Tierschutz im Schnittfeld von nationalem und internationalem Recht: Tierschutzrechtliche Eingriffs-, Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbote im Lichte von Verfassungs-, Gemeinschafts- und Völkerrecht [1 ed.] 9783428500109, 9783428100101

Die Diskussion um die Einfügung eines »Staatsziels Tierschutz« in das Grundgesetz macht deutlich, daß das Tierschutzrech

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Tierschutz im Schnittfeld von nationalem und internationalem Recht: Tierschutzrechtliche Eingriffs-, Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbote im Lichte von Verfassungs-, Gemeinschafts- und Völkerrecht [1 ed.]
 9783428500109, 9783428100101

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JAN ZIEKOW

Tierschutz im Schnittfeld von nationalem und internationalem Recht

Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 135

Tierschutz im Schnittfeld von nationalem und internationalem Recht Tierschutzrechtliche Eingriffs-, Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbote im Lichte von Verfassungs-, Gemeinschafts- und Völkerrecht

Von

Jan Ziekow

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.

Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humb10t GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hi1debrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 3-428-10010-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

e

Vorwort

Die folgende Studie beruht auf einem Rechtsgutachten, das der Verfasser für den Verband für das deutsche Hundewesen e.V. erstellt hat. Anlaß war die mit der Novellierung des Tierschutzgesetzes im Jahre 1998 vorgenommene Verschärfung des Kupierverbots für Hunde. Es zeigte sich allerdings schnell, daß der Kreis tierschutzrechtlich behandlungsbedürftiger Fragen weit über diesen Anlaß hinausweist. Zentrale Bedeutung kommt dem auch im Mittelpunkt der Diskussion um die Einfügung eines Staatsziels Tierschutz in das Grundgesetz stehenden Problem zu, welche Anforderungen an eine tierschutzrechtliche Regelung zu stellen sind, die in Grundrechte eingreift. Die hierfür vom Bundesverfassungsgericht formulierten Vorgaben werden in der gesetzgeberischen Praxis immer wieder mißachtet. Diesbezüglich bemüht sich die vorliegende Schrift um verallgemeinerungsfähige Präzisierungen. Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bildet die Verordnungsermächtigung des § 12 TierSchG n. F. Ihre Fassung wirft Zweifel hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit Verfassungs-, Gemeinschafts- und Völkerrecht auf. Als Ermächtigungsnorm, die internationalrechtliche Kontexte zu implementieren versucht, steht sie paradigmatisch für eine in jüngerer Zeit zunehmende Zahl ähnlicher Regelungskonzepte. Die sich hierbei stellenden Schwierigkeiten sind bei weitem noch nicht ausgelotet. Auch insoweit versteht sich die Arbeit als über den Untersuchungsanlaß hinausführenden Beitrag zur aktuellen Diskussion. Schließlich ist der Stellenwert des Tierschutzes in den auf den Abbau von Handelshemmnissen ausgelegten supra- und internationalen Regelungswerken noch wenig untersucht. Im Hinblick auf die Vereinbarkeit von einfuhrerschwerenden nationalen Tierschutzstandards mit Europarecht und WTO-Regeln soll die Studie Fingerzeige geben. Die Manuskriptgestaltung hat in bewährter Weise meine Sekretärin, Frau Erika Kögel, vorgenommen. Speyer, im Juni 1999

Jan Ziekow

Inhaltsverzeichnis

I.

Die Novellierung des tierschutzrechtlichen Eingriffsverbots .................... .

11.

Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots im System des Tierschutzrechts .. .................. .............. .............................. .

13

1.

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes .......................................

14

2.

Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung tierschutzrechtlicher Regelungen.......................................................................................

17

a)

Hat der Tierschutz Verfassungsrang? ......................................

18

b)

Grundrechtliche Anforderungen an das tierschutzrechtliche Eingriffsverbot. ..........................................................................

25

Die Zulässigkeit von Ausnahmen vom generellen Eingriffsverbot ...

35

Die Gültigkeit der Verordnungsermächtigung des § 12 TierSchG ............

41

1.

Gesetzgebungskompetenz des Bundes ..............................................

42

2.

Hinreichende Bestimmtheit ..............................................................

44

3. III.

a) b) c) d) e)

IV.

9

Die Verordnungsgebung in der Funktionengliederung des Grundgesetzes ....... ........... .................. ...............................

45

Das Verhältnis des delegationsrechtlichen zum allgemeinen Bestimmtheitsgebot und zum Parlamentsvorbehalt .................

47

Die allgemeinen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG ............ ............................................................

52

Inter- und supranationale Elemente in Verordnungsermächtigungen .......... ........................................................... .............

55

Die Vereinbarkeit von § 12 TierSchG mit Art. 80 Abs. 1 S.2GG ...................................................................................

60

Zeitliche und inhaltliche Dimensionen der Regelungsmacht des Verordnungsgebers nach § 12 Abs. 2 TierSchG ...................................................

67

Inhaltsverzeichnis

8 \.

Der Inhalt der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 TierSchG ......................................................................................... .

67

a)

Die Erforderlichkeit der Verordnung zum Schutz der Tiere ...

68

b)

Die gemeinschaftsrechtsabhängigen Ermächtigungen des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3 TierSchG ....... ...... ........... ............

69

§ 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG als Grundlage für Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbote .........................................

71

Der Erlaß eines Haltungsverbots nach § 12 Abs. 2 S. 1 NT. 5 TierSchG .... ..... ..... ..... ......... ....... ..... ......... ...... ....... ....... ............

73

Die Verfassungsgemäßheit von Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbot .......................................................................................

74

3.

Der zeitliche Bezug der Verbote ...................................................... .

77

4.

Haltungs- oder Ausstellungsverbot für Tiere, an denen ein legaler Eingriff vorgenommen wurde? .........................................................

82

Gemeinschafts- und völkerrechtliche Grenzen des Verordnungserlasses ..

89

Die Vereinbarkeit von Einfuhr-, Ausfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverboten mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft ............................................................................................... .

90

Tiere als Ware im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über den freien Warenverkehr .................................

91

Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbote als Beschränkungen des freien Warenverkehrs ...........................................

94

Zur Rechtfertigung eines Einfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverbots unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes. .......

10 1

Ausfuhrverbot und Gemeinschaftsrecht ..... ...... ....... ................

108

2.

Das Problem der Inländerdiskriminierung ....................................... .

108

3.

Die Überprüfung von Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverboten am Maßstab von WTO-Rege1n .................................................. .

111

Verbandsrechtliche Regelung des Ausstellungszuganges ................ .

116

c) d) 2.

V.

\.

a) b) c) d)

4. VI.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ... ............. ..... ..... ........ .....

119

Literaturverzeichnis ....... ............... ... ....... ......... ....... ....... ......... ...... ..... ..................

123

J. Die Novellierung des tierschutzrechtlichen Eingriffsverbots Die heutige Fassung des Amputations-, Entnahme- und Zerstörungsverbots des § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG beruht auf Art. 1 Nr. 8 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 12. Aug. 1986. 1 Diese Änderung beseitigte unter anderem die bis dahin in § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 vorgesehene Ausnahme fiir das Kupieren der Ohren bei Hunden. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, daß dieser Eingriff - ungeachtet des Umstands, daß er in der Regel unter Betäubung durchgeführt wird - insbesondere bei der Nachbehandlung für die Tiere mit erheblichen Schmerzen verbunden und nicht mehr gerechtfertigt sei, da er im wesentlichen nur überkommenen Exterieurvorstellungen diene. 2 Insoweit war die Novellierung im Gesetzgebungsverfahren unumstritten. Hingegen wurde das im Regierungsentwurf vorgesehene Rutenkupierverbot zum damaligen Zeitpunkt verworfen. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TierSchG a.F. sah eine Ausnahme vom Eingriffsverbot des § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG a.F. vor, wenn ein Fall des § 5 Abs. 3 TierSchG a.F. vorlag. Nach § 5 Abs. 3 Nr. 5 TierSchG a.F. war das Kürzen der Rute von unter acht Tage alten Welpen ohne Betäubung erlaubt. Art. 1 Nr. 6 lit.b) bb) des Regierungsentwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes sah die Streichung des § 5 Abs. 3 Nr. 5 TierSchG a.F. vor. Da das Kürzen der Rute auch bei Welpen unter acht Tagen mit erheblichen Schmerzen verbunden sei, erscheine die bisherige Ausnahmeregelung nicht gerechtfertigt. Ein Kupieren der Rute komme nur noch in Betracht, wenn dies bei Hunden bestimmter Rassen fiir den Nutzungszweck unerläßlich sei. 3 Der federführende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten kam nach Durchführung einer Anhörung von Sachverständigen und Organisationen hingegen zu dem Ergebnis, daß das Rutenkürzen nicht sehr schmerzhaft und in Anbetracht der konkreten Verletzungsgefahr beim Absetzen der Rute im fortgeschrittenen Alter der Hunde vertretbar sei. 4 Daraufhin

BGB\. I S. 1309. Begründung des Regierungsentwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes, BTDrucks 10/3158 S. 21. 3 Begründung des Regierungsentwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes, BTDrucks 10/3158 S. 20 f. 4 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, BTDrucks 10/5259 S. 39. 1

2

I. Die Novellierung des tierschutzrechtlichen Eingriffsverbots

10

wurde von einer Streichung des § 5 Abs. 3 Nr. 5 TierSchG a.F. Abstand genommen. Ebensowenig Erfolg beschieden war zunächst der auf einen Antrag des Landes Baden-Württemberg 5 zuriickgehenden Bundesratsinitiative. Der Bundesratsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes sah die Aufhebung der Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 3 Nr. 5 TierSchG a.F. vor. Begründet wurde der Vorschlag mit den Vorgaben des Art. 10 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens vom 10. Nov. 1987 zum Schutz von Heimtieren. Merkmale, die durch operative Eingriffe oder schmerzhafte Behandlungen erzielt werden, dürften nicht Bestandteil des Rassestandards sein. 6 Während dieser Vorschlag die Zustimmung der Bundesregierung fand7, wurde die vom Bundesrat entworfene Neufassung des § 12 verworfen. Der Entwurf des Bundesrats sah für Wirbeltiere, an denen Schäden feststellbar sind, von denen anzunehmen ist, daß sie den Tieren durch tierschutzwidrige Handlungen zugefügt worden sind, das Verbot der gewerbsmäßigen Verbringung in den Geltungsbereich des Tierschutzgesetzes, des gewerbsmäßigen Inverkehrbringens und der gewerbsmäßigen Haltung sowie - bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen das Verbot auch des nicht gewerbsmäßigen Verbringens in den Geltungsbereich des Tierschutzgesetzes vor. 8 Die Bundesregierung begründete ihre Ablehnung mit im Hinblick auf Art. 30 EGV bestehende Bedenken. Durch das vom Bundesrat vorgeschlagene pauschale Verbot des Verbringens von Tieren, denen im Ausland nach deutschem Recht tierschutzwidrige Handlungen zugefügt worden sind, in das Inland würden unzulässigerweise einseitig nationale Wertvorstellungen zugrundegelegt. 9 Nachdem die Initiative des Bundesrates in der 12. Legislaturperiode nicht mehr verwirklicht wurde, legte die Bundesregierung in der folgenden Wahlperiode den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes lO vor. Zur Begründung der Streichung der in § 5 Abs. 3 Nr. 5 TierSchG für den Rutenkupieren enthaltenen Ausnahme wurde wiederum auf Art. 10 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Heimtieren Bezug genommen. Ergänzend wies die Bundesregierung darauf hin, daß sie nicht mehr wie bisher von der Möglichkeit des Art. 21 Abs. 1 des Abkommens Gebrauch machen und

BRDrucks 93 / 92. Bundesratsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes, BTDrucks 12/4869 S. 14. 7 Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Bundesratsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes, BTDrucks 12/4869 S. 23 (26). 8 Bundesratsentwurf (Anm. 6) S. 8. 9 Stellungnahme der Bundesregierung (Anm. 7) S. 33. 10 BTDrucks 13/7015. 5

6

I. Die Novellierung des tierschutzrechtlichen Eingriffsverbots

11

den eingelegten Vorbehalt nicht aufrechterhalten werde. II Die später in § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit.b TierSchG aufgenommene Ausnahme vom Kupierverbot rur jagdlich zu fiihrende Hunde fand sich im Regierungsentwurfnoch nicht. Sie wurde erst auf Empfehlung des Vermittlungsausschusses aufgenommen. 12 Die Erweiterung des Qualzuchtverbots (§ 11 b TierSchG) soll der Tatsache Rechnung tragen, daß durch bio- oder gentechnische Maßnahmen ebenso Qualformen von Tieren erzeugt werden können wie durch Zuchtauswahl oder Kreuzungen. \3 Der Regierungsentwurf schlug als Änderung des § 12 TierSchG zunächst eine Änderung des § 12 Abs. 2 vor, die sich auf die jetzigen § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 6 TierSchG beschränkte. 14 Motive waren die Anpassung an die RL 93/119/ EG des Rates vom 22. Dez. 1993 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung lS sowie die bessere Kontrollierbarkeit der Einfuhr oder Ausfuhr von Tieren. 16 Demgegenüber wollte der Bundesrat in dem § 12 ein generelles Verbot der gewerbsmäßigen Haltung von Wirbeltieren, an denen Schäden festzustellen sind, von denen anzunehmen ist, daß sie durch tierschutzwidrige Handlungen verursacht worden sind, sowie ein unter zusätzlichen Voraussetzungen geltendes Verbot der Verbringung solcher Wirbeltiere in den Geltungsbereich des Tierschutzgesetzes und ihrer Haltung durch nicht gewerbsmäßig Handelnde verankert wissen. 17 Die Bundesregierung lehnte diesen Vorschlag ab. Das generelle Verbot der gewerbsmäßigen Haltung, die ein bereits geschädigtes Tier nicht notwendigerweise in seinem W ohlbefmden beeinträchtigen müsse, würde in manchen Fällen Tierschutzinteressen sogar zuwiderlaufen und wäre durch die Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG nicht gedeckt. Das vom Bundesrat vorgeschlagene Verbot der Verbringung von Tieren in das Inland lege in einer mit Art. 30 EGV nicht zu vereinbarenden Weise einseitig nationale Wertvorstellungen zugrunde. Überdies sei es aufgrund der WTO-Bestimmungen unzulässig, heimische Produktions-, Vermarktungs- und Verarbeitungsvorschriften, zu denen auch tierschutzrechtliche Vorschriften gehören, auf das Gebiet anderer WTO-Mitglieder auszudehnen. Ausdrücklich hebt die Entwurfsbegründung hervor, daß dies auch fiir die II Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes, BTDrucks 13 / 7015 S. 17. 12 Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes, BTDrucks 13/10198 S. 2. 13 Begründung des Regierungsentwurfs (Anm. 11) S. 22. 14 Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes, BTDrucks 13 /7015 S. 10. 15 ABI. EG Nr. L 340 / 21. 16 Begründung des Regierungsentwurfs (Anm. 11) S. 22 f. 17 Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes, BTDrucks 13 /7015 S. 26 (34).

12

I. Die NovelIierung des tierschutzrechtlichen Eingriffsverbots

Einfuhr kupierter Rassehunde aus einem Mitgliedstaat gilt, in dem das Kupieren erlaubt ist. 18 Seine heutige Fassung erhielt der § 12 erst aufgrund der Empfehlung des Vermittlungsausschusses. 19

18 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BTDrucks 13 /7015 S. 40 (45). 19 Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses (Anm. 12) S. 4.

11. Verfassungs rechtliche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots im System des Tierschutzrechts Nach § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres verboten. Damit soll die Unversehrtheit des Tieres geschützt werden. 1 Unter einem Körperteil im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG ist in Abgrenzung von den Begriffen "Organen" und "Geweben" ein äußerlich wahrnehmbarer Teil des Körpers des Tieres zu verstehen. Unerheblich ist, ob dieser Teil mit dem übrigen Körper durch Gelenke verbunden ist. Nicht abschließend geklärt ist, was unter dem von § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG erfaßten ,,Amputieren" zu verstehen ist. Teilweise wird davon ausgegangen, der Begriff der Amputation erfasse jede Abtrennung von Körperteilen, ohne Rücksicht darauf, ob es sich dabei um ein operatives oder um ein nicht kunstgerechtes Vorgehen handele. 2 Demgegenüber vertrat die Bundesregierung im Verfahren zum Erlaß des Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 12. Aug. 19863 die Auffassung, Amputation sei nur die operative Abtrennung eines Körperteils. 4 Diese Auslegung kann sich auf den allgemeinen sprachlichen Sinn des Wortes "Amputation" stützen, der im "Duden" mit "operative Abtrennung eines Körperteils" umschrieben wird. Allerdings ist eine derartige Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG vor einer teleologischen Betrachtungsweise nicht haltbar. Sie würde dazu führen, daß ein kunstgerechter operativer Eingriff durch § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG verboten wäre, ein unfachmännisches Abreißen von Körperteilen hingegen nicht. Es ist daher davon auszugehen, daß das Amputationsverbot des § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG jede Form der Abtrennung eines Körperteils vom Körper des Tieres urnfaßt. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob der gesamte Körperteil oder nur ein Teil desselben entfernt wird. 1 Albert

Lorz, Tierschutzgesetz, 4. Aufl. München 1992, § 6 Rn. 5. Lorz (Anm. 1) § 6 Rn. 4. 3 BGB\. I S. 1309. 4 Begründung des Regierungsentwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes, BTDrucks 10/3158 S. 20. 2

14

II. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots

Im folgenden ist zu überprüfen, auf welchen verfassungsrechtlichen Grundlagen dieses Verbot beruht und ob und gegebenenfalls welche verfassungsrechtlichen Grenzen fiir seine Anwendung bestehen. Die Untersuchung bezieht sich zum einen auf die Vereinbarkeit des Verbots als solchem mit dem Grundgesetz, zum anderen auf eine Zusammenschau mit anderen Bestimmungen des Tierschutzgesetzes unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten.

1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Kompetenzgrundlage fiir den Erlaß und die Änderungen des Tierschutzgesetzes durch den Bundesgesetzgeber ist Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG. Danach steht dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung u.a. fiir den Tierschutz zu. Sofern eine Gesetzgebungsmaterie dem Kompetenztitel "Tierschutz" zuzuordnen ist und die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG erfiillt sind, kann der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch machen. Es bedarf daher der positiven Feststellung, daß die betreffende Regelung dem Tierschutz im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG unterfällt. Keineswegs bleibt es dem Gesetzgeber selbst überlassen, umfassend Begriff und Umfang des Tierschutzes zu bestimmen. 5 Die Feststellung der Bundeskompetenzen erfolgt vielmehr durch Auslegung der geschriebenen Kompetenztitel des Grundgesetzes. 6 Besondere Bedeutung kommt insoweit der historischen Interpretation und dabei der Entwicklung der Struktur der Kompetenzmaterie zu. 7 Regelungsinhalte des Tierschutzgesetzes vom 24. Nov. 1933 8 waren in erster Linie das Verbot der Tierquälerei, Vorgaben fiir Haltung, Pflege und Unterbringung von Tieren sowie Einschränkungen fiir Tierversuche. Die Tradition des Normativbegriffs "Tierschutz" deutet mithin nicht auf eine extensive Begriffsinterpretation hin. Die Erhaltung von Tieren als Teil der Natur insgesamt wird von Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG nicht erfaßt. Artenschutzrechtliche Regelungen unterfal5 So aber Theodor Maunz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, München 1998, Art. 74 Rn. 231. 6 Christoph Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, 2. Aufl. München 1999, Art. 70 Rn. 44 ff.; Christian Pestalozza, in: von Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 8, 3. Aufl. München 1996, Art. 70 Rn. 54 ff.; Hans Justus Rinck, Zur Abgrenzung und Auslegung der Gesetzgebungskornpetenzen von Bund und Ländern, in: FS für Gebhard Müller, hrsg. v . Theo Ritterspach / Willi Geiger, Tübingen 1970, S. 289 ff.; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, München 1980, S. 607 ff. 7 Degenhart (Anrn. 6) Art. 70 Rn. 46; Philip Kunig, in: von Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3,3. Aufl. München 1996, Art. 70 Rn. 21. 8 RGBI. I S. 987; dazu Wienstein, Die Regelung des Tierschutzes, RVBI. 1933, S. 1027 f.

I. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes

15

len dieser Kompetenznorrn ebensowenig wie beispielsweise Bestimmungen zur Hege wilder Tiere, die dem Kompetenztitel "Jagdwesen" in Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GG zuzuordnen sind. 9 Auch das Erfordernis des Sachkundenachweises nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG kann nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG, sondern nur auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) gestützt werden. \0 Tierschutz im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG ist der Schutz des Tieres vor Schädigungen durch den Menschen. 1I Wie die Schädigung erfolgt, ob durch Fehler in der Unterbringung, der Haltung oder der Pflege des Tieres, durch unsachgemäßen Transport, durch Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit oder die Tötung von Tieren oder durch Tierversuche, ist unerheblich. Regelungen über Eingriffe an Tieren sind demnach ebenso dem Kompetenztitel "Tierschutz" zuzuordnen wie etwa das Verbot der Qualzucht. Sind die vorliegend relevanten Regelungen des Tierschutzgesetzes damit dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG zuzuordnen, so müssen rur die Bejahung eines Gesetzgebungsrechts des Bundes darüber hinaus die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG erfiillt sein. Für die vor dem 15. Nov. 1994 erlassenen Teile des Tierschutzgesetzes, an deren Vereinbarkeit mit Art. 72 Abs. 2 GG a.F. nicht zu zweifeln ist, bleibt es gemäß Art. 125a Abs. 2 S. 1 GG bei der Fortgeltung als Bundesrecht. Die Vorschriften des Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 25. Mai 1998 12 müssen hingegen den Anforderungen des neuen Art. 72 Abs. 2 GG genügen, also zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich sein. Die Begründung des Regierungsentwurfs verweist insoweit darauf, daß im Hinblick auf die Regelungen über Genehmigungsverfahren, die Erteilung von Sachkundenachweisen und die Durchfiihrung von Tierversuchen fiir den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen gegeben sein müßten. 13 Ungeachtet der Frage, ob der Bundesgesetzgeber damit seiner durch Art. 72 Abs. 2 n.F. auferlegten Begründungs-

9 Kunig (Anm. 7) Art. 74 Rn. 100; Bodo Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. München 1995, Art. 74 Rn. 48; Rüdiger Sann wald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. Neuwied / Kriffe\ 1999, Art. 74 Rn. 210. 10 Vgl. Pestalozza (Anm. 6) Art. 74 Rn. 1452. 11 Pestalozza (Anm. 6) Art. 74 Rn. 1451. 12 BGBI. I S. 1094. 13 Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes, BTDrucks \3 / 7015 S. 14.

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11. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots

pfliche 4 gerecht geworden ist, beziehen sich die dem Regierungsentwurf zugrundegelegten Erwägungen jedenfalls nicht explizit auf die Verschärfung des Eingriffsverbots, insbesondere für das Kupieren der Rute bei Hunden. Art. 72 Abs. 2 GG n.F. enthält zwei Tatbestände: die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse. 15 Trennscharfe Kriterien für die Anwendung der beiden Tatbestände sind bislang nicht entwickelt wor.den. Unter der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse können alle Maßnahmen verstanden werden, die darauf gerichtet sind, die Umstände, unter denen die Bürger im Bundesgebiet leben, qualitativ äquivalent zu gestalten. 16 Hierunter kann ohne weiteres auch die Vorgabe eines einheitlichen Maßstabs für den Umgang mit Tieren verstanden werden. Entsprechendes gilt für die zweite Alternative des Art. 72 Abs. 2 GG: Als im gesamten Bundesgebiet geltende Regelung vermittelt das Tierschutzgesetz Rechtseinheit 17 , wobei sich seine Bedeutung und Auswirkungen nicht nur auf ein Bundesland beschränken 18. Damit ist allerdings noch nicht entschieden, qaß die genannten Bestimmungen des Tierschutzgesetzes zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet bzw. zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich sind. Zur Lösung des Problems, wann eine solche Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung vorliegt, werden im wesentlichen zwei Auffassungen vertreten: Der strengere Ansatz deutet das Erfordernis der Erforderlichkeit im Sinne einer strikten Subsidiarität. Erforderlich sei eine bundesgesetzliche Regelung lediglich dann, wenn das mit dem Gesetz verfolgte Ziel nur durch eine bundesrechtliche Bestimmung erreicht werden kann. 19 Die Gegenauffassung dreht das Re-

14 Vgl. Hubertus Rybakl Hans Hofmann, Verteilung der Gesetzgebungsrechte zwischen Bund und Ländern nach der Refonn des Grundgesetzes, NVwZ 1995, S. 230 (231). 15 Zur Neuregelung vgl. Christian Calliess, Die Justitiabilität des Art. 72 Abs. 2 GG vor dem Hintergrund von kooperativem und kompetitivem Föderalismus, DÖV 1997, S. 889 ff.; Detlef Kröger / Flemming Moos, Die Erforderlichkeitsklausel gemäß Art. 72 Abs. 2 GG n.F. im Spannungsfeld des Bundesstaates, BayVBl. 1997, S. 705 ff.; Rybak / Hofmann (Anm. 14) S. 230 ff.; Arndt Schmehl, Die erneuerte Erforderlichkeitsklausel in Art. 72 Abs. 2 GG, DÖV 1996, S. 724 ff. 16 Vgl. zum ProblemPestalozza (Anm. 6) Art. 72 Rn. 350 ff. 17 Für das Verständnis von Rechtseinheit als Geltung gleicher Rechtsnonnen im gesamten Bundesgebiet vgl. Christoph Degenhart, Staatsrecht I, 14. Aufl. Heidelberg 1998, Rn. 110; Pestalozza (Anm. 6) Art. 72 Rn. 357. Weitergehend Sannwald (Anm. 9) Art. 72 Rn. 57: "gesamtstaatliche Legitimation" erforderlich. 18 Vgl. zu dieser Auslegung des Begriffs "gesamtstaatliches Interesse" Degenhart (Anm. 17) Rn. lID; Pieroth (Anm. 9) Art. 72 Rn. 8. Weitergehend Sannwald (Anm. 9) Art. 72 Rn. 64: Auslegung nach kompetenzre1evanten Strukturbestin1mungen und Wertentscheidungen des Grundgesetzes. 19 Sannwald (Anm. 9) Art. 72 Rn. 71.

2. Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung tierschutzrechtlicher Regelungen

17

gel-Ausnahme-Verhältnis nahezu um. Danach sei die Erforderlichkeit nur dann zu verneinen, wenn den Intentionen des Art. 72 Abs. 2 GG durch gleichgerichtete Landesgesetze Rechnung getragen wird oder in absehbarer Zeit werden kann. 20 Folgt man der strengeren Auffassung, so ließen sich gegenüber der Erforderlichkeit der hier zu untersuchenden Änderungen des Tierschutzgesetzes Bedenken vorbringen: Das Ziel des Schutzes der Tiere vor Eingriffen des Menschen lasse sich ebensogut durch landesrechtliche Vorschriften verwirklichen. Der Katalog mittelbarer Schutzinstrumente des § 12 TierSchG zeige gerade, daß die Verfolgung materieller Tierschutzstandards auch gegenüber standarddivergenten Staaten möglich sei. Umgehungen der in einem Bundesland gesetzten Schutzstandards durch Vornahme des dort verbotenen Eingriffs in einem anderen Bundesland könnten durch Haltungsverbote verhindert werden. Bei der Anwendung der Erforderlichkeitsklausel ist jedoch zu beachten, daß dem Bundesgesetzgeber diesbezüglich eine Einschätzungsprärogative zukommt. 21 Es ist zuvörderst der politischen Gestaltungsaufgabe des Bundesgesetzgebers überlassen, Einheitlichkeitsanforderungen zu formulieren. Erst wenn er die Gestaltungsmöglichkeiten der Länder grundsätzlich falsch eingeschätzt hat, ist seine Entscheidung korrigierbar. Diese Grenze ist mit der Annahme der nach Art. 72 Abs. 2 GG notwendigen Erforderlichkeit der betreffenden Änderungen des Tierschutzgesetzes nicht überschritten worden. Es ist jedenfalls nicht fehlsam anzunehmen, daß ein gleichwertiger Tierschutzstandard in allen Bundesländern durch eine bundeseinheitliche Regelung deutlich gefördert wird. Mittelbare Schutzinstrumente nach Art der in § 12 TierSchG vorgesehenen bleiben in ihrer Wirkung hinter unmittelbaren Schutzbestimmungen wie Eingriffsverboten deutlich zurück.

2. Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung tierschutzrechtlicher Regelungen Jede gesetzliche Regelung muß sich mit Blick auf etwaige Grundrechtsbeeinträchtigungen dahingehend rechtfertigen lassen, daß sie ein verfassungsrechtlich zulässiges Ziel verfolgt sowie zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist. 22 Insofern ist die Frage, ob das verfolgte Ziel seinerseits verfassungsrechtlich als verpflichtend vorgegeben ist, für die Bewertung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung einer Kunig (Anm. 7) Art. 72 Rn. 28; Pieroth (Anm. 9) Art. 72 Rn. 7. Degenhart (Anm. 17) Rn. 109; Kunig (Anm. 7) Art. 72 Rn. 28; Sannwald (Anm. 9) Art. 72 Rn. 78. 22 Ingo von Münch, in: von Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 4. Aufl. München 1992, Vorb. Art. 1-19 Rn. 55. 20

21

2 Speyer 135

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II. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots

Regelung von erheblicher Bedeutung. Hat das Ziel seinerseits Verfassungsrang oder ist seine Verwirklichung sogar eine verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers, so setzt sich eine zielverfolgende Regelung leichter gegen konfligierende Rechtsgüter durch.

a) Hat der Tierschutz Verfassungsrang? Um die Ableitung eines Verfassungsrangs des Tierschutzes bemühen sich verschiedene Ansätze. Im Verfassungstext ausdrücklich erwähnt wird der Tierschutz allein in der Kompetenzvorschrift des Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG. Aus ihr wird man jedenfalls entnehmen können, daß der Tierschutz ein verfassungslegitirnes Ziel darstellt, das der Gesetzgeber verfolgen darf. 23 Über diese Zielerläuterung hinaus wird Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG teilweise entnommen, daß dem Tierschutz damit ein materieller Verfassungsrang zuerkannt worden sei. 24 Die überwiegende Auffassung lehnt diesen Ansatz ab. 2s Da die Verfassung nicht zum Erlaß tierschützender Normen verpflichte, könne hinter der Kompetenzzuweisung kein materieller Verfassungswert vermutet werden. 26 Beide Sichtweisen greifen insofern zu kurz, als sie die Frage nach dem Verfassungsrang einer in einer Kompetenznorm bezeichneten Materie auf das Problem des Vorrangs gegenüber grundrechtlich geschützten Positionen reduzieren. 27 Eine problemadäquate Sicht hat jedoch weiter auszugreifen und den systematischen Zusammenhang von Verfassungsnormen zu beachten. Die Verfassung organisiert und begrenzt die Wahrnehmung der spezifischen Aufgaben

23 Günter ErbeI, Rechtsschutz für Tiere, DVBI. 1986, S. 1235 (1249); Michael Kloepfer / Matthias Rossi, Tierschutz in das Grundgesetz?, JZ 1998, S. 369 (370). 24 OVG Hamburg NVwZ 1994, S. 592 (594); Wolfgang Heyde, Der Regelungsspielraum bei vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten, in: Festschrift für Wolfgang Zeidler, hrsg. v. Walther Fürst / Roman Herzog u.a. , Bd. 2, Berlin / New York 1987, S. 1429 (1441 0; Hans-Georg Kluge, Vorbehaltlose Grundrechte am Beispiel des Schächtens, ZRP 1992, S. 141 (144); Christoph Maisack, Die Käfighaltung von Legehennen im Licht des Tierschutz- und des Grundgesetzes, NVwZ 1997, S. 761 (763); Bodo Pieroth, Materiale Rechtsfolgen grundgesetzlicher Kompetenz- und Organisationsnormen, AöR 114 (1989), S. 422 (447). 2S BVerwGE 105, S. 73 (81); VGH Kassel ESVGH 44, S. 145 (\48); VG Berlin NVwZ-RR 1994, S. 506 (507); Erbel (Anm. 23) S. 1249; Günter Frankenberg, Tierschutz oder Wissenschaftsfreiheit?, KJ 1994, S. 421 (436 ff.); Stefan Huster, Gehört der Tierschutz ins Grundgesetz?, ZRP 1993, S. 326 (327); Michel Kloepfer, Tierversuchsbeschränkungen und Verfassungsrecht, JZ 1986, S. 205 (206 f.); Kloepfer / Rossi (A~!ß. 23) S. 370; Thomas Kuhl / Peter Unruh, Religionsfreiheit versus Tierschutz, DOV 1994, S. 644 (647); Kunig (Anm. 7) Art. 74 Rn. 101; Hans-Jürgen Papier, Genehmigung von Tierversuchen, NuR 1991, S. 162 (164); Sannwald (Anm. 9) Art. 74 Rn. 213. 26 Erbel (Anm. 23) S. 1249. 27 So richtig Pestalozza (Anm. 6) Art. 74 Rn. 1463 f.

2. Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung tierschutzrechtlicher Regelungen

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des Staates. 28 Sie verlautbart die Interessen, um derentwillen der Staat als System ausdifferenziert ist. 29 Kompetentiell fixierte Interessen sind schon nach der Struktur ihrer Positivierung auf normative Realisierung und Rechtsfolgeanordnung angelegt. 30 Erforderlich ist lediglich, daß ein mit anderen Interessen kollisionsfahiges Interesse aus einem Verfassun~srechtssatz konkretisierbar ist. Weitergehende Anforderungen bestehen nicht. I Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Anerkennung eines Interesses als kollisionsfahig noch nicht seine Durchsetzung gegen ein grundrechtlich geschütztes Interesse beinhaltet. 32 Geboten ist vielmehr eine umfassende Abwägung der beteiligten Interessen. 33 Vorzunehmen ist die Aktualisierung eines verfassungsrechtlich positivierten Interesses gegenüber einer grundrechtlichen Schutzposition allein durch den Gesetzgeber. 34 Die Verankerung des Tierschutzes in der Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG besagt daher nicht mehr, als daß der Tierschutz als aktualisierungsfahiges Interesse formuliert wird. Eine Gewichtungsentscheidung gegenüber grundrechtlichen Positionen ist damit nicht verbunden. Insoweit bleibt es bei den allgemeinen Regeln des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Erwähnung des Tierschutzes in Art. 74 Abs. 1 NT. 20 GG ist damit lediglich die Positionierung eines legitimen Ziels gesetzgeberischen Handelns. Dies gilt zumindest dann, wenn lediglich Grundrechte betroffen sein können, die einem geschriebenen Gesetzesvorbehalt unterstehen (vgl. 11 2 b). Anders ist die Situation, wenn der Tierschutz als verfassungsrechtlich verlautbares Interesse auf vorbehaltlose Grundrechte wie die Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) oder die Forschungs- und Lehrfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) trifft. Hier erlaubt es die Fixierung als Interesse dem Gesetzgeber, einen Ausgleich mit konfligierenden Interessen herzustellen. Ein materieller Verfassungsrang in dem Sinne, daß sich aus der kompetentiellen Verlautbarung notwendig eine Beschränkung vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechtspositionen ergibt, kommt 28 Dazu Josej Isensee, Staat und Verfassung, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef lsensee / Paul Kirchhof, Bd. I, Heidelberg 1987, § 13 Rn. 137. 29 Jan Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, Tübingen 1997, S. 389. 30 Vgl. zu diesem Kriterium Michael Sachs, in: Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III / 2, München 1994, S. 557 f. 31 Ziekow (Anm. 29) S. 558. A.A. Hans D. Jarass, in: Jarass / Pieroth (Anm. 9) Vorb. vor Art. 1 Rn. 38; Michael Selk, Einschränkung von Grundrechten durch Kompetenzregelungen?, JuS 1990, S. 895 (897 ff.). 32 So aber Albert B1eckmann, Staatsrecht 11, 3. Aufl. Köln / Berlin / Bonn / München 1989, S. 358. 33 Erschöpfend dazu Sachs (Anm. 30) S. 560 ff. 34 Jarass (Anm. 31) Vorb. vor Art. 1 Rn. 40; Pieroth (Anm. 24) S. 443; Walter Schmidt, Der Verfassungsvorbehalt der Grundrechte, AöR 106 (1981), S. 497 (524); Thomas Wülfing, Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und Grundrechtsschranken, Ber!in 1981, S. 131.

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11. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots

dem Tierschutz allerdings nicht zu. 3S Vielmehr bleibt im Gegenteil die Entscheidung der Verfassung zu beachten, bestimmte Grundrechte gerade ohne die Möglichkeit gesetzgeberischer Schrankenziehung zu gewährleisten. Soweit sich der Verfassungsrang des Tierschutzes auf die Erwähnung in einer Kompetenznonn beschränkt, kommt der schrankenlos garantierten Freiheit in der Abwägung regelmäßig der Vorrang zu. Eine hierüber hinausgehende Durchsetzungsfähigkeit könnte dem Tierschutz nur dann zukommen, wenn er nicht nur als Interesse, sondern als spezifisches Schutzgut verfassungsrechtlich ableitbar wäre. In diese Richtung geht der Versuch, den Tierschutz in Art. 1 Abs. 1 GG zu verankern. Gerade in einem verantwortlichen und fiirsorglichen Umgang mit Mitgeschöpfen manifestiere sich die achtenswerte Würde des Menschen. Durch die Außerachtlassung dieser Verantwortung in Fonn tierschädigender Handlungen entwürdige sich der Mensch selbst. Art. 1 Abs. 1 GG enthalte daher als Wertentscheidung das Gebot an den Gesetzgeber, tierschützend tätig zu werden. 36 Mit dem grundgesetzlichen Konzept der Würde des Menschen ist dieser Versuch kaum zu vereinbaren. Würde des Menschen im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG ist die Verantwortung des Menschen fiir das Gelingen seiner achtungswürdigen Selbstdarstellung vor sich selbst. 37 Die Verantwortung fiir diese Herstellungsleistung kommt dem Menschen zu, weil er Mensch ist. Der Erfolg oder Mißerfolg der Leistung beseitigt die Verantwortung nicht. Da die Würde gerade in der Verantwortung selbst besteht, ist eine "Selbstentwürdigung" durch Nichtübereinstimmung mit extern projizierten Nonnen nicht möglich. 38 Abweichungen von ethischen Verhaltens schemata beeinträchtigen die Würde

A.A. Pieroth (Anm. 24) S. 447. OVG Hamburg NVwZ 1994, S. 592 (595); Klaus Brandhuber, Tiertötungen zu Ausbildungszwecken im Spannungsfeld von Tierschutz, Gewissens- und Lehrfreiheit, NVwZ 1993, S. 642 (645); Erbel (Anm. 23) S. 1251; Johannes Caspar, Tierschutz im Recht der modemen Industriegesellschaft, Baden-Baden 1999, S. 343 ff.; HansChristoph von Heydebrand u.d. Lasa / Franz Gruber, Tierversuche und Forschungsfreiheit, ZRP 1986, S. 115 (118); Philip Kunig, in: von Münch / Kunig I (Anm. 22) Art. 1 Rn. 16; Susanne Mädrich, Forschungsfreiheit und Tierschutz im Spiegel des Verfassungsrechts, Frankfurt a.M. / Bem / New York / Paris 1988, S. 97 ff. 37 Grundlegend Niklas Luhmann, Grundrechte als Institution, 2. Aufl. Berlin 1974, S. 73, 75. Ihm folgend Bernhard Giese, Das Würde-Konzept, Berlin 1975, S. 62 ff.; Wolfram Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, Berlin 1987, S. 120 f.; Werner Krawietz, Gewährt Art. 1 Abs. 1 GG dem Menschen ein Grundrecht auf Achtung und Schutz seiner Würde?, in: Gedächtnisschrift für Friedrich Klein, hrsg. v. Dieter Wilke / Harald Weber, München 1977, S. 245; Klaus Kröger, Grundrechtstheorie als Verfassungsproblem, Baden-Baden 1978, S. 36; Ziekow (Anm. 29) S. 380 f. 38 Ziekow (Anm. 29) S. 381. 35 36

2. Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung tierschutzrechtlicher Regelungen

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des Menschen nicht. Bestimmte Verhaltensaufforderungen hinsichtlich des Tierschutzes können aus Art. 1 Abs. 1 GG nicht abgeleitet werden. 39 Weitere Versuche, den Tierschutz als zur Einschränkung von - insbesondere vorbehaltlos gewährleisteten - Grundrechten fähiges Rechtsgut seinerseits grundrechtlich zu positionieren, greifen auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und das in Art. 2 Abs. 1 GG genannte Sittengesetz zurück. So wird unterstellt, daß die Begehung tierschädigender Handlungen die Hemmung sinken lasse, Menschen Leid zuzufügen. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG sei die Schutzpflicht zu entnehmen, diese bestehende Hemmung aufrechtzuerhalten und die körperliche Unversehrtheit der Tiere gegenüber dem Menschen zu gewährleisten. 4o Zwar ist es richtig, daß aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG die Pflicht des Staates zu Schutz und Förderung des menschlichen Lebens folgt. 41 Auch ist das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ein Grundrecht mit niedriger Aktivierungsschwelle, welches wegen der regelmäßigen Irreversibilität einer Ingerenz eines früher einsetzenden Schutzes bedarf. 42 Jedoch gibt die Verfassung nur den Schutz des Menschen als Ziel vor, nicht seine Ausgestaltung im einzelnen. 43 Die Entscheidung über das Wie des Schutzes obliegt dem Gesetzgeber. 44 Daraus folgt, daß die zur Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht ergriffene Maßnahme nicht selbst in den Rang einer Schutzpflicht aufrücken kann. Die Richtigkeit der psychologischen Prämisse der oben wiedergegebenen Auffassung unterstellt, mag der Tierschutz ein Mittel zur Erfüllung der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1, 1 Abs. 1 GG sein, zum verfassungsrechtlich gebotenen Zweck wird er damit nicht. Ebensowenig Erfolg beschieden sein kann dem Bemühen, den Tierschutz als ethisches Postulat als Teil des Sittengesetzes im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG zu

39 BVerwGE 105, S. 73 (81); VGH München NVwZ-RR 1993, S. 190 (193); VG Berlin NVwZ-RR 1994, S. 506 (508); Frankenberg (Anm. 25) S. 433 f.; Stephan Hobe, Tierversuche zwischen Tierschutz und Forschungsfreiheit, WissR 31 (1998), S. 309 (325 0; Kluge (Anm. 24) S. 144; Kuhl! Unruh (Anm. 25), S. 648; Kloepfer (Anm. 25) S. 208; ders.! Rossi (Anm. 23) S. 370; Anna Lübbe, Hat der Tierschutz Verfassungsrang?, NuR 1994, S. 469 (470); Papier (Anm. 25) S. 164. 40 Lübbe (Anm. 39) S. 472. 41 BVerfGE 39, S. I (4lf.); 53, S. 30 (57); 88, S. 203 (251). Zur Schutzpflicht vgl. Ziekow (Anm. 29) S. 583 m.w.N. 42 Johannes Diet/ein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, Berlin 1992, S. 72; Josef Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Josef Isensee / Paul Kirchhof, Bd. V, Heidelberg 1992, § III Rn. 98. 43 BVerfGE 88, S. 203 (254). 44 BVerfGE 39, S. I (44); 88, S. 203 (254).

