_ Angel._33x26cm._1470-75._NG_London.jpg); abgerufen am 13.3.2017. 191 Vgl. hierzu JÖCKLE, Heiligenlexikon, 390; WIMMER/MELZER, Lexikon der Namen und Heiligen, 701. 192 https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Raphael_and_Tobias.jpg; abgerufen am 13.3.2017. 193 Zu dieser Art des Schutzengels SCHMIDT/SCHMIDT, Vergessene Bildersprache, 186f.

Wirkungsgeschichte

71

aus dem Jahre 1763 deutlich, in der das Kind, ohne es zu bemerken, an einer Schlange vorbeischreitet.194 Gleichzeitig fand damit die Entwicklung eines religiösen Bildthemas einen Abschluss. Rafaël-Tobias-Wanderungen kommen fortan nur vereinzelt vor. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde das Motiv dann insofern popularisiert, als jene bekannten Farbdrucke entstehen, die zeigen, wie Kinder in großer Gefahr, z. B. auf einer brüchigen Brücke, beim Überqueren eines reißenden Baches oder in der Nähe von Bahngleisen beim Herandonnern eines Zuges, von den ausgebreiteten Flügeln eines Engels beschützt werden. So wurde zumindest ein Motiv der Tobiterzählung zum Teil des kollektiven Gedächtnisses des Abendlands.

194 Günther, Ignaz: Schutzengel (https://de.wikipedia.org/wiki/Bürgersaal_(München)#/ media/File:Ignaz_Guenther_Schutzengel_Buergersaal_Muenchen-1.jpg, abgerufen am 13.3.2017).

Die Buchüberschrift: Tobits Herkunft und seine Exilierung (1,1–2) 1 a Buch der Geschichte Tobitsa, b bdes Sohnesb Tobiëls, [Sohn] Hananels, [Sohn] Aduëls, [Sohn] Gabaëlsc, [Sohn] Rafaëlsd, [Sohn] Raguëlse, aus der Sippe Asiëlsf, c aus dem Stamm Naftalig, 2 a der in den Tagen Salmanassarsa, des Königs der Assyrer, in die Gefangenschaft geführt wurde b aus Tisbe, das südlichb von Kydios [in] Naftali in Obergaliläa, oberhalb von Asserc und nordwestlich von Phogord liegt.

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 1,1a

Griech.: Τωβίθ; GI liest Τωβίτ. Der Name ist die gräzisierte Form des hebr. Personennamens ‫( טובי‬vgl. die hebr. bzw. aram. Überlieferung in 4Q196 18 12; 4Q197 4iii 5f.; 4Q200 4i 7; 6 4 und die ma. aram. Version). Um das Wort undeklinierbar zu machen, wurde im Griechischen an die vokalische Endung ein konsonantischer Auslaut angefügt. Für weitere Beispiele für dieses Phänomen siehe FITZMYER, 93. Die Form ‫טובי‬ wiederum ist eine apokopierte Form des Namens „Tobija“ („JHWH ist mein Gott“; z. B. Sach 6,10.14; Esr 2,60; Neh 2,10.19; 7,62; 13,4.7) bzw. von „Tobijahu“ (2 Chr 17,8) oder des Namens „Tobiël“ („Gott ist mein Gut“; so nur in 1,1 als Name von Tobits Vater); siehe FITZMYER, 93. VL hat „Thobi“ und spiegelt so die hebr. bzw. aram. Namensform wider; Vg. liest „Tobias“ sowohl für den Vater als auch für den Sohn (mit der Ausnahme von 11,20 Vg., wo „Tobin“ im Akk. erscheint). Tob 13,1 spricht von „Tobias senior“ als Autor des Hymnus. Zu den Bezeugungen des Namens in den antiken Texten siehe ILAN, Lexicon I, 109f. 1,1b–b Im griech. Text fehlt hier und im Folgenden das Wort „Sohn“ und es findet sich nur – wie allgemein üblich – der Genitiv mit τοῦ, um die Abkunft zu bezeichnen; siehe LITTMAN, 46. 1,1c Der Name Gabaël wird bestätigt durch 4Q197 5 10. 1,1d „Rafaël“ fehlt in VL. Da auch der Engel „Rafaël“ heißt, ist zu vermuten, dass der Name hier sekundär eingedrungen ist und GII in dieser Stelle nicht die älteste Form des Textes repräsentiert. 1,1e Hebr.: ‫ ;רעואל‬wie bei Gomorrha oder Gaza wird ‫ ע‬mit ‫ ג‬transkribiert; fehlt in VL. Da Raguël auch der Name des Schwiegervaters Tobias’ ist, ist anzunehmen, dass der Name hier sekundär eingedrungen ist und GII an dieser Stelle nicht die älteste Form des Textes darstellt. 1,1f VL liest hier: „filii Asiel“. 1,1g Griech.: Νεφθαλείμ; ansonsten ist Νεφθαλίμ gebräuchlich; verschiedene Angaben zur Schreibweise bei FITZMYER, 95. 1,2a Griech.: Ἐνέμεσσαρος. Nach LITTMAN, 47, ist diese Namensform wohl aus Salmanassar (assyr.: Šulmanu-ašarid) korrumpiert; so auch FITZMYER, 95. MOORE, 101, verweist auch auf die Babylonische Chronik, der zufolge Salmanassar V. (726–722 v. Chr.) Samaria erobert hat. VL und Vg. lesen Salmanassar. Zu den unterschiedlichen Namensformen siehe auch MILLARD, Judith, 201. 1,2b Wörtl.: „rechts“ – ein Hebraismus (vgl. ‫ ימן‬in Jos 17,7; 1 Sam 23,19; 2 Kön 23,13 u. ö.); zum Ganzen siehe auch LITTMAN, 49: Der Übersetzer hat hebr. ‫ מן‬mit griech. ἐκ wiedergegeben „to give very awkward Greek“.

Synchrone Analyse 1,2c 1,2d

73

Griech.: ʼΑσσήρ; vgl. die andere Namensform ʼΑσήρ in GI. Wörtl.: „hinter dem Weg des Untergangs der Sonne links“. Für „links“ als Bezeichnung des Nordens siehe FITZMYER, 97.

Synchrone Analyse Gliederung und Struktur Die Buchüberschrift stellt die Hauptperson in ihren familiären, historischen und Gliederung geographischen Bezügen vor und ist folgendermaßen gegliedert: 1a 1b 1c 2a 2b

Überschrift mit Nennung der Hauptperson (als pater familias) genealogische Abkunft: Stammbaum Stammesangabe Zeitangabe und Exilierung lokale Herkunft

Die Geschichte beginnt mit zwei Sätzen, die eine Fülle von Details enthalten, um Struktur die wichtigsten Koordinaten der Erzählung – Person, Ort und Zeit – zu präsentieren. Zwar spielen hier neben Tobit auch andere Figuren eine wichtige Rolle – Tobits Frau Hanna, sein Sohn Tobias, dessen Braut Sara und selbstverständlich der Engel Rafaël –, aufgrund der Bedeutung, die dem familiären Denken in dieser Erzählung (wie in der Antike überhaupt) zukommt, liegt jedoch eine Fokussierung auf Tobit als pater familias nur allzu nahe. Bemerkenswert ist die Anordnung der einzelnen Elemente: Da die Angaben zur Exilierung des Protagonisten jene zur genealogischen und lokalen Herkunft unterbrechen, schafft der Erzähler gleich zu Beginn seines Werkes eine Spannung, die auf zentrale Motive hinweist. Der Blick richtet sich sowohl auf die Frage nach einer Identitätsbewahrung bzw. Identitätskonstitution des Protagonisten in der Fremde als auch auf die Auseinandersetzung mit den Assyrern als einer Weltmacht, die einen universalen Herrschaftsanspruch erhebt.

Einzelanalyse Das Buch beginnt mit der überschriftartigen Wendung βίβλος λόγων („Buch der 1,1 Geschichte“), die mit der Figur Tobits verbunden wird. Dann folgt eine komplexe Genealogie, die insgesamt aus sieben Namen besteht und die Tobit dem Stamm Naftali zuordnet. Auf diese Art und Weise wird die Identität Tobits genauer bestimmt.1 Während bislang exakte genealogische Aussagen im Vordergrund standen, 1,2 verweist der Erzähler nun auf Tobits Exilierung aus seiner obergaliläischen Heimat. Tobit gehört zu jener Schar von Verschleppten, die zur Zeit des Assyrerkönigs Salmanassar V. (726–722 v. Chr.) in die Gefangenschaft geführt wurde (zum bibli1

Siehe DIMANT, Family, 158; KELLERMANN, Eheschließung, 143; MACATANGAY, Wisdom Instructions, 287f.; SOLL, Family, 166f.

74

Die Buchüberschrift: Tobits Herkunft und seine Exilierung (1,1–2)

schen Hintergrund siehe unten). Später erscheint Salmanassar dann als der König, für den Tobit als Einkäufer tätig ist (siehe zu 1,13). Auffallend ist der Detailreichtum im Hinblick auf die geographischen Angaben zu Tobits Herkunft.

Buchinterne Bezüge Überblick Bereits die Buchüberschrift führt zu zentralen Themen der Erzählung hin und

enthält die Motive „Familie“ (durch den Stammbaum) sowie „Exil und Land“. Außerdem klingen geschichtstheologische Bezüge an.2 Durch die Gesamtstruktur des Buches, die in den Schlusskapiteln im JerusaGeschichtstheologische lemhymnus (13,10.13f.) sowie in Tobits Testament (14,6–7) auf die Rückkehr aus Aspekte dem Exil verweist, steht das Schicksal der einzelnen Protagonisten in einem kollektiven und eschatologischen Kontext.

Diachrone Analyse 1,1: βίβλος Der Ausdruck βίβλος λόγων („Buch der Geschichte“) weckt Assoziationen an die λόγων biblische Wendung N. N. ‫( ספר דברי הימים‬z. B. 2 Kön 14,28; 15,6.21.31; 16,19 [griech.

in der Regel mit βιβλίον λόγων τῶν ἡμερῶν N. N., z. B. 2 Kön 14,28; 15,6.21.31; 16,19 oder βιβλίον ῥημάτων τῶν ἡμερῶν N. N., so 1 Kön 14,29 wiedergegeben])3 bzw. an den biblischen Ausdruck N. N. ‫( ספר דברי‬so 1 Kön 11,41, griech.: βιβλίον ῥημάτων N. N.). Eine solche Chronik erscheint in der biblischen Geschichtsschreibung (bzw. im Esterbuch, das den Anschein von Geschichtsschreibung erwecken möchte), um auf ein Werk zu verweisen, in dem bedeutende geschichtliche Ereignisse verzeichnet sind. Der Begriff λόγος ist hier daher im Sinne von „Begebenheiten, Geschichte“ zu verstehen (vgl. auch Apg 1,1).4 Der Anschluss im Hebräischen wird in der Regel mit Lamed in der Rolle einer Nebenprädikation5 bzw. im Griechischen mit Dativ konstruiert. Nur 1 Kön 11,41 verwendet eine Constructus-Verbindung bzw. im Griechischen dann den Genitivus possessivus. Die Bezugsgrößen sind dabei die Könige Judas oder Israels; in den Belegen aus dem Esterbuch geht es um die Chronik des Perserkönigs (Est 2,23; vgl. 6,1) bzw. die Chronik der Könige von Medien und Persien, in die – als Auszeichnung und große Ehre – auch die Taten Mordechais Eingang finden (Est 10,2). Die Formulierung in 1 Kön 11,41 kommt Tob 1,1 insofern am nächsten, als das „Buch der Begebenheiten“ dort ebenfalls mit einer einzelnen Person, nämlich mit Salomo, verbunden wird. Ein ähnlicher Buchanfang wie hier findet sich im Genesisapokryphon Außerbiblische Refe- 1QGenApocr 5,29, wo von einer Kopie des Buches der Worte Noachs (‫כתב מלי נוח‬ renzen

2 3 4 5

Zum Ganzen siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Motive“. EstLXX geht hier bei der Wiedergabe des Begriffs eigene Wege; vgl. Est 2,23LXX: ἐν τῇ βασιλικῇ βιβλιοθήκῃ; Est 6,1LXX: γράμματα μνημόσυνα τῶν ἡμερῶν; Est 10,2LXX: ἐν βιβλίῳ βασιλέων Περσῶν καὶ Μήδων. VÍLCHEZ-LÍNDEZ, Tobias, 55. JENNI, Die Präposition Lamed, 70f. (Nr. 2159).

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‫ )פרשגן‬die Rede ist.6 Des Weiteren liegt auch eine enge Korrespondenz zu den Testamenten der Zwölf Patriarchen7 sowie zum Anfang der aramäischen Achikarerzählung vor.8 Hier allerdings ist die Übersetzung „Buch/Schrift der Worte N. N.“ passender. Für Tobit insgesamt ist die erste Möglichkeit, wonach es um die „Geschichte Tobits“ geht, vorzuziehen, da nur am Buchanfang Tobit in der 1. Pers. spricht (so 1,3 bis 3,6) und dann – ab Tob 3,7 – ein auktorialer Erzähler agiert. Die Parallelen zum Buchanfang erscheinen somit allesamt im nationalen bzw. internationalen Kontext königlicher Geschichtsschreibung bzw. in der Literatur, die mit altehrwürdigen Patriarchen in Verbindung steht. Tob 1,1 unterscheidet sich davon insofern, als hier weder eine königliche Figur noch einer der weisen Urväter vorgestellt wird, dazu ist Tobit auch noch ein Exilierter. Auf diese Art und Weise erscheint die Figur Tobits in der Patina historischer bzw. weisheitlicher Bedeutsamkeit. Gleichzeitig wird die Erwartung aufgebaut, dass nun entweder „große“ politische Geschichte berichtet wird oder aber – ähnlich wie in der Testamentenliteratur oder bei Achikar – eine besondere Art der Weisheitslehre erfolgt. Die Erzählung spielt zunächst aber – wenn auch in die Geschichte der großen Reiche eingebunden – in der „kleinen Welt“ der Familie. Erst am Ende des Buches soll deutlich werden, dass gerade das „Familiär-Private“ hier auf das Nationale hin transparent gemacht wird. Somit formuliert das Buch Tobit in „Anlehnung und Modifikation zu den im dtr. und chr. Geschichtswerk erwähnten Buchtiteln […] seinen Anspruch, eine für die Geschichte Israels insgesamt maßgebliche, ja positiv paradigmatische Person darzustellen.“9 Der Name „Tobit“, der in seiner Langform „Tobija(hu)“ bzw. „Tobiël“ die Bedeutung „JHWH bzw. Gott ist gut“ (siehe TA 1,1a) hat, signalisiert das dem Wohl der Menschen dienende Handeln Gottes. Die symbolische Dimension des Namens erschließt sich insbesondere durch den innerbiblischen Bezug zu Nah 1,7, einem der wenigen Statements über Gottes Rettung seines Volkes „in the midst of a book largely devoted to prophesying God’s jugdement on Niniveh“.10 Innerhalb der biblischen Überlieferung und der Geschichte Israels ist der Name „Tobit“ insbesondere mit der Familie der Tobiaden und einer Figur namens Tobija in Neh 2,10.19; 4,1–9; 6,1.12.14.17.19; 13,4–9 verbunden, die als „Knecht Ammons“ (Neh 2,10.19) bezeichnet wird und als Widersacher Nehemias auftritt. Das theophore Element des Namens (wie auch des Namens seines Sohnes Johanan; 6 Vgl. hierzu den Hinweis bei MACHIELA/PERRIN, Genesis Apocryphon, 118. 4QVisions of Amram 4Q543 1a,b,c 1 verbindet einen ähnlichen Buchanfang mit dem Hinweis, dass es sich hier um eine Vision handelt; siehe PERRIN, Capturing the Voices, 108. 7 Hier findet sich die Wendung „eine Abschrift der Worte (λόγοι) des N. N.“; siehe PERRIN, Capturing the Voices, 105; siehe TestSim 1,1; TestLev 1,1; TestJud 1,1; TestIss 1,1; TestDan 1,1 und TestBenj 1,1. 8 PERRIN, Capturing the Voices, 105. Für den Anfang der Achikar-Überlieferung ist auf die Rekonstruktion des Buchanfangs durch David MARCUS zu verweisen, der gegen COWLEY, Aramaic Papyri, 212.220, nicht ‫„( אלה מילי אחיקר שׂמה‬these are the words of one named Achikar“), sondern ‫ כתב מילי אחיקר‬lesen möchte (vgl. den Verweis auf ein Paper, präsentiert bei der „Lost Text Graduate Student Conference“ in New York am 29. April 2012). Auf die Parallele des Anfangs mit der Achikargeschichte verweist auch KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen, 374. 9 DESELAERS, Buch Tobit, 58. 10 BAUCKHAM, Parable, 150.

1,1: Der Name „Tobit“

1,1: Die Tobiaden

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Die Buchüberschrift: Tobits Herkunft und seine Exilierung (1,1–2)

siehe Neh 6,18) deutet ausdrücklich darauf hin, dass dieser ein Jahweverehrer war. Deutlich wird zudem, dass dieser Tobija in engen verwandtschaftlichen Beziehungen zu hoch angesehenen Jerusalemer Familien stand und eine breite Akzeptanz und hohes Ansehen bei den Eliten genoss. Nach Neh 13,4 war Tobija mit dem Priester Eljaschib (nach Neh 3,20 Hoherpriester!) verwandt (siehe auch Neh 6,18, wonach Tobija in einem verwandtschaflichen Verhältnis zu Schechanja stand, der ebenfalls zu den Priestern gezählt wird [Neh 12,3]). Eljaschib hatte Tobija sogar einen Raum im Jerusalemer Tempel zur Verfügung gestellt, damit dieser dort seine Besitztümer aufbewahren konnte (Neh 13,5). Außerdem hatten viele Judäer Tobija einen Treueeid geleistet (Neh 6,18). Wenn Nehemia Tobijas Recht auf dauerhaftes Andenken in Jerusalem bestreitet (Neh 2,20), so impliziert dies, dass ein solcher Anspruch, der vermutlich politische Implikationen hatte, tatsächlich bestand bzw. erhoben wurde. Die Bezeichnung „Knecht Ammons“ spielt auf die Herkunft Tobijas aus dem ostjordanischen Ammon an, das als dem Siedlungsgebiet der israelitischen Stämme zugehörig betrachtet werden konnte (siehe Jos 13,24–28).11 Man hat erwogen, ob Tobija sogar die Position eines ammonitischen Statthalters innehatte. Klaus-Dietrich SCHUNCK plädiert dafür, in Tobija einen „Unterbeamten“ zu sehen, der in enger Verbindung mit Sanballat als dem Statthalter der Provinz Samaria stand. Eine solche Annahme „würde noch eine Bestätigung erhalten, wenn es zutreffen sollte, daß der in Esr 4,7 genannte ‫ טבאל‬mit ihm identisch ist […]. Dieser ‫ טבאל‬wirkte bereits 448 v. Chr. als Beamter in Samaria, von wo er sich in einer Jerusalem betreffenden Angelegenheit mit einem Brief an Artaxerxes wandte.“12 Tobija scheint zu einer Familie gehört zu haben, die unter dem Namen „Söhne Tobijas“ in den Rückkehrerlisten in Esr 2,59f. und Neh 7,61f. als eine Gruppe genannt wird, bei der nicht klar war, ob sie aus Israel stammte.13 Weitere aufschlussreiche Hinweise zu Tobija sowie zur Geschichte seiner Familie gibt Benjamin MAZAR. Er betont ausdrücklich, dass Tobija Jude war; die Bezeichnung „Knecht Ammons“ möchte er als Hinweis auf seine hohe gesellschaftliche Position deuten und seine Funktion als Diener („servant“) des persischen Königs mit Residenz in Ammon bestimmen.14 Nach MAZAR entstammte dieser Tobija einer Familie, die bereits in vorexilischer Zeit politisch bedeutsam war und über einen großen Reichtum verfügte. Das früheste Zeugnis hierfür könnte sich bereits in Jes 7,6 finden, wo ein gewisser Tabeal genannt wird, der von den angreifenden Aramäern anstelle Ahas’ zum König Judas gemacht werden soll. Vor dem Hintergrund der Theorie, dass der Name Tabeal hier eine pejorative Form des Namens Tobiël darstellt und dass das theophore Namenselement -el infolge der josianischen Reform durch -jah(u) ersetzt wurde, möchte MAZAR bereits diese Person als Mitglied der Tobiadenfamilie und als einen frühen Vorfahren des Tobija aus dem Nehemiabuch sehen, der einer einflussreichen judäischen Familie angehörte, „perhaps even a relation of the house of David, who had many supporters among Ahaz’ enemies in Jerusalem and was closely connected with the kings of Israel and Aram, and we might well see in this Ben-Tab’al the ancestor of the Tobiad family.“15 Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Tobiaden bereits in den letzten Jahren vor dem Ende des Königtums in Juda sehr einflussreich waren, findet sich in den Lachischbrie11 12 13 14 15

Allgemein zu Tobija siehe SCHUNCK, Nehemia, 47–50; siehe auch MAZAR, Tobiads, 143f. SCHUNCK, Nehemia, 49. MAZAR, Tobiads, 230; SCHUNCK, Nehemia, 218. MAZAR, Tobiads, 143f. MAZAR, Tobiads, 236.

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Diachrone Analyse

fen, wo ein Tobiah als „Diener des Königs“ (Lachischbrief III, II, 19–21) bzw. als „Arm des Königs“ (Lachischbrief V, II, 7–10) bezeichnet werden kann.16 Für die Verbindung mit dem Ostjordanland bietet MAZAR verschiedene Erklärungen an. So verweist er darauf, dass manche der israelitischen Könige enge Beziehungen zu Grundbesitzern in Transjordanien hatten. Pekach, der Sohn Remaljas, wurde mit Hilfe der Gileaditen König (2 Kön 15,25), und es ist nach MAZAR möglich, dass die Tobiaden ihre Karriere als Landbesitzer in Transjordanien in den Tagen von Usija und Jotam begannen, als diese Besitztümer von den Ammonitern erhielten (vgl. 2 Chr 26,8; 27,5). Eine Alternative für die Verbindung der Tobiaden mit Gilead schlägt MAZAR in einer Fußnote vor: „If we accept the assumption that Tab’al was the ancestor of the Tobiads, then the family estates in Gilead would be a pledge for his loyality towards Pekah, the king of Israel.“17 MAZAR möchte zudem auch annehmen, dass Mitglieder der Tobiadenfamilie, die später als „Söhne Tobijas“ in den Rückkehrerlisten erscheinen (siehe Esr 2,59f. und Neh 7,61f.), von Tiglat-Pileser III. (744–727 v. Chr.) aus Gilead exiliert worden waren. Für eine solche Rückkehr sprechen Belege aus der prophetischen Überlieferung – so Jer 1,19, Ob 19 und Sach 10,10.18 Die babylonischen Texte aus dem Murashu-Archiv in Nippur zeigen aber auch, dass ein Teil der Familie im mesopotamischem Exil blieb.19 Zudem identifiziert MAZAR jenen Tobija, der in Sach 6,10 erwähnt wird und der Gold für die Herstellung der Krone für Jeschua und Jozadak bringen sollte, als Großvater des Gegenspielers Nehemias.20 Blickt man von diesen Belegen aus auf die weitere Geschichte dieser Familie, so wird in der Regel angenommen, dass die Gestalt Tobijas, die im Nehemiabuch erwähnt wird, in Beziehung zu dem wohlhabenden und einflussreichen Tobiadenclan steht, der für die Geschichte des antiken Judentums in der Ptolemäer- und Seleukidenzeit bedeutsam wurde.21 So dokumentieren die Zenon-Papyri die Aktivität eines Tobias im 3. Jh. v. Chr., der im Ostjordanland ein wohlhabender Landbesitzer und ein Geschäftsmann war. Wenn Zenon-Papyrus Inv. 2358, der aus der Zeit Ptolemäus’ II. (283–246 v. Chr.) stammt, vom „Land des Tobija“ spricht, wird deutlich, dass die Familie der Tobiaden östlich des Jordans umfangreiche Ländereien besaß. MAZAR beschreibt auf der Basis der Zenon-Papyri das Territorium dieses Clans folgendermaßen: „We may fix its boundaries roughly according to the Zenon papyri. In the West it boardered on Abila, to which probably belonged the regions adjoining the Jordan on the east between Wadi Nimrin and the Dead Sea (the biblical ‘plains of Moab’). In the east it extended as far as the vicinity of Rabbath-Ammon, i. e. Philadelphia, which appears in the papyri as an autonomous city and it is called by its ancient name: ἐν Ραββαταμμανοις. In the south it is bordered on the Moabitis, and the boundary probably passed along the Wadi Ḥisban. In the north the whole neighbourhood of es-Salt belonged to Gedora […].“22 Diese Angabe wiederum passt zu den Ausführungen des JOSEPHUS im sog. Tobiadenroman, in dem erzählt wird, wie ein gewisser Josef, Sohn des Tobias und der Schwester des Hohenpriesters Onias II., vom Ptolemäerkönig das Amt des Generalsteuerpächters verliehen bekam und dieses zweiundzwanzig Jahre lang innehatte. Dieser Josef hatte sieben Söhne, und sein jüngster Sohn Hyrkanus, der die proptolemäische Haltung sei16 17 18 19 20 21 22

MAZAR, MAZAR, MAZAR, MAZAR, MAZAR, MAZAR, MAZAR,

Tobiads, Tobiads, Tobiads, Tobiads, Tobiads, Tobiads, Tobiads,

234f. 237. 233. 231. 229. 143; SCHUNCK, Nehemia, 50. 142f.

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Die Buchüberschrift: Tobits Herkunft und seine Exilierung (1,1–2) nes Vaters vertrat, überwarf sich mit seinen Brüdern, die proseleukidisch eingestellt waren, und musste ins Ostjordanland fliehen. Dort nahm er sich beim Regierungsantritt von Antiochus IV. Epiphanes (175–167 v. Chr.) im Jahre 175 v. Chr. das Leben (Flav. Jos. Ant. XII, 4, 2–11 [160–236]).23 Der Jerusalemer Zweig der Tobiaden dagegen kämpfte wohl weiterhin in Jerusalem um Einfluss und stellte sich gegen den Hohepriester Onias II. und seine Familie. JOSEPHUS berichtet, dass es die Tobiaden waren, die Menelaos unterstützten, als er das Hohepriesteramt von Jason, dem Bruder des Onias, erwerben wollte. Nach JOSEPHUS waren es auch die Tobiaden, die Antiochus IV. ermutigten, Judäa zu besetzen, ihm ihren Dienst dort anboten und ihn ermunterten, die griechische Lebensweise in Jerusalem zu fördern (Flav. Jos. Ant. XII, 5, 1 [237–241]).24 Die Nachricht, dass die „Brüder“ der Tubianer (ἐν τοῖς Τουβίου) von den umwohnenden Syrern angegriffen und versklavt wurden (1 Makk 5,13) sowie dass Judas den „Tubianer“ genannten Juden in Charax zu Hilfe eilte (2 Makk 12,17) belegt, dass auch nach dem Tod Hyrkanus’ im Ostjordanland Anhänger oder sogar Zugehörige zu diesem Zweig der Familie lebten.25 Beim Kampf gegen die Seleukiden leisteten wiederum die Reiteroffiziere Sosipatros und Dositheus, die ebenfalls mit den Tobiaden in Verbindung gebracht werden können (hierzu eine Lesart von 2 Makk 12,35), Judas tatkräftige Unterstützung (2 Makk 12,19.24.35).26

Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Tobiaden eine alte Familie waren, die wahrscheinlich schon vorexilisch nicht nur in Jerusalem bedeutenden Einfluss besaß, sondern auch im Ostjordanland über ein großes Territorium verfügte. Dies findet, wie die Überlieferung bei Nehemia zeigt, nach dem Exil seine Fortsetzung; allerdings wird das Bild etwas getrübt, insofern die Familie ihren Stammbaum nicht deutlich belegen kann. In der Zeit des 3. und 2. Jh. v. Chr. erscheinen die Tobiaden als eine in hohem Maße hellenisierte Familie, die weiterhin ihre Machtbasis im Ostjordanland hatte, aber auch in Jerusalem und Juda politisch machtvoll agierte. In der Gemengelage von politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen nach der Rückkehr aus dem Exil unter den Persern bzw. in der hellenistischen Zeit sowie vor dem Hintergrund von innerfamiliären Streitigkeiten scheint es für die Familie der Tobiaden immer wieder einen erheblichen Legitimationsbedarf gegeben zu haben. Vor diesem Hintergrund wurde in der Forschungsliteratur auch die These vertreten, dass die Erzählung als Familiensaga des Tobiadenclans diente, die das Image desselben in einem positiven Licht darstellen sollte.27 Sowohl der Name Tobit als auch die in der Genealogie genannten Namen 1,1: Genealogie weisen enge intertextuelle Bezüge zu anderen biblischen Schriften auf.

23 Zur Darstellung der Tobiaden bei JOSEPHUS siehe MAZAR, Tobiads, 137–139; HENGEL, Judentum und Hellenismus, 490–496. 24 Siehe hierzu HENGEL, Judentum und Hellenismus, 509. 25 HENGEL, Judentum und Hellenismus, 502. 26 HENGEL, Judentum und Hellenismus, 502; weiterführend BAR-KOCHVA, Judas Maccabaeus, 82–84. 27 Die These geht auf MILIK, La Patrie de Tobie [1966], zurück (siehe unten „Tobits Heimat“) und wurde dann mit unterschiedlichen Argumentationsstrukturen rezipiert, so u. a. bei BASLEZ, Roman de Tobit, 39f.; BOCCACCINI, Wurzeln des rabbinischen Judentums, 109; RABENAU, Studien, 181; WILLS, Jewish Novel, 71 (vgl. auch Ursula SCHATTNER-RIESER in einem bislang unpublizierten Vortrag bei der Tagung „Tobiads Inc. An Ancient Multinational Company and Its Impact to Judaism“ [Wien, 30.10.–31.10.2017]).

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Diachrone Analyse Text

Mögliches Äquivalent in MT

Septuaginta

Bedeutung

Tobit – Tωβίθ

‫טוביה‬ – Neh 2,10 u. ö.

Τωβια

„JHWH ist gut“

bzw. ‫טוביהו‬ nur in 2 Chr 17,8

Τωβιας

Bemerkungen

s. a. Tobiël Tobiël – Tωβιήλ

‫טבאל‬ – Jes 7,6; Esr 4,7

Hananel – Ἃνανιηλ

Name eines Turmes Ανανεήλ ‫חננאל‬ – Sach 14,10; Neh 3,1; 12,39 vgl. auch ‫ חנני‬/ ‫ חנניה‬/ ‫חנניהו‬

Ταβεήλ

„El ist gut“ „El ist gnädig“

Tob 1,8 kennt Hananel als „Vater“ im Sinne eines Vorfahren

Ανανι/Ανανια /Ανανιας

Aduël – Ἀδυήλ

in MT nicht belegt; evtl. ‫עדיאל‬ – 1 Chr 4,36

„Ein Schmuck ist Gott“

Εδιήλ

Gabaël – Γαβαήλ

in MT nicht belegt

nur in Tob

„Gott hat erhoben“

Person, bei der Tobit das Geld deponiert hat (1,14; 4,1.20 u. ö.).

Rafaël – Ραφαήλ

‫רפאל‬

Ραφαήλ

„Gott heilt“

vgl. den Namen des Engels (3,16 GI; 3,17 GII); ferner äthHen 9,1; 20,3; 22,4 u. ö.

Raguël – Ραγουήλ

‫רעואל‬

Ραγουήλ

„Freund Gottes“

Name des Brautvaters (vgl. 3,7.17 u. ö.); vgl. den Namen eines Engels in äthHen 20,4; 23,4.

Asiël – Ἀσιήλ

‫ – יחצאל‬der Erstgebo- Ἀσιήλ rene Naftalis – Gen 46,24; Num 26,48

als Name einer Person nur in 1 Chr 26,7

Gen 36,4.10.13; Ex 2,18 u. ö.

‫ – עשׂיאל‬ein Vorfahre Ἀσιήλ Jehus – 1 Chr 4,35 (nicht zu Naftali gehörig)

Asiël ist der Einzige unter den hier genannten Vorfahren Tobits, der auch im MT dem Stamm Naftali zugerechnet wird.

Auffällig bei all diesen Namen ist die Tatsache, dass sie das theophore Element „El“ enthalten und somit ihre Träger indirekt als fromme Personen charakterisie-

80

Die Buchüberschrift: Tobits Herkunft und seine Exilierung (1,1–2)

ren.28 Durch die Konstanz im Stammbaum klingt zudem auch eine gewisse „Traditionstreue“ dieser Familie an.29 Der Stammbaum findet am Ende noch eine konkrete Präzisierung, wenn der Stammvater „Asiël“ mit dem Terminus σπέρμα in der Bedeutung von „Sippe, Clan“ verbunden und dieser wiederum dem Stamm (φυλή) Naftali zugeschrieben wird. Φυλή und σπέρμα sind in Verbindung mit πατριά bzw. γένος Teil des genealogischen Systems Tob, das in immer kleiner werdenden Einheiten die Organisation des gesamten Volkes zeigt.30 1,1: Naftali Tobit gehört dem Stamm Naftali an. Naftali war der zweite Sohn Jakobs mit Rahels Magd Bilha (Gen 30,7f.; 35,25; 46,24f.) und steht für den entlang dem Ostrand des unter- und obergaliläischen Gebirges lebenden Stamm. Die Frage, warum ausgerechnet ein Repräsentant des Stammes Naftali in Tob eine so bedeutende Rolle spielt, wird durch den Fortgang der Erzählung deutlich, wo die symbolische Bedeutung dieses Stammes zum Ausdruck kommt: Naftalis Bewohner waren nach der biblischen Darstellung die Ersten in der Geschichte Israels, die unter der Aggression einer Großmacht exiliert wurden (1,2; siehe 2 Kön 15,29). Der Erzähler weiß zunächst, dass der Protagonist unter dem assyrischen König 1,2: Exilierung Salmanassar V. (726–722 v. Chr.) in die Gefangenschaft geführt wurde (αἰχμαλωτεύω pass.). Damit spielt er auf die biblische Überlieferung von der Exilierung der Nordstämme an und gibt die Assyrerherrschaft als den zeitlichen Rahmen, in dem die Geschichte spielen soll, vor. Im Zuge der aggressiven Expansionspolitik unter Tiglat-Pileser III. (744–727 v. Chr.) löschte das neuassyrische Reich im Jahre 722 v. Chr. das Nordreich Israel aus und stellte dann für fast einhundert Jahre eine ständige Bedrohung für das Südreich Juda dar. Im letzten Drittel des 7. Jh.s v. Chr. aber schwand seine Kraft zusehends, und so konnte die Hauptstadt Ninive im Jahr 612 v. Chr. von den miteinander verbündeten Babyloniern und Medern erobert und zerstört werden.31 Allerdings liegt hier ein deutlicher Unterschied zur biblischen Überlieferung vor: König Salmanassar wird in 2 Kön 17,3 und 2 Kön 18,9 als der Eroberer Samarias vorgestellt, dessen Handeln zum endgültigen Ende des Nordreichs führte (722 v. Chr.).32 Die Exilierung Naftalis, die den Hintergrund für Tobits Geschick bildet, fand bereits zur Zeit des Königs Pekach (732 v. Chr.) unter König Salmanassars Vorgänger und Vater Tiglat-Pileser III. (744–727 v. Chr.) statt. Diese Vermischung der geschichtlichen Angaben könnte im Sinne einer historischen Fiktion verstanden werden, die markante Elemente der Exilierung kombiniert, um so zu einer idealtypischen Konstellation zu gelangen;33 vielleicht handelt es sich auch um 28 Interessant ist die Verbindung zu einem Ostrakon aus Kalach in Mesopotamien aus der Zeit zwischen 725 und 675 v. Chr., in dem ebenfalls eine Genealogie eines Nord-Israeliten erscheint, in dem sieben der insgesamt elf Namen auf -el enden; siehe ALBRIGHT, Ostracon, 33–36. 29 KELLERMANN, Eheschließung, 143; siehe auch FECHTER, Familie in der Nachexilszeit, 125. 30 Zum genealogischen System von Tob siehe DESELAERS, Buch Tobit, 309–315; hierzu auch die Einleitung zum Thema „Familie“ im Abschnitt „Wichtige Themen“. 31 Zu den geschichtlichen Hintergründen siehe DONNER, Geschichte des Volkes Israel, 303–329.341; FREVEL, Geschichte Israels, 266–305; ferner DIETRICH, Nahum, 37. 32 Zu den historischen Hintergründen siehe DONNER, Geschichte des Volkes Israel, 303–316; FREVEL, Geschichte Israels, 234–245; siehe auch FITZMYER, 95; LITTMAN, 47; MOORE, 101 (mit Hinweisen auf assyrische Quellen). 33 Zu den historischen Ungenauigkeiten und Irrtümern bei Tobit siehe MILLARD, Judith, 197f.

Diachrone Analyse

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einen schlichten historischen Irrtum. Jedenfalls wird Tobit als das prototypische Opfer aggressiver Weltmachtspolitik präsentiert.34 Die detaillierten Ortsangaben lassen sich durch biblische Bezüge genauer fassen, 1,2: Tobits allerdings wirft die Zusammenstellung im Einzelnen auch verschiedene Probleme auf, „Heimat“ da nur „Kydios“ und „Asser“ im Stammesgebiet Naftali eindeutig lokalisiert werden können; „Tisbe“ und „Phogor“ dagegen weisen in das Ostjordanland.35 –



Die Ortsangabe „Tisbe“ stellt vor die Frage, wie sich dies mit der Herkunft Tobits aus dem Stamm Naftali vereinbaren lässt. Eine Ortslage Tisbe im Stammesgebiet Naftali ist nicht bekannt (vgl. Jos 19,32–39), vielmehr erinnert diese geographische Bezeichnung an Tisbe in Gilead, das als Heimat des Propheten Elija gilt (vgl. u. a. 1 Kön 17,1). Erschwerend kommt hinzu, dass die Ortslagen „Kydios“ und „Asser“, die im Folgenden genannt werden, eindeutig im Stammesgebiet Naftalis zu verorten sind. Vor diesem Hintergrund wollte Józef MILIK, der nachdrücklich für eine Verbindung von Tob mit der Tobiadendynastie plädierte, Tisbe mit Ṭûbâs identifizieren, einer Ortslage ca. 20 km nordöstlich von Nablus an der alten Römerstraße zwischen dem Wadi al-Far‘â und dem Dorf Teyâṣîr gelegen. Wolfgang ZWICKEL setzt Tisbe hier mit Khirbet Harrawi / Khirbet Harrah / Qeren Naftali gleich. Die Ortslage liegt, so ZWICKEL, „unmittelbar an der Abbruchkante zum Huletal hin. Von hier aus kann man das ganze Hulebecken bestens überblicken.“36 Von daher passe diese Identifizierung in der Tat zu der Angabe, dass Tisbe „oberhalb von Asser/Hazor“ liegt. Ein weiteres Argument für diese Lokalisierung leitet sich aus der Tatsache ab, dass die beiden im Folgenden genannten Orte Asser/Hazor und Kedesch eindeutig zuzuordnen seien; wenn diese Orte wirklich existieren, sei es nicht plausibel, dass es sich bei den beiden anderen Orten „um fiktive Lokalisationen handeln“ solle.37 In Qeren Naftali befand sich eine große Festungsanlage, die wohl in hellenistischer Zeit massiv ausgebaut wurde; vermutlich handelte es sich um eine seleukidische Garnison, die die Hauptwasserquelle des Hulebeckens und die nach Norden gehende Handelsstraße überwachte. Das Fort wurde wohl um 145/144 v. Chr. von hasmonäischen Truppen erobert und besetzt, und die Einrichtung einer Miqwe in dieser Anlage deutet auf eine dauerhafte jüdische Existenz. Die Stadt wurde dann im Jahre 38/37 v. Chr. erobert. Zwar ist nicht klar, wer hinter diesem Angriff stand, aber nun wurde die Miqwe zugeschüttet und in einen Kochplatz verwandelt, an dem man auch Schweineknochen fand.38 Kydios wird mit dem heutigen Tel Kedesch / Tell Qedes, dem biblischen Kedesch auf dem Stammesgebiet Naftalis in Obergaliläa, identifiziert (Jos 20,7; 21,32). Vermutlich ist der Ort auch mit der Stadt gleichzusetzen, die Tiglat-Pileser III. (744–727 v. Chr.) nach 2 Kön 15,29 erobert hat. Auch die Schlacht zwischen dem Hasmonäer Jonatan (161–142 v. Chr) und dem Seleukiden Demetrius II. (145–140 v. Chr.) um 144 v. Chr. fand wohl an diesem Ort statt (siehe 1 Makk 11,63.73 und Flav. Jos., Ant. XIII, 5, 6f. [154–162]). Die Ortslage ist von Kedesch-Naftali in Untergaliläa zu unterscheiden (zu Kedesch-Naftali siehe zu 1,8).39 Verschiedene Ausgrabungen belegen die Bedeutung des Ortes als regionales Zentrum und strate-

34 Eine ähnliche Form der Geschichtsdarstellung findet sich auch in der Juditerzählung, siehe hierzu ENGEL, Buch Judit, 369. 35 Zur Lokalisierung der Ortslagen siehe insbesondere ZWICKEL, Herkunft, 107–110; vgl. FITZMYER, 96; LITTMAN, 48; ZSENGELLÉR, Topography, 184f. 36 ZWICKEL, Herkunft, 109 (Lit.). 37 ZWICKEL, Herkunft, 109 (Lit.). 38 INCE, Galiläa, 253–256.279f. 39 GASS, Art. Kedesch (Lit.).

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Die Buchüberschrift: Tobits Herkunft und seine Exilierung (1,1–2)





gisch wichtige Ortschaft. Man entdeckte dort auf einem perserzeitlichen Fundament ein monumentales hellenistisches Gebäude, das aufgrund seiner Größe kein gewöhnliches Wohnhaus gewesen sein kann. So schloss man, dass es sich um ein administratives Gebäude gehandelt haben muss; verschiedene Siegel präsentieren ein breites Spektrum persischer und griechischer Motive, die auf aktive Handelsbeziehungen der Bewohner und einen gehobenen Lebensstil schließen lassen. Zudem zeigt sich ein enger Bezug zur phönizischen Welt, so z. B. durch den Fund eines Siegels, auf dem die Göttin Tanit dargestellt ist. Stempelabdrücke auf Amphorenhenkeln können auf die Zeit zwischen 180 und 145 v. Chr. datiert werden; für die Zeit um 145 v. Chr. ist ein Brand festzustellen, der wohl gezielt im Archivbereich gelegt wurde, und bereits zu Beginn der Ausgrabungen stellten die Ausgräber die Vermutung auf, der Ausbruch des Feuers stehe in Zusammenhang mit dem Kampf Jonatans gegen Demetrius II. (144 v. Chr.). Während der makkabäisch-hasmonäischen Expansionsbewegung hat der Ort seine Bedeutung als regionales Verwaltungszentrum verloren, wurde aber dann nach dem Feuer wieder besiedelt und bestand bis ins frühe 1. Jh. v. Chr. Dabei zeigt sich wiederum der Einfluss des phönizischen Kulturbereiches. Anscheinend gelang es den Hasmonäern nicht, das Gebiet dauerhaft unter Kontrolle zu bringen.40 Asser wird in der Regel mit dem vormaligen kanaanäischen Stadtstaat Hazor gleichgesetzt; wie Kedesch wird diese Ortslage in der Ortsliste des Stammes Naftali erwähnt (vgl. Jos 19,36f.). Man fand dort Spuren, die auf die Errichtung einer assyrischen Zitadelle hinweisen, die wohl bis in die persische und griechische Zeit Bestand hatte. „Eine flächendeckende Wiederbesiedlung der eisenzeitlichen Großstadt ist nach der assyrischen Eroberung auszuschließen. In hellenistischer Zeit existierte dort eine kleine unbedeutende Siedlung in der Größe von 1 Hektar.“41 Die Ortslage eines galiläischen Phogor ist biblisch nicht belegt. Stattdessen verweist der Name wieder auf das Ostjordanland, denn ein Berg namens Φόγωρ (Num 23,28LXX; vgl. Pegor) wird in Moab lokalisiert. ZWICKEL möchte annehmen, dass man Fogor/Phogor in der Nähe von Tisbe suchen muss, „und zwar im Hulebecken selbst. Das südliche Hulebecken war in hellenistischer Zeit abgesehen von Hazor unbesiedelt. Ein optimaler Kandidat wäre jedoch Tell Naama […], eine Ortslage, die in hellenistischer Zeit wiederbesiedelt wurde, nachdem sie nahezu ohne Unterbrechung seit dem Neolithikum bis vermutlich 732 v. Chr. bewohnt war.“42

Insgesamt deuten die Angaben darauf, dass die Figur Tobits mit Obergaliläa als Herkunftsort in Verbindung gebracht werden soll. Dort lebten auch nach der assyrischen Deportation noch Menschen der vormaligen Stämme. Im Gegensatz zu Samaria hören wir an keiner Stelle davon, dass die Assyrer in Galiläa fremde Bevölkerungselemente ansiedelten (vgl. dagegen 2 Kön 17,24). 2 Chr 30,5–10 weiß jedenfalls, dass Hiskija auch in den Norden aussandte, um diejenigen, die der Gewalt der Assyrer entronnen waren, zum Passahfest nach Jerusalem zu laden, und 2 Chr 34,6 berichtet, dass Joschija bei seiner Reform auch Altäre und Götterbilder „in den Städten von Manasse und Efraim, von Simeon bis nach Naftali“ zerstören ließ. Auch wenn die Aussage selbst keinen Anspruch auf Historizität haben kann, spiegelt sich in ihr zumindest die Tatsache wider, dass der Chronist ein solches Vorgehen Joschijas für möglich und wohl auch für nötig hielt. Allerdings 40 INCE, Galiläa, 221–234 (Lit.); knapp GASS, Art. Kedesch. 41 INCE, Galiläa, 251f.; s. a. ZWICKEL, Herkunft, 108 (Lit.). 42 ZWICKEL, Herkunft, 109.

Synthese

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ist es schwierig festzustellen, wie groß die vormalig israelitische Bevölkerung in diesem Gebiet war. 1 Makk 5,21–23 lässt darauf schließen, dass zur Zeit des Makkabäeraufstandes eine solche Minderheit in einem überwiegend paganen Territorium lebte; nach der hasmonäischen Eroberung wurden zahlreiche pagane Siedlungen in ganz Galiläa in jüdische Siedlungen umgewandelt, sodass man geradezu von einer Judaisierung Galiläas sprechen kann (siehe hierzu insbesondere die Eroberungen unter Aristobul I. [104–103 v. Chr.]; Flav. Jos. Ant. XIII, 11, 3 [318]).43 Die biblischen Angaben sind mit dem archäologischen Befund zu korrelieren. Diese zeigen, dass die Besiedlung dieser Gegend im Übergang von der persischen zur hellenistischen Ära intensiviert wurde, wobei zunächst vor allem phönizische und hellenistische Einflüsse zu greifen sind. Archäologische Funde wie Miqwen und Steingefäße oder das Verschwinden von paganen Münzen bzw. die Zerstörung paganer Heiligtümer weisen darauf hin, dass die hasmonäische Eroberung einen kulturellen Wandel in der Region mit sich brachte. Ausgeprägte jüdische Präsenz ist in Yodfat und Sepphoris nachzuweisen; aber auch die Orte Khirbet Shura, Khirbet el-Kerak, Qeren Naftali, Betsaida, Mizpe Yamim, Horvat Be’er Sheva, Horvat Tefen und Tel Kedesch legen solche kulturellen Veränderungen nahe.44 Bemerkenswert ist, dass die konkreten Ortsangaben am Anfang dieser Erzählung nicht allein durch biblische Referenzen erklärt werden können, vielmehr liegt hier ein Detailwissen vor, das die Tobitfigur bewusst im nördlichen Galiläa verankern möchte. Der Verfasser des Buches (bzw. der einleitenden Überschrift) scheint auf jeden Fall eine gute Kenntnis der Region Galiläas gehabt zu haben. Ob man daraus ableiten kann, dass der Erzähler aus dieser Gegend stammte,45 sei einmal dahingestellt. Zumindest lassen die konkreten Angaben darauf schließen, dass der Erzähler die Verbindung Tobits mit Galiläa betonen wollte und dass durch diese Figur, die im Folgenden als exemplarischer Frommer und Jerusalempilger gezeichnet wird, auch die Bedeutung dieser Region und ihr Bezug zu Jerusalem ideell gestärkt wurde.

Synthese Die Buchüberschrift bietet sehr konkrete Angaben zum Stammbaum und zur Herkunft des Protagonisten Tobit sowie zu dessen historischer Kontextualisierung. Im Zentrum steht das Schicksal Tobits, eines Naftaliten, der aus seiner galiläischen Heimat unter König Salmanassar V. (726–722 v. Chr.) ins assyrische Exil deportiert wurde. Der Buchanfang erinnert formal an zeitgenössische pseudepigraphe Überlieferungen großer Gestalten aus Israels Vergangenheit, sodass der Protagonist der Erzählung gleich in die Aura besonderer Bedeutsamkeit und Weisheit gehüllt wird. Es ist nicht auszuschließen, dass der Erzähler auf konkrete Familien- bzw. Lokaltraditionen rekurriert und auch das Ziel verfolgt, das Prestige einer bestimmten Familie bzw. von Menschen, die mit den hier genannten Ortslagen in Galiläa verbunden sind, zu untermauern. 43 Zum Ganzen siehe die Hinweise bei BAUCKHAM, Anna, 164f. (Lit.). 44 Zum archäologischen Befund siehe INCE, Galiläa. 45 ZWICKEL, Herkunft, 109.

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Die Buchüberschrift: Tobits Herkunft und seine Exilierung (1,1–2)

Konkretere Rückschlüsse auf den historischen Ort und den Sitz im Leben der Buchüberschrift sind allerdings nicht möglich, da deren Angaben kein stimmiges Gesamtbild ergeben. Die Ortsangaben wirken einerseits sehr konkret, lassen sich aber andererseits nicht miteinander harmonisieren, da nur „Kedesch in Naftali“ und „Asser/Hazor“ in Galiläa lokalisiert werden können, „Tisbe“ und „Phogor“ jedoch nur aus der Geographie des Ostjordanlandes bekannt sind. Die Ortslagen „Kedesch in Naftali“ und „Asser/Hazor“ sowie die Bedeutung, die Galiläa hier insgesamt einnimmt, passen in die Zeit der Makkabäerkämpfe (vgl. 1 Makk 5,21–23) bzw. der Gebietserweiterungen der Hasmonäer unter Aristobul I. (104–103 v. Chr.), aber eine solche Beziehung ist nicht zwingend. Die Assoziationen zu den Tobiaden, die durch die Genealogie anklingen, sind zwar nicht zu übersehen, unklar bleibt aber, wie sich dann Tobits Zugehörigkeit zum Stamm Naftali in die gesamte Szenerie einfügen soll. Ob sich diese Einzelteile zu einem kohärenten Ganzen zusammensetzen lassen, muss offenbleiben. Vielleicht wurde eine alte Tobiaden-Familiensage umgedeutet und mit Naftali in Verbindung gebracht („Tisbe“ und „Phogor“ könnten dann Reminiszensen an die Herkunft des Stoffes aus dem Ostjordanland sein) oder es gab sogar zur Zeit der Makkabäerkämpfe eine Person aus der Tobiadenfamilie, die sich in Galiläa niedergelassen hatte und die aktiv an ihrem Image arbeitete, indem sie sich durch ihren Ahnherrn mit der altehrwürdigen Geschichte Israels zu verbinden versuchte (man beachte, dass bei den Kämpfen des Judas auch Reiteroffiziere aus dieser Familie beteiligt waren). All dies gehört in das Reich der Spekulation. Vielleicht ist die Verbindung der Namen zum Tobiadenclan reiner Zufall, und der Erzähler hatte einfach keine konkrete Vorstellung von der Geographie Galiläas … Abgesehen von solchen Versuchen einer konkreten historischen Kontextualisierung ist festzuhalten: Die zentrale Thematik, die hier gleich beim Auftakt des Buches anklingt, ist die Begegnung Israels mit der Fremdherrschaft. Die Genealogie verweist sowohl auf die kollektive Dimension der Geschichte als auch auf das Thema der Familie, das zu den Leitmotiven der Erzählung gehört. Allerdings war es nach der entsprechenden Referenzstelle 2 Kön 15,29 nicht Salmanassar V. (726–722 v. Chr.), sondern vielmehr dessen Vorgänger und Vater Tiglat-Pileser III. (744–727 v. Chr.), der für die Exilierung des nördlichen Teils Israels unter Pekach (735–732 v. Chr.) verantwortlich war. Salmanassar V. dagegen erscheint in 2 Kön 17,3 und 2 Kön 18,9 als der Eroberer Samarias, der das endgültige Ende des Nordreichs besiegelte (722 v. Chr.). Die Vermischung dieser Angaben kann im Sinne einer historischen Fiktion verstanden werden, die markante geschichtliche Ereignisse kombiniert, um so zu einer idealtypischen Konstellation zu gelangen. Tobit wird so gleich zu Beginn der Erzählung als das Urbild eines Opfers aggressiver Weltmachtspolitik charakterisiert und seine Existenz als die eines Flüchtlings beschrieben. Da die Erzählung wohl in der hellenistischen Zeit entstand, ist nicht davon auszugehen, dass es sich hier noch um eine konkrete Auseinandersetzung mit der assyrischen Herrschaft handelt. Assur, das zu dieser Zeit bereits lange untergegangen war, ist zur Chiffre für die aggressive Expansionspolitik und die Bedrohung durch den universalen Machtanspruch einer Fremdmacht geworden und hat exemplarischen Charakter. Die religiöse Bedeutung des Namens „Tobit“ beinhaltet auch ein Statement über die Güte Gottes, sodass – vor dem Hintergrund der Exilierung – implizit die Frage nach der göttlichen Gerechtigkeit anklingt.

Synthese

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Diese Problematik soll sich im Laufe der Erzählung durch das Leiden Tobits und auch das Leiden Saras verstärken, um dann aber schließlich durch das Motiv der göttlichen Hilfe eine Lösung zu erfahren. Der gesamten Erzählung wird die Aufgabe zukommen, Gottes Güte, die durch den Namen des Protagonisten gleich am Anfang der Erzählung programmatisch eingespielt wird, aber angesichts individueller und kollektiver Krisen nicht immer auf den ersten Blick offensichtlich ist, zu entbergen. Die Einleitung eröffnet somit einen Spannungsbogen, der dann sowohl durch die Geschichte von Gottes Rettungstaten als auch durch das Finale mit dem großen Jerusalemhymnus (13,9–18) und Tobits Testament (14,6–7) entfaltet und aufgelöst wird.

Die Exposition: Tobits und Saras Leid, ihre Gebete und die Entsendung des Engels (1,3–3,17) Der Lebensweg des frommen Tobit, seine Verzweiflung und sein Gebet (1,3–3,6) Tobits Lebensmotto: Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit (1,3) 3 Ich, Tobit, wandelte alle Tage meines Lebens auf den Wegen der Wahrheit und in gerechten Werken und erwies meinen Brüdern und meinem Volk, die mit mir in die Gefangenschaft in das Land der Assyrer nach Ninive gezogen waren, viele barmherzige Taten.

Tobits toratreues Leben in der Heimat (1,4–9) 4 a Und als ich in meiner Heimat im Land Israel und ich ein junger Mann war, da fiel der ganze Stamm meines Vaters Naftali avom Haus meines Vaters David ab und von der Stadt Jerusalema, die von allen Stämmen Israels erwählt ist, damitb alle Stämme Israelsc [dort] opfern. b Und der Tempel der dWohnung Gottesd war geheiligt und in ihr erbaut worden efür alle Geschlechter auf ewige. 5 aAlle meine Brüder und das Haus meines Vaters Naftali opferten dem Jungstierb, den Jerobeam, der König Israels, in Dan gemacht hatte, auf allen Bergen Galiläasa. 6 Und ich reiste aganz alleina oftmals an den Festtagen nach Jerusalem, wie es in ganz Israel in ewiger Anordnung vorgeschrieben ist. Mit den Erstlingsgaben und Erstlingsfrüchten und dem Zehnten vom Vieh und den Erstschuren der Schafe zog ich eilends nach Jerusalem 7 und gab es den Priestern, den Söhnen Aarons, aauf den Altara, und den Zehnten von Getreide und Wein und Öl und Granatäpfeln und Feigen und den übrigen Früchten [gab ich] den Söhnen Levis, die Dienst tun in Jerusalem. Und den zweiten Zehnten von sechs Jahren löste ich durch Silber aus und wallfahrtete und gab ihn in jedem Jahr in Jerusalem aus. 8 aUnd ich gab ihn den Waisen und den Witwen und den Proselytenb, die sich den Kindern Israel angeschlossen hatten; ich brachte ihn herbei und gab ihn ihnen im dritten Jahr, und wir verzehrten ihn nach der Anordnung, die darüber im Gesetz des Mose angeordnet ist, und nach den Geboten, die Debora, die Mutter unseres Vaters Hananel, geboten hatte. Denn als Waise hatte mich der Vater zurückgelassen und war gestorben.a 9 Und als ich ein Mann geworden war, nahm ich eine Fraua aus der Sippe unseres Vaterhauses und zeugte mit ihr einen Sohn und nannte seinen Namen Tobiasb.c

Der Lebensweg des frommen Tobit, seine Verzweiflung und sein Gebet (1,3–3,6)

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Tobits Barmherzigkeitstaten im Exil und seine Verfolgung (1,10–2,1a) 10 Nachdem ich zu den Assyrern in Gefangenschaft gebracht worden und da ich in Gefangenschaft war, gelangte ich nach Ninive. Und alle meine Brüder und die aus meinem Volk aßen vona den Speisen der Völker. 11 Ich aber ahütete micha davor, von den Speisen der Völker zu essen. 12 Unda als ich mit ganzer Seele meines Gottes gedachte, 13 gab mir der Höchstea Gnade und Gunst vor Salmanassar, und bich kaufte für ihn alles, was er benötigteb. 14 aUnd ich pflegte nach Medien zu reisen und für ihn dort einzukaufen, bis er starb. Und ich hinterlegte bei Gabaëlb, dem Bruder des Gabric, im Lande Mediend [mehrere] Beutel [voll mit] zehn Talenten Silber.a 15 Und als Salmanassara starb und sein Sohn Sanheribb an seiner Stelle König wurde, da wurden die Wege in Medien unsicherc und ich konnte nicht mehr nach Medien reisen. 16 In den Tagen Salmanassars erwies ich meinen Brüdern, denen aus meinem Geschlecht, viele barmherzige Taten.a 17 Meine Speisen gab ich den Hungernden und Kleider den Nackten, und awenn ich jemanden aus meinem Volk sah, der tot hinter bdie Mauer Ninivesb geworfen wara, begrub ich ihn. 18 Und wenn Sanherib jemanden tötete, anachdem dieser Judäa fluchtartig verlassen hattea in den Tagen des Gerichts, das der König des Himmels an ihm vollstreckte wegen der Lästerungen, mit denen er lästerte, begrub ich ihn. Denn in seinem Zorn tötete er bviele vonc den Kindern Israelb, und ich stahl ihre Leichname und begrub sie. Und Sanherib suchte sie und fand sie nicht. 19 aUnd einer aus Ninivea ging hin und machte dem König über mich Anzeige, dass ich sie begrub; und ich verbarg mich. Und als ich erfuhr, dass der König über mich Bescheid wusste und ich gesucht wurde, bum getötet zu werdenb, fürchtete ich mich und floh. 20 Und alles, was mir gehörte, wurde geraubt, und nichts blieb mir, was nicht für den königlichena Schatz beschlagnahmt wurde, außer meiner Frau Hannab und meinem Sohn Tobias. 21 Doch es vergingen keine vierziga Tage, bis ihn [d. h. den König Sanherib] seine zwei Söhne töteten. Und sie flohen in das Gebirge Ararat, und sein Sohn Asarhaddonb wurde König an seiner Stelle. Da csetzte erc Achikard, [Sohn] meines Bruders Hanaële, über das ganze Geldwesenf seines Reiches, und er hatte die Verfügungsgewalt über die ganze Verwaltung. 22 Damals legte Achikar Fürsprache für mich ein, und ich kam nach Ninive zurück. Denn Achikar war Obermundschenk und Siegelbewahrera und Staatsfinanzverwalterb und cVorstand über das Rechnungswesenc unter dem Assyrerkönig Sanherib, und Asarhaddon setzte ihn erneutd in sein Amt. Er war aber mein Neffe und aus meiner Verwandtschafte. 2,1 a Und unter König Asarhaddon kehrte ich in mein Haus zurück, und meine Frau Hanna wurde mir wiedergegeben sowie auch Tobias, mein Sohn.

Die Bestattung eines Landsmanns und Tobits Erblindung (2,1b–10) 2,1 b Und am Fünfzigtagefesta – das ist das heilige [Fest] der Wochen – wurde mir ein gutes Mahl zubereitet, und bich ließ mich niederb, cum zu speisenc. 2 aUnd der Tisch wurde mir vorgesetzt und zahlreiche Speisen wurden mir vorge-

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Die Exposition (1,3–3,17)

setzta, und ich sagte zu meinem Sohn Tobias: Kind, geh, und wen du arm finden solltest bunter unseren Brüdernb, unter den nach Ninive Deportierten, der cmit seinem ganzen Herzenc d[des Herrn] gedenktd, den bring, und er soll gemeinsam mit mir essen! Und siehee, ich werde auf dich warten, Kind, fbis du wiederkommstf. 3 Und Tobias machte sich auf, um einen Armen unter unseren Brüdern zu suchen, und als er zurückkam, sagte er: Vater! Und ich sagte zu ihm: aHier bin icha, Kind! Und er antwortete und sprach: Vater, sieheb, ceiner aus unserem Volk ist ermordet und auf den Marktplatz geworfen worden – und dort wurde er nun erdrosseltc. 4 Und ich sprang auf und verließ das Mahl, ehe ich davon gekostet hatte, und ich nahm ihn hinweg von dem Platz und legte ihn ain eine der Hüttena, bis die Sonne unterginge undb ich ihn begraben würde. 5 Dann kehrte ich zurück, a wusch micha und aß mein Brot bmit Trauerb. 6 Und ich gedachte des Prophetenwortes, wie Amos über Bet-Ela gesagt hatte: „Eure Feste werden verwandelt in Trauer, und all eure Liederb in Totenklage.“ 7 a Und ich weinte. b Und als die Sonne unterging, machte ich mich auf, hob ein Grab aus und begrub ihn. 8 Und meine Nachbarn verspotteten mich und sagten: Fürchtet er sich denn nicht mehr? Er wurde doch schon einmal gesucht, a um für diese Tat hingerichtet zu werdena, und er ist davongelaufen; und siehe, schon wieder begräbt er die Toten!b 9 aUnd in derselben Nacht wusch ich micha und ging in meinen Hof und schlief neben der Mauer des Hofes, und mein Gesicht war wegen der Hitze unbedeckt. 10 a Und ich wusste nicht, dass Sperlingea über mir in der Mauer waren. Und ihr Kot fiel heiß auf meine Augen und verursachte bweiße Fleckenb. b cUnd ich begab mich zu den Ärzten, um mich gesund machen zu lassen, und je mehr Arzneien sie mir aufstrichen, desto mehr erblindeten meine Augen durch die Flecken, bis sie völlig blind waren. Und ich konnte dvier Jahred lang die Augen nicht gebrauchen. Und alle meine Brüder waren über mich betrübt. Und Achikare versorgte mich zwei Jahre lang, bis er in die Elymaïsf ging.c

Der Streit mit Hanna und die Verhöhnung Tobits (2,11–14) 11 Und zu jener Zeit verdiente meine Frau Hanna Geld mit Frauenarbeiten. 12 Und sie schickte [ihre Arbeit] ihren Herren, und sie gaben ihr den Lohn. Und am 7. [Tag des Monats] Dystrosa schnitt sie das Webtuch ab und schickte es den Herren, und die gaben ihr den gesamten Lohn und sie gaben ihr bfür den Herdb [dazu noch] ceinen Bock von den Ziegenc. 13 Und als siea zu mir kam, fing der Bock an zu meckern. Und ich rief sie und sagte: Woher ist dieses Böckchen? Es ist doch nicht etwa gestohlenb? Gib es seinen Besitzern zurück! Denn wir haben nicht die Erlaubnis, etwas Gestohlenes zu essen. 14 Sie aber sagte zu mir: Als Geschenk wurde es mir zusätzlich zum Lohn gegeben. Und ich glaubte ihr nicht und befahl, es den Besitzern zurückzugeben, und ich wurde deshalb ihretwegen ganz rot. Da antwortete sie und sagte zu mir: Wo sind deine Barmherzigkeitstaten? Wo sind deine gerechten Werke? Siehe, das ist offenbar an dir!

Der Lebensweg des frommen Tobit, seine Verzweiflung und sein Gebet (1,3–3,6)

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Tobits Verzweiflung und sein Gebet (3,1–6) 1 Und ich wurde in der Seele von tiefem Schmerz erfüllta und seufzend weinte ich und begann unter Klagen zu beten: 2 Gerecht bist du, Herr, und alle deine Werke sind gerecht, und alle deine Wege sind Barmherzigkeit und Wahrheit. aDu richtest die Weltba. 3 a Und nun, Herra, gedenke du meiner und sieh [mich an] b und strafe mich weder nach meinen Sünden noch bezüglich meiner unwissentlichen Vergehen noch [wegen der Sünden] meiner Väter. c bIch habe vor dir gesündigtb, 4 a und a ich habe auf deine Gebote nicht gehörta b und du gabst uns dahin zu Plünderung und Gefangenschaft und Tod und zu Sprichwortb und Geredec und Schmachd bei allen Völkern, unter die du uns zerstreut hast. 5 Und nun sind deine vielen Gerichte wahr, die du aufgrund meiner Sünden an mir tust, weil wir deine Gebote nicht getan haben und nicht in Wahrheit vor dir gewandelt sind. 6 a Und nun, nach deinem Wohlgefallena tue mit mir und befiehl, dass mein Geist von mir weggenommen werde, b auf dass ich erlöst werde bvom Angesicht der Erdeb und [wieder zu] Erde werde. c Denn es ist besser für mich zu sterben als zu leben, weil ich falsche Schmähungen hören musste, und große Betrübnis ist in mir. d Herrc, befiehl, dass ich erlöst werde von dieser Not, e erlöse mich zum ewigen Ort f und wende nicht dein Angesicht, Herrc, von mir. g Denn es ist besser für mich zu sterben, als große Not zu sehend in meinem Leben, und keine Schmähungen [mehr] zu hören.

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 1,4a–a

1,4b 1,4c 1,4d–d 1,4e–e 1,5a–a

1,5b

GI ist kürzer als GII und liest „vom Haus Jerusalem“. Diese Wendung erscheint nur in Tob; üblich ist sonst die Nennung der „Häuser Jerusalems“ im konkreten Sinne (siehe auch 2 Kön 25,9; Jes 22,10; Jer 19,13). GI hat Ἱεροσόλυμα für Jerusalem (vgl. 1,6 GI + GII). Griech.: εἰς zur Wiedergabe von hebr. ‫ ל‬als Einführung eines Infinitivs; siehe LITTMAN, 50. GI verzichtet bei der Erwähnung der Stämme auf die Spezifizierung durch den Genitiv „Israel“ (so auch in 1,5.8.18; 5,5.9; 13,18; 14,4 [2x].5.7); siehe DYMA, Wallfahrt, 224, Anm. 617. Anstelle von „Wohnung Gottes“ heißt es in GI „Wohnung des Höchsten“; somit zeichnet sich hier die Tendenz von GI ab, inhaltlich die Distanz zwischen Gott und seinem Herrschaftsbereich zu vergrößern; siehe SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 336. Griech.: εἰς πάσας τὰς γενεὰς τοῦ αἰῶνος als Wiedergabe des hebr. ‫ ;לדרת עולם‬siehe auch Gen 9,12, hierzu LITTMAN, 50. Nach GI besteht der Abfall der Stämme darin, dass sie „dem Baal, dem Kalb“ opferten; man kann dies als Steigerung des Abfalls von der Kultzentralisation betrachten. Es fehlt der Verweis auf den König Jerobeam und somit auch die Nennung Israels; vgl. 1,8.18; 5,5.9; 13,18; 14,4 [2x].5.7). In GI und Vg. fehlt der Begriff „Bruder“. Griech.: μόσχος; GI liest hier δάμαλις (vgl. 1 Kön 12,28.32; 2 Kön 10,29; 17,16); siehe dazu unten z. St.

90 1,6a–a 1,7a–a 1,8a–a

1,8b 1,9a 1,9b 1,9c 1,10a 1,11a–a 1,12a 1,13a 1,13b–b 1,14a–a 1,14b 1,14c 1,14d 1,15a 1,15b 1,15c 1,16a 1,17a–a 1,17b–b 1,18a–a 1,18b–b 1,18c

Die Exposition (1,3–3,17) Griech.: μονώτατος; eine Superlativform, die Tobits isolierte Position besonders betont; siehe LITTMAN, 51. Griech.: πρὸς τὸ θυσιαστήριον; andere Übersetzungsmöglichkeiten: „vor den Altar“ oder „für den Altar“. Der bedeutendste Unterschied zwischen GII und GI besteht darin, dass GI die Zehntabgabe für die Armen als „den dritten [Zehnten]“ bezeichnet: „Und den dritten Zehnten gab ich denen er zukam …“ Es fehlt sowohl die Referenz auf „Israel“ (vgl. 1,5.18; 5,5.9; 13,18; 14,4 [2x].5.7) als auch auf das „Gesetz des Mose“. Ausführlich zum Vergleich zwischen den beiden Lesarten siehe DIMANT, Qumran Halakhah, 125–137; HANHART, Text und Textgeschichte, 23–27. Griech.: προσήλυτος für hebr. ‫ ;גר‬siehe LITTMAN, 53. Vgl. JACOBS, Delicious Prose, 37, die den Begriff προσήλυτος hier im Sinne von „resident aliens to be needy“ verstehen möchte und auf Dtn 14,29 als Hintergrund verweist. GI nennt hier bereits Hanna, die Frau Tobits, mit ihrem Namen; vgl. 1,20. Der Name Τωβίας entspricht hebr. ‫ ;טוביה‬vgl. 4Q196 2 1; zum Namen siehe ILAN, Lexicon I, 110 (IV, 80f., hat abgesehen von Sach 6,10 v. a. Belege aus der spätantiken Literatur; ohne Referenz auf Tob). Vg. fügt hier einen Satz ein, wonach Tobit seinen Sohn von frühester Jugend an in der Furcht Gottes unterwies. Griech.: ἐκ ist ein Semitismus; im Griech. wird in der Regel mit Akk. ohne Präposition formuliert. Griech.: ἐγὼ δὲ συνετήρησα τὴν ψυχήν μου; wörtl.: „ich aber bewahrte meine Seele davor“; es handelt sich hier um einen Semitismus; siehe LITTMAN, 56. GI schließt den Satz kausal an den vorherigen an und begründet somit Tobits Weigerung, von den Speisen der Völker zu essen, damit, dass er „mit meiner ganzen Seele Gottes“ gedachte. Griech.: ὁ ὕψιστος für hebr. ‫עליון‬. GI verwendet hier zur Bezeichnung der Tätigkeit Tobits den Fachbegriff ἀγοραστής, „Einkäufer“; zu diesem Terminus siehe BRAUNERT, ἀγοραστής. Tob 1,15 Vg. hat hier zunächst noch das Motiv, dass Tobit seinen mitexilierten Brüdern gute Ratschläge gibt. Tobit überlässt das Geld Gabaël wegen dessen Bedürftigkeit. Griech.: Γαβαηλ; siehe zu TA 1,1c. Griech.: Γαβρι; es handelt sich hier um eine Kurzform des Namens „Gabriel“; siehe MOORE, 119. Die Wortfolge im Griechischen wirkt unsortiert, wenn die Apposition „dem Bruder des Gabri“ erst nach dem Wort „Beutel“ erscheint; siehe LITTMAN, 56. GI nennt hier bereits mit der Angabe „Rages“ (griech.: ἐν Ῥάγοις) den Namen von Gabaëls Wohnort. In GII erscheint „Rages“ zum ersten Mal erst in 4,1. Zu Salmanassar siehe TA 1,2a. Griech.: Σενναχηρείμ. Griech.: ἀφίστημι; wörtl.: „sie fielen ab“. Vg. fügt hier noch an, dass Tobit sein Geld an seine mitexilierten Landsleute verteilte und sie tröstete. Wörtl.: „wenn ich jemanden aus meinem Volk tot und hinter die Mauer Ninives geworfen sah.“ 4Q196 1 1 liest [‫„ – שורא די נינו]ה‬die Mauer Niniv[es]“, sodass hier der erste Beleg aus den Fragmenten aus Qumran vorliegt. Griech.: ὅτε ἀπῆλθεν φεύγων ἐκ τῆς Ιουδαίας; wörtl.: „als dieser fliehend aus Judäa gekommen war“. GI verzichtet auf die Wendung „von den Kindern Israel“ (siehe auch 1,5.8; 5,5.9; 13,18; 14,4 [2x].5.7). Griech.: ἐκ; auch hier liegt wieder ein Semitismus vor; siehe LITTMAN, 59.

Der Lebensweg des frommen Tobit, seine Verzweiflung und sein Gebet (1,3–3,6)

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1,19a–a Hier beginnt 4Q196 2 zu 1,19–2,2, das aus mehreren Teilstücken zusammengesetzt ist und 13 Zeilen umfasst; zum Ganzen siehe HALLERMAYER, Text, 34–47; 4Q196 2 1 liest einen Plural. 1,19b–b Griech.: τοῦ ἀποθανεῖν; ein Inf. mit Art., eine Konstruktion, wie sie für das KoineGriechisch typisch ist. 1,20a Griech.: βασιλικός; zu diesem Begriff siehe LITTMAN, 59. 1,20b Griech.: Ἅννα; siehe auch 2,1.11; 10,4; 11,5.9. Der Name entspricht hebr. ‫חנה‬, vgl. 4Q196 2 10. 1,21a Anstelle von „vierzig Tage“ lesen VL und Vg. „45 Tage“. 1,21b Griech.: Σαχερδόνος. 1,21c–c Vgl. 4Q196 2 5: ‫„ ;)א(שלט‬er machte zum Herrscher“. 1,21d Griech.: Ἀχιχάρος. 1,21e Griech.: Ἀναήλ; aram.: ‫ענאל‬, vgl. 4Q196 2 5. 1,21f Griech.: ἐκλογιστία; wörtl.: „Rechnung, Abrechnung, Auszahlung“. 4Q196 2 6 liest hier ‫ ;)המ(רכלות‬zu diesem Begriff siehe SCHMITT, Achikar-Notiz, 109–112; zum Begriff siehe auch 1,22. 1,22a Griech.: ἐπὶ τοῦ δακτυλίου; wörtl.: „über das Siegel“. Vgl. 4Q196 2 7: (‫ ;רב ע)זקן‬hierzu SCHMITT, Achikar-Notiz, 118f. 1,22b Griech.: διοικητής; vgl. 4Q196 2 7: ‫ ;ו)המרכ(ל‬hierzu SCHMITT, Achikar-Notiz, 109–112.118f.; siehe zu 1,21f. 1,22c–c Griech.: ἐκλογιστής; vgl. 4Q196 2 8: ‫ ;)ש(יזפם‬hierzu SCHMITT, Achikar-Notiz, 113–115. 1,22d Griech.: ἐκ δευτέρας; im Sinne von „zum zweiten Male“ siehe auch Jes 61,7; andere Übersetzungsmöglichkeit: „an die zweite Stelle [seines Reiches]“, siehe hierzu LITTMAN, 61; vgl. 4Q196 2 8: ‫ ;תנין‬hierzu SCHMITT, Achikar-Notiz, 118f. 1,22e In GI fehlt „und aus meiner Verwandtschaft“. VL fügt hier an: „meus amicus“. 2,1a Griech.: ἐν τῇ πεντηκοστῇ. Bei dem Ausdruck „Fünfzigtagefest“ handelt es sich um eine eigene Begriffsprägung, um sowohl den Anachronismus „Pfingsten“ als auch eine Doppelung mit dem Begriff „Fest der Wochen“ zu vermeiden. GI liest „das ist das heilige [Fest] der sieben Wochen“. Die Zahlenangabe „sieben“ ist wohl eine Glosse, siehe LITTMAN, 63. 2,1b–b Griech.: ἀναπίπτω; im Liegen zu speisen entsprach persischer und griechischer Sitte; vgl. LITTMAN, 63. 2,1c–c Griech.: τοῦ ἀριστῆσαι; Inf. mit Art. ist eine geläufige Konstruktion für das Griechisch der hell. Zeit; siehe LITTMAN, 63. 2,2a–a GI liest hier „Und ich sah die vielen Speisen und sagte zu meinem Sohn […].“ Vgl. 4Q196 2 11: „Und sie brachten den T[i]sch vor mich hin, und ich sah die Leckereien, die sie brachten auf ihm, viele und [ich] sagte [zu To]bija, meinem Sohn […].“ Es handelt sich hier wieder um einen der wenigen Fälle, in denen GI mit dem aramäischen Text übereinstimmt. MOORE, 127, erwägt, dass GII hier eine semitischsprachige Vorlage hatte, die sich von 4Q196 unterschied, wohingegen LITTMAN, 64, von einem Irrtum des Schreibers ausgehen möchte, der das Wort παρετέθη, „es wurde vorgesetzt“, aus Versehen zum zweiten Mal abgeschrieben hat. Zu den verschiedenen Lesarten siehe auch JACOBS, Delicious Prose, 60. 2,2b–b In Vg. fehlt u. a. „Bruder“. 2,2c–c Griech.: ἐν ὅλῃ καρδίᾳ; es handelt sich um eine Übersetzung des hebr. ‫ ;בכל לבב‬vgl. Dtn 6,5. 2,2d–d In Vg. ist es nicht das religiöse Gedenken, sondern das Motiv der Gottesfurcht, das als Kriterium für die Einladung zum Mahl dient. 2,2e Griech.: καὶ ἰδέ, ein Hebraismus; vgl. hebr. ‫והינה‬. 2,2f–f Griech.: μέχρι τοῦ σε ἐλθεῖν; Inf. mit Art. ist eine geläufige Konstruktion im KoineGriechisch; vgl. LITTMAN, 64. 2,3a–a Griech.: Ἰδοὺ ἐγώ, ein Hebraismus; vgl. hebr. ‫והינני‬.

92 2,3b 2,3c–c

2,4a–a 2,4b 2,5a–a 2,5b–b 2,6a 2,6b 2,8a–a 2,8b 2,9a–a 2,10a 2,10b–b 2,10c–c

2,10d–d 2,10e 2,10f

2,12a

2,12b–b 2,12c–c 2,13a

Die Exposition (1,3–3,17) Griech.: καὶ ἰδέ, ein Hebraismus; vgl. hebr. ‫והינה‬. Hierbei handelt es sich um ein Beispiel für ein hysteron proteron: „Greek often puts the earlier action last and the result of that action first“ (so LITTMAN, z. St.). GI vereinfacht: „… einer aus unserem Geschlecht wurde erdrosselt auf den Marktplatz geworfen“. 4Q196 3 11 hat ‫[„ ;] את[חנק‬er] wurde gewürgt“. Griech.: εἰς ἓν τῶν οἰκιδίων; nach LITTMAN, 65, handelt es sich bei der doppelten Präposition um einen Hebraismus; vgl. Gen 22,2: ‫על אחד ההרים‬. Nach GI birgt Tobit den Toten „in einer Kammer“. Griech.: καί steht für hebr. ‫ו‬, das zur Einführung eines Finalsatzes dient. Vg. verzichtet auf das Motiv der Waschung. Nach GI isst Tobit sein Brot „im Schmerz“ (ἐν λύπῃ). Griech.: Βαιθήλ. Griech.: αἱ ᾠδαι; GI hat hier „Freuden“ (εὐφροσύναι). Griech.: τοῦ φονευθῆναι περὶ τοῦ πράγματος τούτου; es handelt sich wieder um die für das Koine-Griechisch typische Konstruktion eines Inf. mit Art.; vgl. LITTMAN, 66. Tob 2,9 Vg. fügt hier Tobits Gottesfurcht als Motiv seines Handelns ein. In GI fehlt das Motiv des Waschens, aber der Erzähler verweist darauf, dass Tobit neben der Mauer des Hofes geschlafen habe, weil er unrein geworden war (μεμιαμμένος). Auch Vg. verzichtet auf das Motiv des Waschens. Griech.: στρουθίον. Der Begriff kann für hebr. ‫יען‬, „Strauß“, ‫ענור‬, „Storch“, und ‫צפור‬, „Vogel“ stehen. Griech.: λευκώματα. Vgl. 4Q197 4i 15: ‫ ;)ח(רריא‬siehe auch 4Q196 7 1. Zu diesem Begriff siehe auch ATTIA, Disease and Healing, 49. Vg. weicht hier deutlich ab: Es fehlt das Motiv der Ärztekritik und der Waschung; dafür wird das Motiv der Versuchung sowie Hiobs Gottesfurcht und Gebotstreue eingeführt und Tobits Nachbarn treten nun wie Hiobs Freunde in ein Streitgespräch mit ihm. „Vier Jahre“; so auch VL. In GI fehlt die Erwähnung der vierjährigen Blindheit Tobits; vgl. 14,2 GI, wonach Tobit acht Jahre lang blind war. Griech.: Αχίαχαρος; vgl. 1,22. Griech.: Ἐλυμαίς. Die Ortsangabe kann auch aus 4Q196 4 12 rekonstruiert werden, wo noch ‫ לם‬erhalten ist; siehe auch HALLERMAYER, Text, 48. DILLON, Ahikar, 367, vermutet hinter „Elymaïs“ eine Fehlübersetzung von ‫עלם‬, „verbergen“. Dies könnte auf das Motiv der aramäischen Achikarüberlieferung verweisen, wonach sich Achikar verstecken musste, da er sich in tödlicher Gefahr befand. Zum Ganzen siehe SCHMITT, Wende, 173, Anm. 89. Weiteres dazu in der Kommentierung z. St. Der Monatsname „Dystros“ geht auf den makedonischen Kalender zurück und bezeichnet den fünften Monat des Jahres nach dem Äquinoktium im Herbst, d. h. er liegt in der Zeit Februar/März; siehe FITZMYER, 140. BERTRAND, Chevreau, 271, postuliert, dass der 7. Dystros dem 10. Nisan entspricht, und möchte vor diesem Hintergrund das Böckchen als Passalamm identifizieren. Tobits Zurückweisung des Böckchens wird damit erklärt, dass ein gestohlenes Tier nicht den Reinheitsanforderungen für ein Passalamm entspricht. Wie MOORE, 133, zu Recht betont, ist diese Argumentation in psychologischer Hinsicht unlogisch, da als Motiv der Anklage Tobits die generelle Ablehnung von Diebesgut vorausgesetzt werden muss. Griech.: ἐφ᾿ ἑστίᾳ: VL liest „ad manducandum“, „zum Essen“. Griech.: νἔριφος ἐξ αἰγῶν; vgl. Gen 38,17: ‫גד עזים‬. LITTMAN, 70, nimmt an, dass das Subjekt des Verbs εἰσέρχομαι nicht Hanna, sondern das Ziegenböckchen ist: „It is not unusual in Greek to place a temporal or relative clause first, and have the definite subject in the following clause“. In diesem Sinne liest VL „Et cum introisset ad me haedus, coepit balare.“

Synchrone Analyse 2,13b 3,1a 3,2a–a 3,2b 3,3a 3,3b–b 3,4a–a 3,4b

3,4c 3,4d 3,6a 3,6b–b 3,6c 3,6d

93

Griech.: κλεψιμαῖος; es handelt sich nach CONYBEARE/STOCK, Grammar, 29, um eine nicht-attische Form eines Adjektivs. Griech.: περίλυπος. GI liest anstelle von „Du richtest die Welt“ ausführlicher: „Wahren und gerechten Richtspruch richtest du in Ewigkeit.“ Griech.: τὸν αἰῶνα. Αἰών meint hier die geschaffene Welt; siehe auch 14,5 GI. In GI fehlt die Gottesbezeichnung. Griech.: ἥμαρτον ἐναντίον σου. Die Verbform ἥμαρτον kann auch als 3. Pers. Pl. verstanden werden, siehe LITTMAN, 73. VL liest 1. Pers. Pl. VL liest wieder 1. Pers. Pl. Griech.: εἰς παραβολήν; wörtl.: „zum Sprichwort“, meint hier zum Gegenstand negativen Geredes; siehe auch Ps 44,15 („Du machst uns zum Sprichwort unter den Nationen, lässt die Völker das Haupt über uns schütteln“); vgl. auch Dtn 28,37; Jer 24,9; Ez 12,22f.; Mi 2,4; Hab 2,6; 2 Chr 7,20. Griech.: λάλημα; wörtl.: „das Reden“, wird hier – wie παραβολή – pejorativ gebraucht (siehe auch 1 Kön 9,7; Ez 23,10; 36,3). Griech.: ὀνειδισμός; nach LITTMAN, 73, handelt es sich um eine späte Form, die das klassische ὄνειδος ersetzt. Griech.: τὸ ἀρεστόν; die Wendung ist typisch für Dtn; siehe Dtn 6,18; 12,8.25.28; 13,19; 21,9; hierzu LITTMAN, 74. Griech.: ἀπὸ προσώπου τῆς γῆς; es handelt sich um einen Hebraismus für ‫האדמה‬⁻‫;מפני‬ siehe auch Gen 2,6. 4Q200 1 2 hat einen Teil dieses Satzes erhalten, das Wort ‫עפר‬ ist noch zu erkennen. In GI fehlt die Gottesbezeichnung. Griech.: βλέπειν; der Begriff kann auch im kognitiven Sinne verstanden werden; vgl. LITTMAN, 75, der auch erwägt, ob dieser Ausdruck in Anbetracht der Blindheit Tobits ironisch zu verstehen ist.

Synchrone Analyse Gliederung und Struktur Tobit gibt einen Rückblick auf sein bisheriges Leben, das ihn letztlich dahin ge- Gliederung bracht hat, dass er, der immer Gutes gewirkt hat, am Ende völlig isoliert ist und sterben möchte. Der Abschnitt ist folgendermaßen gegliedert: 1,3 1,4–9 1,4–5 1,6–8 1,9

Tobits Lebensmotto: Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Tobits Toratreue im Land und der Abfall seiner Brüder Die Sünde der Naftaliten Tobits Wallfahrten als Zeichen seiner Toratreue Familiengründung

1,10–2,1a Tobits Barmherzigkeitstaten im Exil und seine Verfolgung 1,10–14 Tobits frommes und erfolgreiches Leben im Exil 1,15–20 Not und Verfolgung 1,21–2,1a Rehabilitation mit Hilfe Achikars 2,1b–10 2,1–3

Die Bestattung und Tobits Erblindung Tobits Festmahl wird gestört

94

Die Exposition (1,3–3,17)

2,4–8 2,9–10

Bestattung eines Landsmanns Tobits Erblindung

2,11–14

Der Streit mit Hanna und die Verhöhnung Tobits

3,1–6

Tobits Verzweiflung und sein Gebet

Struktur Nach der nüchternen, detailreichen Vorstellung der Hauptfigur der Geschichte,

Tobit, lässt der Erzähler diese nun selbst in einem Ich-Bericht zu Wort kommen. Die Geschichte ist flüssig und gefällig zu lesen. Tobits Aussage, wonach er alle Tage seines Lebens auf den Wegen der Wahrheit wandelte, gerechte Werke übte und seinen Mitmenschen, die mit ihm im assyrischen Exil waren, viele barmherzige Taten erwies (1,3), kann dabei als Zusammenfassung verstanden werden, die Tobits Lebensrückblick dann detailliert entfaltet (1,4–2,14). Die Begriffe δικαιοσύναι und ἐλεημοσύναι (1,3 und 2,14, verbunden mit dem erzählerischen Neueinsatz durch Tobits Gebet in 3,1–6) umrahmen diese narrative Einheit. Ab Tob 2,1b zeigt sich eine Veränderung des Erzählstils, als nun die allgemeine Perspektive zurücktritt und Tobit konkrete einzelne Episoden aus seinem Leben erzählt. Die äußere Bedrohung durch politische Verfolgung klingt hier nur noch im Hintergrund an und sie ist nur noch mittelbar für sein Schicksal verantwortlich. Indirekt führen Tobits Barmherzigkeitstaten zu seiner Erblindung (2,1b–10), sodass er dann – nach der Verhöhnung durch seine Frau – völlig vereinsamt und verzweifelt ist und in eine Lebenskrise gerät (2,11–14).1 Tobits Gebet (3,1–6) bildet schließlich die Konsequenz all dieser Erfahrungen. Insbesondere das Motiv der Barmherzigkeitstaten Tobits und der Zuwendung zu Bedürftigen verbindet die einzelnen Abschnitte miteinander (1,3; 1,16f.; 2,1–7). Ein Blick auf die der Erzählung implizierte Raumstrukur zeigt, dass Tobits Aktionsradius immer begrenzter wird.2

Einzelauslegung 1,3 Der Text beginnt mit der Ich-Aussage des Tobit, dass er alle Tage seines Lebens

„auf den Wegen der Wahrheit und in gerechten Werken“ wandelte („ὁδοῖς ἀληθείας ἐπορευόμην καὶ ἐν δικαιοσύναις“) und seinen Brüdern aus seinem Volk in Ninive „viele barmherzige Taten“ (ἐλεημοσύνη im Plural in Verbindung mit dem Verb ποιέω) erwies. Wenn in der ersten Hälfte des Verses zunächst die umfassende Lebensperspektive („alle Tage meines Lebens“) eingenommen wird, so fokussiert der zweite Teil auf Tobits Existenz im Exil. Die Semantik der Begriffe entspricht dem Sprachgebrauch der Hebräischen Bibel. Der Begriff ἀλήθεια ist nicht im Sinne einer abstrakten Norm zu verstehen, Wahrheit sondern praktisch im Sinne von „Wahrhaftigkeit“, „Zuverlässigkeit“ und „Aufrichtigkeit“. Er rekurriert auf hebr. ‫ אמת‬bzw. ‫אמונה‬, die beide einen „ethischen, sozialen, politischen wie theologischen Wert [ausdrücken], der sich im zwischenmenschlichen Miteinander ebenso wie coram Deo zeigt […]. [Eine solche] Haltung […] kann 1 2

Vgl. PORTIER-YOUNG, Alleviation, 39–42, die den Abschnitt mit „Catastrophe“ überschreibt. Siehe VAN DER BERGH, Unfocused Narrative Space.

Synchrone Analyse

95

zum einen von Menschen ausgesagt werden: allgemein (Spr 11,18), vom König (Jes 11,5; 16,5; 38,3), vom Volk (Jes 26,2.3.10) oder sie dient als Schwurformel (Jer 4,2). Zum anderen werden Wahrhaftigkeit, Zuverlässigkeit und Treue ebenfalls als Charakteristika Gottes gebraucht (Gen 24,27; 32,11).“3 Der Begriff δικαιοσύνη ist wie das hebräische Äquivalent ‫ צדקה‬nicht abstrakt oder als distributive Gerechtigkeit aufzufassen, sondern rückt in die semantische Nähe von „Barmherzigkeit“ und kann auch die Bedeutung von „Wohltätigkeit“ haben (Jes 58,6–8; siehe auch Dtn 24,13; Hiob 29,14–17; Ps 111,9LXX).4 Der Terminus ἐλεημοσύνη changiert in der Bedeutung zwischen „Barmherzigkeit“ und „Almosen“; aber auch da, wo sich die Konnotation „Barmherzigkeit“ nahelegt, ist an ein konkretes Handeln im Sinne einer materiellen Zuwendung an Bedürftige gedacht.5 Die Adressaten der Liebeswerke Tobits sind seine „Brüder“. ἀδελφός hat in Tob ein weites und manchmal auch etwas unklares Bedeutungsspektrum, meint aber nur selten einen leiblichen Bruder, sondern meist eine größere Gruppe – vom Verwandten über einen Sippen- oder Stammesgenossen bis zu einem Menschen aus Tobits Volk. Wichtig ist der Bezug zur Gruppe der Exilierten. Durch die häufige Verwendung dieser Begrifflichkeit wird die enge Verbundenheit dieser Menschen untereinander deutlich, sodass diese geradezu als eine große Familie erscheinen.6 Von Anfang an zeigt es sich, dass Tobits Geschick mit dem seiner Landsleute aufs Engste verbunden ist (zu diesem Aspekt siehe die Einleitung „Wichtige Themen“). Während in der Einleitung (1,1–2) nur ganz allgemein von der assyrischen Gefangenschaft erzählt wurde, erfolgt nun in der „Summe“ eine konkrete Ortsangabe (1,3). Der exilierte Tobit befindet sich zusammen mit anderen Angehörigen seines Volkes in der Stadt Ninive, der Hauptstadt des Assyrerreiches. Die Stadt, die wohl schon in prähistorischer Zeit besiedelt war, gewann im 8. Jh. v. Chr. historische Bedeutung, als König Sanherib (704–681 v. Chr.) seine Residenz hierher verlegte und entsprechende repräsentative Prachtbauten errichten ließ. „Dort liefen alle Fäden der Weltpolitik zusammen, dort huldigten die Beauftragten und Abgesandten aus den Provinzen und Vasallenstaaten dem Großkönig, dort trafen sich die Warenströme und sammelten sich die Tribute aus aller Welt. Die weitläufigen Königspaläste und die feinen Villen […] waren reich geschmückt mit Skulpturen, Steinreliefs, Wandmalereien und gefüllt mit umfangreichen Archiven und Bibliotheken sowie mit Kostbarkeiten aus Edelholz, Edelmetall, edlem Tuch, Elfenbein […].“7

3 4 5

6 7

Zu ἀλήθεια siehe SCHMITZ, Wahrheit, 228 (Lit.). Zu δικαιοσύνη siehe RABENAU, Studien, 129 (Lit.). Zu ἐλεημοσύνη siehe HEILIGENTHAL, Werke der Barmherzigkeit, 290 (Lit.); MACATANGAY, Bury Me Well, 29–46; MIRGUET, History of Compassion, 95–98; RABENAU, Studien, 128–134. MIRGUET verweist in ihrer interessanten Studie darauf, dass der Begriff im Griechischen mit der Emotion des Mitleids verbunden ist; siehe ibid., 21–108. Zu den Begriffen insgesamt siehe auch WITTE, Ethos der Barmherzigkeit, 227. Siehe hierzu MIRGUET, History of Compassion, 157–159. DIETRICH, Ninive in der Bibel, 242. Weiteres zur Machtentfaltung Ninives, ibid., 239–242.245. Zur Größe und zum Ausbau der Stadt siehe STRONACH/CODELLA, Art. Niniveh, 144–148.

Gerechtigkeit

Barmherzigkeit

Tobits Brüder

Ninive

96

1,4–9

1,4–5

Israel

Gott

1,6–8

Die Exposition (1,3–3,17)

Somit lebt Tobit nun in einer Weltstadt, im Zentrum der assyrischen Herrschaft.8 Nun schwenkt der Blick zurück, und Tobit erzählt von seiner früheren Existenz im Land Israel. Dabei liegt der Fokus auf den Verfehlungen seiner Stammesgenossen gegenüber Jerusalem (1,4–5) sowie auf seiner eigenen Frömmigkeitspraxis (1,6–8.9). Der Text berichtet zunächst ganz allgemein vom Abfall des Stammes Naftali vom „Haus Davids“ und von Jerusalem, der aus allen Stämmen zum Opfern erwählten Stadt (1,4a), in der sich der heilige Tempel, explizit als Wohnung Gottes bezeichnet, befindet (1,4b). Somit zeigt sich hier deutlich die auf Jerusalem und Juda hin orientierte Perspektive der Erzählung.9 Bemerkenswert ist, dass hier nicht wie üblich (so z. B. 1,4; 1,7; 5,14; 14,4) der Name Ἰεροσαλήμ verwendet wird, sondern vielmehr Ἰεροσόλυμα. Dabei handelt es sich um eine hellenisierende Namensform. Nun erscheint zum ersten Mal der Begriff „Israel“, zunächst als Bezeichnung für das Land, sowie dann als Name des Volkes (1,4a). Dies entspricht dem breiten Bedeutungsspektrum des Begriffs in der gesamten Erzählung: Israel fungiert als Name für das Volk (1,8.18; 5,5.9; 13,3; 14,7) und das Land (14,4 [2x].5). Ansonsten begegnet der Terminus in den Wendungen „König Israels“ (1,5), „Propheten Israels“ (14,4.5) und „Gott Israels“ (13,18).10 Ebenso findet sich hier in der Wendung „Wohnung Gottes“ der erste Beleg für den Begriff ὁ θεός (1,4b; zu den Gottesnamen siehe die Einleitung unter „Figuren der Handlung“). Worin der Abfall von Tobits „Brüdern“ konkret bestand, wird im Folgenden deutlich: Sie brachten ihre Opfer „dem Jungstier, den Jerobeam […] gemacht hatte“ dar (1,5). Hier ist die semantische Konnotation des Begriffes „Bruder“ als Stammesgenosse offensichtlich.11 Durch den Rekurs auf den Begriff θύω, „opfern“, der zuvor mit Jerusalem verbunden war, wird das problematische Handeln der Naftaliten auch formal deutlich zum Ausdruck gebracht (vgl. 1,4a). Tobit ist dagegen der toraobservante Jerusalempilger, der dort die vorgeschriebenen Abgaben an den Tempel leistet,12 und dabei wiederum auch die Bedürftigen seines Volkes unterstützt.

8 Vgl. dagegen TORREY, Niniveh, 237–245, der Ninive mit Seleucia identifiziert (siehe auch TA 11,1a); kritisch zu dieser These FITZMYER, 274, und MOORE, 261. 9 DIMANT, Tobit in Galilee, 353. Zu diesem Aspekt siehe u. a. ANDERSON, Righteous Sufferer, 494. Somit findet sich hier eine wichtige Aussage für die Identitätskonstitution Tobits; siehe PITKÄNEN, Family Life, 108f. MACATANGAY, Election, 454, sieht in Tobits Pilgern zum Tempel eine intertextuelle Anspielung auf die Exodustradition: „This evokes the thanksgiving prayer that makes use of the exodus motifs such as the Egyptian oppression and the redeeming power of God’s outstretched arm“ (vgl. Dtn 26,1–11). 10 DYMA, Wallfahrt, 224, Anm. 617. 11 Zum Begriff „Bruder“ siehe den entsprechenden Abschnitt „Wichtige Themen“ in der Einleitung. 12 Zur Torakonformität von Tobits Handeln siehe FASSBECK, Tobit’s Religious Universe, 181; GAMBERONI, Gesetz, 236. Insbesondere zum Kontrast zu den Stammesbrüdern siehe DYMA, Wallfahrt, 223. NICKLAS, Weg der Gerechten, 64, möchte in der Gegenüberstellung von Tobits Toratreue mit dem Abfall seiner Stammesbrüder einen intertextuellen Bezug zu Ps 1 sehen.

Synchrone Analyse

97

Wie Oliver DYMA herausgearbeitet hat, können zur „Häufigkeit der Wallfahrten“ Wallfahrten Tobits keine genauen Angaben gemacht werden. „V.6 könnte auf mehrfache Wallfahrten in einem Jahr hindeuten (ἐν ταῖς ἑορταῖς), während die Erstlingsgaben und die Ausgabe des zweiten Zehnten ‚in jedem Jahr‘ (v.7) eher an eine jährliche Wallfahrt denken lassen. Der Plural von ἑορτή in v.6 mag durch die oftmalige Teilnahme bedingt sein. In Verbindung mit den Erstlingsgaben ist dabei an das Wochenfest zu denken (vgl. Num 28,26).“13

Insgesamt nennt der Abschnitt sieben Abgabenarten, die für vier unterschiedliche Personengruppen bestimmt sind, nämlich die Priester (1–4), die Leviten (5), für den Besitzer selbst zum Verzehr in Jerusalem (6) und für die Armen (7).14 Die Details erschließen sich durch den Rückgriff auf die ältere biblische Literatur (siehe hierzu die „Diachrone Analyse“). Der Erzähler betont in diesem Kontext explizit die Torakonformität von Tobits Handeln, denn Termini aus dem Wortfeld „Gebot“ umrahmen den Abschnitt zu Tobits Tempelwallfahrten. Der Begriff πρόσταγμα am Anfang des Abschnittes (1,6) wird am Ende wieder aufgenommen und nun explizit mit dem „Gesetz des Mose“ (νόμος Μωσῆ) sowie den „Geboten“ (ἐντολή) verbunden (1,8). Damit wird zum einen dessen Bedeutung im Sinne der Tora deutlich, zum anderen wird das „Gesetz des Mose“ auf kultische Zusammenhänge fokussiert.15 Interessant ist die Aussage, wonach es Tobits Großmutter Debora16 war, die Tobit, der von seinem Vater als Waise zurückgelassen wurde, in der Tora unterwies. Debora erscheint somit als Toralehrerin und „interpreter of Mosaic Law“.17 Dabei ist es bemerkenswert, dass die religiöse Unterweisung hier durch eine Frau erfolgt.18 Der Abschnitt endet mit der knappen Notiz, dass Tobit eine Frau aus seiner Sippe geheiratet hat und beiden der Sohn Tobias geboren wurde. Später wird man erfahren, dass Tobits Frau den Namen „Hanna“ trägt (siehe 1,20). Hanna stammt aus der Sippe von Tobits Vaterhaus („ἐκ τοῦ σπέρματος τῆς πατριᾶς ἡμῶν“). Somit wird hier das für die Erzählung so bedeutsame Motiv der sippeninternen Endogamie eingespielt; im Fortgang der Geschichte soll deutlich werden, dass die Endogamie als Erfüllung der Mosetora (6,13) und zudem als Ausdruck der Traditionskonformität mit den Vätern (4,12) verstanden wird (zum Gan-

13 DYMA, Wallfahrt, 224. 14 So mit DIMANT, Qumran Halakhah, 128–130; DYMA, Wallfahrt, 240f. Vgl. dagegen HANHART, Text und Textgeschichte, 24, der davon ausgeht, dass in V. 6b–7a (also Nr. 1–4) zunächst „alles, was Tobit als Abgaben nach Jerusalem bringt“, aufgezählt wird und das Folgende dann drei Gruppen aufzuteilen ist, nämlich in den Zehnten von Naturalangaben für die Leviten in Jerusalem (7b), in den „zweiten Zehnten“ als Anteil für den eigenen Gebrauch (7c) und in einen dritten Teil, der für die Waisen, die Witwen und die Proselyten bestimmt ist. Zur Problematik des Verhältnisses der beiden letztgenannten Abgaben siehe unten. 15 GAMBERONI, Gesetz, 236f. 16 Zu Debora allgemein SCHÖPFLIN, Women’s Roles, 184; SCHÜNGEL-STRAUMANN, 113f.; siehe auch DIMANT, Family, 158, Anm. 8. 17 SCHÖPFLIN, Women’s Roles, 174. 18 FISCHER, Gotteslehrerinnen, 92.

Toratreue

Debora

1,9

Endogamie

98

1,10–2,1a

1,10–14

Speisegebote

Tun-ErgehenZusammenhang

Die Exposition (1,3–3,17)

zen siehe „Wichtige Themen“ in der Einleitung). Somit demonstriert Tobit auch durch seine Heirat seine Frömmigkeit. Nach dem Rückblick auf Tobits Leben im Land wendet die Erzählung sich nun Tobits Exilsexistenz zu. Auch hier zeigt der Protagonist seine Solidarität mit seinen Landsleuten; allerdings gerät er trotz seines vorbildlichen Handelns in Schwierigkeiten und wird schließlich selbst hilfsbedürftig. In Ninive im Exil findet sich Tobit in einer ganz ähnlichen Situation, wie sie ihm bereits während seines Lebens im Land begegnete, insofern er sich mit seinem torakonformen Verhalten von dem seiner Landsleute deutlich unterscheidet (siehe 1,4–8). Während nämlich seine mitexilierten „Brüder“ (wohl seine Stammesgenossen19) von den Speisen der Völker essen, hält sich Tobit von einer solchen Praxis fern. Dies deutet darauf hin, dass Tobit die traditionellen Speisegebote beachtet und sich sowohl von den Niniviten als auch von seinen eigenen Landsleuten abgrenzt.20 Der Erzähler spezifiziert nicht, worin die Problematik des Essens mit den Völkern besteht.21 Dass Speisegebote gruppensoziologisch eine abgrenzende und ausschließende Funktion haben, ist allgemein bekannt und muss hier nicht weiter entfaltet werden.22 Entscheidend und über diesen Aspekt hinausweisend ist hier, dass Tobits „Orthorexie“ in einem religiösen Kontext zu deuten ist. Dies erschließt sich aus V. 12: Tobits Essverhalten erscheint als „Zeichen“ des „Gedenken Gottes“,23 und so liegt es nahe, hier unter dieser Begrifflichkeit die Treue zum göttlichen Gebot zu verstehen.24 Die Aussage, dass Gott Tobit Gunst und Wohlgefallen vor König Salmanassar V. (726–722 v. Chr.; zu Salmanassar siehe zu 1,2) gewinnt und er eine Karriere als internationaler königlicher Einkäufer macht (1,13), suggeriert zunächst einen funktionierenden Tun-Ergehen-Zusammenhang, der den frommen Tobit mit Erfolg und Wohlergehen belohnt. Die Gottesbezeichnung „der Höchste“ erscheint selten in Tobit (vgl. 4,11).25 So führt Tobits Weg ihn im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Einkäufer des Königs nach Medien. Dort hinterlegt er bei einem gewissen Gabaël, Bruder des Gabri, eine Summe von zehn Talenten Silber (1,14). 19 Zum Begriff „Bruder“ siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 20 Zu diesem Abschnitt siehe JACOBS, Delicious Prose, 45–53. 21 JACOBS, Biting Off, 161, die darauf verweist, dass der Erzähler hier sehr vage ist: „He does not indicate if the problem lies in wrong types of animals, or even if it is a purity concern.“ 22 Vgl. hierzu u. a. DOUGLAS, Reinheit, 60–78; EGO, Art. Reinheit, 141f. (Lit.); MACDONALD, Food and Drink, 168f. 23 MACATANGAY, Acts of Remembrance, 75. 24 So auch EGGER-WENZEL, Abgrenzung, 17; GAMBERONI, Gesetz, 237. SUTTER REHMANN, Abgelehnte Tischgemeinschaft, Abschnitt 3 (ohne Seitenangabe), widerspricht der These, dass es sich hier um die Frage der jüdischen Speisegebote handelt; vielmehr gehe es „um Solidarität mit den Bedürftigen“. Nach GAMBERONI, Gesetz, 237, ist die Rede vom „Erinnern“ zu allgemein, „als dass bestimmte Zusammenhänge mit dem Pentateuch auszumachen wären.“ Zum Motiv des Gedenkens Gottes siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 25 Zu den Gottesbezeichnungen siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Figuren der Handlung“.

Synchrone Analyse

99

Gabaël ist sicherlich nicht mit der gleichnamigen Gestalt aus dem Stammbaum Gabaël (1,1) identisch, da dieser dort als Ururgroßvater Tobits erscheint. Der Begriff „Bruder“ meint hier wohl konkret den leiblichen Bruder.26 Medien liegt im iranischen Hochland mit dem Kerngebiet im Zagrosgebirge. Medien Am Anfang der Abschiedsrede Tobits (4,1) wird man erfahren, dass jener Gabaël in der Stadt Rages (zu Rages siehe zu 4,1) lebt. Diese Ortslage entspricht dem heutigen Rayy, jetzt Teil des südlichen Stadtgebietes von Teheran, und ist somit fast 1000 km von Ninive entfernt. Nach dem Routenplaner braucht man zu Fuß für diese Strecke ca. 200 Stunden (zu möglichen Routen siehe zu 6,2–9). Selbst wenn Last- und Reittiere für solche Reisen zu Verfügung standen (was an dieser Stelle aber nicht explizit genannt wird, vgl. dagegen 9,5), waren es dennoch immense Entfernungen, die Tobit für seine Tätigkeit beim König zurücklegen musste. Somit reist Tobit von Ninive aus also weiter nach Osten und entfernt sich dadurch noch mehr von seiner Heimat in Galiläa.27 Die Tatsache, dass Tobit bei Gabaël einen Betrag von zehn Silbertalenten deponieren kann, verweist auf Tobits großen Reichtum. Setzt man ein Talent mit 36 kg an,28 so handelt es sich hier um ein kleines Vermögen. Schnell aber soll sich Tobits Schicksal ändern: Nach dem Tod Salmanassars V. 1,15–20 (726–722 v. Chr.) kommt es unter Sanherib (704–681 v. Chr.) zu beträchtlichen Schwierigkeiten. Die Wege nach Medien werden nun so unsicher, dass Tobit seinem Broterwerb als Kaufmann nicht mehr nachgehen kann (1,15). Etwas unvermittelt wirkt in diesem Kontext Tobits Aussage, dass er bereits während der Regierungszeit Salmanassars die mitexilierten Angehörigen seines Volkes mit Nahrung und Kleidung versorgte und zudem auch bestattete, wenn sie tot hinter die Mauer geworfen worden waren (1,16f.). Es handelt sich um einen Rückblick, der Tobits Barmherzigkeit konkretisiert.29 Durch das Motiv der Speisung lässt sich hier eine Linie zu Tobits früheren Wallfahrten nach Jerusalem ziehen: Die Zuwendung zu den Armen ersetzt nun vollends die Abgaben im Tempel.30 Außerdem kommen auch hier wieder Tobits Reichtum und seine Großzügigkeit zum Ausdruck.31 Der Begriff „Brüder“ wird an dieser Stelle einmal für die größere Verwandtschaft Tobits verwendet (so sichtbar durch die Apposition „denen aus meinem Geschlecht [γένος]“);32 der weitere Kontext zeigt dann aber, dass es allgemein um Menschen aus Tobits Volk geht (siehe 1,17).33

26 Zum Begriff „Bruder“ siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 27 Zu den Raumstrukturen ZSENGELLÉR, Topography, 177–188; er bietet auch eine Auflistung aller Ortsnamen in Tob, ibid., 179. 28 SCHÄFER, Art. Maße und Gewichte, 882–884, hier: 884. Zum Wert des bei Gabaël hinterlegten Geldes siehe auch LITTMAN, 57. 29 HEILIGENTHAL, Werke der Barmherzigkeit, 290; MACATANGAY, Bury Me Well, 47. Das Totenbegräbnis kann als der essentielle Akt des Almosengebens verstanden werden, da Tote nichts zurückgeben oder zurückzahlen können. 30 ANDERSON, Sin, 148.171. 31 Zu diesem Abschnitt siehe auch JACOBS, Delicious Prose, 54–57. 32 Zum Verwandschaftssystem in Tob siehe in der Einleitung den Abschnitt „Wichtige Themen“. 33 Zum Begriff „Bruder“ siehe ebd. den Abschnitt „Wichtige Themen“.

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Die Exposition (1,3–3,17)

Das Bild der unachtsam dahin geworfenen Toten hat etwas zutiefst Irritierendes, und es wurde auch als Veranschaulichung für das „Chaos“ der Diaspora-Existenz interpretiert.34 Sogar in einer Zeit, in der das Verhältnis einzelner Exilierter zum König relativ entspannt war, wie dies für die Zeit Salmanassars postuliert wird, scheinen die „gewöhnlichen“ Israeliten einer Bestattung wohl als nicht würdig erachtet worden zu sein.35 Die Leser erfahren an dieser Stelle nicht, um welche Art einer Bestattung es sich hier handelt. Wenn Tobit seine Landsleute selbstständig begraben kann, so ist an ein Erdbegräbnis zu denken (siehe zu 2,7 und 8,9.18). Durch das Bestattungsmotiv leitet der knappe Abschnitt aber auch zum Fortgang der Handlung über, wo Tobit nun wegen seines Handelns verfolgt werden soll (1,18–20). Sanherib (704–681 v. Chr.) lässt Tobits Landsleute sogar töten; seine Aggression gründet in seinem Zorn, der wiederum aus seiner Erfahrung mit dem Gericht des „Königs des Himmels“ (zu dieser Gottesbezeichnung siehe auch 13,7.16) und seiner Flucht aus Judaä resultiert (1,18). Der Verweis ist nur vor dem Hintergrund der biblischen Überlieferung von Sanheribs Belagerung Jerusalems verständlich (vgl. die Bezüge zu 2 Kön 19,35–36; Jes 37,36–38; 2 Chr 32,21; siehe unten „Diachrone Analyse“). Der Erzähler verweist nur kurz auf diese Zusammenhänge; offenbar setzt er bei seiner Leserschaft ein Wissen um diese Traditionen voraus. Die Verweigerung der Bestattung und die damit verbundene Entehrung der Israeliten demonstriert die Macht Sanheribs; umgekehrt ist Tobits Handeln ein „Zeichen des Widerstands gegen das vorherrschende politische System“,36 das die Ehre seines gedemütigten Volkes wiederherzustellen versucht. Da Tobit beim König denunziert wird,37 muss er flüchten, und sein Vermögen wird beschlagnahmt. So bleibt ihm nichts mehr außer seiner Frau und seinem Sohn (1,19.20). Tobits „ziviler Ungehorsam“ bringt ihn also in Lebensgefahr und „bedeutet den Verlust seiner Lebensgrundlage.“38 1,21–2,1a Noch einmal soll sich Tobits Schicksal wenden: Nur vierzig Tage nach seiner Flucht wird Sanherib (704–681 v. Chr.) von zwei seiner Söhne ermordet; diese fliehen in das Gebirge Ararat, woraufhin sein Sohn Asarhaddon (680–669 v. Chr.) König wird. Auch hier setzt der Erzähler die Kenntnis der biblischen Überlieferung voraus (vgl. 2 Kön 19,35–36; Jes 37,36–38; 2 Chr 32,21; siehe unten die „Diachrone Analyse“). Asarhaddon (680–669 v. Chr.) bestimmt in dieser Situation einen gewissen Achikar, den Sohn von Tobits Bruder Hananel, zu seinem Dienst. Er wird als erfolgreicher Hofbeamter vorgestellt, der sowohl über das gesamte Geldwesen des Königreiches („ἐπὶ πᾶσαν τὴν ἐκλογιστίαν τῆς βασιλείας αὐτοῦ“) als auch über die

34 LEVINE, Diaspora as Metaphor, 105; siehe auch EGO, Diaspora, 45f. EGGER-WENZEL, Abgrenzung, 23f., versteht Tobits Gebotsgehorsam als eine „Theologie des Widerstands“. MACATANGAY, Election, 455, möchte hier einen intertextuellen Bezug zur Exoduserzählung sehen, bei der am Anfang das Todesmotiv auch eine wichtige Rolle spielt. Zur Rezeption der Exodustradtion in Tob weiterführend (mit explizitem Bezug zu MACATANGAY) EGGERWENZEL, Individualisierung. 35 BOLYKI, Burial, 91. 36 EGGER-WENZEL, Abgrenzung, 23; siehe auch ibid., 25, wonach sich diese Widerstandstheologie „mit apokalyptischen Elementen verbindet“. 37 KOTTSIEPER, „Look, Son“, 148, erwägt, dass es sogar mitexilierte Israeliten gewesen sein könnten, die Tobit verraten haben. 38 EGGER-WENZEL, Abgrenzung, 23.

Synchrone Analyse

101

ganze Verwaltung („ἐπὶ πᾶσαν τὴν διοίκησιν“) bestellt ist (1,21). Weitere Titel Achikars sind „Obermundschenk“ (ἀρχιοινοχόος), „Siegelbewahrer“ (ἐπὶ τοῦ δακτυλίου), „Staatsfinanzverwalter“ (διοικητής) und „Vorstand über das Rechnungswesen“ (ἐκλογιστής) (1,22). Insofern Achikar Fürsprache für Tobit einlegt und Letzterer nach Ninive zurückkehren kann, handelt Tobit also nicht nur zum Wohle seiner mitexilierten Brüder, sondern er wird nun auch selbst zum Empfänger einer solchen solidarischen Zuwendung. Am Ende rekurriert der Erzähler auf das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Tobit und Achikar, sodass dieser Zug narratologisch ein besonderes Gewicht erfährt und die Bedeutung verwandtschaftlicher Strukturen wiederum ganz deutlich zutage tritt39 (zu Achikar siehe auch 2,10; 11,18 und 14,10).40 Einmal mehr wird so der Wert der Familiensolidarität und des barmherzigen Handelns demonstriert (zum letzteren Aspekt siehe auch zu 14,10 sowie unter „Wichtige Themen“ in der Einleitung).41 Die Episode schließt mit dem Hinweis, dass Tobit in sein Haus zurückkehren darf und somit der Status quo wiederhergestellt wird (2,1a). Wie Rainer ALBERTZ treffend formuliert, ist Schilderung „[…] das Bild, das im Tobitbuch bis hierhin von der Exilsituation gezeichnet wird, […] überwiegend düster: Wohl gibt es für Juden zuweilen die Möglichkeit, auch unter den Bedingungen des Exils zu Wohlstand (Tobit) und Einfluß (Achikar) zu kommen, aber das Glück ist nur von kurzer Dauer und fortwährend durch die Wechselfälle der Politik des Großreiches bedroht, auf die die normalen jüdischen Familien keinen Einfluss haben. Im Gegenteil, sie sind schutzlos den Übergriffen der Einheimischen und der Willkür der Regierenden ausgesetzt, werden auf offener Straße wie Kriminelle erschlagen, ohne dass es jemanden kümmert.“42

Es ist zwar nicht anzunehmen, dass sich hier konkrete Erinnerungen an das Leben der assyrischen Gola erhalten haben, aber die Erzählung bietet hier „vielleicht doch ein stark typisiertes Grundmuster von Erfahrungen, die über die Jahrhunderte in der Diaspora gemacht wurden.“43

39 Zur Bedeutung der Familie und familiärer Strukturen siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 40 Literatur zu Achikar bei Tob siehe u. a. ALTHEIM/STIEHL, Die aramäische Sprache, 193–195; DESELAERS, Buch Tobit, 439; DIMANT, Ahikar; GREENFIELD, Aḥikar, 332–334; LINDENBERGER, Ahiqar; KOTTSIEPER, „Look, Son“, 146–150; KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen, 364–379; MARINČIČ, Grand Vizier; DERS., Symbolik; MATHYS, Achämenidenhof, 289–293; RUPPERT, Achikar-Notizen; SCHMITT, Achikar-Notiz, 103–123 (v. a. zu 1,21–22); DERS., Wende des Lebens, 152–157.173–183; WEIGL, Rettende Macht, 221–241. Zur älteren Forschung siehe MOORE, Scholarly Issues, 75. Vgl. ferner WEIGL, Inkulturation, der in Achikar den Nicht-Juden sieht, der durch seine „Lebenspraxis in das Kraftfeld der Tora“ gerät und zum „Ehrenmitglied“ der „Familie Gottes“ wird (59). WEIGL übergeht allerdings, dass Achikar in Tob von Anfang an als jüdische Figur erscheint, 41 DESELAERS, Buch Tobit, 446; WEIGL, Rettende Macht, 242f. HAAG, Heiler Israels, 36f., spricht vom Exil als der „Wüste der Völker“, in dem der „Horizont für die Manifestation der Rettermacht Gottes als Heiler Israels“ entworfen wird. Zur Bedeutung der Familie siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 42 ALBERTZ, Exilszeit, 35. 43 ALBERTZ, Exilszeit, 36.

des Exils

102

Die Exposition (1,3–3,17)

2,1b–10 Auch nach Tobits Rückkehr in sein Haus findet seine krisenhafte Existenz bzw. die

seiner Familie kein Ende, vielmehr hebt nun mit der Geschichte von seiner Erblindung gleich die nächste Episode an, welche die Not und Verzweiflung des Protagonisten weiter vorantreibt. Die Erzählung reflektiert hier die Gefährdung einer vermeintlich sicheren Existenz, indem sie den unvorhergesehenen Übergang von Gesundheit zu Krankheit und vom Reichtum zur Armut markiert.44 2,1b–3 Nun bahnt sich eine weitere Katastrophe an. Beschrieben wird zunächst, wie vor Tobit reiche Speisen aufgetragen werden und er sich zu einem opulenten Mahl niederlässt. Unklar ist, ob er allein oder in Gemeinschaft (vielleicht sogar mit Frau und Sohn) zu speisen gedenkt (2,1b). Die Szene insgesamt spiegelt Tobits Reichtum und präsentiert ihn als wohlhabenden Herrn, und so kann Naomi JACOBS feststellen: „Separated from the process of cooking and serving, upper-class Tobit seems disconnected from the labour of others. Reclining, a sign of status, luxury, and privilege, is also class- and gender based“.45

Die reich gedeckte Tafel, die Tobit anlässlich des Wochenfests vorgesetzt wird, veranlasst ihn zunächst, seinen Sohn Tobias auszuschicken, um einen Frommen unter seinen nach Ninive mitexilierten „Brüdern“ zu finden, der mit ihm speisen und so an der Festesfreude partizipieren kann. Auch hier dient der Begriff „Bruder“ nicht zur Beschreibung eines leiblichen Verwandtschaftsverhältnisses, sondern einer Person aus der Gruppe der Exilierten. Der Fortgang mit der Wendung „einer aus unserem Volk“ zeigt nämlich, dass das gesamte Volk Tobits eingeschlossen ist.46 Tobits Einladung demonstriert wieder seine Zuwendung zu den Bedürftigen seines Volkes (zur Wendung „des Herrn gedenken“ siehe 1,1247). Ohne Rückfrage macht sich der junge Tobias auf, um dem väterlichen Befehl nachzukommen, allerdings bringt er nicht – seinem eigentlichen Auftrag entsprechend – einen Gast für das Festmahl mit, sondern nur die traurige Nachricht, dass einer aus ihrem Volk ermordet wurde und nun unbestattet auf dem Marktplatz liegt (2,3). Der Satz selbst ist etwas umständlich formuliert, da die Aussage, dass der Landsmann „erdrosselt“ wurde, erst am Ende erscheint. Diese unlogische Reihenfolge lässt sich insofern gut deuten, als sich in dieser Formulierung das Entsetzen und die Aufregung des jungen Tobias spiegeln könnten, die dieser angesichts solch chaotischer Verhältnisse empfindet. Das hier gebrauchte Verb στραγγαλάομαι ist ein Hapaxlegomenon in LXX, das sowohl „erwürgen, erdrosseln“ als auch „erhängen“ bedeuten kann. Aufgrund der Erwähnung des Marktplatzes könnte man an eine Hinrichtung durch den Strang denken (vgl. z. B. Dtn 21,22–23).48 Hintergründe für die Tötung der betreffenden Person werden nicht genannt. Während bislang die Rede davon war, dass die Toten aus Tobits Volk „hinter die Mauer“ Ninives geworfen worden waren (1,17), zeigt sich hier insofern eine Dramatisierung des Motivs, als sich der unbestattete Körper nun nicht mehr au44 MIRGUET, History of Compassion, 27. 45 JACOBS, Delicious Prose, 69; siehe ibid., 59–71 zum gesamten Abschnitt mit den entsprechenden Verweisen auf griechische Speisegepflogenheiten. 46 Zum Begriff „Bruder“ in Tob siehe die Einleitung „Wichtige Themen“. 47 Zum „Gedenken Gottes“ siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 48 DESELAERS, Buch Tobit, 71, Anm. 34; METZLER, Das Recht Gestorbener, 100.

Synchrone Analyse

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ßerhalb der Stadt befindet, sondern auf einem öffentlichen Platz in deren Zentrum. So kommt der Aspekt der Entehrung der entsprechenden Person und damit auch der Angehörigen ihres Volkes besonders deutlich zum Ausdruck. Der Gegensatz zum Beginn der Szene ist eklatant: Als Tobit die Nachricht von seinem unbestatteten Landsmann erreicht, verfliegt jäh seine Festtagsfreude, und seine Ruhe schlägt in heftige Geschäftigkeit um („und ich sprang auf“). Schnell macht er sich auf, um den Toten zu verstecken, um ihn so vor der öffentlichen Bloßstellung zu schützen und ihn dann nach Sonnenuntergang zu begraben (2,4). Dass Tobit mit der Bestattung seines Landsmanns bis zum Einbruch der Nacht wartet, hat seinen Grund wohl darin, dass er sich des Risikos seines Handelns bewusst ist. Nach seiner Rückkehr, die mit einer Waschung verbunden ist, beherrscht eine düstere Stimmung die Szene: Indem Tobit nun sein Brot „mit Trauer“ isst (so der Abschluss von 2,5), schafft der Erzähler einen weiteren spannungsreichen Gegenakzent zum Anfang dieser Episode, die Tobit an einer reich gedeckten Tafel sitzen lässt.49 Der Rekurs auf das Amoswort Am 8,10 (2,6) zeigt, dass Tobit seine aktuelle Situation als Erfüllung der Prophetie deutet, und verweist auf seine Traditionskonformität (siehe zu 1,10f.). Sein Weinen verstärkt die düstere Stimmung der Handlung (2,7a). Eilig macht sich Tobit nach Sonnenuntergang daran, den Toten zu begraben (2,7b). Als Bestattungspraxis wird hier ein Erdgrab angenommen; die Errichtung eines Felsgrabes – ein Typus, der zur Zeit des Zweiten Tempels weit verbreitet war – wäre für eine Einzelperson, die wie Tobit zudem heimlich arbeiten muss, viel zu aufwendig gewesen.50 Durch das Verhalten der Nachbarn erfährt Tobit eine große soziale Demütigung.51 Nunmehr überschlagen sich die Ereignisse geradezu. Tobits Waschung und die Tatsache, dass er im Freien übernachtet (2,9), lassen sich am einfachsten vor dem Hintergrund halakhischer Bestimmungen im Umgang mit der Totenunreinheit verstehen (siehe unten zu „Diachrone Analyse“). Neben der Mauer liegend fällt Tobit nun der heiße Kot von Sperlingen auf die Augen, der „weiße Flecken“ (λευκώματα) und schließlich seine Erblindung verursacht (2,10a). Der Terminus λευκώματα (so auch noch in 3,17; 6,9; 11,8) erscheint in LXX nur in Tob. Die medizinischen Hintergründe, die sich hinter diesem Begriff verbergen, beschäftigen die Übersetzer und Ausleger der Tobitgeschichte seit Langem. LUTHER deutete die weißen Flecken als Star. Da diese Krankheit aber eine Trübung der Linse ist, mit welcher der Kot der Vögel gar nicht in Berührung kam, plädierte man dafür, von einer Verätzung der Hornhaut auszugehen, die 49 Zu diesem Abschnitt knapp JACOBS, Delicious Prose, 71f., die die Enthaltung von der Speise als Akt des Widerstandes ansieht und eine theologische Deutung anführt: „Tobit’s delay in eating is a sign of devotion both to God and to his people.“ 50 Archäologisch sind für die biblische Zeit v. a. in Fels gehauene Familiengräber belegt; siehe BOLYKI, Burial, 90f.; EGO, Death and Burial, 89. Selbstverständlich hat es auch schlichte Erdbestattungen gegeben; allerdings sind diese archäologisch viel schwieriger nachweisbar. Zum allgemeinen Hintergrund siehe BLOCH-SMITH, Judahite Burial; HACHLILI, Jewish Funerary Customs; KAMLAH, Grab und Begräbnis; WELTEN, Art. Bestattung II; WENNING, Art. Bestattung. 51 Hierzu MIRGUET, History of Compassion, 113.

2,4–8

Rekurs auf Amos 8,10

Bestattung und Spott der Nachbarn

2,9–10

Tobits Augenerkrankung

104

Die Exposition (1,3–3,17)

durch den scharfen, ammoniakhaltigen Kot verursacht wurde, und aus der schließlich eine Hornhauttrübung bzw. eine Vernarbung der Hornhaut resultierte.52 Der Zürcher Augenarzt PD Dr. Hannes WILDBERGER vertritt die These, dass sich hinter Tobits Erkrankung eine korneale verkalkende (bilaterale) Bandkeratopathie (in der Fachsprache auch „calcific band keratopathy“ [CBK] genannt) verbirgt. WILDBERGER beschreibt die CBK folgendermaßen: „Die Trübungen entstehen weitgehend im Bereiche der unbedeckten Lidspalte, deshalb der Name Band-Keratopathie. Erreichen die Trübungen die optische Achse, fällt die Sehschärfe ab. Fragmente der brüchigen Kalkplatten fallen möglicherweise spontan heraus, wodurch die Sehschärfe wieder etwas ansteigen kann […]. Die CBK hat verschiedene Ursachen: Ausser seltenen erblichen oder idiopathischen Formen entsteht die CBK meistens sekundär als Folge chronischer pathologischer (endzündlicher) Vorzustände mit funktioneller Beeinträchtigung.“53

Für die Verbindung von Tobits Erblindung mit der CBK spricht nach WILDBERGER vor allem die Tatsache, dass Tobits Leiden schließlich durch den mechanischen Einsatz von Fischgalle (11,11–13; siehe auch 6,5f.9 und 11,4.8) geheilt werden konnte (zur Heilung siehe ausführlicher 11,11–13). Tatsächlich können die Kalkplättchen, die bei der CBK das Sehvermögen behindern, durch einen mechanischen Eingriff (so z. B. durch den Einsatz von Chemikalien) zur Ablösung gebracht werden.54 Im Falle von Leukomata ist ein solcher Prozess dagegen nicht möglich, denn, so WILDBERGER: „Echte tiefe Leukomata, weiss erscheinende korneale Narben innerhalb des Hornhautstromas (z. B. nach einem entzündlichen Hornhautulkus), reagieren nicht im geringsten auf Tropfen, Reiben, Kratzen oder Chelation.“55 Sollte der Erzähler tatsächlich an CBK gedacht haben, so würde dies bedeuten, dass der Kontakt mit dem Vogel-Kot eine bereits bestehende Disposition für die Erkrankung verstärkt hätte. Allerdings sind die weißen Flecken auf Tobits Augen nur der Anfang der Misere, denn erst durch die Behandlung der Ärzte, die Tobit zum Therapieren (vgl. θεραπεύω) seiner Erkrankung aufsucht, kommt es zur vollständigen Erblindung (2,10b). Θεραπεύω erscheint in Tob bei Heilungsaktivitäten, die keinen expliziten Bezug zum Handeln Gottes haben (siehe auch 12,3, wo Tobias ja noch nicht weiß, dass sich hinter Azarias [alias Rafaël] der von Gott gesandte Engel verbirgt). Für 52 Vgl. hierzu KOLLMANN, Göttliche Offenbarung, 293: „Eine präzise wissenschaftliche Diagnose dieses Augenleidens gibt die unter dem Namen Galens überlieferte, in Wirklichkeit aber wohl bereits aus dem 1. Jh. n. Chr. stammende Introductio sive medicus, die das λεύκωμα (albugo) als gesteigerte Form der οὐλή (cicatrix) beschreibt. Eine cicatrix liegt vor, wenn im Schwarzen des Auges aus einer tiefen Wunde eine Verdickung der Membran entsteht, die das Aussehen des Auges weiß erscheinen läßt. Das λεύκωμα (albugo) unterscheidet sich von der cicatrix lediglich durch die Schwere des Falles, indem die Wunde und die daraus resultierende Vernarbung auf der Iris in noch größerem Maße als bei der cicatrix gegeben sind.“ Zu weiteren Quellen zu den λευκώματα siehe USENER, LXX und ihre Vernetzung, 101f., Anm. 37. 53 WILDBERGER, Legende, 182. 54 WILDBERGER, Legende, 182f. 55 WILDBERGER, Legende, 183. Ich danke dem Autor, dass er mir zur Abfassung dieses Kapitels seinen damals noch unveröffentlichten Aufsatz zur Augenkrankheit Tobits zur Verfügung gestellt hat.

Synchrone Analyse

105

das Heilungshandeln, das in einem theologischen Horizont steht, benutzt der Erzähler den Terminus ἰάομαι (3,17; 5,10; 12,14). Bemerkenswert an dieser Krankheitsgeschichte ist ihre geradezu „naturwissenschaftliche“ Darstellung. Es handelt sich um ein „pragmamorphes“ Krankheitskonzept, insofern hier ein lebloser Fremdkörper (und eben kein Dämon oder eine Gottheit) die Ursache für Tobits Erblindung ist; die Heilung erfolgt dadurch, dass Medikamente eingesetzt werden, um diesen zu eliminieren. Der Text weiß zudem auch nichts davon, dass Tobit irgendeine Schuld auf sich geladen hat. Damit sind „hier äußere Einflüsse ohne religiöse Implikationen die Ursache der Erkrankung“,56 sodass Tobits Erblindung als ein kontingentes Geschehen erscheint und sich an dieser Stelle eine „Krankheitskonstruktion jenseits des Tun-Ergehen-Zusammenhangs“57 zeigt. Tobit wird wegen der Taten seiner Nächstenliebe nicht nur verfolgt, sondern erfährt ausgerechnet im Kontext einer Barmherzigkeitstat wie der Bestattung der Toten nunmehr das Schicksal der Erblindung.58 Tobits Gebrechen und sein Schicksal machen ihn verletztlich, und er wird nun Achikars seinerseits von anderen abhängig. In dieser traurigen Situation – immerhin dauert Unterstützung Tobits Blindheit vier Jahre an – erfährt dieser aber das Mitleid seiner „Brüder“. Es ist anzunehmen, dass sich der Begriff hier wieder auf die Gruppe derer bezieht, die mit Tobit nach Ninive exiliert wurden59 (zum Begriff siehe zu 1,3), und wieder ist es Tobits Neffe Achikar, der als Retter in der Not fungiert, indem er Tobit bis zu seiner Übersiedlung in die Elymaïs versorgt (zu Achikar siehe zu 1,22). So zeigt sich auch hier wieder der Aspekt der Familiensolidarität (siehe hierzu die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“).60 Da der erblindete Tobit nicht mehr für den Unterhalt seiner Familie aufkom- 2,11–14 men kann, ist nun seine Frau Hanna gezwungen, Geld zu verdienen. Die Tatsache, dass Tobit aufgrund des bei Gabaël deponierten Geldes (siehe 1,14) eigentlich ein reicher Mann ist, kann deshalb außer Acht bleiben, da ihm dieses Vermögen ja nicht unmittelbar zur Verfügung steht. Der Erzähler weiß zunächst nur ganz allgemein, dass Hanna „Frauenarbeiten“ verrichtet (2,11). Aus der knappen Notiz, dass Hanna das Tuch abgeschnitten hat, lässt sich schließen, dass sie Webarbeiten verrichtete (siehe Spr 31,13.19.22.24, wonach Textilarbeiten typische Frauenarbeiten waren). Hanna bekommt zusätzlich zu dem ihr zustehenden Lohn „für den Herd einen Bock von den Ziegen“ als Geschenk (2,12). Mit der etwas umständlich wirkenden Wendung „ein Bock von den Ziegen“ bedient sich der Erzähler biblischer Sprache (siehe z. B. Ri 13,15), wobei ein Ziegenböckchen ein traditionelles Geschenk darstellt (vgl. Gen 38,17; Ri 15,1; 1 Sam 16,20).61 56 WOHLERS, Heilige Krankheit, 73. 57 So eine Formulierung Reinhard VON BENDEMANNs im Kontext einer Interpretation von Lk 14; siehe VON BENDEMANN, Krankheit, 181. 58 DI LELLA, Two Major Prayers, 99; NICKLAS, Weg der Gerechten, 66; SCHÖPFLIN, Women’s Roles, 176. Auch HARTSOCK, Sight and Blindness, 114, verweist darauf, dass Tobits Erblindung unverschuldet sei. 59 Zum Begriff „Bruder“ in Tob siehe die Einleitung. 60 Siehe MIRGUET, History of Compassion, 125. 61 Vgl. BERTRAND, Chevreau, 271, der den 7. Dystros auf den 10. Nisan datiert und davon ausgehen möchte, dass es sich hier um ein Passalamm handelte.

106

Die Exposition (1,3–3,17)

Streit mit Nach dieser knappen Einleitung folgt die eigentliche Handlung: Der alte und Hanna blinde Tobit hört das Tier blöken, unterstellt seiner Frau, dieses gestohlen zu

haben, und fordert sie auf, es seinen Besitzern zurückzugeben. Durch die Verwendung der wörtlichen Rede erfolgt eine zunehmende Verlebendigung und Vergegenwärtigung des Geschehens (2,13). Ohne zu zögern, stellt Hanna den Sachverhalt klar, wonach es sich bei dem Ziegenböckchen um ein Geschenk handelt. Doch Tobit glaubt ihr nicht; er beharrt auf seiner Forderung, das Tier seinen rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben. Der Hinweis, dass er ihretwegen errötet (προσερυθριάω), deutet seine innere Erregung, vielleicht auch seine Scham, an und dass er die Kontrolle über seine Emotionen verloren hat (für ἐρυθριάω siehe in LXX nur noch Est 5,1LXX mit dem Bezug auf Esters Schönheit, als diese vor den König tritt). Die Szene endet relativ abrupt, indem Hanna nun – Nadelstichen gleich – provokativ zwei rhetorische Fragen äußert, die auf Tobits Barmherzigkeitstaten (ἐλεημοσύναι) und seine gerechten Werke (δικαιοσύναι) abzielen. Angesichts der Blindheit Tobits und seines Misstrauens gegenüber seiner Frau scheint nichts für die Gültigkeit dieser Werte und die damit verbundene Praxis zu sprechen. Die abschließende Aussage „Siehe, alles ist offenbar an dir“ kann in diesem Kontext nur ironisch verstanden werden: Obwohl Tobit sein ganzes Leben lang barmherzig und gerecht handelte, ist der Lohn hierfür eben nicht offenbar, sondern im Gegenteil: Er ist blind, sozial isoliert und verzweifelt (2,14). Somit stellt Hanna hier die gesamte Existenz ihres Mannes infrage. Insofern sich nun auch seine Frau von ihm distanziert und ihn verspottet, steht Tobit vor dem Nichts. Insgesamt wird deutlich, dass die Weltordnung aus den Fugen geraten ist.62 „So war aus Tobit unter den mörderischen Bedingungen des Exils trotz seiner großen Frömmigkeit ein verarmter, sozial isolierter, chronisch Kranker geworden, dessen Familie nur durch Zuwendungen Achikars und Gelegenheitsarbeiten seiner Frau über Wasser gehalten werden konnte. Als auch noch das Vertrauensverhältnis zu seiner Frau zu zerbrechen schien, war Tobit am Ende.“63

Der Erzähler lässt seine Leser von diesen Begebenheiten wissen, ohne sie näher zu kommentieren.64 Entsprechend kontrovers wurde Tobits Handlungsweise in dieser Szene auch gesehen: Manche Ausleger bestehen darauf, dass Tobit hier im Recht ist,65 wohingegen andere den Umgang mit seiner Frau aufs Schärfste verurteilen.66 Man hat Tobits Verhalten auch als Ausdruck einer spirituellen Blindheit gesehen, die mit seiner physischen Blindheit korreliert. Der Streit mit Hanna macht deutlich, dass Tobit sich durch seine Krankheit verändert hat:

62 COUSLAND, Comedy, 543f. Siehe zum Ganzen auch die ausführliche narratologische Untersuchung des Abschnittes von RAUTENBERG, Verlässlichkeit des Wortes, 30–61, die den Weg Tobits in seine Isolation detailliert nachzeichnet. 63 ALBERTZ, Exilszeit, 35. 64 Darauf verweist COUSLAND, Comedy, 540. 65 So COUSLAND, Comedy, 543f., der in diesem Kontext auf die Schande verweist, die Hannas Arbeiten für Tobit bedeutet. 66 So z. B. SCHÖPFLIN, Women’s Role, 176; vgl. LEVINE, Women in Tobit, 81. Zur Figur der Hanna siehe auch DIMANT, Wife of Tobit.

