Verbraucherkredite, insbesondere für Immobilienanlagen. Forderungsübertragungen, insbesondere im Lichte von Bankgeheimnis und Datenschutz: Bankrechtstag 2005 9783110914023, 9783899492521

The Banking Law Day 2005 was devoted to the discussion of consumer credit for real estate assets subsequent to the Heini

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Verbraucherkredite, insbesondere für Immobilienanlagen. Forderungsübertragungen, insbesondere im Lichte von Bankgeheimnis und Datenschutz: Bankrechtstag 2005
 9783110914023, 9783899492521

Table of contents :
1. Abteilung: Verbraucherkredite, insbesondere für Immobilienanlagen
EG-rechtliche Probleme verbundener Verbraucherkredit- und Immobiliengeschäfte
Grundlagenprobleme des Verbraucherkreditrechts, insbesondere bei Immobilienanlagen
Verbraucherdarlehensrecht - ein verlässlicher Rahmen für den Rechtsanwender?
Aktuelle Probleme des Verbraucherkreditgeschäftes aus Verbraucherschutzsicht
2. Abteilung: Forderungsübertragungen, insbesondere im Lichte von Bankgeheimnis und Datenschutz
Bankgeheimnis und Abtretungsausschluss
Distressed Loan Trading - Handel mit notleidenden Kreditforderungen unter besonderer Berücksichtigung von Bankgeheimnis und aufsichtsrechtlichen Anforderungen
Diskussionsbericht
Stichwortverzeichnis

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Verbraucherkredite, insbesondere für Immobilienanlagen Forderungsübertragungen, insbesondere im Lichte von Bankgeheimnis und Datenschutz

Bankrechtstag 2005

BrV 25

Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung

herausgegeben von Walther Hadding, Mainz Klaus J. Hopt, Hamburg Herbert Schimansky, Karlsruhe

Band 25

De Gruyter Recht · Berlin

Verbraucherkredite, insbesondere für Immobilienanlagen Forderungsübertragungen, insbesondere im Lichte von Bankgeheimnis und Datenschutz Bankrechtstag 2005

W DE G RECHT

De Gruyter Recht · Berlin

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. ISBN-13: 978-3-89949-252-1 ISBN-10: 3-89949-252-8 Bibliografische Information Der Deutschen

Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © Copyright 2006 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck und buchbinderische Verarbeitung: Druckhaus Kothen GmbH, Kothen Umschlaggestaltung: Angela Dobrick, Hamburg

Vorwort

Der Bankrechtstag 2005 der Bankrechtlichen Vereinigung - Wissenschaftliche Gesellschaft für Bankrecht e.V. fand am 1. Juli 2005 in Hamburg statt. Über 270 Teilnehmer diskutierten über die hochaktuellen Themen „Verbraucherkredite, insbesondere für Immobilienanlagen" sowie „Forderungsabtretungen, insbesondere im Lichte von Bankgeheimnis und Datenschutz". Die erste Abteilung behandelte im Vorgriff auf die kurz darauf ergangenen Entscheidungen des EuGH vom 25. Oktober 2005 in der Rs. C-350/03 (Schulte) = WM 2005, 2079 und in der Rs. C-229/04 (Crailsheimer Volksbank) = WM 2005,2086 schwerpunktmäßig die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Widerrufs von Verbraucherkreditverträgen, insbesondere bei Immobilienanlagen. Neben dem europarechtlichen Bezug weist das Thema auch vor dem Hintergrund des „Streits der BGH-Senate" eine große Aktualität auf. Diesem Problemkreis waren die Vorträge von U. Ehr icke, O. Hoepner, M. Münscher und R. Metz gewidmet, welche die sich ergebenden Fragen aus wissenschaftlicher, praktischer, richterlicher und gesetzgeberischer Perspektive beleuchteten. Die zweite Abteilung des Bankrechtstags 2005 beschäftigte sich mit Voraussetzungen und möglichen Einschränkungen des Forderungshandels durch Banken. Im Mittelpunkt stand der Handel mit notleidenden Krediten (nonperforming loans), bei dem im Anschluss an das Urteil des OLG Frankfurt vom 25. Mai 2004 (WM 2004, 1386) große Rechtsunsicherheit über Abtretungsbeschränkungen durch das Bankgeheimnis herrscht. Daneben sind Fragen des Datenschutzes und der Erlaubnispflichtigkeit nach dem KWG zu bedenken. Die Vorträge zu diesem Themenkomplex hielten H. Hammen und A. Wittig. Über den Bankrechtstag 2005 ist in Literatur und Presse auch dieses Mal ausführlich berichtet worden. Hingewiesen sei besonders auf die umfänglichen Berichte von M. Artz/P. Balzer, WM 2005, 1451 und B. Knof/S. Mock, ZBB 2005, 298. Die Druckvorbereitung dieses Bandes haben dankenswerterweise Herr wiss. Ass. Alexander Hellgardt und Frau Ingeborg Stahl, beide Max-PlanckInstitut fur ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg, vorgenommen. Allen, die zum Gelingen des Bankrechtstag 2005 beigetragen haben, insbesondere auch Frau W. Preis vom Sekretariat der BrV, die nach jähre-

VI

Vorwort

langer Tätigkeit in den Ruhestand getreten ist, sei von den Herausgebern herzlich gedankt. Mainz, Hamburg, Marxzell im März 2006

Hadding, Hopf, Schimansky

Inhaltsverzeichnis 1. Abteilung: Verbraucherkredite, insbesondere für Immobilienanlagen Leitung: Rechtsanwalt Dr. Wolf gang Gößmann, Leiter Recht und Compliance der HSH Nordbank AG, Hamburg Professor Dr. Ulrich Ehricke, LL.M. (London), M.A., Richter am OLG Düsseldorf EG-rechtliche Probleme verbundener Verbraucherkreditund Immobiliengeschäfte

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Olaf Hoepner, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht, Schleswig Grundlagenprobleme des Verbraucherkreditrechts, insbesondere bei Immobilienanlagen

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Rechtsanwalt Dr. Michael Münscher, Justitiar der Commerzbank AG, Frankfurt am Main Verbraucherdarlehensrecht - ein verlässlicher Rahmen für den Rechtsanwender?

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Dr. Rainer Metz, Bundesministerium filr Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Berlin Aktuelle Probleme des Verbraucherkreditgeschäftes aus Verbraucherschutzsicht

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2. Abteilung: Forderungsübertragungen, insbesondere im Lichte von Bankgeheimnis und Datenschutz Leitung: Dr. Gerhart Kreft, Vorsitzender Richter am BGH a.D., Karlsruhe Professor Dr. Horst Hammen, Justus-Liebig-Universität Gießen Bankgeheimnis und Abtretungsausschluss

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VIII

Inhaltsverzeichnis

Arne Wittig, Chefsyndikus Deutschland/Zentraleuropa der Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main Distressed Loan Trading - Handel mit notleidenden Kreditforderungen unter besonderer Berücksichtigung von Bankgeheimnis und aufsichtsrechtlichen Anforderungen

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Diskussionsbericht

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Stichwortverzeichnis

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1. Abteilung: Verbraucherkredite, insbesondere für Immobilienanlagen Leitung: Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Gößmann, Leiter Recht und Compliance der HSH Nordbank AG, Hamburg

EG-rechtliche Probleme verbundener Verbraucherkreditund Immobiliengeschäfte Professor Dr. Ulrich Ehricke LL.M. (London), M.A. - Richter am OLG Düsseldorf

I.

Einleitung und Problemstellung 1. Einleitung 2. Problemstellung

II.

Die spezifisch gemeinschaftsrechtlichen Probleme der Vorlageverfahren 1. Ausgangspunkt: Die Vorlageverfahren des LG Bochum (Beschl. v. 29.7.2003) und des OLG Bremen (Beschl. v. 27.05.2004) 2. Aufgabenverteilung und Kompetenzabgrenzung zwischen den mitgliedstaatlichen Gerichten und dem EuGH a) Das Verhältnis der mitgliedstaatlichen Gerichte zum EuGH bei Fragen der Auslegung des Gemeinschafisrechts b) Exkurs: Die Ermittlung des effet utile durch den EuGH c) Die richtlinienkonforme Auslegung im Kontext der nationalen Rechtsordnung 3. Bestehen eines gemeinschaftsrechtlichen Gebotes zur Rechtsfortbildung durch die mitgliedstaatlichen Gerichte und die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung 4. Das Verbot horizontaler Richtlinienwirkung a) Die vom EuGH entwickelten Grundsätze Das vorliegende Manuskript ist im September 2005 abgeschlossen worden. Mit den beiden Entscheidungen vom 25.10.2005 in der Rs C-350/03 (Schulte) = ZBB 2005,436 und in der Rs C-229/04 (Crailsheimer Volksbank) = ZBB 2005, 442 hat der EuGH zwischenzeitlich zu den im folgenden Beitrag diskutierten Problemen Stellung bezogen. Dabei kommt er in wesentlichen Teilen zu denselben Ergebnissen, wie sie nachfolgend vertreten worden sind. Gleichwohl sind die in dem Beitrag angesprochenen Erwägungen keineswegs obsolet, sondern stellen eine gemeinschaftsrechtlich dogmatische Fundierung für die Entscheidungen des EuGH dar. In seiner ScW/e-Entscheidung hat der EuGH unabhängig von den Vorlagefragen ftlr bestimmte Konstellationen eine Pflicht zur Risikoübernahme der Banken entwickelt - dazu vgl. Ehricke, ZBB 2005, 443; Hoppe/Lang, ZflR 2005, 800; Staudinger, NJW 2005, 3521; Hoffmann, ZIP 2005, 1985.

Ulrich Ehricke

4 b)

5.

6.

Richtlinienwirkung zwischen Privaten im konkreten Fall bei Außerachtlassung der BGH-Rechtsprechung nach der HeiningerEntscheidung des EuGH c) Die Bedeutung einer (nachträglichen) richtlinienkonformen Auslegung und Rechtsfortbildung durch die nationalen Gerichte (bei nur unzureichender Richtlinienumsetzung) Rückwirkung, Vertrauensschutz und Rechtssicherheit a) Die den vorlegenden Gerichten zugrunde liegenden Sachverhalte als Rückwirkungskonstellationen b) Spezifisch gemeinschaftsrechtliche Aussagen zur Rückwirkung bzw. zum RUckwirkungsverbot c) Der gemeinschaftsrechtlich anerkannte Vertrauensschutz Das Erfordernis der kontinuierlichen Anpassung des nationalen Rechts an die durch die Rechtsprechung des EuGH entwickelten Vorgaben a) Allgemeines b) Die Wirkung von Auslegungsentscheidungen im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG c) Gemeinschaftsrechtliche Anforderungen an die mitgliedstaatlichen Stellen d) Zwischenergebnis

III. Das Verhältnis der gemeinschaftsrechtlichen Problemstellungen zu den jüngeren Entscheidungen des II. und XI. BGH-Senats 1. Die Kontroverse zwischen den BGH-Senaten a) Die Kernaussagen des XI. Zivilsenats b) Die Kernaussagen des II. Zivilsenats 2. Verhältnis zu den gemeinschaftsrechtlichen Problemstellungen a) Verhältnis zu den Vorgaben der Richtlinie 85/577/EWG b) Verhältnis zu den Vorgaben der Richtlinie 87/102/EWG 3. Die Relevanz des Gemeinschaftsrechts bei „überschießender Umsetzung" a) Überschießende Umsetzung hinsichtlich Anbahnungssituationen b) Überschießende Umsetzung hinsichtlich Zurechnung des Verhaltens von Drittpersonen, Art. 2,2. Spiegelstrich der Richtlinie und § 123 BGB (analog) c) Das Problem „gespaltener Auslegung" IV. Fazit

Probleme verbundener Verbraucherkredit- und Immobiliengeschäfte

I.

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Einleitung und Problemstellung 1.

Einleitung

Das Verbraucherkreditrecht wird von verschiedenen Rechtssetzungsebenen her bestimmt. Das deutsche Recht enthält in den §§491 ff. des BGB (ehemals §§ 607 ff. BGB i.V.m. dem Verbraucherkreditgesetz) einen in sich weitgehend geschlossenen Regelungskomplex des Kreditrechts. Dieser ist von verschiedenen europäischen Vorgaben überlagert und durch diese maßgeblich beeinflusst worden. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Richtlinien 87/102/EWG zur Angleichung der Rechts- und VerwaltungsVorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (Verbraucherkreditrichtlinie) 1 und 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (Haustürwiderrufsrichtlinie) 2 . Diese Regelungsvorgaben sind hinsichtlich des Verbraucherschutzes indes nicht vollkommen synchron ausgestaltet. 3 Dadurch entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz nach dem Haustürwiderrufsrecht einerseits und dem Schutz nach den Regelungen über das Verbraucherkreditrecht andererseits. Dieses Dilemma ist vor allen Dingen darauf zurückzufuhren, dass die beiden relevanten Sekundärrechtsakte nicht zeitgleich, sondern im Abstand von ca. einem Jahr erlassen wurden. Insbesondere dieser Umstand und die Tatsache, dass die Haustürwiderrufsrichtlinie einen wenig detaillierten Regelungsrahmen vorgibt, mag den nationalen Gesetzgeber dazu veranlasst haben, auch die ersten nationalen Umsetzungsakte, also das HWiG vom 1.5.1986 und das VerbrKrG vom 1.1.1991, so auszugestalten, dass das VerbrKrG als Spezialregelung konzipiert worden ist.4 Dies führte dazu, dass

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ABl. Nr. L 42 v. 12.2.1987, S. 48 ff. ABl. Nr. L 372 v. 31.12.1985, S.31 ff. Wiedmann/Gebauer in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 1. Aufl. 2005, Kapitel 1, Rn. 94; Staudinger, NJW 2002, 653, 654. In BT-DrS 11/5462, S. 1, 30 betreffend „Entwurf eines Gesetzes über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozessordnung und anderer Gesetze" heißt es unter „Zu Artikel 3 - Änderung des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnliche Geschäften" in der Begründung zur Änderung des § 5 Abs. 2 HWiG ausdrücklich: „Für Haustürgeschäfte, die zugleich die Merkmale eines Verbraucherkreditgeschäfts erfüllen, wird der Vorrang des Ver-

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§ 5 Abs. 2 HWiG mit Wirkung zum 1.1.1991 zusammen mit Einführung des Verbraucherkreditgesetzes neu gefasst wurde. Entsprechend bestimmte § 5 Abs. 2 HWiG (a.F.), dass ein Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 HWiG, das zugleich die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz erfüllt, nur den Vorschriften dieses Gesetzes unterfällt. 5 Mit der /fe/wVjger-Entscheidung des EuGH 6 ist später jedoch klargestellt worden, dass zwischen Haustürwiderrufs- und Verbraucherkreditrichtlinie kein Spezialitätsverhältnis besteht und dass die Haustürwiderrufsrichtlinie auch auf Kreditverträge Anwendung findet. Dies führte dann im Nachgang der Schuldrechtsreform zu einer Neuformulierung der §§491 Abs. 3, 355 Abs. 3, 312a BGB mit dem OLG-Vertretungsänderungsgesetz vom 23.7.2002 7 .

2.

Problemstellung

Sowohl der Verbraucherkreditrichtlinie als auch der Haustürwiderrufsrichtlinie liegt das Konzept der Mindestharmonisierung zu Grunde. 8 Dies führt zu zum Teil erheblichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung in das nationale Recht und der entsprechenden Auslegung nationaler Regelungen, weil es insoweit darum geht, ausgehend von einer vergleichsweise speziellen Problemstellung („Verbraucherschutz beim Abschluss von Kreditverträgen") her kommend die schon bestehenden mitgliedstaatlichen Regelungsrahmen zu modifizieren. Eine derartige Vorgabe stellt die jeweiligen nationalen Gesetzgeber vor die Aufgabe der Einpassung dieser systemfremden Regelungsvorgaben in das nationale Recht. Besonders schwierig wird diese Aufgabe, wenn

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braucherkreditgeschäfts bestimmt (§ 5 Abs. 2). [Hervorhebung durch den Autor]"; siehe hierzu auch Hochleitner/Wolf/Großerichter, WM 2002, 529, 531 ff.; differenzierend Staudinger/Werner (1998), §5 HWiG, Rn. 22 ff., Rn. 27. Zur Historie siehe Staudinger/ffmjer (1998), Vorbem. zum HWiG, Rn. 16; § 5 HWiG, Rn. 2. EuGH Urt. v. 13.12.2001, Rs. C-481/99 - Heininger/Bayerische Hypo-Vereinsbank, Slg. 2001,1-9945, u.a. abgedr. in EuZW 2002, 84 mit Anm. Reich/Rörig sowie in NJW 2002,281. BGBl. 1,2850. Hierzu: Wiedmann in: Gebauer/Wiedmann (obenFn 3) Kapitel 6, Rn. 10; siehe auch die Ausführungen des Generalanwalts Otto Lenz in den Schlussanträgen zu Rs. C-91/92, Slg 1994, 3328, Rz. 29 {Paolo Faccini Dori/Recreb Sri.).

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sukzessive mehrere solcher gemeinschaftsrechtlicher Harmonisierungserfordernisse aufeinander treffen. In einem solchen Fall sind der mitgliedstaatliche Gesetzgeber und die mitgliedstaatlichen Gerichte über die auch ansonsten bestehenden Vorgaben hinaus vor allem dazu angehalten, das gemeinschaftsrechtlich intendierte Verhältnis der jeweiligen Sekundärrechtsakte in dem zu seiner Umsetzung ergangenen nationalen Recht möglichst genau abzubilden und dabei den effet utile der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Diese Schwierigkeiten sind bezüglich des Verhältnisses vom Haustürwiderrufsgesetzes zum Verbraucherkreditgesetz das erste Mal im Zusammenhang mit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Heininger und dem nachfolgend ergangenen BGH-Urteil vom 9.4.2002 virulent geworden. 9 Kritisiert wurde dabei vor allen Dingen der Umstand, dass sich der BGH mit Blick auf § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG a.F. auf den Standpunkt gestellt hat, dass der Grundstückskaufvertrag und der zu seiner Finanzierung abgeschlossene Realkreditvertrag kein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 VerbrKrG a.F. darstellen. 10 Da § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG a.F. zudem einerseits notariell beurkundete Verträge von seinem Anwendungsbereich ausnimmt und andererseits überhaupt keine Regelung für verbundene Geschäfte vorsieht, fuhrt dieses Verständnis im Ergebnis dazu, dass der Darlehensnehmer im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts in Bezug auf den in einer Haustürsituation abgeschlossenen grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensvertrag gegenüber der finanzierenden Bank zur Erstattung des ausgezahlten Nettokreditbetrages und dessen marktüblicher Verzinsung verpflichtet ist und die Ausübung des Widerrufsrechts den Grundstückskaufvertrag nicht berührt. Nach der Rechtsprechung des BGH habe der Darlehensnehmer die Valuta nämlich auch dann empfangen, wenn diese auf seine Weisung hin auf das Konto des Immobilienverkäufers geflossen ist." Vor diesem Hintergrund laufe aufgrund der Rechtsprechung, so wird argumentiert, das dem Verbrau9

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Zur Heininger-Entscheidung des EuGH siehe etwa Derleder, ZBB 2002, 202; Fischer, DB 2002, 1262; Franzen, JZ 2003, 321, Habersack/Mayer, WM 2002, 202; Häublein, ZBB 2004, 1; Hochleitner/Wolf/Großerichter, WM 2002, 529; Hoffmann, ZIP 2002, 145; Knolt, WM 2003, 49; Kulke, ZBB 2002, 33; Pap/Sauer, ZfIR 2002, 523; Piekenbrock/Schulze, WM 2002, 521; Singer, DZWiR 2003, 221; Staudinger, JuS 2002, 953. BGH, Urt. v. 9.4.2002, NJW 2002, 1881 (1884); BGH, Beschl. v. 16.9.2003, NJW2004, 153 ff. (Nichtvorlagebeschluss). BGH NJW 2002, 1881, 1884.

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eher eingeräumte Widerrufsrecht im Hinblick auf den Realkreditvertrag in tatsächlicher Hinsicht weitgehend leer.12 Ähnliche Bedenken hatten auch das LG Bochum und das OLG Bremen, die in verschiedenen Vorlageverfahren dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung der Richtlinie 85/577/EWG vorgelegt haben.13 Inzwischen liegen die Stellungnahmen des Generalanwaltes in den Vorlageverfahren vor.14 Sie verdeutlichen, dass es sich bei der Einbeziehung eines Immobilienkaufs in die Folgen eines Widerrufs des Darlehensgeschäfts nach der Richtlinie 85/577/EWG vornehmlich um EGrechtliche Problemstellungen handelt und weniger um solche des nationalen Rechts.15 Im Folgenden soll daher auf die spezifisch gemeinschaftsrechtlichen Probleme der Vorlagefragen eingegangen werden. Dabei sollen nicht nur zentrale EG-rechtliche Fragen zu verbundenen Verbraucherkredit- und Immobiliengeschäften erörtert werden (unten III.), sondern vor diesem Hintergrund auch zum Verhältnis der gemeinschaftsrechtlichen Problemstellungen zu der Kontroverse des II. und des XI. Zivilsenats des BGH zur Behandlung verbundener Geschäfte Stellung bezogen werden (unten IV.).

II. Die spezifisch gemeinschaftsrechtlichen Probleme der Vorlageverfahren 1.

Ausgangspunkt: Die Vorlageverfahren des LG Bochum (Beschl. v. 29.7.2003) und des OLG Bremen (Beschl. v. 27.05.2004)

Sowohl die Vorlage des LG Bochum als auch die des OLG Bremen beschäftigen sich in wesentlichen Punkten mit der Frage, welche gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sich der Richtlinie 85/577/EWG hinsichtlich der Rück-

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Reiter/Methner, VuR 2004, 52, 56; Derleder, ZfIR 2003, 177, 187; Fischer, VuR 2004, 8,10; Singer, DZWIR 2003, 221, 226 f. LG Bochum NJW 2003, 2612 f. ( = GPR 2004, 21 = ZIP 2003, 1437) - dazu vgl. u.a. Ehricke, ZIP 2004, 1025; ders., Rev. Europ. de Droit bancaire & financier 2004, 153; OLG Bremen NJW 2004,2238. Schlussanträge des GA Ldger v. 28.9.2004, Rs. C-350/03 (LG Bochum); Schlussanträge des GA Löger v. 2.6.2005, Rs. C-229/04 (OLG Bremen). Dies ist im Vorfeld der Vorlagen zum EuGH nicht immer eindeutig so gesehen worden, vgl. z.B. Reiter/Methner VuR 2004, 52 (55 f.), auch Fischer VuR 2004, 8 (9 f.).

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abwicklung von Realkreditverträgen, die der Finanzierung des Erwerbs von Wohnungseigentum im Rahmen eines Steuersparmodells dienen, entnehmen lassen. Es handelt sich dabei hauptsächlich um drei verschiedene Fragestellungen. 1. Kern der Vorlagebeschlüsse ist jeweils die - zum Teil nur indirekt formulierte - Frage, ob von einer Vereinbarkeit mit der Richtlinie 85/577/EWG bzw. deren effet utile auch dann noch auszugehen ist, wenn der Verbraucher die Darlehensvaluta zurückzahlen muss, ohne aber die von ihm erworbene, im Zweifel aber weitgehend wertlose Immobilie bzw. Anteile an derselben, an die Bank zurückgeben zu können. Die Problematik wird entweder im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Richtlinie 16 , bspw. deren Geltung auch fur Immobilienkaufverträge und die Bestellung von Grundpfandrechten, oder aber bezogen auf die in Art. 5 und 7 der Richtlinie geregelten Rechtsfolgen 17 thematisiert. 2. Darüber hinaus wollen die vorlegenden Gerichte wissen, ob eine nationale Regelung, wonach die Darlehensvaluta sofort zurückzuzahlen ist gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt und ob weiterhin hierfür entstandene Zinsvorteile auf Seiten des Verbrauchers ebenfalls bedenkenlos zurückverlangt werden können. 18 3. Neben der Rückabwicklungsproblematik stellt sich auf der Voraussetzungsseite des Widerrufs schließlich die Frage danach, wie die Mitwirkung Dritter beim Vertragsschluss zu werten ist. Tatsächlicher Hintergrund ist hierbei regelmäßig der Umstand, dass in den hier betrachteten Fällen die Kreditvermittlung nicht durch die Bank selbst erfolgt. So wurde bspw. in den vom LG Bochum zu entscheidenden Ausgangssachverhalten, diese durch ein mit der Vermittlung von Immobilien- und Finanzdienstleistungen befasstes Unternehmen in Gestalt einer GmbH, die sich wiederum einer Vielzahl weiterer Vermittler bediente, vorgenommen. 19 Ähnlich verhielt es sich in den Ausgangsverfahren des OLG Bremen, bei denen sich eine Immobiliengesellschaft ebenfalls einer 16 1. Vorlagefrage des LG Bochum, abgedr. in: ZIP 2003, 1437. 17 2. Vorlagefrage des LG Bochum, abgedr. in: ZIP 2003, 1437; 2. Vorlagefrage des OLG Bremen, abgedr. in: NJW 2004,2238. 18 3. und 4. Vorlagefrage des LG Bochum, abgedr. in: ZIP 2003, 1437; 3. und 4. Vorlagefrage des OLG Bremen, abgedr. in: NJW 2004, 2238. 19 Siehe LG Bochum ZIP 2004,1437, 1438.