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H. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots

verstehen und diese Schranke auf andere Grundrechte zu übertragen. 45 Für die Einschränkbarkeit des Art. 2 Abs. 1 GG selbst spielt die Frage, ob der Tierschutz sittengesetzlich überhöht wird, keine Rolle. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG kann durch jedes mit der Verfassung in Einklang stehende Gesetz beschränkt werden. Daß die Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG nicht fiir die Beschränkung anderer Grundrechte herangezogen werden kann, darf als aus· ku'tiert ge Iten. 46 dIS Im Zuge der Einfiigung der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG47 ist unter anderem die Frage diskutiert worden, ob und inwieweit der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch den Tierschutz umfaßt und ob der Tierschutz Gegenstand einer gesonderten Zielbestimmung sein sollte. Die Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat verstand sich hinsichtlich eines Staatsziels Tierschutz zu keiner Empfehlung. 48 Der Kommission lagen diesbezüglich mehrere Anträge vor, fiir die jeweils eine Mehrheit der Kommissionsmitglieder stimmte, ohne daß jedoch die fiir eine Empfehlung erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht wurde. 49 Die Verfassungsressorts der Bundesregierung lehnten in ihrer Stellungnahme die ausdrückliche und gesonderte Erwähnung des Tierschutzes als Staatsziel ab. 50 Der schließlich in Art. 45 So aber der Ansatz von Klaus Brandhuber, Kein Gewissen an deutschen Hochschulen?, NJW 1991, S. 725 (728); Erbel (Anm. 23) S. 1249 ff.; Kluge (Anm. 24) S. 145 f.; Papier (Anm. 25) S. 164. 46 BVerfGE 30, S. 173 (192); 32, S. 98 (108); 36, S. 146 (161); 47, S. 327 (368); 67, S. 213 (228); BVerwGE 105, S. 73 (81); VG Berlin NVwZ-RR 1994, S. 506 (508); Frankenberg (Anm. 25) S. 434 ff.; Kloepfer / Rossi (Anm. 23) S. 370; Kuhl/ Unruh (Anm. 25) S. 648; Kunig (Anm. 36) Art. 2 Rn. 19; Dietrich Murswiek, in: Sachs (Anm. 6) Art. 2 Rn. 13. 47 Zu Art. 20a vgl. Norbert Bernsdorff, Positivierung des Umweltschutzes im Grundgesetz (Art. 20a GG), NuR 1997, S. 328 ff.; Hans-Günter Hennecke, Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG, NuR 1995, S. 325 ff.; Hans H. Klein, Staatsziele im Verfassungsgesetz - Empfiehlt es sich, ein Staatsziel Umweltschutz in das Grundgesetz aufzunehmen?, DVBI. 1991, S. 729 ff.; Michael Kloepfer, Umweltschutz als Verfassungsrecht: Zum neuen Art. 20a GG, DVBI. 1996, S. 73 ff.; Hartmut Kuhlmann, Der Mitweltschutz im gesamtdeutschen Grundgesetz, NuR 1995, S. 1 ff.; Klaus G. Meyer-Teschendorf, Verfassungsmäßiger Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, ZRP 1994, S. 73 ff.; Dietrich Murswiek, Staatsziel Umweltschutz (Art. 20a GG), NVwZ 1996, S. 222 ff.; Heinz-Joachim Peters, Art. 20a GG - Die neue Staatszielbestimmung des Grundgesetzes, NVwZ 1995, S. 555 ff.; Alexander Schink, Umweltschutz als Staatsziel, DÖV 1997, S. 221 ff.; Arnd Uhle, Das Staatsziel "Umweltschutz" im System der grundgesetzlichen Ordnung, DÖV 1993, S. 947 ff.; Rainer Wolf, Gehalt und Perspektiven des Art. 20a GG, KritV 80 (1997), S. 280 ff. Zusammenfassend zur Diskussion um Staatszielbestimmungen Karl-Peter Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, Tübingen 1997. 48 Abschlußbericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BTDrucks 12/6000 S.68. 49 Abschlußbericht (Anm. 48), BTDrucks 12/6000 S. 69. 50 Abschlußbericht (Anm. 48), BTDrucks 12/6000 S. 70.

2. Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung tierschutzrechtlicher Regelungen

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20a GG aufgenommene Begriff der natürlichen Lebensgrundlagen decke den Tierschutz nur insoweit ab wie es um den Schutz der Lebensräume freilebender Tiere vor Zerstörung gehe. Haustiere, landwirtschaftliche Nutztiere" sowie Versuchs-, Zoo- und Zirkustiere seien hingegen nicht erfaßt. 51 Der Vorschlag der Ressorts, den Tierschutz über die Aufnahme des Begriffs der Schöpfung in das Grundgesetz zu integrieren, wurde allerdings nicht aufgegriffen. Der Bundestag sprach sich gegen eine ausdrückliche Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz aus. 52 Im Rahmen eines in der Sitzung vom 30. Juni 1994 mit einfacher Mehrheit angenommenen Entschließungsantrags vertrat der Bundestag die Auffassung, daß zu den natürlichen Lebensgrundlagen im Sinne von Art. 20a GG die gesamte Schöpfung und damit auch das Tier zähle. Die Staatszielbestimmung Umweltschutz umfasse daher prinzipiell den Tierschutz. 53 Gleichwohl brachte der Bundesrat auf Initiative des Landes RheinlandPfalz54, die von Gesetzesanträgen anderer Bundesländer flankiert wurde 55 , beim Bundestag den Entwurf eines Staatsziels Tierschutz in Form eines Art. 20b GG ein. 56 Der Bundesrat sah den von Art. 20a GG gewährleisteten Tierschutz nicht als ausreichend an, beziehe sich doch der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen nur auf die Arterhaltung und allenfalls auf die Lebensräume von Tieren, nicht aber auf die Tiere selbst und ihre artgerechte Haltung durch den Menschen. Während Art. 20a GG Haustiere, landwirtschaftliche Nutztiere, Versuchs-, Zoo- und Zirkustiere überhaupt nicht und freilebende Tiere nur insoweit erfasse, wie es um den Schutz der Lebensräume der Tiere vor Zerstörung gehe, solle der vorgeschlagene Art. 20b GG alle Tiere vor vermeidbaren Leiden und Schäden schützen. 57 Der in der 13. Legislaturperiode nicht verabschiedete Antrag ist in der 14. Wahlperiode in veränderter Form durch einen Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen wieder aufgegriffen worden. 58

Abschlußbericht (Anm. 48), BTDrucks 12/6000 S. 70. Vgl. BT-PlProt 12/238 S. 21033. 53 Vgl. den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU / CSU und FDP, BTDrucks 12/8211, mit BT-PIProt 12/238 S. 21038. 54 BRDrucks 742 / 97. 55 Der rheinland-pfälzische Antrag wurde vom Land Sachsen-Anhalt mitgetragen, vgl. BRDrucks 742/ 1 /97. S. zur Einfügung eines Staatsziels "Tierschutz" in das Grundgesetz noch die Anträge des Freistaates Bayern, BRDrucks 742/2/97, und des Landes Nordrhein-Westfalen, BRDrucks 742 / 3/97. 56 BRDrucks 742 / 97 (Beschluß). 57 Begründung des Bundesratsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel "Tierschutz"), BRDrucks 742 / 97 (Beschluß) Anlage S. 2 f. 58 BTDrucks 14/282. Dazu befürwortend Johannes Caspar, Zur Einführung einer Staatszielbestimmung "Tierschutz" ins Grundgesetz, ZUR} 998, S. 177 ff.; ablehnend Wolfgang Löwer, Tierschutz und Verfassung - Rechtliche Uberlegungen zur Forderung 51

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11. VerfassungsrechtIiche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots

Die Untersuchung, ob und inwieweit der Tierschutz als spezifisches Schutzgut verfassungsrechtlich positiviert ist, muß sich derzeit de constitutione lata auf die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG konzentrieren. Eindeutig ist zunächst, daß der Entschließung des Bundestages vom Juni 1994 weder eine Bindungswirkung noch etwa die Bedeutung einer authentischen Interpretation des Art. 20a GG zukommt. Ganz im Gegenteil hat die ausdrückliche Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz gerade nicht die erforderliche Mehrheit ge59 funden. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß der von Art. 20a GG beabsichtigte Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen den Tierschutz nicht mit umfaßt, soweit ein Schutz des Tieres als Individuum gegenüber bestimmten Handlungen des Menschen intendiert ist. 60 Natürliche Lebensgrundlagen im Sinne des Art. 20a GG sind unter anderem die Umweltmedien Boden, Luft und Wasser sowie Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen in ihren Lebensräumen. 61 Art. 20a GG beinhaltet mithin zwar auch den Schutz der Fauna, jedoch nur in ihrem Lebensraumbezug. Sofern die Zerstörung von Lebensräumen die Tierwelt beeinträchtigt, ist der Schutzauftrag des Art. 20a GG einschlägig. 62 Gelten kann dies von vornherein nur rur freilebende Tiere, nicht rur Haustiere und andere domestizierte Tiere. 63 Sie sind Teil des Lebensraumes des Menschen, so daß in Anbetracht der anthropozentrischen Konzeption der Staatszielbestirnmung64 ein mediatisierter Eigenschutz der domestizierten Tiere von vornherein ausscheidet.

nach einer Ergänzung des Grundgesetzes, in: Vielfalt des Wissenschaftsrechts. Gedächtnisschrift für Otto Kimminich, Tübingen 1999, S. 54 ff. 59 Hierauf stellt zu Recht Ursula M. Händel, Chancen und Risiken einer Novellierung des Tierschutzgesetzes, ZRP 1996, S. 137 (140) ab. 60 BVerwGE 105, S. 73 (81); Hans B. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein (Anm. 9) Art. 20a Rn. 11; Winfried Brohm, Soziale Grundrechte und Staatszielbestimmungen in der Verfassung, JZ 1994, S. 213 (219); Kloepfer/ Rossi (Anm. 23) S. 370; Eisenhart von Loeper, Tierschutz ins Grundgesetz, ZRP 1996, S. 143 (144); Murswiek (Anm. 49) Art. 20a Rn. 31; Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. 2, Tübingen 1998, Art. 20a Rn. 30; Uhle (Anm. 47) S. 953. A.A. Kuhlmann (Anm. 47) S. 4 f. 61 Vgl. Henneke (Anm. 47) S. 328; Jarass (Anm. 31) Art. 20a Rn. 2; Michael Kloepfer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. v. Rudolf Dolzer, Heide\berg 1998, Art. 20a Rn. 50; Murswiek (Anm. 46) Art. 20a Rn. 30; Schink (Anm. 47) S. 223; Rupert Scholz, in: Maunz I Dürig (Anm. 5) Art. 20a Rn. 36; Schulze-Fielitz (Anm. 60) Art. 20a Rn. 28. 62 Schulze-Fielitz (Anm. 60), Art. 20a Rn. 30; Brockmeyer (Anm. 60) Art. 20a Rn. 11.

63 Bernsdorff (Anm. 47) S. 331; Brockmeyer (Anm. 60) Art. 20a Rn. 11; Kloepfer/ Rossi (Anm. 23) S. 370; Murswiek (Anm. 46) Art. 20a Rn. 31; Schulze-Fielitz (Anm. 60) Art. 20 Rn. 30. A.A. Schink (Anm. 47) S. 224; Kay Waechter, Umweltschutz als Staatsziel, NuR 1996, S. 321 (323 f.). 64 Vgl. Brockmeyer (Anm. 60) Art. 20a Rn. 11; Kloepfer (Anm. 61) Art. 20a Rn. 53; ders. (Anm. 47) S. 77; Meyer-Teschendoif(Anm. 47) S. 77; Schink (Anm. 47) S. 224;

2. Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung tierschutzrechtlicher Regelungen

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In der Zusammenschau lassen sich zwei Anknüpfungspunkte für einen Verfassungsrang des Tierschutzes festmachen: Die Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG formuliert den Tierschutz als legitimes Ziel gesetzgeberischen Handelns, dem gegenüber schrankenlos gewährleisteten Grundrechten keine beschränkende Wirkung zukommt, das aber für durch oder aufgrund eines Gesetzes beschränkbare Grundrechte eine verfassungsrechtlich zulässige Zweckbestimmung für Maßnahmen des Gesetzgebers setzt. Die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG weist nur insofern einen Bezug zum Tierschutz auf, als die Zerstörung von Lebensräumen freilebender Tiere vermieden werden soll. Für den Schutz von Haustieren gegen Handlungen des Menschen ergibt Art. 20a GG nichts.

b) Grundrechtliehe Anforderungen an das tierschutzrechtliche Eingriffsverbot Aus grundrechtlicher Perspektive setzt eine Rechtfertigung der Verschärfung des Eingriffsverbots wie anderer tierschutzrechtlicher Regelungen voraus, daß die in den Schutzbereich eines Grundrechts eingreifende Maßnahme ein verfassungsrechtlich zulässiges Ziel verfolgt sowie zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist (0.11 2 vor a). Als durch das Verbot des Eingriffs in Form des Kupierens von Ohren und Rute des Hundes betroffene Grundrechte kommen die von Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit, die von Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Wissenschaftsfreiheit, die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) in Betracht. Erfolgt die Kupierung zu Forschungs- oder Lehrzwecken, so unterfällt sie gemäß § 6a TierSchG nicht den Verboten der §§ 5 und 6 TierSchG. Einschlägig sind insoweit die für Tierversuche geltenden §§ 7 ff. TierSchG und der Eingriffe zu Aus-, Fort- oder Weiterbildungszwecken regelnde § 10 TierSchG. Für die Auflösung einer Konfliktlage zwischen Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) und Tierschutz sind die fehlende Unterstellung der Wissenschaftsfreiheit unter einen Gesetzesvorbehalt und die nicht erfolgte Verankerung des Tierschutzes als spezifisches verfassungsrechtliches Schutzgut zu beachten. Gegebenenfalls sind die Normen des Tierschutzgesetzes einer verfassungskonformen Auslegung zu unterziehen. 65

Scholz (Anm. 61) Art. 20a Rn. 39; Schulze-Fielitz (Anm. 60) Art. 20a Rn. 25; Uhle (Anm. 47) S. 953. 65 Vgl. zur Problematik BVerfG NVwZ 1994, S. 594 ff.; VGH Kassel ESVGH 44 S. 145 (146 ff.); Brandhuber (Anm. 36) S. 642 ff.; Frankenberg (Anm. 25) S. 421 ff.; Kloepfer (Anm. 25) S. 205 ff.; ders. / Rossi (Anm. 23) S. 369 ff.; Hans-Georg Kluge,

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11. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots

Ein Eingriff des Verbots in das durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit setzte voraus, daß das Kupieren eine berufliche Tätigkeit ist. Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG ist nach überwiegender Auffassung jede erlaubte und auf eine gewisse Dauer angelegte Tätigkeit, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient. 66 Bei Anlegung dieses Maßstabs ließe sich die Einbeziehung des Eingriffs am Tier in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG mit der Begründung verneinen, der Eingriff sei durch § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG grundsätzlich verboten (0. 11 vor 1), so daß keine erlaubte Tätigkeit vorliege. Allerdings ist zu beachten, daß das Merkmal des Erlaubtseins der Tätigkeit nicht dazu dienen kann, den Schutzbereich der Berufsfreiheit zur Disposition des einfachen Gesetzgebers zu stellen. Ein einfachgesetzliches Verbot läßt die Eigenschaft einer Tätigkeit als Beruf nicht verloren gehen. 67 Beschränkungen der grundrechtlich verbürgten Freiheit sind vielmehr auf der Stufe der Grundrechtsschranken abzuarbeiten. 68 Aus diesem Grunde muß es auch strukturellen Bedenken begegnen, an die Stelle des Erlaubtseins die fehlende soziale Unwertigkeit der Tätigkeit zu setzen69 • Der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient eine Tätigkeit, wenn sie unter Anlegung eines objektiven Maßstabs wesensmäßig geeignet ist, die materiellen Existenzgrundlagen des einzelnen zu sichern. 70 Gegenbegriff ist die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Gestaltung des privaten Lebensbereichs. 71 Typisches Beispiel ist die Verfolgung privater Liebhabereien, die Ausübung von Hobbies. Sie unterfallt nicht dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG. 72 Sofern der Eingriff an dem Tier von dessen Halter vorgenommen wird, muß Grundrechtlicher Freiraum des Forschers und ethischer Tierschutz, NVwZ 1994, S. 869 ff.; Papier (Anm. 25) S. 162 ff. 66 BVerfGE 7, S. 377 (397); 50, S. 290 (362); 54, S. 301 (313); BVerwGE 1, S. 92 (93); 22, S. 286 (287); Manfred Gubelt, in: von Münch I Kunig I (Anm. 22) Art. 12 Rn. 8; Jörn Ipsen, Staatsrecht II, 2. Aufl. Neuwied I Krifte1 1998, Rn. 596 ff.; Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 14. Aufl. Heidelberg 1998, Rn. 810 ff.; Rainer Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung, Berlin 1983, S. 36. 67 BVerwG NVwZ 1995,475 (476); 1995, S. 477 (478); U1rich Battis/Christoph Gusy, Einführung in das Staatsrecht, 3. Aufl. Heidelberg 1991, Rn. 503; Wilfried Berg, Berufsfreiheit und verbotene Berufe, GewArch 1979, S. 249 (252 ff.); Rüdiger Breuer, Freiheit des Berufs, in: Handbuch des Staatsrechts (Anm. 42), Bd. VI, Heidelberg 1989, § 147 Rn. 44; Hans Heinrich Rupp, Das Grundrecht der Berufsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 92 (1967), S. 212 (218 f.); PeterJ. Tettinger, in: Sachs (Anm. 6) Art. 12 Rn. 36. 68 Höfling (Anm. 37) S. 179 f.; Ziekow (Anm. 29) S. 429 f. 69 Vgl. zur sozialen Unwertigkeit bzw. Gemeinschaftsschädlichkeit als Kriterium etwa BVerwGE 22, S. 286 (289); Gubelt (Anm. 66) Art. 12 Rn. 9. 70 Scholz (Anm. 61) Art. 12 Rn. 21; Tettinger (Anm. 67) Art. 12 Rn. 32. 7\ Gubelt (Anm. 66) Art. 12 Rn. 39. 72 Gubelt (Anm. 66) Art. 12 Rn. 39; Jarass (Anm. 31) Art. 12 Rn. 4; Pieroth / Schlink (Anm. 66) Rn. 812; Tettinger (Anm. 67) Art. 12 Rn. 32.

2. Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung tierschutzrechtlicher Regelungen

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von einer Zuordnung dieser Tätigkeit zum privaten Lebensbereich ausgegangen werden. Allerdings kann das Eingriffsverbot fiir Tierärzte und andere Personen, die die fiir den Eingriff notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 3 TierSchG a.F. haben, einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen kann, sofern die Eingriffe im Rahmen einer Tätigkeit erfolgten, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient. Art. 12 Abs. 1 GG schützt auch die vom einzelnen ausgeübten untypischen Tätigkeiten, die nicht einem traditionell oder rechtlich fixierten Berufsbild entsprechen. 73 Allerdings ist zu beachten, daß nicht jede Ausübung einer untypischen Tätigkeit gleichzeitig die Ausübung eines eigenständigen Berufes beinhaltet. Vielmehr ist anband der Verkehrsauffassung und des funktionalen Schwergewichts der verschiedenen Tätigkeitsbereiche zu ermitteln, ob die betreffende Tätigkeit einen eigenständigen Beruf oder die Erweiterung einer anderen Berufstätigkeit darstellt. 74 Hiernach richtet sich, ob das Verbot der betreffenden Tätigkeit am erhöhten Maßstab der Freiheit der Berufswahl oder lediglich am Maßstab der Freiheit der Berufsausübung zu messen ist. 75 Unter Beachtung dieser Vorgaben ist die Vornahme eines Eingriffs am Tier zwar vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfaßt, jedoch nicht als eigenständiger Beruf, sondern als Teil oder Erweiterung der Tätigkeit des Tierarztes oder beispielsweise eines kommerziellen Züchters. Die Situation ist insoweit vergleichbar mit der eines Biologen, der operative Eingriffe an Tieren durchfuhrt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Durchfuhrung operativer Eingriffe durch Biologen dem Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG unterstellt, obwohl sie nicht zu den typischen Berufstätigkeiten eines Biologen zu rechnen ist, sie jedoch als bloße Erweiterung der Be'rufstätigkeit auf operative Eingriffe eingestuft. 76 Denmach handelt es sich beim tierschutzrechtlichen Eingriffsverbot um eine Berufsausübungsregelung. Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen und den aus dem Übermaßverbot fließenden Anforderungen genügt wird. 77 Der danach anzulegende Maßstab unterscheidet sich qualitativ nicht von demjenigen, der fiir Eingriffe in das Eigentumsgrundrecht des Eigentümers eines Tieres gilt. 73 BVerfGE 7, S. 377 (397); 16, S. 147 (163); 17, S. 232 (241); 48, S. 376 (388); 81, S. 70 (85); Gubelt (Anm. 66) Art. 12 Rn. 11. 74 Vgl. BVerfGE 7, S. 377 (398 0; 16, S. 147 (163 f.); 17, S. 269 (274 0; 30, S. 292 (312 f.); 86, S. 28 (38); Gubelt (Anm. 66) Art. 12 Rn. 12; Tettinger (Anm. 67) Art. 12 Rn. 62. 75 BVerfGE 48, S. 376 (388); Tettinger (Anm. 67) Art. 12 Rn. 60 ff. 76 BVerfGE 48, S. 376 (388). 77 BVerfGE 7, S. 377 (405); 16, S. 286 (297); 65, S. 116 (125 f.); 70, S. 1 (28); 81, S. 70 (84); Gubelt (Anm. 66) Art. 12 Rn. 48 ff.

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11. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots

Voraussetzung für eine Beeinträchtigung des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 GG durch das Eingriffsverbot ist zunächst, daß dem Tierhalter bezüglich des Tieres eine als Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG schutzfahige Rechtsposition zusteht. Der durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht vom 20.8.199078 eingefügte § 90a BGB stellt zwar die fehlende Sacheigenschaft von Tieren fest (§ 90a S. 1 BGB), unterstellt sie jedoch der entsprechenden Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften (§ 90a S. 3 BGB). Dementsprechend hat § 90a BGB nichts daran geändert, daß an Tieren nach den bürgerlichrechtlichen Vorschriften Eigentum erworben werden kann. § 903 S. 2 BGB verdeutlicht dies, wenn er den Eigentümer eines Tieres bei der Ausübung seiner Befugnisse auf die Beachtung der besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere verpflichtet. Daß Art. 14 Abs. 1 GG das sachenrechtliche Eigentum schützt, ist eindeutig. 79 Inhaltlich gewährt das Eigentum eine absolute Herrschaftsmacht, die weitgehend der in § 903 S. 1 BGB beschriebenen entspricht. 8o Als Möglichkeiten verfassungsrechtlich zulässiger Eigentumsbeschränkungen sieht Art. 14 GG die Inhalts- und Schrankenbestimmung durch Gesetz (Art. 14 Abs. I S. 2 GG) sowie die Enteignung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes (Art. 14 Abs. 3 GG) vor. Unter einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ist die generelle und abstrakte Feststellung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum einzuordnen sind, zu verstehen. Sie ist auf die Normierung objektivrechtlicher Vorschriften gerichtet, die den Inhalt des Eigentums vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft in allgemeiner Form bestimmen. 81 § 903 S.2 BGB stellt (deklaratorisch) klar, daß tierschutzrechtliche Regelungen die Eigentümerbefugnisse beschränken können. Das Verbot, mit Tieren in einer bestimmten Weise zu verfahren, defmiert den Inhalt des Eigentums an den Tieren für die Zukunft neu. Gehörte bis zum Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Anderung des Tierschutzgesetzes vom 12. Aug. 1986~ das Kupieren der Ohren bei Hunden und bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 25. Mai 199883 das Kürzen der Rute von unter acht Tage alten Welpen zu den Befugnissen des Eigentümers des Hundes, so sind diese Befugnisse seit Inkrafttreten der jeweiligen Änderungsgesetze nicht mehr Inhalt des Eigentums. Die Kupierverbote stellen mithin Inhalts- und Schranken-

BGBI. I S. 1762. Vgl. nur RudolfWendt, in: Sachs (Anm. 6) Art. 14 Rn. 22. 80 Walter Leisner, Eigentum, in: Handbuch des Staatsrechts (Anm. 42), Bd. VI, HeideIberg 1989, § 149 Rn. 8 f. 81 BVerfGE 52, S. I (27); 58, S. 137 (144 0; 72, S. 66 (76). 82 BGBI. I S. 1309. 83 BGBI. I S. 1094. 78 79

2. Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung tierschutzrechtlicher Regelungen

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bestimmungen des Eigentums an Hunden im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ennächtigt den Gesetzgeber allerdings nicht zu einer beliebigen Umgestaltung von Inhalt und Schranken des Eigentums. Der Gesetzgeber muß vielmehr die Gewährleistung des Eigentums des einzelnen und die in der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) verdichteten Belange der Allgemeinheit zu einem gerechten Ausgleich bringen. 84 Maßstab für diesen Ausgleich ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 8s Die Inhalts- und Schrankenbestimmung muß ein verfassungsrechtlich zulässiges Ziel verfolgen sowie zur Erreichung ihres Zwecks geeignet, notwendig und verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Ziel des Eingriffsverbots wie aller anderen Regelungen des Tierschutzgesetzes ist ein ethisch ausgerichteter Tierschutz im Sinne einer Mitverantwortung des Menschen für das seiner Obhut anheirngegebene Lebewesen. 86 Art. 74 Abs. I Nr. 20 GG hat dieses Ziel als legitimen Zweck gesetzgeberischen Handelns fonnuliert (0.11 2 a). Dabei ist zu beachten, daß das Tierschutzgesetz nicht darauf abzielt, Tierenjegliche Beeinträchtigung ihres Wohlbefmdens zu ersparen. Die tierschützenden Regelungen sollen vielmehr im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip dem Tier nur solche Schmerzen, Leiden und Schäden ersparen, die ohne vernünftigen Grund zugefügt werden (§ 1 S. 2 TierSchG).87 Diese Klausel macht deutlich, daß der Schutz von Tieren nicht bedingungslos gilt, sondern in Ausgleich mit dem Freiheitsschutz der Tiernutzer zu bringen ist. 88 Nur eine auf die Verbesserung des in dieser Weise verstandenen Tierschutzes abzielende Regelung kann ein zulässiger Eingriff bzw. eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung sein. 89 Bei der vergleichbaren Frage, ob eine die Freiheit der Berufsausübung einschränkende tierschutzrechtliche Regelung sich mit sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls begründen läßt, hat das Bundesverfassungsgericht einen strengen Maßstab angelegt. Zu dem generellen Verbot, Tiere mit Nachnahme zu versenden, hat das Gericht differenzierende Überlegungen des Gesetzgebers vermißt. So greife das Verbot selbst bei solchen Sen-

84 BVerfGE 25, S. 112 (117 f.); 31, S. 229 (242); 52, S. I (29); 58, S. 137 (147 f.); 70, S. 191 (200 f.); 72, S. 76 (77 f.). 85 BVerfGE 52, S. I (29); 70, S. 101 (111); 70, S. 191 (200); 72, S. 66 (78); 74, S. 203 (214 f.); 76, S. 220 (238); Brun-Otto Bryde, in: von Münch I Kunig I (Anrn. 22) Art. 14 Rn. 63; Jarass (Anrn. 31) Art. 14 Rn. 30 f.; Pieroth / Schlink (Anrn. 66) Rn. 929. 86 BVerfGE 36, S. 47 (57); 48, S. 376 (389). 87 BVerfGE 48, S. 376 (389). 88 Johannes Caspar, Der vernünftige Grund im Tierschutzgesetz, Nur 1997, S. 577. 89 BVerfGE 48, S. 376 (389 f.).

11. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots

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dungen ein, die für die Tiere keine oder keine nennenswerten Schmerzen, Leiden oder Schäden verursachen. Überdies bedürfe es hinreichend abgesicherter Erkenntnisse des Gesetzgebers darüber, beim Versand welcher Tiere welche Mißstände aufgetreten sind. Da sich das Versandverbot schon aus anderen Gründen als verfassungswidrig erwies, hat das Bundesverfassungsgericht es allerdings offengelassen, ob bereits diese Erwägungen zu einer verfassungsrechtlichen Beanstandung der Regelung führen mußten. 90 Überträgt man diese Überlegungen auf die Verschärfung des tierschutzrechtlichen Eingriffsverbots im Jahre 1998, so ergeben sich Zweifel, ob der Gesetzgeber eine verfassungsrechtlich zureichende Zieldefmition vorgenommen hat. Noch im Verfahren zum Erlaß des Ersten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 12. Aug. 198691 kam der federführende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nach Durchführung einer Anhörung von Sachverständigen und Organisationen zu dem Ergebnis, daß das Kürzen der Rute nicht sehr schmerzhaft und in Anbetracht der konkreten Verletzungsgefahr beim Absetzen der Rute im fortgeschrittenen Alter der Hunde vertretbar sei. 92 Die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes läßt insoweit keine abweichende Beurteilung erkennen, sondern rechtfertigt die Streichung der fiir das Rutenkupieren enthaltenen Ausnahme allein mit einer Anpassung an Art. 10 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Heimtieren. 93 Diese Begründung ist insofern unzureichend, als allein die vertraglich eingegangene Verpflichtung, einen völkerrechtlichen Vertrag in innerstaatliches Recht zu transformieren, den Gesetzgeber nicht zu Grundrechtseingriffen legitimiert. Das Vertragsgesetz gilt in der Bundesrepublik im Rang eines einfachen Bundesgesetzes, das materiell dem Grundgesetz entsprechen muß, soweit nicht wegen der fehlenden einseitigen Bestimmungsmöglichkeit des Inhalts völkerrechtlicher Verträge durch die Bundesrepublik Deutschland ModifIkationen zur Vermeidung außenpolitischer Handlungsunfähigkeit zuzulassen sind. 94 Ein Mittel, solche ModifIkationen materieller Verfassungsvorgaben nach Möglichkeit zu vermeiden, ist die Erklärung von Vorbehalten zum Vertragsinhalt bei Abschluß des völkerrechtlichen Vertrags. 95 Art. 21 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens vom 13. Nov. 1987 zum Schutz von Heimtieren ermöglicht die Erklärung eines solchen VorBVerfGE 36, S. 47 (60 ff.). BGBI. 1 S. 1309. 92 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, BTDrucks 10/5259 S. 39. 93 Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes, BTDrucks 1317015 S. 17. 94 RudolJStreinz, in: Sachs (Anrn. 6) Art. 59 Rn. 56. 95 OndolJ Rojahn, in: von Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 3. Aufl. München 1995, Art. 59 Rn. 40. 90

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2. Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung tierschutzrechtlicher Regelungen 3 1 behalts gerade hinsichtlich des Verbots des Kupierens des Schwanzes (Art. 10 Abs. 1 lit. a des Übereinkommens). Von dieser Möglichkeit hatte die Bundesregierung zunächst Gebrauch gemacht. Daß sie völkerrechtlich verpflichtet gewesen sein könnte, von dem Vorbehalt wieder Abstand zu nehmen, ergibt sich aus dem Übereinkommen nicht. Ob der Gesetzgeber andere relevante Erwägungen zur Rechtfertigung des Kupierverbots angestellt hat, läßt sich den Materialien nicht klar entnehmen. Insbesondere hat keine nähere Auseinandersetzung mit Erfahrungen und wissenschaftlichen Stellungnahmen stattgefunden, die schon vor Jahren nicht nur auf die tiermedizinische Unbedenklichkeit, sondern sogar auf die Notwendigkeit des Kupierens der Rute hingewiesen haben. Nach Erfahrungen in Schweden nach Einfiihrung des Kupierverbots mußten von 180 beobachteten Hunden innerhalb von zwei Jahren 80 wegen Rutenverletzungen kontinuierlich behandelt werden. 96 Ein im Auftrag des schwedischen Zentralamts für Landwirtschaft von der Abteilung für Chirurgie und Medizin der Veterinärmedizinischen Fakultät der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften im Jahre 1995 erstellter Bericht hebt hervor, daß Unterschiede im Schwanzstatus der Hunde für die Gefährdung, traumatische Rutenverletzungen zu erhalten, eine Rolle spielen. Soweit aus den im Rahmen der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes am 23. Juni 1997 abgegebenen Stellungnahmen der Sachverständigen erkennbar, lagen dem Gesetzgeber keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die die Ergebnisse der genannten Untersuchungen in Frage stellen. Daß das Kürzen der Rute für junge Welpen schmerzhaft ist, ist nicht durch Forschungen belegt vorgetragen worden. Ebensowenig ist die Notwendigkeit einer schmerzhaften Nachbehandlung nach erfolgter Rutenkürzung behauptet worden. Die Bundestierärztekammer hat lediglich vorgetragen, es sei keine Hunderasse bekannt, bei der grundsätzlich eine tierärztliche Indikation für ein Kürzen der Rute bestehe. Ungeachtet der Frage, ob eine Indikation überhaupt rassebezogen gestellt werden kann oder nicht, vielmehr sich auf ein einzelnes Tier beziehen muß, trifft die Stellungnahme nicht den Zweck des Kupierverbots: Das Kupieren dient der Prävention, nicht der Realisierung einer Indikation. Im übrigen ist die Stellungnahme völlig undifferenziert und könnte in dieser Form eine Entscheidung des Gesetzgebers nicht tragen. Insoweit ist der Gesetzgeber mithin der Forderung des Bundesverfassungsgerichts, nur auf der Grundlage hinreichend abgesicherter Erkenntnisse tierschutzrechtliche Regelungen zu treffen, nicht gerecht geworden. Darüber hinaus ist dem vom Bundesverfassungsgericht formulierten Differenzierungsgebot nicht genügt worden. Erwägungen zum divergierenden Ru-

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V gl. New Zealand Kennel Gazette Dec. 1991 / Jan. 1992 p. 59.

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11. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots

tenstatus verschiedener Hunderassen sind nicht angestellt worden. Die an andere Kriterien anknüpfende Ausnahmemöglichkeit bei jagdlich zu führenden Hunden (§ 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit.b TierschG) kann zum einen diese Differenzierung nicht ersetzen und ist zum anderen ihrerseits verfassungswidrig (u. 11 3). Das pauschale Verbot des Rutenkupierens ohne Berücksichtigung der anatomischen Besonderheiten der Hunderassen läßt keine Überlegungen erkennen, die ein zulässiges gesetzgeberisches Ziel hinreichend erhellen könnten. Unter der Voraussetzung, daß aus den in der Sachverständigenanhörung verlautbarten Stellungnahmen überhaupt zulässigerweise auf diesbezügliche Erwägungen des Gesetzgebers geschlossen werden darf, kommt als Motiv fiir das Verbot des Rutenkürzens allenfalls noch ein ethischer Ansatz in Betracht. Sofern ein ethischer Ansatz dabei dahingehend verstanden worden sein sollte, daß das Kürzen der Rute unter moralischen Aspekten fragwürdig sein soll, ist damit von vornherein kein legitimes gesetzgeberisches Ziel verbunden. Wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, beschränkt das Verhältnismäßigkeitsprinzip den zulässigen Tierschutz auf den Schutz vor unnötigen Schmerzen, Leiden und Schäden. 97 Die Umsetzung moralischer Postulate ist davon nicht erfaßt. In einem präziseren Ansatz ist der Gedanke eines ethischen Tierschutzes durch ein Verbot des Rutenkürzens in der Sachverständigenanhörung als Verhinderung eines Leidensdruckes des kupierten Hundes formuliert worden. Nach Einschätzung des Deutschen Tierschutzbundes e.V. und der Sachverständigen Dr. Dorit Feddersen-Petersen nehme das Kupieren der Rute dem Hund die Möglichkeit, den Schwanz zu einem artgerechten Kommunikationsverhalten einzusetzen. Hierdurch - so Dr. Feddersen-Petersen - gingen Feinheiten der Signalüberrnittlung und damit Möglichkeiten der Graduierung im Gesamtausdruck verloren. Unter kupierten Hunden könne es zu einer Häufung agonistischer Interaktionen kommen, die das Wohlbefmden der Tiere beeinträchtigen. Diese Argumentation knüpft an den Schutzzweck des Tierschutzgesetzes an, der ausweislich des § 1 TierSchG auch die Verhinderung von Leiden des Tieres urnfaßt. Hierunter fallen zumindest nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung auch seelische Leiden. 98 Allerdings kann dies unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht für jegliche Beeinträchtigung des Wohlbefmdens des Tieres gelten. Anders als fiir das Kürzen der Rute gibt es beispielsweise für das Anbringen einer großen farbigen Verzierungsschleife an der Rute eines Hundes keinen vernünftigen Grund. Vielmehr mag eine solche Schleife die Beweglichkeit der Rute behindern und dadurch sowie

97 98

BVerfGE 48, S. 376 (389). Lorz (Anm. 1) § 1 Rn. 27.

2. Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung tierschutzrechtlicher Regelungen

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durch ihren von anderen Hunden als nicht "artgemäß" angesehenen Anblick zu einer Störung des Kommunikationsverhaltens des Hundes führen. Sieht man eine solche Störung als "Leiden" im Sinne von § 1 S. 2 TierSchG ari, so würde das Anbringen der Schleife eine Ordnungswidrigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG darstellen. Bei einem solchen Verständnis würde der Gedanke eines sanktionsrechtlich flankierten Tierschutzes ins Konturenlose und mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot Kollidierende verschwimmen. Selbst die genannte Literaturauffassung läßt deshalb nur einen erheblichen Leidensdruck des Tieres ausreichen. 99 Die Beeinträchtigung des W ohlbefmdens eines Tieres ist daher nur dann als Leiden im Sinne eines verfassungsrechtlich legitimen Ziels "Tierschutz" relevant, wenn sie sich in Verhaltensstörungen und Verhaltensanomalien des Tieres äußert. 1oo Selbst wenn man unterstellt, daß der an der Rute kupierte Hund in seinem Kommunikationsverhalten beeinträchtigt ist, ist weder belegt noch belegbar, daß es hierdurch zu feststellbaren Verhaltensstörungen des Hundes kommt. Vielmehr ist die Rutenkürzung eine jahrzehntelang gängige Praxis, die zu keiner tiefgreifenden psychischen Beeinträchtigung der Hunde im Vergleich mit nichtkupierten Artgenossen geführt hat. Zusammenfassend genügen die vom Gesetzgeber bei der Einführung des Kupierverbots verfolgten Zwecke nicht den Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht an die Setzung eines verfassungsrechtlich zulässigen Ziels bei der Verwirklichung tierschutzrechtlicher Regelungen anlegt. Ob hieraus die Verfassungswidrigkeit der nicht hinreichend ziellegitimierten Regelung folgt, hat das Bundesverfassungsgericht offengelassen. Zu beachten ist aber, daß das Kriterium der Ziellegitimierung Grundlage der Rechtfertigung eines Eingriffs in den Schutzbereich eines Grundrechts bzw. einer Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmenden Vorschrift ist. Einschränkungen seiner grundrechtlich geschützten Freiheit, welche nicht mit allen verfassungsrechtlichen Anforderungen übereinstimmen, braucht der Grundrechtsberechtigte nicht hinzunehmen. Im Ergebnis ergibt sich mithin aus der unzureichenden Formulierung eines gesetzgeberischen Ziels die Verfassungswidrigkeit des Verbots der Rutenkürzung. Alle im folgenden ergänzend unternommenen Überlegungen zur weiteren Überprüfung des Verbots am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stehen vor dem Problem, daß ein zulässiges Ziel zur Kontrolle der Geeignetheit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme vom Gesetzgeber nicht zur Verfügung gestellt worden ist. Von vornherein außer Betracht zu bleiben hat das einzige explizit angegebene Ziel der Transformation des Art. 10 Abs. 1 lit.a des Europäischen Übereinkommens vom 13. Nov. 1987 zum 99 100

Lorz (Anm. 1) § 1 Rn. 30. OLG DüsseldorfNJW 1980, S. 411; OVG Bremen NuR 1999, S. 227 (228).

3 Speyer 135

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Schutz von Heimtieren. Wegen der von Art. 21 Abs. 1 des Übereinkommens offengehaltenen Möglichkeit der Vorbehaltserklärung wirkt dieses Ziel nur insoweit legitimierend wie der Verzicht auf den Vorbehalt seinerseits (materiell) legitimiert ist. Unterstellt man als Ziel des Kupierverbots die Vermeidung von durch das Kürzen der Rute entstehenden Schmerzen, so stünde auf der Stufe der Notwendigkeit der Maßnahme als im Verhältnis zum totalen Verbot milderes Mittel das Gebot zur Verfügung, die Rutenkürzung nur unter Betäubung vorzunehmen. Legt man als gesetzgeberisches Ziel einen ethischen Ansatz im Sinne einer Minimierung des "Leidens" eines möglicherweise an einem artgerechten Kommunikationsverhalten gehinderten kupierten Hundes zugrunde, so ist das totale Kupierverbot zwar zur Erreichung dieses Zieles geeignet. Jedoch ist es in seiner pauschalen Form deshalb nicht notwendig, weil eine Differenzierung nach der Bedeutung der Rute für das Kommunikationsverhalten der einzelnen Hunderassen nicht stattfmdet. 1ol In Anbetracht der unterschiedlichen Form und Länge der Ruten verschiedener Hunderassen drängt es sich geradezu auf, daß die Rute in völlig unterschiedlichem Maße und in variierender Weise als Kommunikationsmittel eingesetzt wird. Ein im Vergleich mit dem pauschalen Kupierverbot milderes Mittel ist die Geltung des Kupierverbots nur für solche Hunderassen, die die Rute in einer für ihre artbezogene Ausdrucksfähigkeit existentiellen Weise zur Kommunikation einsetzen. Diesbezüglich bedarf es entsprechender Untersuchungen und Überlegungen seitens des Gesetzgebers. Solange die entsprechenden Unterlagen nicht vorliegen, fUhrt der Verstoß gegen das Differenzierungsgebot zur Verfassungwidrigkeit der Regelung. 102 Im Ergebnis erweist sich das durch das Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 25. Mai 1998 eingeführte Verbot des Kürzens der Rute bei Hunden unter mehreren Gesichtspunkten als Verletzung des Eigentumsgrundrechts des Hundehalters aus Art. 14 GG. Das Verbot verfolgt in seiner derzeitigen Form weder ein verfassungsrechtlich zulässiges Ziel noch ist es geeignet bzw. notwendig, um die (möglicherweise) angestrebten Ziele zu erreichen. Art. 1 Nr. 7 lit.c) bb) i.V.m. Nr. 8 lit.a) aa) des Änderungsgesetzes 1998 ist verfassungswidrig und nichtig.

101 Zur fehlenden Notwendigkeit eines pauschalen tierschutzrechtlich intendierten Verbots wegen fehlender tierartbezogener Differenzierung BVerfGE 36, S. 47 (63 f.). 102 Vgl. BVerfGE 36, S. 47 (65).