Synchrone Analyse

107

„Tobit loses his spiritual vision when his eyesight is lost. Physical vision and spiritual vision go hand-in-hand here. […] [Die Auseinandersetzung mit Hanna zeigt]: His blindness has immediately resulted in paranoia, mistrust of the people closest to him, and angry outbursts, all of these things in the immediate narration following his blinding.“67

Die Aussage Hannas, dass nun alles offenbar ist, macht Tobits Schicksal öffentlich: „As a blind man, he becomes the unwitting object of others’ gaze […] he is known, while he himself is literally kept in the dark […] to his suffering is added the experience of being exposed in his vulnerability.“68

Tobit reagiert auf all diese Anfechtungen mit einem Bittgebet.69 Dieses ist das 3,1–6 erste in einer Reihe von Gebeten, die die Erzählung leitmotivartig wie ein roter Faden durchziehen. Das Gebet ist folgendermaßen aufgebaut: Nach der eröffnenden Doxologie, die Gottes Barmherzigkeit und Gerechtigkeit preist (3,2), folgt der Bitt-Teil, der auch ein Schuldbekenntnis enthält (3,3f.). Daran schließt ein weiterer Preis von Gottes Gerechtigkeit an (3,5). Das Gebet Tobits endet mit dem Wunsch, dass Gott ihn sterben lassen möge (3,6).70 Zum Einzelnen: Tobit, emotional sehr anrührend in Schmerz und unter Klagen 3,2 und Weinen71, beginnt mit einer dreiteiligen Doxologie, in der er Gottes Gerechtigkeit und sein barmherziges und wahrhaftiges Handeln preist. Gott wird zunächst als „gerecht“ angesprochen, im zweiten Glied bekennt Tobit Gottes Barmherzigkeit und seine Wahrheit; im letzten Glied folgt schließlich ein Verbalsatz, der Gottes richterliche Tätigkeit beschreibt. Somit rahmt das Motiv der Gerechtigkeit diese Gebetseröffnung ein und es erfährt dadurch ganz besonderen Nachdruck (3,2). „Gerechtigkeit“, „Wahrheit“ und „Barmherzigkeit“ sind nicht nur – wie bislang in der Erzählung – menschliche Ideale, sondern können auch göttliche Wirkgrößen darstellen. Mit der Trias „Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Wahrheit“ steht Tobits Gebetseröffnung in einer theologisch bedeutsamen Beziehung zu seiner Selbstvorstellung am Anfang der Erzählung (siehe zu 1,3),72 da nun in textpragmatischer Hinsicht deutlich wird, dass er mit seinem Handeln letztlich im Einklang mit Wirksphären steht, die Gott zuzuschreiben sind. An dieser Stelle erscheint in

67 Vgl. HARTSOCK, Sight and Blindness, 115; siehe auch FASSBECK, Tobit’s Religious Universe, 188; PORTIER-YOUNG, Alleviation, 49; SCHÖPFLIN, Women’s Role, 176. JACOBS, Biting Off, 162, bescheinigt Tobit „confused self-righteousness“. 68 Vgl. MIRGUET, History of Compassion, 125. Zu diesem Abschnitt siehe auch ausführlich JACOBS, Delicious Prose, 77–85, die sich viele Gedanken darüber macht, warum Tobit so unwirsch reagiert (so z. B. wegen der Geruchsbelästigung durch das Tier, die für einen Blinden besonders unangenehm sein soll). JACOBS interpretiert den Zwischenfall unter dem Motto „food resistance“ (ibid., 83). 69 Zum Gebet Tobits siehe neben den Hinweisen in der Einleitung insbesondere DI LELLA, Two Major Prayers, 100–107. 70 Vgl. auch DI LELLA, Two Major Prayers, 100–107, der das Gebet in drei Strophen gliedert: 1. Strophe: Doxologie und Klage; 2. Strophe: Klage über die Sünden der Väter; 3. Strophe: Bitte um die Zuwendung Gottes. 71 Hierzu siehe EGGER-WENZEL, Emotional Relationship, 59–64. 72 Zu „Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Wahrheit“ siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“.

108

Die Exposition (1,3–3,17)

Tob zum ersten Mal die Gottesbezeichnung κύριος, „Herr“, die für das Tetragramm steht.73 3,3f. Darauf folgen – eingeleitet mit καὶ νῦν (siehe auch 3,5.6) – verschiedene Bitten (3,3f.). Tobits erste Bitte, Gott möge seiner gedenken (μιμνῄσκομαι), zielt auf die göttliche Zuwendung. In diesem Sinne ist auch die Rede vom „Schauen Gottes“ (ἐπιβλέπω) zu verstehen (3,3a). Dieses Verb eröffnet auch intertextuelle Bezüge. Während bislang Tobit das Subjekt des Gedenkens war und dieses als Ausdruck seines Gebotsgehorsams verstanden werden kann (so 1,12), erscheint nun Gott als potentieller Akteur. Damit klingt der Tun-Ergehen-Zusammenhang an: Tobit, der Zeit seines Lebens durch seine frommen Werke seines Gottes gedachte, kann diesen nun reziprok um Zuwendung bitten.74 Im Gesamtkontext der Erzählung überrascht, dass Tobit Gott auch darum bittet, ihn nicht wegen seiner Sünden (ἁμαρτία) zu strafen (3,3b); unmittelbar darauf folgt ein explizites individuelles Sündenbekenntnis. Tobit erklärt, dass er gesündigt und auf die Gebote (ἐντολή) Gottes nicht gehört habe (παρακούω) (3,3c.4a). Dieses Bekenntnis steht im Gegensatz zu Tobits langer Erzählung über seinen integren Lebenswandel in den beiden ersten Kapiteln des Buches. Dadurch, dass Tobit hier auch seine unwissentlichen Vergehen (ἀγνόημα) nennt, wird der Widerspruch zu dem Bild des frommen und gerechten Tobit etwas abgeschwächt. Wenn man nicht davon ausgehen möchte, dass Tobit sein Verhalten gegenüber seiner Frau bereut,75 was angesichts seiner Klage über seine Schmähungen (siehe unten) eher unwahrscheinlich ist, lässt sich dieses Bekenntnis am besten damit erklären, dass er sich hier als Teil seines Volkes begreift.76 Unschwer kann dies mit der bisherigen Handlung und dem Verweis auf die Bilderverehrung der Naftaliten (1,4–5) bzw. die Teilnahme an der Speise der Völker im Exil (1,10) verbunden werden. Die Konsequenz aus diesen Verfehlungen zeigt V. 3,4b, insofern Gott das Volk ins Exil gegeben hat. Dabei wird sowohl auf die physische Seite rekurriert („Plünderung“, „Gefangenschaft“ und „Not“) als auch auf die soziale Seite („Sprichwort“ im pejorativen Sinne, „Gerede“ und „Schmach“). 3,5 Anschließend betont Tobit nochmals die göttliche Gerechtigkeit (dazu bereits allgemein oben), wobei Gottes Gerichtshandeln nun insofern konkretisiert wird, als es die unmittelbare Reaktion auf den Ungehorsam gegenüber dem göttlichen Gebot darstellt (3,5). Auffallend ist wieder die enge Verbindung von Individuum und Kollektiv; Tobit erfährt Gottes Gericht wegen der Sünden seines Volkes.77 3,6 Am Ende des Gebets setzt Tobit seine Bitten fort (3,6). Der Abschnitt besteht aus zwei Teilen, insofern zwei bzw. drei aufeinanderfolgende Bitten jeweils durch eine Sentenz abgeschlossen werden: 73 Zu den Gottesbezeichnungen in Tob siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Figuren der Handlung“. 74 Zum Motiv des „Gedenkens Gottes“ siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 75 In diese Richtung denkt HARRINGTON, Prayers, 87; vgl. dagegen FITZMYER, 143: „Tobit does not say what his sins have been. We know of the rash judgement of his wife, but he implies something more serious“. 76 DI LELLA, Two Major Prayers, 114; siehe auch ANDERSON, Did Jesus Confess his Sins, 467. 77 Zur kollektiven Dimension der Erzählung siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“.

Diachrone Analyse

109

– 3,6a: Bitte Tobits, dass seine Seele von ihm genommen werde („ἀναλαβεῖν τὸ πνεῦμά μου“), damit er erlöst werde vom Angesicht der Erde; – 3,6b: Bitte, dass er erlöst (ἀπολύω) werde vom Angesicht der Erde und zu Erde werde; – 3,6c: Begründende Sentenz: Der Tod ist einem Leben voller Schmähungen und Betrübnis vorzuziehen. – 3,6d: Bitte Tobits, dass er erlöst werde von dieser Not; – 3,6e: Bitte Tobits, dass er erlöst werde zum ewigen Ort („ἀπόλυσόν με εἰς τὸν τόπον τὸν αἰώνιον“); – 3,6f: Bitte Tobits, dass Gott sein Angesicht nicht abwenden möge; – 3,6g: Begründende Sentenz: Der Tod ist einem Leben voller Schmähungen vorzuziehen.

Es muss zunächst offenbleiben, ob hier von einer Hoffnung auf eine jenseitige Existenz ausgegangen wird. Der Fokus von Tobits Todeswunsch liegt ganz darauf, die gegenwärtige notvolle Lebenssituation hinter sich lassen zu können. Interessanterweise bezieht sich Tobit hier nicht auf seine Blindheit, sondern vielmehr auf die gegen ihn gerichteten Schmähungen, sodass an dieser Stelle eindeutig die soziale Seite des Schmerzes mit dem Hohn der Nachbarn (2,8f.) und dem Streit mit Hanna (2,11–14) im Vordergrund steht.

Buchinterne Bezüge Die Kapitel sind auf vielfältige Art mit der Gesamterzählung verbunden, insofern hier die Motive „Gebet“ und „Heilung“ eingespielt werden, die dann im Laufe der Handlung zur Entfaltung kommen sollen. Weitere Leitmotive sind „Barmherzigkeit“ und damit verbunden die Figur Achikars, Tobits Gehorsam gegenüber den göttlichen Weisungen, das Thema der „Endogamie“ sowie das der „Bestattung“. Das Motiv der Speisen verbindet sich sowohl mit dem Gebotsgehorsam als auch mit Tobits Barmherzigkeitstaten. Eine Vorbereitung der Reise des Sohnes Tobias findet durch die Erwähnung des Geldvermögens statt, das Tobit bei Gabaël in Rages hinterlegt hat.78 Des Weiteren enthält die Erzählung wichtige Schlüsselelemente für den Handlungsverlauf: Tobits Erblindung (2,10) bildet dabei einen entscheidenden Katalysator: Ihretwegen muss Tobits Frau Hanna den Unterhalt für die Familie bestreiten, wodurch es schließlich zum Streit der Eheleute (2,11–14) und zur Krise Tobits und seinem Todeswunsch (3,6) kommt. Schließlich präludiert die Verspottung Tobits durch seine Nachbarn und seine Frau das Schicksal Saras, die von ihren Mägden verhöhnt wird (3,7–9), und leitet so zum nächsten Abschnitt und zu deren Geschichte über.

Überblick

Schlüsselelemente für die Handlung

Diachrone Analyse Die einzelnen Begriffe „Barmherzigkeit“, „Gerechtigkeit“ und „Wahrheit“ sowie auch die Metapher des Weges79 sind traditionell vorgegeben: – Gen 24,48; Ps 118,30LXX bzw. Weish 5,6 sprechen vom „Weg der Wahrheit“ (ὁδὸς ἀληθείας; siehe auch Ps 86,11 sowie 1QGenApocr 6,3). Spr 8,20; 16,31 und 78 Zum Ganzen siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 79 Siehe hierzu die umfassende Untersuchung von ZEHNDER, Wegmetaphorik.

1,3: Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit

110

Die Exposition (1,3–3,17)

17,23 haben „Wege der Gerechtigkeit“ (ὁδοὶ δικαιοσύνης).80 Die Verbindung von „Wahrheit und Gerechtigkeit“ findet sich in 1 Kön 3,6 („wandeln in Wahrheit und in Gerechtigkeit“). – Die Trias der Begriffe (allerdings ohne die Wegmetapher) begegnet auch in Jes 16,5; Ps 85,11 und 89,15. Die Wendung ἐν δικαιοσύναις hat allerdings kein wörtliches Pendant in der Überlieferung der LXX (hier erscheint ἐν δικαιοσύνῃ – z. B. Lev 19,15; Jos 24,14). Die pluralische Verwendung des Terminus stellt eine semitisierende Ausdrucksweise dar (vgl. hebr. ‫)צדקות‬.81 1,3: BarmherDie Zuwendung zu den Schwachen und die Gabe der Almosen ist ein traditiozigkeitstaten neller Bestandteil der Ethik des Alten Testaments. Prinzipiell ist die Existenzsiund Almosen cherung des Einzelnen an familiäre Strukturen gebunden. Wenn diese aber zunehmend geschwächt werden (so ganz deutlich im 8. Jh. v. Chr.), dann greift der Staat zunächst in der Form einer Kodifizierung des Rechts ein, indem er versucht, durch „Sozialgesetze die Mechanismen zu dämpfen, die zur Verelendung führen, indem u. a. die Schuldsklaverei zeitlich befristet (Ex 21,2–6; Dtn 15,12–18) und ein regelmäßiger Schuldenerlass gefordert wird (Dtn 24,6). Daneben werden in regelrechten Armengesetzen Bestimmungen fixiert, die der Versorgung derjenigen dienen, die aus dem familiären System herausgefallen sind. Zu nennen ist das Recht der Ernte im Brachjahr (Ex 23,11), das Verbot der Nachlese auf den abgeernteten Pflanzungen zugunsten der Armen (Dtn 24,19–22) und als umfassendste Maßnahme die Armensteuer in Form des Zehnten, der alle drei Jahre den Bedürftigen gewidmet wird (Dtn 14,28f.; 26,12).“82

Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Sozialethik des Deuteronomiums zu: Ganz Israel wird als ein Volk von Brüdern verstanden, das sich durch seine Solidarität untereinander auszeichnet; dabei motivieren werbende Ermahnungen zu einem entsprechenden Handeln. In späterer Zeit, nach dem Untergang der Königreiche Israel und Juda, erhält die soziale Existenzsicherung dann eine neue Dimension, insofern nun vor dem Hintergrund einer zunehmenden Verelendung das Almosenwesen eine immer größer werdende Bedeutung bekommt. Zwar sind „Träger des Almosenwesens […] alle, die dazu in der Lage sind. In der Realität wendet sich der Bettelarme natürlich an Reiche […]. Das Oberhaupt einer wohlhabenden Familie, der Patriarch ist das Subjekt der Armenfürsorge (siehe Hiob 29,16; 31,16f.19). Darüber hinaus wurden wohl auch am Jerusalemer Tempel Gelder deponiert, um damit personae miserae wie Witwen und Waisen zu unterstützen (2 Makk 3,10); auch eine Armenversorgung durch die synagogale Gemeinde ist nicht auszuschließen (siehe CD XIV 12–17).“83

Tobit erscheint durch sein Verhalten als ein Vertreter einer begüterten Oberschicht, sonst könnte er sich die Unterstützung der Armen in solchem Umfang gar nicht leisten. Damit wird er als ein „guter“ Reicher gekennzeichnet (siehe

80 81 82 83

Hiob 24,13 formuliert im Sg. „Weg der Gerechtigkeit“. So DYMA, Wallfahrt, 211, Anm. 536. KESSLER, Armenfürsorge, 208. Zum Ganzen siehe KESSLER, Armenfürsorge, 209–216.

Diachrone Analyse

111

hierzu Sir 13,24 [30]: „Gut (ist) der Reichtum, dem keine Sünde anhaftet […]“ (nach LXX.D); vgl. auch Sir 34[31],8–11; dagegen Sir 26,29[28] – 27,2[2–3]: „Kaum bleibt ein Händler von Schuld frei … Um des Vorteils willen haben viele gesündigt …“ (nach LXX.D).84 Während die ältere biblische Überlieferung nur Assyrien als Ort der Exilierung angibt (vgl. 2 Kön 15,29; 17,6; 18,11), nennt der Erzähler nun explizit die Stadt Ninive als Wohnort Tobits. Für die biblische Überlieferung, die auf die aggressive Expansionspolitik der Assyrer im 8. Jh. v. Chr. reagierte, ist die Stadt Inbegriff assyrischer Macht und Herrschaft.85 Insbesondere in den Büchern Nahum und Zefanja ist Ninive „Symbol unwiderstehlicher Überlegenheit, aber auch unausstehlicher Überheblichkeit, auf welche die Autoren mit Gefühlen der Ohnmacht und des Zorns reagieren.“86 Die Stadt selbst wird in der biblischen Überlieferung als Ort frevlerischen Handelns konnotiert (vgl. Jona 1,2; 3,8.10; 4,11; Nah 3,1–4 und Zef 2,15); sie ist die „Blutstadt“, „durch und durch Betrug“, „voll von Beute“, „die Hure“, die Völker verkauft (siehe Nah 3,1–4). Ninive bildet somit das Symbol einer traumatischen historischen Erfahrung der Fremdherrschaft, Gewalt und Ausbeutung, die Israel über fast zwei Jahrhunderte in Bann hielt. Die Überlieferung von Naftalis Bilderdienst speist sich weitgehend aus der biblischen Tradition: Der Abfall vom „Haus Davids“ verweist auf die sog. Reichstrennung unter Jerobeam I., die bereits in 1 Kön 12,19LXX explizit mit dem Verb ἀθετέω, „abfallen“ (MT: ‫)פשׁע‬, bezeichnet wird. Die „Erwählung Jerusalems“ „aus allen Stämmen Israels“ mit dem Motiv des Opferns (θύω) rekurriert auf die Kultzentralisation (siehe Dtn 12,1–14). Durch den Bezug auf Jerusalem werden hier traditionelle Motive aus der Zionstheologie eingespielt: Der Tempel ist Wohnung Gottes (vgl. 1 Kön 6,13; 8,12f.) und ist geheiligt (vgl. 1 Kön 9,3.7; 2 Chr 7,16.20). Die Aussage, dass Tobits Brüder dem Jungstier Jerobeams opferten, paraphrasiert 1 Kön 12,28–32 und versteht diesen Beleg dahingehend, dass Jerobeam in Bet-El und Dan zwei goldene Kälber (‫ )עגל‬als Gottesbilder aufgestellt und das Volk diese angebetet habe. In LXX erscheint hier allerdings δάμαλις (siehe 1 Kön 12,28.32; so auch 2 Kön 10,29; 17,16); den in Tob verwendete Begriff μόσχος dagegen belegt LXX in der Episode vom Goldenen Kalb (vgl. Ex 32,4.8.19.20.24.35; MT: ebenfalls ‫( )עגל‬siehe auch TA 1,5b). Außerdem ist im Gegensatz zur biblischen Erzählung nicht mehr von den beiden Orten Dan und Bet-El die Rede, sondern von Dan und „von allen Bergen Galiläas“. Diese Änderung erklärt sich durch die Fokussierung des Rückblicks Tobits auf den Nordstamm Naftali. Die Ausweitung auf „alle Berge Galiläas“ kann im Sinne einer Steigerung und Dramatisierung des Geschehens verstanden werden. Ἰεροσόλυμα ist eine hellenisierende Namensform, die das griechische ἱερός, „heilig“, anklingen lässt. Sie findet sich zum ersten Mal bei HEKATAIOS VON ABDERA und in den Zenon-Papyri, wohingegen sie in LXX erst spät erscheint (außer bei Tob v. a. noch in 1–4 Makk). Es handelt sich um eine bewusste interpretatio graeca

84 Zur Sicht des Reichtums bei Jesus Sirach siehe KAISER, Vom offenbaren und verborgenen Gott, 144–158; WITTE, Ethos der Barmherzigkeit. 85 Ein knapper Überblick zur Geschichte der Stadt findet sich bei FABRY, Nahum, 64–67; siehe auch RÖLLIG, Art. Ninive, 931f. 86 DIETRICH, Ninive in der Bibel, 239.

1,3: Ninive

1,4–5: Naftalis Bilderdienst

1,6: Jerusalem als Ziel der Wallfahrt

112

Die Exposition (1,3–3,17)

des Namens Ἰερουσαλήμ, die auf hellenistische Kreise zurückgeht.87 Die gesamtisraelitische Perspektive und die Zentralität Jerusalems ist traditionell mit der dtn.dtr. Theologie verbunden, spielt aber auch in prophetischen Zukunftsbildern (siehe insbesondere Jer 3,6–18; 30,27f.LXX; Ez 37,15–28) eine wichtige Rolle. In hellenistischer Zeit könnte in dem Motiv der Jerusalemwallfahrt auch eine Polemik gegen das Heiligtum auf dem Garizim mitschwingen, das dann unter Johannes Hyrkanus I. (134–104 v. Chr.) zerstört wurde.88 In politischer Hinsicht spielten Galiläa und seine Verbindung mit Jerusalem insbesondere zur Zeit der Makkabäerkämpfe und der Hasmonäerherrschaft eine wichtige Rolle: Simon eilt im Auftrag seines Bruders Judas den bedrängten Bewohnern Galiläas zur Hilfe und führt nach seinem Sieg Leute aus Galiläa unter großem Jubel nach Jerusalem (vgl. 1 Makk 5,14–23). Aristobul I. (104–103 v. Chr.) sollte dann das Gebiet definitiv erobern (zum Einzelnen siehe auch zu 1,2 „Tobits Heimat“). Details zu den Abgaben bei Tobits Tempelwallfahrt erschließen sich durch den 1,6–8: Die Tempelab- Rückgriff auf die ältere biblische Literatur. gaben Der Abschnitt rekurriert auf verschiedene biblische Bestimmungen über Abgaben und stellt diese in einem kohärenten System zusammen; zudem decken sie sich mit weiteren Belegen aus der hellenistischen Zeit. Dabei sind die Darbringungen für vier verschiedene Personengruppen bestimmt: die Priester (1–4), die Leviten (5), den Spender selbst (6) und die Armen (7). Konkret werden die Erstlinge des Weizens (1), die Erstlingsfrüchte (2), der Zehnte des Viehs (3), die Erstschur der Schafe (4), verschiedene Früchte für die Leviten (5), der „zweite Zehnte“ (6) sowie der Armenzehnte (7) als Abgaben genannt. 1.

2.

Der Terminus ἀπαρχή meint die Abgabe der Erstlinge der Weizenernte und verweist auf die Anordnung zur Priesterabgabe in Lev 23,10 (‫)ראשׁית‬, Num 18,11–13 (‫ )תרומה‬und Dtn 18,4 (‫)ראשׁית‬.89 In 2 Chr 31,5 wird diese Abgabe unter den Darbringungen erwähnt, welche die Israeliten im Kontext der Kultreform des Königs Hiskija nach Jerusalem brachten. Außerdem erscheint die Abgabe unter den Verpflichtungen für die judäischen Führer unter der Herrschaft Nehemias (Neh 10,38).90 Auch die Qumrantexte nennen eine solche Abgabe für die Priester (4Q251 10 9; 4Q524 6–10; 4QMMT [4Q394 8iv 13]; 4Q396 1–2iii 3). Aus dem Kontext von 4QMMT [4Q394 8iv 13] sowie aus 4Q251 10 9 geht dabei eindeutig hervor, dass diese Abgabe zum Tempel gebracht wurde, und Jub 13,25 spricht davon, dass die Erstlinge von den Priestern „vor Gott“ verzehrt wurden, eine Ausdrucksweise, die ebenfalls auf den Tempel als Ort der Darbringung hinweist.91 Die zweite Abgabe für die Priester besteht in der Ablieferung der Erstlingsfrüchte (griech. τὰ πρωτογενήματα; hebr. ‫ )בקורים‬und hat als engste biblische Referenztexte Dtn 18,4LXX und Dtn 26,1–11LXX (V. 2: „τῆς ἀπαρχῆς τῶν καρπῶν τῆς γῆς“; V. 10 „τὴν ἀπαρχὴν τῶν γενημάτων τῆς γῆς“), wo jedesmal explizit die Priester als

87 Zum Ganzen siehe HENGEL, Juden, Griechen und Barbaren, 165 (mit weiteren Belegen); siehe auch DYMA, Wallfahrt, 220. 88 Hierzu FREY, Temple and Rival Temple, 180–186; KIEWELER, Art. Garizim (Lit.). 89 Vgl. Ex 23,16, wo die Adressaten nicht näher spezifiziert werden. 90 Siehe hierzu DIMANT, Qumran Halakhah, 129, die hier verschiedene ältere Studien zusammenfasst. 91 Belege bei DIMANT, Qumran Halakhah, 133.

Diachrone Analyse

3.

4.

5.

6.

7.

113

Empfänger der Darbringung genannt werden.92 Nach den Belegen aus Qumran 4Q251 9 1–6 und 4Q365a 2i 2–4 wurde diese Abgabe von allen Arten des Getreides und der Früchte am Tempel dargebracht (zum Einzelnen siehe auch 11Q19 XVII–XX).93 Die dritte Abgabe an die Priester, der Zehnte des Viehs, basiert auf Lev 27,32 (dort allerdings ohne explizite Nennung der Priester als Empfänger)94 und ist ebenfalls in der Tempelrolle 11Q19 LX,2–3; 4QMMT (4Q394 8iv 13; 4Q397 6–13 5) sowie in der Damaskusrolle (4Q270 2ii 7–9) und in Jub 13,25; 32,8.11 belegt. Zudem entspricht dies auch einer Tradition bei PHILO Spec. I,131–144.95 Die vierte den Priestern geltende Abgabe schließlich ist die der ersten Schafschur. Sie basiert auf Dtn 18,496 und findet sich auch in der Abschrift des DamaskusDokuments 4Q270 2ii 8–9, wobei davon auszugehen ist, dass diese Abgabe in Jerusalem stattfindet.97 Im Anschluss an die Priesterabgaben wendet sich die Aufzählung den Abgaben für die Leviten zu. Der Text rekurriert auf Num 18,21–24, wo von der Abgabe an die Leviten gesprochen wird, allerdings ohne konkrete Angaben, worum es sich dabei handelt. „Getreide, Wein und Öl“ werden in Neh 13,5 im Kontext von Abgaben genannt. Die Nennung von Früchten könnte durch Lev 27,30 inspiriert sein, wo Früchte im Kontext mit dem Zehnten stehen.98 Wie in Tob findet sich auch in Neh 10,38 und 2 Chr 31,4–6 ein Bezug zu Jerusalem. Auch die Tempelrolle 1QTa 60,6–7 sowie Jub 32,9 belegen eine Abgabe an die Leviten. Offensichtlich wurde auch diese Abgabe am Tempel dargebracht.99 Dann folgt die Erwähnung eines „zweiten Zehnten“, den Tobit zunächst verkauft, um dann den Erlös in Jerusalem auszugeben. Hier bezieht sich der Text auf Dtn 14,22–27. Wie im biblischen Text wird ausdrücklich erwähnt, dass diese Abgabe alljährlich zu entrichten ist. Allerdings fehlt in der biblischen Überlieferung die Bezeichnung als „zweiter Zehnter“. Dieser Ausdruck erscheint dann aber in Jub 32,11. Nach dem Ausweis der Qumranüberlieferung (so die Tempelrolle 11Q19 XLIII,2–17) und Jub 32,10–11 muss dieser Zehnte in den Tempel gebracht werden. Nur diejenigen, die weit entfernt vom Tempel wohnen, dürfen ihn verkaufen, um dann vor Ort in Jerusalem dieselben Früchte wieder zu erwerben und diese beim Tempel zu verspeisen.100 Die Angabe „von sechs Jahren“ bezieht sich wohl darauf, dass jedes siebte Jahr ein Sabbatjahr ist, in dem nicht angebaut und geerntet wird (vgl. Ex 23,10f.; Lev 25,2–7).101 Die letzte hier genannte Abgabe ist der Zehnte für die Armen. Tobit, so heißt es, gab in jedem dritten Jahr eines Sabbatzirkels einen Zehnten als Zuwendung an die Bedürftigen. Dies bezieht sich auf Dtn 26,12, wo von einem solchen Zehnten für „Leviten, Fremdlinge, Witwen und Waisen“ die Rede ist. Wenn die Leviten hier

92 Ex 23,19LXX spricht lediglich davon, dass diese Erstlingsfrüchte zum Haus Gottes gebracht werden, nennt aber die Priester nicht; siehe auch Ex 34,26LXX. 93 DIMANT, Qumran Halakhah, 134f. 94 DIMANT, Qumran Halakhah, 130. Vgl. auch 2 Chr 31,9, wo sowohl die Priester als auch die Leviten genannt werden. 95 DIMANT, Qumran Halakhah, 135. 96 DIMANT, Qumran Halakhah, 130. 97 DIMANT, Qumran Halakhah, 135. 98 DIMANT, Qumran Halakhah, 131. 99 DIMANT, Qumran Halakhah, 135. 100 DIMANT, Qumran Halakhah, 136. 101 Die Aussage über den zweiten Zehnten bei Tobit entspricht hier der rabbinischen Regelung in Sifre Num § 6; siehe DIMANT, Qumran Halakhah, 136.

114

Die Exposition (1,3–3,17) nicht erscheinen, dann sicher deswegen, weil diese ja bereits als Empfänger einer Abgabe erwähnt worden waren. Devorah DIMANT betont, dass diese Abgabe an die Armen im dritten Jahr als Zusatzabgabe zum „zweiten Zehnten“ angesehen werden muss.102 Der Text lässt sich aber auch in dem Sinne verstehen, dass die Zehntabgabe für die Armen Teil des zweiten Zehnten war.103 Dtn 26,12LXX bezeichnet den Armenzehnt als „zweiten Zehnten“. Eine ähnliche Praxis berichtet auch JOSEPHUS, Ant. IV, 8, 22 [240], wobei er erklärt, dass dieser Zehnte zum „Zweiten Zehnten“ hinzugefügt werden sollte.104

Die enge semantische Verbindung der Begriffe νόμος, ἐντολή und πρόσταγμα fügt sich in den Sprachgebrauch der LXX: νόμος ist sehr häufig in LXX (ca. 430 Belege) und steht vor allem für hebr. ‫תורה‬, seltener für ‫ דת‬oder ‫חקה‬/‫חק‬, wohingegen ἐντολή (ebenfalls häufig, ca. 400-mal in LXX) vornehmlich ‫ מצוה‬wiedergibt, seltener ‫דת‬, ‫חק‬/‫ חקה‬und ‫תורה‬. Der Terminus πρόσταγμα kommt ca. 160-mal vor und steht ebenfalls für hebr. ‫חק‬, ‫דת‬/‫תורה‬, ‫ חקה‬und ‫דבר‬. Speziell die Verbindung mit dem Adjektiv αἰώνιος erscheint außer hier in V. 6 nur noch in Jer 5,22 als Wiedergabe des hebr. ‫( חק עולם‬ansonsten in der Regel mit νόμιμος αἰώνιος wiedergegeben – so z. B. Ex 29,28; 30,21; Lev 6,11 u. ö.). Eine Verbindung aller drei Begriffe hat Neh 9,13f. (2 x); auch die Kombinationen mit jeweils zwei Begriffen sind oft belegt. Der Name „Debora“ hatte wohl bereits zur Zeit des Erzählers eine gewisse 1,8: Debora als Lehrerin „Patina“, da er mit Figuren aus der altehrwürdigen Geschichte des Volkes verbunden ist. „Debora“ erinnert gleich an zwei biblische Frauenfiguren: So war Debora nach Gen 35,8 die Amme der Rebekka, und nach Ri 4–5 hieß so die Prophetin und Richterin, welche die Nordstämme unter der Führung des Befehlshabers Barak, Sohn des Abinoam aus Kedesch-Naftali (Ri 4,6), zum Kampf gegen Sisera und sein Heer aufgerufen hat. Die Ortslage Kedesch-Naftali ist ursprünglich zwar von Kedesch in Galiläa zu unterscheiden, aber es ist anzunehmen, dass der Autor der Erzählung diese Orte miteinander identifiziert hat (zu Κυδιως siehe zu 1,2).105 Die Verbindung zwischen Naftali und Debora gehört zu einer in der Zeit des Zweiten Tempels entwickelten Naftali-Tradition: 4QTNaph nennt Debora als die Schwester Bilhas, der Mutter Naftalis; sie ist also Naftalis Tante mütterlicherseits (4Q215 1i 1). Im griechischen Testament Naftali hingegen ist Debora die Schwester 1,6–8: Wallfahrt als Zeichen der Toratreue

102 DIMANT, Qumran Halakhah, 136. 103 In diesem Sinne DYMA, Wallfahrt, 225: „Der zweite Zehnt wird, anders als der erste, in Form von Geld mitgenommen und in Jerusalem jedes Jahr ausgegeben. Nach GII dient dieser dazu, die personae miserae in jedem dritten Jahr zu versorgen. GI gibt keinen Zweck für den zweiten Zehnt an, erwähnt aber noch einen dritten, der wiederum den Berechtigten zukommt, ohne dass diese Gruppe genauer definiert würde.“ Zum Ganzen siehe auch ibid., 241: „Wie im Jubiläenbuch wird aus dem dtn Zehnt, der gemeinsam verzehrt wird, hier ein ‚zweiter Zehnt‘, der zugleich in jedem dritten Jahr den Bedürftigen zukommt (vgl. Dtn 14). Sie sind offensichtlich in das gemeinsame Mahl mit eingeschlossen, die Regelung ist hier aber nicht ganz deutlich: Wer alles zu der Gruppe der ‚wir‘ in 8d gehört, wird nicht klar ausgedrückt; auch bleibt das Verhältnis vom Einlösen ‚in jedem dritten Jahr‘ in 7e und der Versorgung der Witwen und Waisen ‚im dritten Jahr‘ in 8c etwas unbestimmt. Werden die Bedürftigen nun in Jerusalem oder zu Hause versorgt?“ 104 DIMANT, Qumran Halakhah, 132; DYMA, Wallfahrt, 243; siehe auch die Hinweise zu diesem Abschnitt bei JACOBS, Delicious Prose, 40f.45. 105 GASS, Art. Kedesch.

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des Rutheus, des Vaters der Balla (so hier der Name von Naftalis Mutter), d. h. sie ist Naftalis Großtante (TestNaph 1,9).106 Somit wird auch durch diesen Personennamen der Bezug der Erzählung zum Stamm Naftali eingespielt. Wie in der Spruchweisheit fungiert hier eine Frauenfigur als Toralehrerin (siehe hierzu auch Spr 1,8; 6,20; 31,1; 2 Makk 7). Die Verbindung zwischen der Lehre der Tora und der prophetischen Tradition ist auch für die Qumran-Überlieferung typisch (4Q390 2i 5).107 Mit der Einhaltung der Speisegebote wird ein Thema angeschnitten, das auch in anderen antikjüdischen Überlieferungen eine Rolle spielt (zur Bewahrung der Speisegebote siehe Dan 1,8–16; vgl. Jdt 10,5; 2 Makk 6,18–31; ferner 1 Makk 1,62f.; Jub 22,16). Die Aussage, wonach sich andere aus dem Volk Israel an der Speise der Völker verunreinigten, klingt in 1 Makk 1,62f. an (vgl. auch Hos 9,3 und Ez 4,13).108 In der biblischen Überlieferung hat die Wendung vom Gedenken Gottes primär die Erinnerung an Gottes Heilstaten im Blick, die wiederum zum Gebotsgehorsam motivieren soll (Dtn 5,15; 7,18; 8,2.18; 15,15; 16,3.12; 24,9.18.22); sie kann dann aber auch als Synonym für die Verehrung des einen Gottes und die Abkehr vom Götzendienst stehen (Jes 57,11). Bemerkenswert ist die Gegenüberstellung von „Gedenken Gottes“ und „Vergessen Gottes“ in Jes 17,10. Die sich hier abzeichnende Bedeutungsdimension, welche die Wendung mit dem Gebotsgehorsam in Verbindung bringt, erschließt sich mittelbar über die biblische Überlieferung, die das „Vergessen Gottes“ als Ausdruck der Missachtung des göttlichen Gebots versteht (Dtn 8,11; siehe auch Ps 78,7f. in Verbindung mit den Geschichtstaten Gottes). Das „Vergessen Gottes“ kann sich aber auch auf die Hinwendung zu anderen Göttern beziehen (Dtn 8,19; Jes 65,11; Ez 23,35; Hos 2,15; Ps 44,18).109 Intertextuell scheint eine enge Beziehung zu Dtn 26,13 vorzuliegen, wo die Darbringung der Zehntabgabe Ausdruck dafür ist, dass der Beter Gottes Gebot weder übertreten noch vergessen hat. In Jer 51,50 ruft der Prophet die Exilierten dazu auf, JHWHS „im fernen Lande“ zu gedenken, und stellt ihnen die Verwüstung Babels in Aussicht. Interessant ist, dass assyrische Quellen nicht nur Kaufleute kennen, die als Art private Unternehmer bezeichnet werden können, sondern auch das königliche Amt eines Fernhandelsbevollmächtigten belegen, wobei zumindest ein Teil des Handels von Nicht-Assyrern durchgeführt wurde. Der Fernhandel erfolgte in der Regel mit Eselskarawanen über den Landweg und diente vor allem dazu, die Oberschicht mit Luxusgütern wie Materialien für die Herstellung von Schmuck, Waffen, Prachtgewändern oder Prestigebauten zu versorgen.110 Die Erzählung bewegt sich hier also in einem durchaus real vorstellbaren Milieu. Nach Ausweis assyrischer Quellen lebten einzelne medische Stämme in den Gebirgslandschaften des Zagros und gehörten zur provinzialen Bevölkerung des 106 Zu diesen Traditionen siehe STONE, Genealogy of Bilha, 20–36; für die mittelalterliche Rezeption dieser genealogischen Zusammenhänge vgl. HILLEL, Naphtali. Für weitere Überlegungen zur Rolle Naftalis in der frühjüdischen Literatur siehe STONE, Warum Naphtali?. 107 Hierzu mit weiteren Belegen DIMANT, Qumran Halakhah, 140. 108 Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund siehe JACOBS, Delicious Prose, 47–52. 109 Zum Begriff des Vergessens siehe SCHOTTROFF, Art. ‫שׁכח‬, 902f. 110 JAKOB, Mittelassyrische Verwaltung und Sozialstrukur, 488. Ausführlich zum staatlichen Fernhandelskaufmann, ibid., 278f.

1,11: Speisegebote

1,12: „Gedenken Gottes“

1,13: Fernhandel durch Nicht-Assyrer

1,14: Medien

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1,10–14: Schilderung des Exils

1,15: Sanheribs Herrschaft

1,16f.: Speisung und Bekleidung

1,17f.: Bestattung

Die Exposition (1,3–3,17)

neuassyrischen Reiches.111 Wenn nach 2 Kön 17,6 und 18,11 die von den Assyrern deportierte Bevölkerung „in den Städten der Meder“ angesiedelt wurde, so ist zu vermuten, dass der Erzähler auch Gabaël, den Sohn des Gabri, dieser Gruppe zugerechnet hat. Wenngleich Tobit keine historische Figur ist, hat die Erzählung die allgemeine Atmosphäre und die Bedingungen des assyrischen Exils doch gut eingefangen.112 Dies zeigen assyrische Quellen zur israelitischen Deportation im Allgemeinen113 sowie zum Aufenthalt von Israeliten im assyrischen Gebiet,114 darunter auch in Ninive.115 Außerdem belegen sie, dass die Exilierten zusammen mit ihren Familien an unterschiedlichen Orten wohnen konnten116 wie auch die Möglichkeit, dass diese am Königshof als Händler117 oder Beamte118 arbeiteten. Wenn Sanherib (704–681 v. Chr.) als der direkte Nachfolger Salmanassars V. (726–722 v. Chr.) vorgestellt wird, so übergeht die Erzählung hier das historische Faktum, dass der direkte Nachfolger Salmanassars eigentlich der Usurpator Sargon II. (722–705 v. Chr.) war und erst nach dessen Herrschaft die Regierung und Macht auf Sanherib kam. Die Aussage von den unsicheren Zuständen im Reich könnte die historische Erinnerung an die Aufstände widerspiegeln, zu denen es während der Herrschaft dieses Königs gerade im Osten des Reiches gekommen war.119 Das Gebot, Hungrige zu speisen und Nackte zu bekleiden, begegnet in der biblischen Überlieferung vor allem in späteren Texten (so Jes 58,7–8; Ez 18,7; Spr 22,9; siehe auch Mt 25,35f.); es ist aber im gesamten Alten Orient verbreitet.120 Jesus Sirach kann hier ganz allgemein formulieren: „Und strecke dem Armen deine Hand aus“ (Sir 7,32[36]; nach LXX.D). Die Pflicht zur Bestattung eines Menschen ist eine menschliche Grundkonstante. Weitere Faktoren kommen hinzu: Auf der Basis der Vorstellung, dass der Tote

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HÖGEMANN, Art. Medien, 747; ZWICKEL, Art. Medien, 892. Darauf verweist DIMANT, Tobit in Galilee, 355 (Lit.; siehe die folgenden Anmerkungen). DIMANT, Tobit in Galilee, 355, Anm. 28; siehe NA’AMAN, Population Changes, 104–106. DIMANT, Tobit in Galilee, 355, Anm. 29; ZADOK, Foreigners and Foreign Linguistic Material, 433. NA’AMAN, Population Changes, 104–106, mit spezifischen Hinweisen auf Deportationen aus Niedergaliläa (Hazor, Kinnereth) unter Tiglat-Pileser III.; siehe auch ZADOK, Some Jews in Babylonian Documents; DERS., West Semites in Babylonia. DIMANT, Tobit in Galilee, 355, Anm. 30, mit Verweis auf TADMOR, Assyria and the West, 41; ODED, Mass Deportation, 103; DERS., Settlements, 93 (Menschen aus Juda, die von Sanherib deportiert wurden); ibid., 97 (zu Deportationen nach Medien unter Sargon II. oder unter Sanherib); ZADOK, Foreigners and Foreign Linguistic Material, 433, nennt inschriftliche Belege für Ninive in der Zeit zwischen 647 und 612 v. Chr. DIMANT, Tobit in Galilee, 355, Anm. 27 und 32; TADMOR, Assyria and the West, 41; ODED, Mass Deportations, 30–32. DIMANT, Tobit in Galilee, 356, Anm. 36; ODED, Mass Deportation, 102–104; ZADOK, Some Jews in Babylonian Documents, 13–14. DIMANT, Tobit in Galilee, 355, Anm. 34 und 35; siehe auch ODED, Mass Deportation, 104–107; DERS., Observations, 206–209. Zu Sanherib siehe VEENHOF, Geschichte des Alten Orients, 263–267; zu Salmanassar und Sargon ibid., 254–259. Für weitere Belege siehe RABENAU, Studien, 59. Zu den biblischen Traditionen JACOBS, Delicious Prose, 54–57.

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durch das Begräbnis zu seinen Vätern versammelt wird (Gen 25,8; 35,2; 49,29.33; Dtn 32,50), dient die Bestattung der Landsleute im Exil auch dazu, sie mit ihrer Familie – und letztlich ihrem Volk – zu verbinden. So kann das Bestatten der Toten, das Tobit hier vollzieht, als ein Akt der Solidarität innerhalb seines Volkes verstanden werden.121 Mit dem Motiv, eine Bestattung gegen höhere Autoritäten durchzusetzen, partizipiert Tob an einem weitverbreiteten Stoff. Für die biblische Überlieferung ist auf die Erzählung von Rizpa (2 Sam 21,1–14) zu verweisen. Wie der Antigone-Mythos zeigt, handelt es sich hier aber um eine Motivik, die auch über den engeren Kulturkreis Israels hinaus bekannt ist.122 Dabei obliegt die Pflicht der Bestattung an erster Stelle den Verwandten (so z. B. in SOPHOKLES’ Tragödie „Antigone“ oder in EURIPIDES’ „Alkestis“), kann aber auch in einem nationalen Kontext stehen (so EURIPIDES’ Werk „Die Hilfeflehenden“).123 Auf das Motiv, dass Juden auf Gebot eines fremden Herrschers nicht bestattet wurden, scheint 2 Makk 9,15 anzuspielen, wo es heißt, dass Antiochus IV. Epiphanes (175–167 v. Chr.) die Juden eines Begräbnisses nicht für Wert erachtet und sie samt ihren Kindern den Vögeln und wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen habe (siehe auch 2 Makk 5,10 im Hinblick auf Jason, der Vielen die Grabstätte verweigerte).124 Man hat auch überlegt, die Erdbestattung als eine Motivik zu verstehen, die sich gegen das Bestattungsbrauchtum im Zoroastrismus richtet, wo Tote ja zur Verwesung ausgesetzt wurden.125 Tobit kommt also mit der Bestattung seiner Landsleute einer Pflicht nach, die zunächst den Verwandten im engeren Sinne oblag. So wird auch hier wieder deutlich, dass das Volk in Tob als eine „große Familie“ dargestellt werden kann.126 Es ist offensichtlich, dass an dieser Stelle auf die Geschichte von der Belage- 1,18: Sanherung Jerusalems durch Sanherib und dessen überraschenden Abzug angespielt ribs Zorn wird, der seinen Grund darin gehabt haben soll, dass ein „Engel JHWHs“ in dem Lager 185.000 Soldaten tötete und dadurch das Heer kampfunfähig machte (vgl. 2 Kön 19,35f.; Jes 37,36f.; 2 Chr 32,21). Bereits die Version der Chronik weiß explizit von der damit einhergehenden Demütigung des assyrischen Königs (2 Chr 32,21). Dieser Faden wird hier aufgenommen und weiter ausgeführt. Der Erzähler spricht nun explizit von der Flucht Sanheribs und interpretiert die Ereignisse als göttliches Strafgericht. Die Erzählung von der Verfolgung durch Sanherib dient im vorliegenden Kontext dazu, um auf die Fragilität des Reichtums aufmerksam zu machen. So spiegelt das Geschick Tobits eine Erfahrung wider, wie sie in der Weisheitslehre Sirachs sentenzhaft zum Ausdruck kommt: „Erinnere dich in der Zeit der Sattheit an die

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PITKÄNEN, Family Life, 108f. Zu Antigone siehe HARTENSTEIN, Solidarität (Lit.). Beispiele aus dem griechischen Bereich siehe BOLYKI, Burial, 95–98. Hierzu SCHWARTZ, 2 Maccabees, 244. Man versuchte dieses Motiv für die Datierung der Tobiterzählung fruchtbar zu machen, so z. B. EGGER-WENZEL, Acceptance, 104, und DIES., Abgrenzung, 25; siehe hierzu die Einleitung „Datierung und Entstehungsort“. 125 BOYCE, A History of Zoroastrianism III, 415; ausführlich hierzu BRODSKY, Zoroastrian Context, 50–53. 126 Diese Tendenz zeigt sich auch im Kontext des Begriffes „Bruder“. Zu diesem Begriff und zur Bedeutung der Familie in Tob siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“.

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1,20: Hanna

1,21: Sanheribs Ermordung 1,21–22: Die Achikarüberlieferung

Die Exposition (1,3–3,17)

Zeit des Hungers (und) an Armut und Mangel in den Tagen des Reichtums“ (Sir 18,25).127 Hanna (hebr. ‫ ;חנה‬vgl. ‫„ חן‬Anmut, Gnade“) ist ein traditioneller biblischer Name (so die Mutter Samuels; vgl. 1 Sam 1,2), der aber für die Zeit des Zweiten Tempels sowohl im Land Israel selbst als auch in der Diaspora eher selten belegt ist.128 Interessant ist in diesem Kontext, dass auch über diesen Namen der Bezug zum Stamm Naftali hergestellt werden kann, insofern in 4Q215 1i 1 die Mutter der Bilha, der Mutter Naftalis (Gen 30,8), ebenfalls den Namen Hanna trägt. Wenn die Erzählung (bzw. eine ältere Fassung derselben) aus dem Umkreis der Tobiadendynastie stammt, könnte dieses genealogische Element dazu dienen, Zweifel an der „Reinheit“ des Stammbaums der Familie aus der Welt zu schaffen (vgl. Esr 2,59; Neh 7,61; siehe oben zu 1,1). Das Motiv der Endogamie erscheint in einem narrativen Kontext auch in Jdt 8,2. Die Erzählung von der Ermordung Sanheribs und der Flucht seiner beiden Söhne in das Land Ararat rekurriert auf die biblische Notiz in 2 Kön 19,37; Jes 37,38, die dort unmittelbar auf die Erzählung vom Abzug Sanheribs aus Judäa folgt (siehe auch 2 Chr 32,21). Der Erzähler greift auf einen Stoff zurück, den er bei seinen Hörern wohl als bekannt voraussetzen kann.129 Denn Achikar ist eine literarische Figur, die ihre Wurzeln mit großer Wahrscheinlichkeit im Syrien des 7. Jh.s v. Chr. hat.130 Die älteste Quelle ist in den Elephantine-Papyri aus dem 5. Jh. v. Chr. zu greifen.131 Von den 20 Kolumnen des ursprünglichen Textes sind allerdings nur noch 14 Kolumnen erhalten. Wenn auch fragmentarisch, so lässt sich hier sowohl eine weisheitliche Erzählung als auch eine Sammlung von Sprüchen rekonstruieren, wobei die Stoffe wohl unabhängig voneinander entstanden sind und erst sekundär zusammengefügt wurden.132 Achikar, der keiner konkreten Nationalität zugeordnet wird, war ein Weiser und hoher Beamter am assyrischen Königshof, der durch eine verleumderische Anzeige seines Adoptivsohnes Nadin (so der Name in der aramäischen Überlieferung aus Elephantine) kurz vor der Hinrichtung stand. Da Nabusumiskun, der im Auftrag des Königs die Todesstrafe vollziehen sollte, aber selbst einmal früher von Achikar aus Todesgefahr errettet worden war, verschont er Achikar. Wahrscheinlich endete die Erzählung mit der Rehabilitierung Achikars und der Bestrafung Nadins.133 Der Stoff wurde dann in den jüngeren Überlieferun127 128 129 130

Hierzu MIRGUET, History of Compassion, 112. ILAN, Lexicon I, 240; IV, 140; siehe auch BAUCKHAM, Anna, 178. So z. B. DESELAERS, Buch Tobit, 438. Hierzu NIEHR, Aramäischer Aḥikar, 11f.; vgl. dagegen MATHYS, Achämenidenhof, 296, mit der These, dass Achikar als literarische Gestalt vielleicht erst in achämenidischer Zeit entstand. 131 Dies bedeutet nicht, dass die Version von Elephantine als die literarische Vorlage anzusehen ist; siehe KOTTSIEPER, „Look, Son“, 162. 132 Die Frage nach dem Verhältnis von Erzählung und Spruchsammlung war Gegenstand einer breiten wissenschaftlichen Debatte, auf die hier aber nicht eingegangen werden kann; siehe hierzu KOTTSIEPER, „Look, Son“, 152–158; NIEHR, Aramäischer Aḥikar, 21f.; SCHMITT, Wende, 147–148; WEIGL, Achikar-Sprüche, 30–51. 133 Zum aramäischen Achikar u. a. NIEHR, Aramäischer Aḥikar, 2–23 (Text ibid., 37–52); KOTTSIEPER, Achiqar, 320–324 (Text ibid., 324–347); DERS., Art. Achikar, Abschnitt 1.1.; MATHYS, Achämenidenhof, 294–297; SCHMITT, Wende, 158.

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gen in der griechischen und syrischen Literatur sowie davon abhängig in anderen orientalischen und lateinischen Quellen weiter ausgestaltet.134 Achikar wird hier als erfolgreicher Hofbeamter vorgestellt: Er ist über das 1,21–22: Achigesamte Rechnungswesen des Königreiches bestellt („ἐπὶ πᾶσαν τὴν ἐκλογιστίαν kars Ämter τῆς βασιλείας αὐτοῦ“) und dazuhin noch über die gesamte Staatsverwaltung („ἐπὶ πᾶσαν τὴν διοίκησιν“). Außerdem ist er „Obermundschenk“ (ἀρχιοινοχόος) und „Siegelbewahrer“ („ἐπὶ τοῦ δακτυλίου“). Während die Begriffe ἐκλογιστία und διοίκησις bzw. die entsprechenden Titel in LXX Hapaxlegomena sind, erscheint ἀρχιοινοχόος sieben Mal in der Josefsgeschichte (Gen 40,1.2.5.9.20.23; 41,9; siehe auch οἰνοχόος in Gen 40,13; 1 Kön 10,5; 2 Chr 9,4; Neh 1,11; Koh 2,8). Dieses Amt bedeutet insofern eine besondere Vertrauensstellung, als sein Inhaber Zutritt zu den Privatgemächern des Königs hatte, zu seinen engsten Beratern und Vertrauten zählte und mit der Aufsicht über die königlichen Getränke über Leib und Leben des Königs wachte. Das Amt wurde wegen der geforderten „Zuverlässigkeit und uneingeschränkten Treue“ gerne auch an Ausländer übertragen.135 Häufig belegt ist auch der Siegelring, mit dessen Besitz die Vollmacht verbunden war, im Namen des Königs Verordnungen und Gesetze zu erlassen, sodass er seinen Träger mit höchster Würde und Macht ausstattete (hierzu z. B. Gen 41,42; Est 3,10; 8,2.8.10; Dan 6,18). Alle diese Titel bzw. die Verwendung des Siegelrings sind auch in den Papyrusurkunden belegt.136 Mit den Begriffen ἐκλογιστία und διοίκησις bzw. ἐκλογιστής und διοικητής verwendet die Erzählung termini technici der hellenistischen Verwaltungssprache. Der διοικητής ist „in der ptolemäischen Ära der große Finanzchef in Alexandrien als Vertreter des Königs. Die Landesrechnungskammer untersteht ihm […]. Der διοικητής […] steht an der Spitze des Staatsguts, dessen Verwaltung ihm durch den König übertragen ist; zur Erledigung seiner umfangreichen und schwierigen Aufgaben hatte der διοικητής eine beträchtliche Zahl von untergeordneten Beamten zur Verfügung. Am nächsten kam ihm der in Alexandrien ansässige Oberrechnungsrat (ἐκλογιστής), der seinerseits für jeden einzelnen Gau einen Beamten, ebenfalls mit dem Titel ἐκλογιστής unter sich hatte.“137

Es handelt sich bei allen Ämtern Achikars um sehr hohe staatliche Positionen, die in enger Verbindung mit dem Königshof und der königlichen Verwaltung stehen. In der historischen Realität wurden sie wohl von unterschiedlichen Personen bekleidet. Somit überhäuft der Erzähler hier Achikar mit Kompetenzen und Titeln, sodass seiner Machtfülle etwas geradezu Hyperbolisches anhaftet. Beim Vergleich der traditionellen Achikarfigur mit Tob sind zwei Punkte auf- 1,21–22: fällig: Dem Motiv der Weisheit Achikars kommt (zumindest explizit) in Tob keine Achikar bei Bedeutung zu. Enge inhaltliche Bezüge liegen hingegen im Hinblick auf die Ämter Tobit Achikars vor, denn in der aramäischen Erzählung wird er als „weiser und erfahre-

134 Zu diesen Traditionen siehe den Überblick bei KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen, 364–379; NIEHR, Aramäischer Aḥikar, 26–31; SCHMITT, Wende, 141–172; WEIGL, Achikar-Sprüche, 1–11. 135 SCHUNCK, Nehemia, 30 (mit Quellen- und Literaturhinweisen). 136 Für Einzelbelege und weiterführende Literatur siehe SCHMITT, Achikar-Notiz, 121f. 137 SCHMITT, Achikar-Notiz, 122 (Lit.).

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Die Exposition (1,3–3,17)

ner Schreiber“ (aramAch 1,2.12), als „Ratgeber von Assyrien“ (aramAch 1,2.12) und als „Bewahrer des Siegels des Sanherib“ (aramAch 1,3; vgl. 2,19) charakterisiert.138 Achikar gehört hier dem Volk Israel an. Aufgrund der Quellenlage kann nicht entschieden werden, ob der Erzähler einen israelitischen Achikar bereits kannte oder ob er diese Figur selbst geschaffen hat.139 Unabhängig von dieser Frage bedeutet ein israelitischer Achikar eine Prestigesteigerung Tobits und damit auch seines Volkes (für weitere Aspekte der Achikartradition siehe zu 14,10).140 Es lassen sich auch keine Aussagen darüber machen, auf welche Vorlage des Stoffes der Erzähler hier rekurriert. Tobits Festmahl wird mit einem konkreten Datum im jüdischen Festkalender 2,1: Das Wochenfest verbunden. Der Erzähler spricht vom „Fünfzigtagefest“ und identifiziert dieses mit dem Wochenfest („das ist das heilige [Fest]) der sieben Wochen“). Eine explizite Verbindung von πεντηκοστή und dem Wochenfest liegt auch in 2 Makk 12,31–32 vor, sodass anzunehmen ist, dass diese Verknüpfung im zweiten Jahrhundert v. Chr. allgemein üblich war. Die Angabe von 50 Tagen bzw. sieben Wochen leitet sich von Lev 23,15f. ab, wonach das Fest sieben Wochen bzw. am 50. Tag nach dem Sabbat der Darbringung des Garbenopfers gefeiert werden sollte.141 Beim Wochenfest, das auf den biblischen Festkalender rekurriert, handelt es sich um ein Erntefest, das in Verbindung mit den Erstlingen der Weizenernte stand (Ex 34,22 [‫ ;]חג שׁבעת‬vgl. Ex 23,16 [‫ ;]חג הקציר‬siehe auch Num 28,26 [‫)]שׁבעת‬. Ursprünglich also ein Erntefest, wurde das Wochenfest – wie auch die anderen Feste des jüdischen Kalenders – mit einem Ereignis aus der Heilsgeschichte verbunden und historisiert. In der Diaspora, wo man ja keine Gaben am Tempel darbringen kann,

138 NIEHR, Aramäischer Aḥikar, 8; MATHYS, Achämenidenhof, 292. 139 So nimmt KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen, 374, an, dass Tobit bereits eine jüdische Achikarerzählung beim Leser voraussetzt. 140 So u. a. EGO, 1003; MOORE, 294; RABENAU, Studien, 24; SCHÜNGEL-STRAUMANN, 65.180. Nach KOTTSIEPER, „Look, Son“, 148, besteht die wichtigste Funktion des Motivs dagegen in dem Anliegen des Autors zu zeigen, dass es nur einige wenige gute Israeliten gab, während die meisten von Tobits Landsleuten unzuverlässig waren (so 1,6–8.10–11.17–18 und 2,8). Andere Ausleger wollen in der Achikartradition die Vorlage für den Gesamtaufriss der Erzählung sehen, siehe hierzu GREENFIELD, Aḥikar, 334; LORETZ, Roman, 323–325; WEIGL, Achikar-Sprüche, 15; kritisch z. B. RUPPERT, Modellfall, 109. Warum die Achikargestalt in Tob die Funktion habe, als negatives Modell für Tobit und Tobias zu erscheinen und als „a less perfect example of a Jew who has lost and recovered his faith“ (so MARINČIČ, Grand Vizier, 56), hat sich mir nicht erschlossen. 141 Vgl. dagegen Dtn 16,9, wonach man von dem Tag an, „an dem man begonnen hat, die Sichel an das Getreide zu legen“ sieben Wochen zählen und dann das Wochenfest feiern soll. Aufgrund der unterschiedlichen Angaben vertraten Sadduzäer und Pharisäer unterschiedliche Positionen im Hinblick auf den Termin für das Wochenfest; siehe hierzu LOHSE, Art. πεντηκοστή, 46, sowie STRACK/BILLERBECK, Kommentar II, 598–600. Für weitere Belege von πεντηκοστή siehe Flav. Jos. Bell. II, 3, 1 (42); Flav. Jos. Ant. III, 10, 6 (252–253); PHILO Spec. II, 176; Apg 2,1; 20,16 und 1 Kor 16,8. LITTMAN z. St., nimmt an, dass der Name πεντηκοστής (so auch in 2 Makk 14,4) noch nicht in Gebrauch war, als Tob ursprünglich verfasst wurde, und vermutet, dass dies hier eine spätere Glosse sei. In der Qumranüberlieferung ist nur vom Wochenfest die Rede; siehe 4Q196 2 10. Weiteres zu traditionsgeschichtlichen Aspekten des Wochenfests bei JACOBS, Delicious Prose, 66f.

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wird es als Familienfest gefeiert.142 Bereits in der Zeit vor der Zerstörung des Zweiten Tempels galt der Termin des Wochenfests als Tag des Bundesschlusses und das Fest selbst als ein Bundeserneuerungsfest (Jub 6,15–19).143 Die Konnotation des Wochenfests mit der Toragabe ist für die hier vorliegende Passage insofern bedeutsam, als in Tobits Wunsch, das Festmahl mit einem Menschen aus seinem Volk zu begehen, die Torafrömmigkeit des Protagonisten anklingt.144 Die „Armen“ stehen traditionell in den Gesetzescorpora der Hebräischen Bibel unter einem ganz besonderen Schutz (so bereits im Bundesbuch Ex 22,20–26 und in der frühen Prophetie), wobei diese Tendenz gerade in der deuteronomischen Gesetzgebung noch deutlicher akzentuiert wird (Dtn 15,4–11; 24,14). Diese Belege sprechen auch konkret von der Zuwendung zu den armen Brüdern. Wenn nach Dtn 16,9–12 die personae miserae wie Fremdlinge, Witwen und Waisen in die Festesfreude des Wochenfests integriert werden sollen, so bindet sich Tobit mit seinem Handeln auch hier in die traditionellen gesetzlichen Bestimmungen ein.145 Es liegt nahe, die Aussage, dass Tobit den Toten in einer der Hütten (und nicht in seinem eigenen Haus) verbirgt (so 2,4), sowie das Motiv der Waschung (so 2,5) vor dem Hintergrund biblischer bzw. antikjüdischer Reinheitstorot zu verstehen. Die Vorstellung von der verunreinigenden Kraft eines Toten findet sich bereits in Num 19,11–16.146 Nicht nur die Berührung eines Toten wirkt dabei verunreinigend, sondern es wird auch jeder, der ein Zelt, in dem jemand verstorben ist, betritt bzw. sich darin aufhält, für sieben Tage unrein. Diese Unreinheit scheint als eine quasi-materielle Substanz vorgestellt zu sein, da auch jedes Gefäß, auf dem sich kein geschlossener Deckel befindet, davon betroffen wird.147 Ausgeprägte Vorstellungen von der Unreinheit des Leichnams generell, die letztlich mit einer Art „Elementenlehre“ zusammenhängen, finden sich zudem seit frühester Zeit im Zoroastrismus.148 Das Motiv, dass Tote ein Gebäude verunreinigen könnten, lässt sich auch dem spätavestischen Widēwdād entnehmen. Danach wird die Unreinheit des Leichnams auf den Gedanken zurückgeführt, wonach eine Dämonin in der Gestalt einer Fliege den hoch infektiösen Leichnam befällt.149 Vor diesem Hintergrund ist ein Leichnam auf dem „höchsten Ort“ niederzulegen und 142 Siehe EGGER-WENZEL, Abgrenzung, 15. Vgl. hierzu JACOBS, Delicious Prose, 67, die darauf verweist, dass Tobits Mahl die erste bekannte Beschreibung eines Wochenfestmahls außerhalb des Tempels darstelle. 143 Das rabbinische Judentum deutet dieses Fest dann explizit als Fest der Gesetzgebung am Sinai (z. B. bPes 68b); hierzu siehe LOHSE, Art. πεντηκοστή, 48f. 144 EGGER-WENZEL, Abgrenzung, 15, erklärt die Tatsache, dass hier keine explizite Verbindung mit der Tora erfolgt, mit der Datierung des Buches in der Zeit von Antiochus IV. (175–164 v. Chr.), in welcher die Tora verboten gewesen sei. 145 Das hebr. ‫ אביון‬wird in Dtn 15,7.11 und Dtn 24,14LXX aber nicht – wie hier – mit πτωχός, sondern mit ἐνδεής wiedergegeben. 146 Zu Num 19, einem Text, der zu den späten nachpriesterlichen Ergänzungen des Pentateuchs gehört, siehe ACHENBACH, Verunreinigung, 347–369; BERLEJUNG, Variabilität und Konstanz, 291–301; FREVEL, Purity Conceptions, 392–395. 147 Zur Verunreinigung durch Bezeltung siehe ACHENBACH, Verunreinigung, 363. 148 ACHENBACH, Verunreinigung, 364f. 149 ACHENBACH, Verunreinigung, 365; zum Ganzen siehe BOYCE, Art. Corpse; STAUSBERG, Religion Zarathustras, 136.

2,2f.: Die Armen

2,4f.: Totenunreinheit

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Die Exposition (1,3–3,17)

dort auch zu befestigen, damit aasfressende Vögel und Hunde das Corpus exkarnieren und somit reinigen können. Erst dann können die Gebeine, die durch das Sonnenlicht gebleicht und durch Regenwasser gereinigt wurden, in einem Ossuar beigesetzt werden.150 Aber auch im antiken Griechenland und in Kleinasien gab es zahlreiche Bestimmungen, wonach der Kontakt mit einem Toten zur Verunreinigung führte. Vor diesem Hintergrund wird vermutet, dass sich im Judentum dieser Gedanke „erst im Umkreis des kulturellen Einflusses der iranischen, aber wohl auch der hellenistischen Welt in nennenswerter Weise entfaltet hat“.151 Während aber der Reinheitsgedanke bei den Persern in einer differenzierten Elementenlehre gründet, ist „Reinheit“ in der israelitischen Vorstellungswelt ein relationaler Begriff, der aufs Engste mit dem Konzept der Heiligkeit des Tempels bzw. – in einer Art Erweiterung – der des Gottesvolkes verbunden ist.152 Auch für Tobits Waschung können rituelle Gründe vermutet werden. Num 19,17–21 verweist auf ein Reinigungsritual, das im Falle einer Verunreinigung durch Totenkontakt zum Einsatz kommt. Die Reinigung einer betroffenen Person kann durch ein eigens dafür hergestelltes Wasser, das in einem komplexen Ritual von einem Priester aus der Asche einer roten Kuh und weiteren Ingredienzien wie Zedernholz, Ysop und Karmesin zubereitet wird, erfolgen. Dieses soll am dritten und siebten Tag der Unreinheit angewendet werden.153 Da in Num 19,11–15 eine eindeutige Verbindung mit der Reinheit des Heiligtums vorliegt und die Tage der Anwendung des Wassers zudem nicht den hier vorliegenden Angaben entsprechen, wird diskutiert, ob Tobits Waschung weniger in einem kultischen Sinne, sondern vielmehr als eine hygienische Maßnahme zu verstehen ist.154 Erhellend für den halakhischen Hintergrund dieser Episode sind allerdings die Funde aus Qumran, denn 4Q414 2ii 1–5 und die Tempelrolle 11Q19 XLIX,17–20 fordern bei Totenunreinheit eine Waschung am ersten, dritten und siebten Tag. Beide Belege weisen auf eine Lösung der Reinheitsvorschriften vom unmittelbaren Bezug auf das Betreten des Heiligtums. 11Q19 XLIX,17–20 zeigt zudem deutlich, dass die Reinigung zum einen durch Baden in Wasser und zum anderen durch Besprengen mit dem Reinigungswasser geschah.155 Das Zitat gibt Am 8,10LXX fast wörtlich wieder, wo es heißt: „καὶ μεταστρέψω 2,6: Zitation von Am 8,10 τὰς ἑορτὰς ὑμῶν εἰς πένθος καὶ πάσας τὰς ᾠδὰς ὑμῶν εἰς θρῆνον“. Die Referenz auf Bet-El zeigt, dass der Erzähler den Beleg aus dem Amosbuch in seinem Gesamtkontext wahrnimmt und die Lokalisierung von Amos’ Auftreten in Bet-El, wie sie durch die Episode von der Auseinandersetzung mit dem Priester des dortigen Heiligtums deutlich wird (Am 7,10–17; insbesondere Am 7,13), vor Augen hat. 150 151 152 153 154

ACHENBACH, Verunreinigung, 365. ACHENBACH, Verunreinigung, 366. ACHENBACH, Verunreinigung, 366. ACHENBACH, Verunreinigung, 362f. Siehe hierzu MOORE, 130, mit Verweis auf NOWELL, Book, 293–297. Auch FASSBECK, Tobit’s Religious Universe, 181, betont, dass der Bezug zum Motiv der Totenunreinheit nicht expliziert wird. 155 Siehe hierzu ESHEL, Purification, 9, wo ein Bezug zu Tobit hergestellt wird; zu den Überlieferungen aus Qumran siehe auch BERLEJUNG, Variabilität und Konstanz, 301–309; siehe auch 314f.

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Wenn Tobit dieses Wort, das sich in einem Plural an das Kollektiv richtet, für sein Schicksal in Anspruch nimmt, so fungiert er hier als Repräsentant des gesamten Volkes (siehe auch 3,3–5).156 Der explizite Rekurs auf Am 8,10 an dieser Stelle belegt, dass dieses Prophetenbuch zum Zeitpunkt der Entstehung der Erzählung bereits autoritative Geltung hatte.157 Der Spott der Nachbarn ist ein traditioneller Topos aus den Klagepsalmen (u. a. Ps 31,12; 38,12); hier bezieht er sich konkret darauf, dass Tobits Handeln angesichts seiner früheren Verfolgung, die mit einer Todesdrohung verbunden war, geradezu suizidale Züge anhaften. Das entsprechende Verb καταγελάω erscheint auch in Ps 24,2LXX; Hiob 30,1LXX und Sir 20,17[18b]. Für Tobits Nachbarn sollte eigentlich die Mahnung in Sir 7,11[12] gelten, wonach man einen bekümmerten Menschen nicht verlachen soll, da Gott, der ihn erniedrigt hat, ihn auch wieder erheben kann. Das Motiv von der Erblindung Tobits unterscheidet sich deutlich von älteren biblischen Krankheitsgeschichten, insofern diese Krankheit als Resultat eigener Verfehlungen und als göttliche Strafe darstellen können (vgl. 2 Chr 16,12; 21,15 und 26,19 mit den älteren Berichten in den Königebüchern).158 Ebenso können nach der babylonischen Vorstellungswelt Augenkrankheiten von Dämonen oder Göttern hervorgerufen werden.159 Eine Verbindung von Schuld und Krankheit ist aber auch für die ältere Tradition nicht zwingend. Tobits Schicksal insgesamt mit seinen Höhen und Tiefen spiegelt eine Lebenserfahrung wider, wie sie auch in der Weisheitslehre des Siraziden zu finden ist: „Eine lange Krankheit verspottet den Arzt. Und heute (ist einer) König, doch morgen wird er sterben“ (Sir 10,10; nach LXX.D).160 Im Alten Orient findet sich eine reiche Literatur an Keilschrifttexten, die verschiedene Augenkrankheiten, die mitunter auf die Wirkung von Dämonen zurückgeführt werden können, und die entsprechenden Behandlungen auflisten.161 Aber auch aus Ägypten162 und Griechenland163 existieren einschlägige Quellen. „Weiße 156 Zur Rezeption des Amoswortes KIEL, Inner-biblical Exegesis, 298–30; REITERER, Prophet und Prophetie, 155–157; SCHÖPFLIN, Authority, 86. Ausführlich zu diesem Abschnitt PFREMMER DE LONG, Surprised by God, 89–91; siehe auch BAUCKHAM, Anna, 182. Weiterführend zur Amosrezeption im antiken Judentum BARTON, Book of Amos. Zum Zusammenhang von Individuum und Kollektiv siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 157 Vgl. auch den Rückgriff auf Nahum in 14,4 GII bzw. Jona in 14,4 GI; siehe NICKELSBURG, Search, 341. 158 CHRYSOVERGI, Attitudes, 123; zur Verbindung von Schuld und Krankheit siehe generell auch ASKIN, Scribal Culture, 212.221; BIEBERSTEIN, Leiden, 127–131; für Mesopotamien HAUSSPERGER, Mesopotamische Medizin, 197; MAUL, Lösung, 80f.; für das vorhippokratische Griechenland siehe CORDES, Iatros, 17f. 159 FINCKE, Augenleiden, 212–219. 160 Hierzu MIRGUET, History of Compassion, 112. 161 Siehe die Übersicht bei FINCKE, Augenleiden, 69–244. Weiterführende Literatur zu Augenkrankheiten und ihrer Behandlung im Alten Orient bei WILDBERGER, Legende, 186; MÜNCHOW, Geschichte der Augenheilkunde, 23–35; GELLER u. a. (Hg.), Advances in Mesopotamian Medicine; GELLER/PANAYOTOV, Mesopotamian Eye Disease Texts. 162 MÜNCHOW, Geschichte der Augenheilkunde, 35–74; WESTENDORF, Handbuch I, 148–156. 163 MÜNCHOW, Geschichte der Augenheilkunde, 75–93.

2,8: Spott der Nachbarn

2,10: Antike Krankheitsdeutungen

2,10: Tobits Augenerkrankung

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Die Exposition (1,3–3,17)

Stellen“ werden in Papyrus Ebers 347.360.382.402–406164 behandelt sowie in dem babylonischen Text IGI 2:124165; zudem wecken Beschreibungen in den babylonischen Texten wie „das Weiße der Augen ist zahlreich“166 oder „in weiße Farbe getaucht“167 bzw. „[das Augeninnere] ist in weiße und gelbe [Farbe] getaucht“168 zumindest Assoziationen an eine Krankheit mit „weißen Flecken“.169 Annie ATTIA sieht die engste Entsprechung zu den weißen Flecken Tobits in der weißlichen Šišitu-Membran, die in mesopotamischen medizinischen Texten genannt wird.170 Auch GALEN erwähnt Leukomata.171 Das Motiv von der Erblindung durch Vogelkot impliziert vor dem Hintergrund der antik-orientalischen Medizin geradezu eine ironische Komponente, da verschiedene Quellen – sowohl ägyptischer als auch babylonischer Provenienz – belegen, dass Exkremente von Vögeln (insbesondere aber von Fledermäusen) zu medizinischen Zwecken, darunter auch für die Heilung von Augenkrankheiten, eingesetzt wurden.172 2,10: Medizin, Der Arztberuf ist bereits für das alte Babylonien belegt, wobei zwischen dem Ärzte und Chirurgen, der als Handwerker gilt, und dem Internisten, der aus den Reihen der Ärztekritik Priester stammt, zu unterscheiden ist. In enger Beziehung zum priesterlichen Arzt steht der Beschwörungspriester.173 Aber auch für die ägyptische und griechische

164 WESTENDORF, Handbuch I, 148; die entsprechenden Belege finden sich im Bd. II dieses Werkes mit der Übersetzung von Papyrus Ebers. 165 GELLER/PANAYOTOV, Mesopotamian Eye Disease Texts, 21.137. 166 So FINCKE, Augenleiden, VIII (Auflistung im Inhaltsverzeichnis); siehe die Beschreibung der Krankheit ibid., 123, wo davon die Rede ist, dass das Weiße der Augen „viel“ ist. 167 So FINCKE, Augenleiden, IX (Auflistung im Inhaltsverzeichnis); siehe die Beschreibung der Krankheit ibid., 137: „in weiße (Farbe) gewor[fen …]“. FINCKE verweist hier auch auf eine Übersetzung: „auf seinen Augen ein weißer Fleck li[egt …]“ und bringt dieses Phänomen mit einer Gelbsucht in Verbindung. 168 So FINCKE, Augenleiden, IX (Auflistung im Inhaltsverzeichnis); ibid., 139: das „Innere seiner Augen in gelbe und weiße Flecken geworfen“. Weitere Symptome, die in diesem Kontext genannt werden, lassen nach FINCKE darauf schließen, dass es sich hier um „Arteriitis temporalis“ als Grunderkrankung handelt. 169 WILDBERGER, Legende, 182, verweist ganz allgemein darauf, dass auch in den assyrischen Tontafeln verschiedene Arten von Hornhauttrübungen identifiziert werden können; siehe hierzu SCURLOCK/ANDERSEN, Diagnoses, 196. 170 ATTIA, Disease and Healing, 48–51. Zu den Leukomata siehe auch CHRYSOVERGI, Attitudes, 123. 171 Siehe hierzu oben zu 2,9–10. 172 Darauf verweist ATTIA, Disease and Healing, 44–47, mit zahlreichen Belegen aus der Komposition „Niniveh medical composition on Sick Eyes“ [IGI]; zur sog. „Dreckapotheke“ siehe auch GELLER/PANAYOTOV, Mesopotamian Eye Disease Texts, 19.251; ferner JACOBS, Delicious Prose, 73 (Lit.). 173 EBELING, Art. Arzt, 165; JAKOB, Mittelassyrische Verwaltung und Sozialstruktur, 528–537; MAUL, Lösung, 80f. Die Literatur zur antiken Medizin ist so umfangreich, dass hier nur exemplarisch einige wenige Titel genannt werden könnten. Wichtig für die Unterscheidung zwischen Arzt und Beschwörungspriester sind die Ausführungen bei GELLER, Ancient Babylonian Medicine, 162–167.

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Welt gibt es zahlreiche Belege für den Beruf des Arztes.174 Dabei ist auch der Beruf des Augenarztes explizit erwähnt.175 Prinzipiell ist darauf hinzuweisen, dass in der traditionellen Medizin, wie sie sowohl im Alten Orient, in Ägypten als auch in Griechenland zunächst verbreitet war, magische und empirisch-rationale Vorstellungen eng miteinander verbunden waren und oft eine untrennbare Einheit bildeten.176 Die Existenz einer eigenständigen, rational ausgerichteten Medizin, die wir heute als „wissenschaftlich“ klassifizieren würden, setzt – so die allgemeine Annahme – erst im 4. Jh. v. Chr. mit Hippokrates ein.177 Während ältere Konzepte sowohl im Osten als auch im Westen Krankheiten häufig personalisiert sehen und auf die Wirkung von Dämonen und Göttern zurückführen, entwickelt sich in Griechenland mit Hippokrates eine Herangehensweise, die Krankheiten auf die Wirkung natürlicher Kräfte zurückführt.178 Allerdings darf die Unterscheidung zwischen der traditionellen Medizin und der als „wissenschaftlich“ bezeichneten nicht dazu führen, die Kompetenz der traditionellen Ärzte und Heiler zu unterschätzen. Auch in diesem Bereich spielen empirische Beobachtungen für die Generierung des Traditionswissens eine bedeutende Rolle, und nicht jede Krankheit wurde als gottgewirkt angesehen. Sicherlich existierte auch im Alten Israel die Kenntnis therapeutischer Praktiken; entscheidend war dabei, dass diese letztlich in einem theologischen Rahmen standen.179 Die Kritik an den Ärzten ist ein Topos in der antiken Literatur, der daraus resultiert, dass sich neben seriösen Ärzten auch eine stattliche Anzahl von Scharlatanen auf dem Markt tummelten, mit denen man wohl einschlägig negative Erfahrungen gemacht hatte.180 Sowohl Vertreter der hippokratischen Medizin als auch Vertreter traditioneller Heilmethoden konnten durch eine Kritik der Gegenseite ihr eigenes Handeln apologetisch verteidigen.181 Das Motiv der Kritik an den Ärzten scheint im vorliegenden Kontext letztlich theologische Gründe zu haben, da in ihrem Wirken JHWH keine Rolle spielt. Darauf verweist die Verwendung des Begriffes θεραπεύω, der in LXX in der Regel auf rein menschliche Heilungsaktivitäten verweist.182 Dieser Sprachgebrauch 174 Zu Griechenland siehe die Studie von CORDES, Iatros; für Ägypten siehe WESTENDORF, Handbuch, 472–535. 175 GELLER/PANAYOTOV, Mesopotamian Eye Disease Texts, 13. 176 FINCKE, Augenleiden, 272; MAUL, Babylonische Heilkunst, 34; DERS., Lösung, 80f. Dies gilt auch für andere Vertreter einer vorhippokratischen Medizin. 177 MAUL, Lösung, 80f.; siehe auch die zahlreichen Beispiele bei HAUSSPERGER, Mesopotamische Medizin, 197–217. 178 Hierzu JOUANNA, Entstehung der Heilkunst im Westen, 46–49; siehe auch VEGETTI, Zwischen Wissen und Praxis, 82. 179 Zur Medizin im Alten Israel siehe ASKIN, Scribal Culture, 211–228, die überzeugend die ältere These infrage stellt, dass es in Israel generell eine deutliche Kritik an medizinischem Handeln gegeben habe; siehe auch HOGAN, Healing, 3–25. 180 STAMATU, Art. Arzt, 100; LEVEN, Art. Medizinkritik, 600–601; weiterführend siehe auch NUTTON, Murders and Miracles, 38–47. 181 CORDES, Iatros, 17f.; WEINREICH, Antike Heilungswunder, 195–197. 182 Siehe WELLS, Greek Language of Healing, 103; siehe die Auflistung der entsprechenden Belege in Appendix 6.1, ibid., 339–353.

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Die Exposition (1,3–3,17)

passt zur Verwendung des Begriffs im Hippokratischen Corpus, wo der Terminus einfach die Handlung bezeichnen kann, die ein Arzt vornimmt, um den Zustand eines Patienten zu verbessern. „Thus, θεραπεύω implies an active process, an active and continous attempt to change an undesirable state of health for a better one. And, in some cases, interference of any sort have an undesirable effect.“183 Für eine solche Deutung des Abschnittes spricht Sir 38,1–15, wo der Beruf des Arztes nicht generell abgelehnt wird, sondern vielmehr medizinisches Handeln und Heilkunst in einem theologischen Rahmen verstanden werden. Ben Sira stellt hier den Arzt als eine Person dar, die von Gott ihr medizinisches Wissen erhalten hat und die gleichsam als Mittler für Gottes heilendes Handeln fungiert (Sir 38,6), ja, der selbst zu Gott betet, um Gelingen in seinen Werken zu haben (Sir 38,14).184 2,10: Elymaïs Ἐλυμαίς (siehe auch Jdt 1,6) entspricht hebr. Elam (Dan 8,2185) und meint wohl die gleichnamige persische Provinz südlich von Medien auf dem iranischen Hochplateau. In 1 Makk 6,1 und Flav. Jos. Ant. XII, 9, 1 [354] scheint auf eine Stadt dieses Namens Bezug genommen zu werden. Ingo KOTTSIEPER hat vorgeschlagen, hier eine Referenz auf die kurze Notiz in der aramäischen Achikarüberlieferung zu sehen, wonach Achikar seinen Ruhesitz in einer Berggegend genommen hat, die von der Hauptstadt aus in drei Tagesreisen zu erreichen war (aramAch 17,7f.).186 2,11–14: Streit Vielleicht reagiert Tobit deshalb so unmutig auf das Geblöke des Böckchens, mit Hanna weil er es als Schande empfindet, dass seine Frau nun für den Unterhalt der Familie verantwortlich ist. Eine entsprechende Sicht findet sich bei Sir 25,22[29–30]: „Zorn und Schamlosigkeit und große Schande, wenn eine Frau für ihren Mann sorgt.“187 Die Vorstellung, wie sie im „Lied von der Frau der Stärke“ (Spr 31,10–31) zum Ausdruck kommt, wonach eine tüchtige Frau einen Gewinn und etwas Gutes für ihren Mann darstellt (Spr 31,11f.) und das Ansehen ihres Mannes in der Öffentlichkeit ehrt (Spr 31,23; vgl. 31,28f.), scheint hier keine Rolle 183 WELLS, Greek Language of Healing, 73. Für Beispiele siehe ibid., 73–77. Ein anderer Sprachgebrauch liegt in „De morbo sacro“ vor; hierzu siehe ibid., 77–79. Für eine Zusammenfassung des Sprachgebrauchs im Corpus Hippocraticum sowie den griechischen Inschriften siehe ibid., 81–83. Vgl. hierzu CHRYSOVERGI, Attitudes, 124–133, die eine Ablehnung einer rationalen Medizin im Hintergrund der Ärztekritik sieht und deshalb annehmen möchte, dass Tobit Hilfe bei jüdischen Ärzten suchte, die von der hippokratischen Medizin beeinflusst waren; siehe auch CHRYSOVERGI, Contrasting Views, 40–43. 184 Zu dieser Überlieferung siehe ASKIN, Scribal Culture. Die Autorin macht deutlich, dass sich dieser Abschnitt nicht gegen Menschen richte, die medizinisches Handeln generell ablehnen, und dass die Haltung Ben Siras auf hellenistischen Einfluss zurückgehe. Vielmehr verteidige der Sirazide die Rolle der Frömmigkeit im Kontext medizinischen Handeln und repräsentiere damit eine durchaus traditionelle Position. CHRYSOVERGI, Contrasting Views, 49–53, interpretiert Sir als Reflex auf die hippokratische Medizin und den Versuch, solche Ansätze jüdischerseits zurückzudrängen. Aber auch die hippokratische Medizin sei nicht losgelöst von religiösen Vorstellungen gewesen. 185 In der Hauptstadt Elams, in Susa, spielt die Estererzählung. Allerdings wird der Name der Provinz in diesem Buch nicht erwähnt. 186 KOTTSIEPER, Achiqar, 322. 187 Siehe DI LELLA, Two Major Prayers, 98; zum Ganzen siehe EGGER-WENZEL, Knechtschaft.

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zu spielen. Auch im „Testament Hiobs“, einer Überlieferung, welche die biblische Hioberzählung narrativ ausgestaltet, muss die Frau für den Unterhalt sorgen und klagt ihren Mann an.188 In Tobits Aussage, dass sie keine Erlaubnis hätten, etwas Gestohlenes zu essen, klingen Passagen aus den Rechtscorpora wie Ex 23,4 oder Dtn 22,1–3 an. Sein Erröten zeigt ein Verhalten, wie es innerhalb der jüdisch-hellenistischen Literatur eigentlich für Frauen typisch ist (vgl. Est 5,1LXX; JosAs 4,11).189 Generell spielen Gebete in den antikjüdischen Erzählungen eine wichtige Rolle (siehe z. B. Dan 2,20–23; 3,24–50LXX; 3,51–90LXX; Jdt 9,2–14; Est 4,17a–iLXX; 17k–zLXX). Tobits Gebet weist deutliche Bezüge zu den biblischen Klagepsalmen auf.190 Allerdings ist ein abschließender Todeswunsch nur im vorliegenden Gebet belegt, die anderen Psalmen weisen (vielleicht mit Ausnahme von Ps 88) den Weg ins Leben. Die direkte Anrede an Gott mit der Aussage, dass er gerecht (griech. δίκαιος) sei, kennen auch Jer 12,1; Ps 118,137LXX; Est 4,17nLXX; Esr 9,15 (siehe auch Neh 9,33 und Dan 3,27 [ohne κύριος]). Der engste Beleg zu der Aussage von Gottes gerechten Werken findet sich in Dan 3,27LXX, aber auch Bar 2,9 kennt dieses Motiv (siehe auch Ps 18,9LXX), und Ps 24,10LXX nennt die Wege der Barmherzigkeit und Wahrheit („πᾶσαι αἱ ὁδοὶ κυρίου ἔλεος καὶ ἀλήθεια“; zur Wegmetaphorik siehe auch zu 1,3). Aussagen zu Gottes Richten finden sich in Ps 9,9 („Er richtet den Erdkreis mit Gerechtigkeit“, siehe auch die Aufforderung zum Richten in Ps 82,8). Insgesamt klingt auch Dtn 32,4LXX an: „Gott – seine Taten sind Wahrheit, und alle seine Wege sind Gerichte“ („θεός ἀληθινὰ τὰ ἔργα αὐτοῦ καὶ πᾶσαι αἱ ὁδοὶ αὐτοῦ κρίσεις“); vgl. auch Ps 144,17LXX („δίκαιος κύριος ἐν πάσαις ταῖς ὁδοῖς αὐτοῦ καὶ ὅσιος ἐν πᾶσιν τοῖς ἔργοις αὐτοῦ“).191 Gottes Barmherzigkeit erscheint nicht nur unter den Gottesprädikationen in Ex 34,6 (siehe auch Dtn 4,31; 2 Chr 30,9; Ps 103,8; 145,8; Joël 2,13; Sir 2,11[13]), sondern auch in verschiedenen Gebeten (siehe Neh 9,17.31; Jona 4,2; Jdt 7,30; 2 Makk 1,24; Bar 2,27).192 Die Bitte, dass Gott Tobits gedenken möge (μιμνῄσκομαι), rekurriert auf das hebräische ‫ זכר‬und meint an dieser Stelle Gottes Hilfe und Zuwendung (so häufig in Bittrufen, etwa Ri 16,28; Jer 15,15; Ps 25,77 u. ö.).193 Im Sinne der Bitte um göttliche Zuwendung ist auch die Rede vom „Schauen Gottes“ (ἐπιβλέπω) zu verstehen. Der Begriff entspricht hebr. ‫ נבט‬hif. (vgl. Ps 13,4; 74,20; 80,15), ‫( פנה‬vgl. Ps 25,16; 69,17; 119,132) oder auch ‫( ראה‬z. B. Ps 84,10; Klgl 5,1). Somit liegen auch hier deutliche Bezüge zur traditionellen Gebetssprache vor.

188 Zu den Parallelen zwischen Tob und dem Testament Hiobs siehe MIRGUET, History of Compassion, 119–129. 189 Vgl. MIRGUET, History of Compassion, 125. 190 Siehe hierzu allgemein NICKLAS, Weg der Gerechten, 69f.; ferner auch HAAG, Heiler Israels, 28. Vgl. MACATANGAY, Election, 456, der auf intertextuelle Bezüge zu Traditionen aus der Exodusüberlieferung aufmerksam macht, so insbesondere zu Ex 2,23–24; 3,7 und 6,5. 191 Zu den intertextuellen Bezügen siehe auch RYAN, Psalms. 192 Zum Ganzen siehe MIRGUET, History of Compassion, 100–105. 193 Zur Verwendung von hebr. ‫ זכר‬in Bittrufen siehe auch SCHOTTROFF, Art. ‫זכר‬, 514, mit zahlreichen Belegen.

3,1–6: Das Gebet Tobits

3,2.5: Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit

3,3: „Gedenken“ und „Schauen“

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3,3f.: Sünde und Sündenbekenntnis

3,4: Gottes Strafen

3,5: Ungehorsam und Gericht

Die Exposition (1,3–3,17)

Eine Verbindung von „Gedenken“ und „Schauen“ findet sich in Jer 15,15 („κύριε μνήσθητί μου καὶ ἐπίσκεψαί με“); siehe Klgl 5,1 („μνήσθητι κύριε ὅ τι ἐγενήθη ἡμῖν ἐπίβλεψον“) und Ps 8,5 („τί ἐστιν ἄνθρωπος ὅτι μιμνῄσκῃ αὐτοῦ ἢ υἱὸς ἀνθρώπου ὅτι ἐπισκέπτῃ αὐτόν“). Hier ist bemerkenswert, dass das Verb ἐπιβλέπω hebr. ‫ פקד‬wiedergibt. Das Motiv der Sünde der Väter in Verbindung mit einem Sündenbekenntnis und dem Hinweis auf die Exilierung ist ebenfalls traditionell belegt (z. B. Esr 9,6f.; Bar 1,15–22; 2,11–13; 3,4–8; weitere Sündenbekenntnisse ohne Referenz auf das Exil siehe Ps 106,6; Jes 59,12 u. ö.; insbesondere zur Verbindung mit der Verehrung anderer Götter siehe Dtn 5,9194). Ebenso hat Tobits explizites Sündenbekenntnis biblische Bezüge (vgl. die häufige Verbindung von ἐντολή mit ἀκούω, z. B. Dtn 11,22.27.28; 13,5.19; 28,13 oder mit εἰσακούω, so Dtn 11,13; 15,5; 27,10; 28,1; die Verbindung mit παρακούω findet sich nur hier). Zudem enthalten auch verschiedene Klage- und Bittgebete ein Sündenbekenntnis (z. B. Ps 41,5; 51,6; Est 4,17nLXX oder das Gebet Manasses 8–10.12; zur Bitte an Gott, nicht zu richten, vgl. sinngemäß Ps 6,2). Eine Verbindung zwischen dem Bekenntnis eigener Verfehlung und der Gerechtigkeit Gottes belegt Ps 143.195 Auch das Motiv der Strafen, die Gott wegen des Ungehorsams verhängt, steht in einem engen Bezug zur biblischen Tradition. Ἁρπαγή verweist in den biblischen Texten auf den Raub, den Israel begangen hat (Jes 3,14; 10,2; siehe auch Nah 2,13), und so klingt zumindest implizit der Tun-Ergehen-Zusammenhang an. Aἰχμαλωσία, ein in LXX sehr häufiger Begriff für das Exil (z. B. 2 Kön 24,14; 2 Chr 6,37; 28,11–17; Esr 2,1; 8,35), kennen auch in Dtn 28,41 und Am 1,15 im Kontext einer Gerichtsansage. Häufig sind auch die entsprechenden Belege für den Begriff „Tod“ bzw. Wörter und Metaphern aus diesem Vorstellungsfeld (z. B. Jes 15,12; Ez 5,12; 24,16; 28,10; Am 7,17; 9,10). Ραραβολή und λάλημα erscheinen auch in anderen Belegen in einem pejorativen Sinn (siehe die TA z. St.). Ὀνειδισμός im Kontext einer Gerichtsansage findet sich u. a. auch in Jer 23,40; 24,9; 25,9; zum Gebetskontext siehe Bar 2,4. Interessant sind auch die verschiedenen Verbindungen einzelner Begriffe: αἰχμαλωσία und ὀνειδισμός (Neh 1,3; 3,36; Jer 38,19) sowie παραβολή und ὀνειδισμός (Jer 24,9). Die Verknüpfung mit δίδωμι findet sich nur hier in Tob; häufiger dagegen ist die Verbindung des Begriffs mit διαρπαγή, vgl. Jdt 8,19: „ἐδόθησαν εἰς ῥομφαίαν καὶ εἰς διαρπαγήν“ (siehe auch Jdt 2,7; 4,12; Jes 42,24; Ez 25,7 u. ö.).196 Die Zerstreuung unter den Völkern (διασκορπίζω) verweist buchintern auf Tobits Hymnus (13,5) und seine Geschichtsschau am Ende seines Lebens (14,4). Auch sonst steht διασκορπίζω häufig im Gerichts- und Exilskontext (Dtn 30,1.3; Sach 2,2.4; Jer 9,15; 10,21; Ez 5,2.10; 12,15; 20,23.34.41; 22,15; 28,25; 46,18; Dan 9,7). Die Verbindung von Ungehorsam und Gerichtshandeln Gottes findet sich auch in Ps 119,118; Dan 3,27.31LXX. Die Rede vom Wandeln in Wahrheit vor Gott erinnert an Jes 38,3 (ein Unschuldsbekenntnis: „ὡς ἐπορεύθην ἐνώπιόν σου μετὰ ἀληθείας ἐν καρδίᾳ ἀληθινῇ“); 1 Kön 2,4 (ein konditioniertes Heilswort an den König: „πορεύεσθαι ἐνώπιον ἐμοῦ ἐν ἀληθείᾳ ἐν ὅλῃ καρδίᾳ αὐτῶν“); siehe auch Ps 85,11LXX 194 DI LELLA, Two Major Prayers, 104. 195 Auf diesen intertextuellen Beleg verweist NICKLAS, Weg der Gerechten, 69. 196 Zum Ganzen siehe ENGEL/SCHMITZ, Judit, 258.

Diachrone Analyse

129

(eine Bitte an Gott: „ὁδήγησόν με κύριε τῇ ὁδῷ σου καὶ πορεύσομαι ἐν τῇ ἀληθείᾳ σου“), Spr 28,6 (aus einer weisheitlichen Sentenz: „πορευόμενος ἐν ἀληθείᾳ“) und 1 Kön 8,23 (ohne den Begriff der Wahrheit). Das Motiv des Todeswunsches in Gebetstexten gehört zur traditionellen Kla- 3,6: Todesgerhetorik (so z. B. Hiob 6,8–10; 7,15f.).197 Neben Hiob baten auch Elia (1 Kön 19,4) wunsch und Jeremia (Jer 20,14–18) um den Tod, und so ist Tobit in seiner Verzweiflung in guter Gesellschaft.198 Auch die einzelnen Wendungen, mit denen Tobit seinem Wunsch zu sterben Ausdruck verleiht, bedienen sich biblischer Sprache: – – – –

Hinwegnehmen des πνεῦμα: Ps 103,29LXX; siehe auch Jona 4,3. Erlöst werden (ἀπολύω) vom Angesicht der Erde: Hiob 19,25. Zu Erde werden: Gen 2,7; 3,19; Koh 3,20; 12,7 und Ps 104,29. Das Grab als ewiger Ort („τὸν τόπον τὸν αἰώνιον“): Jes 33,14LXX; siehe auch Koh 12,5LXX: „εἰς οἶκον αἰῶνος αὐτοῦ“.

Diese Referenzen weisen in unterschiedliche Richtungen. Eindeutig innerweltlich sind Ps 104,29; Gen 2,7; Koh 12,5 (so legt es zumindest der Gesamtkontext dieses Buches nahe). Aber es deuten sich auch andere Dimensionen an: Die Wendung vom „ewigen Ort“ könnte auch eine archaische Vorstellung vom Tod als Existenz in einer Art „Schattenwelt“ beinhalten.199 Ebenso lässt sich die Rede von der „Erlösung“ als Hinweis auf eine postmortale Existenz verstehen, wenn es in Hiob 19,25f.LXX heißt: „Denn ich weiß, dass der immerwährend ist, der mich befreien wird (ἐκλύω) auf der Erde. Meine Haut, die solches geduldig ertrug, möge er auf(er)stehen lassen“ (nach LXX.D). Allerdings lassen es diese Bezüge nicht zu, definitive Schlüsse auf das Verständnis des Todes in Tob zu ziehen, da es in rezeptionsgeschichtlicher Hinsicht keineswegs zwingend ist, die Texte in einem historisch-kritischen Sinne zu deuten. Hiob 19,25f.LXX, aber auch Ps 49,16 oder Ps 73,24 zeigen, dass bereits Überlieferungen aus spätpersischer bzw. frühhellenistischer Zeit die Hoffnung auf eine postmortale Gemeinschaft mit Gott belegen.200 Eine ganz deutliche Sprache spricht dann Pseudo-Phokylides 109–115 (zwischen 50 v. Chr. und 50 n. Chr.), wo das Konzept einer „dichothomen Anthropologie“ belegt ist. Danach findet die unsterbliche Seele, die von Gott hinweggenommen wird, nach dem leiblichen Tod wieder ihren Ort bei Gott.201 „109 Wenn du reich bist, dann sei nicht geizig – gedenke, daß du sterblich bist. 110 Unmöglich ist’s, sein Glück und Gut in den Hades mitzunehmen. 111 (Wir) alle (werden) gleichermaßen (zu) Leichnamen; aber über die Seelen herrscht Gott. 112 (Uns) allen 197 Siehe hierzu FREVEL, Todeswunsch, 25–41. PORTIER-YOUNG, Alleviation, 42–45, verweist auf narrative Kontexte – so 1 Kön 19,4 oder Jona 4,3.8. 198 DI LELLA, Two Major Prayers, 113. 199 So z. B. Hiob 7,9–10; Jes 26,14; zum Ganzen siehe EGO, Death and Burial, 91f. (Lit.). 200 Siehe hierzu BIEBERSTEIN, Jenseits der Todesschwelle, 424–428; GESE, Tod, 43–49; LEUENBERGER, Bestattungskultur, 329–332. Zum weiteren Hintergrund siehe auch die Diskussion um die Amulettfunde mit dem Priestersegen aus Ketef Hinnom aus dem 6. Jh. v. Chr. sowie zu Hos 6,1–3; zum Amulett siehe EBERHARDT, Gottesferne, 385–386; zu Hos 6,1–3 siehe WOLFF, Hosea, 150f. 201 Siehe hierzu FISCHER, Tod und Jenseits, 225.

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Die Exposition (1,3–3,17) ist der Hades gemeinsam als ewiges Obdach und Vaterland, 113 gemeinschaftlicher Ort für alle, für Bettler wie für Könige. 114 Wir Menschen leben nicht auf lange Zeit, sondern nur vorübergehend; 115 doch die Seele ist unsterblich und lebt, ohne zu altern, immerdar“ (zitiert nach der Übersetzung von WALTER, Dichtung, 207f.).

3,6: Gottes Das Motiv vom göttlichen Angesicht wurzelt in der höfischen Welt. Es ist urAngesicht sprünglich Teil einer Audienzszene, bei der es um die Begegnung zwischen dem

König und einem Bittsteller ging (so z. B. Est 5,1–3). Aus diesem Kontext wurde es in die Tempeltheologie übernommen. Der Kontakt mit Gottes Angesicht bedeutet Schutz, Rettung und Leben; das Abbrechen des Kontaktes dagegen ist mit dem Tod gleichzusetzen (Ps 104,29).202 Die griech. Wendung „ἀποστρέφω τὸ πρόσωπον“ entspricht hebr. ‫( סתר פנים‬so z. B. Ps 10,11; 13,2; 22,25; 30,8; 44,25; 102,3 u. ö.). Die entsprechende Bitte, Gott möge sein Angesicht nicht abwenden, formulieren Ps 27,9; 69,18 und 143,7f. In Ps 15,11LXX steht der Begriff πρόσωπον dann im Kontext der Jenseitshoffnung des Beters.203 Auch für diese Sentenz, wonach der Tod großer Not vorzuziehen ist, gibt es 3,6: Sentenz biblische Vorbilder: Jesus Sirach weiß, dass der Tod besser ist als ein elendes Leben (Sir 30,17; siehe auch Jona 4,3 sowie Num 11,15; 1 Kön 19,3–4 und Hiob 7,15).

Synthese Mit Tob 1,3 beginnt die Exposition der Handlung, in der von Tobits und Saras Not erzählt und am Ende die Figur des rettenden Engels eingeführt wird (3,16f.). Zunächst steht in diesem Abschnitt das Leben des Protagonisten Tobit im Zentrum. Tobit spricht in der 1. Pers. Sg. und gibt so einen direkten Einblick in seine Sichtweise auf die Ereignisse. V. 3 dient als eine Art Überschrift und benennt mit den Begriffen „Wahrheit“ (ἀλήθεια), „Gerechtigkeit“ (δικαιοσύνη) und „Barmherzigkeit“ (ἐλεημοσύνη) leitwortartig die zentralen Werte des Protagonisten und auch der Erzählung. Der Terminus ἐλεημοσύνη ist im Sinne von Barmherzigkeit aufzufassen; auch δικαιοσύνη meint ein solches von Barmherzigkeitstaten geprägtes, dem Mitmenschen zugewandtes Handeln. Durch Tobits integren Lebenswandel verschärft sich die in der Buchüberschrift angedeutete Problematik einer Diskrepanz von Tun und Ergehen. Unter den Brüdern Tobits ist hier die gesamte Stammesgemeinschaft zu verstehen, sodass letztlich alle Mitexilierten als Familie vorgestellt werden. Der Vers bildet eine Art Motto für Tobits Lebensführung, das in zwei verschiedene Richtungen entfaltet und veranschaulicht wird: Tob 1,4–9 schildert zunächst Tobits frommes Leben im Land, das sich – im Gegensatz zu dem seiner Stammesbrüder – durch seine Treue gegenüber dem Jerusalemer Tempelkult mit seinen regelmäßigen Wallfahrten und Abgaben auszeichnet. Darin zeigt sich die Fokussierung der Erzählung auf Jerusalem; außerdem spricht der Erzähler hier auch explizit vom Gebotsgehorsam Tobits, insofern Tobit die Zehntabgabe „entsprechend dem Gesetz“ darbringt. Tobit wird damit als der exemplarische Gesetzestreue vorgestellt, wobei er bemerkenswerterweise von seiner Großmutter Debora unterrichtet worden ist (1,8). Außerdem heiratet Tobit 202 Zum Ganzen siehe HARTENSTEIN, Angesicht JHWHs. 203 LIESS, Weg des Lebens, 430–437, insbesondere 434f.

Synthese

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eine Frau aus seiner eigenen Verwandtschaft. Die Endogamie, d. h. die Heirat innerhalb der eigenen Großfamilie, gehört ebenfalls zu den Leitmotiven der Erzählung und wird als Realisierung der Tora präsentiert (so 6,13). Die Vorschrift der Endogamie dient sowohl der gruppeninternen Kohäsion und Stabilisierung als auch der Abgrenzung nach außen. Dieser Regelung kommt insbesondere dann großes Gewicht zu, wenn eine Gruppe sich durch die (wenn vielleicht auch nur gefühlte) Übermacht einer anderen Gruppe in ihrer Existenz als gefährdet empfindet. Wenn die Erzählung aus dem Umkreis der Tobiadendynastie stammt, könnte dieses Element dazu dienen, Zweifel an der „Reinheit“ des Stammbaums der Familie aus der Welt zu schaffen (siehe Esr 2,60.62; Neh 7,62.64). Tob 1,10–2,1a beschreibt dann Tobits frommes Leben im Exil. Dort tritt zwar das Thema des Kultus zurück, aber auch in Ninive führt Tobit einen vorbildlichen Lebenswandel, wenn er – wieder im Gegensatz zu seinen Landsleuten – die Speisen der Völker meidet (1,10f.). Es ist anzunehmen, dass der Erzähler Tobits Einhaltung der Speisegebote zumindest implizit als Erfüllung der Tora versteht. Wenn Tobits Handeln von Gott belohnt wird, indem er eine hohe Position als Einkäufer des Königs am Hofe erhält und er zudem noch beträchtlichen Reichtum erwerben kann (1,12–15), wird der Leserschaft der Eindruck vermittelt, dass bei allen Turbulenzen und Anfragen letztlich wieder eine gewisse Ordnung hergestellt ist und Gottes gerechtes Handeln ersichtlich wird. So scheint die Spannung, die am Buchanfang erzeugt wird, zunächst aufgelöst zu sein. Allerdings sollen sich die Dinge auch schnell wieder ändern: Das Glück Tobits währt nur kurze Zeit, denn unter der Herrschaft des neuen Königs Sanherib werden die Wege nach Medien so unsicher, dass Tobits weitgespanntes Handelsnetzwerk zusammenbricht und er deshalb – so müssen wir schlussfolgern – wohl auch keinen Erwerb durch den Fernhandel mehr hat. Dennoch fährt er fort, barmherzige Werke (man beachte das Leitwort ἐλεημοσύνη) zu tun, indem er die Hungernden speist und die Bedürftigen seines Volkes mit Kleidung versorgt (1,16f.). Weil er die Leichname seiner Stammesbrüder begräbt, die Sanherib willkürlich getötet hat, muss er letztendlich fliehen und sich verstecken. Sein gesamtes Vermögen wird konfisziert (1,15–20). Als Sanherib nach nur 50 Tagen seiner Herrschaft getötet wird, ändern sich die Dinge abermals: Tobits Neffe Achikar wird zum obersten Finanzbeamten des Reiches unter Asarhaddon ernannt und kann als solcher bewirken, dass Tobit nach Ninive zurückkehren darf (1,21–22). Tob 2,1a schließt hier direkt an, insofern Tobit nun auch Frau und Kind zurückbekommt. Die Barmherzigkeitstaten des toratreuen Frommen und sein unschuldiges Leiden in der Unsicherheit des Exils – das sind die beiden großen Themen, die in der Einleitung anklingen. Eher im Hintergrund schwingt zudem auch bereits die Thematik der Endogamie mit. Diese Themen werden im Fortgang der Erzählung aufgenommen und weiterentwickelt. Wenn sowohl Jerusalem als religiöse Bezugsgröße als auch der Stamm Naftali, der wohl exemplarisch für die Nordstämme steht, genannt werden, wird die gesamtisraelitische Perspektive der Erzählung deutlich. Wie unsicher die Verhältnisse in Ninive tatsächlich sind, zeigt die sich anschließende Episode (2,1b–10): Nach seiner Rückkehr speist Tobit weiterhin die Bedürftigen (2,2f.) und lässt auch nicht davon ab, die Toten seines Volkes zu bestatten. Nun gerät er zunehmend in eine soziale Isolation, wenn er von seinen Nachbarn verspottet wird. Sein Rekurs auf Am 8,10 bringt implizit zum Ausdruck,

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Die Exposition (1,3–3,17)

dass die Sünde des Volkes für die gesamte Misere verantwortlich ist. So wird bereits deutlich, dass Tobit in seinem Leid trotz seines gerechten Lebenswandels am Schicksal seines Volkes partizipiert (2,1b–8). Als sich Tobit einmal nach der Bestattung eines seiner Brüder im Freien zum Schlafen niedergelegt hat (mit großer Wahrscheinlichkeit aus Gründen der Reinheit), lässt ihm ein Sperling Kot in die Augen fallen. Tobit bekommt „weiße Flecken“ auf den Augen (es handelt sich wohl um eine korneale verkalkende Bandkeratopathie). Die ärztliche Hilfe, die Tobit aufsucht, verkehrt sich in ihr Gegenteil, sodass Tobit schließlich ganz erblindet. Hier begegnet das sogenannte „pragmamorphe“ Krankheitskonzept, das Krankheit als eine Art Fremdkörper beschreibt. Heilung erfolgt durch den Einsatz von Mitteln, die diesen eliminieren können. Von einem religiösen Hintergrund dieser Erkrankung ist nichts zu vernehmen, dafür schwingt eine deutliche Kritik an den Ärzten mit (2,9–10) (und wohl auch an medizinischen Mitteln wie Vogelexkrementen). Der Erzähler war wohl mit zeitgenössischen medizinischen Diskursen vertraut; es deutet sich bereits an, dass Heilung nur in einem religiösen Rahmen im Kontext der Religion des Gottes Israels vorstellbar ist. Tobit ist nach seiner Erblindung ganz auf die Unterstützung seines Verwandten Achikar angewiesen. Nachdem er seine Frau Hanna, die nach Achikars Wegzug den Lebensunterhalt der Familie durch Heimarbeiten verdienen muss, ungerechterweise wegen des Diebstahls eines Ziegenböckchens anklagt, kommt es zu einem Streit der Eheleute. In diesem Kontext verhöhnt Hanna ihren Mann und macht ihm deutlich, dass seine Gerechtigkeitstaten in einem deutlichen Widerspruch zu seiner tatsächlichen Lebenssituation stehen (2,11–14). Wie bereits im Falle der Debora, die Tobit in der Tora unterwiesen hat (siehe 1,8), zeigt auch diese Episode, dass Frauenfiguren eine wichtige und aktive Rolle in der Handlung einnehmen und zudem einen durchaus individuellen Zuschnitt haben können. Tobit scheint hier die Kontrolle über die Situation verloren zu haben, da er auf die Worte seiner Frau gar keine Antwort mehr gibt. Durch die Verwendung der Begriffe ἐλεημοσύνη und δικαιοσύνη wird intertextuell der Bogen zurück zu Tob 1,3 geschlagen und die beiden ersten Kapitel des Buches werden so strukturell eng zusammengebunden. Tobit ist so betrübt in seinem Schmerz, dass er Gott in einem Bittgebet darum anfleht, ihn von dieser Schmach zu erlösen und sterben zu lassen (3,1–6). In den Gebetsanreden erscheinen die Leitwörter „Gerechtigkeit“, „Barmherzigkeit“ und „Wahrheit“, womit sich die menschliche und göttliche Welt verschränken. Tobits Ideale, nach denen er sein Handeln ausrichtet (siehe 1,3), stehen im Einklang mit Wirksphären, die letztlich Gott zugeschrieben werden. Auffällig in Tobits Gebet ist zudem, dass er gar nicht seine Blindheit beklagt, sondern vielmehr den Fokus auf die ihm widerfahrenen Schmähungen richtet. Im Kontext seiner Bitten um Verschonung von Strafe bzw. der Betonung der Gerechtigkeit Gottes erfolgt sowohl ein implizites als auch ein explizites Sündenbekenntnis, welches deutlich zeigt, dass Tobit, trotz seines integren Lebenswandels, an der Sündenexistenz seines Volkes partizipiert. Wenn er sowohl von seinen eigenen Schmähungen spricht (so am Ende des Gebets) als auch von der Schmach des Kollektivs „bei allen Völkern“ (so 3,4 Ende) und hier jedes Mal derselbe Begriff ὀνειδισμός erscheint, deutet sich darin die enge Verbundenheit des individuellen mit dem kollektiven Aspekt an. Durch sein Gebet zeigt Tobit, dass er sein Leben bei aller Anfechtung im Horizont der Präsenz Gottes führt und dass er sich mit seiner Klage und Not an diesen

Saras Leid und ihr Gebet (3,7–15)

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wenden kann. Während die Bitten in den biblischen Klagepsalmen in der Regel auf eine Rückkehr in die Fülle des Lebens abzielen, endet Tobits Gebet mit dem Wunsch nach dem Tod. Subtil klingt die Vorstellung einer Hoffnung auf eine jenseitige Existenz an.

Saras Leid und ihr Gebet (3,7–15) Saras Schicksal: Vom Dämon heimgesucht und von einer ihrer Mägde verspottet (3,7–10) 7 Am selben Tag widerfuhr es Saraa, der Tochter Raguëlsb, in Ekbatanac in Medien, dass auch sie Schmähungen dvon einer der Mägded ihres Vaters hören musste. 8 a Sie war nämlich sieben Männern [zur Frau] gegeben worden, aber der böse Dämona Asmodäusb hatte sie getötet, cehe sie mit ihr sein konntenc, wie man es bei Frauen üblicherweise tut. b Und die Magd sagte zu ihr: Du bist es, die deine Männer tötet! Siehe, du wurdest schon sieben Männern gegeben, und nicht nach einem von ihnen wurdest du benannt. 9 Was züchtigst du uns wegen dieser deiner Männer, da sie gestorben sind? Geh doch mit ihnen, und wir wollen in Ewigkeit nicht Sohn oder Tochter von dir sehen! 10 a An jenem Tag wurde sie von tiefem Schmerz erfüllt, und sie weinte und stieg hinauf in das Obergemach ihres Vaters und wollte sich erhängen. b Und wiederum dachte sie bei sich und sagte: Niemals sollen sie meinen Vater schmähen und zu ihm sagen: Du hattest nur eine einzige, geliebte Tochter, und die hat sich aus Unglück erhängt! Und ich werde adie grauen Haare meines Vatersa mit Schmerz in die Unterwelt hinabbringen. Es ist besser für mich, mich nicht zu erhängen, sondern den Herrn zu bitten, dass ich sterbe und niemals mehr in meinem Leben Schmähungen hören werde.

Saras Verzweiflung und ihr Gebet (3,11–15) 11 a In diesem Augenblick streckte sie die Hände aus zum Fenster und betete und sprach: b aGepriesen bist du, barmherziger Gott, und gepriesen sei dein Name in Ewigkeiten, und es sollen dich preisen alle deine Werke in Ewigkeita. 12 aUnd nun habe ich mein Angesicht und meine Augen zu dir erhobena. 13 Befiehl, dass ich von der Erde erlöst werde und dass ich nicht länger Schmähungen hören muss. 14 Du weißt, Herrschera, dass ich rein bin von jeder Verunreinigung mit einem Mann, 15 a und dass ich weder meinen Namen noch den Namen meines Vaters a aim Lande meiner Gefangenschafta befleckt habe. b Ich bin das einzige [Kind] meines Vaters, und er hat kein anderes Kindb, dass es ihn beerben könnte, noch hat er einen Bruderc oder Verwandtend, dass ich

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Die Exposition (1,3–3,17)

mich ihm als Frau erhalten müsste. Schon sieben sind mir umgekommen! c Und was soll mir noch das Leben? d Und wenn es dir nicht gefällt, mich sterben zu lassen, Herr, so höre nun hin auf meine Schmach!e

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 3,7a 3,7b 3,7c

3,7d–d 3,8a 3,8b 3,8c–c

3,10a–a 3,11a–a

3,12a–a 3,14a 3,15a–a 3,15b 3,15c 3,15d 3,15e

Griech.: Σάρρα; vgl. hebr. ‫ שׂרה‬in 4Q200 4 2. Griech.: Ραγουηλ; vgl. 4Q196 14ii 6 hat hier ‫ ;רעואל‬zu diesem Namen siehe zu 1,1. Griech.: Ἐκβατάνοις; ist Neutr. Dat. Pl. und bezieht sich auf die Stadt. LITTMAN, 77, verweist darauf, dass der Begriff auch als Mask. im Sinne von „die Einwohner von Ekbatana“ verstanden werden kann; es handelt sich um eine im Griech. gebräuchliche Konstruktion. Siehe auch 4Q197 4iii 1 als [ ‫א)תמ(]תא‬. Die Stadt heißt bei Herodot I,98 Ἀγβάτανα. Genitivus partitivus. 4Q197 1 2 bestätigt, dass es sich um eine Magd handelt; vgl. dagegen den Plural in GI: Hier wird Sara nicht von einer Magd, sondern allgemein „von den Mägden ihres Vaters“ geschmäht. Griech.: δαιμόνιον; vgl. hebr.: ‫ ;שׁד‬vgl. 4Q197 4i 13; in Vg. fehlt die Angabe, dass der Dämon böse war. Griech.: Ἀσμοδαῖος. GI liest für den Namen des Dämons immer Ἀσμόδαυς. Griech.: πρὶν ἢ γενέσθαι αὐτοὺς μετ᾿ αὐτῆς; meint hier „sexuellen Verkehr haben“; hebr. ‫( להיות עמה‬z. B. Gen 39,10; 2 Sam 13,20); vgl. LITTMAN, 78. Vgl. GI: „ehe sie zu ihr eingehen konnten – wie bei den Frauen [üblich]. Und sie sagten zu ihr: Bist du von Sinnen, dass du deine Männer erwürgst? Schon sieben hattest du, und von keinem von ihnen hast du Nutzen gehabt.“ Griech.: τὸ γῆρας τοῦ πατρός μου; wörtl.: „das Greisenalter meines Vaters“. Es handelt sich um eine wörtliche Übernahme von Gen 42,38 und 44,31 mit der Wendung ‫להוריד את שׂיבה ביגון‬. GI ist am Anfang des Gebets ausführlicher, wenn Sara sagt: „Gepriesen bist du, Herr, mein Gott, und gepriesen sei dein heiliger und ehrenvoller Name in Ewigkeiten; es mögen dich preisen alle deine Werke in Ewigkeit.“ So wird hier wieder „Gott“ und κύριος verbunden; außerdem wird ein Personalpronomen bei der Gottesanrede verwendet. Die Einfügung des Adjektives „heilig“ ist auch sonst in Tob belegt (8,5.15; 12,12). Hier könnte ein Einfluss von Jes 57,15; Ez 39,7 (siehe auch Ps 99,3; 111,9) vorliegen. Wörtl.: „Und nun zu dir mein Angesicht – und meine Augen blicken auf zu dir“; zur Syntax vgl. LITTMAN, 81. GI liest „Herr“ anstelle von „Herrscher“. GI verwendet also κύριος und zeigt damit eine für diese Version typische Tendenz. Griech.: ἐν τῇ γῇ τῆς αἰχμαλωσίας μου; vgl. 4Q196 6 10: „im ganzen Land unserer Gefangenschaft“; siehe auch VL: in terra captivitatis meae. Griech.: τέκνον; meint das männliche Kind; 4Q196 6 11 liest ‫)ב(ר‬. Griech.: ἀδελφός; der Begriff meint hier eine Person aus der Verwandtschaft Saras. Griech.: ἐγγύς; siehe 4Q196 6 11 liest ‫קריב‬. Laut Vg. betete Sara drei volle Tage. Zudem unterscheidet sich Saras Gebet deutlich von der griechischen Vorlage, da Saras Reinheit und das Motiv der Gottesfurcht hier noch deutlicher betont werden. Zudem erscheint nun das Motiv der Prüfung durch Gott.

Synchrone Analyse

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Synchrone Analyse Gliederung und Struktur Das Kapitel gliedert sich in zwei Abschnitte: 3,7–10 3,11–15

Gliederung

Saras Leben: Vom Dämon heimgesucht und von einer ihrer Mägde verspottet Saras Verzweiflung und ihr Gebet

Nach der Erzählung vom Schicksal Tobits folgt nun eine Parallelhandlung, die Struktur mit der Figur der Sara in Ekbatana eine neue Figur und ihre Geschichte einführt (3,7–15). Damit wechselt der Erzähler in die 3. Pers. Sg. Diese Perspektive wird dann bis zum Ende des Buches beibehalten. Wenn die Schmähung der Magd in wörtlicher Rede erfolgt, so wirkt der Erzählstil direkt und anschaulich (3,8–9). Der Erzähler bedient sich zudem eines inneren Monologs, um der Leserschaft Einblick in Saras Gefühlswelt zu verschaffen (3,10b). Im Medium eines Gebets lässt er dann auch die Figurenstimme zu Wort kommen und erzeugt bei der Leserschaft so einen unmittelbaren Zugang zu den Emotionen dieser Erzählfigur (3,11–15).

Einzelexegese Eingeführt wird Sara, die Protagonistin der Erzählung, deren Geschichte sich 3,7–10 zeitgleich („am selben Tag“) mit der des alten Tobit ereignet. Sara lebt mit ihrer Familie in Ekbatana, und der Ort der Handlung liegt somit nun Hunderte von Kilometern weiter östlich von Ninive. Da auch Sara Opfer von Schmähungen (ὀνειδισμός) ist, steht ihr Schicksal dem Tobits in inhaltlicher Hinsicht nahe (siehe 3,4.6). Der Erzähler erklärt die Hintergründe der misslichen Situation Saras. Bereits 3,8a sieben Männern wurde sie zur Frau gegeben, aber alle waren vor dem Vollzug der Ehe gestorben, weil ein böser Dämon namens Asmodäus sie umbrachte. Dämonen sind ganz generell Träger übermenschlicher Macht; sie wollen den Menschen gegenüber Übles und versuchen, diese anzugreifen und manchmal sogar zu töten. Mögen solche Vorstellungen dem modernen Menschen auch fremd sein, so sind sie doch in der Gedankenwelt traditioneller Gesellschaften weit verbreitet, um zerstörerische Kräfte zu veranschaulichen. Durch die Verbindung mit dem Motiv der ehelichen Verbindung lässt sich Asmodäus hier als ein „Grenzgänger“ charakterisieren und als ein Dämon, der für die „Gefahren [steht], die biographische Übergänge begleiten.“204 Insbesondere die Hochzeitsnacht scheint dabei mit einer ganz besonderen Gefährdung verbunden worden zu sein.205 Die Siebenerzahl verweist auf das Märchenhafte der Erzählung; gleichzeitig bringt sie aber auch die Auswegslosigkeit der Situation Saras zum Ausdruck. Es ist zu vermuten, dass die gesamte Szenerie letztlich durchaus einen lebensweltlichen Hintergrund 204 FREY-ANTHES, Unheilsmächte, 284. 205 BÖCHER, Dämonenfurcht, 124–130.

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Die Exposition (1,3–3,17)

hat und in verdichteter Form die Erfahrung (sei es in der Welt des Autors oder sei es im „kollektiven Gedächtnis“ der Erzählgemeinschaft) mit einer Infektionskrankheit widerspiegelt: Die Verbindung zwischen Sara und dem Dämon könnte als Konstrukt verstanden werden, das im Kontext der Deutung einer ansteckenden und häufig tödlichen Infektionskrankheit (hervorgerufen durch Bakterien oder Viren) steht.206 Sara selbst zeigt keine Symptome, ist aber im engeren Kontakt infektiös, wobei die Krankheit nur eine kurze Inkubationszeit aufweist. Es folgt die Anklage einer der Mägde Saras, die nun den Inhalt der bereits 3,8b–9 genannten Schmähungen nennt und Sara für den Tod ihrer Männer verantwortlich macht. Während bislang nur die Rede davon war, dass Sara von einer Magd geschmäht wird, lässt die Verwendung der 1. Pers. Pl. in der Äußerung der Magd darauf schließen, dass eine Mehrzahl von Mägden hinter dieser Anklage steht (3,9). Der Vorwurf der Züchtigung zeigt, dass die Mägde kein einfaches Leben mit Sara hatten. So wünscht die geifernde Magd Sara auch im Namen ihrer Kolleginnen den Tod und betont, dass sie diese auch in Zukunft kinderlos sehen wollen. Damit steht also Sara allein einer Mehrzahl von ihr feindlich gesinnten Mägden gegenüber. Weder Sara noch den Mägden scheint der „metaphysische“ Hintergrund des Geschehens, wonach ein Dämon für den Tod der Männer verantwortlich ist, bekannt zu sein.207 Sara leidet und kann sich in ihrer Unschuld dieses Leid nicht erklären. Ihren Mitmenschen aber erscheint sie als eine „killer-wife“, also als eine Frau, mit welcher der sexuelle Kontakt tödliche Folgen hat und in deren Umfeld eine ganze Anzahl Menschen verstorben sind. Die Erzählung arbeitet somit auf zwei Ebenen und gibt der Leserschaft einen eindeutigen Wissensvorsprung. Da aber den Figuren diese Hintergründe bis zum Schluss der Erzählung verborgen bleiben, entsteht eine „ironische Spannung“, die „einen wesentlichen Zug in der Erzähltechnik des Tobitbuches aus(macht).“208 Das Motiv der Aggressivität des Dämons entlastet die Figur Saras, insofern sie nun selbst eine Opferrolle einnimmt. Auffälligerweise setzt sich Sara gegen die Attacken der Mägde nicht zur Wehr: „Sara ist eine ‚stille Dulderin‘. Anders als Tobit weiß sie um ihre Unschuld, ergibt sich aber geduldig in ihr Schicksal.“209 3,10a Mit der Aussage, dass Sara tiefen Schmerz empfindet („ἐλυπήθη ἐν τῇ ψυχῇ“), lässt der Erzähler seine Leserschaft in die Gefühlswelt der Protagonistin blicken. Durch die Wahl desselben Grundwortes wie in Tob 3,1.6 – λυπέω bzw. λύπη – erfolgt noch einmal eine Parallelisierung mit dem Geschick des alten Tobit. Auch Saras Leben und ihre Welt sind in Unordnung geraten.210 Ihr Lebensentwurf, vorgezeichnet durch die gesellschaftlichen Konventionen, ist gescheitert, insofern ihr Ehe und Kinder versagt bleiben; die Schmähung der Mägde zeigt zudem, dass sie auch den sozialen Halt ihrer nächsten Umgebung verloren hat. Deshalb möchte Sara ihrem Leben ein Ende setzen und sich erhängen. Das hier verwendete Verb ἀπάγχομαι erscheint in LXX außer an dieser Stelle noch in 2 Sam 17,23 im Zusam206 Zu Asmodäus als Verkörperung einer ansteckenden Krankheit, die durch den Engel vertrieben wird, siehe auch HAMIDOVIĆ, Les racines bibliques, 107–120. 207 Zu Saras Unwissenheit über den Dämon siehe auch DI LELLA, Two Major Prayers, 112. 208 FREY-ANTHES, Unheilsmächte, 288. 209 FREY-ANTHES, Unheilsmächte, 287. 210 COUSLAND, Comedy, 549.

Synchrone Analyse

137

menhang der Selbsttötung Ahitofels. Warum Sara sich in das Obergemach des Hauses begibt, ist nicht klar ersichtlich. Man könnte vermuten, dass dieser Teil des Hauses etwas abgelegener war oder sich durch das offene Gebälk besser für ihr Vorhaben eignete. Vielleicht möchte der Erzähler aber auch das Gebet Saras vorbereiten, das am Fenster stattfindet.211 Ein innerer Monolog schließt sich an: Als Sara sich konkret vorstellt, welchen Schmähungen ihr Vater ausgesetzt sein würde, wenn sie als sein einziges Kind (zu diesem Motiv siehe auch 6,16; 8,17) sich das Leben nähme, ändert sich ihr Sinn und sie erkennt, dass es besser ist, nicht selbst ihrem Leben ein Ende zu setzen, sondern Gott um Erlösung von ihren Schmähungen zu bitten. Somit erfährt der Suizid hier eine negative Bewertung: „Der Suizid würde nicht Sara selbst, wohl aber ihrem Vater Schmähungen, Vorwürfe, Beschämungen und Trauer bringen (3,10). Hier wird – durchaus in den Kategorien von Ehre und Schande – das Problem bedacht, dass auch die vermeintlich solipsistische Tat eines Selbstmörders soziale Auswirkungen auf die nächsten Verwandten hat: Der Suizid erscheint als eine Tat, die man aufgrund der Beziehungen zu seinen Nächsten besser unterlassen sollte.“212 Wenn am Ende des Verses und damit des gesamten Abschnittes wieder der Begriff „Schmähung“ (ὀνειδισμός) erscheint, so entsteht eine Rahmung um diese Texteinheit (siehe 3,7); außerdem wird auch mit dieser Begrifflichkeit wieder der Bogen zurück zum Schicksal des alten Tobit geschlagen (3,4.6). Sara wendet sich nun – wie auch Tobit im fernen Ninive – mit ihrem Anliegen in einem Gebet an Gott.213 Auffälligerweise ist dieses umfangreicher als die gesamte Geschichte, die bislang über sie erzählt wurde.214 Saras Gebet beginnt nach der knappen Einleitung (V. 11a) mit der Anrede an Gott und einer Doxologie (V. 11b). Es folgt die Bitte um Erlösung durch den Tod (V. 12f.), eine Unschuldsbeteuerung (V. 14.15a), um dann nach Notschilderung und Klage (V. 15b.c) mit einer weiteren Bitte das Gebet abzuschließen (V. 15d). Somit umrahmen die Bitten Saras die Unschuldsbeteuerung und die Notschilderung. Noch einmal betont der Erzähler die Synchronizität der Ereignisse. Das Ausstrecken der Hände beim Gebet ist traditionell (vgl. Ex 9,29.33; Esr 9,5; Hiob 11,13).215 Die Doxologie am Gebetsanfang bringt den Lobpreis Gottes gleich dreifach zum Ausdruck. Nach der direkten Anrede in der 2. Pers. Sg. „Gepriesen bist du, barmherziger Gott“ („εὐλογητὸς εἶ, θεὲ ἐλεήμων“) folgt der Lobpreis des Namens Gottes („εὐλογητὸν τὸ ὄνομά σου“) sowie abschließend ein Lobwunsch an die gesamte Schöpfung in der 3. Pers. Pl. Imp. Aor. („εὐλογησάτωσάν σε πάντα τὰ ἔργα σου“). Nicht nur die dreimalige Wiederholung des Verbs εὐλογέω betont den feierlichen Duktus, sondern auch die Verwendung der Formel εἰς τοὺς αἰῶνας bzw. 211 Zu dieser Überlieferung siehe DIETRICH, Tod von eigener Hand, 155–159. 212 DIETRICH, Tod von eigener Hand, 158. 213 Zu Saras Gebet allgemein siehe EGO, Frauengestalten, 13–17; EGGER-WENZEL, Sarah’s Grief; MCDOWELL, Prayers of Jewish Women, 78–82; DI LELLA, Two Major Prayers, 107–113; ausführlich GRIFFIN, Theology and Function of Prayer. 214 MCDOWELL, Prayers of Jewish Women, 80. 215 Zur Gebetshaltung und Gebetsgesten siehe EGGER-WENZEL, Gestures and Location of Worship, 266–270; knapp MCDOWELL, Prayers of Jewish Women, 13.

3,10b

3,11–15

3,11a

3,11b

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Die Exposition (1,3–3,17)

εἰς τὸν αἰῶνα. Die Formel εὐλογητός erscheint hier zum ersten Mal in Tob (siehe auch 8,5.15–17; 9,6; 11,14.17; 13,1.18).216 3,12f. Die Konjunktion καὶ νῦν leitet den nächsten Teil des Gebets ein, in dem Sara mit der Aussage, dass sie ihr Angesicht und ihre Augen zu Gott erhoben hat, ihre Hinwendung zu Gott zum Ausdruck bringt (3,12).217 So äußert sie die Bitte, dass Gott sie erlösen (ἀπολύω) möge und ihre Schmähungen (ὀνειδισμός) ein Ende finden (3,13).218 Damit gibt der zweite Teil der Bitte durch den Begriff ὀνειδισμός auch gleich den Grund für Saras Todeswunsch an. Die Termini ἀπολύω und ὀνειδισμός und Saras Todeswunsch verbinden die Passage mit dem Geschick des alten Tobit und seinem Gebet (siehe zu 3,6).219 3,14–15a Die verzweifelte junge Frau verleiht ihrer Bitte um Erlösung durch eine Unschuldsbeteuerung Nachdruck. Die Anrede δεσπότης, mit der Sara hier Gott anspricht, drückt die Macht Gottes aus. Sie erscheint auch noch im Gebet Raguëls (8,17),220 sodass Sara hier dieselbe Gottesanrede wie später ihr Vater verwendet.221 Das griech. μόλυνω, das im Kontext der Beteuerung ihrer Reinheit die Bedeutung von „verunreinigen, beflecken“ aufweist, hat ein breites semantisches Spektrum und kann sowohl in materiellen (Gen 37,31; Jer 12,10; Klgl 4,14; Hld 5,3; Sir 13,1) als auch in ethischen (Sir 21,28[31a]), halakhischen (Jes 65,4), kultischen (Jer 23,11; 1 Makk 1,37; 2 Makk 6,2; 14,3) und sexuellen (Sach 14,2) Zusammenhängen stehen.222 Hier dient es offensichtlich in erster Linie dazu, Saras Integrität in sexueller Hinsicht zu umschreiben.223 Dies schließt dann auch ein, dass Sara auch keinen Umgang mit ihren potentiellen Ehemännern hatte (vgl. 7,11). Saras Unschuldsbeteuerung könnte aber des Weiteren auch Aspekte der rituellen Reinheit implizieren. Saras Gebet zeigt somit deutlich eine weibliche Perspektive.224 Auch dieses Element des Gebets Saras ist parallel aufgebaut: Zum einen betont sie ihre Reinheit, zum anderen – als Folge davon – unterstreicht sie die Tatsache, dass sie weder ihren noch den Namen ihres Vaters „im Lande ihrer Gefangenschaft“ befleckt habe. 3,15b.c Sara stellt in ihrer Notschilderung zunächst fest, dass sie das einzige Kind ihres Vaters ist und es kein anderes Kind gibt, das ihn beerben könnte noch „einen nahen Bruder oder Verwandten“, dem sie sich als Frau erhalten müsste. Der Begriff des Bruders scheint sich hier auf eine Person aus der Verwandtschaft zu

216 Weiterführend zu diesem Begriff siehe DESELAERS, Buch Tobit, 91; DI LELLA, Two Major Prayers, 109f. Zu diesem intertextuellen Bezug siehe auch PFREMMER DE LONG, Surprised by God, 81. 217 Siehe hierzu PORTIER-YOUNG, Alleviation, 46. 218 Zum Todeswunsch Saras siehe PORTIER-YOUNG, Alleviation, 45. 219 DI LELLA, Two Major Prayers, 111. 220 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328. Zu den Gottesnamen siehe die Einleitung im Abschnitt „Figuren der Handlung“. 221 Vgl. DI LELLA, Two Major Prayers, 112: „The narrator would have us surmise that she learned this divine title from her father Raguel, for in his prayer (8:17) he likewise uses the title, which is the only other occurence of the book“. 222 Zum Ganzen siehe HAUCK, Art. μόλυνω, 744f. 223 Siehe LOADER, Sexuality, 166–168. 224 MCDOWELL, Prayers of Jewish Women, 82.

Synchrone Analyse

139

beziehen.225 Die Schilderung gipfelt in der Aussage, dass sie bereits sieben Männer verloren habe. Dieser Inhalt korrespondiert mit der Beschreibung der Situation durch den Erzähler (3,8a), stellt aber Saras Geschick nun aus ihrer eigenen Perspektive dar. Sara präsentiert sich als eine Figur, über die das Schicksal gleichsam von außen und unverschuldet hereingebrochen ist. Die Verbindung zwischen der Aussage, dass sie das einzige Kind ihres Vaters ist, und ihrem Todeswunsch überrascht in dem vorliegenden Kontext zunächst, da dasselbe Motiv unmittelbar zuvor Sara davon abgehalten hat, freiwillig in den Tod zu gehen (3,10; siehe dazu oben). Verständlich wird dieses Motiv nur vor dem Hintergrund der Annahme, dass hier implizit das Endogamiegebot vorausgesetzt wird (siehe unten die „Diachrone Analyse“).226 Saras Notschilderung gipfelt in der rhetorischen Frage „Was soll mir noch das Leben?“, die hier die Funktion der Klage übernimmt. Sara schließt ihr Gebet mit einer Bitte, in der sie ihren ursprünglichen Todes- 3,15d wunsch modifiziert: Wenn es Gott nicht gefällt, sie sterben zu lassen, so möge er sie in ihrer Schmach (ὀνειδισμός) erhören. Somit enthält der Schluss des Gebets dieselbe Begrifflichkeit wie bereits Saras anfängliche Bitte (3,13) und wie der Beginn und Schluss der knappen Erzählung über Saras Schicksal (siehe 3,7 und 3,10). Damit kommt das Kapitel zu einem runden Abschluss.

Buchinterne Bezüge In diesem Abschnitt erscheinen zum ersten Mal die Figur der Sara sowie die des Dä- Überblick mons; zudem begegnen die Motive „Dämonenbefall“, „Gebet“ sowie „Ehe“ bzw. „Familie“. Implizit wird das Endogamiegebot eingespielt. Dieser halakhische Kontext soll dann im Fortgang der Erzählung deutlicher entfaltet werden (6,11–13; 6,16–18; 7,10–12). Das Kapitel führt Sara ein, die die weibliche Hauptfigur der Handlung ist.227 Auffällig sind die Entsprechungen zwischen der Geschichte Saras und der To- Strukturentbits. Durch die einleitende Formulierung „am selben Tag“ (3,7) wird Saras Ge- sprechungen schichte mit der des alten Tobit synchronisiert.228 Somit wird eine doppelte Perspektive aufgetan und insofern Spannung erzeugt, als zunächst gar nicht deutlich wird, worin der Bezug zwischen den beiden Geschichten besteht. Durch die Entsendung des Engels (3,16f.; siehe auch 12,12–14) werden dann die beiden Erzählstränge direkt zusammengeführt. Das Geschick Tobits und das der Sara sind durch formale Elemente eng aufeinander bezogen. Durch die wiederholten Angaben der Gleichzeitigkeit (3,7.10.11) erfolgt eine bewusste zeitliche Parallelisierung. Darüber hinaus sind noch weitere Strukturparallelen auffallend:

225 Zum Begriff des Bruders sowie zum Verwandtschaftssystem innerhalb von Tob siehe im Abschnitt „Wichtige Themen“ in der Einleitung. 226 Für den vorliegenden Abschnitt siehe HIEKE, Endogamy, 107; LOADER, Sexuality, 193f.; NICKLAS, Marriage, 142; vgl. KELLERMANN, Eheschließung, 147, der darauf hinweist, dass die Angaben zum möglichen Erbrecht Saras hier unbestimmt sind. 227 Zur Figur Saras siehe weiterführend SCHÖPFLIN, Women’s Roles, 178–183. 228 Siehe hierzu exemplarisch SCHNUPP, Schutzengel, 48, und viele andere Ausleger.