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Vertriebsfirma bediente, die ihrerseits selbständige Anlagevermittler zur Hilfe nahm. Der XI. BGH-Senat vertrat hierzu in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass es für das Widerrufsrecht nicht allein auf das Vorliegen einer Haustürsituation, sondern darüber hinaus auch auf deren Zurechenbarkeit ankomme. 20 In direkter Bezugnahme auf § 123 BGB, wonach das Verhalten des Verhandlungsführers, hier die Vertriebsunternehmen und Vertreiber, dem Erklärungsempfänger nur zuzurechnen ist, wenn er dessen Angestellter, Mitarbeiter oder Beauftragter ist oder wenn er wegen seiner engen Beziehungen zu diesem als dessen Vertrauensperson erscheint. Erfüllt der Verhandlungsführer diese Voraussetzungen nicht und ist er damit „Dritter" im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB ist sein Handeln nur zuzurechnen, wenn der Erklärungsempfänger dieses kannte oder kennen musste. 21 Die letzt genannten Anforderungen sah der XI. Zivilsenat des BGH in so gelagerten Fällen jedoch regelmäßig als nicht gegeben an. Das OLG Bremen formulierte die sich daran anknüpfende Rechtsfrage dergestalt, ob das Widerrufsrecht von anderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden darf als dem Vorliegen einer Haustürsituation im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 85/577/EWG. Als solche zusätzlichen Voraussetzungen kennzeichnet es dabei „Zurechnungskriterien wie der vom Gewerbetreibenden bewusst herbeigeführten Einschaltung eines Dritten in den Vertragsabschluss oder von einer Fahrlässigkeit des Gewerbetreibenden hinsichtlich des Handelns des Dritten beim Vertrieb mittels Haustürgeschäft". 22

2.

a)

Aufgabenverteilung und Kompetenzabgrenzung zwischen mitgliedstaatlichen Gerichten und dem EuGH

den

Das Verhältnis der mitgliedstaatlichen Gerichte zum EuGH bei Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts

Als erster EG-rechtlicher Problembereich stellt sich die Frage, welche konkreten Auslegungsanforderungen sich mit Blick auf den Wortlaut der

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BGH NJW 2003, 424 (425) m.w.N. BGH NJW 2003, 424 (425). 1. Vorlagefrage des OLG Bremen, abgedr. in NJW 2004, 2238 (2238).

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Haustürwiderrufsrichtlinie an die deutschen Gerichte bei Anwendung des nationalen Rechts ergeben, wenn sie dem gemeinschaftsrechtlichen Erfordernis der richtlinienkonformen Auslegung entsprechen wollen. Ausgangspunkt dabei ist die Stellungnahme der Kommission 23 zur Vorlageentscheidung des LG Bochum, in der diese einerseits von einer gesetzgeberisch gelungenen Umsetzung der Haustürwiderrufsrichtlinie ausgeht, 24 andererseits aber die konkrete Anwendung des deutschen Rechts durch deutsche Gerichte bei der Frage der Rückabwicklung von Realkreditverträgen, die unter das HWiG fallen, kritisiert. 25 So wirft sie dem BGH in Rz. 28 ihrer Stellungnahme etwa vor, das HWiG nur „formal" und „mechanisch" anzuwenden. Im ersten Zugriff auf eine Antwort liegt es nahe, anzunehmen, dass ein nationales Gericht, das durch die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts den effet utile der Richtlinie schützen möchte, auch bestimmen können muss, welche Zielvorgaben der Richtlinie durch die Beachtung des effet utile gewahrt werden sollen. Dies bedingt allerdings eine Interpretation der Richtlinie durch die nationalen Gerichte hinsichtlich ihres Sinn und Zwecks bzw. ihres Ziels. Eine solche Interpretationszuständigkeit birgt jedoch die Gefahr der Disparität des Verständnisses, der Auslegung und der Geltung von Gemeinschaftsrecht in der EG, weil möglicherweise verschiedene nationale Gerichte in derselben Frage zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Daher ist die Auslegung von Richtlinien als Teil des Gemeinschaftsrechts dem Kompetenzbereich der nationalen Gerichte grundsätzlich entzogen und dem EuGH zugewiesen. 26 Damit korrespondiert, dass bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts von einer Auslegungsprärogative des EuGH im Verhältnis zu den nationalen Gerichten auszugehen ist. Dies ergibt sich einerseits aus dem Wortlaut des Art. 220 EG, wonach dem Gerichtshof und dem Gericht erster Instanz die Wahrung des Rechts bei der Anwendung und Auslegung des EG-Vertrages obliegt, und andererseits aus der Stellung

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25 26

Die Stellungnahme ist abgedruckt in NJW 2004, Heft 11, S. XXX. Zu einer defizitären Umsetzung des Art. 4 der Richtlinie durch die Bundesrepublik Deutschland, siehe Rott, die Umsetzung der Haustürwiderrufsrichtlinie in den Mitgliedstaaten, 2000, S. 129 f. Die Stellungnahme ist abgedruckt in NJW 2004, Heft 11, S. XXX. In diese Richtung etwa SimraJHuber, EUV/EGV, 2003, Art. 220 EGV, Rn. 23; v.d. Groeben/Schwarze/Ga/tamdej, EUV/EGV, 6. Aufl. 2004, Art. 220 EG, Rn. 8.

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des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG, im Rahmen dessen er sowohl über die Auslegung des Vertrages (Abs. 1 a)) als auch über die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft (Abs. 1 b)) entscheidet. Eine Ausnahme ist nur möglich unter Heranziehung entsprechender Kriterien, wie sie im Rahmen der Acte-Clair-Doktrin entwickelt worden sind. 27 Infolgedessen können die nationalen Gerichte die Ziele einer Richtlinie, die sie im nationalen Recht durch die Beachtung des effet utile wahren sollen, anhand der Erwägungsgründe der Richtlinie, der ausdrücklichen Regelungsanordnungen in der Richtlinie, der Anhänge und anhand der Rechtsprechung des EuGH klären. Nur wenn darüber hinaus Zweifel bestehen, darf bzw. muss ein nationales Gericht den EuGH um eine allgemeinverbindliche Klärung ersuchen.

b) Exkurs: Die Ermittlung des effet utile durch den EuGH Ist die Aufgabe der Ermittlung des effet utile eines bestimmten Sekundärrechtsaktes, hier etwa der Haustürwiderrufsrichtlinie, dem EuGH zugewiesen, stellt sich die Frage, anhand welcher (zulässigen) Kriterien der EuGH dessen effet utile ermittelt bzw. ermitteln darf. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der EuGH unter dem Gesichtspunkt der Effektivität des Gemeinschaftsrechts verschiedentlich neue Grundsätze und Rechtsinstitute entwickelt hat, die im Vertragstext selbst keine Stütze fanden. Dazu zählen etwa die „unmittelbare Wirkung des Gemeinschaftsrechts" oder die „Staatshaftung". Der Sache nach handelt es sich hierbei nicht mehr um Auslegung, sondern um Rechtsfortbildung, 28 wobei die Grenze zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung im Einzelfall fließend ist.29 Hinzu kommt, dass der EuGH zwischen einer am Wortlaut orientierten Auslegung und einer den Wortlaut über-

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28 29

EuGH, Rs. 284/81, - C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415, Rz. 16; Streinz/tfArtcfer, (oben Fn. 26) Art. 249 EGV, Rji.44; Basedow, Festschrift Brandner, 1996, S. 651, 654; Ehricke, Die Bindungswirkung von Urteilen des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren, Europa-Institut der Universität des Saarlandes, Nr. 364, 1997, S. 15 ff. Dazu Streinz/Ehricke, (oben Fn. 26) Art. 234 EGV, Rn. 7. Bultmann, JZ 2004, 1100, 1101.

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schreitenden Rechtsfortbildung selbst nicht ausdrücklich unterscheidet. 30 Zwar mag der gemeinschaftliche Gerichtsbarkeit im Einzelfall das ,Rechtliche Dürfen" fehlen, die Befugnisse der EG über den primärrechtlich vorgesehenen Umfang dergestalt zu erweitern, gleichwohl hat sie hierzu aber das „rechtliche Können" inne. 31 Sofern sich der EuGH allerdings bei seiner rechtsfortbildenden Tätigkeit noch im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Kompetenzordnung bewegt, ist er nach Auffassung der Literatur 32 auch zur Rechtsfortbildung befugt. Dies hat auch das BVerfG bestätigt. 33 Die vom EuGH unter dem Blickwinkel des effet utile vorgenommene Auslegung entfernt sich damit zwar in gewissem Umfang von den aus dem nationalen Recht bekannten Methoden, löst sich aber nicht gänzlich hiervon ab. Zur Auslegung von Richtlinien bedient sich der EuGH im Grundsatz nämlich der gleichen Auslegungskriterien wie nationale Gerichte, allerdings mit einer zum Teil abweichenden Gewichtung. Schon in der Entscheidung van Gend en Loos34 hat der EuGH ausgeführt, dass die Auslegung an Hand von Geist, Systematik und Wortlaut zu erfolgen hat. Der Wortlautauslegung kommt in der Praxis aufgrund der verschieden-sprachlichen Textfassungen allerdings eine vergleichsweise geringere Bedeutung zu. 35

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Bultmann, JZ 2004, 1100, 1106; Schnorbus, AcP 201 (2001), 860, 875; Frenzen, Privatrechtsangleichung durch die europäische Gemeinschaft, 1999, S. 358. Vgl. Streinz/Huber, (oben Fn. 26) Art. 220 EGV, Rn. 20; zur Frage des Erfordernisses zur Schaffung eines europäischen Kompetenzgerichts siehe etwa: Everling, EuZW 2002, 357 ff. Bultmann, JZ 2004, 1100, 1102 Calliess/Ruffert/Wegewr, EGV/EUV, 2. Aufl. 2002, Art. 220 EGV, Rn. 16; Schwarze/Schwarze, EU-Kommentar, 2000, Art. 220 EGV, Rn. 4. BVerfGE 75, 223, 241 f f , vgl. Bultmann, JZ 2004, 1100, 1102. EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 - van Genden Loos, 1963, 1, 24. Rörig, Direktwirkung von Richtlinien in Privatrechtsverhältnissen, 2001, S. 144 ff.

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Ulrich Ehricke Die richtlinienkonforme Auslegung im Kontext der nationalen Rechtsordnung

Die Wirkung der richtlinienkonformen Auslegung ist im deutschen Recht als sog. Vorzugsregelung anerkannt. 36 Danach ist im Rahmen der nationalen Auslegungskriterien von mehreren in Frage kommenden Auslegungsvarianten einer Bestimmung des nationalen Rechts diejenige zu wählen, die mit dem mit der Richtlinie verfolgten Harmonisierungserfolg am besten zu vereinbaren ist. Dies gilt aber nur insoweit wie der Anwendungsbereich der Richtlinie betroffen ist.37 Vorbehaltlich möglicherweise gestiegener Anforderungen an die nationalen Gerichte seit dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Pfeiffer/Deutsches Rotes Kreuz**, bedeutet dies nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH, dass die nationalen Gerichte nicht verpflichtet sind, die Schranken des nationalen (Verfassungs-)Rechts zu übertreten, um nationales Recht richtlinienkonform auszulegen. Die Grenze der Auslegung bleibt damit auch bei der richtlinienkonformen Auslegung die Wortlautgrenze sowie der Zweck der nationalen Norm. 39 Auch der EuGH fordert keineswegs den absoluten Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung vor den Auslegungsmethoden der jeweiligen Mitgliedstaaten. In ständiger Rechtsprechung weist er vielmehr darauf hin, dass die richtlinienkonforme Auslegung nur soweit geboten ist, wie das nationale Recht tatsächlich auch einen Auslegungsspielraum zulasse. 40 Die Beurteilung, wieweit das nationale Recht im 36

Ehricke, EuZW 1999, 553, 554; derselbe, RabelsZ 59 (1995), 598, 612 ff. m.w.N.; Meller-Hannich, WM 2005, 1157. 37 Vgl. etwa EuGH, Rs. 106/89 - Marleasing, Slg. 1990,1-4135, 4160, Rz. 13; und ausdrücklich Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union Kommentar, August 2002 - 20. Lief., Art. 249 EGV, Rn. 153; zum Problem der sog. „gespaltenen Auslegung" bei Uberschießender Richtlinienumsetzung, siehe unten unter III.3.c), vgl. auch Wiedmann in: Gebauer/Wiedmann (oben Fn. 3), S. 190. 38 EuGH, Urt. v. 5.10.2004, Rs. 397/02 - Pfeiffer u.a./Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e. V. 39 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.04.1984, Rs. 14/83 - von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1921, Rz. 28; StreinzJSchroeder, (Fn. 26) Art. 249 EGV, Rn. 128; so etwa Grabitz/Hilf/Nettesheim, (oben Fn. 37), Art. 249 EGV, Rn. 153. 40 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.04.1984, Rs. 14/83 - von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1921, Rz. 26 ff.; Urt. v. 16.12.1993, Rs. C-334/92, - Teodoro Wagner Miret/ Fondo de garantia salarial, Slg. 1993, 1-6911, 6932, Rz. 20 ff.; Urt. v.

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einzelnen konkret auslegungsfähig ist, überlässt der EuGH dabei den nationalen Gerichten. 41 Will man also auf der Basis der Kritik der Kommission an der „formalen und mechanischen Auslegung" feststellen, ob die nationalen Gerichte dem gemeinschaftsrechtlichen Gebot zur richtlinienkonformen Auslegung bei verbundenen Geschäften Verbraucherkredit-/Haustürwiderrufsrecht in hinreichendem Maße Rechnung getragen haben, ist zunächst zu ermitteln, welche Aussagen sich aus dem Wortlaut und der Systematik der Richtlinie hinsichtlich der eingangs gestellten Fragen nach der Rückabwicklung von Haustürwidernifsgeschäften (unter aa)) und der Behandlung von Dritten, die an dem Vertragsschluss mitwirken (unter bb)) ergeben.

aa) Anforderungen hinsichtlich der Rückabwicklung (1) Rückabwicklung „im Vertragsbündel" aufgrund wirtschaftlicher Einheit der Verträge Für die hier betrachtete Ausgangsproblematik sind vor allem drei Bestimmungen der Richtlinie 85/577/EWG relevant, die auch von den vorlegenden Gerichten, allerdings mit j e unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, dem EuGH zur Auslegung vorgelegt wurden und auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur behandelt wurden. 42 Es handelt sich dabei um Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 85/577/EWG, der die Ausnahmen zum Anwendungsbereich zusammenfasst und insbesondere solche Verträge vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausnimmt, die den Verkauf von Immobilien oder Rechten an

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14.07.1994, Rs. C-91/92, - Paolo Faccini Doro/Recreb Sri, Slg. 1994, 1-3325, 3357; Franzen, JZ 2003, 321,324. In der oben zitierten v. Co/jo«-Entscheidung heißt es dazu wörtlich: „Es ist Sache der Gerichte, das nationale Recht unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden." Es ist daher h.M. in der deutschen Rechtsprechung und Lehre, dass Gerichte wegen des Gewaltenteilungsprinzips die Grenzen ihrer Möglichkeiten der Auslegung im Wortlaut und dem klar erkennbaren Zweck der nationalen Norme(en) haben, so etwa Gxzb'itzMiW Nettesheim (oben Fn. 37), Art. 249 EGV, Rn. 153. Etwa Franzen, JZ 2003, 321, 325 ff.; Staudinger, NJW 2002, 653 ff.; Ehr icke, ZIP 2004, 1025, 1031.

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Immobilien zum Gegenstand haben (Art. 3 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie), Art. 5 Abs. 2, der bestimmt, dass der Verbraucher aus allen sich aus dem widerrufenen Vertrag ergebenden Verbindlichkeiten zu befreien ist sowie um Art. 7 der Richtlinie 85/577/EWG, der die Ausgestaltung der Rechtsfolgen des Widerrufs den Mitgliedstaaten überlässt. Eine Regelung zu verbundenen Geschäften sieht die Haustürwiderrufsrichtlinie, anders als nachfolgende verbraucherschützende Bestimmungen, 43 nicht vor. Die Regelung des Art. 3 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 85/577/EWG hat für die den Vorlageverfahren zugrunde liegenden Ausgangssachverhalte zur Folge, dass sowohl der Immobilienkaufvertrag als auch die Bestellung des Grundpfandrechts zunächst nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie einbezogen sind. 44 Aufgrund der fehlenden Regelung zu verbundenen Geschäften können diese auch nicht über eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung mit dem unter die Richtlinie fallenden Verbraucherkreditvertrag zusammengefasst und so mittelbar - in den Anwendungsbereich einbezogen werden. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 85/577/EWG kann sich demgemäß bei systematischer Betrachtung auch nur auf die unter die Richtlinie fallenden Verträge, d.h. die Kreditverträge, beziehen. Nur bezüglich der Rechtsfolgen dieses geregelten Widerrufs verbleibt den Mitgliedstaaten dann nach Art. 7 der Richtlinie 85/577/EWG auch ein Ausgestaltungsspielraum. In diesem Zusammenhang ist zwar angeführt worden, dass das nationale Gesetz auf „europarechtswidrige Weise" zwischen dem Kredit- und dem dadurch finanzierten Grundstücksgeschäft trennen würde und sich hierdurch in Widerspruch zu Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 85/577/EWG, der von einer Entlassung aus „alle(n sich) aus dem widerrufenen Vertrag erwachsenden Verpflichtungen" spricht, setzen würde. 45 Diese Auffassung übersieht jedoch, dass eben gerade diese Differenzierung nach Wortlaut und Systematik der Richtlinie, insbesondere aber aufgrund der 43

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Etwa Art. 7 der RL 87/102/EWG (Verbraucherkredit)); Art. 7 der RL 94/47/EWG (Timesharing); 97/7/EG (Fernabsatz) - vgl. hierzu Rott, VuR 2003, S. 409 ff. (S. 412), der aus dieser Rechtsentwicklung zu Recht keinen allgemeinen Rechtsgedanken ableitet, dass stets eine Berücksichtigung der Verbindung von Verträgen zu erfolgen hätte. Siehe hierzu auch die Ausführungen des GA Löger in den Schlussanträgen v. 28.9.2004 zur ersten Vorlagefrage des LG Bochum, Rs. 350/03, Rz. 51 ff. Reiter/Methner, VuR 2004, S. 52 ff. (S. 55 f.); in diese Richtung auch Fischer, VuR 2004, S. 8 ff. (S. 9 f.).

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mit Art. 3 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 85/577/EWG erfolgten Ausklammerung von Immobilienverträgen und der diesbezüglichen Interpretation des EuGH, angelegt ist.46 Art. 5 Abs. 2 der RL darf insoweit nicht aus dem Kontext des Anwendungsbereichs genommen und nur isoliert betrachtet werden. 47 Dieser Auffassung hat sich nunmehr auch der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen zur Vorlageentscheidung des LG Bochum vom 28.9.2004 und des OLG Bremen vom 2. Juni 2005 angeschlossen. 48 Die systematisch Betrachtung der Richtlinie 85/577/EWG führt damit zu dem Ergebnis, dass auch unter Zuhilfenahme des effet utile das von den vorlegenden Gerichten ersichtlich erstrebte Ergebnis nach einer umfassenden Rückabwicklung des gesamten „Vertragsbündels" nicht zu erreichen ist. Nach Auffassung des Generalanwalts besteht zwar „ein gewisser Widerspruch zwischen dem Wortlaut der Richtlinie und dem mit ihr verfolgten Zweck" 49 , dieser Widerspruch sei aber „notwendigerweise im Lichte des Grundsatzes der Rechtssicherheit zu lösen". Anders als das OLG Bremen hat das LG Bochum seine Auffassung zur gemeinschaftsrechtlich gebotenen Rückabwicklung der in Rede stehenden Haustürverträge nicht nur auf den Effektivitätsgrundsatz, sondern darüber hinaus auch auf Art. 95 EG gestützt, wonach die Verpflichtung besteht, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu verwirklichen. Die Vorlagefrage liest sich so, als würde der Effektivitätsgrundsatz unter Umständen noch um die besondere Bedeutung des Verbraucherschutzes „aufzuladen" sein und damit umso eher eine vor allem „ergebnisgerechte" (und damit „verbraucherfreundliche") Auslegung der Richtlinie 85/577/EWG gebieten. Dem ist aber mit dem Generalanwalt 50 entgegenzuhalten, dass Art. 95 EG nach seiner systematischen Stellung im EG-Vertrag an die Kommission in ihrer Eigenschaft als initiativberechtigtes Gesetzgebungsorgan gerichtet ist und damit also auf der regulativen Ebene ansetzt, d.h. Bestimmungen dazu trifft wie das Sekundär-

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So auch Staudinger, GPR 2004, S. 21 ff. (S. 23). Ehricke, ZIP 2004, 1025, 1028. Schlussanträge des GA Liger v. 28.9.2004, Rs. C-350/03 (LG Bochum), Rz. 81 ff.; Schlussanträge des GA Liger v. 2.6.2005, Rs. C-229/04 (OLG Bremen), Rz. 53. Schlussanträge des GA Liger v. 28.9.2004, Rs. C-350/03 (LG Bochum), Rz. 92. Schlussanträge des GA Liger v. 28.9.2004, Rs. C-350/03 (LG Bochum), Rz. 69 ff.

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recht im Hinblick auf die Zielvorgabe des Art. 3 Abs. 1 lit. t, Art. 153 EG durch den Gemeinschaftsgesetzgeber bei der schrittweisen Verwirklichung des Binnenmarktes auszugestalten ist.51

(2) Pflicht zur sofortigen Rückzahlung Das LG Bochum und das OLG Bremen äußern mit ihrer dritten Vorlagefrage an den EuGH zudem Bedenken an der Vereinbarkeit einer Pflicht zu einer sofortigen Rückzahlung der Darlehensvaluta aus Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 85/577/EWG. Aus der Systematik der Richtlinie, die einerseits nicht zwischen verschiedenen Vertragstypen unterscheidet und andererseits nach deren Art. 7 die Ausgestaltung der Rechtsfolgen des Widerrufs dem nationalen Recht überlässt, folgt aber zunächst, dass der Widerrufende in einen Zustand des status quo ante zurück zu versetzen ist. Während jedoch bei einem „typischen Erwerbsgeschäft" in einer Haustürsituation die erbrachten Leistungen zumeist ohne weiteres zurückgegeben werden können, wird die Rückzahlung der Darlehensvaluta in einer Summe in den meisten Fällen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein, da diese in der Regel zur Finanzierung einer anderen besonders kostspieligen Anschaffung eingesetzt wird und damit nicht „frei" zur Verfugung steht. Dies könnte mit dem vom EuGH in der Rechtssache Cofides52 aufgestellten Grundsatz kollidieren, wonach die Mitgliedstaaten dann gegen den effet utile-Grundsatz verstoßen, wenn sie durch die Ausgestaltung ihres nationalen Rechts den Verbraucher vor der Ausübung ihrer Rechte abschrecken.53 Der Generalanwalt teilt die zuletzt genannten Bedenken in seinen Schlussanträgen zum Vorlagebeschluss des OLG Bremen nicht. Mit Blick auf Art. 7 der Richtlinie stellt er heraus, dass es mit Ausübung des Widerrufsrechts zwingend zu einem Eintritt des Ursprungszustandes kommen müsse, da sich der Verbraucher sonst auf Kosten des Gewerbetreibenden ungerechtfertigt bereichern kann. Die Pflicht zur sofortigen Rückerstattung sei insofern „logische Folge"54 der Ausübung des Widerrufs. Er stützt seine Auffassung zudem 51 52 53 54

Ehricke, ZIP 2004, 1025, 1032. EuGH, Urt. v. 21.11.2002, Rs. C-473/00 - Cofides, Slg. 2002, 1-10875, Rz. 32 ff. Hoffmann, ZIP 2004, 49, 56. Schlussanträge des GA Liger v. 2.6.2005, Rs. C-229/04 (OLG Bremen), Rz. 60.

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darauf, dass auch der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit die Pflicht zur Rückerstattung vorsehe. 55

(3) Verzinsungspflicht Geht man von dem oben entwickelten Grundsatz, dem sich auch der Generalanwalt Leger angeschlossen hat, aus, dass der Widerruf die Wiederherstellung des status quo ante, d.h. des Ausgangszustandes, zu bewirken hat, liegt es nahe anzunehmen, dass entgegen der Auffassung des OLG Bremen 56 und des LG Bochum 57 auch eine marktübliche Verzinsung der aufgrund dieses Vertrages erhaltenen Beträge zu erfolgen hat. Bedenken könnten sich hier einzig mit Blick auf die Travel Fac-Entscheidung 58 des EuGH ergeben, wonach die Richtlinie 85/577/EWG einer Vertragsklausel entgegensteht, nach der der Verbraucher dem Gewerbetreibenden nur deshalb, weil er seinen Rücktritt erklärt hat, einen Pauschalbetrag als Ersatz für die diesem entstandenen Schäden zu zahlen hat. 59 Anders als im Verfahren Travel Vac, wo es im Kern um die Zahlung einer Vertragstrafe ging, regelt der hier maßgebliche § 3 Abs. 3 HWiG a.F. aber einen Ausgleich der Nutzungen der erbrachten Leistung. Dies ist weder formal noch der Sache nach eine Sanktionierung des Widerrufs des Verbrauchers, die der EuGH als richtlinienwidrig angesehen hat, sondern ein Beitrag zur Herstellung des status quo ante. Diesen Leitgedanken macht sich der Generalanwalt zwar im Grundsatz auch in seinen Schlussanträgen zu der vierten Vorlagefrage des OLG Bremen zu eigen, nachdem er diese Frage wegen Zweifeln an der Zulässigkeit im Rahmen des Vorlageverfahrens des LG Bochums 60 zunächst unbeantwortet gelassen hat.

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Schlussanträge des GA L£ger v. 2.6.2005, Rs. C-229/04 (OLG Bremen), Rz. 59 ff. Vgl. die vierte Vorlagefrage des OLG Bremen, abgedr. in: NJW 2004,2238 ff. Vgl. die vierte Vorlagefirage des LG Bochum abgedr. in: ZIP 2003,1437. EuGH, Urt. v. 22.4.1999, Rs.C-423/97 - Travel Vac, Slg. 1999, 1-2195, Rz. 58 ff, Rz. 59. Siehe hierzu auch Hoffmann, ZIP 2 0 0 4 , 4 9 , 5 5 f. Schlussanträge des GA Löger v. 28.9.2004, Rs. C-350/03 (LG Bochum), Rz. 98 ff.