3. Die Zulässigkeit von Ausnahmen vom generellen Eingriffsverbot

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3. Die Zulässigkeit von Ausnahmen vom generellen Eingriffsverbot Von dem in § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG ausgesprochenen generellen Amputations-, Entnahme- und Zerstörungsverbot sieht das Tierschutzgesetz mehrere Ausnahmen vor (§ 6 Abs. 1 S. 2 TierSchG). Nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG gilt das Verbot nicht, wenn der Eingriff im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation geboten ist (lit.a) oder bei jagdlich zu tUhrenden Hunden tUr die vorgesehene Nutzung des Tieres unerläßlich ist und tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen (lit.b). § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TierSchG läßt in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Nr. 3 TierSchG fiir das Kürzen des Schwanzes von unter vier Tage alten Ferkeln sowie von unter acht Tage alten Lämmern - bei diesen auch mittels elastischer Ringe (§ 5 Abs. 3 Nr. 4 TierSchG) - eine Ausnahme vom Kupierverbot zu, wenn der Eingriff im Einzelfall fiir die vorgesehene Nutzung des Tieres zu dessen Schutz oder zum Schutz anderer Tiere unerläßlich ist. Verfassungsrechtliche Bedenken wirft die Ausnahme für jagdlich zu führende Hunde (§ 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit.b TierSchG) auf. Eine Begründung für die Einführung der Ausnahme läßt sich den Gesetzgebungsmaterialien nicht entnehmen. Doch dürfte sie auf der Einschätzung beruhen, daß die Bewegung der Hunde im Gelände während der Jagd oder des Jagdtrainings das erhöhte Risiko insbesondere einer Rutenverletzung birgt. So kommt die bereits erwähnte Studie aus der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften (0. 11 2 b) zu dem Ergebnis, daß die signiftkant hohe Zahl von Rutenverletzungen bei Vorstehhunden zum Hauptteil in Verbindung mit Jagd und Jagdtraining entstanden ist. Zurückgeführt werden diese Verletzungen auf ein intensives Rutenwedeln gegen Reissig, Sträucher und ähnliche natürliche Hindernisse. Die Fassung der Vorschrift läßt das Problem entstehen, nach welchen Kriterien bestimmt werden kann, wann ein Hund jagdlich zu führen ist. Der W ortlaut weist zunächst darauf hin, daß es auf die tatsächliche Verwendung des betreffenden Hundes zur Jagd nicht ankommen kann. Kupiert werden kann nicht nur der Hund, der bereits jagdlich geführt wird, sondern auch der, der erst noch jagdlich geführt werden soll. Auf diese Weise wird ermöglicht, daß schon die Kupierung junger Welpen zulässig ist, bei denen das Schmerzempfmden noch nicht ausgeprägt ist. Da die tatsächliche jagdliche Verwendung des Hundes fiir die Anwendbarkeit des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit.b TierSchG außer Betracht bleibt, muß die Eigenschaft als jagdlich zu tUhrender Hund anband anderer Kriterien bestimmt werden. Denkbare Alternativen sind die Auswahl nach der Rassezugehörigkeit und die Feststellung der genannten Eigenschaft im Einzelfall. Soweit sich das Schrifttum mit dieser Frage befaßt, wird von der Notwendigkeit der Ermittlung

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11. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots

als jagdlich zu führender Hund im Einzelfall ausgegangen. 103 Die Struktur des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit.b TierSchG indiziert diese Auslegung nicht zwingend. Vielmehr kann das Merkmal ,jagdlich zu führender Hund" als Bezugnahme auf die Zugehörigkeit zu einer Jagdgebrauchshunderasse und die weitere Voraussetzung der Unerläßlichkeit des Eingriffs für die vorgesehene Nutzung des Tieres als individuelles Korrektiv für solche Hunde einer Jagdgebrauchshunderasse, die im Einzelfall nicht jagdlich verwendet werden sollen, verstanden werden. Nur in diesem Fall käme dem als eigenständig formulierten Tatbestandsmerkmal "für die vorgesehene Nutzung des Tieres unerläßlich" auch eine nennenswerte eigenständige Bedeutung zu. Anders verhält es sich, wenn man die Qualifikation als jagdlich zu führender Hund als im Einzelfall festzustellende Eigenschaft ansieht. Soll ein Hund jagdlich geführt, also zur Jagd verwendet werden, so ist wegen der damit verbundenen konkreten Gefahr einer Verletzung der Rute im Gelände die Verkürzung der Rute für die vorgesehene - eben: jagdliche - Nutzung des Tieres nahezu ausnahmslos unerläßlich. Bedeutung kann das Kriterium der Unerläßlichkeit dann nur in extremen Ausnahmesituation erlangen, in denen der jagdliche Einsatz des Hundes unter solchen Gegebenheiten erfolgen soll, die eine Rutenverletzung von vornherein ausschließen. Gleichwohl ist unter Berücksichtigung des Zwecks dieser Ausnahme vom Kupierverbot auch eine solche einzelfallbezogene Auslegung nicht ausgeschlossen, geht es doch darum, das generelle Kupierverbot weitestmöglich durchzusetzen und den Kreis ausnahmefähiger Hunde von vornherein eng zu begrenzen. Mit den Regeln juristischer Auslegung läßt sich das Dilemma der Kriterienunsicherheit mithin kaum bewältigen. Doch selbst wenn man die Frage, ob die Eigenschaft als jagdlich zu führender Hund anband der Rassezugehörigkeit oder in einer Einzelfallbetrachtung zu bestimmen ist, für beantwortbar halten würde, ist die Fassung der Ausnahmeregelung nur schwer mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen in Einklang zu bringen. Das rechtsstaatliche Gebot der ausreichenden Bestimmtheit von Rechtsvorschriften soll Rechtssicherheit gewährleisten. IM Es fordert eine so genaue Fassung der Vorschrift, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. IOS Unbestimmte Rechtsbegriffe sind danach zwar

103 Hans Wunderlich, "Jagdlich zu führender Hund" - Was bedeutet das?, Der Jagdgebrauchshund 8 / 1998 S. I; so jetzt auch der Tierschutzbericht 1999, BTDrucks 14/600 S. 35. 104 BVerfGE 49, S. 168 (181); 59, S. 104 (114); 62, S. 169 (183); 80, S. 103 (107

f. ). 105 BVerfGE 49, S. 168 (181); 59, S. 104 (114); 78, S. 205 (212); 84, S. 133 (149); 87, S. 234 (263); 89, S. 69 (84); 93, S. 213 (238).

3. Die Zulässigkeit von Ausnahmen vom generellen Eingriffsverbot

37

zulässig. 106 Jedoch müssen im Interesse einer Kontrollierbarkeit durch die Gerichte Jedenfalls die äußeren Grenzen des Interpretationsspielraums abgesteckt sein. \0 Die durch die Norm defmierte Lage muß für den Normunterworfenen erkennbar sein, damit er sein Verhalten darauf einrichten kann. 108 Interpretiert marl das Kriterium der jagdlichen Führung im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit.b TierSchG rassebezogen, so fehlt es an Entscheidungsdirektiven, die eine den Bestimmtheitsanforderungen genügende Abgrenzung zwischen Jagdgebrauchshunderassen und anderen Hunderassen ermöglichen. Das Jagdrecht kennt keine solche Einteilung, sondern stellt regelmäßig auf die Ausbildung und Prüfung des einzelnen Hundes als Jagdhund ab (vgl. nur Art. 39 Abs. 3 BayJagdG, §§ 35 Abs. 2 LJagdG M-V, 42 DVO LJagdG R-P, 40 Abs. 3 SächsLJagdG, 39 Abs. 4 ThürJagdG). Der Kreis zur Jagd verwendbarer Hunderassen ist nicht von vornherein abgegrenzt, sondern potentiell offen. 109 Außer Betracht bleiben muß die Einordnung von Hunderassen als Jagdgebrauchshunde durch privatrechtliche Vereinigungen wie etwa den Jagdgebrauchshundeverband. Regeln Privater können nicht über die fehlende Bestimmtheit einer Norm hinweghelfen. Ob eine Konkretisierung der betreffenden Hunderassen durch den Gesetzgeber oder den von ihm ermächtigten Verordnungsgeber ein verfassungsrechtlich taugliches Mittel wäre, um den Bestimmtheitsmangel zu beseitigen, kann in Anbetracht des Fehlens einer solchen Regelung offenbleiben. Die schlechten Erfahrungen mit derartigen Enumerationen in den sog. Kampfhundeverordnungen 110 raten insoweit zur Zurückhaltung.

Darüber hinaus bleibt in jedem Fall das Problem, die individuelle Absicht der jagdlichen Verwendung des Hundes hinreichend trennscharf zu erfassen - sei es, daß man diese Absicht im Rahmen der vorgesehenen Nutzung des Tieres als Korrektiv zur rassemäßigen Zuordnung oder als einzelfallbezogene Auslegung der Eigenschaft als jagdlich zu führender Hund prüft. Da eine Begrenzung auf einzelne Hunderassen insoweit nicht erfolgt, kommt potentiell jeder Hund als jagdlich zu führender Hund in Betracht. § 6 Abs. 1 S. 8 Nr. 6 TierSchG fordert lediglich eine Begründung für den Eingriff, die nach der Sy-

f.).

106

BVerfGE 4, S. 352 (357 f.); 49, S. 168 (181); 80, S. 103 (108); 87, S. 234 (263

BVerfGE 6, S. 32 (42); 20, S. 150 (158); 21, S. 73 (80). BVerfGE 21, S. 73 (79); 52, S. 1(41); 59, S. 104 (114); 62, S. 169 (182 f.); 78, S. 205 (212); 84, S. 133 (149). \09 Lorz (Anm. I) § 3 Rn. 37. 110 V gl. zur Rechtswidrigkeit der Aufzählungen VGH Mannheim NVwZ 1992, S. 1105 ff.; OVG Bremen DÖV 1993, S. 576 ff.; OVG Magdeburg NVwZ 1999, S. 321 (323); Wolfram Hamann, Rechtsgültigkeit einer Hundehaltungsverordnung, NVwZ 1993, S. 250 f.; Thomas Karst, Die "Kampfhundesteuer" - Ausfluß kommunalgesetzlicher Rechtsetzungshoheit oder Willkür?, NVwZ 1999, S. 244 (245 f.). 107 108

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11. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Eingriffsverbots

stematik des Gesetzes nicht den strengeren Anforderungen der im Rahmen des § 6 Abs. 5 TierSchG erforderlichen Glaubhaftmachung genügen muß. Danach genügt die Bekundung der Absicht, den Hund entsprechend den Vorschriften des Jagdrechts als Jagdhund ausbilden und prüfen lassen zu wollen, sofern nicht aus den äußeren Umständen erkennbar eine jagdliche Verwendung des Hundes schlechthin ausgeschlossen ist. Allerdings läßt sich die damit verbundene Aufweichung des Kupierverbots kaum mit dem Zweck des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit.b TierSchG, eine Ausnahme fiir besonders gefährdete Hunde zu ermöglichen, vereinbaren. Teilweise wird deshalb darauf abgestellt, ob die angeblich zur jagdlichen Führung vorgesehenen Hunde jagdlich gezüchtet sind, d.h. von jagdlich geprüften Eltern abstammen, und / oder "in Jägerhände gehen".111 Dabei mag es sich zwar um Indizien handeln, die die Einordnung als jagdlich zu führender Hund erleichtern. Jedoch sind dies keine Kriterien, die sich dem Gesetz als zwingende Voraussetzungen entnehmen lassen. Es bleibt daher dabei, daß der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit.b TierSchG unklar ist. Welcher Hund im Sinne der Vorschrift jagdlich zu führen ist und welcher nicht, läßt sich dem Gesetz auch im Wege der Auslegung nicht entnehmen. Hundehalter und Tierarzt, die über das Kupieren eines Hundes entscheiden, wissen nicht sicher, ob sie dem Verbot des § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG zuwiderhandeln und damit ggf. eine Ordnungswidrigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 8 TierSchG begehen oder ob zu ihren Gunsten die Ausnahme des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit.b TierSchG eingreift. Die Grenze zwischen verbotenem und erlaubtem Tun wird durch das Gesetz nicht erkennbar gezogen. Den Normunterworfenen ist es schlechterdings nicht möglich, ihr Verhalten auf die Ausnahmebestirnmung fiir jagdlich zu führende Hunde einzurichten. Begrenzungen des Interpretationsspielraums sind kaum erkennbar. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit.b TierSchG widerspricht daher den Anforderungen des rechtsstaatlichen Bestimrntheitsgebots und ist verfassungswidrig. Anlaß zu weiteren verfassungsrechtlichen Bemerkungen gibt der Umstand, daß das Kürzen des Schwanzes von Ferkeln und Lämmern unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin gestattet ist (§ 5 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TierSchG), das Rutenkupieren bei Hunden jedoch grundsätzlich verboten ist. In Betracht gezogen werden könnte ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. In dem vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung zugrundegelegten Verständnis als Willkürverbot gebietet Art. 3 Abs. 1 GG, weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. 112 Willkürlich ist 111 So Wunderlich (Anm. 103) S. 1; ähnlich der Tierschutzbericht 1999, BTDrucks. 14/600 S. 35. 112 BVerfGE 4, S. 144 (155); 27, S. 364 (371 f.); 49, S. 148 (165); 78, S. 104 (121); 86, S. 81 (87).

3. Die Zulässigkeit von Ausnahmen vom generellen Eingriffsverbot

39

danach eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem bzw. eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem dann, wenn sich für sie keine vernünftigen Erwägungen fmden lassen, die sich aus der Natur der Sache ergeben oder sonstwie einleuchtend sind.l\3 In der Fassung der in der neueren Rechtsprechung des Gerichts häufiger verwendeten sog. neuen Formel ist Art. 3 Abs. 1 GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. 114 Ausgangspunkt der Untersuchung eines eventuellen Gleichheitsverstoßes muß die Bewertung sein, ob die zu vergleichenden Sachverhalte zentral von Elementen der Gleichheit oder der Ungleichheit, der Unterschiedlichkeit, geprägt sind. Stellt man die relevanten Sachverhalte "Kürzen des Schwanzes bei Ferkeln und Lämmern" und "Kupieren der Rute bei Hunden" einander gegenüber, so dominieren eindeutig die Elemente der Sachverhaltsgleichheit. In beiden Fällen handelt es sich um Haustiere, deren Schwanz gekürzt werden soll. Das in der unterschiedlichen Nutzung der Tiere durch den Menschen (Nutztiere einerseits, Heimtiere andererseits) liegende Element der Ungleichheit tritt demgegenüber in den Hintergrund. Die Suche nach Erwägungen, die die Ungleichbehandlung zwischen beiden Vergleichsgruppen rechtfertigen können, muß am besonderen Zweck des Kürzens des Schwanzes bei Ferkeln und Lämmern ansetzen. Das Kürzen des Schwanzes bei Ferkeln soll kannibalistischen Verhaltensformen vorbeuren, wie sie unter den Bedingungen der Nutztierhaltung auftreten können. 11 Bei Lämmern wird die Zulässigkeit der Schwanzkürzung mit anatomischen Besonderheiten des Schafes gerechtfertigt, welche die Maßnahme als hygienische Prävention nahelegen. 116 Beide Phänomene spielen bei Hunden keine Rolle. Es handelt sich dabei um gewichtige Unterschiede zwischen den Tierarten, die die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermögen. Von einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. I GG kann daher nicht gesprochen werden.

113 BVerfGE 10, S. 234 (246); 61, S. 138 (147); 68, S. 237 (250); 83, S. 1, (23); 89, S. 132 (141). 114 BVerfGE 55, S. 72 (88); 82, S. 60 (86); 84, S. 133 (157); 84, S. 348 (359); 85, S. 191 (210); 88, S. 5 (12). 115 Lorz (Anm. 1) § 5 Rn. 29. 116 Lorz (Anm. 1)§ 5 Rn. 29.

111. Die Gültigkeit der Verordnungsermächtigung des § 12 TierSchG Der durch die Novellierung des Tierschutzgesetzes 1998 neu gefaßte § 12 TierSchG enthält Regelungen zu Verbringungs-, Verkehrs- und Haltungsverboten. Das Halten oder Ausstellen von Wirbeltieren, an denen Schäden feststellbar sind, von denen anzunehmen ist, daß sie durch tierschutzwidrige Handlungen verursacht worden sind, ist gemäß § 12 Abs. 1 TierSchG verboten, wobei das Nähere durch Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 oder 5 geregelt wird. § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG ermächtigt das Bundesministerium zum Erlaß einer Rechtsverordnung, die das Verbringen von Wirbeltieren in das Inland oder das Halten, insbesondere das Ausstellen von Wirbeltieren im Inland verbietet, wenn an den Tieren zum Erreichen bestimmter Rassemerkmale tierschutzwidrige Handlungen vorgenommen worden sind. Die Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG bezieht sich auf das Verbot des Haltens von Wirbeltieren, an denen Schäden feststellbar sind, von denen anzunehmen ist, daß sie den Tieren durch tierschutzwidrige Handlungen zugefügt worden sind, wenn das Weiterleben der Tiere nur unter Leiden möglich ist. Die weiteren Verordnungsermächtigungen des § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG ermöglichen es dem Bundesministerium u.a., -

das Verbringen von Tieren aus einem nicht der Europäischen Gemeinschaft angehörenden Staat in das Inland von der Einhaltung von Mindestanforderungen hinsichtlich der Tierhaltung abhängig zu machen (Nr. 1),

-

die Einfuhr bestimmter Tiere von einer Genehmigung abhängig zu machen (Nr. 2),

-

das Verbringen bestimmter Tiere aus dem Inland in einen anderen Staat zu verbieten (Nr. 3) sowie

-

vorzuschreiben, daß Tiere nur über bestimmte Zollstellen mit zugeordneten Überwachungsstellen eingeführt oder ausgeführt werden dürfen.

Alle aufgrund dieser Ermächtigungen erlassenen Rechtsverordnungen bedürfen der Zustimmung des Bundesrates und dürfen nur erlassen werden, soweit es zum Schutz der Tiere erforderlich ist (§ 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG). Rechtsverordnungen nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3 TierSchG können nur erlassen werden, soweit sie zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf diesem Gebiet erforderlich sind und völkerrechtliche Verpflichtungen nicht entgegenstehen (§ 12 Abs. 2 S. 2 TierSchG). Soweit Ge-

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III. Die Gültigkeit der Verordnungsennächtigung des § 12 TierSchG

meinschaftsrecht oder völkerrechtliche Verpflichtungen entgegenstehen, kann eine Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 oder 5 nicht erlassen werden (§ 12 Abs. 2 S. 3 TierSchG). Bei der Untersuchung der Gültigkeit dieser Verordnungsermächtigung stellt sich zunächst das Problem der formellen Verfassungsmäßigkeit. Untersuchungsbedürftig sind die Gesetzgebungskompetenz des Bundes und die Überprüfung der Ermächtigung am Maßstab des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Der Fragenkreis der materiellen Verfassungsmäßigkeit, insbesondere die Vereinbarkeit der einzelnen Regelungen des § 12 TierSchG mit den Grundrechten, wird hingegen im Zusammenhang der Ausgestaltungsmöglichkeiten des Verordnungsgebers (u. IV) behandelt.

1. Gesetzgebungskompetenz des Bundes Hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlaß tierschutzrechtlicher Regelungen ist daran zu erinnern, daß der Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG keine extensive Interpretation des Begriffs "Tierschutz" trägt. Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG umfaßt vielmehr nur den Schutz des Tieres vor Schädigungen durch den Menschen (0. 11 1). Unter Anlegung dieses Maßstabs ist die Reglementierung unmittelbar tierschädigender Handlungen des Menschen nicht Regelungsgegenstand des § 12 TierSchG. Diese Vorschrift enthält bzw. ermöglicht vielmehr Regelungen, die entweder die Einfuhr oder die Ausfuhr von Tieren reglementieren oder an bereits vorgenommene tierschutzwidrige Handlungen anknüpfen. Unproblematisch ist insoweit lediglich die Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG, da das dort ermöglichte Verbot der Haltung tierschutzwidrig behandelter Tiere gerade darauf abzielt, weitere Leiden des Tieres zu vermeiden. Vor allem § 12 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 4 TierSchG verfolgen dagegen ein Konzept mittelbaren Tierschutzes: Indem das Halten, Ausstellen und Verbringen von Tieren in das Inland davon abhängig gemacht werden kann, daß die Tiere nicht zuvor tierschutzwidrigen Handlungen ausgesetzt waren, soll die schädigende Handlung selbst unattraktiv gemacht werden. Insoweit enthält § 12 TierSchG ein Konzept der Durchsetzung materieller Tierschutzstandards durch Pression auf Handlungen, die selbst nicht tierschädigend sind. Bei der kompetenzrechtlichen Bewertung dieses Schutzkonzepts ist zu beachten, daß die Anknüpfung der Auslegung der Kompetenznorm an die historisch gewachsenen Strukturen der Materie den Gesetzgeber nicht daran hindern kann, das kompetentiell relevante Rechtsgebiet fortzuentwickeln. I Er muß insI Rupert Scholz, Ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Bundes-

I. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

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besondere in der Lage sein, auf gewandelte Regelungsbedürfnisse angemessen zu reagieren. Eine "Versteinerung" der Verfassungsauslegung darf den Gesetzgeber nicht seiner Handlungsmöglichkeiten berauben. Schon bisher'war anerkannt, daß die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für den Tierschutz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG auch solche organisatorischen Regelungen umfaßt, die zur Überwachung und Förderung des Tierschutzes notwendig sind. 2 Beispiele für solche Regelungen sind die §§ 14 ff. TierSchG. Die Tatbestände des § 12 TierSchG beruhen im wesentlichen auf der Einsicht, daß der Zweck des § 1 S. 1 TierSchG durch einen Schutz der Tiere vor unmittelbar schädigenden Handlungen allein nicht in vollem Umfang verwirklicht werden kann. Die Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf greift über das Unterlassen von beeinträchtigenden Handlungen im Sinne des § 1 S. 2 TierSchG hinaus. Ausdruck dieser Verantwortung kann es vielmehr auch sein, eine bereits erfolgte tierschutzwidrige Behandlung von Tieren nicht einfach hinnehmen zu wollen, sondern die Perpetuation der mißbilligten Handlung in Form einer Gleichbehandlung von geschädigten und nichtgeschädigten Tieren in der sozialen Anschauung zu unterbinden. Der Umgang mit tierschutzwidrig behandelten Tieren soll nicht als sozialadäquat hingenommen werden. Vergleichbare Perpetuationsverbote fmden sich auch an anderen Stellen der Rechtsordnung. Bekanntestes Beispiel ist die Pönalisierung defRehlerei durch § 259 StGB. Sie läßt die Verwertungshandlung zu einer bereits begangenen Vortat mit einem Risiko behaftet sein, um durch die daraus resultierenden Verwertungs schwierigkeiten bereits die Vortat als nicht lohnend erscheinen zu lassen. 3 Ungeachtet der tatsächlichen Erfolgsaussichten eines solchermaßen mittelbaren Rechtsgüterschutzes ist er jedenfalls ein seit langem bekanntes Mittel, um den unmittelbaren Rechtsgüterschutz zu verstärken oder - soweit er nicht möglich ist - zu ersetzen. Vor allem dort, wo tierschutzwidrige Handlungen außerhalb des Geltungsbereichs des Tierschutzgesetzes vorgenommen werden, ist ihre unmittelbare Verhinderung durch den deutschen Gesetzgeber nicht möglich. Hier kann nur die Statuierung eines Verbringungs-, Verkehrs- und Haltungsverbots die von § 1 S. 1 TierSchG zumindest umfaßte Mißbilligung der Vorhandlung zum Ausdruck bringen und eventuelle weitere tierschädigende Handlungen als unattraktiv darstellen. Solange die genannten

verfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, hrsg. v. Christian Starck, Tübingen 1976, Bd. 2, S. 252 (265 f.). 2 Philip Kunig, in: von MünchKunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 3. Aufl. München 1996, Art. 74 Rn. 100; Theodor Maunz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, München 1998, Art. 74 Rn. 231; Rüdiger Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. Neuwied / Kriftel 1999, Art. 74 Rn. 209. 3 BGHSt 7, S. 134 (142); Kurt Seelmann, Grundfalle zur Hehlerei (§ 259 StGB), JuS 1988, S. 39.

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III. Die Gültigkeit der Verordnungsennächtigung des § 12 TierSchG

Verbote allein dem so verstandenen Zweck des Tierschutzes verpflichtet sind, kann ihr Erlaß auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG gestützt werden. § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG bringt diesen Zusammenhang dadurch zum Ausdruck, daß die betreffende Regelung zum Schutz der Tiere erforderlich sein muß. Für die Untersuchung, ob darüber hinaus die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG erfüllt sind, ist auch hier zu beachten, daß die Begründung des Regierungsentwurfs zum Vorliegen dieser Voraussetzungen die Regelungen des § 12 TierSchG nicht explizit erwähnt (vgl. schon o. 11 1). Im Ergebnis allerdings lassen die Tatbestände des § 12 TierSchG sich als Maßnahme zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse bzw. Vermittlung von Rechtseinheit durch Festlegung eines einheitlichen Maßstabs für den Umgang mit Tieren im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG verstehen. Ebenso ist der Rahmen der Einschätzungsprärogative des Bundesgesetzgebers bei der Anwendung der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG (vgl. o. 11 1) nicht überschritten. Sowohl das in § 12 Abs. 1 TierSchG vorgesehene Haltungs- und Ausstellungsverbot als auch die Verordnungsermächtigungen des § 12 Abs. 2 TierSchG sollen materielle Tierschutzstandards möglichst großflächig durchsetzen. Die Einschätzung, daß die Gestaltungsmöglichkeiten der Länder einen gleichwertigen Schutzstandard nicht verwirklichen könnten, ist jedenfalls nicht fehlsam.

2. Hinreichende Bestimmtheit Klärungsbedürftig ist weiterhin, ob die in § 12 TierSchG enthaltenen Verordnungsermächtigungen den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG genügen. Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG ermöglicht es, daß durch Gesetz die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden können, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen gemäß Art. 80 Abs. 1 S.2 GG Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Die Bedeutung der Vorschrift und die an ihre Anwendung anzulegenden Maßstäbe erhellen nur vor dem Hintergrund ihrer Aufgabe in der Funktionengliederung des Grundgesetzes.

2. Hinreichende Bestimmtheit

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a) Die Verordnungsgebung in der Funktionengliederung des Grundgesetzes Das die Staatsgewalt gliedernde Modell der Verfassung weist die Funktion der Rechtsetzung in erster Linie dem Parlament als Gesetzgeber zu. 4 Gesetzgebung im Sinne von Art. 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG umfaßt nur den Erlaß formeller (Parlaments-)Gesetze. 5 Grundrechtseingriffe dürfen nur durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, bedürfen also zu ihrer Rechtfertigung einer formell-gesetzlichen Grundlage. Der hiervon zu unterscheidende Vorbehalt des Gesetzes verlangt fiir das Handeln der Verwaltung eine Grundlage in einem vom Parlament erlassenen Gesetz. Obgleich dieser Grundsatz im Grundgesetz nicht explizit erwähnt wird, ist er integraler Bestandteil der in Art. 20 Abs. 3 GG statuierten Gesetzesbindung der Verwaltung: Eine Verwaltung, die beliebig ohne eine gesetzliche Ermächtigung tätig werden könnte, wäre in der Lage, sich ihrer Bindung an das Gesetz ohne weiteres zu entziehen. 6 Vom Ausgangspunkt her gilt der Vorbehalt des Gesetzes fiir alle - in konstitutionalistischer Terminologie - "Eingriffe in Freiheit und Eigentum,,7, d.h. fiir alle belastenden Maßnahmen der Verwaltung gegenüber dem Bürger. 8 Diesbezüglich ist seine Geltung unbestritten. Noch immer nIcht ausdiskutiert ist hingegen die Frage, ob und inwieweit der Vorbehalt des Gesetzes über diesen Bereich hinaus auf andere Felder, etwa die Leistungsverwaltung auszudehnen ist. 9 Einen Sonderfall stellt der Sektor von Maßnahmen dar, der in der sog. Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einem Parlamentsvorbehalt unterstellt wird (dazu u. III 2 b).

4 BVerfGE 34, S. 52 (59); Fritz Ossenbühl, Rechtsquellen und Rechtsbindungen der Verwaltung, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, hrsg. v. Hans-Uwe Erichsen, 11. Aufl. Berlin / New York 1998, § 6 Rn. 12. 5 Romun Herzog, in: Maunz / Dürig (Anm. 2) Art. 20 VI Rn. 15; ebenso Christoph Degenhart, Staatsrecht I, 14. Aufl. Heidelberg 1998, Rn. 220. 6 Degenhart (Anm. 5) Rn. 279; Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. Heidelberg 1995, Rn. 201. 7 Zur Bedeutung der Formel im konstitutionellen Verfassungssystem Jan Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt, Tübingen 1997, S. 181 f. 8 Vgl. BVerfGE 8, S. 155 (167); 8, S. 274 (325); 20, S. 150 (157 0; 40, S. 237 (248 f.); Herzog (Anm. 5) Art. 20 VI Rn. 55; Michael Sachs, in: ders., Grundgesetz, 2. Aufl. München 1999, Art. 20 Rn. 114. 9 Dazu Hartmut Bauer, Der Gesetzesvorbehalt im Subventionsrecht, DÖV 1983, S. 53 ff.; Hans D. Jarass, Der Vorbehalt des Gesetzes bei Subventionen, NVwZ 1984, S. 473 ff.; Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. JosefIsensee / Paul Kirchhof, Bd. II1, 2. Aufl. Heidelberg 1996, § 62 Rn. 18 ff.; Hans Heinrich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. Tübingen 1991, S. 113 ff.

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III. Die Gültigkeit der Verordnungsermächtigung des § 12 TierSchG

Der Vorrang des Gesetzes sichert gesetzgeberische Entscheidungen vor Mißachtung durch vollziehende und rechtsprechende Gewalt. Exekutive und Judikative sind zur Anwendung des Gesetzes verpflichtet und dürfen vom Inhalt der gesetzlichen Anordnung nicht abweichen. 10 Eine Modiftkation des Gesetzesinhalts ist den Organen der Rechtsprechung und Verwaltung versagt. Judikative und exekutivische Maßnahmen können ein förmliches Gesetz nicht ändern. Auf der Folie dieser Verfassungsdirektiven ist die Norrnsetzung durch die Verwaltung keine Gesetzgebung im Sinne von Art. 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG, sondern Ausübung vollziehender Gewalt. 11 Sofern die Exekutive Normen in Form von Rechtsverordnungen erlassen will, ist sie auf eine vorgängige Entscheidung des Gesetzgebers, mithin eine gesetzliche Ermächtigung, angewiesen und an die inhaltlichen Vorgaben dieser Entscheidung gebunden. Die verfassungsrechtliche Entscheidung, daß die Exekutive Norrnsetzungsbefugnisse nur aufgrund einer ausdrücklichen Ermächtigung durch ein formelles Gesetz wahrnehmen kann, steht also unabhängig von Art. 80 GG in Geltung. Soweit Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG zum Ausdruck bringt, daß der Erlaß von Rechtsverordnungen einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, ist sein Aussagegehalt deklaratorisch. 12 Seinen Bedeutungsgehalt gewinnt der Art. 80 GG erst vor den unter der Weimarer Verfassung mit der Praxis der Verordnungsermächtigung gewonnenen Erfahrungen. Als Instrument des Krisenmanagements entwickelte die Weimarer Staatspraxis die Form des sog. Ermächtigungsgesetzes, das der Reichsregierung die Möglichkeit zum Erlaß von Verordnungen mit Gesetzesrang einräumte. Solche gesetzesvertretenden Verordnungen konnten von (parlamentarisch beschlossenen) Gesetzen abweichen und Gesetze ändern. 13 Eine derartige konturenlose Selbstentmachtung des Parlaments sollte durch die Einfügung des Art. 80 GG verhindert werden. 14 In einer seiner ersten Entscheidungen hob das Bundesverfassungsgericht hervor, daß Art. 80 GG in bewußter Abkehr von der Praxis der Weimarer Zeit dem Parlament die Entziehung aus der Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft verwehre, wenn es nicht genau die Grenzen dieser übertragenen Kompetenzen bedacht und bestimmt habe. 15

10 Christoph Gusy, Der Vorrang des Gesetzes, JuS 1983, S. 189 (191); Ossenbühl (Anm. 9) Rn. 4 f.; Katharina Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, Tübingen 1997, S. 105. 11 Herzog (Anm. 5) Art. 20 VI Rn. 15. 12 Degenhart (Anm. 5) Rn. 240; Maunz (Anm. 2) Art. 80 Rn. 3. 13 Zur Ermächtigungsgesetzgebung vgl. Michael Frehse, Ermächtigungsgesetzgebung im Deutschen Reich 1914-1933, Pfaffenweiler 1985, S. 47 ff.; Christoph Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, Tübingen 1997, S. 158 ff.; Wilhelm Mößle, Inhalt, Zweck und Ausmaß, Berlin 1990, S. 19 ff. 14 Fritz Ossenbühl, Rechtsverordnung, in: Handbuch des Staatsrechts III (Anm. 9) § 64 Rn. 13. 15 BVerfGE 1, S. 14 (59 f.).

2. Hinreichende Bestimmtheit

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Art. 80 GG erinnert einerseits das Parlament daran, daß es sich seiner Verantwortung nicht durch Gewährung einer Blankovollmacht an die Exekutive entledigen kann, und andererseits die zur Verordnungsgebung ermächtigte Verwaltung, keine eigene, sondern eine ihm nur übertragene Befugnis wahrzunehmen. Ein originäres Verordnungsrecht der Exekutive besteht nicht. 16 Der Verwaltung wird die Rechtsetzungsgewalt lediglich delegiert, ohne daß sich der Inhaber der Rechtsetzungsbefugnis, der parlamentarische Gesetzgeber, seines Zugriffsrechts auf die Materie entäußert. Die Statuierung einer Verordnungsermächtigung hindert den Gesetzgeber nicht daran, eine Verordnung durch Gesetz zu ändern oder aufzuheben. 17 Allerdings beschränkt sich Art. 80 GG nicht auf die Aufstellung eines bloßen Merkpostens, sondern übernimmt die Rolle eines "Delegationsfilters".18 Die Konkretisierung der beschriebenen Grenzen der Delegationsbefugnis wird nicht den beteiligten Organen anheimgestellt, sondern verfassungsrechtlich ftxiert. Die Funktion der Verordnung als abgeleiteter Rechtsetzungsform, den parlamentarischen Gesetzgeber von der Notwendigkeit von Detailregelungen mit nur geringem (politischen) Entscheidungspotential zu entlasten 19, fmdet ihre Schranke an der Entscheidungsverantwortung des Gesetzgebers. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG defmiert diese Schranke als Bestimmung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der dem Verordnungsgeber erteilten Ermächtigung im Gesetz. b) Das Verhältnis des delegationsrechtlichen zum allgemeinen Bestimmtheitsgebot und zum Parlamentsvorbehalt Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG enthält ein speziftsches Bestimmtheitsgebot fiir die Delegation von Rechtsetzungsgewalt an einen Verordnungsgeber, dessen Konturen zu ähnlich gelagerten Anforderungen an den Gesetzgeber zu verschwimmen drohen. Diesbezüglich zu nennen sind das allgemeine Bestimmtheitsgebot sowie der durch die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschriebene Parlamentsvorbehalt.

16 Brun-Otto Bryde, in: von Münch / Kunig III (Anm. 2) Art. 80 Rn. 3; Jörg Lücke, in: Sachs (Anm. 8) Art. 80 Rn. 5; Maunz (Anm. 2) Art. 80 Rn. 3; Ste/an Studenroth, Einflußnahme des Bundestages auf Erlaß, Inhalt und Bestand von Rechtsverordnungen, DÖV 1995, S. 525 (526). A.A. Ossenbühl (Anm. 14) Rn. 16. 17 BVerfGE 22, S. 330 (346); Studenroth (Anm. 16) S. 527; Silke Thomsen, Rechtsverordnungen unter Änderungsvorbehalt des Bundestages?, DÖV 1995, S. 989 (992); Dieter Wilke, Bundesverfassungsgericht und Rechtsverordnungen, AöR 98 (1973) S. 196 (215). 18 Lücke (Anm. 16) Art. 80 Rn. 3. 19 Ossenbühl (Anm. 4) Rn. 13; Wilke (Anm. 15) S. 213 f.

III. Die Gültigkeit der Verordnungsennächtigung des § 12 TierSchG

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Das primär grundrechtlich und rechtsstaatlich, aber auch demokratisch unterfiitterte allgemeine Bestimmtheitsgebot20 verlangt eine so genaue Fassung der Vorschrift, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Nonnzweck möglich ise l . Unbestimmte Rechtsbegriffe sind danach zwar zulässig. 22 Jedoch müssen im Interesse einer Kontrollierbarkeit durch die Gerichte jedenfalls die äußeren Grenzen des Interpretationsspielraums abgesteckt sein. 23 Die mit der Wahl eines bestimmten Begriffs zunächst verbundene Unbestimmtheit muß mit dem tradierten juristischen Methodenkanon bewältigt werden können. 24 Für den Normunterworfenen muß die durch die Norm definierte Lage erkennbar sein, damit er sein Verhalten darauf einrichten kann. 25 Die Grenzziehung im einzelnen darf nicht mittels einer vagen Generalklausel dem Belieben der Verwaltung überlassen werden. Je schwerwiegender die mit der Anwendung einer Vorschrift verbundenen Auswirkungen sind, desto höher sind die Anforderungen an die Bestimmtheit. 26 Die verfassungsrechtlich geforderte Bestimmtheit einer Norm ist daher keine apriori feststehende Größe, sondern die variierende Resultante der Determinanten Regelbarkeit und Auswirkungsschwere. Zumindest hinsichtlich des letztgenannten Elements "befÜhren" sich die Bestimmtheitsanforderungen mit dem an die wesentliche Betroffenheit des grundrechtlich geschützten Bereichs des Bürgers anknüpfenden Parlamentsvorbehalt. 27 Das Bundesverfassungsgericht hat die Natur dieser "Berührung" offengelassen und sich auf die Feststellung beschränkt, der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes fordere jedenfalls kein Mehr an gesetzgeberischer Regelung als der Bestimmtheitsgrundsatz. 28 Zu Recht geht die überwiegende Auffassung im Schrifttum davon aus, daß zwischen allgemeinem Bestimmtheitsge-

20 Zur Herleitung des Bestimmtheitsgebots Ulrich M. Gassner, Gesetzgebung und Bestimmtheitsgrundsatz, ZG 1996, S. 37 (40 ff.); Hans-Jürgen Papier / Johannes Möller, Das Bestimmtheitsgebot und seine Durchsetzung, AöR 122 (1997), S. 177 (178 ff.). 21 BVerfGE 49, S. 168 (181); 59, S. 104 (114); 78, S. 205 (212); 84, S. 133 (149); 87, S. 234 (263); 89, S. 69 (84); 93, S. 213 (238). Im einzelnen zur grundrechtlichen Perspektive Jan Ziekow, Handlungsspielräume der Verwaltung und Investitionssicherheit, in: Handlungsspielräume der Verwaltung, hsrg. v. Jan Ziekow, Berlin 1999. 22 BVerfGE 4, S. 352 (357 f.); 49, S. 168 (181); 80, S. 103 (108); 87, S. 234 (263

f.).

BVerfGE 6, S. 32 (42); 20, S. 150 (158), 21, S. 73 (80). BVerfGE 17, S. 67 (82); 83, S. 130 (145); 90, S. I (16 f.). 25 BVerfGE 21, S. 73 (79); 52, S. I (41); 59, S. 104 (114); 62, S. 169 (182 f.); 78, S. 205 (212); 84, S. 133 (149). 26 BVerfGE 56, S. 1 (13). 27 BVerfGE 56, S. 1 (13). 28 BVerfGE 56, S. I (21). 23

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2. Hinreichende Bestimmtheit

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bot und parlamentsgesetzlichem Vorbehalt keine Identität besteht. 29 Die - sich in der Sache gleichwohl partiell überschneidenden - Maßstäbe sind auf verschiedenen Stufen anzulegen: Während der Vorbehalt des Parlamentsgesetzes eine Kompetenzsperre zugunsten der Legislative beinhaltet, also die Frage betrifft, ob die Regelung einer bestimmten Materie nur durch den Gesetzgeber erfolgen kann, fragt das Bestimmtheitsgebot nach der notwendigen Dichte, nach dem "Wie" der vom Gesetzgeber zu treffenden Regelung. Das Bestimmtheitsgebot intensiviert mithin den parlamentsgesetzlichen Vorbehalt. 30 Dabei können die Anforderungen aufbeiden Stufen variieren. Die aus der Wesentlichkeit der Materie folgende Notwendigkeit der Regelung durch den Gesetzgeber bestimmt zunächst das gebotene Maß gesetzgeberischen Zugriffs. Sofern aus Rechtssicherheitsgesichtspunkten keine weitere Verdichtung erforderlich ist, bleibt es bei den auf der ersten Stufe defmierten Anforderungen. Erfordert hingegen die Meßbarkeit staatlichen Verhaltens eine weitergehende Konkretisierung des Gesetzesinhalts, so ist für die abschließende verfassungsrechtliche Bewertung der Fassung des Gesetzes der Maßstab der zweiten Stufe, des Bestimmtheitsgebots, der höhere und damit entscheidende. Die erste Stufe wird damit nicht überflüssig, da auf ihr darüber entschieden wird, ob überhaupt in der Fonn des Gesetzes gehandelt werden muß. Nichts anderes als diese Stufenrelation meint das Bundesverfassungsgericht mit der Fonnulierung, der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (erste Stufe) fordere kein Mehr an gesetzgeberischer Regelung als der Bestimmtheitsgrundsatz (zweite Stufe). Bei Zugrundelegung dieses Stufenmodells wird deutlich, daß allgemeines und delegationsrechtliches Bestimmtheitsgebot beide auf der zweiten Stufe angesiedelt sind. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG macht dem Gesetzgeber Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung einer Verordnungsennächtigung. Für den Sonderfall des Erlasses einer Verordnung übernimmt Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG die Verdichtungsaufgabe, die im übrigen vom allgemeinen Bestimmtheitsgebot geleistet wird. Dem entspricht es, daß das Bundesverfassungsgericht die Kriterien des allgemeinen Bestimmtheitsgebots in Anlehnung an seine Interpretation des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG entwickelt hat. 3l Für eine Prüfung des allgemeinen Bestimmtheitsgebots neben dem delegationsrechtlichen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG ist daher weder Notwendigkeit noch Raum.

29 Vgl. Hans D. Jarass, in: ders. / Pieroth, Grundgesetz, 3. Aufl. München 1995, Art. 20 Rn. 38; Michael Kloepfer, Der Vorbehalt des Gesetzes im Wandel, JZ 1984, s. 685 (691); Papier I Möller (Anm. 20) S. 180 ff.; Jürgen Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, Berlin 1986, S. 140 ff. Kritisch Ulrich M. Gassner, Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz, DÖV 1996, S. 18 (21 ff.). 30 Ossenbühl (Anm. 9) Rn. 23; Hans-Werner Rengeling, Vorbehalt und Bestimmtheit des Atomgesetzes, NJW 1978, S. 2217 (2218). 3\ Vgl. Gassner(Anm. 29) S. 19. 4 Speyer \35

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III. Die Gültigkeit der Verordnungsennächtigung des § 12 TierSchG

Daran kann auch der Umstand nichts ändern, daß Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG funktional dem Vorbehalt des Parlamentsgesetzes (erste Stufe) näher steht als dem allgemeinen Bestimmtheitsgebot (zweite Stufe).32 Zwar ist der von der Verhinderung einer Selbstentmachtung des Parlaments intendierte Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG (0. III 2 a) mit dem Ziel des Wesentlichkeitsansatzes des Bundesverfassungsgerichts, den Kreis der notwendigerweise vom Gesetzgeber zu treffenden Entscheidungen zu bestimmen, vergleichbar. Jedoch sagt Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG nichts über die Frage aus, ob überhaupt eine Delegation von Rechtsetzungsgewalt zulässig ist. 33 Die Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG werden erst dann erheblich, wenn nicht der parlamentsgesetzliche Vorbehalt fiir die betreffende Materie eine Delegationssperre errichtet. 34 Für das Verhältnis zwischen dem Vorbehalt des Parlamentsgesetzes und dem delegationsrechtlichen Bestimmtheitsgebot gilt daher nichts anderes als fiir die Stufung zwischen Parlamentsvorbehalt und allgemeinem Bestimmtheitsgrundsatz: Die Anwendungskriterien können sich im Einzelfall überschneiden, ohne daß das PIÜfprogramm identisch wäre. Die sich aus dem Grundsatz des Parlamentsvorbehalts und aus Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG ergebenden Anforder:ungen unterliegen getrennter Untersuchung. 3s Der Grundsatz des Parlamentsvorbehalts fußt in dem vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Wesentlichkeitskriterium. In dem vorliegend ein32 So aber wohl Bernhard Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, Berlin 1992, S. 141 f. 33 Vgl. aber Michael Nierhaus, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. v. RudolfDolzer, Heidelberg 1998, Art. 80 Abs. 1 Rn. 124. 34 BVerfGE 58, S. 257 (276); 91, S. 148 (162 f.); BVerfG NJW 1998, S. 669 (670); Lücke (Anm. 16) Art. 80 Rn. 20 f. 35 BVerfGE 58, S. 257 (276); 91, S. 148 (162 f.); BVerfG NJW 1998, S. 669 (670); zur nicht immer einheitlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Wolfram Cremer, Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG und Parlamentsvorbehalt - Dogmatische Unstimmigkeiten in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 122 (1997), S. 248 (255 ff); vgl. weiterhin Carl-Eugen Eberle, Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt, DOV 1984, S. 485 (487); Reinhard Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, Berlin 1988, S. 126 ff.; Walter Krebs, Zum aktuellen Stand der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes, Jura 1979, S. 304 (311); Lücke (Anm. 16) Art. 80 Rn. 20 f.; Hans-Jürgen Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, Berlin 1973, S. 71 ff.; Staupe (Anm. 29) S. 148; Dieter C. Umbach, Das Wesentliche an der Wesentlichkeitstheorie, in: FS rur Hans Joachim Faller, hrsg. v. Wolfgang Zeidler / Theodor Maunz / Gerd Roellecke, München 1984, S. 111 (128). A.A. Busch (Anm. 32) S. 124 ff.; Thomas von Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, Berlin 1989, S. 90 ff.; Dieter Wilke, Anmerkung zu BVerfGE 58, 257, JZ 1982, S. 758 (760): verdrängender Vorrang von Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG; in diese Richtung zielend wohl auch Michael Nierhaus, Bestimmtheitsgebot und Delegationsverbot des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG und der Gesetzesvorbehalt der Wesentlichkeitstheorie, in: Verfassungsstaatlichkeit. FS für Klaus Stern zum 65. Geb., hrsg. v. Joachim Bunneister, München 1997, S. 717 (731 f.).