140

Die Exposition (1,3–3,17)

Tobits Frömmigkeit (2,1–7)

Saras Unschuld (3,14f.)

Erblindung (2,9–10)

Heimsuchung durch den Dämon Asmodäus (3,8a)

Vorwürfe der Frau (2,11–14)

Vorwürfe der Mägde (3,7.8b–9)

Gebet (3,1–6)

Gebet (3,11–15)

Zwei gerechte Menschen erscheinen damit als Opfer sinnlosen Leidens und Ziel von Spott und Vorwurf. Beide wenden sich in ihrer Not zu Gott, den sie um ihre baldige Erlösung durch den Tod bzw. ein Ende der Schmach bitten (3,6.10.13). Auch die Gebete selbst stehen in einem engen Bezug, insofern beide durch eine Doxologie eröffnet werden, auf die ein Bitt-Teil folgt, in dem sich das jeweilige Klageelement findet.229 Wie Tobit, so appelliert auch Sara an die Barmherzigkeit Gottes (vgl. 3,2). Während Tobit aber in seinem Gebet voller Emotionen ist, wirkt Sara gefasst und abgeklärt. Zudem steht Saras Erklärung über ihre Reinheit und Sündlosigkeit Tobits individuellem und kollektivem Schuldbekenntnis gegenüber. Außerdem erwägt Sara zunächst, ihrer Situation durch Freitod zu entfliehen; Tobit dagegen legt sein Geschick gleich von Anfang an in die Hand Gottes. Während Tobit nur noch den Tod herbeiwünscht, äußert Sara am Ende ihres Gebets die leise Hoffnung auf ein Leben ohne soziale Ächtung.230 Die Volksperspektive klingt in Saras Gebet insofern an, als sie implizit auf Kollektive Dimensionen ihre Verpflichtung, einen ihrer Verwandten zu heiraten, verweist; diesem Gebot wiederum kommt im Exil eine wichtige Rolle für die Identitätsbewahrung des gesamten Volkes zu.231 Auf die spezifische Situation im Exil spielt die Wendung „Land meiner Gefangenschaft“ an. Durch das Motiv des Schmerzes (3,10) entsteht schließlich auch ein intertextueller Bezug zum Schicksal des Tempels (14,4).

Diachrone Analyse 3,7: Sara Der Name Sara erinnert an die gleichnamige Erzmutter (Gen 11,29–23,19); wie

diese ist auch Sara kinderlos (3,9; vgl. Gen 11,30; 16,1; 18,9–15). Zudem liegt eine intertextuelle Verbindung zu Klgl 1,1f. vor, wo Jerusalem, die einst eine Fürstin (‫ )שׂרה‬war, als Witwe beschrieben wird. In Klgl 1,2 erscheint Jerusalem als weinende Frau, und Klgl 2,15 weiß von den Schmähungen, die sie wegen ihres Leidens erfährt.232 Saras Geschichte kann so als eine Parabel für das Geschick Jerusalems verstanden werden. „She resembles Jerusalem after its fall to the Babylonian armies: deserted, without inhabitants.“233 229 MCDOWELL, Prayers of Jewish Women, 80. 230 Weiterführend zum Unterschied zwischen Tobits und Saras Haltung siehe DIETRICH, Tod von eigener Hand, 159. 231 MCDOWELL, Prayers of Jewish Women, 81, betont die weibliche Perspektive des Gebets und dass Sara im Gegensatz zu Tobit nicht explizit auf die Geschichte ihres Volkes verweise. 232 Zu diesen intertextuellen Bezügen siehe BAUCKHAM, Parable, 149. 233 BAUCKHAM, Parable, 149.

Diachrone Analyse

141

Der Name „Raguël“ ist mit der Geschichte Israels seit alters her verbunden (vgl. 3,7: Raguël Gen 36,4.10.13.17; Ex 2,18; Num 2,14; 10,29; 1 Chr 1,35.37 u. ö.; zum Namen Raguël siehe zu 1,1). Ekbatana, Saras Wohnort, liegt im iranischen Hochland auf einer Hochebene 3,7: Ekbatana und ist von Bergen umgeben. Nach Herodot (Hdt. I,96–98) wurde die Stadt als Hauptstadt des Mederreiches (siehe auch Jdt 1,1) um 715 v. Chr. gegründet und 550 v. Chr. von den Persern eingenommen. Auch Alexander d. Gr. soll die Stadt geplündert haben. Nach 2 Kön 17,6 siedelten die Assyrer Teile der aus dem Nordreich deportierten Bevölkerung auch in den Städten Mediens an, und so ist zu vermuten, dass Sara und die Ihren wie auch Gabaël, bei dem Tobit sein Geld deponiert hat, zu diesen Exilierten gehören (zu Medien siehe zu 1,14; 4,1 und 5,6).234 Nach 2 Makk 9,3 erfuhr Antiochus IV. bei seinem Zug in den Osten in Ekbatana von der Niederlage seines Feldherrn Nikanor in Jerusalem.235 Bereits Friedrich WINDISCHMANN hat in seinen „Zoroastrischen Studien“ aus 3,8: Asmodäus dem Jahr 1863236 vorgeschlagen, den Dämon Asmodäus auf persischen Einfluss zurückzuführen und als eine Aramaisierung des avestischen Ausdrucks „aēšmā daēuua“, der einen „Dämon des Zorns“ bezeichnet, zu verstehen.237 Dieser Dämon stellt eine der negativen Kräfte im zoroastrischen Dualismus dar und ist eine Erscheinungsform des bösen Denkens, der Lüge und der Verachtung. Vermutlich wurde diese Figur im Kontext des jüdisch-persischen Kulturkontakts rezipiert. Dabei erfolgte eine Herauslösung aus dem komplexen Kontext der avestischen Ritualistik, die mit einer inhaltlichen Neukontextualisierung verbunden war: „Asmodaios wird … in einen jüdischen Wahrnehmungshorizont projiziert, innerhalb dessen der Dämon aus der ‚anderen‘, ‚fremden‘ Nachbarkultur im Verlauf der paränetischen Erzählung eine willkommene Folie für die Präsentation der Machtfülle des eigenen Gottes bzw. des ihn stellvertretenden Engels Raphael darstellt. Die in diesem Fall sehr selektive Rezeption eines persischen Dämonenbildes geht also mit einer massiven innerjüdischen Neukontextualisierung einher.“238

Asmodäus spielt in der Spätantike sowohl in jüdischen als auch in christlichen Überlieferungen eine wichtige Rolle. So erwähnt das Testament Salomos, ein Werk jüdischen Ursprungs, das im 3./4. Jh. n. Chr. christlich überarbeitet wurde, diese Gestalt. Wenn Asmodäus sich im Gespräch mit Salomo als Sohn eines Engels und eines Menschen vorstellt (Testament Salomos 5,3), so wird deutlich, dass diese Figur mit dem Mythos der Wächterengel, der im Gefolge der Henochüberlieferung in der Antike weit verbreitet war, verbunden wurde. Salomo gelingt es, Asmodäus zu binden, woraufhin dieser sowohl seinen Namen offenbart als auch den Namen eines Engels, der als sein Opponent auftritt. Durch das Ele234 235 236 237

Zu Medien als einem bedeutenden Ort der Diaspora siehe BAUCKHAM, Anna, 167. BROWN, Art. Ecbatana; GÖRG, Art. Ekbatana, 504–505. WINDISCHMANN, Zoroastrische Studien, 138; zur älteren Forschung siehe SCHUMPP, 64. Zur iranischen Herkunft Asmodäus’ siehe AHN, Dualismen, 131f.; DESELAERS, Buch Tobit, 87; FREY-ANTHES, Unheilsmächte, 281f.; HUTTER, Art. Asmodäus, 107; RANKE, Asmodäus, 880–882; SHAKED, Zoroastrian Demon, 285–291. Zum allgemeinen Hintergrund siehe PINES, Wrath and Creatures of Wrath, 76–82; FORREST, Witches, Whores and Sorceres. 238 AHN, Dualismen, 132; kritisch im Hinblick auf den iranischen Hintergrund der Figur Asmodäus’ äußerte sich bereits SCHUMPP, 65; siehe auch BARR, Question, 214–216. Weiteres zu dieser Diskussion bei MOORE, 147 (Lit).

142

Die Exposition (1,3–3,17) ment Wasser kann Salomo sich Asmodäus gefügig machen und ihn zur Mithilfe am Tempelbau zwingen.239 In diesem Rahmen erscheinen auch Motive, die unmittelbar auf Tob zurückgehen: Asmodäus verfolgt neuvermählte Frauen und verhindert die eheliche Verbindung zwischen den Brautleuten, indem er deren Gefühlswelt verändert, die Frauen entstellt, vergewaltigt und ermordet. Der Engel Rafaël erscheint als sein Gegenspieler, Leber und Galle eines Fisches können ihn bannen (Testament Salomos 5,7–10).240 Auch die rabbinische Überlieferung kennt einen ähnlichen Stoff. Asmodäus trägt den Titel „König der Dämonen“ (bPes 110a). Eine fantasievolle Geschichte in bGit 68a/b par. erzählt, dass Asmodäus Salomo beim Tempelbau unterstützt: Danach gelingt es Benaja bar Jojada, den Dämon mit Hilfe eines Siegelringes und einer Kette zu fangen, er wird betäubt und zum König Salomo gebracht. Hier offenbart der Dämon die Herkunft des geheimnisvollen Wurms Schamir, dessen Hilfe Salomo beim Tempelbau benötigt. Allerdings vermag er dann den Siegelring Salomos in seinen Besitz zu bringen und sich selbst auf den Thron zu setzen. Salomo wird daraufhin zum Bettler degradiert, was ihm aber die Augen für die Eitelkeit der Welt öffnet. Schließlich kann der König aber seinen Thron zurückerobern.241 Auch die babylonischen Zauberschalen, die in der Regel in die Zeit vom 5. bis 7. Jh. n. Chr. datiert werden,242 kennen diesen Dämon. JBA 48:10 spricht sogar vom „bösen Dämon“ (vgl. JBA 26:3–5: „König der Dämonen“; siehe auch JBA 49:4.9; 58:15).243

3,8: Dämonen Durch die Vorstellung von einem Schadensdämon ist Tob also auf vielfältige Art und

Weise sowohl mit der biblischen als auch mit der assyro-babylonischen und persischen Vorstellungswelt verbunden, wo solche Wesen häufig mit Krankheit und Unreinheit in Verbindung stehen.244 In der Hebräischen Bibel gelten sowohl die bocksgestaltigen, in der Wüste hausenden Feldgeister (Jes 13,21), der weibliche Wüstendämon Lilith (Jes 34,14) oder Asasel, dem ein Bock zur Versöhnung gesandt wird (Lev 16,10), als solche dämonischen Wesen. In Hab 3,5 scheint bei der Verwendung des Begriffes ‫ דבר‬an einen Krankheitsdämon gedacht zu sein.245 Überlieferungen aus Qumran sowie Belege aus den Pseudepigraphen belegen die zunehmende Bedeutung von Dämonenvorstellungen in hellenistischer Zeit (vgl. u. a. äthHen 6–11 oder 11Q11; 4Q444).246 Das Motiv der „killer-wife“ ist in der Volksliteratur weit verbreitet und er3,8: Sara als „killer-wife“ scheint an vielen Orten und zu allen Zeiten. Für die Hebräische Bibel ist auf Gen 239 240 241 242

243 244 245 246

BUSCH, Testament Salomos, 115–129. BUSCH, Testament Salomos, 127. Zum Ganzen siehe EGO, Art. Asmodaeus. Vgl. zu diesen Artefakten weiterführend das von Dan LEVENE begründete „Virtual Magic Bowl Archive“ (VMBA), wo die verschiedenen Texte der Zauberschalen zusammengestellt werden; ibid. findet sich auch weitere Literatur. Einen hilfreichen Überblick gibt auch MÜLLER-KESSLER, Zauberschalen. Das entsprechende Material findet sich bei SHAKED/FORD/BHAYRO, Aramaic Bowl Spells; zum Ganzen siehe auch FRÖHLICH, Demon, 32. Speziell zur persischen Vorstellungswelt siehe AHN, Dualismen, 122–134; siehe auch BOYCE, A History of Zoroastrianism I, 85–108. FREY-ANTHES, Unheilsmächte, 82. Die Literatur zu dieser Thematik ist immens und kann eine kleine Bibliothek füllen; exemplarisch seien hier nur einige wenige Titel genannt, so BHAYRO/RIDER, Demons and Illness; BÖCHER, Dämonenfurcht; FREY-ANTHES, Unheilsmächte; LANGE/LICHTENBERGER/ RÖMHELD (Hg.), Dämonen; für die hellenistische Zeit und Qumran siehe u. a. ESHEL/ HARLOW, Art. Demons and Exorcism (alle mit weiterführender Literatur); siehe auch im Abschnitt „Diachronie“ zu Tob 8,2.3.

Diachrone Analyse

143

38,1–26 und die Gestalt der Kanaanäerin Tamar zu verweisen, deren beide Ehemänner Er und Onan, Söhne Judas, gestorben waren. Wenn der Erzähler auch weiß, dass das sündhafte Verhalten der Ehemänner zu ihrem Tod führte und dieser eine Strafe JHWHs darstellt (Gen 38,7.10), so macht doch Juda, Tamars Schwiegervater, seine Schwiegertochter für das Ableben seiner Söhne verantwortlich (Gen 38,11).247 In Saras innerem Monolog klingen mit der Aussage, dass sie fürchtet, die grauen Haare ihres Vaters in die Unterwelt zu bringen, Wendungen aus der Josefsgeschichte an (Gen 37,35LXX; 42,38LXX; 44,29.31LXX; siehe auch 1 Kön 2,6.9). Auch Saras Gebet bedient sich vieler traditioneller Elemente. Die explizite Lokalisierung des Gebets am Fenster könnte auf die Vorstellung verweisen, dass man in der Diaspora die Gebete nach Jerusalem hin ausrichtete. Auf ein solches Verständnis deutet zumindest Dan 6,11 hin, wonach Daniel seine Gebete ebenfalls im Obergemach am offenen Fenster in Richtung Jerusalem vor Gott bringt. Es kann angenommen werden, dass die dtn.-dtr. Tempeltheologie, die den Tempel auch als Ort der Gebetsrichtung (1 Kön 8,38.44.48) nennt, hier vorausgesetzt wird.248 Ebenso ist auch eine Doxologie am Anfang eines Gebets oft in der biblischen Gebetssprache belegt (vgl. Jdt 13,17; 1 Makk 4,30; Ode 7,26; 8,52; 14,34–38; Dan 3,26.52–56LXX); sie rekurriert auf hebr. ‫( ברוך אתה‬Ps 119,12; 1 Chr 29,10) bzw. ‫ברוך יהוה‬/ ‫( אלהים‬Ps 28,6; 41,14; 66,20; 68,20; 72,18). Im Gebet wird Gott auch häufig als „barmherzig“ (ἐλεήμων) angesprochen (siehe Ex 34,6; Ps 85,15LXX; 102,8LXX; 114,5LXX; 2 Makk 1,24; siehe auch 2 Makk 8,29; 11,9; 13,12; Sir 48,20[22–23];50,19[21]). Ebenso traditionell ist der Lobpreis des göttlichen Namens (z. B. Ps 30,5; 44,9; 97,12; 99,3) sowie der Lobwunsch an die gesamte Schöpfung, der v. a. bei Deuterojesaja und in späten Psalmen zu finden ist (Jes 44,23; 49,13; Ps 96,7.11f.; siehe auch Ps 103,19–20; 148; Dan 3,51–90LXX; zum Lob des Himmels Ps 19,2; 50,6; 89,6; 97,6).249 Auch das Hinwenden der Augen zu Gott ist Bestandteil traditioneller Gebetssprache (Ps 121,1; 123,2); es findet seine Entsprechung in dem helfenden und eingreifenden Herabblicken Gottes vom Himmel zur Erde (vgl. 3,3). Die Anrede δεσπότης findet sich mit über 50 Belegen häufig in LXX, tritt aber gegenüber dem Begriff κύριος zurück.250 Die Logik der Argumentation Saras, wonach sie als einziges Kind ihres Vaters keinen Grund mehr zum Leben hat, erschließt sich vor dem Hintergrund der Erbtöchertora, die in Num 27,1–11 sowie in Num 36,1–12 entfaltet wird. Num 27,8 regelt zunächst allgemein, dass auch Töchter erbberechtigt sind, sofern ein Vater keinen Sohn hinterlässt. Num 36,6–11 führt diese Regelung weiter, indem die Bestimmung erfolgt, dass für eine solche Erbtochter das Gebot der sippeninternen Endogamie gilt. Danach soll sie innerhalb des väterlichen Stammes (Num 36,7.9.12) 247 Dieses Motiv scheint auch hinter dem Disput zwischen Jesus und den Pharisäern über die Frau mit den sieben Ehemännern (vgl. Mt 22,23–33; Mk 12,18–27; Lk 20,27–40) zu stehen. Weitere Belege finden sich in der rabbinischen Literatur. Ausführlich zu dieser Thematik ILAN, Babatha, 263–278 (Lit.); SCHÜNGEL-STRAUMANN, 82–86. 248 Siehe hierzu DI LELLA, Two Major Prayers, 108; MCDOWELL, Prayers of Jewish Women, 81. 249 Zum Ganzen siehe auch EGO, Lobpreis der himmlischen Wesen, passim, v. a. 35–42. 250 RENGSTORF, Art. δεσπότης, 44; ferner DI LELLA, Two Major Prayers, 112; LITTMAN, 81.

3,10: Josefsgeschichte 3,11–15: Gebet 3,11: Gebetsrichtung

3,11: Doxologie

3,12: Hinwenden der Augen 3,14: Herrscher 3,15: Implizite Hinweise auf das Endogamiegebot

144

Die Exposition (1,3–3,17)

bzw. – so eine redaktionelle Einfügung, die diese Regelung verengt und zuspitzt – innerhalb der väterlichen Sippe (Num 36,6b.8) heiraten, damit der väterliche Erbbesitz nicht auf einen anderen Stamm bzw. eine andere Sippe übergeht. In Tob erscheint diese Regelung vom konkreten Landbesitz abgelöst.251 Dieser halakhische Hintergrund beleuchtet Saras Argumentation: Als einziges Kind steht ihr das Erbe zwar zu, aber da sie sowieso nur innerhalb ihrer Sippe („nämlich einen nahen Bruder oder einen Verwandten“) heiraten darf und es in diesem Kreis – zumindest ihres Wissens nach – gar keinen möglichen Partner mehr gibt (es sind ja bereits sieben Männer verstorben), kann sie das Gebot der Sippenendogamie nun nicht mehr erfüllen.

Synthese Mit Tob 3,7 wechselt die Szenerie. Im Folgenden wird vom Schicksal einer jungen Frau namens Sara erzählt. Sie lebt Hunderte von Kilometern von Tobit entfernt im medischen Ekbatana und scheint mit ihm und seiner Geschichte gar nichts zu tun zu haben. Aber auch sie hat ein schweres Schicksal. Bereits sieben Männern war sie zur Frau gegeben worden, aber all diese sind noch vor dem Vollzug der Ehe von einem Dämon namens Asmodäus getötet worden. Diese Dimension des Geschehens bildet eine Information, die nur auf der Erzählerebene und nicht auf der Figurenebene angesiedelt ist.252 Das Konzept eines Schadensdämons ist in der Vorstellungswelt vormoderner Gesellschaften breit belegt. Wegen des Tods ihrer künftigen Ehemänner ist Sara nun dem Hohn und dem Spott ihrer Mägde ausgesetzt. Sara ist so verzweifelt, dass sie sterben möchte. Nur der Gedanke an das mit ihrem Freitod verbundene Leid ihres Vaters hält sie von dieser Tat zurück, und sie entschließt sich in ihrem Schmerz, Gott im Gebet um Erlösung zu bitten (3,10). Wie Tobit wendet sie sich also vertrauensvoll an ihren Gott. Dabei wirkt sie aber insgesamt weitaus beherrschter und ruhiger als Tobit. Im Gegensatz zu Tobit betont Sara ihre Unschuld (3,14). Sie nennt an erster Stelle die Schmähungen (hier wieder der Begriff ὀνειδισμός), die sie erleiden muss, als Grund für ihren Wunsch zu sterben (3,13); erst später folgt dann der Verweis auf den Tod der sieben Männer (3,15). Im Hintergrund der Aussage Saras, dass es keinen Mann mehr gebe, dem sie sich erhalten müsse, werden implizit das Gebot der Endogamie und die Bestimmungen der Erbtöchtertora (Num 36,1–12) eingespielt. Saras Gebet ist damit auf den ersten Blick individueller Art. Eine kollektive Dimension deutet sich aber sowohl durch den Bezug zum Endogamiegebot an, das mit der Tora und dem ganzen Volk verbunden ist, als auch durch die intertextuelle Referenz zu Klgl 1,1f. und Klgl 2,15 und durch das Motiv des Schmerzes (siehe 14,4, wo dieses mit dem Tempel verbunden ist). So kann Saras Geschichte als eine Parabel für das Geschick Jerusalems und damit des gesamten Volkes verstanden werden. 251 Zum biblischen Text siehe SEEBASS, Numeri, 196–212.450–463; zur redaktionellen Bearbeitung des Abschnittes in Num 36 siehe insbesondere ibid., 453f. 252 Den Grund für diese Aggressivität des Dämons sollen die Leser in Ms. Sinaiticus gar nicht erfahren, allerdings wissen Tob 6,15 Ms. 319, GI sowie 4Q196 14i 4, dass dieser Dämon Sara in Liebe verbunden ist (siehe zu die Auslegung z. St.).

Synchrone Analyse

145

Die Erhörung der Gebete und die Entsendung des Engels Rafaël (3,16–17) 16 In diesem Augenblick wurde das Gebet der beiden avor der Herrlichkeit Gottesa erhört 17 a und Rafaël wurde ausgesandt, die beiden zu heilen: b Tobit, indem er die weißen Flecken von seinen Augen löse, damit er mit den Augen das Licht Gottes sehe, c und Sara, [die Tochter] Raguëls, indem er sie Tobias, dem Sohn Tobits, zur Frau gebe d und aden bösen Dämon Asmodäusa von ihr löseb. e Denn Tobias stand es zu, sie zu erben, mehr als allen anderen, die sie ehelichen wollten. f In jenem Augenblick kehrte Tobit vom Hof zurück in sein Haus, und auch Sara, [die Tochter] Raguëls, stieg aus dem Obergemach herab.

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 3,16a–a

3,17a–a 3,17b

Nach GI wird das Gebet der beiden „vor der Herrlichkeit des großen Rafaël“ erhört. Damit klingt implizit die Vorstellung vom „himmlischen Hofstaat“ sowie die einer Gebetsmittlerschaft von Engelwesen an. Diese Motive sollen in beiden Versionen dann in der Abschiedsrede Tobits expliziert werden (12,12–15). In Vg. fehlt die Angabe, dass der Dämon böse war. Während GII vom Lösen (λύω) des Dämons spricht, verwendet GI das Verb δέω, „fesseln“. Auf den ersten Blick könnte man den Eindruck bekommen, dass GII durch die formal einfachere Lesart, die λύω zweimal nennt, hier gegenüber GI sekundären Charakter hat. Allerdings ist darauf zu verweisen, dass das Motiv der Bindung des Dämons in Tob 8,3 in beiden Versionen belegt ist und so erscheint eine Überarbeitung von GII nach GI (also von λύω zu δέω) im Sinne einer allgemeinen Harmonisierung des Gesamttextes durchaus plausibel. Eine solche Textentwicklung würde sich auch vor dem allgemeinen religionsgeschichtlichen Hintergrund nahelegen: Während nämlich die östliche Überlieferung (insbesondere Babylonien) die Lösung von Dämonen im Sinne einer Scheidung kennt, ist dieses dämonologische Konzept in den Belegen der griechischsprachigen Welt wie den Zauberpapyri m. W. nicht belegt; zum Ganzen EGO, Banishment.

Synchrone Analyse Gliederung und Struktur Der kurze Abschnitt ist folgendermaßen gegliedert: 3,16–17e 3,17f

Gliederung

Die Erhörung der Gebete und die Entsendung des Engels Tobit und Sara verlassen den Ort ihres Gebets

Im Anschluss an die beiden Erzählungen über das Schicksal Tobits und das Saras, Struktur die jeweils in einem Gebet enden, führt der Erzähler die beiden Erzählstränge seiner Geschichte zusammen. Durch die einleitende Wendung „Ἐν αὐτῷ τῷ καιρῷ“ bringt er die Unmittelbarkeit der Reaktion Gottes sowie die Synchronizität

146

Die Exposition (1,3–3,17)

der Ereignisse zum Ausdruck (3,16). Nun erfolgt der entscheidende Wendepunkt, denn Gott erhört die Gebete dieser beiden Frommen und sendet den Engel Rafaël, um die beiden zu heilen. Die Parallelität der beiden Handlungsstränge, die ja mehrmals durch intertextuelle Bezugnahmen deutlich wurde, zeigt sich dabei auch durch die zweifache Verwendung des Verbs λύω, „lösen“, das sowohl zur Heilung der Augenkrankheit Tobits als auch zur Vertreibung des Dämons benutzt wird (3,17b.c). Eine weitere Synchronisierung findet am Ende des Abschnittes statt, wonach die beiden Protagonisten Tobit und Sara zur selben Zeit, wie der Engel entsendet wird, in ihr Haus zurückkehren (3,17: „ἐν ἐκείνῳ τῷ καιρῷ“). Himmlisches und irdisches Geschehen sind somit zwei Seiten einer Medaille: Während Gott seinen Engel entsendet, begeben sich die beiden Protagonisten wieder vom Ort ihres Gebets in ihren Alltag. Im Fall der Sara korreliert die Angabe, wonach sie vom Obergemach ihres Hauses herabsteigt, direkt der narrativen Einleitung zu ihrem Gebet (3,11). Tobits Rückkehr vom Hof in sein Haus hat dagegen keinen unmittelbaren Bezugspunkt (vgl. die Episode vom Aufsuchen der Ärzte [2,10] und dem Streit mit seiner Frau [2,11–14] im Anschluss an die Szene von seinem nächtlichen Aufenthalt im Hof [2,9]). Der Erzähler, der die transzendenten Zusammenhänge kennt, zeigt hier einen deutlichen Wissensvorsprung gegenüber seinen Figuren.

Einzelexegese 3,16–17e In der Stunde größter Not erhört Gott die Gebete Tobits und Saras, und es ist

anzunehmen, dass dies letztlich wegen des frommen Lebenswandels der beiden bzw. wegen Tobits Schuldbekenntnis geschieht.253 Wie sich Gottes Rettungshandeln konkret entfaltet, erfährt die Leserschaft, indem von der Entsendung des Engels Rafaël erzählt wird (3,16). Der griechische Begriff ἄγγελος (in Tob am besten als „Engel“ zu übersetzen, da der übernatürliche Aspekt seines Wirkens eine zentrale Rolle spielt) ist eine Wiedergabe des hebr. ‫ ;מלאך‬das Verb ἀποστέλλω, „senden“, wiederum rekurriert auf hebr. ‫שׁלח‬. In stilistischer Hinsicht liegt hier ein passivum divinum vor, und so erscheint an dieser Stelle Gott zumindest implizit zum ersten Mal in der gesamten Erzählung als ein aktiver Charakter.254 Der anschließende Infinitiv zeigt, dass das Ziel der Entsendung des Engels, der sich im himmlischen Bereich befindet, darin besteht, die beiden Protagonisten zu heilen (ἰάομαι). Insofern der Name des Engels Rafaël von hebr. ‫רפא‬255 abzuleiten ist und somit wörtlich „Gott heilt“ bedeutet, ist sein Name Programm. „Gottes Eingreifen und Wirken geschieht hier also vermittels eines abgesandten Engelwesens. Die opera dei ad extra vollziehen sich nicht unmittelbar, sondern vermittelt durch einen Gesandten.“256 253 NICKLAS, Weg der Gerechten, 66: „Tob 3,16–17 kann als Explikation des Gedankens verstanden werden, dass der Herr nicht nur den Weg des Gerechten kennt, sondern auch dafür sorgt, dass ihm alles gut gelingen wird (Ps 1,3).“ 254 PFREMMER DE LONG, Surprised by God, 79, Anm. 7. Zu Rafaël in Tob siehe u. a. EGO, Mit dem Engel unterwegs; NOWELL, Work; REITERER, Archangel’s Theology (alle mit weiterführenden Literaturangaben). 255 Zum Namen Rafaël siehe u. a. DESELAERS, Buch Tobit, 98; SCHNUPP, Schutzengel, 51. 256 OEMING, Verstehen und Glauben, 278.

Synchrone Analyse

147

Rafaëls Heilungshandeln wird dann in zwei Sätzen entfaltet, die insofern parallel aufgebaut sind, als beide gleich mehrmals Verben im Inf. Aor. verwenden: Rafaëls Aufgabe besteht sowohl darin, Tobits Flecken in den Augen zu lösen (3,17b) als auch Sara Tobias zur Frau zu geben und sie von dem Dämon zu lösen (3,17c.d). Trotz aller Unterschiedlichkeit des Leidens der Protagonisten und des Handelns, das zur Behebung desselben nötig sein wird, zeigt diese syntaktische und semantische Struktur hier die enge Verbindung der Phänomene. Wenn für beide Aktivitäten des Engels die Begriffe ἰάομαι, „heilen“, bzw. λύω, „lösen“, benutzt werden, so wird deutlich, dass die Blindheit Tobits und die Besessenheit Saras für die antike Vorstellungswelt als durchaus vergleichbare Phänomene verstanden und wohl beide als eine Krankheit betrachtet wurden.257 Durch die Verwendung des Begriffes ἰάομαι wird ein Gegensatz zu dem Motiv der vergeblichen Heilungsversuche der Ärzte aufgebaut, wo das Wort θεραπεύω verwendet wird (2,10). Nun steht nicht mehr menschliches Heilungshandeln im Fokus, sondern die Aktivität Gottes.258 Rafaëls erste Aufgabe ist also die Heilung des blinden Tobit. Die Wendung „damit er mit den Augen das Licht Gottes (τὸ φῶς τοῦ θεοῦ) sähe“ ist zunächst wörtlich zu verstehen und auf die Blindheit Tobits zu beziehen (2,9–10). Offen bleibt dabei, ob es sich hier um einen Gen. subj., also um das Gott eigene Licht, oder um einen Gen. obj., also um das von Gott geschaffene Licht, handelt. Wenn an dieser Stelle auch keine definitive Entscheidung gefällt werden kann, so ist in jedem Falle festzustellen, dass das „Licht“ hier religiös konnotiert ist, insofern es ja definitiv in einem Bezug zu Gott steht (zu den spirituellen Dimensionen des Lichts siehe auch die Lichtherrlichkeit Jerusalems in 13,11). Parallel zur Heilung Tobits kommt Rafaël auch die Aufgabe zu, Sara mit Tobias zu verheiraten sowie den Dämon zu vertreiben. Das Verb λύω, „lösen“ (3,17d), das für die Vertreibung des Dämons verwendet wird, kann ganz allgemein im Sinne von „wegschicken, vertreiben“ interpretiert werden. Die Vertreibung des Dämons wird direkt mit dem Schicksal Tobias’ verbunden, insofern das Motiv von Aussagen über die Eheschließung zwischen Tobias und Sara gerahmt wird (3,17c und 3,17e). Die Aussage, dass Rafaël den Dämon lösen soll, wird mit dem Hinweis darauf begründet, dass Sara Tobias als Frau zusteht. Auffällig ist die Wendung, dass Tobias Sara „erben“ (κληρονομέω) soll (3,17e). Rafaël kommt so die Rolle eines Heiratsvermittlers zu,259 und die Eheschließung der beiden Protagonisten erscheint als Ausdruck der Fürsorge Gottes.260 Somit scheinen weniger Saras Schicksal und ihr Wohlbefinden hier im Vordergrund zu stehen als vielmehr ihre Verbindung mit Tobias und damit die Verwirklichung des Endogamiegebots. Der Abschnitt endet mit der kurzen Notiz, dass sowohl Tobit als auch Sara den Ort ihres Gebets verlassen. Damit lenkt der Erzähler wieder zur Alltagsebene des Geschehens zurück.

257 Vgl. hierzu auch STUCKENBRUCK, Magic, 268: „For the author, ‚magic‘ and ‚medicine‘, however these categories are defined, are virtually indistinguishable.“ 258 Zum Ganzen siehe WELLS, Greek Language of Healing, 109f. 259 NOWELL, Work, 231. 260 MILLER, Marriage, 139f.

Vertreibung des Dämons

Verheiratung Saras mit Tobias

3,17

148

Die Exposition (1,3–3,17)

Buchinterne Bezüge Überblick Der kleine Abschnitt enthält die Motive „Heilung“ (sowohl Tobits von seiner Blind-

Verbindung der Erzählstränge

Spannung

heit als auch Saras vom Dämon), „Ehe“ und „Licht“; außerdem erscheinen hier erstmals Gott und der Engel Rafaël als handelnde Figuren. Dabei wird Rafaël von Anfang an als Opponent des Dämons präsentiert. Abgesehen von Tobits Rede in Tob 4 wird er bis zu seinem Abschied (12,21) in jedem der nun folgenden Kapitel erscheinen und eine wichtige Rolle spielen.261 In diesem Abschnitt laufen die beiden Lebensgeschichten der Protagonisten zusammen, Gott tritt – vermittelt über seinen Engel – auf den Plan, sodass das Rettungsgeschehen eingeleitet wird. Dies eröffnet eine große Handlungslinie, die über die Reisebegleitung, das Fangen des Fisches, die Vertreibung des Dämons, die Heimkehr und die Heilung des blinden Vaters erst in seiner Verabschiedung und Rückkehr in die himmlische Welt zu ihrem Ende kommt. Explizit greift Rafaël in seiner Abschiedsrede auf diesen Abschnitt zurück, wenn er sagen kann: „[…] Zugleich aber sandte mich Gott, dich und Sara, deine Schwiegertochter, zu heilen“ (12,14). Während die Protagonisten noch nichts von den transzendenten Zusammenhängen der Handlung wissen, wird für die Leserschaft ein Spannungsmoment aufgebaut, insofern sich nun die Frage aufdrängt, auf welche Art und Weise sich das göttliche Rettungsgeschehen ereignen und wie die beiden Protagonisten ihren Weg zueinander finden bzw. wie die Heilung Tobits vonstatten gehen wird.262 Durch die Verheißung der Heilung der Protagonisten und ihrer aktuell noch fortbestehenden Not steht die Erzählung an dieser Stelle in einem Spannungsverhältnis zur noch ausstehenden Erfüllung.263 Im Hinblick auf die Heirat von Tobias und Sara klingt das Motiv der göttlichen Providenz der Ehe an (siehe auch 7,11).264

Diachrone Analyse 3,16: Erhörung Dass Gott die Gebete der Menschen im Himmel erhört, gehört zu den elementaren der Gebete Bestandteilen alttestamentlicher Gottesrede (1 Kön 8,29f.45.49; 2 Chr 6,35.39; allge-

mein zur Vorstellung der Gebetserhörung vgl. Ps 4,4; 6,9f.; 13,4; 18,7; 25,7; 28,6; Neh 1,6 u. ö.). Auch hier hat die Erzählung wieder eine Entsprechung zur Weisheitslehre Sirachs, die weiß, dass das „Gebet eines Demütigen […] bis zu den Wolken vor(dringt)“ (Sir 32[35],20f.).

261 Zum Ganzen siehe die Einleitung mit den Abschnitten „Figuren der Handlung“ sowie „Wichtige Themen“. 262 SCHELLENBERG, Suspense, 316. Nach HICKS-KEETON, Already / Not Yet, 105, „verderbe“ der Erzähler durch das Motiv der Entsendung des Engels die Spannung innerhalb der Geschichte. Dem ist aber nur bedingt zuzustimmen, da sich immer noch die Frage stellt, auf welche Art und Weise die Errettung geschehe und die Probleme der Protagonisten gelöst würden. 263 HICKS-KEETON, Already / Not Yet, 106. 264 Zum Motiv der Providenz siehe KELLERMANN, Eheschließung, 134–137; MILLER, Marriage, 132–159; NICKLAS, Weg der Gerechten, 70f.; PORTIER-YOUNG, Alleviation, 46f.

Diachrone Analyse

149

Auch mit der Verwendung dieser Metapher greift die Erzählung auf traditionelle Bilder zurück: Vom Schöpfungslicht spricht Gen 1,3, während Ps 104,2 den göttlichen Lichtglanz nennt.265 λύω, „lösen“, kann neben der allgemeinen Bedeutung „wegschicken, vertreiben“ auch als terminus technicus für den Akt der Ehescheidung verwendet werden und entspricht in seiner Bedeutung somit dem aram. ‫פטר‬. Der Begriff erscheint nicht nur in juridischen Zusammenhängen, sondern ist auch auf aramäischen Zauberschalen im Kontext der Vertreibung von Dämonen belegt.266 Diese Texte sprechen zudem häufig auch davon, dass dem Dämon ein Scheidebrief (hebr. ‫ )גט‬ausgestellt wird.267 Während normalerweise im menschlichen Bereich nur der Mann seiner Frau den Scheidebrief aushändigt, können in der Dämonologie der Zauberschalen sowohl männliche als auch weibliche Dämonen geschieden werden.268 Auch wenn diese Überlieferungen viel jünger sind als die Tobiterzählung und man nicht von direkten traditionsgeschichtlichen Bezügen ausgehen kann, so bieten sie doch interessantes religionsgeschichtliches Anschauungsmaterial, das die magische Vorstellungswelt der Tobiterzählung erschließt. Auffällig ist die Wendung, dass Tobias Sara „erben“ (κληρονομέω) soll. Hier liegt insofern ein Unterschied zur Erbtöchtertora vor, als Sara nun selbst dem Erbe zugeschlagen wird (vgl. 3,15).269 Nach Ulrich KELLERMANN könnte dieser Satz darauf hinweisen, dass hier auch „griechisches Erbtöchterrecht im Hintergrund steht, wie es als gesetzlich geregelte Epiklēratē […] für Athen, Sparta und Gortyn auf Kreta bezeugt ist. Dort gilt beim Fehlen eines Sohnes die Tochter als mit dem Erbe untrennbar verbunden, damit dieses auf ihr Kind übergeht.“270 Dass Gott einen Engel (‫ )מלאך‬entsendet (‫)שׁלח‬, um Menschen in schwierigen Situationen beizustehen, findet sich bereits in der biblischen Überlieferung. So schickt Gott seinen Engel als Reisebegleiter, um Isaak bei seiner Brautwerbung zu unterstützen (Gen 24,7.40); in den Texten der sog. Mal’akh-Redaktion des Exodusbuches wiederum entsendet Gott seinen Boten, um die aus Ägypten ziehenden Israeliten in der Wüste zu beschützen und in das Gelobte Land zu bringen (Ex 23,20; 33,2; Num 20,16; siehe auch Ex 14,19; 23,23; 32,34; siehe auch die aram. Überlieferung in Dan 3,28; 6,23). Aber auch sonst kann eine Figur, als Mal’akh JHWH bezeichnet, erscheinen, um durch ihr Handeln bedrängten Menschen auf die unterschiedlichste Art zur Hilfe zu kommen. Der Bote teilt nämlich entweder den Willen Gottes mit (so z. B. Gen 16) oder aber er führt ihn gleich aus (so z. B. in der

265 Zum Motiv des Lichtglanzes der Gottheit, das ein häufiges Phänomen im Alten Orient darstellt, siehe die zahlreichen Belege bei KRÜGER, Lob des Schöpfers, 98–106; zum Ganzen siehe auch JANOWSKI, Licht. 266 So z. B. MONTGOMERY, Aramaic Incantation Texts, Nr. 9:9; 15:8. Auf diese Zusammenhänge verwies erstmals DION, Raphaël l’Exorciste, 405–407 (ibid. weitere Belege); siehe auch EGO, Banishment, 70; DIES., Vertreibung, 388; FRÖHLICH, Demon, 31. 267 Das einschlägige Material kann hier nicht in seiner Breite entfaltet werden; siehe hierzu die Ausführungen bei LEVENE, Corpus of Magic Bowls, 18–21, mit weiterführenden Hinweisen und Belegen; siehe auch EGO, Vertreibung, 389; FRÖHLICH, Demon, 33f. 268 Hierzu siehe LEVENE, Corpus of Magic Bowls, 58f. 269 Zur Erbtöchtertora allgemein siehe die Einleitung mit dem Abschnitt „Wichtige Themen“. 270 KELLERMANN, Eheschließung, 147 (Lit.).

3,17: Licht

3,17: Vertreibung des Dämons

3,17: Sara als Erbe

3,17: Entsendung Rafaëls

150

Die Exposition (1,3–3,17)

Bileamsgeschichte in Num 22). Allerdings wird dieses Wesen als eine anonyme und namentlich nicht näher bezeichnete Gestalt präsentiert, die in der Regel nur punktuell auftritt bzw. von deren Handeln man nichts Konkretes erfährt.271 Die einzigen Engelwesen, die in der Überlieferung der Hebräischen Bibel namentlich benannt werden, sind Gabriel (Dan 8,16f.; 9,21) und Michael (Dan 10,13.21; 12,1) im Danielbuch; sie werden aber nicht als Engel, sondern als Mann (Dan 9,21) bzw. als Fürst (Dan 10,13.21) bzw. „großer Fürst“ (Dan 12,1) bezeichnet.272 3,17: Der Im Hinblick auf das Motiv des Heilens ist im Kontext der biblischen ÜberliefeEngel als rung auf die Vorstellung von Gott als Heiler zu verweisen (so Ex 15,26; siehe auch Heiler Ps 103,3; 147,3).273 Dass der Engel Rafaël mit der Aufgabe des Heilens betraut ist, gehört der traditionellen Vorstellungswelt an, insofern dieser Engel nach äthHen 40,9 über „alle Krankheit und über alle Plage der Menschenkinder“ gesetzt ist (siehe auch zu 6,8–9). Auch die babylonischen Zauberschalen kennen Rafaël als Heiler bzw. rufen diese Engelsgestalt um Hilfe an (z. B. M 50:7; 102:11; 155:7; 156:4,11).274 Sehr häufig wird aram. ‫אסא‬, „heilen“, in diesen Überlieferungen auch im Kontext der Vertreibung von Dämonen benutzt (z. B. M 103:2; 142:10; 155:1f.; 156:2f.).275 Es überrascht im vorliegenden Kontext allerdings, dass Sara es ist, die geheilt werden soll, während die primären Opfer der Aggression des Dämons ihre potentiellen Ehemänner sind. Verständlich wird die immanente Logik dieser Konstruktion vor dem Hintergrund der Annahme, dass eine Verbindung eines Menschen mit einem Dämon auch dessen „Sozialsphäre“ betreffen kann.276 Man könnte auch eine infektiöse, jedoch asymptomatische Krankheit der betreffenden Person denken. Der Sprachgebrauch, wonach für Heilen in einem „übermenschlichen“ Kontext der Begriff ἰάομαι gebraucht wird, ist aus der Septuaginta bekannt und entspricht darüber hinaus auch der Semantik des Verbes, wie sie im Asklepios-Kult belegt ist.277

Synthese In Tob 3,16–17 erfolgt eine explizite Zusammenführung der beiden Erzählstränge von Tobits und Saras Geschick, insofern das Gebet der beiden Protagonisten im selben Augenblick vor der Herrlichkeit Gottes erhört wird und dieser den Engel 271 Auch hierzu liegt umfangreiche Literatur vor; siehe u. a. MACH, Engelglaube, 37–47 (Lit.). MACATANGAY, Election, 457, sieht in der Entsendung eines Engels einen intertextuellen Bezug auf die Exoduserzählung. 272 Zum Boten in der Exodusüberlieferung sowie zur Angelologie im Danielbuch siehe GRÜNINGER, Engel (Lit.). 273 Zu dieser Vorstellung siehe HAAG, Heiler Israels, 36–40. 274 Belege bei LEVENE, Corpus of Magic Bowls. 275 Hierzu LEVENE, Corpus of Magic Bowls; für weitere Belege siehe die einschlägigen Editionen im Register sub verbo. Zur Verbindung zwischen „Heilung“ und dem Akt der Dämonenvertreibung siehe LEVENE, Corpus of Magic Bowls, 21. 276 Vgl. in diesem Kontext MONTGOMERY, Aramaic Incantations Texts, Nr. 11:9; die Kinder, die der Dämon hier tötet, könnten auch die ungeborenen Kinder des Opfers sein. 277 WELLS, Greek Language of Healing, 97–109.

Synthese

151

Rafaël aussendet, beide zu heilen. Durch die Notiz, dass es Tobias zustand, Sara zu heiraten, klingt auch hier implizit das Endogamiemotiv an. Mit der Sendung des Engels antwortet Gott unmittelbar auf die Gebete Tobits und Saras und leitet so das Ende ihrer Not ein. Bei seiner Mission hat Rafaël eine klare Aufgabe: die Heilung des blinden Tobit und die Vertreibung des Dämons Asmodäus, die ebenfalls unter den Begriff des „Heilens“ fällt (3,16f.). Mit der Figur Rafaëls wird eine weitere Handlungsebene eingeführt, insofern sich nun die himmlische, überirdische Sphäre in das weltliche, irdische Geschehen einmischt. Da die Protagonisten um diese Dimension nicht wissen, bedarf es nun eines Erzählers, der die Zusammenhänge aus der Distanz und mit einem Wissensvorsprung vor den Protagonisten beleuchtet. Die Figur Rafaëls führt in traditionsgeschichtlicher Hinsicht die biblische Angelologie fort: So wird hier die ältere Vorstellung von JHWH als Heiler Israels (so Ex 15,26) aufgenommen und mit dem angelologischen Botenkonzept verbunden. Im Gegensatz zur älteren biblischen Überlieferung kennt diese Erzählung auch den Namen des Engels, sodass hier eine eindeutige Individualisierung der Botenfigur stattfindet. Blindheit und Besessenheit werden beide als Krankheit konzeptionalisiert. Im Hinblick auf die Dämonologie der Erzählung bilden die aramäischen Zauberschalen, die den Exorzismus als „Scheidung“ vorstellen können, interessantes religionsgeschichtliches Vergleichsmaterial. Mit dem Motiv der Entsendung Rafaëls kommt die Exposition zu Ende. Gott erscheint nun zum ersten Mal aktiv als Handelnder und antwortet so auf die Not der Protagonisten. So leuchtet jetzt die Botschaft von der Güte Gottes, die nach dem programmatischen Auftakt in Gestalt der Genealogie Tobits aufgrund der Turbulenzen seines Lebens in den Hintergrund getreten ist, wieder am Horizont auf, um dann im Laufe der weiteren Erzählung entfaltet zu werden. Die Leserschaft hat nun einen Wissensvorsprung vor den Figuren der Erzählung, denen dieses ganze Geschehen noch verborgen ist (und es auch noch lange bleiben soll). Die Frage ist nicht mehr, ob es eine Lösung für all die zuvor geschilderten Probleme gibt, sondern vielmehr, auf welche Art und Weise diese herbeigeführt wird.

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a) Planung der Reise und Tobits Lebenslehre (4,1–21) Tobit erinnert sich an das Silber bei Gabaël in Medien (4,1–2) 1 An jenem Tag erinnerte sich Tobit des Silbers, das er bei Gabaël ain Rages in Mediena hinterlegt hatte, 2 und er sagte in seinem Herzen: Siehe, ich habe um den Tod gebeten. Warum rufe ich nicht meinen Sohn Tobias und mache ihm Mitteilung von diesem Silber, ehe ich sterbe?

Tobits Lebenslehre (4,3–21) 3 a Und er rief Tobias, seinen Sohn; und er kam zu ihm, und er [d. h. Tobit] sagte zu ihm: b Begrabe mich, wie es sich gehört. c Und ehre deine Mutter d und verlasse sie nicht alle Tage ihres Lebens. e Und tue, was ihr gefällt, f und betrübe ihre Seele nicht durch irgendeine Tat! 4 a Gedenke ihrer, Kind, denn asie hat viele Gefahren erlebta um deinetwillen, [als du] in ihrem Leibe [warst]. b Und wenn sie gestorben ist, begrabe sie neben mir in einem [gemeinsamen] Grab. 5 a Und alle deine Tage, Kind, agedenke des Herrna, b und du wollest nicht sündigen und bseine Gebote übertreten. c Tue gerechte Werke alle Tage deines Lebens d und wandle nicht auf den Wegen der Ungerechtigkeit!b 6 a aDenn diejenigen, welche die Wahrheit tun, werden Gelingen haben in ihren Werken.a b Und allen, die Gerechtigkeit tun,b 7a {aentsprechend deinem Besitz, Kindb, gib Almosenc! b Und wende dein Antlitz nicht ab von irgendeinem Armena, dann wird sich auch das Antlitz Gottes nicht von dir abwenden. 8 a aWie viel dir gehört, Kind, entsprechend dieser Menge gib; b wenn du wenig hast, fürchte dich nicht, entsprechend dem Wenigen Almosen zu geben.a 9 Denn du sammelst dir aeinen guten Schatza für den Tag der Not. 10 aDenn Almosenb errettet vom Tode und lässt nicht in die Finsternis eingehen.a 11 Eine agute Gabea ist ein Almosenb für alle, die es geben, vor dem Höchsten. 12 a Hüte dich, Kind, vor jeder Unzucht;

Planung der Reise und Tobits Lebenslehre (4,1–21)

153

b animm dir vor allem eine Frau aus dem Geschlecht deiner Väter, c und nimm dir keine fremde Frau, die nicht aus dem Stamm deines Vaters ist. d Denn wir sind Söhne von Propheten, bwahrhaftig Söhne von Propheten!b e Noachc nämlich war der erste Prophet, [dann] Abraham und Isaak und Jakob, unsere Väter von Ewigkeit an – bedenke, Kind, dass sie alle Frauen nahmen von ihren eigenen Brüdern.a f Und sie wurden gesegnet in ihren Kindern, g und ihr Geschlecht wird das Land erben. 13 a Und nun, Kind, liebe deine Brüder, b und erhebe dich nicht in deinem Herzen über deine Brüder und die aTöchter und Söhnea deines Volkes, c indem du dir aus ihnen [d. h. den Völkern] eine Frau nimmst. d Denn in der Überheblichkeit [liegt] Verderben und viel Streit e und in der Schlechtigkeitb Verarmung und großer Mangel. f Denn Schlechtigkeit ist die Mutter des Hungers. 14 a Den Lohn eines jeden Menschen, wenn er [für dich] gearbeitet hat, zahle ihm am gleichen Tage aus, b und der Lohn eines Menschen bleibe nicht über Nacht bei dir liegen. c Und [auch] dein Lohn wird nicht über Nacht liegen bleiben, wenn du Gott in Wahrheit dienst. d Hüte dich, Kind, in allen deinen Werken, und zeige deine Erziehung in deinem ganzen Wandel. 15 Und was du verabscheust, tue keinem anderen an,a und das Böseb gehe nicht mit dir auf deinem Wege. 16 a Von deinem Brot gib dem Hungernden und von deinen Kleidern den Nackten. b Alles, wovon du im Überfluss hast, gib als Almosena, Kind. Und dein Auge blicke nicht neidisch, wenn du Almosen gibst. 17 Schütte adein Brot und deinen Weina auf das Grab der Gerechten und gib es nicht den Sündern. 18 Suche Rat bei jedem Verständigen und verachte ihn nicht, denn jeder Rat ist nützlich. 19 a Zu aller Zeit preise Gotta, b und erbitte von ihm, dass deine Wege gerecht seien c und dass alle Pfade und Ratschläge gelingen mögen. d Denn kein Volk [allein] hat [guten] Rat, sondern} bder Herr selbst gibt [ihnen guten Rat]b. e cUnd wen er will, den erhöht er,c und wen er will, den erniedrigt er bis zum Totenreich tief unten. f Und nun, Kind, gedenke meiner Gebote; g sie sollen nicht getilgt werden aus deinem Herzen. 20 Und nun, Kind, teile ich dir mit, dass ich zehn Talente Silber bei Gabaël, [Sohn] des Gabri, in Rages in Medien hinterlegt habe.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

21 aUnd fürchte nicht, Kind, dass wir verarmt sind. Du besitzt viele Güter, wenn du Gott fürchtest und vor jeder Sünde fliehst und Gutes tust vor dem Herrn, deinem Gott.a

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 4,1a–a 4,4a–a 4,5a–a 4,5b–b 4,6a–a 4,6b

4,7a–a

4,7b 4,7c

4,8a–a 4,9a–a

Griech.: ἐν Ῥάγοις τῆς Μηδίας; hier erscheint in GII zum ersten Mal die Ortsbezeichnung „Rages“; für GI siehe 1,14 GI. Anstelle von „sie hat viele Gefahren erlebt“ liest 4Q200 2 2: „und sie hat dich getragen in [ihrem] L[eib]“; HALLERMAYER, Text, 142f. GI mit „Gedenke des Herrn, unseres Gottes“ unterscheidet sich hier von GII durch die Verwendung des Possessivpronomens. Dadurch wird das Verhältnis Gottes zum Menschen stärker betont. Vgl. 4Q200 2 4f.: „[ ] sein Befehl (‫ )מאמרו‬spatium Zuverlässigkeit (‫ )אמת‬sei [ a]lle Tage [ ] // [ ] der Lüge (‫ ;“)שקר‬siehe HALLERMAYER, Text, 143–145. GI formuliert hier in der 2. Pers. und macht so gegenüber der allgemein sprichworthaften Form in GII „[…] den Eindruck der sekundären Einpassung in den Kontext“ (so HANHART, Text und Textgeschichte, 29). Hier bricht die Überlieferung von Ms. Sinaiticus ab und setzt erst wieder in Tob 4,19c ein. Da aber sowohl GI, VL und Vg. als auch Ms. 319 als Vertreter von GII sowie 4Q200 2 6–9 (4,3–9) den Text bzw. Teile daraus überliefern, kann man annehmen, dass der in Ms. Sinaiticus fehlende Teil Tob 4,7–19c (bis „sondern“) auch ursprünglich zur GII-Überlieferung gehörte. Es ist davon auszugehen, dass das Fehlen dieses Textes auf ein „Homoitoteleuton“ zurückgeht, da εὐοδωθήσονται zunächst in V. 6 steht und dasselbe Verb dann wieder in V. 19 in der Form von εὐοδωθῶσιν erscheint (MACATANGAY, Wisdom Instructions, 52). HANHART, Text und Texgeschichte, 17, Anm. 2, spricht vom „Fehler eines Abschreibers“; siehe auch WEEKS/GATHERCOLE/STUCKENBRUCK, Book of Tobit, 13: „scribal carelessness“. In Ms. Sinaiticus findet der Übergang von V. 7 zu V. 19 innerhalb einer Spalte statt. Auch die nun vorliegende Textform ergibt durchaus Sinn, wenn hier gelesen werden kann: „Und allen, die Gerechtigkeit tun, der Herr wird ihnen guten Rat geben.“ Der in geschweiften Klammern wiedergegebene Text basiert auf der Rekonstruktion von GII, die WEEKS auf der Grundlage von Ms. 319, VL, dem Codex Reginensis (bei WEEKS „La143“, bei HANHART „LaW“, der zahlreiche Unterschiede zur VL-Hauptüberlieferung aufweist) und z. T. auch 4Q196 und 4Q200 durchgeführt hat (vgl. WEEKS, Restoring). Vgl. 4Q196 10 1: „[ ] deine Hand, mein Sohn, sei ge[bend/tuend]“; hierzu HALLERMAYER, Text, 58; 4Q200 2 6: „[ ] wie die Länge deiner Hand, mein Sohn, sei [ ] gerechte Taten (‫ )צדקות‬und nicht ver[stecke ] / [ ein A]rmer …“; HALLERMAYER, Text, 143.145f. So mit VL und La143; siehe auch 4Q200 ‫ בני‬und 4Q196 ‫ברי‬. Der Begriff ἐλεημοσύνη changiert in der Bedeutung zwischen Almosen und Barmherzigkeit; aufgrund des konkreten Kontexts ist hier die Wiedergabe mit „Almosen“ vorzuziehen; zum Ganzen siehe HEILIGENTHAL, Werke der Barmherzigkeit, passim. Vgl. 4Q200 2 7f.: „Wenn dir sein wird, [mein] Sohn, [ ] / [ mach]end von ihm gerech[te Taten] (‫)צדקות‬. Wenn dir sein wird Weniges wie Weniges [ ] dein [ ] gerechte Taten (‫ ;“)צדקות‬vgl. HALLERMAYER, Text, 143.145f. Für „einen guten Schatz“ liest 4Q200 2 9: ‫ ;)סימה( טובה‬siehe HALLERMAYER, Text, 143.146. Dann bricht die Überlieferung ab.

Planung der Reise und Tobits Lebenslehre (4,1–21)

155

4,10a–a Der entsprechende Beleg Tob 4,11 Vg. setzt einen eschatologischen Akzent und formuliert, dass Almosen die Seele nicht in die Finsternis eingehen lassen. 4,10b Ohne den entsprechenden Kontext kann man hier den Begriff ἐλεημοσύνη auch allgemeiner im Sinne von „Barmherzigkeit“ wiedergeben. 4,11a–a Anstelle der „guten Gabe“ liest Tob 4,12 Vg. hier „große Sicherheit“; dies könnte auf ein eschatologisches Verständnis hindeuten. 4,11b Auch hier könnte man ἐλεημοσύνη mit „Barmherzigkeit“ wiedergeben. 4,12a–a Vg. verzichtet an dieser Stelle auf das Endogamiegebot und warnt allgemein vor Hurerei und Hochmut. 4,12b–b So Ms. 319; die Lesart wird aller Wahrscheinlichkeit nach durch VL (Mss.) „qui in ueritate prophetauerunt priores“ und La143 „et secundem ueritatem ambulamus“ unterstützt; vgl. WEEKS, Restoring, 12, Anm. 26. 4,12c „Noach“ fehlt in Ms. 319 und La143, findet sich aber in GI und VL. Nach WEEKS, Restoring, 12, Anm. 27, könnte die Erwähnung Noachs „as an error involving the preceding of προφητῶν“ entstanden sein. 4,13a–a Diese Lesart von Ms. 319 wird durch VL „filiabus filiorum populi tui“ gestützt; siehe WEEKS, Restoring, 12, Anm. 28. 4,13b Der Begriff ἀχρειότης ist Hapaxlegomenon in LXX. 4,15a Hier hat GI eine Sentenz zum Alkoholgenuss: „Wein trinke nicht bis zur Trunkenheit, und die Trunkenheit gehe nicht mit dir auf dem Wege.“ Diese Mahnung fehlt in Ms. 319; zum Ganzen ausführlich WEEKS, Restoring, 13, Anm. 34; MACATANGAY, Wisdom Instructions, 52. Nach der Rekonstruktion WEEKS’ war die Warnung vor übermäßigem Alkoholgenuss in GII wahrscheinlich nicht enthalten; in GI könnte die Aufnahme des Motivs durch das Stichwort „Wein“ in Tob 4,17 GII angeregt worden sein. Das Thema selbst spielt in Tob ansonsten keine Rolle und wirkt so wie ein Fremdkörper. Offensichtlich sind aber die Bezüge zur biblischen Überlieferung, die zeigen, dass übermäßiger Alkoholgenuss den Toren kennzeichnet, der sich nicht in die von Gott gesetzte Ordnung einfügen will (u. a. Spr 20,1; 21,17; 23,20f.; 23,30–35; Sir 19,1; 34[31],25[30]–30[40]; zur negativen Bewertung des Rausches vgl. auch Jes 28,7; Jdt 13,15). Auch die Achikarüberlieferung kennt die Warnung vor Trunkenheit (syrAch 43). Zum Alkoholgenuss und -missbrauch v. a. in der israelitischen Kultur siehe JACOBS, Delicious Prose, 94–97. JACOBS bezieht die Mahnung direkt auf die Figur Tobits als eines „upper-class landowner“, der mit den Versuchungen von Alkohol und einer Kultur, in der Alkohol eine wichtige Rolle spielte, konfrontiert war; weiterführend zum Weingenuss siehe RABENAU, Studien, 56–59 (Lit.); DI LELLA, Parallels, 179. 4,15b So mit Ms. 319 und VL; siehe WEEKS, Restoring, 13, Anm. 34. GI liest „Trunkenheit“ (μέθη). 4,16a HEILIGENTHAL, Werke der Barmherzigkeit, 291, möchte den Begriff ἐλεημοσύνη hier wieder im allgemeinen Sinne als „Barmherzigkeitstaten“ verstehen. Das ist möglich, aufgrund des Kontexts scheint mir hier aber die Bedeutung von „Almosen“ plausibler. 4,17a–a So mit WEEKS, Restoring, 14, Anm. 39, unterstützt durch VL und La143; vgl. GI: „Schütte deine Brote auf das Grab der Gerechten und gib sie nicht den Sündern.“ KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen, 375f., verweist auf den Gegensatz dieser Aussage zum traditionellen jüdischen Verständnis (insbesondere Dtn 26,14) und geht deshalb davon aus, dass es unwahrscheinlich ist, „dass in Tob empfohlen wird, was das Gesetz verbot.“ Das Wort ‫בקברת‬, das in dem hebr. Text gestanden haben muss (so die Rückübersetzung), sei demnach nicht nach ‫קבר‬, sondern nach ‫ קבור‬zu vokalisieren, sodass eine deutsche Übersetzung lauten würde: „Schenk reichlich von deinem Brot und deinem Wein beim Begräbnis der Gerechten; doch gib nichts für die Sünder“ (KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen, 376).

156

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Griech. τάφος kann auch „Begräbnis“ bedeuten, allerdings harmoniert dies nicht mit der Präposition ἐπί. Vgl. zum Ganzen auch die textkritischen Überlegungen bei JACOBS, Delicious Prose, 101. WEEKS, Restoring, 14, Anm. 39, wendet sich gegen die These eines Totenopfers: „GI does not want to refer to libations for the dead, although it seems likely that the original intention here was not to commend offerings to the dead as such, but to suggest that food and wine are better thrown on the graves of the righteous than put in the mouth of sinners.“ 4,19a Als Alternative könnte es auch nur „den Herrn“ oder „Gott, den Herrn“ geheißen haben; siehe WEEKS, Restoring, 14, Anm. 42. GI liest „den Herrn, deinen Gott“ und verwendet damit wieder ein Possessivpronomen bei einer Gottesbezeichnung. 4,19b–b Hier setzt die Überlieferung von Ms. Sinaiticus wieder ein, wenn es heißt: „der Herr selbst gibt ihnen guten Rat“. Diese Textüberlieferung muss kritisch gesehen werden, da sie Züge einer Überarbeitung zeigt, die den Text als Fortführung von καὶ πᾶσιν τοῖς ποιοῦσιν δικαιοσύνην (4,6) gestaltet; siehe hierzu WEEKS, Restoring, 14, Anm. 45. GI formuliert, dass Gott „alles Gute“ gibt. Somit findet hier eine Universalisierung des göttlichen Handelns statt. 4,19c–c WEEKS, Restoring, 14, Anm. 46, ergänzt diese Wendung auf der Basis von VL. 4,21a–a Tob 4,23 Vg. stellt die Gottesfurcht über jeden materiellen Besitz.

Synchrone Analyse Gliederung, Struktur und Gattung/Formen Gliederung Das Kapitel enthält eine lange Rede Tobits (4,3b–21), die v. a. aus zahlreichen

Weisheitssprüchen besteht, die z. T. auch mit Begründungen versehen werden.1 In inhaltlicher Hinsicht kann die Rede Tobits folgendermaßen gegliedert werden:2

Verse

Inhalt

4,1–3a

Tobit erinnert sich des Geldes und berei- Narrativer Kontext tet durch seine Rede die Reise seines Sohnes vor; 3a: Redeeinleitung

4,3b–4

Bestattung des Vaters, die Sorge um die Mutter und ihre würdige Bestattung

1

2

Formales und Kontext

Situative Weisung; mit Begründung: Gefährdung der Mutter

Die Weisheitssprüche selbst lassen sich formal in zwei verschiedene Gruppen unterteilen: Neben begründeten Geboten und Verboten (Verse 3b–14c.19; die sog. „Langmahnungen“) erscheinen in den Versen 14b–18 lediglich kurze Mahnsätze ohne begründendes Element (die sog. „Kurzmahnungen“). Zu dieser Einteilung der Weisheitssprüche siehe RABENAU, Studien, 28–31.64–65. Für einen Überblick zu den Elementen der Weisheitslehre, der die Einteilung RABENAUs aufgreift, siehe EGO, Vermächtnis, 95. Dieser Ansatz wurde hier weiterentwickelt; zur Forschungsliteratur siehe MACATANGAY, Wisdom Instructions, 67–74. Zu diesem Abschnitt generell siehe die monographische Studie von MACATANGAY, Wisdom Instructions, passim; DERS.; Wisdom Discourse; siehe auch OEMING, Jewish Idendity, 552–557; DERS., Ethik in der Spätzeit.

157

Synchrone Analyse Verse

Inhalt

Formales und Kontext

4,5–6a

Weisung, „des Herrn zu gedenken“ als Ausdruck der Gebotstreue; Entfaltung

Verweis auf Tun-Ergehen-Zusammenhang

4,6b–11

Das Tun der Gerechtigkeit I: Die Gabe der Verweis auf den Tun–Ergehen-ZuAlmosen sammenhang (7c; 9a); Sentenzen (10.11)

4,12–13

Das Tun der Gerechtigkeit II: Warnung vor Unzucht

Betonung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs (12g); Sentenzen (13c.d.e)

4,14a–c

Das Tun der Gerechtigkeit III: Der richtige Umgang mit dem Lohnarbeiter

Betonung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs (14c)

4,14d–15a Weisung, die richtige Erziehung zu zeigen, und die „Goldene Regel“

Kurzmahnungen ohne Begründung

4,16–17

Das Tun der Gerechtigkeit IV: Die Zuwen- Kurzmahnungen ohne Begründung dung zu den Bedürftigen und die Speisung der Toten3

4,18–19

Das Befolgen des rechten Rates, der von Gott kommt, und der Gebote

Begründung: Gott als der Geber des rechten Rates

4,20–21

Anweisung zur Abholung des Geldes; Zuspruch: Fürchte dich nicht, dass wir verarmt sind! Sentenz: Gottesfurcht und Gutes tun führt zum Besitz von Gütern

Situative Weisungen

Die einleitende Wendung „An jenem Tag“ zeigt, dass die Ereignisse, von denen im Struktur Folgenden erzählt werden soll, unmittelbar auf das Gebet Tobits (3,1–6) und die Entsendung des Engels (3,16f.) folgen. Wenn die Leserschaft auch weiß, dass die Geschichte zu einem guten Ende kommen wird, so besteht doch insofern Spannung, als noch völlig offen ist, auf welche Art und Weise die göttliche Hilfe bei den Protagonisten verwirklicht werden wird.4 Direkt im Anschluss an sein Gebet (so lässt es die Zusammenstellung der Zeitangaben in 3,7.10.11.16f. annehmen) zieht Tobit die Konsequenzen aus seiner misslichen Lage. Da er mit seinem baldigen Tod rechnet (vgl. seine Bitte in 3,6; man bemerke, welches Vertrauen er in sein Gebet setzt), möchte er nun seinem Sohn Tobias Mitteilung über das Vermögen machen, das er bei Gabaël in Rages deponiert hat (4,1–3a). Es folgt eine lange Rede an den jungen Tobias, die aus einer Reihe von weisheitlichen Geboten bzw. Sentenzen besteht (4,3b–21) und die erst am Ende auf das Thema des bei Gabaël deponierten Vermögens und damit auf den unmittelbaren Anlass seiner Ausführungen eingeht (4,20–21). Somit umspannt das Motiv der Abholung des Geldes, das in einem konkreten Bezug zur eigentlichen Handlung steht, die weisheitlichen Ausführungen des alten Tobit (4,1.2 und 4,20f.). Zu dieser situativen Einbindung passt es auch, dass Tobit seine Worte mit dem Thema seiner 3 4

Zum Gebot der Mäßigung beim Weingenuss, das sich hier in GI findet, siehe auch TA z. St. Vgl. SCHELLENBERG, Suspense, 317.

158

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

eigenen Bestattung sowie der Versorgung der Mutter und deren Begräbnis eröffnet. Aber auch die Rede selbst wird gerahmt: Tob 4,4 trägt „ganz den Charakter einer summarischen Anfangsmahnung“.5 Der Schluss der Rede mit der Ermahnung zur Gottesfurcht (4,19) stellt die einzelnen Weisungen des alten Tobit in einen theologischen Horizont.6 „The author of Tobit understands that remembering the Lord has a concrete dimension, directing his son and the reader to perform deeds of almsgiving […]. Righteousness is not simply an abstract concept; it has to come to denote charity to the poor.“7 Aufgrund des großen monologischen Redeanteils verlangsamt sich in diesem Kapitel das Erzähltempo. Da Tobit mit seinem baldigen Tod rechnet, ist seine Rede nicht nur als SammGattung und Formen lung von Ratschlägen für die weite Reise seines Sohnes, der nun in die Welt der Erwachsenen gehören wird, zu verstehen,8 sondern kann als eine Art „Abschiedsrede“ oder als „Testament“ klassifiziert werden.9 In einem solchen Testament gibt eine berühmte Gestalt, insbesondere aus der Frühzeit des Volkes, kurz vor ihrem Tod ihr geistiges Vermächtnis an die kommende Generation weiter. Neben biblischen Belegen wie Gen 48–49, Dtn 33; Jos 24,1–24 sowie 1 Kön 2,1–9 ist an dieser Stelle auf das pseudepigraphe Testament Moses, das Testament Hiobs und die Testamente der Zwölf Patriarchen zu verweisen.10 Eckhard VON NORDHEIM hat Tobits Abschiedsrede folgendermaßen charakterisiert: „Insofern ist Tob 4 zwar kein ganz echtes Testament, da der Redende am Ende seiner Rede gar nicht stirbt, jedoch muß vorausgesetzt werden, dass er in Erwartung seines baldigen Todes gesprochen hat. Der Inhalt seiner Rede trägt dieser Erwartung auch durchaus Rechnung. Tobit spricht aus der gleichen Motivation heraus wie die Patriarchen in den bisher untersuchten Testamenten [i. e. die Testamente der Zwölf Patriarchen oder das Testament Hiobs u. a.]. Er vertraut vor seinem vermeintlichen Tod seinem Sohn die besten Erfahrungen seines Lebens an als Hilfe und Anleitung für eine vor Gott gerechte Lebensführung. Dass dieses Testament nicht mit dem Tod abschließt, sondern elegant in die Erzählung einmündet, erweist sich im weiteren Verlauf als ein überaus geschicktes Stilmittel des Erzählers.“11

So wie Tobit einst durch seine Großmutter Debora unterrichtet wurde (siehe zu 1,8), so unterweist nun der alte Tobit seinen Sohn und sichert damit den Bestand seiner Lebenslehre für die Zukunft.12

5 VON NORDHEIM, Lehre der Alten II, 10; siehe auch RABENAU, Studien, 38. 6 RABENAU, Studien, 38. Zur Rahmung siehe auch DI LELLA, Parallels, 182; MACATANGAY, Wisdom Instructions, 98–101. 7 MACATANGAY, Wisdom Instructions, 95. 8 Zu diesem Aspekt siehe MACATANGAY, Wisdom Instructions, 61. Weiteres zum Setting der Abschiedsrede bei MACATANGAY, Wisdom Instructions, 55. 9 Zu dieser Gattung siehe VON NORDHEIM, Lehre der Alten I, 229–242; insbesondere zu Tob 4 siehe ibid., Bd. II, 10–12. Siehe auch MACATANGAY, Wisdom Instructions, 56; RABENAU, Studien, 28. 10 Zur Gattung der Abschiedsrede allgemein VON NORDHEIM, Die Lehre der Alten I.II; ferner COLLINS, Testaments, 325–355; KUGLER, Art. Testaments, 1295–1297. 11 VON NORDHEIM, Lehre der Alten II, 12. 12 Zum Ganzen MACATANGAY, Wisdom Instructions, 60.

Synchrone Analyse

159

Einzelanalyse Nun wird der Faden von Tobits verzweifeltem Gebet (3,1–6) wieder aufgenommen. Da Tobit mit seinem baldigen Tod rechnet, möchte er seine Angelegenheiten ordnen, sodass es naheliegt, dass er seinen Sohn über das Geld informieren möchte, das er bei Gabaël in Medien deponiert hat (siehe 1,14). Hier nun erscheint auch der Name der Stadt, in der dieser wohnt, nämlich Rages (heute Rayy im südlichen Stadtgebiet von Teheran und fast 1000 km von Ninive entfernt). Die Stadt soll dann auch bei dem Gespräch zwischen Rafaël alias Azarias und Tobias wieder eine Rolle spielen (5,6). Der Erzähler nimmt hier eine Innenperspektive ein, indem er die Leserschaft an Tobits Gedanken teilnehmen lässt (zur Wendung „er sagte in seinem Herzen“ siehe Gen 8,21; 17,17; 24,45; 27,41; Ps 10,6.11; 14,1; 53,2 u. a.). Tobias, der Adressat der Rede, erfährt zunächst nichts über den tieferen Grund, warum der Vater nun eine so lange und grundsätzliche Rede an ihn richtet. Nach der Redeeinleitung (4,3a) beginnt der greise Tobit mit seiner Abschiedsrede an seinen Sohn Tobias. Tobit eröffnet seine Rede mit der Bitte um seine eigene würdige Bestattung (4,3b). Dann wendet er sich dem rechten Verhalten gegenüber der Mutter zu: Die Anweisung, die Mutter zu ehren (4,3c), kann als eine Art Zusammenfassung der folgenden Ausführungen verstanden werden: Tobias soll sie nicht verlassen (4,3d). Es ist anzunehmen, dass dies die konkrete Aufforderung beinhaltet, sich um den Lebensunterhalt der Mutter, die den Vater überlebt und alt wird,13 zu kümmern. Dann folgen Anweisungen, die auf Tobits integres Verhalten gegenüber der Mutter im Allgemeinen abzielen (4,3e.f). Auch hinter der Aufforderung, ihrer zu gedenken, ist ein konkreter materieller Hintergrund anzunehmen. Der Verweis auf die Gefahren, die die Mutter um ihres Kindes willen durch Schwangerschaft und Geburt auf sich genommen hat, dient in diesem Kontext dazu, die Anweisungen zur Sorge um die Mutter zu begründen und die Verpflichtung des Sohnes seiner Mutter gleichsam biologisch zu untermauern (4,4a). Die letzte Anweisung, die in diesem Abschnitt erfolgt, bezieht sich dann wieder auf das Thema der Bestattung, insofern Tobias seine Mutter nach ihrem Ableben mit dem Vater in einem gemeinsamen Grab beerdigen soll (4,4b). Die Position dieses Abschnittes in der Rede Tobits erklärt sich am einfachsten durch den Kontext. Tobit will sterben (siehe 3,6); so liegt der Gedanke an seine eigene Bestattung nur allzu nahe.14 Sein Ableben aber wirft das Problem der Versorgung der Mutter bzw. ihres Begräbnisses auf, das es zu regeln gilt. Nun erfolgt ein abrupter Wechsel der Thematik.15 Die Mahnung, des Herrn zu gedenken und seine Gebote nicht zu übertreten (4,5a.b),16 kann als eine Art „Lex generalis“17 verstanden werden. Hier zeigt sich die theologische Dimension der Rede Tobits. Die Begriffe erläutern sich in der Position des Parallelismus membro13 14 15 16

Zum Thema des Alterns bei Tob siehe NOWELL, Aging. MACATANGAY, Wisdom Instructions, 56–58. DESELAERS, Buch Tobit, 383; MACATANGAY, Wisdom Instructions, 60. Zu diesem Gebot siehe RABENAU, Studien, 38–40; ferner MACATANGAY, Acts of Remembrance, 77–80. 17 MACATANGAY, Wisdom Instructions, 74; 302f.

4,1–2

4,3–21 4,3b–4b

4,5–6a

160

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

rum gegenseitig: So wird deutlich, dass das Gedenken Gottes konkret die Beachtung des göttlichen Gebots meint.18 Der antithetische Parallelismus membrorum („Tue gerechte Werke alle Tage deines Lebens und wandle nicht auf den Wegen der Ungerechtigkeit“; 4,5c.d) ist als konkrete Entfaltung dieses göttlichen Gebotes zu verstehen. „Dem Gedenken Jahwes ist die ganze Aufmerksamkeit gewidmet. Es soll das ganze Leben durchziehen und bestimmen. Aus ihm erwachsen die konkreten Weisungen zur Lebensgestaltung. Das Gegenteil, das Nicht-Gedenken Jahwes ist die Sünde, das Vorbeigehen an seinen Geboten, d. h. nicht auf seinem Weg gehen […]. Im Kontrast dieses antithetischen Parallelismus ist der Horizont aller folgenden Weisungen gegeben.“19

Dass eine solche praktische Lebensführung zum Erfolg führt, belegt V. 6a, insofern nun der Tun-Ergehen-Zusammenhang zum ersten Mal explizit formuliert wird (mit dem Begriff ἀλήθεια, „Wahrheit“; zum Tun-Ergehen-Zusammenhang siehe auch 4,7.12.1420). Ein weiteres Leitwort in diesem Abschnitt ist δικαιοσύνη („Gerechtigkeit“ im Sinne einer Zuwendung zum bedürftigen Nächsten; 4,5c.6b). Die inhaltliche Dimension dieser Aussage konkretisiert sich durch die Bezüge innerhalb der Erzählung. Ἀλήθεια und δικαιοσύνη gehören zu den Idealen der Lebensführung des alten Tobit, die durch die Taten der Barmherzigkeit ergänzt werden (siehe zu 1,3; vgl. 1,16–18; 2,2–5) und als Ausdruck der Gebotsfrömmigkeit verstanden werden können (siehe zu 1,12).21 Tob 4,6a unterstreicht somit die Gültigkeit des Tun-Ergehen-Zusammenhangs, der an dieser Stelle zum ersten Mal in der gesamten Erzählung explizit formuliert wird. 18 MACATANGAY, Wisdom Instructions, 74f.98.267–270; DERS., Election, 460–462. 19 DESELAERS, Buch Tobit, 383. Zum Gedenken Gottes siehe auch die Ausführungen in der Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 20 Zum Tun-Ergehen-Zusammenhang in der Theologie der Tobit-Erzählung siehe BEYERLE, Belief in an Afterlife, 71–88; EGO, Vermächtnis, insbesondere 106f.111 u. ö.; MACATANGAY, Wisdom Instructions, 244–248. Vgl. zum Ganzen auch die Studie von KIEL, The Whole Truth. KIEL problematisiert die Annahme, in Tob würde ein einfacher TunErgehen-Zusammenhang vertreten. Er möchte hier einen stärkeren apokalyptischen Einfluss feststellen, der das erfahrene Unglück nicht im Sinne einer Strafe deutet und auch in Tobits Heilung mehr als eine einfache Vergeltung sieht. Die Äußerungen der Tobitfigur zum Tun-Ergehen-Zusammenhang sollen vielmehr ironisch zu verstehen sein. Tobit sei auch theologisch blind, und der Fortgang der Erzählung gebe Tobit einen Einblick in eine verborgene Realität, die einen einfachen Tun-Ergehen-Zusammenhang bei Weitem übersteige. Für eine kritische Auseinandersetzung mit dieser These siehe die Rezension von MACATANGAY, Review, 188f. Nach MACATANGAY überschätze KIEL die Rolle der Apokalyptik, und er bezweifelt zudem, dass die Ermahnung zum Almosengeben ironisch gemeint sei: „What becomes obvious in the story is that righteous characters such as Tobias have to cooperate in God’s plan, even in affliction, by submitting to his divine will as expressed in the Book of Moses, in Tobit’s instructions, and the words of the angel. Their loyalty and obedience to the law in its various expressions in the story manifest their submission to God’s will. By practicing righteousness and mercy, qualities that pertain to God, they simply allow God’s purposes to prevail“ (189). 21 Zu diesen Leitmotiven siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“.

Synchrone Analyse

161

Worin das Tun der Gerechtigkeit besteht, zeigen die folgenden Abschnitte: Zu- 4,6b–11 nächst soll es um das Thema der ἐλεημοσύνη, „Barmherzigkeit/Almosen“, gehen (zum Begriff siehe zu 1,3).22 Der Begriff bedeutet hier „eine spezifische Konkretion der sozialen Tugend der Gerechtigkeit und beinhaltet das Almosen als Ausdruck der Barmherzigkeit bzw. des wohltätigen Verhaltens oder diese selbst.“23 Dass dieses Verhalten im Kontext einer gruppeninternen Solidarität steht24 und auch religiös konnotiert erscheint,25 ist offensichtlich. Adressaten der Wohltätigkeitstaten sind all diejenigen, „die Gerechtigkeit tun“ (4,6b). Vor dem Hintergrund der Semantik des Begriffes δικαιοσύνη (siehe zu 1,3) ist damit eine Gruppe von Menschen angesprochen, die sich selbst auch durch ihr wohltätiges Handeln auszeichnet. So klingt hier zunächst einmal ein innerweltlicher Tun-Ergehen-Zusammenhang an. Tob 4,7b zeigt dann die theologische Dimension eines solchen Tuns: Durch die Verwendung derselben Begrifflichkeit für das erwünschte menschliche und das göttliche Handeln (das Nicht-Abwenden [ἀποστρέφω] des Angesichts) wird das Motiv der Reziprozität besonders betont. Tob 4,8 spezifiziert die Aufforderung zum Almosengeben dahingehend, dass sich die Höhe des Almosens an der Höhe des Vermögens des Spenders bemessen soll. Das Motiv der Vergeltung für die Gabe der Almosen wird im Folgenden in drei Sentenzen, die sich unterschiedlicher Metaphern bedienen, formuliert.26 Zunächst greift Tob 4,9 auf die Metapher vom „Schatz“ zurück, der am „Tag der Not“ demjenigen zugute kommt, der Almosen gibt. So findet hier also eine „Spiritualisierung“ eines ökonomischen Motivs statt.27 Eine weitere Sentenz postuliert, dass das Almosengeben vom Tode errettet und „nicht in die Finsternis eingehen“ lässt (4,10). Sowohl die Rede vom „Tag der Not“ als auch von der Errettung vom Tode bzw. dem Eingehen in die Finsternis (zur Finsternis als Metapher siehe 1 Sam 2,9; Ps 88,7.13; Hiob 10,21f.; 17,13 u. ö.) könnten sowohl innerweltlich als auch in einem individual-eschatologischen Sinne als Hinweis auf ein Leben nach dem Tod verstanden werden.28 Der Kontext der Erzählung mit der Heilung Tobits (11,11–14) und seinem langen Leben (14,2) sowie der Bezug zur Achikarerzähung (siehe hier insbesondere die Licht/Finsternis-Motivik; 14,10) legen zunächst eine innerweltli-

22 Zur Rolle der Almosen bei Tobit siehe MACATANGAY, Acts of Remembrance; siehe auch DESELAERS, Buch Tobit, 351–354.383–386; MACATANGAY, Bury Me Well, 34–36; MIRGUET, History of Compassion, 95–97.119–130.149–151.157–160; TROTTER, Developing Narrative, 455–458. Zum weiteren Hintergrund siehe ANDERSON, Charity; DERS., Almsgiving as an Expression of Faith; DERS., How Does Almsgiving Purge Sins? 23 DESELAERS, Buch Tobit, 384; siehe auch ibid., 351–354; HEILIGENTHAL, Werke der Barmherzigkeit, 291; MIRGUET, History of Compassion, 95f.; RABENAU, Studien, 40–45.59. 24 MACATANGAY, Bury Me Well, 34–36; DERS., Acts of Remembrance, 81; vgl. WEIGL, Rettende Macht, 213–243, der annehmen möchte, dass Taten der Nächstenliebe die Funktion haben, Menschen aus den Völkern eine Möglichkeit zu bieten, Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft zu werden; als Beispiel dafür nennt er die Figur des Achikar. 25 MACATANGAY, Bury Me Well, 36–38. 26 HEILIGENTHAL, Werke der Barmherzigkeit, 298. 27 HEILIGENTHAL, Werke der Barmherzigkeit, 298. 28 MACATANGAY, Bury Me Well, 44.

162

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

che Deutung nahe.29 Der Tod wäre dann entweder ein vorzeitiger Tod oder eine Erfahrung, wonach „die Macht des Todes bereits in diesem Leben greifbar wird.“30 Auf ein solches innerweltliches Verständnis der Sentenz von den Almosen deutet auch die Aussage Tobits, wonach er von sich selber sagen kann, dass er in der Finsternis liege „wie die Toten“ (5,10). Der Abschnitt schließt mit einer dritten sentenzartigen Wendung „Eine gute Gabe ist Almosen für alle, die es geben, vor dem Höchsten“ (14,11). Es findet sich an dieser Stelle dieselbe Gottesbezeichnung wie in Tob 1,13.31 Da der Begriff δῶρον in Tob auch kultisch konnotiert sein kann (siehe 13,3, wonach die Völker ihre Gaben nach Jerusalem bringen), können die Almosen in diesem Kontext in einem tempeltheologischen Rahmen verstanden werden: „Alms to the needy, like cereal offerings, are acceptable gifts before God. Almsgiving and other works of charity are now equally valid offerings comparable to the ritual offerings in the Jerusalem Temple. By including alms as part of the cultic furniture, Tobit presupposes the religious duty to offer sacrifices. This further points to the strong likelihood that charity and cult have equal weight in terms of their redemptive efficacy.“32

29 KOCH, Schatz, 55: „Für die hebräische Sprache stellt die Benennung menschlicher Tugenden mit gut oder böse kein abstraktes Werturteil dar, das von einem geistigen Maßstab her vorgenommen wird. Sondern Gutheit oder Bosheit kennzeichnen innerweltliche Größen, die als Sphären die betreffenden Täter einhüllen und im Lauf der Zeit in ein entsprechendes Ergehen umschlagen, auf seinen Kopf zurückkehren.“ Vgl. dagegen XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1404, der dafür plädiert, die Aussage, wonach Gerechtigkeit vom Tode errettet, in einem eschatologischen Sinne zu verstehen. Danach geht es nicht nur um das irdische Leben einer gerechten Person, sondern um ihr letztes Geschick. 30 SCHIPPER, Sprüche, 622. Vgl. BEYERLE, Belief in an Afterlife, 84. Auch HEILIGENTHAL, Werke der Barmherzigkeit, 298, wendet sich explizit gegen die Annahme, diese Begründungszusammenhänge in einem eschatologischen Horizont zu sehen; ibid., 299, finden sich dann auch Beispiele für eine „deutliche Verlagerung des göttlichen Vergeltungshandelns in das Jenseits“. Die Metapher vom „Schatz der guten Werke“ findet sich auch in der altiranischen Literatur. So kennen die avestischen Texte zumindest die Vorstellung, dass gutes, gottgefälliges Handeln (wie Opfergaben, aber auch gute Werke) in der transzendenten Welt gesammelt wird; die Pahlavi-Texte sprechen in diesem Kontext von einem „Schatz“ (ganj) bzw. einem Vorrat (hambār) von guten Werken; zum Ganzen siehe HINTZE, Treasures in Heaven. Die Autorin plädiert vor diesem Hintergrund dafür, die Wurzeln der Vorstellung im persischen Weltbild zu suchen. Dieser Ansatz ist insbesondere für diejenigen jüdischen Belege bedenkenswert, die auf eine transzendente Kontextualisierung des Schatzes schließen lassen (z. B. Mt 6,19–21; Mk 10,21; syrBar 14,12; tPea 4,18). Im Hinblick auf die Tobitüberlieferung ist hier aber kritisch zu bemerken, dass in Tob 4,9 gerade nicht von einem „Schatz im Himmel“ die Rede ist und dass die Metapher, die lediglich von einem „Schatz von guten Taten“ spricht, bereits in der Tradition der Sprüche überliefert wird. Auf einen iranischen Hintergrund der Wendung verweist knapp auch WIDENGREN, Juifs et Iraniens à l’époque des Parthes, 216. Für die spätere Verwendung der Begrifflichkeit in der rabbinischen Literatur siehe URBACH, Treasures above, 117–124. 31 Siehe auch 1,4.13; zum Ganzen siehe die Einleitung im Abschnitt „Figuren der Handlung“. 32 MACATANGAY, Bury Me Well, 39; zum Ganzen ibid., 38–40.

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Almosen treten somit an die Stelle der Opfer und übernehmen deren sühnende Funktion.33 Zum „gerechten Handeln“ gehören auch Anweisungen, die sich auf die richtige 4,12–13 Art ehelicher Verbindungen beziehen. Denn im Folgenden schärft der alte Tobit seinem Sohn die Bedeutung der Endogamie ein.34 Das gesamte Mahnwort ist parallel aufgebaut, wenn zwei jeweils mehrgliedrige Weisungen zur Endogamie (4,12a.b.c–13a.b.c – jeweils drei Glieder) durch eine jeweils mit ὅτι eingeleitete Sentenz begründet werden (4,12d.e.f.g–13d.e.f). Der Begriff der πορνεία, der in hellenistischer Zeit nicht nur die Prostitution meint, sondern eine Bedeutungserweiterung erfahren hat und generell jedes sexuell illegitime Verhalten bezeichnen kann,35 ist aufgrund des hier vorliegenden Parallelismus membrorum konkret als „unrechtmäßige Heirat“ zu verstehen.36 Die Rede entfaltet dieses Motiv in zweifacher Hinsicht: zum einen positiv, nämlich eine Frau aus der Sippe (σπέρμα) der Väter zu nehmen, und zum anderen negativ, nämlich keine Frau aus einem anderen Stamm (φύλη) zu heiraten. Definiert man einen Stamm als „aus einer Vielzahl von Sippen bestehend“,37 so bleibt offen, welche Rolle bei diesem Gebot Frauen zukommen soll, die zwar zum eigenen Stamm gehören, nicht aber zur eigenen Sippe. Sowohl die Erzählung selbst als auch die biblischen Referenzen legen es in diesem Kontext nahe, einen engeren Rahmen, also die Sippenendogamie, anzunehmen.38 Die Begründung für die Endogamieforderung erfolgt in dem vorbildhaften Tun der Väter, zu denen auch Noach gezählt wird. Der Sinn der Endogamie gründet demnach in der Konformität mit der Tradition. Durch die Einhaltung des Endogamiegebotes fügen sich die Protagonisten in eine Kontinuität und damit in die Gemeinschaft mit den Vätern Israels ein – wie beim „Gedenken Gottes“ erfolgt ein Brückenschlag in die Geschichte des Volkes, mit Hilfe dessen sich die so Handelnden aufs Neue in diese Geschichte einbinden. Vergangenheit und Zukunft verschränken sich hier explizit ineinander. Die Orientierung an diesem Gebot der Endogamie wird zudem als Akt der Bruderliebe verstanden,39 wohingegen das Abweichen davon als Hochmut gegenüber Tobias’ „Brüdern“ und den Söhnen und Töchtern seines Volkes qualifiziert wird (4,13). Wieder ist der Begriff „Brüder“ an dieser Stelle sehr unspezifisch, aber auch hier legt sich der Bezug zur Exilsituation nahe.40 In dieser Aussage könnte sich die soziale Realität spiegeln, dass eine Verheiratung mit Nicht-Juden zu einer 33 MACATANGAY, Bury Me Well, 38–40. Auf die Tempelperspektive verweist auch ANDERSON, Treasure in Heaven, 117: „The point seems to be that almsgiving in the Diaspora replaces revenue for the Temple in Israel.“ 34 Zu diesem Abschnitt siehe KELLERMANN, Eheschließung, 141–150; siehe auch DESELAERS, Buch Tobit, 386–388; EGGER-WENZEL, Emotional Relationship, 43–46. GAMBERONI, Gesetz, 230f.; HIEKE, Endogamy, 108; LOADER, Sexuality, 152f.; MACATANGAY, Wisdom Instructions, 85.255–299; MILLER, Marriage, 72.80f.; NICKLAS, Marriage, 143; RABENAU, Studien, 46–48. Zur Endogamie allgemein siehe die Einleitung im Abschnitt „Figuren der Handlung“. 35 HAUCK/SCHULZ, Art. πόρνη, 587. 36 Vgl. DESELAERS, Buch Tobit, 386; LOADER, Sexuality, 152f.; vgl. auch weiterführend MAZZINGHI, Matrimonio, 89f. 37 Siehe hierzu die Begriffsanalyse und die Schaubilder bei DESELAERS, Buch Tobit, 310–312. 38 So z. B. KELLERMANN, Eheschließung, 141–150; siehe auch HIEKE, Endogamy, 108. 39 Vgl. speziell zu diesem Aspekt NICKLAS, Marriage, 144. 40 Zum Begriff „Bruder“ siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“.

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4,14a–c

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höheren sozialen Stellung führen konnte.41 Die Warnung wird durch einen synonymen Parallelismus membrorum begründet, der die Folgen des Hochmuts (ὑπερηφανία) benennt: „Verderben“ (ἀπώλεια) und „viel Streit“ (ἀκαταστασία πολλή) sowie – als Folge der Schlechtigkeit (ἀχρειότης) – „Verarmung“ (ἐλάττωσις) und „großer Mangel“ (ἔνδεια μεγάλη). Der letzte Aspekt wird insofern mit Nachdruck betont, als der Begriff ἀχρειότης wiederholt wird und nun auch als „Mutter des Hungers“ (μήτηρ […] τοῦ λιμοῦ) gilt.42 Es folgt die Anweisung, dass einem Lohnarbeiter der Lohn sofort ausbezahlt werden solle. Wieder ist es der Verweis auf Gottes Belohnung, der zum Einhalten dieser Anweisung bewegen soll, sodass Tobits Worte auch hier auf den Tun-Ergehen-Zusammenhang rekurrieren.43 Auch dieses Thema kann als konkrete Realisierung des gerechten Handelns verstanden werden. Noch einmal formuliert Tobit Grundmaximen des rechten Handelns. Der allgemeinen Wendung, dass man in allen Werken achtsam sein soll, wird in einem Parallelismus membrorum die Forderung nach παιδεία, „Bildung/Erziehung“, zur Seite gestellt. Auch hier schwingt der Bezug zur Beachtung des göttlichen Gebots mit (vgl. Dtn 6,2; 8,11).44 Die „Goldene Regel“ formuliert das Motto der Reziprozität für den zwischenmenschlichen Bereich.45 Die Anweisung, Brot und Kleidung mit den Bedürftigen zu teilen, ist eng mit der Thematik des Almosengebens verbunden, das bereits Gegenstand der Unterweisung Tobits und Ausdruck gerechten Handelns war (4,6b–11).46 Die Mahnung, Brote auf das Grab der Gerechten zu schütten, verweist auf den Brauch der Totenspeisung (so auch Jer 16,7; EpJer 26 oder Sir 7,33[37]; 30,1847). Der Bereich der Nahrung ist auch hier wieder mit dem rechten bzw. unrechten Verhalten verbunden und rekurriert auf eine gerechte Vergeltung und auf die Totenehrung.48 Der letzte Abschnitt der Rede Tobits wird durch die Begriffe (βουλή/συμβουλία, „Rat“) zusammengehalten und kann so als Einheit betrachtet werden. In der Form eines Parallelismus membrorum fordert Tobit dazu auf, Rat bei einem jeden Verständigen zu suchen (4,18).49 Im vorliegenden Kontext ist anzunehmen, 41 Für diesen Hinweis danke ich meinem Kollegen Christian FREVEL, Bochum, ganz herzlich. Explizit belegt sind diese Zusammenhänge für das ptolemäische Ägypten, wo Fremdehen von Griechen und Nicht-Griechen von den Griechen selbst verurteilt wurden, um die Unterschiede zwischen Ober- und Unterschicht nicht zu vermischen; zum Ganzen siehe FRASER, Alexandria, 71–73; siehe auch DESELAERS, Buch Tobit, 338. 42 Zu dieser Sentenz siehe die knappen Ausführungen bei JACOBS, Delicious Prose, 92f. Auch hier dient ein Motiv aus dem Bereich „Nahrung“ dazu, auf rechtes bzw. unrechtes Verhalten zu verweisen. 43 Hierzu knapp MACATANGAY, Election, 580; er zeigt, dass das Motiv des Lohnes ein „narrative thread“ ist. 44 MACATANGAY, Wisdom Instructions, 86. 45 MACATANGAY, Wisdom Instructions, 89f. 46 Zu diesem Gebot siehe RABENAU, Studien, 59; hierzu knapp JACOBS, Delicious Prose, 99f. 47 Auch DI LELLA, Parallels, 181, verweist auf diese Belege aus dem Sirachbuch. 48 Siehe hierzu knapp JACOBS, Delicious Prose, 105f. 49 Zum Motiv des Rates bei Tobit siehe MACATANGAY, Wisdom Instructions, 90f.; RABENAU, Studien, 63. MACATANGAY sieht das Motiv in einer direkten Verbindung zur vorherigen Mahnung, indem er auf den Gegensatz zwischen den Sündern und dem Ratschlag der Gerechten verweist.

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dass mit einem solchen Rat Tobits eigene Weisheitslehre gemeint ist. Die Sentenz, wonach kein Volk allein guten Rat hat, es sei denn, dass Gott alles Gute gibt (4,19d), zeigt den theologischen Horizont dieses Motivs. Gott allein ist es, der eine solch gelungene Lebensführung, wie sie in Tobits Abschiedsrede entfaltet wurde, ermöglicht. Der Anspruch der Weisheitslehre des Vaters wird hier also dadurch etwas gemildert, dass es für einen gelungenen Lebensweg bei aller eigenen Anstrengung auch der göttlichen Gnade bedarf. Außerdem ruft Tobit seinen Sohn dazu auf, Gott zu preisen (4,19a) und ihn um einen gerechten Lebenswandel und das Gelingen aller Pfade und Ratschläge zu bitten (4,19b.c). Die Sentenz des Erniedrigens und Erhöhens, mit der dieser Abschnitt sein Ende findet, verweist durch die Struktur des antithetischen Parallelismus membrorum auf das allumfassende Handeln Gottes (4,19e). Auffällig beim Aufruf zum Gotteslob (4,19a) ist die Verbindung von ὁ θεός und ὁ κύριος (sonst in GII nur noch in 4,21 und 14,15); außerdem wird durch die Verwendung des Possessivpronomens die enge Bindung zu Gott betont.50 Am Ende seiner Rede mahnt Tobit, seiner Gebote zu gedenken (4,19f.g). Diese Aussage erinnert an den Anfang seiner Rede (4,5), und so entsteht durch dieses Motiv ein Rahmen um die anderen Weisungen.51 Wenn nun nicht Gott, sondern die Gebote Objekt des Gedenkens sein sollen, so bedeutet dies im vorliegenden Zusammenhang, dass Tobits Gebote göttliche Autorität haben.52 Der „richtige Rat“ rückt somit in die Nähe des göttlichen Gebots. Der Abschnitt nimmt den Erzählfaden wieder auf und knüpft an den Anfang 4,20–21 des Kapitels an, denn Tobit kommt nun auf das bei Gabaël im medischen Rages hinterlegte Silber zu sprechen (zu Rages siehe zu 1,14; 4,1; 5,6). Durch die Wendung „Fürchte nicht, dass wir verarmt sind“ will Tobit seinem Sohn „die Angst vor der Verarmung, die eine Folge seiner Blindheit ist, nehmen. Deshalb gibt er ihm Kenntnis von dem hinterbliebenen Geld.“53 Die Aussage, dass Tobias viel besitzt, wenn er Gott fürchtet und Gutes tut, ist im vorliegenden Kontext doppeldeutig: Für sich allein gelesen findet hier eine Art „Spiritualisierung und Relativierung“ des Besitzgedankens statt, die Gottesfurcht selbst kann als eine Art Besitz verstanden werden.54 In Verbindung mit dem Motiv des Geldes, das bei Gabaël deponiert ist, wäre jedoch auch zu überlegen, ob hier das Gelingen der anstehenden Reise von Tobias’ Verhalten abhängig gemacht werden soll.55 Es fällt auf, dass der Vater seinem Sohn keinen expliziten Auftrag gibt, das Geld bei Gabaël zu holen.56 An dieser Stelle erfolgt die Verbindung der Gottesbezeichnun-

50 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328. Zu den Gottesbezeichnungen siehe die Einleitung im Abschnitt „Figuren der Handlung“. 51 Zur Rahmung siehe auch MACATANGAY, Wisdom Instructions, 98–101; ferner DI LELLA, Parallels, 182. 52 Zu diesem Gebot allgemein RABENAU, Studien, 50. 53 DESELAERS, Buch Tobit, 106. 54 In diesem Sinne argumentiert DESELAERS, Buch Tobit, 392. 55 So MACATANGAY, Wisdom Instructions, 233: „Tobit employs the fear of the Lord as that methodological principle that will start Tobias on the right road.“ 56 XERAVITS, Tobiah’s journey, 88.

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gen ὁ θεός und ὁ κύριος, die in GII dann nur noch in Tob 14,15 erscheint.57 Wie am Beginn der Weisheitsrede finden sich also auch wieder an deren Ende solche Gebote, die inhaltlich in den unmittelbaren Kontext der Handlung passen.

Buchinterne Bezüge Überblick Das Kapitel enthält zahlreiche buchinterne Bezüge, wobei die Motive „Barmherzig-

Bezüge zu anderen Redeeinheiten

Bezüge zur Handlungsebene

keitstaten“ und „Lobpreis Gottes“58 in ihren Beziehungen zum Buchganzen von elementarer Bedeutung sind. Es lassen sich mehrere Aspekte unterscheiden, nämlich die Wiederholung von Weisungen in anderen Redeelementen der Erzählung, Korrespondenzen zwischen Weisungen und der Handlung sowie die Verbindung einzelner Motive mit dem kollektiven Aspekt der Erzählung. Auf unterschiedliche Art und Weise unterstreichen diese die Bedeutung der Worte Tobits und charakterisieren die Erzählfigur. Tobit wiederholt die Ermahnung, Almosen zu geben (4,6b–11), in seiner Abschiedsrede vor seinem Tod (14,8). Außerdem findet sich an dieser Stelle ein Rückverweis auf das Gebot, die Mutter zu bestatten (14,10). Das Endogamiegebot bekommt eine Bestätigung durch den Brautvater Raguël (7,10–12). Auch der Engel spielt eine wichtige Rolle für die Weisung des Vaters, insofern er später dessen Worte rekapitulieren wird. So betont Rafaël in seiner Offenbarungsrede die Bedeutung des Almosengebens und des Gotteslobs (12,6f.12–14.17.20). Damit erhalten die Gebote gleichsam eine transzendente Autorisierung. Eine solche Aufwertung gilt auch für das Endogamiegebot (4,12–13), denn Azarias alias Rafaël weist Tobias auf der Reise nach Ekbatana an, Sara zu heiraten, da er ihr nächster Verwandter ist (6,10–12). Dabei gehört die Endogamieforderung nun auch explizit zum „Buch des Mose“ (6,13), und Rafaël bezieht sich ausdrücklich auf das Gebot des Vaters zurück (6,16). Des Weiteren finden sich auch Korrespondenzen zwischen den Weisungen Tobits und der Handlungsebene. Dabei lassen sich sowohl Linien zurück zur bisherigen Handlung als auch hin zum Folgenden aufzeigen. Blickt man auf die bisherige Handlung zurück, so hat Tobit das Endogamiegebot selbst verwirklicht, da er eine Frau aus seiner eigenen Familie geheiratet hat (1,9). Seine Mahnungen zum Tun von Gerechtigkeit, Wahrheit und Barmherzigkeit verweisen auf die Summe seines Lebens (1,3) bzw. auf sein solidarisches Handeln an seinen Landsleuten, die er aus Barmherzigkeit mit Kleidung und Nahrung versorgt und später dann bestattet (1,16–18; 2,1–8). Während bislang aber Tobits „Brüder“ als die Angehörigen seines Volkes die Adressaten seiner Wohltätigkeitserweise waren, werden nun „alle, die Gerechtigkeit tun“, als Empfänger der Almosen beschrieben (4,6c). Der Aufruf zum barmherzigen Handeln in Tobits Rede mit der Betonung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs ist vor allem insofern bemerkenswert, als es ja Barmherzigkeitstaten waren, die zu Tobits schwerem Schicksal führten. Gerade57 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328. Zu den Gottesbezeichnungen siehe die Einleitung im Abschnitt „Figuren der Handlung“. 58 Siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“.

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zu ironisch wirkt es, wenn der blinde Mann sagen kann, dass Almosen davor bewahren, in die Finsternis einzugehen (4,10). Somit zeigt sich eine ganz deutliche Dissonanz zwischen seinen Weisheitsregeln bzw. seinem bisherigen Leben und seiner persönlichen Erfahrung des Scheiterns und der Krise.59 Durch seine Rede bestätigt Tobit seine Treue zu seinen Werten, die ihn bislang durch das Leben geleitet haben. Da er an keiner Stelle Zweifel an der göttlichen Gerechtigkeit äußert, wird er als Vorbild der Glaubenstreue porträtiert. Es wird hier – zumindest implizit – das Modell des leidenden Gerechten eingespielt.60 Auch für den Fortgang der Handlung kommt dem Motiv der Barmherzigkeitstaten bzw. der Almosen und eines ethisch integren Verhaltens eine wichtige Rolle zu. Die Richtigkeit der allgemeinen Sentenz, wonach Almosen vor der Dunkelheit bewahren (4,10), bestätigt sich in der Heilung des blinden Tobit (11,11–14). Am Ende der Erzählung wird das Motiv der Barmherzigkeitstaten wieder aufgenommen, wenn erzählt wird, dass Tobit bis zum Tage seines Todes in hohem Alter wohltätige Werke übte (14,2). Auch die Achikargeschichte bringt Achikars Rettung vor der Schlinge ursächlich mit seinem barmherzigen Wirken in Verbindung (14,10). Die Weisung nach der rechten Entlohnung eines Lohnarbeiters (4,14) findet ihre Entsprechung in dem Bemühen der Protagonisten, den Reisebegleiter zeitnah und angemessen zu entlohnen (12,1–5). Im Hinblick auf den Fortgang der Handlung ist zudem die Verwendung des Begriffs εὐοδόω, „Gelingen haben“, paradigmatisch, da sich damit die Gültigkeit des Tun-Ergehen-Zusammenhangs letztlich bestätigt. Die Weisung „Denn diejenigen, welche die Wahrheit tun, werden Gelingen haben in ihren Werken (4,6a)“ kann geradezu als Vorwegnahme der positiven Entwicklungen, die auf die Rede Tobits folgen, verstanden werden (5,17.22; 7,12; 10,11.14; siehe auch in Verbindung mit ὁδός in 5,17.22; 10,14).61 Schließlich finden noch weitere Elemente der Weisheitslehre Tobits eine Aufnahme in der folgenden Handlung: Tobias heiratet mit Sara tatsächlich eine Frau aus seiner eigenen Sippe (8,1–21; siehe auch 6,18); außerdem bestattet er seine Mutter (14,12) und wohl auch den Vater (14,11). So wird er zum Exempel des gehorsamen Sohnes, der den guten Ratschlag des Vaters beherzigt (vgl. 4,18). Entsprechend der Aufforderung, Gott zu loben (4,19a), stimmen die Protagonisten im Kontext der Vertreibung des Dämons bzw. im Anschluss an die Heilung des Vaters ihren Lobpreis an (8,4–8;11.14f.; 13,3 und 14,8.11–12).62 Wichtig ist schließlich, dass in dieser Rede eine Verbindung zwischen der Kollektive Aspekte individuellen und der kollektiven Ebene vorgenommen wird. Hier ist an erster Stelle das Motiv der Landverheißung zu nennen, die im Kontext des Endogamiegebotes erscheint (4,12). Dieses Motiv eröffnet einen eschatologischen Spannungsbogen, der dann erst am Ende der Erzählung mit dem Ausblick auf die Heilszeit in Jerusalem abgeschlossen wird. Der große Jerusalemhymnus spielt durch das Motiv der Erbauung des Tempels und die Rückkehr der 59 Zur Dissonanz zwischen Tun und Ergehen siehe EGO, Vermächtnis, 106f.; MACATANGAY, Wisdom Instructions, 245–247. 60 MIRGUET, History of Compassion, 126. 61 Zur Wegmetaphorik siehe die Ausführungen in der Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 62 Hierzu MACATANGAY, Wisdom Instructions, 93f.

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Exilierten die Landperspektive implizit ein, wenn der alte Tobit sagen kann: „Selig werde ich sein, wenn der Rest meiner Nachkommen ersteht, zu sehen deine Herrlichkeit und zu danken dem König des Himmels“ (13,16). Explizit vom Land ist schließlich in den Abschiedsworten Tobits die Rede, wo Tobit einen Ausblick auf Israels Rückführung aus dem Exil und die Wiedererbauung des Tempels gibt (14,6.7). Beide Belege verbinden die Nachkommenschaft Tobits mit dem Besitz des Landes, und so ist nicht nur die Existenz des Volkes generell mit dem Endogamiegebot verknüpft, sondern – noch weitaus konkreter – auch dessen Rückkehr aus der Diaspora.63 Wenn Tobits Hymnus in Tob 13 die Sentenz vom allumfassenden Handeln Gottes, das erhöht und erniedrigt (4,19e), in etwas anderer Formulierung wieder aufnimmt (13,2), dort aber nun in den Kontext der Geschichte des Volkes in der Spannung von Exil und Errettung stellt, so verbindet auch dieses Motiv die individuelle mit der kollektiven Ebene der Erzählung.

Diachrone Analyse 4,1: Rages Rages (siehe auch Jdt 1,5.15) war die Hauptstadt Mediens und bildet so in gewisser

Weise das Pendant zu Ninive. Archäologische Zeugnisse belegen eine Besiedlung ab dem 7. Jt. v. Chr.; für die Achämeniden- und Seleukidenzeit sind bislang keine archäologischen Hinterlassenschaften bekannt.64 Die Stadt, die in der BehistunInschrift erstmals erwähnt wird und die auch Alexander d. Gr. erreichte, als er im Jahre 330 Darius III. verfolgte, wurde um 300 v. Chr. vom Begründer der Seleukidendynastie Seleukos Nikator neu gegründet. Um 200 v. Chr. wurde sie dann von den Parthern erobert, befestigt und umstrukturiert.65 Rages war in der Antike ein wichtiges Zentrum der zoroastrischen Religion, und es ist so gut möglich, dass es dort auch zu jüdisch-zoroastrischen Kulturkontakten kam.66 4,3a–4b: Mit der Forderung nach der Ehrung der Eltern und dem Gebot, diese zu bestatElternehrung ten, stehen Tobits Worte mitten im Kontext anderer alttestamentlicher und spätantiker Gebote. Das Gebot der Elternehrung ist breit belegt (Ex 20,12; Dtn 5,16; 27,16; Spr 19,26; 20,20; 23,22; 28,24; 30,17; Sir 3,1–16).67 Einen konkreten Fokus auf die Ehrung der Mutter bietet Pseudo-Menander 16: „Verachte nicht deine Mutter! Schätze sie niemals gering! Sie trug dich ja in ihrem Schoß zehn Monde lang und kam dem Tod nahe, als sie dich gebar.“68 Interessant ist auch Sir 7,27[29]: „Mit ganzem Herzen ehre deinen Vater, und vergiss nicht deiner Mutter Wehen“ (nach 63 Zu diesem Aspekt siehe insbesondere auch MACATANGAY, Bury Me Well, 72–74. Zum Motiv der Endogamie sowie zur Landperspektive siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 64 KANIUTH, Art. Rhages, 343. 65 ROLLINGER, Art. Rhages, 341. 66 LANG, Art. Rages, 275. 67 Zur Elternehrung allgemein siehe MACATANGAY, Wisdom Instructions, 58–60; RABENAU, Studien, 32–38 (Lit.). DI LELLA, Parallels, 173, verweist auf Sir 3,1–16. 68 RABENAU, Studien, 37.

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LXX.D). Während der Wert eines würdevollen Begräbnisses (vgl. Sir 38,1669) und die Pflicht der Kinder, die Eltern zu bestatten, geradezu selbstverständlich erscheint, kommt hier dem Motiv des Doppelgrabes besondere Bedeutung zu. Dieses verbindet nämlich die Weisung des Vaters implizit mit den Erzelternerzählungen, nach denen sowohl Abraham und Sara als auch Isaak und Rebekka bzw. Jakob und Lea in der Höhle Machpela eine gemeinsame Ruhestätte fanden (Gen 25,9–10; 47,30; 49,29–32; 50,13).70 Diese Bezüge sind vor allem auch deshalb bedeutsam, weil die Hebräische Bibel das Motiv der Doppelbestattung ansonsten an keiner weiteren Stelle explizit nennt.71 Aus archäologischer Sicht kann auf die Existenz von Familiengräbern verwiesen werden.72 Die Mahnung, Gottes Gebote nicht zu übertreten, erinnert an zahlreiche Wendungen aus dem Deuteronomium (z. B. Dtn 4,2) sowie an eine ganze Reihe von Weisungen in der Überlieferung des Sirachbuches (siehe Sir 6,37; 23,27[37]; 28,7[8–9]; 32[35],24[28]).73 Zur Wendung „des Herrn gedenken“ siehe oben zu 1,12. Die Wertschätzung der Gerechtigkeit hat eine Entsprechung in Sir 27,8[9]: „Wenn du das Gerechte verfolgst, wirst du es erreichen, und du wirst es anziehen wie eine Ehrenrobe“ (nach LXX.D).74 Für die Zusammenstellung der Begriffe ἀλήθεια und εὐοδόω siehe Gen 24,27. Sir 12,2–7[5] artikuliert auch die Vorstellung, dass nur die Gottesfürchtigen und Demütigen Empfänger von Barmherzigkeitstaten werden sollen. Der Aufruf, die Armen zu unterstützen, fügt sich in den weiten Bereich der Sozialethik der Hebräischen Bibel bzw. des Alten Testaments ein (siehe zu 1,3) und hat enge Entsprechungen in der weisheitlichen Literatur (Spr 3,27f.; 14,21.31; Sir 29,8[11]–9[12]; Spr 14,21LXX und Sir 29,8[11] mit dem Begriff ἐλεημοσύνη; siehe auch Sir 4,1–10[10–11] u. a.).75 Dabei ist eine Verbindung mit dem Tun-ErgehenZusammenhang offensichtlich (so Spr 19,17; für ἐλεημοσύνη z. B. Sir 3,30[33]; 40,24; siehe auch Sir 4,10[10–11]). In der Weisheitsliteratur finden sich auch konkrete Parallelen: Die Metapher von der Almosengabe als „Schatz“, der aus allem Unglück retten wird, kennt auch Sir 29,11f.[14f.]; allgemeiner Sir 40,24: „Mildtätigkeit (ἐλεημοσύνη) rettet“ (nach LXX.D).76 Spr 10,2 und Spr 11,4–6 wissen, dass Gerechtigkeit vom „Tod“ rettet. Vor 69 Auf diesen Beleg verweist auch DI LELLA, Parallels, 173. 70 Zum Ganzen siehe EGO, Death and Burial, 94 (Lit.). 71 Für weitere intertextuelle Bezüge siehe MACATANGAY, Bury Me Well, 60–64. Der Autor betont v. a. die Verbindung mit Josef, der zunächst außerhalb des Landes in Ägypten begraben wurde und dessen Gebeine dann später ins Familiengrab überführt wurden (Ex 13,19; Jos 24,32). MACATANGAY sieht hier implizit die Hoffnung auf eine Rückkehr ins Land und dessen Besitz (speziell hierzu siehe ibid., 70f.). 72 Vgl. HACHLILI, Jewish Funerary Customs, 235–310; für weitere Hinweise EGO, Death and Burial, 95 (Lit.). Zur Tradition des Familiengrabes siehe auch MACATANGAY, Bury Me Well, 65–70. 73 Siehe DI LELLA, Parallels, 174. 74 Siehe DI LELLA, Parallels, 175. 75 Für eine umfassende Darstellung dieser Zusammenhänge in der Weisheitsliteratur der hellenistisch-römischen Zeit siehe WITTE, Ethos der Barmherzigkeit, 229–236, mit weiteren Belegen. 76 Weiterführend GREGORY, Generosity, 181–194; zu den Parallelen mit Tobit siehe ibid., 196–200. Spr 10,2 kehrt dieses Motiv um, wenn vom „Schatz des Frevels“ die Rede ist.

4,5: Beachtung der Gebote

4,6: Gerechtigkeitstaten

4,6a–11: Barmherzigkeit/ Almosen

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass Tob 4,9 auf eine Verbindung zwischen diesen Versen aus dem Sprüchebuch zurückgeht.77 Das Motiv als solches zeigt eine breite Belegung in der Literatur des antiken Judentums (z. B. TestLev 13,5).78 Wohltätigkeit (im Sinne der Zuwendung zu den Witwen und Waisen) als Mittel der Errettung aus dem Grab erscheint explizit auch in Sir 4,10 (in der hebräischen Version [H]), und da „Ben Sira zu einer Zeit schreibt, da sich im antiken Judentum vornehmlich in apokalyptischen und weisheitlichen Kreisen die Hoffnung auf eine Überwindung der Todesgrenze und auf ein Leben nach dem Tod artikuliert und […] Ben Sira selbst punktuell eschatologische Tendenzen aufweist [sc. Sir 36[33],8[10]; 48,10–11; 49,10.12], ist nicht ausgeschlossen, dass Sir 4,10 (H) der Barmherzigkeit eine über den Tod hinausgehende Bedeutung zumisst.“79 Die Belege insgesamt machen deutlich, dass auch hier für Tobit eine große Nähe zur Weisheitslehre von Jesus Sirach vorliegt. Die Rede von der „guten Gabe“ passt zunächst einmal direkt zu den Almosen. Biblische Bezüge zeigen aber darüber hinaus, dass sich hinter dieser Wendung auch die Vorstellung von Almosen als Opferersatz verbergen könnte.80 Auch die Opfergesetze in LevLXX verwenden δῶρον in einem kultischen Sinne (z. B. Lev 1,2LXX) und unterstützen somit diese These.81 In enger Verbindung damit steht das Diktum, wonach Barmherzigkeit die Sünden sühnt, so Sir 3,30[33] (hierzu siehe 12,9).82 Während die Forderung des Schutzes von Armen und Schwachen generell auch in den ägyptischen und babylonischen Weisheitslehren eine bedeutende Rolle spielt, kennt die griechische Ethik zunächst nur die Verpflichtung, Familienmitglieder zu unterstützen. Der erste Beleg für die generelle Weisung, Almosen zu geben, findet sich im griechisch-hellenistischen Bereich in der Schrift Pseudo-

77 ANDERSON, Treasure in Heaven, 359: Konkret geht Tob 4,9f. auf eine Verbindung von Spr 10,2 und Spr 11,4–6 zurück. „Tobit has derived from Prov 10:2 that the contrast between ‘treasures of wickedness’ and ‘almsgiving’ serves to underscore two different economies. On the one hand, we have the economy of this world, where the hoarding of goods leads to a foolish optimism about the future (‘treasuries of wickedness’). On the other hand, there is the divine economy in which the unstinting distribution of goods of the poor (ṣĕdāqâ, ‘almsgiving’) funds the only dependable treasury – a treasury that will deliver one even from the powers of death. Just as in Sirach (5:8), Tobit has combined the diction of both Prov 10:2 and 11:4. From 10:2 he gets the idea of a ‘treasury’, while in 11:4 he finds the theme of ‘a day of wrath’ (necessity [ἀνάγκη] in the Greek of Tobit is a good translation). He then further glosses the laconic phrase ‘delivers from death’ as ‘delivers from death and keeps you from going down into Darkness’ [Hervorhebung i. O.]. The glossing of death as a descent into darkness will not surprise the careful reader of this tale. God tests the faith of Tobit by rendering him blind – a state that he will characterizing as being bereft of light.“ Zum Ganzen siehe auch ANDERSON, Charity, 60. 78 Siehe die Ausführungen bei GREGORY, Generosity, 204–213, mit weiteren Beispielen. 79 WITTE, Ethos der Barmherzigkeit, 235f. 80 HEILIGENTHAL, Werke der Barmherzigkeit, 291; hierzu auch VON STEMM, Der betende Sünder, 173f. 81 Auf diese Zusammenhänge verweist MACATANGAY, Bury Me Well, 39; siehe auch die Belege bei DI LELLA, Parallels, 180. 82 Zu diesem Motiv siehe WITTE, Ethos, 235.

Diachrone Analyse

171

Phokylides 23, die zwischen 100 v. Chr. und 100 n. Chr. entstanden ist. Dort heißt es: „Fülle deine Hand, gewähre dem Bedürftigen Almosen“.83 Eine Verbindung zwischen der Almosengabe und dem göttlichen Gebot kennt Jesus Sirach: „Wegen des Gebotes nimm dich eines Armen (πένητος) an, und gemäß seinem Mangel sollst du ihn nicht leer ausgehen lassen“ (Sir 29,9[12]). Die Aussage über die Endogamie enthält verschiedene innerbiblische Bezüge: 4,12–13e: Auffällig ist zunächst die Bezeichnung der Väter als Propheten. Sie hat ihre Wurzel Endogamie wohl in Gen 20,7, wo Abraham ein Prophet genannt wird, und fügt sich in die Ausweitung des Prophetenbegriffes in der Zeit des Zweiten Tempels ein, wie er auch in Apg 3,25 greifbar wird (vgl. auch Joël 3,1 und Apg 2,17).84 Zur Nachkommenverheißung an die Patriarchen vgl. Gen 12,2; 15,5–6; 17,2.6; 22,17f.; 26,4. Des Weiteren spielt natürlich das Endogamiegebot eine herausragende Rolle. Im Hinblick auf eine sippeninterne Endogamie ist an erster Stelle auf die Traditionen aus der biblischen Erzelternerzählung zu verweisen: Isaak soll nach der biblischen Überlieferung keine Kanaanäerin heiraten, sondern eine Frau aus der Verwandtschaft bzw. dem Herkunftsland (‫ )מולדת‬seines Vaters (Gen 24,3–4.37–38); Rebekka, Isaaks künftige Frau, ist die Urenkelin von Abrahams Bruder Haran bzw. die Enkelin seines Bruders Nahor (Gen 11,27–29 und 24,15); Jakob wiederum wird in das Haus Betuëls, seines Großvaters mütterlicherseits, geschickt, um dort eine Frau von den Töchtern Labans, des Bruders seiner Mutter, zu heiraten (Gen 28,1–2). Nach der biblischen Begrifflichkeit handelt es sich damit um Frauen aus dem Vaterhaus Abrahams (‫ ;בית אב‬siehe Gen 24,7; siehe auch Gen 29,15). In der frühjüdischen Literatur findet sich das Konzept einer sippeninternen Endogamie, das Teil eines breitgefächterten Diskurses im antiken Judentum ist,85 auch im Jubiläenbuch (Jub 4,15.27.33; 12,9; 19,10; 27).86 Besonders interessant ist in diesem Kontext die Nacherzählung der Rede Rebekkas an Jakob in Jub 25,1–10. Rebekka begründet ihr Verbot an Jakob, eine Frau von den Töchtern der Kanaanäerinnen zu nehmen, damit, dass diese ihre Seele „in all ihrem Werk der Unreinheit“ erbittert haben, „ihr Werk Unzucht und Festgelage“ sei und dass ihnen Gerechtigkeit fehle (Jub 25,1). Jakob antwortet auf die Anordnung seiner Mutter mit folgenden Worten: „Ich habe von früher her gehört, daß Laban, deinem Bruder, Töchter geboren worden sind, und auf sie habe ich mein Herz gesetzt, daß ich aus ihnen eine Frau nehme. Und deswegen habe ich geachtet auf meinen Geist, daß ich mich nicht verging und nicht verdürbe auf allen Wegen alle Tage meines Lebens. Denn über Ausschweifung und Unzucht hat Abraham mir vieles geboten […]. Ich will schwören, Mutter, vor dir, daß ich alle Tage meines Lebens mir keine Frau nehmen will aus dem Samen der Töchter Kanaans. Und ich will nicht böse handeln, wie mein Bruder getan hat. Fürchte dich nicht, Mutter, vertraue mir, daß ich deinen Willen tun werde und recht wandeln und meine Wege nicht verlassen werde in Ewigkeit“ (zitiert nach BERGER, Jubiläen, 453).

83 84 85 86

Zu diesem Hinweis siehe RABENAU, Studien, 41. Zum Motiv des Propheten weiterführend REITERER, Prophet und Prophetie, 157f. Zum Ganzen vgl. auch die Hinweise in der Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. Vgl. die Belege bei KELLERMANN, Eheschließung, 142. FREVEL, Separate yourself, 231–249, bezieht sich auf die Rezeption von Gen 34 in Jub 30, wo ein allgemeines Verbot, außerhalb des Volkes zu heiraten, im Vordergrund steht.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Von Noachs Endogamie weiß auch eine Tradition im Jubiläenbuch, wonach Noach seine Nichte Amzera geheiratet habe (Jub 4,33).87 Auch die Tempelrolle 11Q19 LVII,15–17 (eine Anweisung für den König, eine Frau aus dem Hause seines Vaters zu heiraten) sowie die Visionen Amrams (4Q543 1 5–6: Miriam heiratet ihren Onkel) enthalten das Motiv einer sippeninternen Endogamie.88 Während das Segensmotiv in dieser Kontextualisierung ein Novum darstellt (vgl. zum allgemeinen Hintergrund aber Dtn 28,1–14), knüpft auch die Verbindung zwischen der Erfüllung des Endogamiegebots und der Gabe des Landes an die Erzelternerzählungen der Genesis an (siehe insbesondere Gen 28,1–4).89 Wenn diese Vorstellung in späterer Zeit eschatologisch verstanden wird (Jes 60,21; 61,7), so klingt an dieser Stelle gleichzeitig ein utopisches Moment an: Wie die Väter befindet sich Israel in dieser Erzählung ja nicht im Besitz des Landes, sondern hofft, es wiederzugewinnen. Insgesamt ist darauf hinzuweisen, dass das Thema der Endogamie in frühjüdischer Zeit einen bedeutenden Diskurs darstellt; allerdings ist der Horizont zumeist breiter und nicht auf eine sippeninterne Endogamie bezogen.90 Endogamische Eheschließungen sind darüber hinaus auch im Zoroastrismus belegt.91 Die Warnung vor Unzucht erscheint ebenso bei Sirach (Sir 23,16[21.22.23]– 19[27c.28]; siehe auch Sir 41,17[21]);92 jedoch ist sie dort nicht mit dem Thema der Endogamie verbunden. Vor Überheblichkeit warnt Sir 10,6f.; 21,4[5]; 23,8.93 4,14: EntlohTobit greift mit der Anweisung, einem Arbeiter den Lohn sofort auszubezahnung len, ein traditionelles Gebot aus der biblischen Überlieferung auf (vgl. Lev 19,13; Dtn 24,14f.; Jer 22,13), das vor allem – wenn auch nicht ausschließlich – in nachexilischen Texten belegt ist.94 Sir 7,20[22] ermahnt, den Lohnarbeiter gut zu behandeln. Es ist anzunehmen, dass die Zahl der Lohnarbeiter in der persischen Zeit signifikant angestiegen ist.95

87 Siehe hierzu u. a. FITZMYER, 173; RABENAU, Studien, 47. DI LELLA, Parallels, 177, verweist in diesem Kontext auf Abraham im Lobpreis der Väter bei Sirach (siehe Sir 44,19[20ab]–23 [25b–27]). Allerdings erfolgt hier kein Rekurs auf das Gebot der Endogamie. 88 Hinweise auf diese Überlieferungen finden sich bei LANGE, Mixed Marriages, 209, sowie DERS., Your Daughters II, 82f. 89 Zur Verbindung des Gebotsgehorsams mit der Verheißung, „das Land zu erben“, siehe Dtn 4,1.20–22; 6,18; 8,1; 11,8; Jes 60,21 und Ps 25,13; 37,9.11.22.29; ein Rekurs auf die Erzeltern erfolgt in Dtn 1,8; 4,37–38; 9,4–6. Allgemein zu dieser Wendung siehe DESELAERS, Buch Tobit, 462. Zur Wendung „das Land erben“ siehe Gen 15,7. 90 Das Ideal der Endogamie ist in der frühjüdischen Literatur weit verbreitet; vgl. Jdt 8,2; Jub 20,4; 22,20; 25,1–10; 30,7; TestJud 10,6; TestLev 9,10; 14,6; JosAs 7,5; 8,5; TestHiob 45,3; vgl. hierzu RABENAU, Studien, 46–48; siehe allgemein zur Thematik der Fremdehen FREVEL, Discourse on Intermarriage; MILLER, Marriage, 53–70. 91 Wichtig hierzu ist die Studie von BRODSKY, Zoroastrian Context. 92 Siehe DI LELLA, Parallels, 177. 93 DI LELLA, Parallels, 178. 94 FREVEL, Prekäre Arbeitsverhältnisse, 65–69; RABENAU, Studien, 48–49; zur Not des Tagelöhners siehe auch Hiob 7,1; TestHiob 12,4; vgl. ferner Mt 20,8; Jak 5,4. 95 Zum Ganzen siehe SCHART, Fremdlinge und Tagelöhner, 55–58. Mal 3,5, wo der Lohnarbeiter in der Reihe der personae miserae zusammen mit Witwen, Waisen und Fremden genannt wird, geht es nicht um die Verzögerung bei der Auszahlung des Lohnes, sondern darum, die Höhe des Lohns nicht zu drücken.

Diachrone Analyse

173

Mit dem Stichwort der παιδεία begibt sich der Sprecher auf das Terrain des internationalen Bildungsdiskurses, denn gerade in der griechisch-hellenistischen Welt nimmt dieser Terminus eine zentrale Rolle ein.96 Der Begriff, der in der Regel als Übersetzung für hebr. ‫ מוסר‬gebraucht wird, kann sowohl intellektuelle Bildung und Integrität (Arist 43) meinen als auch mit der Gottesfurcht (Sir 1,27[34f.]) und der Tora (Sir 24,23[32.33]) in eins gesetzt werden. Die Bedeutung der παιδεία betont auch der Sirazide (Sir 6,18: „Kind, von deiner Jugend an nimm Erziehung an, und bis du grau wirst, wirst du Weisheit finden“ [nach LXX.D]; siehe auch Sir 8,8[9–10]; 35[32],14[18]; 50,27[29] u. ö.).97 Aus dem Bereich der griechischen Bildung kommt auch die sog. Goldene Regel. Diese entstammt der griechischen Populärphilosophie des 5. Jh.s v. Chr. (vgl. Hdt. III,142). Im Judentum erscheint sie erstmals im Aristeasbrief (Arist 207) und im Testament Sebulons (TestSeb 5,3), die wohl beide im 2. Jh. v. Chr. in vormakkabäischer Zeit entstanden sind. Die Goldene Regel hat auch eine Parallele in armenAch: „Mein Sohn, was dir schlecht erscheint, das tue auch deinem Nachbarn nicht.“98 Der Bezug zum Brauch der Totenspeisung wird durch archäologische Belege plausibilisiert. Aufgrund der dtn.-dtr. Tendenz, Totenbrauchtum (das sicherlich religiös konnotiert war) zu marginalisieren, finden sich in der Überlieferung der Hebräischen Bibel davon nur noch geringe Spuren (vgl. das Verbot in Dtn 26,14; siehe auch Jub 22,17).99 Auch wenn solche Praktiken oft kritisch gesehen werden konnten, scheint dem Sprecher dieser Rede ein solches Verhalten doch besser zu sein, als seine Speisen den Sündern zu geben und somit mit diesen Mahlgemeinschaft zu haben.100

96 Zur Bedeutung der παιδεία siehe RABENAU, Studien, 53–54; ferner MACATANGAY, Wisdom Instructions, 88. Zum allgemeinen Hintergrund siehe BOCCACCINI/ZURAWSKI (Hg.), Second Temple Jewish „Paideia“, mit zahlreichen interessanten Einzelartikeln. 97 DI LELLA, Parallels, 179. 98 Zur Goldenen Regel bei Tob mit weiterführenden Parallelen siehe RABENAU, Studien, 54–56; ferner KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen, 377; MACATANGAY, Wisdom Instructions, 89f. Zur Goldenen Regel allgemein vgl. die grundlegende Untersuchung von DIHLE, Goldene Regel. 99 Ausführlicher hierzu EGO, Death and Burial, 95. In diesem Sinne auch RABENAU, Studien, 61f. BOLYKI, Burial, 92, sieht die Anweisung in Verbindung mit der griechisch-römischen Praxis, ein Fest zu Ehren der Toten am Tag der Bestattung abzuhalten, bei dem dann am Ende ein Libationsopfer auf das Grab ausgegossen wurde. Die Anweisung bezieht er hier darauf, dass man diese Feiern nur mit denen teilen soll, die sich als gerecht in ihrem Leben erwiesen haben: „sharing in the funeral feast is reserved to those who have proved to be righteous in their lives“. 100 GREENFIELD, Aḥikar, 313–319. Vgl. dagegen MACDONALD, Bread, 103, der in der Wendung eine Metapher sieht, die im Kontext von Tob 1,17–20 und 8,10–18 zu verstehen ist: „One possibility is that the instruction alludes to the literary use of the interrupted meal that occurs twice in Tobit. On the first occasion Tobit’s piety is expressed when he interrupts his meal to bury the dead. In a humorous echo of this incident Raguël interrupts the wedding feast to dig a grave for Tobias who he believes will have had a fatal encounter with the demon that haunts Sarah. Here we have a conjunction of food being abandoned (‚poured out‘) for the sake of the dead.“ Kritisch zur These der Totenspeisung auch SCHUMPP, 97, und KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen, 375f.

4,14d.15: Bildung

4,17: Totenspeisung

174

4,18–19: Der rechte Rat

4,19: Lobpreis Gottes 4,19: Gelingen

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Es ist anzunehmen, dass diese Weisung im vorliegenden Kontext als spezifischer Ausdruck des Almosengebens zu verstehen ist. Ein ähnliches Gebot findet sich in syrAch 13 (B): „Mein Sohn, giess deinen Wein über die Gräber der Gerechten aus“; syrAch 13 (C) liest hier: „Mein Sohn, giess deinen Wein eher auf die Gräber der Gerechten als ihn mit bösen Menschen zu trinken“ (beide zitiert nach KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen, 375).101 Das Motiv des rechten Rates ist bereits in der klassischen Weisheitslehre ein wichtiger Topos (Spr 12,15; 19,20; 27,9); man war sich aber auch der menschlichen Begrenztheit bewusst, wenn Spr 21,30 prägnant formulieren kann, dass „keine Weisheit und keine Einsicht und kein Rat gegenüber JHWH etwas gilt.“ Dieses Motiv hat dann in hellenistischer Zeit angesichts einer blühenden Ratgeberkultur an Aktualität gewonnen. Jesus Sirach betont nicht nur die Bedeutung des Ratschlags an sich (Sir 6,23[24]; 8,8[9–10]; 9,14[21]; 35[32],18f.[22.24]; 40,25; 44,3f.), sondern reflektiert das Thema auf einer Metaebene, indem er auf die Problematik menschlicher Ratgeber überhaupt verweisen kann (Sir 37,7[8]) und die Bedeutung der sittlich-religiösen Qualität des Ratgebers betont (Sir 21,13[16]).102 Jesus Sirach belegt eine explizite Verbindung zwischen dem richtigen Rat und der von Gott gegebenen Weisung (Sir 24,24–29[39]); der Weisheitslehrer ist somit der ideale Ratgeber: „Wenn der Herr, der Große, es will, wird er mit dem Geist der Erkenntnis erfüllt; er selbst lässt Worte der Weisheit hervorsprudeln, und im Gebet preist er den Herrn; er selbst richtet Rat und Einsicht gerade, und über seine Geheimnisse denkt er nach; er selbst legt die Bildung seiner Unterweisung offen, und er selbst wird sich im Gesetz des Bundes des Herrn rühmen“ (Sir 39,6[8–9]–8[11]; nach LXX.D). Der Rat, sich einen weisen Ratgeber zu suchen, hat auch eine Parallele in syrAch: „My son, make a companion of the wise person, and thou wilt become wise like him; and make not a companion of the foolish person, lest thou be reckoned like him“ (syrAch 12, zitiert nach der Übersetzung von CONYBEARE, Story of Aḥiḳar, 100). Auch die Mahnung, Gott zu preisen, ist in der Überlieferung des Sirachbuches belegt (Sir 39,14[18–19]–15[20]).103 Die Aufforderung Tobits an seinen Sohn, Gott um das Gelingen seiner Wege zu bitten, erinnert an die Worte des Vaters in Spr 3,5f., wo es heißt: „Vertraue auf JHWH mit deinem ganzen Herzen, aber auf deine Einsicht stütze dich nicht. In allen Wegen erkenne ihn, dann wird er deine Wege gerade machen.“ Über das Motiv

101 Zum Ganzen siehe auch JACOBS, Delicious Prose, 102–106. Hier wäre weiterführend eine Diskussion zur Diachronie der Überlieferung anzuschließen. KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen, 376, möchte die Abhängigkeit der orientalischen Versionen von Tobit annehmen und schließt, dass der Vers, der ursprünglich die Freigiebigkeit beim Totenmahl im Blick hatte, von diesen missverstanden und im Sinne des heidnischen Totenopfers oder der heidnischen Totenspeisung interpretiert wurde; siehe auch MARINČIČ, Symbolik, 56. 102 MACATANGAY, Wisdom Instructions, 93, verbindet das Motiv innerbiblisch mit dem jungen Salomo, der Gott um Weisheit bat (1 Kön 3,5–14; Weish 9,4–6). Auf die entsprechenden Belege aus Sir verweist auch DI LELLA, Parallels, 181. Weiterführend zum traditionskritischen Umfeld des Motivs vom „guten Rat“ siehe EGO, Weisheit, 48–64. 103 DI LELLA, Parallels, 182.