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Mit Blick auf den beträchtlichen Zeitraum, der zwischen Vertragsschluss und erklärtem Widerruf liegt und aufgrund des Umstandes, dass die Richtlinie dem Gewerbetreibenden mit der Belehrungspflicht eine „besondere Verantwortung" 61 auferlege, sieht der Generalanwalt mit Verweis auf das Heininger-Urteil des EuGH eine Verpflichtung des Verbrauchers zur Rückzahlung der Zinsen aber solange als nicht geboten an, wie der Gewerbetreibende seiner Verpflichtung aus der Richtlinie nicht nachgekommen sei. 62 Dies hängt mit der konstitutiven Bedeutung zusammen, die der EuGH in selbiger Entscheidung der Belehrung durch den Gewerbetreibenden im Hinblick auf die Entstehung des Widerrufsrechts auf Seiten des Verbrauchers beimisst. 63 Die ordnungsgemäße Belehrung wird nicht als eine bloße Informationsobliegenheit gesehen, sondern weitergehend als ein dem Verbraucher zustehendes Recht behandelt, dessen Entstehung der Gewerbetreibende einseitig beeinflussen kann. 64 Diese Argumentation führt im Ergebnis dazu, dass der Gewerbetreibende entgegen Wortlaut und Systematik der Richtlinie 85/577/EWG für die unterbliebene Belehrung finanziell „bestraft" wird, denn über den mit der Rückzahlung wieder hergestellten Ursprungszustand wird der Verbraucher um die Nutzungsvorteile bereichert. Zudem drohen Wertungswidersprüche, wenn einerseits derjenige Verbraucher, der innerhalb kurzer Zeit widerruft zur Rückgewähr der Zinsvorteile genötigt wird, der Verbraucher, der dies aber erst nach „längerer Zeit" tut, von dieser Verpflichtung befreit wird. Der Umstand, dass auch der nicht ordnungsgemäß belehrte Verbraucher (überhaupt) zur Ausübung des Widerrufsrechts in der Lage sein soll, zeigt darüber hinaus die Schwäche der Argumentation des Generalanwalts und des EuGH

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Schlussanträge des GA Ldger v. 2.6.2005, Rs. C-229/04, Rz. 77. Schlussanträge des GA Liger v. 2.6.2005, Rs. C-229/04, Rz. 64 ff., Rz. 71 ff. In der //e/ninger-Entscheidung heißt es dazu wörtlich: „Die Haustürgeschäfterichtlinie 85/577/EWG bestimmt somit ausdrücklich, dass die für den Widerruf vorgesehene Mindestfrist von sieben Tagen ab dem Zeitpunkt zu rechnen ist, zu dem dem Verbraucher die Belehrung über sein Widerrufsrecht erteilt wurde, und dass es dem Gewerbetreibenden obliegt, diese Belehrung zu erteilen. Diese Bestimmungen erklären sich dadurch, dass der Verbraucher das Widerrufsrecht nicht ausüben kann, wenn es ihm nicht bekannt ist. [Hervorhebung durch den Autor]", Rs. C-481/99 - Heininger/Bayerische Hypo- und Vereinsbank, Slg. 2001, 9945, Rz. 45. Dazu Meller-Hannich, WM 2005, 1157, 1162 ff.

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in der //e/'m'wger-Entscheidung, denn insofern wirkt die (unterbliebene) Belehrung durch den Gewerbetreibenden gerade nicht (mehr) konstitutiv. 65

bb) Die Mitwirkung Dritter beim Vertragsschluss Ein weiteres Auslegungsproblem der Richtlinie 85/577/EWG ergibt sich nach Auffassung des OLG Bremen bezüglich der Frage, welche Maximalvoraussetzungen das nationale Recht an die Gewährung eines Widerrufsrechts in Haustürsituationen knüpfen darf. Die Vorlagefrage wird dahingehend formuliert, ob das Widerrufsrecht von weiteren Anforderungen, nämlich bestimmten Zurechnungskriterien zwischen der kreditgebenden Bank und den vertreibenden Personen, abhängig gemacht werden darf als dem Vorliegen der in Art. 1 der Richtlinie 85/577/EWG näher gekennzeichneten Haustürsituation. Der Generalanwalt hat in seinen Schlussanträgen auch zu dieser Frage Stellung bezogen 66 und die Zulässigkeit der Anwendung solcher „zusätzlichen" Zurechnungskriterien mit Verweis auf das Urteil Travel Vac vom 22. April 199967 verneint. Diese Argumentation übersieht allerdings die im Richtlinientext selbst angelegte Unterscheidung zwischen dem in Art. 2 geregelten persönlichen und dem von Art. 1 der Richtlinie umrissenen sachlichen/situativen Anwendungsbereich der Richtlinie und fuhrt zu einer Verkürzung der sich stellenden materiellen Fragestellung; diese war allerdings durch die vom OLG Bremen gewählte Formulierung der Vorlagefrage, die sich explizit nur auf Art. 1 der Richtlinie bezog, 68 angelegt.

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Kieller-Hannich, WM 2005, 1157, 1162 ff. Schlussanträge des GA L6ger v. 2.6.2005, Rs. C-229/04, Rz. 26 ff. EuGH, Urt. v. 22.4.1999, Rs. C-423/97 - Travel Vac, Slg. 1999,1-2195. Die erste Vorlagefrage des OLG Bremen lautet: „Ist es mit Art. I I der Richtlinie 85/577/EWG vereinbar, die Rechte des Verbrauchers, insbesondere sein Widerrufsrecht, nicht nur vom Vorliegen einer Haustürsituation nach Art. I 1 der Richtlinie abhängig zu machen, sondern auch von zusätzlichen Zurechnungskriterien wie der vom Gewerbetreibenden bewusst herbeigeführten Einschaltung eines Dritten in den Vertragsabschluss oder von einer Fahrlässigkeit des Gewerbetreibenden hinsichtlich des Handelns des Dritten beim Vertrieb mittels Haustürgeschäft? [Hervorhebung durch den Autor]", abgedr. in: NJW 2004, 2238 ff.

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Die vom Generalanwalt angeführte Entscheidung Travel Vac betraf zunächst, anders als die Vorlagefrage des OLG Bremen, den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie, insoweit, als dort zu klären war, inwieweit auch Vertragsschlüsse außerhalb der in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 85/577/EWG konkret genannten Situationen, die aber gleichwohl für den Verbraucher durch ein besonderes „Überraschungsmoment" im Sinne von Erwägungsgrund 4 der Richtlinie gekennzeichnet waren, unter die Richtlinie fallen.69 Fragen nach einer möglichen unzulässigen Verkürzung des persönlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie 85/577/EWG, um die es hier materiell geht, sind bisher, soweit ersichtlich, nicht Gegenstand von EuGHRechtsprechung gewesen. Die von der Richtlinie in Art. 2, 2. Spiegelstrich gewählte Formulierung zeigt, dass sie in persönlicher Hinsicht nicht stets ein Widerrufsrecht des Verbrauchers gewährleisten will. Für den Fall nämlich, dass nicht der Gewerbetreibende, sondern ein Dritter in der Haustürsituation mit dem Verbraucher in Kontakt tritt, muss vielmehr eine gewisse Nähebeziehung zwischen dem Gewerbetreibenden und dem Dritten bestehen, die die Richtlinie damit beschreibt, dass Letzterer im Namen und für Rechnung des Gewerbetreibenden handelt. Der Generalanwalt wählt hier in unzutreffender Weise die Formulierung, dass der Dritte „im Namen oder für Rechnung"70 des Gewerbetreibenden handeln müsse. Die Entstehungsgeschichte der Richtlinie71 zeigt, dass dieses Zurechnungskriterium eingehend behandelt und schließlich ganz bewusst gewählt worden ist. Ursprünglich sah der Kommissionsentwurf zur Richtlinie 85/577/ EWG noch keine vergleichbare Formulierung vor. Erst der Wirtschafts- und Sozialausschuss brachte die Ergänzung ein, dass die Richtlinie zwischen Verträgen und Verbrauchern und einem Gewerbetreibenden bzw. jeder Person, die für dessen Rechnung handelt, gelten solle. Damit sollte sichergestellt werden, dass auch das Handeln von Bevollmächtigten des Gewerbetreibenden dazu führt, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie eröffnet wird. Das Europäische Parlament befürwortete in seiner Stellungnahme zu dem Richtlinienentwurf sogar noch eine weitergehende Formulierung, nach 69 70 71

EuGH, Urt. v. 22.4.1999, Rs. C-423/97 - Travel Vac, Slg. 1999, 1-2195, Rz. 27 ff. Schlussanträge des GA Ldger v. 2.6.2005, Rs. C-229/04, Rz. 26. Bei Grabitz/Hilf/McAY/Yz, (oben Fn. 37) Bd. III, A 2, Rn. 5 f.

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der jede Person, die für den Gewerbetreibenden auftritt, als Gewerbetreibender anzusehen sei. Dieser Vorschlag wurde von der Kommission zwar übernommen, 72 doch hat sich der Rat in der endgültigen Fassung der Richtlinie fiir die engere Formulierung des Wirtschafts- und Sozialausschusses entschieden. Damit ist der Anwendungsbereich der Richtlinie auch dann eröffnet, wenn nicht der Gewerbetreibende selbst, sondern solche Hilfspersonen des Gewerbetreibenden mit dem Verbraucher in einer Haustürsituation in Kontakt kommen, die diesen rechtlich binden können. 73 Darüber hinaus fuhrt die Haustürsituation des Verbrauchers mit einem sonstigen Dritten nach der Richtlinie nicht zur Eröffnung des Anwendungsbereichs. Das bedeutet, dass die Richtlinie in sachlicher Hinsicht - wie auch vom vorlegenden Gericht vorgetragen wird 74 - zunächst (schlicht) auf das Vorliegen einer „Haustürsituation" abstellt, in persönlicher Hinsicht aber mit Art. 2 der Richtlinie 85/577/EWG dort eine Grenze zieht, wo das Verhalten des Dritten dem Gewerbetreibenden nicht mehr dergestalt zugerechnet werden kann, dass ein Handeln im Namen oder in Rechnung für den Gewerbetreibenden vorliegt.

3. Bestehen eines gemeinschaftsrechtlichen Gebotes zur Rechtsfortbildung durch die mitgliedstaatlichen Gerichte und die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung Fraglich ist, ob dort, wo die richtlinienkonforme Auslegung aus methodischen Gründen nicht zur Durchsetzung des effet utile der Richtlinie fuhren kann, die Effektivität des Gemeinschaftsrechts gleichwohl im Wege einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch die nationalen Gerichte durchgesetzt werden könnte. 75 In dem Anfang Oktober 2004 entschiedenen Vorlageverfahren des AG Lörrach in der Rechtssache Pfeiffer/Deutsches Rotes Kreuz76 betreffend die 72 73 74 75

ABl. EG 1978, C 127/6. Vgl. Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, 4. Aufl. 2003, S. 543. OLG Bremen, ZIP 2004, 1253, 1254 f. Allgemein und ausführlich dazu Franzen (oben Fn. 30), S. 495 ff.; siehe auch Frisch, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2000. 76 EuGH, Urt. v. 5.10.2004, Rs. 397/02 - Pfeiffer u.a./Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e. V.

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Auslegung der Richtlinie 93/104/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, hatte sich der EuGH u.a. zu der Frage nach den Grenzen der gemeinschaftsrechtlich geforderten richtlinienkonformen Auslegung geäußert. Beachtung fand hierbei insbesondere die Stellungnahme des Generalanwalts Damaso Ruiz-Jarabo Colomber77 in dessen Schlussanträgen vom 6.5.2003. 78 In der dort maßgeblichen Passage heißt es: „Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (...) muss ein nationales Gericht, das das nationale Recht - ob es sich nun um vor oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handelt - bei dessen Anwendung auszulegen hat, seine Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und am Zweck der Richtlinie ausrichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Artikel 249 Absatz 3 EGVertrag nachzukommen. (...) Erweist sich diese richtlinienkonforme Auslegung als unmöglich, so muss das nationale Gericht die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts dadurch gewährleisten, dass es erforderlichenfalls jede entgegensiehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste. [Hervorhebung durch den Autor]"79

Der Generalanwalt vertritt hier damit erstmalig die These, dass entgegen bisheriger Erkenntnisse, die Wortlautgrenze des nationalen Rechts nicht die absolute Auslegungsgrenze darstellen soll, sondern dass der effet utile des betreffenden Gemeinschaftsrechtsaktes unter Umständen auch gegen das geschriebene nationale Recht von den mitgliedstaatlichen Gerichten zu verwirklichen ist. 80 Nach seiner Auffassung wären diese also gemeinschaftsrechtlich über die gebotene richtlinienkonforme Auslegung hinaus zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung verpflichtet. Aus nationaler Sicht würde das Gericht damit aber eine Entscheidung treffen, die vom Gesetzgeber bei

77 78

79 80

Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer v. 6. Mai 2003, verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01. Schliemann, NZA 2004, 513, 514; Thüsing, ZIP 2004, 2301, 2302 ff.; Abele, BB 2004, 555 ff.; allgemein zu der arbeitsrechtlichen Problemstellung Rapatinski, RdA 2003, 328 ff.; Bultmann, JZ 2004, 1100, 1102 f.. Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer v. 6. Mai 2003, verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, Rz. 58. Vgl. Thüsing, ZIP 2004, 2301, 2302.

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der Umsetzung nicht getroffen worden ist und sich so an die Stelle des richtlinienumsetzenden Gesetzgebers setzen. In engen Grenzen können zwar deutsche Gerichte auch Rechtsfortbildung betreiben, 81 doch ist vor dem Hintergrund der Trennung von Rechtsprechung und Gesetzgebung schon mit Blick auf das Gewaltenteilungsprinzip aus verfassungsrechtlichen Gründen zweifelhaft, ob auf der Ebene des deutschen Rechts die nationalen Gerichte, namentlich der BGH, dazu befugt sind, in einem derartigen Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung später Regelungen zu entwickeln, die eine überschießende Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht bewirken. 82 Unabhängig davon ist aus EG-rechtlicher Sicht zu bedenken, dass es bei der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch Gerichte um nichts anderes ginge als um die Umsetzung von Richtlinien in das nationale Recht. Dieses ist aber die Aufgabe des mitgliedstaatlichen Gesetzgebers, an den die Richtlinien auch gerichtet sind. Eine Umsetzung der Richtlinien durch eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung durch die Gerichte ist dagegen gemeinschaftsrechtlich nicht gedeckt, denn der EuGH hat wiederholt deutlich gemacht, dass die Umsetzung der Richtlinien nicht durch die Rechtsprechung - sei diese auch noch so gesichert oder etabliert - erfolgen kann. 83 Entsprechend hat sich der EuGH auch in der Rechtssache Pfeiffer/Deutsches Rotes Kreuz die sehr weit gehende Auffassung des Generalanwalts nicht zu Eigen gemacht. In der fur die hier aufgeworfene Fragestellung maßgeblichen Urteilspassage heißt es: „Ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit ausschließlich zwischen Privaten anhängig ist, muss bei der Anwendung der Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts, die zur Umsetzung der in einer Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen erlassen worden sind, das gesamte nationale Recht berücksichtigen und es so weit wie möglich anhand

81 82

83

Vgl. hierzu etwa Renneri NJW 1991, 12, 17 m.w.N. Zu einer überschießenden Umsetzung und deren Probleme vgl. statt vieler Nabersack/Meyer JZ 1999, 913 ff.; Hommelhoff in: 50 Jahre BGH - Festgabe aus der Wissenschaft, 2000, S. 889, 921 ff; Rörig (oben Fn. 35), S. 142 ff. EuGH, Rs. C-197/96 - Kommission/Frankreich, Slg. 1997, 1-1489; vgl. auch den Schlussantrag des Generalanwalts Tizzano, EuGH Slg. 2001,1-354, Rz. 36 - Kommission/Niederlande·, s. zudem Grabitz/H\W Nettesheim (oben Fn. 37), Art. 149 EGV, Rn. 141; StreinzJSchroeder, (oben Fn. 26) Art. 249, Rn. 91 ff.; s. auch Ehricke EuZW 1999, 553, 558 ff. m.w.N.; Schnorbus, AcP 201 (2001), 860, 874 f.

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des Wortlauts und des Zweckes der Richtlinie auslegen, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel vereinbar ist."84

Der Gerichtshof erkennt damit die Auslegungsmaßstäbe des nationalen Rechts als Grenzen der gemeinschaftsrechtlich geforderten richtlinienkonformen Auslegung durch die nationalen Gerichte an und bestätigt damit den status quo. 85 Die Ausführungen zeigen aber auch, dass sich der Gerichtshof weniger von den (bisher) aufgeführten dogmatischen Bedenken gegen die richtlinienkonforme Rechtsfortbildung hat leiten lassen, sondern eher den Besonderheiten bei einer potentiellen Richtlinienwirkung in (ausschließlichen) Privatrechtsverhältnissen Rechnung trägt.

4.

Das Verbot horizontaler

Richtlinienwirkung

Die vom LG Bochum und vom OLG Bremen zur Entscheidung des EuGH gebrachten Vorlagefragen berühren als weiteres EG-rechtliches Problem zumindest mittelbar - die gemeinschaftsrechtliche Frage nach der Wirkung von Richtlinienbestimmungen in Privatrechtsverhältnissen.

a)

Die vom EuGH entwickelten Grundsätze

Der in Art. 249 Abs. 3 EG angelegte, zweistufige Wirkmechanismus einer Richtlinie macht deutlich, dass die Richtlinie grundsätzlich nicht selbst Rechte oder Pflichten in den Mitgliedstaaten schaffen, sondern nur mittelbar über das zu ihrer Umsetzung ergangene nationale Recht wirken soll.86 Von diesem Grundsatz hat der EuGH im Wege der Rechtsfortbildung 87 eine Ausnahme für den Fall zugelassen, dass eine Richtlinienbestimmung nicht rechtzeitig in das nationale Recht umgesetzt worden ist und sich die entsprechende

84 85 86

87

EuGH, Urt. v. 5.10.2004, Rs. 397/02 - Pfeiffer u.a/Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e. V., Rz. 102. Thüsing, ZIP 2004, 2301,2304. Allgemein zur Wirkweise der Richtlinie, StKvmJSchroeder, (oben Fn. 26) Art. 249 EGV, Rn. 68 ff.; Calliess/Ruffert/Ä«#eri, (oben Fn. 32) Art. 249 EGV, Rn. 43 ff. Calliess/Ruffert/Ruffert, (oben Fn. 32) Art. 249 EGV, Rn. 69.

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Bestimmung als inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erweist.88 Hintergrund war u.a. das Bemühen den Richtlinienbestimmungen durch Anerkennung ihrer Durchsetzbarkeit vor nationalen Behörden und Gerichten zu einer gesteigerten Effektivität zu verhelfen. Damit kann sich zwar der Einzelne gegenüber dem Mitgliedstaat auf die betreffende Richtlinienbestimmung berufen; diese vermag aber unter keinen Umständen selbst Verpflichtungen für private Gemeinschaftsbürger zu begründen.89 Auch sei eine (unmittelbare) Geltung von Richtlinien zwischen Privaten ausgeschlossen, sog. unmittelbare horizontale Drittwirkung.90 Der EuGH stützt diese Auffassung darauf, dass der Gemeinschaft die Befugnis fehlt, mit unmittelbarer Wirkung Belastungen für Dritte zu schaffen, es sei denn dass sie dazu über die Befugnis zum Erlass von Verordnungen oder Entscheidungen berechtigt ist. Bei ordnungsgemäßer Umsetzung wirkt die Richtlinie im innerstaatlichen Bereich mithin allein über das mitgliedstaatliche Recht. Bislang hat der EuGH eine diesbezügliche Ausnahme auch für Verbraucherschutzrichtlinien ausdrücklich abgelehnt.91

b) Richtlinienwirkung zwischen Privaten im konkreten Fall bei Außerachtlassung der BGH-Rechtsprechung nach der HeiningerEntscheidung des EuGH Fraglich ist indes, ob es möglicherweise auch in den hier zu Grunde liegenden Ausgangssachverhalten zu einer verbotenen horizontalen Drittwirkung 88 St. Rspr. siehe Nachweise bei Streinz/Schroeder, (oben Fn. 26) Art. 249 EGV, Rn. 106 ff.; Calliess/Ruffert/ÄK#ert, (oben Fn. 32) Art. 249 EGV, Rn. 69 ff. 89 EuGH, Urt. v. 26.2.1986, Rs. 152/84 - Marshall 1, Slg. 1986, 723, Rz. 48; Urt. v. 12.5.1987, Verb. Rs. 372 bis 374/85 - Traen, Slg. 1987, 2141, Rz. 24; Urt. v. 11.6.1987, Rs. 14/86 - Pretore di Salo/X, Slg. 1987, 2545, Rz. 19; Urt. v. 8.10.1987, Rs. 80/86 - Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969, Rz. 9; Urt. v.

22.2.1990, Rs. C-221/88 - Busseni, Slg. 1990,1-49, Rz. 23; Urt. v. 13.11.1990, Rs. C-106/89 - Marleasing, Slg. 1990,1-4135, Rz. 6; Urt. v. 26.11.1996, Rs. C168/95 - Arcaro, Slg. 1996,1-4705, Rz. 36 ff.; Urt. v. 4.12.1997, Rs. C-97/96 90

Daihatsu Deutschland, Slg. 1997,1-6843, Rz. 24. EuGH Urt. v. 11.6.1987, Rs. 14/86 - Pretore de Salo/X, Slg. 1987, 2545,

Rz. 19. 91

EuGH Urt. v. 7.3.1996, Rs. C-192/94 - El Corte Ingles/Cristina Rivero, Slg. 1996,1-1281, Rz. 18.

Bläzquez

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kommen könnte, denn die vorlegenden deutschen Gerichte gehen implizit von der Anwendbarkeit der Richtlinie 85/577/EWG bzw. der Relevanz dieser Richtlinie über das zu ihrer Umsetzung ergangene HWiG a.F. im Verhältnis zwischen Verbraucher und Gewerbetreibenden auch insoweit aus, wie der in der „Haustürsituation" abgeschlossene Vertrag einen Realkreditvertrag darstellt und das deutsche Recht eine ausdrückliche Befristung des Widerrufsrechts vorsieht. Soweit die Bundesrepublik Deutschland die Richtlinie 85/577/EWG mit dem HWiG a.F. in Bezug auf deren Anwendungsbereich nicht oder die gemeinschaftsrechtlich gebotene Dauer des Widerrufsrechts bei unterbliebener Belehrung nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat, hätte dies zur Folge, dass sich ein Gemeinschaftsbürger nicht gegenüber einem Dritten auf eben diese Richtlinienbestimmung berufen dürfte. 92

aa) Fehlende oder nicht hinreichende richtlinienkonforme Umsetzung Im hier vorliegenden Kontext ist zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der damaligen Vertragsschlüsse weder abstrakt bekannt war, ob zwischen Haustürwiderrufs- und der später erlassenen Verbraucherkreditrichtlinie ein Spezialitätsverhältnis bestand, noch ob konkret (demzufolge) Realkreditverträge unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 85/577/EWG fallen sollten. Entsprechend bestimmte § 5 Abs. 1 HWiG a.F., dass Geschäfte, die zugleich die Voraussetzungen des Verbraucherkreditgesetzes erfüllten, dem Anwendungsbereich des HWiG entzogen sein und nach dem Verbraucherkreditgesetz zu behandeln sein sollten. Bezogen auf Kreditverträge wurde mithin von einem Vorrang des Verbraucherkreditgesetzes ausgegangen. 93 Zwar wollten Teile der Literatur und der Rechtsprechung über eine teleologische Reduktion des § 5 Abs. 2 HWiG, das HWiG in den Fällen für anwendbar 92 93

Siehe in diesem Kontext Hochleitner/Wolf/Großerichter, WM 2002, 529, 530 ff. In BT-DrS 11/5462, S. 1, 30 betreffend „Entwurf eines Gesetzes über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozessordnung und anderer Gesetze" heißt es unter „Zu Artikel 3 - Änderung des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnliche Geschäften" in der Begründung zur Änderung des § 5 Abs. 2 HWiG ausdrücklich: „Für Haustürgeschäfte, die zugleich die Merkmale eines Verbraucherkreditgeschäfts erfüllen, wird der Vorrang des Verbraucherkreditgeschäfts bestimmt (§ 5 Abs. 2). [Hervorhebung durch den Autor]"; siehe hierzu auch Hochleitner/Wolf/Großerichter, WM 2002, 529, 531 ff.