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schlägigen Verständnis des Parlamentsvorbehalts als Gesetzesvorbehalt fordert es, daß der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. 36 Insoweit ist "wesentlich" gleichbedeutend mit "grundrechtswesentlich" . Bei der Untersuchung, ob der parlamentsgesetzliche Vorbehalt für eine bestimmte Materie eine Delegationssperre errichtet, stellt das Bundesverfassungsgericht dementsprechend darauf ab, welche Regelungen des betreffenden Bereichs als grundrechtswesentlich anzusehen sind. In seinem Beschluß zur Schulentlassungs- und Versetzungsregelung im hessischen Schulverwaltungsgesetz benannte das Gericht den zwangsweisen Ausschluß eines Schülers aus einer Schule als Maßnahme, zu denen der Gesetzgeber die wesentlichen Bestimmungen selbst treffen müsse. Die bloße Benennung der Materie (Entlassung aus der Schule) im Gesetz und die Ermächtigung des Verordnungsgebers zur Regelung aller weiteren Einzelheiten reiche nicht aus. Vielmehr müsse der Gesetzgeber selbst die Voraussetzungen für die zwangsweise Entlassung aus der Schule, die Zuständigkeiten für eine derartige Maßnahme sowie die Grundsätze des dabei einzuhaltenden Verfahrens vorsehen. Hingegen wäre der Gesetzgeber überfordert, wenn er die Voraussetzungen für die erheblich weniger einschneidende Maßnahme der Nichtversetzung des Schülers in die nächste Klasse mit der für die praktische Anwendung notwendigen Bestimmtheit und Klarheit selbst regeln müßte. Insoweit genüge die bloße Nennung der zu regelnden Materie (Nichtversetzung) in dem ermächtigenden Gesetz. 37 Der Beschluß zur Normsetzungsbefugnis der Bundesregierung im Außenwirtschaftsrecht formuliert die Wesentlichkeit der Regelung ebenfalls bereichsspezifisch. Für den Bereich der Exportkontrolle bezeichnete das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung, daß Beschränkungen des Außenwirtschaftsverkehrs vorgenommen werden dürfen, welche Art von Beschränkungen in Frage kommt und aus welchen Gründen sie angeordnet werden dürfen, als dem Gesetzgeber vorbehalten. Dagegen könnten die Art und Weise der Exportkontrolle sowie die Auswahl der betroffenen Warengattungen und Länder wegen der Verwaltungsnähe und der Situationsgebundenheit dieser Entscheidungen der Exekutive überlassen werden. 38 Legt man diese Maßstäbe an die Verordnungsermächtigung des § 12 TierSchG an, so besteht für die dort benannten Materien keine Delegationssperre. Die Intensität der Grundrechtsberührung ist gering. Die Ermächtigungen des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 2 und 6 TierSchG betreffen nur die Statuierung einer

36 37 38

BVerfGE 61, S. 260 (275); 77, S. 381 (403); BVerfG NJW 1998, S. 669 (670). BVerfGE 58, S. 257 (275 f.). BVerfGE 91, S. 148 (162).

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III. Die Gültigkeit der Verordnungsermächtigung des § 12 TierSchG

Bescheinigungspflicht über die Einhaltung von Tierschutzstandards in einem Drittstaat, einer Genehmigungspflicht sowie die Benutzung eines bestimmten Import- oder Exportweges. Demgegenüber eröffnen die Nummern 3-5 des § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG zwar die Möglichkeit der Einführung von Verboten. Jedoch kann nicht etwa der Umgang mit Tieren gänzlich untersagt werden, sondern nur das Verbringen von bestimmten Tieren in einen anderen Staat sowie das Verbringen von tierschutzwidrig behandelten Tieren in das Inland und das Halten solcher Tiere. Für das § 12 TierSchG zugrundeliegende Konzept der mittelbaren Durchsetzung materieller Tierschutzstandards (0. III 1) sind in Fruchtbarmachung der Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts zum Außenwirtschaftsrecht wesentlich die Entscheidungen, daß Einschränkungen des Umgangs mit Tieren vorgenommen werden dürfen, welche Art von Beschränkungen in Betracht kommt und aus welchen Gründen sie angeordnet werden dürfen. Diese Entscheidungen sind vom Gesetzgeber in § 12 TierSchG getroffen worden: Aus § 12 TierSchG ergibt sich sowohl, daß Einschränkungen des Umgangs mit Tieren zulässig sein sollen, als auch welcher Art diese Einschränkungen sein können (Bescheinigungs- bzw. Genehmigungspflicht, Verbot bestimmter Tätigkeiten, Pflicht zur Benutzung bestimmter Zollstellen). Der Grund für die Möglichkeit der Anordnung der Einschränkungen ist am Anfang der Ermächtigungsnorm des § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG ausdrücklich benannt: die Erforderlichkeit der Regelung zum Schutz der Tiere. Da es das Bundesverfassungsgericht unter Wesentlichkeitsgesichtspunkten ausdrücklich für zulässig erklärt hat, daß die Auswahl der von einer Einschränkung betroffenen Gegenstände dem Verordnungsgeber überlassen wird, kann auch die fehlende Konkretisierung der einem Verbringungsverbot nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 TierSchG unterstellbaren Tiere nicht beanstandet werden. Im Ergebnis ergeben sich daher aus dem durch die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschriebenen Parlamentsvorbehalt keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Verordnungsermächtigung des § 12 TierSchG. c) Die allgemeinen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG

Wie dargelegt entbindet die Feststellung, daß der Vorbehalt des Parlamentsgesetzes keine Delegationssperre aufstellt, nicht von der Prüfung der delegationsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Nach dieser Vorschrift müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Verordnungsermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat verschiedene Ansätze formuliert, um die daraus fließenden Bestimmtheitsmaßstäbe zu konkretisieren. An die Zielrichtung des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG, eine Selbstentmachtung des Gesetzgebers zu verhindern (0. III 2 a), knüpft

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die sog. "Selbstentscheidungsformel" an. Nach ihr muß der Gesetzgeber selbst die Entscheidung treffen, daß bestimmte Fragen geregelt werden sollen; er muß die Grenzen einer solchen Regelung festsetzen und angeben, welchem Ziel die Regelung dienen soll.39 Hieran anschließend verlangt die sog. "Programmformel" vom Gesetzgeber zumindest die Absteckung eines Regelungsprogramms, das von der ermächtigenden Stelle umzusetzen ist. 40 Es bedeutet insoweit nur einen Perspektivenwandel, wenn in der Fassung der sog. "Vorhersehbarkeits-" oder "Voraussehbarkeitsformel" schon aus der Ermächtigung vorhersehbar sein muß, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. Kann dagegen nicht mehr vorausgesehen werden, in welchem Fall und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Vorschriften haben können, so fehlt es an der gebotenen Bestimmtheit. 41 Allerdings müssen Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung nicht ausdrücklich im Text der Ermächtigungsvorschrift bestimmt sein. Auch für die Interpretation von Ermächtigungsnormen gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze. Zur Klärung von Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung können also der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Vorschriften und das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, berücksichtigt werden. Es genügt, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aus dem ganzen Gesetz ermitteln lassen. Maßgebend ist der in der Bestimmung zum Ausdruck gekommene objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem Sinnzusammenhang, in den die Ermächtigung gestellt ist, ergibt. Auch die Entstehungsgeschichte kann herangezogen werden. 42 Nicht gefordert wird, daß die Ermächtigung das Maximum dessen verwirklicht, was an Präzisierung des Wortlauts überhaupt möglich ist. Es genügt, daß die ErmäChtifung unter Beachtung der genannten Anforderungen hinreichend bestimmt ist. 4 Wie bestimmt eine Regelung gefaßt werden muß, um dem Maßstab der hinreichenden Bestimmtheit zu genügen, ergibt sich aus der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck. 44 Entscheidend ist, daß der Gesetzgeber das von der ermächtigenden Stelle im VerordnungsBVerfGE 2, S. 307 (334); 15, S. 153 (160); 19, S. 354 (361 f.). BVerfGE 5, S. 71 (77); 8, S. 274 (307); 19, S. 354 (362); 20, S. 296 (305); 58, S. 257 (277); 80, S. 1 (20); 85, S. 97 (105); 91, S. 148 (163). 41 BVerfGE 1, S. 14 (60); 2, S. 307 (334); 4, S. 7 (21); 5, S. 71 (76); 7, S. 282 (302 f.); 10, S. 251 (258); 18, S. 52 (63); 19, S. 354 (361); 42, S. 191 (200); 58, S. 257 (277); 58, S. 283 (291); 78, S. 249 (272); BVerfG NJW 1998, S. 669 (670). 42 BVerfGE 8, S. 274 (307); 19, S. 354 (362); 62, S. 203 (209); 76, S. 130 (142); BVerfG NZS 1997, S. 89. 43 BVerfGE 8, S. 274 (312); 58, S. 257 (277); 62, S. 203 (209 f.). 44 BVerfG NJW 1998, S. 669 (670). 39

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wege abzuarbeitende Nonnprogramm absteckt. Dies kann auch dadurch geschehen, daß das die ermächtigende Nonn enthaltende Gesetz selbst keine hinreichende Programmverdeutlichung enthält, jedoch in einer im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Verknüpfung mit einem anderen Gesetz steht und die Gesamtschau das gesetzgeberische Programm erkennbar macht. 45 Ebenso kann die Programmvorgabe dadurch erfolgen, daß in dem ennächtigenden Gesetz auf andere Rechtssätze und Begriffe in anderen Rechtsvorschriften verwiesen wird. 46 Voraussetzung ist das Vorliegen einer Entscheidung des zur Verordnungsgebung ermächtigenden Gesetzgebers zur Inbezugnahme der anderen Rechtsnonn. Die Verwendung eines mit der Terminologie einer anderen Vorschrift wortlautidentischen Begriffs genügt für die Inbezugnahme kraft Verweisung nicht. Hinzukommen muß die manifestierte Vorstellung des Gesetzgebers von einem parallelen Begriffsinhalt. Die Implementation von Inhalten anderer Normzusammenhänge als Programmelemente muß dem - ggf. durch Auslegung zu ermittelnden - Zweck der ennächtigenden Nonn entnehmbar und insofern als Willensentscheidung des Gesetzgebers zum Ausdruck gekommen sein. Ist dies nicht der Fall, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich des Rückgriffs auf andere Gesetze zur Auslegung der Ermächtigungsnonn Zurückhaltung geboten. Das Gericht hat in neuerer Zeit nochmals dezidiert darauf hingewiesen, daß maßgebend der Gesamtzusammenhang des Gesetzes und der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, so wie er im Gesetz zum Ausdruck gekommen ist, sind. Eine vorsichtige Erweiterung hat das Gericht nur für den Sonderfall vorgenommen, daß das die Ermächtigungsnorm enthaltende Gesetz mit dem zur Konkretisierung herangezogenen Gesetz zu einem gemeinsamen Gesetz verknüpft war. 47 Keinesfalls mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang zu bringen ist die Praxis des Bundesverwaltungsgerichts, für auslegungsmaßgeblich "allgemeine beamtenrechtliche Grundsätze,,48 oder gar die (ungeschriebenen) "Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts,,49 zu erklären. 50 Zu den vom Gesetzgeber selbst nach Art. 80 Abs. 1 S. 2 zu treffenden Entscheidungen gehört vor allem die Vorgabe von Anhaltspunkten für den Verordnungs geber, ob von der Verordnungsermächtigung Gebrauch zu machen ist oder nicht. Die Erteilung sog. Kann-Ermächtigungen, die den Ermächtigungsadressaten selbst bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen nicht 45 46 47 48 49 50

BVerfGE 78, S. 249 (274 ff.). BVerfGE 29, S. 198 (210); 34, S. 348 (366); Maunz (Anm. 2) Art. 80 Rn. 32. BVerfGE 78, S. 249 (274 f.). So BVerwGE 36, S. 61 (65). So BVerwG NJW 1973, S. 2122. Zu Recht"ablehnend etwa von Danwitz (Anm. 35) S. 102 f.

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zum Erlaß der Verordnung verpflichten, sind zulässig, sofern nicht die Anwendbarkeit des Gesetzes selbst davon abhängt, ob von ihnen Gebrauch gemacht wird oder nicht. Es darf nicht dem Belieben der ermächtigten Stelle anheirngestellt werden, von der erteilten Ermächtigung Gebrauch und dadurch erst das Gesetz anwendbar zu machen. Die Frage des "Ob überhaupt" darf vom Gesetzgeber nicht unbeantwortet gelassen werden. S1 d) Inter- und supranationale Elemente in Verordnungs ermächtigungen

Mit der zunehmenden Öffnung des Verfassungsstaates zu mannigfaltigen Formen internationaler Kooperation und Integration wird es in steigendem Maße notwendig, auf die Rechtsverordnung als Rechtsetzungsinstrument auch zur Bewältigung von Sachverhalten mit internationalen Bezügen zurückzugreifen. Der Stellenwert dieses Regelungsinstruments ist durch die Auffassung des Europäischen Gerichtshofs, daß Verwaltungsvorschriften als Instrument zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien nicht ausreichen52 , noch erhöht worden. Hinsichtlich der Einwirkungen supra- und internationaler Normen auf die durch Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG formulierten Anforderungen an gesetzliche Verordnungsermächtigungen lassen sich verschiedene Modalitäten unterscheiden: -

der Verweis auf supra- oder internationale Normen in der Verordnungsermächtigung,

-

die Heranziehung supra- oder internationalen Rechts zur Auslegung der Verordnungs ermächtigung,

-

die Einräumung der Verordnungsermächtigung zur Umsetzung supra- und internationaler Vorschriften und

-

die Begrenzung der Reichweite der Verordnungsermächtigung bei Kollision mit internationalen Normen.

51 BVerfGE 78, S. 249 (272 ff.); Peter Unruh / Jochen Strohmeyer, Die Pflicht zum Erlaß einer Rechtsverordnung - am Beispiel des Umweltrechts, NuR 1998, S. 225 (229). 52 EuGH Rs. C-361 /88, Kommission / Deutschland, Slg. 1991, S. 1-2567 ff.; Rs. C-59/ 89, Kommission / Deutschland, Slg. 1991, S. 1-2607 ff.; dazu Ulrich Everling, Durchführung und Umsetzung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bereich des Umweltschutzes unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH, NVwZ 1993, S. 209 (213 ff.); Ulrich Guttenberg, Unmittelbare Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften, JuS 1993, S. 1006 ff.; Werner Hoppe/Ola/Otting, Verwaltungsvorschriften als ausreichende Umsetzung von rechtlichen und technischen Vorgaben der Europäischen Union?, NuR 1998, S. 61 ff.; Christine Langen/eid / Sabine Schlemmer-Schulte, Die TA-Luft - kein geeignetes Instrument zur Umsetzung von EG-Richtlinien, EuZW 1991, S. 622 ff.; Ronald Steiling, Mangelnde Umsetzung von EG-Richtlinien durch den Erlaß und die Anwendung der TA-Luft, NVwZ 1992, S. 134 ff.

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III. Die Gültigkeit der Verordnungsennächtigung des § 12 TierSchG

Die Verweisung auf Nonnen und Begriffe des europäischen Gemeinschaftsrechts in der ermächtigenden Bestimmung ist vom Bundesverfassungsgericht rur zulässig erachtet worden. S3 Hier gilt nichts anderes als fiir den Verweis auf nationale Gesetze. Bedenken unter dem Gesichtspunkt, daß das Programm der Verordnungsennächtigung dadurch zur Disposition des supranationalen Nonngebers, der die durch Verweisung in Bezug genommene Nonn jederzeit ändern kann, gestellt wird, bestehen nicht. Der ennächtigende Gesetzgeber ist zur Verweisung nicht verpflichtet, sondern könnte das Nonnprogramm durch Aufnahme der supranationalen Nonngehalte auch selbst abschließend defmieren. Hierdurch und durch die Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 GG wird die Entscheidung des Gesetzgebers zur Zurverfiigungstellung eines supranational "angereicherten" Nonnprogramms manifest. Im Grundsatz nichts anderes gilt fiir den Verweis der Verordnungsennächtigung auf andere internationale Nonnen, beispielsweise das Recht völkerrechtlicher Verträge. Wie rur jede Verweisung im Rahmen der Zulässigkeit einer Verordnungsennächtigung am Maßstab des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG ist auch hier Voraussetzung, daß auf konkrete Nonnen verwiesen wird. Keine zur Definition des Nonnprogramms taugliche Verweisung liegt vor, wenn beispielsweise die "völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland" erwähnt werden. In der Ermächtigungsnonn muß vielmehr zumindest der Titel des entsprechenden völkerrechtlichen Übereinkommens genannt werden. Allerdings ist auch damit noch kein Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG genügendes Nonnprogramm abgesteckt. Das Selbstentscheidungserfordernis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG (0. III 2 c) verlangt, daß das gesamte Regelungsprogramm auf einer Willensentscheidung des deutschen Gesetzgebers beruht. Völkerrechtliche Pflichten, die nicht durch Gesetz in irmerstaatliches Recht transformiert worden sind, scheiden als Objekt der Inbezugnahme aus. Erst das Zustirnmungsgesetz läßt das verweisungsergänzte Programm vollumfanglich zu einer Entscheidung des deutschen Gesetzgebers werden. S4 Legt man rur die Grenzen der Heranziehung supra- oder internationalen Rechts zur Auslegung von Verordnungsennächtigungen die vom Bundesverfassungsgericht rur den zum Zweck der Auslegung erfolgenden Rückgriff auf andere Gesetze entwickelten Maßstäbe (0. III 2 c) an, so ist die Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften zur Auslegung der ennächtigenden Nonn ohne weiteres zulässig. Dies ergibt sich schon aus der Anlegung allgemeiner Auslegungsmaßstäbe. Als Beispiel diene die verfassungskonfonne Interpretation: Läßt eine Verordnungsennächtigung auch nach Auslegung nicht zweifelsfrei erkennen, welches von zwei denkbaren Regelungsprogrammen sie verfolgt, so genügt die Verordnungsennächtigung gleichwohl dem Bestimmt53 54

BVerfGE 29, S. 198 (210); 34, S. 348 (366). Vgl. BVerfG NJW 1998, S. 669 (671).

2. Hinreichende Bestimmtheit

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heitsgebot, wenn nur eines dieser Programme mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Entsprechendes gilt für das Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht: Dem Gemeinschaftsrecht kommt Vorrang vor dem nationalen Reclit ZU. 55 Gegebenenfalls ist das nationale Recht gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. 56 Eine Übertragung dieser Auslegungserheblichkeit des Gemeinschaftsrechts auf andere internationale Normen ist nicht möglich. Soweit das Bundesverwaltungsgericht eine Öffnung der Auslegung für internationales Recht jedenfalls dann zuläßt, wenn ein Transformationsgesetz vorliegt, 57 verfehlt es die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstäbe. Transformiertem völkerrechtlichen Vertragsrecht kommt kein Vorrang vor anderen nationalen Gesetzen zu. Es gilt vielmehr im Rang eines einfachen Bundesgesetzes. 58 Damit aber muß es als Auslegungsparameter grundsätzlich ausscheiden, es sei denn, es besteht eine schon im Gesetzgebungsverfahren erkennbar werdende Verknüpfung mit dem die Ermächtigungsnorm enthaltenden Gesetz (vgl. o. III 2 c). Des öfteren diskutiert worden ist in jüngerer Zeit die Frage, welche Anforderungen sich aus Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG rur Verordnungserrnächtigungen zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht ergeben. Insoweit darf ein weitgehender Konsens darüber konstatiert werden, daß die Ermächtigung der Exekutive zum Erlaß von Vorschriften zur Umsetzung von Rechtsakten der EG in innerstaatliches Recht selbst dann mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar ist, wenn die Ermächtigungsnorm selbst keine weiteren Konkretisierungen enthält. Da die Verordnung erst ergehen kann, wenn der umzusetzende Rechtsakt bereits erlassen ist, ergibt sich aus diesem das Regelungsprogramm in der Regel mit hinreichender Bestimmtheit. s9 Die nach Art. 23 GG erfolgte Übertragung von Recht55 EuGH Rs. 6/64, Flaminio Costa/ E.N.E.L., Slg. 1964, S. 1251 (1269 ff.), st. Rspr.; Ulrich Everling, Zum Vorrang des EG-Rechts vor nationalem Recht, DVBl. 1985, S. 1201 ff.; Michael Schweitzer / Waldemar Hummer, Europarecht, 5. Aufl. Neuwied / KrifteI / Berlin 1996, Rn. 849 ff.; Winfried Veelken, Die Bedeutung des EGRechts für die nationale Rechtsanwendung, JuS 1993, S. 265 (266). 56 EuGH Rs. 14/83, von Colson und Kamann / Land Nordrhein-Westfalen, Slg. 1984, S. 1891 (1909); BVerwGE 89, S. 320 (323 f.); Oliver Dörr, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, in: Sodan / Ziekow, Nomos-Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, Baden-Baden 1998, Rn. 387 ff.; Veelken (Anm. 55) S. 271. 57 Vgl. BVerwGE 28, S. 36 (45); BVerwG NJW 1973, S. 2122. 58 Hans B. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Anm. 2) Art. 59 Rn. 13; RudolJStreinz, in: Sachs (Anm. 8) Art. 59 Rn. 63 ff.; Veelken (Anm. 55) S. 266. 59 Christian Calliess, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von fachgesetzlichen Rechtsverordnungsermächtigungen zur Umsetzung von Rechtsakten der EG, NVwZ 1998, S. 8 (12 f.); Man/red Czychowski, Verordnungsermächtigungen für die Umsetzung von EG-Richtlinien zum Wasserrecht, ZUR 1997, S. 71 (72); Leonard Meyer zu Brickwedde, Die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen nach Art. 80 Abs. 1 GG zur Ausführung von Gemeinschaftsrecht, Osnabrück 1987, S. 93 ff.; Nierhaus (Anm. 33) Art. 80 Abs. 1 Rn. 316 ff.; Dieter H. Scheuing, Rechtsprobleme bei der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, EuR 1985,

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III. Die Gültigkeit der Verordnungsennächtigung des § 12 TierSchG

setzungsbefugnissen an die EG ermöglicht dem deutschen Normgeber nur ein Tätigwerden innerhalb des gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Rahmens. Soweit Gemeinschaftsrecht umsetzungsbedürftig ist, muß es umgesetzt werden. Allerdings ergibt sich daraus nicht, daß Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG fiir die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht bedeutungslos wäre. 60 Denn die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht ließe sich rechtstechnisch auch im Wege des formellen Gesetzes leisten. Wählt der Gesetzgeber dagegen den Weg der Verordnungsermächtigung, so dispensiert ihn der Umstand der bestehenden Umsetzungspflicht nicht von der Beachtung der Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. 61 Läßt der umzusetzende Rechtsakt so große Umsetzungsspielräume offen, daß fiir den deutschen Verordnungsgeber ein hinreichendes Regelungsprogramm nicht erkennbar ist, so ist die Verordnungsermächtigung insoweit nicht mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar. 62 Konsequenz dieser Betrachtung ist es, daß dieselbe Verordnungsermächtigung sowohl verfassungsmäßig als auch verfassungswidrig sein kann, je nachdem, wie dicht das Regelungsprogramm des umzusetzenden Gemeinschaftsrechtsakts ist. Verfassungsrechtliche Folge wäre nicht die Nichtigkeit der Ermächtigungsnorm, sondern nur deren Nichtanwendbarkeit im konkreten Fa1l63 • Um ein solches Ergebnis zu vermeiden, tut der Gesetzgeber gut daran, das Regelungsprogramm der zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht ermächtigenden Norm durch eigene Kautelen zu präzisieren. Allerdings folgt aus der Nichtanwendbarkeit der Ermächtigungsgrundlage nicht notwendig die Nichtigkeit der eine zu offen gefaßte Richtlinie umsetzenden Rechtsverordnung. Das Bundesverfassungsgericht ist u.a. dann von einer übergangsweisen Fortgeltung einer auf einer verfassungsrechtlich unzureichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhenden untergesetzlichen Norm ausgegangen, wenn der bei Annahme der Nichtigkeit eintretende Zustand der S. 229 (234 f.); Albrecht Weber, Rechtsfragen der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik, Köln / Berlin / Bonn / München 1987, S. 24 ff. 60 Ansätze in diese Richtung aber bei Calliess (Anm. 59) S. 13. 6\ Vgl. Fritz Ossenbühl, Der verfassungsrechtliche Rahmen offener Gesetzgebung und konkretisierender Rechtsetzung, DVBI. 1999, S. 1 (7). 62 Vgl. auch Michael Reinhardt, Die Umsetzung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften durch die Exekutive, UTR 1997, S. 337 (356 f.). 63 Prozessual korrespondiert dem die Unvereinbarerklärung durch das Bundesverfassungsgericht, vgl. dazu Jens Blüggel, Unvereinbarerklärung statt Norrnkassation durch das Bundesverfassungsgericht, Berlin 1998; Peter E. Hein, Die Unvereinbarerklärung verfassungswidriger Gesetze durch das Bundesverfassungsgericht, Baden-Baden 1988; Jörn Ipsen, Nichtigerklärung oder "Verfassungswidrigerklärung", JZ 1983, S. 41 ff.; Albrecht Peter Pohle, Die Verfassungswidrigerklärung von Gesetzen, Bielefeld 1979; Roman Seer, Die Unvereinbarkeitserklärung des BVerfD am Beispiel seiner Rechtsprechung zum Abgabenrecht, NJW 1996, S. 285 ff.

2. Hinreichende Bestimmtheit

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verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner gestanden hätte als der bisherige. 64 Dieser Ansatz läßt sich ohne weiteres auf das Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht übertragen: Wegen der Verpflichtung zur fristgemäßen Umsetzung der Richtlinie würde die Nichtigkeit der umsetzenden Verordnung dem Gemeinschaftsrecht ferner stehen als die Fortgeltung, beispielsweise bis zur Präzisierung der gesetzlichen Verordnungsermächtigung. Für die Bestimmtheit von Verordnungsermächtigungen, die wie § 6a WHG oder § 26a BNatSchG zum Erlaß von Rechtsverordnungen zur Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen ermächtigen, ist zu beachten, daß das gesamte Normprogramm vom deutschen Gesetzgeber entworfen sein muß. Die für die zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht skizzierte Sondersituation der Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf einen internationalen Organisationszusammenhang liegt hier nicht vor. Von einem durch den Gesetzgeber abgesteckten Regelungsprogramm kann jedenfalls nur dann gesprochen werden, wenn die völkerrechtliche Verpflichtung gemäß Art. 59 Abs. 2 GG durch Bundesgesetz transformiert worden ist. 6s Selbst in diesem Fall aber läßt sich nicht von einer den Maßstäben des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG genügenden Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm sprechen, wenn sich der Kreis der umzusetzenden völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht aus der Ermächtigungsnorm unter Anwendung der dargelegten Auslegungsgrundsätze (0. III 2 c) qualifIzieren läßt. Nicht zwingend erforderlich ist es insofern, daß die betreffenden völkerrechtlichen Übereinkommen wie etwa in § 1 Abs. 4 BtMG ausdrücklich benannt sind. Es genügt, wenn sich die in Betracht kommenden völkerrechtlichen Verpflichtungen in anderer Weise konkretisieren lassen. Beispiele bieten § 6a WHG, der nur zur Erfüllung von zwischenstaatlichen Vereinbarungen durch Rechtsverordnung hinsichtlich der Gewässerbewirtschaftung ermächtigt, oder § 26a BNatSchG, der die Verordnungs ermächtigung auf die Durchführung inhaltlich spezifIzierter völkerrechtlicher Verträge, nämlich die Verpflichtungen aus internationalen Artenschutzübereinkommen, beschränkt. Hingegen reicht eine allgemein zur Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen erteilte Verordnungsermächtigung im Lichte des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG nicht aus. Wenn schon eine Vorschrift, die zum Erlaß der zur Durchführung eines Gesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen ermächtigt, nicht hinreichend bestimmt ist,66 so muß dies erst recht für die pauschale Inbezugnahme völkerrechtlicher Verpflichtungen gelten. Zur Beurteilung der vierten Fallgruppe inter- und supranationaler Elemente in Verordnungsermächtigungen, der Begrenzung der Reichweite der Ermächtigung hinsichtlich der Kollision mit internationalen Normen, sind die zum Ver64

6S

66

BVerfGE 79, S. 245 (250 f.). Vgl. BVerfG NJW 1998, S. 669 (670 f.); Czychowski (Anm. 59) S. 73. BVerfGE I, S. 14 (59 f.).

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III. Die Gültigkeit der Verordnungsermächtigung des § 12 TierSchG

weis auf supra- oder internationale Nonnen in der Ennächtigungsvorschrift entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Denn Klauseln, die den Erlaß einer Rechtsverordnung nur zulassen, soweit nicht benannte oder sonstige Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften oder Verpflichtungen aus internationalen Artenschutzübereinkommen (§ 20e Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG) oder Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften (§ 26 Abs. 2 BNatSchG) oder Gemeinschaftsrecht oder völkerrechtliche Verpflichtungen (§ 12 Abs. 2 S. 3 TierSchG) entgegenstehen, oder die ähnlich fonnuliert sind, sind Regelungen des Ausmaßes der Ennächtigung im Sinne von Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. e) Die Vereinbarkeit von § 12 TierSchG mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG

Untersucht man die Vereinbarkeit der Verordnungsennächtigung des § 12 TierSchG mit den zur Anwendung des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG entwickelten Maßstäben, so ergeben sich in mehrerlei Hinsicht Zweifel. Problematisch ist zunächst die Beurteilung des § 12 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 TierSchG vor der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Unzulässigkeit von sog. Kann-Ennächtigungen bei Abhängigmachung der Anwendbarkeit des Gesetzes vom Erlaß einer Verordnung (0. III 2 c). Die Ennächtigungsnonnen des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 TierSchG wären nicht himeichend bestimmt, wenn sie Kann-Ennächtigungen sind und erst der auf ihrer Grundlage erfolgende Erlaß von Rechtsverordnungen dazu führen würde, daß das Haltungs- und Ausstellungsverbot des § 12 Abs. 1 TierSchG gilt. Aus den Gesetzgebungsmaterialien sind Überlegungen zum Verhältnis zwischen § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG einerseits und § 12 Abs. 1 Hs. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 TierSchG nicht ersichtlich (vgl. o. I). Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 TierSchG spricht dafür, daß das Haltungs- und Ausstellungsverbot unabhängig vom Erlaß einer Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 oder 5 TierSchG gelten soll. § 12 Abs. 1 Hs. 2 TierSchG behält nur "das Nähere" der Regelung durch Rechtsverordnung vor. Daraus ließe sich schließen, daß der Grundsatz - die Anwendbarkeit des Haltungs- und Ausstellungsverbots - keiner Ingeltungsetzung durch eine Verordnung bedarf. Gestützt wird diese Interpretation durch die Erwägung, daß § 12 Abs. 1 S. 1 TierSchG a.F. unmittelbar anwendbare Verbote des Verbringens von tierschutzwidrig geschädigten Tieren in das Inland sowie des gewerbsmäßigen Inverkehrbringens und Haltens solcher Tiere im Inland enthielt und weder der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes noch die Stellungnahme des Bundesrates ein Abgehen von dieser Gesetzeslage intendierten. 67

67

Vgl. BTDrucks 13/7015, S. 10,34.

2. Hinreichende Bestimmtheit

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Allerdings hat dieser vermeintliche Wille des historischen Gesetzgebers in der schließlich verabschiedeten Fassung des § 12 TierSchG nur unzureichenden Ausdruck gefunden. Insbesondere der systematische Zusammenhang zwischen § 12 Abs. 1 und § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 TierSchG ist widersprüchlich. In systematischer Sicht läßt sich die oben beschriebene Interpretation der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 TierSchG als bloße Befugnis zur Konkretisierung eines durch § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG aufgestellten Grundsatzes nicht aufrechterhalten. So bezieht sich der Regelungsgehalt des § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG auf das Halten oder Ausstellen der Tiere; Halten und Ausstellen sind danach zu unterscheiden. Diese Unterscheidung steht im Einklang mit der in anderen Vorschriften des Tierschutzgesetzes gebrauchten Terminologie (vgl. § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3a und d TierSchG). § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG ermächtigt dagegen den Verordnungsgeber, das Halten, insbesondere das Ausstellen der dort genannten Tiere zu verbieten. Hiernach soll das Ausstellen offenbar ein Unterfall des Haltens sein. Welches Verständnis des Verhältnisses von Halten und Ausstellen, das des § 12 Abs. 1 Hs. 1 oder das des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG, fiir den Begriff des Haltens in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG maßgebend sein soll, erhellt nicht. § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG regelt insoweit nicht "das Nähere" zu § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG, sondern ändert diesen möglicherweise inhaltlich ab (dazu u. IV 1). Auch in anderer Hinsicht beschränken sich die Nummern 4 und 5 des § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG nicht auf die Ermächtigung zum Erlaß von den § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG konkretisierenden Rechtsverordnungen, sondern modifIzieren die Reichweite des Aussagegehalts des § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG. Während § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG ein Verbot des Haltens und Ausstellens von Wirbeltieren schon bei der Annahme vorsieht, daß feststellbare Schäden durch tierschutzwidrige Handlungen verursacht worden sind, verlangt der strengere § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG, daß an den Tieren tierschutzwidrige Handlungen vorgenommen worden sind. Es müssen also tatsächlich tierschutzwidrige Handlungen vorgenommen worden sein; die bloße Annahme genügt nicht. Auch hinsichtlich der relevanten Schädigungshandlungen bleibt § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG hinter § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG zurück. Während § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG jegliche tierschutzwidrige Handlungen erfaßt, ist § 12 Abs.2 S. 1 Nr. 4 TierSchG an die zusätzliche Voraussetzung geknüpft, daß die Handlungen gerade das Erreichen bestimmter Rassemerkmale bezweckten. Vergleichbar ist in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG die zusätzliche Anforderung, daß das Weiterleben der geschädigten Tiere nur unter Leiden möglich ist. Umgekehrt geht § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG insofern über den Aussagegehalt des § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG hinaus, als das in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG genannte Verbringen von Wirbeltieren in das Inland von § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG nicht erfaßt wird.

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III. Die Gültigkeit der Verordnungsennächtigung des § 12 TierSchG

In den genannten Punkten betreffen die aufgrund des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 oder 5 TierSchG erlassenen Rechtsverordnungen mithin - entgegen dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Hs. 2 TierSchG - nicht "das Nähere", sondern etwas anderes als das in § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG Geregelte. Ebenso erhellt eine teleologische Betrachtungsweise nicht, welcher Zweck den Verordnungsermächtigungen des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 TierSchG neben einem in § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG durch das Gesetz selbst ausgesprochenen unmittelbaren Haltungs- und Ausstellungsverbot zukommen sollte. Wenn es bereits kraft des § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG generell unzulässig wäre, tierschutzwidrig geschädigte Tiere zu halten und auszustellen, wären die dargestellten einschränkenden Kautelen der Nummern 4 und 5 des § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG obsolet. Die spezifischen Voraussetzungen dieser beiden Verordnungsermächtigungen ergeben nur dann einen Sinn, wenn das Haltungs- bzw. Ausstellungsverbot allein für Fälle, die diese Voraussetzungen erfüllen, durch Rechtsverordnung statuiert werden kann. Ein verordnungsunabhängig geltendes Haltungs- und Ausstellungsverbot ist mit dieser Zwecksetzung, das Verbot nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 TierSchG zuzulassen, nicht vereinbar. Gegen ein Verständnis des § 12 Abs. 1 TierSchG als unmittelbar geltendes Verbot spricht auch, daß ein Verstoß gegen diese Vorschrift nicht durch §§ 17, 18 TierSchG sanktionsbewehrt ist. Bis zur Neufassung des Tierschutzgesetzes war ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TierSchG a.F. gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 24 TierSchG eine Ordnungswidrigkeit. § 18 Abs. 1 Nr. 24 TierSchG a.F. wurde durch Art. 1 Nr. 32 lit.h des Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 25. Mai 199868 aufgehoben. Ordnungswidrig handelt nach der Neufassung des § 18 TierSchG nur noch, wer einer nach § 12 Abs. 2 TierSchG erlassenen Rechtsvorschrift zuwiderhandelt (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 lit.b TierSchG). Dasselbe Ergebnis ergibt sich aus einer verfassungskonformen Interpretation des § 12 TierSchG. Das Verbot des HaItens oder Ausstellens eines Tieres beinhaltet für den Eigentümer des Tieres eine Bestimmung von Inhalt und Schranken seines durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums (vgl. schon o. 11 2 b), welche den Anforderungendes rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots genügen muß. Dieses verlangt, daß für den Normunterworfenen die durch die Norm defmierte Lage erkennbar sein muß, damit er sein Verhalten darauf einrichten kann (0. III 2b). Von dem Eigentümer eines Tieres läßt sich aus dem dargestellten Verhältnis zwischen § 12 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 TierSchG nicht entnehmen, ob ihm das Halten oder Ausstellen eines tierschutzwidrig geschädigten Tieres immer oder nur dann verboten ist, wenn unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 oder 5 TierSchG eine entsprechende Rechtsverordnung erlassen worden ist. Selbst 68

BGB\. I S. 1094.

2. Hinreichende Bestimmtheit

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wenn schon eine einschlägige Verordnung erlassen worden ist, behält diese Frage Bedeutung für alle Personen, die ein Tier halten, auf das die Merkmale des § 12 Abs. I Hs. I, nicht aber die des § 12 Abs. 2 S. I Nr. 4 und S·TierSchG zutreffen. Will man die betreffenden Regelungen des § 12 TierSchG nicht insoweit gänzlich für verfassungswidrig halten, so sind sie nur dann vor dem Bestimmtheitsgebot zu rechtfertigen, wenn dem Bürger keine über das dem Gesetz deutlich entnehmbare Beeinträchtigungsminimum hinausgehende Schmälerung seiner Grundrechtsposition zugemutet wird. Der Bürger muß sein Verhalten nur auf solche Freiheitsverkürzungen einrichten, die für ihn erkennbar sind. Da ein auf der Grundlage der Nummern 4 oder S des § 12 Abs. 2 S. I TierSchG durch Rechtsverordnung ausgesprochenes Verbot schon wegen der gegenüber § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG engeren Voraussetzungen für den Tiereigentümer die geringere Belastung enthält, führt eine geltungserhaltende verfassungsrechtliche Betrachtung ebenfalls zu einem nur durch den Erlaß einer Rechtsverordnung statuierbaren Haltungs- und Ausstellungsverbot. Gilt also im Ergebnis das in § 12 Abs. 1 Hs. 1 TierSchG vorgesehene Haltungs- oder Ausstellungsverbot erst dann, wenn es in einer nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr.4 oder S TierSchG erlassenen Rechtsverordnung angeordnet wird, so ist die Frage des "Ob überhaupt" der Anwendung des Gesetzes vom Erlaß einer entsprechenden Verordnung abhängig. § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und S TierSchG wären daher mit den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG nicht vereinbar, wenn es sich bei ihnen um sog. Kann-Ermächtigungen handelte, die den Ermächtigungsadressaten selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen nicht zum Erlaß der Verordnung verpflichten (vgl. o. III 2 c). Ausweislieh des Wortlauts des § 12 Abs. 2 TierSchG handelt es sich bei den Verordnungsermächtigungen der Nummern 4-6 um Befugnisdelegationen, von denen der Ermächtigungsadressat nicht Gebrauch machen muß, sondern kann. Das Bundesministerium wird zur Verordnungsgebung ermächtigt, nicht verpflichtet (§ 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG). Anders als die Ermächtigungen nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3 TierSchG betreffen die nach den Nummern 4-6 nicht Verordnungen, die im Sinne von § 12 Abs. 2 S. 2 TierSchG zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft erforderlich sind. Der Erlaß einer zur Durchführung von Gemeinschaftsrecht erforderlichen Rechtsverordnung steht nicht im Ermessen des Ermächtigungsadressaten, sondern ist gemeinschaftsrechtlich geboten. Diesbezüglich von einer Kann-Ermächtigung zu sprechen, ist nicht möglich. Allerdings ist für den Erlaß von Verordnungen nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und S TierSchG zusätzlich § 12 Abs. 1 Hs. 2 TierSchG zu beachten. Danach wird das Nähere durch Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 2 S. I Nr. 4 oder S geregelt. Diese Bestimmung läßt sich so verstehen, daß bei Vorliegen der Erlaßvoraussetzungen eine Rechtsverordnung auf der Grundlage der genannten Ermächtigungen ergehen muß. Da die Nummern 4 und S des § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG

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III. Die Gültigkeit der Verordnungsermächtigung des § 12 TierSchG

in dieser Auslegung den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG hinsichtlich der Regelung des "Ob überhaupt" durch den Gesetzgeber entsprechen, sind die Bestimmungen verfassungskonform dahingehend zu interpretieren, daß in diesen Fällen das nach § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG bestehende Erlaßermessen auf Null reduziert ist. Da im übrigen Inhalt, Zweck und Ausmaß der in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 TierSchG erteilten Ermächtigungen hinreichend bestimmt sind, können sich Bedenken an der Vereinbarkeit mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG allein aus der Einschränkung des § 12 Abs. 2 S. 3 TierSchG ergeben. Laut dieser Vorschrift kann eine Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 oder 5 nicht erlassen werden, soweit Gemeinschaftsrecht oder völkerrechtliche Verpflichtungen entgegenstehen. Hierin liegen Regelungen des Ausmaßes der Ermächtigung, die an Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zu messen sind (vgl. o. III 2 d). Soweit die erteilte Ermächtigung ihre Grenze an entgegenstehendem Gemeinschaftsrecht fmden soll, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Wegen des ohnehin bestehenden Vorrangs des Gemeinschaftsrechts verhindert diese Beschränkung der Ermächtigung nur eine zu Lasten einer gemeinschaftsrechtswidrigen Verordnung aufzulösende Kollisionslage. Problematischer ist die Begrenzung der Ermächtigung durch "völkerrechtliche Verpflichtungen". Welcher Art diese Verpflichtungen sein können, ist dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen. Die beispielsweise in § 20e Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG zu fmdende Konkretisierung auf einen bestimmten Sachbereich von Verpflichtungen ist in § 12 Abs. 2 S. 3 TierSchG nicht aufgenommen worden. Nach den oben entwickelten Grundsätzen (0. III 2 d) ist eine solche pauschale Bezugnahme auf völkerrechtliche Verpflichtungen zur Defmition des Normprogramms des deutschen Gesetzgebers grundsätzlich nicht tauglich. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß auch für die Interpretation von Ermächtigungsnormen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze gelten. Insbesondere kann die Entstehungsgeschichte herangezogen werden (0. III 2 c). Im Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung des Tierschutzgesetzes hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, sie halte "es aufgrund der WTO-Bestimmungen (für) unzulässig, heimische Produktions-, Vermarktungs- und Verarbeitungsvorschriften, zu denen auch tierschutzrechtliche Vorschriften gehören, auf das Gebiet anderer WTO-Mitglieder auszudehnen,,69. Hieraus erhellt, welcher Art die völkerrechtlichen Verpflichtungen sein sollen, die dem Erlaß einer Rechtsverordnung entgegenstehen. Unter Beachtung dessen kann daher vorausgesehen werden, in welchem Fall und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Vorschriften haben können (vgl. o. III 2 c). Auch inso69 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BTDrucks 13/7015 S. 40 (45).