Synthese

175

des „Gelingen-Lassens des Weges“ (εὐοδόω) wird intertextuell der Faden zu Gen 24 (siehe insbesondere Gen 24,21.40.42.48.56) aufgenommen.104 Außerdem klingt hier dtn.-dtr. Sprache an (siehe Jos 1,8; ferner Jes 46,11; 48,15; 55,11). Das „Gebot im Herzen“ erinnert an Dtn 6,5.105 Außerdem scheinen hier auch Vorstellungen von Gott als Lehrer im Hintergrund zu stehen (siehe auch Weish 9,6). Das Vertrauen auf Gottes Geleit kennt auch Sir 39,24[29bc], wo es heißt: „Seine [d. h. Gottes] Wege sind für die Gottgefälligen geradlinig, so für die Gesetzlosen Hindernisse“ (nach LXX.D).106 Die Sentenz, wonach Gott erhöht (ὑψόω) und erniedrigt (ταπεινόω), hat ihre engste Entsprechung in Ps 74,8LXX (siehe auch 1 Sam 2,7; Ez 17,24; 21,31; Hiob 5,11; ferner Dtn 32,39 [„töten und lebendig machen“]).107 Auch der Sirazide kennt diese Wendung: „Lache nicht einen Menschen aus, der mit verbitterter Seele lebt. Es gibt nämlich einen, der erniedrigt und erhöht“ (Sir 7,11[12]; nach LXX.D).108 Das Motiv gehört ursprünglich in die Weisheit und spielt gerade in nachexilischer Zeit eine wichtige Rolle: „Das undurchsichtige Geschick des Menschen, unerklärbarer Aufstieg, aber ebenso rascher Niedergang von Mächtigen und Mächten, die ganze Gebrochenheit der Welt wird in ihrer Dialektik des erhöhenden und erniedrigenden Gottes zusammengebunden. Damit gewinnt der Fromme Spielräume, die ihm ermöglichen, den Glauben an den alles bestimmenden Gott aufrechtzuerhalten.“109 Zum Gedenken der Gebote siehe zu 4,5. Eine Relativierung des Besitzes im Hinblick auf die Gottesfurcht kennt auch die weisheitliche Überlieferung (z. B. Ps 34,10).

Synthese In Tob 4,1 setzt die Haupthandlung der Erzählung ein, welche die Geschichten von Tobit und Sara miteinander verbindet und die Entsendung Rafaëls (3,16–17) entfaltet. Tobit, von dem nun – wie bereits von Sara – in der 3. Pers. Sg. (und nicht mehr in der 1. Pers.) erzählt wird, beschließt angesichts der Erwartung seines baldigen Todes, seinen Sohn Tobias zur Einforderung eines Geldbetrages zu entsenden, den er bei seinen früheren Geschäftsreisen bei einem gewissen Gabaël in Rages (1,14) deponiert hat. Vor den praktischen Reisevorbereitungen erfolgt eine lange Rede Tobits, in der er seinem Sohn ethische Unterweisungen zukommen lässt. Da der Text von Ms. Sinaiticus in Tob 4,6b abbricht und erst mit Tob 4,19d wieder einsetzt, muss ein Großteil des Kapitels rekonstruiert werden. 104 Zur Rezeption von Gen 24 siehe die Einleitung im Abschnitt „Biblische Referenzen“. 105 Zur Rezeption der dtn.-dtr. Redeweise siehe die Einleitung im Abschnitt „Biblische Referenzen“. 106 DI LELLA, Parallels, 182. 107 Zum Motiv, dass Gott erhöht und erniedrigt, siehe RABENAU, Studien, 70–77, der auch auf Parallelen aus der ägyptischen, ugaritischen und griechischen Literatur verweist; ferner WESTERMANN, Lob und Klage, 93. 108 Zum neutestamentlichen Bezug siehe DI LELLA, Romans 9,18. 109 RABENAU, Studien, 76.

4,19: Erhöhen und Erniedrigen

4,19.21: Gottesfurcht

176

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Formal handelt es sich in der Rede Tobits (4,3–20) um ein Testament, eine Gattung, in der bedeutende Gestalten aus der Geschichte des Volkes in Erwartung ihres nahen Todes ihr Lebenswissen an die nächste Generation weitergeben. Die Verwendung dieser Gattung zeigt wiederum, dass Tobit als ein Patriarch und als bedeutende Persönlichkeit dargestellt werden soll. Wichtige Themen der Rede sind die Anweisungen zur Bestattung der Eltern und zur Ehrung der Mutter (4,3b–4c), zum Almosengeben (hier nun erscheint ἐλεημοσύνη in dieser konkreteren Bedeutung; 4,6b–11), Warnung vor Unzucht und das Endogamiegebot (4,12–13), Anweisungen zur pünktlichen Auszahlung des Lohnes an den Lohnarbeiter (4,14a–c), zur Totenspeisung mit Brot und Wein (4,17), Mahnungen zur Suche des rechten Rates (4,18) sowie das Gebot, Gott zu preisen und ihn um den rechten Weg zu bitten (4,19a–e). Dazu kommen allgemeine Aufforderungen, nämlich Gottes zu gedenken und seine Gebote nicht zu übertreten (4,5a–6a), paideia zu erweisen (4,14d), die Goldene Regel (4,15a) und die Gebote einzuhalten (4,19f.g) sowie einige Sentenzen, z. B. zum Tun-Ergehen-Zusammenhang (4,14c) oder zur Verbindung von Gottesfurcht und guten Werken (4,21). Die Struktur der Rede erschließt sich durch den Kontext, insofern das Motiv der Bestattung eingangs an den Todeswunsch Tobits anknüpft und die Rede vom rechten Ratschlag am Ende des Kapitels dazu dient, die Autorität der Worte Tobits zu unterstreichen. Die Rahmung der Weisheitslehre durch die Aufforderung zum „Gedenken des Herrn“ und zum „Nicht-Übertreten der Gebote“ (4,5a.b) am Anfang und die Betonung des rechten Rates (4,18.19d) am Schluss der Rede macht es durch die traditionsgeschichtlichen Implikationen dieser Wendungen (siehe Dtn, Sir) wahrscheinlich, dass diese Unterweisungen für den Erzähler eine toraähnliche Bedeutung haben. Durch verschiedene inhaltliche Bezüge ist diese Unterweisung Tobits eng mit der eigentlichen Erzählung verbunden. Von besonderer Bedeutung für die Gesamterzählung sind dabei die Motive des Almosengebens und der Endogamie. Mit der Verwendung der Begriffe ἐλεημοσύνη (4,8.10.11.16), δικαιοσύνη (4,5.6) und ἀλήθεια (4,6) greift der Erzähler auf die Leitwörter der Summa (1,3) zurück. Das Endogamiegebot rekurriert auf die Erzväter, die damit als Vorbild fungieren. Tobits Worte enthalten in der vorliegenden Situation ein ironisches Moment. Tobit befiehlt seinem Sohn, auf diese Art und Weise zu handeln, wie er selbst handelte, und er verspricht ihm, dass Gott eine solche Frömmigkeit belohnen wird. Dazu steht Tobits derzeitige Situation in einem deutlichen Widerspruch, da seine früheren Barmherzigkeitstaten ihm anscheinend keinen Lohn eingebracht, geschweige denn vor dem Tod bewahrt haben. So klingt hier implizit an, was im Streit mit Hanna ausgesprochen wurde (2,11–14). Mit der Anweisung zum Almosengeben bestätigt Tobit auf der Ebene der Gesamthandlung, dass er trotz seines persönlichen Schicksals am Wert des barmherzigen Handelns und somit an seinem ursprünglichen Lebensentwurf festhält. Die Abschiedsrede Tobits wurzelt traditionsgeschichtlich in der Ethik der Hebräischen Bibel; auffällig sind aber auch die zahlreichen Bezüge zur Weisheitslehre des Siraziden. Eine besondere Akzentuierung der Tradition erfolgt durch das Gebot der sippeninternen Endogamie und die Gabe der Almosen. Während in der griechischen Welt Almosen vor allem innerhalb der Familie gewährt werden, ist hier der Horizont der gesamten Gemeinschaft im Blick. So wird deutlich, dass diese in der

Die Suche nach einem Reisebegleiter, Vereinbarungen und Abschied (5,1–6,1)

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Erzählung als eine „große Familie“ aufgefasst wird. Tobit erscheint als vorbildlicher Weisheitslehrer und Frommer, der von seinen Idealen bei aller Anfechtung nicht abrückt.

Die Suche nach einem Reisebegleiter, Vereinbarungen und Abschied (5,1–6,1) Die Suche nach einem Reisebegleiter und Vereinbarungen für die Reise (5,1–17a) 1 Da antwortete Tobias und sagte zu seinem Vater Tobit: Alles, was du mir geboten hast, will ich tun, Vater! 2 Wie aber werde ich es [d. h. das Geld] bei ihm holen können? Gabaël kennt mich nicht, und ich kenne ihn nicht. Welches Zeichen soll ich ihm geben, dassa er mich erkennt und mir vertraut und mir das Silber gibt? Auch kenne ich die Wege nach Medien nicht, um dorthin reisen zu können. 3 a Da antwortete Tobit und sagte zu seinem Sohn Tobias: Er hat mir seine Unterschrifta gegeben, und ich habe ihm [meine] Unterschrift gegeben. Dann teilte ich [das Schriftstück] in zwei [Teile]b, sodassc jeder von uns einen nahm, und ich ließ [seinen] zu dem Silber legen. Und nun, siehe, zwanzig Jahre ist es her, seit ich dieses Silber hinterlegt habe. b Und nun, Kind, suche dir einen zuverlässigen Menschen, der mit dir reist, und wir werden ihm [den ihm zustehenden] Lohn geben, dbis du [wieder zurück]kommstd. c Und [nun] hole bei ihm dieses Silber! 4 Da ging Tobias hinaus, jemanden zu suchen, der mit ihm nach Medien reisen würde und der den Weg kannte. Und er ging hinaus und afand den Engel Rafaël, der [zur Reise gerüstet plötzlich] vor ihm standb, und er erkannte nicht, dass es ein Engel Gottes wara. 5 aUnd er sprach zu ihm: Woherb bist du, junger Mann? Und er sagte zu ihm: Von den Kindern Israel, deinen Brüdern, und ich bin gekommen, um hier Arbeit zu finden. Und er sagte zu ihm: Kennst du den Weg, nach Medien zu reisen?a 6 Und er sagte zu ihm: Ja, ich war oft dort und kenne und weiß alle Wege. Mehrmals bin ich nach Medien gereist und habe bei Gabaël, unserem Bruder, der in Ragesa in Medien wohnt, übernachtet. Und es sind bzwei gewöhnliche Tagesreisenb von Ekbatanac nach Ragesd; es liegt nämlich in den Bergen, Ekbatana [aber liegt] inmitten der Ebene. 7 Und er sprach zu ihm: Warte auf mich, Junge, bis ich hineingegangen bin und es meinem Vater mitgeteilt habe. Ich brauche [dich] nämlich, dass du mit mir gehst, und ich will dir deinen Lohn geben. 8 Und Rafaëla sagte zu ihm: Sieheb, ich warte, nur verweile nicht [zu lange]! 9 Und Tobias ging hinein, teilte es seinem Vater Tobit mit und sagte zu ihm: Siehea, bich habe einen Menschen gefunden von unseren Brüdern, den Kindern Israel.b Und er sagte zu ihm: Rufe mir den Menschen, damit ich erfahre, aus welchem Geschlecht und aus welchem Stamm er ist und ob er zuverlässig ist, dass er mit dir reise, Kind.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

10 a Und Tobias ging hinaus und rief ihn und sagte zu ihm: Junge, der Vater ruft dich. b Und er ging zu ihm hinein, und Tobit grüßte ihn zuerst. c Und er sagte zu ihm: aMögest du viel Freude erleben.a d Und Tobit antwortete und sprach zu ihm: Was ist mir noch zur Freude? Ich bin doch ein Mensch, der kraftlos mit den Augen ist, und ich sehe nicht das Licht des Himmels, sondern liege in der Finsternis wie die Toten, die das Licht nicht mehr schauen. Ein Lebender bin ich unter Toten. Die Stimme der Menschen höre ich, doch sie selbst sehe ich nicht. e Und er sagte zu ihm: Sei getrost, bGott wird dich gewiss bald heilenb, sei getrost! f Und Tobit sagte zu ihm: Mein Sohn Tobias will nach Medien reisen. Kannst du mit ihm gehen und ihn führen? Und ich werde dir deinen Lohn geben, Bruder! g Und er sagte zu ihm: Ich kann mit ihm reisen und ich kenne alle Wege und bin oft nach Medien gegangen und habe alle seine Ebenen und die Gebirge durchzogen, und alle seine Wege kenne ich. 11 Und er [d. h. Tobit] sagte zu ihm: Bruder, aus welchem Vaterhaus bist du und aus welchem Stamm? Teile es mir mit, Bruder. 12 Und jener sagte: Wozu brauchst du den Stamm? Und dieser sagte zu ihm: Ich möchte wahrheitsgemäßa wissen, wessen [Sohn] du bist, Bruder, und was dein Name ist. 13 Und jener sagte zu ihm: Ich bin Azariasa, der Sohn des großenb Hananiasc, von deinen Brüdern. 14 Und dieser sagte zu ihm: Wohlbehalten und gesund mögest du ziehen, Bruder! Und nimm es mir nicht übel, Bruder, dass ich die Wahrheit wissen wollte und dein Vaterhaus. Und zufällig bist du ein Bruder und aus gutem und edlem Geschlecht. Ich kenne Hananias und Natana, die zwei Söhne des großen Semeliasb, und sie sind [einst] mit mir nach Jerusalem gezogen und haben dort mit mir angebetet und sind nicht abgefallen. Deine Brüder sind gute Menschen! Aus einer guten Wurzel bist du, und freudig mögest du ziehen! 15 Und er sagte zu ihm: Ich gebe dir als Lohn eine Drachme am Tag und das, was du brauchst, ebenso [wie auch] für meinen Sohn. Reise mit meinem Sohn, 16 und ich werde dir noch [etwas] zu dem Lohn hinzulegena. Und er [d. h. Azarias] sagte zu ihm: Ich werde mit ihm reisen. Fürchte dich nicht! Wohlbehalten werden wir fortgehen und wohlbehalten werden wir zu dir zurückkehren, denn der Weg ist sicher. 17 a Und er [d. h. Tobit] sagte zu ihm: Segen sei mit dir, Bruder!

Verabschiedung und Hannas Schmerz (5,17b–6,1) 17 b Er [d. h. Tobit] rief seinen Sohn und sagte zu ihm: Kind, bereite die Dinge für den Weg und geh fort mit deinem Bruder, und ader Gott, der im Himmel ista, bewahre euch dort und bringe euch wohlbehalten zu mir zurück. Und sein Engel begleite euch mit [seinem] Schutz, Kind! Tobiasb ging hinaus, um seinen Weg zu reisen, und er küsste seinen Vater und die Mutter, und Tobit sagte zu ihm: Reise wohlbehalten! 18 Und seine Mutter weinte und sagte zu Tobit: Waruma hast du mein Kind weggeschickt? Ist er nicht der Stab unserer Hand und bgeht ein und aus bei unsb? 19 Es braucht doch nicht das Silber zum Silber kommena, sondern es soll das Lösegeldb für unser Kind werden! 20 Was uns vom Herrn zum Leben gege-

Die Suche nach einem Reisebegleiter, Vereinbarungen und Abschied (5,1–6,1)

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ben ist, das ist uns genug. 21 Und er sagte zu ihr: Mach dir keine Gedanken! Wohlbehalten wird unser Kind reisen und wohlbehalten wird es zu uns zurückkehren. Und deine Augen werden es sehen an dem Tage, an dem es wohlbehalten zu dir zurückkehrt. Mach dir keine Gedanken, fürchte nicht um sie, Schwester! 22 Denn ein guter Engel wird es begleiten, und sein Weg wird gelingen, und es wird wohlbehalten zurückkehren. 6,1 Da hörte Hanna auf zu weinen.

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 5,2a 5,3a

5,3b 5,3c 5,3d–d 5,4a–a 5,4b 5,5a–a

5,5b 5,6a 5,6b–b 5,6c 5,6d 5,8a 5,8b 5,9a 5,9b–b

Griech.: καί; die Syntax verweist auf einen semitischen Hintergrund, da hebr. ‫ ו‬auch konsekutiv verwendet werden kann. χειρόγραφον ist zwar Hapaxlegomenon in Tob (siehe 9,2.5), aber auch in der griechischen Literatur und in den Papypri belegt (vgl. LIDDLE/SCOTT, Greek-English Lexicon, 1985). Der Begriff meint wörtlich „etwas von Hand Geschriebenes“ und kann sowohl im Sinne von „Urkunde“ als auch von „Handschrift“ verstanden werden. Übersetzt man mit „Urkunde“, so muss man davon ausgehen, dass hier zwei verschiedene Dokumente vorliegen, und die ganze Prozedur ergibt letztlich wenig Sinn (zu den Schwierigkeiten eines solchen Verständnisses siehe FITZMYER, 186; SCHUMPP, 103f.). Die Übersetzung „Unterschrift“ dagegen ermöglicht ein relativ einfaches Verständnis des Textes: Beide Vertragspartner geben ihre Unterschrift auf ein Blatt, das dann in zwei Teile zerrissen wird, wobei jede Partei einen Teil erhält. In diesem Sinne übersetzt MOORE, 182: „We each signed a bond.“ VLW liest hier: „et chirographum meum acceptit, in quo posui pecuniam apud illum et alterum habeo“. In diesem Sinne fügt MOORE, z. St., ein: „One half I kept myself“. Es handelt sich um einen Hebraismus, vgl. MOORE, 182. Griech.: καί; kann im Sinne eines Hebraismus als Waw consecutivum aufgefasst werden. Diese Wendung ist so zu verstehen, dass der Lohn ausbezahlt werden soll, wenn Tobias mit seinem Reisebegleiter zurückkehrt (so LITTMAN, 98). GI nimmt die direkte Verbindung zwischen dem Engel und Gott etwas zurück, wenn es heißt, dass Tobias Rafaël fand, „der ein Engel war“. Griech.: ἑστηκότα. Part. Perf. akt. Sg. mask. Akk. von ἵστημι; vielleicht klingt hier bereits an, dass es sich um ein Engelwesen handelt; siehe Dan 7,16; 8,15. In GI fragt Tobias direkt, ob der junge Mann mit ihm nach Rages in Medien reisen kann. Dadurch wird die Rolle des allwissenden Engels, der in GII sowohl den Ort als auch die zu besuchende Person kennt, etwas zurückgenommen. Die Frage nach der Herkunft des potentiellen Reisebegleiters und damit auch der Verweis auf „Israel“ fehlt (vgl. 1,5.8.18; 5,5.9; 13,18; 14,4 [2x].5.7), ebenso die Angaben über die geographische Lage von Ekbatana und Rages (5,5–8 GI). Die Frage mit πόθεν bezieht sich sowohl auf den Ort als auch auf die Abstammung, hierzu LITTMAN, 98. Griech.: ἐν Ῥάγοις. Griech.: ὁδὸν ἡμερῶν δύο τεταγμένων; einen Weg von zwei festen Tagen. Griech.: ἀπὸ Ἐκβατάνων. Griech.: εἰς Ῥάγα; der Ortsname erscheint also als Femininum. Wörtl.: „er“. Auch hier liegt wieder ein Hebraismus vor; vgl. hebr. ‫הנה‬. Auch hier erscheint wieder derselbe Hebraismus, vgl. hebr. ‫הנה‬. In dem Gespräch zwischen Vater und Sohn in GI fehlt der Verweis auf die Abkunft Azarias’ und seine Zugehörigkeit zu Israel sowie auch der Begriff „Bruder“; zu Israel vgl. 1,5.8.18; 5,5; 13,18; 14,4 [2x].5.7. Entsprechend verändert auch Vg. z. St. die Überlieferung.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

5,10a–a Wörtl.: „Es geschehe dir, dich sehr zu freuen“; nach LITTMAN, 101, eine „awkward construction“. 5,10b–b Wörtl.: „Nahe ist es bei Gott, dich zu heilen.“ Dabei kann ἐγγύς sowohl zeitlich als auch räumlich verstanden werden, wodurch der Satz eine ironische Komponente erhält; siehe hierzu LITTMAN, 101. In GI fehlt dieses bewegende Gespräch zwischen dem Vater und dem künftigen Reisebegleiter. 5,12a LITTMAN, 102, verweist u. a. auf Hom. Il. 24,407 für ähnliche Wendungen im Gesprächskontext, in denen eine wahrheitsgemäße Antwort von großer Bedeutung ist. Zu dieser Bedeutung von ἀλήθεια siehe auch SCHMITZ, Wahrheit, 232: „Hier geht es um Wahrheit im Sinne von Ehrlichkeit bzw. um Wahrheit im Sinne der Übereinstimmung mit der Wirklichkeit“. Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag von MOORE, 186, hier für die semitische Vorlage ’ummakta, „dein Stamm“, anstelle von ’amittka, „deine Wahrheit“, anzunehmen (wiederum mit Referenz auf ZIMMERMANN, 75), nur wenig wahrscheinlich. 5,13a Der Name Ἀζαρίας entspricht hebr. ‫( עזריה‬vgl. 4Q197 4i 12) und bedeutet „JHWH hat geholfen“, sodass auch hier eine symbolische Dimension nicht zu überhören ist. Es handelt sich um einen im Alten Testament häufig vorkommenden Namen (vgl. u. a. 2 Kön 14,21; 15,1–8; Neh 3,23–24; 1 Chr 6,21; 2 Chr 21,2; Dan 1,6f.11.19; 2,17; 3,24f.LXX; vgl. auch die Namensform ‫ עזריהו‬in 2 Chr 15,1–8; 26,17). 5,13b Griech.: μέγας. Dieses Attribut ist im Sinne von „der Ältere“ zu verstehen, so LITTMAN, 103; MOORE, z. St., plädiert hingegen dafür, dass hier der hohe Status der Person im Blick ist. 5,13c Griech.: Ἁνανιας. Auch der Name Hananias ist für verschiedene Personen in der alttestamentlichen Überlieferung belegt (vgl. u. a. Jer 28,1.5.10–17; 36,12; Neh 12,12; siehe auch Jdt 8,1 und Dan 1,6f.11.19; 2,17). 5,14a Griech.: Ναθαν. Der Name ist eine Kurzform von Netanja („JHWH hat gegeben“; vgl. u. a. 2 Kön 25,25; Jer 36,14). 5,14b Griech.: Σεμελιας; hier ist mit Ms. 319 Σελεμιας zu lesen; siehe auch FITZMYER, 194. Während der Name Semelias im Hebräischen keine unmittelbare Entsprechung hat, ist Selemias in LXX belegt (vgl. Jer 44,3.13; 45,1); es handelt sich um eine Wiedergabe von hebr. ‫( שׁלמיה‬vgl. Jer 37,3.13; Esr 10,39; Neh 3,30; 13,13) bzw. ‫שׁלמיהו‬ (Jer 36,26; 38,1; Esr 10,41) mit der Bedeutung „Frieden JHWHs“. 5,16a In 5,16 GI kommt bei der Ankündigung des vermehrten Lohns noch ein interpretierendes Moment dazu, da die Aushändigung desselben unter die Bedingung der glücklichen Heimkehr gestellt wird; hierzu auch HANHART, Text und Textgeschichte, 29. 5,17a–a 5,17 GI spricht beim abschließenden Reisesegen Tobits vom „Gott, der im Himmel wohnt“ (anstelle von „Gott, der im Himmel ist“). 5,17b Wörtl.: „er“. GI spricht vom Aufbruch der beiden, und dass der „Hund des Knaben“ mit ihnen ging. 5,18a Griech.: τί ὅτι; Nach LITTMAN, z. St. ein Beispiel des Koine-Griechischen, in dem Präpositionen abgeschwächt werden. 5,18b–b Der Ausdruck meint hier wohl, dass Tobias beständig um seine Eltern ist und ihnen helfend zur Seite stehen kann; vgl. hierzu 1 Sam 18,13, wo die Wendung besagt, „dass ein Kommandeur seine Soldaten nicht nur mitzureißen, sondern sie auch wohlbehalten wieder nach Hause zu bringen vermag“ (DIETRICH, 1 Samuel 13–26, 425). MOORE, 189, schlägt hier in Aufnahme von JOÜON, Quelques hébraïsmes, 172, vor: „He is our guide“; Vg. liest. „baculum senectutis nostrae“; weiterführend zu dieser Wendung bei den Kirchenvätern siehe BERTRAND, Un bâton de vieillesse“. 5,19a Hier wird das Verb φθάνω verwendet, das klassisch „zuvorkommen“ heißt, aber schon in LXX einfach „kommen, gelangen“ heißt; vgl. u. a. die Wiedergabe von ‫נגע‬ in Neh 7,72 in der LXX und aram. ‫( טמא‬so u. a. Dan 4,8; 6,25; 7,13) (SCHUMPP, 122);

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Synchrone Analyse

5,19b

siehe auch Röm 9,31; 2 Kor 10,14; Phil 3,16. Der Ausdruck weist wohl darauf hin, dass die Familie auch ohne den bei Gabaël deponierten Betrag über ausreichende finanzielle Mittel verfügt. Dunkel ist die Wendung, dass das Geld zum περίψημα ihres Kindes werden soll. Die Ausleger haben hier unterschiedliche Vorschläge erarbeitet. Die Grundbedeutung des Begriffes ist „Unrat, Schmutz, Abschaum“, wobei sich das Wort nur mit übertragener Bedeutung findet und auf Personen oder Sachen bezogen wird, „deren niedriger, verächtlicher Charakter hervorgehoben werden soll“; eine weitere Bedeutung ergibt sich dadurch, dass „die Wegnahme des περίψημα den Gegenstand rein und sauber macht“, sodass sich die Bedeutung „Sühnopfer, Lösegeld“ ergibt (so SCHUMPP, 123; siehe auch LIDDLE/SCOTT, Greek-English Lexicon, 1394). Hanna will sagen, dass sie – ganz im Sinne eines Lösegelds – bereit ist, auf das bei Gabaël deponierte Vermögen zu verzichten, wenn nur ihr Sohn wohlbehalten zurückkehrt (in diesem Sinne MOORE, z. St.). Vgl. FITZMYER, z. St., der mit „rubbing off“ übersetzt, da es „something that Tobiah could willingly do without or forfeit“ bezeichnet; in diesem Sinne auch LITTMAN, 105: „Let the money be rubbish (thrown away) for the sake of our child!“

Synchrone Analyse Gliederung und Struktur Der vorliegende Abschnitt, der den Erzählfaden aus Tob 4,20–21 unmittelbar auf- Einführung und Gliedenimmt, ist folgendermaßen gegliedert: rung

5,1–17a 5,1–3 5,4–8 5,9–17a 5,17b–6,1 5,17b 5,18–6,1

Die Suche nach einem Reisebegleiter und Vereinbarungen für die Reise Gespräch zwischen Vater und Sohn: Regelungen zur Abholung des Geldes und Vorbereitung der Reise Tobias findet Rafaël alias Azarias als Reisebegleiter Gespräch zwischen Azarias und Tobit Aufbruch von Tobias und Rafaël und Hannas Kummer über den Abschied von ihrem Sohn Entsendung Tobias’ durch den Vater, Reisesegen und Aufbruch Gespräch der Eheleute: Hannas Kummer und Tobits Trost

Das Kapitel macht insgesamt einen geschlossenen Eindruck, und die einzelnen Struktur Teile sind insofern eng miteinander verbunden, als die Figur des Engels in allen Abschnitten, sei es explizit oder implizit, eine wichtige Rolle spielt (vgl. 5,4–8.9–17a.17b.22). Vorherrschend für diese Passage ist das szenische Erzählen, das sich durch die direkte Wiedergabe verschiedener Redeelemente auszeichnet. 5,1–3 5,4–8 5,9 5,10a

Tobias’ Frage / Antwort des Vaters – einfacher Redewechsel Tobias und der künftige Reisebegleiter – dreimaliger Redewechsel Tobias’ Mitteilung / Befehl des Vaters – einfacher Redewechsel Tobias zum künftigen Reisebegleiter – implizite Aufforderung durch Rekurs auf den Befehl des Vaters

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a) 5,10b–17a 5,17b 5,18–22

Tobit und der künftige Reisebegleiter – drei Dialogeinheiten unterschiedlicher Länge Tobit entsendet Tobias und segnet ihn und den Reisebegleiter – mehrere Redegänge Hanna und Tobit – Rede und Gegenrede

Zudem ist das gesamte Kapitel vom Thema des Weggehens und Reisens bestimmt. „Das Verb πορεύομαι kommt in 14 Versen elfmal vor, ἐξέρχομαι siebenmal, dazu finden sich noch vier weitere Komposita von ἔρχομαι sowie die Grundform selbst. Auch seltenere Verben wie βαδίζω, συνοδεύω und εὐοδόω werden verwendet. Geographische Substantive (Medien, Rages, Ekbatana, Ebene, Gebiet, Berg) passen dazu.“110 Mit diesem Wortfeld werden Verben des Wissens und Könnens verbunden, so ἐπίσταμαι und γινώσκω sowie das Septuaginta-Hapaxlegomenon ἐμπειρέω. Damit wird deutlich, „daß der Reisebegleiter vor allem nötig ist, um den Weg zu weisen“.111 Wenn auch die „möglichen Gefahren einer Reise […] nicht thematisiert“112 werden, so stehen diese doch deutlich im Hintergrund der Erzählung. Dies kommt vor allem durch die Versicherung des Engels (5,16), den Reisesegen des Vaters (5,17) und dann ganz deutlich durch Hannas Sorge und ihren Abschiedsschmerz zum Ausdruck (5,18–20). Die Erzählerstimme selbst ist sehr zurückhaltend und erscheint nur in den Einleitungen zu den einzelnen Redeelementen bzw. in Hinweisen auf Ortsveränderungen sowie in der Aussage über die Begrüßung. Der gesamte Abschnitt enthält lediglich einen einzigen Vers, der rein erzählenden Charakter hat und keine Redeelemente aufweist (5,4). Durch die Erklärung, wonach es sich bei Azarias um den Engel Rafaël handelt, Tobias diesen aber nicht erkennt, wird wieder deutlich, dass hier ein Erzähler spricht, der gegenüber seinen Figuren einen großen Wissensvorsprung hat (siehe auch 3,16f.). Zudem spielt das Moment einer dramatischen Ironie eine bedeutende Rolle, da der Leser vor dem Hintergrund seines Wissens um die göttliche Sendung des Engels das Geschehen ja immer aus einer Doppelperspektive betrachtet (siehe 5,10; 5,22).113 So kommt es nun im Vergleich zum vorhergehenden Kapitel Tob 4 mit dem langen Monolog des alten Tobit zu einer Beschleunigung des Erzähltempos.114 Der Abschnitt baut auch insofern Spannung auf, als der Leser nun zu ahnen beginnt, wie sich die Hilfe, die mit der Entsendung des Engels (3,16f.) angekündigt wurde, für Tobit und Sara erfüllen könnte. Durch das Motiv der Sorge Hannas, die diese in dem Gespräch mit ihrem Mann zum Ausdruck bringt (5,18–22), wird die Spannung nochmals erhöht.115 110 111 112 113

SCHNUPP, Schutzengel, 61. SCHNUPP, Schutzengel, 61. SCHNUPP, Schutzengel, 61. Zu ironischen Elementen in Tob siehe HICKS-KEETON, Already / Not Yet, 106; MOORE, 191; NICKELSBURG, Jewish Literature, 31; NOWELL, Irony, 81f.; PFREMMER DE LONG, Surprised by God, 191; SCHNUPP, Schutzengel, 66; VAN DEN EYNDE, Journey, 276; ZIMMERMANN, 74. 114 MOORE, 190. 115 Eine andere Einschätzung bei SCHELLENBERG, Suspense, 318, der insgesamt in der Reise Tobias’ ein retardierendes Element sieht. Durch Hannas Sorge wird zwar Spannung aufgebaut, allerdings nur kurz, da diese durch den Verweis auf das Handeln des Schutzengels wieder gemindert wird.

Synchrone Analyse

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Einzelexegese Der Großteil des Kapitels beschäftigt sich mit der Thematik der Reisebegleitung. 5,1–17a Tobias begegnet Azarias auf dem Marktplatz, und der Vater muss in einem langen Gespräch ausloten, ob dieser auch tatsächlich der anstehenden Aufgabe gewachsen ist. Tobias zeigt mit seinen Worten, dass er den Anweisungen seines Vaters Folge 5,1–3 leisten wird, und er erweist sich somit als ein gehorsamer Sohn, der die väterliche Autorität widerspruchslos akzeptiert. Sofort beginnt Tobias mit praktischen Überlegungen für die Reise und die Abholung des Geldes bei Gabaël (5,1f.; siehe 4,1.20). Der alte Tobit beantwortet die Rückfragen seines Sohnes in derselben Reihenfolge, wie diese gestellt wurden, und fordert ihn zudem auf, einen zuverlässigen Reisebegleiter zu suchen (5,3). Die Tatsache, dass das Dokument mit den Unterschriften in zwei Teile zerrissen werden kann, macht es wahrscheinlich, dass an Papyrus als Schreibmaterial gedacht ist. Somit wird hier die Schreiberpraxis der letzten vorchristlichen Jahrhunderte vorausgesetzt; in neuassyrischer Zeit, in der die Tobitgeschichte spielt, waren Tontäfelchen das gängige Schreibmaterial. Manche Ausleger werten die Darstellung der Figur des Tobit an dieser Stelle negativ und werfen ihm vor, dass dem alten Mann materielle Dinge wichtiger seien als die Sorge um das Wohlergehen seines Sohnes.116 Allerdings kommt die Beschaffung des Geldes letztendlich Tobias zugute, da dies seiner finanziellen Absicherung dient. Tobias, der dem Befehl des Vaters wieder sofort Folge leistet, begegnet recht 5,4–8 unvermittelt einem jungen Mann namens Azarias, hinter dem sich der Engel Rafaël verbirgt. Da hier keine Zeitangaben genannt werden, entsteht der Eindruck, dass Rafaël direkt vor der Tür des Hauses steht. Das Auftreten des Mannes wirkt unspektakulär, da kein besonderes äußeres Merkmal geschildert wird.117 Während der Erzähler seinen Lesern die wahre Identität des Reisebegleiters kundtut und somit an die göttliche Entsendung des Engels Rafaël in Tob 3,16f. erinnert, geht Tobias davon aus, dass es sich hier um eine ganz gewöhnliche menschliche Gestalt handelt. An die Schilderung der Begegnung schließt ein Gespräch zwischen Tobias und dem jungen Mann an (5,5–8). Auf Tobias’ Frage antwortet der Fremde, dass er aus dem Volk Israel, Tobias’ „Brüdern“, stammt (5,5).118 Diese allgemeine Angabe soll dann erst im Gespräch zwischen dem Vater und dem Engel spezifiziert werden (vgl. 5,13f.). Dass der arbeitssuchende Mann schon des Öfteren nach Medien gereist ist, mag vielleicht noch nicht erstaunen; bemerkenswert ist aber, dass er von sich aus sowohl konkret die Stadt Rages in Medien als auch die Person, „Bruder“ Gabaël, nennt, die das Ziel von Tobias’ Reise darstellen soll (5,6). Azarias weiß also weitaus mehr als ein normaler Mensch in der Situation wissen kann, aber das scheint Tobias nicht zu bemerken.119 116 So z. B. EFTHIMIADIS-KEITH, Food and Death, 109; MILLER, Angelic Deceit, 505. 117 MUÑOA, Adaption of the Angel of the Lord Tradition, 240; siehe auch NOWELL, Work, 235. 118 Zur Bedeutung des Begriffs „Bruder“ in Tob siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 119 NOWELL, Work, 236.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Geographi- Die Aussage des Engels, wonach es zwei gewöhnliche Tagesreisen von Ekbatana nach sche Angaben Rages seien und Rages in den Bergen, Ekbatana aber in einer Ebene liege, wirft mehre-

re Rückfragen auf: So überrascht es, dass der junge Mann von sich aus auch den Ort „Ekbatana“ ins Spiel bringt, denn nur die Leser wissen um die Dimension dieser Aussage, insofern hier intratextuell auf Saras Geschichte zurückverwiesen wird (3,7). Unklarheiten ergeben sich zudem im Hinblick auf die geographischen Angaben: Ekbatana (siehe zu 3,7) und Rages (siehe zu 4,1) liegen ca. 320 km voneinander entfernt. Die Reisedauer für die Strecke von Ekbatana nach Rages beträgt bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 30 km pro Tag also über zehn Tage;120 eine Reisedauer von zwei Tagen, die Azarias nennt, ist völlig unrealistisch und hat märchenhafte Züge. Dem jungen Tobias scheinen solche Ungereimtheiten nicht aufzufallen, zumindest hören wir keinerlei Reaktion des Erstaunens. Tatsächlich scheint die Erzählung in Tob 9,5f. dann aber auch von einer nur zweitägigen Reise auszugehen. Tob 8,20 und Tob 10,7 nennen mit der Angabe von vierzehn Tagen den äußersten Rahmen für die Dauer der Reise (siehe z. St.). So wird deutlich, dass es sich hier um eine Art „Wunderreise“ handeln muss. Auch die Angaben zur Lage der Städte hat man kritisch hinterfragt: Beide Städte liegen auf einer Hochebene – „Rages-Teheran etwa 1100 m hoch ü. d. M. am Fuß des 5670 hohen Demavend, Ekbatana-Hamadan etwa 1900 m ü. d. M. am Fuß des 3800 m hohen Elvend“, sodass die Angaben zur Lage der beiden Städte „ungenau, wenn nicht unrichtig“ sind.121 Häufig hat man diese Unstimmigkeiten dahingehend erklärt, dass der Autor des Buches nicht sonderlich gut mit den geographischen Gegebenheiten Irans vertraut war, und man plädierte sogar dafür, diese Angabe als sekundär auszuscheiden.122 Diese geographischen Angaben sind jedoch nicht schlichtweg falsch, sondern können im vorliegenden Zusammenhang eher als unpräzise charakterisiert werden. Das hoch gelegene Ekbatana ist zwar von Bergen umgeben, vor Ort hat man aber keineswegs das Gefühl, sich unmittelbar in den Bergen zu befinden; ebenso kann man von dem weitaus tiefer gelegenen Rages – je nach Wetterlage – im Norden bereits die Berge des Elburs-Gebirges erkennen. Auch Jdt 1,15 bringt Rages mit Bergen in Zusammenhang. Die ältere Forschung hat sich hier mit dem Problem herumgeschlagen, dass Der Engel als Lügner? der Engel als ein Lügner und Betrüger erscheint.123 Man wird diesem Thema aber 120 Vgl. dagegen BAUCKHAM, Parable, 162, der von einer Distanz von 360 Meilen ausgeht und eine Gesamtreisedauer von achtzehn Tagen annehmen möchte. Verschiedene Kommentare (so MOORE, 184; ZIMMERMANN, 16; siehe auch FITZMYER, 189) machen darauf aufmerksam, dass Alexander für die Strecke bei der Verfolgung des Darius elf Tage brauchte (ARRIAN, Anabasis 3.20; PLUTARCH, Alexander 42). Kritisch zum Informationswert dieser Texte äußert sich BAUCKHAM, Parable, 162. Zur Geographie siehe auch MILLER, Angelic Deceit, 505. 121 So SCHUMPP, 109, der in vielen neueren Arbeiten rezipiert wird; siehe BAUCKHAM, Parable, 161; FITZMYER, 189; MOORE, 184. 122 So z. B. ZIMMERMANN, 73; siehe auch FITZMYER, 189 (ohne literarkritische Konsequenzen); siehe auch BAUCKHAM, Parable, 162: Die geographischen Irrtümer bilden letztendlich kein Argument gegen die Annahme, dass das Werk in der östlichen Diaspora entstand. 123 Ausführlich hierzu SCHUMPP, 113–116; siehe auch die Hinweise auf die ältere Literatur (z. B. REUSCH) bei MOORE, 184; siehe auch NOWELL, Work, 233; SCHNUPP, Schutzengel, 66. Weiterführend zu diesem Thema ist MILLER, Angelic Deceit. Danach hätten die Lügen die Funktion, Tobits Gottvertrauen auf die Probe zu stellen.

Synchrone Analyse

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nur dann gerecht, indem man es in den größeren Zusammenhang der biblischen Angelologie stellt. Wenn man sich vor Augen hält, dass es sich hier nicht um die Erzählerstimme handelt, sondern vielmehr um die Figurenstimme des Engels, liegt es nahe, diese Aussagen aus der Situation heraus zu erklären und dahingehend zu verstehen, dass sie zur Charakterisierung der Erzählfiguren dienen. Vielleicht benötigt ein Engel tatsächlich nur zwei Tage von Ekbatana bis Rages? Oder kennt sich Rafaël, der die Rolle eines Menschen ja nur übergestülpt hat, vielleicht mit den irdischen Verhältnissen gar nicht so richtig aus? Insofern Tobias all die Ungereimtheiten beim Auftreten des Engels nicht auffallen und er gar kein Misstrauen zeigt, wirkt er fast etwas naiv. Durch die Spannung zwischen dem Wissen des Erzählers bzw. des Lesers und dem Wissen der handelnden Figuren, konkret der Figur des Tobias, liegt in erzählerischer Hinsicht hier eine Doppelperspektive vor, und es entsteht so etwas wie eine „dramatic irony.“124 Nach dem Gespräch begibt sich Tobias sofort wieder in das elterliche Haus, 5,9–17a um den Vater zu informieren (5,9). Wie bereits am Anfang der Episode (vgl. 5,4) erscheint die Raumperspektive wieder aufs Äußerste reduziert. So drängt sich auch hier der Eindruck auf, dass der Engel direkt vor der Tür des Hauses von Tobit und seiner Familie stand. Bei seinem Bericht an den Vater betont Tobias, dass der junge Mann ein Israe- Verwandtlit sei und zu Tobits „Brüdern“ gehöre; wieder wird der Begriff „Bruder“ im Sinne schaftliches der Volkszugehörigkeit definiert (siehe zu 5,5). Der Vater hat weiteren Informationsbedarf und möchte den jungen Mann kennenlernen, um Näheres über seine Familie und seinen Stamm erfahren. Mit den Begriffen „Vaterhaus“ (γένος) und „Stamm“ (φυλή) greift der Erzähler auf das verwandtschaftliche System zurück, das bereits zu Beginn der Erzählung angeklungen ist (1,1.4: φυλή; 1,10.16: γένος; für die einzelnen Begriffe siehe zu 1,1). Auch hier zeigt sich wieder die Bedeutung familiären Denkens.125 Noch einmal betont der alte Tobit, dass der Reisebegleiter seines Sohnes „zuverlässig“ (πιστός) sein solle (vgl. 5,3). Wieder verlässt Tobias das elterliche Haus (5,10a), und erneut hat man den Eindruck, der junge Mann und Reisebegleiter in spe befinde sich in unmittelbarer Nähe desselben (vgl. 5,4 und 5,9). Nun bittet Tobias ihn zum Vater hinein. Auf dessen Begrüßung hin äußert der Engel den Wunsch, dass Tobit viel Freude (χαρά) erleben möge. Tobit nimmt das Stichwort der Freude auf, um gleich an seine elende Situation zu erinnern:126 Er ist „kraftlos mit den Augen“,127 hat das Augenlicht verloren (siehe 2,10) und vermag das „Licht des Himmels“ nicht mehr zu schauen. Tobit beschreibt seine Situation ausführlich, wobei die Steigerung in seinen klagenden Worten auffällt: Auf einen Vergleich (er liegt in der der Finsternis „wie die Toten“) folgt eine Metapher (er ist ein Lebender unter den Toten). Diese Ausdrucksweise entspricht der Vorstellung vom Tod als einem Bereich, der in die Welt der Lebenden hineinragt.128 124 125 126 127

MCCRACKEN, Narration and Comedy, 410. Zu dieser Thematik siehe auch die Einleitung mit dem Abschnitt „Wichtige Themen“. Hierzu siehe auch PFREMMER DE LONG, Surprised by God, 91f. Vgl. MIRGUET, History of Compassion, 125, die darauf verweist, dass hier die Verletzlichkeit Tobits besonders deutlich sichtbar wird. 128 FISCHER, Tod und Jenseits, 141.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Licht des Tobits Aussage, wonach er das „Licht des Himmels“ nicht mehr sehen kann, impliHimmels ziert eine theologische Dimension (siehe 7,11; 9,6). Der Himmel kann aber auch

den Ort der göttlichen Gegenwart darstellen, wenn Gott im Himmel wohnt (5,17).129 Somit wird deutlich, dass Tobits Blindheit auch einen Zustand der Gottferne beschreibt. Dies korrespondiert der Tatsache, dass das Motiv des Lichts eine wichtige Rolle bei der Beschreibung des eschatologischen Jerusalem spielt (siehe zu 13,11.16–17).130 Da es sich bei dieser Zustandsbeschreibung um eine Aussage der Figurenstimme handelt, wird Tobit als eine Figur charakterisiert, die nicht nur physisch, sondern auch spirituell blind ist, da er die Hoffnung auf Gottes Rettung und seine Heilung aufgegeben zu haben scheint.131 Der junge Mann spricht Tobit daraufhin Trost zu und stellt ihm in Aussicht, Trost dass Gott ihn heilen wird. Stilistisch bemerkenswert ist die Rahmung dieser Aussage, durch die Wendung „Sei getrost“. Was auf den ersten Blick wie eine allgemeine Floskel klingt, erschließt sich den Adressaten der Erzählung auf einer anderen Ebene, zumal diese Worte aus dem Munde des Engels Rafaël kommen, der von Gott zur Heilung des blinden Tobit gesandt wurde und der diesen Aspekt bereits in seinem Namen trägt (3,16f.). Wieder klingt in der Erzählung ein Element der Ironie an. Der Engel fungiert so als eine Figur, die in einer Notlage auftritt und ermutigt.132 Nach dieser Begrüßungsszene eröffnet Tobit dem jungen Mann sein eigentliches Anliegen, nämlich dass er noch einen Reisebegleiter für seinen Sohn sucht (5,10f.). Wiederum betont Tobit, dass der Reisebegleiter für seine Arbeit selbstverständlich entlohnt werden solle (vgl. 5,3 und 5,7), woraufhin der junge Mann seine Reiseerfahrung nochmals unterstreicht (5,10g). Die Anrede „Bruder“ scheint sich hier zunächst ganz allgemein darauf zu beziehen, dass Tobias seinem Vater den jungen Mann als Angehörigen des Volkes Israel eingeführt hat (siehe 5,9). Tobit interessiert sich indes mehr für die familiäre Abstammung des Fremden. Noch einmal: Familie Er bittet gleich in einer doppelten Aufforderung darum, etwas über das Vaterhaus (πατριά) und den Stamm (φυλή) des künftigen Reisebegleiters zu erfahren (5,11; vgl. 5,5). Πατριά scheint ein Synonym zu γένος zu sein (vgl. 5,9).133 Der junge Mann scheint zunächst der Frage auszuweichen (5,12), und der Leser, der seine wahre Identität kennt, ahnt den Grund dieser Zurückhaltung. Tobit freilich bleibt hartnäckig und wiederholt seine Frage nach dessen Herkunft, wobei er ihn wieder mit „Bruder“ anredet. Daraufhin stellt sich der junge Mann als „Azarias, der Sohn des großen Hananias“ vor (5,13). Wenn das hebräische Äquivalent zu Azarias „JHWH hat geholfen“ bedeutet (siehe oben TA 5,13a), so ist die symbolische Dimension dieses Namens nicht zu überhören. Auch der Name des Vaters „Hananias“, dessen hebr. Äquivalent „JHWH ist / war gnädig“ darstellt, ist programmatisch.134 Wenn Azarias betont, dass er von den Brüdern Tobits ist, so 129 130 131 132

Zu diesem Theologumenon allgemein siehe EGO, Gottes himmlisches Thronen. Zum Lichtmotiv bei Tob siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. PORTIER-YOUNG, Eyes to the Blind, 19f.; HARTSOCK, Sight and Blindness, 116. NOWELL, Work, 232; Vgl. MILLER, Angelic Deceit, 503, der annehmen möchte, dass Rafaël hier erscheint, um Tobit in seinem Glauben zu prüfen. 133 RABENAU, Studien, 122f. Zum Familiensystem in Tob siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 134 MOORE, 186, siehe auch BAUCKHAM, Anna, 182.

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scheint der Begriff nun auf ein Verwandtschaftsverhältnis zu verweisen (vgl. 5,5.9f.) Dies legt ebenso die nun folgende Äußerung Tobits „Und zufällig bist du ein Bruder“ (5,14) nahe. Eine Erklärung folgt sofort: Tobit kennt sowohl Hananias, Azarias’ Vater, als auch dessen Bruder Natan, die beide als Söhne eines gewissen Semelias vorgestellt werden. Einst sind sie mit ihm nach Jerusalem gezogen, um dort Gott anzubeten. Auch diese Namen sind biblisch belegt und haben damit einen ehrwürdigen Klang (siehe hierzu TA 5,13a; TA 5,14a und 5,14b). Die Referenz auf die gemeinsamen Wallfahrten nach Jerusalem (1,6) macht es wahrscheinlich, dass „Bruder“ hier den „Stammesgenossen“ meint. Es liegt nahe, dass Semelias der Name von Azarias’ Vaterhaus ist. Zudem bestätigt Tobit dem jungen Mann eine edle und gute Abkunft (zur Verbindung von καλός und ἀγαθός siehe auch 7,7; 9,6 sowie 2 Makk 15,12). Die „Brüder“ sind nun sein Großvater Semelias, sein Vater Hananias sowie dessen Bruder (und Azarias’ Onkel) Natan.135 Der Abschnitt zeigt wieder deutlich die große Bedeutung der Familie und familiärer Strukturen in der Erzählung. Manche Arbeiten haben das Erzählelement der gemeinsamen Wallfahrt kri- Wallfahrt tisch beurteilt. Man hat Tobit einerseits der Lüge bezichtigt, da seine Aussage über die gemeinsame Wallfahrt mit Hananias und Natan im Widerspruch zu seiner Aussage stehen soll, er sei allein nach Jerusalem gewallfahrtet (1,6).136 Andererseits hat man ihm vorgeworfen, dass er völlig auf das Thema der Familie und Verwandtschaft fixiert sei und dabei das Wohlergehen seines Kindes aus den Augen verliere.137 Diese Vorwürfe sind kaum berechtigt: In Tob 1,6 war davon die Rede, dass Tobit oftmals allein nach Jerusalem gezogen sei, sodass sich beide Aussagen problemlos miteinander verbinden lassen. Die Abstammung einer Person wiederum ist nach dem antiken Denken insofern enorm bedeutsam, als das Wissen um den familiären Hintergrund eine Art Orientierungsfunktion für die Einschätzung einer Person und ihrer Vertrauenswürdigkeit beinhaltet. So ist Tobits Interesse an der Familie des künftigen Reisebegleiters implizit sehr wohl ein Hinweis darauf, wie sehr er um das Wohlergehen seines Sohnes und das Gelingen der Reise besorgt ist. Während Tobias – aus noch fehlender Erkenntnis – diese Gestalt mit ihrem menschlichen Namen Azarias anredet (6,7; 7,1.9; 9,2), spricht der allwissende Erzähler durchgängig von Rafaël (6,14.18; 7,9; 8,2f.; 9,1.5; 11,1.7; siehe auch 12,15 in der Selbstoffenbarung) bzw. vom Engel (vgl. 6,2.3.4.7; 11,14; 12,22). Noch einmal kommt die Sprache auf die Entlohnung, und Tobit bietet dem Entlohnung künftigen Reisebegleiter seines Sohnes „eine Drachme pro Tag“ (5,15). Zudem stellt er ihm die Bezahlung für den täglichen Unterhalt in Aussicht sowie noch eine Zugabe (5,16 Anfang). Eine Drachme kann sowohl ein Gewicht als auch eine griechische Münze bezeichnen. Wie auch sonst in der Septuaginta ist hier die

135 Zum Begriff „Bruder“ siehe die Einleitung mit dem Abschnitt „Wichtige Themen“. 136 Hierzu siehe MCCRACKEN, Narration and Comedy, 408. 137 MILLER, Angelic Deceit, 503–505; siehe auch EFTHIMIADIS-KEITH, Food and Death, 108; MCCRACKEN, Narration and Comedy, 413–415. Kritisch zum Vorwurf des „komischen Tribalismus“ ist COUSLAND, Comedy, 546, der auf die Bedeutung des Motivs in der Diaspora verweist.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

zweite Möglichkeit anzunehmen.138 Eine solche griechische Silbermünze wog – je nach weiterer Spezifizierung – zwischen 2,8 und 6,24 g. Der ab der spätklassischen Zeit vorherrschende attische Standard betrug 4,37 g.139 Aufgrund dieser Unschärfen ist es unmöglich, die exakte Höhe der Entlohnung des Reisebegleiters auszumachen. Dass es wohl ein großzügiges Angebot war,140 lässt sich Lk 15,8–9 entnehmen, wo der Verlust einer Drachme bzw. ihr Wiederauffinden beträchtliche Aufmerksamkeit auf sich zieht. Da die frühesten Münzprägungen für das 7. Jh. v. Chr. in Lydien belegt sind141 und die ältesten Drachmen aus dem 6./5. Jh. v. Chr. auf der Insel Ägina geprägt wurden,142 liegt an dieser Stelle ein Anachronismus vor. Leider ist der aramäische bzw. griechische Text an dieser Stelle nicht erhalten. Azarias alias Rafaël willigt ein und bringt seine Zuversicht für eine gelingende Segenswünsche Reise und eine wohlbehaltene Rückkehr zum Ausdruck (vgl. 5,20). Das Gespräch zwischen Tobit und Azarias endet mit einem Segenswunsch Tobits, in dem der Reisebegleiter als Bruder angesprochen wird (5,17a). Erst jetzt ruft der Vater seinen Sohn und fordert ihn auf, alle nötigen Reisevorbereitungen zu treffen (bei den „Dingen für den Weg“ sind wahrscheinlich auch Nahrungsmittel berücksichtigt143), um mit „seinem Bruder“ fortzuziehen (5,17b). Die wiederholte, fast monotone Verwendung des Begriffs „Bruder“ veranschaulicht die enge Zusammengehörigkeit der Figuren.144 Tobit bringt sein Vertrauen zum Ausdruck, dass „der Gott, der im Himmel ist“, sie auf dem Weg bewahren und wohlbehalten zurückbringen werde. An dieser Stelle erscheint die Gottesbezeichnung „Gott des Himmels“ (siehe auch 7,12; 8,15; vgl. „Herr des Himmels“ in 7,12.17; 10,11).145 Der Wunsch des Vaters, dass ein Engel die beiden begleiten möge, hat an dieser Stelle insofern eine tiefere Dimension, als die Leserschaft ja weiß, dass Azarias selbst dieser Engel ist und das Motiv für die Erzählung geradezu konstitutiven Charakter hat. So wird auch hier wiederum ein ironisches Moment eingespielt. Die Verabschiedungsszene schließt damit, dass Tobias seinen Vater und seine Mutter küsst und Tobit ihm nochmals seinen Reisewunsch mit auf den Weg gibt (5,17c). Die jetzt folgende Szene fügt sich in die Reihe der wenigen Dialoge zwischen 5,17b–6,1 Tobit und seiner Frau ein (siehe 2,11–14; 10,1–7a). Wieder fällt der hochemotionale Ton der Erzählung auf.146 Hanna, die über die Reise des Sohnes untröstlich ist und weint, wird weitaus emotionaler geschildert als ihr Mann. Vorwurfsvoll und klagend wendet sie sich an ihren Mann, wobei die Bezeichnung „mein Kind“ die enge Beziehung zu ihrem Sohn zum Ausdruck bringt. Die Wendung „Stab unserer Hand“ (ῥάβδος τῆς χειρὸς ἡμῶν) ist eine Metapher, die das Bild evoziert, dass der Sohn 138 139 140 141 142 143 144 145

LAU, Art. Drachme. MLASOWSKY/HITZL, Art. Drachme. DESELAERS, Buch Tobit, 111. HÜBNER, Art. Münze. LAU, Art. Drachme. JACOBS, Delicious Prose, 106, mit Verweis auf Jdt 10,5. Zum Begriff „Bruder“ siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328. Zu den Gottesbezeichnungen in Tob siehe die Einleitung mit dem Abschnitt „Figuren der Handlung“. 146 Siehe EGGER-WENZEL, Emotional Relationship, 65f.

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seinen Eltern beim Gehen behilflich ist, und man denkt – nolens volens – an deren hohes Alter. Der Ausdruck thematisiert darüber hinaus wohl auch die praktische Unterstützung, die Hanna von ihrem Sohn erwartet. Sollte Tobit vor Hanna sterben (und diese Möglichkeit scheint ja angesichts seines Todeswunsches nicht unrealistisch), wäre sie als Witwe in ganz besonderer Weise auf den Sohn angewiesen, da er sie versorgen und beschützen müsste.147 Der Weggang des Sohnes gefährdet somit die gesamte Familie und auch ihre eigene Existenz.148 Hanna richtet sich gegen eine Priorisierung finanzieller Interessen, wie sie in Tobits Entscheidung, Tobias das Geld holen zu lassen, enthalten zu sein scheint, und stellt somit das Wohlergehen ihres Sohnes und seine Sicherheit über alles andere (5,19).149 Hanna betont am Ende ihrer Klage, dass das Paar bereits jetzt über genügend finanzielle Mittel verfügt. Wenn sie davon spricht, dass ihnen ihr Lebensunterhalt vom Herrn (κύριος; vgl. zu 3,2) gegeben wurde, stellt sie die Situation in einen religiösen Horizont und bringt implizit damit auch den Vorwurf an ihren Mann zum Ausdruck, dass dieser mit den von Gott gegebenen Lebensbedingungen unzufrieden sei.150 Tobit tröstet seine Frau, die er nun zärtlich mit „Schwester“ anspricht (5,21–22; zur Bezeichnung der Ehefrau als Schwester vgl. 7,11.15; 8,4.7.21; 10,6.12 sowie Hld 4,9.10.12; 5,1.2).151 Dabei bedient er sich fast derselben Worte, die er vorher zu seinem Sohn gesprochen hat; zudem werden hier Wendungen aus der Rede des Engels (5,16) aufgenommen. Rede des Engels

Rede Tobits zu Tobias

Rede Tobits zu seiner Frau

16 (…) Fürchte dich nicht!

17 Kind, bereite die Dinge 21 Mach dir keine Gedanken. für den Weg und geh fort mit deinem Bruder, und der Gott, der im Himmel ist, bewahre euch dort

Wohlbehalten werden wir fortgehen

Wohlbehalten wird unser Kind reisen

und wohlbehalten und bringe euch wohlbewerden wir zu dir zu- halten zu mir zurück. rückkehren (…)

und wohlbehalten wird es zu uns zurückkehren. Und deine Augen werden (es) sehen an dem Tage, an welchem es wohlbehalten zu dir zurückkehrt. Mach dir keine Gedanken, fürchte dich nicht um sie, Schwester.

147 Zu dieser Metapher siehe auch MACATANGAY, Metaphors, 77–81. 148 So u. a. XERAVITS, Tobiah’s Journey, 92. Zur Bedeutung familiärer Strukturen in Tob siehe die Einleitung mit dem Abschnitt „Wichtige Themen“. 149 EFTHIMIADIS-KEITH, Food and Death, 109.111; EGGER-WENZEL, Emotional Relationship, 65; JACOBS, Seen and Heard, 79; MILLER, Marriage, 173. 150 MILLER, Marriage, 195f. 151 Für diese Bedeutungsdimension des Begriffes siehe GRELOT, Les noms de parenté, 332f.; MILLER, Marriage, 78; siehe auch MACHIELA/PERRIN, Genesis Apocryphon, 124; SCHUMPP, 123.

190 Rede des Engels

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a) Rede Tobits zu Tobias

Rede Tobits zu seiner Frau

Und sein Engel begleite 22 Denn ein guter Engel wird ihn beeuch mit (seinem) Schutz, gleiten, und sein Weg wird gelingen, Kind. und er wird wohlbehalten zurückkehren.

Der unmittelbare Vergleich der Redeelemente zeigt eine deutliche Steigerung. Während Tobit die Worte an seinen Sohn in der Form eines Reisewunsches formuliert, spricht er zu Hanna in Indikativen. Zudem wiederholt er die Aussage, dass Tobias wohlbehalten zurückkehren werde, sowie auch das Trostwort, dass sich Hanna keine Gedanken machen solle. Auch ist nun die Rede davon, dass ein „guter Engel“ die beiden begleiten werde. Textimmanent wird deutlich, dass Tobits Verzweiflung zunehmend aufzubrechen scheint: Auf der Linie von der Rede des Engels (5,16) über Tobits Ansprache an seinen Sohn (5,17) zu seiner Rede an seine Frau (5,21–22) kann so eine Steigerung im Erzählverlauf festgestellt werden. Offenbar gewinnt Tobit zunehmende Gewissheit über den positiven Ausgang der Reise seines Sohnes.152 Auch hier wieder liegt eine ironische Komponente darin, insofern Tobit von einem guten Engel spricht, der seinen Sohn begleiten wird, und sich hinter dem Reisebegleiter tatsächlich ein Engel verbirgt. Die Erzählung vom Abschied des Tobias endet damit, dass Hanna aufhört zu weinen. So scheint es Tobit also tatsächlich gelungen zu sein, seine Frau zu trösten.153 Tobit wirkt sanftmütig und hat seine Gefühle nun unter Kontrolle.154 Dazu passt auch die Anrede seiner Frau als „Schwester“. Vor diesem Hintergrund kann man in dieser Episode bereits einen Einfluss des segensreichen Wirkens des Engels sehen.155

Buchinterne Bezüge Überblick In diesem Kapitel erscheint mit Azarias zum ersten Mal die Figur des Engels in

der Menschenwelt. So wird hier die allgemeine Ankündigung der Hilfe durch den 152 Zum Vertrauen Tobits siehe NICKLAS, Weg der Gerechten, 66: „Vor allem Tobit selbst ist von unerschütterlichem Vertrauen in Gott erfüllt (Ps 91,2; Tob 5,21–22); vor diesem Hintergrund ist klar, dass Tobias auf dem Weg kein Unheil (Ps 91,10) begegnen kann, denn Gott hat seinen Engel ausgesandt, um Tobias auf seinen Wegen zu behüten (Ps 91,11; Tob 5,22).“ 153 Es gibt aber auch einzelne Stimmen, die erwägen, ob Tobit mit seinen Worten seine Frau einfach nur „ruhigstellen“ möchte; siehe BOW/NICKELSBURG, Patriarchy, 137; siehe auch die verhaltene Kritik bei MILLER, Marriage, 182, der darauf hinweist, dass Tobit Hanna zwar Trost spendet, aber kein Gespräch mit ihr führt. 154 MILLER, Marriage, 165. Zu den Unterschieden zur Szene vom Streit der Eheleute (2,11–14) siehe auch MILLER, Marriage, 195–199. 155 EFTHIMIADIS-KEITH, Food and Death, 111; siehe auch ibid.: „[…] it seemed to me that his first encounter with the angel (ch. 5) had begun to change his outlook on life: he uses the phrase ‘in good health’ six times (5,14.17.21.22) from the time that he encountered the angel to the time that Raphael and Tobias departed on their journey“.

Diachrone Analyse

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Engel (3,16f.) aufgenommen und die göttliche Sendung des Engels zur Heilung der Protagonisten beginnt sich zu konkretisieren (6–12 passim). Erst bei seinem Abschied wird der Engel dann seine Identität offenbaren (12,15). Das Kapitel enthält die zentralen und kapitelübergreifenden Motive „Abholung des Geldes“, „Blindheit“, „Ehe“, „Reise“ und „Freude“. Das Erzählelement der Entlohnung des Reisebegleiters soll erst wieder bei der Verabschiedung des Reisebegleiters erwähnt werden (12,1–5), sodass es einen Rahmen um die Erzählung von der Reise bildet.156 Bemerkenswert für das ganze Buch ist, dass χαίρω/χαρά hier in der Rede des Engels zum ersten Mal erscheint (zunächst noch in der Klage in 5,10), während die Erzählung vom Schicksal Tobits am Buchanfang durch das Fehlen jeder Freude gekennzeichnet ist. Im Folgenden soll die Begrifflichkeit dann in positiver Konnotation die Erzählung wie ein roter Faden durchziehen (beginnend beim Reisewunsch in 5,14: „Freudig mögest du ziehen“, siehe 7,1; 10,13; 11,15.16.17), um mit der Freude am eschatologischen Jerusalem (13,10.14; 14,7) und der Freude Tobias’ an seinem Lebensende über den Untergang Ninives (14,15 – der letzte Vers des Buches!) einen Abschluss zu finden (vgl. auch das Nomen χαρά in 7,17; 11,17f.; 13,10.14).157 Die Einführung des Begriffs kann so als Vorausschau künftiger Ereignisse verstanden werde – „a foreshadowing of the good things to come“.158 Die Episode des Gesprächs der Eheleute (5,18–22) steht in einem eindeutigen Gegensatz zu der Szene von deren Streit, wo Tobit seiner Frau gar nicht mehr antwortet, sondern nur noch einen Ausweg im Tod sieht (2,11–14). Hier nun bemüht er sich um seine Frau und er scheint Verständnis für sie und ihre Sorge um den gemeinsamen Sohn zu haben.159 Schließlich findet sich hier auch ein wichtiger Beitrag für die Charakterisierung der Figur des Tobias: Wenn Tobias seinem Vater direkt im Anschluss an dessen Abschiedsrede mitteilt, dass er seinen Anweisungen Folge leisten wird (5,1), präsentiert er sich als ein gehorsamer Sohn, der die Lebenslehre des Vaters bestätigt und seine Autorität mit keinem Wort infrage stellt. Damit steht sein Verhalten in einem deutlichen Gegensatz zu dem von Tobits Frau Hanna (so 2,11–14).160

Freude

Ehe

Charakterisierung des Tobias

Diachrone Analyse Bereits die alten Überlieferungen vom Mal’akh JHWH in der Genesis161 kennen die 5,4: VerborgeVorstellung, dass der Bote ganz unspektakulär in normaler Menschengestalt er- nene scheint (vgl. Gen 16,7; siehe auch Gen 18,2; 19,1; Ri 13,16 – allerdings ohne die Epiphanie entsprechende Terminologie) und dass sich seine wahre Identität erst im Nachhinein offenbart. Der Engel agiert inkognito, und auf dieser Linie lässt sich auch die 156 MACATANGAY, Ϻισθός, 580. 157 PFREMMER DE LONG, Surprised by God, 86–91. Zum Ganzen siehe auch die Einleitung mit dem Abschnitt „Wichtige Themen“. 158 MOORE, 185. 159 EGGER-WENZEL, Emotional Relationship, 65f. 160 EGO, Tobit and Tobias, 78f.; MACATANGAY, Wisdom Instructions, 144; SCHMITT, Wende, 177; siehe auch MILLER, Marriage, 123. 161 Hierzu allgemein MACH, Engelglaube, 37–51 (Lit.).

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Frage beantworten, ob Rafaël als ein „Lügner“ oder Betrüger zu bezeichnen ist. Da die Verborgenheit des Engels für das Auftreten einer solchen Gestalt konstitutiv ist, entwickelt sich dieser Erzählzug geradezu organisch aus dem Grundmotiv und sollte nicht moralisch gewertet werden.162 Die Begegnung mit dem Engel gehört zum Motivkomplex der verborgenen Epiphanie. Diese erscheint nicht nur im Kontext biblischer Engelsüberlieferungen (siehe oben), sondern spielt auch insbesondere in der griechischen Literatur und Religion eine bedeutende Rolle.163 Dabei handelt es sich um ein Motiv, das „fest zum mediterranen Erbe in der weltgeschichtlichen Situation der Vorherrschaft des römischen Imperiums gehörte.“164 Es ist eine feststehende Vorstellung im griechischen Mythos, dass ein Gott oder ein anderes Numen „zuerst unerkannt unter den Menschen präsent ist, diese Verborgenheit im Allgemeinen nicht völlig durchhalten kann, und schließlich, oft in einer triumphalen Szene – aus der Verborgenheit tritt und offenbar wird.“165 Aus den unterschiedlichen Belegen v. a. griechischer und römischer klassischer Autoren lässt sich hier ein breites Motivrepertoire feststellen, das aus folgenden Elementen besteht: – –

– –

einer Vorgeschichte (mit einer himmlischen Unterredung oder [als Variante] einem himmlischen Selbstgespräch, einer Sendung, der Schilderung des Weges in die irdische Welt und – eher selten – einer Schilderung der Verwandlung), einer „verborgene[n] Theophanie im engeren Sinn“ (verschiedene Modi der Annahme einer menschlichen Gestalt, wobei die Bekleidung in einer Beziehung zum Charakter des Numens oder seiner irdischen Manifestation stehen kann; z. T. tritt das Numen auch verschleiert auf), dem Durchbrechen der Verborgenheit und dem Offenbarungswort, dem „Schritt aus der Verborgenheit in die volle Präsenz“, sowie der Nennung der „Konsequenzen der verborgenen Erscheinung im menschlichen Bereich und Reaktionen auf diese“ (z. B. Erschrecken, Gebet, Opfer).166

Die Funktionen einer solchen verborgenen Epiphanie sind ganz unterschiedlich und können u. a. dazu dienen, menschliche Gastfreundschaft zu prüfen bzw. zu belohnen, einen erwählten Menschen zu beraten, zu mahnen, zu ermuntern, zu retten und zu heilen oder die Erde zu durchforschen, um in der Götterwelt vom 162 Hierzu bereits SCHUMPP, 115, mit einem Überblick über die frühere Forschung und den weisen Worten: „Man hat wohl nicht immer genügend bedacht, daß die hier vorliegende Schwierigkeit mehr oder weniger all den verschiedenen Gotteserscheinungen und Engelerscheinungen eigen ist, die ja doch zumeist in äußerlich sichtbarer Form erfolgten. Hierbei ist natürlich ein gewisses Doppelsein gegeben, das eigentliche Wesen und Sein und ein bloß angenommenes repräsentatives Sein, das der Engel selbst mit dem Ausdruck ὅρασις bezeichnet (12,19). Für ein solches Doppelwesen gibt es in der natürlichen Ordnung kein Analogon, und deshalb kann man auch nicht ohne weiteres die gewöhnlichen Maßstäbe für die Beurteilung zugrunde legen.“ Die Engel sind von Gott gesandt und es ist „nicht berechtigt, die Worte des Engels als Lüge oder Irreführung zu bezeichnen“; zum Ganzen siehe auch MOORE, 192. 163 Siehe FRENSCHKOWSKI, Offenbarung II, 40.61.67. 164 FRENSCHKOWSKI, Offenbarung II, 272. 165 FRENSCHKOWSKI, Offenbarung II, 1. 166 FRENSCHKOWSKI, Offenbarung II, 58–93.

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Wandel der Menschen zu berichten.167 Es kann sich dabei um „ein Stratum naivvolkstümlichen Erzählens“ handeln, das einfach ästhetische Bedürfnisse befriedigt; derartige Erzählungen können aber auch theologisch gewichtig sein, indem sie Transzendenzräume eröffnen: „Die Erzählungen vom Beistand der Engel […] wollen in einer Welt, in der nahezu nichts mehr möglich scheint, die Tür offenhalten für eine Wirklichkeit, in der alles möglich ist. Oder präziser: Im Judentum (wie auch später im Christentum) ist es die Θλῖψις im weitesten Sinne, die die Notwendigkeit verborgener Erscheinungen zu einem vorläufigen Lichtblick auf das erhoffte Eschaton werden läßt. Im paganen Hellenismus sind verborgene Epiphanien eher Korrelat eines Bildes der Welt, in dem diese nicht sein darf, was sie zu sein scheint. Wo die narrative Unschuld verloren geht, wird die verborgene Epiphanie auch außerhalb des jüd.-christl. Raumes zum Träger von Theologie im vollen Sinne des Wortes. […] Letztlich steht hinter allen aufgeführten Motiven die Sehnsucht nach dem präsenten Gott, und sei es in der Verborgenheit […]. Auch in ästhetisierter und abgesunkener, ja selbst in verspotteter und im Kaiserkult missbrauchter Form hielt der Glaube an verborgene Epiphanien eine religiöse Sehnsucht nach einer verborgenen Wirklichkeit, nach einer Transzendenz des Vorfindlichen wach, der ihre religiöse Würde nicht abzusprechen ist.“168

Somit ist in Tob das biblische Motiv des verhüllten Auftretens des Boten, das in der Überlieferung der Hebräischen Bibel nur kurz erwähnt wird, durch das Motiv der Begegnung einer Gottheit in Menschengestalt „angereichert“ worden.169 Die Aussagen zum Tod und zur Totenwelt lassen nicht auf eine Hoffnung auf 5,10: Tod und eine jenseitige Existenz schließen.170 Die Verbindung von Tod und Blindheit ist Totenwelt durch die biblische Tradition vorgegeben (Jes 59,9–10; Klgl 3,1f.6), wobei auffällig ist, dass diese Belege die Blindheit in einem kollektiven Kontext verorten. Blindheit gehört auch nach Dtn 28,29.65 zu den Strafen für das untreue Israel.171 Auf einen kollektiven Bezug der Blindheit Tobits verweist auch die Beobachtung, dass der Zustand der Blindheit in Beziehung zur Situation des Stammes Naftali gesehen werden kann: Nach Jes 8,23–9,1 kann „das Volk, das im Finstern wandelt“ und „das im Land der Dunkelheit lebt“ als Aussage über den Stamm Naftali gedeutet werden.172 Auch die Verbindung des Grabes bzw. des Todes mit der Dunkelheit ist traditionell (Ps 88,7.12f.; Hiob 10,21f.; 38,17.19). 167 FRENSCHKOWSKI, Offenbarung II, 93–111. 168 FRENSCHKOWSKI, Offenbarung II, 116–118; zum allgemeinen Hintergrund ibid., 112–118. MACDONALD, Odyssey, 20f., möchte in der Begegnung zwischen Tobias und Azarias alias Rafaël enge Beziehungen zur Telemachie feststellen, wo Athene in der Gestalt des Mentes auf Telemachos trifft und sich als helfender Reisebegleiter anbietet; vgl. Odyssee 1.170 und 174–176.180.209–211. Allgemein zu Tobit und der Odyssee siehe die Einleitung. Zu den Implikationen für die neutestamentliche Christologie siehe MUÑOA, Tobit’s Significance for Early Christology; OEMING, Verstehen und Glauben, 273–283. 169 SCHNUPP, Schutzengel, 66, spricht vom Motiv der verborgenen Epiphanie als „Gestaltungshilfe“. 170 In diesem Sinne MOORE, 185; BOCCACCINI, Wurzeln des rabbinischen Judentums, 112. Vor diesem Hintergrund hat man Tob mit Vertretern des zadokidischen Judentums in Verbindung bringen und damit sogar seine Nicht-Integration in den jüdischen Kanon begründen wollen; kritisch zu so weitreichenden Schlussfolgerungen äußert sich LITTMAN, 101. 171 BAUCKHAM, Parable, 147f. 172 Zur kollektiven Dimension der Erzählung siehe die Einleitung.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

5,17: Der Der Erzähler führt an dieser Stelle das Motiv des Schutzengels ein.173 Dieser EngelSchutzengel typus unterscheidet sich vom Botenengel dadurch, dass er nicht nur punktuell

auftritt, sondern über einen längeren Abschnitt durch seine Gegenwart heilschaffend wirkt. Dabei liegt auch ein intertextueller Bezug zu Gen 24,7.40 vor.174 So gibt Abraham in Gen 24,7 seinem Knecht Eliëser für seine Brautwerbungsreise die ermutigenden Worte auf den Weg, dass JHWH einen Engel vor ihm hersenden werde, und in Gen 24,40 redet Eliëser dann im Rückblick explizit davon, dass der Engel seine Reise hat gelingen lassen.175 Eὐοδόω erscheint in Gen 24LXX gleich sieben Mal (Gen 24,12.21.27.40.42.48.56) und bildet somit ein Leitwort innerhalb der Erzählung.176 Die Vorstellung von beschützenden Reiseengeln findet sich auch in der Jakobsgeschichte (vgl. das Gotteswort in Gen 28,15).177 Während der Botenengel in der Genesis v. a. durch sein Worthandeln agiert und den Protagonisten eine Botschaft überbringt, die ihre Existenz in ein grundlegend neues Licht zu stellen vermag und rettende Wirkung hat (Gen 16,10–13; 21,17–19; 22,12; siehe auch Gen 18,1–15 – allerdings ohne die Verwendung des Begriffs Mal’akh), erscheint der Exodus-Engel als ein Beschützer, der das Volk Israel bei seinem Zug durch die Wüste begleitet. Dabei steht der militärische Schutz im Vordergrund. Wenn der Bote sich hinter die aus Ägypten fliehenden Israeliten stellt, so fungiert er geradezu als ein „Puffer“, der den Kontakt mit dem sich annähernden Heer der Ägypter zu verhindern vermag (Ex 14,19f.). In Ex 23,20–23 kommt dem Mal’akh die Aufgabe zu, Israel „auf dem Weg zu behüten und […] an die Stätte zu bringen, die ich [d. h. Gott] bereitet habe“. Auch hier ist die militärische Konnotation deutlich, da Gott als Sprecher am Ende dieses Abschnittes sagen kann, dass sein Bote vor Israel hergehen und es zu den verschiedenen Völkern des Landes bringen werde, die Gott austilgen wolle.178 Insofern der Mal’akh in Tob nicht mehr als Schutzengel des gesamten Volkes, sondern vielmehr mit nur einer einzigen Figur auftritt, steht hier der individuelle Aspekt dieser Engelsfigur im Vordergrund.179 Von einem schützenden Boten, der Sicherheit gegenüber den Gefahren des Weges gibt, ist auch in Ps 91,11–13 die Rede, wo Gott seinen Boten den Schutz des Beters gebietet. Hier ist eindeutig die Situation des Weges einer einzelnen Person 173 Zum Schutzengel allgemein: HANNAH, Guardian Angels, 415–428. 174 Zu Tob 5 und Gen 24 vgl. u. a. VON HEIJNE, Messenger, 127; MUÑOA, Adaption of the Angel of the Lord Tradition, 229–231; LEFEBVRE, Trois textes, 117; WENIN, Matrimonio, 327f. Zur Verbindung des Buches mit Gen 24 generell siehe die Einleitung im Abschnitt „Biblische Referenzen“. 175 Es handelt sich hier um ein spätes Motiv, das bereits den Exodus-Engel voraussetzt; siehe hierzu KÖCKERT, Divine Messengers, 71f. 176 LEFEBVRE, Trois textes, 117; NOWELL, Work, 228. 177 Siehe hierzu KÖCKERT, Divine Messengers, 57f. 178 Vgl. auch Ex 33,2; allerdings steht das Motiv hier in einem anderen Kontext; der Exodus–Engel ersetzt JHWH, da dieser wegen der Sünde des Volkes nicht mit Israel ins Land ziehen will. Auf die Verbindung des Exodus-Engels mit der Angelologie bei Tob macht MUÑOA, Adaption of the Angel of the Lord Tradition, 235–237, nachdrücklich aufmerksam. Zum Exodus-Engel allgemein siehe u. a. GRÜNINGER, Engel, 117–128 (Lit.). 179 MUÑOA, Adaption of the Angel of the Lord Tradition, 242: „Drawing on the Hebrew Bible’s angel of the Lord tradition, this author imagined a deliverance like that of the Exodus, but one that takes place in a smaller, personal scale, in anticipation of a final deliverance.“

Diachrone Analyse

195

vorausgesetzt, der durch eine unwirtliche Wildnis führt und auch von wilden Tieren bedroht wird. Rafaël weist in seiner Funktion als Schutzengel und Reisebegleiter auch eine 5,17: Rafaël gewisse Nähe zum Gott Hermes auf. Dieser erscheint in der griechischen Mytholo- und Hermes gie nämlich nicht nur als Götterbote, sondern auch als Wegbegleiter und Schutzfigur. Auf die enge Verbindung zu Tob verweist Manfred OEMING: Nach Hom. Il. 24,333–338 wird Hermes entsendet, „um Priamos auf tollkühnen Wegen (vgl. 563–565) ins Lager der Hellenen zu geleiten. Durch seine Vermittlung soll Achill den Leichnam des getöteten Hektors herausgeben, damit er ehrenvoll bestattet werden kann. Der Gott Hermes (360) gibt sich als Mensch aus und tarnt sich wie Rafael mit einer fingierten Genealogie (397f.); er steht dem alten Priamos bei seinem gefahrvollen Unterfangen bei und bringt ihn auf wunderbaren Wegen aus dem feindlichen Lager heraus, bevor er wieder scheidet und zum hohen Olymp auffährt (694). Das Unterscheidungszeichen zwischen Gott und Mensch ist bei Homer, daß Hermes nicht – wie die Sterblichen – vom Schlaf erfasst wird, sondern wach bleibt (673–679).“180

Hermes’ Zeichen sind die geflügelten Schuhe, die zeigen, dass er mühelos große Distanzen überwinden kann.181 Dieses Charakteristikum passt zu dem Motiv, dass auch Rafaël den Eindruck vermittelt, er könne die anstehenden Strecken mit übermenschlicher Geschwindigkeit bewältigen (siehe 5,6). Weitere Assoziationen an diese Figur werden geweckt, insofern Hermes traditionell auch mit dem Marktplatz in Verbindung gebracht wird. Dort auf der Agora vermag er die verschiedenen Handelsaktivitäten beobachten und überwachen. Deshalb kann er auch den Titel „Agoraios“ tragen.182 Diese Gottesbezeichnung erinnert an den „Gott des Himmels“ in Gen 24,3.7; Dan 2,18f.37.44; Jona 1,9; Esr 1,2; 5,11f.; 6,9f.; Neh 1,4.5; 2,4. Sie ist für die nachexilische Zeit typisch und bringt Gottes Allmacht und räumliche Ungebundenheit zum Ausdruck. Wenn man nicht von einem allgemeinen lebensweltlichen Zusammenhang ausgehen möchte, so scheint mit dem Stab auf das idyllische Bild in Sach 8,4 angespielt zu sein, wonach auf den Plätzen Jerusalems wieder alte Männer und Frauen sitzen werden, die wegen ihres hohen Alters einen Stock in der Hand halten. Hannas Kritik an einer Überschätzung des Reichtums greift ein weisheitliches Element auf, das auch in der Weisheit Sirachs eine Rolle spielt, wenn es heißt: „Selig ist ein Reicher, der als tadellos befunden wird und nicht hinter dem Gold herläuft“ (Sir 34[31],8; nach LXX.D). Der Verfasser könnte sich mit dieser Ausdrucksweise183 von der Vorstellung destruktiver Engel in der biblischen und frühjüdischen Tradition abgrenzen (vgl. Gen 19,1–13; 2 Sam 24,16; 2 Kön 19,35; Ps 78,49 sowie die „Wächter“ in äthHen 6–16 oder Jub 10,1–14).184 180 OEMING, Verstehen und Glauben, 282. 181 Zu Hermes als Reisebegleiter und Schutz siehe ALLAN, Hermes, 56f.; BAUDY/LEY, Art. Hermes; HERTER, Hermes, 209f. (alle mit weiterführenden Belegen und Stellenangaben). 182 ALLAN, Hermes, 78. 183 Die Wendung erscheint ansonsten in der biblischen Überlieferung nur noch in 2 Makk 15,23. 184 MOORE, 190.

5,17: Herr des Himmels

5,18f.: Stab unserer Hand

5,22: Ein „guter Engel“

196

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

5,21–6,1: Jub Die Abschiedsszene hat eine Parallele in Jub 27,13–18, wo die Jakobsgeschichte 27,13–18 als ausgestaltet wird.185 Als Jakob aus Furcht vor seinem Bruder Esau zu seiner VerParallele wandtschaft nach Haran fliehen muss, grämt sich Rebekka um ihren Sohn, doch

Isaak tröstet sie:

„13 Und es geschah, nachdem sich Jakob aufgemacht hatte, nach Mesopotamien zu gehen, da wurde der Geist Rebekkas betrübt hinter ihrem Sohn her, und sie weinte. 14 Und Isaak sagte zu Rebekka: ‚Meine Schwester, weine nicht wegen Jakob, meines Sohnes! Denn in Frieden ging er, und in Frieden wird er zurückkehren. 15 Der höchste Gott wird ihn behüten vor allem Bösen und wird mit ihm sein. Denn er wird ihn nicht verlassen alle seine Tage. 16 Denn ich weiß, daß er gelingen lassen wird seine Wege, in allem, wo er geht, bis daß er zurückkehrt in Frieden zu uns und wir ihn sehen in Frieden. 17 Fürchte dich nicht seinetwegen, meine Schwester, denn rechtschaffen auf seinem Weg ist er, und vollkommen ist er, ein gläubiger Mann ist er, und er wird nicht umkommen! Weine nicht!‘ 18 Und Isaak tröstete die Rebekka wegen ihres Sohnes Jakob“ (zitiert nach BERGER, Jubiläen, 460).

Die Übereinstimmung dieser Überlieferung mit dem Abschnitt bei Tob ist offensichtlich, da hier jeweils eine Abfolge der Elemente „Trost“ (5,21//Jub 27,14), „Begründung der Ermutigung“ (5,22//Jub 27,14.15.16.17), „Versprechen des Schutzes“ (5,22//Jub 27,15) und „Beendigung des Weinens“ (6,1//Jub 27,18) vorliegt.186 Ein wesentlicher Unterschied der beiden Überlieferungen liegt darin, dass die Begleitung Jakobs durch einen Schutzengel explizit mit seiner moralischen und religiösen Integrität begründet wird (Jub 27,17).187 Wenn man von einer vormakkabäischen Entstehung der Tobiterzählung ausgeht, so hat dieser Abschnitt entweder eine ältere Quelle, die auch das Jubiläenbuch teilt, oder es muss von einer Abhängigkeit des Jubiläenbuches von Tob ausgegangen werden.

Synthese Tob 5,1–17a entfaltet die praktischen Elemente der Reise. Der Vater informiert seinen Sohn über das Prozedere, mit Hilfe dessen er sich bei Gabaël als rechtmäßiger Besitzer des Geldes ausweisen kann (5,2–3). Auf der Suche nach einem Reisebegleiter für den jungen Tobias findet sich der Engel Rafaël, der in der Gestalt eines jungen Mannes namens Azarias erscheint und daher unerkannt bleibt. In einem Gespräch stellt Tobit fest, dass Azarias aus einer guten Familie stammt und zu den 185 MACDONALD, Odyssey, 20f., möchte in der Abschiedsszene einen Bezug zur Verabschiedung des Telemachus sehen; siehe Hom. Od. 2,371–72; zum Ganzen siehe die Einleitung unter „Biblische Referenzen“. 186 Auf die Ähnlichkeit zwischen Tob und Jub verweisen u. a. FITZMYER, 199; VON HEIJNE, Messenger, 166 (Lit.); MOORE, 193–195; RABENAU, Studien, 159. 187 MOORE, 194, verweist darauf, dass der Autor des Jubiläenbuches häufig nicht-kanonisches Material in sein Werk aufgenommen hat. Ältere Arbeiten gingen von einer zeitlichen Priorität der Überlieferung im Jubiläenbuch aus; siehe die Belege bei MOORE, ibid.; RABENAU, der ein literarkritisches Modell für Tob vorgelegt hat, zählt 5,18–6,1 zur „zweiten Erweiterungsschicht“; er möchte annehmen, dass „zumindest ähnliche Verfasserkreise in einer zeitlichen Nähe für die Ähnlichkeit verantwortlich sind“ (RABENAU, Studien, 160).

Von Ninive nach Ekbatana (6,2–18)

197

Brüdern Tobits gehört, und so gibt er den beiden den Segen für die gemeinsame Reise. Auf diese Weise wird wieder die Bedeutung der Familie eingespielt. Tobit beklagt aber auch seine missliche Situation der Erblindung, die ihn davon abhält, „das Licht des Himmels“ zu schauen (5,10). Mit der Bitte um göttliche Bewahrung und die Begleitung eines Engels entlässt der Vater seinen Sohn. Insofern sich hinter Azarias tatsächlich ein Engel verbirgt, ist die Ironie dieser Passage nicht zu übersehen (5,4–17a). Tobias’ Mutter Hanna ist derweil über die Reisepläne ihres Sohnes und den nahen Abschied tieftraurig und besorgt. Tobit tröstet sie, indem er ihr Mut zuspricht, wobei er auf den Schutz des Engels verweist (5,17b–6,1). Hier zeigt sich erneut die Diskrepanz zwischen dem Wissen der Leser, wodurch das ironische Element der Erzählung deutlich zum Vorschein kommt. Gleichzeitig betont diese Stelle wieder die Selbst- und Eigenständigkeit Hannas (vgl. 2,11–14). Ihre Emotionalität wird eindrücklich geschildert, und es zeigt sich einmal mehr, dass der Erzähler den Frauenfiguren große Beachtung schenkt. Hannas und Tobits Beziehung ist nicht gerade konfliktfrei, im Gegensatz zu dem vormaligen Streit (2,11–14) scheinen die beiden aber nun doch zueinander zu finden. Die Szene von der Suche und dem Auffinden eines Reisebegleiters ist ein literarisch kunstvoll gestalteter Abschnitt, der durch zahlreiche Stichwort- und Motivbezüge eng mit der gesamten Erzählung verbunden ist und durch die traditionsgeschichtlichen Rückgriffe auf die ältere biblische Angelologie und durch Einflüsse der griechischen Mythologie eine ganz besondere Prägung erfährt. So ist das Motiv des verhüllten Auftretens des Boten, das in der biblischen Überlieferung nur kurz erwähnt wird, durch das Element der Begegnung mit einer Gottheit in Menschengestalt „angereichert“ worden. Dadurch wird die Erzählung anschaulich und entwickelt auch eine ganz eigene Spannung. Bedeutsam sind darüber hinaus die Bezüge zur Schutzengelvorstellung. Sowohl die Referenz auf Gen 24 als auch die Verbindung zum Exodus-Engel sind hier bedeutsam: Wie oben gezeigt wurde, wird durch diese Bezüge, wobei dem Verb εὐοδόω Leitwortcharakter zukommt, implizit ein Motiv eröffnet, das dann für die gesamte Reise Tobias’ bestimmend und weitaus bedeutender als die Rückholung des Geldes ist: Seine Reise dient der Brautwerbung, und Rafaël fungiert dabei als eine Art Schutzengel, der Tobias begleitet und seinen Weg gelingen lassen wird (5,22). Die Figur des ExodusEngel wird individualisiert, da der Mal’akh nun ja nicht mehr als Schutzengel des gesamten Volkes, sondern vielmehr eines einzelnen Menschen erscheint.

Von Ninive nach Ekbatana: ein bedeutsamer Fischfang und die Vorbereitung auf die Begegnung mit Sara (6,2–18) Am Tigris: ein bedeutsamer Fischfang (6,2–9) 2 aUnd der Junge zog dahin und mit ihm der Engel; auch der Hundb ging mit ihm und machte sich mit ihnen auf die Reise.a So zogen die beiden hinaus, und als die Nacht über sie hereinbrach, nahmen sie am Fluss Tigrisc ihr Nachtlager.

198

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

3 Und der Junge stieg hinab zum Fluss Tigris, um die Füße zu waschen, und ein großer Fisch sprang aus dem Wasser hoch und wollte aden Fuß des Jungena verschlingen. Und er schrie auf. 4 Und der Engel sagte zu dem Jungen: Nimm und aüberwältige den Fischa! Und der Knabe überwältigte den Fisch und brachte ihn herauf ans Land. 5 Und der Engel sagte zu ihm: Schlitze den Fisch auf und entnimm die Galle und das Herz und seine Leber und bewahre sie bei dir, die Eingeweide aber wirf weg. Die Galle und das Herz und seine Leber sind nämlich nützlich als Arzneia. 6 a Und der Junge schlitzte den Fisch auf und sammelte die Galle und das Herz und die Leber. Den Fisch aber briet er und aer aßa davon, aber er ließ auch etwas von ihm übrig, um es in Salz einzulegen. b Und die beiden zogen gemeinsam weiter, bis sie sich Medien näherten. 7 Und da fragte der Junge den Engel und sagte zu ihm: Bruder Azarias, was ist die Arzneia im Herzen und in der Leber des Fisches und in der Galle? 8 Und er sagte zu ihm: Das Herz und die Leber des Fisches lass in Rauch aufgehen vor einem Mann oder einer Frau, adie mit einem Dämon oder einem bösen Geist geschlagen sinda, und es wird von ihnen jede Plage fliehen, bund sie werden von ihnen fernbleibenb in Ewigkeit. 9 Die Galle aber streiche auf die Augen eines Menschen, a die mit weißen Flecken befallen sinda; hauche gegen sie auf die weißen Flecken, und sie werden geheilt.

Das Gespräch über die Begegnung mit Sara: Heirat und Dämonenvertreibung (6,10–18) 10 Und als er nach Medien kam und sich schon Ekbatanaa näherte, 11 sagte Rafaël zu dem Jungen: Bruder Tobias! Und er sagte zu ihm: aSiehe, hier bin ich.a Und er sagte zu ihm: Wir müssen diese Nacht bbei Raguëlb einkehren. Dieser Mann ist dein Verwandter und er hat eine Tochterc mit Namen Sara, 12 und er hat weder einen amännlichen Nachkommena noch eine Tochter außer Sara allein. Und du bist ihr nächster Verwandter; [dir steht es] vor allen Menschen [zu], sie zu besitzen, und was ihrem Vater gehört, ist dir zum Erbe bestimmt. Und das Mädchen ist verständig und tüchtigb und sehr schön, und ihr Vater ist edel. 13 a Und er sagte: Dir ist es bestimmt, sie zur Frau zu nehmen. b Höre auf mich, Bruder, diese Nacht werden wir mit dem Vater über das Mädchen sprechen, dass wir sie für dich als Braut nehmen wollen. Und wenn wir aus Rages zurückkehren, wollen wir Hochzeit mit ihr halten. aUnd ich weiß, dass Raguël sie dir nicht verweigern kann oder sie einem anderen antrauen kann; er wäre bnach der Bestimmung des Buches des Mose des Todesb schuldig, weil er weiß, dass das Erbe dir zusteht, seine Tochter zu nehmen vor jedem [anderen] Menschen.a e Und nun höre mich, Bruder, wir werden diese Nacht über das Mädchen sprechen und sie mit dir verloben. f Und wenn wir aus Rages zurückkehren, werden wir sie nehmen und sie mit uns in dein Haus führen. 14 a Da antwortete Tobias und sagte zu Rafaël: Bruder Azarias, ich habe gehört, dass sie schon sieben Männern gegeben worden ist, und sie starben des Nachts ain ihrem Brautgemacha; b bals sie zu ihr eingehen wollten, da starben sieb. c Und ich habe sagen hören, dass ein Dämon sie getötet habe. 15 a aUnd nun fürchte ich mich. Denn

Von Ninive nach Ekbatana (6,2–18)

199

ihr fügt er keinen Schaden zu; aber wer sich ihr nähern will, den tötet er.a b Ich bin das einzige Kind meines Vaters – dass ich doch nicht sterbe und das Leben meines Vaters und meiner Mutter mit Schmerz über mich ins Grab hinabbringe! c Und sie haben doch keinen anderen Sohn, dass er sie begraben könnte! 16 a Und er [i. e. Rafaël] sagte zu ihm: Gedenkst du nicht der aGebote deines Vatersa, dass er dir gebot, eine Frau aus dem Haus deines Vaters zu nehmen? b Und nun höre mich, Bruder, und habe keine Sorge wegen dieses Dämons und nimm sie! Ja, ich weiß, dass sie dir diese Nacht zur Frau gegeben wird. 17 Und wenn du in das Brautgemach hineingehst, nimm von der Leber des Fisches und das Herz und lege sie auf die Glut des Räucherwerks. Der Geruch wird aufsteigen, 18 a und der Dämon wird ihn riechen und fliehen und nicht mehr bei ihr erscheinen in alle Ewigkeit. aUnd wenn du mit ihr zusammen sein willst, erhebt euch beide zuerst und betet und bittet den Herrn des Himmels, dass Gnade und Hilfe über euch komme.a Und fürchte dich nicht, denn von Ewigkeit her bist sie dir zugeteiltb, und du wirst sie retten, und sie wird mit dir ziehen. Ja, ich bin gewiss, dass du von ihr Kinder haben wirst und sie werden dir wie Brüder sein; habe keine Sorge! b Und als Tobias die Worte Rafaëls hörte und dass sie ihm eine Schwester von den Nachkommen seines Vaterhauses sei, liebte er sie sehr, und sein Herz hing an ihr.

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 6,2a–a 6,2b 6,2c 6,3a–a

6,4a–a 6,5a

6,6a–a

In GI fehlt diese Aufbruchsnotiz; vgl. VL: „Et profectus est filius illorum, et angelus cum illo, et canis secutus est eos“. Der Hund wurde in GI bereits in Tob 5,17 erwähnt; er soll dann wieder bei der Rückkehr der beiden erscheinen, siehe 11,4. Τίγρις; vgl. 4Q197 4i 6 liest ‫ ;דקלת‬vgl. hebr. ‫חדקל‬, siehe Gen 2,14 und Dan 10,4; zum Ganzen siehe FITZMYER, 204, mit weiteren Belegen. GI dramatisiert das Geschehen, da der Fisch Tobias ganz verschlingen möchte. JACOBS sieht darin einen Beleg für „scribal practice“ (Scribal Innovation, 582). GI verzichtet auf das Motiv vom Aufschreien Tobias’. Zu καταπίνω u. a. Jona 2,1LXX. Auch 4Q197 4i 6–7 enthält das Motiv des Fußes. Zu textgeschichtlichen Implikationen siehe JACOBS, Delicious Prose, 110f. Griech.: ἐγκρατὴς τοῦ ἰχθύος γενοῦ; nach LITTMAN, 108, handelt es sich um eine „awkward construction“. Während GII τὸ φάρμακον als Überbegriff für Herz, Leber und Galle des Fisches (so 6,5.7) bzw. nur für die aus Fischgalle bestehende Augensalbe (so 11,8.11) benutzt, verzichtet GI auf diese Begrifflichkeit. STUCKENBRUCK sieht darin einen Hinweis auf die ambivalente Haltung, die man im antiken Judentum magisch-medizinischem Handeln entgegengebracht hat: Die kürzere Version hat damit gleichsam einen „unschuldigeren“ Text produziert und bringt so eine gewisse Zurückhaltung im Hinblick auf den Gebrauch medizinisch-magischer Sprache zum Ausdruck (Magic, 269). Φάρμακον im Sinne von „Heilmittel“ findet sich bei Sir 38,4; der Begriff bedeutet häufig auch „Zaubermittel“ (so u. a. 2 Kön 9,22; Mi 5,11 und viele Belege in der griechischen Literatur). Auch 4Q197 4i 9 liest den Singular, wohingegen GI hier den Plural hat; in 12,19 (sowohl GI als auch GII) sagt der Engel explizit, dass er niemals wirklich gegessen oder getrunken habe, sondern dass man nur eine Erscheinung (ὅρασις) gesehen habe.

200 6,7a 6,8a–a

6,8b–b 6,9a–a 6,10a 6,11a–a 6,11b–b 6,11c 6,12a–a 6,12b 6,13a–a

6,13b–b 6,14a–a 6,14b–b

6,15a–a

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a) Auch hier verzichtet GI auf den Begriff τὸ φάρμακον; siehe zu TA 6,5a. Griech.: ἀπάντημα; wörtl.: „Begegnung“. Nach LITTMAN, 110, ist dies eine für das klassische Griechisch eher ungewöhnliche Bedeutungskonnotation (siehe unten „Diachrone Analyse“ z. St.). GI spricht davon, dass man Herz und Leber vor dem Mann oder der Frau, die von einem Dämon belästigt wird (ὀχλέω), in Rauch aufgehen lasssen soll (καπνίζω). Griech.: καὶ οὐ μὴ μείνωσιν μετ᾿ αὐτοῦ; vgl. 4Q196 13 4: „[…] ni[cht] werden sie umringen“. Griech.: ἀναβαίνω; wörtl.: „auf die weiße Flecken hinaufgegangen sind“. Bezugspunkt ist also die Netzhaut des erkrankten Auges. „Rages“ in GI ist ein Schreibfehler; es muss „Ekbatana“ heißen. Griech.: Ιδοὺ ἐγώ; für hebr. ‫ ;הנני‬vgl. u. a. Gen 22,1; 27,1.18. Griech.: Εν τοῖς Ραγουήλου. Vgl. 4Q197 4i 17: „eine schöne Tochter“; so auch Ms. 319 καλή; VL „et habet filiam speciosam nomine Sara“. Hier liegt somit wieder einer der Fälle vor, in denen Ms. 319 eine Lesart bietet, die mit dem aramäischen Text zusammengeht. Wörtl.: „einen männlichen Sohn“; die Wendung spiegelt hebr. ‫( בן זקר‬vgl. Jer 20,15; siehe auch Jos 17,2) wider und ist somit ein Hebraismus. Griech.: ἀνδρεῖος. Nach KELLERMANN, Eheschließung, 151, soll dieses Adjektiv auf „Sara als fähige Frau mit eigener Kompetenz und in Selbstkontrolliertheit hinweisen.“ GI liest hier: „[…] Denn ich weiß, dass Raguël sie keinem anderen Mann geben kann nach dem Gesetz des Mose oder er wird sich des Todes schuldig machen; denn dir steht es zu, das Erbe zu nehmen mehr als jedem (anderen) Menschen.“ Hier ist wiederum GI näher am aramäischen Text (4Q197 4ii 4–6). Als engste Entsprechung vgl. GIII: γινώσκει ὃτι ἐὰν δώσει αὐτὴν ἀνδρὶ (ἐτέρῳ); siehe HALLERMAYER, Text, 112; JACOBS, Scribal Innovations, 598. GI eliminiert die Wendung „nach der Bestimmung des Buches des Mose“ und spricht vom „Gesetz des Mose“. Auch Vg. zeigt die Tendenz, die Bedeutung der Mosetora zu marginalisieren; der Begriff erscheint lediglich in Tob 7,14 Vg. Griech.: ἐν τοῖς νυμφῶσιν; wörtl.: „in den Brautgemächern“. Der Plural impliziert wohl, dass die Hochzeitsnacht im Haus des jeweiligen Bräutigams stattfand; vgl. KELLERMANN, Eheschließung, 159. In diesem Sinne liest auch GIII. Nach der vorausgehenden lokalen Angabe „in ihren Brautgemächern“ wird der nachfolgende präzisierende Satz schon den Anfang der Kohabitation und nicht nur das Betreten des Brautgemachs meinen; vgl. 4Q197 4ii 8: [a]ls sie hineingingen (so HALLERMAYER, Text, 108); wird auch von VL bestätigt: „et mortui sunt in cubiculo nocte, ea hora qua cum illa fuerunt“; siehe KELLERMANN, Eheschließung, 159. GI z. St. liest etwas zurückhaltender: „[…] Ich habe gehört, dass das Mädchen schon sieben Männern gegeben worden ist, und dass alle (Männer) im Brautgemach umgekommen sind.“ GI liest: „[…] Denn ein Dämon liebt sie, der niemandem schadet, außer denjenigen, die sich ihr nähern […].“ Das Motiv der Liebe des Dämons fehlt in Ms. Sinaiticus, ist aber in Ms. 319 und wohl auch in zwei Qumranfragmenten belegt. So rekonstruiert FITZMYER z. St. auf der Basis von Ms. 319 (καὶ νῦν φοβοῦμαι ἀπὸ τοῦ δαιμόνιου τούτου ἐγὼ ὅτι φίλει αὐτήν) in 4Q197 4ii 9: [‫ ;]וכען ד[חל אנה ]מ[ן שׁדא די ]רחם לה‬siehe auch 4Q196 14i 4–5. VL liest: „Et nunc timeo hoc daemonium, quoniam diligit illam: et ipsam quidem non uexat, se eum qui illi adplicitus fuerit ipsum occidit.“ Vor diesem Hintergrund ist es sehr wahrscheinlich, dass die Vorstellung von der Liebe des Dämons bereits integraler Bestandteil der ältesten Textzeugnisse des Buches war; Ms. Sinaiticus spiegelt eine jüngere Stufe der Überlieferung wider. Vgl. auch GIII: „Und nun fürchte ich mich vor diesem unreinen Geist; denn er liebt […]“; zum Ganzen siehe auch HALLERMAYER, Text, 65.

Synchrone Analyse

201

6,16a–a GI spricht von den „Worten, die dir dein Vater gebot“. 6,18a–a GI formuliert: „[…] Wenn du aber zu ihr hingehen möchtest, erhebt euch beide und ruft zu dem barmherzigen Gott, und er wird euch retten und barmherzig sein […].“ GI ersetzt den „Herrn des Himmels“ durch den „barmherzigen Gott“. Insgesamt zeigt sich hier die Tendenz, die Rede vom Himmelsgott zurückzunehmen (siehe auch 7,11 und 8,15; vgl. 7,17). In diesem Abschnitt weicht Vg. ganz erheblich vom griechischen Text ab, insofern an dieser Stelle die Tradition vom dreitägigen Gebet vor der eigentlichen Hochzeitsnacht eingeführt wird; siehe hierzu 8,4.5 Vg. sowie MAIWORM-HAGEN, Tobias-Nächte. Der Umgang der Eheleute miteinander soll durch Gottesfurcht bestimmt sein. 6,18b–b Bei ἐστιν μεμερισμένη handelt es sich um eine für das LXX-Griechisch typische Bildung; zum Ganzen siehe EVANS, Periphrastic Tense Form, 114; siehe auch CONYBEARE/STOCK, Grammar, 68–71. GI verstärkt den intertextuellen Bezug zu Gen 24 noch, wenn Sara für Tobias nicht „zugeteilt“ (μεμερισμένη), sondern „bereitet“ (ἡτοιμασμένη) ist. Damit wird die Begrifflichkeit aus Gen 24,44LXX aufgenommen; siehe KELLERMANN, Eheschließung, 135.

Synchrone Analyse Gliederung und Struktur Die Erzählung knüpft unmittelbar an das vorhergehende Kapitel an. 6,2–9 6,2–6a 6,6b–9

Gliederung

Am Tigris: ein bedeutsamer Fischfang Wegnotiz; der Fischfang Wegnotiz; Azarias klärt Tobias über die Bedeutung des Fisches zur Heilung von Blindheit und zur Vertreibung von Dämonen auf

6,10–18

Gespräch zwischen Tobias und seinem Reisebegleiter über die Eheschließung mit Sara 6,10–13 Wegnotiz; Anweisung Rafaëls, dass Tobias Sara heiraten soll 6,14–15 Tobias fürchtet sich vor dem Dämon; Einwände 6,16–18 Zuspruch Rafaëls; Fazit: Tobias hängt sein Herz an Sara

Typisch für den Abschnitt, der im Zentrum der gesamten Geschichte steht, ist das Struktur des szenische Erzählen, das durch zahlreiche Dialoge bestimmt wird. Lediglich die Kapitels Episode vom Angriff des Fisches, seinem Fang und dem Ausnehmen der Innereien enthält praktische Handlungen (6,2–6a). Ansonsten wird das Kapitel durch die Wegnotizen strukturiert (6,2.6b.10). Die einzelnen Abschnitte sind eng miteinander verknüpft, insofern das Motiv der Dämonenvertreibung (6,8) im zweiten Teil in Rafaëls Zuspruch an Tobias (6,17) wieder aufgenommen wird.188 188 Ausführlich und weiterführend zu Tob 6 ist die monographische Studie BRUM TEIXEIRA, Poetics and Narrative Function (2019). Eine umfassende Rezeption dieser Arbeit würde den Umfang des hier vorliegenden Kommentars sprengen. Zur narrativen Struktur des Kapitels siehe auch SCHNUPP, Schutzengel, 69–71.

202

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Einzelexegese 6,2–9 Tobias, der Engel und der Hund machen sich nun auf die mehr als 1000 km weite

Reise von Ninive nach Rages; der weitere Verlauf der Erzählung wird zeigen, dass die Stadt Ekbatana, ca. 700 km entfernt von Ninive, eine bedeutende Station auf dem Weg ist. Reiseroute Wichtige Verbindungslinien des vorderorientalischen Straßensystems waren die 2400 km lange persische Königsstraße von Sardes in Lydien nach Susa im Reich Elam, von der Herodot berichtet (Hdt. V,52–54) sowie die „Große Khorasan-Straße“, die von Babylon über Ekbatana und Rages nach Baktrien führte und später zur Seidenstraße wurde.189 Diese imperialen Straßen mit ihren Poststationen190 ermöglichten eine schnelle Mobilisierung des Heeres und die effiziente Überbringung von Nachrichten. Sie bildeten zudem die Handelsachsen des Vorderen Orients.191 Die meisten Straßen waren nicht befestigt. Gepflasterte Straßen gab es lediglich in der Nähe der großen Städte.192

Kaspisches Meer

Urmiasee Gro

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Ninive Arbela r

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Weg durch die Berge

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Königsstraße Tigr

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Große Khorasan-Straße

Babylon Tig

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100

200 km

Ur

Die Reise Tobias’ und Azarias’. Die Wegführung wurde nach HÖGEMANN/BUSCHMANN, TAVO, B IV 23 eingetragen. Kartografie: Peter Palm.

189 190 191 192

GRAF, The Persian Royal Road System, 186. Zu den Poststationen im Perserreich siehe KOCH, Verwaltung und Wirtschaft, 309–311. KUHRT, The Ancient Near East II, 692. GRAF, The Persian Royal Road System, 173.

Synchrone Analyse

203

Der Kartenausschnitt zeigt die Reiseroute, wie sie sich nahelegt, wenn man davon ausgeht, dass die beiden sich auf den großen Handelsrouten bewegten, d. h. von Ninive über Arbela nach Süden auf der Königsstraße bis nach Mē-Turnu am Fluss Diyala, wobei die Flüsse Großer und Kleiner Zab und Diyala mit Fähren überquert wurden.193 Am Diyala trifft die Königsstraße auf die „Große Khorasan-Straße“, die über das Zagros-Gebirge nach Ekbatana führt. Die Strecke beträgt ca. 750 km. Eine kleinere Straße führte auf dem direkten Weg von Arbela nach Ekbatana. Diese Strecke war aber nicht so frequentiert wie die Königsstraße und ging durch entlegenere Gebiete und durch das Gebirge; der Weg ist um ca. 100 km kürzer als der der Königsstraße. Ab Ekbatana führt die „Große Khorasan-Straße“ dann weiter nach Rages. Tobias und sein Begleiter kommen zunächst an den Tigris, und es liegt nahe, dort erstmals Station zu machen. Für den Weg als solchen scheint der Erzähler sich nicht zu interessieren (siehe auch zu 5,4; 6,10; 9,5.6 und 11,1). Wichtig ist aber das „liminale setting“ der folgenden Ereignisse; die Szene spielt in „a wild and dark location that is neither his home (Niniveh) nor his destination (Ecbatana)“.194 Die Ortsangabe „Tigris“ stellt die Ausleger insofern vor ein Problem, als sie sich nur schwerlich mit dem Straßensystem der Neuassyrer bzw. der Perser in Beziehung setzen lässt.195 Beide Routen führen zuerst auf dem gleichen Weg nach Osten über Arbela und damit sicherlich nicht direkt am Tigris entlang. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass eine Verwechslung des Tigris mit dem Fluss Zab vorliegt, den man für den Weg von Ninive nach Ekbatana tatsächlich überqueren muss, und dass der Autor schlichtweg über mangelnde geographische Kenntnisse verfügte.196 Während sich Tobias am Fluss die Füße wäscht, springt ihn ein aggressiver Fisch an, der diese verschlingen möchte.197 Der Erzähler verweist zwar auf die Größe des Fisches, gibt aber keine Hinweise darauf, an welche Art von Fisch man hier denken könnte. Man hat vorgeschlagen, dass es sich um einen kuppû-Fisch handeln könnte, der entweder dem Aal oder aber einem anderen großen Raubfisch von schlanker Gestalt entspricht.198 Rainer M. BOEHMER, der davon ausgeht, dass es sich bei dem Fluss tatsächlich um den Tigris handelt, identifizierte den Fisch in einer sehr gelehrten und materialreichen Studie mit einem Hai: „Haie kamen […] nicht im Euphrat, wohl aber im Tigris wie auch im Karun vor. Nur ein einziger Hai wandert hoch in Süßwasserströmen und -seen hinauf. Es ist der Stier- oder Bullhai (Carcharhinus leucas). Da es im Tigris keine Flussfische gibt, die Menschen angreifen, kann nur dieser gemeint sein, der den jungen Tobias eine Tagesreise

193 194 195 196

GRAF, The Persian Royal Road System, 179. JACOBS, Delicious Prose, 116. ASTOUR, Overland Trade Routes, 1416f. So schon 1853 FRITZSCHE, 51f.; MOORE, 198. In der Literatur findet sich gelegentlich fälschlich der Hinweis auf Hdt. V.52, wonach der Tigris mit dem Zab identifiziert werden kann. 197 Vgl. XERAVITS, Tobiah’s Journey, 88, der hier hinter der Waschung das Motiv der Reinheit sehen möchte und dies in Bezug zum Schicksal Tobits setzt. Während der alte Tobit bei der Befolgung der Reinheitsriten erblindet, sei Tobias weitaus erfolgreicher, da er letztlich durch den Fischfang von der gesamten Aktion profitiert habe. 198 VON SODEN, Fischgalle, 81f.

6,2–6a

Tigris

Ein besonderer Fisch

204

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

südlich von Ninive attackiert.“199 Andere Ausleger wiederum argumentieren praktisch: Da Tobias später den Fisch verspeist, kann es sich nur um einen großen Lachs gehandelt haben.200 Exegeten, die den Ursprung der Erzählung in Ägypten sehen wollen, denken an ein Krokodil oder ein Nilpferd.201 Fische gehören in jedem Fall zu den Nahrungsmitteln in der Alten Welt. Aufgrund der Aggressivität des Fisches kann er auch als ein Chaoswesen angesehen werden.202 Die kurze Notiz, wonach Tobias bei diesem Angriff geschrien habe, zeigt jedenfalls die Dramatik der Situation: Tobias scheint sich in größter Gefahr zu befinden. Vor diesem Hintergrund hat man häufig auf die Symbolik des Fisches als eines Chaoswesens verwiesen.203 So wird deutlich, dass die Fremde ein Land voller Gefahren ist.204 Umso überraschender ist der Fortgang der Erzählung: Der Engel weist Tobias mit wenigen Worten an, den Fisch zu ergreifen, und Tobias kommt, ebenso schlicht, dieser Anordnung nach (6,4). Die Erzählung enttäuscht somit hier die zuvor aufgebaute Erwartungshaltung nach einem spannenden Fortgang der Episode, die nach dem dramatischen Schrei eine kämpferische Auseinandersetzung zwischen Tobias und dem Fisch nahelegt. Da es äußert schwierig ist, einen Fisch mit bloßen Händen zu fangen, wirkt die Szene völlig unrealistisch. So entsteht der Eindruck, dass die bloße Gegenwart des Engels zur Rettung Tobias’ genügt.205 Daraufhin befiehlt der Engel, dass Tobias den Fisch ausnehmen soll, da die Innereien Galle, Herz und Leber als Arznei (φάρμακον) nützlich sind. Tobias kommt den Anweisungen seines Reisebegleiters sofort nach (6,5–6). Die Aussage über die aus dem Fisch gewonnene Arznei steht zunächst kommentarlos im Raum und soll erst beim Fortgang der Reise thematisiert werden (6,7–9). An dieser Stelle deutet es sich bereits an, dass der Engel ein heilkundlicher Ratgeber und Offenbarer medizinischen Wissens ist (siehe zu 6,8–9). Mit τὸ φάρμακον wird eine Begrifflichkeit aufgenommen, die bereits in Verbindung mit der defizitären Therapie der Ärzte verwendet wurde (2,10). Damit stellt das Heilungswissen des Engels ein positives Gegenstück zu der vermeintlichen Kunst der Ärzte dar.206 199 BOEHMER, Hassek Höyük, 37. Zu Fischen, die den Tigris hinaufwandern, siehe auch COAD, Fishes of the Tigris-Euphrates Basin. 200 LITTMAN, 108. 201 MOORE, 199, mit Hinweisen auf die ältere Literatur; siehe auch LITTMAN, 108. Ausführlich zum Fisch ist JACOBS, Delicious Prose, 112–115. 202 JACOBS, Delicious Prose, 112–120; zu diesem Abschnitt siehe auch KIEL, Inner-biblical Exegesis, 307–309. Weiterführend zur Symbolik des Fisches in mesopotamischen Quellen ATTIA, Disease and Healing, 53f. 203 Vgl. COUSLAND, Comedy, 547–549, der hier auch wiederum einen Beleg für die „verkehrte Welt“ sehen möchte, da nicht die Menschen über die Tiere herrschen, sondern zunächst das umgekehrte Verhältnis vorzuliegen scheint. Zum Chaoselement siehe auch FREY-ANTHES, Unheilsmächte, 290; MOORE, 199; NOWELL, Book, 985; XERAVITS, Tobiah’s Journey, 88 (sieht Tobias’ Reise als eine Art rite de passage, der ihn auf seine eigentliche Aufgabe, die Vertreibung des Dämons, vorbereiten soll). Vgl. dagegen PORTIER-YOUNG, Alleviation, 53, die hier ein ironisches Moment entdecken möchte; so auch MCCRACKEN, Narration and Comedy, 412. 204 XERAVITS, Tobiah’s Journey, 87f. 205 NOWELL, Work, 234, betont, dass der Engel sowohl anwesend als auch abwesend erscheint, da er nicht handelnd eingreift. 206 Hierzu STUCKENBRUCK, Magic, 268; zum Ganzen siehe die Einleitung unter „Wichtige Themen“ und „Textgeschichtliche Aspekte“.

Synchrone Analyse

205

Die Begegnung mit dem Fisch, ursprünglich ein Gefährdungsmotiv, wird so ins Positive transformiert, und der Fisch kann als ein Geschenk des Tigris charakterisiert werden.207 Die Episode endet damit, dass Tobias die Reste des Fisches brät und verspeist.208 Der Fisch, der Tobias fressen wollte, wird nun selbst zur Nahrung!209 Einen weiteren Teil konserviert er mit Salz, sodass er diesen als Wegzehrung mitnehmen kann (vgl. Hiob 6,6) (6,6a).210 Die Reise nimmt ihren Fortgang, und die beiden nähern sich Medien. Eine 6,6b–9 konkrete Zeitangabe erfolgt im Kontext dieser Wegnotiz nicht. Stattdessen nimmt Tobias die Aussage seines Reisebegleiters auf und fragt nach der Arznei, die aus dem Fisch zu gewinnen ist. Die Antwort des Engels ist eindeutig: Herz und Leber können als Räuchermittel zur nachhaltigen Vertreibung von Dämonen und bösen Geistern eingesetzt werden. Die Galle wiederum dient als Augensalbe zur Heilung bei weißen Flecken. Tobias und der Reisebegleiter reden sich jeweils als Bruder an (siehe auch 6,11.13f.).211 Angesichts der Erblindung des alten Tobit ist die Leserschaft zumindest darüber überrascht, dass Tobias auf die Aussage von der Fischgalle als Heilmittel bei Blindheit gar nicht reagiert. Von einer gewissen Ironie ist auch das Motiv der Dämonenvertreibung, bei dem der Leser mit seinem Wissen einen eindeutigen Vorsprung vor Tobias hat, der noch gar nicht ahnt, wie bald er schon von dem Thema einer Dämonengefahr und -vertreibung direkt betroffen sein wird. Die Episode von der Bedrohung durch den Fisch und Tobias’ Rettung lässt sich schließlich als Bestätigung der Worte Tobits über die Begleitung des guten Engels lesen (5,17.22), sodass hier implizit das Motiv des Schutzengels anklingt. Der folgende Abschnitt besteht im Wesentlichen aus einem längeren Gespräch 6,10–18 zwischen Tobias und seinem Reisebegleiter, das die Brautwerbung Saras zum Gegenstand hat. Das Gespräch beginnt mit einer Rede Rafaëls (6,11–13), fährt mit einer Gegenrede Tobias’ fort und schließt mit einer Entgegnung Rafaëls, die Tobias’ Einwand entkräftet (6,16–18a). Die Erzählerstimme ist nur am Anfang des Abschnittes sowie am Schluss zu hören: V. 10 enthält eine knappe Wegnotiz, und V. 18b fasst das Ergebnis der Rede Rafaëls zusammen und benennt zudem Tobias’ Liebe als Konsequenz daraus. Somit weist der Abschnitt eine Ringstruktur auf, die Tobias Zögern und seine Furcht in den Mittelpunkt stellt. Ohne Rekurs auf den weiteren Weg der beiden (siehe auch 5,4; 6,2; 9,5.6 und 6,10–13 11,1) spielt diese Szene nun schon in der Nähe der Stadt Ekbatana; Azarias scheint jetzt gänzlich die Führung zu übernehmen und gibt klare Handlungsanweisungen. Sie werden die Nacht bei Raguël verbringen, dessen Tochter Sara Tobias zur Frau bestimmt ist. Dabei wird Sara als ideale Frau dargestellt: „verständig“, „tüchtig“ und „sehr schön“. Nachdem Azarias nochmals betont hat, dass es Tobias zusteht, Sara zu ehelichen, wendet er sich der praktischen Seite dieser Eheschließung zu: Er will mit 207 208 209 210

URBROCK, Angels, Bird-Droppings and Fish Liver, 135. JACOBS, Delicious Prose, 120f. Vgl. XERAVITS, Tobiah’s Journey, 88. Zum Motiv des Salzens siehe JACOBS, Delicious Prose, 121f., die den Vorgang des Salzens als „last step in ordering the chaos“ beschreibt. 211 Zum Begriff „Bruder“ siehe die Einleitung unter „Wichtige Themen“.

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dem Vater über das Mädchen sprechen, und die Hochzeit soll nach der Rückkehr aus Rages stattfinden (6,13). Ulrich KELLERMANN hat darauf aufmerksam gemacht, dass Azarias in diesem Abschnitt als „Schaddach oder Schadchan, d. h. als Heiratsvermittler“ fungiert: „Azarja kennt als Vermittler nach Tob 6,11–13 die Familienverhältnisse der Braut genau und preist Tobias gegenüber ihre Vorzüge [an], vor allem ihre Schönheit […]“.212 Rafaël versäumt nicht zu erwähnen, dass die Eheschließung mit Sara „nach der Bestimmung des Buches Mose“ (κατὰ τὴν κρίσιν τῆς βίβλου Μωυσέως) erfolgt. Damit wird der Engel nun auch zum Toralehrer (6,13). Die Antwort des jungen Tobias fällt nicht gerade enthusiastisch aus. Er hat die 6,14–15 Geschichte von dem Dämon und den sieben Bräutigamen gehört; seine Darstellung enthält ein kleines und pikantes Detail zum Tod der Männer der Sara, wenn er weiß, dass die Männer jeweils starben, als sie zu Sara eingehen wollten – ein Hinweis darauf, dass „das Sterben der Männer sozusagen bei einem Coitus morte interruptus erfolgte.“213 Tobias erklärt das Verhalten des Dämons mit dessen Liebe zu Sara (siehe TA 6,15a–a). Diese Liebe des Dämons erweist sich in ihrer Wirkung allerdings pervertiert, da er mit seiner Liebe tötet und seiner Geliebten Schaden bringt.214 Insofern der Tod der sieben Männer letztlich die Voraussetzung dafür bildet, dass Tobias Sara ehelichen kann, könnte man vermuten, dass der Dämon eine Art Schutzfunktion gegenüber Sara wahrnimmt, da er sie für Tobias als den „richtigen“ Mann bewahrt.215 Allerdings ist im Erzählganzen davon auszugehen, dass die Opfer des Dämons aus Saras Verwandtschaft stammten (siehe hierzu die Argumentation Saras in 3,15; siehe auch die Worte des Vaters in 7,11). Zudem würde auch das Motiv der Dämonenvertreibung durch Tobias obsolet, wenn der Dämon gar nicht als dessen Gegenspieler zu verstehen wäre. Wenn Asmodäus aber potentielle Ehemänner angegriffen hat, die mit Sara verwandt sind, gefährdet er das Prinzip der Endogamie und wird so zum Feind der Tora und des Fortbestandes des Volkes.216 Aber weniger die Furcht vor dem Tod durch den Dämon hält Tobias von einer Heirat mit Sara ab als vielmehr die Sorge um das Wohlergehen des Vaters, der durch den Verlust des Sohnes in geradezu tödliche Trübsal gestürzt würde. Tobias denkt also an erster Stelle gar nicht an sein eigenes Leben, sondern an die Konsequenzen seines Handelns für das Leben der Eltern. Außerdem macht er sich Sorgen, dass er im Falle seines Todes seine Eltern nicht mehr begraben könne. Rafaël alias Azarias nimmt Tobias’ Argumentation auf, indem er geschickt auf 6,16–18 ein anderes Gebot seines Vaters verweist, nämlich das der Endogamie (6,16a). Der Spannungsbogen, der mit Tobias’ Einwand im vorigen Vers eröffnet wurde, wird so gleich wieder abgebaut.217 Rafaël versucht zunächst, den verängstigten Tobias zu beruhigen und betont, dass Sara ihm noch in derselben Nacht zur Frau gegeben wird (6,16b). Mit diesem 212 213 214 215

KELLERMANN, Eheschließung, 169. KELLERMANN, Eheschließung, 159. FREY-ANTHES, Unheilsmächte, 286. In diesem Sinne argumentiert FRÖHLICH, Demon, 30f., wobei sie griech. φιλέω als Übersetzung von hebr. ‫אהב‬, vor dem Hintergrund von 2 Chr 26,10 im Sinne von „sich sorgen um“ verstehen möchte. 216 EGO, Denn er liebt sie, 315. 217 Zu diesem narrativen Moment siehe SCHELLENBERG, Suspense, 318.

Synchrone Analyse

207

Wissen durchbricht Tobias’ Begleiter seine menschliche Rolle218 – was Tobias aber nicht aufzufallen scheint. Außerdem gibt Rafaël nun konkrete Anweisungen, wie Tobias mit dem Dämon umzugehen hat. Herz und Leber des Fisches sollen als Räucherwerk zu seiner Vertreibung dienen. Zudem soll Tobias vor der Zusammenkunft mit Sara ein Gebet sprechen, zu dem sich beide erheben sollen. Das Stehen war eine übliche Gebetshaltung.219 An dieser Stelle erscheint die Gottesbezeichnung „Herr des Himmels“, die auch in 7,11.17; 10,11 belegt ist (vgl. „Gott des Himmels“ u. ä. in 5,17; 7,12; 8,15).220 Rafaël bekräftigt seine Worte, in dem er noch einmal betont, dass Sara von Ewigkeit her für Tobias bestimmt ist („ἐστιν μεμερισμένη πρὸ τοῦ αἰῶνος“) und sie beide Kinder haben werden. Der Engel schließt, indem er Tobias – wie bereits am Anfang seiner Rede – ermutigt, sich keine Sorgen zu machen.221 Deutlich wird zudem, dass Tobias auch in der äußersten Fremde unter Gottes Schutz steht (6,17–18a).222 Rafaëls Worte verfehlen ihre Wirkung nicht, ja, sie scheinen Wunder zu wirken: Tobias beginnt bereits jetzt, sein Herz an seine künftige Frau zu hängen – ohne sie jemals gesehen zu haben (6,18b).223

Buchinterne Bezüge Das Kapitel enthält die Motive „Reise“, „Blindheit“, „Heilung“, „Dämonenvertreibung“, „Endogamie“, „Brautwerbung“ und „Bestattung“.224 Wenn Azarias Tobias eröffnet, dass sie die Nacht bei seinem Verwandten Raguël verbringen werden, der eine Tochter namens Sara hat (6,11), werden die Geschichten der beiden Protagonisten Tobit und Sara nun auch auf der irdischen Handlungsebene miteinander verknüpft (vgl. 3,16). Nun erfährt Tobias aus dem Munde seines Reisebegleiters, was der Leser bereits aus Saras Gebet (3,15) sowie aus der Notiz des Erzählers von der Entsendung des Engels (3,17) weiß: Es ist das Recht (und die Pflicht) Tobias’, Sara zu heiraten (explizit in 6,13a – δικαιόω), da er ihr nächster Verwandter ist. Weil in den Hinweisen auf die medizinische Wirkung der Fischinnereien bei Blindheit und Dämonenbefall (6,8f.) sowohl Tobits Erblindung (2,10) als auch die Besessenheit Saras (3,8) anklingen, beginnt die Leserschaft zu ahnen, auf welche 218 Vgl. SCHNUPP, Schutzengel, 70. 219 Siehe hierzu allgemein HEILER, Gebet, 100, nach dem das Stehen die „gewöhnlichste Körperhaltung beim Gebet“ ist. 220 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328; siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 221 Vgl. KELLERMANN, Eheschließung, 169: „Als unerkannter Engel vermittelt Azarja dem Tobias die Gewissheit des Erfolgs der Werbung und beruft sich dabei auf die Vorherbestimmung Gottes (Tob 6,16.18).“ 222 XERAVITS, Tobiah’s Journey, 89. 223 Vgl. BRUM TEIXEIRA, Poetics and Narrative Function, 287, der betont, dass das Kapitel den Reifungsprozess Tobias’ widerspiegele; siehe auch ibid., 259f. 224 Siehe hierzu jeweils die Ausführungen in der Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“.

Überblick Verbindung der Erzählstränge

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Art und Weise die Mission Rafaëls (3,16f.) sich erfüllen könnte.225 Darin, dass Tobias an dieser Stelle keinerlei Reaktion zeigt, liegt wiederum ein ironisches Moment.

Diachrone Analyse 6,2: Hund Hunde erscheinen in der biblischen Welt in der Regel nicht als Haustiere, sondern

sind pejorativ konnotiert.226 Die Frage nach der Bedeutung des Hundes hat deshalb die Tobitforschung seit ihren Anfängen beschäftigt.227 Es kann vermutet werden, dass der Hund hier erscheint, da er traditionell mit Heilkulten wie dem Gula- oder dem Asklepios-Kult in Verbindung stand. So plausibel eine solche Annahme auch sein mag, ist sie jedoch nicht zu beweisen. Vielleicht ist der Hund tatsächlich nichts anderes als das, was jeder unbefangene Leser hinter ihm vermuten würde: ein treues Haustier, das sich mit Tobias und Rafaël auf die weite Reise macht! Naomi JACOBS, die wiederum auf den Kommentar von MOORE rekurriert, hat die unterschiedlichen Lösungsvorschläge zusammengestellt. 1. Es handelt sich um einen Abschreibfehler, bei dem ‫„ – הלב‬Herz“ zu ‫„ – כלב‬Hund“ verlesen wurde.228 2. Der Hund geht auf den Achikarstoff zurück, in dem der Hund in einzelnen Sprichworten erscheint (so syrAch 2,35.38 [A] mit Parallelen in der armenischen, äthiopischen und griechischen Überlieferung).229 3. Der Hund lässt sich durch den Einfluss der Odyssee auf die Erzählung erklären (vgl. u. a. Hom. Od. 16.10–14).230 4. Das Motiv leitet sich ganz generell aus dem hellenistischen Kultureinfluss ab, ohne dass man eine konkrete Quelle angeben könnte.231 5. Der Hund entstammt der iranischen Kultur, in der Hunde generell geschätzt waren und auch im Kontext von Exorzismen gebraucht wurden.232

225 Vgl. BRUM TEIXEIRA, Poetics and Narrative Function, 286, wonach Tob 6 eine Prolepse des „main narrative programme“ der Erzählung darstellt. Der Autor bestimmt eine weitere Funktion des Kapitels als „inventory of Tobit’s main teachings“, das zeigt, nach welchen Werten ein junger Israelit in der Diaspora leben soll; siehe ibid., 285f. 226 Vgl. z. B. 1 Kön 21,19; 22,38; Jes 56,11; Ps 59,7; zum Ganzen siehe MAIBERGER, Art. Hund, 203; RIEDE, Art. Hund, 593f. 227 Vgl. allerdings die Argumentation bei MILLER, Attitudes towards Dogs, 498–500: Das negative Bild des Hundes entspreche einer verzerrten Darstellung; wie Hiob 30,1 zeige, könnten Hunde auch die Funktion eines Wachhundes übernehmen, sodass prinzipiell zwischen wilden Hunden und Haushunden zu unterscheiden sei. Der Verweis auf die „positiven“ Hundebelege in der alttestamentlichen Überlieferung erscheint dabei aufgrund der insgesamt doch schmalen Quellenlage (bei der wiederum gerade die Tobitüberlieferung eine tragende Bedeutung einnimmt), nicht belastbar, so auch kritisch JACOBS, Tobit’s Mysterious Canine, 224; zum Hund siehe auch MACATANGAY, Divine Providence and the Dog. 228 So ABRAHAMS, Tobit’s Dog, 288; bereits 1888/89 erschienen. 229 Hierzu MOORE, 197 (Lit.). 230 MACDONALD, Odyssey, 35f.; ferner NICKELSBURG, Odyssey, 42–45; siehe auch MOORE, 198 (Lit.). 231 Hierzu MOORE, 197 (Lit.). 232 So bereits HAUPT, Asmodeus, 176; siehe auch MOORE, 198 (Lit.); MOULTON, Iranian Background, 258; WINSTON, Iranian Component, 194 (mit weiterführenden Quellenangaben). Zur Rolle des Hundes in der iranischen Vorstellungwelt (sowohl prä-islamisch als auch im Islam) DIGARD, Art. Dog.

Diachrone Analyse

209

6. Der Hund steht im Zusammenhang mit der babylonischen Heilgöttin Gula bzw. dem Gott Asklepios, die beide einen Hund als Symboltier haben.233 7. Die Erwähnung des Hundes ist auf der Basis des allgemein verbreiteten Folkloremotivs vom Hund als Helfer beim Kampf gegen einen Drachen zu verstehen.234 JACOBS hat diese Positionen einer detaillierten Untersuchung unterzogen und sie sorgfältig gegeneinander abgewogen, wobei sie auch methodologische Probleme thematisiert und schließlich feststellen muss, dass die Bezüge zur Heilgöttin Gula sowie zu persischen Exorzismen zwar interessant sind, aber letztlich keine eindeutige Zuordnung erreicht werden kann. JACOBS betont, dass es gerade das Charakteristikum der Erzählung sei, dass dieses Motiv so unspezifisch dargestellt wird; es ist ein „muted aspect“ der Geschichte, der sich mit der relativ blass wirkenden Beschreibung des Dämons und seiner Vertreibung vergleichen lässt.235 JACOBS ist zuzustimmen, wenn sie davor warnt, parallele Motive in unterschiedlichen Kulturen vorschnell direkt miteinander in Verbindung zu bringen. Ob einzelne Motive traditionsgeschichtlich interkulturell aufeinander bezogen werden können, hängt sowohl von deren Kontextualisierung als auch von der Plausibilität eines Kulturkontaktes ab. Vor diesem Hintergrund ist die Option, den Hund mit der Heilgottheit Gula236 in Verbindung zu bringen, noch einmal nachdrücklich in ihrer Plausibilität zu unterstreichen. Hierbei sind insbesondere die Hinweise auf den altorientalischen Hintergrund des griechischen Asklepios-Kultes im Gula-Kult237 zu nennen. Wenn der Hund des Asklepios eine traditionsgeschichtliche Verbindung zum Kult der Gula und deren Symboltier hat, so belegt dies nicht nur, dass eine Verbindung einer Heilgottheit mit dem Hund nicht auf den babylonischen Kult der Gula beschränkt war (der sich für die Zeit der Entstehung der Erzählung so direkt auch nicht belegen lässt), sondern auch, dass mit einer relativ weiten Verbreitung dieser Motivik zu rechnen ist. Günter LORENZ zieht eine Verbindungslinie zur semitischen Gottheit Rešep mit ihrem Symboltier Hund und meint, dass sich „unübersehbar eine Brücke von Rešep/Mukol zu Apollon und von diesem zu seinem griechischen Kultgenossen beziehungsweise Kultnachfolger, also zu Asklepios und seinen Hunden ab[zeichnet]!“238 Darüber hinaus kann er in der Zusammenfassung seiner Studie zu Asklepios feststellen, dass es „im Alten Orient 233 DESELAERS, Buch Tobit, 114, Anm. 135; siehe auch MOORE, 197 (Lit.); zu Asklepios LORENZ, Asklepios (siehe unten). 234 So ZIMMERMANN, 79; eine Auflistung der einzelnen Argumente findet sich bei JACOBS, Tobit’s Mysterious Canine, 227. Siehe auch SCHATTNER-RIESER, Le chien, 298, die den Hund als „une sorte d’amulette vivante garantissant la protection de Tobit“ verstehen möchte und darauf verweist, dass bei Exorzismen gegen die Dämonin Lamashtu der Hund (sowie auch das Schwein) eine wichtige Rolle spielen kann. 235 JACOBS, Tobit’s Mysterious Canine, 228–244; insbesondere zur Bedeutung von Gula und Asklepios ibid., 241. 236 Zum Gula-Kult allgemein AVALOS, Illness and Health Care, 99–231; BÖCK, Healing Goddess Gula; LORENZ, Asklepios, 30–36. 237 Zur Ausstrahlung des Gula-Kultes in die hellenistische Welt siehe AVALOS, Illness and Health Care, 112–114.202–216; LORENZ, Asklepios, 39; DERS., Tiere, 206–212. Die Verbindung zwischen Asklepios und dem Hund als seinem Symboltier ist erstmals in Epidaurus im 4. Jh. v. Chr. belegt und gelangte von dort aus nach Piräus und Athen; siehe hierzu LORENZ, Asklepios, 31. LORENZ schlägt vor, in dem Namen Asklepios eine gräzisierte Form des akkadischen asû(m) „Arzt“ und kalbu(m) „Hund“ zu sehen, sodass der Name wörtlich „der Heiler mit dem Hund“ bedeutet (Asklepios, 46–48). Weitere Hinweise zur Verbindung zwischen dem Gula-Kult und Griechenland siehe BURKERT, Die orientalisierende Epoche, 75–77. 238 LORENZ, Asklepios, 40.

210

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a) vom dritten bis ins erste vorchristliche Jahrtausend Kultstätten für Seuchen- und Heilgötter, an denen Hunde gehalten wurden“,239 gab.