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erklären, in denen das VerbrKrG zwar anwendbar war, aber keine Widerrufsmöglichkeit vorsah. 94 Dem traten die instanzgerichtliche Rechtsprechung und der BGH jedoch mit systematischen und am Sinn und Zweck der beiden Gesetze orientierten Argumenten entgegen. 95 Auch für den Fall, dass Realkreditverträge vom Anwendungsbereich der Richtlinie 85/577/EWG erfasst waren, wollte der XI. Zivilsenat des BGH in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 2 S. 2 VerbrKrG, wonach das Widerrufsrecht bei unterbliebener Belehrung auf ein Jahr befristet war, zu einer zeitlichen Höchstgrenze gelangen. 96 Erst mit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Heininger wurde klargestellt, dass die Richtlinie 85/577/EWG und Richtlinie 87/I02/EWG nebeneinander und kumulativ anzuwenden sind, mit der Folge, dass Richtlinie 85/577/EWG auch Realkreditverträge erfasst. 97 Zudem stellte der EuGH fest, dass Art. 4 S. 4 der Richtlinie 85/577/EWG, wonach die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen haben, dass ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften geeignete Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers vorsehen, wenn die nach der Richtlinie vorgesehene Belehrung nicht erfolgt ist, einer zeitlichen Befristung des Widerrufsrechts auf ein Jahr im Falle der unterbliebenen Belehrung entgegenstünde 98 In Folge dessen wurde § 5 Abs. 2 HWiG, der nach der Schuldrechtsreform inzwischen in § 312a BGB aufgegangen war, durch das am 1.8.2002 in Kraft getretene OLG-Vertretungsänderungsgesetz 99 neu gestaltet. Die jetzt gewählte Formulierung macht deutlich, dass andere 94 95

96 97

98 99

Etwa Staudinger/Werner (1998), § 5 HWiG, Rn. 27. Siehe hierzu die Ausführungen des BGH in der Vorlageentscheidung an den EuGH, BeschI. v. 30.11.1999, abgedr. in NJW 2000, 521 f. m.w.N. für die Gegenauffassung. Siehe hierzu die Ausführungen des BGH in der Vorlageentscheidung an den EuGH, Beschl. v. 30.11.1999, abgedr. in NJW 2000, 521, 523. EuGH, Urt. v. 13.12.2001, Rs. C-481/99 - Georg und Helga Heininger/ Bayerische Hypo- und Vereinsbank, Slg. 2001, 1-9945, abgedr. (u.a.) in NJW 2002, 281 ff., Rz. 40. (S. 282); Siehe hierzu etwa Staudinger, NJW 2002, 653 ff., der daraufhinweist, dass die die Haustürwiderrufsrichtlinie ein „Situationsbedingtes Widerrufsrecht" einräume, während das Schutzkonzept der Verbraucherkreditrichtlinie „inhaltsbezogen" sei (S. 654). Siehe hierzu Reich/Micklitz (oben Fn. 73), S. 559 f. BGBl. 1-2002, Nr. 53 v. 31.7.2002, S. 2850 ff. Ulmer in: MünchKomm BGB, Bd. 2a, 4. Aufl. 2003, Vor § § 3 1 2 , 312a Rn. 4; siehe hierzu auch Hoffmann, ZIP 2002, 1066, 1072; derselbe, ZIP 2 0 0 4 , 4 9 , 57.

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Vorschriften als diejenigen, die Bestimmungen zum Widerrufsrecht bei „in einer Haustürsituation" geschlossenen Verträgen beinhalten, nur zur Anwendung kommen sollen, wenn dem Verbraucher nach diesen anderen Vorschriften auch tatsächlich ein Widerrufsrecht zusteht und nicht dieses etwa wegen eines der dort vorgesehenen Ausnahmetatbestände ausgeschlossen ist.100 Zum anderen wurde § 355 Abs. 3 BGB um einen Satz 3 ergänzt, wonach das Widerrufsrecht nicht erlischt, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß darüber belehrt worden ist.101 Dies legt es nahe zu argumentieren, dass der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie 85/577/EWG jedenfalls zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie 87/102/EWG mit dem HWiG (und dem VerbrKrG) nicht richtlinienkonform umgesetzt hat bzw., dass diese nach Inkrafttreten der Richtlinie 87/102/EWG nicht mehr den europarechtlichen Anforderungen entsprach, die sich nach der Auffassung des EuGH in der Rechtssache Heininger aus der Zusammenschau beider Sekundärrechtsakte ergaben. Der nationale Rechtsanwender wird zum damaligen Zeitpunkt aufgrund des in § 5 Abs. 2 HWiG a.F. vorgesehenen Verweises in das VerbrKrG vielmehr davon ausgegangen sein, dass Realkreditverträge nicht unter das HWiG (bzw. die Richtlinie 85/577/EWG) fallen bzw. allein nach dem VerbrKrG zu behandeln sein würden mit der Folge, dass - ausgehend von seiner früheren Perspektive die Schutzbestimmungen des HWiG in sachlicher Hinsicht keine Anwendung fanden.

bb) Belastung aufgrund der Richtlinie Das Verbot der unmittelbaren horizontalen Drittwirkung greift im vorliegenden Fall aber nur dann ein, wenn einem Privaten unmittelbar aus der Richtlinie 85/577/EWG eine Belastung oder Verpflichtung auferlegt würde. Der EuGH hat sich zu diesem Begriff noch nicht eindeutig geäußert, sondern zeigt die Tendenz, vor allem an Hand einer Einordnung der Rechtsbeziehungen als „horizontal" oder „vertikal", bzw. einer Ermittlung des möglichen „Adressaten" der betreffenden Richtlinienbestimmung, zu einer Entschei-

100 Ulmer, (oben Fn. 99) § 312a, Rn. 3. 101 Wiedmann in: Gebauer/Wiedmann (oben Fn 3), S. 186 f.

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dung zu gelangen. 102 Nach Auffassung der Literatur ist mit Rücksicht auf die bisherige EuGH-Rechtsprechung eine Verpflichtung nicht nur dann anzunehmen, „wenn eine Richtlinie selbst eine materielle Verpflichtung für einen Unionsbürger enthält, sondern auch dann, wenn eine Richtlinie, Privatrechtsverhältnisse gestalten will und einem Unionsbürger ein Recht einräumt, das gegenüber einem anderen Unionsbürger geltend zu machen ist.". 103 Legt man dieses Verständnis auch für die behandelten Problemkonstellationen zu Grunde, könnte argumentiert werden, dass die einem Privaten, hier den Kreditinstituten, durch die Richtlinie 85/577/EWG auferlegte „Belastung" in der Pflicht zur ordnungsgemäßen Belehrung der Vertragspartner entsprechend den Vorgaben der Richtlinie auch für Realkreditverträge liegt. Der (erstrebten) Berechtigung des Verbrauchers zum Widerruf steht die entsprechende Verpflichtung zur Belehrung auf Seiten der Gewerbetreibenden gegenüber, auch wenn es sich hierbei aus nationaler Sicht um eine bloße Obliegenheit 104 handeln mag. Die den Vorlagefragen des LG Bochum und des OLG Bremen voraus gehenden Problemlagen verhalten sich damit in gewisser Hinsicht spiegelbildlich zu d e m in der R e c h t s s a c h e Paolo

Faccini

Doro/Recreb

Sri

zu

Grunde liegenden Sachverhalt. Hier ging es darum, ob sich eine Verbraucherin, die einen Vertrag über einen Fernlehrgang in der Nähe des Mailänder Hauptbahnhofes geschlossen hatte, zu Ungunsten des Gewerbetreibenden, auf Art. 5 der Richtlinie 85/577/EWG vor den nationalen Gerichten berufen und den Vertrag damit widerrufen konnte. 105 Auch in diesem Fall ging der 102 Vgl. die umfassende Darstellung der EuGH-Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex bei Rörig(oben Fn. 35), S. 37 ff. 103 Rörig (oben Fn. 35), S. 50 - mit wörtlicher Bezugnahme auf die Widerrufsmöglichkeiten nach der Haustürwiderrufsrichtlinie; siehe auch Jarass/Beljin, EuR 2004, 714 ff. (721); zu einer Fallkonstellation, in der sich die „Belastung" des Dritten nur als „Rechtsreflex" darstellt, der das Verbot der horizontalen Direktwirkung nicht aktiviert, siehe Bultmann, JZ 2004, 1100, 1106. 104 Hierzu Meller-Hannich, WM 2005 1157, 1163. 105 EuGH, Urt. v. 14.7.1994, Rs. C-91/92 - Paolo Faccini Doro/Recreb Sri, Slg. 1994, 1-3325. Siehe darüber hinaus, Urt. des EuGH v. 7.3.1996, C-192/94 - El Corte Ingles/Christina Bläquez Rivero, Slg. 1996, 1-1281. Dort ging es um die Frage, ob sich die Klägerin, die wegen Mängeln an ihrer vom Beklagten kreditfinanzierten Reise, Rechte gegen diese Finanzierungsgesellschaft oder das Reisebüro geltend machen wollte, auf Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 87/102/ EWG berufen konnte.

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EuGH ohne Begründung davon aus, dass der Gewerbetreibende im Falle einer unmittelbaren Richtliniengeltung zwischen Privaten bei fehlender Umsetzung in das nationale Recht einer „Verpflichtung" ausgesetzt würde und lehnte die unmittelbare Wirkung des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie daher im konkreten Fall ab. 106 Anders und insofern „eindeutiger" als in den hier behandelten Fällen, war die Haustürwiderrufrichtlinie in Italien zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht vollständig umgesetzt worden.

c)

Die Bedeutung einer (nachträglichen) richtlinienkonformen Auslegung und Rechtsfortbildung durch die nationalen Gerichte (bei nur unzureichender Richtlinienumsetzung)

aa) Grundlagen In Deutschland stellt sich die Rechtslage anders dar. Angesichts der oben beschriebenen (möglichen) gesetzgeberischen Versäumnisse im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 und Art. 4 der Richtlinie 85/577/EWG könnte allenfalls von einer nur unzureichenden Richtlinienumsetzung gesprochen werden. Auch in diesem Fall würde das Verbot der horizontalen Drittwirkung von EG-Richtlinienbestimmungen im Grundsatz gelten, denn es kann keinen Unterschied machen, ob der nationale Gesetzgeber eine Richtlinie vollständig nicht in das nationale Recht aufgenommen, oder ob er auf die Umsetzung einzelner Bestimmungen verzichtet hat. Das Verbot der horizontalen Richtlinienwirkung greift jedoch dann nicht (mehr) ein, wenn sich das von der betreffenden Richtlinienbestimmung angestrebte „Ziel" auch im Wege der richtlinienkonformen Auslegung erreichen lässt, 107 denn der Zweck dieser Auslegungsmethode besteht gerade darin, eine mehrdeutige Vorschrift in einer Deutung zur Wirkung kommen zu lassen, die mit dem EG-Richtlinienrecht vereinbar ist. In einer solchen Konstellation läge wohl schon begrifflich keine „unzureichende Richtlinienumsetzung" mehr vor.

106 EuGH, Urt. v. 14.7.1994, Rs. C-91/92 - Paolo Faccini Doro/Recreb Sri, Slg. 1994,1-3325, Rz. 24 ff. 107 Vgl. EuGH, Urt. v. 7.5.1996, Rs. C-192/94 - El Corte Ingles/Rivero, Slg. 1996, 1281, Rz. 22.

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Damit ist zugleich die Frage aufgeworfen, welcher Instanz die Befugnis zukommt, zu beurteilen, ob eine Richtlinie den darin enthaltenen Vorgaben entsprechend umfassend oder nur teilweise in das nationale Recht implementiert wurde. Dies bereitet in der Regel deshalb keine Schwierigkeiten, weil es sich in der Mehrzahl der bisher entschiedenen Fällen zum „Verbot der unmittelbaren horizontalen Drittwirkung" um Konstellationen handelt, in denen die betreffende Richtlinie überhaupt nicht in das nationale Recht umgesetzt worden war. 108 Fälle in denen eine Richtlinie nur teilweise nicht ordnungsgemäß in das nationale Recht implementiert worden ist, wie etwa in der Rechtssache Pfeiffer/Deutsches Rotes Kreuzm, sind bisher hingegen nur selten entschieden worden. 110 Da dem EuGH im Verfahren nach Art. 234 EG nur die Befugnis zukommt, das Gemeinschaftsrecht auszulegen, nicht aber etwa das nationale Recht direkt auf seine Vereinbarkeit mit dem EG-Recht hin zu überprüfen, 1 " muss jedenfalls in diesem Kontext(!) von einer Einschätzungsprärogative der höchsten nationalen Gerichte bzw. der jeweils vorlegenden Gerichte ausgegangen werden. Stellen diese fest, dass sich die vom EuGH in der Vorlageentscheidung festgelegten Anforderungen der Richtlinie im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des zu seiner Umsetzung ergangenen oder dienenden nationalen Rechts verwirklichen lassen, 108 In der Entscheidung des EuGH, Urt. v. 14.7.1994, Rs. C-92/92 - Paolo Faccini Doro/Recreb Sri, Slg. 1994, 1-3347 war die Richtlinie 85/577/EWG bspw. „unstreitig" (Rz. 8 des Urteils) nicht in das italienische Recht umgesetzt worden. Siehe auch EuGH, Urt. v. 11.6.1987, Rs. 14/86, Pretore di Salo/X, Slg. 1987, 2545 wo sich dem Vortrag des vorlegenden Gerichts nicht entnehmen ließ, ob die Richtlinie 78/659/EWG des Rates umgesetzt worden war und der EuGH dementsprechend nur auf Grundlage der in Rede stehenden Richtlinie entscheidet (Rz. 15 ff. des Urteils). 109 EuGH, Urt. v. 5.10.2004, Rs. 397/02 - Pfeiffer u.a./Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e. V. 110 In Urt. v. 8.10.1987, Rs. 80/86 - Kolpinghuis Nijmegen BV, Slg. 1987, 3969, Rz. 15 deutet der EuGH jedoch an, dass auch eine unzulängliche Richtlinienumsetzung bei der Frage relevant werden kann, ob diese vor einem innerstaatlichen Gericht geltend gemacht werden kann. 111 EuGH, Urt. v. 9.10.1984, Rs. 91 u. 127/83 - Heineken Brouwerijen B.VJ Inspecteur der Vennootschapsbelasting u.a., Slg. 1984, 343, Rz. 10; EuGH, Urt. v. 11.6.1987, Rs. 14/86, Pretore di Salö/X, Slg. 1987, 2545, Rz. 15; hierzu v.d. Groeben/Schwarze/Ga/tanides, (oben Fn. 26) Art. 234 EGV, Rn. 16, 27 ff. mit weiteren Rspr.-Nachweisen; Calüess/Ruffert/ifegener, (oben Fn. 32) Art. 234 EGV, Rn. 4 ff.

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liegt im Ergebnis kein Fall der unzureichenden Richtlinienumsetzung vor, mit der Folge, dass das Verbot der horizontalen Direktwirkung von Richtlinienbestimmungen nicht eingreift. Dasselbe muss im Grundsatz auch gelten, wenn sich die gemeinschaftsrechtskonforme „Interpretation" des nationalen Rechts aus Perspektive der betroffenen mitgliedstaatlichen Rechtsordnung als „Rechtsfortbildung" entpuppt. 112 Gleichwohl könnte sich der Mitgliedstaat im Falle eines von der Kommission nach Art. 226 EG eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens wohl nicht darauf berufen, dass die mangelhafte Umsetzung der Richtlinie im Wege der richtlinienkonformen Auslegung „geheilt" worden ist. 113 Wie bereits festgestellt, 114 sind die nationalen Gerichte damit zwar gemeinschaftsrechtlich nicht zur Rechtsfortbildung verpflichtet, um dem Umsetzungsauftrag aus Art. 249 Abs. 3 EG i.V.m. Art. 10 EG gerecht zu werden, gleichwohl sind sie aus Sicht des Gemeinschaftsrechts (wohl) aber auch nicht daran gehindert, eine solche Rechtsfortbildung vorzunehmen. Dies muss jedenfalls insoweit gelten, wie sich diese nicht als „ausschließliche Umsetzung" der Richtlinie erweist, da sich die Judikative insofern nicht an die Stelle des nationalen Gesetzgebers setzten darf und keine verbindlichen Außenrechtssätze schaffen kann." 5 Die Zulässigkeit einer solchen Rechtsfortbildung wäre mangels Überprüfungskompetenz des EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens ausschließlich nach dem betroffenen mitgliedstaatlichen Recht zu beurteilen. 116

bb) Übertragung auf die Problemstellung Damit ergibt sich hier die Frage, ob das von der Richtlinie 85/577/EWG verfolgte Ziel, nämlich u.a. jeden in einer Haustürsituation abgeschlossenen Vertrag zu erfassen, nicht im Wege der richtlinienkonformen Auslegung oder sogar der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des deutschen Rechts zu

112 Hierzu Schnorbus, AcP 201 (2001), 860, 876 ff. 113 Franzen, Privatrechtsangleichung, 1999, S. 367; dagegen Frisch (oben Fn. 75), S. 113. 114 Unter II.3. 115 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Schnorbus, AcP 2001, 860, 870. 116 Schnorbus, AcP 201 (2001), 860, 877.

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verwirklichen ist." 7 Entsprechend hat auch der BGH 118 nach der HeiningerEntscheidung des EuGH selbst eine richtlinienkonforme Reduktion des § 5 Abs. 2 HWiG dahin gehend vorgenommen, dass nur solche Kreditverträge vom Anwendungsbereich ausgenommen sein sollen, für die das VerbrKrG ein gleich weit reichendes Widerrufsrecht vorsieht." 9 Diese Vorgehensweise ist auf Kritik gestoßen, da sie im Widerspruch zum Wortlaut und der gesetzgeberischen Intention des § 5 Abs. 2 HWiG stehe. Auch ist zu berücksichtigen, dass der deutsche Gesetzgeber scheinbar selbst von einer nur unzureichenden Umsetzung der Richtlinie 85/577/EWG ausgegangen ist. Anderenfalls hätte er sich möglicherweise nicht dazu genötigt gefühlt, § 312a a.F. als Nachfolgernorm des § 5 Abs. 2 HWiG durch das OLG-Vertretungsänderungsgesetz im Sinne der //emmger-Rechtsprechung des EuGH neu zu formulieren. 120 Anders verhält es sich jedoch mit den deutschen Regelungen zur Befristung des Widerrufsrechts (§ 2 HWiG, § 355 Abs. 3 BGB a.F., § 495 BGB a.F. i.V.m. § 355 Abs. 3 a.F. bzw. § 7 Abs. 2 VerbrKrG); hier ist tendenziell von einem Verstoß gegen die Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber auszugehen (der unter Umständen auch Staatshaftungsansprüche auszulösen vermag). 121 Geht man davon aus, dass die Rechtsprechung des BGH zu § 5 Abs. 2 HWiG den gegenwärtigen gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Behandlung der hier in Rede stehenden ,Altfälle" gerecht wird, zeigt sich, dass das Verbot der horizontalen Wirkung von Richtlinien hier nur deshalb nicht eingreift, weil sich das nationale Gericht zu einer nachträglichen Änderung der Rechtsprechungspraxis entschieden hat.

cc) Konsequenzen für den Rechtsanwender Für den Rechtsanwender sind die damit verbundenen Konsequenzen kaum überschaubar, denn es ist aus seiner Sicht im Falle der nur unzureichenden Richtlinienumsetzung durch den nationalen Gesetzgeber nicht erkennbar, wo 117 118 119 120 121

Siehe hierzu HochleUner/fVolf/Großerichler, WM 2002, 529, 531 ff. BGH NJW 2002, 1881, 1882. Hierzu Franzen, JZ 2003, 321, 324 ff. Franzen, JZ 2003, 321, 327. Wiedmann in: Gebauer/Wiedmann (oben Fn 3), S. 189.

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die nationalen Gerichte die Grenze der richtlinienkonformen Auslegung und damit die Grenze der mittelbaren Privatbelastung der betreffenden Richtlinienbestimmung ziehen. 122 Von den tatsächlichen Wirkungen her betrachtet, ist es für ihn auch unerheblich, ob die nationale Rechtsprechung im Wege der veränderten Auslegung oder der Rechtsfortbildung zu einem für den einzelnen belastenden Ergebnis kommt, oder ob diese Folge unmittelbar aus der (nicht hinreichend umgesetzten) Richtlinienbestimmung hergeleitet wird. Dies gilt umso mehr, wenn - wie im Falle der Heininger-Entscheidung - der gemeinschaftsrechtlich gebotene Regelungsumfang der Richtlinie 85/577/ EWG erst Jahre nach ihrem Erlass endgültig festgestellt wird, diese Feststellung aufgrund der ex-tunc-Wirkung 123 von Urteilen des EuGH im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren aber für den gesamten Geltungszeitraum des betrachteten Sekundärrechtsakts gilt. Die richtlinienkonforme Auslegung führt hier im Ergebnis zu einer einseitigen Betonung des gemeinschaftsrechtlich intendierten Harmonisierungserfolges unter Außerachtlassung möglicher gegenläufiger Interessen. Hinzu kommt, dass gerade in Fällen, in denen die nationale Rechtslage nicht eindeutig den nachträglich ermittelten Zweck der Richtlinie wiedergibt, eine „Versuchung" der nationalen Gerichte dahingehend besteht, die „Lücke" im Wege der richtlinienkonformen Auslegung oder Fortbildung zu schließen. Hintergrund ist hierbei die vom EuGH 124 gestützte Annahme, dass der nationale Gesetzgeber im Zweifel eine europarechtskonforme Umsetzung der betreffenden Richtlinie bezwecken wollte.125 Der Anwendungsbereich des Verbots unmittelbarer Direktwirkung von Richtlinien in Fällen möglicher „unzureichender" Richtlinienumsetzung droht damit gegen Null zu tendieren.

122 Rörig (oben Fn. 35), S. 54. 123 Calliess/Ruffert/Wegener, (oben Fn. 32) Art. 234 EGV, Rn. 35; v.d. Groeben/ SdtmmzdGaitanides, (oben Fn. 26) Art. 234 EG, Rn. 94; EuGH Urt. v. 2.2.1988, Rs. 309/85 - Barra/Belgien, Slg. 1988, 355, Rz. 9 ff. 124 EuGH, Urt. v. 16.12.1993, Rs. C-334/92 - Wagner/Miret, Slg. 1993, 6911, Rz. 20 ff. Danach (..) „hat jedes nationale Gericht bei der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts davon auszugehen, dass der Staat die Absicht hatte, den sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen" (Rz. 20). 125 Siehe hierzu die Argumentation des BGH, BGH NJW 2002, 1881, 1882 f.; vgl. auch Staudinger/^eija/-Wulf (1998), Einl. zum VerbrKrG, Rn. 43; Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 124.

Probleme verbundener Verbraucherkredit- und Immobiliengeschäfte

37

Das Ergebnis steht auch im Widerspruch dazu, dass der Bürger die Rechte und Pflichten, die ihm nach der Richtlinie zufallen sollen, klar und unzweideutig aus den ihm gegenüber geltenden nationalen Vorschriften entnehmen können soll. 126 Um diesen Unsicherheiten entgegen zu treten und „Zufallsergebnisse" zu vermeiden, wird von Teilen der Literatur eine unbeschränkte horizontale Wirkung unmittelbar anwendbarer Richtlinienbestimmungen vorgeschlagen. 127

5.

Rückwirkung,

Vertrauensschutz

und

Rechtssicherheit

Die geschilderte Problemstellung hat erkennen lassen, dass das gemeinschaftsrechtliche Verbot der unmittelbaren horizontalen Richtlinienwirkung (und die gemeinschaftsrechtlich erlaubte mittelbare Richtlinienwirkung über das Institut der richtlinienkonformen Auslegung) wertungsmäßig mit der Frage nach einer erlaubten oder verbotenen Rückwirkung bzw. dem in den hier behandelten Sachverhalten zu berücksichtigenden Vertrauensschutz verknüpft sind.

a)

Die den vorlegenden Gerichten zugrunde liegenden Sachverhalte als Rückwirkungskonstellationen

Im deutschen öffentlichen Recht unterscheidet man zwischen der sog. „echten Rückwirkung" und der sog. „unechten Rückwirkung". Während mit der ersten Sachverhaltskonstellation Fälle gemeint sind, in denen an einen bereits abgeschlossenen Lebenssachverhalt andere Rechtsfolgen angeknüpft werden als sie für die Dauer des Lebenssachverhalts galten und somit eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen eintritt, ist die zweite Alternative dadurch gekennzeichnet, dass ein noch laufender Lebenssachverhalt nachträglich rechtlich anders behandelt wird als dies für den Rechtsanwender zu Beginn des

126 Vgl. Everling, ZGR 1992, 376, 383. 127 Brechmann (oben Fn. 125), S. 279; Bultmann, JZ 2004, 1100, 1106.

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Ulrich Ehricke

Lebenssachverhalts erkennbar war und damit eine tatbestandliche Rtickankniipfung statt findet.128 Bei den Ausgangssachverhalten des LG Bochum und des OLG Bremen kann insofern von einer möglichen Rückwirkung gesprochen werden als hier - zumindest aus Sicht der Kreditinstitute - für die Abschlüsse von Kreditverträgen in Haustürsituationen oder in Anbahnungssituation nunmehr über die zur Zeit der Vertragsschlüsse aus der deutschen Rechtslage erkennbaren Aufklärungs- und Belehrungspflichten hinausgehende Anforderungen gestellt werden. Konkret hätten die Kreditinstitute nach Vorstellung der vorlegenden Gerichte die sich aus dem HWiG ergebenden Aufklärungs- und Belehrungspflichten neben den sich aus dem VerbrKrG ergebenden Pflichten beachten müssen, obwohl die Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt mit Blick auf § 5 Abs. 2 HWiG, § 3 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 9 VerbrKrG einerseits und der diesbezüglichen Rechtsprechung andererseits jedenfalls aus Sicht des Rechtsanwenders dies nicht (zwingend) verlangte.

b) Spezifisch gemeinschaftsrechtliche Aussagen zur Rückwirkung bzw. zum Rückwirkungsverbot Mit Fragen des Rückwirkungsverbots hatte sich der EuGH vornehmlich in solchen Fällen zu beschäftigen, in denen es um die Rückwirkung von Strafvorschriften ging. Hier nimmt er unter Bezugnahme auf Art. 6 Abs. 2 EU i.V.m. Art. 7 EMRK ein ausnahmsloses Rückwirkungsverbot an.129 Ob darüber hinaus auf Gemeinschaftsebene von einem generellen Rechtsnachteilsverbot auszugehen ist, ist umstritten.130

128 Allgemein zur Rückwirkung im deutschen Recht, OreieT/Schuhe-Fielitz, GG, Bd. II, 1998, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 144 ff.; Sachs/Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 20 GG, Rn. 131 ff. 129 EuGH, Urt. v. 10.7.1984, Rs. 63/83 - Regina/Kirk, Slg. 1984, 2689, Rz. 22; Urt. v. 13.11.1990, Rs. C-331/88 - Fedesa u.a., Slg. 1990, 1-4023, Rz.42 (jeweils noch vor Verabschiedung des EU-Vertrages und daher ohne Nennung des Art. 6 Abs. 2 EUV); siehe darüber hinaus Calliess/Ruffert/AVwgree«, (oben Fn. 32) Art. 6 EUV, Rn. 14. 130 Hierzu Rörig (oben Fn. 35), S. 33 ff.