2. Hinreichende Bestimmtheit

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weit steht § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 i.V.m. Abs. 2 S. 3 TierSchG mithin mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG in Einklang. Wie bereits angedeutet bestehen gegen die Nummern 1 - 3 des § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG keine Bedenken an der Vereinbarkeit mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG hinsichtlich der Regelung des "Ob überhaupt" durch den Gesetzgeber. Wegen der Voraussetzung, daß die auf der Grundlage dieser Vorschriften erlassenen Rechtsverordnungen gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 TierSchG zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft erforderlich sein müssen, liegen keine Kann-Ermächtigungen vor. Entsprechend den zur Bestimmtheit einer zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht ermächtigenden Norm dargelegten Grundsätzen (0. III 2 d) genügt § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 - 3, S. 2 TierSchG in Anbetracht der Präzisierung des Regelungsprogramms durch weitere Kautelen in § 12 Abs. 2 TierSchG den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Für die Übereinstimmung des § 12 Abs. 2 S. 2 TierSchG mit diesem Maßstab wegen der Begrenzung der Ermächtigung durch das Entgegenstehen "völkerrechtlicher Verpflichtungen" (§ 12 Abs. 2 S. 2 TierSchG) gilt das zu § 12 Abs. 2 S. 3 TierSchG Angefiihrte. Resümierend stellt § 12 Abs. 2 TierSchG eine gültige Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß von Rechtsverordnungen dar. Auch die Begrenzung der Ermächtigung durch entgegenstehende völkerrechtliche Verpflichtungen genügt den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG.

5 Spcyer I3S

IV. Zeitliche und inhaltliche Dimensionen der Regelungsmacht des Verordnungsgebers nach § 12 Abs. 2 TierSchG Geht man von der Gültigkeit der Verordnungserrnächtigung des § 12 TierSchG aus (0. III 2 e), so bleibt die Frage nach den Regelungsmöglichkeiten des Verordnungsgebers zu beantworten. Zu unterscheiden sind zunächst die sich aus dem deutschen Recht ergebenden von internationalrechtlich determinierten Anforderungen. Welche Grenzen sich mit Blick auf die Beschränkung des Ausmaßes der Verordnungsermächtigung in § 12 Abs. 2 S. 2 und 3 TierSchG aus Gemeinschaftsrecht und völkerrechtlichen Verpflichtungen ergeben, wird einer gesonderten Betrachtung unterzogen (u. V). Im folgenden werden die zur Untersuchung gestellten Handlungsfelder am Maßstab des deutschen Rechts, insbesondere des Verfassungsrechts, gemessen. Für Ausstellungs-, Haltungs-, Import- und Exportverbot stellt sich gleichermaßen das Problem der Vereinbarkeit mit den Grundrechten. Hinzu tritt die Suche nach der zeitlichen und inhaltlichen Reichweite eines solchen durch Rechtsverordnung regelbaren Verbots. Zentrale Bedeutung kommt der Erstreckbarkeit eines Ausstellungs-, Haltungs-, Import- oder Exportverbots sowohl auf vor der Einfiihrung des jeweiligen tierschutzrechtlichen Eingriffsverbots von einem solchen Eingriff betroffene Tiere als auch auf solche Tiere, die vor Erlaß der das Ausstellungsverbot etc. anordnenden Verordnung einem Eingriff unterzogen worden sind, zu. Hiermit verbunden ist die Analyse, ob ein Verbot auch fiir Tiere gelten kann, bei denen der Eingriff im Einklang mit dem jeweils geltenden Recht steht.

1. Der Inhalt der Verordnungs ermächtigung des § 12 Abs. 2 TierSchG § 12 Abs. 2 TierSchG enthält einen abschließenden Katalog von sechs Ermächtigungen des Bundesministeriums fiir Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (vgl. § 2a Abs. 1 TierSchG) zum Erlaß von Rechtsverordnungen.

68

IV. Zeitliche und inhaltliche Dimensionen der Regelungsmacht

a) Die Eiforderlichkeit der Verordnung zum Schutz der Tiere Gemeinsam ist diesen Ermächtigungen, daß von ihnen nur Gebrauch gemacht werden darf, "soweit es zum Schutz der Tiere erforderlich ist" (§ 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG). Funktion dieser Klausel ist die kompetenzrechtliche Absicherung des mittelbaren Schutzkonzepts des § 12 TierSchG: Die durch § 12 Abs. 2 TierSchG ermöglichten Verbote können nur dann auf Art. 74 Abs. 1 NT. 20 GG gestützt werden, wenn sie ausschließlich dem Zweck des Tierschutzes verpflichtet sind. Nur die zum Schutz der Tiere erforderliche Regelung ist insofern kompetenzgerecht (0. III 1). Die Bundesregierung hat im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Umgang mit einem bereits geschädigten Tier dieses nicht notwendigerweise in seinem Wohlbefmden beeinträchtigen müsse und ein Verbot in manchen Fällen Tierschutzinteressen sogar zuwiderlaufen würde. 1 Die Beschränkung der Verordnungsermächtigung auf die zum Schutz der Tiere erforderlichen Regelungen stellt sicher, daß mittels nach § 12 Abs. 2 TierSchG erlassener Verordnungen kein anderes Ziel, beispielsweise wirtschaftsregulativer Art, als der Schutz der Tiere verfolgt werden darf. Aus der Formulierung "soweit es zum Schutz der Tiere erforderlich ist" folgt, daß eine im übrigen dem Tierschutz dienende Rechtsverordnung den Ermächtigungsrahmen des § 12 Abs. 2 TierSchG überschreitet, wenn sie auch nicht tierschutzintendierte Regelungen enthält. Mit der Soweit-Klausel des § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG hat der Gesetzgeber eine Entscheidung getroffen, die die zur Verordnungsgebung ermächtigte Stelle bindet2 . Eine inhaltlich abweichende Verordnungsregelungen ermöglichende Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers besteht zwar nicht. Jedoch darf nicht übersehen werden, daß die Bestimmung des zum Schutz der Tiere Erforderlichen im Sinne der Ermittlung einer feststehenden, realen Größe nicht möglich ist. Vielmehr weist die Klausel deutlich volitive Elemente auf, die prognostische Bewertungsentscheidungen des Verordnungsgebers nicht nur zulassen, sondern fordern. 3 Die zur Verordnungssetzung ermächtigte Stelle hat zu bewerten und abzuwägen, ob eine Regelung zum Schutz der Tiere erforderlich ist oder nicht. Dabei kann sie auch prognostizierte Fern- und Folgewirkungen der geplanten Norm in die Abwägung einstellen. Die Nichtbestätigung der Prognose durch die tatsächliche Entwicklung führt nicht zur Überschreitung des Ermächtigungsrahmens. Lediglich dann, wenn die vorgenommene Abwä-

1 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BTDrucks 13/7015 S. 40 (45). 2 Vgl. BVerwGE 20, S. 250 (253). 3 Zur Unterscheidung von kognitiven und volitiven Elementen der Verordnungsermächtigung Thomas von Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, Ber!in 1989, S. 188 ff.

1. Der Inhalt der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 TierSchG

69

gung evident fehlerhaft bzw. unvertretbar ist4, ist der Bewertungsspielraum nicht eingehalten. Zur Klarstellung ist allerdings hervorzuheben, daß von einer solchen fehlerhaften Bewertung des zum Schutz der Tiere Erforderlichen die Verfolgung eines nach der Entscheidung des Gesetzgebers unzulässigen Ziels zu unterscheiden ist. Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungs gebers reicht nicht soweit, daß er andere als Tierschutzinteressen verfolgen dürfte. b) Die gemeinschaftsrechtsabhängigen Ermächtigungen des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 - 3 TierSchG Die Ermächtigungen des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3 TierSchG ermöglichen, durch Verordnung -

das Verbringen von Tieren oder Erzeugnissen tierischer Herkunft aus einem Staat, der nicht der Europäischen Gemeinschaft angehört, in das Inland (Einfuhr) von der Einha1tung von Mindestanforderungen hinsichtlich der Tierhaltung oder des Tötens von Tieren und von einer entsprechenden Bescheinigung abhängig zu machen sowie deren Inhalt, Form, Ausstellung und Aufbewahrung zu regeln (Nr. 1),

-

die Einfuhr bestimmter Tiere von einer Genehmigung abhängig zu machen (Nr. 2) und

-

das Verbringen bestimmter Tiere aus dem Inland in einen anderen Staat zu verbieten (Nr. 3).

§ 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TierSchG ermächtigt ausdrücklich zu einem Standardtransfer: Die Einfuhr von Tieren aus nicht der EG angehörenden Staaten kann davon abhängig gemacht werden, daß hinsichtlich der Tierhaltung Mindestanforderungen eingehalten worden sind. Die Defmition dieser Mindestanforderungen erfolgt in der Verordnung. Werden die festgelegten Mindestanforderungen in dem betreffenden Staat nicht beachtet, so kann auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TierSchG ein Einfuhrverbot erlassen werden. Ein solches Einfuhrverbot dürfte auch im Rahmen des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TierSchG möglich sein. Die Vorschrift ermächtigt zwar dem Wortlaut nach nur zur Einfiihrung eines Genehmigungsvorbehalts für die Einfuhr. Jedoch wäre ein solcher Vorbehalt sinnlos, wenn die Einfuhr bei Nichterfiillung der Genehmigungsvoraussetzungen zulässig bliebe. Denn als Instrument der bloßen Einfuhrüberwachung wäre ein Genehmigungsvorbehalt überflüssig, kann doch die entsprechende Kontrolle über eine Vorschrift nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 TierSchG erreicht werden.

4

Zu diesen Kontrollrnaßstäben v. Danwitz (Anm. 3) S. 203 f.

70

IV. Zeitliche und inhaltliche Dimensionen der Regelungsmacht

Die Ennächtigung des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 TierSchG sieht die Statuierung eines Ausfuhrverbots durch Rechtsverordnung vor. Zu welchem Zweck das Verbringen des Tieres in das Ausland erfolgt, ob zum dauernden Verbleib oder nur vorübergehend - beispielsweise zu Ausstellungszwecken - ist unerheblich. Auf der Grundlage der Nm. 1-3 des § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG können Einund Ausfuhrverbote ausweislich des § 12 Abs. 2 S. 2 TierSchG allerdings nicht erlassen werden, soweit sie nicht zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf diesem Gebiet erforderlich sind. Die Ennächtigung des Bundesministeriurns fiir Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Erlaß einer Rechtsverordnung erfolgt mithin nur fiir den Fall, daß ein einschlägiger Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft ergangen ist und der Durchführung durch eine nationale Rechtsvorschrift bedarf. Auf Rechtsakte der Gemeinschaft, die wie Verordnungen unmittelbar in den Mitgliedstaaten gelten, fmdet die Ermächtigung keine Anwendung. s In erster Linie dient § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3, S. 2 TierSchG der Umsetzung von EG-Richtlinien in nationales Recht. Ob die Ermächtigungsnonn darüber hinaus auch fiir Rechtsakte gilt, die nach Gemeinschaftsrecht unverbindlich sind, 6 erscheint zweifelhaft. Dagegen spricht zunächst der Wortlaut von § 12 Abs. 2 S. 2 TierSchG: "Erforderlich" ist der Erlaß einer Durchführungsverordnung nur, wenn gemeinschaftsrechtlich die Umsetzung des Rechtsaktes in nationales Recht geboten ist. Weiterhin ist gerade die Umsetzungsverpflichtung des deutschen Nonngebers ein entscheidender Gesichtspunkt fiir die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von gemeinschaftsrechtsbezogenen Verordnungsermächtigungen vor Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG (vgl. o. III 2 d). In keinem Fall ennöglicht § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3, S. 2 TierSchG die Einfiihrung von Ein- und Ausfuhrverboten durch den Verordnungsgeber, wenn ein durchfiihrungsfähiger Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft nicht vorhanden ist. Die Vorschrift enthält keine gemeinschaftsrechtsunabhängige Verordnungsermächtigung. Das dem Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte vom 2. Okt. 19977 als Anlage beigefügte "Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der

5 Vg!. rur die entsprechend formulierte Verordnungsermächtigung in § 57 KrW/ AbfG Christian Calliess, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von fachgesetzlichen Rechtsverordnungsermächtigungen zu Umsetzung von Rechtsakten der EG, NVwZ 1998, S. 8 (9). 6 Zu den Rechtshandlungen der Gemeinschaft Michael Schweitzer / Waldemar Hummer, Europarecht, 5. Aufl. Neuwied / Kriftel / Berlin 1996, Rn. 346 ff. 7 BGB!. 199811, S. 386.

1. Der Inhalt der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 TierSchG

71

Tiere"g ist zwar rechtsverbindlich. 9 Es enthält jedoch nur den Wunsch der Vertragsparteien "sicherzustellen, daß der Tierschutz verbessert und das Wohlergehen der Tiere als fiihlende Wesen berücksichtigt wird": "Bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Gemeinschaft in den Bereichen Landwirtschaft, Verkehr, Binnenmarkt und Forschung tragen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere in vollem Umfang Rechnung; sie berücksichtigen hierbei die Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere in bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe." Diese DefInition des Tierschutzes als Querschnittsziel enthält keine Vorgaben, die den nationalen Normgeber zur Durchfiihrung verpflichten. Der verbindliche Gehalt des Protokolls erschöpft sich darin, daß das Wohlergehen der Tiere beim Erlaß der beschriebenen Maßnahmen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten einzustellen ist. Das Protokoll formuliert insoweit den Tierschutz als Implementationsparameter der Rechtsetzung, ohne selbständig umsetzungsfähige Vorschriften zu enthalten. c) § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG als Grundlage.fii.r Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbote § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG ermächtigt das Bundesministerium, durch Rechtsverordnung das Verbringen von Wirbeltieren in das Inland oder das Halten, insbesondere das Ausstellen von Wirbeltieren im Inland zu verbieten, wenn an den Tieren zum Erreichen bestimmter Rassemerkmale tierschutzwidrige Handlungen vorgenommen worden sind. Diese Vorschrift ermächtigt mithin zum Erlaß drei verschiedener Verbote: Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann ein Einfuhrverbot, ein Haltungsverbot und ein Ausstellungsverbot angeordnet werden. Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift ("das Verbringen ... oder das Halten") wird man nicht davon ausgehen können, daß ein Einfuhr- und ein Haltungsverbot nur alternativ verhängt werden können. In teleologischer Betrachtung ist vielmehr das Haltungsverbot kumulativ zu einem Einfuhrverbot zulässig. Ein Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbot nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG ist von der Existenz eines durchzuführenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaft unabhängig. Allerdings dürfen der Rechtsverordnung Gemeinschaftsrecht oder völkerrechtliche Verpflichtungen nicht entgegenstehen (§ 12 Abs. 2 S. 3 TierSchG).

BGB\. 1998 II, S. 436. Zur Rechtsverbindlichkeit des Tierschutzprotokolls Ralf Burbach I Tanja Mindermann, Der "Vertrag von Amsterdam" - Neuerungen für das europäische Agrarrecht, AgrarR 1998, S. 293 (296). 8

9

72

IV. Zeitliche und inhaltliche Dimensionen der Regelungsmacht

Voraussetzung für den Erlaß einer auf § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG gestützten Rechtsverordnung ist, daß an den betreffenden Wirbeltieren zum Erreichen bestimmter Rassemerkmale tierschutzwidrige Handlungen vorgenommen worden sind. Das Verbot kann mithin nur auf solche Tiere erstreckt werden, hinsichtlich derer die erfolgte Vornahme einer tierschutzwidrigen Handlung feststeht. Die Verordnungsermächtigung stellt damit strengere Anforderungen als § 12 Abs. 1 TierSchG, wonach schon die bloße Annahme einer Schadensverursachung durch tierschutzwidrige Handlungen ausreicht. Auch mit Blick auf die relevanten Schädigungshandlungen ist § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG enger gefaßt als § 12 Abs. 1 TierSchG: Während § 12 Abs. 1 TierSchG jegliche tierschutzwidrige Handlungen erfaßt, ist § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG an die zusätzliche Voraussetzung geknüpft, daß die Handlungen gerade das Erreichen bestimmter Rassemerkmale bezwecken. Da ein Haltungsund Ausstellungsverbot nicht schon kraft Gesetzes unmittelbar durch § 12 Abs. I TierSchG angeordnet wird, sondern einer Statuierung in einer nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG erlassenen Rechtsverordnung bedarf (0. III 2 e), sind die strengeren Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG maßgebend. Der Begriff der tierschutzwidrigen Handlung ist in einem materiellen Sinne zu verstehen. Kann nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG auch das Verbringen von im Ausland tierschutzwidrig behandelten Tieren in das Inland verboten werden, so ist die Begehung der tierschutzwidrigen Handlung im Geltungsbereich des Tierschutzgesetzes nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Verordnungsermächtigung. Tierschutzwidrig sind daher auch solche Handlungen, durch deren Vornahme im Ausland nicht gegen deutsches Tierschutzrecht verstoßen worden ist. Es §enügt das Vorliegen eines objektiven Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz' in dem Sinne, daß die Vornahme der Handlung im Inland Vorschriften des Tierschutzgesetzes verletzt hätte. Bei Vorliegen der Ermächtigungsvoraussetzungen kann auch die Einfuhr, das Halten und das Ausstellen einer sog. Qualzüchtung im Sinne von § 11 b TierSchG untersagt werden. Das Hervorbringen einer Qualzüchtung stellt eine tierschutzwidrige Handlung im Sinne von § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG dar. § 11 b TierSchG verbietet es, Wirbeltiere zu züchten oder durch bio- oder gentechnische Maßnahmen zu verändern, wenn damit gerechnet werden muß, -

daß bei der Nachzucht, den bio- oder gentechnisch veränderten Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten (Abs. 1) oder

-

daß bei den Nachkommen

10

Vgl. Albert Lorz, Tierschutzgesetz, 4. Aufl. München 1992, § 12 Rn. 9.

1. Der Inhalt der Verordnungsennächtigung des § 12 Abs. 2 TierSchG



73

mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen oder mit Leiden verbundene erblich bedingte Aggressionssteigerungen auftreten (Abs. 2 lit.a) oder

• jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt (Abs. 2 lit.b) oder •

deren Haltung nur unter Bedingungen möglich ist, die bei ihnen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führen (Abs. 2 lit.c ).

Sofern die Vornahme einer der beschriebenen Zucht- oder Veränderungshandlungen zum Erreichen bestimmter Rassemerkmale erfolgt, ist der Erlaß eines Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbots auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 § 1 Nr. 4 TierSchG möglich. Dabei ist zunächst zu beachten, daß die unveränderte Zucht von Rassen selbst dann nicht gegen § 11 b TierSchG verstößt, wenn mit dem vorhandenen Erscheinungsbild für Tiere dieser Rasse leidensähnliche Beschwerden verbunden sind. Verboten ist lediflich die Veränderung der Zucht in einer von § 11 b TierSchG erfaßten Weise. 1 Weiterhin greift das Verbot der Qualzüchtung nur ein, wenn die Zucht oder Veränderung bei dem Tier bzw. seinen Nachkommen zu Schmerzen, Leiden oder Schäden führt. Führt die Zucht oder Veränderung nur zu einer ModifIkation des äußeren Erscheinungsbildes der Tiere, liegt kein Verstoß gegen § 11 b TierSchG vor. d) Der Erlaß eines Haltungsverbots nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG Wenn das Weiterleben der Tiere nur unter Leiden möglich ist, kann das Halten von Qualzüchtungen auch durch eine Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG verboten werden. Diese Vorschrift ermöglicht, durch Rechtsverordnung das Halten von Wirbeltieren, an denen Schäden feststellbar sind, von denen anzunehmen ist, daß sie den Tieren durch tierschutzwidrige Handlungen zugefügt worden sind, zu verbieten, wenn das Weiterleben der Tiere nur unter Leiden möglich ist. Eindeutig ist, daß sich § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG anders als § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG nicht auf das Verbringen von Tieren in das Inland bezieht. Unklar ist demgegenüber, ob § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG zum Erlaß eines Ausstellungsverbots ermächtigt. Dem Wortlaut nach kann auf der Grundlage dieser Ermächtigungsnorm nur das Halten der bezeichneten Wirbeltiere untersagt werden. Allerdings könnte die 11

Lorz (Anm. 10) § 11 b Rn. 7.

74

IV. Zeitliche und inhaltliche Dimensionen der Regelungsmacht

Verwendung des Wortes "insbesondere" in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG in der Weise gedeutet werden, daß das Ausstellen ein Unterfall des Haltens ist. Umgekehrt könnte jedoch gefragt werden, warum die ausdrückliche Erwähnung des im Sinne eines Unterfalls verstandenen Ausstellens in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG, nicht aber in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG erfolgt ist. Bei systematischer Betrachtung erweist sich, daß die Erwähnung des Ausstellens neben dem Halten in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG der in den übrigen Vorschriften des Tierschutzgesetzes zugrundegelegten Unterscheidung zwischen Halten und Ausstellen folgt. Halten und Ausstellen werden nicht allein in § 12 Abs. 1 TierSchG unterschieden, sondern ebenso in § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3a und d TierSchG. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Einfügung des Wortes "insbesondere" in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG auf einem Redaktionsversehen beruht und statt dessen ein "oder" zu lesen ist. Ein Ausstellungsverbot kann demnach auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG nicht angeordnet werden. Wie § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG setzt § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG eine tierschutzwidrige Handlung voraus. Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 (0. IV 1 c) verwiesen werden. Im Unterschied zu der letztgenannten Ermächtigungsnorm ist nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG die Feststellbarkeit eines Schadens erforderlich. Unter einem Schaden ist die Veränderung des Zustands des Tieres zum Schlechteren zu verstehen. 12 Hierunter fällt auch die Amputation von Körperteilen 13 • Doch ist § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG nur anwendbar, wenn das Weiterleben der Tiere nur unter Leiden möglich ist. Die Leiden müssen erweislich, nicht bloß zu befürchten sein. 14

2. Die Verfassungsgemäßheit von Einfuhr-, Haltungsund Ausstellungsverbot Prüfungsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit eines Einfuhr-, Haltungsoder Ausstellungsverbots ist wiederum für Personen, zu deren beruflicher Tätigkeit die Einfuhr, das Halten oder das Ausstellen von Tieren gehört, das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG in Gestalt der Berufsausübungsfreiheit, für alle anderen Personen das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG bzw. - wenn an den Tieren kein Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG begründet wurde - die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit (0.11 2 b).

12 13 14

Lorz (Anm. 10) § 1 Rn. 36. Lorz (Anm. 10) § 1 Rn. 38. Lorz (Anm. 10) § 12 Rn. 23.

2. Die Verfassungsgemäßheit von Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbot

75

Entsprechend dem die Verbotsmöglichkeiten des § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG kompetentiell stützenden mittelbaren Schutzkonzept (0. III 1) ist Ziel von Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverboten die Verstärkung des durch das Verbot von tierschädigenden Handlungen geleisteten unmittelbaren Schutzes der Tiere. Insoweit bestehen Zweifel, ob solche Verbote der in § 1 TierSchG niedergelegten Zweckbestimmung des Tierschutzes entsprechen. § 1 S. 2 TierSchG verbietet es, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Hiermit im Einklang steht die Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG, die gerade voraussetzt, daß das Weiterleben der Tiere nur unter Leiden möglich ist. § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG knüpft hingegen nicht an die Verhinderung noch eintretender Leiden des tierschutzwidrig behandelten Tieres an, sondern soll die Perpetuation des eingetretenen Schadens in Form einer Hinnahme des Umgangs mit geschädigten Tieren unterbinden. Allerdings wirken solche Perpetuationsverbote ihrerseits insofern präventiv, als sie tierschutzwidrige Handlungen unattraktiv machen und andere Tiere dadurch vor Schädigungen bewahren sollen. Geschädigtes und geschütztes Tier sind mithin - anders als bei § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG - nicht identisch.

In verfassungsrechtlicher Sicht ergeben sich keine Bedenken gegen die Bestimmung solcher Maßnahmen der Vorfeldprävention als zulässiges Ziel tierschutzrechtlicher Bemühungen. Tierschutz als legitimes Ziel gesetzgeberischen Handelns (0.11 2 a) kann nicht so eng verstanden werden, daß er nur das Verbot und gegebenenfalls die Pönalisierung unmittelbar tierschädigender Handlungen urnfaßt. Es liegt vielmehr gerade im Interesse eines effektiven Tierschutzes, Umgehungen und Aushöhlungen der unmittelbaren Schädigungsverbote zu verhindern. Wegen der Begrenzung der Schädigungsverbote auf den Geltungsbereich des Tierschutzgesetzes könnten sonst beispielsweise Tiere zur Vornahme eines Eingriffs in Staaten verbracht werden, die kein Schädigungsverbot kennen, oder geschädigte Tiere aus dem Ausland eingeführt werden. Damit eine verfassungsrechtlich zureichende Zieldefmition vorliegt, muß beim Erlaß einer Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 oder 5 TierSchG das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Differenzierungsverbot beachtet werden. Es fordert vom Gesetzgeber differenzierende Überlegungen darüber, welche belegbaren Mißstände aufgetreten sind und für welche Tiere das tierschutzrechtlich relevante Ziel erreicht werden kann (0. 11 2 b). Deshalb müßte vor dem Erlaß einer auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG erlassenen Rechtsverordnung, die das Halten von tierschutzwidrig behandelten Tieren verbietet, ermittelt werden, bei welchen Tieren in wieviel Fällen welche Art von Eingriffen zu welchen dauerhaften Leiden geführt hat. Entsprechend dem Ergebnis dieser Ermittlungen ist die Verordnung differenziert auszugestalten. Zu denken ist etwa an eine Unterscheidung nach Tierarten, nach der Art und Weise, wie der Eingriff vorgenommen wurde, etc.

76

IV. Zeitliche und inhaltliche Dimensionen der Regelungsmacht

Im Bereich der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG besteht der durch den Gesetzgeber defmierte Mißstand in der Vornahme tierschutzwidriger Handlungen zum Erreichen bestimmter Rassemerkmale. Um dem Differenzierungsgebot gerecht zu werden, muß der Verordnungsgeber in der Verordnung festlegen, auf welche rassemerkmalbezogenen Handlungen bei welchen Tieren sich das Verbot beziehen soll. Sofern die Einfuhr, das Halten oder das Ausstellen einer sog. Qualzüchtung im Sinne von § 11 b TierSchG verboten werden soll, ist in der Verordnung zu bezeichnen, um welche Züchtungen es sich dabei handelt. Werden vom Verordnungsgeber die genannten Vorgaben für eine verfassungsrechtlich zureichende Zielbestimmung beachtet, so ist an der Geeignetheit und Notwendigkeit des Verbots für die Zielerreichung nicht zu zweifeln. Schließlich muß ein Einfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverbot den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne genügen; es darf also nicht außer Verhältnis zu dem mit ihm verfolgten Zweck stehen ls . Die Bundesregierung hat im Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung des Tierschutzgesetzes 1998 darauf hingewiesen, daß ein generelles Verbot der Haltung bereits geschädigter Tiere in manchen Fällen Tierschutzinteressen nachgerade zuwiderlaufen würde. 16 Unproblematisch ist insoweit ein nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG erlassenes Haltungsverbot, das gerade voraussetzt, daß die weitere Haltung des Tieres zu Leiden fiihrt. Hier dient das Haltungsverbot gerade den Schutzinteressen des geschädigten Tieres. Wegen ihrer spezifischen Konzeption als Vorfeldprävention gilt dies nicht uneingeschränkt für Verbote auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG. Hier kann es zu Wertungsproblemen zwischen dem Präventionsgedanken und dem Schutz des geschädigten Tieres kommen. Zwar ist die Effektivität des mittelbaren Schutzkonzepts von einer möglichst generellen Durchsetzung von Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverboten abhängig. Jedoch rechtfertigt dies nicht eine Verletzung des tierschutzrechtlichen Grundsatzes des § 1 TierSchG gegenüber dem Tier, an dem eine tierschutzwidrige Handlung vorgenommen worden ist. Führt die Durchsetzung eines der von § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG ermöglichten Verbote zu einer nach § 1 TierSchG relevanten Verschlechterung des Zustandes des Tieres, so bedarf es eines Ausgleichs der kollidierenden Interessen. Von vornherein bedeutungslos ist dies für ein Ausstellungsverbot. Daß sich durch das Verbot der Ausstellung eines geschädigten Tieres dessen Situation in tierschutzrechtlich relevanter Hinsicht verschlechtert, erscheint kaum denkbar.

Vgl. Christoph Degenhart, Staatsrecht 1,14. Aufl., Heide1berg 1998, Rn. 331. Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BTDrucks 13 / 7015 S. 40 (45). 15

16

3. Der zeitliche Bezug der Verbote

77

Dagegen können ein generelles Haltungsverbot und ggf. auch ein Einfuhrverbot durchaus nachteilige Folgen für das betroffene Tier zeitigen. Gedacht werden kann beispielsweise an die Konstellation, daß im Ausland ein Tier im guten Glauben darauf erworben worden ist, daß die Behandlung des Tieres im Einklang mit den Maßstäben des deutschen Tierschutzrechts stand, etwa eine der Ausnahmen des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG vorlag. Stellt sich dann bei der Einfuhr des Tieres oder später heraus, daß die vorgenommenen Handlungen in Wahrheit tierschutzwidrig waren, so würde ein generelles Einfuhr- und Haltungsverbot möglicherweise verhindern, daß das Tier in einer den Anforderungen des § 2 TierSchG gerecht werdenden Weise gehalten wird. In einem solchen Fall könnte das Einfuhr- und Haltungsverbot - in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls - außer Verhältnis zu der bezweckten Präventionswirkung stehen. Normtechnisch bewältigt werden kann dieses Spannungsverhältnis durch die Aufnahme einer Ausnahmeregelung, die einerseits verhindert, daß die präventiv intendierte Anordnung eines Einfuhr- und Haltungsverbots umgangen werden kann, und andererseits Raum für Ausnahmen zugunsten des geschädigten Tieres läßt. In der Zusammenfassung können auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG (bzw. § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TierSchG) in einer mit den grundrechtlichen Gewährleistungen vereinbaren Weise Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbote für Tiere, an denen Eingriffe im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG vorgenommen wurden, und Qualzüchtungen im Sinne von § 11 b TierSchG erlassen werden. Wesentliche Voraussetzungen sind die Beachtung des Differenzierungsgebots durch den Verordnungs geber sowie die Verankerung einer Ausnahmeregelung im Interesse der geschädigten Tiere.

3. Der zeitliche Bezug der Verbote Hinsichtlich der zeitlichen Dimension der Geltung eines Einfuhr-, Haltungsoder Ausstellungsverbots für tierschutzwidrig behandelte Tiere ist zunächst festzuhalten, daß ein solches Verbot erst mit Inkrafttreten einer nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 oder 5 TierSchG erlassenen Verordnung gilt. § 12 Abs. 1 TierSchG enthält kein unmittelbar geltendes Haltungs- und Ausstellungsverbot. Ein solches bedarf vielmehr der Anordnung durch Rechtsverordnung (0. III 2 e). Dies gilt erst recht für das in § 12 Abs. 1 TierSchG nicht erwähnte Einfuhrverbot. Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbot können daher ab Inkrafttreten einer entsprechenden Rechtsverordnung gelten. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage nach der zeitlichen Grenze, bis zu der bereits erfolgte Eingriffe in eines der genannten Verbote einbezogen werden können. Unproblematisch ist insoweit das Verbot, Tiere einzuführen, zu halten

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IV. Zeitliche und inhaltliche Dimensionen der Rege1ungsmacht

oder auszustellen, an denen nach Inkrafttreten bzw. Verkündung der betreffenden Verordnung ein Eingriff vorgenommen worden ist. Vor diesem Zeitpunkt kommen als relevante Zeiträume die Zeit zwischen Inkrafttreten des jeweiligen Eingriffsverbots und der Verkündung der jeweiligen Verordnung sowie die Zeit vor der Aufnahme des Verbots des betreffenden Eingriffs, beispielsweise des Kupierens der Ohren bzw. der Rute von Hunden, in das Tierschutzgesetz in Betracht. Da für den letztgenannten Zeitraum die Anordnung eines Einfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverbots bezüglich eines Tieres in Rede steht, das nach dem zum Zeitpunkt der Eingriffshandlung geltenden Recht einem rechtmäßigen Eingriff unterzogen worden ist, wird dieses Problem im Zusammenhang des Verbots der Ausstellung etc. von einem legalen Eingriff unterworfenen Tieren behandelt (u. IV 4). Hingegen war der Eingriff vor Verkündung der ein Einfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverbot statuierenden Verordnung, aber nach Inkrafttreten des Eingriffsverbots rechtswidrig. Es wurden mithin tierschutzwidrige Handlungen vorgenommen, so daß - bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen - die Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 S. I Nr. 4 (bzw. 5) TierSchG eingreift. Es ist allerdings zu untersuchen, ob eine solche Anknüpfung der Geltung eines Verbots an ein Ereignis, das zeitlich vor dem Inkrafttreten des Verbots liegt, mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar ist. Verfassungsrechtliche Probleme einer solchen Anknüpfung können sich unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots ergeben. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, zum Erlaß rückwirkender Verordnungen zu ermächtigen, selbst wenn diese Ermächtigung nicht ausdrücklich erteilt wird, sondern sich aus Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt. 17 Für die Zulässigkeit einer rückwirkenden Regelung durch Verordnung sind die für die Beurteilung der Rückwirkung von Gesetzen entwickelten Grundsätze heranzuziehen. 18 Das Grundgesetz schließt nicht schlechthin jede Rückwirkung von Gesetzen aus. 19 Es ist dem Gesetzgeber nicht grundsätzlich verwehrt, nachträglich an einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Tatbestand anzuknüpfen. 20 Unzulässig wird eine Rückwirkung erst dann, wenn sie einen bereits erreichten Zustand der Rechtssicherheit wieder beseitigt. 21 Bestimmt wird diese

BVerfGE 45, S. 142 (1630. Rüdiger Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. Neuwied / Kriftel 1999, Art. 80 Rn. 30. 19 BVerfGE 1, S. 264 (280); 2, S. 237 (265 f.). 20 BVerfGE 1, S. 264 (280); 2, S. 237 (264 ff.); 3, S. 58 (150); 7, S. 89 (92). 21 VgJ. Hans B. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Anm. 20) Art. 20 Rn. 28; Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Josef Isensee / Paul Kirchhof, Bd. I, Heidelberg 1987, § 24 Rn. 86. Zur Ableitung des Rückwirkungsverbots aus den Grundrechten 17

18

3. Der zeitliche Bezug der Verbote

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Grenze durch die verbreitete Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung: -

Von echter Rückwirkung wird gesprochen, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. 22 Die bereits vor Verkündung des Gesetzes abgeschlossenen Rechtsbeziehungen werden im nachhinein veränderten Bedingungen unterworfen23 , an den abgeschlossenen Tatbestand eine andere Rechtsfolge als die, die sich aus der bisherigen Regelung ergab, geknüpfe4 . Eine echte Rückwirkung ist grundsätzlich unzulässig. 2s Ausnahmen gelten beim Fehlen einer Vertrauensgrundlage, insbesondere weil die bisherige Rechtslage unklar und verworren oder die frühere Regelung ungültig und deshalb mit einer Neuregelung zu rechnen war,z6 bei einer die Bagatellgrenze nicht überschreitenden Verschlechterung durch das rückwirkende Gesetz27 und im Falle der Rechtfertigung der Rückwirkungsanordnung durch zwingende Gründe des Gemeinwohls28 •

-

Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn das Gesetz in Tatbestände eingreift, die in der Vergangenheit begonnen wurden, jedoch noch nicht abge-

Johannes Möller I Alfred Rührmair, Die Bedeutung der Grundrechte für die verfassungsrechtlichen Anforderungen an rückwirkende Gesetze, NJW 1999, S. 908 (909 ff.); Thilo Rensmann, Reformdruck und Vertrauensschutz, JZ 1999, S. 168 (169). 22 BVerfGE 11, S. 139 (145 f.); 22, S. 241 (248); 23, S. 12 (32); 24, S. 220 (229); 24, S. 260 (266); 25, S. 142 (154); 25, s. 371 (404); 30, S. 367 (386); 51, S. 356 (362); 57, S. 361 (391); 68, S. 287 (306); Manfred Aschke, ÜbergangsregeIungen als verfassungsrechtliches Problem, Frankfurt a.M. / Bem / New York 1987, S. 241 ff.; Julia Iliopoulos-Strangas, Rückwirkung und Sofortwirkung von Gesetzen, Baden-Baden 1986, S. 45 fI.; Hartmut Maurer, Kontinuitätsgewähr und Vertrauensschutz, in: Handbuch des Staatsrechts (Anrn. 21), Bd. III, HeideIberg 1980, § 60 Rn. 16 ff.; Bodo Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, Berlin 1981, S. 53 ff.; Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. 2, Tübingen 1998, Art. 20 Rn. 144 ff.; Schmidt-Aßmann (Anm. 21) Rn. 86. 23 BVerfGE 30, S. 392 (401 f.); 72, S. 175 (196); 88, S. 384 (403 f.); Michael Sachs, in: ders., Grundgesetz, 2. Aufl. München 1999, Art. 20 Rn. 133. 24 Degenhart (Anm. 15) Rn. 311. 25 BVerfGE 13, S. 261 (271); 21, S. 117 (131 f.); 22, S. 241 (248); 23, S. 12 (32); 24, S. 220 (229); 25, S. 371 (403); 30, S. 367 (387); 88, S. 384 (403); Friedrich E. Schnapp, in: von Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 4. Aufl. München 1992, Art. 20 Rn. 27. 26 BVerfGE 7, S. 129 (151 ff.); 13, S. 215 (224 f.); 13, S. 261 (272); 30, S. 367 (387 ff.); 45, S. 142 (173 f.); 88, S. 384 (404); 89, S. 48 (67); Hans D. Jarass, in: ders. / Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. München 1995, Art. 20 Rn. 51. 27 BVerfGE 30, S. 367 (390 f.); 72, S. 200 (259); 95, S. 64 (87). 28 BVerfGE 13, S. 261 (272); 30, S. 367 (390 f.); 45, S. 142 (173 f.); 88, S. 384 (404); Schmidt-Aßmann (Anm. 21) Rn. 86; zweifelnd Degenhart (Anm. 15) Rn. 315.

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IV. Zeitliche und inhaltliche Dimensionen der Regelungsmacht

schlossen sind. 29 Die Einwirkung auf den noch andauernden Tatbestand liegt darin, daß mit Wirkung für die Zukunft andere Rechtsfolgen als nach bisherigem Recht vorgesehen werden. 30 Im Gegensatz zur echten ist die unechte Rückwirkung grundsätzlich zulässig, sofern nicht bei einer einzelfallbezogenen Abwägung mit den Belangen des Gemeinwohls dem Vertrauen des einzelnen auf den Fortbestand einer bestimmten Regelung der Vorrang zukommt. 3l In der Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts ist diese Unterscheidung als zu wenig trennscharf kritisiert und durch die zwischen der Rückbewirkung von Rechtsfolgen und der tatbestandlichen Rückanknüpfung ersetzt worden: -

Als Rückbewirkung von Rechtsfolgen bezeichnet der Zweite Senat die normative Festlegung des Beginns des zeitlichen Anwendungsbereichs der Rechtsnorm auf einen Zeitpunkt, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, d.h. gültig geworden ist. Die angeordneten Rechtsfolgen sollen für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten. 32 Das Problem der Zulässigkeit einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen "wirft generell die Frage nach dem Schutz des Vertrauens in den Bestand der ursprünglich geltenden Rechsfolgenlage auf, welche nunmehr nachträglich geändert wird. Eine solche Rückbewirkung von Rechtsfolgen muß sich damit vorrangig an den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit messen lassen... In Verbindung mit diesen Grundsätzen sind allerdings auch diejenigen Grundrechte zu berücksichtigen, deren Schutzbereich von der nachträglich geänderten Rechtsfolge in belastender Weise betroffen ist. ,,33 Es ist davon auszugehen, daß diese Maßstäbe im wesentlichen den für die Zulässigkeit der echten Rückwirkung entwickelten 34 entsprechen.

29 BVerfGE 18, S. 135 (144 f.); 55, S. 185 (203 f.); 63, S. 152 (175); 72, S. 175 (196); 89, S. 48 (66); Degenhart (Anm. 15) Rn. 311; Aschke (Anm. 22) S. 252 ff.; Iliopoulos-Strangas (Anm. 22) S. 61 ff.; Maurer (Anm. 22) Rn. 42 ff.; Schulze-Fielitz (Anm. 22) Rn. 152 ff. 30 BVerfGE 51, S. 356 (362); 69, S. 272 (309 f.); 72, S. 141 (154); Sachs (Anm. 23) Art. 20 Rn. 136; Schmidt-Aßmann (Anm. 21) Rn. 86. 31 BVerfGE 14, S. 288 (300); 22, S. 241 (249); 30, S. 392 (404); 72, S. 175 (196); 79, S. 29 (46); 89, S. 48 (66); Jarass (Anm. 26) Art. 20 Rn. 52. 32 BVerfGE 72, S. 200 (241 f.). 33 BVerfGE 72, S. 200 (242). 34 Vgl. Christoph Brüning. Die Rückwirkung von Legislativakten, NJW 1998, S. 1525 (1527 f.); Degenhart (Anm. 15) Rn. 311, 314 f.; Jürgen Fiedler, Neuorientierung der Verfassungsrechtsprechung zum Rückwirkungsverbot und zum Vertrauensschutz, NJW 1988, S. 1624 (1625 ff.); Jarass (Anm. 26) Art. 20 Rn. 47, 50 f.; Sachs (Anm. 23) Art. 20 Rn. 132.