6,3–4: Angriff Manche Ausleger wollen in der Fischszene auch Bezüge zur Aqeda,240 zum Exdurch den odus241 sowie zur Hioberzählung242 sehen. Schließlich kann die Episode mit dem Fisch Fisch ganz allgemein als Veranschaulichung des Wortes vom Schutz des Engels

aus Ps 91,11 verstanden werden.243

Allein die bloße Gegenwart des Engels und seine Handlungsanweisung schei6,4: Rettung durch den nen in dieser Notsituation die Rettung in großer Gefahr zu ermöglichen. Ähnliches Engel findet sich auch in anderen antikjüdischen Erzählungen, so in der Überlieferung

6,8–9: Galle, Herz und Leber als Heilmittel

6,8: Vom Dämon „geschlagen“

von den drei Männern im Feuerofen in Dan 3,1–30: Nachdem der babylonische König Nebukadnezzar Daniel und seine Freunde gefesselt in einen Feuerofen hat werfen lassen, blickt er in diesen hinein und muss erstaunt feststellen, dass dort nicht drei Männer in Fesseln liegen, sondern vielmehr vier Männer frei umhergehen, ohne Schaden zu nehmen, wobei der vierte „wie ein Göttersohn“ (‫דמה לבר‬ ‫ )־אלהין‬aussieht (Dan 3,25 [3,92LXX]). Nebukadnezzar selbst interpretiert das Geschehen so, dass der Gott jener drei Männer „seinen Engel gesandt und seine Diener errettet“ habe (Dan 3,28 [3,95LXX]). Interessant ist in diesem Kontext die Semantik des Lexems ‫שׁיזיב‬. Dieses aramäische Lehnwort aus dem Akkadischen, das nur im Danielbuch erscheint, „bedeutet eine durch Gott bewirkte wunderhafte Rettung, wo Leben bedroht war“.244 Sowohl in der babylonischen als auch in der griechischen medizinischen Literatur gibt es zahlreiche Belege für die therapeutische Verwendung von Fischen bzw. einzelnen Fischteilen. Wenn sich auch keine direkten Parallelen finden lassen, so spielt insbesondere im Kontext der Augenheilkunde der Einsatz von Fischgalle, aber auch der Galle anderer Tiere, eine wichtige Rolle.245 Die Verwendung von Fischherzen und Fischleber für Räucherrituale lässt sich bislang jedoch nicht nachweisen (zum Einzelnen siehe zu 8,2–3 sowie zu 11,8.11–13). Wie 1 Kön 5,18 und Koh 9,11 zeigen, rekurriert der Begriff auf hebr. ‫( פגע‬siehe auch 4Q197 4i 13). 11QPsa 27,9f. überschreibt die Aufzählung der „Lieder Davids“ (darunter auch Ps 91) mit den Worten: „Und Lied(er) zum Spielen über den ‫פגועים‬,

239 LORENZ, Asklepios, 42. Weiterführend ist LORENZ, Tiere, 265–269 (mit Verweis auf die Belege von Hundebestattungen im südbabylonischen Isin sowie in Aschdod und Aschkalon). Interessant ist auch der Hinweis bei ALLAN, Hermes, 75, wonach der Hund auch mit der Gottheit Hermes in Verbindung gebracht werden kann. 240 So NOVICK, Biblicized Narrative; siehe auch ANDERSON, Fear, 130f. Die Bezüge sollen u. a. darin liegen, dass Tobias am Anfang nicht nach der Funktion der Fischinnereien fragt (vgl. das Fehlen der Frage nach der Bedeutung des Holzes), oder darin, dass die beiden zusammen gehen (vgl. Gen 22,6). 241 Siehe hierzu MACATANGAY, Election, 457, der den Sieg über den Fisch mit dem Rettungswunder am Schilfmeer vergleicht; SCHÖKEL, Domesticación, 5, verweist auf Jes 51,9–10 und Ps 136,13. 242 PORTIER-YOUNG, Eyes to the Blind, 23f., erinnert an Hiob, der von Gott gefragt wird, ob er den Leviatan besiegen kann (vgl. Hiob 40,25). 243 NICKLAS, Weg der Gerechten, 66. 244 Zum Ganzen KOCH, Daniel, 304; vgl. SCHNUPP, Schutzengel, 104–106. 245 Siehe bereits von SODEN, Fischgalle; ATTIA, Disease and Healing, 55; für die griechische Überlieferung siehe jetzt auch die Zusammenstellung bei USENER, LXX und ihre Vernetzung, 107f., Anm. 51 und 53.

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den Besessenen: vier“.246 Der hier vorliegende Sprachgebrauch ist somit typisch für die antikjüdische Dämonologie. In den Worten Rafaëls wird deutlich, was sich bereits in Tob 6,5 abzeichnete, nämlich dass er die Funktion eines Ratgebers einnimmt. Die Weisheit der Engel ist in der biblischen und frühjüdischen Tradition ein verbreitetes Motiv. Bereits 2 Sam 14,17 kennt einen Engel, der Gutes und Böses weiß, und der himmlische Hofstaat hat – wie aus 1 Kön 22,19f. und Jes 6,8 deutlich wird – auch die Funktion eines Beratungsgremiums. An dieser Stelle steht die Vermittlung von medizinischem Wissen im Vordergrund; somit handelt es sich um einen ätiologischen Mythos, der die transzendente Herkunft der Heilkunst betont. Rafaël spielt deshalb eine ähnliche Rolle wie einer der Engel, der nach dem Jubiläenbuch Noach in der Heilkunst mit Kräutern zur Vertreibung von Dämonen unterweisen soll (Jub 10,10.12–13).247 Wenn Rafaël Tobias medizinisches Wissen vermittelt und dies positiv konnotiert ist, dann steht das in einem deutlichen Gegensatz zu der Henochtradition im Wächterbuch (äthHen 6–11), da in diesem Beleg die Überlieferung himmlischer Heilkenntnisse durch Engelwesen (so das Schneiden von Wurzeln; siehe äthHen 8,3) von Gott sanktioniert wird.248 Zu Rafaël als Heiler siehe auch zu 3,17. Das Motiv der Offenbarung von Heilkunst steht in einem breiten Traditionsgeflecht. Nach Sir 38,6 bekommt der Mensch das Wissen um die Heilkunst von Gott verliehen. Rüdiger SCHMITT verweist direkt im Zusammenhang mit Tob auf babylonische Kulturgründungsmythen und die babylonischen Apkallū-Genien bzw. den Mythos des Apkallū Adapa. Dabei scheint er aber keine direkte Abhängigkeit annehmen zu wollen, vielmehr spricht er von der „gemeinorientalischen Vorstellung vom göttlichen Ursprung magisch-therapeutischen Wissens“. Dieses Motiv kann zwar nicht als Konzeption der hellenistischen Zeit verstanden werden, aber „die Ausbildung einer elaborierten Angelologie und Dämonologie in der persisch-hellenistischen Zeit scheint zu einer verstärkten Mythologisierung geführt zu haben, die in Tobit durch Rafaël ein göttliches Mittlerwesen eingreifen läßt“.249 George W. E. NICKELSBURG wiederum verweist ausgehend vom Wächterbuch der Henochüberlieferung auf den griechischen Mythos von Prometheus, in dem in der Fassung des Aischylos Prometheus auch der Überbringer der Heilkunst ist (AISCHYLOS, Prometheus, 442–482). Wie im Wächterbuch wird hier die Offenbarung göttlichen Wissens sanktioniert.250 Für die zoroastrische Vorstellungswelt ist der Heiler Thrita zu nennen, dem Ahura Mazda seine medizinischen Kenntnisse verliehen hat (Pahlavi Widēwdād 20).251 In der griechischen Mythologie erscheint Chiron als Offenbarer der Heilkunde; er war es wiederum, der auch Asklepios unterrichtete.252 Schließlich erinnert das Motiv auch an die Figur des ägyptischen Thot, der 246 LICHTENBERGER, Psalm 91 und die Exorzismen in 1QPsApa. 247 NOWELL, Work, 228f. 248 FRÖHLICH, Wisdom, 252f.; zum Verhältnis von Tobit zur Henochüberlieferung siehe auch BOCCACCINI, Wurzeln des rabbinischen Judentums, 111f.; NICKELSBURG, Search, 343f. 249 SCHMITT, Magie, 102. 250 NICKELSBURG, 1 Enoch, 192f. (Lit.); Zu diesem Aspekt der Prometheusfigur siehe auch EBACH, Weltentstehung, 378f. 251 Hierzu FORREST, Witches, Whores and Sorcerers, insbesondere 42f.116–118. 252 GRAF, Art. Chiron, 1127f.

6,8–9: Der Engel als weisheitliche Figur und Vermittler von Heilkunst

212

6,12: Heirat mit Sara 6,12: Saras Schönheit

6,12: Erbtöchtertora

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

mit dem griechischen Hermes identifiziert wurde und dann in der Spätantike als Hermes Trismegistos in enger Verbindung mit der Vermittlung von Wissenschaft und Magie stand.253 In der griechischen Vorstellungswelt verschafften sich aber auch Stimmen Raum, die einem solchen Konzept widersprachen und gerade den menschlichen Ursprung medizinischen Wissens betonten. So stellt eine Passage in Sophokles’ Antigone, die der Prometheus-Rede des AISCHYLOS ähnlich ist, den Menschen selbst als Urheber der Kulturerrungenschaften dar. Dazu gehört auch das medizinische Wissen, wenn es heißt, „dass der Mensch für der Seuchen schwerste Not […] Heilung (fand)“ (Sophoc. Ant. 362f.).254 Ganz ähnlich wird auch in dem Traktat „De vetere medicina“, der traditionell dem HIPPOKRATES zugeschrieben und so in das 5. Jh. v. Chr. datiert wird, die Entwicklung medizinischen Wissens auf das Wirken der Menschen zurückgeführt: „The Gods have no role to play at all in human dietary researches – it is by their own unaided efforts that humans approach the level of the gods.“255 Wenn die Reise des Tobias offensichtlich der Brautwerbung dient, zeigt sich darin ein intertextueller Bezug zu Gen 24.256 Mit dem Motiv der Schönheit Saras spielt der Erzähler verschiedene biblische Belege ein, wobei wieder insbesondere der intertextuelle Bezug zur Brautwerbung Isaaks hervorzuheben ist (vgl. hierzu Gen 24,16; 26,7; siehe auch 2 Sam 11,2; Est 2,2.7; Jdt 8,7; 10,7.19.23; Sir 26,16[21]–18[23]). Es ist auch an die Überlieferung von Sara, der Frau Abrahams, zu denken: Nach 1QGenApocr 20,2–9 preisen die drei Brautwerber die Schönheit Saras, der vermeintlichen Schwester des Abram, sodass der Pharao sich nur aufgrund ihrer Schilderung spontan in diese verliebt und sie zur Frau nimmt.257 Die Aussage, dass Tobias der nächste Verwandte Saras ist und ihm auch das Erbe des Vaters zusteht, verweist auf die Erbtöchtertora. Während Num 27,8 zunächst – für den Fall, dass es keinen Sohn als männlichen Erben gibt – allgemein bestimmt, dass auch Töchter erbberechtigt sind, regelt Num 36,6–8 dann weiterführend, dass eine Tochter, die von ihrem Vater geerbt hat, innerhalb der eigenen Sippe heiraten soll, damit der Besitz innerhalb dieser verbleibt (zum Ganzen bereits 3,15).258 Allerdings lassen sich auch klare Unterschiede benennen, denn die biblische Anordnung wird hier insofern spezifiziert, als nun auch erwartet wird, dass der potentielle Ehepartner einer solchen Erbtochter der nächste Verwandte sein soll.259 Dieses

253 254 255 256

ALLAN, Hermes, 134; siehe hierzu auch EBACH, Weltentstehung, 67f. (Lit.). EBACH, Weltentstehung, 387. BLUNDELL, Origins of Civilization, 178f. Zu den intertextuellen Bezügen zu Gen 24 siehe die Einleitung im Abschnitt „Biblische Referenzen“. 257 KELLERMANN, Eheschließung, 170; MACHIELA/PERRIN, Genesis Apocryphon, 128; zum Ganzen siehe auch LOADER, Sexuality, 171. 258 Dieser Hinweis ist häufig in der Forschungsliteratur zu finden, so schon SCHUMPP, 138; siehe auch CHRISTIAN, Reading, 65; COLLINS, Judaism, 31; FITZMYER, 213; HIEKE, Endogamy, 109; KELLERMANN, Eheschließung, 144–150; MOORE, 204; SOLL, Window, 259; WEEKS, A Deuteronomic Heritage, 397. Zum Motiv der Endogamie und der Erbtöchtertora siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 259 KELLERMANN, Eheschließung, 148.

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213

Element ist auch im Buch Rut überliefert (vgl. Rut 3,12f.; 4,4).260 Auch beim biblischen Lösegebot obliegt die Auslösung dem nächsten Verwandten (Lev 25,25). Des Weiteren spielt hier jedoch weder der Aspekt, dass der Name des Erblassers erhalten werden soll, noch die Weitergabe des Erbbesitzes eine Rolle; Tobit heiratet nicht in das Haus der Sara ein, sondern diese wird in das Elternhaus des Bräutigams überführt.261 Eine Weiterentwicklung des Erbtöchtergesetzes liegt auch vor, wenn Tobias explizit als der Erbe des Besitzes seines Schwiergervaters genannt wird.262 Während diese Elemente in der Forschung nur vereinzelt bemerkt wurden, hat man häufiger darauf aufmerksam gemacht, dass es keinen direkten Beleg dafür gibt, dass die Übertretung der Erbtöchtertora unter Todesstrafe steht.263 Es ist zu vermuten, dass diese „radikalisierende Sanktionierung“ durch den Einfluss der Gesetze zur „Bestrafung bei Sabbatbruch“ (Num 15,35), bei „Ehebruch wie Unzucht“ (Lev 20,10–18) sowie bei „besonderen kultischen Vergehen“ (Lev 20,1–7) entstanden ist.264 Auch das Jubiläenbuch (Jub 30,7) kennt die Todesstrafe bei Verheiratung mit einer Ausländerin.265 Somit liegt eine Weiterentwicklung und Präzisierung der biblischen Erbtöchtertora vor, die den Terminus „Tora“ nicht mehr auf die biblische Überlieferung beschränkt und die von der Sache her auf eine Unterscheidung von „mündlicher“ und „schriftlicher Tora“ hinausläuft.266 Durch diesen freien Rückgriff auf die biblische Tradition erinnert Tob an die Rut-Erzählung. Ein konkreter Sitz im Rechtsleben ist nicht erkennbar,267 und es ist anzunehmen, dass dieses rechtliche Motiv „im Tobitbuch bereits eine romanhafte Fiktion dar[stellt].“268 260 So COLLINS, Judaism, 31; WEEKS, A Deuteronomic Heritage, 399. Der Vorschlag einer Verbindung mit der Leviratsehe (so z. B. MOORE, 203f., mit altorientalischen Parallelen: ZIMMERMANN, 82–83) leuchtet weniger ein. Zur Kritik z. B. SOLL, Family, 259: Zwar sei dies der einzige Fall in der biblischen Überlieferung, in dem eine Heirat aufgrund eines Verwandtschaftsverhältnisses vorgeschlagen wird, aber es geht bei der Leviratsehe um den Bruder des Verstorbenen und nicht um einen Verwandten der Frau; siehe auch LOADER, Sexuality, 156. 261 KELLERMANN, Eheschließung, 148; siehe auch GAMBERONI, Gesetz, 229. 262 Hierzu knapp GAMBERONI, Gesetz, 229. 263 So z. B. HIEKE, Endogamy, 109; FITZMYER, 213; GAMBERONI, Gesetz, 229; MOORE, 204; SCHUMPP, 139 (hier auch Verweise auf die ältere Forschung); WEEKS, A Deuteronomic Heritage, 258f.; SOLL, Family, 258. 264 So KELLERMANN, Eheschließung, 149; siehe auch GAMBERONI, Gesetz, 229. 265 Hierauf verweisen u. a. GAMBERONI, Gesetz, 229; HIEKE, Endogamy, 110; KELLERMANN, Eheschließung, 149. 266 COLLINS, Judaism, 34, verweist hier auf weitere Überlieferungen bei PHILO und JOSEPHUS, die auf eine solche Ausweitung der Androhung der Todesstrafe verweisen und spricht von einer „widespread tendency in Second Temple Judaism to construe ‘the law of Moses’ as something more inclusive than the written text of the Torah, and roughly equivalent to ‘normative Jewish tradition’ as a given author understood it.“ Siehe auch die Hinweise bei CHRISTIAN, Reading, 65; LOADER, Sexuality, 156: „One must assume an understanding of the Mosaic law to include even more than simply the written Pentateuch, but also to include its exposition, such we also find in the Temple Scroll“ [Hervorhebung i. O.]. 267 KELLERMANN, Eheschließung, 148. 268 KELLERMANN, Eheschließung, 150. Zum Konzept der Tora und des Gebotsgehorsam siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“.

214

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

6,13: Buch des Zur Wendung „Buch des Mose“ siehe auch Esr 6,18; Neh 13,1; 2 Chr 35,12; siehe Mose auch 2 Chr 25,4 (nur in MT); Neh 8,1 („Buch des Gesetzes des Mose“); vgl. Sir 6,15: Sorge um den Vater 6,15: Liebe des Dämons

6,18: Vorherbestimmung der Ehe

24,23[32.33]; Mk 12,26.269 Das Motiv der Sorge um den Vater erinnert an die Josefsgeschichte und die Furcht der Söhne, dass der Tod Benjamins auch den Vater Jakob ins Grab bringen könnte (vgl. Gen 44,31).270 Wenn der Dämon Sara in Liebe verbunden ist (siehe TA 6,15a–a), kann Asmodäus als ein Incubus-Dämon bezeichnet werden.271 Die Vorstellung, dass Dämonen mit Menschen geschlechtliche Verbindungen eingehen wollen, ist religionsgeschichtlich breit belegt und sie hat ihren erfahrungsweltlichen Hintergrund in nächtlichen sexuell gefärbten Träumen. Während der moderne, rational denkende Mensch eine Krankheit in der Regel wohl nicht mit solchen Träumen verbinden würde, gehören diese Elemente in der traditionellen Vorstellungswelt aufs Engste zusammen, insofern die nächtliche Erscheinung des Dämons kausal mit der Erfahrung von Krankheit und Lebensminderung in Verbindung gebracht wird. Sowohl babylonische Ritualtexte als auch die aramäischen und mandäischen Zauberschalen bieten interessantes Vergleichsmaterial.272 Zu diesem Gedanken passt es, dass die Vertreibung des Dämons als eine Art Ehescheidung aufgefasst wird (hierzu siehe 3,17). Somit scheint man davon ausgegangen zu sein, dass die geschlechtliche Verbindung von Mensch und Dämon eine Art Ehe darstellt.273 Für die jüdische narrative Überlieferung ist wieder auf das Wächterbuch zu verweisen, wonach himmlische Wesen Menschenfrauen begehren und deshalb zur Erde herabsteigen, damit dann aber eine Art kosmische Katastrophe hervorrufen, indem ihre riesenhaften Nachfahren die Erde verderben.274 Das Motiv der Vorherbestimmung Saras für Tobias weckt Assoziationen an Gen 24,14.50275 und erinnert zudem an die Worte des Pharaos in JosAs 21,3, wo dieser bei der Werbung Josefs um Aseneth sagen kann, dass sie ihm schon von Ewigkeit her zur Frau gegeben wurde.276 Vor dem Hintergrund, dass die Ehe zwischen Tobias und Sara toragemäß ist, könnte man zudem überlegen, ob in diesem Kontext auch die Vorstellung, wonach das Gesetz bereits vor seiner Offenbarung an die Menschen auf himmlischen Tafeln niedergeschrieben wurde (Jub 16,29; 32,15 u. ö.), mit anklingt.277 Das Motiv

269 Die Wendung „nach der Bestimmung des Buches des Mose“ rekurriert auf hebr. ‫כדת‬ ‫ משׁה‬bzw. ‫כדין משׁה‬. 270 ANDERSON, Fear, 129f. 271 FREY-ANTHES, Unheilsmächte, 286. 272 Siehe z. B. MONTGOMERY, Aramaic Incantation Texts, Nr. 1:13; 11:8; vgl. LEVENE, Corpus of Magic Bowls, 19; FRÖHLICH, Demon, 30; siehe auch EGO, Denn er liebt sie; DIES., Vertreibung, 393f.; DIES., Asmodeus (alle mit weiteren Quellen- und Literaturhinweisen). 273 Auf diese Zusammenhänge verweist LEVENE, Corpus of Magic Bowls, 19; vgl. dagegen FRÖHLICH, Demon, 33, die die Scheidung als einen rein juridischen Akt versteht und eine sexuelle Konnotation der Beziehung des Dämons zu Sara ausschließen möchte. 274 Siehe FRÖHLICH, Demon, 33; DIES., Wisdom, 255f.; zu diesen Vorstellungen siehe auch bereits die knappen Hinweise in der Einleitung im Abschnitt „Außerbiblische Traditionen“. 275 Zum Ganzen KELLERMANN, Eheschließung, 135; siehe auch SCHÜNGEL-STRAUMANN, 130. 276 KELLERMANN, Eheschließung, 135. 277 Vgl. weiterführend GARCÍA MARTÍNEZ, Heavenly Tablets, 243–260.

Synthese

215

der Vorherbestimmung der Verbindung zweier Liebender ist zudem für den griechischen Roman typisch.278 Die Wendung „Fürchte dich nicht“ weckt Assoziationen an die deuterojesajanische Form des Heilsorakels.279 Der Erzählzug erinnert an 1QGenApocr 20,2–9, wonach sich der Pharao auch ohne direkten persönlichen Kontakt in Sara verliebt.280 Die Verwendung des Begriffes κολλάω, „hängen an“, weckt Assoziationen an die Aussage von Gen 2,24 über die Verbindung von Mann und Frau (προσκολλάω).281 Es könnte aber auch hier Gen 24,14 im Hintergrund stehen.

Synthese Mit seiner Reise begibt sich Tobias in ein ihm fremdes Land. Der Junge wird in diesem Kontext mit zwei verschiedenen lebensbedrohlichen Herausforderungen konfrontiert, nämlich mit dem Angriff durch den Fisch sowie mit der Begegnung mit dem Dämon. In Tob 6 steht der Fisch im Vordergrund; die nächste Herausforderung, die Begegnung mit dem Dämon (8,1–3), deutet sich aber im Gespräch bereits an. Die Rettung vor dem aggressiven Fisch zeigt, dass Tobias durch die Gegenwart des Engels unter einem ganz besonderen Schutz steht. Gottes Hilfe, vermittelt durch den Engel Rafaël, ist auch in der Fremde wirksam. Der Befehl des Engels, Galle, Leber und Herz des Fisches als Arzneimittel aufzubewahren, und seine Erklärung, mit ihrer Hilfe ließen sich Dämonen austreiben und Augenkrankheiten heilen, verweist auf Rafaëls Funktion als Offenbarer medizinischen Wissens (6,2–9). Kurz vor der Ankunft in Ekbatana kommt es zu einem wichtigen Gespräch zwischen dem Reisebegleiter und Tobias (6,10–18). Darin macht Azarias Tobias auch deutlich, dass Sara, die Tochter seiner Verwandten Raguël und Edna, ihm als Braut zugedacht ist und dies eine „Bestimmung des Buches des Mose“ (6,13) darstellt. Zum zweiten Mal wird damit explizit Rekurs auf das Mosegesetz genommen (vgl. 1,4–8). Allerdings spielt der Bezug zum Tempel keine Rolle mehr; vielmehr wird die Mosetora jetzt mit dem Endogamiegebot verbunden. Im Hintergrund dieser Weisung steht die Erbtöchtertora in Num 36,6–8, in welcher das Endogamiegebot erbrechtlich begründet wird. Wenn das Übertreten dieser Weisung unter Todesstrafe gestellt wird, ist das eine Weiterentwicklung biblischer Gebote. Der Abschnitt ist für die Angelologie der Erzählung insofern von Bedeutung, als Rafaël nicht nur als Schutzengel, sondern auch als Ratgeber und Lehrer vorgestellt wird. Wenn sich auch keine direkten Parallelen finden lassen, so wissen doch zahlreiche Traditionen sowohl aus der babylonischen als auch der griechischen Augenheilkunde von der therapeutischen Verwendung von Fischen bzw. einzelnen Fischteilen. Die Offenbarung medizinischen Wissens durch übermenschliche Gestalten ist eine Vorstellung, die sowohl in babylonischen als auch in griechischen 278 Siehe hierzu JOHNSON, Art. Novels, 1001 (Lit.). 279 Vgl. XERAVITS, Tobiah’s Journey, 90, gegen MOORE, 207, der diese Wendung mit einer Angelophanie in Verbindung bringen möchte. 280 Siehe KELLERMANN, Eheschließung, 170; MACHIELA/PERRIN, Genesis Apocryphon, 129. 281 LOADER, Sexuality, 172.

6,18: Ermutigung 6,18: Tobias’ Liebe zu Sara

216

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

und antikjüdischen Kulturbringermythen belegt ist. Im Gegensatz zur Überlieferung des Wächterbuches in äthHen 6–11 ist das Motiv in Tob positiv konnotiert.

Der Empfang bei Saras Familie in Ekbatana und Vorbereitungen für die Heirat (7,1–17) Ankunft und Empfang bei Saras Familie (7,1–9a) 1 aUnd als erb [i. e. Tobias] nach Ekbatanac hineinging, sagte er zu ihm: Bruder Azarias, führe mich geradewegs zu unserem Bruder Raguël! Und er führte ihn zum Haus Raguëlsa, und sie fanden ihn an der Tür des Hofes sitzend, und sie grüßten ihn zuerst, und er sagte zu ihnen: Seid vielmals gegrüßt, Brüder; wie gut, dass ihr wohlbehalten angekommen seid! Und er führte sie in sein Haus. 2 Und er sagte zu seiner Frau Ednaa: Wie ähnlich ist dieser junge Mann meinem Bruderb Tobit! 3 aUnd Edna fragte sie und sagte zu ihnen: Woher seid ihr, Brüder? Und sie sagten zu ihr: Wir sind von den Söhnen Naftali, die in Ninive in Gefangenschaft sind.a 4 aUnd sie sagte zu ihnen: Kennt ihr unseren Bruder Tobit? Und sie sagten zu ihr: Wir kennen ihn.a 5 aUnd sie sagte zu ihnen: Ist er wohlbehalten? Und sie sagten zu ihr: Er ist wohlbehalten und er lebt. Und Tobias sagte: Er ist mein Vater.a 6 Und Raguël sprang auf und küsste ihn und weinte 7 und sagte und sprach zu ihm: Segen sei mit dir, Kind, Sohn eines aedlen und gutena Vaters! b O böses Elend, dass ein so gerechter und Barmherzigkeit wirkender Mann erblindet ist! Und er fiel seinem Bruder Tobias um den Hals und weinte.b 8 Und auch seine Frau Edna weinte seinetwegen, und ihre Tochter Sara weinte ebenfalls. 9 a Und er schlachtete einen Widder von der Herde und nahm sie bereitwillig auf.

Vorbereitungen für eine außergewöhnliche Eheschließung (7,9b–17) b Und aals sie gebadet und sich gewaschena und sich zum Essen gesetzt hatten, sagte Tobias zu Rafaël: c Bruder Azarias, sage zu Raguël, dass er mir meine Schwester Sara geben soll. 10 Und Raguël hörte diese Rede und er sprach zu dem Jungen: Iss und trink und sei fröhlich diese Nacht, denn es gibt keinen Menschen, dem es zusteht, meine Tochter Sara zu nehmen, außer dir, Bruder; ebenso aber habe auch ich nicht das Recht, sie einem anderen Manne zu geben, außer dir, denn du bist mein nächster Verwandter. Freilich will ich dir die Wahrheit mitteilen, Kind. 11 a Ich habe sie sieben Männern aunter unseren Brüderna gegeben, und alle sind in der Nacht gestorben, als sie zu ihr eingehenb wollten. Und nun, Kind, iss und trink, cund der Herr wird es euch gewährenc. b Und Tobias sagte: Von jetzt an dwill ich weder essen noch trinkend, bis edu die Dinge, die mich betreffen, entscheideste. c fUnd Raguël sagte zu ihm: Ich tue es, und sie ist dir gegeben nach der Bestimmung des Buches Mose, und vom Himmel her ist

Bei Saras Familie in Ekbatana und Vorbereitungen für die Heirat (7,1–17)

217

es bestimmt, dass sie dir gegeben werdef. Nimm deine Schwester. Von nun an bist du ihr Bruder, und sie ist deine Schwester. Sie ist dir gegeben von heute an und bis in Ewigkeit. Und der gHerr des Himmelsg hmöge euch diese Nacht Gelingen schenkenh, Kind, und er wird euch Gnade und Frieden gewähren! 12 a Und Raguël rief seine Tochter Sara, und sie kam zu ihm, und indem er ihre Hand nahm, gab er sie ihm b und sprach: Nimm [sie] nach dem Gesetz aund nach der Bestimmung, die im Buch des Mose geschrieben stehta, dass sie dir zur Frau gegeben sei; habe sie bei dir und führe sie wohlbehalten zu deinem Vater. c bUnd der Gott des Himmels möge euch in Frieden Gelingen schenkenb! 13 Und er rief ihre Mutter und befahl ihr, ein Blatta zu bringen, und er schrieb den Heiratsvertragb, dass er sie ihm zur Frau gebe cnach der Bestimmung des Gesetzes des Mosec. 14 Danach begannen sie zu essen und zu trinken.a 15 Und Raguël rief seine Frau Edna und sprach zu ihr: b Schwester, bereite eine andere Kammer und führe sie dort hinein. 16 Und sie ging und bereitete das Bett in der Kammer, wie er ihr gesagt hatte, und führte sie dort hinein. Und sie weinte ihretwegen und wischte die Tränen ab und sagte zu ihr: 17 Sei getrost, Tochter, ader Herr des Himmelsa gebe dir Freude statt deiner Trauer. Sei getrost, Tochter! Und sie ging hinaus.

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 7,1a–a

7,1b 7,1c 7,2a

7,2b 7,3a–a 7,4a–a 7,5a–a 7,7a–a

In GI kommt Sara den beiden Reisenden entgegen und führt sie in das Haus. Dieses Motiv entspricht einem Erzählzug aus Gen 29,6–9, wo Jakob seine künftige Frau ebenfalls vor der Ankunft bei seinem Schwiegervater trifft (siehe auch Gen 24,15–28, wo Rebekka den Knecht Eliëser sogar zum Hause des Vaters führt). Da die Brautwerbungserzählungen der Genesis als Subtext für die Tobitgeschichte generell eine große Rolle spielen, erscheint es plausibel, dass der Bearbeiter von GII dieses Motiv hier eingearbeitet hat, um den Text mehr an die Erzählung aus der Genesis anzugleichen; siehe auch KELLERMANN, Eheschließung, 170. 4Q197 4iii 1, GI, GIII, VL und Vg. lesen den Plural. Griech.: Ἐκβάτανα; 4Q197 4iii 1 hat die aram. Form von Ekbatana teilweise erhalten: [ ‫ ;אחמ]תא‬siehe zu 3,7. Edna (wörtl.: „Freude, Lust“) ist als Frauenname in der biblischen Tradition nur in Tob überliefert. Im Jubiläenbuch ist dies der Name der Frau Methusalas (eine Tochter Esraels) (Jub 4,27) sowie der Name der Frau des Tara, des Vaters Abrahams (Jub 11,14). In der Hebräischen Bibel ist Adna (Esr 10,30; Neh 12,15; 2 Chr 17,14) bzw. Eden (2 Chr 29,12) ein Männername. Manche Mss. von VL und Vg. nennen Raguëls Frau „Anna“ und verwechseln sie mit Tobits Frau. 4Q197 4iii 5 ist spezifischer und liest „Sohn meines Onkels“. In GI führt nicht mehr Edna, sondern Raguël das Gespräch. Durch den Kontext wird in GI nicht Edna, sondern Raguël als Sprecher vorausgesetzt. In GI spricht weiterhin Raguël. Griech.: καλὸς καὶ ἀγαθός – vgl. [ ‫ קשיט]א‬in 4Q197 4iii 9. Die griech. Wendung ist seit HOMER belegt und meint „nobility of birth, as well as of behaviour“. Das aramäische Wort dagegen bedeutet „rechtschaffen“, sodass sich hier der Unterschied zwischen jüdischen und griechischen Werten zeigt; zum Ganzen siehe LITTMAN, 120.

218 7,7b–b 7,9a–a 7,11a–a 7,11b

7,11c–c 7,11d–d 7,11e–e 7,11f–f

7,11g–g 7,11h–h 7,12a–a 7,12b–b 7,13a

7,13b

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a) GI glättet den Text, insofern erzählt wird, dass Raguël von der Blindheit Tobits erfährt. Dadurch erscheint seine Klage nicht mehr so unvermittelt. GI verzichtet auf das Motiv einer rituellen Waschung vor dem Essen; so auch Vg. Der Hinweis auf das Bad bzw. das Waschen fehlt auch 4Q197 4iii 9 und VL; zum Ganzen siehe FITZMYER, 229. GI liest „sieben Männer“. Griech.: εἰσπορεύομαι. Der Begriff deutet auf den Sexualakt hin (vgl. Gen 29,21LXX sowie Ri 15,1LXX mit εἰσέρχομαι); siehe KELLERMANN, Eheschließung, 160. Nach LITTMAN, 121, hat die Imperfektform die Aufgabe, „continuous or attempted action“ zum Ausdruck zu bringen. MOORE, 221, spricht sich dezidiert gegen ein solches Verständnis aus und bezieht den Ausdruck auf das Betreten der Brautkammer. Griech.: καὶ κύριος ποιήσει ἐν ὑμῖν. Die Wendung ist nach LITTMAN, 121, ein Hebraismus, der Jonatans Worte in 1 Sam 14,6 widerspiegelt (siehe auch 1 Sam 14,6LXX: εἴ τι ποιήσαι ἡμῖν κύριος). GI liest allgemeiner, dass Tobias nichts kosten möchte (οὐ γεύσομαι); vgl. GIII: „Ich will nichts essen und trinken“; zum Ganzen siehe JACOBS, Delicious Prose, 156. In GI richtet Tobias die Bitte um Erlaubnis zur Heirat an eine pluralische Größe, vermutlich die Eltern Saras. GI verzichtet auf die Wendung „nach der Bestimmung des Buches Moses“ und liest nur „Bestimmung“. Außerdem fehlt das Motiv, dass Sara für Tobias vom Himmel her bestimmt wurde. Auch hier zeigt Vg. wieder die Tendenz, die Bedeutung der Mosetora zu marginalisieren; der Begriff erscheint lediglich in Tob 7,14 Vg. Aber auch sonst unterscheidet sich Tob 7,12 Vg. vom griechischen Text: Rafaël spricht Raguël Mut zu und Tobias wird als gottesfürchtig bezeichnet. Im Folgenden verweist Raguël darauf, dass er um die Ankunft von Tobias gebetet habe. In GI erscheint wieder die Gottesbezeichnung „der barmherzige Gott“ (anstelle von „der Herr des Himmels“). Insgesamt zeigt sich auch hier die Tendenz, die Rede vom Himmelsgott zurückzunehmen (siehe auch 6,18 und 8,15; vgl. 7,17). Griech.: εὐοδώσει. LITTMAN, 122, verweist darauf, dass LXX das Futur Indikativ häufig jussivisch gebraucht. In GI fehlt wieder die Rede von der Bestimmung, die „im Buch des Mose“ geschrieben steht. Der Segenswunsch fehlt in GI; somit wird wieder auf die Rede vom „Gott des Himmels“ verzichtet. Wie KELLERMANN plausibel macht, ist wegen der Kürze des Textes, der in dem vorliegenden Kontext verfasst werden soll, bei βιβλίον an ein Blatt aus Papyrus (und nicht an eine komplette Schriftrolle) zu denken; so gegen meine frühere Übersetzung. Ein Blatt Papyrus diente wohl nach Tob 5,3 (GI und GII) sowie Tob 9,2 (GII und GIII; vgl. ‫ כתב‬in 4Q197 5 10) auch zur Anfertigung der Urkunde, die Tobit als den rechtmäßigen Besitzer des bei Gabaël hinterlegten Geldes nennt. Darauf deutet auch lat. „carta“ in Vg. hin. „Auch LXX Dtn 24,1–4 und die Urkunde von Herakleopolis Cowey/Maresch Nr. 4 Z. 23f sprechen bei der Anfertigung des Scheidebriefs von einem βιβλίον ἀποστασίου“; siehe KELLERMANN, Eheschließung, 187. Für Papyrus als Schreibmaterial spricht sich auch MILLER, Marriage, 114, aus; andere Ausleger halten neben Papyrus auch eine Tontafel oder Pergament (so FITZMYER, 235) für denkbar. Griech.: συγγραφή. Der Terminus entspricht aram. ‫ שׁתר‬und ist „Terminus technicus für eine Vertragsurkunde, zu deren Gültigkeit in der Regel Zeugenunterschriften gehören. Eine solche Urkunde muss hinsichtlich ihres Inhalts näher gekennzeichnet werden, wie es auch in G 2 mit συγγραφὴ (βιβλίου) συνοικήσεως und G 3 mit συγγραφὴ συνοικλοῦσα geschieht: es geht um das eheliche Zusammenwohnen“ (KELLERMANN, Eheschließung, 187f.). Im Gegensatz zu GII kennen 4Q196 15 1 sowie

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GI, GIII und Vg. das Motiv, dass die Urkunde gesiegelt wurde. Nach 4Q196 15 1 und Vg. erfolgt dieser Akt von einer Person, GI liest wie GIII den Plural. Somit ist die Überlieferung aus Qumran hier näher an GI als an GII. Es könnte sich um eine Fehlübersetzung des Begriffs ‫ חתם‬handeln, der nicht nur „siegeln“, sondern auch „unterschreiben“ heißen kann; ein solcher Sprachgebrauch findet sich auch in Ḥev/Se 8a pap Z. 14 von 134/135 und einem Schuldschein Ḥev/Se 49 Z. 13 von 133; siehe hierzu KELLERMANN, Eheschließung, 189. Wenn sich unter den 200 bis 300 bekannten hebräischen Siegelabdrücken auch zehn Frauensiegel finden, könnte eine solche aktive Rolle der Frau tatsächlichem Brauchtum entsprechen. Da das Versiegeln des Dokuments auch in 4Q196 15 1 belegt ist, kann davon ausgegangen werden, dass es bereits zum ältesten Textbestand gehörte (siehe auch GIII). Eine solche Siegelung ist neben der Unterschrift aller Vertragsparteien und Zeugen auch aus den neubabylonischen Dokumenten bekannt, wohingegen jüdische Urkunden nur die Unterschrift kennen. Dieser Erzählzug könnte sich durch Babylonien als ursprünglichen Entstehungsort der Geschichte erklären lassen. Es ist anzunehmen, dass der Siegelung die Funktion einer Unterschrift zukommt. Zum Ganzen siehe KELLERMANN, Eheschließung, 153 (Lit.). 7,13c–c In GI fehlt der Verweis auf das Mosegesetz. 7,14a Die entsprechende Stelle Tob 7,17 Vg. fügt noch den Lobpreis Gottes ein. 7,17a–a In GI mit der Wendung „der Herr des Himmels und der Erde“ ausführlicher als GII („Herr des Himmels“); vgl. 10,13 mit der umgekehrten Tendenz.

Synchrone Analyse Gliederung und Struktur Das vorliegende Kapitel, das den Erzählfaden direkt aufnimmt und weiterführt, Gliederung lässt sich in folgende Abschnitte gliedern:282 7,1–9a 7,9b–17 7,9b–11 7,12–14 7,15–17

Ankunft und Empfang bei Saras Familie Eine außergewöhnliche Eheschließung Antrag und Gewährung der Braut Eheschließungsritual Vorbereitung auf die Hochzeitsnacht

Der Erzähler bedient sich weiterhin eines szenischen Erzählens und lässt die Hand- Struktur lung vor allem durch Gesprächssequenzen voranschreiten. Es finden sich folgende Gesprächsgänge: 7,1–7

Begrüßungsszene: Gespräch zwischen Raguël, Edna, Tobias und dem Reisebegleiter; Reaktion Raguëls: Weinen 7,9b.c Aufforderung Tobias’ an Azarias, mit Raguël zu sprechen (indirekte Rede) 7,10–11 Gespräch zwischen Raguël und Tobias: Rede Raguëls, Antwort des Tobias, Gegenrede 282 So in Anlehnung an die Einteilung des Kapitels bei KELLERMANN, Eheschließung, 176–195.

220 7,12 7,13 7,15 7,16f.

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Raguël ruft Sara; Einhändung und Segen Beauftragung Ednas, ein Blatt für den Heiratsvertrag zu holen (indirekte Rede) Raguël beauftragt Edna mit der Bereitung der Brautkammer Edna tröstet und segnet ihre Tochter

Auffallend ist das häufige Vorkommen von performativen Redeakten (Gruß, Segen, Einhändung und Trost) sowie von Befehlen und Anordnungen.

Einzelauslegung 7,1–9a Der Text knüpft an die Wegnotizen im vorausgehenden Kapitel (6,2.10f.) an und

setzt den Erzählfaden, der sich am Weg Tobias’ und Rafaëls orientiert, fort. Tobias redet den Reisebegleiter mit „Bruder“ an und fordert ihn beim Eintritt in die Stadt auf, dass er ihn zum Hause Raguëls führen möge. Damit wird implizit deutlich, dass Tobias die mit der Heirat Saras verbundene Herausforderung akzeptiert hat. Da Tobias weiß, dass es sich bei Raguël um einen Verwandten handelt (siehe 6,11), kann davon ausgegangen werden, dass der Begriff „Bruder“ in der Verbindung „Bruder Raguël“ in diesem Sinne verwendet wird. Es kommt auf jeden Fall wieder die enge Bezogenheit auf familiäre Strukturen zum Ausdruck.283 Rafaël kommt dem Wunsch Tobias’ nach, und es folgt nun eine ausführliche Schilderung der Begegnung Tobias’ mit den Eltern Saras. Die beiden Reisenden finden den Familienvater vor dem Hause sitzend. Nach dem Gruß der Ankommenden heißt Raguël die beiden willkommen, wobei die Anrede „Bruder“ darauf schließen lässt, dass er sofort erkennt, dass die beiden zu seinem Volk gehören. Daraufhin werden sie in das Haus geführt. Im Haus selbst, wo sich Edna, Raguëls Frau, befindet, setzt sich die Begrüßungsszene fort. Nachdem Raguël die Ähnlichkeit zwischen dem jungen Tobias und seinem „Bruder“ Tobit (hier wohl im Sinne seines Verwandten) bemerkt und dies auch gegenüber seiner Frau zum Ausdruck gebracht hat (7,2), fragt Edna nach der Herkunft der beiden (7,3). Sie verweisen zunächst auf ihre Zugehörigkeit zum Stamm Naftali und ihre Exilsexistenz in Ninive. Durch einen mehrmaligen Redewechsel stellt sich schließlich heraus, dass Tobias der Sohn Tobits ist, den die beiden anscheinend persönlich kennen (7,4–5).284 Durch diese dialogische Struktur macht die gesamte Szene einen sehr frischen und authentischen Eindruck; der lange Redeabschnitt stellt aber auch ein retardierendes Moment dar und baut damit Spannung auf. Raguëls Worte zeigen, dass er Tobit die höchste Wertschätzung entgegenbringt, insofern er ihn als „edel und gut“ (καλὸς καὶ ἀγαθός) bezeichnen kann (7,7; dieselbe Wendung erscheint auch im Hinblick auf die Verwandten des Azarias in 5,14). Raguëls Bedauern, dass ein so „gerechter und Barmherzigkeit wirkender Mann“ (ἀνὴρ δίκαιος καὶ ποιῶν ἐλεημοσύνας) erblindet ist (7,7), bringt 283 Zu der Verwendung des Begriffes „Bruder“ siehe GRELOT, Les noms de parenté, 330–335; WOJCIECHOWSKI, Assyrian Diaspora, 17; siehe hierzu auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 284 Vgl. hierzu MCCRACKEN, Narration and Comedy, 414, der dieses Element als Ausdruck der Ironie interpretiert und von Tobits „komischem Tribalismus“ spricht; vgl. dagegen COUSLAND, Comedy, 538, der die Bedeutung der Familie betont.

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das Schicksal Tobits und das Defizit eines funktionierenden Tun-Ergehen-Zusammenhangs auf den Punkt. An dieser Stelle zeigt sich zudem, dass Tobits Selbstcharakterisierung seines integren Lebenswandels in seinem Lebensrückblick (vgl. zu 1,3) auch von der Außenwelt so wahrgenommen wird.285 Außerdem scheint Raguël neben Tobits Barmherzigkeitstaten auch von dessen Erblindung zu wissen (vgl. 1,16–18; 2,1–10). Somit wird vorausgesetzt, dass die im Exil befindlichen „Brüder“ über ein gutes Kommunikationsnetz verfügten, das so schwerwiegende Ereignisse wie die Erblindung eines „Bruders“ verbreiten konnte. Die emotionale Reaktion auf die Begegnung ist überwältigend, wenn Raguël seinem „Bruder“ Tobias um den Hals fällt (7,6.7d) und er sowie seine Frau und die Tochter Sara, die erst jetzt in der Szenerie genannt wird, in Tränen ausbrechen (7,8). Gleich viermal erscheint in V. 6–9 das Verb κλαίω. Der Gebrauch des Begriffes „Bruder“, der hier in der Bedeutung zwischen einem Angehörigen des Volkes und einem Verwandten changiert, wird fast inflationär verwendet und bringt in jedem Falle die enge Bindung der Figuren untereinander zum Ausdruck.286 Zum Ausdruck seiner großen Gastfreundschaft lässt Raguël einen Widder schlachten (7,9a). Die Erwähnung des Widders leitet gleich zum nächsten Teil der Begegnung 7,9b–14 zwischen den Reisenden und der Familie Saras über, einem ausgedehnten Mahl. Damit zeigt sich die Gastfreundschaft Raguëls. Denn nach dem Bade und der Waschung, die wohl ritueller Art ist, setzt man sich zum Essen nieder. Da sowohl Sara als auch Edna später herbeigerufen werden (siehe 7,12.15), ist anzunehmen, dass zunächst die Männer unter sich bleiben.287 Es folgt ein ausführliches und wichtiges Gespräch der Männer. Erst danach soll das eigentliche Mahl beginnen. Wieder ergreift Tobias die Initiative, wenn er seinen Reisebegleiter auffordert, 7,9b–11 Raguël um die Hand seiner Tochter zu bitten (7,9b). Raguël hört dies und nutzt sogleich die Gelegenheit, das brisante Thema der Hochzeitsnacht anzusprechen. Es folgt in V. 10f. ein längerer Redeteil, bestehend aus Worten Raguëls (7,10.11a), einer Antwort Tobias’ (7,11b) und einer Gegenrede Raguëls (7,11c). Raguël stellt zunächst fest, dass es allein Tobias als dem nächsten Verwandten zukommt, Sara zur Frau zu nehmen. Somit erscheint an dieser Stelle wiederum das Motiv der Endogamie, wobei ein direkter Bezug zu Tob 6,11–13 und Tob 6,16–18 vorliegt.288 Die Anrede „Bruder“ wird hier wohl in der Bedeutung „Verwandter“ benutzt.289 Raguël kann aber auch nicht umhin, Tobias über die Problematik der Situation aufzuklären. Wenn er in diesem Kontext davon spricht, dass Sara bereits sieben Männern unter „unseren Brüdern“ gegeben worden war, so klingt an, dass auch die bisherigen Ehen Saras endogam ausgerichtet waren.290 Insofern Raguël

285 COUSLAND, Comedy, 543. 286 Zum Begriff „Bruder“ siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 287 Siehe KELLERMANN, Eheschließung, 151. Zu diesem Mahl siehe auch JACOBS, Delicious Prose, 139–159. 288 Zur Endogamie siehe den Abschnitt „Wichtige Themen“ in der Einleitung. 289 Zum Begriff „Bruder“ siehe den Abschnitt „Wichtige Themen“ in der Einleitung. 290 KELLERMANN, Eheschließung, 141: Danach bezieht sich der Ausdruck „Brüder“ auf die patrilinearen Verwandten der gleichen Sippe, wobei man aber nicht annehmen darf, dass „die sieben Männer der Sarra vom gleichen Vater abstammen und damit die Ehen der Sarra in den Deutungshorizont einer Leviratsehe geraten könnten, denn es finden sich sonst im Tobitbuch direkt keine Hinweise auf diese Form der Ehe“.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

nur sagt, dass die Männer in der Hochzeitsnacht starben, fehlt nun das Motiv des Dämons. Wichtig ist der Hinweis darauf, dass sich der Tod der Männer bereits ereignete, bevor sie zu Sara eingehen wollten (anders dagegen 6,14, wonach sie starben, als sie zu Sara eingehen wollten). Somit wird Sara als Jungfrau dargestellt (siehe auch 3,14f.). Dieser erste Redeteil wird durch die Aufforderung, Tobias möge essen und trinken und es sich gut gehen lassen, gerahmt (7,10.11a). Tobias erklärt sich mit Nachdruck bereit, die Verheiratung mit Sara anzugehen. Wenn er weder essen noch trinken möchte, bis Raguël alles entschieden hat, bringt das seine Entschlossenheit zum Ausdruck. Diese Aussage muss als offizielle Werbung um Sara verstanden werden (7,11b).291 Es folgt in V. 11c die feierliche Zusage des Brautvaters, die Formulierungen enthält, die eigentlich erst für den Akt der Antrauung zu erwarten gewesen wären. In der Aussage: „Ich tue (es), und sie ist dir gegeben nach der Bestimmung des Buches Mose, und vom Himmel her ist es bestimmt, dass sie dir gegeben werde“ wird – so KELLERMANN – eine „gängige Formel der Brautgewährung durch den Vater“ aufgenommen und verbindet sich mit „dem Thema der göttlichen Providenz“, sodass eine „neue familiäre Zugehörigkeit eröffnet“ wird.292 Dabei bedient sich der Erzähler des Stilmittels eines passivum divinum.293 Auf welche Bestimmung des „Buches Mose“ konkret verwiesen wird, muss offenbleiben; es ist anzunehmen, dass „es sich hier um eine allgemeine Wendung zur Bezeichnung der Übereinstimmung mit dem traditionellen jüdischen Brauchtum handelt“.294 Im Anschluss an dieses Gespräch fordert Raguël Tobias auf, Sara zur Frau zu nehmen, und bekräftigt dies mit den Worten „Von nun an bist du ihr Bruder, und sie ist deine Schwester“ sowie mit der Aussage, dass Sara dem Tobias bis in Ewigkeit gegeben sei. Die Begriffe „Bruder“ und „Schwester“ dienen hier der Bezeichnung der Eheleute, und es kommt eine besondere Nähe der beiden Partner zum Ausdruck. Eine Geschwisterschaft der besonderen Art besteht schließlich auch darin, dass Tobias „durch die Einheirat in das Haus Raguëls … de facto und de jure zum erbberechtigten Sohn [wird], was ihn und Sarra rechtlich zu Geschwistern macht.“295 Raguëls Rede endet mit einem Segenswunsch und setzt somit einen Kontrapunkt zu dem Risiko, das Tobias in der Brautnacht eingehen muss. An dieser Stelle erscheint die Gottesbezeichnung „Herr des Himmels“, die auch in 7,17; 10,11 belegt ist (vgl. „Gott des Himmels“ in 5,17; 7,12; 8,15).296

291 KELLERMANN, Eheschließung, 176. 292 KELLERMANN, Eheschließung, 177. 293 FITZMYER, 233; LOADER, Sexuality, 173; MILLER, Match, 148; vgl. dagegen LITTMAN, 121, der hier Raguël als das implizite Subjekt sehen möchte. 294 KELLERMANN, Eheschließung, 184, mit Verweis auf COLLINS, Judaism, 32; siehe auch MILLER, Marriage, 112; PITKÄNEN, Family Life, 107: „Any references to the law of Moses (1.8; 6.13; 7.13; vgl. 7.12; 14.9) are to be taken either as a general and roundabout, or as referring to some otherwise unattested halakhic adaption of the law. A general and roundabout background in the law would fit with the general and roundabout way in which Tobit uses biblical sources as one influence among many for the story“. 295 KELLERMANN, Eheschließung, 178. 296 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328. Siehe hierzu auch die Einleitung im Abschnitt „Figuren der Handlung“.

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Somit setzt Raguël seine ganze Hoffnung in das Rettungshandeln Gottes. Aufgrund des Kontexts und der Vorgeschichte Saras kann dieser Segenswunsch auch als Ausdruck einer tragischen Ironie gelesen werden.297 Es folgt das Eheschließungsritual, das wiederum aus mehreren Teilen besteht, 7,12–14 nämlich aus a) der Zuführung mit „Einhändung“, b) dem Antrauungsakt, c) dem Trausegen, d) der Beurkundung der Antrauung und e) dem Antrauungsmahl. a) Zunächst wird von der Zuführung der Braut berichtet, die in der „Einhändung“ ihren rituellen Ausdruck findet. Die Aussage „indem er ihre Hand nahm, gab er sie ihm“ (7,12a) ist dabei – so Ulrich KELLERMANN – „zweideutig. Nimmt Raguël seine Tochter nur an der Hand, um sie Tobias als Frau zuzuführen oder legt er auch mit einer Symbolhandlung deren Hand in die Hand des Tobias?“298 Erst die späteren Versionen werden hier für Klarheit sorgen. b) Nun spricht Raguël die Antrauungsformel. Noch einmal fordert er Tobias auf, seine Tochter zur Frau zu nehmen; auch jetzt erfolgt – wenn auch in etwas anderer Diktion – der Rekurs auf die Tora des Mose.299 Deutlich wird auch, dass Sara ihr Elternhaus verlassen muss und bei Tobias’ Familie leben soll (7,12b). Die Antrauungsformel erscheint in leicht abgewandelter Form und könnte, so KELLERMANN, ursprünglich folgendermaßen gelautet haben: „Sie ist dir gegeben nach der Tora des Mose in Ewigkeit“.300 c) Das Ritual findet mit dem Trausegen, einem Segenswunsch Raguëls, den dieser bereits zuvor in ausführlicherer Form dem Tobias zugesprochen hat (7,11c), seine Fortsetzung (7,12c). Nun wird die Risikosituation der bevorstehenden Hochzeitsnacht ausgeblendet, wenn es kurz und knapp heißt: „Und der Gott des Himmels möge euch in Frieden Gelingen schenken“. Die Gottesbezeichnung „Gott des Himmels“ ist auch in 5,17; 8,15 belegt (vgl. auch „Herr des Himmels“ in 6,18; 7,11; 7,17; 10,11).301 Nach KELLERMANN ist anzunehmen, dass zum „Gelingen“ der Ehe „vor allem zahlreiche (männliche) Nachkommenschaft zählt“ (so explizit 6,18; siehe auch 7,11f.).302 d) Der nächste Schritt im Eheschließungsritual ist das Ausstellen eines Heiratsvertrags (7,13). So befiehlt Raguël seiner Frau, ein Papyrus-Blatt (siehe hierzu TA 7,13a) zu bringen, auf das er den Ehevertrag schreiben kann. Allein die Tatsache, 297 SCHÖKEL, Domesticación, 10. 298 KELLERMANN, Eheschließung, 180. Zum Handgeben als Ritualakt ferner LOADER, Sexuality, 174. 299 JACOBS, Scribal Innovations, 592f.600.606, erklärt die häufigen Wiederholungen mit kleinen Abweichungen als „scribal activities“; zum Gesetz des Mose generell und zum Gebotsgehorsam siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 300 KELLERMANN, Eheschließung, 181: „Wenn man die Inhaltsangabe der Heiratsurkunde nach Tob 7,13 ‚dass er sie ihm zur Frau gebe nach der Bestimmung des Mosegesetzes‘ in die Darstellung des Verlaufs der Antrauung miteinbezieht, findet sich in den Versen 11–13 insgesamt viermal die Antrauungsformel, die offensichtlich jeweils aus der Erzählung heraus erweitert ist, indem deren Leitthemen (göttliche Vorherbestimmung der Ehe, Heirat nach der Erbtöchtertora, endogamisch begründete Geschwisterschaft) hier einfließen“. 301 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328. Zu den Gottesbezeichnungen siehe die Einleitung im Abschnitt „Figuren der Handlung“. 302 KELLERMANN, Eheschließung, 185.

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dass sich in dem Haus Schreibmaterial befindet, deutet – so Geoffrey D. MILLER – auf den großen Wohlstand der Familie (siehe 8,19 und 10,10).303 Der Inhalt des Ehevertrags selbst wird in indirekter Rede nur in wenigen Worten wiedergegeben,304 aber es findet sich auch hier wieder – bereits zum vierten Mal – die sog. Antrauungsformel, wonach Raguël seine Tochter Tobias „zur Frau gebe nach dem Gesetz des Mose“. Eine Mitgift oder andere vermögensrechtliche Dinge, die man an dieser Stelle eigentlich erwarten würde, erwähnt der Erzähler nicht (siehe dagegen 8,21 und 10,10). Diese Passage ist damit ganz darauf ausgerichtet, die Torakonformität der Verbindung zwischen Tobias und Sara zu unterstreichen.305 Das Fehlen von Zeugen, die normalerweise in diesem Zusammenhang auftauchen müssten, könnte durch den Kontext erklärt werden, wonach Raguël, der ja im Stillen befürchtete, dass Tobias das gleiche Schicksal wie die anderen Männer treffen könnte, in der „Nicht-Öffentlichkeit“ agieren wollte.306 Zu überlegen ist aber auch, ob Azarias und Edna hier als Zeugen fungierten.307 Schließlich wäre auch eine rechtliche Konstruktion denkbar, wonach auch der Bräutigam den Heiratsvertrag unterschreiben konnte.308 Insgesamt fällt auf, dass Tobias in der gesamten Szenerie eine sehr passive Rolle spielt. e) Der Abschnitt schließt mit dem Hinweis auf das nun stattfindende Mahl („ἤρξαντο φαγεῖν καὶ πιεῖν“) (7,14). Damit wird die Szenerie von V. 9b („ἀνέπεσαν δειπνῆσαι“) wieder aufgenommen, sodass eine Rahmung um die gesamte Episode entsteht. Das Kapitel endet mit einer Schilderung der Vorbereitung für die Brautnacht. 7,15–17 Raguël befiehlt seiner Frau, die Brautkammer für die beiden herzurichten, wobei er sie ebenfalls als „Schwester“ anredet.309 Die Tränen der Mutter sind verständlich; über die emotionale Verfassung Saras bekommt die Leserschaft keine Informationen. Die Mutter verabschiedet sich von der Tochter mit einem Segensspruch, den man im vorliegenden Kontext durchaus auch als Ausdruck tragischer Ironie lesen kann.310 Wieder erscheint die Gottesbezeichnung „Herr des Himmels“ (siehe 6,18; 7,11; 10,11; vgl. „Gott des Himmels“ in 5,17; 7,12; 8,15).311

303 MILLER, Marriage, 114. 304 MOORE, 233, erklärt dies damit, dass der Autor interessiert gewesen sei „in telling his tale as effectively as possible“. Er hatte bereits die Szene mit der Vertreibung des Dämons vor Augen. „A description of legal matters would have impeded the mounting tension in his narrative. As any good storyteller knows, too much documentation can kill even the best tale.“ 305 MILLER, Marriage, 111. Zur Tora siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 306 MILLER, Marriage, 114. 307 KELLERMANN, Eheschließung, 188. 308 So bQid 9; siehe hierzu KELLERMANN, Eheschließung, 188. 309 Zur Anrede der Ehefrau als Schwester siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 310 SCHÖKEL, Domesticación, 10. 311 SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328; siehe hierzu auch die Einleitung im Abschnitt „Figuren der Handlung“.

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Buchinterne Bezüge Das Kapitel enthält die Motive „Brautwerbung“ und „Familie“ sowie den Bezug Überblick auf das Mosegesetz im Zusammenhang mit der Endogamie.312 Außerdem werden nun die Erzählfiguren Raguël und Edna eingeführt. Ednas Rolle ist, auch wenn die Figur eher von marginaler Bedeutung für die Erzählung ist, insofern interessant, da ihr Verhalten ihrer Tochter gegenüber sehr einfühlsam dargestellt wird.313 Insgesamt fallen die direkten Wiederaufnahmen ins Auge. Das Kapitel enthält Explizite Rückexplizite Rückverweise auf den bisherigen Verlauf der Erzählung, da nun die An- verweise ordnungen des Reisebegleiters bezüglich der Verheiratung mit Sara eingelöst werden. Die Ausführungen zu den Ehebestimmungen (vgl. „Verwandter“) und die Aussage, dass es keinem Menschen außer Tobit zusteht, Sara zu ehelichen (7,10), rekurrieren auf das Gespräch zwischen Tobias und dem Engel auf der Reise (6,13; siehe auch 3,17) und knüpfen auch an das Gebot in der Abschiedsrede des Vaters an (4,12f.). Außerdem erscheint auch hier wieder die Vorstellung, wonach das Endogamiegebot der Tora des Moses entspricht (siehe 6,13). Innerhalb der Erzählung wird die Information über die unglücklichen Hochzeitsnächte bereits zum dritten Mal eingespielt (7,11; vgl. 3,8; 6,14), und so verstärkt sich für die Leserschaft die Frage, ob dieses Problem denn überhaupt jemals überwunden werden kann.314 Die Emotionalität beim Eintreffen des Tobias im Hause Raguëls zeigt zudem die Bedeutung familiärer Strukturen für die Erzählung.315

Diachrone Analyse Der Aufbau des Dialogs, der bei der Begrüßung zwischen den Reisenden, Raguël 7,1–9a: Begrüund Edna stattfindet, hat seine literarische Vorlage in Gen 29,4–6, und zwar bis in ßungsszene einzelne Wendungen hinein.316 Gen 29,4–6

Tob 7,3–5

4 Und Jakob sprach zu ihnen: Brüder, woher seid ihr?

3 Und Edna fragte sie und sagte zu ihnen: Woher seid ihr, Brüder?

Sie sagten: Wir sind aus Haran.

Und sie sagten zu ihr: Wir sind von den Söhnen Naftali, die in Ninive in Gefangenschaft sind.

312 Siehe die Ausführungen in der Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 313 Zur Figur der Edna siehe SCHÖPFLIN, Women’s Roles, 178. 314 SCHELLENBERG, Suspense, 318f.: „The potent combination of iterative and repetitive reference to Sarah’s dilemma raises the stakes by imbuing her story with a troubling inertia: Can this pattern of tragedy really be overcome? As in a good detective story, where repetition is used to overdetermine ‘false clues’, the repetition of the fate of Sarah’s husbands encourages the reader to entertain a narrative possibility that will ultimately go unrealized.“ 315 Für die einzelnen Motive siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 316 Siehe hierzu die Gegenüberstellung der griechischen Texte bei NOWELL, Ancestral Story, 9–11; siehe auch VON HEIJNE, Messenger, 129, Anm. 58; MACHIELA/PERRIN, Genesis Apocryphon, 120; NOVICK, Biblicized Narrative, 761; WÉNIN, Matrimonio, 329–333.

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7,7b: Brautwerbung

7,12–14: Eheschließungsritual

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Gen 29,4–6

Tob 7,3–5

5 Er aber sagte: Kennt ihr Laban?

4 Und sie sagte zu ihnen: Kennt ihr unseren Bruder Tobit?

Sie aber sagten: Wir kennen ihn.

Und sie sagten zu ihr: Wir kennen ihn.

6 Er aber sagte: Geht es ihm gut?

5 Und sie sagte zu ihnen: Ist er wohlbehalten?

Sie aber sagten: Es geht ihm gut!

Und sie sagten zu ihr: Er ist wohlbehalten und er lebt.

Die Emotionalität der Begegnung (vor allem 7,6.7 Ende) erinnert an die Szene der Begegnung zwischen Jakob und seinem Bruder Esau (Gen 33,4) sowie an das Wiedersehen zwischen Josef und seinen Brüdern (Gen 45,14; 46,29). Raguëls Gastfreundschaft lässt an den Besuch der drei Männer bei Abraham und Sara denken (vgl. Gen 18,7). Das Motiv der Brautwerbung ist ein geläufiges Motiv in der biblischen Überlieferung. „Gewöhnlich wirbt der Vater des Bräutigams für seinen Sohn um die Braut […]. Die Werbung kann auch durch einen Beauftragten des Vaters in dessen Hause geschehen (Gen 24), selbst durch die Mutter (Gen 21,21), durch eine höhergestellte verwandte Vermittlerin (I Reg 2,3–18) und, wenn nicht anders möglich, durch den zukünftigen Ehemann selbst (Gen 28,1; 29,18; Hos 3,1f.; Philo Spec. III,65–71; JosAs 21,2).“317 Einen förmlichen Antrag des zukünftigen Schwiegersohnes dokumentieren bereits die Elephantine-Papyri. So heißt es – um nur ein Beispiel herauszugreifen – in Pap. Cowley 15 Z. 3: „Ich kam zu deinem Haus, dass du mir deine Tochter Miptiah zur Ehe gibst“; ganz ähnliche Formulierungen finden sich in Pap. Kraeling 2 Z. 3; Pap. Kraeling 7 Z. 3; Pap. Kraeling 14 Z. 3.318 Neubabylonische Heiratsverträge und das edomitische Ostrakon von 176 v. Chr. enthalten eine stereotype Formel, in der der Bräutigam seinen potentiellen Schwiegervater um seine Tochter bittet (z. B. „Bitte gib mir deine Tochter N. Lass sie [m]eine Frau sein“). Auch Joseph in JosAs 21 beabsichtigt nach seinem persönlichen und direkten Heiratsantrag an die Tochter des Pentephres, auch förmlich um sie bei ihrem Vater zu werben.319 Die Annahme des Antrags durch Raguël verweist intertextuell auf Gen 24,51, wo Laban zu Eliëser sagt: „Da ist Rebekka, nimm sie und zieh hin, dass sie die Frau des Sohnes deines Herrn sei, wie JHWH geredet hat.“ Eine Zusammenstellung der Vergleichstexte zum Eheschließungsritual in Tob findet sich in der Studie von Ulrich KELLERMANN.320 Neben den biblischen Überlieferungen Gen 24 und Gen 29,15–30 ist hier u. a. wieder auf die jüdischen Heiratskontrakte unter den Elephantine-Papyri aus dem 5. Jh. v. Chr. (so Pap. Cowley 15 Z. 3; Pap. Kraeling 2 Z. 3 und Pap. Kraeling 14 Z. 3)321 zu verweisen. Darüber hinaus 317 KELLERMANN, Eheschließung, 169, mit weiteren Belegen aus der rabbinischen Literatur ibid., 171. 318 KELLERMANN, Eheschließung, 176–179. 319 KELLERMANN, Eheschließung, 177. 320 KELLERMANN, Eheschließung, 120–126. 321 Belege bei KELLERMANN, Eheschließung, 121f. (Lit.); siehe besonders JOISTEN-PRUSCHKE, Leben der Juden von Elephantine.

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finden sich ähnliche Zeugnisse auch in neubabylonischen Texten aus dem Umfeld des Diasporajudentums in Babylonien, auf einem idumäischen Ostrakon von 176 v. Chr.,322 in Texten aus dem jüdischen Politeuma in Herakleopolis323 sowie in weiteren Belegen unterschiedlicher Provenienz. Insgesamt – so KELLERMANN – stimmen diese in „den Details eines vorauszusetzenden Hochzeitsrituals stark überein, obwohl sie einen Zeitraum von über sechs Jahrhunderten abdecken und aus den unterschiedlichsten Regionen jüdischer Existenz (Ägypten, Palästina, östliche Diaspora) stammen.“324 Vor diesem Hintergrund kann man annehmen, dass es eine Grundstruktur des Eheschlussritus gab, der für die griechisch-orientalische Welt generell belegt ist.325 Von einer Einhändung erzählt auch JOSEPHUS in Bell. I, 28, 3 [559], wo Herodes Einhändung eine solche Symbolhandlung bei der Vermählung seiner Kinder durchführt. Sehr feierlich ist das Element in JosAs 21,4f. beschrieben: „4 Und es sandte weg Pharao und rief den Pentephres, und er führte die Aseneth (her) und stellte sie vor Pharao. Und es sah sie Pharao und er erstaunte über ihre Schönheit und sprach: ‚Segnen wird dich der Herr, der Gott des Joseph, Kind, und es wird verbleiben diese deine Schönheit in die Ewigkeiten, denn gerechterweise erwählte dich der Herr, der Gott des Joseph, aus zu einer Braut dem Joseph, da er (selbst) der Sohn Gottes ist, der Erstgeborene, und du (selbst) wirst Tochter (des) Höchsten gerufen werden und Braut Josephs von jetzt (an) und bis in die Ewigkeit.‘ 5 Und es nahm Pharao den Joseph und die Aseneth und legte goldene Kränze auf ihre Häupter […]. Und es stellte Pharao die Aseneth zu(r) Rechten des Joseph“ (mit kleinen Änderungen nach der Übersetzung von BURCHARD, Joseph und Aseneth, 696).

Ulrich KELLERMANN geht davon aus, dass man bereits in alttestamentlicher Zeit Antrauungs„die Antrauung durch den Bräutigam mit einer festen Formel voraussetzen“326 formel darf. Dabei stützt er seine Annahme auf die Existenz einer Scheidungsformel (vgl. Hos 2,4: „Sie ist nicht meine Frau, und ich bin nicht ihr Mann“) und das Recht des Mannes, einen Scheidebrief auszustellen (siehe Dtn 24,1–4). Zahlreich sind die Belege für den Antrauungsakt aus den Dokumenten der frühjüdischen Literatur, sowohl ägyptischer als auch palästinischer Provenienz. Bemerkenswert ist, dass in einzelnen Texten auch eine Referenz auf die Mosetora erfolgt (siehe die Urkunde von Muraba‛ât 20 ar. Z. 3: „Du wirst meine Braut sein entsprechend dem Gesetz des Mose“; die Urkunde von Naḥal Ḥever Pap. Yadin 10 Z. 4f.: „dass du mir zur Ehefrau seiest entsprechend dem Gesetz des Mose und dem Gesetz der J[udäer]“; siehe auch tKet 4,9; pYev 15,3 [14d]).327 Die konkrete Referenz auf das Gesetz des Mose lässt sich in der Überlieferung der Hebräischen 322 KELLERMANN, Eheschließung, 122, siehe ESHEL/QLONER, Aramaic Ostracon, 1–22. 323 KELLERMANN, Eheschließung, 123; siehe insbesondere COWEY/MARESCH, Urkunden des Politeuma. Für weitere Belege siehe KELLERMANN, Eheschließung, 121–126. 324 KELLERMANN, Eheschließung, 133; zum Ganzen siehe auch ROTH, Babylonian Marriage Agreements. 325 KELLERMANN, Eheschließung, 133. 326 KELLERMANN, Eheschließung, 181. 327 Siehe die Zusammenstellung der Belege bei KELLERMANN, Eheschließung, 182 (Lit.). Den Bezug zur Tora unterstreicht MILLER, Marriage, 112f. (Lit.); siehe auch COLLINS, Marriage, 110. Dieser Beitrag bietet auch einen guten Überblick zum Thema „Ehe“ im antiken Judentum.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Bibel nicht verifizieren, und so ist anzunehmen, dass „es sich hier um eine allgemeine Wendung zur Bezeichnung der Übereinstimmung mit dem traditionellen jüdischen Brauchtum handelt.“328 In diesen Verträgen ist es aber im Unterschied zu Tob immer der Bräutigam, der gegenüber der Braut oder gegenüber dem Brautvater die Antrauung ausspricht. Wenn sich jedoch in der frühjüdischen und rabbinischen Literatur auch einzelne Belege für eine Antrauung durch den Vater finden (so in der Herakleopolis-Urkunde Cowey/Maresch Nr. 4 aus dem Jahr 134 v. Chr.; siehe auch mQid 3,7–9; tQid 4,10f.; pQid 1,2 [59a] 43–48; JosAs 21,5–7), liegt es nach KELLERMANN nahe, dass der Erzähler sich im vorliegenden Kontext „an eine ältere und im Judentum weniger geübte Praxis der Antrauung der Tochter durch den Vater anlehnt“.329 Segen Ein Hinweis auf einen Trausegen findet sich auch in Rut 4,10–13: Nachdem Boas erklärt hat, Rut zur Frau erworben zu haben, segnet die versammelte Volksgemeinde im Tor Braut und Bräutigam. Es ist zu vermuten, dass dieser „Segen … wohl als ein bereits älterer Ritualtext vom Verfasser des Ruthbuches eingefügt“ wurde.330 Eine ähnliche Struktur weist auch JosAs 21,5–7 auf, wo der Pharao „nach Art des biblischen Mehrungssegens“ für die Erzväter „unter Handauflegung wie ein jüdischer Brautvater ebenfalls seinen Segen“ spricht.331 Urkunde Da in der Urkunde bei Tobit besitzrechtliche Aspekte fehlen, plädiert KELLERMANN dafür, hier nicht von einer „Ketubba“ auszugehen, sondern vielmehr von einem Ehevertrag, der einem shetar ha-qiddushim entspricht.332 Eine solche Form einer rechtlichen Urkunde begegnet ansonsten sehr selten (so z. B. pQid 1,2 [59a]; mBB 10,4; Ḥev/Se 69 pap gr; Pap. Yadin 18)333 und wurde später in die Vertragsform der Ketubba aufgenommen. Wenn man dieser Einschätzung zustimmen möchte, kann der Beleg an dieser Stelle als „die bisher älteste jüdische Bezeugung“ einer Urkunde dieser Art gelten. Diese Überlieferung stellt außerdem bislang den frühesten Beleg für die Verwendung der Formel „nach dem Gesetz des Mose“ in einem offiziellen Ehedokument dar.334

Synthese Das Kapitel führt den Handlungsstrang der Eheschließung von Tobias und Sara weiter. Tobias und sein Reisebegleiter kommen in Ekbatana an und gelangen dort zum Hause Raguëls. Tobias wird als Verwandter erkannt, und es folgt eine emotionale Begrüßung, bei der Raguël Tobias segnet. Am Ende kommt es zu einem gast328 KELLERMANN, Eheschließung, 184. 329 KELLERMANN, Eheschließung, 183 (Hervorhebungen i. O.); ibid., werden auch die hier genannten Belege kurz vorgestellt; siehe auch KELLERMANN, Eheschließung, 186, mit Verweis auf FALK, Introduction to Jewish Law, 281. 330 KELLERMANN, Eheschließung, 184. 331 KELLERMANN, Eheschließung, 185. 332 KELLERMANN, Eheschließung, 182.189.191. Auch FITZMYER, 235; LITTMAN, 123, und MOORE, 223, weisen nachdrücklich darauf hin, dass es sich bei diesem Dokument nicht um eine Vertragsform handelt, die der klassischen Ketubba entspricht. 333 KELLERMANN, Eheschließung, 191. 334 MILLER, Marriage, 113.

Die Vertreibung des Dämons und eine glückliche Hochzeit (8,1–21)

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freundschaftlichen und reichlichen Mahl (7,1–9a). Diese Begrüßungsszene zeigt wieder die Bedeutung der Familie und die Emotionalität der Darstellung. Im zweiten Teil des Kapitels findet ein Gespräch zwischen Tobias und dem Brautvater statt (7,9b–17). Tobias bittet um die Hand der Sara, woraufhin der Brautvater ihn über deren Schicksal aufklärt, aber auch unterstreicht, dass die Eheschließung zwischen den beiden „nach dem Gesetz und nach der Bestimmung, die im Buch des Mose geschrieben steht“ (7,11), erfolgen solle. Damit wird wieder das Endogamiegebot eingespielt, auf das der Engel Tobias bereits in dem Gespräch im vorigen Kapitel vorbereitet hat (siehe 6,13). Zudem wird ein Heiratsvertrag abgefasst (7,9b–17). Das Eheschließungsritual folgt einem bestimmten Muster, das aus den Elementen „Zuführung und Einhändung“, „Antrauungsakt“, „Segnung“ und „Beurkundung der Antrauung“ besteht. Die zahlreichen Parallelen in Texten aus der Hebräischen Bibel, den Elephantine-Papyri sowie u. a. auf Ostrakabelegen in Idumäa und in Herakleopolis lassen auf eine Grundstruktur des jüdischen Eheschließungsrituals schließen, die im gesamten griechisch-orientalischen Raum zu finden ist. Bemerkenswert für die Überlieferung des Buches ist, dass diese den ältesten Beleg für einen Ehevertrag enthält und dass hier die ältere Tradition einer Antrauung der Tochter durch den Vater erhalten geblieben ist.

Die Vertreibung des Dämons und eine glückliche Hochzeit (8,1–21) Die Vertreibung des Dämons und die Hochzeitsnacht (8,1–18) 1 Und als sie aufgehört hatten zu essen und zu trinken, wollten sie sich schlafen legen. Und sie holten den jungen Mann und führten ihn in die Kammer. 2 Und Tobias erinnerte sich der Worte Rafaëls und nahm die Leber des Fisches und das Herz aus dem Beutel, den er [mit sich] trug, und legte sie auf die Gluta des Räucherwerks. 3 aUnd der Geruch des Fisches hielt [den Dämon] zurück, und der Dämon rannte weg hinauf in das Gebiet Ägyptens, und Rafaël ging los und band ihm dort die Füße und fesselte ihn auf der Stelle.a 4 a aUnd sie gingen hinaus und verschlossen die Tür der Kammer.a b Und Tobias erhob sich vom Lager c und sagte zu ihr: bSchwester, steh auf, wir wollen beten und unseren Herrn bitten, dass er uns Barmherzigkeit und Heil gewähre.b 5 a Und sie stand auf, und asie begannen zu betena und zu bitten, dass ihnen Heil zuteil werde, b und er begann zu sagen: c Gepriesen bist du, Gott unserer Väter, d und bgepriesen sei dein Nameb in alle Ewigkeiten des Geschlechts! e Es sollen dich preisen die Himmelc und deine ganze Schöpfungd in alle Ewigkeiten! 6 a Du hast den Adam erschaffen b und ihm als Hilfe und Stütze seine Frau Eva erschaffen,

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

c und aus beiden erstand das Geschlecht der Menschen. d Und du sagtest: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, e wir wollen ihm eine Hilfe schaffen, die ihm gleich ist.“ 7 a Und nuna, nicht aus unreiner Begierde nehme ich diese meine Schwester, sondern baus reiner Gesinnungb. b cBefiehl, dass ich und sie Gnade finden und wir gemeinsam zusammen alt werdenc. 8 Und sie sagten miteinander: Amen, Amen! 9 a Und sie legten sich für die Nacht schlafen. b Und Raguël stand auf und rief die Knechte zu sich, und sie gingen und hoben ein Grab aus. 10 Er sagte nämlich: Dass er nicht etwa sterbe und wir zu Spott und Schmach werden! 11 Und als sie mit dem Ausheben des Grabes fertig waren, aging Raguëla ins Haus und rief seine Frau 12 und sagte: Schicke aeine der Mägdea, und sie soll hineingehen und sehen, ob er [noch] lebt. bFalls er gestorben sein sollte, müssen wir ihn schnell begraben, damit niemand es erfährtb. 13 Und sie schickten die Magd und zündeten die Lampe an und öffneten die Tür, und sie ging hinein und fand sie ruhend und gemeinsam schlafend. 14 Und die Magd ging hinaus und teilte ihnen mit, dass er lebe und dass nichts Schlimmes [geschehen] sei. 15 a Und asie priesena den bGott des Himmelsb und sagten: b Gepriesen bist du, Gott, cin jedem reinen Preisliedc. c dPreisen soll man dich in alle Ewigkeiten.d 16 Und gepriesen bist du, dass du mich mit Freude erfüllt hast und dass nicht geschehen ist, wie ich vermutete, sondern nach deiner großen Barmherzigkeit hast du mit uns getan. 17 a aUnd gepriesen bist du, dass du zwei einziggeborenen [Kindern] barmherzig warst. b Gewähre ihnen, Herrscher, Barmherzigkeit und Heil und vollende ihr Leben mit Freudeb und Barmherzigkeit.a 18 Dann befahl er seinen Knechten, das Grab zuzuschütten, bevor es Morgen werde. 19 aUnd seiner Frau befahl er, viele Brote zu backen.a Und er ging zur Rinderherde und brachte zwei Rinder und vier Widder und befahl sie herzurichten, und sie begannen mit der Zubereitung. 20 Und er rief Tobias und sagte zu ihm: a Vierzehn Tage darfst du nicht von hier fort, sondern du sollst hier bleiben, mit mir essen und trinken und die betrübte Seele meiner Tochter erfreuen.a 21 Und was mir gehört – nimm davon die Hälfte und kehre wohlbehalten zurück zu deinem Vater! Und die andere Hälfte gehört euch, wenn ich und auch meine Frau gestorben sind. Sei getrost, Kind, ich bin dein Vater, und Edna ist deine Mutter, aund wir sind bei dir und bei deiner Schwestera von nun an bis in Ewigkeit. Sei getrost, Kind.

Die Vertreibung des Dämons und eine glückliche Hochzeit (8,1–21)

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Anmerkungen zu Text und Übersetzung 8,2a 8,3a–a 8,4a–a

8,4b–b 8,5a–a 8,5b–b 8,5c 8,5d

8,7a 8,7b–b 8,7c–c 8,11a–a 8,12a–a 8,12b–b 8,15a–a 8,15b–b 8,15c–c

8,15d–d

Griech.: τέφρα; wörtl.: „Asche“; Vg. hat „carbones vivo“; siehe auch Tob 6,17. In GI fehlt der Hinweis, dass der Dämon durch den Geruch zurückgehalten wird; der Dämon flieht „in die obersten Gegenden Ägyptens“. Vielleicht erklärt sich die Lesart dadurch, dass GI in Alexandria entstand. Manche Ausleger wollen annehmen, dass dieser Satz ursprünglich direkt an Tob 8,1 anschloss; er soll beim Abschreiben wegen Homoioteleuton übersehen und dann bei der nächsten passenden Gelegenheit eingefügt worden sein (so ZIMMERMANN, 92; vgl. dagegen MOORE, 237). Vg. hat hier wieder das Motiv des dreitägigen Gebets vor der Hochzeitsnacht; siehe Tob 6,16–22 Vg. und die Einleitung. GI hat den Singular, und es wird nur aus dem Kontext deutlich, dass beide das Gebet sprechen. GI verändert wiederum die Gottesanrede, wenn es heißt: „[…] gepriesen sei dein heiliger und herrlicher Name […]“. Die Einfügung des Adjektivs „heilig“ verweist auf eine Tendenz, die GI auch in 3,11; 8,15 und 12,12 zeigt. οὐρανός im Plural ist ein Hebraismus. Griech.: ἡ κτίσις; der Begriff erscheint nur in den Apokryphen; siehe 8,15 sowie Jdt 9,12; 16,14; Weish 2,6; 5,17; 16,24; Sir 16,17; 43,25[27]; 49,16[19]; PsSal 8,7. Er „bezeichnet die Gesamtheit der geschaffenen Werke Gottes mit Einschluß der Himmel und auch der Menschen“ (SCHUMPP, 172). GI ergänzt in der Unschuldsbeteuerung die Anrede „Herr“. Griech.: ἐπ᾿ ἀληθείας; wörtl.: „der Wahrheit gemäß, in Aufrichtigkeit“. GIII enthält hier auch einen Wunsch nach Kindern und Segen. Griech.: ἦλθεν Ραγουηλ; die Wortordnung deutet auf einen Hebraismus hin. Griech.: μία τῶν παιδισκῶν; dabei handelt es sich um einen Genitivus partitivus. Wörtl.: „Und wenn er gestorben ist, dass wir ihn begraben, dass niemand es erfährt“. Während in GII das Danklied für die Errettung von einer Mehrzahl von Menschen – wahrscheinlich von Raguël, seiner Frau und den beiden Brautleuten, vielleicht auch der Magd – gesprochen wird, nennt GI nur Raguël als Sprecher. GI ersetzt den „Gott des Himmels“ durch die einfache Bezeichnung „Gott“ und zeigt somit auch hier die Tendenz, die Rede vom Himmelsgott zurückzunehmen (siehe auch 6,18; vgl. 7,17). GI liest hier: „in jedem reinen und heiligen Preislied.“ GI verwendet auch in 3,11; 8,5 und 12,12 das Adjektiv „heilig.“ VL liest wie GI; nach MOORE, 240, u. a. ist diese umfangreichere Version ursprünglicher als die Lesart in Ms. Sinaiticus; vgl. dagegen FITZMYER, 249; LITTMAN, 127. GI liest hier: „(A) Es sollen dich preisen (B) deine Heiligen (C) und alle deine Geschöpfe // (D) und alle deine Engel (E) und deine Erwählten, (F) sie sollen dich preisen in alle Ewigkeiten.“ In der Benediktion kommen ganz unterschiedliche Aspekte zum Ausdruck. Da sich der Ausdruck „Heilige“ (so B) (griech.: ἅγιος; hebr.: ‫ )קדושׁ‬in der biblischen Überlieferung sowohl auf Wesen der himmlischen Welt beziehen (Ps 89,6; Dan 7,18) als auch mit dem Gottesvolk verbunden werden kann (so in MT eindeutig Dtn 33,3; Ps 16,3; 34,10; siehe auch Dan 3,87LXX), bleibt es zunächst offen, wer die Adressaten des Lobaufrufes sind. Interessant ist, dass GI wieder auf den Begriff „heilig“ rekurriert. Mit dem Begriff der Erwählten (griech.: ἐκλεκτός; hebr.: ‫ )בחיר‬klingt die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk an (siehe auch 1 Chr 16,13; Jes 65,9; Ps 105 [104LXX],43; 106[105LXX],5). In der Annahme, dass die einzelnen Glieder dieser Benediktion in ihrer Anordnung einer gewissen Logik folgen, erscheint es vor dem Hintergrund der Entsprechung von B und D plausibel,

232

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

8,17a–a 8,17b 8,19a–a 8,20a–a 8,21a–a

den Begriff der Heiligen auf himmlische Wesen zu deuten. Der Lobaufruf bestünde dann aus einem doppelten Parallelismus membrorum, der in jedem Teil sowohl die himmlische Welt (B und D) als auch die irdische Welt (C und E) zum Lobpreis aufruft. Den äußeren Rahmen bilden die verbalen Formulierungen „καὶ εὐλογείτωσαν“ (A und F); siehe auch die Strukturdarstellung bei DESELAERS, Buch Tobit, 158. Der entsprechende Abschnitt Tob 8,19 Vg. enthält das Motiv, dass Tobias und Sara mit ihrem Lobpreis als Zeugen vor den Völkern auftreten. Griech.: μετ᾿ εὐφροσύνης hat eine Entsprechung in 4Q197 5 1: (‫ ;ולח)דוה‬siehe HALLERMAYER, Text, 124f. In GI erscheint die Frau als Akteurin nicht mehr. GI hat hier das Motiv, dass Raguël Tobias „unter einem Schwur“ abverlangt, er dürfe nicht weggehen, bis die vierzehn Tage der Feierlichkeiten vorüber sind. LITTMAN, 129, übersetzt wörtlich „we are to you and to your wife“ und schlägt vor, den Satz folgendermaßen zu verstehen: „‚we are to you (in the same relationship) as to your wife‘, that is, we are your parents in the same way as we are our daughter’s parents.“

Synchrone Analyse Gliederung und Struktur Gliederung Das Kapitel erzählt von der Hochzeitsnacht Tobias’ und Saras. Diese wird von zwei

Seiten aus betrachtet: Nach der Einführung hat Tob 8,1–9a die Innenperspektive im Blick, wohingegen Tob 8,9b–18 die Außenperspektive einnimmt und die Ereignisse darstellt, die zeitgleich zum Geschehen in der Brautkammer bei den Brauteltern geschehen. Der Abschnitt schließt mit dem Antrauungsmahl (8,19–21). 8,1–9a 8,1–4a 8,4b–8 8,9a

Die Innenperspektive: Die glücklichen Ereignisse in der Brautkammer Die Vertreibung des Dämons Das Gebet der Brautleute Der Schlaf der Brautleute

8,9b–18

Die Außenperspektive: Das Grab für Tobias und das glückliche Auffinden der Brautleute 8,9b–10 Die Knechte schaufeln ein Grab für Tobias 8,11–14 Die Magd findet die Brautleute unversehrt 8,15–17 Der Lobpreis der Brauteltern 8,18 Die Zuschüttung des Grabes

8,19–21

Das Antrauungsmahl

Struktur Das Kapitel ist kunstvoll aufgebaut: Es besteht ein großer Spannungsbogen vom

Anfang des Kapitels bis zum Schluss, der mit dem Hineinführen Tobias’ in die Brautkammer beginnt und mit dem Antrauungsmahl endet; ein kleinerer Einschnitt erfolgt durch den Schlaf der Brautleute (8,9a). Im zweiten Teil wird durch

Synchrone Analyse

233

das Motiv des Grabes innerhalb des Kapitels ein Spannungsbogen eröffnet (8,9b) und auch abgeschlossen (8,18).

Einzelanalyse Nachdem Tobias (und es ist zu ergänzen „und Sara“) von den Brauteltern in ihre 8,1–9a Kammer gebracht worden sind (8,1),335 wird – unter Aufnahme des Erzählfadens von Tob 6,8.17 – von der erfolgreichen Vertreibung des Dämons erzählt (8,2–4a).336 Daran schließt das Gebet der Brautleute (8,4b–8) und ihr seliger Schlaf (8,9a). Es fällt der knappe und nüchterne Stil auf, der sich in der parataktischen 8,2–4a Aneinanderreihung kurzer Sätze äußert. Ohne viel Aufhebens zu machen führt Tobias den Rat Rafaëls aus, den dieser ihm bei seiner Reise gegeben hat, und legt die Fischinnereien aufs Feuer, woraufhin der Dämon flüchtet. Da Räucherungen auch antiinfektiöse Wirkungen haben können, passt dieser zu der Vorstellung, dass Asmodäus ein Dämon ist, der als Konzeptionierung einer ansteckenden Krankheit verstanden werden kann. Man hat den Eindruck, dass der Dämon gewissermaßen auf natürliche Art und Weise vertrieben wird.337 Ein Kampf zwischen Engel und Dämon scheint nicht stattzufinden, von „dem eigentlichen Höhepunkt der Geschichte wird vielmehr antiklimaktisch berichtet.“338 Zudem „ist die Verfolgung des Dämons ein ‚Spaziergang für Rafael‘: Der gebannte Dämon ‚rennt davon‘ (ἀποτρέχω), aber Rafael ‚schreitet‘ (βαδίζω) ihm einfach hinterher und scheint ihn ohne Mühe einzuholen und fesseln zu können.“339 Einzig in Tob 8,3 handelt Rafaël selbst, indem er den Dämon verfolgt und bindet.340 Während das Motiv der Vertreibung des Dämons durch den Geruch der verbrennenden Fischinnereien bereits aus 6,8.17 bekannt ist, erscheint hier als neues Element das Motiv der Bindung des Dämons durch den Engel in Ägypten. So wird die Vertreibung Asmodäus’ dauerhaft garantiert. Diese lokale Angabe erklärt sich wohl damit, dass Ägypten von Ekbatana, dem Ort der Handlung selbst, denkbar weit entfernt liegt.341 Zudem gilt die Wüste als typischer Aufenthaltsort von Dämonen.342 Wenn man den Text in seiner vorliegenden Gestalt beibehält, 335 KELLERMANN, Eheschließung, 200, sieht die Eltern hier auch in der Rolle als Zeugen: „Sie führen zunächst ihre Tochter und anschließend Tobias in das von ihnen vorbereitete Brautgemacht und bangen hernach im Haus geradezu vor der Tür abwartend um das Gelingen.“ 336 Zu diesem Abschnitt siehe FREY-ANTHES, Unheilsmächte, 296–299; SCHNUPP, Schutzengel, 77–81. 337 BOHAK, Ancient Jewish Magic, 112. 338 FREY-ANTHES, Unheilsmächte, 297. 339 FREY-ANTHES, Unheilsmächte, 298. 340 SCHNUPP, Schutzengel, 81; vgl. MOORE, 241, der den knappen Erzählstil als Korruptheit des Textes erklären möchte bzw. damit, dass der Ausgang der Episode vor dem Hintergrund von Tob 3,16f. dem Leser sowieso bekannt ist. 341 DESELAERS, Buch Tobit, 328. Zu Implikationen dieser Angaben für die Herkunft der Erzählung siehe ibid., 331; siehe hierzu auch die Einleitung im Abschnitt „Datierung und Entstehungsort“. 342 So z. B. DESELAERS, Buch Tobit, 337.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

verlassen die Brauteltern erst im Anschluss an das Räucherritual und die Vertreibung des Dämons den Raum, „und niemand scheint bemerkt zu haben, welch dramatische Ereignisse sich in der transzendenten Sphäre in ihrer Gegenwart abgespielt haben.“343 Da der Dämon mit seiner tödlichen Aggression gegenüber den Ehemännern der Sara letztlich der Zukunft des gesamten Volkes und der Realisierung der Toratreue entgegenwirkt, hat seine Vertreibung auch kollektive Dimensionen.344 8,4b–8 Der knappen Schilderung von der Vertreibung des Dämons steht nun das ausführlich wiedergegebene Gebet Tobias’ und Saras als Kontrast gegenüber. Mit einem adhortativen Konjunktiv in der 1. Pers. Pl. fordert Tobias Sara, die wieder als Schwester angesprochen wird (vgl. 6,15; 7,9.11; siehe auch 8,7.21; 10,6.12), auf, sich vom Lager zu erheben, um ein Gebet zu sprechen und Gott um Barmherzigkeit zu bitten (8,4c; zum Stehen als üblicher Gebetshaltung siehe zu 6,18). Tobias’ Gebet, das wörtlich wiedergegeben wird, legt es nahe, die Bitte um die Barmherzigkeit Gottes auf die anstehende eheliche Verbindung in der Hochzeitsnacht sowie auf die Ehe der beiden zu beziehen.345 Auch wenn Tobias durch die Einleitung (8,5b) als alleiniger Sprecher des Gebets vorgestellt wird, so verweist die Wendung „und sie begannen zu beten“ (8,5a) sowie das gemeinsame Amen (8,8) auf den gemeinsamen Horizont dieses Gebets.346 Das Gebet selbst besteht aus mehreren Teilen: einer Benediktion (8,5c.d.e.), einem Rückblick auf die Erschaffung der beiden ersten Menschen (8,6), einer Unschuldsbeteuerung (8,7a), der Bitte um Gnade und darum, gemeinsam alt werden zu dürfen (8,7b) sowie dem abschließenden zweimaligen Amen (8,8).347 Das Gebet beginnt mit einer dreiteiligen Benediktion. Nach der direkten Anrede in der 2. Pers. „Gepriesen bist du, Gott unserer Väter“ (8,5c) folgt der Lobpreis des Namens Gottes, ebenfalls in der 2. Pers. Sg. (8,5d); der Lobaufruf an die gesamte Schöpfung in der 3. Pers. Pl. im Aorist (8,5e) schließt diese Gebetseinleitung ab. Durch die Gottesbezeichnung „Gott unserer Väter“ wird die geschichtliche Dimension des Gottesbildes deutlich. „Dieser Gottestitel stellt Tobias in die lange

343 FREY-ANTHES, Unheilsmächte, 297; siehe auch DESELAERS, Buch Tobit, 147. 344 Zum kollektiven Aspekt der Erzählung siehe die Einleitung. 345 MILLER, Marriage, 141f. Vgl. STUCKENBRUCK, Deliverance Prayers, 162, der das anschließende Gebet in Tob 8,4–8 der Gattung „prayer for deliverance“ zuordnet. Das Spezifikum an dieser Stelle liege aber darin, post eventum gesprochen zu werden und zudem solle es den Dämon von einer Rückkehr abhalten. Problematisch bei diesen Ausführungen ist allerdings, dass das Gebet den Dämon an keiner Stelle erwähnt. 346 KELLERMANN, Eheschließung, 154. Ganz knapp zu diesem Gebet MCDOWELL, Prayers of Jewish Women, 82. Der Autor betont, dass hier auch eine Frau zum Gebet aufgefordert wird; vgl. DESELAERS, Buch Tobit, 149, der von einer „wachsenden Gemeinsamkeit“ zwischen Tobias und Sara ausgehen möchte. 347 Vgl. MILLER, Marriage, 140, der allerdings die Unschuldsbeteuerung nicht als eigenes Element nennt. Die Ausführungen des Autors zum vorliegenden Kapitel finden sich auch in MILLER, Match. Zur Dreiteilung des Gebets siehe auch DESELAERS, Buch Tobit, 149–154 (auf der Basis von GI, was allerdings im Hinblick auf die Struktur keinen Unterschied macht).

Synchrone Analyse

235

Reihe der Väter, die auf JHWH vertraut und von ihm Schutz erfleht haben.“348 Dem entspricht – nach dem Lobpreis des Namens Gottes „in alle Ewigkeiten“ (siehe zu 3,11) – als Kontrapunkt der Lobwunsch an den Himmel und an die Schöpfung (8,5e). Die Wendung „Gott unserer Väter“ erinnert zudem an Tobits Gebet, in dem er auf die Sünden der Väter verweist (3,3.5). In seiner Abschiedsrede wiederum bezieht sich der Ausdruck auf die Patriarchen und auf Noach (4,12). Zudem fällt der enge formale Bezug zum Gebet Saras auf, wo ebenfalls zunächst am Anfang der Lobpreis Gottes steht, gefolgt vom Preisen seines Namens und vom Lobpreis der ganzen Schöpfung. Während dort „alle Werke“ zum Lob Gottes aufgerufen werden (3,11), findet sich hier mit dem Parallelismus membrorum „die Himmel und deine ganze Schöpfung“ (8,5e) eine eindeutige Steigerung. Es folgt der Rückgriff auf die Überlieferung von der Erschaffung der ersten beiden Menschen (8,6). Der erste Teil bildet eine Art Collage aus Gen 2,7, Gen 2,18LXX und der freien Formulierung des Autors, wonach aus Adam und Eva die Menschheit entstanden ist. Zudem wird zu dem bereits in Gen 2,18 gebrauchten Ausdruck „Hilfe“ (βοηθός) der Begriff „Stütze“ (στήριγμα) ergänzt. Während im Schöpfungsbericht der Genesis ‫ האדם‬im Sinne eines Gattungsnamens verwendet wird, macht der Autor diesen zu einem Personennamen und spricht von „Adam und Eva“ als einem uranfänglichen Einzelpaar (siehe auch Gen 3,20; 4,1.25; 5,1f.).349 Daran schließt, eingeleitet mit „Und du sagtest“, ein fast wörtliches Zitat aus Gen 2,18LXX an (8,6d–f). Einziger Unterschied zur biblischen Vorlage ist, dass es hier ὅμοιος αὐτῷ (so Gen 2,20LXX) heißt, während Gen 2,18LXX κατ᾿ αὐτόν liest.350 Es folgt die Unschuldsbeteuerung Tobias’, in der er seine „reine Gesinnung“ (ἀλήθεια; siehe TA 8,7b–b) der „unreinen Begierde“ (πορνεία) gegenüberstellt. Angesichts der Referenz auf das erste Menschenpaar soll damit wohl zum Ausdruck gebracht werden, dass die geschlechtliche Verbindung von Mann und Frau dem Schöpfungswillen Gottes entspricht und eben nicht Ausdruck von πορνεία ist.351 Insofern der Begriff πορνεία in Tob 4,12 im Kontext der Exogamie verwendet wird, klingt hier im Buchkontext auch an, dass Tobias den Wunsch seines Vaters nach einer endogamen Verbindung erfüllt (zur Endogamie siehe zu 3,15).352 Tobias schließt in Tob 8,7b mit dem Wunsch, gemeinsam mit Sara alt zu werden, womit er seine große Liebe zu seiner Braut zum Ausdruck bringt.353 348 So DESELAERS, Buch Tobit, 150; siehe auch FRÖHLICH, Creation, 41; XERAVITS, Tobiah’s Journey, 89. 349 KELLERMANN, Eheschließung, 139; siehe u.a. auch SCHÜNGEL-STRAUMANN, 135f. 350 Zu den biblischen Bezügen siehe u. a. KELLERMANN, Eheschließung, 139; LOADER, Sexuality, 177; MILLER, Marriage, 141; siehe hierzu auch FRÖHLICH, Creation, 42f.; VAN RUITEN, Creation, 37f.; WILLS, Jewish Novel, 82f. 351 FRÖHLICH, Creation, 42; SCHÜNGEL-STRAUMANN, 136. KELLERMANN, Eheschließung, 139, sieht die Funktion des Verweises auf das erste Menschenpaar in einer Legitimierung der Einehe. Allerdings stellt der allgemeine Kontext des Abschnittes vor die Frage, ob hier nicht die Legitimierung des geschlechtlichen Umgangs von Mann und Frau in der Ehe im Fokus steht, die sich letztlich mit gewissen asketischen Tendenzen auseinanderzusetzen hat. 352 MILLER, Marriage, 47f. 353 So MILLER, Marriage, 143 („tender love“).

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8,9b–18 8,9b–10

8,11–14

8,15–17

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Das Gebet endet in Tob 8,8 mit einem zweifachen Amen (so traditionell als Gebetsabschluss z. B. in Ps 41,14; 72,19; 89,53; 105,48LXX), das die beiden gemeinsam sprechen. Die Notiz, dass sich beide schlafen legen (8,9a), deutet an, dass die Ehe vollzogen wurde.354 Dabei handelt es sich wohl um eine sog. Bî’āh-Ehe, bei der die Rechtsgültigkeit des Eheschlusses durch den vollzogenen Beischlaf gegeben ist. Die Erzählung erinnert mit dieser wohl ältesten Form des Eheschlusses an Passagen aus der Erzelternerzählung (Gen 29,21–23; Gen 38,2) bzw. dem dtn. Gesetz (Dtn 21,13; 25,5–10).355 Ein weiterer Abschnitt blickt auf die Außenperspektive der Hochzeitsnacht. Wenn der alte Raguël während der Hochzeitsnacht ein Grab für Tobias ausheben lässt, um Tobias ggf. schnell und heimlich bestatten zu können, entbehrt dies nicht einer gewissen dramatischen Ironie, insofern die Leser ja bereits wissen, dass Tobias gerettet wurde.356 Es bleibt aber ein Spannungsmoment in der Frage, wann Raguël dessen gewahr werden wird. Der Kontrast zwischen dem Festmahl und den Beerdigungsvorbereitungen ist hart; auch darin liegt eine gewisse Spannung. Dass hier schlicht eine Leiche versteckt werden soll, steht in deutlichem Kontrast zu anderen Passagen, die das Thema „Bestattung“ unter dem Aspekt des ehrenvollen Umgangs mit einem Toten behandeln (1,17–18; 2,3–7; 4,3–4; 14,10–13).357 Raguël wird durch diese Handlungsweise jedenfalls als eine ambivalente Figur gekennzeichnet. Im Hinblick auf die materielle Kultur ist darauf hinzuweisen, dass hier nur an ein einfaches Erdgrab zu denken ist, das in relativ kurzer Zeit fertiggestellt werden konnte.358 Eine Magd soll nun das Geschehen in der Brautkammer auskundschaften. Damit werden die Außen- und die Innenperspektive zusammengeführt und die zuvor aufgebaute Spannung löst sich auf überraschende Art und Weise. Die Brautleute werden schlafend vorgefunden. Offenbar fühlen sich die beiden in Sicherheit, dass Krise und Gefahr definitiv überwunden sind.359 Wenngleich die Leserschaft durch diesen Ausgang nicht völlig überrascht wird, stellt sich bei ihr doch eine gewisse Erleichterung ein. Die Brauteltern reagieren auf das Erfahrene mit einem gemeinsamen Lobpreis, der aus einer vierteiligen Benediktion besteht. Der Erzähler greift in deren Einleitung auf die Wendung „Gott des Himmels“ zurück (siehe auch 5,17; 7,12; zu „Herr des Himmels“ siehe 7,11; 10,11).360 Die Wendung „Gepriesen sei …“ erscheint hier dreimal (zu dieser Wendung siehe zu 3,11).

354 LITTMAN, 126. 355 KELLERMANN, Eheschließung, 196; ibid., 199–200, mit weiteren Belegen v. a. aus der rabbinischen Literatur. 356 Hierzu EFTHIMIADIS-KEITH, Significance of Food, 561; LITTMAN, 124; MCCRACKEN, Narration and Comedy, 412; MOORE, 239; PORTIER-YOUNG, Alleviation, 53; SCHELLENBERG, Suspense, 319; WILLS, Jewish Novel, 80. Vgl. dagegen COUSLAND, Comedy, 548, der im Ausheben des Grabes kein ironisches Moment sehen will, sondern ein Motiv, das den Leser mit dem Schicksal konfrontiert, das Tobias getroffen hätte, wenn Gott den Engel nicht gesandt hätte. 357 So z. B. DAVID, Burial, 494; EFTHIMIADIS-KEITH, Significance of Food, 561. 358 DAVID, Burial, 494; zu diesem Abschnitt insgesamt siehe EGO, Death and Burial, 96f. (Lit.). 359 So MOORE, 240. 360 Zu den Gottesbezeichnungen siehe die Einleitung im Abschnitt „Figuren der Handlung“.

Synchrone Analyse

237

Nach der Aufforderung zum Gotteslob (8,15b.c) folgen zwei Benediktionen, die – jeweils eingeleitet mit ὅτι – den konkreten Grund des Lobpreises nennen: Gottes barmherziges Handeln an den beiden Einzelkindern Tobias und Sara (8,16.17a; zum einzigen Kind vgl. die Anmerkung zu 3,10.15). Das Gebet endet mit der Bitte um das Wohlergehen der Brautleute, wobei wiederum die Begriffe „Heil“ und „Barmherzigkeit“ verwendet werden (8,17b; vgl. 8,4). Das Leitwort des gesamten Gebets ist der Begriff „Barmherzigkeit“.361 Explizit bringt damit eine Figurenstimme deutlich zum Ausdruck, dass die Rettung des Tobias und damit die Möglichkeit der Ehe zwischen ihm und Sara dem göttlichen Rettungshandeln zu verdanken ist. Der Abschnitt schließt mit der Anweisung Raguëls, das Grab wieder zuzuschüt- 8,18 ten. Dies geschieht sicherlich auch, um die gesamte Aktion vor Tobias zu verheimlichen. Natürlich liegt darin wieder eine gewisse Ironie. So wird die ganze Szene durch das Motiv des Grabes gerahmt, wobei die Rettung einen eindeutigen Kontrast zu der damit verbundenen Todessymbolik bildet. Im Anschluss an die Hochzeitsnacht mit all ihren Aufregungen findet ein ge- 8,19–21 meinsames Mahl statt, das mit zwei Rindern und vier Widdern einen sehr opulenten Eindruck macht und an die Bewirtung der drei Männer bei Abraham in Gen 18,5–8 erinnert. Der Gastgeber zeigt damit seine Großzügigkeit und seine Gastfreundschaft, womit sich der Erzähler eines in der antiken Literatur häufig belegten Topos bedient.362 Die Ausleger haben dieses Essen traditionell als Mahl bei der Hochzeitsfeier interpretiert, wohingegen KELLERMANN es als ein sog. „Antrauungsmahl“ bezeichnen möchte, da nach jüdischen Quellen das Hochzeitsmahl erst am Tag der Heimführung in das Haus des Bräutigams abgehalten wird (vgl. 9,5.6; 10,7 und 12,1).363 Der Brautvater rekurriert schließlich nochmals auf die erbrechtliche Seite der Eheschließung der beiden. Tobias soll die Hälfte des zukünftigen Erbes vorab erhalten, die andere Hälfte bekommen die beiden gemeinsam nach dem Tod der Brauteltern. Die Formulierung erweckt den Eindruck, dass Edna zunächst Alleinerbin des Restvermögens Raguëls sein wird und es erst nach ihrem Tod an Tobias und Sara fällt (8,21).

Buchinterne Bezüge Das Kapitel enthält die übergreifenden Motive „Vertreibung des Dämons“, „Gebet Überblick und Lobpreis“ (mit einer Betonung der Barmherzigkeit Gottes), „Ehe und Hochzeit“, „Familie“, „Bestattung“ und „Speisen“.364 Während die Gebete bislang hauptsächlich durch Bitten charakterisiert waren Gebet (siehe 3,1–6; 3,11–15 und 8,5–8), bildet dieser Text den Auftakt einer Reihe von Hymnen (11,14f.; 13,1–18; siehe auch 10,13; 11,17; 12,22). In die Reihe der Lobgebete fügt sich auch das Gebet der Brauteltern (8,15–17) ein. Das Gebet belegt zudem 361 Zum Gebet und seiner Struktur siehe PFREMMER DE LONG, Surprised by God, 82; siehe auch FRÖHLICH, Creation, 37f. 362 Vgl. JACOBS, Delicious Prose, 159–170. 363 KELLERMANN, Eheschließung, 192–195. 364 Siehe hierzu die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen “.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

den Gehorsam Tobias’ gegenüber den Geboten seines Vaters und der konkreten Anweisung des Engels (siehe 4,19 und 6,18). Insgesamt greift der Erzähler hier den großen Spannungsbogen auf, der mit Abschluss des Spannungs- der Geschichte vom Geschick Saras (3,7–15) begann, und bringt diesen gleich in bogens doppelter Hinsicht zum Abschluss: Tobias vertreibt den Dämon, der Saras Existenz so beschwert hat (8,3), und die Ehe zwischen Sara und Tobias wird vollzogen, wobei die beiden für das Gelingen ihrer Verbindung zu Gott beten (8,4–9). Das Mahl (8,19–21) bezieht sich direkt auf Tob 7,9–14 zurück, und so bilden diese Elemente einen Rahmen um die Brautwerbung und die erfolgreiche Eheschließung.365

Diachrone Analyse Überlieferungen aus dem Umkreis der Elija- und Elischatraditionen (so u. a. 1 Kön 17,17–24 [Auferweckung des Sohns einer Witwe durch Elija]; 2 Kön 4,18–37 [Auferweckung eines Kindes durch Elischa]; 2 Kön 5,1–14 [Heilung Naamans]) sowie die Erzählung von der Heilung Hiskijas durch den Propheten Jesaja (2 Kön 20,1–11; Jes 38,1–21) lassen auf die Existenz therapeutischer Magie im alten Israel schließen.366 Ez 13,17–21 legt zudem nahe, dass „therapeutisches Handeln und Schadenszauber durch mehr oder weniger professionelle Ritualfrauen gegen Entgelt […] zur alltäglichen magischen Praxis Israels in exilischer Zeit“ gehörten.367 Die Kritik, die an dieser Stelle laut wird, bezieht sich darauf, dass die genannten Prophetinnen „unautorisiert und fälschlich“ im Namen JHWHs handeln.368 Sucht man nach weiteren Belegen für magisch-medizinische Praktiken, so ist festzustellen, dass die Quellenlage für die Zeit des Zweiten Tempels bis hin zum 2. Jh. v. Chr. ausgesprochen dürftig ist und sich erst wieder für die hellenistische Zeit Belege aus dem Umkreis medizinischen Handelns finden.369 In diesem Kontext ist neben dem Diskurs in Sir 38,1–15 auf Weish 7,17–20 zu verweisen, wo medizinisches Handeln schöpfungstheologisch begründet wird.370 Insbesondere bei Jesus Sirach ist ein apologetisches Interesse nicht zu überhören. AußerbibliAufschlussreich sind auch außerbiblische Quellen: Aus dem Gebet Nabonids sche Quellen (4Q242) geht hervor, dass dieser seine Götter um Heilung gebeten hat und diese erfolgte, nachdem seine Sünden vergeben worden waren. Dass medizinisch-therapeutische Praktiken nicht unumstritten waren, belegt explizit die Überlieferung aus dem Wächterbuch der Henochtradition, die in das 3. Jh. v. Chr. datiert wird. Danach haben die Wächterengel den Menschen u. a. das Wissen um Heilpflanzen (es ist die Rede vom „Schneiden von Wurzeln“) mitgeteilt. In Verbindung mit der Offenbarung anderer himmlischer Geheimnisse (so Waffenherstellung, Kosmetik und Astrologie) und der geschlechtlichen Verbindung der

8,2–4a: Magischtherapeutische Praktiken in der Bibel

365 JACOBS, Delicious Prose, 143. 366 SCHMITT, Magie, 219–282; siehe auch ibid., 383–384.386. Zur therapeutischen Magie allgemein SCHMITT, Art. Magie, Abschnitt 3.3.2. 367 SCHMITT, Magie, 392; hierzu ausführlicher ibid., 283–287. 368 SCHMITT, Magie, 287. 369 BOHAK, Ancient Jewish Magic, 73. 370 KOLLMANN, Göttliche Offenbarung, 291.

Diachrone Analyse

239

Engelwesen mit den Menschenfrauen stellt dies einen der Gründe dafür dar, dass die Wächter von Gott bestraft werden (äthHen 7,1.2; 8,1–3; 10,4–22). Anders dagegen das Jubiläenbuch: Hier wird das Wissen um die Heilpflanzen durch einen der guten Engel dem Noach übermittelt, damit dieser – in Verbindung mit einem Gebet – die bösen Geister, die seine Nachfahren bedrücken, bekämpfen kann (Jub 10,10–13).371 Der Einsatz von Räucherwerk spielte nicht nur im Opferkult altorientalischer Kulturen eine wichtige Rolle, sondern kam auch im Kontext kathartischer Riten in einem therapeutischen Sinne zur Anwendung. Diese Zusammenhänge belegen verschiedene babylonische und iranische Quellen, aber auch in Ägypten und in Griechenland finden sich gelegentlich Hinweise auf eine solche Praxis. In naturwissenschaftlicher Hinsicht kommt hier der desinfizierenden Funktion von Räucherwerk eine wichtige Bedeutung zu. In der Regel werden zum Räuchern aromatische Hölzer wie Wacholder und Zedern, Harze und bestimmte Mehltypen verwendet, aber auch übelriechende Substanzen wie Schwefel, Asphalt oder Horn fanden Verwendung.372 Der Gebrauch von Fischinnereien scheint dagegen eine marginale Rolle zu spielen.373 Für Tob ist es besonders interessant, dass Räucherpraktiken über viele Generationen vom Alten Orient und Ägypten bis hin zur griechischen Heilkunde im Kontext von Frauenkrankheiten benutzt wurden.374 Die altorientalischen Quellen, die eine therapeutische Räucherpraxis mit der Vertreibung von Dämonen nennen, sind zahlreich; allerdings ist der Einsatz von Fischleber und -herz in den Quellen bislang nicht belegt.375 Für die Vielzahl von einschlägigen Belegen sei hier exemplarisch auf die UdugHul- oder Utukku-Lemnutu-Beschwörungen verwiesen. Sie sind auf vielen Tafeln in z. T. verschiedenen Überlieferungen aus ganz Mesopotamien (Ninive, Assur, Ugarit, Babylon, Sippar, Uruk usw. bis Boğazköy) ab dem 3. Jt. v. Chr. bis hin zu den spätesten Keilschrifttafeln in griechischer Übertragung erhalten. Sie basieren wohl auf einer Reihe von sumerischen Beschwörungen und wuchsen mit der Zeit zu umfangreicheren Sammlungen heran.376 Damit ermöglichen sie Einblicke in altorientalische dämonologische Vorstellungen und exorzistische Riten sowohl in einem großen räumlichen Bereich als auch über eine lange Zeitspanne hinweg. Hier an dieser Stelle können nur einige Beispiele genannt werden:377 So erscheint in UL 9:42–46 das Räuchern von Alkali, Salz, Schwefel und verschiedenen 371 Alle Überlieferungen bei STUCKENBRUCK, Magic, 260f. 372 Die Literatur hierzu ist umfangreich; siehe grundlegend JURSA, Art. Räucherung, 226–227; LEVEN, Art. Räucherung, 747. 373 Lediglich in dem sehr viel späteren vierten Buch der Kyraniden wird bei der Beschreibung zweier Fischarten auf die exorzistische Wirkung der Verbrennung ihrer Knochen bzw. ihres Maules verwiesen (Kyraniden IV,13,2f.; 55,4); zum Ganzen siehe KOLLMANN, Jesus und die Christen, 120f.; DERS., Göttliche Offenbarung, 292f. 374 Speziell zum Räuchern bei Frauenkrankheiten siehe GOUREVITCH, Fumigation, 203–217; siehe auch ATTIA, Disease and Healing, 57f. Vgl. weiterführend STEINERT, Fumigation. Dabei wird deutlich, dass für den Alten Orient und Griechenland ganz ähnliche Praktiken bestehen. Für Ägypten siehe die Quellenhinweise bei WESTENDORF, Handbuch I, 419. 375 Zum Ganzen siehe ATTIA, Disease and Healing, 57 (Lit.). 376 Vgl. GELLER, Healing Magic, 3–7. 377 Für eine ausführlichere Zusammenstellung des Materials (v. a. auf der Basis von GELLER, Healing Magic) siehe EGO, Incense and Exorcism.

8,2.3: Therapeutisches Räuchern allgemein

Räucherpraktiken und Exorzismen im Alten Orient und in Persien

240

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Pflanzen explizit als Mittel des Exorzismus, zu dem eine Gottheit aufgefordert wird. Andere Belege zeigen die ritualinterne Logik solcher Praktiken. So vergleicht UH 1:34’–36’ das Verlassen des Dämons mit dem Aufsteigen des Rauches, wobei anzunehmen ist, dass der Rauch entweder für den Dämon steht oder gewissermaßen diesen enthält und transportiert. Die Auffassung, dass ein Dämon von seinem Opfer „wegtransportiert“ wird, findet sich in ähnlicher Form auch in den sog. „Sündenbock“-Ritualen. Hierbei fungierte ein Schaf oder eine Ziege als Repräsentant des Dämons. Diese Vorstellung illustriert das in UH 12:59–89 beschriebene Ritual: Ein Schaf wird, nach einem Gebet, das um die Wirksamkeit des Rituals bittet, als eine Art „Sündenbock“ geschlachtet, und der Dämon entweicht daraufhin durch den Atem seines Opfers.378 Eine ganz ähnliche Vorstellung findet sich in UH 7:110–113, wonach ein Schaf oder eine Ziege durch den Rauch eines Räucherwerks in eine Raumecke getrieben wird. Diese beiden Texte belegen eindeutig den Gedanken, dass sich ein Dämon im Körper seines Opfers befindet und von dort herausgeholt werden musste. Auf eine solche Vorstellung deutet auch UL 7:140–144 hin, wonach der Körper eines Menschen mit einem Dämon „angefüllt“ ist. Dieser Zusammenhang erklärt dann auch die Bedeutung des Räucherwerks: Indem der Besessene den Rauch einatmet, kommt der Dämon mit diesem in Kontakt und wird so aus dem Körper seines Opfers vertrieben. Andere Überlieferungen wissen von der Räucherung des gesamten Hauses, wodurch der Aufenthalt von Dämonen dort unmöglich gemacht wird. Eine solche Praxis belegen Ritualtexte, die beschreiben, wie für eine exorzistische Räucherung verschiedene Substanzen auf glühende Kohlen gestreut werden. Dabei wird auch deutlich, dass den Räucheringredienzien reinigende Wirkung zukommt: Nach dem in UH 13–15:211’–219’ bzw. 240’–245’ beschriebenen Ritual werden alle benötigten Substanzen (so Schwefel, Salz, verschiedene Pflanzen) zunächst auf glühende Kohlen gestreut, um dann über den Patienten gehalten und schließlich durch das gesamte Haus getragen zu werden. Ausdrücklich wird hier formuliert, dass der Patient durch diese Ingredienzien von Kopf bis Fuß „geräuchert“ wird.379 Wichtig ist, dass nahezu alle Abwehr- und Vertreibungsrituale Gebete und Beschwörungen als genuinen Bestandteil enthalten. Neben dem oben bereits genannten Beleg UH 12:59–98, wo die Beschwörung über einem Ersatztier gesprochen wird, sei hier auf UH 9:41–47 verwiesen: Nach diesem Beleg ruft der Kultfunktionär verschiedene Gottheiten direkt an und bittet sie, das anstehende Ritual (bzw. einzelne Elemente desselben) gelingen zu lassen (so auch UL 1:43’–45’). Interessant in diesem Kontext ist auch das Mardukgebet UH 2:31–61. Hier wird ein langer Lobpreis an Marduk gerichtet (UH 2:31–42), gefolgt von der Rühmung des Gottes als Lebensspender und Retter (UH 2:43–57) und der abschließenden Bitte um die Heilung des Patienten (UH 2:61). Dabei wird die „Rechtmäßigkeit“ dieser Bitte an den vorangegangenen Lobpreis geknüpft (UH 2:58–60).380

378 Zitiert nach: GELLER, Healing Magic, 410–415. Andere Überlieferungen belegen die Vorstellung, dass etwas Böses, eine Krankheit o. ä. von Dämonen in den Körper ihres Opfers gelegt werden konnte, so z. B. UH 3:36–45. 379 Des Weiteren wird übelriechenden Substanzen auch apotropäische Wirkung zugeschrieben; hierzu SCHWEMER, Abwehrzauber und Behexung, 191. 380 GELLER, Healing Magic, 70–80.

Diachrone Analyse

241

Diese Gebete, die elementarer Bestandteil von Vertreibungsritualen sind, haben also unterschiedliche Inhalte und können somit auch verschiedene Funktionen einnehmen. So lenken sie z. B. „die Aufmerksamkeit der Götter auf das Geschick des Klienten, […] fungieren […] als Anklageschrift gegen die Schadenszauberer“381 bzw. bringen den Göttern andere besondere Probleme nahe (z. B. Dämonenangriffe, Krankheit usw.) oder fassen einfach die rituellen Handlungen und Gesten in erläuternde Worte.382 Häufig beinhalten diese Beschwörungen einen Lobpreis und die Anerkennung der menschlichen Abhängigkeit von der göttlichen Autorität, womit zumeist auch die Bitte um Beistand verbunden ist (so z. B. das Mardukgebet).383 Ähnliche Vorstellungen über die Vertreibung von Dämonen mittels Räucherwerk finden sich auch im Zoroastrismus. Hier geschah das Verbrennen von speziellen, eher gut- als übelriechenden Substanzen zum einen zur Vertreibung von Dämonen, zum anderen als Wohlgeruch für die Götter, um deren Beistand zu erbitten.384 Da im Zoroastrismus einerseits das Feuer ohnehin als reinigendes, gutes Element galt, andererseits gerade Verstorbene als Anziehungspunkt für Dämonen galten, spielen Räucherungen besonders bei Bestattungsritualen eine wichtige Rolle. Eine interessante Quelle ist hier Pahlavi Widēwdād, ein Gesetzestext, der sich v. a. der Thematik der (durch Dämonen verursachten) „Unreinheit“ widmet und zu den drei wichtigsten Abschnitten der Avesta gehört. Pahlavi Widēwdād 8.79f. berichtet, dass bei Totenwachen durch die Gabe von wohlriechenden Kräutern auf das Feuer tausend Dämonen und andere böse Kreaturen ferngehalten werden können, indem sie „zurückgeschlagen“ werden.385 Ebenso wie Räucherungen kommt im Zoroastrismus auch Gebeten im Kontext eines Exorzismus eine bedeutende Rolle zu: Sie „werden mit Vorliebe als Bāǰ verwendet, d. h. als sprachliche Begleitung einer rituellen Handlung“.386 Interessante Belege für die Vertreibung von krankheitsbringenden Dämonen durch Gebete bzw. „heilige Worte“ finden sich in Pahlavi Widēwdād 21.6A und 22.2C. Sie nennen explizit das heilige Wort387 als effektive Waffe gegen solche bösen Geister.388 Auch das antike Judentum kennt die Vertreibung von Dämonen durch Räuchern sowie durch andere Gerüche. So berichtet JOSEPHUS von einem jüdischen Exorzisten namens Eleazar, der sich eines Fingerrings bediente, in dem eine übelriechende Wurzel eingeschlossen war und mit dessen Hilfe er einen Dämon aus

381 SCHWEMER, Abwehrzauber und Behexung, 203. 382 GELLER, Healing Magic, 31f. 383 Einen Überblick zum Aufbau eines solchen Gebets bietet MAYER, Untersuchungen, 34–37. 384 WILLIAMS, Pahlavi Rivāyat, 157. Diese Praxis findet sich auch bei der Versuchung Zarathustras durch die bösen Geister, siehe Pahlavi Widēwdād 19 (MOAZAMI, Wrestling, 447). 385 Ähnlich ist der Duktus der Aussage in Pahlavi Rivāyat 18.2: „When one puts incense on the fire on that side where the wind comes, that Victorious Fire (smites 1,000 demons) and twice as many sorcerers and witches“ (WILLIAMS, Pahlavi Rivāyat, 36). 386 CANTERA, Vertreibende Worte, 79. Allerdings werden in diesem Kontext keine Räucherungen erwähnt, sondern das Ziehen von Furchen sowie die Anhäufung von Steinen. 387 Belege bei MOAZAMI, Wrestling, 461.465. 388 Zum gesamten Vorstellungshintergrund im Zoroastrismus siehe neben MOAZAMI, Wrestling, die Studie von FORREST, Witches, Whores and Sorcerers, insbesondere 113–136.166–187.

Räucherpraktiken und Exorzismen im antiken Judentum und in Griechenland

242

Andere Arten von Exorzismen im antiken Judentum

8,3: Vertreibung des Dämons in die Wüste

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

den Nasenlöchern eines Besessenen herauszuziehen vermochte (Flav. Jos. Ant. VIII, 2, 5 [47]).389 Die griechischen Überlieferungen sind im Hinblick auf Dämonenvertreibungen durch Geruchssubstanzen (wie überhaupt auf Exorzismen) eher zurückhaltend. Vergleichsmaterial findet sich hier vornehmlich in den Zauberpapyri, welche die Verwendung von Schwefel und Erdharz nennen.390 Ein anderer Typus von Exorzismen liegt vor, wenn die Vertreibung des Dämons durch die Kraft eines „heiligen Mannes“ erfolgt. Die Vertreibung bekommt hier den Charakter eines sozialen Dramas. So wird im Genesis-Apokryphon erzählt, wie der Pharao, der von Plagen geschlagen ist, durch ein Gebet Abrahams und durch Handauflegung geheilt wird (1QGenApocr 20,28–29). Schließlich existiert im antiken Judentum noch eine weitere Art eines Exorzismus, der in Form eines Rituals durchgeführt wird, zu dem Beschwörungen und die Rezitation von Hymnen gehören. Allerdings wird der Erfolg der Dämonenvertreibung nicht einer besonderen charismatischen Gestalt zugeschrieben, sondern dem Dichter der Hymnen oder der Gemeinschaft, die diese rezipiert. Diese Art der Dämonenvertreibung findet sich in verschiedenen Texten aus Qumran (4Q510–511; 4Q560). Auch JOSEPHUS kennt sie, wenn er beschreibt, wie der Sänger David durch sein Harfenspiel und seinen Gesang die Dämonen Sauls vertreibt (Ant. VI, 8, 2 [166–168]).391 Des Weiteren verweisen die altorientalischen Quellen auch auf eine Vorstellung, nach der Dämonen in die Wüste vertrieben werden. Die Wüste und andere unwirtliche Gegenden galten im Alten Orient (neben der Unterwelt) generell als der Ort der Dämonen, wo sie auf ihre Opfer lauerten. So heißt es in UH 7:98, dass sich der Utukku-Dämon in der Steppe bewegt (siehe auch UH 3:31,35; 7:2,98–100; 12:1). Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass es Beschwörungen gibt, die die Dämonen explizit dazu auffordern, in die Wüste zu fliehen (UH 7:152f.).392 Offensichtlich nahm man an, dass diese dämonischen Wesen nicht an die Naturgesetze gebun389 Vgl. in diesem Kontext auch den Bericht des JOSEPHUS in Bell. 7,180–185, wo eine Wunderpflanze „Ba‘aras“ erwähnt wird, deren Wurzel die Kraft hat, Dämonen zu vertreiben. Ein Blick in die rabbinische Literatur kann diese Ausführungen ergänzen. Pesiqta Rabbati 14,14 erzählt die Geschichte von einem Besessenen, der solange dem Rauch verbrennender Wurzeln sowie der Besprengung mit Wasser ausgesetzt wird, bis der Dämon die Flucht ergreift. JUSTIN kennt die Anwendung exorzistischer Räucherpraktiken mit Weihrauch und betont, dass solche Praktiken nur dann Erfolg hätten, wenn sie im Namen Jesu Christi bzw. des Gottes Israels vorgenommen werden; Beschwörungen im Namen heidnischer Autoritäten hätten keinen Erfolg (vgl. hierzu Dialog mit dem Juden Trypho [Iust. dial. 85,3]). 390 So PREISENDANZ, Papyri Graecae Magicae II, 99 (Text XIII, 242–244); siehe auch KOLLMANN, Göttliche Offenbarung, 293; DERS., Jesus und die Christen, 87. DERS., ibid., 88, weist darauf hin, dass diese Überlieferungen zwar erst im 4. Jh. n. Chr. fixiert wurden, „ihre traditionellen, teilweise in der altägyptischen und der mesopotamischen Magie wurzelnden Praktiken im Kern bereits für die ntl. Zeit vorausgesetzt werden können.“ 391 Die Unterscheidung der drei verschiedenen Typen eines Exorzismus geht auf BOHAK, Ancient Jewish Magic, 88–114, zurück. Auf die meisten der hier genannten Beispiele verweist auch KOLLMANN, Göttliche Offenbarung, 292f., allerdings ohne Klassifizierung des Materials. 392 Vgl. u. a. UH 3:31,35; 7:2,98–100; 12:1; siehe auch BIN 2,72:11–15. Ähnlich wird auch die Unterwelt als Ort der Dämonen genannt; siehe UH 7:166; UL 8:49f.

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243

den sind, sondern fliegen und somit schnell auch weite Distanzen überwinden können. So befiehlt UH 9:32’ dem Dämon, durch das Fenster zu entweichen, und UH 1:34’f. kann den Dämon mit einem Vogel und mit Rauch vergleichen.393 Das eigentliche Ziel dieser Verbannung war es, den Dämon möglichst weit weg von seinem Opfer (und dessen Haus bzw. seiner Familie) zu bringen. Diesen Gedanken bringt auch der Schutzzauber der Šēp lemutti ina bīt amēli parāsu zum Ausdruck, denn der Dämon soll sich hier 3600 Meilen als Rauch, der in den Himmel steigt, von seinem Opfer entfernen.394 Weiteres Vergleichsmaterial findet sich in ägyptischen Zauberpapyri395 sowie in den aramäischen Zauberschalentexten.396 Auch das Motiv des Bindens von Dämonen ist weit verbreitet. Im Hinblick auf 8,3: Binden die jüdische Tradition ist hier das Wächterbuch der Henochüberlieferung (äthHen von Dämonen 6–11) zu nennen, wonach die Fesselung eine Strafe für die Vermittlung von Geheimwissen darstellt: Nachdem die Wächterengel vom Himmel auf die Erde hinabgestiegen sind, um sich mit den Menschenfrauen zu vermischen und die Menschen gleichzeitig in den himmlischen Geheimnissen (wie Heil- oder Waffenkunst) zu unterrichten, ist die Gewalt auf Erden allgegenwärtig. Die Engel Michael, Uriël, Rafaël und Gabriël bringen die Klage der Erde vor Gott, der daraufhin die Bestrafung der abgefallenen Engel anordnet, und es wird die Aufgabe Rafaëls, die gefallenen Wächter Azāz’ēl und Dudā’ēl zu bestrafen: Azāz’ēl soll an Händen und Füßen gebunden und in die Finsternis geworfen werden, während Dudā’ēl in einem Loch in der Wüste vergraben werden soll (äthHen 10,4–6).397 Aber auch der Bericht JUSTINs spiegelt eine solche Vorstellung wider, wenn er neben dem Räuchern auch das Binden als Mittel zur Vertreibung des Dämons nennt (Iust. dial. 85,3). Schließlich ist als weitere Quelle aus dem jüdischen Bereich noch auf die babylonischen Zauberschalen zu verweisen.398 In den Texten können die Elemente „Beschwörung“, „Scheidung eines Dämons“, „Fliehen“ und „Binden“ ein festes Ensemble bilden, und es kann dabei auch explizit vom Binden eines „bösen Geistes“ die Rede sein. Darüber hinaus enthalten die unterschiedlichen Zeugnisse der Zauberschalen auch nur einzelne dieser Motive: Neben der Vorstellung von Rafaël als Heiler oder Erlöser und vom Scheidebrief an einen Dämon ist auch hier die Bindung des Dämons, die dessen dauerhafte Verbannung garantieren soll, belegt.399 Von besonderem Interesse sind bildliche Darstellungen, die einen gefesselten Dämon präsentieren; manche Zeichnungen zeigen eindeutig eine Kette als Mittel zur Bindung.400

393 Vgl. auch UL 4:176’; 5:72; 6:185’ (an allen drei Stellen wird im Kontext auch auf die Flucht oder Verbannung des Dämons in die Wüste hingewiesen) und 8:18f. (hier bezeichnet sich der Exorzist als im Besitz der sieben Räucherwerkbestandteile). 394 WIGGERMANN, Babylonian Prophylactic Figures, 39. 395 So PREISENDANZ, Papyri Graecae Magicae I, 114f. (Text IV, 1229–1264). 396 Siehe z. B. MONTGOMERY, Aramaic Incantation Texts, Nr. 3:7; 7:5; 10:6; 13:7. 397 Vgl. UHLIG, Das äthiopische Henochbuch, 527; siehe hierzu auch SCHNUPP, Schutzengel, 80. 398 Weiterführend zu den Zauberschalen siehe zu 3,17 (Lit.). 399 Siehe z. B. MONTGOMERY, Aramaic Incantation Texts, Nr. 4:3; 5:1f.; 6:6; 7:2; weitere Belege bei EGO, Vertreibung, 391f. 400 Siehe z. B. MONTGOMERY, Aramaic Incantation Texts, Nr. 2; 3; 8; 12; 14; weitere Belege mit Abbildungen bei EGO, Vertreibung, 391f.

244

8,5: Lobwunsch

8,7: Unreine Begierde

8,7: Wunsch, gemeinsam alt zu werden

8,19: Antrauungsmahl

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Auch altorientalische Texte formulieren ausdrücklich, dass ein Dämon nicht nur vertrieben, sondern auch dauerhaft unschädlich gemacht werden soll. So weiß das Enuma Elisch, dass die feindlichen Mächte ‚gebunden und erschlagen‘ werden (Enuma Elisch I, 73; IV, 124.125). Auch UH 13:216 spricht davon, dass das Schädliche gebunden werden soll. Sowohl in den UL- als auch den UH-Beschwörungen finden sich zudem Aussagen, die entweder die Überwältigung des Dämons401 oder seine totale Verbannung402 anstreben; auch wenn nicht direkt von einer Fesselung die Rede ist, so bleibt die Intention des Unschädlich-Machens doch auch hier erkennbar. Ebenso finden sich Parallelen im Zoroastrismus. So berichtet der Hymnus Tištar Yašt 8, der der Tištrya, der altiranischen Personifizierung des Sterns Sirius, gewidmet ist, wie Tištrya die Dämonin Pairikā Dužyāiryā überwältigte und fesselte.403 Schließlich kann auch hier wieder auf die griechischen Zauberpapyri verwiesen werden. So heißt es in einem der ägyptischen Texte, die Karl PREISENDANZ zusammengestellt hat: „ἔξελτε δαῖμον, ἐπει´ σε δεσμευ´ω δεσμοῖς ἀδαμαντι´νοις ἀλυ´τοις […] – Komm heraus, Dämon, da ich dich fessele mit stählernen, unlöslichen Fesseln“.404 Die dahinterstehende Idee ist einfach: Nachdem der Dämon ausgetrieben worden ist, verhindert seine Bindung definitiv seine Rückkehr. Der kosmisch ausgerichtete Lobwunsch „es sollen dich preisen die Himmel und deine ganze Schöpfung“ ist traditionell und v. a. bei Deuterojesaja und in späten Psalmen zu finden (Jes 44,23; 49,13; Ps 96,11f.; siehe auch Ps 103,19–20; 148; Dan 3,51–90LXX; zum Lob des Himmels Ps 19,2; 50,6; 89,6; 97,6).405 Somit wird in dieser einleitenden Benediktion sowohl die nationale (vgl. V: 5c: „Gepriesen bist du, Gott unserer Väter“) als auch die universale Dimension Gottes hervorgehoben. Die ältere Tobitauslegung hat diese Aussage mit dem essenischen Eheideal in Verbindung gebracht. Danach enthalten sich die Essener, die in den Städten wohnen, während der Schwangerschaft des Verkehrs, weil sie nicht um der Lust, sondern um des Nachwuchses willen heiraten (siehe Flav. Jos., Bell. II, 8, 13 [160f.]).406 Der Wunsch, gemeinsam alt zu werden, ist in der Hebräischen Bibel nicht belegt. Hier findet sich lediglich die Aussage, dass ein hohes Alter als Segen gilt (vgl. Gen 24,1; Ri 8,32; 1 Chr 29,28; Weish 4,9). Die Worte des Tobias wecken aber Assoziationen an die lange Ehe der Erzeltern Abraham und Sara, die sich aus dem hohen Lebensalter der beiden erschließen lässt (vgl. Gen 23,1; 25,7). Der Vergleich mit biblischen Hochzeitsfeiern macht deutlich, dass das Antrauungsmahl überdurchschnittlich lange währte. Normalerweise scheint ein Hochzeitsfest eine Woche gedauert zu haben (vgl. Gen 29,27; Ri 14,12). Mit großer Wahrscheinlichkeit möchte der Erzähler hier die übergroße Freude des Fests beto401 Vgl. UH 1:36’: May (the demon) be tossed on the ground like a storm cloud (GELLER, Healing Magic, 48). 402 Vgl. UH 9:32’: [You, demon], will depart from the earth (and) leave the heavens (GELLER, Healing Magic, 308). 403 Vgl. auch CALLIERI, Land of the Magi, 20. 404 PREISENDANZ, Papyri Graecae Magicae I, 114f. (Text IV, 1245–1247). Für weitere Beispiele siehe SCHNUPP, Schutzengel, 80. 405 Zum Einzelnen siehe EGO, Lobpreis der himmlischen Wesen. 406 Siehe hierzu die Darstellung und die kritischen Ausführungen von MOORE, 238.242–244, und LOADER, Sexuality, 178.