Probleme verbundener Verbraucherkredit- und Immobiliengeschäfte c)

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Der gemeinschaftsrechtlich anerkannte Vertrauensschutz

aa) Allgemeines Versteht man die hier aufgeworfene Frage nach einer möglicherweise unzulässigen Rückwirkung allerdings allgemeiner unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, lassen sich der Rechsprechung des EuGH unter Umständen auch Aussagen für die hier betrachtete Fallkonstellation entnehmen, denn der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist auch auf Ebene des Gemeinschaftsrechts anerkannt. 131 Er ist an drei Voraussetzungen geknüpft: Zunächst muss eine Vertrauenslage bestanden haben, weiterhin muss das Vertrauen schutzwürdig sein und schließlich muss das Individualinteresse gegenüber dem Gemeinschaftsinteresse überwiegen. 132 Im Hinblick auf die verbundenen Verbraucherkredit- und Immobiliengeschäfte ist zu überlegen, ob für den Fall, dass es auf Seiten des Mitgliedstaates zu einer richtlinienkonformen Umsetzung bzw. einer richtlinienkonformen Auslegung bzw. Rechtsfortbildung entgegen den nachträglich ermittelten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen noch nicht gekommen ist, der Bürger tatsächlich gemeinschaftsrechtlich darauf vertrauen darf, dass ihn hoheitliche Eingriffe nicht unmittelbar durch eine Richtlinie oder auch im Wege der richtlinienkonformen Auslegung treffen. 133 Problematisch ist insoweit bereits, ob das Vorliegen einer nicht richtlinienkonform umgesetzten nationalen Rechtslage eine Vertrauenslage begründen kann, wenn diese, wie im Nachgang zur Heininger-Entscheidung geschehen, nachträglich durch das letztinstanzliche nationale Gericht im Wege der richtlinienkonformen Auslegung „geheilt" worden ist. Die damit aufgeworfene Rechtsfrage lässt sich in zwei Teilbereiche aufgliedern. Zunächst ist zu klären, ob das Vertrauen der (potentiell) Regelungsunterworfenen auch in soweit schützenswert ist, als

131 EuGH, Urt. v. 28.04.1988, Rs. 120/86 - Mulder, Slg. 1988, 2321; Urt. v. 28.4.1988, Rs. 170/86 - van Deelzen, Slg. 1988, 2355; Urt. v. 11.12.1990, Rs. C-189/89 - Spagl, und Rs. C-217/89, Pastätter, Slg. S. I 4539, 4585; siehe darüber hinaus die umfassenden Rechtsprechungsnachweise bei Calliess/ Ruffert/Kingree n, (oben Fn. 32) Art. 6 EUV, Rn. 9 ff.; v.d. Groeben/Schwarze/ Gaitanides, (oben Fn. 26) Art. 220 EG, Rn. 23. 132 Call iess/RufferÜKingree η, (oben Fn. 32) Art. 6 EUV, Rn. 11 ff. mit umfassenden Rechtsprechungsnachweisen. 133 So Brechmann (oben Fn. 125), S. 277.

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dass ein bestimmter Sachverhalt, hier die Öffnung des Anwendungsbereichs des HWiG auf Realkreditverträge, gemeinschaftsrechtlich nicht tangiert wird (unter bb)). Darüber hinaus ist zu überlegen, ob der Unionsbürger auch zumindest eingeschränkten Vertrauensschutz gegenüber der Rechtssprechung genießt (unter cc)).

bb) Vertrauen in das Fehlen gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben Der EuGH hat in ersterem Zusammenhang verschiedentlich betont, dass er etwa bei Erwartungen in den Fortbestand einer Rechtslage besonders strenge Voraussetzungen anlegt. Dementsprechend dürfe der Marktbürger „nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen [...], die die Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihres Ermessens ändern können." 134 Diese Rechtsprechung bezieht sich jedoch, soweit ersichtlich, nur auf solche Sachverhalte, bei denen sich die Rechtslage, bspw. aufgrund sich jährlich wiederholender Vergabeentscheidungen, kurzfristig und eindeutig ändern kann. 135 Fraglich ist, ob diese Doktrin auch auf solche Fälle anzuwenden ist, bei denen sich aus den erlassenen Sekundärrechtsakten nicht eindeutig entnehmen lässt, wie weit deren Anwendungsbereich zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens reichen soll und bei denen dieser (wie im vorliegenden Fall) erst unter Zugrundelegung späterer Rechtsprechung des EuGH nachträglich ermittelt werden konnte. An dieser Stelle könnte man daher anfuhren, dass der Anwendungsbereich des betreffenden Sekundärrechtsakts von Anfang an

134 EuGH, Urt. v. 7.5.1992, Verb. Rs. C-258/90 und C-259/90 - Pesquerias De Bermeio und Naviera Laida/Kommission, Slg. 1992, 1-2901, Rz. 34; Urt. v. 17.10.1996, Rs. C-64/95 -Lubella, Slg. 1996,1-5105, Rz. 31. 135 Bspw. ging es in der Entscheidung EuGH, Urt. v. 7.5.1992, Verb. Rs. C-258/90 und C-259/90 - Pesquerias De Bermeio und Naviera Laida/Kommission, Slg. 1992, 1-2901 um die Gewährung von Prämien für Versuchsfischereivorhaben nach der Verordnung 4028/86/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 über Gemeinschaftsmaßnahmen zur Verbesserung und Anpassung der Strukturen im Bereich der Fischerei und der Aquakultur im SUdwestatlantik. Die Klägerinnen machten in diesem Zusammenhang geltend, die Kommission habe gegen den Grundsatz des berechtigten Vertrauens verstoßen, da sich die Kläger darauf verlassen hätten, die Förderungsprämien fllr die Vorhaben von 1990 zu erhalten, da diese im wesentlichen mit den im Jahre 1989 vorgeschlagenen, in dem solche Prämien gewährt worden seien, identisch gewesen seien (Rz. 30 des Urteils).

Probleme verbundener Verbraucherkredit- und Immobiliengeschäfte

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nicht eindeutig war, so dass nicht von einer bestimmten, fest umrissenen Ausgangslage gesprochen werden konnte, auf die der Marktbürger vertrauen durfte. Insofern hätte es an einer Vertrauenslage gefehlt. Möglichweise ist der „richtige" Bezugspunkt für eine Vertrauenslage im vorliegenden Fall jedoch weniger in den normativen Vorgaben der Richtlinie 85/577/EWG und der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH zu suchen, sondern eher in den Regelungen des mitgliedstaatlichen Rechts und der daraufhin ergangenen nationalen Rechtsprechung zu sehen. In der Literatur ist ausgehend von der /Co/^mgAw/j-Rechtsprechung des EuGH 136 die These aufgestellt worden, dass der Bürger in seinem Vertrauen darauf geschützt wird, „dass hoheitliche Maßnahmen, die auf Richtlinien beruhen, ihn erst nach einer erfolgten Umsetzung der Richtlinie in abstrakt generelle Normen des nationalen Rechts treffen. Vor der legislativen Umsetzung [könne] der Bürger auf die Rechtssicherheit vertrauen, dass ihn hoheitliche Eingriffe nicht unmittelbar durch eine Richtlinie oder im Wege richtlinienkonformer Auslegung treffen." 137 Diese Erwägungen treffen jedoch nur auf solche Fälle zu, in denen die Richtlinie nicht vollständig in das mitgliedstaatliche Recht transformiert worden ist. Im Falle (möglicher) unzureichender Richtlinienumsetzung ist der Unionsbürger hingegen allenfalls eingeschränkt in seinem Vertrauen darauf geschützt, dass der nationale Gesetzgeber eine Gemeinschaftsrichtlinie richtig umgesetzt habe. 138 Eine Grenze besteht hier möglicherweise dort, wo der Einzelne die fehlerhafte Richtlinienumsetzung nicht erkennen konnte. Für die Frage der Erkennbarkeit einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung einer Richtliniennorm hat der EuGH Kriterien im Rahmen der Staatshaftung entwickelt. 139

136 EuGH, Urt. v. 8.10.1987, Rs. 80/86 - Kolpinghuis Nijmegen BV, Slg. 1987, 3969. 137 Brechmann (oben Fn. 125), S. 277. 138 Rörig (oben Fn. 35), S. 32 ff., S. 34 f. 139 Rörig (oben Fn. 35), S. 34 f.; siehe dazu auch EuGH, Urt. v. 23.5.1996, Rs. C5/94 - Hedley Lomas, Slg. 1996,1-2553, 2613; StreinzISchroeder, (oben Fn. 26) Art. 249 EGV, Rn. 43.

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42 cc) Vertrauensschutz gegenüber der Rechtsprechung

In diesem Zusammenhang ist freilich zu berücksichtigen, dass gegenüber der Rechtsprechung tendenziell kein oder allenfalls nur ein eingeschränkter Vertrauensschutz besteht. So wird bspw. nach deutschem Recht eine Beschränkung der Rückwirkung von Rechtsprechungsänderungen auch dann im Grundsatz abgelehnt, wenn die Entscheidung auch Auswirkungen auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte hat.140 Anderenfalls wäre die Rechtsprechung stets auf bereits vorhandene Rechtsauslegungen beschränkt.141 Einschränkend sieht der BGH den Vertrauensschutz in Anlehnung an die fur die unechte Rückwirkung gesetzlicher Vorschriften geltenden Regeln als mögliche Grenze für Rechtsprechungsänderungen an.142 Für den gemeinschaftsrechtlichen Kontext ist zu berücksichtigen, dass der EuGH auch bei Auslegungsentscheidungen in Einzelfällen Ausnahmen von der sonst geltenden ex-tunc-Wirkung seiner Urteile nach Art. 234 EG mit der Begründung angenommen hat, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit der betroffenen Privaten dies unter Umständen gebiete.143 Dabei kann er die Wirkungen seines Urteils auf die Zeit nach der Verkündung beschränken. Anlass der zeitlichen Begrenzung war aber jeweils, dass es aufgrund von Unklarheiten des anzuwendenden nationalen Rechts oder des Verhaltens der Mitgliedstaaten oder der Gemeinschaftsorgane zu einem „Zustand der Unsicherheit" gekommen ist.144 Unabhängig davon, dass hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses von verbraucherschützenden Richtlinien, spätestens seit der erwähnten Travel Fac-Entscheidung, keine Unsicherheit mehr bestanden haben dürfte, ist zu berücksichtigen, dass sich die zeitliche Begrenzung der Urteilswirkung unmittelbar aus dem selben entnehmen lassen muss.145 Im Kern stellt sich das Problem hier in ähnlicher Weise dar wie im Verhältnis von richtlinienkonformer Auslegung (bzw. Rechtsfortbildung), bei

140 Sachs/Sachs, (oben Fn. 128) Art. 20 GG, Rn. 144. 141 Hieraufweist auch explizit der BGH hin, BGH NJW 2002, 1881,1883. 142 BGHZ 132, 6, 11 f.; 119, 129 f. (jeweils im Ergebnis den Vertrauensschutz ablehnend). 143 Cal 1 iess/Ruffert/Wegener, (oben Fn. 32) Art. 234 EGV, Rn. 36 ff.; v.d. Groeben/

Schwarzc/Gaiianides, (oben Fn. 26) Art. 234 EGV, Rn. 94 ff.; StreinzJEhricke, Art. 234 EGV, Rn. 70 jeweils m.w.N. 144 EuGH, Urt. v. 16.7.1992, Rs. C-163/90 - Legros, Slg. 1992, S. 1-4625, Rz. 31. 145 StreinzJEhricke, (oben Fn. 26) Art. 234 EGV, Rn. 70 m.w.N.

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dem der Unionsbürger vor einer mittelbaren Direktwirkung der Richtlinie nicht geschützt ist, und der „echten" horizontalen Direktwirkung, die nur dann in Betracht kommt, wenn nach Auffassung des nationalen Gerichts eine richtlinienkonforme Auslegung (oder Rechtsfortbildung) des der Umsetzung der Richtlinie dienenden nationalen Rechts nicht möglich ist. Während bei einer Änderung des geschriebenen Rechts die Schutzwirkung des (grundsätzlichen) Rückwirkungsverbots durchgreift, kommt dieses bei bloßen Rechtsprechungsänderungen nur in sehr engen Grenzen zum Tragen.

6. Das Erfordernis der kontinuierlichen Anpassung des nationalen Rechts an die durch die Rechtsprechung des EuGH entwickelten Vorgaben Neben den oben aufgeworfenen Fragen nach dem Schutzbedürfnis des Einzelnen bei einer nachträglichen Ermittlung des Richtlinienerhalts durch den EuGH und einer diesbezüglichen richtlinienkonformen Auslegung durch die nationalen Gerichte, stellt sich weiterhin die allgemeine gemeinschaftsrechtliche Frage nach den damit verbundenen Anforderungen an den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber.

a)

Allgemeines

Aus Art. 249 Abs. 3 i.V.m. Art. 10 EG bzw. der jeweiligen Umsetzungsbestimmung in der betrachteten Richtlinie folgt zunächst, dass der Gesetzgeber mit Ablauf der in der Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsfrist dazu gehalten ist, deren Zielvorgaben in das nationale Recht aufzunehmen, wobei nach dem Wortlaut des zuvor genannten Art. 249 Abs. 3 EG von einer Wahlfreiheit hinsichtlich „Form und Mittel" auf Seiten der Mitgliedstaaten auszugehen ist. 146 Gemeinschaftsrechtlich verengt wird dieser (scheinbar) weite nationale Gestaltungsspielraum aber durch das Erfordernis der Schaffung eines allgemeinverbindlichen Außenrechtssatzes; nicht ausreichend sind

146 Allgemein dazu v.d. Groeben/Schwarze/ScA/n/iA, (oben Fn. 26) Art. 249 EGV, Rn. 40.

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dementsprechend der Erlass von Rundschreiben oder eine bloße Anpassung der Verwaltungspraxis. 147 Die Rechtsprechung des EuGH lässt jedoch erkennen, dass der Mitgliedstaat, von den Fällen der offensichtlich unzureichenden Richtlinienumsetzung abgesehen, mit dem einmal erfolgten Umsetzungsakt, jedenfalls rein tatsächlich, nicht zwingend auch künftigen gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen gerecht wird.

b)

Die Wirkung von Auslegungsentscheidungen im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG

In diesem Zusammenhang ist das bereits angesprochene Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG in den Blick zu nehmen, das primär dazu dient die einheitliche Auslegung des primären und sekundären 148 Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten zu sichern 149 und inzwischen allein über 50 Prozent 130 des Gesamtvolumens der vom EuGH bearbeiteten Verfahren ausmacht. Aus der Interpretationszuständigkeit und -hoheit des EuGH bei der Auslegung des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EG folgt zunächst, dass, jedenfalls die mit dem Ausgangsverfahren befassten Gerichte, an die sich aus der konkreten Rechtsprechungspraxis des EuGH ergebenden verändernden Anforderungen gebunden sind. Unabhängig von der sich darüber hinaus stellenden Frage nach einer Bindungswirkung von Urteilen des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren auch für Dritte („erga omnes") 151 ist festzu147 Calliess/Ruffert//?w#err, (oben Fn. 32) Art. 249 EGV, Rn. 51.; v.d. Groeben/ Schwarze!Schmidt, (oben Fn. 26) Art. 249 EGV, Rn. 40 m.w.N.; Schwarze/ Biervert, (oben Fn 32) Art. 249 EGV, Rn. 28. 148 Schwarze/Schwarze, (oben Fn. 32) Art. 234 EGV, Rn. 7 f.; Calliess/Ruffert/ Wegener, (oben Fn. 32) Art. 234 EGV, Rn. 5. 149 Hierzu Schwarze/Sc/warze, (oben Fn. 32) Art. 234 EGV, Rn. 2; v.d. Groeben/Schwarze/Gaifa/j/des, (oben Fn. 26) Art. 234 EGV, Rn. 10 m.w.N. 150 Streinz/Ehricke, (oben Fn. 26) Art. 234 EGV, Rn. 8; v.d. Groeben/ Schwarze/Gaitanides, (oben Fn. 26) Art. 234, Rn. 15. 151 Siehe hierzu etwa Streinz/Ehricke, (oben Fn. 26) Art. 234 EGV, Rn. 64; Schwarze/Schwarze, (oben Fn. 32) Art. 234 EGV, Rn. 64; v.d. Groeben/ Schwarze/Gaitanides, (oben Fn. 26) Art. 234 EGV, Rn. 90.

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stellen, dass dem EG-Vertrag durchaus ein „dynamisches Verständnis" des Gemeinschaftsrechts zu Grunde liegt. Er erkennt an, dass es Auslegungsfragen geben kann, die einer einheitlichen Beantwortung bedürfen. Gleichzeitig, so könnte man annehmen, verändert sich aber mit jeder Auslegungsentscheidung des EuGH im Rahmen von Art. 234 EG aufgrund der durch die Auslegungsentscheidung vorgenommenen Konkretisierung des Regelungsgehalts des jeweils betrachteten Rechtsaktes aber auch der aktuelle Gehalt des Gemeinschaftsrechts. Dieser kristallisiert sich mit jedem folgenden Urteil des EuGH immer weiter (neu) heraus. Gemeinschaftsrecht wäre damit das geschriebene (und ungeschriebene) primäre und sekundäre Recht in seiner jeweiligen Interpretation durch den EuGH.

c)

Gemeinschaftsrechtliche Anforderungen an die mitgliedstaatlichen Stellen

Die Wirkung von Auslegungsentscheidungen des EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens ist bislang aber noch nicht endgültig geklärt. Das Gericht selbst scheint von einer allgemeinen Bindungswirkung im oben beschriebenen Sinne auszugehen. 152 Einigkeit besteht in der rechtswissenschaftlichen Literatur jedenfalls dahin- gehend, dass für letztinstanzlich entscheidende Gerichte eine Bindungswirkung dergestalt besteht, dass sie von der Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG nur befreit sind, soweit sie sich der Auslegung des Gerichtshofes anschließen. 153 Wegen der „Leitfunktion" 154 die den Auslegungsentscheidungen des EuGH zukommt, ist darüber hinaus zu überlegen, ob nicht - wenigstens tat-

152 EuGH, verb. Rs. 66, 127, 128/79 - Amministrazione delle Finanze dello Stato/Salumi, Slg. 1980, 1237, Rz.9; SAxsmTJEhricke, (oben Fn. 26) Art. 234 EGV, Rn. 66. 153 Jeweils unter Bezugnahme auf EuGH, Urt. v. 6.10.1982 - C.l.LF.l.T., 283/81, Slg. 1982, 3415 v.d. Groeben/Schwarze/Ga/to/Hüfei, (oben Fn.26) Art. 234 EGV, Rn. 92; SVceiniJEhricke, (oben Fn. 26) Art. 234 EGV, Rn. 67; Calliess/ Ruffert/Wegener, (oben Fn. 32) Art. 234 EGV, Rn. 34; SchwarzdSchwarze, (oben Fn 32) Art. 234 EGV, Rn. 66. 154 Vgl. v.d. Groeben/Thiesing/Ehlermann/A>wcA, EUV/EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 177 EGV, Rn. 92; Schwärzt/Schwarze, (oben Fn. 32) Art. 234 EGV, Rn. 66.

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sächlich - alle mitgliedstaatlichen Stellen, also auch die jeweiligen nationalen Gesetzgeber, dem vom EuGH in seiner Entscheidung gefundenen Ergebnis verpflichtet sind. Passt nämlich ein mitgliedstaatlicher Gesetzgeber, seine Rechtslage den aktuellen Auslegungsentscheidungen des EuGH nicht an, riskiert er unter Umständen Staatshaftungsansprüche, wenn die nationalen Gerichte die neuen europäischen Vorgaben nicht in ausreichendem Maße, sei es in Gestalt der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung oder der gemeinschaftsrechtskonformen Rechtsfortbildung, gerecht werden. Dass auch die Auslegungsurteile des EuGH, eine über die Bindung des vorlegenden Gerichts und der Gerichte der Ausgangsverfahren hinausgehende „tatsächlich rechtsbildende Kraft" 155 entfalten, lässt sich bezogen auf die hier untersuchte Fragestellung, auch daran erkennen, dass der deutsche Gesetzgeber, wie bereits erwähnt, nach Ergehen des Heininger-Urteils zahlreiche Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, etwa § 312a BGB, mit dem erwähnten OLG-Vertretungsänderungsgesetz neu formuliert hat.

d)

Zwischenergebnis

Damit zeigt sich, dass die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an den nationalen Gesetzgeber einen stark dynamischen Charakter aufweisen, denn die gegenwärtige Gemeinschaftsrechtskonformität des nationalen Rechts lässt nicht zwingend auch auf die künftige Gemeinschaftsrechtskonformität schließen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf neu eingeführte Verordnungen und Richtlinien, sondern auch für ganz bestimmte, seit längerem bestehende normative Vorgaben des Primär- und Sekundärrechts. Der nationale Gesetzgeber ist damit zur andauernden Beobachtung und schrittweisen „Umsetzung" auch der EuGH-Rechtsprechung gehalten.

155 Schwarze/Schwarze,

(oben Fn. 32) Art. 234 EGV, Rn. 66.

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III. Das Verhältnis der gemeinschaftsrechtlichen Problemstellungen zu den jüngeren Entscheidungen des II. und XI. BGH-Senats Vor dem Hintergrund des Verhältnisses von Verbraucherkredit- zum Haustürwiderrufsrecht und dem Problem jedenfalls tatsächlich „verbundener Geschäfte" ist in jüngster Zeit eine (scheinbare) Kontroverse zwischen der Rechtsprechung des XI. und des II. Zivilsenats des BGH entstanden. 156 In diesem Kontext haben sogar einige Oberlandesgerichte der Rechtsprechung des II. Zivilsenats die Gefolgschaft versagt.157 Aus diesem Grund sollen im Anschluss an die Erörterung der gemeinschaftsrechtlichen Probleme, die sich im Hinblick auf die Vorlagen des LG Bochum und des OLG Bremen an den EuGH aufgezeigt haben, die jüngeren Entscheidungen der II. und XI. BGHZivil-Senate auf die gemeinschaftsrechtlichen Problemstellungen untersucht werden.

1. Die Kontroverse zwischen den BGH-Senaten a) Die Kernaussagen des XI. Zivilsenats Der für Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hatte dem EuGH mit Beschluss vom 30.11.1999 die maßgeblichen Vorlagefragen, insbesondere zum Verhältnis von Verbraucherkredit- zu Haustürwiderrufsrichtlinie, vorgelegt. Nach der Entscheidung des EuGH in der Rs. Heininger kam der XI. ZivilSenat des BGH zu der Schlussfolgerung, dass § 5 Abs. 2 HWiG einschränkend dahin gehend auszulegen sei, dass Kreditverträge insoweit nicht zu den Geschäften im Sinne des § 5 Abs. 2 HWiG gehören die „die Vorausset-

156 Siehe einerseits BGH (II. Zivilsenat) NJW 2004, 2735 = WM 2004, 1518; NJW 2004, 2731 = WM 2004, 1521; NJW 2004, 2742 = WM 2004, 1525; NJW 2004, 2735 = WM 2004, 1527; NJW 2004, 2736 = WM 2004, 1529; NJW 2004, 2742 = WM 2004, 1536; WM 2005, 547; WM 2005, 843 und andererseits BGH (IX. Zivilsenat) NJW 2005, 664 = WM 2005, 127; NJW 2005, 668 = WM 2005,

72; Anm. Hadding, WuB I Ε 2. § 9 VerbrKrG 1.05, S. 345 ff.; Mülbert/Hoger, WM 2004, 2281. 157 OLG Köln, WM 2005, 792; OLG München, WM 2005, 800; OLG Schwesig, ZIP 2005, 1127.

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zungen eines Geschäfts nach dem Verbraucherkreditgesetz" erfüllen, als das Verbraucherkreditgesetz kein gleich weit reichendes Widerrufsrecht einräumt wie das Haustürwiderrufsgesetz.15® In der Folgezeit wandte sich der XI. Zivilsenat des BGH, wie bereits angesprochen, gegen eine, vor allem in der Literatur 159 an Boden gewinnende, Auffassung, die vor allen Dingen die betroffenen Verbraucher vor den als unbillig empfundenen Ergebnissen in Schutz nehmen wollte, und vertrat mit Blick auf § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG den Standpunkt, dass Realkreditvertrag und Immobilienkaufvertrag keine verbundenen Geschäfte im Sinne von § 9 VerbrKrG seien. 160

b) Die Kernaussagen des II. Zivilsenats Der für Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des BGH hat nunmehr mit sechs Urteilen vom 14.6.2004161 eigene Grundsätze dazu entwickelt, wie aus seiner Sicht der kreditfinanzierte Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds im Verhältnis zwischen den Anleger und dem Kreditinstitut abzuwickeln sei. Er kommt dabei unter Wertungsgesichtspunkten zu ähnlichen Grundannahmen wie das LG Bochum und das OLG Bremen in ihren Vorlagebeschlüssen. 162 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass diesen Urteilen je der kreditfinanzierte Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds zu Grunde lag; die Entscheidungen lassen mithin keine direkten Aussagen über den unmittelbaren kreditfinanzierten Immobilienerwerb im Rahmen von Bauträger- und anderen Modellen zu. 163 So bejaht der Senat bezüglich der vorzunehmenden Riickabwicklung im Kern das Vorliegen eines verbundenen Geschäfts im Sinne von § 9 VerbrKrG und sieht dessen Anwendbarkeit auch nicht durch § 3 Abs. 2 Nr. 2

158 BGH, Urt. v. 9. 4. 2002, BKR 2002, 570 (2. LS). 159 Reiter/Methner, VuR 2004, 52, ff.; Fischer, VuR 2004, 8, 9 f.; Derleder, ZfIR 2003, 177. 160 BGH, Urt. v. 9.4.2002, NJW 2002, 1881, 1884; BGH, Beschl. v. 16.9. 2003, NJW 2004,153 ff (Nichtvorlagebeschluss). 161 BGH, NJW 2004, 2735; BGH, NJW 2004, 2731; BGH, NJW 2004,2742; BGH, NJW 2004, 2735; BGH, NJW 2004, 2742; siehe zu diesen Urteilen Schäfer, DStR 2004, 1611 ff.; Oechsler, NJW 2005, 1406 ff. 162 Vgl. Meller-Hannich, WM 2005, 1157, 1160 f. 163 Hadding, WuB 2005,1. Ε 2, § 9 VerbrkrG, S. 348.