3. Der zeitliche Bezug der Verbote

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Eine tatbestandliehe Rückanknüpfung erfolgt, wenn eine Nonn den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht. 3s Hier wird zwar die Anwendung des Nonnbefehls an in der Vergangenheit liegende Tatbestände gebunden, Rechtsfolgen werden jedoch nur für die Zukunft geregelt. Zulässigkeitsmaßstab sind hier die "Grundrechte ... , die mit der Verwirklichung des jeweiligen Tatbestandsmerkmals vor Verkündung der Nonn >ins Werk gesetzt< worden sind ... In die damit erforderliche grundrechtliche Bewertung fließen freilich die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, aber auch der Verhältnismäßigkeit ... in der Weise ein, wie dies allgemein bei der Auslegung und Anwendung von Grundrechten im Hinblick auf die Fragen des materiellen Rechts geschieht.,,36 In späteren Entscheidun~en ist diese Prüfung in eine Zumutbarkeitsabwägung aufgelöst worden. 3 Sie dürfte sich vom Zulässigkeitsmaßstab für eine unechte Rückwirkung kaum unterscheiden. 38

Die Anwendung der skizzierten Kategorien auf die Erstreckung eines durch Verordnung angeordneten Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbots auf vor Verkündung der Verordnung, aber nach Inkrafttreten des jeweiligen Eingriffsverbots dem verbotenen Eingriff unterworfene Tiere führt dazu, daß insoweit eine unechte Rückwirkung bzw. eine tatbestandliehe Rückanknüpfung vorliegen würde. Anknüpfungspunkt ist ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis in Gestalt des Eingriffs an dem Tier. Dieses Ereignis wird nicht im nachhinein rechtlich anders bewertet, sondern an das fortbestehende nonnative Unwerturteil werden allein mit Wirkung für die Zukunft neue Rechtsfolgen geknüpft. In der durchzuführenden Abwägung mit den Belangen des Gemeinwohls in Gestalt eines vorverlagerten Tierschutzes erweist sich das Vertrauen der Betroffenen, die Tiere, an denen ein verbotener Eingriff durchgeführt wurde, einführen, halten oder ausstellen zu dürfen, als nicht schutzwürdig. Ein relevanter Vertrauenstatbestand konnte schon deshalb nicht entstehen, weil die betreffenden Tiere nach Inkrafttreten des jeweiligen Eingriffsverbots, beispielsweise des Kupierverbots, also im Widerspruch zu den jeweils geltenden Wertungen des Tierschutzgesetzes, behandelt wurden. Ein schutzwürdiges Interesse, tierschutzwidrige Handlungen perpetuieren zu dürfen, besteht nicht. Besonders gelagerte Härtefälle, beispielsweise Konstellationen des gutgläubigen Erwerbs, können durch die notwendige Ausnahmeregelung (0. IV 2) bewältigt werden. BVerfGE 72, S. 200 (242); 83, S. 89 (110). BVerffiE 72, S. 200 (242 f.). 37 BVerffiE 83, S. 89 (110). 38 Brüning (Anm. 34) S. 1527 f.; Degenhart (Anm. 15) Rn. 311, 316; Fiedler (Anm. 34) S. 1627, 1631; Jarass (Anm. 26) Art. 20 Rn. 47, 49; Sachs (Anm. 23) Art. 20 Rn. 132. 35

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6 Speyer 135

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IV. Zeitliche und inhaltliche Dimensionen der Regelungsmacht

Da das Rückwirkungsverbot nicht entgegensteht, können im Ergebnis auch die vor Verkündung einer auf § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 (bzw. Nr. 5) TierSchG gestützten Verordnung, aber nach Inkrafttreten des Kupierverbots kupierten Hunde in die Anordnung eines Einfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverbots einbezogen werden.

4. Haltungs- oder AussteUungsverbot für Tiere, an denen ein legaler Eingriff vorgenommen wurde? Wie bereits angedeutet (0. IV 3) leitet die Untersuchung, bis zu welcher zeitlichen Grenze ein Haltungs- und Ausstellungsverbot auf vor Erlaß der entsprechenden Rechtsverordnung einem Eingriff unterworfene Tiere rückerstreckt werden kann, über zum Problem der Zulässigkeit eines Verbots des Haltens oder Ausstellens von Tieren, an denen ein legaler Eingriff vorgenommen wurde. Dieser Perspektivenwandel bezieht sich auf die Tiere, die vor 10krafttreten des jeweiligen Eingriffsverbots diesem Eingriff ausgesetzt waren, bei denen also der Eingriff im Einklang mit den zum Zeitpunkt des Eingriffs geltenden gesetzlichen Bestimmungen stand. Weitergehend betrifft das Problem der Einbeziehung legalen Eingriffen unterzogener Tiere in ein Haltungsoder Ausstellungsverbot auch die kraft einer Ausnahme nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG durchgeführten Eingriffe. Im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung hat ein Einfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverbot fiir solche Tiere, bei denen ein Eingriff im Ausland nach dem dort geltenden Recht rechtmäßig erfolgte. Diesbezüglich können sich Grenzen eines Verbots nur aus dem internationalen Recht ergeben (u. V). Für den Erlaß eines Haltungs- oder Ausstellungsverbots rur nach deutschem Recht legalen Eingriffen ausgesetzte Tiere stellt sich zunächst das Problem, daß die Verordnungsermächtigungen des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und 5 TierSchG die Vornahme tierschutzwidriger Handlungen voraussetzen. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß der Begriff der tierschutzwidrigen Handlung in einem materiellen Sinne zu verstehen ist. Hierfiir genügt das Vorliegen eines objektiven Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz (0. IV 1 c). Eindeutig ist zunächst, daß der aufgrund der Ausnahme des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG zulässige Eingriff auch objektiv keine tierschutzwidrige Handlung darstellen kann. Zum einen handelt es sich bei § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG um Ausnahmetatbestände, die gerade dem Schutz der betroffenen Tiere dienen (0. 11 3). Eine durch Tierschutzinteressen indizierte Handlung kann nicht gleichzeitig tierschutzwidrig sein. Zum anderen wäre es widersinnig, erst nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG einen Eingriff zuzulassen, um anschließend dem Halter in einer nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 oder 5 TierSchG

4. Haltungs- oder Ausstellungsverbot für Tiere

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erlassenen Rechtsverordnung das Halten oder Ausstellen des Tieres zu untersagen. Weiterhin ist § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG auch deshalb nicht anwendbar, weil die Vornahme eines Eingriffs wegen des Vorliegens einer tierärztlichen Indikation (§ 6 Ab. 1 S. 2 Nr. 1 lit.a TierSchG) oder aufgrund der jagdlichen Führung (§ 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit.b TierSchG; zur Verfassungswidrigkeit dieser Ausnahme o. 11 3) nicht zum Erreichen bestimmter Rassemerkmale erfolgt. Dieses Ergebnis entspricht dem der Ermächtigungsnorm zugrundegelegten Zweck der Vorfeldprävention (vgl. o. IV 2). Der Präventionsgedanke, tierschutzwidrige Handlungen durch das Verbot des Umgangs mit dem geschädigten Tier unattraktiv zu machen, greift nicht ein, wenn der Eingriff tiermedizinisch oder präventiv indiziert ist. Eine andere Auslegung wäre im übrigen mit dem Grundrecht des Tierhalters aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Das durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Eigentum beinhaltet auch die Rechte, ein Tier nach einem rechtmäßigen Eingriff weiterhin zu halten und es auszustellen. Für eine auf Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gestützte Inhalts- und Schrankenbestimmung, die diese Rechte entzieht, fehlt es hinsichtlich der aufgrund einer Ausnahmeindikation behandelten Tiere an einer verfassungsrechtlich hinreichenden Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung kann nicht in dem Bestreben liegen, nach Möglichkeit überhaupt keine Tiere, an denen der spezifische Eingriff - beispielsweise die Kupierung - vorgenommen wurde, mehr zu Ausstellungen zuzulassen, gleichgültig, aus welchem Grund der Eingriff erfolgte. Ein in dieser Weise generalisiertes Verbot könnte zwar unter Umständen die Akzeptanz des Eingriffs,verbotes steigern, würde jedoch dem für die Rechtfertigung von Grundrechtsbeschränkungen formulierten Differenzierungsgebot (0. 11 2 b) widersprechen. Schließlich wäre die genannte Generalisierung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Er verbietet nicht nur, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln, sondern ebenso, wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. 39 Unter Beachtung des dargestellten Zwecks eines Haltungs- oder Ausstellungsverbots stehen die Elemente der Sachverhaltsungleichheit eindeutig im Vordergrund, da der Präventionsgedanke nur bei rechtswidrig durchgefiihrten Eingriffen greift. Ein zweckorientierter sachlich rechtfertigender Grund für eine gleichwohl erfolgende Gleichbehandlung in Form eines generalisierten Haltungs- oder Ausstellungsverbots besteht nicht: Der Zweck des Haltungs- oder Ausstellungsverbots versagt gegenüber tiermedizinisch oder präventiv indizierten Eingriffen. Die vorstehenden Überlegungen sind auf die Verhängung eines Haltungsund Ausstellungsverbots für vor der Verschärfung des Eingriffsverbots rechtmäßig behandelte Tiere nicht ohne weiteres übertragbar. Vergleichbar ist die 39 VgJ. BVerfGE 4, S. 144 (155); 27, S. 364 (371 f.); 49, S. 148 (165); 78, S. 104 (121); 86, S. 81 (87); dazu und zur sog. neuen Formel 0.11 3.

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IV. Zeitliche und inhaltliche Dimensionen der Regelungsmacht

Situation insofern, als diese Tiere ebenfalls ohne Verstoß gegen das Tierschutzgesetz einem Eingriff unterworfen worden sind. Der Unterschied zu den aufgrund einer der in § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG zugelassenen Ausnahmen behandelten Tieren besteht allerdings in der zum Zeitpunkt des Erlasses einer Verbotsverordnung divergierenden tierschutzrechtlichen Bewertung der Tatbestände: Während das Tierschutzgesetz in der novellierten Fassung von 1998 den Eingriff, nämlich das Kupieren von Hunden, durch das Verbot des § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG als rechtswidrig kennzeichnet, weicht es in den Ausnahmefallen des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG von dieser Bewertung ab. Entsprechend unterschiedlich ist die Erfassung von Alt- und Ausnahmefallen durch den Tatbestand der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG. Da die Eingriffe in den Altfallen zum großen Teil zum Erreichen bestimmter Rassemerkmale vorgenommen wurden, ist § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG insoweit anwendbar. Das im Lichte eines materiellen Tierschutzwidrigkeitsbegriffs zu interpretierende Merkmal der tierschutzwidrigen Handlung ließe sich so verstehen, daß es alle Handlungen erfaßt, die nach dem Maßstab des zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses geltenden Tierschutzrechts nicht mit den Wertungen des Tierschutzgesetzes übereinstimmen. Zwar ist eine solche Auslegung nicht zwingend, jedoch ließe sie sich auch mit dem Zweck eines Haltungs- oder Ausstellungsverbots vereinbaren. Das Ziel, zum Erreichen bestimmter Rassemerkmale behandelte Tiere ihrer Vorbildwirkung wegen dem weiteren Umgang mit Tieren zu entziehen, trifft gleichfalls auf Altfalle zu. § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG würde mithin den Erlaß einer Rechtsverordnung tragen, die für vor Inkrafttreten des einschlägigen Eingriffsverbots diesem Eingriff ausgesetzte Tiere ein Haltungs- oder Ausstellungsverbot anordnet. Allerdings bedarf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Erstreckung eines Haltungs- oder Ausstellungsverbots auf Altfalle einer eingehenderen Betrachtung. Erörterungsbedarf besteht zum einen unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes, zum anderen mit Blick auf das Rückwirkungsverbot. Bestandsschutz für die Altfalle kommt in einer dem baurechtlichen Bestandsschutz vergleichbaren Weise als Bestandsnutzungsschutz in Betracht. 40 Vorliegend ist ein solcher Bestandsschutz aus dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu entnehmen. Die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bestandsschutz im Baurecht lehnt zwar zutreffend einen Rückgriff auf Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ab, wenn der einfache Gesetzgeber eine Regelung über den Bestandsschutz als Inhalts- und Schrankenbestimmung im

40 Zum Bestandsnutzungsschutz im Baurecht vgl. BVerwGE 42, S. 30 (39); BVerwG DÖV 1988, S. 425; Susan Grote/els, in: Hoppe / Grotefels, Öffentliches Baurecht, München 1995, § 2 Rn. 61.

4. Haltungs- oder Ausstellungsverbot für Tiere

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Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG getroffen hat. 41 Doch bleibt eine Ableitung des Bestandsschutzes unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG möglich und geboten, wenn eine einfachgesetzliche Bestandsschutzregelung fehlt. 42 Eine Bestimmung, welche Auswirkungen die Verschärfung des Eingriffsverbots auf die Haltung oder Ausstellung von Altfällen hat, ist in das Tierschutzgesetz nicht aufgenommen worden. Ausgangspunkt des verfassungsunmittelbaren Bestandsschutzes ist die Feststellung, daß sich die Reichweite des Schutzes der Eigentumsgarantie danach bemißt, welche Befugnisse einem Eigentümer zum Zeitpunkt der gesetzgeberischen Maßnahme konkret zustehen. 43 Eine rechtmäßig verwirklichte Nutzung des Eigentums wird von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt. 44 Dieser Schutz erstreckt sich beispielsweise auf ein einem legalen Eingriff unterzogenes Tier, das vor Inkrafttreten des jeweiligen Eingriffsverbots gehalten und / oder ausgestellt wurde. Der Bestandsschutz gewährleistet, daß das Tier auch unter der Geltung des jeweiligen Eingriffsverbots weiter gehalten und ausgestellt werden darf. Dem Gesetzgeber ist es jedoch nicht verwehrt, auf eine bestandsgeschützte Nutzung regelnd zuzugreifen. 45 Eine die Nutzung des Eigentums neu regelnde Bestimmung stellt rur bestehende Rechtspositionen eine Eigentumsbeein-

41 BVerwGE 84, S. 322 (334); 85, S. 289 (294); 88, S. 191 (203); 106, S. 228 (233 ff.); BVerwG Buchholz 406. II § 35 BauGB Nr. 293; II Art. 14 GG Nr. 317; 406.11 § 34 BauGB Nr. 190; BVerwG BauR 1997, S. 991 (992); NVwZ 1998, S. 735 (736). Zustimmend etwa Hans-Cord Sarnighausen, Abschied vom Bestandsschutz im öffentlichen Baurecht?, DÖV 1993, S. 758 (761 ff.); Horst Sendler, Bestandsschutz im Wirtschaftsleben, WiVerw. 1993, S. 235 (253 ff.); Jan-R. Sieckmann, Eigentumsgarantie und baurechtlicher Bestandsschutz, NVwZ 1997, S. 853 ff.; Michael Uechtritz, Grenzen des baurechtlichen Bestandsschutzes bei Nutzungsunterbrechungen, DVBI. 1997, S. 347 ff.; Rainer Wahl, Abschied von den "Ansprüchen aus Art. 14 GG", in: Rechtsstaat zwischen Sozialgestaltung und Rechtsschutz. FS für Konrad Redeker zum 70. Geb., hrsg. v. Bemd Bender / Rüdige~ Breuer u.a., München 1993, S. 245 (247 ff.); Martin Wickel, VerfassungsunmitteIbarer oder einfachgesetzlicher Bestandsschutz im Baurecht?, BauR 1994, S. 557 ff. 42 BVerwG NVwZ 1998, S. 735 (736); OVG Münster BauR 1997, S. 811; Hans Carl Fickert, Grundlagen, Entwicklung und Reichweite des Rechtsinstituts Bestandsschutz, seine bauplanungsrechtliche Fortbildung und seine Bedeutung innerhalb des Städtebaurechts, in: Baurecht - Aktuell. FS für FeIix Weyreuther, hrsg. v. HansJoachim Driehaus / Hans-Jörg Birk, Köln / Berlin / Bonn 1993, S. 319 (332 ff.); Sendler (Anm. 41) S. 253 ff.; Hans-Jürgen Papier, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, München 1998, Art. 14 Rn. 86; Sieckmann (Anm. 41) S. 856 ff.; Uechtritz (Anm. 41) S. 350 f. Dezidiert ablehnend aber BVerwGE 106, S. 228 (235). 43 BVerfGE 70, S. 191 (201); vgl. auch BVerfGE 31, S. 275 (284); 58, S. 300 (336); 68, S. 193 (222); 70, S. 191 (201). 44 Vgl. für den baurechtlichen Bestandsschutz BVerwGE 50, S. 49 (55 ff.); 72, S. 362 (363); 84, S. 322 (334); Papier (Anm. 42) Art. 14 Rn. 84. 45 Papier (Anm. 42) Art. 14 Rn. 417.

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IV. Zeitliche und inhaltliche Dimensionen der Regelungsmacht

trächtigung dar. 46 Ein Haltungs- oder Ausstellungsverbot fiir Altfälle würde mithin das durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Eigentumsgrundrecht der Tiereigentümer beeinträchtigen. Eine solche beeinträchtigende Inhalts- und Schrankenbestimmung muß die aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgenden Anforderungen beachten. 47 Sie muß ein verfassungsrechtlich zulässiges Ziel verfolgen sowie zu dessen Erreichung geeignet, notwendig und angemessen sein. Entsprechend dem einer auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 TierSchG erlassenen Rechtsverordnung zugrundeliegenden Gedanken der Vorfeldprävention würde sowohl ein Haltungsverbot als auch ein Ausstellungsverbot fiir Tiere, an denen rechtmäßige Eingriffe vorgenommen wurden, darauf abzielen, eine Vorbildwirkung der zum Erreichen bestimmter Rassemerkmale behandelten Tiere zu verhindern. Für die verfassungsrechtliche Bewertung einer zur Erreichung dieses Ziels instrumentalisierten Verordnung ist es allerdings angezeigt, zwischen Haltungs- und Ausstellungsverbot zu unterscheiden. Hinsichtlich eines Haltungsverbots fiir Altfälle ergeben sich schon Zweifel an der Geeignetheit dieser Maßnahme zu Erreichung des angestrebten Ziels. Die Vorbildwirkung der bloßen Haltung eines legal behandelten Tieres ist gering. In diesem Fall kann die Haltung nicht als Perpetuierung einer tierschutzwidrigen Handlung qualifIZiert werden, sondern sie dient allein dazu, die vom Halter dem Tier gegenüber übernommenen Pflichten aus § 2 TierSchG zu erfüllen. Das weitere Halten eines zur Erreichung bestimmter Rassemerkmale behandelten Tieres nach Inkrafttreten des Verbots dieses Eingriffs zielt nicht auf die nach außen wirkende Visualisierung von Rassestandards ab. Daß der Halter eines rechtmäßig behandelten Tieres mit der Fortführung der Haltung nicht eine zwischenzeitlich erfolgte Gesetzesänderung aushöhlen will, ist evident. Die Haltung des Tieres erfolgt unabhängig davon, welchen erreichten Rassestandard es darstellt. Eine Fortschreibung dieses Standards fiir andere Tiere, die diese Rassemerkmale nicht mehr aufweisen dürfen, ist mit der Haltung nicht verbunden. Ebensowenig ist ein Haltungsverbot zur Verwirklichung einer Vorfeldprävention notwendig. Milderes Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind alle Maßnahmen, die verhindern, daß der durch den Eingriff erreichte Rassestandard als weiterhin verbindlich und damit nachahmenswert vorgestellt wird. Wichtigstes Beispiel für eine solche Maßnahme ist das Ausstellungsverbot.

46 Jarass (Anm. 26) Art. 14 Rn. 15; Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 14. Aufl. Heidelberg 1998, Rn. 920. 47 BVerfGE 8, S. 71 (80); 70, S. 101 (111); 75, S. 78 (97 f.); 76, S. 220 (238); Jarass (Anm. 26) Art. 14 Rn. 30 f.

4. Haltungs- oder Ausstellungsverbot für Tiere

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Schließlich wäre ein Haltungsverbot zur Erreichung des genannten Zwecks völlig unangemessen. Sowohl die große Zahl der von einem Haltungsverbot betroffenen und aus ihrem bisherigen Obhutsverhältnis herausgelösten Tiere als auch die eine faktische Entziehung der Eigentümerbefugnisse bedeutende Wirkung des Verbots fiir den einzelnen stehen in keinem Verhältnis mehr zu den mit dem Haltungsverbot allenfalls erzielbaren Erfolg. Im Ergebnis könnte sich daher ein Haltungsverbot fiir vor Inkrafttreten des jeweiligen Eingriffsverbots diesem Eingriff ausgesetzte Tiere nicht gegen den von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutz durchsetzen. Das Halten dieser Tiere könnte nicht durch eine auf § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 (oder 5) TierSchG gestützte Rechtsverordnung untersagt werden. Anderes gilt fiir ein Verbot der Ausstellung von Altfällen. Ihm kann die Geeignetheit zur Erreichung des angestrebten Ziels der Vorfeldprävention nicht abgesprochen werden. Die Vorbildwirkung der Ausstellung eines zur Verwirklichung bestimmter Rassemerkmale behandelten Tieres geht deutlich über die der bloßen Haltung hinaus. Mit der Ausstellung wird der durch den Eingriff erreichte Rassestandard gerade als präsentationswürdig vorgestellt. Durch die damit verbundene Darstellung des gegebenen Beispiels als nachahmenswert kann das Ausstellen zur Perpetuation von mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbaren Rassemerkmalen beitragen. Hierdurch ist gleichsam der Kern des mit § 12 Abs. 2 TierSchG verfolgten mittelbaren Schutzkonzepts betroffen. Ein milderes Mittel, dieses Ziel gleich wirksam zu erreichen, ist nicht ersichtlich. Ebensowenig kann ein Ausstellungsverbot als zur Zweckerreichung unangemessen angesehen werden. Die Eigentümerbefugnisse werden durch ein Ausstellungsverbot nur am Rande berührt. Auf der anderen Seite hat das Ausstellungsverbot zentrale Bedeutung als zukunftsgerichtete flankierende Maßnahme zur flächendeckenden Durchsetzung des Verbots des Eingriffs an Tieren zum Erreichen bestimmter Rassemerkmale. Insofern kann kaum davon gesprochen werden, daß die dem Eigentümer zugemuteten Beeinträchtigungen außer Verhältnis zu dem mit einem Ausstellungsverbot verfolgten Zweck stehen. Unter Bestandsschutzgesichtspunkten wäre also ein Ausstellungsverbot fiir Altfälle mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Zu überprüfen bleiben die sich möglicherweise aus dem Rückwirkungsverbot fiir die Einbeziehung von vor Inkrafttreten des jeweiligen Eingriffsverbots diesem Eingriff unterzogene Tiere in ein Haltungs- oder Ausstellungsverbot ergebenden Grenzen. Für die Zuordnung zu einer der fiir die Bewertung entwickelten Fallgruppen (0. IV 3) ist zunächst zu beachten, daß die Charakterisierung eines legalen Eingriffs als materiell tierschutzwidrige Handlung im Sinne von § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 (bzw. Nr. 5) TierSchG zu einer geänderten Bewertung der Eingriffshandlung führt. Die zum Zeitpunkt des Eingriffs rechtmäßige Handlung wird nachträglich abweichend bewertet, nämlich als materiell tierschutzwidrig stigmatisiert.

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IV. Zeitliche und inhaltliche Dimensionen der Regelungsmacht

Gleichwohl liegt hierin keine echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen. Denn in den rechtlich geordneten Tatbestand des Eingriffs wird nicht nachträglich ändernd durch eine Rechtsnorm eingegriffen, die ihren zeitlichen Anwendungsbereich auf einen vor ihrer Verkündung liegenden Zeitpunkt rückbezieht. Vielmehr erfolgt nur eine Anknüpfung an den Tatbestand, indem mit Wirkung rur die Zukunft andere Rechtsfolgen als nach bisherigem Recht, nämlich Haltungs- oder Ausstellungsverbote, angeordnet werden. Ein Haltungs- oder Ausstellungsverbot fiir Altfälle ist demnach nach den Maßstäben der Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung bzw. einer tatbestandlichen Rückanknüpfung zu beurteilen. Die durchzufiihrende Abwägung zwischen den mit einem Haltungs- oder Ausstellungsverbot verfolgten Gemeinwohlbelangen in Form einer tierschutzrechtlichen Vorfeldprävention und dem Vertrauen des Tiereigentümers auf den Fortbestand der das Halten und Ausstellen von einem legalen Eingriff unterzogenen Tieren zulassenden Rechtslage verläuft in den bei der Untersuchung des von Art. 14 Abs. I GG gewährleisteten Bestandsschutzes gezeichneten Bahnen. Auch hier hat das Vertrauen des Tiereigentümers, ein legal behandeltes Tier weiterhin halten zu können, den Vorrang. Umgekehrt setzt sich das Ziel, mit einem Ausstellungsverbot eine Vorbildwirkung zu unterbinden, gegen das Interesse des Tiereigentümers, sein Tier ausstellen zu dürfen, durch. In der Zusammenfassung wäre es weder mit den Vorschriften des Tierschutzgesetzes noch mit den Grundrechten der Tiereigentümer aus Art. 14 Abs. I und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, aufgrund einer Ausnahme nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG rechtmäßig behandelte Tiere in ein Haltungs- oder Ausstellungsverbot einzubeziehen. Für vor Inkrafttreten des jeweiligen Eingriffsverbots rechtmäßig einem solchen Eingriff unterworfene Tiere gilt, daß ein Haltungsverbot verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen wäre. Hingegen könnte ein Ausstellungsverbot rur diese Altfälle in verfassungsrechtlich zulässiger Weise auf § 12 Abs. 2 S~ 1 Nr. 4 TierSchG gestützt werden.

V. Gemeinschafts- und völkerrechtliche Grenzen des Verordnungserlasses Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbote nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 oder 5 TierSchG dürfen nicht erlassen werden, soweit Gemeinschaftsrecht oder völkerrechtliche Verpflichtungen entgegenstehen (§ 12 Abs. 2 S. 3 TierSchG). Die Bundesregierung hat im zum Erlaß des Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 25. Mai 1998 1 fiihrenden Gesetzgebungsverfahren ihre diesbezüglichen Bedenken formuliert. "Gegen die vorgeschlagene Regelung des Absatzes 2 bestehen Bedenken im Hinblick auf Artikel 30 EGV, der mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung verbietet. Nationale Regelungen, durch die der freie Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft behindert wird, sind nur zulässig, wenn sie u.a. zwingend zum Schutz der Tiere im Inland erforderlich sind.... (Durch den Abs. 2) soll weitgehend pauschal das Verbringen von Tieren, denen im Ausland nach deutschem Recht tierschutzwidrige Handlungen zugefiigt worden sind, verboten werden. Damit würden unzulässigerweise einseitig nationale Wertvorstellungen zugrunde gelegt. Zudem ist es aufgrund der WTOBestimmungen unzulässig, heimische Produktions-, Vermarktungs- und Verarbeitungsvorschriften, zu denen auch tierschutzrechtliche Vorschriften gehören, auf das Gebiet anderer WTOMitglieder auszudehnen. Dies gilt beispielsweise auch fiir die Einfuhr kupierter Rassehunde aus einem Mitgliedstaat, in dem das Kupieren erlaubt ist. ,,2 Offenbar sind diese Bedenken vorgebracht worden, ohne daß die aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen und völkerrechtlichen Fragen einer Beantwortung zugefiihrt worden wären. Wenn die Bundesregierung die intemationalrechtlichen Probleme vollständig ausgelotet hätte und dadurch abschließend zu dem Ergebnis gekommen wäre, daß ein Einfuhrverbot etc. gegen Gemein-

BGB\. I S. 1094. Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BTDrucks 13 /7015 S. 40 (45). I

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V. Gemeinschafts- und völkerrechtliche Grenzen des Verordnungserlasses

schaftsrecht und Völkerrecht verstößt, so hätte die Verordnungsennächtigung entsprechend gefaßt, beispielsweise die Ennächtigung zum Erlaß eines Einfuhrverbots gestrichen werden müssen. Die Aufnahme der eine beträchtliche Rechtsunsicherheit erzeugenden ,,Angstklausel" des § 12 Abs. 2 S. 3 TierSchG ist nur verständlich, wenn eine abschließende Prüfung am Maßstab des Gemeinschafts- und Völkerrechts unterblieben ist. Die dem Gesetzgeber obliegende Prüfung ist schlicht auf den Verordnungsgeber überwälzt worden. Es kann daher nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß ein Verbot der Einfuhr etc. von Tieren, die im Ausland nach den Maßstäben des deutschen Tierschutzrechts tierschutzwidrig behandelt worden sind, gegen Gemeinschafts- oder Völkerrecht verstößt.

1. Die Vereinbarkeit von Einfuhr-, Ausfuhr-, Haltungsoder Ausstellungsverboten mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft Für die Prüfung eines Einfuhr-, Ausfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverbots am Maßstab des Gemeinschaftsrechts ist nur Raum, wenn der Vorgang einen Gemeinschaftsrechtsbezug aufweist. Dies bedeutet, daß der gemeinschaftsrechtliche Prüfungsmaßstab nur fiir solche Verbote zur Verfiigung steht, die aus einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft in einen anderen Mitgliedstaat ausgefiihrte Tiere betreffen. Die Einfuhr- bzw. Ausfuhrverkehr eines Mitgliedstaates mit einem Drittstaat wird nicht erfaßt. 3 Für dessen Beurteilung sind die völkerrechtlichen Bestimmungen außerhalb des Gemeinschaftsrechts heranzuziehen (u. V 3). Unerheblich ist allerdings, ob die Ware aus einem Mitgliedstaat stammt oder aus einem Drittstaat, wenn sie sich in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befmdet (Art. 23, Abs. 2, Art. 24 EGy4). Ebensowenig sind die gemeinschaftsrechtlichen Regeln auf Bestimmungen anwendbar, die sich nicht einfuhrbehindernd auswirken, sondern ausschließlich den Verkehr mit inländischen Waren betreffen. s Diesbezüglich kann sich jedoch das Problem der Inländerdiskriminierung stellen (u. V 2). Weiterhin ist zu beachten, daß § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 (bzw. Nr. 5) TierSchG zur Verhängung von Verboten nur unter der Voraussetzung ennächtigt, daß an den Tieren tierschutzwidrige Handlungen vorgenommen worden sind. Nach dem materiellen Tierschutzwidrigkeitsbegriff kommt es auf das Vorliegen ei3 Peter-Christian Müller-GrafJ, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlerrnann, Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, 5. Aufl. Baden-Baden 1997, Art. 30 Rn. 265. 4 Im folgenden wird die neue Artike\zählung des EG-Vertrages in der Fassung des Vertrages von Amsterdam zugrunde gelegt. 5 MÜller-Graff(Anm. 3) Art. 30 Rn. 263.

1. Die Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft

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nes objektiven Verstoßes gegen das deutsche Tierschutzrecht in dem Sinne an, daß die Vornahme der Handlung im Inland Vorschriften des Tierschutzgesetzes verletzt hätte (0. IV I c). Unerheblich ist dagegen, ob die HandlUng in dem Staat, in dem sie vorgenommen worden ist, erlaubt war oder nicht. Da es für die Beurteilung auf die Wertungen des deutschen Tierschutzrechts ankommt, ist es umgekehrt ebenso irrelevant, wenn der fragliche Eingriff in dem anderen Mitgliedstaat generell verboten ist, im Geltungsbereich des Tierschutzgesetzes aber eine Ausnahme nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG eingreifen würde. Ein materiell unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. I S. 2 Nr. 1 TierSchG erfolgender Eingriff ist nicht tierschutzwidrig. Gemeinschaftsrechtliche Prüfungsmaßstäbe sind der mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung verbietende Art. 28 (früher: Art. 30) EGV, der mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung untersagende Art. 29 (früher: Art. 34) EGV sowie Art. 30 (früher: Art. 36) EGV, der die Rechtfertigung von Ein- und Ausfuhrverboten bzw. -beschränkungen betrifft. Diese Bestimmungen bedürfen keiner Umsetzung durch nationales Recht, sondern sind in allen Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar. 6 a) Tiere als Ware im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über den freien Warenverkehr Gemäß Art. 23 Abs. 2 (früher: Art. 9 Abs. 2) EGV gelten die genannten Bestimmungen nur für Waren, unabhängig davon, ob sie aus den Mitgliedstaaten stammen oder aus dritten Ländern und sich in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befmden. Funktional dient der Warenbegriff dazu, den Anwendungsbereich des Titels I des Dritten Teils des EG-Vertrages von den Anwendungsbereichen der Vorschriften des Titels III abzugrenzen. 7 Waren im Sinne der Art. 23 Abs. 2, 28 ff. EGV sind körperliche Gegenstände die einen Geldwert haben und Gegenstand von Handelsgeschäften sein können. 8 Daß hierunter auch Tiere fallen können, ist nicht zu bezweifeln. 9 Dies gilt 6 EuGH, Rs. C-47 / 90, Etablissements DeJhaize freres u.a. / Promalvin S.A. u.a., Slg. 1992, S. 1-3669 (3711); Michael Lux, in: Lenz, EG-Vertrag, Köln / Basell Wien 1994, Art. 30 Rn. 6. 7 Lux (Anm. 6) Art. 9 Rn. 17. 8 EuGH, Rs. 7/68, Kommission / Italien, Slg. 1968, S. 633 (642); Heinrich Matthies / Reimer von Borries, in: Grabitz / Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, München 1998, Art. 30 Rn. 44; Michael Schweitzer / Waldemar Hummer, Europarecht, 5. Aufl. Neuwied / Kriftel / Berlin 1996, Rn. 1078. 9 EuGH Rs. C-67 / 97, Bluhme, noch nicht veröffentlicht; Müller-Graf! (Anm. 3) Art. 30 Rn. 270.

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V. Gemeinschafts- und völkerrechtliche Grenzen des Verordnungserlasses

jedenfalls dann, wenn die Verbringung des Tiers in den anderen Mitgliedstaat handelsgeschäftsbezogen, insbesondere im Ralunen einer Veräußerung des Tieres erfolgt. In diesem Fall kommt es auf die Natur des Geschäfts im einzelnen nicht an \0, so daß neben Kaufgeschäften beispielsweise Tausch und Schenkung erfaßt werden. Problematisch ist hingegen die Konstellation, daß ein Tier nur zu Zwecken in den anderen Mitgliedstaat verbracht werden soll, welche nicht im Ralunen eines Handelsgeschäfts liegen. Beispiel ist die Teilnalune des Tieres an einer Ausstellung in einem anderen Mitgliedstaat, nach deren Beendigung das Tier wieder in den Herkunftsstaat zurückgebracht wird. Abgrenzungsbedarf besteht dabei zum Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit nach den Art. 49 ff. (früher: Art. 59 ff.) EGV. Denn Dienstleistungsfreiheit im Sinne des Vertrages besteht auch als passive Dienstleistungsfreiheit. Sie erfaßt die Konstellation, daß sich der Dienstleistungsempfanger zum Empfang der Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat zum Leistungserbringer begibt. 11 Als Erbringung einer solchen Dienstleistung ließe sich die Veranstaltung einer Ausstellung von Tieren einordnen, an der Tierhalter aus anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft teilnelunen. Voraussetzung hierfür ist, daß die Veranstaltung der Ausstellung eine Dienstleistung im Sinne von Art. 50 (früher: Art. 60) EGV darstellt. Dienstleistungen sind danach Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Von einem Entgelt für die Veranstaltung der Ausstellung könnte beispielsweise gesprochen werden, wenn ein Meldegeld für die Ausstellung erhoben wird. Auf die Höhe des Entgelts kommt es für die Anwendbarkeit des Art. 50 EGV nicht an. Wesentlich ist der Charakter des Entgelts als wirtschaftliche Gegenleistung für die betreffende Leistung. 12 Dienstleistungen können nur solche Tätigkeiten sein, die einen Teil des Wirtschaftslebens ausmachen. 13 Der Leistungserbringer muß mit

Vgl. EuGH Rs. C-2 1 90, Kommission 1 Belgien, Sig. 1992, S. 1-4431 (4478). EuGH Verb. Rs. 286/82 und 26/83, Luisi und Carbone 1 Ministero dei Tesoro, Sig. 1984, S. 377 (401); Rs. 186/87, Cowan 1 Tresor Public, Sig. 1989, S. 195 (220); zu diesem Problem Petra Reindl, "Negative Dienstleistungsfreiheit" im EWG-Vertrag, München 1992; Stefan Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit im Europäischen Gemeinschaftsrecht, Berlin 1990. 12 EuGH Rs. 263/86, Belgischer Staat 1 Humbel und Edel, Slg. 1988, S. 5365 (5388); Wulf-Henning Roth, Niederlassungs- und Dienstleistungsrecht, Grundregeln, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, München 1998, EI Rn. 97. \3 EuGH Rs. 36/74, Walrave und Koch 1 Association Union Cycliste Internationale u.a., Sig. 1974, S. 1405 (1418); Rs. 196/87, Steymann/Staatssecretaris van Justitie, Sig. 1988, S. 6159 (6172). \0

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1. Die Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft

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der Dienstleistung einen Erwerbszweck verbinden,14 ohne daß es allerdings auf eine Gewinnerzielungsabsicht ankäme ls . Sowohl das Kriterium der Beteiligung am Wirtschaftsleben als auch das der Verfolgung eines Erwerbszwecks sind weit zu verstehen. 16 Beispielsweise genügt als Entgelt eine Vergütung in Form von Naturalien ohne Bezug auf bestimmte erbrachte Dienstleistungen. 17 Vor diesen Maßstäben erscheint es durchaus möglich, ein Meldegeld für eine Ausstellung als Entgelt im Sinne von Art. 50 EGV anzusehen. Doch bleibt die in Art. 50 Abs. 1 EGV aufgenommene Subsidiaritätsklausel zu beachten, die besonders auf die Notwendigkeit der Abgrenzung der Dienstleistungs- von der Warenverkehrsfreiheit hinweist. Strukturell beziehen sich die Art. 28 ff. EGV auf verkörperte, die Art. 49 ff. EGV aufnichtverkörperte Wirtschaftsgüter. Weist ein Sachverhalt insoweit zu beiden Grundfreiheiten Berührungspunkte auf, so ist die Zuordnung nach dem Schwerpunkt des Inhalts der Tätigkeit vorzunehmen. 18 Beispiele sind die grenzüberschreitende Versendung von Werbematerial und Losen für eine Lotterie oder die eine Fahrzeugwartung betreffende Lieferung von Gegenständen. Sie erfolgen nicht um ihrer selbst willen, sondern als Teil der jeweiligen Dienstleistung. 19 Exemplarisch für die umgekehrte Konstellation, daß die Regelung einer Dienstleistung schwerpunktrnäßig die Freiheit des Warenverkehrs betrifft, ist die Festlegung von öffentlichen Versteigerungsbedingungen durch einen Mitgliedstaat für in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Händler. 20 Denn insoweit steht der Umgang mit der Ware als körperlichem Gegenstand im Vordergrund. Entsprechend behandelt werden kann die vorliegende Fallgestaltung, daß ein Tier zu Ausstellungszwecken in einen anderen Mitgliedstaat verbracht wird. Schwerpunkt ist die Präsentation des Tieres als physisch abgegrenztes Objekt. Es dürfte hinnehmbar sein, daß in der Veranstaltung der Ausstellung als solcher liegende nichtverkörperte Leistungselement zu vernachlässigen. In seiner Entscheidung zur Qualiftzierung von Abfall als Ware hat der Europäische Gerichtshof erkennen lassen, daß im Interesse einer praktikablen Handhabung 14 Albrecht RandelzhoJer, in: Grabitz / Hilf (Anm. 8) Art. 60 Rn. 8; Peter Troberg, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann (Anm. 3) Art. 60 Rn. 7. IS Kay Hai/bronner, in: Hailbronner / Klein / Magiera / Müller-Graff, Handkommentar zum Vertrag über die Europäische Union, Köln / Berlin / Bonn / München 1998, Art. 60 Rn. 10. 16 Hai/bronner (Anm. 15) Art. 60 Rn. 10. 17 Hai/bronner (Anm. 15) Art. 60 Rn. 10. 18 Waltraud Hakenberg, in: Lenz (Anm. 6) Art. 60 Rn. 9; Müller-Graff (Anm. 3) Art. 30 Rn. 278. 19 EuGH Rs. C-275 / 92, Her Majesty's Customs and Excise / Schindler u.a., Slg. 1994, S. 1-1039 (1088 f.); Rs. C-55 /93, van Schaik, Slg. 1994, S. 1-4837 (4857). 20 EuGH Rs. C-239/90, Boscher u.a./ SA British Motors Wright u.a., Slg. 1991, S. 1-2023 (2037).

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gewisse Generalisierungen zulässig sind. Der Gerichtshof hat die grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen generell dem Warenverkehr zugerechnet. Auf die Frage, ob der Abnehmer des Abfalls hierfür ein Entgelt entrichtet, weil es sich beispielsweise um recyclingfähige Güter handelt, oder ob der Anlieferer dem Abnehmer für die Übernahme des Abfalls ein Entgelt für die Leistung der Deponierung giftiger Rückstände erbringt, kommt es nicht an. Der Gerichtshof hat das Sachverhaltselement der Erbringung der Deponierungsdienstleistung für vernachlässigenswert erachtet, zumal eine Unterscheidung verschiedener Abfallqualitäten aus praktischer Sicht kaum kontrollierbar iSt. 21 Stellt man sich etwa den Fall vor, daß ein zunächst nur zu Ausstellungszwekken eingefiihrtes Tier anschließend im Mitgliedstaat der Ausstellung veräußert wird oder umgekehrt, so zeigt sich die praktische Unmöglichkeit changierender Bewertungsmaßstäbe für einen aus praktischer Sicht häufig identisch aussehenden Vorgang. Tiere sind deshalb auch dann Waren im Sinne von Art. 23 Abs. 2, 28 ff. EGV, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt werden sollen.

b) Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbote als Beschränkungen des freien Warenverkehrs Das Verbot der Einfuhr, des Haltens oder Ausstellens von in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft tierschutzwidrig behandelten Tieren durch eine auf § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 (bzw. 5) TierSchG gestützte Rechtsverordnung ist nur dann durch Art. 28 EGV verboten, wenn es sich dabei um mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung handelt. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sind alle Maßnahmen, mit denen die Einfuhr einer Ware ganz oder teilweise verboten oder nach Menge, Wert oder Zeitraum begrenzt wird. 22 Art. 28 EGV erfaßt daher auch Rechtsvorschriften, die das Verbringen einer Ware von einem Mitgliedstaat in einen anderen gänzlich untersagen. 23 Ein durch Rechtsverordnung angeordnetes Verbot, ein in einem anderen Mitgliedstaat nach den Maßstäben des deutschen Tierschutzrechts tierschutzwidrig behandeltes Tier in das Inland zu verbringen, stellt

EuGH Rs. C-2 / 90, Kommission / Belgien, Slg. 1992, S. 1-4431 (4478 f.). EuGH Rs. 2/73, Geddo / Ente Nazionale Risi, Slg. 1973, S. 865 (879); Man/red A. Dauses, Warenverkehr, Grundregeln, in: Dauses (Anm. 12) C I Rn. 81; Hai/bronner (Anm. 15) Art. 30 Rn. 6; Matthies I von Borries (Anm. 8) Art. 30 Rn. 1; Christoph Moench, Der Schutz des freien Warenverkehrs im Gemeinsamen Markt, NJW 1982, S. 2689 (2690). 23 EuGH Rs. 34/79, Henn und Darby, Slg. 1979, S. 3795 (3812); Lux (Anm. 6) Art. 30 Rn. 10; Matthies I von Borries (Anm. 8) Art. 30 Rn. 1. 21

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demnach eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 28 EGV dar. Hinsichtlich der Bewertung eines Haltungs- oder Ausstellungsverbots kommt keine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung, sondern eine Maßnahme gleicher Wirkung in Betracht. Ausgangspunkt der Prüfung ist die vom Europäischen Gerichtshof entwickelte sog. Dassonville-Formel: Maßnahme gleicher Wirkung ist jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern. 24 Dieser Grundsatz ist sowohl auf Maßnahmen, die inländische und eingeführte Waren in unterschiedlicher Weise betreffen (sog. diskriminierende Regelungen), als auch solche Maßnahmen anwendbar, die unterschiedslos auf eingeführte und einheimische Waren anwendbar sind. 25 Ausschlaggebend ist allein die Eignung der Maßnahme zur Hande1sbehinderung. 26 Nicht erforderlich ist ein Nachweis, daß die Maßnahme tatsächlich einen Einfuhrrückgang herbeigeführt hat. 27 Es genügt die potentielle Handelsbehinderung. 28 Durchzufiihren ist ein prognostischer Vergleich zwischen der voraussichtlichen Entwicklung mit der Maßnahme und der Entwicklung ohne die Maßnahme. 29 Die Länge der Kausalkette zwischen der Maßnahme und der zu

24 EuGH, Rs. 8/74, Dassonville, Slg. 1974, S. 837 (852); ebenso etwa EuGH Rs. 193/80, Kommission / Italien, Sig. 1981, S. 3019 (3034); Rs. 95/81, Kommission / Italien, Sig. 1982, S. 2187 (2203); Rs. 220/81, Robertson u.a., Sig. 1982, S. 2349 (2360); Rs. 16 / 83; Prantl, Sig. 1984, S. 1299 (1326); Verb. Rs. 177 und 178 / 82, van de Haar u.a., Sig. 1984, S. 1797 (1812); Rs. 229 / 83, Association des Centres distributeurs Edouard Lederc u.a. / Sari "Au bl6 vertU u.a., Sig. 1985, S. I (34); Rs. 269/ 83, Kommission / Frankreich, Sig. 1985, S. 837 (846); Rs. 103 / 84, Kommission / Italien, Sig. 1986, S. 1759 (1773); Rs. 407/85, 3 Glocken GmbH u.a. / USL Centro-Sud u.a., Sig. 1988, S. 4233 (4278); Rs. C-126 / 91, Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft e.V. / Yves Rocher GmbH, Sig. 1993, S. 1-2361 (2388); Rs. C-391 /92, Kommission / Griechenland, Slg. 1995, S. 1-1621 (1646); Rs. C-470 / 93, Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe / Mars GmbH, Sig. 1995, S. 1-1923 (1940); Rs. C63/94, Belgapom IITM Belgium SA u.a., Sig. 1995, S. 1-2467 (2490); Verb. Rs. C321-324/94, Pistre u.a., Sig. 1997, S. 1-2343 (2374 f.); Rs. C-383 /97, van der Laan, noch nicht veröffentlicht. 2S EuGH Rs. 120 / 78, Rewe-Zentrale-AG / Bundesmonopolverwaltung ftir Branntwein, Sig. 1979, S. 649 (664) - sog. Cassis de Dijon-Fall; zuletzt Rs. C-383 /97, van der Laan, noch nicht veröffentlicht; Schweitzer I Hummer (Anm. 8) Rn. 1117. 26 MÜller-Graff(Anm. 3) Art. 30 Rn. 48. 27 EuGH Rs. 12/74, Kommission/Deutschland, Sig. 1975, S. 181 (198); Rs. 249 / 81, Kommission / Irland, Slg. 1982, S. 4005 (4022). 28 EuGH Rs. 124/85, Kommission / Griechenland, Sig. 1986, S. 3935 (3948); Dauses (Anm. 22) Rn. 88. 29 Matthieslvon Borries (Anm. 8) Art. 30 Rn. 15; MÜller-Graff(Anm. 3) Art. 30 Rn. 63.