Synthese

245

nen. Dieser literarische Topos ist auch sonst in der antiken Literatur häufig zu finden.407 Das Erbe des Grundbesitzes, wie es ursprünglich für die Erbtöchtertora typisch 8,21: Erbrecht war, spielt an dieser Stelle keine Rolle mehr. So fällt eine gewisse Unschärfe bei den Aussagen zum Erbrecht auf,408 und man hat den Eindruck, dass der Autor kein konsistentes Verständnis der Erbtöchtertora hat (siehe 3,15; 6,10–13; 7,10–12).409

Synthese Tob 8 nimmt in der Erzählung insofern eine wichtige Rolle ein, als sich hier durch die Vertreibung des Dämons das Geschick Saras wendet und Tobias, der die Hochzeitsnacht glücklich überstanden hat, zudem durch seine Heirat das Endogamiegebot erfüllt. Der Abschnitt greift den großen Spannungsbogen der Gesamterzählung auf, der in Tob 3,7–15 eröffnet wurde, und beschließt diesen mit der Vertreibung des Dämons (8,3) und der Eheschließung der Brautleute (8,4–9a). Das Kapitel schildert die Ereignisse sowohl aus der Perspektive der Brautleute und als Geschehen in der Brautkammer (8,1–9a) als auch in der Außenperspektive vom Blickwinkel der Brauteltern aus (8,9b–18). Tobias vermag den Dämon mit Hilfe seines Räucherwerks zu vertreiben; Asmodäus flieht, und der Engel fesselt ihn fernab des Geschehens in Ägypten. Der schlichte Erzählstil gibt der Szenerie eine gewisse Leichtigkeit und hält sie frei von jeglicher Dramatik. Das Motivensemble von der Vertreibung und der Flucht des Dämons hat zahlreiche Entsprechungen in der babylonischen und der altpersischen Überlieferung, in den Überlieferungen der Zauberschalen sowie in den griechischen Zauberpapyri, sodass die Rückführung auf eine bestimmte Quelle bzw. die Zuordnung zu einem spezifischen Kulturkreis nicht möglich ist. Für die entsprechenden Textüberlieferungen sind bestimmte Wortelemente, nämlich Drohung, Zauberspruch oder Gebet, typisch; da diese hier fehlen, entsteht der Eindruck, als würde der Dämon auf gleichsam natürliche und mechanische Art und Weise vertrieben. Insofern aber das Wissen um die Hilfe bringende Räucheressenz Tobias durch den Engel Rafaël vermittelt wurde, steht auch dieses Geschehen letztlich in einem religiösen Kontext und ist mit dem Gott Israels verbunden. Im Anschluss an diese Ereignisse sprechen die Brautleute ein Gebet, in dem sie die Himmel und die ganze Schöpfung zum Lobpreis Gottes aufrufen und Gott um „Barmherzigkeit und Heil“ für ihre Ehe bitten. Hier wird deutlich eine Referenz auf Gen 2,18 eingespielt und damit betont, dass die Verbindung zwischen den beiden Brautleuten schöpfungsgemäß ist. In dem Gebet verschränken sich Bitt- und Lobelemente; auffälligerweise findet kein Rekurs auf das Exorzismusritual statt. Erst dann kann die Ehe vollzogen werden. Es handelt sich um eine sog. Bî’āh-Ehe, bei der der Eheschluss durch den vollzogenen Beischlaf erfolgt und die Eltern (die sich außerhalb des Brautgemachs in unmittelbarer Nähe des Geschehens aufhalten) als Zeugen dienen. Dies ist eine der ältesten Formen des Eheschlusses überhaupt (8,1–9a). 407 Zu weiteren Traditionen siehe JACOBS, Delicious Prose, 169f. 408 Vgl. KELLERMANN, Eheschließung, 147f. 409 Zum Motiv der Endogamie und der Erbtöchtertora siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“.

246

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Parallel dazu werden die Ereignisse außerhalb der Brautkammer bei Saras Familie erzählt (8,9b–18). Wenn der Brautvater zunächst ein Grab für Tobias ausheben lässt (8,9b–10), zeigt sich wieder die Ironie der Erzählung, zumal Raguël im Gespräch vorher gegenüber Tobias sein Vertrauen in das Gelingen der Aktion zum Ausdruck gebracht hat (vgl. 7,10). Da das Grab aber keine Verwendung findet und schließlich wieder zugeschüttet wird (8,18), entsteht ein kleiner Spannungsbogen, der diesen Abschnitt rahmt. Der Brautvater reagiert auf die erfolgreiche Hochzeitsnacht, indem er einen Hymnus anstimmt. Er preist Gottes Barmherzigkeit und bittet auch um Freude und Barmherzigkeit für die Ehe der beiden Kinder (8,15–17). Der Abschnitt schließt mit dem Antrauungsmahl, das nach dem Willen des Brautvaters vierzehn Tage dauert (8,19–21) und das so die allgemeine überschwängliche Festesfreude zum Ausdruck bringt.

Rafaël holt das Silber bei Gabaël in Rages (9,1–6) 1 Dann rief Tobias Rafaël und sprach zu ihm: 2 aBruder Azarias, nimm mit dir vier Knechte und zwei Kamele und reise nach Rages.a Geh zu Gabaël, gib ihm die Unterschrift, hole das Silber und bring ihn mit dir zum Antrauungsmahlb. 3.4 a Denn du weißt, dass der Vater die Tage zähltb, und wenn ich mich auch nur einen Tag verspäte, würde ich ihn sehr betrüben. Und du siehst, was Raguël geschworen hat, und ich kann seinen Eid nicht übertreten.a 5 a Und Rafaël, die vier Knechte und die zwei Kamele reisten nach Rages in Medien und übernachteten bei Gabaël. b Und er [d. h. Rafaël] gab ihm seine Unterschrift und berichtete ihm von Tobias, dem Sohn Tobits, dass er eine Frau genommen habe und dass er ihn zum Antrauungsmahl einlade. Und er [d. h. Gabaël] stand auf und zählte ihm die Beutela mitsamt den Siegeln vor, und sie luden sie auf. 6 a Und sie machten sich gemeinsam früh auf und begaben sich zu dem Antrauungsmahl. b Und sie gingen ain das Haus Raguëlsa und fanden Tobias beim Essen liegend. Und er sprang auf und begrüßte ihn, und er [d. h. Gabaël] weinte und segnete ihn und sprach zu ihm: bGuter und Edler, [Sohn] eines guten, edlen, gerechten und Barmherzigkeit wirkenden Mannes! Der Herr gebe dir den Segen des Himmels sowie cdeiner Frau und deinem Vater und der Mutter deiner Frauc. Gepriesen sei Gott, dass ich [in dir] Tobit, meinen Vetterd, gesehen habe, [denn du bist] ihm [so] ähnlich!b

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 9,2a–a

Während der Tross, der sich vom Haus Raguëls in Ekbatana nach Rages aufmacht, in GII aus vier Knechten und zwei Kamelen besteht, hat GI nur einen Burschen und zwei Kamele. Auffällig ist, dass „Rages“ hier in der Form Ῥάγοι erscheint. Zu Rages siehe zu 1,14.

Synchrone Analyse

247

9,2b

Γάμος bezeichnet in Tob sowohl das Antrauungsmahl unmittelbar nach der Eheschließung als auch die eigentliche Hochzeitsfeier im Hause des Bräutigams; zum Ganzen siehe KELLERMANN, Eheschließung, 193–195.211–213; siehe auch 9,5.6; 10,7 und 12,1; vgl. zu 8,20. 9,3.4a–a GI hat eine andere Abfolge der Sätze und verweist zunächst auf das Motiv des Schwures und erst dann auf die Sorge des Vaters; so auch Vg. und VL. Nach FITZMYER, 256, ist diese Anordnung logischer. 9,3.4b Griech.: ἔσται ἀριθμῶν; es handelt sich somit um eine periphrastische Zeitform; siehe EVANS, Periphrastic Tense Forms, 116; siehe auch CONYBEARE/STOCK, Grammar, 68–69. 9,5a Griech.: θυλάκιον, Diminutiv von θυλάκος. 9,6a–a Griech.: εἰς τὰ Ῥαγουὴλ; vgl. LITTMAN, 131: „Classical Greek as well as LXX would more usually omit the article.“ 9,6b–b Der entsprechende Segen in Tob 9,9–12 Vg. ist ausführlicher. Tobit wird wegen seiner Gottesfurcht gepriesen und weil er Almosen gibt. Der Segenswunsch bezieht sich auf Sara, ihre Eltern und die Nachkommen von Tobias und Sara. Der Abschnitt schließt mit der Notiz, dass das Fest in Gottesfurcht gefeiert wurde. 9,6c–c Die Frage ist, warum der Vater Saras hier nicht als Segensempfänger aufgeführt wird. LITTMAN, 132, schlägt vor, σου hinter τῷ πατρί als Dittographie aufzufassen: „If we omit σου, then it reads ‘to your wife, and the father and mother of your wife’. Thus, Gabael is calling a blessing on those kinsmen present“; in diesem Sinne liest VL; siehe auch Vg.: „et super parentes vestros“; FITZMYER, 257, dagegen erklärt die Nichterwähnung des Vaters durch Haplographie. 9,6d Griech.: ἀνεψιός; der Begriff erscheint in Tob 7,2 GI zur Bezeichnung des Verhältnisses von Tobit und Raguël und ansonsten nur noch in Num 36,11LXX als Äquivalent von hebr. ‫ דוד‬zur Bezeichnung eines väterlichen Onkels; zu dieser Übersetzung siehe SEEBASS, Numeri, 454.

Synchrone Analyse Gliederung und Struktur Das Kapitel besteht aus drei knappen Teilen: 9,1–4 9,5 9,6

Gliederung

Vorbereitungen für die Reise nach Rages Die Reise und die Abholung des Geldes Die Rückkehr mit Gabaël nach Ekbatana zum Antrauungsmahl

Der Abschnitt schließt direkt an das im vorigen Kapitel Erzählte an und führt die Struktur Handlung weiter. Da Tobias bei Raguël zum Feiern verpflichtet wurde (8,19–21), beauftragt er Rafaël, das Geld bei Gabaël abzuholen. Anfang und Schluss der Szene (V. 1–4.6b) bestehen vorwiegend aus dialogischen Elementen und setzen somit das szenische Erzählen fort, wohingegen für den Mittelteil V. 5–6a das berichtende Erzählen typisch ist. Das Motiv der Abholung des Geldes, die in völlig unrealistischer Schnelligkeit erfolgt, bringt den wundersam anmutenden Charakter der Ereignisse zum Ausdruck. Die Figur Gabaëls, der nun an den Feierlichkeiten teilnimmt, dient dazu, die Festesfreude und das Glück der Brautleute durch seine Segensworte zu vermehren. Das Motiv des Antrauungsmahls, das sowohl im Anfangs- als auch im Schlussteil des Abschnittes erscheint, rahmt die Passage.

248

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Einzelauslegung 9,1–4 Die Erzählung knüpft unmittelbar an das Vorhergehende an. Da Tobias seinem

Schwiegervater versprochen hat, noch einige Zeit bei ihm zu bleiben und mit ihm zu feiern (8,19–21), ruft er nun seinen Reisebegleiter, den er wieder als Bruder anredet,410 und befiehlt ihm, mit vier Knechten und zwei Kamelen ausgestattet zu Gabaël nach Rages zu ziehen, um mit Hilfe der Unterschrift das Silber abzuholen (9,1f.; vgl. den Bezug zu 1,14; 4,2.20; 5,2f.). Außerdem soll er Gabaël mit zum Antrauungsmahl bringen. Die Kette der hier aneinandergereihten Imperative zeigt, dass Tobias seinen Reisebegleiter wie einen Knecht behandelt; seine Sprechhaltung steht nun in einem eindeutigen Gegensatz zu den früheren Gesprächsszenen, in denen jeweils Rafaël dominant war. Tobias’ Motivation für solch eine entschiedene Haltung wird – eingeleitet mit γάρ – in 9,3.4 entfaltet: Da der Vater in großer Sorge um seinen Sohn ist und sich ja auch ausrechnen kann, wie lange die Reise unter normalen Umständen dauert, möchte sich Tobias einerseits möglichst schnell auf den Rückweg machen; andererseits scheint es aber keine Möglichkeit zu geben, die Zeit des Aufenthalts bei seinem Schwiegervater abzukürzen, weil Raguël einen Schwur geleistet hat, den Tobias nicht übertreten kann. Mit dieser Regelung erweist sich Tobias auch hier als ein vorbildlicher Sohn, der sein Handeln am Wunsch und an der Befindlichkeit des Vaters ausrichtet.411 9,5 So macht sich Rafaël mit einer Entourage von vier Knechten und zwei Kamelen von Ekbatana auf den Weg nach Rages, das ca. 320 km entfernt liegt (zu den Entfernungen siehe zu 5,6). Die Reise als solche wird nicht eigens thematisiert (siehe zu 5,4; vgl. 6,2.10; 11,1), vielmehr erfährt die Leserschaft in einer kurzen Notiz nur, dass Rafaël in Rages bei Gabaël zum Nachtlager einkehrt. Man hat den Eindruck, dass der Erzähler von einer eintägigen Reise ausgeht.412 Erzählimmanent im unmittelbaren Kontext ist eine Dauer für die gesamte Reise von höchstens vierzehn Tagen anzunehmen, da so lange das Antrauungsmahl dauert und der Reisebegleiter und sein Tross vor Ende der Feierlichkeiten wieder zurück sind (siehe auch 8,20; 10,7b). Bei der ersten Begegnung mit Tobias sprach Rafaël alias Azarias davon, dass es zwei Tagesreisen von Ekbatana nach Rages seien (vgl. 5,6). All diese Angaben stehen im Gegensatz zu den geographischen Realitäten: Für den 320 km langen Weg von Ekbatana nach Rages müsste der Tross bei einer Tagesstrecke von ca. 32 km ungefähr zehn Tage gebraucht haben. Mit großer Wahrscheinlichkeit spielt der Erzähler dieses Moment ganz bewusst ein, um das Märchenhafte der Geschichte und die Übernatürlichkeit des Engels hervorzuheben.413 Die Aushändigung des Geldes erfolgt ohne Zwischenfälle: Azarias kann sich durch die Unterschrift ausweisen und zudem mit Hinweis auf die Eheschließung Tobias’ einen plausiblen Grund angeben, warum dieser nicht selbst bei Gabaël erschienen ist. So übergibt Gabaël ihm die Beutel mit dem Silber. Dabei erfährt man, dass die Säcke versiegelt waren. Auf diese Art und Weise war die Unantastbarkeit des Inhaltes sichergestellt. 410 411 412 413

Zum Begriff „Bruder“ siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. SCHÜNGEL-STRAUMANN, 143. SCHÜNGEL-STRAUMANN, 142. Vgl. LITTMAN, 130, der hier einen Beleg dafür sehen möchte, „of how little the author of Tobit understood the geography of the area“.

Synchrone Analyse

249

Gleich am anderen Tag macht sich Gabaël mit Azarias auf, um dem Antrauungsmahl 9,6 Tobias’ beizuwohnen. Wenn der kleine Trupp früh aufbricht, so erklärt sich dies zum einen wohl mit den klimatischen Gegebenheiten, zum anderen kommt darin der Eifer und das Interesse Gabaëls an einer Begegnung mit Tobias zum Ausdruck. Wie bereits bei der Hinreise werden alle Details über den Weg selbst ausgespart, und die nächste Szene spielt sogleich in Ekbatana im Hause Raguëls. Azarias und Gabaël finden Tobias vor, der bei Tisch liegt und so geradezu ein Idealbild der Festesfreude darstellt. Die Szene ist emotional aufgeladen: Tobias springt auf, als er Gabaël sieht, dieser wiederum weint und spricht ein Segenswort für Tobias und seine jung angetraute Frau sowie für Tobias’ Vater und Saras Mutter (vgl. TA 9,6c–c). Daran schließt der Lobpreis Gottes an (zur Wendung εὐλογητός siehe zu 3,11; siehe auch 8,5.15–17; 11,14.17; 13,1.18). Interessant ist, dass die Attribute „gut und edel“ nicht nur auf Tobit, sondern auch auf Tobias angewendet werden. Auch hier zeigt sich wieder die große Wertschätzung Tobits, wenn dieser als „gut, edel, gerecht und Barmherzigkeit wirkend“ bezeichnet wird. Somit liegt ein Bezug zu Tobits Selbstvorstellung mit den Begriffen „Gerechtigkeit“ und „Barmherzigkeit“ (1,3) vor, und es bestätigt sich, dass Tobits Selbsteinschätzung durchaus mit seinem gesellschaftlichen Image kongruiert. Der Kontrast zu Tobits spottenden Nachbarn (vgl. 2,8) und seiner Frau, die ja den Wert seines solidarischen Handelns infrage gestellt hat (vgl. 2,11–14), wird so umso deutlicher. Die kleine Szene demonstriert die Festesfreude der Protagonisten; „a single snapshot or slice encapsulates the fourteen-day celebration just as an Impressionist artist can suggest a landscape by means of a few choice brushstrokes.“414

Buchinterne Bezüge Das Kapitel enthält die Motive „Reise“ und „Abholung des Geldes“ sowie „Ehe und Hochzeit“ bzw. „Familie“.415 Es steht im Hinblick auf die Gesamtstruktur der Erzählung in deren Zentrum (siehe die Einleitung „Gliederung und Struktur der Erzählung“). Mit der Abholung des Geldes nimmt die Erzählung ein Motiv auf, das bereits am Anfang des Buches eingeführt wurde (1,14) und das bei der Abschiedsrede des Vaters als das eigentliche Motiv für die Reise des Tobias vorgestellt wird (4,2.20; 5,2f.; vgl. den expliziten Rückbezug auf diese Thematik in 11,15 und 12,3). Die knappe Erzählweise zeigt aber, dass dieses Element nun zu einem Nebenmotiv der Handlung geworden ist. Das Kapitel erinnert an Erzählelemente aus früheren Kapiteln: Die Anklänge an die Begegnung zwischen Tobias und Raguël bei ihrer Ankunft im Hause Raguëls sind unverkennbar. Abgesehen von der emotionalen Darstellung („Weinen“) und der Segnung sind auch die Attribute Tobits fast dieselben wie bei der Ankunft der Reisenden bei der Familie Saras (7,7; dort ποιῶν ἐλεημοσύνας anstelle von ἐλεημοποιός in 9,6). Man kennt Tobit nicht nur in Ekbatana, sondern sogar Gabaël aus dem fernen Rages weiß um dessen Wohltaten! Insgesamt zeigen die emotionalen Äußerungen der Protagonisten wieder die Bedeutung familiärer Strukturen; zudem bieten sie der Leserschaft die Möglichkeit einer Identifikation mit den Protagonisten. 414 JACOBS, Delicious Prose, 172. 415 Siehe hierzu den Abschnitt „Wichtige Themen“ in der Einleitung.

Überblick

Abholung des Geldes

Familie

250

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Diachrone Analyse 9,5: Reise- Die kurze Dauer der Reise, die erahnen lässt, dass hier übernatürliche Kräfte im dauer Spiel sind, stellt Rafaël in eine gewisse Nähe zum Götterboten Hermes, der eben-

falls mühelos große Entfernungen überwinden kann (siehe zu 5,17 im Abschnitt „Diachrone Analyse“).

Synthese In Tob 9,1–6, dem Kapitel, das im Zentrum der gesamten Erzählung steht, kommt ein weiterer Erzählstrang zum Abschluss, nämlich der von der Abholung des Geldes bei Gabaël in Rages (vgl. 4,1f.20; 5,1–5). Obwohl die Eintreibung des Geldes ursprünglich den Anlass für die Reise des Tobias darstellte, wird dieses Motiv hier nur knapp behandelt. Da Tobias bei Raguël zum Feiern verpflichtet wurde, treibt der Reisebegleiter den Geldbetrag ohne ihn, jedoch mit einer Entourage von Knechten und Kamelen, ein und bringt Gabaël anschließend auch zur Feier nach Ekbatana mit. Die Episode wird nur kurz geschildert. Da die Reisedauer aber völlig unrealistisch ist, kann vermutet werden, dass hier implizit der wundersame Charakter der Ereignisse und die übernatürlichen Fähigkeiten des Engels eingespielt werden sollen. Gabaëls Teilnahme an den Feierlichkeiten unterstreicht und vergrößert die Festesfreude. Auch hier findet wieder eine emotional hoch aufgeladene Begegnung statt.

Die Heimreise naht (10,1–13) In Ninive: Tobits und Hannas Sorge um ihren Sohn (10,1–7a) 1 An jedem einzelnen Tag rechnete Tobit die Tage nach: in wie vielen er hinreisen und in wie vielen er zurückkehren werde. Und als die Tage vergangen waren und sein Sohn nicht erschien, 2 sagte er: aOb er vielleicht dort aufgehalten worden ist?a Oder ob vielleicht Gabaël gestorben ist und niemand ihm das Silber gibt? 3 Und er begann sich zu betrüben. 4 Und Hanna, seine Frau, sagte: Mein Kind ist umgekommen und befindet sich nicht mehr unter den Lebenden! Und sie begann über ihren Sohn zu weinen und zu klagen, und sie sagte: 5 Weh mir, Kind, dass ich dich reisen ließ, aLicht meiner Augena. 6 Und Tobit sagte zu ihr: Schweig, hab keine Sorge, Schwester, er ist wohlbehalten! aUnd es ist ihnen dort wohl etwas dazwischengekommen, und der Mensch, der mit ihm gereist ist, ist zuverlässig und einer unserer Brüder. Betrübe dich nicht um ihn, Schwester, er wird schon erscheinen.a 7 a Und sie sagte zu ihm: Schweig vor mir und täusche mich nicht. Umgekommen ist mein Kind! Und sie

Die Heimreise naht (10,1–13)

251

sprang auf und hielt Ausschau auf den Weg, auf dem ihr Sohn fortgezogen war, jeden Tag, und ließ sich durch niemanden überzeugena. Und wenn die Sonne unterging, ging sie hinein und klagte und weinte die ganze Nacht und fand keinen Schlaf.

a

In Ekbatana: Die Verabschiedung von Tobias und Sara (10,7b–13) 7 b Und als die vierzehn Tage des Antrauungsmahlsb vorüber waren, die Raguël für seine Tochter auszurichten geschworen hatte, ging Tobias zu ihm hinein und sagte: Entlasse mich! Ich weiß nämlich, dass mein Vater und meine Mutter nicht [mehr] glauben, dass sie mich noch sehen werden. Und nun bitte ich dich, Vater, dass du mich entlässt und ich zu meinem Vater reisen kann. Ich habe dir schon mitgeteilt, wie ich ihn verlassen habe. 8 Und Raguël sagte zu Tobias: Bleibe, Kind, bleibe bei mir! Ich aber schicke Boten zu deinem Vater Tobit, und sie werden ihm Mitteilung über dich machen. 9 Und er sagte zu ihm: Keineswegs; ich bitte dich, dass du mich von hier entlässt zu meinem Vater! 10 Und Raguël stand auf und gab Tobias Sara, seine Frau, und die Hälfte seines ganzen Besitzes: Knechte und Mägde, Rinder und Schafe, Esel und Kamele, Kleider und Silber und Hausgerät. 11 aUnd er entsandte sie wohlbehalten und verabschiedete ihn und sagte zu ihm: Sei wohlbehalten, Kind, und zieh wohlbehalten! Der bHerr des Himmelsb möge euch Gelingen schenken und deiner Frau Sara, und ich möchte [noch] eure Kinder sehen, ehe ich sterbe.a 12 a Und er sagte zu Sara, seiner Tochter: aGeh zu deinem Schwiegervatera; denn von nun an sind jene deine Eltern wie die, die dich gezeugt haben. Geh in Frieden, Tochter, ich möchte gute Nachricht von dir hören, solange ich lebe. b Und er verabschiedete sie und ließ sie ziehen. c Und Edna sagte zu Tobias: Kind und geliebter Bruder, der Herrb bringe dich zurück, und ich möchte deine Kinder sehen, solange ich lebe, und die Saras, meiner Tochter, ehe ich sterbe. Vor dem Herrn vertraue ich dir meine Tochter an als anvertrautes Gut. Betrübe sie nicht alle Tage deines Lebens! Kind, geh in Frieden. Von nun an bin ich deine Mutter, und Sara [ist] deine Schwester! Mögen wir alle gleichermaßen Gelingen haben alle Tage unseres Lebens. Und sie küsste beide und entsandte sie wohlbehalten. 13 Und Tobias zog von Raguël los, wohlbehalten und froh, und er pries den a Herrn des Himmels und der Erde, den König über allesa, dass er seinen Weg hatte gelingen lassen.

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 10,2a–a

In GI vermutet Tobit nicht nur, dass sein Sohn aufgehalten worden sein könnte („κατεσχέθη“), sondern erwägt sogar, ob er zuschanden („κατῄσχυνται“) wurde. Man kann diese Differenz als eine nachträgliche Überarbeitung erklären, die den Stoff dramatisiert und theologisch formuliert; vgl. hierzu weiterführend HANHART, Text und Textgeschichte, 32.

252 10,5a–a 10,6a–a 10,7a–a 10,7b 10,11a–a 10,11b–b 10,12a–a

10,12b 10,13a–a

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a) Vg. ist weitaus ausführlicher, insofern Hanna ihren Sohn als „Stütze unseres hohen Alters, den Trost unseres Lebens, die Hoffnung unserer Zukunft“ (nach TVSCVLVM) bezeichnet. Dieser Passus fehlt in GI; somit fehlt hier auch wieder der Begriff „Bruder“; siehe auch Vg., z. St. GI erzählt, dass Hanna vor lauter Sorge um ihren Sohn am Tage kein Brot isst. Zu γάμος siehe TA 9,2b. GI ist kürzer und verzichtet auf den Kinderwunsch. Vg. führt hier in dem Segenswunsch den Engel ein. GI liest anstelle von „Herr des Himmels“ „Gott des Himmels“. In GI findet sich eine Verstärkung im Hinblick auf das von Sara erwünschte richtige Handeln, insofern Raguël seiner Tochter am Anfang seiner Rede einschärft, dass sie ihre Schwiegereltern ehren solle. Somit findet hier eine Ausweitung des Gebots der Elternehrung statt (zur Ehrung der Eltern siehe zu 3,10; 4,3–4; 6,16). Diese Tendenz findet sich auch in Tob 10,13 Vg. Anstelle des einfachen „der Herr bringe dich zurück“ in GII liest GI „der Herr des Himmels bringe dich zurück“. GI verkürzt die lange Gottesbezeichnung zu „Gott“; vgl. dagegen 7,17 mit der umgekehrten Tendenz.

Synchrone Analyse Gliederung und Struktur Gliederung Der Abschnitt ist folgendermaßen gegliedert:

10,1–7a In Ninive: Tobits und Hannas Sorge um Tobias 10,1–3 Tobits Sorge 10,4–5 Hannas Schmerz 10,6–7a Das Gespräch der Eheleute: Tobits vergeblicher Trost 10,7b–12 In Ekbatana: Der Abschied von Tobias und Sara 10,7b–9 Tobias bittet Raguël um seine Entlassung 10,10–12 Vorbereitung der Reise und Verabschiedung 10,10–11 Raguël lässt Tobias ziehen und verabschiedet ihn 10,12a.b Raguël verabschiedet Sara 10,12c Edna verabschiedet Tobias 10,13 Aufbruch Struktur Die Gliederung zeigt, dass in diesem Kapitel Tobias’ Heimreise aus unterschiedli-

chen Blickwinkeln beleuchtet wird. Das betrifft sowohl die Grobgliederung des Kapitels mit den beiden wichtigsten Orten der Handlung, Ninive und Ekbatana, als auch die einzelnen Abschnitte, die das Thema aus der Perspektive der Figuren Tobit und Hanna bzw. Raguël und Tobias beschreiben. In jedem der beiden großen Abschnitte des Kapitels (10,1–7a und 10,7b–13) kommt es dabei zu einer Interaktion der Figuren, allerdings mit unterschiedlichem Ergebnis: Während Tobias Raguël von der Notwendigkeit seiner Abreise überzeugen kann (so deutlich am Übergang von V. 9 zu V. 10), bleibt der Versuch Tobits, seine Frau zu trösten, vergeblich (so deutlich am Übergang von V. 6 zu V. 7). Auch

Synchrone Analyse

253

wenn die Leserschaft um den positiven Ausgang der Geschichte weiß, wird durch das Motiv der Sorge der Eltern eine dramatische Spannung aufgebaut.416 Wie die meisten anderen Kapitel, so zeichnet sich auch dieses durch die Dominanz des szenischen Erzählens aus; auffällig ist wieder die emotional aufgeladene Darstellung.417

Einzelauslegung In V. 1 findet ein Szenenwechsel statt, durch den der Blick nach Ninive und auf 10,1–7a die Situation Tobits und seiner Frau Hanna gerichtet wird. In zeitlicher Hinsicht liegt eine Parallelhandlung zur Reise Tobias’ und des Engels und den Ereignissen in Ekbatana vor, die sich allerdings deutlich von diesem Erzählstrang unterscheidet, da hier keine spektakulären Ereignisse im Vordergrund stehen, sondern die permanente und sich stetig steigernde Sorge der zurückgebliebenen Eltern. Der alte Tobit berechnet tagtäglich die mögliche Dauer der Reise seines Sohnes 10,1–3 und beginnt, nachdem dessen Rückkehr überfällig geworden ist, verständlicherweise, sich Sorgen zu machen. Dabei stellt er sich verschiedene praktische Unwägbarkeiten bei der Ausführung des Auftrags vor: Sein Sohn könnte einfach aufgehalten worden sein, oder er könnte Gabaël nicht mehr lebendig angetroffen haben. Der Erzähler bringt wieder das ursprüngliche Ziel der Reise ein, und es wird deutlich, dass der alte Tobit nicht im Geringsten ahnt, welche großen Veränderungen sich zwischenzeitlich zugetragen haben. Die Grübelei schlägt ihm jedenfalls aufs Gemüt, was mit den zeitgleichen Befürchtungen des jungen Tobias im fernen Medien korrespondiert, dass sich der Vater Sorgen machen könnte, wenn er zu lange ausbliebe (vgl. 9,3.4). Nun blickt der Erzähler auf Tobias’ Mutter, deren Sorge weitaus gravierender 10,4–5 ausfällt als die des Vaters. Sie ist in einer großen emotionalen Krise, denn sie rechnet gleich mit dem Schlimmsten, nämlich dass ihrem Kind etwas zugestoßen sein könnte. Trotzdem hat sie die Hoffnung nicht aufgegeben.418 Ihr Verhalten erinnert an eine Totenklage (siehe Jer 9,16.19).419 Während sich Tobit in seiner Not nach seiner Erblindung und Verschmähung durch seine Frau an Gott wandte, weiß die Geschichte nichts von einem Bittgebet Hannas.420 Wenn sie in ihrer Klage davon spricht, dass das „Licht ihrer Augen“ fortgezogen sei, so gleicht sie ihr Schicksal gewissermaßen an das ihres Mannes an: Ist er physisch erblindet, so hat sie metaphorisch das Licht ihrer Augen verloren.

416 Zur Spannung in diesem Abschnitt siehe SCHELLENBERG, Suspense, 320: „[…] readers are already cognizant of the story’s happy outcome while they watch Anna and Tobit fret, awaiting the delayed return of their son (10:1–7) […]. Of dramatic tension is plenty, though the resolution is already certain.“ 417 EGGER-WENZEL, Emotional Relationship, 66–68. 418 XERAVITS, Tobiah’s Journey, 92; siehe auch MILLER, Marriage, 174, mit Hinweisen auf die ältere Literatur. 419 SCHÖPFLIN, Women’s Roles, 177. 420 MILLER, Marriage, 166; MILLER weist darauf hin, dass Hanna an keiner Stelle in der Erzählung ein Gebet spricht.

254

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

10,6–7a Auch in dieser Situation versucht der alte Tobit, seine Frau zu trösten, indem er

auf die Möglichkeit einer Verzögerung und auf die Verlässlichkeit des Reisebegleiters verweist. Wieder wird die Ehefrau als Schwester angeredet (vgl. 5,21).421 Während es Tobit in seinem früheren Dialog mit seiner Frau (5,18–22) gelang, dieser Mut zuzusprechen, sodass sie zu weinen aufhörte (6,1), vermögen seine Worte diesmal nichts zu ändern. Hanna widerspricht ihrem Mann aufs Heftigste. Einmal mehr diskutieren die Eheleute miteinander und bringen ihre Meinungsunterschiede verbal zum Ausdruck. Tobit kann der Sorge seiner Frau letztlich nichts entgegensetzen, und Hanna findet keine Ruhe. Einerseits glaubt sie tatsächlich, dass ihr Sohn umgekommen sei, andererseits glaubt sie immer noch an seine Rückkehr, wenn sie tagtäglich auf den Weg, auf dem ihr Sohn fortgezogen ist, Ausschau hält. Die Notiz über ihre Klage und ihre Schlaflosigkeit formen den Abschluss und passen zu dem emotionalen Erzählstil der Geschichte. Dieser Abschnitt spielt wieder im Hause Raguëls in Ekbatana. Auch für diese 10,7b–12 Passage ist das szenische Erzählen mit einem häufigen Wechsel von Rede und Gegenrede typisch, sodass der Eindruck einer gewissen Unmittelbarkeit entsteht. Der Erzähler nimmt an dieser Stelle das Schwurmotiv Raguëls wieder auf (sie10,7b–9 he 9,3.4). Knapp und klar bittet Tobias darum, nun ziehen zu dürfen („Entlasse mich!“), wobei er auf die Situation seiner Eltern verweist. In der Rede Tobias’ klingen nun die Worte seiner Mutter an, die mit dem Tod ihres Kindes rechnet (vgl. 10,4.7a). Auffallend ist die Diskrepanz zum vorherigen Abschnitt, da Tobias hier davon auszugehen scheint, dass auch sein Vater die Hoffnung auf ein Wiedersehen aufgegeben hat. Raguël reagiert auf Tobias’ Bitte mit dem Angebot, Boten an die Eltern zu schicken. Erst nachdem Tobias vehement widersprochen hat, lässt sich Raguël bewegen. Nachdem Raguël verstanden hat, dass er Tobias nicht länger bei sich behalten 10,10–12 kann, beginnt er, die Abreise der Kinder vorzubereiten und diese mit Abschiedsworten auf den Weg zu schicken. Auch Edna richtet eine kleine Abschiedsrede an Tobias. Wenn sowohl Raguël als auch Edna sich hier in gesonderten Redeelementen äußern, so bringt dies „die religiöse Gleichrangigkeit des Elternpaares“ zum Ausdruck.422 Tobias wird zunächst mit einem großen Vermögen, nämlich der Hälfte des Besitzes Raguëls, ausgestattet. Daraufhin wendet sich Raguël mit seinen Abschiedsworten an Tobias und Sara. Die Notiz, dass Raguël die beiden verabschiedet, bildet einen Rahmen um die beiden kurzen Redeeinheiten. Dabei fällt eine chiastische Anordnung ins Auge: A B B’ A’

V. 11 V. 12b

Und er entsandte („ἐξαπέστειλεν“) sie wohlbehalten und verabschiedete („ἠσπάσατο“) ihn. Und er verabschiedete („ἀπασπασάμενος“) sie und ließ sie (beide) ziehen („ἀπέλυσεν“).

10,10–11 Raguël wünscht eine behütete Reise und eine glückliche, mit Kindern gesegnete

Ehe. Wieder wird die theologische Dimension deutlich.423 Es erscheint die Gottes-

421 Zu dieser Verwendung des Begriffs „Schwester“ siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 422 KELLERMANN, Eheschließung, 153. 423 Zu Raguëls Segenswünschen siehe MILLER, Marriage, 139.144.

Synchrone Analyse

255

bezeichnung „Herr des Himmels“ (siehe auch 7,11; vgl. „Gott des Himmels“ u. ä. in 5,17; 7,12 und 8,15).424 Das Wort an Sara hat einen anderen Fokus, insofern ihr Vater nun die enge 10,12a.b Beziehung zwischen ihr und ihren Schwiegereltern, die ihr wie Eltern sein werden, unterstreicht. Diese Rede Raguëls fügt sich in die Vorliebe des Erzählers ein, die engen familiären Bindungen und Strukturen zu betonen.425 Wenn auch bei der Antrauung bereits die „rechtliche Übergabe der Braut in die Familiengewalt des Mannes bzw. seines Hauses, wie es im Judentum üblich ist“, erfolgte (7,12), so kann die Ermahnung und Segnung der Braut bei der Verabschiedung des Paares hier doch im Sinn einer Ekdosis (d. h. der Herausgabe der Braut an den Bräutigam durch den Brautvater) verstanden werden.426 Das Fehlen des Kinderwunsches in den Worten des Vaters an Sara lässt sich damit erklären, dass Raguël diesen bereits in V. 11 an Tobias gerichtet hat. Hier nun zielt der Vater auf Saras „Willigkeit ab, sich in die neue Familie zu integrieren und ihn damit vor unliebsamen Nachrichten aus Ninive zu bewahren. Zu den guten Botschaften würde […] natürlich die Geburt von Enkelkindern gehören, zu den schlechten etwa eine sich herausstellende Unfruchtbarkeit Saras, ein früher Tod des Tobias oder der Sara oder auch eheliche Untreue.“427 Die Aussage des Vaters, dass er nur gute Nachricht von seiner Tochter hören möchte, könnte auch eine apotropäische Funktion gehabt und vielleicht sogar zu einem Brautentlassungsritual gehört haben.428 Parallel zur Verabschiedung Raguëls folgen dann die Worte seiner Frau Edna. 10,12c Während der Vater sowohl seinen Schwiegersohn als auch seine Tochter in zwei kleinen Reden direkt angesprochen hat, wendet sich die Mutter lediglich an Tobias, den sie als „geliebten Bruder“ anredet, um ihre Nähe zu ihm zu demonstrieren.429 Ihre Worte sind ausführlicher als die des Brautvaters. Wie ihr Mann äußert auch Edna Tobias gegenüber den Wunsch, dass sie die Kinder der beiden erleben möchte. Darüber hinaus bringt sie zum Ausdruck, dass Tobias nun für das Wohl ihrer Tochter verantwortlich ist und er sie nicht betrüben darf, denn Sara ist ihm „anvertraut“ (παρατίθημι; hier: „ἐν παραθήκῃ“). So zeigt sich deutlich die Sorge der Mutter um ihre Tochter.430 Sie betont zudem, dass sie selbst Tobias wie eine Mutter sein werde. Damit findet sich auch hier wieder ein Beleg für die Neigung des Erzählers, die engen familiären Strukturen und die Emotionen der Protagonisten zu betonen.431 Außerdem bezeichnet Edna Sara als Tobias’ Schwester.432 Dem 424 Zu den Gottesbezeichnungen in Tob siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 425 GRELOT, Les noms de parenté, 334. Zum Motiv der Familie in Tob siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 426 KELLERMANN, Eheschließung, 201; zur Definition ibid., 270. 427 KELLERMANN, Eheschließung, 203. 428 Zum Ganzen siehe KELLERMANN, Eheschließung, 201–203, der hier auf Sir 42,9–14 verweist, wo die Sorgen eines Vaters um seine Tochter eindrücklich geschildert werden; ibid., auch Belege aus der rabbinischen Literatur. 429 Zum Begriff „Bruder“ siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 430 MILLER, Marriage, 175. 431 Ausführlich zu Edna und ihrem Eheverständnis siehe EGGER-WENZEL, Emotional Relationship, 49–51. 432 GRELOT, Les noms de parenté, 334. GRELOT macht darauf aufmerksam, dass der Begriff γαμβρός („Schwiegersohn“) in Tob gar nicht erscheint. Siehe auch MILLER, Marriage, 175.

256

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Schluss der Erzählung lässt sich dann entnehmen, dass die Ehe von Tobias und Sara tatsächlich mit Kindern gesegnet wurde (14,8.9). Nach diesem doppelten Reisesegen macht sich Tobias mit seiner frisch ange10,13 trauten Frau auf den Weg. Wie der gesamte Kontext zeigt, handelt es sich hier nicht um eine einfache Reise, sondern um die Heimführung der Braut. Diese stellt ein traditionelles Element im Eheschließungsritus dar, das sowohl in der griechischen als auch der orientalischen Welt verbreitet war.433 Tobias’ Lobpreis, von dem hier erzählt wird, demonstriert eindrücklich seine Frömmigkeit; auffällig ist die Häufung der Gottesbezeichnungen, wenn sowohl vom „Herrn des Himmels und der Erde“ als auch vom „König über alles“ die Rede ist. Am Ende des Kapitels zieht Tobias froh seines Weges; damit wird das Motiv der Freude eingespielt.

Buchinterne Bezüge Überblick Das Kapitel enthält die Leitmotive „Reise“, „Ehe“, „Lobpreis“ und „Freude“.434 Eheleute Die Szene mit der Sorge der Eltern (10,1–7a) steht in einem deutlichen Bezug

zu dem Gespräch zwischen Tobit und Hanna (5,18–22).435 Wieder versucht Tobit seine Frau zu beruhigen (vgl. insbesondere die Wendung „Mach dir keine Gedanken …“ in 5,21); während er dort erfolgreich ist und seiner Frau Trost zusprechen kann, will ihm dies jetzt nicht gelingen. Es ist der dritte und letzte Konflikt zwischen den Eheleuten (vgl. 2,11–14; 5,18–22).436 Lobpreis und Tobias’ Lobpreis am Schluss des Kapitels fügt sich in die Reihe der Hymnen, Reise die mit dem Loblied Raguëls nach der Hochzeitsnacht ihren Auftakt genommen hat (8,15–17) und die sich dann mit Tobits Gotteslob nach seiner Heilung (11,14f.; 13,1–18; siehe auch 11,17; 12,22) fortsetzen soll. Es ist das erste Mal innerhalb der Erzählung, dass der Königstitel für Gott verwendet wird (häufig in Tob 13; vgl. βασιλεία in 13,1; siehe auch 12,7.11); die hier vorliegende Wendung vom „König über alles“ erscheint auch nur an dieser Stelle (vgl. „Herr des Himmels“ in 7,11; „Gott des Himmels“ u. ä. in 5,17, 7,12 und 8,15). Insgesamt fällt auf, dass Tobias hier die Worte, die Tobit als Trost an seine Frau richtete (siehe 5,22), fast wörtlich bestätigt: Gott hat seine Reise gelingen lassen!

Diachrone Analyse 10,5: Licht Die Metapher „Licht meiner Augen“ greift eine traditionelle Wendung aus Ps 38,11 meiner Augen auf, wo der Beter zur Beschreibung seines elenden Zustandes sagen kann, dass ihn das

„Licht seiner Augen“ verlassen hat. Hannas Verwendung der Begrifflichkeit scheint eine Prägung des Autors darzustellen (siehe auch 11,14 bei der Begegnung zwischen Tobit und seinem Sohn; zum Motiv des Lichts allgemein siehe zu 3,17). 10,12: Bezüge Ednas Segenswunsch, dass sie die Kinder ihrer Tochter sehen möge, erinnert zu Gen 24 an Gen 24,60. Dort wird Rebekka von ihren Brüdern mit folgendem Brautsegen 433 434 435 436

KELLERMANN, Eheschließung, 203, mit weiteren Belegen und Literaturhinweisen. Zum Ganzen siehe die Einleitung mit dem Abschnitt „Wichtige Themen“. XERAVITS, Tobiah’s Journey, 92. Siehe KELLERMANN, Eheschließung, 152; MILLER, Marriage, 196.

Die Heimkehr: Tobits Heilung und Saras Ankunft (11,1–18)

257

entlassen: „Du, unsere Schwester, werde zu tausendmal Zehntausend! Deine Nachkommen sollen das Tor ihrer Feinde in Besitz nehmen!“437

Synthese Der Abschnitt beleuchtet die Rückreise Tobias’ unter zwei verschiedenen Perspektiven und stellt damit eine Art Diptychon dar. Es erfolgt eine Fokussierung sowohl auf die beiden wichtigsten Orte der Handlung, Ninive und Ekbatana, als auch auf die Figurenpaare bzw. -gruppen Tobit und Hanna sowie Raguël, Edna und Tobias. In jedem der beiden Abschnitte des Kapitels kommt es zu einer Interaktion der Figuren, allerdings mit unterschiedlichem Ergebnis: Während die Eltern des Tobias in Ninive wegen des Ausbleibens ihres Sohnes voller Sorge sind und es Tobit nicht gelingt, seine Frau zu trösten (10,1–7a), kann Tobias seinen Schwiegervater schließlich von der Notwendigkeit seiner Abreise überzeugen. So endet der Abschnitt mit dem Aufbruch Tobias’ und seiner neuangetrauten Frau. Insofern die beiden reichlich mit Gütern gesegnet werden, erscheint auch an dieser Stelle wieder das zentrale Thema des Reichtums. Wieder ist die Darstellung der Ereignisse von hoher Emotionalität.

Die Heimkehr: Tobits Heilung und Saras Ankunft (11,1–18) Tobias’ Wiedersehen mit den Eltern und Tobits Heilung (11,1–15) 1 Und als sie sich Kaserina näherten, das Ninive gegenüber liegt, 2 sagte Rafaël: Du weißt, wie wir deinen Vater verlassen haben. 3 Wir wollen deiner Frau vorauseilen und das Haus herrichten, ain welches sie [nach]kommena. 4 a Und sie reisten beide zusammen. b Und er sagte zu ihm: Nimm die Galle in die Hände. c aUnd der Hund ging mit ihnen, hinter ihnen her.a 5 Und Hanna saß da und hielt Ausschau auf den Weg ihres Sohnes. 6 Und als sie bemerkte, dass er zurückkehrte, da sagte sie zu seinem Vater: Siehe, dein Sohn kommt und der Mann, der mit ihm gereist ist! 7 Und Rafaël sagte zu Tobias, ehe er sich seinem Vater näherte: Ich weiß, dass seine Augen geöffnet werden. 8 aSchmiereb die Galle des Fisches in seine Augen, und die Arzneic wird die weißen Flecken zusammenziehend und von seinen Augen abschälene, und dein Vater wird aufblicken und das Licht schauen.a 9 Und Hanna lief herbei und fiel um den Hals ihres Sohnes und sagte zu ihm: Ich habe dich [wieder]gesehen, Kind, von nun an kann ich sterben. aUnd sie weintea. 10 Und Tobit stand auf und stolperte mit den Füßen und ging zur Tür des Hofes hinaus.a Und Tobias ging bauf ihn zub, 11 aund die Galle des Fisches 437 Zum Bezug zu Gen 24 siehe MILLER, Match, 141–143; zum Ganzen siehe die Einleitung mit dem Abschnitt „Biblische Referenzen“.

258

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

war in seiner Hand, und er hauchteb in seine Augen und c hielt ihn fest d und sagte: Sei getrost, Vater. Und er trug ihmc die Arzneid auf und ereichte sie ihm dare.a 12.13 a aUnd so schälteb er [die weißen Flecken] mit seinen beiden Händen von seinen Augenwinkeln ab.a b Und Tobitc fiel um seinen Hals, 14 a aund er weinte und sagte zu ihm: Ich kann dich sehen, Kind, Licht meiner Augen!a b Und er sagte: bGepriesen sei Gott c und gepriesen sei sein großer Name, d und gepriesen seien alle seine heiligen Engel. e Es möge sein großer Name unter uns sein, f und gepriesen seien alle Engel in alle Ewigkeitenb. 15 a Denn aer hat mich gezüchtigta, und siehe, ich sehe Tobias, meinen Sohn! b Und Tobias ging hinein voll Freude und pries Gott aus vollem Munde, c und Tobias teilte seinem Vater mit, dass sein Weg gelungen sei und dass er das Silber gebracht und wie er Sara, die Tochter Raguëls, zur Frau genommen habe, und dass sie tatsächlich käme und schon nahe am Tor Ninives sei.

Der Empfang Saras und die Hochzeitsfeier (11,16–18) 16 a Und aTobit ging hinausa, seiner Schwiegertochterb entgegen an das Tor Ninives, voll Freude und Gott preisend. b Und als die Einwohner Ninives ihn gehen sahen und einherschreiten mit seiner ganzen Kraft und von niemandem an der Hand geführt, wunderten sie sich. 17 a Und Tobit bekannte vor ihnen, dass Gott sich seiner erbarmt und seine Augen geöffnet habe. b Und Tobit näherte sich Sara, der Frau seines Sohnes Tobias, und segnete sie und sagte zu ihr: Mögest du wohlbehalten eintreten, Tochter, und gepriesen sei dein Gott, der dich zu uns geführt hat, Tochter. Und gesegnet ist dein Vater und gesegnet ist mein Sohn Tobias und gesegnet seist du, Tochter. Tritt ein in dein Haus, wohlbehalten, in Segen und Freude! Tritt ein, Tochter! c An diesem Tag widerfuhr Freude allen Judena, die in Ninive wohnten. 18 Und es erschienen voller Freude bei Tobit auch aAchikar und Nadaba, seine Vettern.

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 11,1a

11,3a–a 11,4a–a

Griech.: Κασερειν. Ms. 106 liest Καισαρειαν. Vg. liest „Charram“ und weiß zudem, dass dieser Ort auf halbem Weg zwischen Ekbatana und Ninive liegt, je elf Tage entfernt. LITTMAN, 137, möchte diese Lesart im Anschluss an FITZMYER auf das aramäische Original, das HIERONYMUS vorlag, zurückführen und schlägt vor, dass sich hinter dem Begriff die Stadt Haran verbirgt. Dies ergibt geographisch keinen Sinn, da sich Haran mehr als 500 km westlich von Ninive befindet. Zum Ganzen SKEMP, Vulgate, 330f. TORREY, Ninveh, 237–245, identifizierte die Ortslage mit Ktesiphon (wobei er Ninive wiederum als Decknamen für die Stadt Seleukia sieht; siehe auch zu 6,2–9), kritisch hierzu u. a. FITZMYER, 274, und MOORE, 261. Es ist nicht auszuschließen, dass der Autor hier eine konkrete Ortslage vor Augen hatte; man hat diese Lokalisierung aber auch mit dessen mangelnder Ortskenntnis in Verbindung gebracht (so u. a. LITTMAN, 137). Der Plural weist hier wohl auf das Personal Saras hin, das mit ihr reist. Im Gegensatz zu GI und GII wird der Hund in Vg. nicht erwähnt; vgl. dagegen Tob 11,9 Vg.

Die Heimkehr: Tobits Heilung und Saras Ankunft (11,1–18) 11,8a–a

259

In GI lautet die Anordnung des Engels an Tobias: „Streiche (ἐγχρίω) du nun die Galle in seine Augen, und wenn es beißt (δάκνω), wird er reiben (διατρίβω) und die weißen Flecken abschütteln (ἀποβάλλω), und er wird dich sehen.“ Tob 11,7f. Vg. fügt bereits hier die Weisung zum Gebet ein. 11,8b Griech.: ἐμπλάσσω. 11,8c GI verzichtet auf den Terminus „Arznei“ (φάρμακον; siehe auch 6,5.7; 11,8). Dies deutet nochmals darauf hin, dass GI insgesamt die Tendenz aufweist, Assoziationen zur magisch-medizinischen Vorstellungswelt zurückzudrängen; siehe STUCKENBRUCK, Magic, 266; vgl. auch 11,11. 11,8d Griech.: ἀποστύφω. 11,8e Griech.: ἀπολεπίζω. 11,9a–a In GI weint auch Tobias bei der Begegnung mit der Mutter, was die emotionale Darstellung verstärkt. An dieser Stelle fügt Vg. auch den Hund ein: „tunc praecurrit canis qui simul fuerat in via et quasi nuntius adveniens blandimento suae caudae gaudebat. – Da rannte der Hund, der auch mit ihnen auf der Reise war, voraus und freute sich wie ein Bote, der gerade ankommt, wobei er mit seinem Schwanz wedelte.“ 11,10a An dieser Stelle fügt Vg. wieder ein Gebet ein, siehe Tob 11,12 Vg. 11,10b–b Griech.: „auf ihn zu“; 4Q200 5 1 liest: „seinem Sohn entgegen“; hier wird also betont, dass der Vater auf den Sohn zugeht; siehe hierzu HALLERMAYER, Text, 153. Vg. hat „obviam filio suo“; es handelt sich hier um ein Beispiel, dass Vg. mit der Überlieferung aus Qumran zusammengeht. 11,11a–a GI schildert das Handeln des Sohnes mit den Worten: „Und er fing seinen Vater auf und sprengte (προσπάσσω) die Galle auf die Augen seines Vaters und sagte: Sei getrost, Vater.“ προσπάσσω ist Hapaxlegomenon. GIII liest: πάσσω, „spritzen, sprengen, streuen“. Es fehlt somit das Element, dass Tobias seinem Vater in die Augen bläst. 11,11b Griech.: ἐμφυσάω; siehe auch 4Q200 5 2 hebr.: ‫נפוץ‬, „und er zerstreute“; siehe HALLERMAYER, Text, 154f. 11,11c Wörtl.: „auf ihn“; 4Q200 5 4 hat hier „[au]f seine Augen“ und ist damit näher an GI als an GII; siehe hierzu HALLERMAYER, Text, 154. 11,11d Wieder verzichtet GI auf den Terminus „Arznei“ (φάρμακον; siehe auch 6,5.7; 11,8). 11,11e–e Griech.: ἐπιδίδωμι. Andere Übersetzungsmöglichkeit: „und er gab noch (mehr) hinzu.“ 4Q200 5 4 hat hier ‫וחרוק‬, „und es knirschte“; siehe HALLERMAYER, Text, 154. HANHART, Text und Textgeschichte, 150, nimmt einen Schreibfehler an und schlägt die Emendation ἐπδάκη, „es biss“, vor. 11,12.13a–a GI versucht den Heilungsprozess genauer zu beschreiben: „Als sie aber von beißendem Schmerz gequält wurden (συνδάκνω), rieb (διατρίβω) er seine Augen, 13 und die weißen Flecken wurden abgeschält (λεπίζω) von seinen Augenwinkeln (κανθός) […].“ Der Fokus der Beschreibung liegt darauf, dass die Flecken mechanisch entfernt werden. Im Gegensatz zu GII kommt Tobit selbst bei der Heilung eine aktive Rolle zu, da er selbst seine Augen reibt. Die Aussage, dass die Salbe in den Augen Schmerz verursachte, könnte zudem das Wissen um eine konkrete Behandlungspraxis widerspiegeln; hierzu KOLLMANN, Jesus und die Christen, 123; DERS., Göttliche Offenbarung, 297. Zu den einzelnen Begriffen des Heilungsprozesses, die selten sind für LXX oder gar Hapaxlegomena, siehe DESELAERS, Buch Tobit, 174; USENER, LXX und ihre Vernetzung, 100f., Anm. 37, macht darauf aufmerksam, dass der Abschnitt Spezialvokabular der naturwissenschaftlichen und medizinischen Fachliteratur enthält, wie sie in Alexandria verbreitet war: „Das aber lässt den Schluss zu, dass die Verfasser der LXXSchriften insbesondere auch mit dem literarisch-wissenschaftlichen Diskurs in

260

11,12.13b 11,12.13c 11,14a–a 11,14b–b

11,15a–a 11,16a–a 11,16b 11,17a 11,18a–a

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a) Alexandria recht detailliert vertraut sind oder zumindest ihr Vokabular von dorther angereichert ist.“ Griech.: ἀπολεπίζω. Wörtl.: „er“; der Text ergibt nur Sinn, wenn man einen Subjektswechsel annimmt. Vg. hat hier gleich das Motiv des Lobpreises; siehe Tob 11,16 Vg. Während in GII sowohl der Name Gottes als auch die heiligen Engel jeweils zweimal erscheinen, hat GI diese Elemente jeweils nur einmal. GI als die jüngere Version hat hier wohl korrigierend eingegriffen und das Motiv der Verehrung von Engeln zurückgedrängt. Damit spiegelt sich in der jüngeren Version GI die kritische Tendenz gegenüber einer Engelverehrung, die auch in anderen antikjüdischen Überlieferungen belegt ist; vgl. die ausführliche Analyse dieser Texte bei STUCKENBRUCK, Angel Veneration, 164–167; Belege für weitere antikjüdische Texte, die sich kritisch mit einer Engelverehrung auseinandersetzen, ibid., 150–180; weiterführend zum frühen Christentum siehe auch MACH, Engelglaube, 291–300. In GI richtet sich Tobit mit seiner Aussage zum Züchtigen und Erbarmen direkt in der 2. Pers. Sg. an Gott; damit wirkt das Geschehen unmittelbarer; siehe STUCKENBRUCK, Angel Veneration, 164–167. GIII: „Und es freuten sich Tobit und Hanna und sie gingen hinaus […]“. Griech. νύμφη; vgl. KELLERMANN, Eheschließung, 208, der νύμφη hier – wie in 6,13 – mit „Braut“ übersetzen möchte. Bezugswort des Possessivpronomens wäre dann Tobias im vorausgehenden Vers. Der Begriff Ἰουδαῖος ist ein Anachronismus. Wie 4Q199 2 1 (zu 14,10) zeigt, geht der Name Nadab auf aram. „Nadin“ zurück; siehe hierzu HALLERMAYER, Text, 136. Nach GI heißen Tobits Verwandte „Achiacharos und Nasbas, sein Vetter.“ GI hat noch V. 19: „Und die Hochzeit des Tobias wurde sieben Tage lang mit Freude gehalten“. Zu diesem Vers siehe JACOBS, Delicious Prose, 173–175. Tob 11,20 Vg. nennt hier Achior und Nabath; ansonsten wird die Achikartradition in dieser Version nicht rezipiert.

Synchrone Analyse Gliederung, Struktur und bestimmende Motive Gliederung Das Kapitel besteht aus zwei größeren Einheiten:

11,1–15 11,1–8

Die Heilung des blinden Tobit Vor der Ankunft in Ninive: Gespräch zwischen Tobias und Rafaël 11,9–14a Wiedersehen mit den Eltern und Heilung 11,14b–15 Lobpreis Tobits 11,16–18 Der Empfang Saras und die Hochzeitsfeier

(A) (B) (C) (D)

Struktur Der Abschnitt schließt nahtlos an das vorausgehende Kapitel an und führt die

Handlung weiter. Erzähltechnisch interessant ist, dass nunmehr die beiden – über weite Strecken getrennt verlaufenden – Erzählstränge von der Blindheit des Vaters zum einen und von der Reise mit der Brautwerbung zum anderen zusammengeführt werden.

Synchrone Analyse

261

Die einzelnen Abschnitte des Kapitels sind dabei durch die Motive „Heilung“ (in A, B, C, D) und „Heimführung Saras“ (in A, C, D) eng miteinander verflochten, sodass der Eindruck einer geschlossenen textlichen Größe entsteht. Auffällig für das gesamte Kapitel ist die Betonung der Emotionalität der Figu- Bestimmende ren:438 Sowohl Hanna als auch der alte Tobit fallen dem Kind um den Hals und Motive weinen bei der Begegnung. Häufig erscheinen auch Begriffe aus dem Wortfeld „Freude“ bei der Reaktion Tobias’ auf die Heilung des Vaters (11,15b: χαίρων), wie auch bei Tobits Zug zum Stadttor (11,16a: χαίρων) und schließlich bei der Reaktion der Juden (11,17c: ἐγένετο χαρά) bzw. der Verwandten Achikar und Nadab (11,18: χαίροντες). Während in V. 15 die Freude noch individuell auf Tobit bzw. Tobias bezogen wird, erfährt sie in V. 18 eine Ausweitung ins Kollektive, sodass der Erzähler hier mit dem Stilmittel der Verstärkung arbeitet. Ein weiteres Motiv, das den Charakter des Kapitels bestimmt, ist der Lobpreis. Auch hier ist das Stilelement einer Steigerung zu finden: In Abschnitt C wird Tobits Lobpreis durch die Responsion seines Sohnes ausgeweitet (11,15b) und in Abschnitt D noch dadurch verstärkt, dass der Lobpreis nun in die Öffentlichkeit gelangt und in der gesamten Stadt hörbar wird. In Abschnitt D erfolgt eine Intensivierung des Lobs auch dadurch, dass der Erzähler vom Lobpreis Tobits zunächst nur berichtet (11,16a), dann Tobit von seiner Errettung zuerst in indirekter (11,17a) und schließlich seine Segensworte in der direkten Rede sprechen lässt (11,17b).439

Einzelauslegung Tobias und sein Reisebegleiter befinden sich nun kurz vor ihrer Ankunft in Ninive 11,1–15 in einem Ort namens Kaserin, einer heute nicht mehr zu identifizierenden Ortslage (siehe die TA 11,1a). Die Rückreise von Ekbatana bis dorthin wird gar nicht thematisiert (so auch in 5,4; 6,2.10 und 9,5f.). Stattdessen steuert die Erzählung zielstrebig auf zwei wichtige Begebenheiten, die Heilung Tobits und die Heimführung Saras, zu. Das nun folgende Gespräch wird in der Nähe der Stadt Kaserin lokalisiert, 11,1–8 die gegenüber Ninive gelegen haben soll. Die beiden Reisenden besprechen die bevorstehende Ankunft in Tobias’ elterlichem Haus. Rafaël erinnert den Jungen an den Zustand seines Vaters vor seiner Abreise (11,2) und schlägt ihm vor, seiner Frau Sara vorauszugehen und alles für sie vorzubereiten (11,3). Diese Aussage hat wohl einen „ritualorientierten Hintergrund“, da Saras Hinterherziehen ihren „Weg faktisch zu einem Brautzug [macht]: Sollte bei ihrer Reise die Benutzung eines Reisewagens selbstverständlich sein, so würde dieser nun zum Brautwagen, wie ihn die griechischen Hochzeitsbräuche kennen.“440 Zudem kann man Rafaël hier in der Funktion eines Freundes des Bräutigams sehen, der die Hochzeitsvorbereitungen organisiert (vgl. 1 Makk 9,37).441 438 Zu diesem Abschnitt EGGER-WENZEL, Emotional Relationship, 68f. 439 Siehe hierzu PFREMMER DE LONG, Surprised by God, 84f. 440 KELLERMANN, Eheschließung, 204f. (mit zahlreichen Parallelen für die spätere Zeit und mit weiterführender Literatur). 441 KELLERMANN, Eheschließung, 205.

262

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Es folgt der lapidare Satz, dass die beiden gemeinsam auf dem Weg waren (11,4a); nun erscheint auch wieder der Hund (11,4c), von dem seit dem Abschied der beiden von Tobias’ Eltern an keiner Stelle mehr die Rede war (vgl. 6,2). Diese Angaben zur Reise geben den Hintergrund für das Gespräch der beiden ab und untermalen dieses, sodass der Eindruck einer beständigen Bewegung entsteht. In diesem Zusammenhang weist der Engel Tobias auch an, die Fischgalle zur Hand zu nehmen (11,4b). Im Anschluss an diese einleitenden Verse findet in V. 5 ein Perspektivwechsel statt, der nun Hanna fokussiert; man blickt jetzt von Tobias’ Elternhaus aus auf die beiden Rückkehrer. Da Hanna tagtäglich nach ihrem Sohn Ausschau hält, kann sie als Erste ihrem Mann von der Rückkehr der Reisenden berichten (11,6). An dieses Erzählelement wird dann gleich beim nächsten Abschnitt wieder angeknüpft. In V. 7 schwenkt der Blick wieder zu den beiden Reisenden zurück. In Anknüpfung an den Befehl, die Fischgalle in den Händen zu halten, ordnet der Reisebegleiter nun an, Tobias solle die Galle seinem Vater in die Augen schmieren (ἐμπλάσσω) und ihm dadurch Heilung verschaffen (11,7–8). Der Engel erscheint hier einmal mehr als Vermittler medizinischen Wissens (siehe zu 6,9). Die Begegnung zwischen Mutter und Sohn, welche V. 5 wieder aufnimmt, ist 11,9–14a emotional sehr bewegend. Hanna empfindet die Heimkehr ihres Sohnes als Erfüllung ihres Lebens – nun ist sie bereit zu sterben. Tatsächlich wird im Folgenden nur noch von ihrem Tod und Begräbnis erzählt; im Gegensatz zu Tobit, Tobias und Sara reagiert sie auf die glückliche Wendung, die ihr Leben genommen hat, aber nicht mit einem Lobpreis Gottes.442 Wenn Hanna ihrem Sohn weinend um den Hals fällt, so erinnert dies zunächst an die Begegnung zwischen Tobias und Raguël (7,7), überbietet diese aber insofern, als Hanna durch ihre Worte die existentielle Bedeutung dieser Begegnung zum Ausdruck bringt. Auch das Treffen zwischen Vater und Sohn erscheint sehr anrührend. Die beiden gehen aufeinander zu, wobei das Stolpern des Vaters wohl seiner Blindheit geschuldet ist. Noch vor der eigentlichen Begrüßung kommt Tobias der Anordnung des Engels nach, die Fischgalle auf die Augen des Vaters aufzutragen, sodass die Flecken von den Augen abgeschält werden (ἀπολεπίζω) (11,11–13). Wenn sich hinter Tobits Augenerkrankung tatsächlich – so Hans WILDBERGER – eine korneale verkalkende (bilaterale) Bandkeratopathie verbirgt (zum Einzelnen siehe zu 2,10),443 lässt sich Tobits Heilung dadurch erklären, dass sich die Kalkablagerungen durch das Reiben lockerten und so abgezogen werden konnten. Tatsächlich können bei einer solchen Erkrankung in „Lokalanästhesie […] die Kalklamellen mit einer feinen Pinzette oder mit einem Hockeymesser entfernt“ oder – so „die klassische Behandlungsmethode“ – mit einer Lösung von EDTA (Ethylenediamine-tetra-acetic acid) gelöst werden, wobei zur „Auflösung des Calciums […] bis zu 30 min vorsichtig mit einem Mikroschwamm oder getränktem Wattestäbchen auf den Depots gerubbelt, eventuell auch mechanisch mit den Instrumenten nachgeholfen“ wird.444

442 Siehe zum Ganzen LOADER, Sexuality, 162. 443 So WILDBERGER, Legende, 183. 444 WILDBERGER, Legende, 183.

Synchrone Analyse

263

Die von Tobias verabreichte Galle, die sauer ist und auch mit Essig versetzt gewesen sein könnte, „verursachte laut Legende ein derart heftiges Augenbrennen, dass sich Tobit während einer halben Stunde die Augen rieb, so dass sich Kalklamellen lockerten, lösten, manuell weggezogen werden konnten wie das Häutchen eines Eies und die optische Achse etwas frei wurde. […] Aufgrund der Text-Übersetzungen ist die mechanische Lamellenlösung nachvollziehbar, d. h. die Galle hat nicht geheilt, sondern sie hat, der Hypothese zufolge, die Lamellen gelockert und sie etwas gleitfähiger gemacht.“445

Erst im Anschluss an diese medizinische Therapie (11,12.13a) umarmt der Vater seinen Sohn (11,13b). Durch die Figurenstimme des Vaters erfahren die Leser, dass Tobit wieder sehen kann und seine Blindheit geheilt ist (11,14a). So ist die Ordnung, die durch die Krankheit gestört wurde, auch in diesem Punkt wieder hergestellt.446 Wie Hanna in ihrem Wehklagen (10,5) nennt nun auch Tobit seinen Sohn „Licht meiner Augen“ (zum Motiv des Lichts siehe zu 3,17). Da Tobias durch seine Handlung die Blindheit des Vaters geheilt hat, hat diese Formulierung hier auch eine physische Bedeutung.447 Unmittelbar im Anschluss an diese bewegenden Ereignisse beginnt Tobit, Gott 11,14b–15 zu preisen. Das Gebet besteht aus fünf einzelnen Elementen: Auf die Benediktion Gottes (11,14b) erfolgt der Lobpreis des göttlichen Namens (11,14c) und der der „heiligen Engel“ (11,14d). Daran schließt der Wunsch nach der Gegenwart des göttlichen Namens (11,14e) sowie ein weiterer Lobpreis der Engel an, der nun „in alle Ewigkeiten“ erfolgen soll (11,14f). Durch das Motiv des Lobpreises der Engel erhält Tobits Gebet eine ironische Komponente, da ein Engel ja tatsächlich an dem Heilungsgeschehen beteiligt war.448 Die Wendung εὐλογητός erscheint hier gleich viermal (zu diesem Ausdruck siehe zu 3,11). Tobit begreift sein Schicksal als göttliche Züchtigung (vgl. die Verwendung des Verbs μαστιγόω) und jubelt gleichzeitig, dass er seinen Sohn wieder sehen kann (11,15). Damit deutet Tobit das Heilungsgeschehen vor einem religiösen Hintergrund. Der Abschnitt endet mit der Heimführung Saras. Hier wird das Motiv des 11,16–18 Lobpreises weitergeführt. Insofern Tobit mit seinem Lobpreis der Schwiegertochter bis ans Stadttor entgegenzieht (11,16a) und alle zum Wundern und Staunen bringt (11,16b), wendet sich das Geschehen von der privaten in die öffentliche Sphäre; die Bewohner Ninives werden zu Zeugen des göttlichen Rettungshandelns. Tobits Freude korrespondiert seiner körperlichen Verfassung. Während er im vorigen Abschnitt von der Züchtigung durch Gott sprach (11,15), formuliert er nun, dass Gott sich seiner erbarmt habe (11,17a; ἐλεέω). Mit dieser Aussage bringt Tobit die Erfahrung seiner Heilung auf einen kurzen theologischen Begriff. Da er selbst auch Erbarmen gegenüber seinen Mitmenschen gezeigt hat, wird hier implizit der Tun-Ergehen-Zusammenhang formuliert und die Bedeutung der Barmherzigkeitstaten unterstrichen, die sogar Verfehlungen aufheben können.449 445 446 447 448 449

WILDBERGER, Legende, 183. In diesem Sinne argumentiert COUSLAND, Comedy, 551. So MACATANGAY, Metaphors, 82. Zur ironischen Kompenente siehe PFREMMER DE LONG, Surprised by God, 83. Zu diesem Grundtenor in der Erzählung allgemein die Analyse bei VON STEMM, Der betende Sünder, 104–139.

264

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Den Abschluss findet sein Lobpreis bei der Begegnung mit Sara (11,17b). Jetzt spricht Tobit in direkter Rede. Er begrüßt Sara als seine Schwiegertochter und preist Gott dafür, dass er sie zu ihm geführt hat. Durch die Segensworte, die sich nicht nur an sie richten, sondern auch auf seinen Sohn und ihren Vater beziehen, blendet er den Handlungsstrang von der Rettung Saras ein und richtet den Blick implizit auf die Zukunft der ganzen Familie.450 Es finden sich hier „bewusst gesetzte Andeutungen einer Einholung der Braut in das Haus des Bräutigams und der letzten Strecke ihres Weges. Diese erfolgt aber nicht entsprechend dem Brauchtum durch den Ehemann Tobias, wohl aber durch den Schwiegervater Tobit.“451 Auch wenn Tobit nicht bei der Brautwerbung beteiligt war, kann er nun doch zeigen, dass er die künftige Frau seines Sohnes „in aller Öffentlichkeit annehmen will.“452 Die Freude der Juden (11,17c) und der Besuch der Verwandten Achikar und Nadab (11,18) haben ihren Grund nicht nur in Tobits Heilung, sondern auch in der bevorstehenden Hochzeitsfeier. Für ein solches Verständnis spricht auch die Fortsetzung der Erzählung, die mit den Worten „Und als die Hochzeit vorüber war […]“ (12,1) beginnt.453

Buchinterne Bezüge Überblick Das Kapitel enthält die übergreifenden Motive „Reise“, „Blindheit“, „Heilung“,

„Barmherzigkeit“, „Eheschließung“, „Familie“, „Gebete und Lobpreis“, „Licht“ und „Freude“ sowie die Rede vom „Züchtigen und Erbarmen“ und verweist somit auch auf die kollektive Dimension der Handlung.454 Insbesondere werden die beiden Handlungsstränge der Heilung Tobits und der Heirat von Tobias und Sara in diesem Abschnitt verknüpft. Durch das Motiv der Heilung der Blindheit sind insbesondere die Bezüge zum Heilung Gespräch zwischen Tobias und dem Engel während der Reise (6,9) sehr eng. Allerdings erscheint hier ein etwas anderes Vokabular: Während dort der Engel Tobias den Auftrag gibt, die Galle auf die Augen zu streichen (ἐγχρίω) und noch dazu auf die weißen Flecken zu hauchen (ἐμφυσάω), sodass diese geheilt werden, ist nun die Rede davon, dass er die Galle auf die Augen schmieren (ἐμπλάσσω) soll, sodass sie die weißen Flecken zusammenzieht (ἀποστύφω) und abschält (ἀπολεπίζω) (11,8). Beim Heilungsakt selbst haucht (ἐμφυσάω) Tobias dem Vater in die Augen, trägt die Salbe auf (ἐπιβάλλω) und reicht sie ihm dar (ἐπιδίδωμι); dann schält er die weißen Flecken mit den Händen ab (ἀπολεπίζω) (11,11–13). Vor dem Hintergrund der Offenbarung des Engels und durch den Lobpreis Tobits im Anschluss an seine Heilung steht diese in einem religiösen Rahmen; der Gott Israels ist der wahre Heiler. Damit wird auch ein Gegenpol zu dem Motiv der Kritik an den Ärzten geschaffen, deren Handeln Tobits Zustand nur verschlimmert hat (2,10).

450 PFREMMER DE LONG, Surprised by God, 85. Zur Bedeutung der Familie und familiärer Strukturen siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 451 KELLERMANN, Eheschließung, 208. 452 KELLERMANN, Eheschließung, 208. 453 KELLERMANN, Eheschließung, 211–213. 454 Siehe die Einleitung.

Diachrone Analyse

265

Tobits Lobpreis (11,14b–15a) fügt sich in die Reihe der Hymnen, welche die Erzählung seit dem Gebet Raguëls im Anschluss an die Hochzeitsnacht durchzieht (8,15–17; vgl. 10,13) und später noch ihre Fortsetzung findet (11,17; 12,22; 13,1–18). Der Kontrast zu Tobits vormaliger Betrübnis und Trauer (vgl. 3,1–6; 5,10) ist offensichtlich, und durch ihn entwickelt die Erzählung eine eindrückliche Dynamik. Nun erfolgt die Vereinigung der Familien. Schreitet Tobit lobpreisend durch die Stadt, um Sara zu empfangen und wird schließlich auch mit vielen Gästen die Hochzeit gefeiert, so zeigt sich, dass Tobit seine Isolation durchbrochen hat und eine Entgrenzung der Kleinfamilie in den „öffentlichen, urbanen Raum hinein“ erfolgt.455 Von zentraler theologischer Bedeutung für die gesamte Erzählung ist Tobits Aussage, dass seine Heilung Ausdruck des barmherzigen Handelns Gottes ist (11,17a). Hier wird auf ein Motiv rekurriert, das bereits Bestandteil von Tobits Gebet war (so 3,2; für Tobias siehe 8,16f.). Insofern Tobits Handeln aber auch selbst durch seine Haltung und Praxis von Barmherzigkeit gezeichnet war, kommt damit auch implizit die Gültigkeit des Tun-Ergehen-Zusammenhangs zum Ausdruck. Die Erzählung wird so zu einem „foundation myth of pity“: „[…] pity functions as catalyst. It causes suffering but also redemption, through the mediation of divine pity.“456 Die Thematik vom Züchtigen und Erbarmen (11,15a.17a) wird später in Tobits Hymnus (13,2.5) wieder aufgenommen. Somit deutet sich mit seinem hiesigen Lobpreis der Zusammenhang zwischen individuellem und kollektivem Geschick an; Tobits Heilung kann als Antizipation eschatologischer Ereignisse interpretiert werden.457 Damit präludiert das Motiv der Freude die Hoffnung auf das Neue Jerusalem (13,10.14) und den Untergang Ninives (14,7).

Lobpreis

Barmherzigkeit Gottes

Kollektive Dimensionen

Diachrone Analyse Interessant sind hier die Entsprechungen zu Heilungspraktiken bei Augenkrankhei- 11,8.11–13: ten, wie sie auch in keilschriftlichen Quellen belegt sind. Insbesondere Galle bzw. die Die BlindenGallenblase konnte bei der Behandlung von Augenkrankheiten eingesetzt werden. heilung Bereits VON SODEN hat in einem Beitrag aus dem Jahr 1966 mit dem Titel „Fischgalle als Heilmittel für die Augen“ assyrische Quellen angeführt;458 weitere Belege nennt 455 RAUTENBERG, Verlässlichkeit des Wortes, 161. 456 Siehe hierzu MIRGUET, History of Compassion, 127; vgl. ibid.: „Masculine, wealthy, and socially influential, Tobit and Job are figures of the self for their audiences. They are also vulnerable heroes, whose fragility is expressed through bodily metaphors. The heroes’ bodies are fragile; their integrity is easily compromised. When healthy, the body can be infiltrated and infected, like Tobit’s eyes; when ill, it fails to retain its own fluids, like Job’s skin. Both stories describe the easy slippage from health to disease, from activity to passivity, from maleness to femaleness, but also vice versa. Pity and its acts are the turning point of these moments of slippage: they expose to suffering, but they also restore privilege. The two patriarchs thus personify pity’s dual faces – its dangers and its redemptive qualities. Job and Tobit also dramatize both roles in the relationship of pity: the privilege of the benefactor and the humiliation of the recipient, both condensed in a single figure.“ 457 HICKS-KEETON, Already / Not Yet, 104. 458 Vgl. die Belege bei VON SODEN, Fischgalle, 81f.

266

11,14: Name Gottes

11,14: Lobpreis der Engel

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Annie ATTIA, darunter auch die Behandlung der Šišitu-Membran.459 Für Ägypten ist auf die Materialsammlung Bernd KOLLMANNs zu verweisen. Hier finden sich v. a. im Papyrus Ebers 360 und 405 interessante Parallelen. Papyrus Ebers 405 nennt ganz allgemein die Fischgalle für die Behandlung weißer Flecken; spezifischer ist Papyrus Ebers 360, wo ein Zauberspruch zitiert wird, der bei weißen Flecken in den Augen über Schildkrötengalle rezitiert werden soll.460 Zudem können die engen Entsprechungen zur Heilung durch Fischgalle bei DIOSKURIDES, PLINIUS D. Ä., PSEUDO-GALEN und dem Buch der Kyraniden (u. a. Kyr IV 9,5f.; 13,3f.; 23,2) angeführt werden.461 Die Bedeutung der Galle in medizinischen Kontexten kennen auch zahlreiche Passagen bei PLINIUS.462 Die babylonischen Belege zeigen, dass das Medikament zur Heilung einer Augenkrankheit als Salbe aufgestrichen, aber auch in Form von Puder oder Pulver in das Auge geblasen oder gestäubt werden konnte.463 Daneben gibt es auch Waschungen, Räucherungen und Medizin, die eingenommen wird, sowie chirurgische Eingriffe wie Operationen und Punktierungen. In einigen Fällen werden bei Augenkrankheiten auch magisch-rituelle Methoden (Binden von Knoten, Beschwörungen) angewandt. Diese können direkt bei der Therapie oder aber beim Herstellen von Augenmedikamenten oder -amuletten eingesetzt werden.464 Das Motiv der Gegenwart des göttlichen Namens (vgl. 11,14) findet sich in der Regel in Verbindung mit Jerusalem (siehe 1 Kön 8,16; 2 Kön 23,27; 2 Chr 6,5f.; 33,4) bzw. dem Tempel (1 Kön 8,29; 2 Chr 7,16; 20,9; vgl. auch die Rede vom „Wohnen des Namens“ in der dtn.-dtr. Theologie). Außerdem kann auch der Exodus-Engel Repräsentant des göttlichen Namens sein (Ex 23,20f.). Mit dem Lobpreis der Engel (als Genitivus objectivus; 11,14d.f) klingt ein Motiv an, das sich auch in anderen Überlieferungen des antiken Judentums findet und hinter dem sich mit großer Wahrscheinlichkeit eine Art „Engelskult“ verbirgt. 4Q285 1a–b 3f. (siehe auch 11Q14 1ii 3f.) nennt ebenfalls den Lobpreis der Engel; nach TestLev 5,5 können Engel in der Stunde der Not direkt als Helfer angerufen werden. Die ägyptischen Zauberpapyri zeigen darüber hinaus, dass diesen Kräften auch geopfert werden konnte.465 459 ATTIA, Disease and Healing, 55–57; CHRYSOVERGI, Attitudes, 146. 460 Siehe die Texte bei WESTENDORF, Handbuch II, 613.620. 461 KOLLMANN, Jesus und die Christen, 122f.; DERS., Göttliche Offenbarung, 293–297; zur Galle als Augenheilmittel Plinius, Nat. Hist. 32.24. Auch die chinesische Medizin kann Fischgalle zur Behandlung von Augenkrankheiten einsetzen; siehe hierzu WILDBERGER, Legende, 183 mit Anm. 22. Auf den Beleg der Kyraniden verweist auch CHRYSOVERGI, Attitudes, 142; weiterführend zu Fischgalle als Augenmedizin ibid., 144–148. 462 Siehe die Belege bei JACOBS, Delicious Prose, 131.134. Zur Galle als Augenheilmittel siehe auch GELLER/PANAYOTOV, Mesopotamian Eye Disease Texts, 6.31.113.125. 463 ATTIA, Disease and Healing, 56; CHRYSOVERGI, Attitudes, 148–150; FINCKE, Augenleiden, 271–298; GELLER/PANAYOTOV, Mesopotamian Eye Disease Texts, 53.114.260; zu Augensalben FINCKE, Augenleiden, 275–281; zu Pulver ibid., 284–289. 464 Vgl. den Überblick bei FINCKE, Augenleiden, 271–306; GELLER/PANAYOTOV, Mesopotamian Eye Disease Texts, 31–44; siehe auch die Literaturhinweise bei WILDBERGER, Legende, 184, Anm. 11. 465 Zum Ganzen siehe die ausführliche Studie von STUCKENBRUCK, Angel Veneration, 149–202; wichtige Hinweise gibt bereits MACH, Engelglaube, 291–300, der insbesondere auf die Bedeutung der Engelverehrung in magischen Texten verweist.

Synthese

267

Dass hinter erfahrenem Leid Gottes erzieherisches Handeln stehen könne (hier mit dem Verb μαστιγόω), ist ein Motiv, das in der biblischen Überlieferung sowohl in einem kollektiven Sinn verwendet wird (so bereits in der dtn.-dtr. Theologie; für die spätere Zeit siehe 2 Makk 6,12–16; 10,4; PsSal 7,8–10 und 18,4–7) als auch im Hinblick auf die Kontingenzbewältigung des Individuums erscheint (zur Züchtigung durch Krankheitsleiden siehe Ps 6,2; 38,2; 39,12; 118,18). LXX verwendet in diesem Kontext παιδεύω (insbesondere zu Gott als Erzieher des Gerechten siehe PsSal 3,4; 10,1–3; 13,7–10; siehe auch 2 Makk 10,4).466 Die Formulierung erinnert an weisheitliche Denkstrukturen (siehe Weish 16,13). In Tobits Hymnus soll der Begriff dann in einem kollektiven Sinne verwendet werden (siehe zu 13,2).467 Wenn Tobit seiner Schwiegertochter voller Freude und mit dem Lobpreis Gottes auf den Lippen entgegenzieht, so entsteht durch die Wendung „εἰς ἀπάντησιν“ „ein Bild ausgeprägter Feierlichkeit“, das seine Entsprechung in 1 Makk 9,39 hat, wo „von einer festlichen Einholung […] durch den Bräutigam mit seinen Freunden und Pauken und Liedern die Rede“ ist.468 Der Erzähler macht zwar keine Aussagen zur Dauer des Fests, doch ist davon auszugehen, dass diese Feierlichkeiten der damaligen Sitte entsprechend mehrere Tage währten (Gen 29,27; Ri 14,10–13; JosAs 21,8; für weitere Belege für Hochzeitsfeierlichkeiten ohne Angabe der Dauer siehe Gen 29,22; Est 2,18; Mt 22,1–10; Lk 14,8–11; Joh 2,1–10).469

Synthese Tob 11 ist insofern ein höchst bedeutsames Kapitel, als hier die beiden Erzählstränge wieder zusammenkommen und die eigentliche Handlung, die in der Erblindung Tobits ihren Ausgangspunkt nahm, zum Abschluss gebracht wird. Zentrale theologische Aussagen erfolgen durch die Begriffe „züchtigen“ (μαστιγόω) und „Barmherzigkeit erweisen“ (ἐλεέω) sowie durch das Motiv des Lobpreises. Kurz vor der Ankunft in Ninive instruiert der Reisebegleiter Tobias über den Gebrauch der Fischgalle, sodass er wieder in seiner Rolle als weisheitlicher Berater und Offenbarer medizinischen Wissens erscheint (11,1–8). Bei der Ankunft der Reisenden im Haus Tobits kommt es dann zu einer emotional ergreifenden Begegnung mit den Eltern und zur Heilung des Vaters. Dabei scheint der Erzähler über – wenn insgesamt auch etwas diffuse – Kenntnisse von zeitgenössischen konkreten Methoden zur Behandlung von Augenkrankheiten zu verfügen. Zahlreiche Entsprechungen zu ägyptischen, babylonischen und griechischen Quellen machen 466 Zum Ganzen siehe BETZ, Gott als Erzieher; insbesondere zum individuellen Aspekt ibid., 222–278; 308–312; siehe auch LEBRAM, Ϻυστήριον, 320. LEBRAM, ibid., 321, verweist auf Dan 4 und Dan 6 als Erzählungen, die diesen weisheitlichen Ansatz narrativ umsetzen. Zum kollektiven Aspekt siehe BETZ, Gott als Erzieher, 307–317. 467 Zur Verbindung zwischen Individuum und Kollektiv siehe die Einleitung. 468 KELLERMANN, Eheschließung, 208. 469 Zum Ganzen siehe KELLERMANN, Eheschließung, 211. ESTES, Gentiles, 75, sieht in der Aussage, dass die Juden sich freuten, einen Hinweis darauf, dass die Völker von der Festesfreude ausgeschlossen werden.

11,15: Erziehung durch Leiden

11,16: Hochzeitsfeier

268

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

aber eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten kulturellen Umfeld unmöglich. Tobits Heilung wird letztlich, trotz des naturwissenschaflichen Charakters der Schilderung vom Auftragen der Salbe, als ein religiöses Geschehen begriffen; der Gott Israels ist der wahre Arzt, durch dessen Wirken die Unfähigkeit der Ärzte (2,10) noch deutlicher zutage tritt. Sowohl Tobit als auch Tobias stimmen nach der Heilung ein Loblied an (11,9–15). Tobit selbst deutet das ihm widerfahrene Geschick als Züchtigung, ein Motiv, das in der Literatur des antiken Judentums zur Deutung von Kontingenzerfahrungen häufig belegt ist. Das Motiv des Lobpreises findet im nächsten und letzten Abschnitt des Kapitels seine Fortsetzung und bezieht sich nun auch auf die Heirat zwischen Tobias und Sara (11,16–19). Was auf literarischer Ebene als Ineinanderverwobensein von verschiedenen Erzählsträngen beschrieben werden kann, spiegelt die allseitige Fürsorge und Vorsehung Gottes wider. Auch die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes wird – zumindest implizit – beantwortet, indem die beiden individuell unschuldigen Protagonisten nunmehr wieder ins Recht gesetzt werden. Barmherzigkeitstaten sind nicht vergebens, sondern haben letztlich eine rettende Kraft. Mit dem Empfang Saras (11,16–18) werden die beiden Erzählstränge „Blindenheilung“ und „Verheiratung der Sara“ zusammengeführt.

Die Verabschiedung Rafaëls: Entlohnung, Mahnungen und Selbstoffenbarung (12,1–22) Die Entlohnung des Reisebegleiters (12,1–5) 1 Und als die Hochzeitsfeiera vorüber war, rief Tobit Tobias, seinen Sohn, und sagte zu ihm: Kind, bachte darauf, dem Mann, der mit dir gereist ist, den Lohn zu gebenb und gib ihm auch noch etwas dazu! 2 Und er sagte zu ihm: Vater, wie viel soll ich ihm als Lohn geben? Ich schade mir nicht, wenn ich ihm die Hälfte der Güter gebe, die er mit mir hergebracht hat. 3 a aMich hat er wohlbehalten geleitet und meine Frau bhat er gesund gemachtb und das Silber hat er zusammen mit mir hergebracht und auch dich hat er gesund gemacht.a b Wie viel kann ich ihm noch als Lohn geben? 4 Und Tobit sagte zu ihm: Es steht ihm zu, Kind, die Hälfte von allem zu nehmen, womit er [von der Reise zurück] gekommen ist. 5 Und er rief ihn und sagte: Nimm die Hälfte von allem, womit du [hierher] gekommen bist, als deinen Lohn und ziehe wohlbehalten davon!

Rafaëls Abschiedsrede und seine Offenbarung (12,6–22) 6 a Da rief er [d. h. der Engel] die beiden heimlich und sagte zu ihnen: b Preist Gott und dankt ihm vor allen Lebewesen [für das], was er euch Gutes getan hat, adamit man seinen Namen preise und rühme!a c Die Taten Gottes macht allen Menschen bauf ehrenvolle Weiseb offenbar und zögert nicht, ihm zu

Die Verabschiedung Rafaëls (12,1–22)

269

danken. 7 a Es ist gut, das Geheimnis eines Königs zu verbergen, die Werke Gottes aber zu offenbaren und ehrenvoll zu bekennen. b Tut das Gute, so wird euch Böses nicht finden. 8 a aBesser ist ein Gebet zusammen mit Wahrheit sowie Barmherzigkeitb zusammen mit Gerechtigkeit als Reichtum zusammen mit Ungerechtigkeit.a b Besser ist es, cBarmherzigkeit zu wirkenc, als Gold anzuhäufen. 9 a Barmherzigkeit errettet vom Tode, und sie reinigt jede Sünde. b Diejenigen, die Barmherzigkeit wirken, werden mit Leben gesättigt werden. 10 Die Sünde und Ungerechtigkeit tun, sind ihrer eigenen Seele feind. 11 a Die ganze Wahrheit will ich euch mitteilen und euch gar nichts verbergen. b Ich habe euch schon mitgeteilt und gesagt: Es ist gut, das Geheimnis eines Königs zu verbergen, die Werke Gottes aber rühmend zu offenbaren. 12 a Und nun, als du und Sara betetet, brachte ich das Gedächtnis eures Gebets vor adie Herrlichkeit des Herrna, b und als du die Toten begrubst, ebenso. 13 a Und als du nicht zögertest, aufzustehen und dein Mahl im Stich zu lassen, und hingingst und den Toten bestattet hast,a 14 a da wurde ich zu dir geschickt, aum dich auf die Probe zu stellena. b Zugleich aber sandte mich Gott, um dich und Sara, deine Schwiegertochter, zu heilen. 15 aIch bin Rafaël, einer der sieben Engel, welche bereitstehen, um vor die Herrlichkeit des Herrn hinzuzutreten!a 16 Und die beiden erschraken und fielen auf ihr Angesicht, denn sie fürchteten sich. 17 Und er sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Friede sei mit euch! Preist Gott in alle Ewigkeit! 18 Als ich bei euch war, war ich nicht aus eigener Güte bei euch, sondern nach dem Willen Gottes. Ihn preist an allen Tagen, ihm lobsingt! 19 Und ihr habt gesehen, adass ich nichtsb aßa; es zeigte sich euch vielmehr eine Erscheinung. 20 a Und nun preist den Herrn auf der Erde und dankt Gott! b Siehea, ich steige empor zu dem, der mich gesandt hat. c bSchreibt alles auf, was euch geschehen ist!b d Und er stieg empor. 21 Und sie standen auf und konnten ihn nicht mehr sehen. 22 aUnd sie priesen und lobsangen Gott und dankten ihm bfür diese seine großen Werkeb, cdass ihnen ein Engel Gottes erschienen warc.a

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 12,1a 12,1b–b

12,3a–a 12,3b–b 12,6a–a

Γάμος meint nun die eigentliche Hochzeitsfeier, vgl. TA 9,2b; zum Ganzen siehe KELLERMANN, Eheschließung, 193–195.211–213. Griech.: ὅρα δοῦναι τὸν μισθὸν τῷ ἀνθρώπῳ τῷ πορευθέντι μετὰ σοῦ; wörtl.: „schau, dem Mann [… den Lohn] zu geben“. Es handelt sich um einen Hebraismus; vgl. LITTMAN, 143; 4Q196 16 1 liest hier „und wir werden geben ihm den Lohn“; vgl. HALLERMAYER, Text, 70. Tob 12,3 Vg. ist hier bei der Schilderung der Wohltaten des Reisebegleiters weitaus ausführlicher und verweist u. a. auch auf die Vertreibung des Dämons. Griech.: θεραπεύω. Griech.: τοῦ εὐλογεῖν καὶ ὑμνεῖν τὸ ὄνομα αὐτοῦ; nach LITTMAN, 143, handelt es sich um eine Konstruktion, die „awkward and ungrammatical“ ist und auf eine

270

12,6b–b 12,8a–a

12,8b

12,8c–c 12,12a–a

12,13a–a 12,14a–a 12,15a–a

12,19a–a

12,19b 12,20a 12,20b–b 12,22a–a 12,22b–b 12,22c–c

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a) wörtliche Übersetzung eines Infinitivus constructus mit ‫ ל‬aus dem Hebräischen oder Aramäischen zurückgehen könnte. Er schlägt vor, die Wendung mit dem folgenden Satz zusammen zu lesen. Griech.: ἐντίμως; siehe auch 12,7 und 14,13; vgl. 4Q198 1 11: ‫ – בי]קר‬in Herr[lichkeit ], vgl. HALLERMAYER, Text, 129f. GI betont hier neben dem Gebet den Wert des Fastens; diese Verbindung ist traditionell und findet sich auch in Jer 14,12; Joël 1,14; Esr 8,23; Neh 1,4. Sir 7,10[9–10] verknüpft das Gebet mit ἐλεημοσύνη, wobei hier nun die Bedeutung „Almosen“ eindeutig ist. Die Zusammenstellung aller drei Elemente findet sich im Alten Testament nur in Tob. Die „Trias von Gebet, Fasten und Almosen bildet einen traditionsgeschichtlichen Wurzelgrund der Bergpredigt Jesu, wenn auch in Mt 6,1–6.16–18 die Reihenfolge Almosen, Beten und Fasten“ lautet; siehe OEMING, Verstehen und Glauben, 279. Zur Rezeption in der Alten Kirche siehe TUCKETT, 2 Clement 16,4. Griech.: ἐλεημοσύνη; eine andere Bedeutung ist „Almosen“; die Übersetzung „Barmherzigkeit“ wurde hier gewählt, da sie einen breiteren Kontext aufweist als der Begriff „Almosen“. Zur Übersetzung siehe HEILIGENTHAL, Werke der Barmherzigkeit, 294. Griech.: ποιῆσαι ἐλεημοσύνην; andere Übersetzungsmöglichkeit: „Almosen zu geben“. Ist in GII ganz allgemein von der „Herrlichkeit des Herrn“ die Rede, vor welche die Gebete dargebracht werden, so spricht GI vom „Heiligen“. Die Gottesbezeichnung „Heiliger“ findet sich auch in Jes 29,23; 47,4; 54,5 und 60,9. Wieder zeigt GI die Tendenz, die Heiligkeit Gottes zu betonen (siehe auch 3,11; 8,5.15). In GI fehlt das Motiv, dass der Engel beim Begraben der Toten bei Tobit anwesend war. In GI fehlt das Motiv der Erprobung. GI liest „Ich bin Rafaël, einer der sieben heiligen Engel, die die Gebete der Heiligen hinauftragen und bereitstehen, vor die Herrlichkeit des Heiligen hinzutreten.“ Wieder fügt der Bearbeiter das Attribut „heilig“ ein; zudem wird an dieser Stelle wieder explizit auf das Motiv der Gebetsmittlerschaft zurückgegriffen; siehe zu TA 12,12a–a. Griech.: ὅτι οὐκ ἔφαγον οὐθέν. Vgl. 4Q196 17i 2: „[ (19) n]icht habe ich getrunken.“ Während GI, GIII und Vg. sowohl vom Nicht-Essen als auch vom Nicht-Trinken des Engels berichten, hat der aramäische Text hier nur den zweiten Teil der Wendung. GII und VL erwähnen nur das Essen des Engels; siehe HALLERMAYER, Tobit, 72. Zur Textkritik siehe JACOBS, Delicious Prose, 190; GI und GIII sind der semitischsprachigen Textform näher als GII. Griech.: οὐθέν; nach LITTMAN, 146, handelt es sich um eine Form des Koine-Griechisch, die anstelle von οὐδέν verwendet wird. Griech.: ἰδού; ist ein Hebraismus, siehe LITTMAN, 147. Nach GI sollen die Ereignisse in ein Buch geschrieben werden. Dies könnte auf den Einfluss von Ex 17,14 oder Dtn 31,24 zurückgehen und aus dem Impuls, die Figur des Tobit an die Moses anzugleichen, resultieren. Vg. hat hier das Motiv, dass die Protagonisten für drei Stunden in einer Proskynese ihren Lobpreis verrichten. Griech.: ἐπὶ τὰ ἔργα αὐτοῦ τὰ μεγάλα ταῦτα; es handelt sich um eine ungewöhnliche griechische Konstruktion, die einen Semitismus wiedergibt; siehe LITTMAN, 147. ἐπί ist wahrscheinlich eine Übersetzung von ‫על‬. Griech.: ὡς ὤφθη αὐτοῖς ἄγγελος θεοῦ; andere Übersetzungsmöglichkeit: „weil ihnen ein Engel Gottes erschienen war“. 4Q200 6 3 liest hier „wie (‫ )איכה‬sich sehen ließ“; siehe HALLERMAYER, Text, 155f.

Synchrone Analyse

271

Synchrone Analyse Gliederung, Struktur und Gattung Die Passage kann folgendermaßen gegliedert werden:470

Gliederung

12,1–5 Überlegungen zur Entlohnung des Reisebegleiters 12,6–20 Die Offenbarung des Engels und sein Abschied 12,6–16 Erster Redeteil des Engels 12,6–10 Ermahnungen und Belehrungen – Abschnitt A 12,6–7a Aufforderung zum Lobpreis Gottes 12,7b–10 Ethische Belehrungen 12,11–15 Die Offenbarung des Engels – Abschnitt B 12,11 Ankündigung der Offenbarung 12,12–14 Rückblick auf die eigene Mission 12,15 Selbstvorstellung: Rafaël als einer der Thronengel 12,16 Reaktion der Beteiligten: Furcht 12,17–20 Zweiter Redeteil des Engels – Abschnitt C 12,17 Friedensgruß; Aufruf zur Furchtlosigkeit und zum Lobpreis Gottes 12,18–20 Rückblick: Rafaël als Gesandter Gottes; Aufruf zum Lobpreis Gottes und zur Verschriftlichung der Ereignisse; Aufstieg 12,21–22 Reaktion der Beteiligten: Furcht und Lobpreis Tob 12 führt die Handlung des vorigen Kapitels weiter und bringt sie zu einem Einführung Abschluss, indem der Reisebegleiter nun seine wahre Identität als Engel preisgibt und Struktur und in die himmlische Welt zurückkehrt.471 Die eigentliche Handlung (12,1–5.20d–22), für die noch das szenische Erzählen vorherrschend ist, wird durch eine weisheitliche Rede Rafaëls unterbrochen (12,6–15.17–20c).472 „Erzählte Zeit und Erzählzeit fallen nahezu zusammen“.473 Durch die Mahnungen des Engels hat das Kapitel eine stark didaktische Tendenz und einen Appellcharakter an die Leserschaft.474 Rafaël erscheint wieder – wie bereits in der gesamten Erzählung – als weisheitliche Lehrergestalt, wobei das Motiv zur Aufforderung zum Gotteslob nun in den Vordergrund tritt. Gleich am Anfang des Kapitels beginnt eine neue Szene: Die zahlreichen Menschen, die in Ninive zu den Feierlichkeiten zusammenkamen (11,19), sind verschwunden. Jetzt ist der alte Tobit allein und ruft seinen Sohn zu sich, um zum 470 Eine ähnliche Gliederung findet sich auch bei SCHNUPP, Schutzengel, 87. Siehe auch XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1400. Er unterscheidet „Vv. 6b–10: didactic speech with sapiential elements“; „Vv. 11–15: the revelation of the angel“ und „Vv. 17b–20a: a comforting farewell speech“. 471 Zu Rafaël in Tob 12 siehe EGO, Figure; XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation. 472 Siehe die narrative Analyse des Kapitels bei SCHNUPP, Schutzengel, 87. Zur Rede des Engels weiterführend mit vielen traditionskritischen Hinweisen siehe VON STEMM, Der betende Sünder, 159–180. 473 SCHNUPP, Schutzengel, 87. 474 SCHNUPP, Schutzengel, 96.

272

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Abschluss die Frage nach der Entlohnung des Reisebegleiters zu klären. Die Entgegnung des Engels (ab 12,6) kann als direkte Antwort auf das Thema der Entlohnung verstanden werden; insofern aber das Gotteslob und eben nicht ein bestimmter Geldbetrag die richtige Form der Reaktion der Beteiligten darstellt, wird die gesamte Thematik auf eine theologische Ebene gehoben und zudem ausgeweitet. In diesem Zusammenhang kommt es schließlich auch zur Offenbarung des Engels und zu seinem Abschied (12,15.20b). Der Schluss des Abschnittes (12,22) leitet mit dem Motiv des Lobpreises schließlich zum nächsten Kapitel über. Bereits ein Blick auf diese Gliederung macht den dramatischen Aufbau der Rede deutlich. Das Element „Reaktion der Beteiligten“ in V. 16 unterbricht die Rede, sodass eine klare Gliederung in zwei Teile zu erkennen ist. Der Engel setzt mit einem Aufruf zum Lobpreis Gottes ein (12,6–7a) und fährt mit ethischen Mahnungen fort (12,7b–10). Erst dann erzählt er – nachdem er seine Offenbarung angekündigt hat (12,11) – mit Rückblick auf die Vergangenheit von seinem eigenen Wirken (12,12–14). Dieser Rückblick enthält auch – wie im Folgenden noch deutlich wird – Motive, die in der Geschichte selbst nicht explizit erscheinen. Im Anschluss daran erfolgt die eigentliche Selbstvorstellung Rafaëls, in der er sich als einer der sieben Thronengel präsentiert (12,15). Der erste Redeteil schließt mit einer Reaktion der Angesprochenen: Sie erschrecken und fallen voller Furcht auf ihr Angesicht (12,16). Daraufhin beginnt der zweite Redeteil: Rafaël spricht Tobit und Tobias Mut zu (12,17) und fährt mit seiner Rede fort, wobei er – nach einem weiteren Rekurs auf sein Erscheinen (12,18f.) – nochmals die Bedeutung des Lobpreises Gottes unterstreicht (12,20a). Der Aufruf zur Verschriftlichung zielt auf eine Verstetigung der Erinnerung. Anschließend steigt Rafaël in die himmlische Welt empor; damit kommt seine Aktion zum Ende (12,20b). Parallel zum ersten Redeteil erfolgt auch an dieser Stelle wieder die Reaktion der Beteiligten; jetzt fürchten sie sich nicht mehr, sondern loben und preisen Gott für seine Hilfe durch die Entsendung des Engels (12,21f.). Zahlreiche Wiederholungen und Bezugnahmen lassen den Text als „dichtes Gewebe“ erscheinen. Durch die fast identische Wiederholung des Sprichwortes vom Geheimnis des Königs (12,7.11) und durch zahlreiche Stichwortbezüge weist die Passage eine enge innere Kohärenz auf. Der Anfang der Rede und der Schluss des Kapitels sind durch εὐλογέω (12,6//12,18.20.22), ὑμνέω (12,6//12,18.22) sowie durch ἐξομολογέω (12,6.7//12,20.22) miteinander verbunden. ὑποδείκνυμι, „erklären“, verknüpft die beiden Redeteile im ersten Redegang (12,6//12,11). Dies gilt auch für den Begriff καλός (12,7.8//12,11) sowie in besonderem Maße für die beiden fast identischen Sprichwörter vom Geheimnis des Königs (12,7//12,11). Das Verb ἀποστέλλω schließlich erscheint sowohl am Ende des ersten Redeteils als auch im zweiten Redeteil (12,13f.//12,20). Auch das Thema des Essens verbindet diese Teile (12,13//12,19).475 Insofern das Wort θεός insgesamt achtmal und κύριος zweimal erscheint, wird der theologische Fokus der Ausführungen Rafaëls ganz offensichtlich. Das Motiv des Lobpreises Gottes durchzieht den gesamten Abschnitt ab V. 6 wie ein Cantus firmus (12,6f.11.20.22). Achtmal begegnet dort der Terminus εὐλογέω, „preisen“; die Synonyme ἐξομολογέω und ὑμνέω sind zweimal belegt. 475 Zur inneren Kongruenz des Abschnitts siehe auch XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1400.

Synchrone Analyse

273

Wenn Rafaël im ersten Redeteil mit diesem Motiv einsetzt und zudem mit demselben Element die zweite Rede abschließt, so bildet dieses in gewisser Weise den Rahmen um seine Selbstvorstellung.476 Damit wird bereits bei einem oberflächlichen Blick auf die Passage deutlich, dass Rafaël bei seiner Offenbarung gleichsam wieder hinter sich zurücktritt; es geht nicht um sein Wesen als solches, sondern um Gottes wirksames Eingreifen zugunsten seiner Schützlinge. Auffällig ist auch die universelle Ausrichtung der Worte des Engels: Gott soll an „allen Tagen“ (12,18) „auf der Erde“ (12,20) gelobt werden; dem Lob Gottes soll somit „Öffentlichkeitscharakter“ zukommen.477 Ein besonderes Gewicht erfährt das Motiv auch durch den Schluss des Kapitels, in dem die Protagonisten ihren Lobpreis anstimmen. Bianca SCHNUPP hat eine Gattungsbestimmung kreiert, die sie als „Angelooph- Zur Gattung Angeloophthie thie“ bezeichnet: „Die Besonderheit der Angeloophthie besteht darin, daß der Engel bestimmten Menschen direkt sichtbar wird, weil er in ihrer Lebenswelt auftritt. Das grenzt sie von der unspezifischen Rede vom Vorkommen eines Engels, der Angelophanie, ab. […] Die beiden ältesten Texte, Gen 16 und 21, bieten den Kristallisationskern der Gattung, den Auftrag und die Verheißung von Gott her, sie haben aber noch keine ausgearbeitete Form. Während nach Gen 21,17 Hagar nur einen Ruf ‚vom Himmel her‘ hört, ‚findet‘ in Gen 16,7 der ‫ מלאך יהוה‬Saras Magd. Hagar erschrickt nicht und muß nicht beruhigt werden. Wenn die Gestalt Gen 21,17 sagt: ‚Fürchte dich nicht!‘, so bezieht sich dies auf die verzweifelte Lage, in der sich Hagar befindet. Auftritt und Abgang ihres Gegenübers werden nicht extra benannt. Die Tatsache, daß beide Szenen in der Wüste spielen, erinnert daran, daß nur ausgewählte Personen die Engel sehen dürfen. // Die Begegnung Bileams mit dem Boten (Num 22) geht in einem Punkt weiter: Bileam ‚fiel nieder auf sein Angesicht‘ (Num 22,31LXX: ‚προσεκύνησεν‘). Daß sich Bileam fürchtet, können wir der Art seiner Antwort entnehmen (Num 22,34), es wird nicht direkt gesagt. // Im Richterbuch haben sich weitere Elemente angelagert […]“.478

Aufgrund verschiedener Übereinstimmungen zwischen Ri 6,11–24 und Ri 13,1–22 mit der Erzählung vom Abschied des Engels kristallisieren sich dann, so die Autorin, folgende Elemente für die Gattung „Angeloophthie“ heraus: Auftritt, Sehen des Engels – für ausgewählte Personen –, Furcht, Beruhigung, Erklärung, Auftrag, Verheißung, Anbetung Gottes, Name des Engels und Abgang.479

Einzelauslegung Die Verse führen den Handlungsverlauf direkt weiter, und zwar zunächst in Gestalt 12,1–5 eines Gesprächs zwischen Vater und Sohn über die Entlohnung des Reisebegleiters. Tobit erinnert seinen Sohn daran, dass er seinen Reisebegleiter entlohnen soll (12,1) und verweist damit implizit auf sein Gespräch vor der Abreise (5,15). Tobias reagiert auf die Aufforderung des Vaters mit der Frage nach der angemessenen Höhe der Bezahlung (12,2), um dann in wenigen Worten die wichtigsten Mo476 477 478 479

Auf die Bedeutung des Gotteslobs verweist auch SCHNUPP, Schutzengel, 88. SCHNUPP, Schutzengel, 88. SCHNUPP, Schutzengel, 92f. (Hervorhebungen im Original). SCHNUPP, Schutzengel, 94, stellt in einer Tabelle Ri 6, Ri 13 und Tob 12 nebeneinander und macht so die einzelnen Elemente der Angeloophthie deutlich.

274

12,6–20a

12,6–15 12,6–10

12,6–7a

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

mente der Handlung zusammenzufassen (12,3a): die Reise mit der glücklichen Rückkehr (vgl. 6,2–11,6); die Heilung Saras (vgl. 8,2–3), den Erhalt des Geldes von Gabaël (vgl. 9,5–6) und die Heilung Tobits (vgl. 11,7–14). Dieser kurze Rückblick, der sich durch explizite buchinterne Referenzen auszeichnet, schließt wieder mit der Frage nach der angemessenen Höhe des Lohnes (12,3b). Tobit bestätigt den Vorschlag seines Sohnes, dem Engel die Hälfte all dessen zu geben, was er von der Reise mitgebracht hat (12,4). Daraufhin ruft er den Reisebegleiter seines Sohnes herbei, fordert ihn auf, den entsprechenden Betrag zu nehmen und seines Weges zu ziehen (12,5). Der Begriff „Lohn“ (μισθός) erscheint innerhalb dieses Abschnittes gleich fünfmal und markiert damit deutlich eine Thematik, die im Folgenden entfaltet werden soll. Die Szene entbehrt nicht einer gewissen Ironie.480 Die Erzählung nimmt eine überraschende Wende, insofern nun der Engel das Wort ergreift und Vater und Sohn481 zur Seite nimmt, um sie zu belehren und letztlich seine Identität zu offenbaren. Die Heimlichkeit, in der dies geschehen soll, verweist darauf, dass diese Offenbarung nur ausgewählten Personen zuteil wird. Dies steht in einem gewissen Kontrast zum Inhalt der nun folgenden Rede, die mit Nachdruck den Öffentlichkeitscharakter des Gotteslobs fokussiert.482 Das Motiv der Heimlichkeit hängt so auch eher mit der Selbstoffenbarung des Engels zusammen483 und ist integraler Bestandteil der Gattung „Angeloophthie“ (vgl. Ri 13,18).484 Daraufhin hebt der Reisebegleiter mit dem ersten Teil seiner Rede an. Belehrungen und Sentenzen betonen die Bedeutung des Gebets und der Barmherzigkeitstaten; Rafaël erscheint somit als Lehrer des richtigen ethischen Handelns und des Gotteslobs.485 Rafaël ruft zunächst in zwei Mahnworten, die jeweils aus einem Parallelismus membrorum bestehen, zum Gotteslob auf. Der erste Parallelismus handelt vom Lobpreis Gottes (12,6b); der zweite setzt den Akzent auf die Verkündigung seiner Werke (12,6c). Das erste Mahnwort besteht aus zwei Imperativsätzen von unterschiedlicher Länge und ist klar strukturiert.486 Gott bzw. sein Name als Objekt des Lobpreises steht prominent am Anfang des Satzes sowie an seinem Ende. Durch die chiastische Struktur wirkt die Aufforderung des Engels kompakt und ausdrucksstark (12,6b). Auch das zweite Mahnwort stellt das Objekt, die Worte Gottes, prononciert an den Anfang der Aussage. Der Begriff ὑποδείκνυμι gibt hebr. ‫ נגד‚ בין‬hif. und ‫סכל‬

480 MACATANGAY, Μισθός, 581. Für eine ausführliche Analyse des Abschnitts siehe DESELAERS, Buch Tobit, 185–189 (auf der Basis von GI). Siehe auch SCHNUPP, Schutzengel, 90, die darauf verweist, dass die Lesenden, die „schon seit 3,16 um die wahre Natur Rafaels“ wissen, über die Wendung „der Mensch, der mit dir gereist ist“ (12,19) „schmunzeln“. 481 Vgl. MCDOWELL, Prayers of Jewish Women, 82, meint, dass hier Tobit und Sara zur Seite gerufen werden und dass die Aufforderungen zum Gebet (12,8.17f.) sich auch an Sara richten. 482 SCHNUPP, Schutzengel, 88. Zum Motiv des Gotteslobs allgemein siehe EGO, Lob als Existenzerschließung. 483 So FRÖHLICH, Creation, 39. 484 Zum Ganzen siehe auch SCHNUPP, Schutzengel, 94. 485 Zu Rafaël als Lehrer siehe EGO, Lob als Existenzerschließung; DIES., Figure, 250f. 486 Zur Struktur siehe auch XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1401.

Synchrone Analyse

275

hif. bzw. aram. ‫ חוי‬haf. wieder und kann den Beiklang der Offenbarung göttlicher Geheimnisse haben, sei es durch einen Menschen wie Daniel oder durch einen Engel (vgl. Dan 2,17; 5,7; 9,22f.; 10,21; 11,2).487 Der Begriff wird dann auch im zweiten Teil der Engelsrede (12,11) wieder erscheinen (siehe zu den Textkohärenzen bei „Einführung und Struktur“). Durch die Verwendung des Verbes ἐξομολογέω steht der Vers auch in einer engen Beziehung zum ersten Mahnwort (12,6b). Wenn der Engel zum Lobpreis Gottes auffordert, erscheint er als „Lehrer des Gotteslobs“. Der spezifische Akzent seiner Rede besteht in der Betonung, dass dieser Lobpreis nicht nur im Privaten, sondern auch in der Öffentlichkeit „vor allen Lebewesen“ stattfinden soll und „Gottes Taten“ („τοὺς λόγους τοῦ θεοῦ“) allen bekannt gemacht werden sollen.488 Man wird hier an erster Stelle an das Handeln Gottes denken, das die Protagonisten bei der Heilung Tobits und Saras erfahren haben.489 Hier nimmt Rafaëls Antwort implizit auch das Thema des Lohnes auf (freilich ohne dass die Protagonisten es zu diesem Zeitpunkt wissen): Nicht der Reisebegleiter soll belohnt werden, sondern der „Lohn“ geht an Gott selbst – in der Form des Dankens und Lobens. Auf der Ebene der Textpragmatik kann das Wort des Engels auch als eine allgemeine Aufforderung zum Gotteslob an die Leserschaft verstanden werden.490 Der erste Abschnitt der Rede endet mit einer Sentenz, welche die Mahnworte Geheimnis des Engels begründet (12,7). Es handelt sich hier um einen antithetisch aufgebau- des Königs ten „Maschal“,491 ein Sprichwort, dessen Interpretation allerdings nicht unproblematisch ist. Da der Begriff „König“ im ersten Teil sowohl auf einen irdischen König bezogen werden kann als auch auf Gott als himmlischen König, stehen sich grundsätzlich zwei verschiedene Lesarten gegenüber: Möchte man „König“ im wörtlichen Sinne verstehen, beinhaltet dieses Wort die Aussage, dass man königliche Angelegenheiten vertraulich behandeln solle. Hier wäre an erster Stelle an eine Regel zu denken, die in ein „höfisches Ambiente“ gehört.492 Auch Jürgen LEBRAM möchte den „König“ im Sinne eines irdischen Königs verstehen, schlägt aber vor, das „Geheimnis“ auf „die Geheimlehre über Wesen und Entstehung der Weisheit“ zu deuten, die nur einem ganz bestimmten Kreis von Weisen (so auch dem weisen König per se, Salomo) vorbehalten ist (siehe Weish 6,21f.). Die Quintessenz dieser Aussage fasst er dann folgendermaßen zusammen: „Tob 12,7a verbietet die Enthüllung dieser Erkenntnisse (d. h. der Weisheitsspekulation). Wir haben es hier also mit einer Gruppe im Judentum zu tun, die die spekulativen Erkenntnisse der Chokma von der Allgemeinheit fernhalten wollte.“493 Der Gerechte aber, der Gottes Walten im 487 Siehe hierzu XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1401; ibid., auch Hinweise zur Struktur. 488 NOWELL, Work, 232: „They are not only to praise God privately, but they are also to bear witness of God’s goodness before all the living“. 489 FRÖHLICH, Creation, 39. 490 REITERER, Archangel’s Theology, 272f., der von einer „general invitation“ zum Lob spricht, wohingegen bei den anderen Lobaufforderungen jeweils die individuelle Situation den Ausgang zur Lobaufforderung bildete. 491 XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1401. 492 SCHNUPP, Schutzengel, 88, Anm. 372. 493 LEBRAM, Μυστήριον, 324.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a) Leben der Menschen erkennt, ist dazu berufen, diese Taten vor den Menschen zu enthüllen.494

Eine andere Deutungsmöglichkeit besteht darin, „König“ als Metapher für Gott zu verstehen (vgl. häufig in Tob 13; vgl. βασιλεία in 13,1). Nach Paul DESELAERS’ luzider Interpretation bilden in diesem Maschal die „Werke“ und das „Geheimnis“ den entscheidenden Kontrast, wobei μυστήριον – wie auch in Dan 2,19.27–29.47 – im Sinne eines eschatologischen Geheimnisses zu verstehen ist. So wäre die Wendung folgendermaßen wiederzugeben: „Es ist gut, das noch verborgene und nicht realisierte Geheimnis des souveränen Königs Gott geheim zu halten. Es ist aber herrlich, die bereits geschehenen Werke als Werke Gottes immer wieder zu offenbaren.“495 Diese Deutung fügt sich hervorragend in die gesamte Handlung ein, da ja bislang Gottes Wirken durch den Engel Rafaël auch im Verborgenen geschah, der Engel aber jetzt dabei ist, seine wahre Natur zu offenbaren. Rafaël ist so nicht nur der Lehrer des Gotteslobs, sondern übernimmt auch die Aufgabe, Gottes bislang verborgenes Wirken bekannt zu machen: „Er gibt Tobit und Tobias den Schlüssel, um die Sentenz 12,7a auch einlösen zu können. Denn sind die Werke Gottes enthüllt […], dann dürfen sie nicht geheim gehalten werden.“ Durch das Wort vom „Geheimnis des Königs“ tritt so die „Bedeutung des Engels nachhaltig heraus: Er ist als ‚Geheimnisträger Gottes‘ qualifiziert. Die erste Aussage dieser Sentenz gilt somit ihm selbst […]. Er ist gehalten, das Geheimnis Gottes zu bewahren. So trägt die Sentenz eine wichtige Perspektive in die Erzählung ein.“496 Man kann diese Aufforderung zum Lobpreis dem Element des „Auftrags“ zuordnen, das einen integralen Bestandteil der Gattung „Angeloophthie“ bildet (siehe zum Auftrag Ri 6,14; 13,4).497 12,7b–10 In einem weiteren Teil seiner Rede ruft der Engel zum konkreten Handeln auf. Rafaël formuliert hier verschiedene weisheitliche Sentenzen, welche die Bedeutung von Barmherzigkeitstaten zum Ausdruck bringen. Die Serie besteht insgesamt aus drei Sinneinheiten: a) einem allgemeinen Aufruf, das Gute zu tun (12,7b), b) zwei komparativisch stilisierten Sprüchen zum Wert von Barmherzigkeit und Gebet (12,8a.b) sowie c) drei weiteren Sentenzen, welche die existentielle Seite der Barmherzigkeit verdeutlichen (12,9a.b.10). Durch diese Struktur „1+2+3“ entfaltet die Rede des Engels eine suggestive Wirkung. Schlüsselbegriffe des Abschnittes sind ποιέω sowie ἐλεημοσύνη. Jedes dieser Wörter erscheint insgesamt viermal: ποιέω einmal in a), einmal in b) und zweimal in c); ἐλεημοσύνη zweimal in b) und zweimal in c). Ein weiterer zentraler Begriff ist δικαιοσύνη, der insgesamt dreimal vorkommt.498 Typisch für den Abschnitt ist

494 LEBRAM, Μυστήριον, 322. 495 DESELAERS, Buch Tobit, 409, Anm. 61. Zur eschatologischen Dimension des Begriffes Geheimnis siehe auch BORNKAMM, Art. μυστήριον, 821. 496 DESELAERS, Buch Tobit, 410, Anm. 61. Zu Rafaël als Offenbarer göttlicher Geheimnisse siehe XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1412. 497 Siehe hierzu die Tabelle bei SCHNUPP, Schutzengel, 94. 498 OEMING, Verstehen und Glauben, 279.

Synchrone Analyse

277

auch die antithetische Struktur, welche die Zusammenhänge in mehreren Oppositionspaaren darlegt.499 a) Die erste Sentenz „Tut das Gute, so wird euch Böses nicht finden“ (12,7b) kann als eine Zusammenfassung des gesamten Abschnittes verstanden werden, der allerdings sehr allgemein, ja fast unkonkret gehalten ist. In einem antithetischen Parallelismus membrorum, der zudem noch eine chiastische Struktur hat, fordert der Engel zum guten Handeln auf und bringt zudem den weisheitlichen TunErgehen-Zusammenhang in nur wenigen Worten auf den Punkt (ähnlich, wenn auch etwas ausführlicher, Spr 11,27).500 b) Eine Konkretion dessen, was man unter „Gutes tun“ verstehen kann, wird im Folgenden entfaltet.501 In zwei Vergleichssprüchen werden das Gebet und die Barmherzigkeit dem Reichtum und ungerechtem Verhalten gegenübergestellt (12,8a.b). Der erste Spruch ist umfangreicher als der zweite, insofern er sowohl auf die Bedeutung des Gebets als auch auf die der Barmherzigkeit verweist. Damit benennt der Engel die beiden wichtigsten Relationen des Menschen: die zu Gott und die zum Mitmenschen.502 Durch den Zusatz „mit Wahrheit“ bzw. „mit Aufrichtigkeit“ wird der Blick vom Äußerlichen auf die Gesinnung dessen gelenkt, der betet bzw. Barmherzigkeit wirkt. Der zweite Vergleichsspruch ist knapper und wirkt zudem durch die Rede vom „Anhäufen des Goldes“ anschaulicher. Aufgrund des Kontexts tendiert die Bedeutung des Begriffes ἐλεημοσύνη hier in Richtung „Almosen“ (siehe zu 1,3). Der Begriff der ἐλεημοσύνη erläutert hier also das tugendhafte Handeln. c) Auch die drei letzten Sentenzen, wonach das Tun der Barmherzigkeit mit einem Leben in Fülle belohnt wird und Ungerechtigkeit zu einer Lebensminderung führt, formulieren einen klaren Tun-Ergehen-Zusammenhang (12,9a.b.10). Im vorliegenden Kontext erklärt sich diese weisheitliche Belehrung, die etwas unvermittelt erscheint, konkret als weitere Reaktion und Antwort des Engels auf das Ansinnen Tobits und seines Sohnes, dem Reisebegleiter Lohn für alle Hilfe zukommen zu lassen. Neben dem Gotteslob als angemessene Reaktion können auch Taten der Barmherzigkeit, allen voran die Gabe von Almosen, als angemessene „Entlohnung“ für die erfahrene Rettung und Heilung gelten. Auch dieser Abschnitt kann der Gattung der „Angeloophthie“ zugeordnet werden. Dabei gehen die Elemente „Auftrag“ und „Verheißung“ eine enge Verbindung ein. Die mahnenden Verse (12,6b: „Preist Gott […]“; 12,6c: „Die Taten Gottes verkündet“; 12,7b: „Tut das Gute […]“) bilden das Element des Auftrags, wohingegen die Weisheitssprüche, denen zufolge ethisch integres Verhalten vor dem Bösen und dem Tod bewahrt (12,7: „[…] so wird euch Böses nicht finden“; 12,9: „Barmherzigkeit errettet vom Tode […]“), das Element der „Verheißung“ bilden.503

499 XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1403, hat eine andere Einteilung, indem er zwei Sequenzen (7b–8 und 8–10) unterscheidet; ibid., weitere Hinweise zur Struktur. 500 XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1403. 501 HEILIGENTHAL, Werke der Barmherzigkeit, 294: „In Tob 12:8–10 wird das tugendhafte Handeln […] inhaltlich u. a. mit dem Stichwort ἐλεημοσύνη erläutert.“ 502 XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1403. 503 Siehe hierzu SCHNUPP, Schutzengel, 94 (z. T. mit anderen Versangaben).

278

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Damit die Protagonisten diese Dimension der Weisung des Engels in ihrer Gänze verstehen können, bedarf es freilich noch der Einsicht in das wahre Wesen des Reisebegleiters. Von daher schließt sich der nun folgende Abschnitt logisch an. Die Frage nach der rechten Entlohnung des Reisebegleiters findet hier nun 12,11–16 dadurch eine Antwort, als dieser sein wahres Wesen offenbart.504 Die Angesprochenen reagieren mit Ehrfurcht und Staunen. 12,11 Der Engel hebt mit einer Ankündigung an, in der er antithetisch formuliert, dass er die Wahrheit offenbaren (ὑποδείξω) und nichts verbergen will (κρύπτω). Wieder erscheint der Begriff ὑποδείξω (siehe 12,6c: „Die Taten Gottes macht allen Menschen offenbar“), und κρύπτω greift auf das Wort vom Geheimnis des Königs (12,7a) zurück. Was dort theoretisch entfaltet wurde, soll nun in die Praxis umgesetzt werden: Der Engel will das Geheimnis offenbaren, damit die Protagonisten Gott für seine Taten preisen können (12,11a). Im Anschluss an diese Ankündigung wiederholt der Engel die Sentenz vom „Geheimnis des Königs“; lediglich am Ende unterscheiden sich die Worte von denen im ersten Teil seiner Rede (12,7). Hieß es nämlich dort: „die Werke Gottes aber zu offenbaren und ehrend zu bekennen“, schließt die Sentenz nun mit den Worten: „die Werke Gottes ruhmvoll zu offenbaren“. Lag dort der Akzent auf der Verkündigung der Werke Gottes (12,7), so wird jetzt das göttliche Geheimnis fokussiert. Wenn man sich der Deutung anschließt, dass das Geheimnis, das es zu verbergen gilt, Gottes künftiges Handeln ist, ergibt es Sinn, gerade in diesem Moment die Offenbarung der „ganzen Wahrheit“ zu präsentieren. Mit der Heilung Tobits ist die Mission Rafaëls ja an ihr Ende gekommen, und Gottes Wirken an den Protagonisten liegt nun in der Vergangenheit. Hier laufen zwei Ebenen zusammen, wenn nicht mehr nur die Adressaten der Erzählung, sondern auch die Protagonisten der Geschichte um Rafaëls Rolle wissen.505 12,12–14 Eingeleitet mit „Und nun“ erfolgt ein Rückblick des Engels, der das vergangene Geschehen aus seiner Perspektive beleuchtet506 und dem Leser Einblick in die transzendente Sphäre gibt.507 In seiner Rückschau auf die Vergangenheit hebt der Engel drei Elemente hervor, die sich auf das Leben der Protagonisten Tobit und Sara beziehen. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die Figuren bislang noch gar nicht wissen, dass sie eine transzendente Gestalt vor sich haben. Das „Insiderwissen“, das hier zutage tritt, lässt es ihnen aber nach und nach dämmern, mit wem sie es zu tun haben. Da der Sprecher hier auf das vergangene Geschehen verweist, handelt es sich um explizite buchinterne Bezüge (siehe dazu „Buchinterne Bezüge“). Der Engel spricht zunächst über Tobit und Sara und erinnert an ihre verzweifelten Bittgebete (12,12a; vgl. 3,2–6 und 3,11b–15). – Explizit erwähnt der Engel hier seine Gebetsmittlerschaft. Damit wird ein Motiv eingespielt, das in GII hier zum ersten Mal erscheint, in GI allerdings bereits im Kontext der Entsendung des Engels anklang, wo es heißt, dass die Gebete Tobits und Saras von Rafaël erhört werden (3,17 GI).508 Die Formulierung „das Gedächtnis 504 505 506 507 508

OEMING, Verstehen und Glauben, 279. MACATANGAY, Apocalypticism, 213. XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1406. XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1405. EGO, Figure, 245.

Synchrone Analyse

279

(τὸ μνημόσυνον) eures Gebets“ erscheint nur an dieser Stelle. Man kann die Wendung einfach so verstehen, dass der Engel Gott über Tobits Handeln in Kenntnis setzt, aber es wäre auch denkbar, dass sich hinter dieser Wendung die Vorstellung verbirgt, das Gebet sei eine Art Opfer, das vor Gott gebracht wird (siehe dazu „Diachrone Analyse“). – Schwierig ist auch die syntaktisch etwas nachklappende Formulierung „und als du die Toten begrubst, ebenso“ (12,12b). Im Kontext des gesamten Verses gelesen wirft diese Wendung Fragen auf: Brachte Rafaël bei der Bestattung der Toten ein Gebet Tobits vor Gott? Oder brachte er die Erinnerung an die Bestattung, die zu den Barmherzigkeitstaten zählt,509 vor Gott? Beide Möglichkeiten sind denkbar, aber am Text selbst nicht zu verifizieren, da die Erzählung von der Bestattung der Toten (1,18f.; 2,4) den Engel gar nicht erwähnt. Wahrscheinlich ist daran gedacht, dass der Engel Gott Tobits barmherziges Handeln mitteilte und ihn so zum helfenden Handeln bewegte. Tobits Schicksal bestätigt somit die ethische Belehrung des Engels und den Tun-Ergehen-Zusammenhang (siehe 12,9f.).510 – Ebenso unvermittelt wirkt die sich anschließende Selbstaussage des Engels, wonach dieser im Kontext der Bestattung der Toten zu ihm zur Erprobung gesandt wurde (12,13.14a).511 Man hat darin einen Hinweis auf Tobits Erblindung gesehen.512 Demnach war die Erblindung Tobits kein unglücklicher Zufall, sondern eine göttliche Prüfung. – Schließlich offenbart Rafaël, dass er von Gott zur Heilung Tobits und seiner Schwiegertochter Sara gesandt wurde.513 Wieder klingt der Auftrag des Engels bei seiner Entsendung (3,17) an. Auf diese Art und Weise erfahren die Protagonisten, dass ihre bisherige Sicht auf die Dinge höchst unzureichend und eine von Gott gesandte Gestalt im Hintergrund wirksam war, die dessen helfende Zuwendung dem Menschen vermittelte.514 Dieser Rückblick Rafaëls kann insgesamt als „Erklärung“ mit der Gattung der Angeloophthie in Verbindung gebracht werden und entspricht von der Funktion her Ri 13,11.515 Die Rede des Engels endet mit einer Selbstoffenbarung, bei der er außer sei- 12,15 nem Namen auch mitteilt, dass er einer der Thronengel ist.516 Von hier erst erschließen sich seine vorausgehenden Worte.

509 BOLYKI, Burial, 94, spricht von einem „theological, even metaphysical assessment of burial“. 510 OEMING, Verstehen und Glauben, 279. 511 Zu Rafaël als Prüfer XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1413; siehe auch EGO, Figure, 247f. 512 So FITZMYER, 295. 513 Zu Rafaël als Heiler siehe XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1413; siehe auch EGO, Figure, 248f. 514 Vgl. MACATANGAY, Election, 463, der die Errettung der Protagonisten als Ausdruck des Bundes zwischen Gott und Israel sehen möchte. Allerdings spielt die Bundesterminologie in Tob keine Rolle. Vgl. ferner NICKLAS, Weg der Gerechten, 70, der das Eingreifen Gottes in Tob als narrative Explikation von Ps 8,5 interpretiert. 515 SCHNUPP, Schutzengel, 94. 516 Zu Rafaël als Thronengel siehe XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1415; siehe auch EGO, Figure, 244.

280

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

12,16 Die Protagonisten reagieren auf die Offenbarung des Engels mit Furcht und brin-

12,17–20 12,17

12,18f.

12,20

gen diese auch körperlich zum Ausdruck, indem sie sich niederwerfen. Auch dieses Element ist typisch für die Gattung der Angeloophthie (Ri 6,22; 13,6.22).517 Daraufhin hebt Rafaël nochmals zu einer Rede an, bevor er dann schließlich entschwindet. Zunächst ermuntert er zur Furchtlosigkeit. So macht er den Protagonisten Mut518 – ebenfalls ein typisches Gattungselement einer Angeloophthie (siehe Ri 6,23; 13,23).519 Dann spricht er den Friedensgruß und ruft noch einmal zum Lobpreis Gottes auf. Damit greift er ein Motiv auf, das bereits im ersten Teil der Rede eine bedeutende Rolle spielte (12,6–7a). In wenigen Versen wird nun die gesamte Logik der Ausführungen des Engels dargelegt: Rafaël ist ein Bote Gottes, und alles, was geschehen ist, ist der göttlichen Güte zu verdanken; die einzig angemessene Reaktion darauf ist der Lobpreis Gottes. Mit diesen Worten Rafaëls werden die beiden Ebenen der Handlung, die irdische und die himmlische, nun auch im Bewusstsein der Erzählfiguren zusammengeführt. In Rafaël offenbart sich die Gegenwart Gottes,520 aber er ist deutlich von Gott unterschieden. Wenn der Engel im Folgenden noch darauf verweist, dass die Protagonisten nur eine Erscheinung521 gesehen haben, er aber in Wirklichkeit gar nichts gegessen habe (ein Motiv, das recht unvermittelt erscheint), möchte er seine Glaubwürdigkeit bekräftigen. Die Rede des Engels endet mit zwei Imperativen: Zunächst erfolgt ein nochmaliger Aufruf zum Lobpreis Gottes und zum Dank (12,20a). Da das Loben Gottes bereits zu Anfang Gegenstand der Unterweisung war, wird die gesamte Rede somit durch das Motiv des Lobpreises gerahmt.522 Sodann kündigt er an, dass er nun in die himmlische Welt zurückkehren wird (12,20b). Durch diese Ankündigung wird das Element des „Abgangs“ im Kontext der Gattung „Angeloophthie“ realisiert (siehe Ri 6,21; 13,20).523 Damit wird deutlich, dass Rafaël kein dauerhafter Begleiter ist, wie dies vielleicht moderne Vorstellungen von einem Schutzengel suggerieren, sondern dass er lediglich einen temporär begrenzten Einsatz hatte.524 Die Rede endet mit der Aufforderung, Gottes Wundertaten aufzuschreiben – der zweite Imperativ (12,20c). Damit wird ein neuer Horizont eröffnet: Die Erfahrung der Hilfe Gottes wird in ein Medium gebracht, das Generationen überdauern kann.525 Auch

517 Zu dieser Gebetshaltung siehe auch EGGER-WENZEL, Gestures and Location of Worship, 264. 518 Zu dieser Funktion Rafaëls siehe NOWELL, Work, 232. 519 SCHNUPP, Schutzengel, 94; LITTMAN, 146; XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1408. 520 NOWELL, Work, 237. 521 SCHNUPP, Schutzengel, 90: Ὅρασις hat eine profane Bedeutung, „weist aber auch auf Visionen hin, die von der irdischen Realität unterschieden werden“, siehe z. B. 1 Sam 3,1.15. 522 SCHNUPP, Schutzengel, 88. Zu den Gebeten in der Tobiterzählung siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 523 SCHNUPP, Schutzengel, 94, gibt Tob 12,21 mit „und er stand auf und ging“ wieder und sieht darin das Element des Abgangs. 524 SCHNUPP, Schutzengel, 96. 525 Siehe zu diesem Motiv MACATANGAY, Write Everything Down.

Synchrone Analyse

281

diese Imperative können als das Element des „Auftrags“ im Rahmen der Gattung „Angeloophthie“ verstanden werden (Ri 6,14; 13,4).526 Rafaëls Auftritt endet mit dem lapidaren Satz „Und er stieg auf“ (12,20d). Damit wird ein weiteres Element der Angeloophthie eingespielt (siehe Ri 6,21; 13,20).527 Als sich Tobit und Tobias wieder erheben, ist Rafaël verschwunden; die Prota- 12,21f. gonisten können ihn nicht mehr sehen (12,21). Das Motiv des Sehens gehört ebenfalls zur Gattung „Angeloophthie“ (siehe Ri 6,22; 13,22).528 Nun heben Vater und Sohn zu einem großen Lobpreis Gottes für seine Taten an (12,22) und erfüllen damit das Gebot des Engels, Gott zu preisen (12,6.17f.20).529 So demonstrieren sie auf eindrückliche Art und Weise, dass sie die Botschaft des Engels verstanden haben und seine Aufforderungen in die Tat umsetzen. Gott selbst erhält durch den Lobpreis der Protagonisten seinen Lohn für deren Rettung. Auch diese „Anbetung Gottes“ ist integraler Bestandteil der Gattung „Angeloophthie“ (wobei die Vorlagen allerdings eine Opferung nennen, vgl. Ri 6,21; 13,19).530 Es handelt sich zudem um ein traditionelles Motiv der frühjüdischen Literatur, das insbesondere auf eine Traumvision folgen kann (vgl. u. a. äthHen 22,14; 36,4).531

Buchinterne Bezüge Abgesehen von der Figur des Dämons und Hanna erscheinen hier die wichtigsten Figuren der Handlung: Tobit, Tobias, Sara und der Engel, der auf Gott als den eigentlichen Urheber des gesamten Geschehens verweist. Das Kapitel enthält die übergreifenden Motive „Reise“, „Abholung des Geldes“, „Heilung“, „Barmherzigkeit“, „Bestattung“ sowie „Gebete und Lobpreis Gottes“.532 Außerdem findet sich hier wiederum eine Referenz auf die Entlohnung des Reisebegleiters (vgl. 5,7). Wichtig für die buchinternen Bezüge ist die enge Verbindung der Rede des Engels mit Tobits Abschiedsrede (4,6–11.16.19; siehe insbesondere die Motive „Almosen“, „Barmherzigkeit“, „Gottes Lobpreis“ und „Gebet“). Die Aussage, wonach Barmherzigkeit bzw. das Almosen vom Tode errettet (12,9a), hat eine fast wörtliche Parallele in Tobits Abschiedsrede (4,10). Diese Wiederholungen durch den Engel geben seiner Lehre eine quasi-göttliche Bestätigung.533 Eine ähnliche Struktur lässt sich auch im Hinblick auf einzelne Elemente in der Handlung selbst feststellen: So bestätigt die Aufforderung des Engels zum Tun der Barmherzigkeit (ἐλεημοσύνη) das Verhalten Tobits gegenüber seinen Lands526 Zum Ganzen siehe auch SCHNUPP, Schutzengel, 94, die allerdings auf diese Entsprechung nicht verweist. 527 SCHNUPP, Schutzengel, 94. 528 SCHNUPP, Schutzengel, 94. 529 SCHNUPP, Schutzengel, 91. 530 SCHNUPP, Schutzengel, 94. 531 Vgl. PERRIN, Tobit’s Context, 50. 532 Zum Einzelnen siehe die Einleitung in den Abschnitten „Wichtige Themen“ bzw. „Figuren der Handlung“. 533 MACATANGAY, Wisdom Instructions, 170; OEMING, Verstehen und Glauben, 279.