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VerbrKrG ausgeschlossen, wenn der Kredit zwar durch ein Grundpfandrecht gesichert ist, dieses aber schon bestellt war, als der Anleger dem Fonds beitrat. Des Weiteren habe die Bank den Anleger so zu stellen, als wäre er dem Fonds nicht beigetreten und hätte den Kreditvertrag nicht abgeschlossen. Entsprechend schulde der Anleger auch nicht die Rückzahlung der Darlehensvaluta, sondern habe der Bank nur seinen Fondsanteil einschließlich seiner Schadensersatzansprüche zurückzuzahlen. Auf einen kreditfinanzierten Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds kämen die Vorschriften des HWiG auch dann zur Anwendung, wenn das Widerrufsrecht nach dem VerbrKrG ausgeschlossen oder erloschen ist.164 Das vom II. Zivilsenat erkannte Bedürfnis, ausgehend vom Wortlaut des § 9 Abs. 2 S. 4 VerbrKrG, eine Rechtsfortbildung vorzunehmen, teilt das OLG Schleswig für den von diesem zu entscheidenden Sachverhalt nicht, denn nach seiner Auffassung muss auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenze dort finden, „wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde". 165 Sinn und Zweck des § 9 (Abs. 3) VerbrkrG sei schließlich „die Vermeidung des Aufspaltungsrisikos, keinesfalls aber die Rechtsverschaffung infolge einer Aufspaltung von Verträgen".' 6 6 Auch die auftretende Zurechnungsproblematik im Verhältnis der Bank zum Finanzierungsvermittler löst der II. Zivilsenat des BGH großzügig zu Gunsten der Anleger, indem er bspw. ein verbundenes Geschäft im Sinne von § 9 VerbrKrG auch schon dann annimmt, wenn die Vermittlung der Finanzierung nicht durch den Anlagevermittler selbst, sondern durch einen in seinem Auftrag tätigen Finanzierungsvermittler erfolgt. Des Weiteren sei die Haustürsituation der den Beitritt finanzierenden Bank jedenfalls dann zurechenbar, wenn sie dem von dem Fonds eingeschalteten Vermittler die Anbahnung auch des Kreditvertrages überlässt und wenn aufgrund des Inhalts der Kredit-

164 BGH, WM 2004, 1525 (2. LS). 165 OLG Schleswig, ZIP 2005, 1127, 1130 - unter Bezugnahme auf zahlreiche Urteile des BVerfG. 166 OLG Schleswig, ZIP 2005, 1127, 1131.

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unterlagen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Anleger in einer Haustürsituation geworben worden ist.167 Ein weiteres Zurechnungsproblem mit dem sich jüngst auch das OLG Köln 168 und das OLG München 169 auseinandergesetzt haben, ergibt sich schließlich hinsichtlich der im Rahmen von geschlossenen Immobilienfonds erteilten Treuhändervollmachten. Diese sind zwar nach einhelliger Auffassung gemäß § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 RBerG nichtig, wenn der Treuhänder zum Abschluss von Verträgen bevollmächtigt wird und dafür keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz hat. 170 Streitig ist aber, inwieweit sich der Darlehensnehmer mit Rücksicht auf §§ 171 f. BGB u.a. auch gegenüber der kreditgebenden Bank auf die Nichtigkeit der Vollmacht berufen kann. Während der II. Zivilsenat, in zwei von ihm zu entscheidenden Fällen, eine Haftung des Darlehensnehmers mit der Begründung abgelehnt hat, dass sich die Bank „gezielt in die Vertriebsorganisation des Vertriebsunternehmers" eingegliedert habe, nehmen der XL Zivilsenat und die Oberlandesgerichte Köln und München insbesondere mit Rücksicht auf den abschließenden Charakter der §§ 171 f. BGB die gegenteilige Position ein.171

2.

Verhältnis zu den gemeinschaftsrechtlichen

Problemstellungen

Obwohl die Rechtsprechung der beiden BGH-Senate und der Oberlandesgerichte gegenläufige Tendenzen bei der Auslegung des VerbrkrG, insbesondere der §§ 3 Abs. 2 und 9 VerbrkrG (a.F.), zeigt, werden die Voraussetzungen für eine Befassung des großen Senats nach § 132 Abs. 2 GVG gegenwärtig noch abgelehnt.172 Unabhängig davon, ob diese Zurückhaltung recht-

167 Siehe hierzu die gegenüber gestellten und verglichenen Leitsätze der genannten Urteile des II. Zivilsenats in: WuB 2005, I Ε 2. § 9 VerbrKrG 1.05 mit Anm. Hadding. 168 OLG Köln, Urt. v. 15.12.2004, WM 2005, 792. 169 OLG München, Urt. v. 3.8.2004, WM 2005, 800. 170 Siehe hierzu BGH, WuB 2005,1 Ε 2. § 9 VerbrKrG 1.05 mit Anm. Hadding; OLG Köln/OLG München, WuB 2005, IV. A. § 172 BGB 3.05 mit Anm. Ehricke. 171 Dazu OLG Köln/OLG München, WuB 2005, IV. A. § 172 BGB 3.05 mit Anm. Ehricke; OLG Schleswig, ZIP 2005, 1127. 172 BGH (XI. Zivilsenat), NJW 2005, 664, 665.

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lieh zutreffend ist oder nicht, kann die Kontroverse zwischen den BGHSenaten auch speziell gemeinschaftsrechtliche Problemstellungen berühren. Voraussetzung dazu ist jedenfalls, dass die skizzierten Sachverhalte überhaupt vom Regelungsumfang der Richtlinien 85/577/EWG und 87/102/EWG umfasst werden.

a)

Verhältnis zu den Vorgaben der Richtlinie 85/577/EWG

aa) Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs Fraglich ist zunächst, ob in den vom II. BGH-Senat entschiedenen Fällen des kreditfinanzierten Beitritts zu einem geschlossenen Immobilienfonds, eine Öffnung des Anwendungsbereichs nicht nur bezüglich des Kreditvertrages, sondern auch fur den (gesellschaftsrechtlichen) Beitritt zum Immobilienfonds, begründet wird. Dies bestimmt sich danach, wie man die Formulierung des Art. 3 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie, wonach Verträge über den Bau, den Verkauf und die Miete von Immobilien sowie Verträge über andere Rechte an Immobilien vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind, versteht. Zwar wird der Beitretende wirtschaftlich an den Immobilien mitberechtigt, doch erhält er rechtlich lediglich einen Gesellschaftsanteil, über den er nach dem Gesellschaftsvertrag verfugen kann. Damit fallt der Fondsbeitritt nicht unter den Ausnahmetatbestand des Art. 3 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie, so dass deren Anwendungsbereich eröffnet ist.173 Dieses Ergebnis harmoniert auch mit dem vom EuGH entwickelten Grundsatz, wonach Ausnahmen vom Anwendungsbereich einer Gemeinschaftsnorm im Allgemeinen 174 und einer verbraucherschützenden Norm des Gemeinschaftsrechts 175 im Besonderen stets eng auszulegen sind.

173 Hoffmann, ZIP 1999, 1586, 1589; dagegen Wagner, NZG 2000, 169, 171; allgemein zur Auslegung des Art. 3 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 85/577/EWG Micklitz in: Reich/Micklitz (oben Fn. 73), S. 552; siehe auch Wiedmann in: Gebauer/ Wiedmann (oben Fn 3), S. 201. 174 Calliess/Ruffert/Wegener, (oben Fn. 32) Art. 220 EGV, Rn. 14. 175 EuGH, Urt. v. 10.5.2001, Rs. C-203/99 - Veedfald, SIg. 2001, 1-3569, Rz. 15; EuGH, Urt. v. 13.12.2001, Rs. C-481/99 - Georg und Helga Heininger/ Bayerische Hypo- und Vereinsbank, SIg. 2001,1-9945, Rz. 31.

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bb) Rückabwicklung und Rechtsfolgen Soweit es um Fragen der Rückabwicklung und der Rechtsfolgen von verbundenen Geschäften geht, so gibt die Richtlinie 85/577/EWG keine Anhaltspunkte dafür wie die Rückabwicklung auszugestalten ist.176 Diesbezügliche Vorgaben lassen sich weder dem Wortlaut oder der Systematik noch dem effet utile der Richtlinie entnehmen. Insofern stellt sich die Frage der Rückabwicklung bei Haustürgeschäften ausschließlich als eine Problemstellung des nationalen Rechts dar. 177 Etwas anderes könnte sich jedoch hinsichtlich der Voraussetzungen für die Ausübung des Widerrufsrechts ergeben, soweit es um die Frage geht, wann konkret eine Haustürsituation gegeben ist und inwiefern das Verhalten von Vermittlern dem Gewerbetreibenden zuzurechnen ist. Dies gilt jedoch nur soweit wie das Harmonisierungsprogramm der Richtlinie 85/577/EWG unter Berücksichtigung ihres effet utile auch in das nationale Recht hineinreicht. Darauf wird unter dem Gesichtspunkt der „überschießenden Richtlinienumsetzung" (unter 3.) näher eingegangen werden.

b) Verhältnis zu den Vorgaben der Richtlinie 87/102/EWG aa) Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs Auch im Verhältnis zu den Vorgaben der Richtlinie 87/102/EWG ist zunächst deren eingeschränkter sachlicher Anwendungsbereich zu berücksichtigen. So sind nach Art. 2 der Richtlinie 87/102/EWG neben grundpfandrechtlich gesicherten Krediten (Abs. 3) auch solche Kreditverträge ausgenommen, die „hauptsächlich zum Erwerb oder zur Beibehaltung von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder einem vorhandenen oder noch zu errichtenden Gebäude" (Abs. 1 lit. a), 1. Spiegelstrich) bestimmt sind. In diesem Zusammenhang ist auf die bereits oben entwickelten Grundsätze zurückzugreifen, wonach der Beitretende über seine Mitgliedschaft im

176 Ehricke, ZIP 2004, 1025, 1027 ff.; siehe auch Staudinger, GPR 2003-04, 21, 23. 177 Siehe hierzu die Ausführungen des Generalanwalts Otto Lenz in den Schlussanträgen zu Rs. C-91/92 - Paolo Faccini Dori/Recreb Sri, Slg. 1994, 3328, Rz. 9 ff.; a.A. in Bezug auf die Verzinsungspflicht GA Liger in den Schlussanträgen v. 2.6.2005, Rs. C-229/04 (OLG Bremen), Rz. 64 ff.

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Immobilienfonds zwar wirtschaftlich an den Immobilien mitberechtigt wird, rechtlich aber lediglich einen Gesellschaftsanteil erhält. 178 Im Ergebnis begründet Art. 2 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie damit keine Einschränkung des Anwendungsbereichs zu Gunsten von Fondsbeitritten. Die unter Umständen vorgenommene grundpfandrechtliche Sicherung bliebe jedoch nach dem Regelungskonzept der Verbraucherkreditrichtlinie außen vor und wäre dementsprechend auch bei der Rückabwicklung nicht zu berücksichtigen. 179

bb) Rückabwicklung und Rechtsfolgen Ein wertungsmäßiger Unterschied zu den mit Blick auf die Richtlinie 85/577/ EWG gefundenen Ergebnissen könnte sich insbesondere für die vom II. Senat behandelten kreditfinanzierten Fondsbeitritte allerdings für die Fragen der Rückabwicklung ergeben, denn trotz des auch der Richtlinie 87/102/ EWG zugrunde liegenden Konzepts der bloßen Mindestharmonisierung enthält diese in Art. 11 Abs. 2 Regelungen zum Einwendungsdurchgriff, 180 ohne allerdings ein zwingendes Widerrufsrecht vorzusehen. 181 Das mit § 7 VerbrKrG verankerte Widerrufsrecht, das gemäß Abs. 2 erst zu laufen beginnt, wenn der Verbraucher ordnungsgemäß belehrt worden ist, geht insofern über die zwingenden Vorgaben der Richtlinie hinaus. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die mit § 9 VerbrKrG vorgenommene Umsetzung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie ebenfalls über den zwingend vorgesehenen Harmonisierungserfolg hinaus geht. 182 Insbesondere setzt die Richtlinie 87/102/EWG nicht die in § 9 Abs. 1 S. 1 VerbrKrG tendenziell weit zu verstehende „wirtschaftliche Einheit" zwischen Kauf- und Kreditvertrag voraus, sondern knüpft die Gewährung des Einwendungsdurchgriffs an zahlreiche Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen. 183 Hinzu 178 Reich in: Reich/Micklitz (oben Fn. 73), S. 743. 179 Dazu BGH, NJW 2005, 664, 666. 180 Dazu Weiler in: Gebauer/Wiedmann (oben Fn 3), S. 490 ff.; Reich in: Reich/ Micklitz (oben Fn. 73), S. 747. 181 Hierzu Staudinger/Kessa/- Wulf( 1998), § 7 VerbrKrG, Rn. 2. 182 Hierzu Staudinger/tessa/- Wulf( 1998), § 9 VerbrKrG, Rn. 4 ff. 183 Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 85/577/EWG lautet: „Wenn a) für den Bezug von Waren oder Dienstleistungen ein Kredit mit einer anderen Person als dem Lieferanten vereinbart worden ist und b) zwischen dem Kreditgeber und dem Lieferanten der Waren oder Dienstleistungen eine vorherige Abmachung

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kommt, dass die Richtlinie den Einwendungsdurchgriff nur allgemein als die Möglichkeit des Verbrauchers kennzeichnet; „Rechte gegen den Kreditgeber geltend zu machen", wobei die konkrete Umsetzung dieser auslegungsbedürftigen Formulierung nach § 11 Abs. 2 S. 1 der Richtlinie 87/102/EWG aber ausdrücklich den Mitgliedstaaten Uberlassen bleibt. Schließlich enthält die Richtlinie auch keine konkreten Vorgaben hinsichtlich der Rechtsfolgen bei Verstößen gegen Formvorschriften. 184 Insofern stellt sich die Regelung des § 6 VerbrKrG, die unter den dort genannten Voraussetzungen zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages fuhrt, nicht als zwingende Vorgabe der Richtlinie dar. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rechtsprechung des II. Zivilsenats zu § 6 VerbrkrG als eine rein nationale Problemstellung, die nicht durch gemeinschaftsrechtliche Anforderungen überlagert oder beeinflusst wird.

3.

Die Relevanz des Gemeinschaftsrechts „überschießender Umsetzung"

bei

Entscheidet sich der mitgliedstaatliche Gesetzgeber dafür, bei der Umsetzung über den in der Richtlinie geforderten Harmonisierungserfolg hinauszugehen (sog. „überschießende" oder „überobligatorische" Umsetzung), stellt sich die Frage, ob das Gemeinschaftsrecht auch in diesem Bereich noch Wirkungen entfaltet. Zu berücksichtigen ist hierbei zunächst, dass das Gemeinschaftsrecht außerhalb des Regelungsbereichs der betreffenden Richtlinie keine

besteht, wonach Kredite an Kunden dieses Lieferanten zum Zwecke des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des betreffenden Lieferanten ausschließlich von dem betreffenden Kreditgeber bereitgestellt werden, und c) der unter Buchstabe a) genannte Verbraucher seinen Kredit im Rahmen dieser vorherigen Abmachung erhält und d) die unter den Kreditvertrag fallenden Waren oder Dienstleistungen nicht oder nur teilweise geliefert werden oder dem Liefervertrag nicht entsprechen und e) der Verbraucher seine Rechte gegen den Lieferanten erfolglos geltend gemacht hat, ist der Verbraucher berechtigt, Rechte gegen den Kreditgeber geltend zu machen. Die Mitgliedstaaten bestimmen, wie weit und unter welchen Bedingungen diese Rechte geltend gemacht werden können [Hervorhebung durch den Autor]". 184 Staudinger/Kessal- Wulf{ 1998), § 6 VerbrKrG, Rn. 2.

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richtlinienkonforme Auslegung fordert. 185 Gleichwohl haben die mitgliedstaatlichen Gerichte die Möglichkeit, sich auch in einem solchen Kontext im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens an den EuGH zu wenden. 186

a)

Überschießende Umsetzung hinsichtlich Anbahnungssituationen

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das deutsche Recht Haustürgeschäfte umfassender beschreibt als die Richtlinie. So setzt §312 Abs. 1 BGB (§ 1 Abs. 1 HWiG a.F.) anders als Art. 1 der Richtlinie 85/577/EWG nicht voraus, dass das Geschäft in einer Haustürsituation konkret abgeschlossen wurde. Es genügt vielmehr auch, dass der Verbraucher in einer solchen Situation zum Abschluss des Vertrages bestimmt worden ist. Hierbei ist zu beachten, dass eine „Bestimmung durch Überrumpelung" nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass Überrumpelungshandlung und Erklärungsabgabe zeitlich auseinander fallen und auch nicht dadurch, dass der Verbraucher erst später unterschreibt, etwa wenn der Vertreter der anderen Vertragspartei nicht mehr anwesend ist. Das deutsche Recht lässt damit auch die Vertragsanbahnung in einer Haustürsituation genügen. 187 Das bedeutet, dass die erweiterten Rechtsfolgen gemeinschaftsrechtlich gesehen, jedenfalls nur dann eingriffen, wenn der entsprechende Vertrag in einer Haustürsituation abgeschlossen wurde, nicht aber schon dann, wenn wie etwa im Ausgangsverfahren des LG Bochum 188 und in der Rechtssache Heiningerm - ein Vertragsschluss in einer Haustürsituation nicht (sicher) vorgelegen hat.

185 Gebauer in: Gebauer/Wiedmann (oben Fn. 3), S. 107. 186 Rörig (oben Fn. 35), S. 142 ff. m.w.N. 187 Bamberger/Roth/Λnn, Kommentar zum BGB, Bd. 1, 2003, § 312 BGB, Rn. 9; Staudinger/Werner (1998), § 1 HWiG, Rn. 68; Wiedmann in: Gebauer/ Wiedmann (oben Fn 3), S. 196. 188 Vgl. hierzu die Schlussanträge des GA Löger v. 28.9.2004, Rs. 350/03 (LG Bochum), Rz. 38 f f , der die Vorlagefragen insgesamt für unzulässig hält, da das LG Bochum das Vorliegen einer Haustürsituation (bewusst) offen lässt; siehe auch Meller-Hannich, WM 2005, 1157, 1160 f. 189 Siehe OLG München, BKR 2002, 912 f. (Urteil nach Rückverweisung durch den BGH nach Entscheidung des EuGH in der Rs. Heininger).

56 b)

Ulrich Ehricke Überschießende Umsetzung hinsichtlich Zurechnung des Verhaltens von Drittpersonen, Art. 2, 2. Spiegelstrich der Richtlinie und § 123 BGB (analog)

Darüber hinaus zeigt sich bei einem Vergleich der Vorgaben der Richtlinie und des nach der Praxis des deutschen Rechts geltenden Zurechnungskriteriums nach § 123 BGB analog, dass die deutsche Praxis auch über die Mindestvorgaben hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Richtlinie in persönlicher Hinsicht hinausgeht. Die analoge Anwendung des § 123 Abs. 1 BGB umfasst die Zurechnung derjenigen Hilfspersonen, die den Gewerbetreibenden rechtlich binden können. Die Zurechnung, die die Rechtsprechung des BGH entwickelt hat, nämlich „Angestellte, Mitarbeiter oder Beauftragte des Vertragspartners (.,.)" 1 9 0 , entspricht indes dem weiteren Ansatz des früheren Vorschlags des Europäischen Parlaments zum Anwendungsbereich der Richtlinie, der nicht Inhalt der Richtlinie geworden ist. Danach wird der Kreis des Gewerbetreibenden und damit der Anwendungsbereich des Haustürgeschäftswiderrufs auch auf die Fälle ausgedehnt, in denen außer tatsächlich Bevollmächtigten auch solche Personen eingebunden werden, die durch Anschein oder durch Duldung des Vertragspartners gegenüber dem Verbraucher als solche auftreten. Die Zurechnung findet hier ohne weiteres statt und steht nicht unter dem Vorbehalt eines Kennens oder Kennenmüssens einer Haustürsituation. Da durch die deutsche Praxis der Zurechnung eines Dritten zum Gewerbetreibenden der Verbraucher durch die Eröffnung eines weiteren Anwendungsbereichs der Schutzbestimmungen der Richtlinie weitergehend geschützt ist, als es die Richtlinie selbst vorsieht, liegt darin kein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2, 2. Spiegelstrich der Richtlinie 85/577/EWG. Soweit - jedenfalls indirekt - die vom XI. BGH-Zivilsenat auf der Grundlage des § 123 Abs. 2 BGB analog vorgenommene Zurechnung eines Dritten aufgrund zusätzlicher Kriterien wie „Kennen" oder „Kennenmüssen" als

190 Das Anfechtungsrecht nach § 123 Abs. 1 BGB besteht also nur, wenn die Täuschung durch den Erklärungsempfänger selbst oder durch eine Person erfolgt ist, deren Handlungen er sich zurechnen lassen muss, BGHZ 20, 36, 39 (für den Vertreter); Bamberger/Roth/Wendtland, (oben Fn. 187) § 123 BGB, Rn. 20; siehe auch Kramer, in: MünchKomm BGB, Bd. 1, 4. Auflage 2001, § 123 BGB, Rn. 22; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2003, § 123, Rn. 12 ff.

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etwaige Einschränkung des Anwendungsbereiches der Art. 1 Abs. 1 und 2, 2. Spiegelstrich Richtlinie angesehen werden, ist - entgegen der Auffassung des Generalanwalts 191 - darauf hinzuweisen, dass der Senat diese Kriterien ausschließlich fur Sachverhalte heranzieht, in denen es um die Zurechnung von Dritten geht, deren Handeln nach dem Text und der Konzeption der Richtlinie ohnehin gar keine Zurechnung zu dem Gewerbetreibenden begründet. Damit konkretisiert der BGH einen Bereich, der dem Anwendungsbereich der Richtlinie entzogen ist und daher auch keine Verletzung des Anwendungsbereichs darstellen kann.

c)

Das Problem „gespaltener Auslegung"

Zwar beansprucht die Richtlinie 85/577/EWG über ihren Anwendungsbereich hinaus keine Geltung, doch ist zu berücksichtigen, dass sich die deutschen Regelungen zum Haustürwiderruf fur den Rechtsanwender als einheitliche Rechtsmaterie darstellen. Aus diesem Grund wird eine sog. „gespaltene Auslegung", d.h. eine Auslegung bei der nur die unter die Richtlinie fallenden materiellen Rechtsfragen richtlinienkonform ausgelegt werden, von weiten Teilen der Literatur 192 und Rechtsprechung 193 abgelehnt. Als wertungsmäßig bedenklich wird hieran jedoch empfunden, dass die vom XI. Zivilsenat des BGH vorgenommene teleologische Reduktion des § 5 Abs. 2 HWiG dazu führe, dass auch Personalkreditverträge, die bereits in Gänze vom VerbrKrG erfasst werden, nunmehr (wohl) zusätzlich dem Schutz des HWiG unterfallen.' 94 Dem ist aber entgegen zu halten, dass gerade diese Rechtsfolge keine Sonderproblematik des deutschen Rechts darstellt, sondern sich im Gegenteil als das gemeinschaftsrechtlich geforderte Ergebnis erweist. Nach Auffassung des EuGH in der Rechtssache Heininger195 und Travel

191 Schlussanträge des Generalanwalts Leger v. 2.6.2005, Rs. 229/04 (OLG Bremen), Rz. 26 ff. 192 Wiedmann in: Gebauer/Wiedmann (oben Fn 3), S. 190; Staudinger, NJW 2002, 653,655; Franzen, JZ 2003, 321, 328 m.w.N. fur die Gegenauffassung. 193 BGH, NJW 2002, 1881, 1883 f. 194 Dazu Franzen, JZ 2003, 321, 328. 195 EuGH, Urt. v. 13.12.2001, Rs. C-481/99 - Georg und Helga Heininger/ Bayerische Hypo- und Vereinsbank, Slg. 2001,1-9945, Rz. 38 - 40.

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Vac196 sind die verbraucherschützenden Richtlinien nämlich jeweils gerade nicht als Spezialregelungen ausgestaltet, sondern sollen einen kumulativen Schutz bieten, wobei die Anknüpfungskriterien j e verschiedene sind. Entsprechend ist der Schutz der Haustürwiderrufsrichtlinie situationsbezogen (Vorliegen einer Haustürsituation) und der Schutz der Verbraucherkreditrichtlinie inhaltsbezogen (Vorliegen eines Verbraucherkreditvertrages) ausgestaltet. 197 Die sich darüber hinaus bei Ablehnung einer gespaltenen Auslegung ergebenden Problemlagen einer umfassend einheitlichen Auslegung des deutschen Rechts zum Haustürwiderruf an den Zielen der Richtlinie 85/577/EWG berühren hingegen die hier aufgeworfenen speziell gemeinschaftsrechtlichen Fragestellungen nicht.