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V. Gemeinschafts- undvölkerrecht!iche Grenzen des Verordnungserlasses

erwartenden Handelsbehinderung ist unerheblich. 30 Die Grenze der Nichteignung ist dort erreicht, wo die Maßnahme entweder definitiv keine oder rein hypothetische Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel zeitigen k ann. 31 Weiterhin kommt es nicht darauf an, daß die Handelsbehinderung einen spezifischen Bezug zum Grenzübertritt aufweist. 32 Eine Maßnahme gleicher Wirkung liegt auch dann vor, wenn sie erst auf der Vermarktungsstufe handeIsbehindernde Wirkungen entfalten33 oder die Einfuhren infolge der Beeinträchtigung der Handlungsfreiheiten bestimmter Marktteilnehmer kanalisieren34 kann. Schließlich verlangt Art. 28 EGV nicht, daß die betroffene Ware in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist. 3S Schutz gegen die Vermarktung schädlicher Produkte kann insoweit durch eine auf Art. 30 EGV gestützte Maßnahme oder die Berufung auf zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung geleistet werden. 36 Die Anwendung des Art. 28 ist also selbst für Tiere nicht ausgeschlossen, die nach den Vorschriften des Herkunftsmitgliedstaates einem illegalen Eingriff ausgesetzt oder als verbotene Qualzüchtungen gezüchtet worden sind. Bei Anlegung der dargelegten Maßstäbe ist es eindeutig, daß das Verbot, nach den Maßstäben des deutschen Tierschutzrechts in einem anderen Mitgliedstaat tierschutzwidrig behandelte Tiere in der Bundesrepublik zu halten, zur Handelsbehinderung geeignet ist. Das Verbot, das aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführte Tier zu halten, führt regelmäßig dazu, daß das Tier überhaupt nicht erst eingeführt wird. Es kann prognostiziert werden, daß ein Haltungsverbot einen beträchtlichen Rückgang der Einfuhr der betreffenden

30 VgJ. MÜller-Graff(Anm. 3) Art. 30 Rn. 64; Winfried Veelken, Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen, EuR 1977, S. 311 (327). 31 VgJ. EuGH Rs. C-69/ 88, H. Krantz GmbH / Ontvanger der Directe Belastingen u.a., Slg. 1990, S. 1-583 (597); Rs. 126/91, Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft e.V. / Yves Rocher GmbH, Slg. 1993, S. 1-2361 (2390); Rs. C-379 / 92, Peralta, Slg. 1994, S. 1-3453 (3497); Rs. C-96 / 94, Centro Servici Spediporto Srl / Spedizioni Marittima deI Golfo Srl, Slg. 1995, S. 1-2883 (2914); Verb. Rs. C-140142/94, DIP SpA u.a. / Comune di Bassano deI Grappa, Slg. 1995, S. 1-3257 (3297); Rs. C-67 / 97, Bluhme, noch nicht veröffentlicht. 32 Verb. Rs. 321-324/94, Pistre u.a., Slg. 1997, S. 1-2343 (2374); Müller-Graff (Anm. 3) Art. 30 Rn. 58. 33 VgJ. EuGH Rs. 16/83, Prant!, Slg. 1984, S. 1299 (1327); Verb. Rs. 321-324/94, Pistre u.a., Slg. 1997, S. 1-2343 (2374); Dagobert Fasshold, Freier Warenverkehr in der EG und nationale Absatzregelungen, Mannheim 1986, S. 30 ff. 34 EuGH Rs. 104 / 75, de Peijper, Slg. 1976, S. 613 (635); Veelken (Anm. 30) S. 329 ff. 35 Müller-Graff (Anm. 3) Art. 30 Rn. 67; Pieter VerLoren van Themaat, La \ibre circulation des marchandises apres l'arret "Cassis de Dijon" CDE 1982, S. 123 (125). 36 MÜller-Graff(Anm. 3) Art. 30 Rn. 70.

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Tiere zur Folge haben würde. Dementsprechend hat der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung in der Rechtssache Bluhme vom 3. Dez. 1998 das Verbot, in einem Mitgliedstaat bestimmte Tiere zu halten, als Maßnahme gleicher Wirkung qualifIziert. 37 Für ein Ausstellungsverbot gilt im Ergebnis nichts anderes. Für die Bewertung einer solchen Maßnahme kann eine Parallele zur Beurteilung von Werbebeschränkungen am Maßstab des Art. 28 EGV gezogen werden. Sofern Werbebeschränkungen geeignet sind, den Vertrieb eingefiihrter Erzeugnisse zu erschweren oder zu verhindern, sind sie Maßnahmen gleicher Wirkung. 38 Generelle Werbeverbote unterfallen danach dem Art. 28 EGV. 39 Dies ist jedenfalls dann uneingeschränkt anzunehmen, wenn die Maßnahme im Sinne der KeckRechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - abgesehen vom noch zu behandelnden Fall der diskriminierenden Regelung - nicht nur bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränkt oder verbietet40 • Während der Gerichtshof solchen nationalen, die Verkaufsmodalitäten beschränkenden oder verbietenden Bestimmungen generell die Eignung zur Handelsbehinderung abspricht, bleiben die sog. produktbezogenen Vorschriften von dieser Eingrenzung unberührt. EuGH Rs. C-67 / 97, Bluhme, noch nicht veröffentlicht. EuGH Rs. 152/78, Kommission / Frankreich, Slg. 1980, S. 2299 (2314); Rs. 286 /81, Oosthoek's Vitgeversmaatschappij BV, Slg. 1982, S. 4575 (4587 f.); Rs. C-362 / 88, GB-INNO-BM / Confederation du commerce luxembourgeois, Slg. 1990, S. 1-667 (686); Verb. Rs. C-1 /90 u.176 / 90, Aragonesa de Publicidad Exterior SA u.a. / Departemento de Sanidad y Seguridad Social, Slg. 1991, S. 1-4151 (4183); Rs. C-470 / 93, Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe/Mars GmbH, Slg. 1995, S. 1-1923 (1971). Vgl. in diesem Zusammenhang Wi/fried Alt I Jörn Sack, Nationale Werbebeschränkungen und freier Warenverkehr, EuZW 1990, S. 311 ff.; Andreas Leupold I Andreas Nachbaur, Werbebeschränkungen und Warenverkehrsfreiheit nach Artikel 30 EWG-Vertrag, JZ 1991, S. 1110 ff.; Guido Perau, Werbeverbote im Gemeinschaftsrecht, Baden-Baden 1997; Peter Schotthöfer, Neuere Entwicklungen im Werberecht in der EG und den europäischen Ländern, EuZW 1992, S. 760 ff. 39 Dauses (Anm. 22) Rn. 88; Mül/er-Graff(Anm. 3) Art. 30 Rn. 125. 40 Vgl. EuGH Verb. Rs. 267 u. 268/91, Keck u. Mithouard, Slg. 1993, S. 1-6097 (6131); Rs. C-292 / 92, Ruth Hünerrnund u.a. / Landesapothekenkammer BadenWürttemberg, Slg. 1993, S. 1-6787 (6823); Verb. Rs. C-69 u. 258/93, Punto Casa SpA / Sindaco de\ Comune di Capena u.a., Slg. 1994, S. 1-2355 (2368); Rs. C-391 /92, Kommission / Griechenland, Slg. 1995, S. 1-1621 (1646 f.); Rs. C-63 /94, Belgapom / ITM Be\gium SA u.a., Slg. 1995, S. 1-2467 (2490 f.); Rs. C-368 / 95, Vereinigte Familiapress Zeitungsverlags- und -vertriebs GmbH / Heinrich Bauer Verlag, Slg. 1997, S. 13689 (3713); Verb. Rs. C-34-36 / 95, Konsumentenombudsmannen / De Agostini (Svenska) Förlag AB u.a., Slg. 1997, S. 1-3843 (3890). Aus den zahlreichen Stellungnahmen vgl. nur Thomas Ackermann, Warenverkehrsfreiheit und "Verkaufsmodalitäten", RIW 1994, S. 189 ff.; Hans-Wolfgang Arndt, Warenverkehrsfreiheit innerhalb der Europäischen Union: der Fall "Keck", JuS 1994, S. 469 ff.; Ulrich Becker, Von ,,DassonvilIe" über "Cassis" zu "Keck", EuR 1994, S. 162 ff.; Wernhard Möschel, Kehrtwende in der Rechtsprechung des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit, NJW 1994, S. 429 ff.; Matthias Petschke, Die Warenverkehrsfreiheit in der neuesten Rechtsprechung des EuGH, EuZW 1994, S. 107 ff. 37

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Regelungen, die sich auf das Erzeugnis selbst und seine Merkmale beziehen, sind Maßnahmen gleicher Wirkung, sofern sie nicht durch ein vorgehendes Allgemeininteresse gerechtfertigt sind. 41 Ebenso wie ein generelles Werbeverbot fiir bestimmte Waren nimmt ein Ausstellungsverbot fiir bestimmte Tiere den potentiellen Interessenten eine Quelle der Information über die Existenz und die Verfiigbarkeit dieser Waren. 42 Die potentielle Eignung zur Behinderung des Volumens der Einfuhren der von einem Werbeverbot betroffenen Waren wird man einem Ausstellungsverbot deshalb kaum absprechen können. Wird das Ausstellungsverbot nur fiir solche Tiere angeordnet, die im materiellen Sinne tierschutzwidrig behandelt worden sind, so ist Bezugspunkt des Verbots eine Eigenschaft der betreffenden Tiere selbst. Wie der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Bluhme ausdrücklich klargestellt hat, sind Regelungen, die sich auf die Eigenschaften der Tiere selbst beziehen, keine Bestimmungen über Verkaufsmodalitäten. 43 Für die weitere Prüfung, ob eine Maßnahme gleiche Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung vorliegt, ist nach der Cassis de DijonRechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zunächst zu unterscheiden, ob eine diskriminierende oder eine unterschiedslos anwendbare Regelung vorliegt: 44 Eine Regelung, die zwischen einheimischen und eingefiihrten Erzeugnissen unterscheidet, stellt schon deshalb eine durch Art. 28 EGV verbotene Maßnahme gleicher Wirkung dar. 45 Ihre Rechtfertigung ist nur noch nach Art. 30 EGV möglich. 46 Ist eine Bestimmung dagegen unterschiedslos auf inländische und eingefiihrte Waren anwendbar, so kommt es bei Fehlen einer Gemeinschaftsregelung darauf an, ob sie notwendig ist, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden. 47 Bei Vorliegen solcher zwingender Erfordernisse stellt die 41 EuGH Verb. Rs. 267 u. 268 /91, Keck u. Mithouard, Slg. 1993, S. 1-6097 (6131); Rs. C-368 / 95, Vereinigte Familiapress Zeitungsverlags- und -vertriebs GmbH / Heinrich Bauer Verlag, Sig. 1997, S. 1-3689 (3713). 42 Zu diesem Gesichtspunkt als Merkmal der Eignung eines Werbeverbots zur Handeisbehinderung EuGH Rs. C-320 / 93, Lucien Ortscheit GmbH / Eurim-Pharm Arzneimittel GmbH, Sig. 1994, S. 1-5243 (5262); MÜller-Graff(Anm. 3) Art. 30 Rn. 118. 43 EuGH Rs. C-67 / 97, B1uhme, noch nicht veröffentlicht. 44 EuGH Rs. 120/78, Rewe-Zentrale-AG / Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 1979, S. 649 (662). 45 Dauses (Anm. 22) Rn. 98 f.; MÜller-Graff(Anm. 3) Art. 30 Rn. 56. 46 MÜller-Graff(Anm. 3) Art. 30 Rn. 195. 47 EuGH Rs. 120/78, Rewe-Zentrale-AG / Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 1979, S. 649 (662); ebenso etwa Rs. 788/79, Gilli u.a., Slg. 1980, S. 2071 (2078); Rs. 27/80, Fietje, Slg. 1980, S. 3839 (3853); Rs. 113/80, Kommission / Irland, Sig. 1981, S. 1625 (1639); Rs. 6/81, BV Industrie Diensten Groep / J. A. Beele Handelmaatschappij BV, Slg. 1982, S. 707 (716); Rs. 220 / 81, Robertson u.a., Slg. 1982, S. 2349 (2360); Rs. 286/81, Oosthoek's Vitgevers- maatschappij BV, Slg. 1982, S.4575 (4587); Rs. 207/83, Kommission / Vereinigtes Königreich, Slg. 1985, S. 1201 (1212); Rs. C-126 / 91, Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft e.V. /

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Bestimmung keine Maßnahme gleicher Wirkung dar. 48 Einer Rechtfertigung am Maßstab des Art. 30 EGV bedarf es dann nicht mehr. Da bei Beachtung der (0. IV.) dargestellten Grundsätze ein Haltungs- oder Ausstellungsverbot für im Inland tierschutzwidrig behandelte Tiere angeordnet werden kann, sind sowohl eine diskriminierende als auch ein unterschiedslos anwendbares Verbot instrumentell denkbar. Ein auf Tiere aus anderen Staaten begrenztes Haltungs- oder Ausstellungsverbot verstößt als Maßnahme gleicher Wirkung gegen Art. 28 EGV und kann allein nach Art. 30 EGV gerechtfertigt sein. Ein unterschiedslos für in der Bundesrepublik und im Ausland gezüchtete Tiere geltendes Verbot ist nur dann mit Art. 28 EGV unvereinbar, wenn es nicht aus zwingenden Erfordernissen notwendig ist. Was unter einem "zwingenden Erfordernis" zu verstehen ist, läßt sich nur aus der Kasuistik der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erschließen, welche allerdings nicht den Charakter eines abschließenden Katalogs hat. 49 Wesentliche Konkretisierungen sind eine wirksame steuerliche Kontrolle 50 , die Lauterkeit des Handelsverkehrs5 \ der Verbraucherschutz52, der Umweltschutz 53 sowie eine Reihe weiterer Belange54 • Um einem solchen zwingenYves Rocher GmbH, Slg. 1993, S. 1-2361 (2388 f.); Rs. C-470 / 93, Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe / Mars GmbH, Slg. 1995, S. 1-1923 (1941 f.). 48 Vgl. EuGH Rs. 113 / 80, Kommission / Irland, Slg. 1981, S. 1625 (1639); Rs. 220 / 81, Robertson u.a., Slg. 1982, S. 2349 (2360); Rs. 261 / 81, Walter Rau Lebensmittelwerke / De Smedt P.v.b.A., Slg. 1982, S. 3961 (3972); Dauses (Anm. 22) Rn. 108. 49 Hailbronner (Anm. 15) Art. 30 Rn. 8; Matthies / von Borries (Anm. 8) Art. 30 Rn. 19. 50 EuGH Rs. 120/78, Rewe-Zentrale-AG / Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 1979, S. 649 (662). 51 EuGH Rs. 120/78, Rewe-Zentrale-AG / Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 1979, S. 649 (662); Rs. 16/83, Prantl, Slg. 1984, S. 1299 (1327); Rs. 179 / 85, Kommission / Deutschland, Slg. 1986, S. 3879 (3897); Rs. C-67 / 88, Kommission / Italien, Slg. 1990, S. 1-4285 (4296). 52 EuGH Rs. 120/78, Rewe-Zentrale-AG / Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 1979, S. 649 (662); Rs. 220/81, Robertson u.a., Slg. 1982, S. 2349 (2360); Rs. 382/87, R. Buet u.a. / Ministere public, Slg. 1989, S. 1235 (1251); Rs. C-239 / 90, SCP Boscher, Studer und Fromentin/SA British Motors Wright u.a., Slg. 1991, S. 1-2023 (2039); Rs. C-51 /93, Meyhui NV / Schott Zwiesel Glaswerke AG, Sig. 1994, S. 1-3879 (3900). 53 EuGH Rs. 240/83, Procureur de la Republique / Association de defense des brfileurs d'huiles usagees, Slg. 1985, S. 531 (549); Rs. 302/86, Kommission / Dänemark, Slg. 1988, S. 4607 (4630); Rs. C-2 / 90, Kommission / Belgien, Slg. 1992, S. 1-4431 (4479). Zu diesem Fragenkreis vgl. Ulrich Becker, Der Gestaltungsspielraum der EG-Mitgliedstaaten im Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und freiem Warenverkehr, Baden-Baden 1991; Astrid Epiney / Thomas Möllers, Freier Warenverkehr und nationaler Umweltschutz, Köln / Berlin / Bonn / München 1992. 54 Überblick bei Müller-GrafJ (Anm. 3) Art. 30 Rn. 225; vgl. zuletzt EuGH Rs. C-368 / 95, Vereinigte Familiapress Zeitungsverlags- und -vertriebs GmbH / Heinrich Bauer Verlag, Sig. 1997 S. 1-3689 (3715): Aufrechterhaltung der Medienvielfalt.

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den Erfordernis gerecht zu werden, ist eine Maßnahme nur dann "notwendig", wenn sie zur Erreichung des Ziels geeignet, notwendig und verhältnismäßig (im engeren Sinne) ist. 55 Der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann allerdings entnommen werden, daß er den Tierschutz nicht als zwingendes Erfordernis im Sinne der Cassis-Judikatur ansieht. Dem Urteil vom 3. Dez. 1998 in der Rechtssache Bluhme lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem durch eine nationale Bestimmung ein unterschiedslos anwendbares Verbot der Haltung bestimmter Tiere angeordnet wurde. Sowohl die dänische als auch die norwegische Regierung haben im Verfahren ausdrücklich den Standpunkt vertreten, daß das Haltungsverbot im Sinne der Cassis-Rechtsprechung zur Verfolgung eines zwingenden Erfordernisses notwendig sei. S6 Das Urteil des Gerichtshofs enthält hierzu keine Ausfiihrungen, sondern ~eht unmittelbar zur Prüfung des Art. 36 EGV (a.F.; jetzt: Art. 30 EGV) über. s Systematisch besteht dafiir nur dann ein Bedürfnis, wenn das Haltungsverbot als Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 28 EGV eingestuft worden ist. Wäre es aus zwingenden Erfordernissen notwendig, so wäre - mangels Verstoßes gegen Art. 28 EGV - fiir eine Rechtfertigung am Maßstab des Art. 30 EGV kein Raum mehr. Offenbar soll der Tierschutz nicht im Rahmen der Cassis-Doktrin, sondern allein bei der Anwendung des Art. 30 EGV berücksichtigt werden können. Möglicherweise folgt der Gerichtshof damit den seit längerem im Schrifttum geäußerten Bedenken gegenüber einer Prüfung der in Art. 30 EGV ausdrücklich erwähnten Rechtsprechungsgründe zusätzlich als zwingende Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung. S8 Danach wird man davon ausgehen müssen, daß der Tierschutz kein zwingendes Erfordernis ist, das ein auf in der Bundesrepublik und in anderen Mitgliedstaaten gezüchtete Tiere unterschiedslos anwendbares Haltungs- oder Ausstellungsverbot notwendig machen würde. Auch ein unterschiedslos anwendbares Verbot stellt mithin eine gegen Art. 28 EGV verstoßende Maßnahme gleicher WirkUng wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung dar. In der Zusammenfassung verstoßen Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbote fiir in anderen Mitgliedstaaten nach den Maßstäben des deutschen Tier55 EuGH Rs. 120/78, Rewe-Zentrale-AG / Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 1979, S. 649 (664); Rs. C-368 / 95, Vereinigte Familiapress Zeitungsverlagsund -vertriebs GmbH / Heinrich Bauer Verlag, Slg. 1997 S. 1-3689 (3715 f.); Matthies / von Borries (Anm. 8) Art. 30 Rn. 19. 56 Vgl. EuGH Rs. C-67 / 97, Bluhme, noch nicht veröffentlicht. 57 EuGH Rs. C-67 / 97, Bluhme, noch nicht veröffentlicht. 58 Vgl. Dauses (Anm. 22) Rn. 109; MÜller-Graff(Anm. 3) Art. 30 Rn. 208; für die ausschließliche Prüfung des Rechtfertigungsgrundes des Gesundheitsschutzes im Rahmen des Art. 30 EGV vgl. EuGH Verb. Rs. C-I u. 176 / 90, Aragonesa de Publicidad Exterior SA u.a. / Departemento de Sanidad y Seguridad Social, Slg. 1991, S. 1-4151 (4184).

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schutzrechts tierschutzwidrig behandelte Tiere gegen Art. 28 EGV. Während ein Einfuhrverbot als mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne dieser Vorschrift einzuordnen ist, sind Haltungs- und Ausstellungsverbote Maßnahmen gleicher Wirkung - und zwar unabhängig davon, ob das Verbot nur auf aus dem Ausland stammende Tiere oder unterschiedslos auf in der Bundesrepublik und in anderen Mitgliedstaaten gezüchtete Tiere anwendbar ist. c) Zur Rechtfertigung eines Einfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverbots unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes

Nach Art. 30 EGV stehen u.a. die Bestimmungen des Art. 28 EGV Einfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Tieren gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. Die Ausnahmevorschrift des Art. 30 EGV ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eng auszulegen. 59 Der Katalog der eine Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten ermöglichenden Rechtfertigungsgründe ist abschließend60 und bezieht sich nur auf Interessen nichtwirtschaftlicher Art61 . Überdies bedarf die Schutzmaßnahme grundsätzlich eines Bezugs zum Gebiet des die Maßnahme anordnenden Mitgliedstaats. 62 Ein bevormundender Standardexport zur Wahrung der Interessen eines anderen Mitgliedstaates wird von Art. 30 EGV nicht getragen. 63 Eine Ausnahme kann allenfalls dann zugelassen werden, wenn die Maßnahme Interessen eines anderen Mitgliedstaats verfolgt und zur Förderung des freien

59 EuGH Rs. 13/68, Salgoil / Außenhande1sministerium der Italienischen Republik, Sig. 1968, S. 679 (694); Rs. 46/76, Bauhuis/Niederlande, Sig. 1977, S. 5 (15); Rs. 113 / 80, Kommission / Irland, Sig. 1981, S. 1625 (1638); Rs. C-205 /89, Kommission / Griechenland, Sig. 1991, S. 1-1361 (1377). 60 EuGH Rs. 113 / 80, Kommission / Irland, Sig. 1981, S. 1625 (1638); Rs. 95 / 81, Kommission / Italien, Sig. 1982, S. 2187 (2204). 61 EuGH Rs. 7/61, Kommission / Italien, Slg. 1961, S. 693 (698); Rs. 95/81, Kommission / Italien, Sig. 1982, S. 2187 (2204); Rs. C-324 / 93, The Queen / Secretary of State for the Horne Department, ex parte: Evans Medical Ltd. u.a., Sig. 1995, S. 1-563 (608). 62 Vgl. Matthieslvon Borries (Anm. 8) Art. 36 Rn. 17; MÜller-GrajJ(Anm. 3) Art. 36 Rn. 37 ff. 63 Matthies I von Borries (Anm. 8) Art. 36 Rn. 17; Müller-GrajJ (Anm. 3) Art. 36 Rn. 38.

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Warenverkehrs ergeht. 64 Darüber hinaus kann ein Mitgliedstaat auch dann eines der in Art. 30 S. 1 EGV definierten Schutzinteressen verfolgen, wenn der auslösende Tatbestand sich zwar nicht auf seinem Gebiet verwirklicht, in Ermangelung einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung aber ein Handeln im wohlverstandenen Eigeninteresse des betreffenden Staates liegt. 65 Beispiele sind nationale Maßnahmen zum Schutz der Atmosphäre oder zum Schutz vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten, die in dem Mitgliedstaat freilebend nicht vorkommen. 66 Eine Rechtfertigung nach Art. 30 S. 1 EGV kommt nur in Betracht, wenn die mitgliedstaatliche Maßnahme gerade zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren ergriffen wird. Die Vorschrift trägt keine Defmition allgemeiner Qualitätsstandards. 67 Gerechtfertigt sind beispielsweise Regelungen zur Bewahrung der biologischen Vielfalt durch Maßnahmen zur Erhaltung einer einheimischen, durch besondere Merkmale abgegrenzten Tierpopulation68 oder zum Schutz gegen die Einfuhr krankheitserregender Lebewesen69 • Auch für diesen Rechtfertigungsgrund gilt, daß die Mitgliedstaaten nicht berechtigt sind, ihre Wertvorstellungen anderen Staaten aufzuerlegen. 7o Die Setzung transnationaler Tierschutzstandards ist nur durch einheitliche Regelungen auf Gemeinschaftsebene oder völkerrechtliche Übereinkommen möglich. 71 Eine derartige internationale Standardsetzung ist beispielsweise durch das Europäische Übereinkommen vom 13. Nov. 1987 zum Schutz von Heimtierenn erfolgt. Sein Art. 5 verpflichtet bei der Auswahl eines Heimtieres zur Zucht dazu, die anatomischen, physiologischen und ethologischen Merkmale zu berücksichtigen, die Gesundheit und Wohlbefmden der Nachkommenschaft oder des weiblichen Elternteils gefährden können. Die hinter diesem Gebot stehende Wertung ist vergleichbar mit der das Verbot der Qualzüchtung in § 11 b TierSchG tragenden. Durch Art. 10 Abs. 1 lit.a und b des Übereinkommens ausdrücklich verboten sind das Kupieren des Schwanzes und das Kupieren der Ohren. Ausweislich des Art. 21 Abs. 1 des Übereinkommens ist die Erklärung 64 Vgl. EuGH Rs. 46/76, Bauhuis / Niederlande, Sig. 1977, S. 5 (19 f.); MüllerGrafJ(Anm. 3) Art. 36 Rn. 38. 6S MÜller-GrafJ(Anm. 3) Art. 36 Rn. 39. 66 MÜller-GrafJ(Anm. 3) Art. 36 Rn. 39. 67 Matthies / von Borries (Anm. 8) Art. 36 Rn. 17; Müller-GrafJ (Anm. 3) Art. 36 Rn. 61. 68 EuGH Rs. C-131 /93, Kommission / Deutschland, Sig. 1994, S. 1-3303 (3320 f.); Rs. C-67 / 97, B1uhme, noch nicht veröffentlicht. 69 EuGH Rs. 40 / 82, Kommission / Vereinigtes Königreich, Sig. 1982, S. 2793 (2824 ff.); Rs. 74/82, Kommission / Irland, Sig. 1984 S. 317 (342 ff.). 70 Matthies / von Borries (Anm. 8) Art. 36 Rn. 17. 7\ Matthies / von Borries (Anm. 8) Art. 36 Rn 17. 72 BGBI. 1991 11, S. 403.

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eines Vorbehalts nur zu Art. 10 Abs. 1 lit.a zulässig. Nur insoweit können also nationale Wertvorstellungen zum Tragen gebracht werden. Von Bedeutung ist dieses Übereinkommen insbesondere deshalb, weil alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gleichzeitig Mitglieder des Europarates sind. Das Übereinkommen ist zwar noch nicht von allen Mitgliedstaaten des Europarates ratifIziert worden, soll aber europaweite Tierschutzstandards setzen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die noch ausstehenden RatifIzierungen in absehbarer Zeit erfolgen. 73 Soweit nicht nach dem Übereinkommen die Erklärung eines Vorbehalts zulässig ist, wird kaum davon gesprochen werden können, daß ein Staat, der sich um eine möglichst effektive Umsetzung der Inhalte des Heimtierübereinkommens bemüht, einseitig nationale Wertvorstellungen exportiert. Der betreffende Tierschutzstandard ist hier transnational vereinbart worden. Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbote ergehen mithin jedenfalls zum Schutz der Gesundheit solcher Tiere, die in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft im Wege der Qualzüchtung gezüchtet oder an den Ohren kupiert worden sind. Die Verfolgung des mittelbaren Schutzkonzepts der Vorfeldprävention (0. III 1) steht der Anwendbarkeit des Art. 30 S. 1 EGV nicht entgegen. Das Mittel, mit dem ein Mitgliedstaat eines der in Art. 30 S. 1 EGV genannten Rechtsgüter schützen will, ist durch die Vorschrift nicht vorgegeben. Wie bei den zum Schutz von Gesundheit und Leben von Menschen ergriffenen Maßnahmen legen die Mitgliedstaaten innerhalb des gemeinschaftsrechtlichen Rahmens die angestrebte Schutzintensität fese 4 . Darüber hinaus kommt ihnen bei der Beurteilung, ob mit dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes begründete Maßnahmen von Art. 30 EGV gedeckt sind, ein weiter Ermessensspielraum ZU. 75 Die Grenze dieser mitgliedstaatlichen Bewertungsspielräume ist dort erreicht, wo die Maßnahme zum Rechtsgüterschutz nicht mehr gerechtfer• • 76 ngt 1St.

BTDrucks 13 / 7016 S. 34 f. Vgl. EuGH Rs. \04/75, de Peijper, Sig. 1976, S. 613 (635); Rs. 174/ 82, Sandoz B.V., Slg. 1983, S. 2445 (2463); Verb. Rs. 266 u. 267/87, The Queen / Royal Pharmaceutical Society, Slg. 1989, S. 1295 (1328 f.); Rs. C-62 / 90, Kommission / Deutschland, Sig. 1992, S. 1-2575 (2605); Rs. C-320 / 93, Lucien .9rtscheit GmbH / Eurim-Pharm Arzneimittel GmbH, Sig. 1994, S. 1-5243 (5264). Zur Ubertragbarkeit auf den Rechtfertigungsgrund des Schutzes von Tieren Matthies / von Borries (Anm. 8) Art. 36 Rn. 17. 15 EuGH Rs. 54/85, Ministere public / Xavier Mirepoix, Sig. 1986, S. 1067 (1078 f.); Rs. 304/84, Ministere public / Claude Muller u.a., Sig. 1986, S. 1511 (1528); Verb. Rs. 266 u. 267/87, The Queen / Royal Pharmaceutical Society, Slg. 1989, S. 1295 (1328 f.); Rs. C-271 /92, Laboratoire de protheses oculaires / Union nationale des syndicats d'opticien, Sig. 1993, S. 1-2899 (2923); Rs. C-293 /94, Brandsma, Slg. 1996, S. 1-3159 (3176 f.). 76 MÜller-Graff(Anm. 3) Art. 36 Rn. 45. 73

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Bei Anlegung dieser Maßstäbe läßt sich auch ein Einfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverbot für in einem anderen Mitgliedstaat am Schwanz kupierte Tiere als im Sinne von Art. 30 S. 1 EGV zum Schutz der Gesundheit der Tiere ergehend qualifIzieren. Auch insoweit ist in Art. 10 Abs. 1 lit.a des Heimtierübereinkommens ein internationaler Tierschutzstandard gesetzt worden, der grundsätzlich verbindlich ist und in Gestalt der Erklärung eines Vorbehalts lediglich Ausnahmen zuläßt. Schutzzweck eines Verbots ist nicht die Durchsetzung deutscher Tierschutzvorstellungen in anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, mithin nicht die Verwirklichung eines europaweiten Kupierverbots. Vielmehr wären solche Wirkungen auf die Tierzucht in anderen Mitgliedstaaten als bloße Reflexwirkung anzusehen. Ziel eines Einfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverbots ist allein der flankierende Schutz der in der Bundesrepublik Deutschland gezüchteten Tiere vor tierschutzwidrigen Handlungen (0. III 1). Die Einbeziehung von Tieren aus anderen Mitgliedstaaten in das mittelbare Schutzkonzept dient nicht der gemeinschaftsweiten Verbreitung deutscher Tierschutzstandards, sondern allein der Verhinderung einer negativen Vorbildwirkung. Die Effektivität des Verbots, im Inland tierschutzwidrig behandelte Tiere zu halten oder auszustellen, soll dadurch gesichert werden, daß der verbotene Rassestandard nicht durch den Import von Tieren aus dem Ausland perpetuiert werden kann. Ansonsten wäre zu befürworten, daß der Rassestandard weiterhin als verbindlich akzeptiert würde und eine Beachtung des Verbots im Inland nicht gesichert wäre. Es liegt innerhalb des der Bundesrepublik zustehenden Ermessensspielraums, diese Maßnahme als durch Art. 30 S. 1 EGV gedeckt anzusehen. Bei der Beantwortung der Frage, ob die jeweilige Maßnahme zum Schutz eines der in Art. 30 S. 1 EGV genannten Rechtsgüter gerechtfertigt ist, muß zunächst eine ernstzunehmende Gefährdung des Schutzgutes festzustellen sein. 77 Da die in Rede stehenden Verbote gerade verhindern sollen, daß untersagte Rassestandards perpetuiert werden, besteht die ernstzunehmende Gefahr einer negativen Vorbildwirkung aus anderen Mitgliedstaaten eingefiihrter Tiere. Eine absolute Gewißheit der Verwirklichung dieser Vorbildwirkung wird nicht gefordert. Im Fall Bluhme hat der Europäische Gerichtshof schon eine "mehr oder weniger" aktuelle Gefahr für den bezweckten Tierschutz ausreichen lassen. 78 Weiterhin muß die Maßnahme zur Abwehr der Gefährdung geeignee 9 sowie das den freien Warenverkehr am wenigsten einschränkende Mittel sein80 und

77 Vgl. EuGH Rs. 227/82, van Bennekom, Slg. 1983, S. 3883 (3905); Rs. C-67 / 97, Bluhme, noch nicht veröffentlicht. 78 EuGH Rs. C-67 / 97, Bluhme, noch nicht veröffentlicht. 79 Dauses (Anm. 22) Rn. 159; Hailbronner (Anm. 15) Art. 36 Rn. 14.

I. Die Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft

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darf das zum Schutz des betreffenden Rechtsguts erforderliche Maß nicht überschreiten8 ). Die Eignung zur Gefährdungsabwehr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs selbst dann zu bejahen, wenn es sich um eine fiir die Zielerreichung unzulängliche Maßnahme handelt. Lediglich ein gänzlich untaugliches Mittel vermag eine Handelsbehinderung nicht zu rechtfertigen. 82 Daß Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbot geeignet sind, das mittelbare Tierschutzkonzept zu verwirklichen, ist bereits dargelegt worden (0. IV 2). Für das Gemeinschaftsrecht als Prüfungsmaßstab gilt msoweit nichts anderes. Für die Untersuchung, ob es ein mit Blick auf den freien Warenverkehr milderes Mittel gibt, ist zu beachten, daß das Einfuhrverbot die einschneidendste Handelsbeeinträchtigung darstellt. Es kann nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein. 83 Insbesondere kann ein absolutes Einfuhrverbot die Erreichbarkeit des angestrebten Ziels konterkarieren. Beispiel ist ein mit Gründen des Gesundheitssschutzes motiviertes absolutes Einfuhrverbot fiir bestimmte Waren im Vergleich zum Aufbau eines demselben Zweck verpflichteten Kontrollsystems. Hier kann das Einfuhrverbot deshalb weniger erreichen, weil der Markt des Mitgliedstaates, der das gesundheitsschützende Ziel defmiert hat, für die Erzeuger anderer Mitgliedstaaten von vornherein nicht erreichbar ist und sie dadurch davon abgehalten werden, sich dem durch den beschränkenden Mitgliedstaat gesetzten Standard anzupassen. 84 Auch im Vergleich mit einem aus tierschutzrechtlichen Gründen erlassenen Einfuhrverbot können Vermarktungsregeln das mildere Mittel sein. 8S Entsprechend verhält es sich hier: Zum Ausschluß einer negativen Vorbildwirkung von Tieren, die nach den Maßstäben des deutschen Tierschutzrechts in einem anderen Mitgliedstaat tierschutzwidrig behandelt wurden, reicht ein Verbot des Haltens oder Ausstellens der Tiere aus.

80 EuGH Rs. 104/75, de Peijper, Sig. 1976, S. 613 (635 f.); Verb. Rs. 87 u. 88/85, Societe cooperative des laboratoires de pharmacie Legia u.a. / Gesundheitsminister, Sig. 1986, S. 1707 (1722); Rs. 124/85, Kommission / Griechenland, Sig. 1986, S. 3935 (3949); Rs. 216/84, Kommission / Frankreich, Sig. 1988, S. 793 (811); Rs. 215 / 87, Heinz Schumacher / Hauptzollamt Frankfurt a.M.-Ost, Sig. 1989, S. 617 (639); Rs. C-369/88, Delattre, Sig. 1991, S. 1-1487 (1541); Rs. C-320/93, Lucien Ortscheit GmbH / Eurim-Pharm Arzneimittel GmbH, Sig. 1994, S. 1-5243 (5264); Rs. C-324 / 93, The Queen / Secretary of State for the Horne Department, ex parte: Evans Medical Ltd. u.a., Sig. 1995, S. 1-563 (608); Rs. C-67 / 97, Bluhme, noch nicht veröffentlicht. 81 Rs. C-67 / 97, Bluhme, noch nicht veröffentlicht; Matthies / von Borries (Anm. 8) Art. 36 Rn. 7. 82 Vgl. EuGH Rs. 152 / 78, Kommission / Frankreich, Slg. 1980, S. 2299 (2316). 83 Hailbronner (Anm. 15) Art. 36 Rn. 15; MÜller-GrajJ(Anm. 3) Art. 36 Rn. 151. 84 Vgl. EuGH Rs. 261 /85, Kommission / Vereinigtes Königreich, Sig. 1988, S. 547 (575). 8S Vgl. EuGH Rs. C-131 /93, Kommission/Deutschland, Sig. 1994, S. 1-3303 (3322).

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V. Gemeinschafts- und völkerrechtliche Grenzen des Verordnungserlasses

Haltungs- und Ausstellungsverbot beinhalten gegenüber dem Einfuhrverbot die geringere Beschränkung des freien Warenverkehrs. Während ein milderes Mittel der Vorfeldprävention als ein Ausstellungsverbot nicht ersichtlich ist, könnte das Verbot des Ausstellens der Tiere gegenüber einem Haltungsverbot den geringeren Eingriff bedeuten. Doch würde eine solche Betrachtungsweise außer acht lassen, daß auch die in größerem Umfang erfolgende Haltung von in einem anderen Mitgliedstaat tierschutzwidrig behandelten Tieren eine negative Vorbildwirkung zeitigen kann, ohne daß diese Tiere jemals ausgestellt würden. Haltungs- und Ausstellungsverbot stehen daher in keinem Stufenverhältnis, sondern ergänzen sich nach dem Modell sich schneidender Kreise. Insoweit ist die Vorbildwirkung der Haltung eines nach Inkrafttreten der einschlägigen tierschutzrechtlichen Verbote (Kupierverbote, Verbot der Qualzüchtung) eingeführten Tieres anders zu beurteilen als die der Haltung eines nach früherem Recht im Inland einem legalen Eingriff unterzogenen Tieres (dazu o. IV 4). Ein im Verhältnis zum Haltungsverbot milderes Mittel mit gleicher Wirksamkeit ist daher nicht ersichtlich. Bei der vorzunehmenden isolierten Betrachtung genügen mithin Haltungsoder Ausstellungsverbot den Geboten der Geeignetheit und der Wahl des den freien Warenverkehr am wenigsten einschränkenden Mittels. Probleme treten allerdings dann auf, wenn die beiden Verbote nicht alternativ, sondern kumulativ angeordnet werden. In diesem Fall kommen sie in ihren summierten Wirkungen einem Einfuhrverbot gleich. Ein milderes Mittel, das dasselbe Ziel erreichen könnte, ist auch in dieser Konstellation nicht erkennbar. Jedoch besteht besonderer Anlaß zu der Prüfung, ob die Maßnahmen im Hinblick auf das mit ihnen verfolgte Schutzziel verhältnismäßig sind. Durchzuführen ist eine Abwägung des von dem Mitgliedstaat verfolgten Interesses mit den aus der Maßnahme für eine Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs folgenden Konsequenzen. 86 Als relevante Abwägungsgesichtspunkte im Bereich des Tierschutzes hat der Europäische Gerichtshof beispielsweise die in internationalen Übereinkommen enthaltenen Wertungen berücksichtigt. 87 Überträgt man diesen Gedanken auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung von Haltungs- und Ausstellungsverbot für kupierte Tiere und Qualzüchtungen, so sprechen die in Art. 5 und Art. 10 Abs. 1 lit.a und b des Europäischen Übereinkommens vom U. Nov. 1987 zum Schutz von Heimtieren niedergelegten Wertungen für ein Überwiegen des Tierschutzinteresses. Der innergemeinschaftliche Handel mit Tieren wird nicht insgesamt beeinträchtigt. Betroffen sind nur solche Tiere, deren Behandlung im Widerspruch zu dem mit dem Heimtierübereinkommen gesetzten Tierschutzstandard steht. In Anbetracht dessen kann nicht davon ausgegangen werden, daß selbst ein kombiniertes Haltungs- und Ausstellungsverbot 86 87

MÜller-GrafJ(Anm. 3) Art. 36 Rn. 157. EuGH Rs. C-67 / 97, Bluhme, noch nicht veröffentlicht.