Überblick

Bestätigung der Rede Tobits

Barmherzigkeitstaten und Preis Gottes

282

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

leuten im Exil (u. a. 1,17; 2,2).534 Von der heilvollen Wirkung von Barmherzigkeitstaten weiß auch Tobit in seiner Abschiedsrede, mit der er seinen Sohn zu seiner Reise entlässt (4,6b–11.16–17). Darüber hinaus verbinden die Verben aus dem Wortfeld des Lobens εὐλογέω und ἐξομολογέω die Rede des Engels mit der gesamten Erzählung (für εὐλογέω siehe 3,11; 8,5.15; 9,6; 10,13; 11,14.15.16.17; für ἐξομολογέω siehe 11,17).535 Somit erfahren auch das bisherige Handeln der Protagonisten sowie ihr Lobpreis eine Autorisierung durch die Worte des Engels. Über das Motiv des Lobpreises eröffnet sich schließlich auch ein Bezug zum Fortgang der Erzählung mit dem Hymnus Tobits und dem Schlusskapitel (für εὐλογέω siehe 13,6.13.14.18; 14,2.7.8/9.15a; für ἐξομολογέω siehe 13,3.6.16; 14,2). Im Hinblick auf die Verwendung der zentralen Motive ist zudem auf die expliziExplizite Referenzen ten Referenzen auf frühere Passagen zu verweisen. Auf die Frage nach der angemessenen Bezahlung für den Reisebegleiter (12,1; vgl. 5,15) rekapituliert Tobias die wichtigsten Momente der Handlung: die Reise mit der glücklichen Rückkehr (vgl. 6,2–11,6); die Heilung Saras (vgl. 8,2–3), den Erhalt des Geldes von Gabaël (vgl. 9,5–6; siehe ferner 1,14 sowie 4,1.20; 5,3.6; 9,1–6; 11,15) und die Heilung Tobits (vgl. 11,7–14). Die Anweisung Tobits in seiner Abschiedsrede, den Arbeitslohn immer am gleichen Tag der Leistung auszuzahlen (4,14), soll nun in die Tat umgesetzt werden (siehe 12,1–5). Auch in der Rede Rafaëls finden sich solche expliziten Verweise auf die erzählenden Teile der Handlung – so auf das Begraben der Toten (1,17f.; 2,4–8) wie auch auf seine Entsendung (3,16f.)

Diachrone Analyse 12,6: Aufruf Der Aufruf des Engels zum Lobpreis Gottes steht in einem spannungsreichen Verzum Lobpreis hältnis zum traditionellen liturgischen Element des Lobaufrufs an die himmlische

Welt, wie er u. a. in Ps 29,1f.; 103,20f.; 148,2–4 ertönt. Er hat seine Wurzel in der Vorstellung vom himmlischen Hofstaat, der den göttlichen Weltenkönig umgibt und ihm huldigt (vgl. Jes 6,2f.; Ps 29,1; Hiob 38,7). Die Aufforderung Rafaëls könnte als polemische Spitze gegen die Kultpraxis einer Engelverehrung verstanden werden, die sich aus verschiedenen Texten des antiken Judentums und den ägyptischen Zauberpapyri rekonstruieren lässt (siehe zu 11,14 „Diachrone Analyse“). Der Autor bedient sich mit diesen Vergleichssprüchen einer gängigen Form 12,8: Vergleichs- aus der Weisheitsliteratur (Spr 15,16f.; 16,8.16.19.32; 17,1; 22,1; 25,24; 28,6; Koh 4,6; sprüche 7,3.5.8.10; Sir 16,3[2–4]; 20,31[33]; 29,22[29]; 30,14).536 In einem solchen Kontext begegnet zwar die Gegenüberstellung von Armut und Gerechtigkeit mit Reichtum und Ungerechtigkeit (siehe Ps 37,16; Spr 15,16; 16,8537; 28,6), doch das hier vorliegende Kontrastpaar, das die Barmherzigkeit nennt, ist ein Spezifikum der Tobiterzählung. 534 Zum Motiv der Barmherzigkeit siehe auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 535 Ὑμνέω erscheint in GII nur in Tob 12,6.18.22. Zu diesem Aspekt siehe MIRGUET, History of Compassion, 126. 536 Zur Form des Vergleichsspruchs siehe SCHIPPER, Sprüche, 50 (mit einer Zusammenstellung der Belege). 537 Auf Spr 16,8 verweist auch XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1404.

Diachrone Analyse

283

Eine wichtige Position kommt der Aussage zu, dass Barmherzigkeit von Sünde reinigt. Die ἐλεημοσύνη hat demnach soteriologische Qualität.538 Was biblische Bezüge anlangt, ist zunächst an kultische Zusammenhänge zu denken: So findet am großen Versöhnungstag die Reinigung von allen Sünden statt (Lev 16,30), und in Ps 51,3–12 erscheint das Motiv der Reinigung des Herzens im Kontext eines Gebetsliedes, wobei die Aktivität ganz von Gott ausgeht. Die sündentilgende Wirkung guter Werke wird in Sir 3,30[33] („Ein flammendes Feuer wird das Wasser auslöschen, und Barmherzigkeit wird Sünden sühnen“; nach LXX.D) beschrieben539 (zum Motiv der Reinigung von Sünde siehe auch Sir 38,10 im Kontext eines Heilungsprozesses).540 Die Wendung „Sättigung mit Leben“ geht auf Ps 91,16 zurück, wo sie als Teil des Heilshandelns JHWHs erscheint. Der Ausdruck „der Seele feind sein“ findet sich auch in Ps 70,13LXX („ἐνδιαβάλλοντες τὴν ψυχήν“) oder Jes 1,14LXX („μισεῖ ἡ ψυχή μου“). „Seele“ meint hier die Lebenskraft. Rafaël fungiert hier als Gebetsmittler. Die Vorstellung einer Gebetsmittlerschaft ist auch in anderen antikjüdischen Texten belegt. Den wohl frühesten uns erhaltenen Beleg überliefert das Wächterbuch der Henochtradition, das wohl in die Zeit des späten 3. Jh.s v. Chr. zu datieren ist. In äthHen 9,1 wird erzählt, dass die vier Engel Michael, Uriel, Rafaël und Gabriel vom Himmel her das viele Blut sehen, das nach der Vermischung der Wächter-Engel mit den Menschenfrauen vergossen, und all das Unrecht, das auf der Erde verübt wurde. Das Notgeschrei der Menschen gelangt bis zu der Pforte des Himmels; die Seelen der Menschen klagen den „Heiligen des Himmels“ ihr Leid und bitten darum, ihren Rechtsfall vor den Höchsten zu bringen. Daraufhin wenden sich diese Engelwesen an Gott, berichten ihm von der Ungerechtigkeit auf Erden und der Klage der Menschen. Gott offenbart daraufhin das Gericht an den Wächtern und ihren Kindern und verkündet künftigen Segen für die Erde (äthHen 9,2–11,2). Ein weiterer Beleg für die Vorstellung der Gebetsmittlerschaft findet sich in griechBar 11,4–9, wo Michael die Gebete der Menschen empfängt und vor Gott bringt.541 Der Begriff des Gedächtnisses hat einen kultischen Hintergrund. In Lev 2,2.9.16; 5,12; 6,15LXX; Sir 32[35],9 und 45,16[20] erscheint er in Verbindung mit verschiedenen Tempelopfern (so beim vegetabilen Feinmehlopfer und dem Opfer des Erstgeborenen, in den späteren Texten dann ganz allgemein für das Opfer). Laut Sir 38,9–12[11c–12] soll das „Opfer als Gedächtnis“ in Verbindung mit einem Gebet vor Gott gebracht werden, um diesen zur Heilung zu bewegen; gleichzeitig soll aber auch dem Arzt, der von Gott erschaffen wurde, die Möglichkeit zum Handeln gegeben werden. Für Sir 32[35],3–4 („Wer Gunst gewährt, [ist] einer, der Feinmehl darbringt, und wer barmherzig handelt, ist einer, der Lobopfer darbringt“; nach LXX.D) bilden Barmherzigkeitstaten ein Äquivalent zur Darbringung 538 Siehe zu diesem Motiv KAISER, Vom offenbaren und verborgenen Gott, 114–118; MIRGUET, History of Compassion, 95f. MIRGUET verweist in diesem Kontext auch auf Dan 4,24; vgl. hierzu die textkritische Diskussion bei KOCH, Daniel, 385. 539 Hierzu siehe WITTE, Ethos der Barmherzigkeit, 234. 540 Siehe zu diesem Motiv KAISER, Vom offenbaren und verborgenen Gott, 114–118; vgl. zum Ganzen auch weiterführend ANDERSON, How Does Almsgiving Purge Sins?, 11f. 541 Zum Motiv der Gebetsmittlerschaft siehe SCHNUPP, Schutzengel, 46–48 (Lit.); STUCKENBRUCK, Angel Veneration, 174–176; vgl. FITZMYER, 294.

12,8: Barmherzigkeit reinigt von Sünde

12,9: Weitere Motive

12,12: Hinaufbringen des Gebets

284

12,12: Belohnung für die Bestattung 12,14: Prüfung

12,14: Heilung 12,15: „Ich bin“

12,15: Rafaël als Wesen des himmlischen Hofstaats

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

von Opfern. Auch Apg 10,4 belegt die Vorstellung, dass Gebete, Almosen und gute Werke als „Gedächtnis“ vor Gott gebracht werden. Dass Barmherzigkeitstaten von Gott belohnt werden, gehört zu den Grundeinsichten der weisheitlichen Lehre (siehe zu 4,10; vgl. 12,8). Zur Bestattung als einem Werk der Barmherzigkeit siehe 1,16f. Mit dem Motiv der Prüfung rückt Tobit in die Nähe der Hiobfigur542 oder ganz allgemein in die Nähe eines Beters, der von Gott auf die Probe gestellt wird.543 Es ist denkbar, dass dieses Motiv der Erzählung erst in einem späteren Stadium zugewachsen ist und auf eine „scribal activity“ zurückgeht, die die Figur Tobits an die Hiobs angleichen wollte (siehe auch 2,11–14).544 Die Vorstellung, dass Engel in der Rolle eines „Prüfers“ auftreten, ist in anderen frühjüdischen Texten nicht belegt. Zu Rafaël als Heiler siehe zu 3,17 und 6,8–9. Die Worte ἐγώ εἰμι erinnern an die Offenbarung Gottes in Ex 3,14 und unterscheiden sich von der Formulierung, die der Engel in seiner Rolle als Reisebegleiter bei seiner Selbstvorstellung verwendet.545 Dann stellt sich der Engel mit seinem Namen vor. Das Motiv der Selbstvorstellung repräsentiert im Rahmen der Gattung „Angeloophthie“ das Element „Name des Engels“. In Ri 13,18 wird es insofern abgewandelt, als der Engel hier die Kundgabe seines Namens verweigert, da dieser geheimnisvoll ist. Ri 6,11–24 kennt das Element nicht.546 Dann folgt Rafaëls Enthüllung, dass er zu jener Gruppe von sieben Engeln gehört, die Zutritt zur Herrlichkeit Gottes haben. Diese Aussage setzt die Vorstellung einer Art himmlischen Audienz voraus, und es wird nun deutlich, dass Rafaël zum himmlischen Hofstaat und zu den Thronengeln Gottes gehört. Damit erscheint hier eine der zentralen alttestamentlichen angelologischen Konzeptionen, nämlich die Vorstellung des „himmlischen Rats“: Gott wird auf seinem Thron von himmlischen Wesen umgeben, die ihm ihren Lobpreis zollen und ihm auch beratend zur Seite stehen können. Beide Elemente erscheinen in der Thronvision Jesajas (Jes 6,1–9). Während 1 Kön 22,19–22 das Motiv der Beratung ins Zentrum stellt, nennen Ps 29 und Ez 1–3 den Lobpreis der himmlischen Wesen.547 Diese himmlischen Wesen können als ‫( בני אלים‬Ps 29,1; Hiob 38,7: ‫)בני אלוהים‬, Serafen (Jes 6,2.6) oder Keruben (Ez 9,3; 10,1–22) bezeichnet werden. Erst in späteren Belegen wie Ps 103,20; 148,2 oder Dan 3,59LXX – und eben hier in Tob – erscheint dann der hebr. Begriff ‫( מלאך‬bzw. griech. ἄγγελος), der ursprünglich der Botenvorstellung vorbehalten war, und es kommt zu einer Verschmelzung dieser Konzepte.548 542 OEMING, Verstehen und Glauben, 279; PORTIER-YOUNG, Eyes to the Blind, 20. 543 NICKLAS, Weg der Gerechten, 67: Tobit gleicht denen, die von Gott auf die Probe gestellt werden, sowie dem Beter in Ps 22,1–22; 31,1–19; 69,1–30. 544 Vgl. dagegen MACATANGAY, Election, 459, Anm. 31, wonach das Prüfungsmotiv als lectio difficilior ursprünglicher sei und in einem intertextuellen Bezug zu den Wüstenerzählungen stehe. SCHNUPP, Schutzengel, 89, vermutet, dass sich die Wendung von der Versuchung „aufgrund des weisheitlichen Hintergrundes der Engelsrede eingeschlichen“ habe und verweist als Parallele auf Sir 4,17f.[18–21]. 545 XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1408. 546 SCHNUPP, Schutzengel, 94. 547 Zum Thronrat siehe u. a. MACH, Engelglaube, 16–36; MULLEN, Assembly; NEEF, Thronrat; vgl. EGO, Lobpreis der himmlischen Wesen. 548 Eine Verschmelzung ist innerbiblisch vorwiegend in späten Texten zu greifen; siehe MACH, Engelglaube, 52–56.

Diachrone Analyse

285

Das Motiv des himmlischen Hofstaates mit den himmlischen Wesen, die vor dem Thron Gottes stehen, findet sich dann auch in zahlreichen Belegen der frühjüdischen Literatur (so äthHen 14,22; 39,12f.; 40,1; 47,3; 60,2; 71,7f.). Während für die biblische Überlieferung nur Ansätze einer Hierarchisierung der Wesen des Hofstaats erkennbar sind (vgl. Dan 10,13: Michael als „einer der ersten Fürsten“), erscheint hier mit dem Hinweis, dass Rafaël zu den sieben Engeln gehört, „welche bereitstehen, um vor die Herrlichkeit des Herrn hinzutreten“, eine besonders herausgehobene Gruppe von Thronwesen. Parallelen zu dieser Vorstellung finden sich in der Henochüberlieferung: So ist in grHen 20,7 sowie in äthHen 81,5; 87,2f.; 90,21 ebenfalls von sieben Engeln bzw. Engelwesen die Rede; vier Engel kennt äthHen 9,1; 40,2f.9. Neben Rafaël werden noch Michael, Uriël und Gabriël namentlich genannt (äthHen 9,1; in äthHen 40,9 „Phanuël“ statt „Uriël“) bzw. zusätzlich Raguël und Sariël (äthHen 20,1–7 mit sechs Engeln; die griech. Version nennt noch den fehlenden siebten Remiël).549 Diese Engel sind mit spezifischen Aufgaben und Bereichen betraut. Wie in Tob ist Rafaël über „alle Krankheit und über alle Plage der Menschenkinder“ gesetzt (äthHen 40,9f.). Michael gilt als der Engel Israels (äthHen 20,5). Gabriël steht allen Mächten voran (äthHen 40,9) bzw. ist über das Paradies, die Schlangen und die Keruben gesetzt (äthHen 20,7), Phanuël schließlich ist über die Buße und Hoffnung derer gesetzt, die das ewige Leben erben (äthHen 40,9). Der Beleg gehört zu den frühen Zeugnissen einer Engelheptade.550 Das Sich-Niederwerfen ist eine typische Reaktion auf eine Theophanie (vgl. u. a. Jos 5,14; Ez 43,3; 44,4; Dan 10,8–12; Offb 1,17) bzw. integraler Bestandteil einer Angeloophthie (zum Fürchten siehe Ri 6,22f.; 13,6.22; zum Sich-Niederwerfen Ri 13,20)551 und erscheint auch sonst in frühjüdischen Texten (vgl. äthHen 14,13f.).552 Die Schau des Engels wird in Ri 13,6.22 als lebensbedrohlich empfunden, da die Beteiligten dies so verstehen, dass sie Gott selbst gesehen haben. Die Erzählung hier zeigt an keiner Stelle eine solche enge Beziehung zwischen Gott und dem Engel.553 Das Motiv, dass Engel keine Speise zu sich nehmen, ist in der biblischen und antikjüdischen Literatur des Öfteren belegt. Auch in Ri 6,19–21 sowie Ri 13,16 nimmt der Engel keine Mahlzeit zu sich. In TestAbr A 4,9–11 beteiligt sich Michael während seines Besuches bei Abraham nicht an am Essen; um aber seine Identität nicht zu offenbaren, schickt Gott einen Geist, der die Speise verzehrt und so Abraham in die Irre führt. Nach JosAs 16,9 wiederum isst der Engel Michael eine Bienenwabe, die er vorher selbst durch sein Wort geschaffen hat, sodass es sich um eine übernatürliche Speise handelt.554

549 Zu den Erzengeln siehe den Exkurs bei NICKELSBURG, 1 Enoch, 207; der Terminus ἀρχάγγελος erscheint erstmals in grHen 9B,1.4; 20,7; 20B. Vier Engel (nämlich Michael, Gabriël, Sariël und Rafaël) nennt 1QM IX 15f. 550 SCHNUPP, Schutzengel, 90, schlägt vor, dass diese Vorstellung durch die zoroastrischen Amesha Spentas angestoßen wurde, und verweist hier auf DÖRFEL, Engel, 250–255. 551 SCHNUPP, Schutzengel, 94; siehe auch XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1408. 552 Vgl. PERRIN, Tobit’s Context, 49. 553 VON HEIJNE, Messenger, 134. 554 Zu diesem Thema ausführlich JACOBS, Delicious Prose, 192–194; NICKLAS, Food of Angels, 83–100; siehe auch knapp XERAVITS, The Angel’s Self-Revelation, 1409, sowie EGO, Figure, 249.

12,15: Sieben Thronengel

12,16: SichNiederwerfen und Furcht

12,19: Engel und Speise

286

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

12,20: Aufruf Der Appell zur Verschriftlichung der Ereignisse erinnert an Dtn 31,14–30, und zur Nieder- man kann vermuten, dass die Erzählung diesen Text als Vorbild verwendet.555 Im schrift Hintergrund könnten auch Berichte von Traumvisionen stehen.556 Als Parallelen

12,21f.: Entschwinden des Engel 12,22: Anbetung Gottes

12,6–20a: Gattung der Angeloophthie

wären hier Dan 7,1, die Vision Amrams (4Q544 1 10) oder äthHen 40,8; 81,6 und 82,1 zu nennen.557 Ri 6,21 und Ri 13,20 wissen, dass der Engel im Kontext der Darbringung des Opfers entschwindet. Ri 13,20 konkretisiert dies insofern, als der Engel in einer Flamme emporsteigt. Während die Protagonisten in Ri 6,19–21 sowie Ri 13,19 auf die Offenbarung des Engels mit einem Opfer reagieren, fallen sie hier in einem Gebet zu Boden. Es zeigt sich, dass Tob in einem anderen Frömmigkeitsmilieu entstanden und dass hier insgesamt das Motiv des Gebets von großer Bedeutung ist. Der Abschnitt ist der Gattung „Angeloophthie“ zuzuordnen (siehe oben im Abschnitt „Struktur“). Bianca SCHNUPP kann in diesem Kontext die Charakteristika der Überlieferung hier im Vergleich mit den älteren Belegen dieser Gattung im Richterbuch wie folgt zusammenfassen: „Wahrscheinlich hat der Verfasser des Tobitbuches die Angeloophthien Ri 6 und 13 gekannt. Seine Darstellung der Selbstoffenbarung Rafaels kann auf vorhandene Topoi zurückgreifen. Er fügt sie zu einer schlüssigen – und für die Zukunft vorbildlichen – Szene zusammen. Dabei geht er recht frei mit dieser Form um: Erst nach einer längeren Rede des Engels, die ganz langsam zu einer Selbstvorstellung führt, erkennen Tobit und Tobias, mit wem sie es zu tun haben, und erschrecken. Die weisheitlichen Sentenzen Rafaels sind eine Besonderheit in Tob 12, meist gehen Engel präzise auf die Situation der Angeredeten ein und geben situationsbezogene Anweisungen. Auch die Aufforderung zum Gotteslob findet sich in keiner anderen Angeloophthie. So setzt der Autor eigene Akzente: Einerseits weist der Engel ausdrücklich über sich hinaus, er fordert zum Lob Gottes und zum Tun des Guten auf, andererseits verwendet er eine Formel, die bisher aus Theophanien bekannt war (,ich bin …‘). Auf diese Weise verleiht der Autor Rafael einerseits klare Konturen einer eigenen Gestalt und ordnet andererseits ihn deutlich Gott unter.“558

Im Neuen Testament ist es dann Lk 1,11–23, wo sich die engsten Anlehnungen an die Angeloophthie des Engels Rafaël finden.559 555 556 557 558 559

WEITZMAN, Allusion, 52. PERRIN, Tobit’s Context, 49; ibid., weitere Belege aus der frühjüdischen Literatur. PERRIN, Tobit’s Context, 49. SCHNUPP, Schutzengel, 95. SCHNUPP, Schutzengel, 95; siehe auch OEMING, Verstehen und Glauben, 281, der auf Strukturentsprechungen der Angelologie in der Tobiterzählung mit christologischen Entwürfen verweist. So sei die Grundstruktur des Christushymnus in Phil 2,5–11 und des Johannesprologs in Joh 1,9–14 mit den Elementen „bei Gott sein – Menschengestalt annehmen und herabsteigen – auf Erden unerkannt zum Heil wirken – zum Abschied eine Offenbarungsrede halten – zu dem hinauffahren, der ihn gesandt hat, und zu seiner himmlischen Herrlichkeit erneut herzutreten […] im Tobit-Buch vollständig ausgebildet.“ Allerdings existierten hier auch zahlreiche Differenzen, da bei Tobit das Motiv des Leidens nicht in dem Maße bedeutsam sei wie bei Jesus Christus und Rafaël sowohl vom Menschen als auch von Gott geschieden bliebe. Schließlich betreffe sein Heilshandeln an erster Stelle nur einen kleinen Kreis von Personen, wobei aber die Rettung der Protagonisten Konsequenzen für das Fortbestehen des ganzen Volkes habe.

Synthese

287

Synthese Mit der Verabschiedung des Engels kommt der in Tob 5 eröffnete Spannungsbogen zu Ende. Der unmittelbare Handlungsverlauf, der sich aus einer Vielzahl szenisch geprägter Sequenzen zusammensetzt, wird nun durch eine längere Rede unterbrochen. Rafaël entwickelt seine Ausführungen ausgehend vom Thema der Entlohnung des Reisebegleiters. Er betont in Aufrufen und weisheitlichen Sentenzen die Bedeutung des Almosengebens und des Gotteslobs und beantwortet so indirekt die Frage nach der rechten Entlohnung für seine Dienste: Gott selbst, der Rafaël zu seiner Mission entsandt hat, soll der eigentliche Empfänger des Lohnes sein, indem die Protagonisten ihn für seine Rettungstaten preisen und zudem Barmherzigkeit wirken. Rafaël gibt sich als Thronengel zu erkennen, bevor er schließlich entschwindet. Das vorliegende Kapitel ist in traditionsgeschichtlicher Hinsicht insbesondere im Hinblick auf seine Angelologie interessant. Generell sind die Strukturelemente der Selbstoffenbarung, des Erschreckens der Protagonisten sowie das Verschwinden des Engels und das abschließende Gebet integraler Bestandteil des Motivrepertoires der „verborgenen Theophanie“; die Erscheinung und Selbstoffenbarung des Engels kann als Angeloophthie klassifiziert werden. In diesem breiten Kontext tritt der Engel dann in sehr unterschiedlichen Rollen auf, nämlich als Lehrer des Gotteslobs und der Barmherzigkeit, als Offenbarer göttlicher Geheimnisse, als einer, der die Aufgabe hat, Tobit auf die Probe zu stellen, als Gebetsmittler und als einer der sieben Thronengel. Dabei wird eine der zentralen alttestamentlichen angelologischen Konzeptionen aufgegriffen, nämlich die Vorstellung eines „himmlischen Rates“. Im Gegensatz zu den älteren Texten wird jetzt aber explizit eine herausgehobene Siebenergruppe genannt; zudem besitzt der Thronengel auch einen eigenen Namen. Sind es traditionell die Menschen, die die himmlische Welt zum Lobpreis Gottes aufrufen, übernimmt nun eine Engelsgestalt diese Rolle und richtet sich an die Irdischen. Dieses Handlungselement steht wiederum in enger Verbindung mit der kritischen Auseinandersetzung mit der Engelverehrung, wie sie aus frühjüdischen Texten erschlossen werden kann. Mit der Aufforderung zum Lobpreis Gottes lenkt der Engel die Aufmerksamkeit von sich hin auf Gott als denjenigen, der ihn beauftragt hat. Bei seiner Verabschiedung präsentiert sich Rafaël somit nicht nur als weisheitlicher Lehrer, sondern auch als Lehrer des rechten Gottesverhältnisses: Indem er sich offenbart, tritt er gleichzeitig hinter sich zurück. Die Quintessenz seiner Botschaft lautet: Alles, was geschehen ist, ist nicht seinem eigenen Verdienst zuzuschreiben, sondern geht einzig und allein auf Gottes Initiative zurück. Damit zeigt Rafaël den Geretteten, wie sie das ihnen Widerfahrene zu deuten haben und in ihre Erfahrungswelt integrieren können. Gott wirkt mit unsichtbarer Hand hinter den Dingen; er ist es, der zu preisen ist. Der Lobpreis Gottes ist somit die einzig angemessene Reaktion auf die erfahrene Rettung, und das Gotteslob ist die richtige Form, das Erlebte zu verstehen. Das Gotteslob dient als Medium der Sinnstiftung, indem es zeigt, dass hinter dem gesamten Geschehen Gottes fürsorgliches und planendes Handeln steht. Die Protagonisten bestätigen diese Zusammenhänge, da sie nach der Rede des Engels ihren Lobpreis anstimmen (12,22).

288

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Tobits Lobgesang: Gottes Erbarmen und das neue Jerusalem (13,1–14,1a) Lobpreis des Erbarmens Gottes unter den Völkern (13,1–8) 1

2

3 4

5

6

7

8

Und er sagtea: Gepriesen [sei] Gott, der Lebendige, in Ewigkeit und seine Königsherrschaft; a adennb er züchtigt und erbarmt sich, b er führt hinab in die Unterweltc unter der Erde, c und er führt wieder hinauf aus dem großen Verderben, d und nichts ist, das seiner Hand entfliehen kann.a a aDankt ihm, ihr Kinder Israel, vor den Völkern; b denn er hat euch unter sie verstreuta a aund hat euch dort [doch] seine Größe kundgetan!a b Und erhebt ihn vor allem Lebendigen; c denn er ist unserb Herr, und er [ist]c unser Gott, d dund er (ist)c unser Vater, und er [ist]c Gott in alle Ewigkeitend. a aEr wird euch wegen eurer Unrechtstaten züchtigen, b aber wird sich euer aller erbarmen unter allen Völkern, c unter die ihr verstreut worden seid.a a aWenn ihr zu ihm zurückkehrt mit eurem ganzen Herzen b und mit eurer ganzen Seele, bum vor ihm Wahrheit zu übenb, c dann wird er zu euch zurückkehren d und nicht mehr sein Angesicht vor euch verbergen.a e Und nun cschaut, was er an euch getan hatc, f dund dankt ihm aus vollem Mund!d g Und preist den Herrn der Gerechtigkeit h und erhebt den eKönig der Ewigkeitene!f i {Ich will ihn loben im Land meiner Gefangenschaft, j und ich verkündige seine Macht und Größe dem Volk der Sünder. k Kehrt um, ihr Sünder, l und übt Gerechtigkeit vor ihm! m Wer weiß, ob er Gefallen findet an euch n und euch Barmherzigkeit erweist? a aIch und bmeine Seeleb werden Jubellieder sprechen für den König des Himmels, b und cmeine Seele soll jubelnc alle Tage meines Lebens.a a aAlle Erwählten sollen den Herrn preisen, b und alle sollen seine Größe loben; c sie sollen sprechen (mit Liedern?) des Jubels d und sie sollen ihm danken.a a b

a

Tobits Lobgesang: Gottes Erbarmen und das neue Jerusalem (13,1–14,1a)

289

Der Jubel im Neuen Jerusalem (13,9–14,1a) 9

a b c 10 a b c d e 11 a b c d e f 12 a b c d 13 a b 14 a b c d e 15 16 a b c d e f g 17 18 a b

a

Jerusalem, heilige Stadt, er wird dich wegen der Werke deiner Hände züchtigena b und wird sich wieder der Söhne der Gerechten erbarmen.b Lobe den Herrn, wie es sich geziemt, und preise den König der Ewigkeiten!}a Undb dein Zelt wird wieder für dich erbaut werden mit Freuden. Und er möge in dir alle Gefangenen erfreuen und in dir allen Elenden Liebe erweisen für alle Geschlechter auf ewig. a Ein helles Licht wird leuchten bis an alle Grenzen der Erde.a b Viele Völker werden kommen von ferne zu dir und die Bewohner von allen Enden der Erde zu deinem heiligen Namen, und ihre Geschenke werden sie in ihren Händen halten für den König des Himmels.b Generationen für Generationen werden cin dirc Jubellieder singen, und dder Name der Erwähltend [bleibt] für die Geschlechter auf ewig. a Verflucht seien alle, die ein hartes Wort sagen, verflucht werden alle sein, die dich zerstören und deine Mauern stürzen, und alle, die deine Türme einreißen und deine Häuser niederbrennen; und bgesegnet sein werdenb alle, die dich fürchten, in Ewigkeit.a a Dann mach dich auf und juble über die Söhne der Gerechtena, denn sie werden alle versammelt werden und werden den Herrn der Ewigkeit preisen. Selig sind, die dich lieben, und selig, die sich über deinen Frieden freuen werden. Und selig sind alle Menschen, die über dich betrübt sein werden, über alle deine Schläge, denn sie werden sich ain dira freuen und alle deine Freudeb sehen in Ewigkeit. Meine Seele, preise aden Herrn, den großen König!a Denn Jerusalema wird erbaut werden, für die Stadt bGottes Hausb in alle Ewigkeiten. Selig werde ich sein, wenn der Rest meines Samens ersteht, zu sehen deine Herrlichkeit und zu danken dem König des Himmels. Und die Tore Jerusalems werden mit Saphir und Smaragd erbaut werden und mit Edelstein all deine Mauern. Die Türme Jerusalems werden mit Gold erbaut werden und ihre Zinnen mit reinem Gold. Die Plätze Jerusalems werden amit Rubin gepflastert werden und mit Ophirsteina. Und die Tore Jerusalems werden Jubellieder sprechen und alle seine Häuser werden sprechen: Halleluja. aGepriesen sei der Gott Israels!a

290

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

c d 14,1a

Und die Gepriesenen werden bden heiligen Namenb preisen bis in alle Ewigkeit und weiterhin. Und Tobits Worte des Lobpreises fanden damit ein Ende.

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 13,1a–a

13,2a–a 13,2b 13,2c 13,3a–a

13,4a–a 13,4b

13,4c 13,4d–d 13,5a–a

13,6a–a

13,6b–b

Nach GI schreibt Tobit sein Jubelgebet nieder; siehe auch 4Q200 6 4: „Hierauf sprach Tobi und schrieb einen Lobpreis in Lobliedern und [ ] / [ ] lebendig, denn für alle Ewigkeiten ist sie seine Königsherrschaft“; siehe HALLERMAYER, Text, 156. Es handelt sich somit um einen Beleg, bei dem GI enger an der Qumranüberlieferung ist als GII. Auch GIII und VL haben das Motiv des Schreibens; siehe WEEKS, Third Greek Version, 38; HALLERMAYER, Text, 158. Es ist anzunehmen, dass dies die ältere Form ist. Zum Motiv der Verschriftung siehe MACATANGAY, Write Everything Down. Vgl. 4Q200 6 5–7: „Denn er [ ] / [ er], erbarmt sich, er lässt hinabsteigen bis zur tiefsten Unterwelt, und er lässt hinaufsteigen von der Urf[lut] ([‫ )ת)הו(]ם‬und was (gibt es), das wegreißen (‫ )יפצה‬wird aus seiner Hand?“, siehe HALLERMAYER, Text, 156. ὅτι entspricht dem ‫ כי‬der Psalmen, das auch im Sinne von „wahrlich, siehe“ wiedergegeben werden kann. Griech.: ᾅδης. Vgl. 4Q200 6 8: „Lobt ihn, Söhne Isra[els, ] / [ ] denn ihr (seid) die Verstoßenen unter sie“; siehe HALLERMAYER, Text, 156. VL liest hier das Verb in der Vergangenheit: „Flagellauit uos ob iniquitates uestras […].“ Tob 13,3.4 Vg. betont das Motiv der Zeugenschaft unter den Völkern. GI liest einen Imperativ und verstärkt dadurch den Duktus des Lobaufrufes, ebenso VL. 4Q200 6 9 ist fragmentarisch; vgl. HALLERMAYER, Text, 161: „Da es sich beim letzten erhaltenen Buchstaben von ‚Herr‘ wohl um ein kaf handelt, legt sich die Ergänzung zum Pronominalsuffix der 2. masc. pl. ‚euer Herr‘ nahe“. Alle lateinischen und griechischen Texte haben „unser Herr“; siehe WEEKS, Third Greek Version, 39. Vgl. hierzu RABENAU, Studien, 80: Die Qumranfragmente „betonen damit Gottes Herrschergewalt als ‚Allherr‘.“ Das Fehlen von Verben deutet darauf hin, dass sich hier noch die Form des hebr./aram. Nominalsatzes widerspiegelt. GI zeigt wieder die Tendenz zur Zusammenfassung und liest „Vater in alle Ewigkeiten“. 4Q200 hat hier eine Lacuna. GI verwendet in der Aussage über die göttliche Bestrafung anstelle der 2. Pers. Pl. die 1. Pers. Pl.; somit macht Tobit als der fiktive Beter des Psalms seine eigene Verbindung mit dem Geschick seines Volkes und dessen Sündengeschichte deutlicher. GI ergänzt das Motiv der Sammlung unter den Völkern, das auch sonst in diesem Hymnus eine wichtige Rolle spielt. Dieses Element könnte auch auf den Einfluss von Dtn 30,3b zurückgehen, wo sich ebenfalls das Motiv des Erbarmens mit dem der Sammlung verbindet; siehe auch STROTMANN, Vater, 34. Auf die größere Nähe von GI zu Dtn 30,2–3 verweist auch HOFMANN, Rezeption, 323. Vgl. 4Q196 17ii 4 „[…] und mittei[lend] seine [K]raft und Größ[e Sünd]er nach eurem Herz / die Wah[rheit ] vor ih[m er ] hat gekann[t die ] [Ver]zeihung“; „nach eurem Herz“ hat keine Entsprechung in GI, GIII und VL, vgl. FITZMYER, Tobit (DJD), 20–21; HALLERMAYER, Text, 77; MOORE, 279. Diese Infinitivkonstruktion könnte einen Hebraismus darstellen und auf ‫ ל‬mit Infinitiv zurückgehen; vgl. LITTMAN, 150.

Tobits Lobgesang: Gottes Erbarmen und das neue Jerusalem (13,1–14,1a) 13,6c–c 13,6d–d 13,6e–e

13,6f

13,7a–a 13,7b–b 13,7c–c 13,8a–a

13,9a–a

13,9b–b

13,10a 13,10b

13,11a–a

291

MOORE, 279, nimmt an, dass VL und GI hier eine andere Vorlage hatten, da 4Q196 diesen Satz nicht enthält. Vg. ordnet hier an, dass Gott mit Furcht und Zittern bekannt werden soll. MOORE, 279, verweist darauf, dass 4Q196 17ii 6 keinen Platz für „König der Ewigkeiten“ hat. Nach HANHART, Text und Textgeschichte, 36, muss es offenbleiben, wie der Terminus βασιλεὺς τῶν αἰώνων zu übersetzen ist: „es kann sowohl der in Ewigkeit herrschende König, als auch der König der Weltzeiten oder der von ihm geschaffenen Welt gemeint sein“. Eindeutig für das Verständnis des Begriffes im Sinne der geschaffenen Welt ist Tob 13,18 GI (vgl. Hebr 1,2). Hier bricht die Textüberlieferung von Ms. Sinaiticus wegen eines Homoioteleuton durch die Wendung τὸν βασιλέα τῶν αἰώνων ab und setzt erst wieder in V. 10b ein. Der folgende Text ist eine Rekonstruktion auf der Basis von VL und den Fragmenten aus Qumran; zum Ganzen siehe WEEKS, Reconstructing, 37–47. GI: „Ich will meinen Gott erheben / und meine Seele den König des Himmels, / und sie soll über seine Größe jubeln.“ Es handelt sich um einen Hebraismus bzw. Aramaismus; vgl. Gen 49,6; Num 23,10; Ri 16,30; Klgl 3,24. So mit 4Q196 17ii 7 und VL die Rekonstruktion des Textes nach WEEKS, Reconstructing, 40; siehe 4Q196 17ii 7: „[ a]lle [ sie werden preis]en seine Größe“; siehe HALLERMAYER, Text, 75. GI: „Alle sollen reden und ihn in Jerusalem (ἐν Ιεροσολύμοις) loben.“ Vgl. 4Q196 17ii 7: „sie werden sprechen in Psalm[en ]“; siehe HALLERMAYER, Text, 75. Die Verbindung zwischen den beiden Teilen des Hymnus erscheint in GI organischer, da das Thema des Lobpreises in Jerusalem bereits am Ende des „Diasporaliedes“ (13,8) eingespielt wird. Vor diesem Hintergrund kann GI auch in die Teile 13,1–7 und 13,8–18 gegliedert werden; siehe z. B. RAUTENBERG, Stadtfrau, 85. Wenn „alle“ Gott in Jerusalem loben sollen, werden die Adressaten des Diasporaliedes explizit in die Lobgemeinde des Jerusalemliedes integriert. In GI wird Jerusalem in ihrer Mutterrolle angesprochen, wenn von den „Werken deiner Söhne“ (anstelle von den „Werken deiner Hände“ in GII) die Rede ist. Darin zeigt sich die Tendenz dieser Version, Jerusalem als personale Größe darzustellen; siehe hierzu generell die wichtigen Beobachtungen von RAUTENBERG, Stadtfrau, 79–101 passim. VL liest das Verb in der Vergangenheit („flagellavit“); man kann vermuten, dass VL die fiktiv-historische Perspektive des Psalms im Kontext der Erzählung und die Situierung vor dem babylonischen Exil aus den Augen verloren hat. 4Q196 17ii 8: „Stadt der Heiligkeit, er wird [dich zerschla]gen“; vgl. HALLERMAYER, Text, 75. In 4Q196 17ii 8f. ist kein Platz für die Wendung „und er wird sich wieder der Söhne der Gerechten erbarmen“; daher ist anzunehmen, dass es sich hier um einen Zusatz handelt, durch den GI versucht, in Analogie zu V. 2 und V. 5 eine Symmetrie zwischen dem Strafhandeln und dem Erbarmen Gottes herzustellen; siehe hierzu WEEKS, Reconstructing, 44. Auch VL und Vg. verzichten auf die Rede vom Erbarmen Gottes. Hier endet die Lacuna, und der Text wird wieder auf der Basis von Ms. Sinaiticus wiedergegeben. GI macht durch die Verwendung der Konjunktion ἵνα die Anwesenheit Gottes in der Stadt von ihrem Lobpreis abhängig, sodass sich am Verhalten der Bewohner die Beziehung zwischen Gott und Stadt entscheidet; siehe RAUTENBERG, Stadtfrau, 94. Außerdem spricht diese Version von „seinem Zelt“ (zu beziehen auf den „König der Ewigkeiten“), wohingegen GII mit „deinem Zelt“ Jerusalem direkt anredet; siehe RAUTENBERG, Stadtfrau, 95. Das Motiv des Lichts fehlt in GI.

292 13,11b–b

13,11c–c 13,11d–d

13,12a–a

13,12b–b 13,13a–a 13,14a–a

13,14b 13,15a–a 13,16a 13,16b–b 13,17a–a 13,18a–a

13,18b–b

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a) Während GII den heiligen Namen Jerusalems als Zielperspektive des Lobpreises hat, spricht GI vom „Namen Gottes“. Dies ist insofern auffällig, als GI sonst eine deutliche Tendenz zeigt, das Motiv der Heiligkeit einzufügen (vgl. dagegen 3,10; 8,5.15; 12,12.15). Außerdem findet sich hier wieder eine Kombination der Begriffe ὁ κύριος und ὁ θεός, die für GI ganz typisch ist. Vgl. 4Q196 17ii 17: „[ ] ein großer Name [ für die Ge]nerationen der Ewigkeit“; vgl. HALLERMAYER, Text, 75. Griech.: ἐν σοί; andere Übersetzungsmöglichkeit: „über dich“; nach RABENAU, Studien, 90, Anm. 135, handelt es sich um eine „unglückliche Übersetzung des hebräischen ‫“ב‬. GI hat dies eindeutig gemacht, wenn hier nur noch σοί steht. Die Wendung ὄνομα τῆς ἐκλεκτῆς bezieht sich auf Jerusalem. Vgl. 4Q196 17ii 15: „ein großer Name“; VL: „nomen magnum“; nach MOORE, 281, hat VL hier eine semitische Lesart erhalten, die im Griechischen fehlt; siehe auch HALLERMAYER, Text, 75, Anm. 425.428. GI verkürzt das Fluchwort und verzichtet auf die baulichen Beschreibungen; siehe RAUTENBERG, Stadtfrau, 97. Vgl. 4Q196 17ii 15f.: „Verflu[cht al]le [ ], die verspotten und {al}le, die gegen [dich ] / [ ] verflucht al[le ] dich/dein und {al}le [ re]d[en g]egen dich verfluch[t ]“; siehe HALLERMAYER, Text, 75f. Vgl. 4Q196 18 1: „[ ] deine [Mauern] und alle, die dich umstürz[en]“. Εὐλογητοὶ ἔσονται ist eine periphrastische Zeitform; siehe EVANS, Periphrastic Tense Forms, 114. 4Q196 18 2: „freue dich und jauchze in den Söh[nen]“; siehe HALLERMAYER, Text, 81, sowie 4Q200 7 1f.: „dann freue dich und spring / [ ] und segne“, siehe HALLERMAYER, Text, 161. Vgl. GI: „Freue dich und juble […].“ Ἐν σοί; andere Übersetzungsmöglichkeit: „über dich“; GI hat hier ἐπὶ σοί. GI liest also: „sie werden sich über dich freuen“. Da GI somit keine Aussagen zum Raum bzw. zu „baulichen Gestaltungen“ macht, ist hier „ausschließlich die personale Wahrnehmung bestimmend“; siehe RAUTENBERG, Stadtfrau, 98; siehe auch ibid., 8. Wenn GI vom Sehen der δόξα, „Herrlichkeit“, spricht (anstelle von χάρις, χαρά [„Freude“]), so könnte dies auf eine Angleichung des Textes an Jes 62,2LXX zurückgehen. GI hat „Gott, den großen König“. Griech.: ’Ιερουσαλήμ; so auch im Folgenden. Wörtl.: „sein Haus“. GI hat „Beryll, Rubin und Ophirstein“. Eine Universalisierung liegt vor, wenn in GI nicht vom „Gott Israels“ die Rede ist, sondern vom „Gott, der alle Welt erhöht hat“. Damit bestätigt dieser Vers die Tendenz von GI, die Bedeutung Israels zurückzudrängen; vgl. 1,5.8.18; 5,5.9; 14,4 [2x].5.7. Entgegen der allgemeinen Tendenz, die Heiligkeit Gottes zu betonen (vgl. dagegen 3,10; 8,5.15; 12,12.15), verzichtet GI an dieser Stelle auf die Wiedergabe dieses Motivs; siehe zu TA 13,11b–b.

Synchrone Analyse Gliederung und Struktur Einführung Nach der Verabschiedung des Engels heben Tobit und sein Sohn Tobias zu einem und Gliede- Hymnus an (12,22) und erfüllen damit das Gebot des Engels, Gott für seine Retrung tungstaten zu preisen (12,6.18.20). Tob 13,1 kann dabei als eine direkte Fortsetzung

Synchrone Analyse

293

dieser Szene verstanden werden, allerdings findet nun eine eindeutige Fokussierung auf Tobit statt; vom Lobpreis des Sohnes ist jetzt nicht mehr die Rede. Der Hymnus Tobits560 gehört zur Gattung der eschatologischen Psalmen.561 So wird Tobit zum prophetischen Visionär.562 Mit dem ausgedehnten Hymnus wird die eigentliche Erzählung verlassen, und es wird nun „einerseits in Gebetsform Doxologisches zum Gottesverhältnis ausgesagt […] und andererseits ein eschatologischer Geschichtsrückblick eingearbeitet.“563 Der Text weist auf der Basis der hier vorliegenden Textrekonstruktion eine klare Zweiteilung auf: Der erste Teil ist dem Thema „Gotteslob in der Diaspora“ gewidmet (13,1b–8), während der zweite Teil den „Lobpreis Jerusalems“ (sowohl als Subjekt als auch als Objekt) zum Gegenstand hat (13,9–18).564 Es handelt sich dabei um Texteinheiten, die ihrerseits bereits abgeschlossene Hymnen bilden. Deshalb soll hier zwischen dem „Gesamthymnus“, dem „Diasporahymnus“ und dem „Jerusalemhymnus“ unterschieden werden. Der Abschnitt weist folgende Grobgliederung auf: 13,1a 13,1b–18 13,1b–8 13,9–18 14,1a

Einleitung des Erzählers Tobits Hymnus („Gesamthymnus“) Gotteslob in der Diaspora („Diasporahymnus“) Lobpreis Jerusalems („Jerusalemhymnus“) Abschluss des Erzählers

Weitere kleinere Abschnitte ergeben sich durch textinterne Strukturen (z. B. Lobaufrufe; Parallelismus membrorum; in 13,9–18 kehrversartige Wiederholungen der Ewigkeitsformel). Dabei entstehen kleinere Einheiten von recht unterschiedlicher Länge. Auf dieser Grundlage ergibt sich für den ersten Teil „Gottes Lobpreis in der DiasporaDiaspora“ (13,1b–8) folgende Gliederung, die einen konzentrischen Aufbau zeigt: hymnus A 13,1–2 B 13,3–4 C 13,5–6d

Benediktion mit hymnischer Entfaltung Lobaufruf mit hymnischer Entfaltung Sentenzen zum Zusammenhang von Heil und Unheil

560 Zum Hymnus Tobits (z. T. auch nur zum Jerusalem-Abschnitt) siehe insbesondere HENDERSON, Second Temple Songs, 107–175; RAUTENBERG, Stadtfrau; DIES., City of Jerusalem; SÖLLNER, Jerusalem, 43–65. 561 FLUSSER, Psalms, Hymns and Prayers, 556–558; siehe auch GREGORY, Rebuilding of the Temple, 172–178. FLUSSER zählt zu dieser Gruppe noch Bar 4,5–5,9; Sir 33[36],1–20[17]; PsSal 11 und ApZion. HENDERSON, Second Temple Songs, behandelt in ihrer Studie Bar 4,5–5,9 und ApZion unter der Überschrift „Second Temple Songs of Zion“. 562 Zu diesem Aspekt siehe MCCRACKEN, Narration and Comedy, 416; GREGORY, Rebuilding of the Temple, 172–178. Vgl. dagegen TROMP, For Jews in the Greco-Roman Period, 58, der annehmen möchte, dass sich Tobit auf das aktuelle Jerusalem bezieht. Zu dieser Diskussion siehe auch HENDERSON, Second Temple Songs, 169. 563 SÖLLNER, Jerusalem, 45. 564 So u. a. HENDERSON, Second Temple Songs, 117f.; LITTMAN, 148; RAUTENBERG, Stadtfrau, 84f.; SÖLLNER, Jerusalem, 47 (Zählung nach RAHLFS); STROTMANN, Vater, 28–30 (mit einem Überblick über die ältere Forschung).

294 B’ 13,6e–h A’ 13,6i–8

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Lobaufruf mit hymnischer Entfaltung Lobpreis Gottes in der 1. Pers.; Lobaufruf an die Erwählten.565

Jerusalem- Der zweite Teil dieses Gedichts, der Jerusalemhymnus, ist als eine „prophetischhymnus eschatologische Rede mit Jerusalem als dem beherrschenden Thema gestaltet“.566

Der Text weist durch das Stichwort αἰών und die sog. „Ewigkeitsformel“ (siehe jeweils am Ende der Verse 10.11.12.14.16b.18) klare Markierungen auf. Auf dieser Basis lässt sich dann in Verbindung mit weiteren inhaltlichen Elementen folgende konzentrische Struktur feststellen: A 13,9–11 B 13,12 C 13,13 B’ 13,14 A’ 13,15–18

Jerusalem als Ort künftigen Heils: Erbauung des Tempels, Rückkehr der Exilierten; Völkerwallfahrt (Ewigkeitsformel in V. 10: „εἰς πάσας τὰς γενεὰς τοῦ αἰῶνος“ und V. 11: „εἰς τὰς γενεὰς τοῦ αἰῶνος“). Fluchwort gegen die Feinde Jerusalems und Segen für die, die Jerusalem lieben (Ewigkeitsformel in V. 12d: „εἰς τὸν αἰῶνα“). Aufruf zum Jubel (abgewandelte Ewigkeitsformel in V. 13b: „εὐλογήσουσιν τὸν κύριον τοῦ αἰῶνος“). Makarismen für die, die Jerusalem lieben (Ewigkeitsformel in V. 14e: „καὶ ὄψονται πᾶσαν τὴν χαράν σου εἰς τὸν αἰῶνα“). Hymnus in der 1. Person: Jerusalems künftige Herrlichkeit (Ewigkeitsformel in V. 16b: „τῇ πόλει οἶκος αὐτοῦ εἰς πάντας τοὺς αἰῶνας“; V. 18d: „εἰς τὸν αἰῶνα καὶ ἔτι“).567

Struktur Die beiden Teile des „Gesamthymnus“, d. h. der „Diasporahymnus“ und der „Jeru-

salemhymnus“, sind durch a) Entsprechungen im Aufbau und b) durch gemeinsame Motive sowie c) durch eine innere Logik eng aufeinander bezogen. a) Auffallend ist zunächst die Parallelität zwischen den beiden Textteilen, insofern die Bewegung in beiden Liedern vom Lobaufruf in der 2. Pers. und Ausführungen über den Zusammenhang von Heil und Unheil zu einem Lobaufruf in der 1. Pers. und zum Motiv eines allgemeinen Jubels führt. b) In beiden Hymnen findet sich sowohl das Thema des Exils (siehe 13,3a.b// 13,10d.13b) als auch die Rede vom Züchtigen (μαστιγόω) und Erbarmen (ἐλεέω; 13,2a.5a.b//13,9b). c) Schließlich bildet der Jerusalemhymnus auch in mehrfacher Hinsicht die Fortführung des ersten Teils, insofern dieser als Ausführung des Lobs verstanden werden kann, zu dem Tobit die Exilierten am Ende des Diasporahymnus aufgerufen hat (13,7.8). Außerdem veranschaulicht dieser Teil dadurch das künftige Heil, das im Diasporahymnus eher allgemein bzw. metaphorisch mit dem göttlichen Erbarmen, der Rückkehr Gottes und der Zuwendung des göttlichen Angesichts 565 Ähnlich ist die Gliederung bei RABENAU, Studien, 68, der wiederum der Sache nach DESELAERS, Buch Tobit, 465–476, folgt. Andere Gliederungsvorschläge bei HENDERSON, Second Temple Songs, 136; STROTMANN, Vater, 31f. 566 RABENAU, Studien, 86f. 567 Vgl. hierzu HENDERSON, Second Temple Songs, 143f. Für andere Gliederungsvorschläge siehe RABENAU, Studien, 86–92; RAUTENBERG, Stadtfrau, 84. Vgl. auch DESELAERS, Buch Tobit, 465–476, und SÖLLNER, Jerusalem, 50, welche die Struktur des Textes auf Grundlage der Überlieferung von GI herausarbeiten.

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295

beschrieben wird (13,5b.6c.d), und schließlich kommt diesem Preislied auch die Aufgabe zu, die Exilierten, die im Diasporahymnus zur Umkehr aufgerufen werden (13,6a.b.k.l), in ihrem Vertrauen auf Gott zu stärken.568

Einzelauslegung Der erste Teil von Tobits Hymnus, der insgesamt als Ausschmückung und Fortfüh- 13,1–8 rung von Tob 12,22 verstanden werden kann, ist dem Thema des Gotteslobs in der Diaspora gewidmet. Tobits Lobgesang beginnt nach der kurzen Einleitung (13,1a) mit einer Bene- 13,1–2 diktion, die Gott und seine Königsherrschaft über den ganzen Erdkreis und in Ewigkeit preist (13,1b). Aufgrund des Fehlens eines finiten Verbs bezieht sich dieser Lobpreis auf die unmittelbare Gegenwart, schließt aber auch Vergangenheit und Zukunft mit ein. Somit nimmt der Psalm bereits zu Beginn sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht eine universelle Perspektive ein. Zugleich wird hier ein Motiv eingespielt, das den gesamten Hymnus durchzieht: die Königsherrschaft Gottes (vgl. 13,6h.7a.10b.11d.15.16d).569 Die Wendung „Gepriesen sei Gott“ ist bereits aus früheren Gebetseröffnungen bekannt (3,11; 8,5.15.16; 9,6 und 11,14; ausführlicher zur Doxologie siehe zu 3,11) und erscheint auch im Segenswort Tobits bei dessen Begegnung mit Sara (11,17). Die Metapher von Gott als König, die der Begriff der Königsherrschaft (βασιλεία) impliziert, findet sich auch in Tob 1,18 und Tob 10,13.570 Entfaltet wird die Benediktion des Gottkönigs durch zwei antithetische Parallelismen mit unterschiedlicher Länge, die Gottes Handeln in der Spannung von Strafe und Bewahrung zum Ausdruck bringen (13,2). Während V. 2a diesen Zusammenhang mit der Vorstellung von Gottes Züchtigen (μαστιγόω) und seinem Erbarmen (ἐλεέω) abstrakt beschreibt, benennt V. 2b.c die Ausdehnung der göttlichen Macht in räumlichen Kategorien, wobei sich durch die Verbindung der Verben „hinunterbringen“ und „hinaufbringen“ eine vertikale Linie ergibt. Der Abschnitt endet mit einer sentenzhaften Zusammenfassung, die zeigt, dass es kein Entrinnen aus dem Herrschaftsbereich Gottes gibt (13,2d). Aber nicht Gottes Strafhandeln steht im Fokus, vielmehr richtet sich das Gebet auf Gottes Erbarmen. Dieses göttliche Handeln erfährt eine besondere Betonung, da das Verb ἐλεέω in Tob ausschließlich für Gott gebraucht wird.571 Der Abschnitt entspricht in formaler Hinsicht einem Hymnus, bestehend aus 13,3–4 zwei Elementen des Aufgesangs (13,3a.4b) sowie einer doppelten Entfaltung des Lobs (13,3b.4a und 4c.d). Nun erfolgt ein Wechsel in der Anrede. Der Beter fordert Israel auf, Gottes Taten vor den Völkern dankbar zu bekennen (13,3a). Obwohl 568 Weiterführende Überlegungen zur inneren Bezogenheit der beiden Hymnen finden sich bei SÖLLNER, Jerusalem, 52, der die „Verkündigung der Größe Gottes seitens der Diaspora unter den fremden Völkern [… als] die konditionale Bedingung für deren eschatologische Einsicht, zum Namen des Herrn nach Jerusalem zu ziehen“ betrachtet; siehe auch HENDERSON, Second Temple Songs, 175; LEVINE, Redrawing the Boundaries, 6. 569 Siehe hierzu HENDERSON, Scriptural Model, 61–67. 570 Zu diesen Themen siehe die Einleitung im Abschnitt „Figuren der Handlung“. 571 STROTMANN, Vater, 43; siehe auch DESELAERS, Buch Tobit, 366; HICKS-KEETON, Already / Not Yet, 102.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Israel unter die Völker verstreut ist, hat Gott seinem Volk seine Größe offenbar werden lassen (3b.4a). Mit der Charakterisierung der Diaspora als „Offenbarungsraum“ findet eine „Sinnbildung“ statt, die auch das Geschick der Exilierung in einem positiven Licht erscheinen lässt. Tobit ruft Israel auf, als Zeuge für Gottes Rettungshandeln zu wirken. Da er der Sprecher dieses Psalms ist und der Aufruf selbst eine performative Handlung darstellt, übernimmt Tobit als literarische Figur auch selbst diese Funktion (siehe auch 13,7).572 Daran schließt ein weiterer Lobaufruf an (13,4b). Nun jedoch wird der geschichtliche Horizont von Tob 13,3–4a überboten, denn „Forum des Lobs ist nicht länger die Völkerwelt, sondern ‚alles, was lebt‘, ἐνώπιον παντὸς ζῶντος“.573 Der Lobaufruf, der sich an „alles Lebendige“ richtet, ist einzig hier in der biblischen Überlieferung belegt. Tobits Lob findet seine Entfaltung durch vier Aussagesätze, die unterschiedliche Aspekte der Beziehung zwischen dem zu preisenden Gott und den Betern darstellen („Herr“; „Gott“; „Vater“ und „Gott in alle Ewigkeiten“). Auf die enge Beziehung zwischen Gott und seinem Volk verweist die mehrmalige Verwendung des Possessivsuffixes „unser“. Wird durch die Metapher von Gott als Vater die Nähe zwischen Gott und den Betern fokussiert, so steht die Aussage „er ist Gott in alle Ewigkeiten“ wiederum in einem universalen Horizont. Durch diese Wendung weist der Beter gleichzeitig auf den Beginn in V. 1b („in Ewigkeit“) zurück (13,4c.d). Eine Erläuterung dieser hymnischen Aussagen, nun in sentenzartigen Sätzen 13,5.6a–d formuliert, enthalten die folgenden Stichoi. V. 5 nimmt die Begriffe „Züchtigung“ und „Erbarmen“ sowie das Motiv der Zerstreuung auf (siehe 13,2f.) und steht somit auch formal in einem engen Bezug zum Anfang dieser textlichen Einheit. Nun zeigt sich, dass das Exil als Gottes Strafe seinen Grund im ungerechten Verhalten des Volkes („ἐπὶ ταῖς ἀδικίαις ὑμῶν“) hat. Der Vers entfaltet somit das göttliche Wirken in der Spannung von Schuld und Vergebung.574 V. 6 macht dann in einem Konditionalsatz – unter Rückgriff auf die Metapher, dass Gott sein Angesicht nicht mehr verbergen wird – deutlich, unter welchen Bedingungen das gestörte Gottesverhältnis wieder geheilt werden kann, nämlich durch den Gehorsam gegenüber dem göttlichen Gebot sowie durch aufrichtiges Handeln (zu ἀλήθεια siehe zu 1,3). Implizit stellt dieser Vers einen Aufruf zur Umkehr dar. Durch die zweimalige Verwendung des Terminus ἐπιστρέφω, „zurückkehren“, kommen die Reziprozität des göttlichen und menschlichen Handelns und der Tun-Ergehen-Zusammenhang zum Ausdruck. Nun findet mit vier Imperativen ein formaler Neueinsatz statt. Zunächst wer13,6e–h den die Adressaten aufgefordert, die ihnen bereits widerfahrene göttliche Zuwendung wahrzunehmen („… schaut, was er an euch getan hat“). Der Sprecher verwendet hier einen Aorist. Dieser kann sowohl im Sinne eines generellen Rückblicks als auch ingressiv verstanden „und auf konkrete Ereignisse bezogen werden, in denen der Verfasser bzw. Übersetzer des Psalms Gottes Heilshandeln als Folge des 572 EGO, Diaspora, 53; DIES., Lob als Existenzerschließung, 23; NOWELL, Nations, 287; weitere Belege für diese These bei ESTES, Gentiles, 75–77. ESTES, Gentiles, 81, betont allerdings, dass diese Zeugenschaft nicht im Fokus des Interesses des Psalms stehe, sondern etwas Passives an sich habe und als „the overflow of a pious life“ zu werten sei. 573 RABENAU, Studien, 80. 574 RABENAU, Studien, 79.

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Gesetzesgehorsams seiner Zeitgenossen interpretieren kann.“575 Gottes Heilshandeln bildet die Basis dafür, dass die Adressaten anschließend in drei imperativischen Sätzen zum Gotteslob aufgefordert werden. Die Imperativformen „ἐξομολογήσασθε […] εὐλογήσατε […] ὑψώσατε“ greifen auf Formulierungen aus der Eröffnung des Hymnus zurück (vgl. V. 1: „εὐλογητός“; V. 3: „ἐξομολογεῖσθε“; V. 4: „ὑψοῦτε“); ein weiterer intertextueller Rückbezug erfolgt durch die Verwendung des Begriffes αἰών in Verbindung mit Gott als König (13,6h; vgl. 13,1b mit der Rede von der Königsherrschaft). Durch diese Inklusion macht der Abschnitt den Eindruck einer strukturierten und abgeschlossenen Dichtung.576 Der erste Teil des Hymnus endet mit einem Lobgelübde, das in der 1. Pers. 13,6i–8 Sg. formuliert ist (13,6i.j). Wenn anschließend zur Umkehr aufgerufen wird (13,6k.l), zieht der Beter die Konsequenz aus dem zuvor postulierten Tun-ErgehenZusammenhang (13,6a). Die mit der Wendung „Wer weiß […]“ eingeleitete rhetorische Frage (13,6m.n) möchte die Hoffnung unterstreichen, dass sich Gott seinem Volk wieder in Gnade zuwenden wird (vgl. 2 Sam 12,22; Joël 2,14; Jona 3,9).577 Das „Volk der Sünder“ ist vor dem Hintergrund von Jes 1,4 auf Israel zu beziehen und nicht auf die Völkerwelt.578 Nach einem weiteren Lobversprechen im Parallelismus membrorum (13,7a.b) werden alle Erwählten zum Gotteslob aufgefordert (13,8a–d). Nun rückt Jerusalem in das Zentrum der Rede, und der Dichter preist jetzt 13,9–18 wortreich die künftige Herrlichkeit Jerusalems. Jerusalem, die heilige Stadt, wird direkt angesprochen und erscheint somit als 13,9–11 personifizierte Größe.579 Selbst wenn die Stadt zunächst als Objekt des göttlichen erzieherischen Strafhandelns (μαστιγόω) gezeichnet wird, steht letztlich auch hier Gottes Erbarmen im Fokus. Die Verwendung des Futurs erklärt sich aus der fiktionalen historischen Situierung des Psalms in der Zeit vor dem babylonischen Exil (13,9). Auf einen doppelten Lobaufruf im Parallelismus membrorum (13,10a.b) folgt eine dreigliedrige prophetisch-visionär wirkende Zukunftsaussage: Der Tempel, hier als Zelt bezeichnet (σκηνή), wird in Jerusalem erbaut werden (13,10c), und die Stadt verwandelt sich zu einem Ort, in dem die Gefangenen (αἰχμάλωτος) erfreut (10,10d) und die Elenden (ταλαίπωρος) Gottes Liebe erfahren werden (10,10e). Der Begriff αἰχμάλωτος verweist auf die Exilierten, sodass hier wohl auf die Rückkehr aus dem Exil angespielt wird.580 Auffällig ist die Verwendung eines passivum divinum für die Errichtung des Tempels, die dessen göttliche Herkunft andeutet.581 Jerusalem bildet den Raum des göttlichen Handelns.582 Wenn die Exilierten wieder in das Land zurückkehren, wird die kosmische Ordnung wiederhergestellt.583

575 RABENAU, Studien, 82. 576 HENDERSON, Second Temple Songs, 139; RABENAU, Studien, 82. 577 Der Ton des Zweifels bzw. eine Kritik am Tun-Ergehen-Zusammenhang, wie dies KIEL, The Whole Truth, 136, sehen möchte, scheint vor diesem Hintergrund eher unwahrscheinlich. 578 Hierzu ESTES, Gentiles, 77, in der Auseinandersetzung mit anderen Forschungsmeinungen. 579 Hierzu insbesondere RAUTENBERG, Stadtfrau, 79–101. 580 Siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Motive“. 581 BIBERGER, Unbefriedigende Gegenwart, 272; MACATANGAY, Apocalypticism, 217; RAUTENBERG, Stadtfrau, 87. 582 RAUTENBERG, Stadtfrau, 87. 583 COUSLAND, Comedy, 552.

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13,12

13,13

13,14

13,15–18

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

V. 11 führt den prophetischen Duktus weiter. Das Bild vom Licht Jerusalems, das bis zu den Enden der Erde leuchtet (13,11a), erinnert an die Vorstellung von Jerusalem als Mittelpunkt der Welt. Das Licht selbst scheint dabei die Wallfahrt der Völker, die mit ihren Gaben zum Zion strömen (13,11b–d), zu evozieren. Somit kommt hier eine „gegenläufige Bewegung“ zum Leuchten des Lichts zum Ausdruck, und Jerusalem erscheint als ein „räumliches Zentrum, von dem eine Bewegung ausgeht, die sie aber auch anzieht“.584 Eine universale zeitliche Perspektive wird deutlich, wenn die Jubellieder in der Stadt für alle Generationen erklingen und so den dauerhaften Bestand ihres Namens (und damit der Stadt selbst) garantieren (13,11e.f). Die nächste Strophe reflektiert zunächst die Zerstörung der Stadt. Zwei Fluchworte in Form eines Parallelismus membrorum richten sich gegen diejenigen, die sich durch ihr „hartes Wort“ („λόγον σκληρόν“) in verbaler Hinsicht aggressiv gegen Jerusalem verhalten (13,12a) bzw. die bauliche Substanz der Stadt, also Mauern, Türme und Häuser, zerstören wollen (13,12b.c). In diesem zweiten Teil des Fluchwortes werden die Adressaten, denen der Fluch gilt, in einem untergeordneten zweigliedrigen Parallelismus membrorum genauer beschrieben. Eine Seligpreisung für die, die Jerusalem ehren, beschließt diese Untereinheit und setzt einen wirkungsvollen Kontrast (13,12d). An Jerusalem entscheidet sich somit Wohl oder Wehe eines jeden: Jerusalem wird zur Segensmittlerin. Im Zentrum des Jerusalemlieds steht der Aufruf zum Jubel; die Sonderstellung dieses Abschnittes innerhalb dieses Lobliedes ist durch die diesen Passus abschließende Formulierung „den Herrn der Ewigkeit preisen“ (13,13b) gegeben, die von den anderen Formulierungen mit dem Begriff αἰών abweicht (siehe V. 10.11.12.14.16b.18, jeweils am Ende).585 Die Sammlung der „Söhne der Gerechten“ spielt auf die Rückführung der Exilierten an (siehe dazu oben zu 13,10b), wobei allerdings nun eine ganz bestimmte Gruppe im Blick zu sein scheint, die „eine abgehobene Gemeinschaft [bildet], die sich allein zum eschatologischen Gottesdienst versammelt“.586 Es folgt ein dreifacher Makarismus für diejenigen, die sich mit dem Geschick Jerusalems positiv verbunden wissen (13,14a–c), wobei der letzte durch eine zweigliedrige Verheißung und Ewigkeitsformel erweitert ist und somit ein deutliches Achtergewicht erhält. Die Beziehungen zu den Fluchworten in V. 12 sind unverkennbar. Den harschen Worten gegenüber Jerusalem wird nun die Liebe zur Stadt gegenübergestellt und den feindseligen Handlungen die Freude über den Frieden der Stadt sowie eine Belohnung für die, die über Jerusalems Schicksal Mitleid empfinden. Sie nämlich werden Gottes Gnade schauen. Erneut wird Jerusalem zur Segensmittlerin (13,14d.e). Die letzte Strophe des Hymnus beginnt mit einer Selbstaufforderung zum Gotteslob in der 1. Pers. Sg. (13,15). Sie wird durch einen synthetischen Parallelismus membrorum entfaltet, der den Aufbau von Stadt und Tempel prophezeit (13,16a.b). Daran schließt eine „prophetische Selbstseligpreisung“ an, die im Parallelismus

584 RAUTENBERG, Stadtfrau, 88. 585 RABENAU, Studien, 91: „Nicht die Endgültigkeit des Heils steht im Vordergrund, sondern Gott wird als Herr der Ewigkeit gefeiert.“ 586 RABENAU, Studien, 91.

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membrorum gestaltet ist und „an ein bedingtes Gelübde“ erinnert (13,16c.d).587 Der Makarismus in der 1. Pers. Sg. bringt zum Ausdruck, dass auch der Sprecher, wenngleich er zum Zeitpunkt des künftigen Heils Jerusalems nicht mehr am Leben sein wird, doch an dem Glück der künftigen Gottesstadt partizipieren wird. Während der Tempel im Folgenden keine Erwähnung mehr findet und hier nur eine marginale Rolle spielt, nimmt das Thema der Erbauung der Stadt, das jetzt erstmalig explizit genannt wird, breiten Raum ein: Es folgen futurische Aussagen zu den baulichen Strukturen des Neuen Jerusalem und seinem Glanz (13,16e.f.g.17). Damit steht die Stadt als Raum im Vordergrund. Da die Plätze Orte der Begegnung sind, klingt die Vorstellung von Jerusalem als „Lebensraum“ an.588 Die Bestandteile der Stadt werden kostbaren Materialien, Gold sowie verschiedenen Edelsteinen, zugeordnet: Die Tore werden aus Saphir und Smaragd bestehen, die Mauern aus Edelstein, die Türme und Zinnen aus Gold und die Plätze aus Rubinen und Ophirstein. Es ist zu bedenken, dass Gold in der Antike nicht nur für Reichtum und Kostbarkeit steht, sondern auch für „die Zugehörigkeit zum Göttlichen, zum Sakralen“.589 Edelsteine wiederum symbolisieren Schönheit und Reichtum; als „Bestandteil von Palast- oder Tempelbauten (1 Chr 29,2; LibAnt 25,12), von Königsinsignien oder Kultgeräten werden sie zum Zeichen königlicher bzw. priesterlicher Autorität.“590 Das Bild kann so als Ausdruck von Ordnung und Harmonie verstanden werden. Der Psalm endet in V. 18 mit einem dreigliedrigen Parallelismus membrorum, der den Lobpreis des Neuen Jerusalem zunächst synekdochisch beschreibt: Tore und Häuser stehen dabei als pars pro toto für die gesamte Stadt mit ihren Bewohnern. Der Lobpreis der Bewohner, die am Ende des Psalms als „Gesegnete“ bezeichnet werden, wird in alle Ewigkeit erschallen (13,18c). Dabei findet der Ausdruck εἰς τὸν αἰῶνα („in Ewigkeit“), der bereits am Ende der anderen Strophen stand (vgl. die sog. „Ewigkeitsformeln“ in 13,10e.11f.12d.13b.14e), durch das hinzugefügte καὶ ἔτι eine Erweiterung, die den Psalm eindrücklich abschließt. Gottes Lobpreis transzendiert somit die Generationen, und der Leserschaft wird die Möglichkeit gegeben, in diesen Chor einzustimmen.591 Der Abschnitt schließt mit der kurzen Bemerkung des Erzählers, dass Tobits 14,1a Worte hier ihr Ende fanden. Durch den Bezug zum Anfang des Kapitels wird so ein Rahmen um den Gesamthymnus gelegt.

Wichtige buchinterne Bezüge Der Hymnus des alten Tobit steht außerhalb der eigentlichen Erzählhandlung des Überblick Buches, enthält aber doch verschiedene kapitelübergreifende Motive, so „Exil vs. Jerusalem“, „Lobpreis“, „Dunkelheit und Licht“ sowie „Züchtigen und Erbarmen“. 587 588 589 590 591

RABENAU, Studien, 91. RAUTENBERG, Stadtfrau, 99. MÜLLER-FIEBERG, Das „neue Jerusalem“, 193. MÜLLER-FIEBERG, Das „neue Jerusalem“, 195. Zum Motiv des Gebets und des Lobpreises siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“.

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Züchtigen und Erbarmen

Lobpreis und Gebet

Dunkelheit und Licht

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Über die Völkerwallfahrt wird auch das Motiv „Weg“ eingespielt. Von entscheidender Bedeutung sind die intertextuellen Verbindungslinien zur eigentlichen Handlung in Gestalt von Stichwort- und Motivbezügen. Tobit ist nicht nur geheilt; er zeigt sich auch als eine resiliente Persönlichkeit, die ihre Rettungserfahrung als Teil des göttlichen Heilshandelns begreifen und auf dieser Basis in der Anfechtung des Exils ihre Hoffnung für die künftige Erlösung des Volkes zum Ausdruck bringen kann. An erster Stelle ist hier die Rede vom „Züchtigen“ und „Erbarmen“ zu nennen. In Tob 13,2.5.6.9 preist Tobit Gott dafür, dass er das Volk wegen seiner Sünden züchtigt (μαστιγόω), sich seiner aber auch wieder erbarmen wird (ἐλεέω). Durch die Verwendung des Begriffes μαστιγόω (so in 13,2.5.9) entsteht hier ein intertextueller Bezug zu Tob 11,15, wo Tobit den Begriff μαστιγόω bereits zur Deutung seines eigenen Schicksals verwendet hat. Der Begriff ἐλεέω (so 13,5.6) erinnert daran, dass Raguël und seine Frau in ihrem gemeinsamen Gebet Gott für seine Barmherzigkeit gegenüber Tobias und Sara in der Hochzeitsnacht gedankt haben (8,16f.). Tobit wiederum versteht die Heilung von seiner Blindheit als Ausdruck des erbarmenden Handelns Gottes, das er in Ninive öffentlich preist (11,17). So zeigt sich: Durch „die Aufnahme des weisheitlichen Motivs von Gottes Züchtigen und Erbarmen, das als Gliederungsprinzip den gesamten Hymnus durchzieht, deutet der Psalm alles, was Tobit widerfuhr, als Versuchung und Prüfung des Gerechten“.592 Außerdem nimmt das Lied Tobits das für die Erzählung zentrale Motiv des Gebets wieder auf und führt dieses weiter: So steht es einerseits im Kontrast zu Tobits Klage (3,1–6; 5,10) und knüpft andererseits an andere hymnische Elemente (8,15–17; 11,14–15) bzw. die Berichte darüber an (10,13; 11,17; vgl. insbesondere die Rede des Engel in 12,6–22).593 Für den Gesamtduktus der Erzählung wird die Bewegung von der Klage zum Lobpreis offensichtlich, und es wird deutlich, dass Tobit seine Verzweiflung überwunden hat.594 In diesem Kontext des Gebets werden weitere intertextuelle Bezüge sichtbar: Die Sentenz, wonach Gott in die Unterwelt hinabführt und von dort auch wieder heraufholt (13,2), erinnert an Tobits Todeswunsch (3,6). Das Motiv des Exils als Bestrafung (13,5) lässt zudem an Tobits kollektives Sündenbekenntnis in seinem Gebet (3,3–5) denken. Schließlich sind der Hymnus Tobits und sein Gebet (3,1–6) auch durch das Motiv des göttlichen Angesichts miteinander verbunden: Steht dieses im Gebet im Kontext des Todeswunsches (3,6), so wird es nun mit der Umkehr des Volkes und seiner Rückkehr aus dem Exil verbunden (13,6). Tobits Blindheit und das Exil des Volkes sind durch den Begriff ταλαίπωρος, „elend“ aufeinander bezogen: In Tob 13,10 bezeichnet er die Exilierten, in Tob 7,7 das Schicksal Tobits („O böses Elend“ [„ὦ ταλαιπώρων κακῶν“]). Der Dunkelheit, in welcher der blinde Tobit lebte (siehe 5,10), steht nun das Licht gegenüber (13,11; siehe auch die Edelsteine in der Stadt in 13,16–17).595 Die Rede vom Schauen

592 RABENAU, Studien, 85 (Hervorhebungen i. O.); siehe auch SÖLLNER, Jerusalem, 45. 593 Zum Motiv des Gebets und des Lobpreises siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 594 So EFTHIMIADIS-KEITH, Structural and Psychological Coherence, 160. 595 Zum Lichtmotiv bei Tobit siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“.

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(ὁράω) der Herrlichkeit des Neuen Jerusalem (13,14) schlägt eine Brücke zum Motiv der Blindheit bzw. der Heilung (vgl. 3,17; 5,10; 11,14). Eine spannungsreiche Beziehung wird schließlich durch die Motive des Kul- Gottesdienst tus und der Völkerwelt eingespielt. Wie bereits in Tob 1,6–8 und Tob 5,14 ist im „Neuen Jerusalem auch hier wieder das Ziel der Wallfahrt (13,11b–d). Damit gründet die Jerusalem“ Hoffnung in der Geschichte.596 Während aber der Tempel als ein Ort der Opfer vorgestellt wurde und die Israeliten die Akteure der Wallfahrt sind bzw. sein sollen (1,4.6–8), fokussiert der Jerusalemhymnus die Gabendarbringung und den Jubel der Völkerwelt. Das Bild der nach Jerusalem strömenden Völker steht in einem deutlichen Gegensatz zu Tobits „einsamer“ Wallfahrt nach Jerusalem (siehe 1,6–8).597 All diese Bezüge bedeuten eine Transzendierung der individuellen Ebene auf eine kollektive: Das Geschick Tobits und Saras wird zum Symbol für das Geschick Israels und damit auch für dessen Hoffnung.598 So gesehen kann dieses Kapitel als die theologische Mitte des gesamten Werkes verstanden werden.599 Die Offenheit und der positive Blick auf die Völkerwelt steht in einem deutlichen Gegensatz zu der Abgrenzung von dieser, wie sie bislang für die Erzählung typisch war (vgl. 4,12–13; 6,11–12; 7,10–11).600 Schließlich ist auf die Prolepsen zu Tob 14 zu verweisen: Das Motiv der Erbauung des Heiligtums wird auch in Tobits Testament in 14,4–7 wieder aufgenommen werden (siehe insbesondere 14,5).601 Allerdings unterscheiden sich die eschatologi596 So SÖLLNER, Jerusalem, 107. 597 MACATANGAY, Election, 454, möchte hier sogar das Exodus-Motiv entdecken. Zur Veränderung des Gemeinschaftsmotivs siehe auch RAUTENBERG, Verlässlichkeit des Wortes, 84–90. 598 Auf diesen Aspekt verweisen zahlreiche Ausleger; vgl. RABENAU, Studien, 81: „Die prophetische Aussage verallgemeinert die persönliche Erfahrung Tobits. Er selbst war gezüchtigt worden, hatte Gott mit allen Kräften gedient, und der Herr hatte sich seiner wieder erbarmt. Der Dichter vertraut auf Gottes Heilswillen, der nur auf das Wohlverhalten seines Volkes wartet, um auch ihnen zu erweisen, was er an Tobit tat. So ruft er seine Hörer auf, die Gültigkeit seiner bisherigen Worte selbst zu überprüfen.“ Vgl. hierzu auch die Tabelle bei PFREMMER DE LONG, Surprised by God, 97; zur kollektiven Dimension des Loblieds siehe auch ANDERSON, Righteous Sufferer, 502; BAUCKHAM Anna, 182; DERS., Parable, 142–149; BEYERLE, Belief in an Afterlife, 85; COUSLAND, Comedy, 552f.; EGO, Diaspora, 52; FASSBECK, Tobit’s Religious Universe, 188f.; HENDERSON, Second Temple Songs, 175; HICKS-KEETON, Already / Not Yet, 102f.; MACATANGAY, Apocalypticism, 216; DERS., Election, 454; NICKELSBURG, Jewish Literature, 33; NICKLAS, Tore Jerusalems, 235. Für weitere Beispiele aus der biblischen Literatur, die ein solches Zusammenspiel von Individuum und Kollektiv beinhalten, siehe HICKS-KEETON, Already / Not Yet, 103–104. Vgl. hierzu auch die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 599 LEBRAM, Weltreiche, 330. Zum Hymnus Tobits siehe weiterführend GOETTMANN, Le chant; ZAPPELLA, Tobit l’aretalogo. 600 Siehe MCCRACKEN, Narration and Comedy, 415f., der von hier aus Tobits frühere Haltung als „comical tribalism“ kritisieren möchte. Allerdings ist zu bedenken, dass Tob 13 keine praktischen Verhaltensweisen im Exil – wie die Absonderung bei den Speisen (Tob 1,11) oder die endogame Ehe (Tob 4,12) – formuliert, sondern es sich hier um hymnische Rede handelt. Zur Bedeutung der Familie und familiärer Strukturen in der Erzählung siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 601 Zum Thema „Exil vs. Jerusalem“ siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“.

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

schen Entwürfe am Ende des Buches in der Perspektive auf die Völker: Während Tob 13,11b–d die Wallfahrt der Völker als integralen Bestandteil der Zukunftserwartung des Neuen Jerusalem sieht, spricht Tob 14,6a–7c zwar von deren Umkehr, behält aber die Sammlung in Jerusalem und das Wohnen im Land den „Kindern Israel“ vor.

Diachrone Analyse 13,1–18 allge- Tobits Loblied fügt sich in die Tendenz der frühjüdischen Literatur ein, Hymnen, mein denen letztlich auch eine didaktische Funktion zukommt, in narrativen Kontexten

13,1: Benediktion 13,1: Gott als König 13,1: Der lebendige Gott

zu präsentieren.602 Der Jerusalemhymnus (13,9–18) steht dabei den Zionsliedern aus der Zeit des Zweiten Tempels wie ApZion, Bar 4,30–5,9 und PsSal 11 besonders nahe.603 Aufgrund des unterschiedlichen Tons sowie inhaltlicher Spannungen zur Geschichtsschau in Tob 14,4–7 (insbesondere die Rolle der Völker) ist zu überlegen, ob Tobits Hymnus einen späteren Einschub darstellt.604 Wie es die zahlreichen Referenzen deutlich machen, schöpft der Text in einem reichen Maße aus der biblischen Tradition.605 Die Formel „Gepriesen sei“ am Gebetsanfang in Verbindung mit dem Terminus αἰών bzw. ‫ עולם‬hat ihre engste Entsprechung in Dan 3,52–56LXX, wo sie gleich viermal wiederholt wird (für weitere Belege siehe zu 3,11). Gott als König erscheint prominent in den JHWH-Königspsalmen (insbesondere in Verbindung mit Gottes ewiger Herrschaft siehe Ps 93,1f.).606 Neben dem Motiv der Königsherrschaft Gottes ist auch die Rede vom „lebendigen Gott“ traditionell (so z. B. Dtn 5,26; Jos 3,10; 1 Sam 17,26; Jer 10,10; 23,36; Hos 2,1; Dan 6,21.27; Ps 42,3; 84,3; 2 Makk 7,33; 15,4; DanLXX 14,5.25; vgl. Sir 18,1: „der in Ewigkeit lebt“; nach LXX.D). Dabei handelte es sich ursprünglich um eine Schwurformel (siehe z. B. Jer 5,2); „die individuelle persönliche Huldigung an den lebendigen Gott finden wir im AT […] in der nachexilischen Zeit belegt.“607 Die 602 GORDLEY, Didactic Hymnody, 217. Siehe zu den Gebeten in der Literatur z. Zt. des Zweiten Tempels den Überblick bei FLUSSER, Psalms, Hymns and Prayers, 551–577. 603 Siehe hierzu HENDERSON, Second Temple Songs (Tobit, Baruch, ApZion); SÖLLNER, Jerusalem, 43–113 (zu Tobit, Sirach, Baruch, PsSal 11, 4Q504 2 IV; ApZion) mit dem Aufweis zahlreicher Parallelen; siehe auch HENDERSON, Scriptural Model, 69, die hier insbesondere Bezüge zu den JHWH-Königspsalmen anführt. 604 Zur Literarkritik in Tob siehe die Einleitung; ibid., auch Überlegungen zur Datierung. 605 Die folgenden Ausführungen bauen auf zahlreiche Studien zu diesem Kapitel auf und führen diese weiter. Neben den einschlägigen Kommentaren (so insbesondere SCHUMPP, MOORE und FITZMYER, jeweils z. St.) seien hier genannt: GRIFFIN, Theology and Function of Prayer, 224–348; HENDERSON, Second Temple Songs, 107–176; RABENAU, Studien, 67–92; RAUTENBERG, Stadtfrau, 83–93; STROTMANN, Vater, 38–51 (zu Tob 13,1–6), sowie – jeweils ausgehend von GI – DESELAERS, Buch Tobit, 413–417.465–476 und SÖLLNER, Jerusalem, 43–65. Eine Dokumentation jedes einzelnen Hinweises kann hier leider nicht erfolgen, da dies den Umfang der Darstellung sprengen würde. 606 Für weitere Nachweise wie z. B. der Formel „JHWH ist König“ siehe HENDERSON, Scriptural Model, 61. In dieser Publikation wird generell auf die Bedeutung der JHWH-Königspsalmen für den Hymnus Tobits verwiesen. 607 KREUZER, Der lebendige Gott, 355.

Diachrone Analyse

303

Verbindung der Rede vom Königsgott und dem lebendigen Gott erscheint in der biblischen Überlieferung nur hier bei Tob. Die Vorstellung von Gottes erzieherischem Handeln an seinem Volk ist traditionell (siehe zu 11,15). Von Gottes Strafen in Verbindung mit seinem Gnadenhandeln ist auch in Ps 89,32–34 (‫ ;פקד‬Ps 88,32–34LXX: ἐπισκέπτομαι); 2 Makk 6,12–16; 7,33 und Weish 12,22 (παιδεύω für Israel, μαστιγόω für Feinde) die Rede. Wie im vorliegenden Nahkontext ist in diesen Belegen auch das Volk im Blick.608 Sir 18,13[12.13] kann formulieren „Das Erbarmen des Menschen (richtet sich) auf seinen Nächsten, das Erbarmen des Herrn aber auf alles Fleisch; er tadelt und züchtigt und lehrt und wendet sich wie ein Hirte wieder seiner Herde zu“ (nach LXX.D). Die Aussage, dass Gott erhöht und erniedrigt, begegnet wiederholt in Überlieferungen mit einer Nähe zur Weisheit (so Ps 113,7–9 und Ps 146,9),609 und von der Unentrinnbarkeit aus Gottes Wirken wissen u. a. auch Jes 43,13; Am 9,3; Ps 139,7–12; Hiob 10,7; 2 Makk 7,35. Der Vers hat seine engste Entsprechung in Dtn 32,39, wobei auch Elemente von 1 Sam 2,6 eingeflossen sind. Enge Entsprechungen liegen auch zu Weish 16,13f. vor, allerdings ist dieser Text jünger als Tob.610 Dass Gottes Taten vor den Völkern kundgetan werden, findet sich häufig in der biblischen Überlieferung, v. a. im Lobaufruf (so z. B. Jes 12,4; Zef 3,20; Ps 9,12; 57,10; 105,1; 1 Chr 16,8.24). Auch die JHWH-Königspsalmen enthalten dieses Motiv (vgl. Ps 96,3f.; 98,3).611 Eine besondere Rolle spielt Ps 96,10, da hier die Verbindung des Motivs mit dem Königtum Gottes bezeugt ist. Die Rede von Gott als Vater (siehe hierzu allgemein Dtn 14,1; 32,6; Jes 45,9–11; Jer 3,4.19; Mal 1,6; Weish 2,16; 14,3; Sir 23,1; 51,10[14]; JosAs 12,14; TestJud 24,2) deutet auf das Spannungsfeld von Zurechtweisung (Spr 3,12; 13,24; Sir 30,1) und Erbarmen (Jes 63,16; vgl. 64,7f.). Die engste Entsprechung zu Tob 13,4c liegt in 2 Sam 7,14f. und Ps 89,27–38 vor; allerdings ist hier nicht das Volk Adressat, sondern der König.612 Die Wendung „Gott in alle Ewigkeiten“ erinnert an Ps 41,14; 106,48; 1 Chr 16,36: „[…] JHWH, der Gott Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit!“ (siehe auch Hab 1,12; Ps 29,10; 125,2 und 1 Chr 29,10). Die Aussage zur Verbindung zwischen Gott und seinem Volk weckt Assoziationen an die Bundesformel (z. B. Lev 26,12), die auch in den JHWH-Königspsalmen erscheint. Der engste Bezug liegt hier in Ps 95,7 vor, wo es heißt: „Ja, er ist unser Gott, und wir sind das Volk seiner Weide“ (zur Wendung „JHWH, unser Gott“ siehe auch Ps 99,5.9).613

608 HICKS-KEETON, Already / Not Yet, 102, mit Bezug auf NICKELSBURG, Jewish Literature, 33. 609 Für eine ausführliche Zusammenstellung der Belege siehe RABENAU, Studien, 72–77, der auch Parallelen aus der ägyptischen, ugaritischen und griechischen Literatur nennt. 610 Siehe die detaillierte Auflistung bei STROTMANN, Vater, 49–51; ferner HOFMANN, Rezeption, 322. HENDERSON, Scriptual Model, 71f., sieht in den Aussagen zum Strafhandeln Gottes das Element der Erinnerung an Gottes Geschichtstaten („remembrance of his dealings with Israel in history)“, das zum Motivbestand der JHWH-Königspsalmen gehört (vgl. Ps 93,3; 95,7–1; 96,2f. u. ö.). Sie macht aber auch auf die spezifischen Unterschiede zu diesen Texten aufmerksam, insofern es in Tob 13 nicht um die Wüstenzeit gehe, sondern um die Erinnerung an die Erfüllung der Bundesflüche in Dtn 28–29. 611 HENDERSON, Scriptural Model, 70, mit weiteren Belegen. 612 Zum Ganzen siehe die detaillierten Ausführungen bei STROTMANN, Vater, 37–51. 613 Siehe hierzu HENDERSON, Scriptural Model, 70.

13,2: Gottes erzieherisches Handeln

13,2: Erniedrigen und Erhöhen

13,3f.: Israel als Zeuge

13,4: Gottesbezeichnungen

13,4: Gott und Volk

304

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Tob 13,5: Das Dass die Zerstreuung unter die Völker auf Gottes strafendes Handeln zurückgeht, Exil als Strafe entspricht dtn.-dtr. Theologie (so z. B. Dtn 28,37; 2 Kön 17,7–18; siehe auch Dtn

13,5.6a–d: Umkehr und Erbarmen

Tob 13,6e–h: Gottesvorstellungen und Gebetssprache

Tob 13,9: Jerusalem, die heilige Stadt

4,25–27 konkret zum Bilderdienst) und gehört geradezu zum Allgemeingut der antikjüdischen Theologie. Auch Bar 4,5–29 und PsSal 17,5–8.15.20 kennen dieses Motiv. Die Umkehrformel in Verbindung mit der Wendung „mit ganzem Herzen und ganzer Seele“ findet sich auch in Dtn 30,10 und 2 Kön 23,25. Auch diese Formulierungen erinnern an die dtn.-dtr. Theologie.614 So formuliert Dtn 30,1–10 (siehe insbesondere V. 3.10) den Zusammenhang von Umkehr des Volkes und Errettung aus dem Exil. Allerdings stehen die Begriffe hier in einer anderen Reihenfolge.615 Eine Formulierung, die sowohl für das göttliche als auch das menschliche Handeln auf dasselbe Verb zurückgreift, ist in Sach 1,3 und Mal 3,7 belegt. Die Metapher vom „Angesicht Gottes“ in Verbindung mit der Umkehr des Volkes und Gottes Barmherzigkeit kennt auch 2 Chr 30,9 („denn wenn ihr umkehrt [MT: ‫ ;שׁוב‬LXX: ἐπιστρέφω] zu JHWH, werden eure Brüder und Kinder Barmherzigkeit finden bei denen, die sie weggekehrt haben [so möglichst wörtlich für MT: ‫ ;שׁוב‬LXX: αἰχμαλωτίζω], sodass sie in dies Land zurückkehren [MT: ‫שׁוב‬, LXX ἀποστρέφω]. Denn JHWH, euer Gott, ist gnädig und barmherzig und wird sein Angesicht nicht von euch wegkehren [MT: ‫ ;שׁוב‬LXX: ἀποστρέφω], wenn ihr zu ihm umkehrt [MT: ‫ ;שׁוב‬LXX: ἐπιστρέφω]“). Auch Bar 4,22 und PsSal 11,2 sprechen vom Erbarmen Gottes im Kontext der Rückführung aus der Diaspora. Das Motiv der Rettung Gottes erwähnt ApZion Z. 4.8 (hebr. ‫)ישׁועה‬, und Gottes Erbarmen kennt auch PsSal 11,1–3. Der Aufruf, Gottes Großtaten zu schauen, erinnert an 1 Sam 12,16.24; zu den Großtaten Gottes siehe auch Ps 126,2f.; 145,6. Die Wendung „Herr der Gerechtigkeit“ (13,6g) erscheint nur an dieser Stelle in Tob, wiewohl auch dieser Vorstellungszusammenhang traditionell ist (siehe zu 3,2). Im vorliegenden Kontext könnten auch Formulierungen aus Deutero- und Tritojesaja eine gestaltende Rolle gespielt haben, da auch dort die göttliche Gerechtigkeit mit Jerusalem verbunden ist (siehe Jes 45,13; 54,14; 62,1f.; vgl. auch Jes 1,21.26). Die Bezeichnung „König der Ewigkeiten“ hat ihre Vorlage in der Wendung ‫( מלך עולם‬Jer 10,10; siehe auch Ps 10,16; 145,13).616 Jerusalem als „heilige Stadt“ erscheint in eher späten Texten, so Jes 48,2; Dan 9,24; Neh 11,1; 2 Makk 9,14; 15,14, wobei Jes 52,1 die Wendung auch direkt in der Anrede verwendet.617 Die direkte Anrede an Jerusalem (oder synonyme Wendungen) ist traditionell und findet sich v. a. in den Psalmen und bei Deuterojesaja, wo sie häufig durch einen Lobaufruf fortgesetzt wird (Zef 3,14; Sach 9,9; Jes 66,10LXX; siehe auch Jes 54,1; Ps 147,12). Weitere Aufrufe, die mit Trostworten die Umkehr des Geschicks Jerusalems verkünden, sind in Jes 51,17 („Wach auf, wach auf, erhebe dich, Jerusalem“) und Jes 52,1 („Wach auf, Zion“) zu finden. Eine direkte Anrede, gefolgt von einem Trostwort, findet sich auch in Jes 54,11: „Du Elende, vom Wettersturm 614 SÖLLNER, Jerusalem, 106. 615 Siehe die detaillierte Gegenüberstellung bei STROTMANN, Vater, 44–47, sowie HENDERSON, Second Temple Songs, 151–153; HOFMANN, Rezeption, 323. 616 Zu den Gottesbezeichnungen in Tob siehe die Einleitung im Abschnitt „Figuren der Handlung“. 617 HENDERSON, Scriptural Model, 68, verweist auf Referenzen für Jerusalem in den JHWHKönigspsalmen; vgl. u. a. Ps 93,5; 97,9; 99,2.

Diachrone Analyse

305

umhergeworfen, ganz ohne Trost! […]“).618 Die „Second Temple Songs“ kennen ebenfalls die Anrede an Jerusalem in Verbindung mit einem Trostwort (Bar 4,30–5,9; PsSal 11,7 und ApZion passim).619 Die Hoffnung auf die Wiedererbauung des Jerusalemer Heiligtums ist integra- 13,10: Wiederler Bestandteil der geschichtlichen Erwartungen in nachexilischer Zeit (Jes erbauung des 44,26.28; Ez 40–48; Hag 1,1–10; 2,9; Sach 1,16; Ps 102,17 u. ö.). Das Verb οἰκοδομέω Tempels kann im Hinblick sowohl auf den Salomonischen Tempel (1 Kön 6,7 passim; Ps 78,69) als auch auf den Zweiten Tempel (vgl. Jes 44,26.28; Esr 1,2.3.5; 4,1.3.12; 5,2.3.9; Hag 1,2.8; Sach 6,12; 8,9; 2 Chr 3,1f.; siehe auch Ps 101,17LXX – „er baut Zion“) verwendet werden. Die Bezeichnung des Heiligtums als Zelt (σκηνή620) findet sich auch Ps 15,1 sowie in der Heilsweissagung Am 9,11 (in Verbindung mit dem Verb ἀνοικοδομέω). Darüber hinaus wird das Verb auch für die Wiedereinweihung des Tempels durch die Makkabäer (vgl. 1 Makk 4,48) gebraucht. Während biblische Überlieferungen, die zur Zeit des bestehenden Zweiten Tempels entstanden, die künftige Herrlichkeit der Stadt in leuchtenden Farben ausmalen kann, sind die Texte im Hinblick auf den künftigen Tempel sehr zurückhaltend. Von einer Neuerbauung des Tempels (die ja zunächst das Ende des bestehenden Tempels implizieren würde), ist an keiner Stelle explizit die Rede, allerdings klingt in Jes 60,13 die Vorstellung an, dass der Tempel durch Hölzer verschönert wird. Sir 33[36],19[16] bittet darum, dass Gott den Zion und den Tempel mit seiner Herrlichkeit erfülle (so der hebräische Text). Ein breiterer Strom von Traditionen, die zur Zeit des bestehenden Zweiten Tempels einen neuen Tempel im Blick haben, findet sich in Qumran in der Tempelrolle, in der Überlieferung „Neues Jerusalem“ und in 4QFlorilegium.621 –

Die Tempelrolle, deren Komposition auf der Basis älterer Quellen in das 3. oder frühe 2. Jh. v. Chr. zu datieren ist, beschreibt die Architektur des idealen Tempels und verweist zudem auf halakhische Traditionen, die den Opferkult und den Festkalender betreffen. Der Text entstand wohl bei einer Gruppe von Priestern, „who disagreed with the status quo of the existing Temple, and dreamed of a future Temple that would be in accordance with the divine norms. They also envisaged a cult in harmony with the revealed festival calendar, living in a Jerusalem and a country where the strictest purity rules would be followed exactly and where the king’s authority would be subordinate to the divine rules interpreted by the priests.“622

618 Vgl. ganz allgemein hierzu HENDERSON, Scriptural Model, 69. In den JHWH-Königspsalmen findet sich dieses Element nicht. 619 Vgl. HENDERSON, Scriptural Model, 69. 620 Σκηνή wird wegen der Lautähnlichkeit gerne als Übersetzung von hebr. ‫ משׁכן‬verwendet, siehe MICHAELIS, Art. σκηνή, 372. Fraglich ist die Schlussfolgerung bei RAUTENBERG, Stadtfrau, 95f., wonach der Begriff „Zelt“ auf eine direkte Gottesbegegnung ohne Kult verweisen möchte. MACATANGAY, Election, 457, sieht im Motiv des Tempels einen intertextuellen Bezug zur Exoduserzählung, da diese in der Errichtung der Stiftshütte (Ex 35–40) gipfele. 621 Einen konzisen Überblick zu den Jerusalem-Texten aus Qumran gibt u. a. COLLINS, Athens and Jerusalem, 165–173; siehe auch GÄCKLE, Priestertum, 167–169 (Lit.). 622 GARCÍA MARTÍNEZ, Art. Temple Scroll, 932. Zur Tempelrolle siehe auch HOGETERP, Paul and God’s Temple, 93–97 (beide ohne Bezug zu Tob).

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Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Die Neues Jerusalem genannte aramäische Komposition aus Qumran (11Q 18) wiederum, die jünger als die Tempelrolle ist und im späten 3. oder 2. Jahrhundert verfasst worden sein könnte, enthält architektonische Beschreibungen für ein neues Jerusalem mit riesigen Ausmaßen. In wenigen Zeilen wird hier auch ein Tempel in Verbindung mit verschiedenen Tempelritualen erwähnt; im Gegensatz zur Tempelrolle liegt der Fokus hier nicht auf dem Heiligtum, sondern auf der Stadt, die für die Zukunft erwartet wird.623 Schließlich ist in dieser Reihe auch 4QFlorilegium (4Q174) zu nennen, das wahrscheinlich in der Regierungszeit der Königin Salome Alexandra (76–67 v. Chr.) und damit nicht lange vor der römischen Eroberung (63 v. Chr.) verfasst wurde. Hier wird ein ewiger Tempel verheißen, der niemals zerstört werden wird.624

Explizite Während diese Überlieferungen keine explizite Kritik am bestehenden Tempel forTempelkritik mulieren, verbinden andere Texte aus hellenistischer Zeit, die allesamt in die Nähe

der makkabäischen Erhebung gehören, das Motiv eines eschatologischen Tempels bzw. eines Neuen Jerusalem mit einer deutlicheren Kritik am bestehenden Kult bzw. Tempel. In diesem Kontext sind die Belege aus dem Jubiläenbuch sowie der Tier- und der Zehnwochenapokalypse von Bedeutung. –



Das Jubiläenbuch, das auf die Mitte des 2. Jh.s v. Chr. datiert wird und sich intensiv mit Fragen des Kultes und des Priestertums auseinandersetzt, beklagt im Kontext eines apokalyptischen Ausblicks auf die Ereignisse der Endzeit in Jub 23,9–32, dass das Allerheiligste verunreinigt werden wird „durch die Unreinheit des Verderbens ihrer Befleckung“ (Jub 23,21). Vermutlich steht hinter dieser Aussage eine deutliche Kritik am zeitgenössischen Hohepriestertum. Diese Zukunftsschau wiederum ist mit dem Prolog des Buches und der Verheißung zu verbinden, Gott werde ein Heiligtum in der Mitte seines Volkes „für die Ewigkeit der Ewigkeiten“ erbauen (Jub 1,17.27–29).625 Ausführlicher sind die Apokalypsen der Henochüberlieferung aus der Zeit des Makkabäeraufstands. Sowohl die Erbauung des Tempels als auch die der Stadt werden in der Zehnwochenapokalypse (äthHen 91,12–17; 93,1–10) erwähnt, einem Geschichtsentwurf, der die Elemente „Erbauung des Salomonischen Tempels“ („Haus der Herrlichkeit und Herrschaft für die Ewigkeit“; äthHen 93,7), Zerstörung, Exilierung und Rückkehr des Volkes, abermaliger Abfall (äthHen 93,8f.) und Hoffnung auf die Errichtung eines eschatologischen Tempels („ein Haus […] für den großen König zur Herrlichkeit bis in Ewigkeit“; äthHen 91,13) kennt. Bezeichnenderweise wird für den neuen Tempel eine ganz ähnliche Begrifflichkeit wie für den Salomonischen Tempel verwendet; über die Errichtung des Zweiten Tempels schweigt dieser Text. Auch findet hier in der Heilszeit keine Völkerwallfahrt statt. Das Fehlen des Zweiten Tempels deutet darauf

623 GARCÍA MARTÍNEZ, Art. New Jerusalem, 610; siehe auch HOGETERP, Paul and God’s Temple, 98f. 624 Siehe hierzu die Datierung bei STEUDEL, Midrasch, 208. Zu diesem Text GÄCKLE, Allgemeines Priestertum, 168f. (in Verbindung mit Tob); HOGETERP, Paul and God’s Temple, 100–103 (ohne Bezug zu Tob). 625 Siehe GÄCKLE, Allgemeines Priestertum, 163f. Zur Tempelkritik des Jubiläenbuches siehe auch ÅDNA, Jesu Stellung zum Tempel, 44; WARDLE, The Jerusalem Temple, 60–62.

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hin, dass „faktisch die gesamte nachexilische Zeit des zweiten Tempels als eine Epoche der Apostasie qualifiziert [wird] […]. Der zweite Tempel hatte für den Verfasser der Zehnwochenapokalypse keine Heilsrelevanz mehr.“626 Auch die Tierapokalypse, ebenfalls während der Religionsnot entstanden, erwartet einen neuen Tempel, wobei hier die Kritik am Bestehenden viel deutlicher ins Auge fällt: Nach Exil und Rückkehr (äthHen 89,72) sowie der Erbauung des Zweiten Tempels, dessen Kult unrein ist (äthHen 89,73), kommt es nach viel Not und Unterdrückung (äthHen 89,74–90,13) zu einer eschatologischen Wende (äthHen 90,14–19) und zum Gericht (äthHen 90,20–27). Nun, am Ende der Tage, entfernt Gott das „alte Haus“ und bringt ein „neues Haus“, in dem sich die Völker versammeln und Israel huldigen (äthHen 90,28–35). Da in der Sprache der Tierapokalypse der Terminus „Haus“ für die Stadt Jerusalem steht und der Begriff „Turm“ für den Tempel und beim Ausblick auf die eschatologische Zeit von einem solchen „Turm“ nicht mehr die Rede ist, haben manche Ausleger die Ansicht vertreten, dass die künftige Gottesstadt im vorliegenden Kontext ohne Tempel vorgestellt sei. Allerdings wird die Metapher des Hauses auch für die Stiftshütte verwendet (äthHen 89,36), und so scheint es plausibel, dass der Verfasser dieser apokalyptischen Geschichtsschau durchaus mit der Errichtung eines neuen, eschatologischen Heiligtums rechnete, das er im Rahmen einer Entsprechung von Urzeit und Endzeit verstand. Dass der gegenwärtige Zweite Tempel defizitär ist, ist hier jedenfalls offensichtlich, wenn ausdrücklich davon die Rede ist, dass an diesem Ort verunreinigte Opfer dargebracht werden (vgl. äthHen 89,73).627

Ebenso verbreitet wie die Hoffnung auf die Erbauung des Tempels ist die auf die Rückkehr der Exilierten (so u.a. Jer 29,14; 31,8.10; 32,37). Dabei ist in LXX häufig die Rede vom Sammeln (συνάγω) (siehe u. a. Jes 11,11–16; 27,12f.; 43,5; 49,5.18; 56,8; Ez 11,17; 20,34.41; 34,13; 36,24; 37,21; Mi 2,12; 4,6; Zef 3,19f.; Sach 10,8–10; Ps 107,3; siehe auch Sir 33[36],13a[13]; Bar 4,37; 5,5; 2 Makk 1,27–29; PsSal 11,2–7; 17,26; 4 Esra 13,39–50, griechBar 7,1–7). Dass die Gefangenen erfreut werden sollen, klingt nur in einigen wenigen Psalmen an (siehe Ps 126,1: „Wenn JHWH die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden; dann wird unser Mund voll des Lachens sein […]“; Ps 126,4f.: „JHWH, bringe unsere Gefangenen zurück, wie du die Bäche wiederbringst im Südland. Die mit Tränen säen, werden mit Jubelgesang ernten“).628 PsSal 11,2–7 nennt den Jubel der Rückkehrer. Die Vorstellung von Gottes Zuwendung zu den Schwachen ist ein gängiger Topos in der alttestamentlichen Überlieferung und spielt gerade in den späten Texten der Hebräischen Bibel mit der sog. „Armenfrömmigkeit“ eine zentrale Rolle.629 Die hier vorliegende Wendung hat keine wörtliche Parallele, weckt aber Asso626 GÄCKLE, Allgemeines Priestertum, 165; zur Zehnwochenapokalypse ibid., 164f. Auf die Nähe von Tob 13 zu diesem Text verweisen NICKELSBURG, Tobit and Enoch, 60f.66; siehe auch DERS., Search, 344; DERS., Wisdom and Apocalypticism, 23. 627 Zur Tempelkritik der Tierapokalypse GÄCKLE, Allgemeines Priestertum, 165–167; siehe auch ÅDNA, Jesu Stellung zum Tempel, 41–43. 628 Zu diesem Thema siehe auch BAUCKHAM, Parable, 153. 629 Zum Ganzen ALBERTZ, Religionsgeschichte Israels II, 569–576; BREMER, Wo Gott sich auf die Armen einlässt.

13,10: Rückkehr der Exilierten

13,10: Gottes Hilfe für die Elenden

308

13,11: Lichtglanz Jerusalems

13,11: Völkerwallfahrt

13,11: Lichtherrlichkeit und Völkerwallfahrt

13,11: Jubel in Jerusalem

13,11: Die Erwählung Jerusalems

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

ziationen an zahlreiche Aussagen von der Liebe Gottes zu seinem Volk (Dtn 7,7.13; Jer 31,3; Hos 11,1.4; 14,5), von seinem Erbarmen (so Jes 60,10 im Kontext der Rückkehr aus dem Exil). Jes 33,1LXX verwendet den Begriff ταλαίπωρος in einer Heilsweissagung: „Weh denen, die euch in Not bringen, euch aber macht keiner zu Notleidenden“; nach LXX.D). Die Hoffnung auf die Erbauung Jerusalems in Glanz und Herrlichkeit findet ganz generell bei Deutero- und Tritojesaja ihren Ausdruck (u. a. Jes 54,11–15; 60,1–12; 62,1–12). Auf die Verbindung der Elemente „Licht“ und „Erlösung“ verweist auch Jes 9,1 („ein großes Licht“, ohne expliziten Bezug zu Jerusalem bzw. Zion). Bedeutsam ist auch Jes 4,2f.LXX, wo es heißt: „An jenem Tag aber wird Gott erstrahlen durch (seinen) Ratschluss mit Herrlichkeit auf der Erde, um das von Israel Übriggebliebene zu erhöhen und zu Ehren zu bringen, und es wird geschehen: Was in Sion verblieben ist und was in Jerusalem übrig geblieben ist, (beide) werden heilig genannt werden, alle, die aufgeschrieben sind zum Leben in Jerusalem“ (zitiert nach LXX.D).630 Die Verbindung von „Licht“ und „Enden der Erde“ ist auch in Jes 49,6 belegt (siehe auch Jer 16,19; 31,8). Der Glanz Zions ist ein Motiv, das für die Zionslieder aus der Zeit des Zweiten Tempels typisch ist (siehe ApZion Z. 4; Bar 4,24; 5,9). Ebenso traditionell ist die Vorstellung der Völkerwallfahrt. Auch dieses Motiv entstammt der Zionstheologie und kommt vor allem in persischer Zeit zur Entfaltung (siehe insbesondere Jes 60; 66,18–21; siehe auch Jes 2,2–3; 45,14–25; Mi 4,2; Sach 8,22; ferner Ps 86,9; 96,7; PsSal 17,34 u. ö.). Eine Verbindung zwischen der künftigen Lichtherrlichkeit Jerusalems und der Völkerwallfahrt findet sich in Jes 60,2f. Auch die Geschenke, die die Völker darbieten, verweisen auf Jes 60 als Vorlage. Im Vergleich mit Jes 60,5–9, wo von den „Schätzen des Meeres“, dem „Reichtum der Nationen“, „einer Menge von Kamelen“, „Dromedaren von Midian und Efa“, von „Gold und Weihrauch“ und Ähnlichem die Rede ist (siehe auch Jes 60,13: „die Pracht des Libanon wird zu dir kommen“), wirkt der Beleg hier allerdings relativ knapp und zurückhaltend. Auffällig ist zudem, dass in Jes 60,5–9 die Geschenke für Zion gleichsam „von selbst“ dorthin gelangen; Tob 13,11d betont dagegen, dass die Völker diese Geschenke darbringen und greift so ein Motiv aus Ps 96,8 auf (siehe auch Ps 68,32) (für weitere Belege für die Darbringung von Gaben siehe u. a. in Jes 66,18–21). Jes 56,7 weiß, dass die Brand- und Schlachtopfer der Völker von Gott angenommen werden. Auch das Motiv des Jubels in Jerusalem verweist auf Jes 60 (siehe Jes 60,14). ApZion kennt dieses Motiv ebenfalls (ApZion Z. 4: „Who yearn for the day of salvation, and will rejoice in the abundance of your glory“; ApZion Z. 7: „Your children will rejoice within you“; zitiert nach HENDERSON, Second Temple Songs, 57). Jerusalem ist in der gesamten Überlieferung der Hebräischen Bibel die einzige Stadt, die als erwählt gilt (siehe 1 Kön 8,16; 11,13.32; 2 Kön 21,7; 2 Chr 6,6; 33,7 – das erwählte Jerusalem; 1 Kön 8,44.48; 2 Kön 23,27; 2 Chr 6,34.38 – die erwählte Stadt; 1 Kön 11,36; 14,21; 2 Chr 12,13 – die Verbindung beider Elemente). Die Rede vom Namen Gottes in Bezug auf Jerusalem gehört in die dtn.-dtr. Theologie (vgl. 630 Auf diesen Beleg verweist insbesondere RABENAU, Studien, 89, der auf der Basis solcher Bezüge vom „messianischen Charakter der Strophe“ spricht.

Diachrone Analyse

309

Dtn 12,5.11; 1 Kön 8,17.29). Die einzige atl. Passage, wo als Ziel der Völkerwallfahrt der Name Gottes genannt wird, ist Jer 3,17. Hinter der Rede vom „harten Wort“ gegen Jerusalem könnten Aussagen stehen, die von einer Schadenfreude über das Geschick Jerusalems wissen (Jes 60,14; Ps 79,4.12; 137,3; siehe auch Klgl 1,7.9.21). Direkte Bezüge zur Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier und zur Darstellung dieser Ereignisse erfolgen in 2 Kön 25,9–10 bzw. Jer 39,8, wo ebenfalls Häuser und Mauern genannt werden (siehe auch Ez 23,47: Brennen von Häusern; 2 Chr 36,19: Niederreißen und Verbrennen der Mauern; vgl. auch 1 Makk 1,31–32). Mauern und Tore werden in Neh 2,13 erwähnt, und Mauern und Türme erscheinen in einem kriegerischen Kontext in Ez 26,4.9; 1 Makk 5,65; siehe auch 1 Makk 4,60; 10,44. Zudem verarbeitet der Abschnitt Traditionen vom Untergang der Feinde Jerusalems (so Jes 60,12; siehe auch Jes 49,26; 51,22–23; 54,17b; 66,16; Sach 12,2f.). Auch Bar 4,31–35 nennt eine Art Verfluchung derer, die sich gegenüber Jerusalem destruktiv verhalten haben.631 Die Rede vom Segen in Verbindung mit Jerusalem (13,12d) erinnert an Ps 122,6: („Wünscht Jerusalem Frieden; wohl ergehen möge es denen, die dich lieben!“), an Ps 128,5 („Es möge dich segnen JHWH aus Zion“) sowie an Ps 133,3 („Denn dort entbietet JHWH Segen, Leben bis in Ewigkeit“). Aber auch Passagen wie Gen 27,29; Num 24,9 und Bar 4,31 könnten im Hintergrund dieser Wendung stehen. Ebenso kennen ApZion Z. 1.2.13 und PsSal 11,8 das Motiv.632 Wieder spielt der Dichter traditionelle Überlieferungen ein. Gerechtigkeit ist seit alters ein Attribut, das mit Jerusalem verbunden ist (Jes 1,21.26); wohingegen die Wendung „Söhne der Gerechten“ in der biblischen Tradition nicht belegt ist. Überwiegend sind die Bezüge zur biblischen Tradition eher vage: Vom „Sammeln der Gerechten bei Gott“ ist in Ps 142,8 die Rede; Spr 11,10 weiß, dass sich „eine Stadt über das Wohlergehen der Gerechten freut“. Zum Motiv der Sammlung siehe zu 13,10. Ein Friedenswunsch für Jerusalem findet sich in Ps 122,7f. (vgl. die hymnische Äußerung zum Frieden in Jerusalem in ApZion Z. 3). Ebenso traditionell ist das Motiv der trauernden Anteilnahme am Geschick Jerusalems als Vorbedingung für die Partizipation an der künftigen Freude der Stadt (Jes 66,10; nur zur Trauer über Jerusalem siehe Ps 102,15; ApZion Z. 8; 4 Esr 10,39).633 Während der Makarismus in V. 16c.d eine freie Aufnahme von Ps 128,5 („Es möge dich segnen JHWH aus Zion“) sowie von Jes 31,9LXX („Selig, wer in Sion einen Samen hat und Verwandte in Jerusalem“; nach LXX.D, Hervorhebungen i. O.) darstellt, erinnert das Ende des Hymnus in V. 18c an Ps 145,21 („Mein Mund soll das Lob JHWHs verkündigen und alles Fleisch lobe seinen heiligen Namen immer und ewig“; siehe auch Ps 72,18–19; 103,1). Zur Freude über Jerusalem wird auch in Jes 66,10 aufgerufen. Nach Bar 4,23; 5,5 sind die Bewohner des neuen Jerusalem voller Freude, und in Bar 4,29.36; 5,9 wirkt Gott die Freude über Jerusalem. In ApZion Z. 4 ist die Stadt selbst Subjekt der Freude. Jes 62,5 und Zef 3,17 kennen Gottes Freude über Jerusalem.

631 Siehe auch Jub 25,22; 26,24; 31,17; TestLev 4,6. 632 Zu diesem Motiv siehe HENDERSON, Second Temple Songs, 85. 633 Hierzu weiterführend SÖLLNER, Jerusalem, 107.

13,12: Fluchworte

13,13: Gerechtigkeit in Jerusalem; Sammlung

13,14.16.18: Seligpreisungen

13,14: Freude über Jerusalem

310 13,15–18: Weitere innerbiblische Bezüge 13,15–18: Edelsteine und Gold

13,18: Lobgesang der Stadt

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

Eine Selbstaufforderung zum Gotteslob kennen auch Ps 103,1.22 sowie die sog. Barkhî-nafshî-Texte aus Qumran (so 4Q434–438). Ein enger intertextueller Bezug für die Rede von der Erbauung Jerusalems (13,16a.e.f.g–17a) besteht zu Jes 54,11f.634 Die „Akkumulationen wertvoller Materialien findet sich auch in anderen Kontexten: Hiob 28,16–19, Spr 3,14f. oder Ez 28,13f. bieten nur einige Beispiele.“635 Die Mauern und Tore der Stadt spielen in den Zionspsalmen eine wichtige Rolle (Ps 48,13f.; 122,7: Mauern; Ps 87,1–3; 122,2: Tore), und Ophirgold als Zeichen von Reinheit und Kostbarkeit ist auch sonst häufig belegt (zum Gold siehe 1 Kön 9,28; 10,11; Jes 13,12; Ps 45,10; Hiob 22,24; 28,16; 1 Chr 29,4; 2 Chr 9,10). Von besonderem Interesse ist hier die Überlieferung aus Qumran „New Jerusalem“, wo ebenfalls die mit edlen Steinen gepflasterten Straßen und Tore der neuen Stadt beschrieben werden. Wie in 4Q196 18 8 bestehen die Türme Jerusalems u. a. aus Holz und Gold (siehe 4Q554 2ii 15; auch 4Q196 18).636 ApZion, Z. 5 („Und auf den Plätzen deines Glanzes werden sie wandeln“) scheint auf das Motiv vom Lichtglanz Jerusalems zu rekurrieren.637 Insgesamt ist die „theologische Dimension der Edelsteine“ hervorzuheben, die auch in „Theophanien (Ex 24,10; Ez 1,16.22.26; 10,1.9; äthHen 71,2; vgl. Offb 4,3), bei Engelerscheinungen (Dan 10,6; ApkAbr 11,2) oder Himmelsbeschreibungen (vgl. z. B. äthHen 18,6–8; 71,1–5) auftreten.“638 Jes 52,1; 61,10; Bar 5,1 und PsSal 11,7 greifen auf Kleid- und Schmuckmetaphorik zur Verherrlichung der neuen Stadt zurück. Die Herrlichkeit des künftigen Jerusalem generell ist ein traditionelles Thema (Jes 60,1f. ; Bar 5,1; siehe auch PsSal 17,30f.; ApZion Z. 4f.15). In Sir 36,19[16] wird der Wunsch geäußert, die Herrlichkeit Gottes möge den Tempel erfüllen. Vom Schauen der Herrlichkeit des Herrn in Jerusalem (13,16c) wissen auch Jes 35,2; 62,2 und Ps 63,3. Auf andere eschatologische Motive, wie z. B. die Feuermauer um die Stadt (Sach 2,9) oder die geöffneten Stadttore (Jes 60,11), greift der Jerusalemhymnus nicht zurück.639 Das Motiv des Lobgesangs der baulichen Elemente der Stadt könnte durch Jes 60,18 („und du sollst deine Mauern ‚Heil‘ und deine Tore ‚Lobgesang‘ nennen“) oder durch Ps 9,15 („dass ich verkünde all deinen Ruhm in den Toren der Tochter Zion“) angeregt worden sein.640 634 Siehe die ausführliche Gegenüberstellung der Texte bei HENDERSON, Second Temple Songs, 158–162. 635 MÜLLER-FIEBERG, Das „neue Jerusalem“, 192. 636 Vgl. zum Einzelnen die tabellarische Darstellung bei PERRIN, Tobit’s Context, 44f. 637 Tob 13 ist vor allem durch den Jerusalemhymnus für die spätere Literatur wichtig geworden; siehe Offb 21,17–21; hierzu MÜLLER-FIEBERG, Das „neue Jerusalem“, 193; siehe auch SKEMP, Avenues of Intertextuality, 47–51.66–68, sowie EVANS, Angelic Mediation, 138f. 638 MÜLLER-FIEBERG, Das „neue Jerusalem“, 196; vgl. RABENAU, Studien, 92, der auf eine Verbindung mit dem priesterlichen Brustschild (insbesondere Ex 28,17–19; 39,10–13) sowie auf die Bekleidung des Königs von Tyros nach Ez 28,13 aufmerksam macht. Ausführlich zu dieser Stelle auch DESELAERS, Buch Tobit, 471–473; SCHUMPP, 251–253, und SÖLLNER, Jerusalem, 53. 639 SÖLLNER, Jerusalem, 111. 640 Auf Jes 60,18 verweist HENDERSON, Second Temple Songs, 168.

Synthese

311

Synthese Der Hauptteil der Erzählung endet mit einem großen eschatologischen Hymnus Tobits und einer Abschlussformel (13,1–14,1a). Die relative Selbstständigkeit des Textes, seine lockere narrative Einbindung und der veränderte sprachliche Duktus lassen vermuten, dass es sich hier um einen späteren Nachtrag handelt. In stilistischer Hinsicht zeichnet sich das Lied durch eine Fülle von Referenzen auf ältere biblische Texte aus, sodass er als eine Art „Collage“ bezeichnet werden kann. Aufgrund seines Umfangs und seiner universalen Perspektive kommt diesem Gebet innerhalb der gesamten Überlieferung eine prominente Bedeutung zu. Das Preislied, das im Tobitbuch das umfassendste Gebet überhaupt darstellt, besteht aus zwei Teilen: dem Diasporahymnus, einer Gerichtsdoxologie angesichts der Diasporaexistenz Israels (13,1–8) und dem Hymnus auf das eschatologische Jerusalem (13,9–18). Die Gerichtsdoxologie schreibt die Schuld am Diaspora-Schicksal Israel selbst zu. Wenn das Volk jedoch zu Gott zurückkehrt, wird auch Gott zu ihm zurückkehren (13,6). Das Leben in der Diaspora enthält auch einen positiven Aspekt: Israel kann so zum Zeugen für Gottes Großtaten unter den Völkern werden. In engem inhaltlichem Bezug dazu steht der eschatologische Jerusalemhymnus, insofern die Umkehr des Volkes (13,6) die Voraussetzung für Gottes erneute Zuwendung zu seinem Volk darstellt, die in der Wiedererbauung Jerusalems (13,16f.) und des Tempels (13,10.16), der Sammlung der Verstreuten (13,13) und der Wallfahrt der Völker (13,11) ihren Ausdruck finden wird. Am Ende wird die gesamte Stadt von eschatologischem Jubel erfüllt sein (13,14.18). Einzigartig ist die Personifizierung der baulichen Elemente der Stadt, die, glänzend von Gold und Edelsteinen, menschlichen Wesen gleich, Gott mit ihrem Lobgesang preisen. So wird am Ende des Buches die Thematik „Jerusalem“ wieder aufgenommen, wodurch eine Rahmung um die gesamte Erzählung entsteht, die diese nach Jerusalem hin ausrichtet und den Aufenthalt des Volkes im Exil als Interim darstellt. Der gesamte Hymnus schöpft in einem reichen Maße aus den prophetischen Überlieferungen der Perserzeit. Wie in diesen Texten spielt die Herrlichkeit der Stadt eine bedeutendere Rolle als die des Tempels. Das Motiv der Erbauung eines neuen Heiligtums in Verbindung mit einer Kritik am bestehenden Zweiten Tempel ist explizit erst in der Makkabäerzeit belegt. Man kann deshalb vermuten, dass Tob 13 als Nachhall auf diese Epoche entstanden ist. Aufgrund der zahlreichen intertextuellen Bezüge zur biblischen Prophetie ist aber eine solche Datierung nicht eindeutig. Das Motiv hier könnte auch am Anfang einer solchen Traditionslinie stehen, die ältere Prophezeiungen mit der Hoffnung auf Erbauung des Zweiten Tempels (so u. a. Hag 1,1–10; 2,9; Sach 8,9–13) in einer Zeit aufgreift, in der dieser bereits bestand, und so mit der Hoffnung auf ein eschatologisches Heiligtum verbindet. Von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der Gesamterzählung ist, dass das Loblied Tobits intratextuell mit seiner individuellen Heilungsgeschichte verbunden wird. Diese Verknüpfung geschieht durch konkrete Stichworte: Der Begriff μαστιγόω, „züchtigen“, den Tobit für die Deutung seines eigenen Schicksals verwendet hat (3,9; 11,14), steht programmatisch am Anfang der Gerichtsdoxologie, womit eine Korrelation zwischen Tobits individuellem Geschick und dem seines Volkes geschaffen wird. Auch Begriffe aus dem Wortfeld Barmherzigkeit (ἐλεη-

312

Der Hauptteil: Die Reise mit dem Engel und die Heilungen (4,1–14,1a)

μοσύνη), die den Abschnitt leitwortartig durchziehen (vgl. 13,5a: ἐλεέω; V. 6n: ἐλεημοσύνη), verbinden die Aussage mit dem Plot der Geschichte (vgl. 8,7.17; 11,17). Tobits Rettungserfahrung bzw. das Geschick Saras und des jungen Tobias werden so zum Paradigma der künftigen Erlösung des Volkes; zugleich leuchtet in der Heilung der Protagonisten die Erlösung der kommenden Welt auf. Ein weiterer Bezug zwischen der individuellen und der Volksperspektive ist über die Lichtmetapher gegeben: Tobit, der in seiner Blindheit beklagte, das Licht des Himmels nicht mehr sehen zu können (5,10), bekommt durch die Heilung das Licht wieder geschenkt. Somit entspricht sein Schicksal dem der Exilierten, die aus der Diaspora dem Licht Jerusalems, das „bis an alle Grenzen der Erde“ strahlt (13,11), folgen.

Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15) Tobits Abschiedsrede, Tod und Begräbnis (14,1b–11) 1 b Und er [d. h. Tobit] starb in Frieden, 112a Jahre alt c und wurde in Ninive ruhmvoll begraben. 2 Und 62 Jahre war er alt, als bseine Augen erblindetenb. Und nachdem er wieder sehend geworden war, lebte er begütert und wirkte barmherzige Taten. Und er fuhr weiterhin fort, aGott zu preisena und die Größe Gottes dankend zu bekennen. 3 a Und als er im Sterben lag, rief er aseinen Sohn Tobiasa und gebot ihm: b Kind, führe deine Kinder weg 4 a und zieh weg nach Medien; b denn ich glaube an das Wort Gottes über Ninive, das Nahuma gesprochen hat, dass alles sein wird und eintreffen über Assurb und Ninive; c und alles, was die Propheten Israels, die Gott gesandt hat, gesagt haben, wird eintreffen, d und keines von allen Worten wird hinfällig werden, sondern alles wird sich ereignen zu seiner Zeit. e Und in Medien wird eher Rettung sein als in Assyrien und Babylonien. f Denn ich weiß und glaube, dass alles, was Gott gesprochen hat, in Erfüllung gehen wird und sein wird; g und keines von den Worten wird hinfällig werden. h Und unsere Brüder, die im Land Israelc wohnen, werden alle zerstreut werden und in die Gefangenschaft geführt werden aus dem guten Land, i und das ganze Land Israelc wird eine Wüste sein; j und Samaria und Jerusalem werden eine Wüste sein, k und das Haus Gottes wird im Schmerz sein und verbrannt sein für eine gewisse Zeit. 5 a Und Gott wird sich ihrer wieder erbarmen, und Gott wird sie zurückbringen in das Land Israela, b und sie werden das Haus wieder erbauen, c aber nicht wie das erste, bis zu der Zeit, da die bZeit der Weltzeitenb erfüllt wird. d Und danach werden sie alle zurückkehren aus ihrer Gefangenschaft und werden Jerusalem ehrenvollc erbauen, e und das Haus Gottes wird in ihm gebaut werden, wie die Propheten Israels über es gesagt haben. 6 Und alle Völker auf der ganzen Welt, alle werden umkehren und Gotta aufrichtigb fürchten und alle ihre Götterbilder verlassenc, die sie täuschend auf den falschen Weg führten. 7 a Und sie werden den aGott der Ewigkeita in Gerechtigkeit preisen. b bAlle Kinder Israel, die in jenen Tagen gerettet werden und Gottes aufrichtigc gedenken, werden versammelt werden und nach Jerusalem kommen c und in Ewigkeit im Land Abrahams wohnen in Sicherheit, und es wird ihnen gegeben werden.b d Und die Gottd aufrichtigc lieben, werden sich freuen, e und die Sünde und Ungerechtigkeit tun, werden von der ganzen Erde verschwinden. 8.9 a aUnd nun, Kinder, gebiete ich euch: Dient Gott in Wahrhaftigkeit und tut das Wohlgefällige vor ihm. Und euren Kindern werde auferlegt, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zu tun, und bdass sie Gottes gedenkenb und seinen Namen zu aller Zeit in Wahrhaftigkeit und mit ihrer ganzen Kraft preisen mögen.a b Und nun gehe du, Kind, weg aus Ninive und bleibe nicht hier! 10 a An dem Tag, an dem du deine Mutter neben mir begräbst, an diesem Tage übernachte nicht mehr

314

Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15)

in ihrem Gebiet. b Denn ich sehe, dass viel Ungerechtigkeit darin ist und viel Betrug darin verübt wird, und sie schämen sich nicht. c aSiehb, Kind, was Nadabc Achikar, der ihn aufgezogen hat, angetan hat! d Wurde er nicht lebendig unter die Erde gebracht? e Und Gott vergalt ihm seine Schande in sein Angesicht hinein, f und Achikar ging heraus ins Licht, g und Nadab ging hinein in die ewige Finsternis, weil er Achikar zu töten suchte. h Indem er [d. h. Achikar] Barmherzigkeit wirkte, ging er heraus aus der Schlinge des Todes, die Nadab ihm gestellt hatte, i und Nadab fiel in die Schlinge des Todes, und sie richtete ihn zugrunde.a 11 a Und nun, Kinder, seht, was die Barmherzigkeit vermag und was die Ungerechtigkeit vermag, denn sie tötet. b Und siehe, meine Seele verlässt mich.a c Und sie legten ihn auf das Lager, und er starb, und er wurde ruhmvoll begraben.

Bis zum Tod des Tobias: Das Ende des Exils naht! (14,12–15) 12 Und als seine Mutter starb, begrub Tobias sie neben seinem Vater. Und er selbst zog mit seiner Frau fort nach Medien und wohnte in Ekbatana bei Raguël, seinem Schwiegervater. 13 Und ehrenvoll sorgte er für sie in ihrem Alter und begrub sie in Ekbatana in Medien; und er erbte das Haus Raguëls und das Tobits, seines Vaters. 14 Und er starb ruhmvoll im Alter von 117a Jahren. 15 aUnd er sahb und hörte vor seinem Tod noch vom Untergang Ninives, und er sah, wie seine Gefangenen nach Medien gebracht wurden, die Achiacharc, der König von Medien, gefangen genommen hatte. Und er pries Gott für alles, was er den Kindern Ninives und Assurs tat. Er freute sich vor seinem Tod über Ninive und pries Gott, den Herrn in alle Ewigkeit.a

Anmerkungen zu Text und Übersetzung 14,1a

14,2a–a 14,2b–b 14,3a–a

14,4a

VL stimmt mit Ms. Sinaiticus überein und liest: „annorum centum duodecim“. Vgl. GI, wonach Tobit im Alter von 158 Jahren verstarb. Diese Altersangabe findet sich auch in 4Q196 18 13 (siehe auch 4Q200 7ii 5); siehe HALLERMAYER, Text, 80.163; FITZMYER, Tobit (DJD), 73. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass GI mit den Qumrantexten und gegen GII lesen kann. Vg. hat völlig andere Zahlenangaben; siehe SKEMP, Vulgate, 423–425. GI liest: „Gott, den Herrn, zu fürchten“; somit werden auch hier die Begriffe ὁ κύριος und ὁ θεός wieder kombiniert. Griech.: ἀνάπειρος; wörtl. „als er verstümmelt wurde in den Augen“. Während in GII Tobit nur seinen Sohn Tobias zu sich ruft, nennt GI Tobias und seine sechs Söhne. In 4Q196 18 15–16 ergänzt FITZMYER, Tobit (DJD), 29: ‫;]ושבע[ת‬ so auch VL: „et septem filios eos“. Damit wird angezeigt, dass der Wunsch, die Ehe der Brautleute möge mit Kindern gesegnet werden (siehe 10,12), in Erfüllung ging. Das Leitmotiv der Familie ist somit in GI deutlicher herausgearbeitet. LITTMAN, 155, verweist darauf, dass Ναούμ undeklinierbar ist und man deshalb auch im Dativ übersetzen kann: „[…] was er (sc. Gott) sprach zu Nahum“; in diesem Sinne FITZMYER, z. St. VL und Vg. nennen keinen Namen. GI verweist nicht auf die Prophetie Nahums, sondern vielmehr auf Jona. Die Frage, welches hier der ursprüngliche Text ist, gehört zu den klassischen Problemen der Tobit-Auslegung. Der entsprechende Beleg aus Qumran 4Q196 1 2 bricht an dieser Stelle ab und kann so keine Auskunft

Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15)

14,4b 14,4c 14,5a 14,5b–b

315

über die ursprüngliche Lesart geben; vgl. auch Ms. Schøyen 5234 mit einer Lacuna, siehe HALLERMAYER, Text, 80.86. Bereits vor der Entdeckung des Codex Sinaiticus hatten GROTIUS und ILGEN darauf aufmerksam gemacht, dass eine Prophetie von der Zerstörung Ninives, die, wie es hier vorausgesetzt wird, in Erfüllung gegangen ist, weniger zu Jona, als vielmehr zu Nahum oder Zefanja passt, da die Prophezeiung Jonas wegen der Buße der Niniviten ja nicht realisiert wurde; siehe MOORE, 290; HANHART, Text und Textgeschichte, 34. Vor diesem Hintergrund nehmen die meisten Ausleger die Priorität Nahums an; vgl. MOORE, 290; SCHÜNGEL-STRAUMANN, 178; SCHUMPP, 261 (Lit.). Die sekundäre Referenz auf Jona wird damit erklärt, dass die Verbindung dieses Propheten mit dem Thema des Untergangs Ninives gebräuchlicher war als die Verbindung mit Nahum. Allerdings ist diese Argumentation nicht ganz einleuchtend. Die Jonaerzählung wurde von dem antiken Leser ja nicht als einzelnes Buch rezipiert, sondern im Kontext des Zwölfprophetenbuches, wo sie immer vor Nahum erscheint: Bereits die Prophetenrolle von Wadi Muraba‘at aus dem 2. Jh. v. Chr. nennt die Reihenfolge aus MT „Jona, Micha, Nahum“, und in LXX folgt Nahum sogar direkt auf Jona. Im Kontext wird somit klar, dass die Gerichtsansage an Ninive mit dessen Buße nicht definitiv abgetan war, sondern noch ausstand. Vor dem Hintergrund der fiktiven Datierung, die das Jonabuch unter Jerobeam II. (787–747 v. Chr.) ansetzt (siehe 2 Kön 14,25), hat sich Ninive nach dem Auftreten Jonas durch seine Kriegszüge gegen Israel im ausgehenden 8. Jh. v. Chr. abermals versündigt. Zudem hat die Jonaerzählung ja auch einen offenen Schluss. Vor diesem Hintergrund möchte Gary ANDERSON die Erwähnung Jonas für ursprünglich halten: „According to this version, Tobit heard about Jonahʼs prophecy while residing in Niniveh and inferred its correct, divine intent. Later copyists saw that the reference to Jonah was not without problems […]. In the case of the longer Greek recension, Greek II, the scribe altered the name to Nahum […] in order to provide the reader with a prophet who clearly got it right without any ambiguity“ (ANDERSON, Canonical Ordering, 74). Freilich widerspricht ANDERSON sich selbst in seiner Aussage zur antikjüdischen Rezeption des Jonabuches. Wenn sowohl Jona als auch Nahum als verlässliche Zeugen für die Zerstörung Ninives zu betrachten sind, dann muss die Argumentationslinie für die textgeschichtliche Rekonstruktion dieses Abschnittes anders verlaufen. Interessant und weiterführend ist hier der Hinweis HANHARTS, wonach die Wendung ὅτι καταστραφήσεται („dass es zerstört werden wird“) ein Zitat aus Jona 3,4 darstellt, wobei dieses „parataktisch in einen Aussagenzusammenhang eingereiht erscheint“ (siehe HANHART, Text und Textgeschichte, 34). Angesichts der Tendenz von GI, die Vorlage GII zu kürzen, ist daher anzunehmen, dass der Überarbeiter von GI auf traditionelles und prägnantes Wortmaterial aus dem Jonabuch zurückgegriffen hat und dass in diesem Zug der Name des Propheten Jona sekundär eingedrungen ist. So ist – wenn auch aus anderen Gründen als bisher in der Forschung dargelegt – die Erwähnung Nahums für ursprünglich zu halten. Zum Ganzen siehe auch SCHÖPFLIN, Authority, 87f. Weiterführend zu den verschiedenen Lesarten ist BREDIN, Significance of Jonah, der für die sekundäre Lesart mit Jona christlichen Einfluss plausibel macht. Griech.: Ἀθούρ; der Begriff geht auf aram. ‫ אתור‬zurück, was auf den Einfluss eines aramäischen Originals schließen lässt; siehe LITTMAN, 157. GI verzichtet wieder auf den Begriff „Israel“; vgl. 1,5.8.18; 5,5.9; 13,18; 14,5.7. GI verzichtet wieder auf den Begriff „Israel“; siehe die vorige TA. GI: HANHART, Text und Textgeschichte, 37, sieht in der Wendung καιροὶ τοῦ αἰῶνος einen eindeutigen Beleg dafür, dass αἰών nicht im Sinne von Ewigkeit oder Weltzeit, sondern als Ausdruck für die gegenwärtig geschaffene Welt zu verstehen ist: „Es dürfte damit in der Textform G I einer der ältesten Belege für die Verwendung des Begriffes αἰών als Äquivalent des zugrundeliegenden ‫עולם‬

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Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15)

in der Bedeutung der Welt vorliegen. Auch das muss als Argument für den G II gegenüber sekundären Charakter der Textform G I gelten“; zu αἰών vgl. 13,6.18. 14,5c Griech.: ἐντίμος; andere Übersetzungsmöglichkeit „in Herrlichkeit“; vgl. 4Q198 1 11. Die Wiedergabe des Begriffs wurde hier im Hinblick auf die textinterne Kongruenz gewählt; vgl. 12,6.7; 14,13. VL 1 liest „honorifice“, VL 2 „in honore magno“. 14,6a GI kombiniert hier wieder die Begriff ὁ κύριος und ὁ θεός. 14,6b Zur Wiedergabe des Begriffes ἀλήθεια siehe zu 1,3. 14,6c GI spricht vom Begraben der Götterbilder. 14,7a–a GI redet nicht vom „Gott der Ewigkeit“, sondern vom κύριος und zeigt darin eine für GI typische Tendenz. 14,7b–b In GI fehlt das Motiv der Sammlung sowie der Begriff „Israel“; siehe 1,5.8.18; 5,5.9; 13,18; 14,4.5. 14,7c Zur Wiedergabe des Begriffes ἀλήθεια siehe zu 1,3. 14,7d GI kombiniert wieder die Begriffe ὁ κύριος und ὁ θεός („… Und es werden sich freuen alle, die Gott, den Herrn, in Wahrheit und Gerechtigkeit lieben“). 14,8.9a–a GI rekurriert bei der Weisung, Ninive zu verlassen, auf Jona. Zu „Jona“ siehe TA 14,4a. GI enthält hier im Gegensatz zur üblichen Tendenz das Motiv der Gesetzestreue. 14,8.9b–b Griech.: καὶ ἵνα ὦσιν μεμνημένοι τοῦ θεοῦ. Die Konstruktion mit einem Hilfsverb ist typisch für das LXX-Griechisch; siehe CONYBEARE/STOCK, Grammar, 68–69; EVANS, Periphrastic Tense Forms, 109–117; LITTMAN, 157. 14,10a–a GI hat eine andere Version: „Und sieh, was Haman Achiacharos, der ihn aufgezogen hat, angetan hat, wie er ihn aus dem Licht in die Finsternis führte und was er ihm vergolten hat. Achiacharos aber wurde gerettet, jenem aber wurde die Vergeltung gegeben und er selbst ging (nun) hinab in die Finsternis. Manasse tat Barmherzigkeit und wurde aus der Schlinge des Todes gerettet, die er ihm gelegt hatte; Haman aber fiel in die Schlinge, und er ging zugrunde.“ Haman und Manasse stehen zunächst in gar keinem Bezug zur Achikargeschichte: Haman, der Sohn Agags, ist der Widersacher Mordechais und des jüdischen Volkes aus der Estererzählung und kann über seinen Vater mit dem Stamm Amalek verbunden werden (Est 3,1); er ist der archetypische Feind Israels und Frevler schlechthin (vgl. Ex 17,8–16; Num 24,20; Dtn 25,17–19; 1 Sam 15,3). Es liegt hier wohl eine sekundäre Überarbeitung vor, die der Erzählung von Achikar eine nationale Dimension verleiht; siehe SCHMITT, Wende des Lebens, 180. Dass diese Überlieferung sekundär ist, bedarf wohl keines weiteren Nachweises. 4Q199 2 1 bietet den aramäischen Namen Nadin, der dem griech. Nadab entspricht und bestätigt somit die Originalität von GII. Mit dem Verweis auf Manasse liegt eine Referenz auf 2 Chr 33,11–13 vor: Weil Manasse Juda und die Einwohner Jerusalems verführte und er und das Volk nicht auf die Weisungen Gottes achteten, ließ dieser ihn durch die Assyrer gefangen nehmen und nach Babylonien bringen. Dort aber flehte er in seiner Angst zu Gott und demütigte sich vor ihm, worauf Gott ihn erhörte und wieder nach Jerusalem brachte. Manasse wird so zum Prototyp für die Wirkung der Buße. Dass Manasse auch Barmherzigkeit wirkte, ist Sondergut, die sein Schicksal hier als Exempel für Gottes Gerechtigkeit erscheinen lässt. An der Figur Manasses wird deutlich gemacht, dass auch der Frevler, der Buße tut und Barmherzigkeit übt, Rettung erfahren kann; zu Manasse vgl. die weiterführenden Hinweise bei EGO, Targum Scheni, 290f. GI zeigt somit durch die Veränderung der Personen eine midraschartige Bearbeitung des Erzählstoffes mit theologischen Akzenten. 14,10b ἰδέ dient in GII dazu, um eine abschließende Behauptung einzuführen; so auch in 2,2.14; vgl. KOTTSIEPER, „Look, Son“, 147, Anm. 5.