IV. Fazit Die EG-rechtlichen Probleme verbundener Verbraucher- und Immobiliengeschäfte gehen weit über die konkreten inhaltlichen Fragen der Verbraucherkreditrichtlinie und der Haustürwiderrufsrichtlinie hinaus. Sie berühren Grundfragen einer europäischen Methodenlehre und der Kompetenzabgrenzung zwischen dem EuGH und den europäischen Legislativorganen. Die Vorlage verfahren des LG Bochum und des OLG Bremen stellen vordergründig auf die Frage ab, wie Verbraucherschutz zu gewährleisten ist, wenn die Richtlinie (und nicht das nationale Umsetzungsrecht) auf einmal eine Regelungs- und damit Schutzlücke aufweist. Hintergründig geht es darum, wie der prekäre Fall zu behandeln ist, dass die festgestellte Lücke in der Richtlinie eine bewusst vorgenommene Ausnahme darstellt die aber möglicherweise heute - vor dem Hintergrund weit reichender Verbraucherschutzbemühungen auf EG-rechtlicher Ebene - nicht mehr als opportun angesehen wird. Der EuGH wird sich aller Wahrscheinlichkeit nicht darauf einlassen, die entsprechende Richtlinie entgegen des Wortlautes durch seine Rechtsprechung weiterzubilden. Insoweit bestehen ernsthafte kompetenzrechtliche Hindernisse, auf die auch der Generalanwalt hingewiesen hat. Das Credo der Entschei-

196 EuGH, Urt. v. 22.4.1999, Rs. C-423/97 - Travel Vac, Slg. 1999, 1-2195, Rz. 22 ff. 197 Staudinger, NJW 2002, 653, 654.

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dung des EuGH wird dahin gehen, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte - im Anschluss an die P/eij^er-Entscheidung des EuGH bis zur Grenze des ihnen nach ihrer Methodik Erlaubten verpflichtet sind, nationales Recht richtlinienkonform auszulegen. Dabei haben sie auch den effet utile zu berücksichtigen. Zur Bestimmung des effet utile einer Richtlinie ist allerdings in letzter Instanz nur der EuGH befugt. Die Feststellung des effet utile einer Richtlinie durch den EuGH findet aber die Grenze dort, wo die Aussagen der Richtlinie eindeutig sind. Eine Fortbildung des Richtlinienrechts entgegen des ausdrücklichen Willens ist nicht möglich. Für das Problem der verbundenen Verbraucherkredit- und Immobiliengeschäfte in Deutschland bedeutet dies, dass der Widerruf eines Verbraucherkreditgeschäfts keine Auswirkung auf die Wirksamkeit des Immobiliengeschäfts haben wird. Die Folgen des Widerrufs ergeben sich aus dem nationalen Recht und fuhren zu der Herstellung des status quo ante. Das bedeutet u.a. dass der Verbraucher dem Kreditinstitut die erhaltene Darlehensvaluta zurückzahlen muss und das Kreditinstitut nicht stattdessen auf die Immobilie verweisen kann. Es bedeutet zudem, dass der Kreditnehmer nach dem Widerruf auch die gesamte noch ausstehende Darlehensvaluta sofort zurückzahlen muss. Ob und wenn ja inwieweit der Verbraucher nach dem Widerruf auch die marktübliche Verzinsung zu leisten hat und wie die Mitwirkung Dritter beim Vertragsschluss rechtlich zu werten ist, wird derzeit noch unterschiedlich beurteilt. Insoweit ist die Entscheidung des EuGH abzuwarten.

Grundlagenprobleme des Verbraucherkreditrechts, insbesondere bei Immobilienanlagen Olaf Hoepner, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht, Schleswig

I.

Heilung formnichtiger Verbraucherkreditverträge bei verbundenen Geschäften

II.

Die Auswirkung der Verjährung auf den Einwendungsdurchgriff

Das Referat befasst sich zunächst mit dem Problem, in wieweit eine Heilung eines formnichtigen Verbraucherkreditvertrages bei einem verbundenen Geschäft bei bestimmungsmäßiger Auszahlung der Valuta an einen Treuhänder möglich ist. In einem 2. Teil soll die Frage untersucht werden, welchen Einfluss die Verjährung der Schadensersatzansprüche des Anlegers gegen Fondsinitiatoren auf den Schadensersatzanspruch ausübt, den der II. Zivilsenat analog § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG im Wege des Einwendungsdurchgriffs dem Darlehensnehmer gegenüber der finanzierenden Bank im verbundenen Geschäft gewährt.

I.

Heilung formnichtiger Verbraucherkreditverträge bei verbundenen Geschäften

Nach § 6 Abs. 1 VerbrKrG ist ein Kreditvertrag nichtig, wenn die Schriftform insgesamt nicht eingehalten ist oder wenn eine der in § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 (Buchstabe a bis f und Nr. 2 Buchstabe a bis e) näher bezeichneten Angaben fehlt. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift wird der Kreditvertrag jedoch gültig, wenn der Verbraucher das Darlehen empfangt oder den Kredit in Anspruch nimmt. Die Ausweitung der Nichtigkeit in Fällen der unechten Abschnittsfinanzierung bei Einschaltung eines Bausparvertrages, einer Lebensversicherung oder eines sonstigen Ansparvertrages auf Grund der Recht-

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sprechung des XI. Zivilsenates 1 hat eine besondere Brisanz durch die Urteile des II. Zivilsenats vom 14. Juni 2004 2 erhalten. Der II. Zivilsenat hat nämlich erklärt, dass bei einem Verbraucherkreditvertrag keine Heilung eines Formmangels nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG eintritt, wenn der Fondsbeitritt und der Kreditvertrag ein verbundenes Geschäft i.S.d. § 9 VerbrKrG bilden und sich Fonds und Bank derselben Vertriebsorganisation bedient haben. Diese Urteile werfen die Frage auf, wann ein Darlehen im Sinne des § 6 Abs. 2 VerbrKrG „empfangen" ist. Im Ausgangspunkt besteht an sich Einigkeit darüber, dass der Darlehensnehmer das Darlehen i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG auch dann empfangen hat, wenn die Valuta ihm nicht unmittelbar zugeflossen, sondern von der Bank weisungsgemäß an einen Dritten ausgezahlt ist, etwa auf ein Anderkonto eines Treuhänders des Darlehensnehmers oder aber direkt an den Verkäufer. 3 Nach § 607 BGB a.F. galt es als gesichert, dass der Empfang des Darlehens voraussetzt, dass der Darlehensgegenstand aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausgeschieden und dem Vermögen des Darlehensnehmers in der vereinbarten Form endgültig zugeführt wird. Soweit die Valuta auf Weisung des Darlehensnehmers an einen Dritten ausgezahlt wird, hat der Kreditnehmer regelmäßig den Darlehensbetrag i.S.d. § 607 BGB a.F. empfangen, wenn der von ihm als Empfanger namhaft gemachte Dritte das Geld von dem Darlehensgeber erhalten hat. Diese Rechtsprechung hat der XI. Zivilsenat noch in seiner Entscheidung vom 12. November 2002 unter Berufung auf die amtliche Begründung zum Verbraucherkreditgesetz bestätigt. 4 Mit kaum zu überbietender Deutlichkeit hat Generalanwalt Leger in seinen Schlussanträgen in dem Vorlageverfahren des OLG Bremen der Annahme widersprochen, ein Darlehensnehmer habe keine freie Dispositionsbefugnis über die Darlehensvaluta gehabt, wenn auf Grund einer Anweisung des Darlehensnehmers die Bank direkt an die Immobiliengesell-

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BGH, Urt. v. 8.6.2004 - XI ZR 150/03 = W M 2004, 1542. BGH, Urteile vom 14. 6. 2004 - II ZR 393/02 = WM 2004, 1529; II ZR 407/02 = W M 2004, 1536. Staudinger/Ä>ija/- Wulf, 13. Aufl., § 6 VerbrKrG Rdn. 20; Bülow, Verbraucherkreditrecht, 5. Aufl., § 494 Rdn. 48. BGH, Urt. v. 12.11.2002 - XI ZR 47/01 = BGHZ 152, 331 = WM 2002, 2501, 2502 f.

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schaff die Valuta auszahle. 3 Auch wenn sich Liger lediglich unter europarechtlichen Gesichtspunkten geäußert hat, so enthält der Hinweis auf die freie Entscheidung des Verbrauchers über die Art der Verwendung doch einen allgemeingültigen Aspekt. Von der dargestellten Rechtsprechung ist allerdings eine Ausnahme gemacht worden, wenn die Zahlung an einen Dritten erfolgt und dieser Dritte nicht überwiegend im Interesse des Darlehensnehmers, sondern sozusagen „als verlängerter Arm" des Darlehensgebers tätig ist. Diese Wendung, die wiederholt in der Judikatur aufgenommen worden ist,6 geht zurück auf eine Entscheidung des damals zuständigen III. Zivilsenats aus dem Jahre 1965.7 Danach ist maßgeblich darauf abzustellen, in wessen Interesse der Dritte in die Auszahlung der Valuta eingeschaltet ist. In jener Entscheidung hatte das Kreditinstitut von dem Darlehensnehmer eine Sicherheit gefordert. Es hatte die Auszahlung des Darlehens von der Bestellung der Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Der Dritte, an den die Auszahlung erfolgte, war eine Autofirma. Diese war verpflichtet, den Darlehensbetrag an die finanzierende Bank zurückzuleiten, falls sich die vorgesehene Sicherungsübereignung des PKW nicht verwirklichen ließ. Unter diesen Umständen war zu Recht gesagt worden, dass die Autofirma bei der Auszahlung des Darlehens jedenfalls bis zur Erlangung der geforderten Sicherheit „als verlängerter Arm" der Bank anzusehen war, so dass von einem Empfang des Darlehens durch den Darlehensnehmer bis zu diesem Zeitpunkt nicht gesprochen werden konnte. Soll der Dritte vor Verwendung des Darlehens dem Darlehensgeber noch Sicherheiten beibringen, erhält der Dritte die Valuta als Beauftragter des Darlehensgebers. Das hat zur Folge, dass die Valuta dem Darlehensnehmer durch Übersendung an den Dritten noch nicht verschafft wird. 8 Kommt es damit einerseits darauf an, ob der eingeschaltete Dritte in erster Linie im Sicherungsinteresse der Bank tätig wird, so ist andererseits maßgebend, ob im Verhältnis zwischen dem Darlehensnehmer und dem Dritten eine end-

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6 7 8

Schlussanträge vom 2. Juni 2005 des Generalanwalts Liger in der Rechtssache C-229/04, Crailsheimer Volksbank gegen Conrads u.a. Nr. 46 ff.,VuR 2005, 259. BGH, Urt. v. 25.4.1985 - III ZR 27/84 = WM 1985,993, 994. BGH, Urt. v. 8.8.1965 - III ZR 238/64 = WM 1965, 496, 498. BGH, Urt. v. 13.4.1978 - III ZR 125/76 = WM 1978,878.

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gültige ZahlungsWirkung ernstlich gewollt war. 9 Unter diesem Gesichtspunkt ist denn auch die Auszahlung eines Darlehens an einen Treuhänder einer Grundstücksgesellschaft als im Interesse des Darlehensnehmers angesehen worden, weil dieser auf diese Weise seine Einlageverpflichtung erfüllt. 10 Der BGH hat an dieser Sichtweise auch späterhin festgehalten und ausgeführt, dass dann, wenn bei einer Beteiligung an einem Bauherrenmodell die von einer Bank finanzierte Einlage vereinbarungsgemäß dem Vermögen eines Treuhänders zufließt, die Darlehenssumme damit endgültig in das Vermögen des Darlehensnehmers gelangt." Beleuchtet man die Entscheidungen des II. Zivilsenats vom 14. Juni 2004 unter den vorstehenden Gesichtspunkten, so ist festzustellen, dass die zugrunde liegenden Sachverhalte nicht die geringsten Hinweise darauf geben, dass mit der Auszahlung der Kredite an den jeweils eingeschalteten Treuhänder etwaige Sicherungsinteressen der kreditierenden Bank berührt wären. Sicherheiten, die der Darlehensnehmer zu erbringen hatte durch Abtretung etwa von Lebensversicherungen und/oder Verpfändung oder Sicherungsübertragung des Gesellschaftsanteils waren - ggf. bereits antizipiert - vollzogen. Die Auszahlungen an den Treuhänder erfolgten deshalb allein im Interesse des Darlehensnehmers, so dass von einem Empfang der Valuta durch den Darlehensnehmer ausgegangen werden muss. Mit der Unterstellung, dass sich der Fonds und die Bank derselben Vertriebsorganisation bedient haben, lässt sich nicht begründen, dass der Treuhänder als „verlängerter Arm der Bank" angesehen werden könnte. Eine solche Annahme steht mit den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen in krassem Widerspruch und ist deshalb eine reine Fiktion. Hat die Bank im Zusammenhang mit der Auszahlung der Valuta an den Treuhänder keine Sicherungsmechanismen eingebaut, über welche sie die weitere Verwendung des Geldes steuern könnte, verbietet sich die Annahme, der Treuhänder habe als verlängerter Arm der Bank fungiert. 12

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OLG Köln, WM 1983, 483, 485. BGH, Urt. v. 17.1.1985 - III ZR 135/83 = BGHZ 93, 264 = WM 1985, 221, 223. 11 BGH, Beschl. v. 21.9.1989 - III ZR 241/88 = WM 1989, 1718; Urt. v. 25.4.1985 - III ZR 27/84 = WM 1985, 993, 994. 12 Wallner, BKR 2004, 367, 368.

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Der II. Zivilsenat hat nun unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des XI. Zivilsenat behauptet, dieser Senat habe eine Ausnahme für geboten erachtet, „wenn der Darlehens vertrag und die finanzierte Fondsbeteiligung ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 VerbrKrG bilden mit der Folge, dass ein Widerruf der Darlehensvertragserklärung zugleich auch der Wirksamkeit des finanzierten Geschäfts entgegensteht." 13 Tatsächlich hat in dieser Entscheidung der XI. Zivilsenat für den Fall des wirksamen Widerrufs eines Realkreditvertrages in Bezug auf § 3 Abs. 1 Satz 1 HWiG einen „Empfang" des Darlehens dann angenommen, wenn die Darlehensvaluta auf Weisung des Darlehensnehmers an den Dritten ausgezahlt wird. Lediglich im Rahmen eines obiter dictums hat der XI. Zivilsenat dann angedeutet, dass sich eine andere Beurteilung ergeben könnte, wenn es sich bei dem von den Parteien geschlossenen Darlehensvertrag und der finanzierten Beteiligung an einem Immobilienfonds um ein verbundenes Geschäft handeln würde mit der Folge, dass der Widerruf des Darlehensvertrages zugleich auch der Wirksamkeit des finanzierten Geschäfts entgegenstünde. 14 Dabei hat der XI. Zivilsenat auf seine SecMrewta-Rechtsprechung aus dem Jahre 1996 verwiesen. Dort werden jedoch allein und ausschließlich Ausführungen im Hinblick auf den Rückforderungsanspruch nach § 3 HWiG gemacht. Der Schutzzweck des Widerrufsrechts - so heißt es - würde unterlaufen, wenn der Widerrufende den Kreditbetrag, der dem Verkäufer zugeflossenen ist, erstatten müsste, und seinerseits auf einen entsprechenden gegen den Verkäufer gerichteten Anspruch angewiesen wäre. Dann müsste der Darlehensnehmer das Risiko seiner Durchsetzung tragen. Eine Feststellung dahingehend, dass der Darlehensnehmer die Valuta im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG nicht empfangen hat, lässt sich dieser Rechtsprechung des XI. Zivilsenats also gar nicht entnehmen. Damit fehlt den Entscheidungen des II. Zivilsenats zu § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG eine tragende Grundlage. Denn die Bezugnahme auf die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats erweist sich als nicht ergiebig. So stellt sich denn die Frage, ob im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung der Begriff des „Empfangs" des Darlehens bei § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG in 13 BGHZ 152, 331, 336 f. 14 BGHZ 152, 331, 336 f. 15 BGH, Urt. v. 17.9.1996 - XI ZR 164/95 = BGHZ 133, 254, 259 = WM 1996, 2100.

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gleicher Weise ausgelegt werden muss, wie der Begriff der „empfangenen Leistung" im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 HWiG. Das aber ist zu verneinen. Die Normsituation, die § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG zugrunde liegt, ist nämlich grundverschieden von der des § 3 Abs. 1 HWiG. Bei § 3 Abs. 1 HWiG geht es darum, ob bei einer Rückabwicklung im bereicherungsrechtlichen Sinne unter Berücksichtigung der schützenwerten Interessen des Verbrauchers von diesem die Darlehensvaluta herauszugeben ist, wenn der Darlehensvertrag auf Grund eines Widerrufs unwirksam ist. Mit der Entscheidung dafür, dass bei einer Rückabwicklung des verbundenen Geschäfts die Rückabwicklung gar nicht zwischen dem Darlehensnehmer und der Bank durchgeführt wird, sondern zwischen der Bank und dem Dritten, stellt sich nicht einmal vorgelagert das Problem, was der Darlehensnehmer zunächst empfangen hat. Von daher gesehen kann die Entscheidung zum Bestehen und Umfang des Bereicherungsanspruchs im Rahmen des § 3 HWiG auch nicht die Auslegung beeinflussen, wann der Darlehensnehmer die Darlehensvaluta i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG empfangen hat. Es kommt hinzu, dass die Zielrichtungen von § 3 HWiG einerseits und § 6 VerbrKrG andererseits gänzlich anders gelagert sind. Bei § 3 HWiG geht es im Zusammenhang mit einem verbundenen Verbraucherdarlehen um die Verpflichtungen des Darlehensnehmers zur Rückzahlung. Bei § 6 VerbrKrG stehen dagegen die Pflichten des Darlehensgebers im Blickpunkt. Es geht um die Frage, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, dass der Darlehensgeber seinen Verpflichtungen nach § 4 VerbrKrG nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Ob ein Verbundgeschäft vorliegt, ist in diesem Kontext völlig irrelevant. Über § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG soll die Heilung eines Gültigkeitsmangels für den Fall der Durchführung des Vertrages erfolgen. Mit der bewirkten Heilung des Mangels ist aber noch nicht vorentschieden, ob der Darlehensnehmer und gegebenenfalls in welchem Umfange Leistungen zurückzugewähren hat, wenn der Vertrag wegen eines wirksamen Widerrufs rückabgewickelt werden muss. Angesichts dieser unterschiedlichen Normsituationen und des unterschiedlichen Regelungskontextes ist es geboten, den Begriff des „Empfangenen" in § 6 Abs. 2 Satz 1 VerbrKrG anders auszulegen als in § 3 Abs. 1 HWiG a.F. Der Auffassung des II. Zivilsenats kann deshalb nicht zugestimmt werden.

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Der XI. Zivilsenat hat sich nunmehr offenbar in einer Entscheidung vom 8.6.2004 16 sowie in einer nicht veröffentlichten Entscheidung vom 14.9. 2004 17 von seiner früheren Entscheidung 18 distanziert und auch für den Fall der Auszahlung der Darlehensvaluta an einen Treuhänder eines Immobilienfonds eine Heilung nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG angenommen, ohne indes wegen der abweichenden Ansicht des II. Zivilsenats den Großen Zivilsenat anzurufen. Natürlich darf der Darlehensgeber an einen Dritten nur leisten, wenn und soweit ein Einverständnis des Darlehensnehmers im Sinne der §§ 362 Abs. 2, 185 BGB vorliegt. Eine erfüllungswirksame Leistung an einen Dritten setzt voraus, dass entweder der Dritte vom Gläubiger ermächtigt wird, die Leistung in Empfang zu nehmen, oder dass der Gläubiger den Schuldner ermächtigt, die Leistung an den Dritten zu erbringen. 19 Dabei gelten für die Ermächtigung die allgemein für Willenserklärungen aufgestellten Erfordernisse. 20 Weil nun vielfach bereits in dem Darlehensvertrag die Anweisung enthalten ist, die Valuta an den Treuhänder auszuzahlen, taucht das Problem auf, ob die anfangliche Unwirksamkeit des Darlehensvertrages gemäß § 6 Abs. 1 VerbrKrG auch die Anweisung auf das Konto eines Dritten zu zahlen, miterfasst. Das ist mit Rücksicht auf § 139 BGB zu verneinen. Denn der Darlehensnehmer will den Kredit nicht um seiner selbst willen, sondern um das von ihm erstrebte Verbundgeschäft durchzuführen. Sein Wille geht deshalb bei einer notwendigen ex-ante Betrachtung dahin, die Heilung eines Gültigkeitsmangels durch eine wirksame Anweisung herbeizuführen, nicht aber dahin, das in Aussicht genommene, erstrebte Geschäft scheitern zu lassen. Dann aber liegen erkennbar die Voraussetzungen nach § 139 BGB für eine Erstreckung der Nichtigkeit auch auf die Anweisung nicht vor.

16 BGH, Urt. v. 8.6.2004 XI ZR 150/03 = BGHZ 159, 270 = WM 2004, 1542, 1545. 17 BGH, Urteil vom 14.9.2004 - XI ZR 10/04ZR. 18 BGHZ 152, 331, 336 f. 19 BGH, Urt. v. 25.3.1983 - V ZR 168/81 = BGHZ 87, 156, 163 = WM 1983, 559. 20 BGH, Urt. v. 7.6.1984-IX ZR 66/83 = BGHZ 91, 324 = WM 1984, 1018.

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68 II. Die Auswirkung der Verjährung auf den Einwendungsdurchgriff

Mit dem 2. Teil des Referates möchte ich Fragen zur Verjährung eines Anspruches aus § 9 Abs. 2 Satz 4 (analog) VerbrKrG beleuchten. Im weiteren werden dabei die Initiatoren, Gründungsgesellschafter und Prospektverantwortlichen zusammenfassend als Initiatoren bezeichnet. Für die Erörterung des Verjährungsproblems wird schlicht unterstellt, dass es den contra legem entwickelten Schadensersatzanspruch analog § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG überhaupt gibt. Den Urteilen des II. Zivilsenats vom 14. Juni 2004 lag einheitlich der Sachverhalt zu Grunde, dass Anleger Anfang der 90er Jahre einer Fondsgesellschaft beigetreten waren, die von einer GmbH und ihrem Geschäftsführer gegründet worden war. Gesellschaftszweck waren der Erwerb, die Bebauung und die wirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks. Die von der Fondsgesellschaft in dem Prospekt veranschlagten und von der GmbH garantierten Mieten konnten nicht erwirtschaftet werden. Die GmbH stellte im Juni 1996 ihre Zahlungen ein. Ein Konkursantrag wurde mangels Masse abgelehnt. Der Initiator des Fonds wurde 1999 wegen Kapitalanlagebetrugs u.a. auch hinsichtlich des Fonds, dem die Anleger beigetreten waren, rechtskräftig verurteilt. Von dem insgesamt aufgebrachten Kapital des Fonds war letztlich weniger als die Hälfte in das Bauvorhaben geflossen. Diese Vorgänge wurden im Jahre 1996 ruchbar. Die Anleger erklärten 1996 oder 1997 die Anfechtung der Darlehensverträge wegen arglistiger Täuschung. Bei diesem Sachverhalt sind alle den kurzen Verjährungsfristen unterliegenden Ansprüche der Anleger aus der engen Prospekthaftung ebenso wie solche aus Delikt unter dem Gesichtspunkt der §§ 826 oder 823 Abs. 2 BGB gemäß § 852 BGB verjährt. Gegen die Initiatoren blieben dann nur Haftungsansprüche aus c.i.c., welche der 30-jährigen Verjährung gemäß § 195 BGB a.F. unterlagen. Nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB ist seit dem 1. Januar 2002 an die Stelle der 30-jährigen nunmehr die kurze Regelfrist von 3 Jahren getreten. Bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, die hier zu unterstellen sind, wären danach grundsätzlich auch die Ansprüche aus c.i.c. mit Ablauf des 31. Dezember 2004 als verjährt anzusehen. Was ist das nun für ein Anspruch, den die Anleger bei einem Verbundgeschäft gegen die Bank geltend machen dürfen?

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Ausgangspunkt einer Analyse muss § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG sein. Diese Vorschrift ordnet den Übergang der Rechte und Pflichten des Verkäufers bzw. Leistungsträgers auf den Kreditgeber an. Nun besteht eine Schwierigkeit darin, dass dem Kreditnehmer nicht nur ein Schadensersatzanspruch gegen den Fonds wegen des Verhaltens der Initiatoren versagt wird, sondern darin, dass es insoweit gar nicht um die gegen den Fonds selbst gerichtete Forderung geht, sondern um den Anspruch, der sich direkt gegen die Initiatoren richtet. Dass die Bank gleichwohl in diesen Anspruch eintritt, soll und muss fur die Untersuchung der Verjährung ebenfalls unterstellt werden. § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG lässt es zunächst naheliegend erscheinen, entsprechend dem Wortlaut „tritt [in die Rechte und Pflichten] ein" tatsächlich einen Eintritt in Form eines Übergangs der - hier nur interessierenden Pflichten auf die Bank anzunehmen. Ein solcher Vorgang ist in § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG als Schuldneraustausch konzipiert und müsste sich folglich als privative Schuldübernahme darstellen. Die Frage nach dem privativen Charakter des Schadensersatzanspruches zu stellen heißt jedoch, diese Annahme sofort zu verwerfen. Denn die Schaffung eines Schadensersatzanspruches des Kreditnehmers gegen die Bank kann kaum dazu fuhren, dass die eigentlichen Kapitalanlagebetrüger von den gegen sie gerichteten Forderungen gänzlich oder auch nur teilweise freigestellt werden. Dafür spricht rein gar nichts. Der II. Zivilsenat geht denn auch wie selbstverständlich davon aus, dass im Rahmen der Schadensabwicklung der Anleger seine Schadensersatzansprüche gegen die Initiatoren entsprechend § 255 BGB an die Bank abtritt.21 Von einem „Eintritt" im Sinne eines Übergangs der Verpflichtungen zum Schadensersatz kann also keine Rede sein. Damit steht zunächst fest, dass der - unterstellte - neue gegen die Bank gerichtete Schadensersatzanspruch aus § 9 Abs. 2 Satz 4 (analog) VerbrKrG selbständig neben den Schadensersatzanspruch des geschädigten Anlegers gegen die Initiatoren tritt. Bei Annahme eines Schuldbeitritts würde dies für die Verjährung bedeuten, dass für und gegen den neuen Schuldner anfänglich dieselbe Verjährungsfrist läuft wie gegen den ursprünglichen Schuldner, 21

BGH, Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 392/01 = WM 2004, 1518, 1520; II ZR 395/01 = WM 2004, 1521, 1525; II ZR 374/02 = WM 2004, 1526, 1527; II ZR 393/02 = WM 2004, 1529, 1535; II ZR 407/02 = WM 2004, 1536, 1542.