1. Die Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft

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außer Verhältnis zu den weniger schwerwiegenden Behinderungen des freien Warenverkehrs steht. Selbst eine nach Art. 30 S. 1 EGV gerechtfertigte Maßnahme kann sich bei Prüfung der absoluten Grenze des Art. 30 S. 2 EGV als gemeinschaftsrechtswidrig erweisen. 88 Zweck der Regelung ist es zu verhindern, daß sich einzelne Mitgliedstaaten mißbräuchlich auf die in Art. 30 S. 1 EGV geschützten Rechtsgüter berufen, um einseitige, den freien Warenverkehr beschränkende Maßnahmen zu rechtfertigen, die Waren aus anderen Mitgliedstaaten diskriminieren oder dem mittelbaren Schutz bestimmter nationaler Produktionen dienen. 89 Von vornherein außer Ansatz bleiben muß die Grenze des Art. 30 S. 2 EGV für unterschiedslos auf inländische und eingefiihrte Waren anwendbare Bestimmungen. 90 Ein unterschiedslos für in der Bundesrepublik und im Ausland tierschutzwidrig behandelte Tiere geltendes Haltungs- und / oder Ausstellungsverbot scheitert daher nicht an Art. 30 S. 2 EGV. Anderes gilt für ein auf Tiere aus anderen Mitgliedstaaten beschränktes Verbot. Wegen der durch Tiere aus dem Inland und aus dem Ausland gleichermaßen möglichen negativen Vorbildwirkung sind für eine solche Ungleichbehandlung keinerlei anerkennenswerte sachliche Erfordernisse91 erkennbar. Eine derartige Differenzierung würde zu einer willkürlichen Diskriminierung im Sinne von Art. 30 S. 2 EGV führen. In der Zusammenfassung hat die Überprüfung von Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverboten für nach den Bewertungen des deutschen Tierschutzrechts tierschutzwidrig behandelte Tiere am Maßstab der Freiheit des Warenverkehrs nach Art. 28, 30 EGV ergeben, daß ein Einfuhrverbot eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung und Haltungs- sowie Ausstellungsverbot Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen im Sinne von Art. 28 EGV darstellen. Eine Rechtfertigung dieser Maßnahmen vor dem Art. 30 EGV kommt nur für auf in- und ausländische Tiere unterschiedslos anwendbare Haltungs- und Ausstellungsverbote in Betracht.

SS

Rn. 8.

Zu Art. 30 S. 2 EGV als absoluter Grenze Matthies / von Borries (Anm. 8) Art. 36

S9 EuGH Rs. 34/79, Henn und Darby, Slg. 1979, S. 3795 (3815); Rs. 27/80, Fietje, Slg. 1980, S. 3839 (3855); Rs. 40/82, Kommission / Vereinigtes Königreich, Slg. 1982, S. 2793 (2826). 90 Dauses (Anm. 22) Rn. 189 ff. 91 Zu diesem Kriterium Dauses (Anm. 22) Rn. 189; MÜller-Graff(Anm. 3) Art. 36 Rn. 166.

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V. Gemeinschafts- und völkerrechtliche Grenzen des Verordnungserlasses d) Ausfuhrverbot und Gemeinschaftsrecht

Für die Überprüfung des Verbots der Ausfuhr von Tieren, deren Behandlung im Inland gegen das Tierschutzgesetz verstoßen hat, stellt sich das Problem der Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht nicht in gleicher Schärfe. Denn gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, S. 2 TierSchG kann ein Ausfuhrverbot nur zur Durchfiihrung eines Rechtsakts der Europäischen Gemeinschaft auf diesem Gebiet erlassen werden. Würde ein solcher Rechtsakt der Gemeinschaft ergehen, so müßte er sich an dem Verbot mengenmäßiger Ausfuhrbeschränkungen und aller Maßnahmen gleicher Wirkung nach Art. 29 EGV (früher: Art. 34 EGV) messen lassen. Wie Art. 28 EGV bindet Art. 29 EGV auch die Gemeinschaftsorgane. 92 Inhalt dieser Bindung ist die Verpflichtung, keine Hindernisse ftir den freien Warenverkehr einzuführen. 93 Eine Rechtfertigung von Ausfuhrbeschränkungen kommt ebenfalls nach Art. 30 EGV in Betracht. Dabei ist auf eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung zu achten. 94 Würde sich daher der Gemeinschaftsgesetzgeber das mittelbare Schutzkonzept der Vorfeldprävention zu eigen machen, so müßten entsprechend motivierte Ausfuhrverbote ftir alle Mitgliedstaaten gleichermaßen gelten.

2. Das Problem der Inländerdiskriminierung Das Problem der Inländerbenachteiligung kann sich in vorliegendem Zusammenhang stellen, wenn das gemeinschaftsrechtlich zulässige (0. V 1) Verbot des Haltens oder Ausstellens von Tieren, an denen in einem anderen Mitgliedstaat ein nach dessen Recht legaler Eingriff zur Verwirklichung bestimmter Rassemerkmale vorgenommen worden ist, nicht auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 (bzw. 5) TierSchG angeordnet wird. In diesem Fall können den deutschen TieTZÜchtem massive Nachteile dadurch drohen, daß ihre Tiere diesem Eingriff nicht mehr ausgesetzt werden dürfen, gleichzeitig aber der ftir deutsche Züchter verbotene Rassestandard durch die Einfuhr, Haltung und Ausstellung von Tieren aus anderen Mitgliedstaaten perpetuiert wird. Dies kann dazu führen, daß Tiere aus deutscher Zucht überhaupt nicht mehr abgenommen werden.

92 EuGH Rs. C-114 / 96, Kieffer u. Thill, Slg. 1997, S. 1-3629 (3655); Müller-Graff (Anm. 3) Art. 34 Rn. 34 i.V.m. Art. 30 Rn. 323. 93 Vgl. EuGH Rs. 80 u. 81/77, Societe Les Commissionaires Reunis S.är.l. u.a. / Receveur des douanes, Slg. 1978, S. 927 (947); Matthies / von Borries (Anm. 8) Art. 30 Rn. 43. 94 Vgl. Matthies / von Borries (Anm. 8) Art. 30 Rn. 43.

2. Das Problem der Inländerdiskriminierung

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Aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts ist eine discrimination a rebours nicht zu beanstanden. Art. 28 EGV bezweckt nicht, in allen Fällen eine Gleichbehandlung eingeführter und inländischer Waren zu erreichen. Die umgekehrte Diskriminierung wird vom Anwendungsbereich des EG-Vertrages nicht erfaßt,95 solange der Inländer nicht von den Freiheiten des Vertrages Gebrauch macht. 96 Insoweit handelt es sich bei der dargestellten Benachteiligung der deutschen Züchter um ein durch bestehende Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hervorgerufenes Problem, das nicht in den Anwendungsbereich des Vertrages fällt97 . Es besteht mittlerweile weitgehend Einigkeit darüber, daß die Bewältigung dieses Problems von den nationalen Rechtsordnungen zu leisten ist. 98 In der Bundesrepublik ist sedes materiae der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. 99 Der Gleichheitssatz verbietet, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich bzw. wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. loo Die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG knüpft deshalb primär an ein positives Tun des Norrnsetzers an. 101 Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG durch ein gesetzgeberisches Handeln steht vorliegend jedoch nicht in Rede. Die die deutschen Tierzüchter benachteiligenden Folgen würden sich vielmehr gerade daraus ergeben, daß eine Regelung in Gestalt eines Haltungs- und / oder Ausstellungsverbots nicht getroffen wird. Hierüber hilft auch nicht die Figur des teilweisen Unterlassens hinweg, bei dem bei genauer Analyse ein positives Tun des Gesetzgebers vorliegt, das jedoch gleichheitswidrig nicht auf eine bestimmte Personengruppe erstreckt wurde 102. Denn eine Ausdehnung des Eingriffsverbots 95 EuGH Rs. 355 185, Driancourt, commissaire de police, Thouars I Michel Cognet, Slg. 1986, S. 3231 (3242); Rs. 98 I 86, Ministere public I Arthur Mathot, Slg. 1987, S. 809 (821); Thomas Burmeister, Inländerdiskriminierungen im Lichte gemeinschaftsrechtlicher Lösungen, Kiel 1994, S. 166 ff.; Hailbronner (Anm. 15) Art. 30 Rn. 5a; Matthies I von Borries (Anm. 8) Art. 30 Rn. 49; Marion-Angela Reitmaier, Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Kehll Straßburg 1984, S. 77 ff.; Theodor Schilling, Gleichheitssatz und Inländerdiskriminierung, JZ 1994, S. 8 (9); Manfted Zuleeg, in: von der Groeben I Thiesing I Ehlermann (Anm. 3) Art. 6 Rn. 15. 96 Armin von Bogdandy, in: Grabitz I Hilf (Anm. 8) Art. 6 Rn. 54. 97 Vgl. Lutz Münnich, Art. 7 EWGV und Inländerdiskriminierung, ZfRV 1992, S. 92 (100). 98 Bogdandy (Anm. 96) Art. 6 Rn. 54; Münnich (Anm. 97) S. 100. 99 Lerlre Osterloh, in: Sachs, Grundgesetz, 2. Aufl. München 1999, Art. 3 Rn. 71; Hubert Weis, Inländerdiskriminierung zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht, NJW 1983, S. 2721 (2725 ff.). 100 Vgl. Man/red Gubelt, in: von Münch I Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 4. Aufl. München 1992, Art. 3 Rn. 11 m.w.N. 101 Gubelt (Anm. 100) Art. 3 Rn. 10. 102 Vgl. BVerfGE 6, S. 257 (264 ff.); 15, S. 46 (60 ff.); Gubelt (Anm. 100) Art. 3 Rn. 10; Hans D. Jarass, in: Jarass I Pieroth, Grundgesetz rur die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. München 1995, Art. 3 Rn. 5.

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V. Gemeinschafts- und völkerrechtliche Grenzen des Verordnungserlasses

auf in anderen Mitgliedstaaten gezüchtete Tiere ist dem deutschen Gesetzgeber nicht möglich. Die aus dem Unterlassen einer Regelung sich ergebenden faktisch unterschiedlichen Folgen sind hinzunehmen. Aus Art. 3 Abs. 1 GG läßt sich keine selbständige Handlungspflicht des Normsetzers ableiten. 103 Insofern ist die Konstellation von vornherein anders als bei der auf der Anwendung von Gemeinschaftsrecht beruhenden Besserstellung von EGAusländern. Sofern für diese Fallgestaltung aus Art. 3 Abs. 1 GG eine Handlungspflicht zugunsten der Inländer angenommen wird, beruht dies darauf, daß die Inländerbenachteiligung auf einer den deutschen Normsetzer bindenden rechtlichen Regelung beruhe 04 . Vorliegend hingegen können benachteiligende Wirkungen allein dadurch entstehen, daß in der Bundesrepublik ein höherer tierschutzrechtlicher Standard als in anderen Mitgliedstaaten gilt. In den Kompetenzbereich verschiedener Normsetzer fallende Sachverhalte aber werden von Art. 3 Abs. 1 GG nicht erfaßt. \05 Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, daß ein Haltungs- oder Ausstellungsverbot nur für Tiere aus inländischer Zucht angeordnet würde. Darin läge im Vergleich zu den im Ausland einem nach deutschen Recht verbotenen Eingriff ausgesetzten Tieren eine Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte, welche durch keinen sachlichen Grund zu rechtfertigen ist und daher gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen würde. Erinnert man zusätzlich daran, daß bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 (bzw. Nr. 5) TierSchG ein Haltungs- oder Ausstellungsverbot erlassen werden muß (0. III 2 e), so kann sich von Verfassungs wegen das Problem der Inländerbenachteiligung gar nicht stellen: Das Bundesministerium ist zum Erlaß einer Verbotsverordnung verpflichtet, in die wegen Art. 3 Abs. 1 GG auch die im Ausland einem in Deutschland verbotenen Eingriff unterworfenen Tiere einbezogen werden müssen. Weiterhin ist zu beachten, daß das Unterlassen einer für einheimische und ausländische Tiere gleichermaßen geltenden Regelung Rückwirkung auf die Zulässigkeit der Beschränkung von Freiheitsgrundrechten der inländischen Tierhalter hat. Die Nichteinbeziehung Gebietsfremder in eine belastende Regelung kann dazu führen, daß die den Inländern auferlegte Belastung ungeeignet oder unverhältnismäßig wird. \06 Der Gubelt (Anm. 100) Art. 3 Rn. 10; Osterloh (Anm. 99) Art. 3 Rn. 89. Vgl. Christoph Hammerl, Inländerdiskriminierung, Berlin 1997, S. 180; Gert Nicolaysen, Inländerdiskriminierung im Warenverkehr, EuR 1991, S. 95 (115 ff.); Schilling (Anm. 95) S. 10 ff.; Weis (Anm. 99) S. 2725. \05 Vgl. BVerfGE 21, S. 54 (68); 76, S. 1 (73); 79, S. 127 (158); Astrid Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, Köln / ~erlin / Bonn / München 1995, S. 426; Jarass (Anm. 102) Art. 3 Rn. 7. Kritisch zur Ubertragbarkeit dieses aus dem Bund-LänderVerhältnis stammenden Grundsatzes Alexander Graser, Zum Stand der Diskussion zur Inländerdiskriminierung, DÖV 1998, S. 1004 (1007 f.). 106 Ulrich Fastenrath,Inländerdiskriminierung, JZ 1987, S. 170 (175). \03

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3. Die Überprüfung am Maßstab von WTO-Regeln

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Nichterlaß einer Rechtsverordnung, die ein Haltungs- oder Ausstellungsverbot für zum Erreichen bestimmter Rassemerkmale tierschutzwidrig behandelte Tiere anordnet, würde die Konsequenz zeitigen, daß die Primärverbote der §§ 6, 11 b TierSchG an Akzeptanz und damit realer Wirksamkeit verlieren. Sollte sich die Entwicklung ergeben, daß die Primärverbote durch die Einfuhr von im Ausland tierschutzwidrig behandelten Tieren umgangen werden und der Anteil importierter Tiere an den gehaltenen und ausgestellten Tieren immer weiter zunimmt, so müßten die nur für inländische Züchter geltenden Primärverbote als unverhältnismäßig, im Extremfall sogar als ungeeignet zur Erreichung des tierschutzrechtlichen Ziels angesehen werden.

3. Die Überprüfung von Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverboten am Maßstab von WTO-Regeln Zur Vereinbarkeit eines auf der Grundlage von § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 oder 5 TierSchG erlassenen Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverbots mit WTORegeln hat die Bundesregierung die Auffassung vertreten, WTO-Bestimmungen würden es verbieten, heimische Produktions-, Vermarktungs- und Verarbeitungsvorschriften, zu denen auch tierschutzrechtliche Vorschriften gehörten, auf das Gebiet anderer WTO-Mitglieder auszudehnen. I07 Allerdings läßt diese Stellungnahme nicht erkennen, daß die verschiedenen, im Verordnungswege zu realisierenden Maßnahmen der gebotenen differenzierenden Betrachtung unterzogen worden wären. Ein pauschales "Verbot der Extraterritorialität"I08 kennen die WTO-Regeln nicht. Vielmehr muß für jedes der in Betracht kommenden Verbote im einzelnen ermittelt werden, welche Bestimmungen des WTOSystems als PTÜfungsmaßstab heranzuziehen sind. Einschlägig sind insoweit die Vorschriften des GATT. I09 Entsprechend den Panel-Berichten vom 16.8.1991 und 20.5.1994 zum amerikanischen Import107 Gegenäußerung der Bundesregierung, BTDrucks 13 /7015 S. 45. 108 Gegenäußerung der Bundesregierung, BTDrucks 13 /7015 S. 40. 109 Zum WTO-System vgl. nur Matthias Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. München 1995, S. 107 ff.; Werner Meng, WTO-Recht als Steuerungsmechanismus der Neuen Welthandelsordnung, in: Die Neue Welthandelsordnung der WTO, hrsg. v. Martin Klein / Werner Meng / Reinhard Rode, Amsterdam 1998, S. 19 ff.; Ernst-Ulrich Petersmann, The Transformation of the World Trading System through the 1994 Agreement Establishing the World Trade Organization, EJIL 6 (1995), S. 161 ff.; Reinhard Rode, Regimewandel vom GATT zur WTO, in: Die Neue Welthandelsordnung der WTO, hrsg. v. Martin Klein / Werner Meng / Reinhard Rode, Amsterdam 1998, S. 1 ff.; Richard Senti! Patricia Conlan, WTO-Regulation of WorId Trade after the Uruguay Round, Zürich 1998; Peter-Tobias StoII, Die WTO: Neue Welthandelsorganisation, neue Welthandelsordnung, Ergebnisse der Uruguay-Runde des GATT, ZaöRV 54 (1994), S. 241 ff.

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V. Gemeinschafts- und völkerrechtliche Grenzen des Verordnungserlasses

verbot für Thunfisch aus Ländern, deren Fischer beim Thunfischfang mehr als eine bestimmte Anzahl von Delphinen getötet haben, ist zunächst zu unterscheiden, ob es sich um produkt- oder produktionsbezogene Maßnahmen handelt. 110 Während produktbezogene Handelshemmnisse allein an Art. III GATT zu messen sind, gilt für produktionsspezifische Anforderungen der strengere Maßstab des Art. XI GATT. 111 Die Panel-Berichte betonen ausdriicklich, daß Art. III GATT die Anwendung nichtdiskriminierender Produktvorschriften aus Gründen des Umweltschutzes zuläßt. 112 Regelungen, die am Produktionsprozeß ansetzen, unterfallen hingegen nur dann Art. III GATT, wenn sie sich auf die Qualität des hergestellten Gutes auswirken. 113 In den berichteten Fällen betrafen die sich auf die Fangmethoden beziehenden Vorschriften nicht das Produkt als solches: Es ist für die Klassifizierung als Thunfisch und dessen Qualität unerheblich, ob und wieviel Delphine beim Fang getötet wurden. 114 Ausschlaggebend sind die Eigenschaften des Produkts selbst. 115 Insoweit besteht eine gewisse Parallele zu der vom Europäischen Gerichtshof in der Keck-Rechtsprechung vorgenommenen Unterscheidung zwischen Bestimmungen, die nur bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, und produktbezogenen Vorschriften (0. V 1 b). Doch kann die vorgenommene Zuordnung von Verboten, deren Bezugspunkt die tierschutzwidrige Behandlung eines Tieres ist, zur Gruppe der produktbezogenen Vorschriften (0. V 1 b) nicht ohne weiteres auf die bei der Anwendung des GATT zu leistende Unterscheidung übertragen werden. Für diese Unterscheidung ist vielmehr das Ziel des Ausschlusses protektionistischer Maßnahmen ausschlaggebend, die über die Setzung extraterritorial wirkender Produktionsstandards defmiert werden sollen. 116 Unter dieser Zielbetrachtung kann nicht davon ausgegangen werden, daß für die Bewertung von Einfuhr-, Haltungs- und Ausstellungsverboten am Maßstab des GATT die äußerlich erkennbare Tatsache, daß ein Tier einem Eingriff ausgesetzt war, einen einheitlich alle diesem Eingriff unterzogenen Tiere erfassenden ausschließlichen Produktbezug vermittelt.

110 Andreas Diem, Freihandel und Umweltschutz in GATI und WTO, BadenBaden 1996, S. 35,41. 111 Armin von Bogdandy, Internationaler Handel und nationaler Umweltschutz: Eine Abgrenzung im Lichte des GATI, EuZW 1992, S. 243 (244 f.). 112 Ernst-Ulrich Petersmann, Umweltschutz und Welthandelsordnung im GATI-, OECD- und EWG-Rahmen, EA 1992, S. 257 (261). 113 Bogdandy (Anm. 111) S. 245. 114 Bogdandy (Anm. 111) S. 244. 115 Diem (Anm. 110) S. 35,41. 116 Vgl. Paul Richli / Claudia Ruf, Wieviel Tierschutz erlaubt das GATf?, Zürich 1995, S. 44 f.; Reinhard Wolf, Ein Regime unter Druck? GA TI, WTO und die "grüne" Herausforderung, in: Die Neue Welthandelsordnung der WTO, hrsg. v. Martin Klein I Werner Meng I Reinhard Rode, Amsterdam 1998, S. 75 (83).

3. Die Überprüfung arn Maßstab von WTO-Regeln

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Denn ausschlaggebend für den Anwendungsbereich eines nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 (bzw. 5) TierSchG erlassenen Verbots ist nicht der eingetretene Erfolg, die Eigenschaft als Tier, an dem ein Eingriff vorgenommen wurde, sondern der Weg, auf dem diese Eigenschaft begründet wurde, nämlich die tierschutzwidrige Behandlung. Ein Einfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverbot kann nicht auf alle von dem jeweiligen Eingriff betroffenen Tiere erstreckt werden. Tiere, bei denen der Eingriff auf der Grundlage einer der Ausnahmen des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG erfolgte, dürfen in ein Verbot nicht einbezogen werden (IV 1 c, 4). Ansatzpunkt eines Verbots ist daher keine Eigenschaft des Tieres als solche, sondern die Art der Behandlung des Tieres. Solche Bestimmungen aber müssen als produktionsbezogen eingestuft werden. Im übrigen schlösse Art. III, insbesondere Art. III:4 GATT, nur diskriminierende Maßnahmen aus. 117 Diesbezüglich entsprechen die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts denen des GATT: Soweit - wie schon gemeinschaftsrechtlich vorgegeben (0. V 1 c) - ein auf § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 (bzw. 5) TierSchG gestütztes Verbot einheitlich für in- und ausländische Tiere gilt, stünde internationales Wirtschaftsrecht nicht entgegen. Folgt man dagegen dem hier vertretenen Ansatz und entzieht die genannten Verbote dem Anwendungsbereich des Art. III GATT, so ist Prüfungsmaßstab Art. XI GATT. Nach dieser Vorschrift darf eine Vertragspartei außer Zöllen, Abgaben und sonstigen Belastungen u.a. bei der Einfuhr einer Ware aus dem Gebiet einer anderen Vertragspartei Verbote oder Beschränkungen, sei es in Form von Kontingenten, Einfuhr- und Ausfuhrbewilligungen oder in Form von anderen Maßnahmen, weder erlassen noch beibehalten. Nach der eindeutigen Fassung der Vorschrift werden nur mengenmäßige Beschränkungen bei der Einfuhr erfaßt. Hierunter zu verstehen sind Maßnahmen, die die Einfuhr bestimmter Waren völlig verbieten, zahlenmäßig beschränken oder von nur in begrenztem Umfang erteilten Importlizenzen abhängig machen. 118 Das Verbot erfaßt daher von vornherein nicht die Verhängung von Haltungs- und Ausstellungsverboten für Tiere. Solche Verbote sind mit den GATT-Bestimmmmen in jedem Fall vereinbar, wenn sie diskriminierungsfrei ausgestaltet sind. Hingegen würde ein Einfuhrverbot für im Ausland nach den Maßstäben des deutschen Tierschutzrechts tierschutzwidrig behandelte Tiere gegen Art. XI: 1 GATT verstoßen. Zu erörtern bleibt die Frage einer Rechtfertigung dieses Verstoßes durch eine nach Art. XX GATT zugelassene Ausnahme. Nach Art. XX (b) GATT darf keine GATT-Bestimmung eine Vertragspartei daran hindern, Maßnahmen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen zu beschließen oder durchzuführen, wenn diese Maßnah-

117 118

Bogdandy (Anm. 111) S. 244. Diem (Anm. 110) S. 85.

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V. Gemeinschafts- und völkerrechtliche Grenzen des Verordnungserlasses

men nicht so angewendet werden, daß sie zu einer willkürlichen und ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Ländern, in denen gleiche Verhältnisse bestehen, oder zu einer verschleierten Beschränkung des internationalen Handels führen. Die Festlegung des innerstaatlichen Schutzniveaus für die in Art. XX (b) GA TI genannten Schutzgüter steht den Vertragsparteien frei. 119 Haltungs- und Ausstellungsverbote für tierschutzwidrig behandelte Tiere zielen auf eine Vorfeldprävention ab (III 1) und können als Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit von Tieren im Sinne von Art. XX (b) GATI verstanden werden. Allerdings interpretiert der Panel-Bericht vom 16.8.1991 zum ersten Thunfisch / Delphin-Fall den Art. XX (b) GATI sehr eng. Art. XX (b) GATI erlaube nicht die Ergreifung von Maßnahmen mit extraterritorialer Wirkung, welche durch einseitige und diskriminierende Einfuhrembargos anderen Staaten Produktionsstandards aufzwingen. Bei einem anderen Verständnis könnte jede Vertragspartei einseitig die Schutzpolitiken für Leben und Gesundheit bestimmen, von denen andere Parteien nicht abweichen könnten, ohne ihre Rechte aus dem GATI zu gefährden. Das GATI würde dann aber keinen multilateralen Rahmen für den Handel zwischen allen Vertragsparteien darstellen, sondern würde Rechtssicherheit nur für den Handel zwischen einer begrenzten Zahl von Vertragsparteien mit identischen internen Bestimmungen gewähren. 120 Darüber hinaus fehle es an der Notwendigkeit der von den USA einseitig verhängten Importbeschränkung. Zum einen hätten die USA nicht ausreichend dargelegt, daß sie alle Möglichkeiten zur Zielerreichung durch GATIkonforme Maßnahmen, insbesondere durch die Vereinbarung internationaler Standards ausgeschöpft hätten. Zum anderen verstoße die Maßnahme der USA gegen das Transparenzgebot, weil der Inhalt der amerikanischen Standards für die Behörden anderer Fangstaaten kaum kalkulierbar gewesen sei. 121 Legt man diesen strikten Ansatz zugrunde, so würde eine Rechtfertigung eines Einfuhrverbots für Tiere, die im Ausland einer nach deutschen Maßstäben tierschutzwidrigen Behandlung ausgesetzt waren, nach Art. XX (b) GATI ausscheiden. Eine solche Maßnahme würde den Schutz von Tieren erfassen, die außerhalb des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland leben, und damit extraterritoriale Wirkung entfalten. Damit überhaupt noch solche Tiere aus anderen Staaten nach Deutschland eingeführt werden dürften, müßten die anderen Staaten ihre nationalen Tierschutzstandards den deutschen angleichen. Andere Panel-Berichte sind diesem engen Verständnis des Art. XX (b) GATI nicht gefolgt. Das Panel im zweiten Thunfisch / Delphin-Fall hob in

119 Panel-Bericht vom 16.8.1991, erster Thunfisch / Delphin-Fall, Bogdandy (Anm. 111)S.245. 120 Bogdandy (Anm. 111) S. 245. 121 Bogdandy (Anm. 111) S. 245 f.

3. Die Überprüfung am Maßstab von WTO-Rege1n

115

seinem Bericht vom 20.5.1994 hervor, daß unter Art. XX (b) GATT auch der Schutz von Tieren falle, die außerhalb des Territoriums des die Maßnahme ergreifenden Staates leben. 122 Diese Interpretation wird auch durch eine Auslegung des Art. XX (b) GATT nach den maßgeblichen völkerrechtlichen Grundsätzen gestützt. 123 Von diesem Ausgangspunkt aus kann einem Einfuhrverbot für im Ausland nach deutschen Maßstäben tierschutzwidrig behandelte Tiere nicht entgegengehalten werden, eine solche Maßnahme entfalte extraterritoriale Wirkung. Zu prüfen bleibt jedoch in jedem Fall die Notwendigkeit der Maßnahme zum Schutz der Handelsgüter. Wie schon der Panel-Bericht im Fall ThailandZigaretten vom November 1990 stellte das Panel im zweiten Thunfisch / Delphin-Fall darauf ab, daß ein Importverbot nur dann als notwendige Maßnahme gerechtfertigt werden könne, wenn es kein alternatives Mittel zur Erreichung des gesundheits- bzw. tierschutzpolitischen Ziels gebe, das zumutbarerweise angewendet werden könne und nicht oder in geringerem Maße gegen das GATT verstoße. 124 Auf einer niedrigeren Ebene eingreifende Maßnahmen sind beispielsweise Besitzverbote. 125 Auf dieser Prüfungsstufe würde sich daher eine Rechtfertigung des Einfuhrverbots am Maßstab des Art. XX (b) GATT als nicht möglich erweisen. Hingegen würden die von dem Panel im zweiten Thunfisch / Delphin-Fall auf weiteren Prüfungsstufen entwickelten Anforderungen erfüllt. Zunächst ist zu fragen, ob das Importverbot, für sich allein genommen, dazu beitragen kann, das Ziel des Schutzes von Leben und Gesundheit der betreffenden Tiere zu erreichen. Dies ist zu verneinen, wenn die angestrebte Wirkung nur dadurch entfaltet werden kann, daß andere Staaten ihre Politik, ihre Praxis oder ihr Verhalten ändern. 126 Diesbezüglich bestehen allerdings hinsichtlich eines Einfuhrverbots für tierschutzwidrig behandelte Tiere keine Bedenken. Denn primäre Zielrichtung eines solchen Verbots ist nicht der Schutz von Tieren in anderen Staaten, sondern die Unterbindung einer negativen Vorbildwirkung für Tierhalter im Inland (III 1). Zur Erreichung dieses Ziels kann ein Einfuhrverbqt beitragen. Deshalb stünde einem Einfuhrverbot auch nicht die Feststellung des Panels entgegen, Art. XX GATT erlaube nicht die Ergreifung von Handelsrnaßnahmen, um andere Staaten zu zwingen, ihre Politik innerhalb ihres Hoheitsgebiets zu ändern. 127 Denn eine solche Intention läge einem auf der Grundlage

122 123 124

12S 126 127

Diem (Anm. Diem (Anm. Diem (Anm. Diem (Anm. Diem (Anm. Diem (Anm.

110) S. 42. 110) S. 115 ff. 110) S. 32, 45. 110) S. 132. 110) S. 44 f. 110) S. 45 f.

116

V. Gemeinschafts- und völkerrechtliche Grenzen des Verordnungserlasses

von § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 (bzw. 5) TierSchG erlassenen Einfuhrverbot nicht zugrunde. In der Zusammenfassung stehen WTO-Regeln einem Haltungs- und / oder Ausstellungsverbot fiir im Ausland nach deutschen Tierschutzmaßstäben tierschutzwidrig behandelte Tiere nicht entgegen, wenn diese Verbote diskriminierungsfrei ausgestaltet werden. Ein Einfuhrverbot könnte hingegen nicht gerechtfertigt werden - entweder wegen seiner extraterritorialen Wirkung oder weil Haltungs- und Ausstellungsverbote als GATI-konforme Instrumente zur Verfügung stehen.

4. Verbandsrechtliche Regelung des Ausstellungszuganges Genügt der Verordnungsgeber nicht seiner durch § 12 Abs. 2 S. 1 TierSchG begründeten Pflicht, ein Ausstellungsverbot fiir zur Erreichung bestimmter Rassemerkmale tierschutzwidrig behandelter Tiere zu erlassen (vgl. o. III 2 e), so stellt sich wegen der möglichen negativen Konsequenzen eines solchen Unterlassens fiir die deutschen Züchter (vgl. o. V 2) die Frage, ob ein Ausstellungsverbot in den Verbandsvorschriften eines deutschen Tierzuchtverbandes verankert werden könnte, ohne gegen Gemeinschaftsrecht zu verstoßen. Unproblematisch ist zunächst eine verbandsrechtliche Regelung des Ausstellungszugangs, welche sich in dem für den Erlaß einer einschlägigen Rechtsverordnung gezogenen Rahmen hält. Näherer Betrachtung bedürfen nur Verbandsbestimmungen, die diesen Rahmen übersteigen würden. Wichtigstes Beispiel ist insoweit der Ausschluß nur von ausländischen Tieren von in Deutschland veranstalteten Ausstellungen. Weitgehend unstrittig ist, daß die Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EGV keine unmittelbare Wirkung in den Rechtsbeziehungen zwischen Privaten entfaltet. 128 Ein Durchgriff kommt allenfalls in Betracht, wenn das handelsbe128 Manfred A. Dauses, Warenverkehr, Grundregeln, in: Dauses, Handbuch des EUWirtschaftsrechts, München 1998 C I Rn. 93 f.; Kay Hailbronner, in: Hailbronner ! Klein! Magiera! Müller-Graff, Handkommentar zum Vertrag über die Europäische Union, Köln! Berlin ! Bonn ! München 1998, Art. 30 Rn. 3a; Michael Lux, in: Lenz, EG-Vertrag, Köln! Basel! Wien 1994, Art. 30 Rn. 16 f.; Heinrich Matthies I Reimer von Borries, in: Grabitz! Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, München 1998, Art. 30 Rn. 43; Peter-Christian Müller-Graff, in: von der Groeben! Thiesing ! Ehlermann, Kommentar zum EU-! EG-Vertrag, 5. Aufl. Baden-Baden 1997, Art. 30 Rn. 303 ff. A.A. etwa Detlef Schaefer, Die unmittelbare Wirkung des Verbots der nichttarifären Handelshemmnisse (Art. 30 EWGV) in den Rechtsbeziehungen zwischen Privaten, Frankfurt a.M.! Bern! New York! Paris 1987, S. 154 ff. Zum Problem noch Christoph E. Hauschka, Zur privatrechtlichen Wirkung des Verbots nichttarifärer HandeIshemmnisse in der EG, DB 1990, S. 873 ff.; Ernst Steindorff, Drittwirkung der Grundfreiheiten

4. Verbandsrechtliche Regelung des Ausstellungszugangs

117

schränkende Verhalten des Privaten dem jeweiligen Mitgliedstaat zuzurechnen ist, der Mit!iliedstaat also die private Handelsbeeinträchtigung erleichtert oder genehmige 9, er einen maßgebenden Einfluß auf die private Organisation, beispielsweise durch die Bestellung der Vorstandsmitglieder oder die Unterstützung mit Haushaltsmitteln, ausübt 130, das nicht-staatliche Kollektivverhalten intermediären Charakter träge 31 oder gar staatliche Aufgaben erfüllt 132. In diesen Fällen kann die Regelung nach nationalem Recht nichtig sein. 133 Eine derartige Zurechnung könnte jedoch hinsichtlich der von einem deutschen Züchterverband erlassenen Ausstellungsbestimmungen nicht erfolgen. Sie sind ohne jeden Bezug zu einem Handeln deutscher staatlicher Gewalt. Von der Nichtigkeit einer den Ausschluß allein ausländischer Tiere von Ausstellungen anordnenden Satzungsbestimmung könnte deshalb nicht ausgegangen werden. Dem Umstand, daß gleichwohl eine Handelsbeeinträchtigung durch privates Handeln vorliegt, trägt der Europäische Gerichtshof durch Annahme einer Schutzpflicht des betreffenden Mitgliedstaats Rechnung. Danach fmdet Art. 28 EGV auch dann Anwendung, wenn ein Mitgliedstaat keine Maßnahmen ergriffen hat, um gegen Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs einzuschreiten, deren Ursachen nicht auf den Staat zurückzuführen sind. Art. 28 EGV verpflichtet die Mitgliedstaaten in Verbindung mit Art. 10 EGV (= Art. 5 EGV a.F.) dazu, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um in ihrem Gebiet die Beachtung dieser Grundfreiheit sicherzustellen. Welche Maßnahmen der Mitgliedstaat zur Sicherstellung des freien Warenverkehrs für geeignet hält, steht allerdings in seinem Ermessen. Der Gerichtshof kann nur überprüfen, ob überhaupt geeignete Maßnahmen ergriffen worden sind. 134 Insbesondere wird von den Mitgliedstaaten kein bestimmter Erfolg erwartet. 135 Solange die Bundesrepublik Deutschland keine entsprechenden Vorschriften erlassen hat, ist der Ausschluß ausländischer Tiere von Ausstellungen durch Verbandsbestimmungen möglich.

im europäischen Gemeinschaftsrecht, in: Wege und Verfahren des Verfassungslebens. FS für Peter Lerche zum 65. Geb., hrsg. v. Peter Badura I Rupert Scholz, München 1993, S. 575 ff. 129 Dauses (Anm. 128) Rn. 94. 130 Lux (Anm. 128) Art. 30 Rn. 17. 131 MÜller-Graff(Anm. 128) Art. 30 Rn. 305. 132 Hai/bronner (Anm. 128) Art. 30 Rn. 3a. 133 MÜller-Graff(Anm. 128) Art. 30 Rn. 324. 134 EuGH Rs. C-265 195, Kommission I Frankreich, Slg. 1997, S. 1-6959 (6999). Dazu Jürgen Kühling, Staatliche Handlungspflichten zur Sicherung der Grundfreiheiten, NJW 1999, S. 403 f.; Peter Szczekalla, Grundfreiheitliche Schutzpflichten - eine "neue" Funktion der Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts, DVBI. 1998, S. 219 ff. l3S Kühling (Anm. 134) S. 403. 8 Speyer 135

VI. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse •

Für das Eingriffsverbot des § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG besteht eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes (11 1).



Der Tierschutz hat derzeit nur insofern Verfassungsrang als er als legitimes Ziel gesetzgeberischen Handelns anerkannt ist (11 2a).



Prüfungsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit des tierschutzrechtlichen Eingriffsverbots ist in erster Linie das Eigentumsgrundrecht des Tierhalters aus Art. 14 Abs. 1 GG. Einschränkungen dieses Grundrechts unterliegen den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Differenzierungsgebots. Diesem Gebot genügen die vom Gesetzgeber zur Begründung der Verschärfung des Eingriffsverbots im Jahre 1998 angestellten Überlegungen nicht. Die Neuregelung verletzt daher das Grundrecht der Tierhalter aus Art. 14 Abs. 1 GG (11 2b).



Die durch § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit. b TierSchG für jagdlich zu führende Hunde zugelassene Ausnahme vom Eingriffsverbot widerspricht den Anforderungen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots und ist verfassungswidrig. Kriterien, nach denen bestimmt werden kann, wann ein Hund jagdlich zu führen ist, lassen sich nicht konkretisieren (11 3).



Den in der Verordnungsermächtigung des § 12 TierSchG enthaltenen Tatbeständen liegt ein mittelbares Schutzkonzept der Vorfeldprävention zugrunde: Einer tierschutzwidrigen Behandlung von Tieren soll dadurch entgegengewirkt werden, daß eine Perpetuation der mißbilligten Handlung durch den Umgang mit einem solchen Tier unterbunden wird. Auch insoweit besteht eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes (III 1).



§ 12 Abs. 1 TierSchG enthält kein unmittelbar geltendes Haltungs- und Ausstellungsverbot. Ein solches Verbot gilt erst dann, wenn es in einer nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 oder 5 TierSchG erlassenen Rechtsverordnung angeordnet wird. Bei Vorliegen der Erlaßvoraussetzungen ist die ermächtigte Stelle zum Erlaß einer entsprechenden Rechtsverordnung verpflichtet. In dieser Auslegung erfüllt die Ermächtigungsnorm des § 12 Abs.e 2 und 3 TierSchG die aus Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG fließenden Anforderungen (III 2e).



Von den Ermächtigungen des § 12 Abs. 2 S. 1 Nr.n 1 - 3 TierSchG kann nur Gebrauch gemacht werden, wenn ein durchführungsbedürftiger Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft vorliegt (IV 1b).

120

VI. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse



Der Begriff der tierschutzwidrigen Handlung im Sinne von § 12 Abs. 2 S. 1 Nr.n 4 und 5 TierSchG ist in einem materiellen Sinne zu verstehen: Erfaßt werden alle Handlungen, die objektiv deutschem Tierschutzrecht widersprechen - unabhängig davon, ob sie im In- oder Ausland bzw. vor oder nach Inkrafttreten der betreffenden tierschutzrechtlichen Regelung begangen worden sind (IV lc).



Tiere, an denen ein Eingriff wegen einer der in § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG beschriebenen Ausnahmen vorgenommen wurde, dürfen in ein Einfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverbot nicht einbezogen werden (IV lc,4).



Einfuhr-, Haltungs- oder Ausstellungsverbote sind mit den grundrechtlichen Gewährleistungen vereinbar, sofern das Differenzierungsgebot beachtet wird. Bei der Anordnung eines Einfuhr- oder Haltungsverbots ist eine Ausnahmeregelung vorzusehen, die eine Verschlechterung der Situation des geschädigten Tieres durch das Verbot verhindert (IV 2).



Hinsichtlich der Zulässigkeit der Erstreckung von Einfuhr-, Haltungsoder Ausstellungsverboten auf Tiere, die vor Verkündung einer entsprechenden Verordnung einem Eingriff unterzogen wurden, ist zu differenzieren: Die Einfuhr, Haltung oder Ausstellung von Tieren, die nach Inkrafttreten des betreffenden Eingriffsverbots einem solchen Eingriff unterworfen worden sind, kann untersagt werden, wenn eine Ausnahmeregelung fiir Härtefälle vorgesehen wird (IV 3). Altfälle, bei denen der Eingriff vor dem Inkrafttreten des jeweiligen Eingriffsverbots erfolgte, können nicht in ein Haltungsverbot einbezogen werden. Insoweit fehlt es an der Geeignetheit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Ziels der Vorfeldprävention. Hingegen könnte ein Ausstellungsverbot auf solche Altfälle erstreckt werden (IV 4).



Tiere sind Waren im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über den freien Warenverkehr. Diese Vorschriften sind auch dann anwendbar, wenn ein Tier beispielsweise nur zum Zwecke der Teilnahme an einer Ausstellung in einen anderen Mitgliedstaat verbracht und nach Beendigung der Ausstellung wieder in den Herkunftsstaat zurückgebracht wird (V la).



Ein durch Rechtsverordnung angeordnetes Verbot, ein in einem anderen Mitgliedstaat nach den Maßstäben des deutschen Tierschutzrechts tierschutzwidrig behandeltes Tier in das Inland zu verbringen, stellt eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 28 EGV dar. Haltungs- und Ausstellungsverbote sind Maßnahmen gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung - unabhängig davon, ob das Verbot nur auf aus dem Ausland stammende Tiere oder unterschieds-

VI. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

121

los auf in Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten gezüchtete Tiere anwendbar ist (V 1b). •

Eine Rechtfertigung dieser Verstöße gegen Art. 28 EGV auf der Grundlage des Art. 30 EGV ennöglicht keinen Export nationaler Tierschutzstandards. Hinsichtlich des Verbots der Qualzüchtung und des Kupierens von Tieren liegt jedoch insoweit eine internationale Standardsetzung in Gestalt des Europäischen Übereinkommens vom 13. Nov. 1987 zum Schutz von Heimtieren vor, so daß eine Rechtfertigung nach Art. 30 EGV in Betracht kommt. Die Anordnung eines Einfuhrverbots für Tiere aus anderen Mitgliedstaaten würde gegen das gemeinschaftsrechtliche Gebot zur Wahl des mildesten Mittels verstoßen. Selbst ein kombiniertes Haltungs- und Ausstellungsverbot steht dagegen nicht außer Verhältnis zu den Behinderungen des freien Warenverkehrs. Haltungs- und Ausstellungsverbote sind nach Art. 30 EGV gerechtfertigt, wenn sie unterschiedslos auf in- und ausländische Tiere anwendbar sind (V lc).



Erläßt die durch § 12 Abs. 2 TierSchG zur Verordnungsgebung ennächtigte Stelle ein Ausstellungsverbot nur fiir Tiere aus inländischer Zucht, so läge hierin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Die pflichtwidrige Unterlassung jeder Verordnungsgebung hätte Rückwirkungen auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Primärverbote der §§ 6, I1b TierSchG. Diese Verbote wären jedenfalls dann nicht mehr mit dem Grundsatz der Verhältnisrnäßigkeit vereinbar (V 2).



Die Erstreckung von Haltungs- und Ausstellungsverboten auf im Ausland nach den Maßstäben des deutschen Tierschutzrechts tierschutzwidrig behandelte Tiere verstößt nicht gegen WTO-Regeln, sofern diese Verbote diskriminierungsfrei ausgestaltet sind. Einfuhrverbote können hingegen nicht gerechtfertigt werden (V 3).

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