Synchrone Analyse

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14,10c

Wie 4Q199 2 1 zeigt, geht der Name Nadab auf aram. „Nadin“ zurück; siehe hierzu HALLERMAYER, Text, 136. 14,11a GI liest hier noch, dass Tobit bei seinem Tod 158 Jahre alt war. 14,14a So auch VL; vgl. dagegen GI „127“. 14,15a–a GI: „Und er hörte vor seinem Tod vom Untergang Ninives, das Nebukadnezzar (Ναβουχοδονοσόρ) und Xerxes (Ἀσούηρος) in die Gefangenschaft führten; und er freute sich vor seinem Tod über Ninive.“ GI ist damit sachlich falsch, insofern Ninive von den vereinigten Babyloniern und Medern unter Nabopolassar (626–605 v. Chr.) und Kyaxares II. (625/624–584 v. Chr.) eingenommen wurde; Xerxes als Perserkönig (486–465/4 v. Chr.) wiederum folgt erst auf die babylonische Herrschaft. Der entsprechende Abschnitt Tob 14,16f. Vg. betont hier noch die Gottesfurcht des Tobias und dass er noch die fünfte Generation seiner Nachkommen erleben durfte. Zudem erfolgt ein Ausblick auf die Rechtschaffenheit der künftigen Generationen. Das Motiv der Zerstörung Ninives fehlt. 14,15b Der Terminus ὁράω ist hier nicht wörtlich zu als physisches Sehen gemeint, sondern – entsprechend dem hebräischen Gebrauch – als Ausdruck einer geistigen Wahrnehmung und des Verstehens. 14,15c Griech.: Ἀχιάχαρος. Der Name erinnert an Achikar, und es handelt sich wohl um einen Abschreibfehler; der Mederkönig, der an der Eroberung Ninives beteiligt war, hieß Kyaxares (Κυαχάρης); hierzu u. a. FITZMYER, 337; NIEHR, Aramäischer Aḥiqar, 24. LITTMAN, 159, möchte Ἀχιάχαρος als Wiedergabe einer aramäischen Vorlage für den Namen dieses Königs verstehen.

Synchrone Analyse Einführung, Gliederung und Struktur Der letzte Abschnitt des Buches schließt locker an den bisherigen Handlungsver- Einführung lauf an: Die Erzählung endet mit einem Ausblick auf das weitere Leben Tobits und und GliedeHannas, die beide in einem hohen Alter sterben, sowie auf das weitere Leben von rung Tobias und Sara. Das Kapitel besteht aus folgenden Teilen: 14,1b–15 14,1b–2

Tobits Abschiedsrede, Tod und Begräbnis Todesnotiz und Rückblick auf das Leben Tobits nach seiner Heilung 14,3–11b Abschiedsrede Tobits 14,3–8.9a Erster Aufruf zum Verlassen Ninives; Ausblick auf den Verlauf der Geschichte; Mahnung zum Tun der Barmherzigkeit und zum Lobpreis 14,8.9b–11b Zweiter Aufruf zum Verlassen Ninives; Ausblick auf das Unrecht in Ninive; Achikar und Nadabs Geschichte als Lehre; Mahnung 14,11c Tod und Begräbnis 14,12–15 Bis zum Tod des Tobias: Das Ende des Exils naht! Das vorliegende Kapitel wird vor allem durch Redeelemente geprägt sowie durch Struktur kurze, überblicksartige Passagen, in denen der Erzähler summarisch auf das weitere Leben der Protagonisten Tobit und Tobias sowie ihrer Frauen verweist.

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Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15)

Die Rede Tobits (14,3–11b) ist – wie bereits Tob 4 – der Gattung der „Abschiedsrede“ oder „Testament“ zuzuordnen (siehe zu Tob 4 „Gattung und Formen“). Allerdings unterscheidet sie sich von deren Grundform dadurch, dass die Mahnrede dem endzeitlichen Ausblick nicht vorangeht, sondern ihm folgt. Zudem wird auf eine Rückschau auf das Leben Tobits verzichtet, da in den letzten Worten Tobits in Tob 14,2 die Erinnerung an die Erblindung und das Lob auf sein tugendhaftes Leben bereits vorangeht.“1 Indem Tobit solche letzten Worte zugeschrieben werden, wird er als vorbildliche Glaubensgestalt in eine Reihe mit Jakob, Mose, Josua und David gestellt.2 Tobits Abschiedsrede an seinen Sohn, die den Hauptanteil des Kapitels ausmacht (14,3–11b), besteht aus zwei parallel aufgebauten Teilen: Die Aufforderungen zum Wegzug (14,3b.4a und 14,9b.10a) werden jeweils mit παιδίον eingeleitet und durch ein begründendes ὅτι (ab 14,4b und 14,10b) weitergeführt. Eine Paränese schließt die Einheit jeweils ab (14,8.9 und 14,11a). Während der erste Teil der Rede in die Zukunft blickt, veranschaulicht der zweite Teil auf der Basis der Geschichte Achikars das gegenwärtige Unrecht in Ninive und zieht daraus Lehren für das Verhalten in der Gegenwart. So ergänzen sich die beiden Teile und zielen „auf eine gemeinsame Mahnung an die Nachkommen […]: die Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit zu tun und das Unrecht zu meiden.“3

Einzelanalyse 14,1b–15 Der erste Teil des Kapitels hat Tobits weiteres Leben im Kreise seiner Familie sowie

seinen Tod und seine Bestattung zum Gegenstand. Wenn man annimmt, dass Tobit mit 62 Jahren erblindete (14,2), vier Jahre lang blind war (2,10) und insgesamt 112 Jahre (14,1b) alt wurde, so lebte er nach seiner Heilung noch 46 Jahre lang. 14,1b–2 Die Notiz vom Tod Tobits und seinem Begräbnis hat zunächst protokollarischen Charakter, aber es klingt auch der Gedanke eines gelungenen Tun-ErgehenZusammenhangs und einer ausgleichenden Gerechtigkeit an: Das hohe Alter von 112 Jahren, Tobits Wohlstand und seine Enkelkinder können als Belohnung für seinen integren und frommen Lebenswandel gesehen werden.4 14,3–11a Der Hauptteil des Kapitels ist der Abschiedsrede Tobits gewidmet. 14,3–8.9c Tobit beginnt mit einem Ausblick auf die Geschichte, die in mehrere Abschnitte unterteilt wird. Während Tobit in seinem Hymnus auf das künftige Jerusalem (13,8–18) auf die weit vorausliegende Zukunft blickt, ist die Geschichtsschau hier über weite Strecken ein vaticinium ex eventu.5 Dabei werden mehr als drei Jahrhunderte der Volksgeschichte in den Blick genommen, wobei „das Exil die gesamte 1 2 3 4 5

BIBERGER, Unbefriedigende Gegenwart, 268. Zur Abschiedsrede als Testament siehe VON NORDHEIM, Lehre der Alten II, 12–15. BIBERGER, Unbefriedigende Gegenwart, 267; zur Gliederung allgemein ibid., 266–268. Zu diesem Aspekt u. a. MILLER, Match, 145. Die folgenden Ausführungen zur Struktur von Tobits Geschichtsschau verdanken sich vor allem der Arbeit von BIBERGER, Unbefriedigende Gegenwart, 268–278, daneben den knappen, aber instruktiven Ausführungen bei LEBRAM, Weltreiche, 328–331, und den Darlegungen bei SÖLLNER, Jerusalem, 54–56. Siehe auch die Analyse des Abschnittes bei VON NORDHEIM, Die Lehre der Alten II, 12–15; SHERWOOD, Paul and the Restauration, 170–175; speziell zur Rolle der Prophetie siehe REITERER, Prophet und Prophetie, 159; SCHÖPFLIN, Authority, 87f.

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gegenwärtige und zukünftige Geschichte Israels bis zur Erfüllung der großen eschatologischen Heilswende, die die Propheten verheißen haben“, umfasst.6 Wie für den Hymnus in Tob 13, so ist auch für diese Geschichtsschau eine Diasporaperspektive typisch, wobei die Rückkehr der Gefangenen das Initialereignis für das eschatologische Geschehen darstellt.7 Ausgangspunkt für Tobits Geschichtsschau ist die fiktive Gegenwart der Erzählung, die Zeit der Assyrerherrschaft. Tobit befiehlt seinem Sohn, Ninive zu verlassen und in das sichere Medien zu ziehen. Dabei bezieht er sich explizit auf die Prophetie Nahums (14,3b–4d). Tobits Verweis auf die „Rettung in Medien“ spielt auf die Befreiung Mediens im 7. Jh. v. Chr. aus der Oberherrschaft der Assyrer an. Damit wurde es zu einem eigenständigen Reich und beteiligte sich schließlich auch an der Eroberung Ninives. Auch hier erfolgt eine explizite Referenz auf das Wort Gottes (14,4e.f.g). Tobits Blick wendet sich daraufhin den Israeliten zu, die nach der assyrischen Eroberung und dem Ende des Nordreichs im Land verblieben sind (14,4h–j). Sie werden hier als „Brüder“ bezeichnet, worin die Volksdimension des Begriffes wieder ganz deutlich wird.8 Tobit kündigt die Exilierung (διασκορπίζω, „zerstreut werden“) und Gefangennahme aus dem „guten Land“ („ἐκ τῆς γῆς τῆς ἀγαθῆς“), die Verwüstung des ganzen Landes sowie (spezifizierend) von Samaria und Jerusalem (ἔρημος, „eine Wüste sein“) und die Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die Babylonier an. Der Verweis auf die Verwüstung Samarias wirkt zunächst als Anachronismus, muss aber faktitiv verstanden werden, d. h. am Ende dieser Geschichtsetappe werden Samaria und Jerusalem verwüstet sein. Wie Jürgen LEBRAM zu Recht anmerkt, schließt „die dritte Periode nicht an die zweite an, da zeitlich beide nebeneinander liegen: Während in Medien Friede ist, geschieht durch Babylon die Zerstreuung Judas in die Diaspora. So wird die dritte und vierte Periode wohl eine Veränderung des ursprünglichen Schemas sein.“9 Das Reich der Meder findet – das müssen wir ergänzen – erst durch die Perser ein Ende. Auffällig – und ohne Analogie in der Tradition – ist die Rede von der Trauer bzw. dem Schmerz (λύπη) des Tempels, die anthropomorphe Züge hat.10 Hier klingt ein Bezug auf die Gebete der Protagonisten und auf das Schicksal Tobits (vgl. 3,6) bzw. Saras (3,10) an. Umgekehrt kann dann aber von der Wandlung der Trauer der Protagonisten auf die Wandlung des Schmerzes des Tempels geschlossen werden. So verweist das individuelle Schicksal der Protagonisten auf die Dimension des Kollektiven.11 Der Abschnitt wendet sich der Epoche der Perserherrschaft zu (14,5a–e). Da sich αὐτοὺς (14,5a: „ἐλεήσει αὐτοὺς ὁ θεός, καὶ ἐπιστρέψει αὐτοὺς ὁ θεὸς εἰς τὴν γῆν τοῦ Ἰσραήλ“) auf die „Brüder“ im vorigen Vers zurückbezieht, ist hier an die von Gott 6 ALBERTZ, Exilszeit, 37; siehe auch ENGEL, Auf zuverlässigen Wegen, 84; FASSBECK, Tobit’s Religious Universe, 187; GREGORY, Rebuilding of the Temple, 175; HAAG, Heiler Israels, 36.40. 7 Diesen Aspekt betont vor allem SÖLLNER, Jerusalem, 63–65. 8 Zum Begriff „Bruder“ siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. 9 LEBRAM, Weltreiche, 330. 10 Nach SÖLLNER, Jerusalem, 62, handelt es sich bei der Rede von der Trauer des Tempels um eine „originäre Vorstellung, die auf keine atl. Vorlage zurückgreifen konnte.“ 11 Siehe hierzu BIBERGER, Unbefriedigende Gegenwart, 271: „Auf dem Hintergrund der in Freude verwandelten Trauer Tobits und Saras ist auch die Verwandlung der Trauer des Tempels und damit sein Wiedererstehen zu erwarten.“

Etappe 1: Assyrerherrschaft Etappe 2: Mederherrschaft Etappe 3: Babylonische Herrschaft

Etappe 4: Perserherrschaft

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Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15)

initiierte Rückführung der babylonischen Gola gedacht. Nun wird der Tempel erbaut werden (οἰκοδομέω). Wenn auch von Gottes Erbarmen die Rede ist, so ist die endgültige Heilszeit doch noch nicht angebrochen: Die Wendung „nicht wie das erste“ sowie „bis zu der Zeit, da die Zeit der Weltzeiten erfüllt wird“ deutet darauf hin, dass diese Epoche in der Geschichte des Volkes nur ein Interim darstellt (14,5c). Darauf weisen auch einige subtile Formulierungen hin: So ist nun nur vom „Land“ die Rede (nicht vom „guten Land“ wie bei der babylonischen Eroberung; siehe oben 14,4h). Des Weiteren spricht der Text lediglich vom „Haus“ (οἶκος) (und nicht vom „Haus Gottes“, ὁ οἶκος τοῦ θεοῦ; siehe 14,4k) und verwendet zudem eine Aktivform, um die Erbauung des Tempels zu beschreiben. Interessanterweise fehlt der Hinweis auf die Erbauung Jerusalems, was überrascht, da zur Zeit des Erzählers die Stadt doch eigentlich – wenn wir uns auf die Überlieferung bei Esra und Nehemia beziehen – wiederhergestellt war. Die Zeit der Perserherrschaft und damit auch der Zweite Tempel, der zu Lebzeiten des Erzählers sicherlich existent war, hat damit etwas Defizitäres an sich; darin äußert sich implizit eine gewisse Distanzierung von der Gegenwart.12 Die Umkehr des Volkes wird an dieser Stelle nicht als Bedingung für den Anbruch der Heilszeit genannt (vgl. 13,6.8).13 Die Geschichtsschau Tobits endet mit dem Blick auf die eschatologische HeilsEtappe 5: Heilszeit zeit mit der Rückkehr aller Exilierten, der Erbauung Jerusalems und des Tempels in Übereinstimmung mit den Weissagungen der Propheten und der Verehrung JHWHs durch die Völker (14,5d–7). Die anfängliche Wendung καὶ μετὰ ταῦτα, „und danach“, signalisiert einerseits eine deutliche Zäsur zu den im vorhergehenden Abschnitt geschilderten Ereignissen. Da aber andererseits bereits dort vom Erbarmen Gottes die Rede war (V. 5a), deutet sich auch eine gewisse Kontinuität im Geschichtsablauf an. Während in der letzten Etappe der Geschichte Israels nur die nach Babylon Exilierten ins Land zurückgekehrt sind, werden nun πάντες, „alle“, zurückkehren (wieder: ἐπιστρέφω). Das heißt aber nichts anderes, als dass jetzt auch die Sammlung und Rückkehr der assyrischen Diaspora und damit die Wiedervereinigung des ganzen Volkes im Blick ist. Von hier aus erklärt es sich auch, warum der Zweite Tempel ein Provisorium darstellte, ist er doch nur der Tempel derer, die aus dem Babylonischen Exil gekommen sind, wodurch die Nordstämme bislang ausgeschlossen waren. Im Hinblick auf die Erbauung Jerusalems (οἰκοδομέω) wird die Perspektive der Rückkehrer eingenommen, von der Stadtbewohnerschaft Jerusalems ist nicht die Rede (14,5d). Für die Erbauung des Tempels (auch hier wieder: οἰκοδομέω), der jetzt wieder wie in V. 4k als „Haus Gottes“ und nicht nur als „Haus“ (vgl. V. 5b) bezeichnet wird, benutzt der Erzähler das Passiv, sodass angenommen werden kann, dass ein passivum divinum vorliegt.14 Der Abschnitt behandelt darüber hinaus auch die Zukunft der Völker: Diese werden umkehren (ἐπιστρέφω), Gott aufrichtig fürchten („φοβηθήσονται τὸν θεὸν 12 Auf die implizite Kritik am Tempel verweisen u. a. HENDERSON, Second Temple Songs, 175; SÖLLNER, Jerusalem, 54. Zum Ganzen siehe auch MIDDLEMAS, Temple, 79. 13 SÖLLNER, Jerusalem, 54. 14 Οἰκοδομέω kann auch die Bedeutung von „Wiedereinrichten“ haben (so 1 Makk 4,48), allerdings scheint dieses Verständnis hier nicht zu passen, da sich Tobit vom Genre her deutlich von 1 Makk unterscheidet und das eschatologische Programm, das hier entfaltet wird, die Bedeutung „Wiedererbauung“ nahelegt, wenn nicht sogar erfordert (siehe GREGORY, Rebuilding of the Temple, 172).

Synchrone Analyse

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ἀληθινῶς“), ihre falschen Götter verlassen („ἀφήσουσιν πάντες τὰ εἴδωλα αὐτῶν“) und den Gott der Ewigkeit preisen („εὐλογήσουσιν τὸν θεὸν τοῦ αἰῶνος ἐν δικαιοσύνῃ“) (14,6–7a). Sie werden den Gott Israels in ihren Ländern verehren und sich dabei an Wahrheit und Gerechtigkeit ausrichten. Dabei ist in V. 6 die Rede von allen Völkern auf der ganzen Welt („πάντα τὰ ἔθνη τὰ ἐν ὅλῃ τῇ γῇ“) (vgl. 13,11b: „viele Völker“). Die Gabendarbringung der Völker erscheint an dieser Stelle nicht, und der Tempel bleibt somit auch in endzeitlicher Zukunft als Ort der Gottesbegegnung Israel vorbehalten.15 Es findet sich jedoch kein Hinweis darauf, dass an eine Konversion der Völker gedacht ist, vielmehr scheint eine Art „universale Jahwefrömmigkeit“ vorzuliegen.16 Hier wird innerhalb eines kurzen Abschnittes zum dritten Mal das Verb ἐπιστρέφω gebraucht. Es folgt der Blick auf die „Kinder Israel“, die durch die partizipialen Wendungen „die in jenen Tagen gerettet werden“ („οἱ σῳζόμενοι ἐν ταῖς ἡμέραις“) und die „Gottes in Wahrheit gedenken“ („μνημονεύοντες τοῦ θεοῦ ἐν ἀληθείᾳ“) näher beschrieben werden. Diese werden gesammelt (ἐπισυνάγω), nach Jerusalem kommen („ἥξουσιν εἰς τοῦ Ἰερουσαλήμ“) sowie dort für immer im Lande Abrahams in Sicherheit wohnen („οἰκήσουσιν τὸν αἰῶνα ἐν τῇ γῇ Ἀβραὰμ μετὰ ἀσφαλείας“) und das Land erhalten (vgl. „es wird ihnen gegeben werden“: „καὶ παραδοθήσεται αὐτοῖς“) (14,7b.c). Eine Art Resümee bildet der letzte Vers, da das Subjekt „die Gott in Wahrheit lieben“ („οἱ ἀγαπῶντες τὸν θεὸν ἐπ᾿ ἀληθείας“) sowohl auf Israel als auch auf die Völker bezogen werden kann. Die Heilszeit ist durch ein Ende der Sünde und universale Freude gekennzeichnet (14,7d.e). Der Abschluss dieses Geschichtsausblicks wird durch den Begriff ἀλήθεια, „Wahrheit/Aufrichtigkeit“, in drei Teile gegliedert (V. 6–7). In dieser triadischen Struktur verhalten sich die beiden ersten Glieder „Völker“ (V. 6.7a) und Israel (V. 7b–c) komplementär zueinander, während das letzte Glied „die Gott aufrichtig lieben“ (V. 7d.e) eine Zusammenfassung dieser Größen darstellt. Der Abschnitt insgesamt spiegelt deutlich „Negativerfahrungen mit der heidnischen Staatsmacht“,17 man hat jedoch nicht den Eindruck, dass die Völker als „reale Bedrohung“ gesehen werden18. Schließlich ermahnt Tobit einen nicht näher definierten Adressatenkreis, der hier „Kinder“ genannt wird, zu einem integren Lebenswandel in Wahrhaftigkeit, Wohlgefallen vor Gott, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, dem Gedenken Gottes und 15 Vgl. dagegen SHERWOOD, Paul and the Restauration, 172, der davon auszugehen scheint, dass hier die Völker zum Zion kommen. 16 In diesem Sinne BIBERGER, Unbefriedigende Gegenwart, 276f.; SÖLLNER, Jerusalem, 56. ESTES, Gentiles, 82, verweist auf die Rolle der Völker als Zeugen und behauptet, dass hier nicht die Offenheit Israels gegenüber den Völkern im Vordergrund stehe, sondern vielmehr Gottes Souveränität und Israels Überlegenheit über die Völker. Der Verweis auf die Sünde in Tob 14,7 und Tob 14,10 zeige, dass nicht alle, sondern nur viele aus den Völkern „zum Licht“ kämen. Allerdings ist zu beachten, dass Tob 14,10 nicht Teil des eschatologischen Ausblicks ist, sondern eine fiktive Gegenwartsbeschreibung darstellt. Vor diesem Hintergrund ist auch die Aussage von MCCRACKEN, Narration and Comedy, 416f., wonach dieser Blick auf die Völker eine Kritik an Tobits komisch wirkendem Tribalismus darstelle, nicht einleuchtend. 17 KRATZ, Translatio imperii, 218. 18 BIBERGER, Unbefriedigende Gegenwart, 279.

„Wahrheit/ Aufrichtigkeit“ als Leitwort

Mahnung Tobits

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Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15)

in Lobpreis (14,8.9a). Damit erfolgt eine Rückkehr in die erzählerische Gegenwart. Die hier genannten Kinder lassen implizit darauf schließen, dass die Segenswünsche der Brauteltern für die Ehe von Tobias und Sara in Erfüllung gegangen sind (siehe 10,11f.). Dies zeigt einmal mehr die Bedeutung, die der Familie in der Erzählung zukommt.19 Im zweiten Teil seiner Rede fordert Tobit seinen Sohn nochmals auf, Ninive 14,8.9b–11a zu verlassen (vgl. 14,3b.4a), wobei diesmal mit dem Hinweis auf die Bestattung der Mutter eine klare zeitliche Vorgabe gegeben wird. Nun wird als Grund die Ungerechtigkeit (πολλὴ ἀδικία) und der Betrug (δόλος) in der Stadt genannt, wofür sich die Bewohner nicht einmal schämen (αἰσχύνω). Als Beispiel für das negative Verhalten der Niniviten verweist Tobit auf die Achikar und Nadab Geschichte seines Neffen Achikar (14,10c–i). Die in wenigen Sätzen dargelegte Handlung lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass Nadab, der von Achikar großgezogen (ἐκτρέφω) wurde, diesen zu töten versuchte; Gott aber wendete sein Geschick, sodass schließlich Nadab den Tod fand. Dabei kamen Achikar seine Barmherzigkeitstaten zugute. Die Handlung wird nicht stringent erzählt, sondern in drei jeweils bipolar angelegten Teilen von verschiedenen Aspekten her beleuchtet.

A – Tat Nadabs

10c … was Nadab Achikar, der ihn aufgezogen hat, angetan hat. 10d Wurde er nicht lebendig unter die Erde gebracht?

Vergehen Nadabs an Achikar

B – Strafe Nadabs

10e Und Gott vergalt ihm seine Schande in sein Angesicht.

Bestrafung Nadabs als Handeln Gottes

C – Rettung Achikars

10f Achikar ging heraus ins Licht,

D – Strafe Nadabs

10g Nadab aber ging hinein in die ewige Finsternis, weil er Achikar zu töten suchte.

Reziprozität des Geschehens; „gerechte Weltordnung“

E – Rettung Achikars

10h Indem er Barmherzigkeit wirkte, Barmherzigkeit als ging er heraus aus der Schlinge des Grund für die Rettung Todes, die Nadab ihm gestellt hatte, Achikars; Reziprozität des Geschehens; Verge10i und Nadab fiel in die Schlinge hen Nadabs und seine des Todes, und sie richtete ihn zuBestrafung grunde.

F – Strafe Nadabs

A/B (14,10c–e) formuliert Nadabs Vergehen an Achikar sowie seine Bestrafung durch Gott als Konsequenz, sodass hier gleich zu Beginn die theologische Dimension des Geschehens eingespielt wird. Versteht man die rhetorische Frage „Wurde er nicht lebendig unter die Erde gebracht?“ als Erläuterung des vorhergehenden 19 Zur Familie und familiären Strukturen siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“.

Synchrone Analyse

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Satzes, so ist davon auszugehen, dass Achikar Subjekt ist.20 Was sich konkret hinter der Aussage, dass dieser lebendig begraben worden sei, verbirgt, ist auf der Basis des vorliegenden Textes nur schwer zu entscheiden. Es ist sowohl ein konkretes als auch ein metaphorisches Verständnis denkbar.21 Jedenfalls hat die Form als solche, die an eine metaphorische Ausdrucksweise erinnert, die Funktion, dem „Leser […] deutlich die grauenhafte Lage Achikars vor Augen“ zu führen.22 Die nächsten Abschnitte C/D (14,10f.g) und E/F (14,10h.i) veranschaulichen das Geschick der Protagonisten Achikar und Nadab durch eine doppelte Verwendung des Umkehrmotivs und kontrastschaffender Aussagen. Der mittlere Teil dieses Abschnittes ist durch die Opposition „φῶς – σκότος“, „Licht – Dunkelheit“, geprägt sowie durch die Verwendung der gegenläufigen Verben ἐξέρχομαι und εἰσέρχομαι. Der letzte Teil E/F (14,10h.i), der das Stichwort παγίς, „Schlinge“, ins Zentrum stellt, weist ebenfalls Verben mit divergierender Bewegungsrichtung aus.23 Somit findet hier der Gegensatz von Gut und Böse eine eindrückliche Demonstration.24 In jedem der einzelnen Teile wird das Geschehen durch einen weiteren Aspekt beleuchtet: C/D unterstreichen die Reziprozität des Geschehens, während E/F schließlich mit dem Verweis auf Achikars Barmherzigkeit den tieferen Grund für seine Rettung angeben. Dabei bewegen sich die Aussagen über das Vergehen an Achikar bzw. die Bestrafung Nadabs in ganz unterschiedlichen Bereichen. Während in A/B sowie C/D Vorstellungen aus dem Bereich des Begräbnisses bzw. von Gefangenschaft im Vordergrund stehen, erinnert die Rede von der Schlinge des Todes in E/F an den Tod durch Erhängen. Der Text selbst gibt keine eindeutige Auskunft über das konkrete Geschick Achikars bzw. Nadabs; es ist ganz generell zu erwägen, ob hier eine metaphorische Redeweise vorliegt. Die Struktur dieses Abschnittes mit den „Kontrastszenen – Erniedrigung Achikars und Erhöhung seines Adoptivsohnes einerseits und der später folgende grundlegende Positionstausch beider Personen andererseits“ – ist eine literarische Form, die „primär didaktisch-paränetischen Zwecken“ dient.25 Im vorliegenden Kontext unterstreicht sie den Wert der Barmherzigkeit und warnt vor unsozialem und undankbarem Verhalten, sodass insgesamt der Tun-Ergehen-Zusammenhang betont wird.26 Wie Armin SCHMITT deutlich macht, kann diese Stilform aber auch Ermuti20 So das Verständnis der meisten Ausleger, was auch die Gesamtstruktur des Textes nahelegt; siehe explizit auch LITTMAN, 158. Vgl. dagegen ZIMMERMANN, 123, der diese Wendung auf Nadab bezieht. 21 Siehe hierzu SCHMITT, Wende, 182, der darauf verweist, dass hier „auch der Kontakt mit der Todessphäre konnotativ anklingen“ könnte. 22 SCHMITT, Wende, 181. 23 Siehe die detaillierte Analyse des Abschnitts bei SCHMITT, Wende, 181–183; siehe ferner KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen; 369–371; WEIGL, Rettende Macht, 238f. 24 SCHMITT, Wende, 181. 25 SCHMITT, Wende, 183. 26 Vgl. hierzu u. a. DESELAERS, Buch Tobit, 47; MOORE, 294; NIEHR, Gestalt, 24; RABENAU, Studien, 24. Anders KOTTSIEPER, „Look, Son“, 149, der den Sinn der Erzählung vor allem darin sehen möchte, dass hier die Schlechtigkeit der Stadt Ninive belegt werden soll. Doch sollten diese verschiedenen Aspekte nicht gegeneinander ausgespielt werden; die Achikargeschichte konnte durchaus multifunktional eingesetzt werden. In der Figur des Nadab wird zunächst wirklich ein Beispiel für die Boshaftigkeit Ninives gegeben, dann aber erfolgt eine eindeutige Fokussierung auf den Gegensatz „Gut – Böse“ und auf die Ermahnung zu einem barmherzigen Leben.

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Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15)

gung und Trost beinhalten, da sie den Rezipienten verspricht, ihr integres Handeln werde allem äußeren Anschein zum Trotz schließlich belohnt.27 Am Ende zieht Tobit „in lehrhafter Manier“ das Fazit aus der Geschichte, indem die Macht der Barmherzigkeit der todbringenden Ungerechtigkeit gegenübergestellt und der Einzelfall verallgemeinert wird (14,11a).28 Der paränetische Ton und der appellative Charakter führen die moralische Lehre aus Tobits Geschichtsschau weiter (siehe 14,8.9). Die Achikarnotiz wird so ein „zwischengeschaltetes Exempel“, durch das der an dieser Stelle „genannte didaktisch-paränetische Vermerk […] Konkretisierung und Dynamik“ erfährt.29 14,11b.c Der Abschnitt schließt mit einer Notiz über Tobits Tod. Er wird ehrenvoll bestattet, und es ist anzunehmen, dass diese Handlung seinem Sohn Tobias zuzuschreiben ist. Alles erfüllt sich so, wie es der alte Tobit in seiner Abschiedsrede angeordnet 14,12–15 hat: Entsprechend der Weisung seines Vaters (siehe 4,3; 14,10) bestattet Tobias seine Mutter und verlässt dann Ninive, um in Medien bei der Familie Saras zu wohnen. Dort versorgt er seine Schwiegereltern und bestattet diese schließlich auch. Dies zeigt wiederum die große Bedeutung, die der Familie und familiären Strukturen innerhalb der Erzählung zukommt.30 Tobias stirbt im hohen Alter von 112 Jahren und erfährt vor seinem Tod noch vom Untergang Ninives. Vor dem Hintergrund der Geschichtsschau des Vaters bedeutet dieses Ereignis den Auftakt zur Erlösung seines Volkes, und die Erzählung endet mit Tobias’ Lobpreis. Durch diese exponierte Position kommt dem Motiv besondere Bedeutung zu. An dieser Stelle findet sich wieder eine Verbindung der Gottesbezeichnungen ὁ θεός und ὁ κύριος (in GII sonst nur noch in 4,21).31 Wenn Tobias ein so hohes Alter erreicht, könnte dies eine Belohnung für seine Treue zum göttlichen Gebot sein.32 Deutlich wird auf jeden Fall: Die Ereignisse, die zur Erlösung des gesamten Volkes führen, haben bereits begonnen, und die Rettung naht!

Buchinterne Bezüge Überblick Der Abschnitt bündelt zahlreiche zentrale Motive der Erzählung (so „Bestattung“,

„Heilung von Blindheit“, „Familie“, „Barmherzigkeitstaten“ (mit Bezug zu Achikar), „Lobpreis“, „Freude“ sowie „Exil vs. Jerusalem“. Außerdem wird in ihm wieder die geschichtstheologische Dimension der Erzählung sowie die Verbindung des Individuellen mit dem Kollektiven deutlich.33 Bestattung So wie sich Tobit um die ehrenvolle Bestattung seiner Brüder gekümmert hat (siehe 1,18–20; 2,3–8), wird nun auch er ehrenvoll bestattet. Gleichzeitig zeigt sich bei der Bestattung des Vaters und der Mutter (14,10.12) der Gehorsam Tobias’ 27 28 29 30 31

SCHMITT, Wende, 183. Siehe hierzu SCHMITT, Wende, 176. SCHMITT, Wende, 176. Zur Bedeutung der Familie siehe die Einleitung im Abschnitt „Wichtige Themen“. SCHÖPFLIN, Hellenisierung, 328. Zu den Gottesbezeichnungen siehe die Ausführungen im Abschnitt „Figuren der Handlung“ und „Textgeschichtliche Aspekte“. 32 SCHMITT, Wende, 177. 33 Zum Einzelnen siehe die Einleitung.

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gegenüber den Anweisungen seines Vaters (vgl. 4,3f.).34 Tobits Tod in einem hohen Alter, der Blick auf die folgenden Generationen und der Ausblick auf die Heilszeit bilden zudem ein Gegengewicht zu der insgesamt unsicheren und bedrohten Lebenssituation in der Diaspora.35 Die Erzählung kommt so zu einem harmonischen Abschluss, am Ende ist die Ordnung wiederhergestellt.36 Nun erfährt die Leserschaft, dass Tobit im Alter von 62 Jahren das Augenlicht verloren hat (14,2). Dies ist eine inhaltliche Ergänzung zur eigentliche Geschichte von Tobits Erblindung (2,9f.). Da dort davon die Rede war, dass Tobits Blindheit vier Jahre lang andauerte, lebte er also nach seiner Heilung noch fast fünfzig Jahre. Damit werden die Themen „Krankheit und Heilung“ sowie „Licht und Dunkelheit“ eingespielt. Das Thema „Familie“ klingt implizit an, insofern deutlich wird, dass Tobit bis ins hohe Alter im Kreise seiner Familie leben darf. Seine Weisung richtet sich an Sohn und Enkelkinder (14,8.9a). Tobias kümmert sich nach seinem Wegzug aus Ninive um seine alten Schwiegereltern in Ekbatana (14,12.13). Die Begriffe ἐλεημοσύνη (14,2.8.9.10.11; vgl. ἐλεέω in 14,5), δικαιοσύνη (14,7) und ἀλήθεια (14,7.8.9) nehmen die Aussagen zu Tobits Barmherzigkeitstaten vom Buchanfang (1,3 sowie in 1,17–18 bzw. 2,2–7) auf und knüpfen darüber hinaus auch an die Lebenslehre Tobits (4,5–6a.6b–11.16–17) sowie die Abschiedsrede des Engels (12,6–9) an. Damit zeigen sich Tobits Beständigkeit und sein Gehorsam gegenüber der Lehre des Engels. Nun ruft Tobit auch die „Kinder“ auf, nach diesen Werten zu handeln (14,8.9). Damit schlägt die Narration eine Brücke zwischen Vergangenheit und der erzählerischen Gegenwart und öffnet gleichzeitig den Blick auf die Zukunft; denn Tobits Worte können auch als Anrede an die Adressaten der Geschichte verstanden werden.37 Die Anweisung zum Tun der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit erscheint in direkter Verbindung mit der Aufforderung, „Gottes zu gedenken“. Damit wird das allgemeine Motiv des Gebotsgehorsams aufgenommen. Vorbild für das Gedenken Gottes ist Tobits Handeln im Exil und seine Distanzierung von den Speisen der Völker (siehe 1,10f.). Auch das Motiv des Lobpreises verbindet dieses Kapitel mit der Kernerzählung. Tobit selbst preist Gott bis zu seinem Tod (14,2). Damit befolgt er wieder das Gebot des Engels aus dessen Abschiedsrede (12,20; siehe 12,22; 13,1–18). Außerdem befiehlt er in seiner Rede auch den „Kindern“, den Namen Gottes zu preisen (14,8.9). Dies schafft eine Verbindung zur Lebenslehre des Vaters (siehe 4,19), zu der Rede des Engels (12,6f.11.17f.20) und zum früheren Lobaufruf in seinem Hymnus (13,6). Jetzt wird das Element des Lobpreises in die nächste Generation weitergetragen und erfährt so eine Verstetigung (siehe auch 13,11.18). Durch die unterschiedlichen Kontextualisierungen des Gotteslobs verbindet sich auch hier die individuelle Dimension mit der kollektiven. Tobits Nachkommen werden Teil des Chors des gesamten Volkes, der Gott rühmt und preist. Da sich auch die 34 35 36 37

SCHMITT, Wende, 177. SCHELLENBERG, Suspense, 320. COUSLAND, Comedy, 551. Siehe hierzu MIRGUET, History of Compassion, 127: „Pity and acts function as link between past and present, as they are personified in an ancestral figure but also are commanded to his descendants.“

Heilung

Familie

Barmherzigkeitstaten

Lobpreis

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Geschichtstheologische Implikationen

Freude

Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15)

Leserschaft durch die Anrede „Kinder“ angesprochen fühlen kann, entfaltet dieses Gebot Tobits auf der Ebene der Textpragmatik seine Strahlkraft bis in die unmittelbare Gegenwart der Rezipienten und weist sogar noch in die Zukunft. Zudem wird das Gotteslob nun generell in einen universalen Kontext gestellt. Waren es im Hymnus Tobits noch viele Völker, die den Gott Israels verehrten, so vereint sich Israel nun in der gemeinsamen Gotteserkenntnis und im Lobpreis mit allen Völkern (14,6f.)38 und Tobits Isolation ist nun definitiv überwunden.39 Über die Wendung „Gottes gedenken“ (14,7) wird am Ende des Buches auch die eschatologische Bedeutung eines dem göttlichen Willen entsprechenden Handelns deutlich. Dieser Aspekt steht in enger Verbindung mit dem Motiv des Neuen Jerusalem, insofern das „Gedenken Gottes“ die Vorbedingung für die Partizipation an der Freude in der neuen Stadt ist. Mit der Jerusalemmotivik eröffnen sich Linien zum Jerusalemhymnus (13,9–18). Im Gegensatz dazu spielt aber in Tobits Geschichtsausblick das Motiv der Umkehr als Voraussetzung für die Ereignisse der eschatologischen Zeit keine Rolle.40 Während im Hymnus das Motiv der Völkerwallfahrt nach Jerusalem erscheint (13,11), weiß die Geschichtsschau hier lediglich von der Umkehr der Völker, ohne Bezug zur Heiligen Stadt (14,6–7a). Über die Motive „Jerusalem“ und „Tempel“ wird auch ein Bogen zum Anfang des Buches und zum Motiv der regelmäßigen Jerusalemwallfahrten Tobits (1,6–8) geschlagen. Das Thema „Jerusalem“ umspannt somit die gesamte Geschichte.41 Allerdings findet nun am Ende der Erzählung eine deutliche Überbietung des Szenarios am Anfang des Buches statt, indem nicht ein Einzelner gegen die Gewohnheiten des ganzen Volkes nach Jerusalem pilgert (siehe 1,6), sondern das gesamte Volk in Jerusalem versammelt wird (14,7). Der Abschnitt greift auch die Thematik des Exils auf, das in der Erzählung mit dem Begriff der Gefangenschaft (αἰχμαλωσία) bzw. dem Symbolnamen „Ninive“ verbunden ist. In dieser Geschichtsschau, die für die Leserschaft ja de facto einen Rückblick darstellt, werden die traumatischen Ereignisse der Exilierung noch einmal vergegenwärtigt – nun allerdings in Verbindung mit dem babylonischen Exil. Dann aber soll sich das Blatt wenden und die Rollen werden getauscht, ist doch am Ende des Buches von der Gefangenschaft Ninives die Rede (14,15). Damit schließt sich der Kreis zum Anfang der Erzählung mit dem Motiv von der Exilierung nach Ninive (siehe 1,3). Auf diese Art und Weise wird eine weitere Rahmung um die gesamte Erzählung gelegt, die sogar den Anfang des Buches (1,1–3) mit seinem Schluss (14,15) zusammenbindet: „The reversed fates of Jerusalem and Niniveh symbolize the ultimate triumph of divine justice, as the captor becomes the captured and Jerusalem is restored.“42 Tobias’ Freude über den Untergang Ninives nimmt ein weiteres Leitmotiv der Erzählung auf (14,15). 38 Siehe RAUTENBERG, Verlässlichkeit des Wortes, 92. 39 Zu dieser Dynamik der Erzählung siehe die Interpretation der Erzählung durch RAUTENBERG, Verlässlichkeit des Wortes. 40 SÖLLNER, Jerusalem, 54. 41 Zum Jerusalem-Rahmen siehe ENGEL, Buch Tobit, 355, der von einer „fiktive(n) Diaspora-Erzählung mit jüdisch-jerusalemischer Orientierung“ spricht; vgl. EGO, Diaspora, 43; DIES., Heimat, 274. 42 DICK, Tales of Two Cities, 46.

Synchrone Analyse

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Die Achikar-Passage ist durch zahlreiche Verbindungslinien mit der gesamten Er- Achikar zählung verbunden. Durch das Motiv der Barmherzigkeitstaten wird die knappe Achikarerzählung eine Art Subplot, der den Wert von Barmherzigkeitstaten, der in der übrigen Erzählung sowohl narrativ (1,3.17f.; 2,2–8) als auch sentenzhaft (4,7–10.15f.; 12,8f.) formuliert wurde, unterstreicht.43 Achikars Fürsprache (1,22) und seine Versorgung (τρέφω) des blinden Tobit (2,10) sind Beispiele seiner Barmherzigkeitshaltung.44 Der Erzähler verbindet die solidarische Zuwendung Achikars zu Tobit (2,10) und zu seinem Neffen Nadab (14,10b) eng miteinander, indem er in beiden Fällen das Verb τρέφω bzw. ἐκτρέφω benutzt.45 Außerdem erinnert die „Licht/Dunkelheit“-Thematik an Tobits Erblindung und seine Heilung: Auch Tobit, der in seiner Blindheit gleichsam im Reich der Toten war (vgl. 5,10), wurde ja von seiner Blindheit geheilt. Damit wird das Geschick Achikars mit dem Tobits parallelisiert. Allerdings sind Plot und Subplot nicht deckungsgleich, da in der Haupterzählung die Thematik „Sünde und Strafe“ nur eine marginale Rolle spielt: Das einzige Individuum, das in der Erzählung für seine Schuld bestraft wird, ist Sanherib (vgl. 1,18 GII). Eine Warnung vor der Sünde findet sich in Tobits Abschiedsrede (4,5). Schließlich ist auch auf der kollektiven Ebene mehrmals von den Sünden der Väter (siehe 3,3) und von der Schuld des Volkes die Rede (vgl. 13,5f.). Somit verstärkt die knappe Achikargeschichte mit dem Motiv der Bestrafung der Sünde ein Motiv, das in der Erzählung selbst nicht so sehr im Vordergrund steht.46 Auch in diesem Kapitel werden individueller und kollektiver Aspekt eng ver- Individuum zahnt: So erinnert die Rede vom Schmerz (λύπη) des Tempels (ναός) an den und Kollektiv Schmerz Tobits (vgl. 3,6) bzw. Saras (vgl. 3,10). Damit wird das Schicksal der Protagonisten mit dem des Tempels in gewisser Weise parallelisiert, und sie können als Repräsentanten des Geschicks des Heiligtums gesehen werden. Dies wiederum bedeutet im Umkehrschluss, dass von der Wandlung der Trauer der Protagonisten (vgl. 7,17) auf die Wandlung des Schmerzes des Tempels geschlossen werden kann. So werden Tobit und Sara zum Symbol einer heilvollen Geschichte des Volkes.47 Tobits Hoffnung auf einen neuen Tempel rekurriert auf Tobits Wallfahrt, wo der 43 So u. a. DI LELLA, Tobit 14:10, 506; WEIGL, Rettende Macht, 238f. 44 Zu Achikars Barmherzigkeit siehe WEIGL, Rettende Macht, 236: „Was die pointierte Genealogie Achikars in 1,21b–22 begonnen hat, führen nun 14,10–11 zum Höhepunkt und Abschluss.“ Allerdings ergibt die Annahme des Autors, es gehe um den Aufweis, dass auch Menschen aus den Völkern durch Barmherzigkeitstaten in das Gottesvolk integriert werden können, nur wenig Sinn. Achikar wird von Anfang an als Jude vorgestellt, und man kann die traditionsgeschichtliche Verbindung dieser Figur mit dem Judentum nicht auf die Handlungsebene transponieren; siehe auch zu Tob 1,20. 45 WEIGL, Rettende Macht, 239. 46 Dieser Aspekt wurde in der Forschung bislang nicht deutlich herausgearbeitet. Die negative Seite der Achikar-Tobit-Erzählung wird zumeist so erklärt, dass die Undankbarkeit des Pflegesohnes Nadab erwähnt wird, „um ein Kontrastbild zur vorbildlichen Haltung des Tobitsohnes Tobias zu zeichnen, dessen untadeliges Benehmen gegenüber den Eltern das gesamte Buch bezeugt“ (SCHMITT, Wende, 177). SCHMITT verweist dazu auf Tob 4,1.20f.; 5,1; 6,10–19; 7,9–17; 9,3.8 und 14,9. Von einem „Anti-Nadin“ spricht auch NIEHR, Gestalt, 72; siehe auch MARINČIČ, The Grand Vizier, 57. 47 TOLONI, Echi omerici, 5–36, sieht im Motiv der Rückkehr eine weitere Verbindungslinie zwischen dem individuellen und dem kollektiven Aspekt der Erzählung.

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Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15)

Salomonische Tempel als ὁ ναὸς τῆς κατασκηνώσεως τοῦ θεοῦ („der Tempel der Wohnung Gottes“) bezeichnet werden konnte (1,4). Allerdings gibt es zwischen dem Tempel Salomos und dem neuen Tempel der Heilszeit fundamentale Unterschiede, insofern der Opferkult hier nicht mehr genannt wird, sondern Hymnus und Gotteslob im Zentrum des neuen Tempels stehen. Im Gegensatz zum alten, Salomonischen Tempel, der zumindest von den Naftaliten nicht beachtet wurde, wird der neue Tempel von allen Israeliten besucht. Somit impliziert das Geschichtsbild der Erzählung eine „restaurative Utopie“. Durch die zahlreichen Bezüge zum Rückblick Tobits am Anfang des Buches (1,4–8) entsteht eine Rahmung um die gesamte Erzählung, welche die zentralen theologischen Motive und Themen unterstreicht.

Diachrone Analyse 14,1b–2: Mit seinem hohen Alter ähnelt Tobit den Großen aus der Vorzeit der Geschichte Tobits hohes Israels: So wurde Joseph 110 Jahre (Gen 50,22) alt, ebenso Josua (Jos 24,29); Mose Alter wurde 120 Jahre alt (Dtn 31,2; 34,7), und Abraham starb sogar erst im Alter von

175 Jahren (Gen 25,7). Bei Hiob, der im Alter von 140 Jahren verstarb, wird zudem explizit darauf hingewiesen, dass er seine Kinder und Enkelkinder sah (Hiob 42,16).48 14,4–7: Der Geschichtsausblick Tobits mit den aufeinanderfolgenden Weltreichen Geschichts- stellt ein vaticinium ex eventu dar. Die Überlieferung partizipiert hier an einem schau Tobits Geschichtsmodell, wie es wohl bereits in persischer Zeit an verschiedenen Orten und Ausgestaltungen im Umlauf war und dann auf unterschiedliche Art und Weise kontextualisiert werden konnte. Ktesias (5./4. Jh. v. Chr.) hat die Reihenfolge „Assyrer, Meder und Perser“; Dan 2,31–44 impliziert die Abfolge Babylonier, Meder, Perser und Griechen, und TestNaph 5,8 (zwischen 200 und 174 v. Chr.49) schließlich kennt die Reihe „Assyrer, Meder, Perser, Chaldäer und Syrer“.50 Auffällig für Tobits Geschichtsschau ist, dass die Griechen nicht explizit erwähnt werden. Dies konnte als Beleg für eine Frühdatierung der Überlieferung dienen.51 Man könnte das Fehlen der griechischen Herrschaft aber auch als einen Versuch verstehen, die Bedrohung durch diese Macht zu marginalisieren.52 Der Abschnitt zeichnet sich durch 48 Zum Bezug zu Hiob siehe MACATANGAY, Bury Me Well, 78; PORTIER-YOUNG, Eyes to the Blind, 26. TROTTER, Developing Narrative, 455–461, verweist auf zahlreiche intertextuelle Bezüge zum Testament Hiobs. 49 Siehe BECKER, Testamente der Zwölf Patriarchen, 26 (Lit.). 50 Zum Ganzen siehe bereits HENGEL, Judentum und Hellenismus, 333f.; KRATZ, Translatio imperii, 217–222; LEBRAM, Weltreiche (alle mit weiterführenden Hinweisen). Da die griechische Herrschaft hier nicht erscheint, möchte LEBRAM diese Überlieferung in die Zeit um 300 v. Chr. datieren. 51 So LEBRAM, Weltreiche, 222, der für eine Datierung des Tobitbuches um 300 v. Chr. plädiert. 52 Vgl. zur Datierung BIBERGER, Unbefriedigende Gegenwart, 280f., der Tobits Schau als Gegenentwurf zum makkabäisch-hasmonäischen Geschichtsbild versteht, das den endzeitlichen Heilszustand durch den Einsatz politischer und militärischer Mittel zu erreichen versuchte und Simon als „Kulmination des Heils“ (vgl. 1 Makk 14,47) propagierte.

Diachrone Analyse

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ein dichtes Netz intertextueller Bezüge auf, wobei der Rekurs auf das Deuteronomium eine wichtige Rolle spielt.53 Die Anordnung Tobits an seinen Sohn, Ninive zu verlassen, wird durch die explizite Referenz auf die Botschaft des Propheten Nahum (Nah 3,7; siehe auch Nah 2,8–10; 3,8–19) und auf die Prophetie generell begründet. Vielleicht schwingt beim Bezug auf Nahum auch die Verbindung des Namens „Nahum“ mit ‫נחם‬, „trösten“, mit, einem Begriff, der wiederum in engem Bezug zu den exilischen Heilsweissagungen steht (vgl. Jes 40,1; 49,13; 51,3.12; 52,9; 61,2; 66,13; vgl. Jer 31,13; Sach 1,17).54 Die Rede von der Gültigkeit der Prophetie fügt sich in das dtn.-dtr. Konzept, wonach in den geschichtlichen Ereignissen die Bestätigung für die Wahrheit des Prophetenwortes liegt (vgl. 2 Kön 17,23; 24,2; vgl. ferner das Prophetengesetz in Dtn 18,9–22). Durch den Rekurs auf die Prophetie Nahums wird implizit auf den Untergang der assyrischen Hauptstadt Ninive im Jahre 612 v. Chr. verwiesen.55 Die Formulierungen zur Exilierung erinnern an Motive und Wendungen aus der Septuaginta bzw. der Hebräischen Bibel. – So erscheint διασκορπίζω auch sonst häufig im Gerichts- und Exilskontext (Dtn 30,1.3; Jer 9,15; 10,21; Ez 5,2.10; 12,15; 20,23.34.41; 22,15; 28,25; 46,18; Sach 2,2.4; Dan 9,7); dasselbe gilt auch für αἰχμαλωτίζω (siehe zu 1,2). Allerdings findet sich nirgends ein Beleg, der diese beiden Begriffe direkt miteinander verbindet. Der explizite Bezug zum Land ist auch sonst häufig belegt (z. B. Dtn 28,63; 29,27). – Die Rede vom „guten Land“ ist typisch für die Sprache des Deuteronomiums, wobei der engste Bezug zu Dtn 11,17 und Jos 23,13.16 besteht. Dort wird die Vertreibung aus dem „guten Land“, das Gott gegeben hat, als Strafe für die Sünden des Volkes verstanden.56 – „Samaria“ und „Jerusalem“ erscheinen auch in 2 Kön 21,13; Jes 10,11; Ez 23,4; Mi 1,1.5 in direkter Verbindung, wobei im Kontext auch von Israels Schuld die Rede ist. – Dass das Land zur Wüste wird, ist ein in der Unheilsprophetie häufig belegtes Motiv. Die hier vorliegende Formulierung mit ἔρημος erscheint im Gerichtskontext u. a. in Lev 26,33; Jes 1,7; 5,9; 6,11; 17,9; 24,12; 64,9; Jer 4,27; 12,10; Ez 33,28 u. ö. (vgl. Lev 26,32 „ἐξερημώσω“; 2 Chr 36,21 ἐρημώσις); weitere Belege finden sich in MT unter ‫ צוה ‚מדבר ‚שׁמה‬bzw. ‫ שׁממה‬sowie ‫חרב‬.57 – Die Rede vom Verbrennen (καίω) des Heiligtums hat Motiventsprechungen in Ps 73,7LXX („sie verbrennen [ἐνεπύρισαν ἐν πυρί] dein Heiligtum“; zitiert nach LXX.D); zum Begriff siehe auch Jer 39,29LXX; 41,2LXX; 44,8.10LXX (Verbrennen der Stadt).

53 DI LELLA, Farewell Discourse; siehe auch HOFMANN, Rezeption. 54 Zur Bedeutung der Prophetie Nahums für die Exilierten siehe auch BAUCKHAM, Anna, 179f. „Nahum“ ist als Personenname für die Zeit des Zweiten Tempels nur in der Diaspora belegt. 55 Siehe hierzu DIETRICH, Ninive in der Bibel, 242–247. 56 Vgl. als weitere Belege: Dtn 9,6: Israel hat das „gute Land“ nicht verdient; Dtn 1,35; 4,21f.: Verweigerung aufgrund der Sünden, in das „gute Land“, das Gott gegeben hat, einziehen zu dürfen; siehe auch Dtn 6,18; ferner: Ex 3,8: Verheißung des guten Landes; Dtn 3,25: Bitte, in das gute Land gehen zu dürfen; Dtn 8,7–9: Gabe des guten Landes durch Gott. 57 Vgl. KITTEL, Art. ἔρημος, 654–657.

14,4: Geschichtsschau und Prophetie

14,4: Exilierung

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14,5: Rückkehr und Wiederaufbau

14,6–7: Die Völker in der Heilszeit

Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15)

Abgesehen von diesen zahlreichen einzelnen Bezügen weckt das gesamte „Panorama“ Assoziationen an das chronistische Geschichtsbild vom „leeren Land“ (2 Chr 36,19–21). Die intertextuellen Bezüge des Abschnittes weisen zahlreiche Entsprechungen zur Heilsprophetie auf. – Gottes Erbarmen (ἐλεέω) und die Rückführung (ἐπιστρέφω) aus der Gola erscheint in dieser Begrifflichkeit auch in Jer 49,12LXX („καὶ δώσω ὑμῖν ἔλεος καὶ ἐλεήσω ὑμᾶς καὶ ἐπιστρέψω ὑμᾶς εἰς τὴν γῆν ὑμῶν“); zur Sache siehe auch Jes 14,1 (Erbarmen und Ins-Land-Setzen); 54,7f. (Erbarmen und Sammeln); 60,10 (Erbarmen und Erbauung Jerusalems); Jer 12,15 (Erbarmen und Ansiedeln); 30,18f. und Ps 102,14 (Erbarmen mit Zion). Zum Erbarmen Gottes im Kontext der Erlösung aus dem Exil generell siehe auch Jes 49,13; 52,9; Jer 33,26; Ez 39,25; Sach 10,6 u. ö.58 – ἐπιστρέφω im Kontext der Rückkehr in das Land ist auch in Dtn 31,20; Jer 12,15; Hos 3,5; 6,1; 12,7; 14,2.3; Esr 2,1 und Neh 7,6 belegt. Die Begriffe geben hebr. ‫ חסד‬bzw. ‫רחם‬59 und ‫ שׁוב‬hif.60 wieder; eine Verbindung von hebr. ‫ רחם‬und ‫ שׁוב‬hif. findet sich in Jer 12,15: „Wenn ich sie aber ausgerissen habe, will ich mich ihrer wieder erbarmen und will einen jeden in sein Erbteil und in sein Land zurückbringen“. Während das Motiv der Rückkehr der Exilierten mit der babylonischen Gola verbunden ist, erscheint in Jes 11,12; Jer 3,18; 30,3.10; Ez 37,21f.; Mi 2,12 die Vorstellung, ganz Israel werde Subjekt der künftigen Heimkehr ins Land sein. Eine umfassende Heilsperspektive für Juda und Israel formuliert darüber hinaus auch Jer 31,27; siehe auch Jer 31,31; 33,7.14. Da ἐπιστρέφω auch „umkehren“ bedeuten kann, klingt hier ein religiöser Aspekt an (vgl. Dtn 30,2.8; 1 Kön 8,44.47.48; Jes 31,6; 44,22; Jer 3,12; 4,1; 24,7; Joël 2,12f.; Am 4,6–11; Neh 1,9). – Die Rückkehr nach Jerusalem als Erfüllung der Prophetie formuliert Jes 44,26–28. – Die Hoffnung auf die Wiedererbauung des Jerusalemer Heiligtums ist integraler Bestandteil der eschatologischen Erwartung der nachexilischen Zeit (siehe bereits zu 13,10). – Erbarmen Gottes, Rückkehr und Erbauung Jerusalems und des Tempels erscheinen in Jer 37,18LXX. – Der Verweis auf die Unterlegenheit des Zweiten Tempels gegenüber seinem Vorgängerbau rekurriert auf Esr 3,12, wonach diejenigen, die noch den Salomonischen Tempel kannten, bei der Einweihung des neuen Heiligtums weinten. – Die Rede von der Erfüllung der Zeit erinnert an Daniel, insbesondere an Dan 12,7; siehe auch Dan 7,25; 8,14; 9,27; 12,1. Auch die Aussagen zur Zukunft der Völker sind innerbiblisch vernetzt: Die engste Parallele zur Umkehr der Völker findet sich in Ps 22,28 („Es werden gedenken und sich zu JHWH hinwenden aller Welt Enden und niederfallen vor dir alle Geschlechter der Völker“); aber auch zu Zef 2,11 liegt ein enger Bezug vor („und es sollen sich vor ihm niederwerfen und anbeten alle Inseln der Völker, ein jeder an seinem Ort“). Von der Umkehr der Ägypter ist in Jes 19,22 die Rede. 58 Zum dtn. Vorstellungshintergrund siehe STECK, Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten, 148. 59 Vgl. BULTMANN, Art. ἔλεος, 475–479. 60 Vgl. BERTRAM, Art. στρέφω, 714–725.

Diachrone Analyse

331

Das Motiv der Gottesfurcht der Völker klingt in Ps 33,8 an, wo es heißt, dass die ganze Erde JHWH fürchten soll; zur häufigen Wendung „Gott fürchten“ generell u. a. Ex 1,17.21; Dtn 4,10; 6,2.13.24; 8,6; 10,12.20; 31,12f.; Ps 55,20; 66,16; Spr 2,5; 3,7; 24,21). Daneben gibt es auch zahlreiche Belege mit κύριος. Die Aussage vom Verlassen der Götterbilder hat ihre engste Entsprechung in Jer 16,19LXX, wo es heißt: „Herr, meine Kraft und meine Hilfe […], zu dir werden Völker kommen vom Ende der Erde und werden sagen: ‚Wie Lügen erwarben sich unsere Väter Götzen, und es ist kein Nutzen in ihnen‘“ (zitiert nach LXX.D; Kursivierung i. O.); zur Sache siehe auch Jes 27,9; 30,22; 37,19 (Verlassen der Götterbilder in der Heilszeit; vgl. ferner Jes 2,18–20; Zef 2,11; Weish 14,11 mit anderer Begrifflichkeit). Zu verweisen ist auch auf äthHen 91,9: „Und alle (Götzen-)Bilder der Heiden werden hingegeben, (ihr) Tempel (oder: Turm) wird mit Feuer verbrannt, und man wird sie von der Erde wegschaffen […]“ (zitiert nach UHLIG, Das äthiopische Henochbuch, 706). Ganz allgemein von der Gotteserkenntnis der Völker ist in Sir 33[36],5 und Sir 36,22[19] die Rede.61 Der Lobpreis der Völker schließlich hat der Sache nach eine enge Entsprechung in Ps 96,7, wo ein Aufruf an die Völker erfolgt, Gott Ehre und Macht darzubringen; siehe auch Ps 7,8LXX: „Und die Versammlung der Völker wird dich umgeben, und über diese kehre zurück in die Höhe“ (zitiert nach LXX.D). Mit dem Verweis auf Abraham spielt der Erzähler die Tradition der Landverheißung und -gabe an die Väter ein. Dabei liegt der engste Bezug zu Dtn 12,10 vor, wo die Wendung vom „sicheren Wohnen“ mit dem Motiv vom Land Israel als Erbe verbunden ist. Durch diese intertextuelle Referenz wird deutlich, dass für den Erzähler die Verheißungen aus der Epoche der Landnahme erst in der künftigen Heilszeit definitiv erfüllt sein werden. Aber auch darüber hinaus verbindet der Vers mit einer Vielzahl von biblischen Belegen: ἐπισυνάγω findet sich in einem entsprechenden Kontext und mit Blick auf die Rückführung aus dem Exil in Ps 105,47LXX: „[…] sammle uns aus den Völkerschaften, dass wir deinen heiligen Namen preisen, uns in deinem Lob rühmen“ (zitiert nach LXX.D); vgl. Ps 146,2LXX: „Der Herr ist der, der Jerusalem aufbaut, und die Zerstreuungen Israels wird er zusammenführen“ (zitiert nach LXX.D); 2 Makk 2,18: „Denn wir hoffen auf Gott, dass er sich unser bald erbarmen und uns aus allem Land unter dem Himmel wieder zusammenführen wird an die heilige Stätte“ (zitiert nach LXX.D; siehe auch 2 Makk 1,27). Als Synonym, und häufiger belegt, fungiert συνάγω; vgl. Ez 28,25: Sammeln, Wohnen und Landgabe an Jakob; Jes 35,10LXX: „Und sie werden sich um des Herrn willen sammeln, zurückkehren und nach Sion kommen voller Freude […]“ (zitiert nach LXX.D; Kursivierung i. O.); vgl. ferner: Jes 11,12; 43,5; 49,5; 56,8; 60,4; Jer 38,8LXX; 39,37LXX; Ez 34,13; 37,21; Zef 3,20; siehe auch Bar 4,37. Die Motive vom sicheren Wohnen und von der Sammlung sind auch in Jer 32,37 und Ez 38,8 miteinander verbunden. Die Wendung κατοικέω μετὰ ἀσφαλείας („sicher wohnen“) ist außer in Dtn 12,10 (siehe oben zu „Israels Wohnen im Land“) auch in Lev 26,5 zu finden; vgl. ‫ ישׁב )ל(בטח‬u. a. in Lev 25,18; 1 Sam 12,11; Ez 28,26; 34,25.28; 39,26; Hos 2,20; Sach 14,11; Spr 1,33.

61 Zur eschatologischen Gotteserkenntnis der Völker siehe SÖLLNER, Jerusalem, 108.

Gottesfurcht

Götterbilder

Lobpreis

14,7: Israels Wohnen in seinem Land

Sammlung

In Sicherheit wohnen

332

Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15)

Land als Zum Land als Geschenk Gottes vgl. Dtn 1,8; 6,10; 30,20; 34,4. Geschenk Die Ausdrucksweise „Gott lieben“ entspricht dtn.-dtr. Diktion (siehe u. a. Dtn 14,7: Gott 6,5; 10,12; 11,1.13.22; 13,4; 19,9; Jos 22,5; 23,11). Ein enger Bezug liegt zu 1 Sam lieben 12,24LXX vor, wo es heißt: „Jedoch fürchtet den Herrn und dient ihm in Wahrheit

[„δουλεύσατε αὐτῷ ἐν ἀληθείᾳ“] und von ganzem Herzen, weil ihr gesehen habt, was er Großes unter euch getan hat“ (zitiert nach LXX.D, Kursivierungen i. O.). In Ps 86,11 bittet der Beter darum, dass Gott ihm den Weg weise, sodass er in seiner Wahrheit wandeln kann. Wenn der Geschichtsrückblick Tobits auch in einem hohen Maße aus der TraFrühjüdischer Kontext dition schöpft, ist er doch durchaus innovativ. Die Zusammenstellung so vieler biblischer Texte und Motive und die Schaffung einer Synthese verlangt erhebliche Kreativität. Dabei bezieht der Verfasser die prophetischen Heilsweissagungen nicht auf die Rückführung aus der babylonischen Gola und auf die Erbauung des Zweiten Tempels, sondern auf die Heimkehr aller Exilierten und auf die Erbauung eines neuen, eschatologischen Tempels.62 Daraus kann auf eine implizite Kritik am bestehenden Tempel geschlossen werden; der Text blickt somit auf den „Dritten Tempel“, der den Zweiten eindeutig überbietet. Eine strukturierte Geschichtsschau in Verbindung mit der Erwartung eines neuen Tempels findet sich auch in der Zehnwochenapokalypse (äthHen 93,1–10; 91,12–17)63 und in der Tierapokalypse (siehe hierzu bereits zu 13,10: „Wiedererbauung des Tempels“ im Abschnitt „Diachrone Analyse“). Auch die Zehnwochenapokalypse kennt keine Völkerwallfahrt für die Heilszeit; der Visionär blickt vielmehr in der neunten Woche der Geschichte im Anschluss an das Gericht auf eine Zeit, in der „alle Menschen […] nach dem Weg der Rechtschaffenheit schauen“ (äthHen 91,14). Die Kürze, in der die Achikargeschichte eingespielt wird, zeigt, dass bei der 14,10: Achikar Leserschaft das Wissen um diesen Stoff vorausgesetzt werden konnte (zur Achikarüberlieferung allgemein siehe zu 1,20). Da aber die Vorlage des Erzählers nicht bekannt ist, können hier nur einige allgemeine Grundlinien angedeutet werden. Offensichtlich findet eine Fokussierung auf die paränetischen Zwecke der Erzählung statt, indem Achikar als Exempel für die Barmherzigkeits-Paränese und Nadab als Beispiel für die Schlechtigkeit Ninives benutzt und zugleich die Gültigkeit des Tun-Ergehen-Zusammenhangs betont wird. „Der Aspekt des ‚Weisen‘, der seinem ‚Sohn‘ die Summe seiner Weisheit mitteilt, ist hingegen völlig auf die Gestalt des alten Tobit mit seiner ebenfalls doppelten Belehrung übertragen worden […]. Man konnte nicht gut neben dem weisen Tobit, der […] schließlich der Hauptheld ist, einen Achikar in seiner unvermindert weisheitlichen Grösse darstellen, ohne der eigenen Weisheitsrede ein Gewichtiges an Anspruch abzuschreiben.“64 Auch das konkrete Handeln Achikars an Nabusumiskun, dessen Dankbarkeit ihm später das Leben rettet, spielt nun keine Rolle mehr; vielmehr stehen Achikars Barmher62 Vor diesem Hintergrund ist es nicht angemessen, die intertextuellen Bezüge als Beleg für einen eschatologischen Konservatismus zu deuten (so DESILVA, Introducing, 80; siehe auch HICKS-KEETON, Already / Not Yet, 99); wichtig ist vielmehr die Neukontextualisierung der Belege. 63 Auf die Nähe des Textes zur Wochenapokalypse verweist NICKELSBURG, Search, 344; DERS., Tobit and Enoch, 60f.66; DERS., Wisdom and Apocalytism, 23. 64 KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen, 373f.

Synthese

333

zigkeitstaten an Tobit im Vordergrund, und die göttliche Instanz sorgt für Gerechtigkeit.65 Des Weiteren zeigen sich interessante Verbindungslinien zur syrischen Achikar-Tradition. Während aramAch nur erzählt, dass Achikar im Haus des zur Hinrichtung beorderten Nabusumiskun versteckt und dort versorgt wird, nennt syrAch ein enges Erdloch (syrAch 13,1) in Achikars eigenem Haus (syrAch 15,1), das ihm als Zufluchtsort dient und wo er nur Wasser und Brot erhält, bis er fast umkommt. Sicherlich ist es denkbar, solche Traditionen als Basis für die Achikarreferenz zu sehen.66 Es wäre aber auch durchaus möglich, dass die spätere syrische Überlieferung auf einer narrativen Ausgestaltung dieses Elementes basiert (u. U. vermittelt im Kontext einer breiteren Bezeugung, die uns heute nicht mehr vorliegt). Der bildliche Ausdruck vom „Hinuntergehen in die Erde“ wird in syrAch somit wörtlich verstanden und als Erdloch konkretisiert; dementsprechend wird auch das Hinaufgehen gedeutet, „und gerät dann zu einem theatralischen, an Dan 4,30 erinnernden ‚Hervorgang‘ des verwilderten Achikar ans Tageslicht (syrAch 20,1–21,2).“67 Schließlich erinnert die didaktische Erzählweise an Sprüche aus der syrischen Achikar-Überlieferung. So schließt syrAch mit den Worten „Thereat Nadan swelled up like a bag and died. And to him that doeth good, what is good shall be recompensed: and to him that doeth evil, what is evil shall be rewarded. And he that diggeth a pit for his neighbour, filleth it with his own stature“ (zitiert nach CONYBEARE, Story of Aḥiḳar 127).68 Wie generell in der Erzählung spielt der Aspekt der Weisheitslehre Achikars keine Rolle mehr; dagegen wird das Tun der Barmherzigkeit betont. „Damit ist auch ein Gegenakzent zur außerbiblischen Achikar-Tradition gesetzt, in der den Helden seine Weisheit rettet. Das rettende Potential der guten Tat übersteigt so die Bedeutung praktischer Weisheit.“69

Synthese Das Buch schließt mit einem Epilog, in dem von den letzten Worten Tobits und seinem Tod berichtet wird, sowie mit einem Ausblick auf das weitere Leben des Tobias bis zu dessen Tod. Tobit erreicht ein biblisches Alter von 112 Jahren. Mit der Notiz, dass er barmherzige Taten wirkte und fortfuhr, Gott zu preisen, greift der Erzähler wieder die Leitmotive „Barmherzigkeit“ und „Lobpreis“ auf und zeigt damit, dass Tobit auch nach seiner Heilung an seinen Werten festhält und zudem 65 KÜCHLER, Frühjüdische Weisheitstraditionen, 373f. 66 In diesem Sinn SCHMITT, Wende, 181f.: „Speziell die Wendung καταφέρω εἰς τὴν γῆν kann sich auf das Erdloch beziehen, das Achikar gezwungenermaßen aufsuchen mußte, um zu überleben“; so auch LITTMAN, 158; MOORE, 293; WEIGL, Rettende Macht, 240, Anm. 65. 67 So verstehe ich die Ausführungen KÜCHLERs, Frühjüdische Weisheitstraditionen, 377f. KÜCHLER widerspricht der These von HALÉVY, der aus den orientalischen Versionen „Kinder der jüdischen Legende“ machen wollte; zum Ganzen siehe HALÉVY, Tobie et Akhiakhar. 68 Zu diesen Bezügen siehe auch MARINČIČ, The Grand Vizier, 57. 69 WEIGL, Rettende Macht, 240, Anm. 64, mit Verweis auf ENGEL, Auf zuverlässigen Wegen, 98, Anm. 53.

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Der Epilog: Tobits Vermächtnis und seine Lebenserfüllung (14,1b–15)

die Lehre des Engels aus dessen Abschiedsrede beherzigt (vgl. 12,6–20). Tobits Tod im hohen Alter, seine zahlreiche Nachkommenschaft und sein ehrenvolles Begräbnis bestätigen die Gültigkeit des Tun-Ergehen-Zusammenhangs und stärken die Einsicht, dass ein Leben in Gerechtigkeit und Barmherzigkeit von Gott – trotz aller Anfechtung – schließlich doch belohnt wird. So findet sich hier ein Gegengewicht zu der insgesamt unsicheren und bedrohten Lebenssituation in der Diaspora, und die Erzählung kommt zu einem harmonischen Abschluss, bei dem die Ordnung wiederhergestellt ist. Wenn Tobit seinen Sohn auffordert, seinen Kindern aufzuerlegen, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zu tun, Gottes zu gedenken, seinen Namen zu aller Zeit in Wahrheit und mit ganzer Kraft zu preisen (vgl. 14,10), liegt darin eine Bündelung der Leitwörter der Erzählung, und Tobit wirkt als Lehrer, der seine Lebensmaximen an die folgenden Generationen weitergibt. Zugleich verfolgt dieser Abschnitt eine geschichtstheologische Thematik, insofern Tobit hier – wiederum in einer testamentartigen Rede – eine prophetische Geschichtsschau bietet, in der er Israels Konfrontation mit der Übermacht der Weltreiche und seine Erlösung vorhersagt (14,4–7). Eine aus mehreren Etappen bestehende Geschichtsschau, die u. a. von der Zerstörung des Jerusalemer Tempels und der judäischen Gola spricht, nimmt die Ereignisse der Volksgeschichte aus mehr als drei Jahrhunderten auf, zielt aber auf die eschatologische Heilswende, die von den Propheten verheißen wurde. Mit der Perserherrschaft und der Rückkehr der judäischen Gola ist eine Geschichtswende eingeleitet, die allerdings noch nicht mit der endgültigen Heilszeit identisch ist. Der Tempel, der in dieser Zeit erbaut wird, ist noch defizitär, und erst die nachfolgende Epoche ist als die tatsächliche Heilszeit zu verstehen (14,5d–7), insofern nun alle Exilierten (d. h. also auch die Nordreich-Gola, zu der Tobit gehört) ins Land zurückkehren werden und damit die Wiedervereinigung des ganzen Volkes stattfindet. Eine Datierung der Geschichtsschau Tobits ist wegen der zahlreichen intertextuellen Bezüge und der unterschiedlichen Vorstellungen schwierig. Das Schweigen über die Herrschaft der Griechen sowie die Rezeption des Motivs von der Abfolge der Weltreiche, das bereits in der Perserzeit belegt ist, könnte ein hohes Alter der Überlieferung vermuten lassen. Andere Elemente jedoch – so die Vorstellung vom Ende der Zeiten oder der Erwartung eines „Dritten Tempels“, aber auch das Fehlen einer aggressiven Haltung gegenüber der Völkerwelt – machen es wahrscheinlicher, dass die Überlieferung im Nachhall auf die Makkabäerkrise entstand. Möchte man dennoch eine vormakkabäische Entstehung annehmen, so würde dieser klar gegliederte geschichtstheologische Entwurf, der auf die Heilszeit mit dem neuen Tempel und dem neuen Jerusalem sowie einer versöhnten Völkerwelt hinführt, im Rahmen der israelitischen Theologiegeschichte ein Novum darstellen. Tobits Hoffnung auf einen neuen Tempel erinnert buchintern an die Erwähnung des Salomomischen Tempels am Anfang des Buches (1,4). Während dort aber nur einige wenige der Nordreichbewohner nach Jerusalem pilgerten, erscheint der Tempel hier nun als Ort, an dem sich ganz Israel versammeln wird. Vergangenheit und Zukunft unterscheiden sich somit durch die universelle Bedeutung des Tempels. Damit lässt sich das Geschichtsbild der Erzählung als eine „restaurative Utopie“ bestimmen.

Synthese

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Wie schon der Hymnus Tobits (13,1–18) so enthält auch dieser Abschnitt zahlreiche intertextuelle Bezüge zu anderen biblischen Überlieferungen und Traditionen. Dabei kommt dem Rekurs auf die Exils- und Heilsprophetie sowie auf die dtn.dtr. Tradition eine besondere Bedeutung zu, ohne dass hier eindeutige und klare Zitierungen nachgewiesen werden können. Im Gegensatz zum Hymnus Tobits (13,1–18) steht aber nicht der Tun-Ergehen-Zusammenhang und die Betonung der Buße im Vordergrund, sondern der Rekurs auf die göttlichen Verheißungen. Die traditionelle Hoffnung auf einen neuen Tempel bekommt hier insofern ein ganz eigenes Gepräge, als sie eine klare Tempelkritik impliziert und sie zudem in ein festes Geschichtsthema eingebunden ist. Durch den Rekurs auf den Achikarstoff betont der Erzähler zudem den ethisch-didaktischen Aspekt der Geschichte. In diesem Kapitel findet sich wieder eine enge Verzahnung des individuellen mit dem kollektiven Aspekt, insofern der Schmerz (λύπη) des Tempels Assoziationen an den Schmerz Tobits (vgl. 3,6) bzw. an den Schmerz Saras (vgl. 3,10) weckt. Vor diesem Hintergrund können diese beiden Erzählfiguren als Repräsentanten des Geschicks des Heiligtums verstanden werden. Im Umkehrschluss lässt sich dann wiederum von der Wandlung der Trauer der Protagonisten (vgl. 7,17) auf die Wandlung der Schmerzes des Tempels schließen und die beiden Protagonisten bilden das Symbol einer heilvollen Geschichte des Volkes. Schließlich wird auch das Motiv der Zerstörung Ninives, das den Auftakt zu den geschichtlichen Ereignissen in Tobits Geschichtsschau bildet, am Ende des Buches nochmals eingespielt, indem erzählt wird, dass Tobias noch vor seinem Tod von der Zerstörung Ninives hörte. Tobias, Tobits Sohn, wird zum Zeugen der Zerstörung Ninives, womit Gottes eschatologisches Handeln, das Gegenstand von Tobits Geschichtsrückblick (14,4–7) war, bereits seinen Anfang genommen hat. Auch wenn bis zur Heilszeit mit der Erbauung des eschatologischen Tempels und der Rückkehr aller Exilierten noch Jahrhunderte vergehen mögen – der erste Schritt auf dem Weg in die Zeit der Rettung und Erlösung ist getan, das heißt: Die Rückkehr aller Exilierten nach Jerusalem und die universale Anbetung des Gottes Israels durch die Völker ist in greifbare Nähe gerückt. Die Erzählung präsentiert sich so als ein geschichtstheologischer Diskurs, welcher der Übermacht fremder Herrschaft das Hoffnungsbild der Rückkehr ganz Israels aus der Gola und eines sicheren Lebens im Land mit seinem Tempel entgegensetzt. Damit schließt sich der Kreis zum Auftakt des Buches und eröffnet Hoffnung angesichts der Bedrückung Israels durch die Weltmächte.

Anhang Abkürzungen1 Allgemein i. O. ibid. (Lit.) TA vs. Ms. / Mss.

im Original ebenda (lat. ibidem) mit weiteren wichtigen Literaturhinweisen Textanmerkung gegen (lat. versus) Manuskript / Manuskripte

Textversionen und Übersetzungen der Tobitüberlieferung Ar G GI, GII, GIII HF HG HL HM OhQ LXX.D Vg. VL

aramäische Version; mittelalterlich (ed. Neubauer 1878; nach Bodleian Hebrew Ms. 2339). griechischer Text (bzw. die Gesamtheit der griechischen Varianten) griechische Textvarianten Hebraeus Fagius (1542; nach Ms. Konstantinopel 1519) Hebraeus Gaster (ed. Gaster 1897, nach einem verloren gegangenen Manuskript aus dem 15. Jh. von Gaster selbst erstellt [Codex Or. Gaster 28]) Hebraeus Londini (ed. Gaster 1897; nach dem Ms. der British Library, Add. 11639, 13. Jh.) Hebraeus Münster (1542; basierend auf Ms. Konstantinopel 1516) Ozar ha-Qodesch (Druck Lemberg 1851, Manuskript unbekannt) Septuaginta Deutsch, hg. von Wolfgang KRAUS und Martin KARRER Vulgata Vetus Latina

Weitere Quellen aramAch armenAch BIN Ḥev/Se pap IGI JBA

1

aramäische Achikarüberlieferung armenischer Achikar Babylonian Inscriptions in the Collections of J. B. Nies Funde aus Naḥal Ḥever (DJD XXVII) Papyrus Niniveh medical composition on Sick Eyes „Jewish Babylonian Aramaic“; Bezeichnung einer Gruppe von Zauberschalen aus der Sammlung „Schøyen“

Soweit nicht geläufig bzw. über das Verzeichnis „Abkürzungen Theologie und Religionswissenschaften nach RGG4, Redaktion der RGG4 (ed.), UTB 2868, Tübingen: Mohr Siebeck, 2007“ hinausgehend.

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Anhang

Kyr M

Buch der Kyraniden „Mousaieff“; Bezeichnung einer Gruppe von Zauberschalen aus der Sammlung „Mousaieff“ syrischer Achikar Udug-Hul-Beschwörungen Utukku-Lemnutu-Beschwörungen

syrAch UH UL

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2

Kommentare zu Tobit werden nur mit dem Namen des Autors und ohne Titel angegeben. Eine Auflistung weiterer Kommentarwerke findet sich bei FITZMYER, 62–67.

340

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369

Register

Register Verzeichnis griechischer Wörter αἰχμαλωσία 27, 128, 326 αἰχμαλωτεύω / αἰχμαλωτίζω 27, 80, 304, 329 ἀλήθεια 29, 94, 109, 127–130, 160, 169, 176, 235, 296, 321, 325 ἀπάντημα 32 ἀρχιοινοχόος 101, 119 βαδίζω 182, 233 βασιλεία 256, 276, 295 βίβλος λόγων 73–74 βίβλος Μωυσέως 34, 206 βουλή 164 γάμος 247, 252, 269 γένος 80, 99, 185–186 δεσπότης 138, 143 δέω 33 διασκορπίζω 28, 128, 319, 329 δικαιοσύνη 29–30, 94–95, 106, 110, 130, 132, 160–161, 176, 276, 321, 325 διοίκησις 119 διοικητής 101, 119 δῶρον 162, 170 ἐγχρίω 33, 259, 264 ἐγώ εἰμι 284 ἐκλογιστής / ἐκλογιστία 101, 119 ἐλεέω 25, 30, 54, 263, 267, 294–295, 300, 312, 325, 330 ἐλεημοποιός 249 ἐλεημοσύνη 29–30, 94–95, 106, 130–132, 161, 169, 176, 220, 276–277, 281, 283, 312, 325 ἔλεος 127 ἐμπλάσσω 33, 262, 264 ἐμφυσάω 33, 264 ἐντολή 28, 36, 97, 108, 114, 128 ἐξομολογέω 272, 275, 282

ἐπιβλέπω 108, 127–128 ἐπιστρέφω 296, 304, 320–321, 330 ἔρημος 319, 329 εὐλογέω 137, 249, 263, 272, 282 εὐοδόω / συνοδεύω 31, 167, 169, 182, 194, 197 θεραπεύω 32, 104, 125, 147 ἰάομαι 32–33, 105, 146–147, 150 ἰατρός 33 Ἱεροσόλυμα / Ιεροσαλήμ 96, 111 λύπη 54–55, 136, 319, 327, 335 λύω / ἀπολύω / ἐκλύω 33, 109, 129, 138, 146–147, 149 μαστιγόω 25, 54, 263, 267, 294–295, 297, 300, 303 μόλυνω 138 νόμος 28, 36, 45, 97, 114 οἶκος αἰῶνος 129 οἰκοδομέω 305, 320 οἰνοχόος 119 ὀνειδισμός 128, 132, 135, 137–139, 144 παιδεία / παιδεύω 173, 267, 303 πατριά 34, 80, 97, 186 πορνεία 163, 235 πρόσταγμα 28, 97, 114 σπέρμα 80, 163 τὸ φῶς τοῦ θεοῦ 147 τόπος αἰώνιος 109, 129 ὑμνέω 272 ὑπερηφανία 164 ὑψόω 175 φάρμακον 32, 57, 199–200, 204, 259 φυλή 80, 185–186 χαρά / χαίρω 37, 185, 191, 261 χειρόγραφον 179

Verzeichnis außerbiblischer Quellen (in Auswahl) Alter Orient – Persische Quellen Pahlavi Widēwdād Pahlavi Widēwdād Pahlavi Widēwdād Pahlavi Widēwdād Tištar Yašt 8 244

8.79f. 241 20 211 21.6A 241 22.2C 241

– Sonstiges Enuma Elisch I, 73 244 Enuma Elisch IV, 124.125 244 Lachischbrief III, II, 19–21 77 Lachischbrief V, II, 7–10) 77 Udug-Hul- und Utukku-Lemnutu-Beschwörungen 239–240, 242, 244

370 Antikes Judentum – Flavius Josephus Ant. IV, 8, 22 [240] 114 Ant. VI, 8, 2 [166–168] 242 Ant. VIII, 2, 5 [47] 242 Ant. XII, 4, 2–11 [160–236] 78 Ant. XII, 5, 1 [237–241] 78 Ant. XII, 9, 1 [354] 126 Ant. XIII, 5, 6f. [154–162] 81 Ant. XIII, 11, 3 [318] 83 Bell. I, 28, 3 [559] 227 Bell. II, 8, 13 [160f.] 244 Contra Apionem I, 8 [38] 66 – Henochliteratur äthHen 6–16 195 äthHen 6–11 49, 142, 211, 216, 243 äthHen 7,1.2 239 äthHen 8,1–3 239 äthHen 8,3 211 äthHen 9,1 79, 283, 285 äthHen 9,2 – 11,2 283 äthHen 10,4–22 239 äthHen 10,4–6 243 äthHen 11–16 49 äthHen 14,13f. 285 äthHen 14,22 285 äthHen 18,6–8 310 äthHen 20,1–7 285 äthHen 20,3 79 äthHen 20,4 79 äthHen 20,5 285 äthHen 20,7 285 äthHen 22,4 79 äthHen 22,14 281 äthHen 23,4 79 äthHen 36,4 281 äthHen 39,12f. 285 äthHen 40,1 285 äthHen 40,2f.9 285 äthHen 40,8 286 äthHen 40,9 150, 285 äthHen 40,9f. 285 äthHen 47,3 285 äthHen 60,2 285 äthHen 71,1–5 310 äthHen 71,2 310 äthHen 71,7f. 285 äthHen 81,5 285 äthHen 81,6 286 äthHen 82,1 286 äthHen 87,2f. 285 äthHen 89,36 307

Anhang äthHen 89,72f. 307 äthHen 89,73 307 äthHen 89,74–90,13 307 äthHen 90,14–19 307 äthHen 90,20–27 307 äthHen 90,21 285 äthHen 90,28–35 307 äthHen 91,9 331 äthHen 91,12–17 306, 332 äthHen 91,13 306 äthHen 91,14 332 äthHen 93,1–10 306, 332 äthHen 93,7 306 äthHen 93,8f. 306 grHen 20,7 285 – Josef und Asenet 4,11 127 12,14 303 16,9 285 21 226 21,2 226 21,3 214 21,4f. 227 21,5–7 228 21,8 267 – Jubiläenbuch 1,17.27–29 306 4,15.27.33 171 4,33 172 6,15–19 121 10,1–14 195 10,10.12–13 211 10,10–13 239 12,9 171 13,25 112–113 16,29 214 19,10 171 22,16 115 22,17 173 23,9–32 306 25,1–10 171 27 171 27,13–18 196 27,14–18 196 30,7 213 32,8.11 113 32,9 113 32,10–11 113 32,15 214 – Philo Spec. I,131–144 113 Spec. III,65–71 226

371

Register – Psalmen Salomos 3,4 267 7,8–10 267 10,1–3 267 11 302 11,1–3 304 11,2–7 307 11,7 305, 310 11,8 309 13,7–10 267 17,5–8 304 17,15 304 17,20 304 17,26 307 17,30f. 310 18,4–7 267 – Rabbinica bBB 14b 66 bGit 68a/b par 142 bPes 110a 142 mBB 10,4 228 mQid 3,7–9 228 pQid 1,2 [59a] 43–48 228 pYev 15,3 [14d] 227 tKet 4,9 227 tQid 4,10f. 228 – Sonstige jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit ApkAbr 11,2 310 Arist 43 173 Arist 207 173 Epistel Jeremias 26 164 Gebet Manasses 8–10.12 128 griechBar 7,1–7 307 griechBar 11,4–9 283 LibAnt 25,12 299 Pseudo-Menander 16 168 Pseudo-Phokylides 23 171 Pseudo-Phokylides 109–115 129 4 Esr 10,39 309 4 Esra 13,39–50 307 – Testamentenliteratur TestAbr A 4,9–11 285 TestHiob 12,4 172 TestJud 24,2 303 TestLev 5,5 266 TestLev 13,5 170 TestNaph 1,9 115 TestNaph 5,8 328 TestSeb 5,3 173 – Textfunde vom Toten Meer ApZion Z. 1.2.13 309

ApZion Z. 3 309 ApZion Z. 4 308–309 ApZion Z. 4f.15 310 ApZion Z. 5 310 ApZion Z. 7 308 ApZion Z. 8 309 CD XIV 12–17 110 1QGenApocr 5,29 74 1QGenApocr 6,3 109 1QGenApocr 20,2–9 212, 215 1QGenApocr 20,28–29 242 1QTa 60,6–7 113 4QFlorilegium 305–306 4QMMT [4Q394 8iv 13] 112 4Q215 1i 1 114 4Q242 238 4Q251 9 1–6 113 4Q251 10 9 112 4Q270 2ii 7–9 113 4Q270 2ii 8–9 113 4Q285 1a–b 3f. 266 4Q365a 2i 2–4 113 4Q390 2i 5 115 4Q394 8iv 13 113 4Q396 1–2iii 3 112 4Q397 6–13 5 113 4Q414 2ii 1–5 122 4Q434–438 310 4Q444 142 4Q510–511 242 4Q524 6–10 112 4Q543 1 5–6 172 4Q544 1 10 286 4Q554 2ii 15 310 4Q560 242 11QPsa 27,9f. 210 11Q11 142 11Q14 1ii 3f. 266 11Q19 XVII–XX 113 11Q19 LVII,15–17 172 11Q19 LX,2–3 113 11Q19 XLIII,2–17 113 11Q19 XLIX,17–20 122 – Zauberschalen JBA 26:3–5 142 JBA 48:10 142 JBA 49:4.9 142 JBA 58:15 142 M 50:7 150 M 102:11 150 M 103:2 150 M 142:10 150

372

Anhang

M 155:1f. 150 M 155:7 150 M 156:2f. 150 M 156:4,11 150 Pagane griechische Literatur – Aischylos Prometheus, 442–482 211 – Herodot I,96–98 141 III,142 173 V,52–54 202 – Homer Il. 24,333–338 195 Il. 24,360 195 Il. 24,397f. 195 Il. 24,563–565 195 Il. 24,673–679 195 Il. 24,694 195 Od. 16.10–14 208 – Sophokles Ant. 362f. 212 Patristische Quellen / Alte Kirche – Athanasius, in Apol. c. Arian 11 (PG 25,268) 69 – Clemens von Alexandria, Stromateis 6,12 § 102,1–2 69 – Justin, Iust. dial. 85,3 243 – Oden Salomos 7,26; 8,52; 14,34–38 143 – Origenes, De oratione 14,4 (GCS Origenes 2,331,27–232,17) 69

– Origenes, Homilia in Numeros 14,2 (GCS Origenes 7,125,2–6) 69 Sonstige Quellen – Achikartexte aramAch 1,2.12 120 aramAch 1,3 120 aramAch 17,7f. 126 syrAch 2,35.38 (A) 208 syrAch 12 174 syrAch 13 (B) 174 syrAch 13 (C) 174 syrAch 13,1 333 syrAch 15,1 333 syrAch 20,1–21,2 333 – Kyraniden IV 9,5f.; 13,3f.; 23,2 266 – Papyri und Urkunden Ḥev/Se 69 pap gr 228 Herakleopolis-Urkunde Cowey / Maresch Nr. 4 228 Muraba‛ât 20 ar. Z. 3 227 Naḥal Ḥever Pap. Yadin 10 Z. 4f. 227 Pap. Cowley 15 Z. 3 226 Pap. Kraeling 2 Z. 3 226 Pap. Kraeling 7 Z. 3 226 Pap. Kraeling 14 Z. 3 226 Pap. Yadin 18 228 Papyrus Ebers 347.360.382.402–406 124 Papyrus Ebers 360 266 Papyrus Ebers 405 266 Zenon-Papyrus Inv. 2358 77 – Testament Salomos 5,7–10 142

Schlagwortverzeichnis3 Abgaben am Tempel / Zehnte 45, 112–113 Abraham 35, 171, 212, 226, 237 Abraham und Sara 169 Abschiedsrede – des Engels 281 – Tobits 158, 318, 327 Abstammung 186–187 Achikar 49–50, 105–106, 118–120, 131–132, 322–324, 327, 332–333, 335 Adam und Eva 235 Adapa 211 Ahura Mazda 211 Alexander der Große 141

3

Alkoholgenuss 155 Angelologie 48, 57, 62, 65, 151, 185, 197, 211, 215, 287 Angeloophthie 273–274, 276–277, 279–281, 284–287 Angesicht Gottes 304 Antigone-Mythos 117 Antike Übersetzungen 18 aramäisch 13, 15, 17–19, 43–44, 48, 63, 66, 126, 210, 214, 243 Armenzehnte 112 Armut / Arme 29, 97, 99, 102, 110, 116, 121 Arznei 33, 204–205, 215

Durchgängige Themen wie Almosen, Engel, Exil usw. wurden nicht vollständig aufgeführt; siehe hierzu die Einleitung unter „Wichtige Themen“.

Register Ärzte 31–33, 104, 124–125, 132, 146–147, 204, 264, 268 Ashmadaeva 50–51 Asklepios / Asklepios-Kult 150, 208–209, 211 Asmodäus / Aschmodai 27 Assyrer(herrschaft) 53, 73, 80, 82–83, 96, 101, 111, 115–116, 118, 265, 319 Augenerkrankung 103, 123, 262 Augenheilkunde 49, 52, 210, 215 Augensalbe 32–33, 57, 205 Babylonische Heiltexte 50 Babylonische Herrschaft 319 Barmherzigkeit / barmherzig 29–33 Benediktion 234, 236–237, 244, 263, 293, 295, 302 Bestattung 31, 103, 105, 324 Bî’āh 236, 245 Bilderverehrung 108 Bildung 164, 173–174 Binden 52, 243, 266 Bittgebet 37, 63, 107, 128, 132, 253, 278 Blindheit 32–33, 38–39, 54–55, 105–106 Bote 149 Botenengel 48, 149, 151, 191, 193–194, 197, 254, 273, 280, 284 Brauteltern 24, 233–234, 236–237, 245, 322 Brautleute 29, 37, 61, 69, 142, 232, 236–237, 245, 247 Brautwerbung 26, 35, 38, 46, 149, 194, 197, 205, 207, 212, 225–226, 238, 260, 264 Buch des Mose 34, 43, 45, 58, 166, 206, 214–215, 218, 222, 229 Chaoswesen 204 Chiron 52, 211 Dämon 27, 49, 135–136, 233–234, 237, 239–245 Dämonenbefall 139, 207 Dämonenvertreibung 50, 52, 201, 205–207, 242 Dämonin 121, 244 Datierung 43, 311, 334 David 96, 111, 210, 242, 318 Deuteronomium / deuteronomisch 47, 110, 121, 169, 329 Diasporahymnus 293–295 Doxologie 107, 137, 140, 143, 295 Drachme 187–188 Dramatisierung 65, 102, 111

373 Dunkelheit 39, 55, 167, 193, 299–300, 323, 325, 327 Edelsteine 55, 299–300, 310–311 Ehemann / Ehemänner 27, 45, 52, 55, 60, 138, 144, 150, 206, 234, 264 Ehescheidung 149, 214 Eheschließung / Eheschließungsritual 223–224, 226–228, 236, 238, 245 Ehevertrag 65, 223–224, 228–229 Einhändung 223, 227, 229 Ekbatana 141 Elephantine-Papyri 118, 226, 229 Eltern / Elternehrung 31, 39, 58, 60, 62, 168–169, 176, 189, 206, 220, 245, 253–257, 262, 267 Emotion / emotional 24, 33, 56, 135, 188, 197, 221, 224–225, 229, 249–250, 253–255, 257, 261 Engelheptade 285 Entstehungsort 43 Epiphanie 51, 191–192 Erbtöchtertora 45, 144, 149, 212–213, 215, 245 Erzählerstimme 182, 185, 205 Erzählfigur 64, 135, 166, 185, 225, 280, 335 Erzählstrang / Erzählstränge 24, 139, 148, 150, 207, 250, 253, 260, 267–268 Erzelternerzählung 35, 46, 53, 169, 171–172, 236 Erziehung 157, 164, 173, 267 Eschatologie / eschatologisch 22, 28, 36, 39–42, 63–64, 74, 161, 167, 170, 172, 186, 191, 276, 293–294, 298, 302, 306–307, 310–311, 320, 326, 330, 332, 334–335 eschatologische Psalmen 293 Ethik / ethisch 44, 48, 53, 65, 94, 110, 138, 167, 170, 175–176, 272, 274, 277, 279, 335 Exodus-Engel 194, 197, 266 Exorzismus 43, 151, 240–241, 245 Fernhandel 29, 115, 131 Festkalender 120, 305 Festmahl 38, 102, 120–121, 236 Fisch 32, 38, 50–51, 57, 62–63, 65, 69–70, 104, 142, 148, 201, 203–205, 207, 210, 215, 233, 239, 262, 265–267 Fluch 65, 100, 245, 298 Fluchwort 294, 298, 309 Frauenarbeiten 105 Frauenfigur(en) 25, 58, 114–115, 132, 197 Fremdgötterdienst 58

374 Frömmigkeit 31, 60, 65, 96, 98, 106, 140, 176, 256, 286 Gabendarbringung nach Jerusalem 162, 321 Galiläa 42, 82–84, 99, 111–112 Gastfreundschaft 192, 221, 226, 237 Gebetshaltung 207, 234 Gebetsmittlerschaft 64, 145, 278, 283, 287 Gebetsrichtung 143 Gedenken Gottes 36, 98, 115, 163, 321, 325–326 Gefangene / Gefangenschaft 27–28, 54, 73, 80, 108, 138, 140, 225, 297, 307, 319, 323, 326 Geheimwissen 243 Geister 205, 239, 241 Geld(wesen) 42, 60, 62, 65, 79, 100, 105, 109, 141, 159, 165, 175, 183, 189, 191, 196–197, 247–250, 272, 274, 281–282 Genealogie 73, 78, 80, 84, 151, 195 Gerechtigkeit 29–30, 106–109 Gerechtigkeit Gottes 128 Gericht 100, 108, 127–128, 283, 307, 329, 332 Gerichtsdoxologie 311 Geschichte des Volkes 54, 114, 163, 168, 320, 327, 335 Geschichtsschau 22, 28, 42, 47, 53–55, 128, 302, 307, 318–321, 324, 326, 328–329, 332, 334–335 Geschichtsschreibung 74–75 Geschichtstheologie 42, 53, 64, 74, 324, 334–335 Gesetz 40, 58–59, 119, 121, 130, 174–175, 213–214, 227, 229, 236, 241, 297 Gola 28, 101, 320, 330, 332, 334–335 Gold 111, 195, 277, 299, 308, 310–311 Goldene Regel 68, 157, 164, 173, 176 Gottesbezeichnungen 25–26 Gottesdienst 298, 301 Gottesfurcht 60, 134, 156–158, 165, 173, 175–176, 331 Gottesvorstellung 304 Grab 31, 117, 129, 159, 164, 170, 193, 214, 233, 236–237, 246 griechischer Roman 40, 51, 215 Gula(kult) 209 Halakha / halakhisch 49, 103, 122, 138–139, 144, 305 Handel 29, 31, 82, 100, 115, 131, 195, 202–203, 276–279, 283, 287, 296–297, 304, 324, 332, 335

Anhang Handeln Gottes 54, 75, 104, 165, 168, 275, 300 Handelsstraße 81 Händler 111, 116 Hasmonäer 42–43, 81–84, 112 Hazor 81–82, 84 Hebraeus Fagius 19, 63 Hebraeus Gaster 19, 63 Hebraeus Londini 19, 63, 65 Hebraeus Münster 19, 63 Heiler 125, 150–151, 211, 243, 264, 284 Heiligkeit / heilig 25–26, 43, 57–58, 66–67, 83, 96, 111, 120, 122, 241–242, 260, 263, 270, 297, 301, 304–309, 329–332, 335 Heiligtum 122, 311, 327 Heilkunst 52, 126, 211 Heilsorakel 215 Heilsperspektive 330 Heilsprophetie 47, 330, 335 Heilungswissen 204 Heiratsvermittler 147, 206 Heiratsvertrag 223–224, 229 Henoch 48–49, 211, 238, 243, 283 Henochüberlieferung 47, 49, 285, 306 Herabblicken Gottes 143 Hermes 51, 195, 250 Herrlichkeit 57, 150, 168, 284–285, 297, 301, 305–306, 308, 310–311 Hieronymus 15, 18, 59, 63, 66, 69 Himmel 41, 57, 62, 70, 143, 148, 185–186, 189, 197, 222, 235, 243–245, 256, 273, 283, 310, 312, 331 Himmelsgott 231 himmlisch 49, 146, 148, 151, 192, 211, 214, 238, 243, 271–272, 275, 280, 282, 284–285, 287 Hiob 48, 59, 127, 210, 284 Hiobtargum 17 Hippokrates 125, 212 Hochzeit 34, 51, 62, 65, 206, 227, 237, 244, 249, 261, 264–265 Hochzeitsfeier 35, 38, 41–42, 237, 244, 264, 267 Hochzeitsnacht 31, 38, 54, 59, 61, 64, 135, 221–223, 225, 234, 236–237, 245–246, 256, 265, 300 Hofstaat, himmlischer 145, 211, 282, 284–285 Hund 43, 69–70, 135, 144, 202, 208–210, 262 Identität 53, 55, 59, 73, 140

Register Incubus-Dämon 27, 214 Ironie 31, 182, 185–186, 197, 205, 223–224, 236–237, 246, 274 ironisch 23, 106, 124, 136, 167, 176, 188, 190, 197, 208, 263 Israel 25–28, 43–44, 46, 52–56, 58–59, 66 Jakob 35, 46, 169, 171, 194, 196, 214, 225–226, 318, 331 Jerusalemhymnus 23, 64, 74, 85, 167, 293–294, 298, 301–302, 310–311, 326 Jerusalempilger Siehe Wallfahrt Jesus Sirach 43, 48, 130, 170–171, 174 Jhwh-Königspsalmen 302–303 Josefsgeschichte 46, 119, 143, 214 Jubiläenbuch 171–172, 196, 211, 213, 239, 306 Kanon 43, 66–69 Kedesch 81–84, 114 Ketubba 228 Khorasan-Straße 202–203 killer-wife 136, 142 Klage 37, 55, 107–108, 127–129, 132, 137, 139–140, 189, 191, 218, 243, 253–254, 283, 300 Klagepsalmen 123 Kollektiv 55, 108, 123, 132, 140, 167, 261, 265, 319, 324, 327 Konzil von Trient 68 Krankheitsdämon 50, 142 Kult 44, 47, 58, 82, 111–112, 117, 131, 141, 170, 208–210, 212, 216, 236, 239–240, 245, 282, 299, 301, 306–307 Kulturgründungsmythen 211 Kulturstifter 52 Kurztext 13–15, 56 Landgabe 28, 35, 331 Landsleute / Landsmann 29, 38, 95, 98, 100, 102–103, 117, 131, 166, 282 Landverheißung 167, 331 Langtext 14–15, 17, 19, 56, 59, 66 Lebensführung 60, 158, 160, 165 Lebenslehre 31, 34, 38, 158, 191, 325 Lehrer 26, 36, 65, 114, 175, 215, 271, 274–276, 287, 334 Lehrerzählung 22 Leiden 48, 53, 59, 84, 104, 131, 140, 147, 267 Leitwort 27, 29, 46, 131–132, 160, 176, 194, 197, 237, 321, 334 Leukomata 104, 124 Leviten 97, 112–113

375 Lichtherrlichkeit 30, 39, 55, 68, 147, 308 Lilith 142 Literarkritik 14, 23, 39–42, 52–53 Lösen 145–147 Magie / magisch-therapeutisch 43, 52, 211–212, 238 Mahl 29, 33, 35, 38, 60–61, 65, 102, 173, 221, 224, 229, 237–238, 285 Mahnrede 318 Makkabäer 42–43, 58, 83–84, 112, 305, 311, 334 Mal’akh (Jhwh) 191, 194, 197 Medien 29, 31, 74, 98–99, 115, 126, 131, 141, 159, 168, 182–183, 205, 253, 319, 324 Medizin 26, 32, 43, 48, 50, 52, 57, 64, 70, 103, 124–126, 132, 204, 207, 210–212, 215, 238, 262–263, 266–267 Mose 35, 38, 214, 223, 225, 318, 328 Mosegesetz / Mosetora 28, 36, 45, 58, 60–61, 97, 215, 219, 223–225, 227–228 Motivfelder 27 Mutter 159, 164, 166–168, 171, 176, 188, 197, 224, 226, 249, 253–255, 262, 322, 324 Mythos 192, 211 Nächstenliebe 31, 69, 105 Naftali / Naftaliten 55, 58, 73, 79–84, 96, 108, 111, 114–115, 131, 193, 220, 225, 328 Nähe Gottes 54 Neues Jerusalem 305–306 Noach 74, 163, 172, 211 Nordisraeliten 27 Obergaliläa 81–82 Odyssee 51, 208 Offenbarung 22, 61, 166, 192, 211, 214–215, 238, 264, 274–275, 278, 280, 284, 286, 296 Öffentlichkeit 126, 224, 261, 264, 273–275 Opfer / Opferkult 31, 50, 53, 96, 111, 163, 170, 192, 206, 239–240, 242–243, 279, 281, 283–284, 286, 301, 305, 307, 328 Ostjordanland 77–78, 81–82, 84 Ozar ha-Qodesch 19, 63 Passivum Divinum 25, 146, 222, 297 Patriarchen 35, 75, 158, 171, 235 Perserherrschaft 319–320, 334 Preislied 39, 57, 295, 311 Priester 38, 97, 112–113, 122, 305–306 Probe 31, 284, 287 Prometheus 52, 211

376 Prophet(en) 40, 43, 45–46, 81, 96, 114, 171, 238, 319–320, 329, 334 Prophetie 44, 103, 311, 319, 329–330 Providenz 148 Prüfung 32, 53, 62, 134, 279, 284, 300 Quellenscheidung 40 Qumran 13, 15, 17–18, 27, 242, 305, 310 Rafaël 26 Rages 99, 168 Rat 164–165, 174 Ratgeber 174, 204, 211, 215 Ratschlag 60–61, 158, 165, 167, 174, 176 Räuchern / Räucherpraktiken 49–50, 64, 210, 233–234, 239–241, 243, 266 Räucherwerk 27, 32, 64, 207, 239–241, 245 Reinheitstorot 121–122 Reinigungswasser 122 religiöse Unterweisung 97 Repräsentant des gesamten Volkes 123 Resilienz 56 restaurative Utopie 328, 334 Rettungshandeln 32, 223 Ritualtexte 214, 240 Schadensdämon 27, 142, 144 Scham 106, 126, 137 Schauen Gottes 108, 127 Scheidebrief 149, 227, 243 Scheidung 145, 151, 227, 243 Schlachtopfer 308 Schmähung 108–109, 132, 135–138, 140, 144 Schmerz 25, 54, 107, 109, 132, 136, 140, 144, 182, 252, 319, 327, 335 Schönheit 106, 206, 212, 227, 299 Schreiber 41–42, 120, 183 Schreibmaterial 183, 224 Schuldbekenntnis 107, 140, 146 Second Temple Songs 305 Segen(swunsch) 62, 64, 172, 188, 197, 222–224, 228, 244, 247, 249, 256, 261, 264, 283, 294–295, 298, 309, 322 Selbstoffenbarung 39, 64, 187, 274, 279, 286–287 Seligpreisung 298, 309 Siegelring 119 Sippe 34–35, 80, 95, 97, 144, 163, 167, 212 Solidarität / solidarisch 29–30, 35, 40, 49, 52–53, 98, 101, 110, 117, 161, 166, 249, 327 soziale Ächtung 140 Sozialethik 110 Sozialgesetz 110

Anhang Spannung / Spannungsbogen 35, 39–40 Speise 36, 38, 47–48, 53, 62, 98, 102, 108–109, 115, 131, 173, 237, 285, 325 Speisen der Völker 131 Spiritualisierung 161, 165 Spott 103, 123, 140, 144 Spruch(weisheit) 115, 277 Stammbaum 33, 73–74, 78, 80, 83, 99, 118, 131 Straßensystem 202–203 Strafe 25, 50, 55, 123, 128, 132, 193, 243, 295–296, 303–304, 327, 329 Suizid 137 Sünde 28, 47, 54, 58, 65, 108, 111, 128, 132, 160, 170, 173, 235, 238, 240, 283, 297, 300, 321, 327, 329 Sündenbekenntnis 108, 128, 132, 300 szenisches Erzählen 181, 201, 247, 254, 271 Tempel 42–47, 49, 56, 64, 96, 99, 103, 110–114, 120–122, 130, 140, 142–144, 167, 171, 215, 238, 266, 294, 297–299, 301–302, 305–308, 310–311, 319–321, 326–328, 330–332, 334–335 Tempelkritik 306, 335 Tempelrolle 122, 305–306 Tempeltheologie 130 Tempelwallfahrt 97, 112 Testament 22, 31, 37, 40, 42, 63, 67–68, 74, 85, 114, 141, 158, 176, 286, 301, 318 Tetragramm 108 Textüberlieferung 15 Theodizee 54 Theophanie 192, 285–287, 310 Thot 52, 211 Thronengel 26, 48, 272, 279, 284–285, 287 Tierapokalypse 307 Tisbe 81–82, 84 Tobiaden 29, 44, 75–78, 81, 84, 118, 131 Tobiadenroman 77 Tobiasnächte 59 Todesstrafe 35, 45, 118, 213, 215 Todessymbolik 237 Todeswunsch 54, 109, 127, 129, 138–139, 189, 300 Tora 38, 45, 97, 132, 144, 176, 206 Toragehorsam 36, 64–65 Torakonformität / toragemäß 27, 214, 224 Toralehrerin 97, 115 Toratreue 55, 97, 114, 234 Totenspeisung 164, 173, 176

Register Totenunreinheit 103, 121–122 Totenwache 241 Totenwelt 193 Traditionskonformität 97, 103 Trauer 25, 38, 103, 137, 265, 309, 319, 327, 335 Trauma 111 Traumvision 281, 286 Trost 35–36, 186, 190, 196, 252, 254, 256–257, 304–305, 324, 329 Tun-Ergehen-Zusammenhang 30, 49, 52, 98, 105, 108, 128, 157, 160–161, 164, 166–167, 169, 176, 221, 263, 265, 277, 279, 296–297, 318, 323, 332, 334–335 Udug-Hul-Beschwörung 239 Umkehr 40, 42, 47, 54, 295–297, 300, 302, 304, 311, 320, 326, 330 Ungerechtigkeit 30, 32, 160, 282–283, 322, 324 Unreinheit 121–122, 142, 171, 241, 306 Unschuld 65, 128, 136–138, 140, 144, 193, 234–235 Unterweisung 26, 33, 35–36, 44, 48, 58, 164, 174–176, 280 Unzucht 157, 171–172, 176, 213 Utukku-Lemnutu-Beschwörung 239 Veritas Hebraica 68 Vermögen 29, 60, 99–100, 105, 131, 157, 161, 254 Vertreibung (des Dämons) 32–33, 50–51, 55, 59, 61–64, 69, 146–151, 167, 205, 211, 214, 233–234, 239–243, 245, 329 Vetus Latina 13, 15, 18, 59, 69 Visionär 293, 332 Visionen Amrams 49, 172 Völker / Völkerwelt 28, 34–35, 38–40, 42, 48, 55, 59, 62, 98, 115, 128, 132, 162, 194, 295–298, 301–304, 307–308, 311, 320–321, 325–326, 330–331, 334–335 Völker / Völkerweltwallfahrt 42, 294, 300, 306, 308–309, 326, 332 vorhippokratisch 52 Vulgata 13–15, 18, 56, 59, 62–63, 65–67, 69–70

377 Wächterbuch 49, 211, 214, 216, 238, 243, 283 Wahrheit 29–30, 32, 36, 67, 94, 107, 109–110, 127–130, 132, 160, 166, 277–278, 321, 329, 332, 334 Wallfahrt 28, 31, 36, 39, 45, 97, 99, 111, 114, 130, 187, 298, 301–302, 311, 327 Waschung 61, 103, 122, 218, 221, 266 Weinen 103, 107, 188, 196, 249, 330 Weisheit 36, 44, 48, 83, 119, 156, 166–167, 169, 173–175, 195, 275, 277, 282, 303, 332–333 Weisheit der Engel 211 Weisheitslehre / weisheitlich 22, 25–26, 31, 37, 39, 43–44, 52, 69, 75, 117–118, 123, 129, 148, 157, 165, 167, 169–170, 174–177, 195, 211, 267, 271, 276–277, 284, 286–287, 300, 332–333 weiße Flecken 103–104, 124, 132, 147 Weisung 30, 36, 42, 61, 109, 156–158, 160, 163, 165–167, 169, 174, 215, 259, 278, 324–325 Weltmacht / Weltreich 53, 73, 81, 84, 328, 334 Wiedererbauung des Tempels 168, 305, 311, 330, 332 Wochenfest 97, 102, 120–121 Wohltätigkeit 27, 95, 161, 167, 170 Wohnung Gottes 56, 89, 96, 111, 328 Zauberpapyri 52, 145, 242–245, 266, 282 Zauberschalen 50, 142, 149–151, 214, 243, 245 Zehnwochenapokalypse 306–307, 332 Zeuge 28, 62, 65, 224, 245, 263, 296, 303, 311, 335 Zion 298, 305, 307–310, 330 Zionslieder 302, 308 Zionspsalmen 310 Zionstheologie 111, 308 Zoroastrismus / zoroastrisch 50, 117, 121, 141, 168, 241, 244 Züchtigung 25, 54, 62, 136, 263, 267–268, 296

378

Anhang

Bibelstellenverzeichnis (in Auswahl) Altes Testament Genesis 2,6 93 2,7 129, 235 2,18 235, 245 2,18LXX 235 2,20LXX 235 2,24 215 3,19 129 3,20 235 4,1 235 4,25 235 5,1f. 235 6,1–4 49 11,27–29 171 12,2 171 15,5–6 171 16 273 16,7 51, 273 16,10–13 194 17,2 171 17,6 171 18,1–15 194 18,2 51 18,5–8 237 18,7 226 19,1–13 195 19,1 51 20,7 171 21 273 21,17–19 194, 273 21,21 226 22,2 92 22,12 194 22,17f. 171 24 46, 175, 197, 212, 226 24LXX 194 24,3–4 35, 171 24,3f. 46 24,3 195 24,4 46 24,7 46, 149, 171, 194–195 24,12 194 24,14 214–215 24,15–28 217 24,15 171 24,16 212 24,21 46, 175, 194 24,27 169, 194 24,37–38 35, 171

24,40 46, 149, 175, 194 24,42 46, 175, 194 24,44LXX 201 24,48 175, 194 24,50 214 24,51 226 24,56 46, 175, 194 24,60 256 24,67 46 25,9–10 169 26,4 171 26,7 212 27,29 309 28,1–4 35, 172 28,1–2 171 28,15 194 29,2–6 225 29,4–6 46, 225–226 29,6–9 217 29,15–30 226 29,15 171 29,21–23 236 30,8 118 33,4 226 35,8 114 37,18–28 46 37,33–35 46 37,35LXX 143 38,1–26 143 38,2 236 38,7 143 38,10 143 38,11 143 38,17 92 39,1 46 39,7–20 46 39,10 134 40,1 119 40,2 119 40,5 119 40,9 119 40,13 119 40,20 119 40,23 119 41,9 119 41,42–43 46 41,42 119 42,38 134, 143 43,14 46

43,27f. 46 43,29f. 47 44,29LXX 143 44,30f. 46 44,31 134, 214 44,31LXX 143 45,11 46 45,14 226 46,29 226 46,30 47 47,12 46 47,29–31 47 47,30 169 48,2 47 48,15–22 47 48,21 47 49 47 49,29–32 169 50,13 169 50,24 47 Exodus 1,17 331 1,21 331 3,8 329 3,14 284 9,29 137 9,33 137 14,19f. 194 14,19 149 15,26 150–151 17,8–16 316 20,12 168 23,4 127 23,10f. 113 23,16 120 23,20–23 194 23,20 149 23,21 266 23,23 149 24,10 310 29,28 114 30,21 114 32,4LXX 111 32,8LXX 111 32,19f.LXX 111 32,24LXX 111 32,34 149 32,35LXX 111

379

Register 33,2 149 34,6 127, 143 34,22 120

36,8 144 36,9 143 36,12 143

Levitikus 1,2LXX 170 2,2 283 2,9 283 2,16 283 5,12 283 6,11 114 6,15 283 16,10 142 16,30 283 19,13 172 19,15 110 20,1–7 213 20,10–18 213 23,10 112 23,15f. 120 25,2–7 113 25,18 331 25,25 213 26,5 331 26,12 303 26,32f. 329 27,30 113 27,32 113

Deuteronomium 1,8 332 1,35 329 3,25 329 4,2 169 4,10 331 4,21f. 329 4,25–27 304 4,31 127 5,9 128 5,15 115 5,16 168 6,2 164, 331 6,5 91, 175, 332 6,10 332 6,13 331 6,18 93, 329 6,24 331 7,7 308 7,13 308 7,18 115 8,2 115 8,6 331 8,7–9 329 8,11 115, 164 8,18 115 9,6 329 10,12 331–332 10,20 331 11,1 332 11,13 128, 332 11,17 329 11,22 128, 332 11,27 128 11,28 128 12,1–14 111 12,5 309 12,8 93 12,10 331 12,11 309 12,25 93 12,28 93 13,4 332 13,5 128 13,19 93, 128 14,1 303 14,22–27 113 15,5 128

Numeri 11,15 130 15,35 213 18,11–13 112 18,21–24 113 19,11–16 121 19,11–15 122 19,17–21 122 20,16 149 22 273 22,31LXX 273 22,34 273 23,28LXX 82 24,9 309 24,20 316 27,1–11 45, 143 27,8 143, 212 28,26 97, 120 36,1–12 45, 143–144 36,6–11 143 36,6–9 35 36,6–8 212, 215 36,6 144 36,7 143

15,7LXX 121 15,11LXX 121 15,15 115 16,3 115 16,12 115 18,4 112–113 19,9 332 21,9 93 21,13 236 22,1–3 127 24,1–4 227 24,9 115 24,13 95 24,14f. 172 24,14LXX 121 24,18 115 24,22 115 25,5–10 236 25,17–19 316 26,1–11LXX 112 26,12 113 26,12LXX 114 26,13 115 26,14 155, 173 27,10 128 27,16 168 28,1–14 172 28,1 128 28,13 128 28,28f. 55 28,37 93, 304 28,41 128 28,63 329 28,65 55 29,27 329 30,1–10 304 30,1 329 30,2–3 47, 290 30,2 330 30,3 290, 329 30,5 47 30,8 330 30,20 332 31,12f. 331 31,14–30 286 31,20 330 32,4LXX 127 32,6 303 32,39 303 33 47 34,4 332

380 Josua 1,8 175 19,32–39 81 22,5 332 23,11 332 23,13 329 23,16 329 24,14 110 Richter 4–5 114 4,6 114 6 286 6,11–24 273, 284 6,14 281 6,19–21 285–286 6,21 280–281, 286 6,22 280–281 6,23 280 12,22 281 13 286 13,1–22 273 13,4 281 13,6 280, 285 13,11 279 13,16 51, 285 13,18 274, 284 13,19 281, 286 13,20 280–281, 285–286 13,22 280, 285 13,23 280 16,28 127 Rut 3,12f. 213 4,4 213 4,10–13 228 1 Samuel 1,2 118 2,6 303 2,7 175 12,11 331 12,16 304 12,24 304, 332 14,6 218 15,3 316 2 Samuel 7,14f. 303 11,2 212 12,22 297 13,20 134

Anhang 14,17 211 17,23 136 21,1–14 117 24,16 195 1 Könige 2,4 128 2,6 143 2,9 143 5,18 210 6 305 6,13 111 8 305 8,12f. 111 8,17 309 8,23 129 8,29 148, 309 8,44 330 8,45 148 8,47f. 330 8,49 148 9,3 111 9,7 93, 111 9,28 310 10,5 119 10,11 310 11,36 308 11,41 74 12,19LXX 111 12,28–32 47, 111 12,28LXX 111 12,32LXX 111 14,21 308 14,29 74 17,1 81 19,3–4 130 22,19–22 284 2 Könige 10,29LXX 111 14,21 180 14,25 315 14,28 74 15,6 74 15,21 74 15,29 111 15,31 74 16,5 74 16,19 74 17,6 111 17,7–18 304 17,16LXX 111 17,23 329

18,11 111 19,35f. 100, 117 19,35 195 19,37 118 21,13 329 23,25 304 24,2 329 25,9–10 309 1 Chronik 16,8 303 16,24 303 16,36 303 29,4 310 29,10 143, 303 2 Chronik 3,1f. 305 6,35 148 6,39 148 7,16 111 7,20 93, 111 9,4 119 9,10 310 12,13 308 15,1–8 180 16,12 123 21,15 123 25,4 214 26,17 180 26,19 123 28,11–17 128 30,9 127, 304 31,4–6 113 31,5 112 32,21 100, 117–118 33,11–13 316 35,12 214 36,19–21 329–330 36,19 309 Esra 1,2 195, 305 1,3 305 1,5 305 2,1 128, 330 3,12 330 4,1 305 4,3 305 4,12 305 5,2f. 305 5,9 305 5,11f. 195

381

Register 6,9f. 6,18 8,23 8,35 9,5 9,6f. 9,15

195 214 270 128 137 128 127

Nehemia 1,3 128 1,4 195, 270 1,5 195 1,6 148 1,9 330 1,11 119 2,4 195 2,13 309 3,36 128 7,6 330 8,1 214 9,13f. 114 9,17 127 9,31 127 9,33 127 10,38 112–113 11,1 304 13,1 214 13,5 113

3,10 119 4,17a–iLXX 48, 127 4,17k–zLXX 48, 127 4,17nLXX 127 5,1 127 5,1LXX 106 8,2 119 8,8 119 8,10 119 1 Makkabäer 1,31–32 309 1,62f. 115 4,30 143 4,48 305 4,60 309 5,13 78 5,14–23 112 5,21–23 84 5,65 309 6,1 126 9,39 267 10,44 309 11,63 81 11,73 81

Judit 1,1 141 2,7 128 7,30 127 8,1–2 47 8,2 118 8,3 47 8,7 212 8,19 128 9,2–14 48, 127 10,5 47, 115 10,7 212 10,19 212 10,23 212 13,15 155 13,17 143

2 Makkabäer 1,24 127, 143 1,27–29 307 1,27 331 2,18 331 5,10 117 6,12–16 267, 303 6,18–31 115 7,33 303 7,35 303 8,29 143 9,14 304 9,15 117 10,4 267 11,9 143 12,17 78 12,19 78 12,24 78 12,31–32 120 12,35 78 13,12 143 15,14 304

Ester 2,2 212 2,7 212 3,1 316

Hiob 5,11 175 6,8–10 129 7,15f. 129–130

Tobit 7,7f. 47

10,7 303 11,13 137 19,25f. 129 22,24 310 28,16–19 310 28,16 310 29,14–17 95 30,1LXX 123 38,7 284 42,16 328 Psalmen 4,4 148 6,2 128, 267 6,9f. 148 7,8LXX 331 8,5 128 9,9 127 9,12 303 9,15 310 10,11 130 10,16 304 13,2 130 13,4 127, 148 15,1 305 15,11LXX 130 18,7 148 18,9LXX 127 19,2 143 22,25 130 22,28 330 24,2LXX 123 24,10LXX 127 25,7 127, 148 27,9 130 28,6 143, 148 29 284 29,1 284 29,10 303 30,5 143 30,8 130 33,8 331 34,10 175 38,2 267 38,11 256 39,12 267 41,5 128 41,14 143, 303 44,9 143 44,15 93 44,25 130 45,10 310

382 48,13f. 310 49,16 129 50,6 143 51,3–12 283 51,6 128 55,20 331 57,10 303 66,16 331 66,20 143 68,20 143 68,32 308 69,18 130 70,13 283 72,10 65 72,18–19 309 72,18 143 73,7LXX 329 73,24 129 74,8LXX 175 74,20 127 78,49 195 78,69 305 79,4 309 79,12 309 80,15 127 82,8 127 85,11 110 85,11LXX 128 85,15LXX 143 86,11 332 87,1–3 310 88,32–34LXX 303 89,6 143 89,15 110 89,27–38 303 89,32–34 303 91 210 91,11–13 194 91,11 210 91,16 283 93,1f. 302 95,7 303 96,3f. 303 96,7 143, 331 96,8 308 96,10 303 96,11f. 143 97,6 143 97,12 143 98,3 303 99,3 143 101,17LXX 305

Anhang 102,3 130 102,8LXX 143 102,14 330 102,15 309 102,17 305 103,1 309–310 103,3 150 103,8 127 103,19–20 143 103,20 284 103,22 310 103,29LXX 129 104,29 129–130 105,1 303 105,47LXX 331 106,6 128 106,48 303 107,3 307 111,9LXX 95 113,7–9 303 114,5LXX 143 118,18 267 118,137LXX 127 119,12 143 119,118 128 121,1 143 122,2 310 122,6 309 122,7 310 123,2 143 125,2 303 126,1 307 126,2f. 304 126,4f. 307 128,5 309 133,3 309 137,3 309 139,7–12 303 143 128 143,7f 130 144,17LXX 127 145,6 304 145,8 127 145,13 304 145,21 309 146,2LXX 331 146,9 303 147,3 150 147,12 304 148 143 148,2 284

Sprichwörter 1,33 331 2,5 331 3,5f. 174 3,7 331 3,12 303 3,14f. 310 3,27f. 169 10,2 169–170 11,4–6 169 11,4 170 11,18 95 11,27 277 12,15 174 13,24 303 14,21 169 14,31 169 19,17 169 19,20 174 19,26 168 20,1 155 20,20 168 21,17 155 21,30 174 23,20f. 155 23,22 168 23,30–35 155 24,21 331 27,9 174 28,6 129 28,24 168 30,17 168 31,10–31 126 31,11f. 126 31,23 126 31,28f. 126 Kohelet 2,8 119 3,20 129 9,11 210 12,5 129 12,7 129 Weisheit 2,16 303 6,21f. 275 7,17–20 238 9,6 175 12,22 303 14,3 303 16,13f. 267, 303

383

Register Sirach 1,27[34f.] 173 2,11[13] 127 3,1–16 168 3,30[33] 169–170, 283 4,1–10[10–11] 169 4,10 170 4,10[10–11] 169 5,8 170 6,18 173 6,23[24] 174 6,37 169 7,10[9–10] 270 7,11[12] 123, 175 7,20[22] 172 7,27[29] 168 7,32[36] 116 7,33[37] 164 8,8[9–10] 173–174 9,14[21] 174 10,6f. 172 10,10 123 12,2–7[5] 169 13,24 111 18,13[12.13] 303 18,25 118 19,1 155 20,17[18b] 123 21,4[5] 172 21,13[16] 174 23,1 303 23,8 172 23,16[21.22.23]– 19[27c.28] 172 23,27[37] 169 24,23[32.33] 214 24,24–29[39] 174 25,22 [29–30] 126 26,16[21]–18[23] 212 26,29[28]–27,2[2–3] 111 27,8[9] 169 28,7[8–9] 169 29,8[11]–9[12] 169 29,9 [12] 171 29,11f.[14f.] 169 30,1 303 30,17 130 30,18 164 32[35],3–4 283 32[35],9 283 32[35],20f. 148 32[35],24[28] 169

33[36],5 331 33[36],13a[13] 307 33[36],19[16] 305 34[31],8–11 111 34[31],8 195 34[31],25[30]–30[40] 155 35[32],14[18] 173 35[32],18f.[22.24] 174 36,22[19] 331 36[33],8[10] 170 37,7[8] 174 38,1–15 126, 238 38,6 126, 211 38,9–12[11c–12] 283 38,10 283 38,14 126 38,16 169 39,6[8–9]–8[11] 174 39,14[18–19]–15[20] 174 39,24[29bc] 175 40,24 169 40,25 174 41,17[21] 172 44,3f. 174 45,16[20] 283 48,10–11 170 48,20[22–23] 143 49,12 170 50,19[21] 143 50,27[29] 173 51,10[14] 303 Jesaja 1,4 297 1,7 329 1,14 283 1,21 304, 309 1,26 304 4,2f.LXX 308 5,9 329 6,1–9 284 6,2 284 6,6 284 6,9f. 55 6,11 329 8,23–9,1 55, 193 9,1 308 10,11 329 11,11–16 307 11,12 330 12,4 303 13,12 310

13,21 142 14,1 330 16,5 110 17,9 329 17,10 115 24,12 329 27,12f. 307 28,7 155 30,3 330 30,10 330 31,6 330 31,9LXX 309 33,1LXX 308 33,14LXX 129 34,14 142 35,10LXX 331 37,36–38 100, 117–118 38,3 128 40,1 329 43,5 307 43,13 303 44,22 330 44,23 143 44,26–28 330 44,26 305 44,28 305 45,9–11 303 45,13 304 48,2 304 49,5 307 49,6 308 49,13 143, 329–330 49,18 307 49,26 309 51,3 329 51,12 329 51,17 304 51,22–23 309 52,1 304 52,9 329–330 54,1 304 54,7f. 330 54,11–15 308 54,11f. 310 54,11 304 54,14 304 54,17 309 56,7 308 56,8 307 57,11 115 58,6–8 95 59,12 128

384 60 308 60,1–12 308 60,1f. 310 60,2 308 60,5–9 308 60,10 308, 330 60,12 309 60,13 305, 308 60,14 308–309 60,18 310 60,21 172 61,2 329 61,7 172 62,1–12 308 62,1f. 304 62,5 309 63,16 303 64,7f. 303 64,9 329 66,10 309 66,10LXX 304 66,13 329 66,16 309 66,18–21 308 Jeremia 3,4 303 3,6–18 112 3,12 330 3,17 309 3,18 330 3,19 303 4,1 330 4,27 329 5,22 114 9,15 329 10,10 304 10,21 329 12,1 127 12,10 329 12,15 330 14,12 270 15,15 127–128 16,7 164 16,19LXX 331 16,19 308 20,14–18 129 22,13 172 23,40 128 24,7 330 24,9 93, 128 25,9 128

Anhang 30,18f. 330 30,27f.LXX 112 31,3 308 31,8 308 31,13 329 31,17 65 31,27 330 31,31 330 32,37 331 33,7 330 33,14 330 33,26 330 37,18LXX 330 38,19 128 39,8 309 39,29LXX 329 41,2LXX 329 44,8LXX 329 44,10LXX 329 49,12LXX 330 Klagelieder 1,1f. 55, 140, 144 1,7 309 1,9 309 1,21 309 2,15 140, 144 5,1 127–128 Baruch 1,15–22 128 2,4 128 2,9 127 2,11–13 128 2,27 127 3,4–8 128 4,5–29 304 4,22 304 4,23 309 4,24 308 4,29 309 4,30–5,9 302, 305 4,31–35 309 4,36 309 4,37 307 5,1 310 5,5 307, 309 5,9 308–309 Ezechiel 1–3 284 1,16 310 1,22 310

1,26 310 4,13 115 5,2 128, 329 5,10 128, 329 9,3 284 10,1–22 284 10,1 310 10,9 310 11,17 307 12,15 128, 329 12,22f. 93 17,24 175 20,23 128, 329 20,34 128, 307, 329 20,41 128, 307, 329 21,31 175 22,15 128, 329 23,4 329 23,10 93 23,47 309 26,4 309 26,9 309 28,13f. 310 28,25 128, 329, 331 28,26 331 33,28 329 34,13 307 34,25 331 34,28 331 36,3 93 36,24 307 37,15–28 112 37,21f. 330 37,21 307 38,8 331 39,25 330 39,26 331 40–48 305 46,18 128, 329 Daniel 1,6f. 180 1,8–16 115 1,8 47 2,17 180, 275 2,18f. 195 2,19 276 2,20–23 48, 127 2,27–29 276 2,31–44 328 2,37 195 2,44 195

385

Register 2,47 276 3,1–30 210 3,24–50LXX 48, 127 3,24f.LXX 180 3,25 [3,92LXX] 210 3,26LXX 143 3,27 127 3,28 [3,95LXX] 149, 210 3,31LXX 128 3,51–90LXX 48, 127, 143 3,52–56LXX 143, 302 3,59 284 4,30 333 5,7 275 6,11 143 6,18 119 6,23 149 7,1 286 7,16 179 7,25 330 8,14 330 8,15 179 8,16f. 150 9,7 128, 329 9,21 150 9,22f. 275 9,24 304 9,27 330 10,13 150, 285 10,21 150, 275 11,2 275 12,1 150, 330 12,7 330 Hosea 2,4 227 2,20 331 3,5 330 6,1 330 9,3 115

11,1 11,4 12,7 14,2 14,3 14,5

308 308 330 330 330 308

Joël 1,14 270 2,12f. 330 2,13 127 2,14 297 3,1 171 Amos 1,15 128 4,6–11 330 7,10–17 122 7,13 122 8,10 45, 103, 123, 131 8,10LXX 55, 122 9,3 303 9,11 305

3,7 329 3,8–19 329 Habakuk 1,12 303 2,6 93 3,5 142 Zefanja 2,11 330 3,14 304 3,17 309 3,19f. 307 3,20 303 Haggai 1,1–10 305, 311 2,9 305

Micha 1,1 329 1,5 329 2,4 93 2,12 307, 330 4,6 307

Sacharja 1,3 304 1,16 305 1,17 329 2,2 329 2,4 329 2,9 310 6,10 90 6,12 305 8,4 195 8,9–13 311 8,9 305 9,9 304 10,6 330 10,8–10 307 12,2f. 309 14,11 331

Nahum 1,7 75 2,8–10 329

Maleachi 1,6 303 3,7 304

Apostelgeschichte 2,17 171 3,25 171 10,4 284

Offenbarung 4,3 310 21,10–21 68

Jona 1,9 3,4 3,9 4,2 4,3

195 315 297 127 129–130

Neues Testament Matthäus 6,1–6 270 16–18 270 Lukas 1,11–23 286 1,19 48

Editionsplan Genesis I (1–11): David Carr II–III (12–50): Konrad Schmid Exodus I–II: Helmut Utzschneider / Wolfgang Oswald Levitikus Baruch Schwartz / Naphtali Meshel Numeri I–II: NN Deuteronomium I–II: Jeffrey Stackert / Joel S. Baden Josua I–II: Michaël van der Meer / Cor de Vos Richter Andreas Scherer Rut Shimon Gesundheit 1./2. Samuel I (1. Sam 1–15): Rachelle Gilmour II (1. Sam 16–2. Sam 5): Johannes Klein III (2. Sam 6–24): Thomas Naumann 1./2. Könige I (1 Kön 1–15): Jonathan M. Robker II (1 Kön 16–2 Kön 16): Steven L. McKenzie III (2 Kön 17–25): Shūichi Hasegawa

Judit Barbara Schmitz Ester Jean-Daniel Macchi Hiob Melanie Köhlmoos Psalmen I–III: Alexandra Grund-Wittenberg / Susanne Gillmayr-Bucher Sprüche I–II: Jutta Krispenz Kohelet Katharine Dell / Tova Forti Das Hohelied Martien A. Halvorson-Taylor Weisheit Luca Mazzinghi Sirach Frank Ueberschaer Jesaja I–II (1–39): Kristin Weingart III (40–66): Michael Pietsch Jeremia I (1–25): Christl M. Maier II (26–52): Carolyn J. Sharp

1./2. Chronik I–II: Ehud Ben Zvi

Baruch Martina Kepper

Esra / Nehemia I–II: Richard J. Bautch

Klagelieder Andreas Michel

Tobit Beate Ego

Ezechiel Michael Konkel

388 Daniel Devorah Dimant Hosea Eberhard Bons Joel/Obadja Anselm Hagedorn Amos Rainer Kessler Jona Irmtraud Fischer Micha Burkard M. Zapff

Editionsplan

Nahum / Habakuk / Zefanja Walter Dietrich Haggai/Sacharja 1–8 Jakob Wöhrle Sacharja 9–14 Paul L. Redditt Maleachi Aaron Schart 1. Makkabäer Dov Gera / Jan Willem van Henten 2. Makkabäer Johannes Schnocks 1 Esdras Dieter Böhler