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andererseits aber nach dem Beitritt hinsichtlich der Verjährung eintretende Umstände nur gemäß § 425 Abs. 2 BGB für und gegen den Gesamtschuldner wirken, in dessen Person sie eintreten.22 Es könnte sich dann die Verjährung des Anspruchs aus § 9 Abs. 2 Satz 4 (analog) VerbrKrG unabhängig von der Verjährung der Ansprüche gegen die Initiatoren entwickeln. Es könnte also ohne weiteres der Fall eintreten, dass der Anspruch gegen die Gründer verjährt ist, während ein solcher gegen die Bank als noch nicht verjährt anzusehen ist. Nun setzt aber § 199 Abs. 1 Ziffer 2 BGB als Tatbestandsmerkmal für den Beginn der kurzen Verjährung voraus die „Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von der Person des Schuldners". Mit Rücksicht darauf, dass es vor den Entscheidungen des II. Zivilsenats vom 14. Juni 2004 keine ernsthafte Stimme gab, die einem von Initiatoren getäuschten Anleger Schadensersatzansprüche beim kreditfinanzierten Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds auch gegenüber der Bank zuerkannt hat, wird man den Beginn der Verjährung jedenfalls kaum vor den 14. Juni 2004 ansetzen können. Der unterschiedliche Beginn der Verjährung macht deutlich, dass es sich bei dem Anspruch wohl nicht um einen Schuldbeitritt im engeren Sinne handeln kann. Der aus einer Analogie zu § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG entwickelte Anspruch als solcher bestünde mit Blick auf die Verjährung somit zunächst einredefrei. Würde man diesen Anspruch allerdings als akzessorisch ansehen, wäre daran zu denken, der Bank möglicherweise im Wege einer Rechtsanalogie zu §§ 768 Abs. 1 Satz 1, 1137 BGB das Recht zuzugestehen, sich auf die Verjährung der Schadensersatzansprüche im Verhältnis des Kreditnehmers gegenüber den Initiatoren zu berufen. Gegen die Annahme einer akzessorischen Rechtsnatur dieses Anspruchs spricht indessen, dass gar nicht klar ist, worauf sich diese Akzessorietät beziehen soll. Eine die Akzessorietät begründende sichere personale Zuordnung ist nicht möglich, hat doch der II. Zivilsenat ausdrücklich von den „gegen die Prospektverantwortlichen, Gründungsgesellschafter und Initiatoren" bestehenden Schadensersatzansprüchen gesprochen. Darüber hinaus ist auch eine forderungsbedingte Zuordnung nicht sicher möglich. Denn der II. Zivilsenat spricht ausdrücklich von bestehenden

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BGH, Urt. v. 27.3.1972 - VII ZR 31/71 = BGHZ 58, 251, 255 = WM 1972, 555.

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Schadensersatzansprüchen aus „Prospekthaftung, Verschulden bei Vertragsschluss, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 2 6 3 StGB". Hinzuzufügen wären noch Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264 a StGB sowie § 826 BGB, § 20 Abs. 5 KAGG. Diese Vielzahl der in ihren Tatbeständen durchaus differierenden Schadensersatzansprüche lässt eine klare Zuordnung des Schadensersatzanspruches im Wege der Akzessorietät nicht zu. Alle diese Erwägungen sprechen zwingend dafür, eine Akzessorietät zu verneinen. Das bedeutet allerdings noch nicht, dass der Kreditnehmer trotz inzwischen eingetretener Verjährung des direkt gegenüber dem täuschenden Initiator bestehenden Anspruches seine Forderung gegen die Bank auch mit Erfolg durchsetzen könnte. Denn in seinen Entscheidungen vom 14. Juni 2004 2 3 hat der II. Zivilsenat formuliert, der Anleger habe einen Anspruch gegen die Bank auf „Zahlung dessen, was ihm die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter an Schadensersatz schulden". Mit dieser Formulierung soll wohl zum Ausdruck kommen, dass das Wesen des Anspruchs darin besteht, lediglich das anderweit tatsächlich Geschuldete auszugleichen. Stellt man diese Sichtweise in Kontext zu § 9 Abs. 3 VerbrKrG, dann ist der Schadensersatzanspruch darauf gerichtet, den Zustand herzustellen, den die Initiatoren kraft eines einrede- und einwendungsfreien Anspruchs herzustellen verpflichtet sind. Wie bei der Vereinbarung eines Abtretungsverbotes eine Forderung entsteht, die kraft ihrer inhaltlichen Ausgestaltung nicht abtretbar ist, so ist hier ein Schadensersatzanspruch mit dem Inhalt entstanden, dass er sich nur auf einen den Initiatoren gegenüber durchsetzbaren Zustand bezieht. Mit anderen Worten: Ist der Anspruch gegen die Initiatoren verjährt und deshalb nicht durchsetzbar, dann geht auch der Anspruch aus § 9 Abs. 2 Satz 4 (analog) VerbrKrG ins Leere. Soll aber diese Forderung durchgesetzt werden, so muss auch der Eintritt der Verjährung der Ansprüche gegen die Initiatoren durch geeignete Maßnahmen verhindert werden. Für eine solche Auslegung sprechen jedenfalls systematische und teleologische Gesichtspunkte. Denn mit der Zuerkennung des Schadensersatzanspruchs analog § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG wird dem Kreditnehmer j a schon ein über den Normzweck hinausgehender Aufspaltungsvorteil in Form einer zusätzlichen Haftungsmasse zuerkannt. Dieser regelungswidrige Vorteil

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BGH, WM 2004, 1536, 1543 u.ö.

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würde noch immens erweitert werden, wenn an die Stelle des einredebehafteten und nicht mehr durchsetzbaren Schadensersatzanspruches für den Darlehensnehmer ein nunmehr einredefreier Schadensersatzanspruch gegen die Bank begründet würde. Es wäre mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht in Einklang zu bringen, wenn es dem Darlehensnehmer gestattet würde, seine Ansprüche gegen die Initiatoren verjähren zu lassen, sich selbst aber bei der Bank schadlos zu halten und dieser dann die verjährten Ansprüche gegen die Initiatoren entsprechend § 255 BGB abzutreten. Im Ergebnis bleibt danach festzuhalten: Es schlägt die Verjährung der Schadensersatzansprüche gegen die Initiatoren auf den Schadensersatzanspruch analog § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG durch. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, warum sich der II. Zivilsenat in seinen nach dem 1. Januar 2005 ergangenen Urteilen zu diesem Themenkreis mit der Verjährung nicht auseinandergesetzt hat. Bislang ist für das Referat unterstellt worden, dass der vom II. Zivilsenat entwickelte Schadensersatzanspruch analog § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG auch anzuerkennen ist. Bedenken gegen diesen Schadensersatzanspruch, der sich als ein „monstro simile" darstellt, sind an anderer Stelle mit ganz gewichtigen Argumenten überzeugend vorgetragen worden. 24 Es ist nun in hohem Maße beklagenswert, dass von Seiten des II. Zivilsenats insoweit jedenfalls ein Diskurs mit der Wissenschaft nicht gefuhrt, sondern stattdessen auf die soeben begründete eigene Rechtsprechung verwiesen wird. Wie aber sollen sich die Obergerichte verhalten, wenn sie keine Antworten auf die drängenden Fragen der Wissenschaft von dem zuständigen Senat erhalten? Der für das Bankrecht zuständige 5. Zivilsenat des OLG Schleswig sieht in der freien Schöpfung eines solchen Schadensersatzanspruches eine von der Verfassung nicht mehr gedeckte richterliche Rechtsfortbildung contra legem. In einem Urteil vom 2. Juni 2005 25 hat das OLG die Konsequenzen hieraus gezogen. Weil der II. Zivilsenat des BGH eine Aufhebung und Zurückverweisung allein auf einen Anspruch analog § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG gestützt hat, das OLG aber eine Umsetzung eines als verfassungswidrig entwickelten Schadensersatzanspruches verweigert, hat es nunmehr entgegen 24

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WolflGroßerichter, WM 2004, 1993 ff.; Wallner, BKR 2004, 367, 371; Edelmann, BB 2004, 1648; Hadding, WuB Ε 2. § 9 VerbrKrG 1.05; Mülbert/ Hoger WM 2004, 2281. OLG Schleswig, Urt. v. 2.6.2005 - 5 U 162/ 01 = WM 2005, 1173.

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§ 563 Abs. 2 ZPO Bindungswirkungen aus dem Urteil des II. Zivilsenats verneint. Zu wenig Aufmerksamkeit ist in der bisherigen Diskussion der Frage gewidmet, ob nicht die Rechtsfortbildung durch den II. Zivilsenat bereits einen Verstoß gegen Artikel 103 GG bedeutet. Angesichts der umwälzenden Rechtsfortbildung und des Umstandes, dass die Rechtsfortbildung eine Materie betrifft, die in klassischer Weise an sich in die Zuständigkeit des XI. Zivilsenats gehört, hätte wohl der Große Senat für Zivilsachen angerufen werden müssen. Ein weiteres Problem wäre dann sicherlich auch, wie die Frage der Perpetuierung der Rechtsprechung durch den II. Zivilsenat zu behandeln ist. Man darf gespannt sein, wie sich die Sachen entwickeln.

Verbraucherdarlehensrecht ein verlässlicher Rahmen für den Rechtsanwender? Rechtsanwalt Dr. Michael Münscher Justitiar der Commerzbank AG, Frankfurt am Main

In den vorherigen Beiträgen sind aktuelle Probleme des Verbraucherkreditrechts aus wissenschaftlicher und richterlicher Sicht dargestellt worden. Im Rahmen meines Vortrags will ich nicht auf einzelne spezifische Probleme und Entscheidungen aus diesem Bereich eingehen, obwohl es hier aus Sicht des Bankjuristen sicherlich einiges anzumerken gäbe. Ich will vielmehr auf allgemeine Entwicklungen aufmerksam machen, deren Brisanz insbesondere im Verbraucherkreditrecht sehr deutlich wird und die eigentlich nicht nur den Bankjuristen, sondern jeden Rechtsanwender betreffen.

1. Rechtssicherheit und Rechtsklarheit machen es erforderlich, den Anwendungsbereich gesetzlicher Normen für den Rechtsanwender möglichst eindeutig zu beschreiben. Dies gilt auch im Verbraucherdarlehensrecht. Als Anwender ist insoweit nicht nur der Verbraucher, sondern auch dessen Vertragspartner anzusehen. Dies scheint eigentlich eine Selbstverständlichkeit zu sein, gerät aber in der aktuellen Diskussion öfters in den Hintergrund.1 Insbesondere im Fokus der Medien steht so gut wie immer nur der schützenswerte Verbraucher. Dass aber in diesen Fallkonstellationen noch weitere Beteiligte betroffen sind, gerät in den zum Teil sehr emotional geführten Diskussionen und Rechtsstreitigkeiten zu oft und zu schnell in den Hintergrund. Den Blick auf sämtliche Beteiligte zu richten ist aber ein letztendlich aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitendes Gebot, denn die Vorhersehbarkeit des Anwendungsbereichs von Normen ist elementarer Bestandteil dieses Prinzips. Jeder 1

Vgl. etwa Wackerbarth, der sein NJW-Editorial 22/2005 mit der Überschrift „Kleinkrieg auf dem Rücken der Anleger" versehen hat.

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Anwender - gleichgültig ob Verbraucher, Unternehmer, Rechtsanwalt oder Richter - hat ein elementares Interesse an Bestimmbarkeit und Eindeutigkeit gesetzlicher Bestimmungen. Bei Auslegung und Anwendung des Rechts kann daher nicht allein auf Verbraucherinteressen abgestellt werden; auch die Interessen der sonstigen Normadressaten und -anwender müssen Berücksichtigung finden.

2.

Die Gesetzgebungsmethodik (auch im Verbraucherdarlehensrecht) weist zunehmend Mängel auf, was das Zustandekommen und den materiell-rechtlichen Gehalt von Normen anbelangt.

a) Hier ist zunächst einmal auf gewisse Mängel in der Gesetzgebungstechnik hinzuweisen. Oftmals liegt zwischen Verabschiedung und Inkrafttreten des Gesetzes nur ein sehr kurzer Zeitraum. Ist dieser immer ausreichend angesichts der Rechtsfolgen, die sich an die Nichteinhaltung von Rechtsnormen knüpfen? Wer mit internen Bankabläufen vertraut ist, weiß, welchen Aufwand und welche Zeit es erfordert, z.B. sämtliche Vertragsformulare und Geschäftsabläufe an neue gesetzliche Regelungen anzupassen. Im Darlehensgeschäft als typischem Massengeschäft kann sich eine Bank kaum auf „vorläufige" Vertragstexte oder Interimslösungen einlassen. Da es sich beim Darlehen ferner um ein Dauerschuldverhältnis handelt, wäre die Anpassung vorläufiger Vereinbarungen wiederum nur mittels eines neuen Vertrages zwischen Bank und Verbraucher möglich. Der damit verbundene Arbeitsaufwand, der auch Kosten verursacht, ist daher kaum praktikabel. Dem Rechtsanwender muss daher ausreichend Zeit bleiben, sich auf gesetzliche Neuerungen einstellen zu können. Schon bei Inkrafttreten des VerbrKrG stellte die kurze Umsetzungszeit ein erhebliches Problem dar. Der Termin des Inkrafttretens wurde entgegen den vorherigen gesetzgeberischen Ankündigungen kurzfristig im November 1990 um mehrere Monate vorgezogen, nämlich vom Frühjahr/Sommer 1991 auf den 1.1.1991. Welche organisatorischen und technischen Umsetzungsprobleme die betroffenen Banken in kürzester Zeit zu bewältigen hatten, muss hier nicht weiter ausgeführt werden.

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Leider finden sich auch in neuerer Zeit vergleichbare Fälle. Noch bevor sich der BGH im Urteil vom 9.4.2002 2 zur Umsetzung der EuGH-Vorgaben aus der //ew/Mger-Entscheidung 3 geäußert hatte, legte das Bundesministerium der Justiz am 27.3.2002 einen ersten Diskussionsentwurf vor, der aber nicht nur Regelungen zum Widerrufsrecht enthielt, sondern auch zum verbundenen Geschäft bei Immobiliardarlehen. Eine Anhörung der Spitzenverbände des Kreditgewerbes und diverser Verbraucherschutzorganisationen und Anlegeranwälten fand am 7.5.2002 im BMJ statt. Der daraufhin bereits zum Teil überarbeitete Gesetzentwurf wurde Mitte Mai zum Bestandteil des „Gesetzes zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten" gemacht, welches bereits die erste Lesung im Bundestag durchlaufen hatte und an den Rechtsausschuss des Bundestages zur weiteren Beratung überwiesen worden war.4 Am 3.6.2002 führte der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung durch; die Beschlussempfehlung und der Bericht des Rechtsausschusses wurden am 5.6.2002 fertig gestellt. 5 Der Gesetzentwurf war am 7.6.2002 Gegenstand der zweiten und dritten Lesung im Bundestag. 6 Der Bundesrat rief in seiner Sitzung vom 21.6.2002 auf Empfehlung des 2 3 4

5 6

WM 2002, 1181 ff. WM 2001, 2434 ff. Dieses eher ungewöhnliche Verfahren ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass für den Gesetzgeber enormer Zeitdruck bestand, weil in Kenntnis der EuGHEntscheidung das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz per 1.1.2002 in Kraft getreten war, und die darin enthaltenen Regelungen zum Erlöschen des Widerrufsrechts (6 Monate nach Abgabe der Erklärung) mit der europäischen Richtlinie nicht in Einklang stand. Ob dieser Umstand es allerdings auch rechtfertigt, im Rahmen eines solchen Gesetzgebungsverfahrens Regelungen einzubringen, die mit diesem Problem nichts zu tun hatten, soll hier nicht weiter vertieft werden. BT-Drucksache 14/9266; teilweise abgedruckt in ZIP 2002, 1100 ff. (m. Anm. Schmidt-Rausch) und ZflR 2002, 500 ff. und ZBB 2002, 233 ff. Der zeitliche Ablauf rief Kritik hervor. Der Abgeordnete Röttgen wies darauf hin, dass es für den Rechtsausschuss kaum Gelegenheit gegeben habe, die umfangreichen Änderungen zur Kenntnis zu nehmen (vgl. Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags zur 240. Sitzung am 7.6.2002, S. 24094). Pfeiffer, (NJWEditorial 26/2002) beklagt das Fehlen einer gründlichen Diskussion. Volmer (ZflR 2002, 511) versieht seinen Beitrag mit der provokanten Frage als Überschrift: „Fast Law! - Junk Law?". Die Ungenauigkeit der Sprache des Gesetzgebers kritisiert Wilhelm, DB 2002, 1307 ff.

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Rechtsausschusses7 den Vermittlungsausschuss an; s insbesondere die Regelungen über das verbundene Geschäft bei Immobilienkrediten sollten überarbeitet werden.9 Der Vermittlungsausschuss änderte nochmals den Vorschlag des Rechtsausschusses. Die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 27.6.200210 wurde vom Bundestag in seiner Sitzung vom 28.6.2002" angenommen; die Zustimmung des Bundesrates erfolgte am 12.7.200212. Die Verkündung im Bundesgesetzblatt erfolgte am 31.7.200213. b) Gerade das eben geschilderte Beispiel der Neuregelung des verbundenen Geschäfts bei Immobiliardarlehen ist ein Beispiel für eine Art von Gesetzgebung, die keine Zeit für eine ausreichende Erörterung der beabsichtigten Regelung lässt. Zwangsläufig führt dies auch dazu, dass den Gesetzgebungsmaterialien eine immer geringere Aussagekraft zukommt bzw. zukommen kann. Der Rechtsanwender, der zur Bestimmung der Reichweite gesetzlicher Neuregelungen auf die Gesetzesmaterialien zurückgreifen will, kann daraus nur begrenzten Nutzen ziehen, insbesondere wenn die tatsächlich zustande gekommene Regelung erheblich von der ursprünglichen Entwurfsfassung abweicht und die Motive hierzu aus den Materialien nicht oder nur lückenhaft erkennbar sind. c) Ein weiterer Aspekt ist die inhaltliche Unklarheit von Normen. Dies betrifft nicht nur den Hang zur Aufnahme von Generalklauseln. Die steuerrechtliche Gesetzgebung wird immer wieder gerne als Beispiel für eine höchst detaillierte und damit nur noch schwer verständliche Materie herangezogen. Leider muss man konstatieren, dass neuere zivilrechtliche Gesetzgebungsvorhaben zu einer Regelungsdichte führen, die für den „normalen" Rechtsanwender nur noch schwer durchschaubar sind. Als Beispiel kann hier das Konkurrenzverhältnis/Zusammenspiel von Widerrufsrechten aufgrund unterschiedlicher Verbraucherschutzgesetze (insbesondere Fernabsatz und Verbraucherdarlehensrecht) genannt werden. Damit eng verbunden 7 8 9 10 11 12 13

BR-Drucksache 503/02; z.T. wiedergegeben in ZfIR 2002, 586 ff. Plenarprotokoll Bundesrat 777. Sitzung (21.6.2002), S. 374 f. Vgl. BT-Drucksache 14/9531. Vgl. BT-Drucksache 14/9633. Vgl. Plenarprotokoll Deutscher Bundestag 14/246 (28.6.2002), S. 24856. Vgl. Plenarprotokoll Bundesrat, 778. Sitzung (12.7.2002), S. 402. BGBl. I 2002, 2850 ff.

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ist die Ausgestaltung von Widerrufsbelehrungen, die in der Vergangenheit aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Vorgaben einer einheitlichen Formulierung und Gestaltung nicht zugänglich war. Die erforderliche Rechtssicherheit bei der Formulierung wurde letztendlich erst durch höchstrichterliche Entscheidungen herbeigeführt, allerdings mit dem Nebeneffekt, dass ursprünglich für ausreichend erachtete Belehrungen mit einem Urteil unwirksam waren. Welche praktischen Auswirkungen derartige Urteile im Bereich des Verbraucherdarlehensrechts haben können, muss wohl nicht näher erläutert werden. Immerhin hat der Gesetzgeber hier den aus Gründen der Rechtsklarheit und -Sicherheit dringend erforderlichen Regelungsbedarf gesehen und im Rahmen der BGB-InfoVO Muster für Widerrufsbelehrungen aufgenommen. Wenn man die Kriterien der bisherigen Rechtsprechung bezüglich Transparenz und Verständlichkeit derartiger Klauseln heranzieht, könnte man durchaus Zweifel an der Wirksamkeit derartiger Klauseln haben, abgesehen von dem grundsätzlichen Problem, ob durch eine Rechtsverordnung die Reichweite von Gesetzesnormen verbindlich festgelegt werden kann. Für den Rechtsanwender ist es sicherlich nicht befriedigend, wenn kurz nach Veröffentlichung entsprechender Mustertexte daher Zweifel an deren Rechtsgültigkeit laut werden. 14 Wie soll denn der Unternehmer, dem man grundsätzlich den Willen und die Bereitschaft zur Rechtstreue unterstellen darf, darauf reagieren? Verwendet er das amtliche Muster, geht er das Risiko ein, dass dieses später einmal für unwirksam erklärt wird. Das gleiche Risiko geht er aber ein, wenn er eine selbst formulierte Belehrung verwendet. Die insoweit erforderliche Risikoabwägung ist praktisch kaum durchführbar, weil eine sichere Prognose über die künftige Rechtsentwicklung und Rechtsprechung unmöglich ist. d) Zunehmend Probleme bereitet auch die Vereinbarkeit nationalen Rechts mit EU-rechtlichen Vorgaben. Als Beispiel ist auch hier wieder das Widerrufsrecht für grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen, soweit in einer Haus-

14

Vgl. z.B. Masuch, NJW 2002, 2931; Dörrie, ZflR 2002, 685. Immerhin hat der Gesetzgeber Ende 2004 wohl den zunächst bestehenden formalen Mangel beseitigt, dass die Rechtverordnung u.U zunächst gegen höherrangiges Recht verstoßen hat. Den Musterbelehrungen kommt jetzt ebenfalls Gesetzescharakter zu; vgl. dazu Masuch, BB 2005, 344 ff.

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türsituation zustande gekommen, zu nennen. Wer hier aufgrund des vermeintlich eindeutigen Wortlauts des § 5 Abs. 2 HWiG auf den Ausschluss des Widerrufsrechts vertraut hat, wurde durch die i/e/M/wger-Entscheidungen15 eines Besseren belehrt. Hätte der auf Bankenseite tätige Jurist hier schlauer sein müssen als der Gesetzgeber? e) Bedenklich muss auch der immer häufiger zu beobachtende Hang des (nationalen und EU-) Gesetzgebers zur Überregulierung stimmen. Zum einen drückt sich das darin aus, dass nationales Recht geschaffen wird, welches über den Anwendungsbereich der EU-Richtlinie hinausgeht,16 so z.B. wenn § 1 HWiG nicht an den Abschluss des Geschäfts an der Haustür (so die EU-Richtlinie), sondern an die Anbahnung des Geschäfts anknüpft. Dass im nationalen Recht dann verstärkt Fragen der Zurechenbarkeit der Haustürsituation entstehen - wie sie jetzt Gegenstand der beim EuGH anhängigen Vorlageverfahren des OLG Bremen' 7 sind - ist auf die „überschießenden" Regelungen zurückzuführen.18 Dass im Verfahren vor dem EuGH Mitglieder anderer Rechtsordnungen mit solchen Problemstellungen überhaupt nicht vertraut sind, lässt prognostische Aussagen über etwaige Entscheidungen der jeweiligen Spruchkörper fast nicht zu. Auch dies ist für den Rechtsanwender eine unbefriedigende Situation. Zum anderen ist ein Hang zur Überregulierung auch auf EU-Ebene festzustellen. Wenn man sich vor Augen fuhrt, welche Belehrungen und Informationen aufgrund verschiedener Vorgaben (Verhaltenskodex für Hypothekarkreditgeber,19 Verbraucherdarlehensrecht, Fernabsatzrecht) ein Verbraucher schon erhält, muss die Frage erlaubt sein, ob der Verbraucher hier nicht mit Informationen überfrachtet wird, die er dann gar nicht mehr zur Kenntnis nimmt. Hat der Richtliniengeber dies erkannt und deshalb in den neuen Entwurf einer neuen Verbraucherkreditrichtlinie das Prinzip der ver15 16 17 18

19

Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2001 - RS C-481/99, WM 2001, 2434; BGH, Urt. v. 9.4.2002 - XI ZR 91199, WM 2002,1181. Dazu neigt der deutsche Gesetzgeber, wie die aktuelle Diskussion um das Antidiskriminierungsgesetz belegt. WM 2004, 1628. Zum Problem der richtlinienkonformen Auslegung von Normen, die von europäischen Vorgaben nicht erfasst sind vgl. Habersack/Mayer, WM 2002, 253, 256 ff. Vgl. Hök, MDR 2002,925.

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antwortungsvollen Kreditvergabe 20 eingeführt? Die Bank soll anstelle des Verbrauchers entscheiden, was für diesen der richtige Kredit ist; mit herkömmlichen Vorstellungen der Privatautonomie ist ein solches Ansinnen nur schwer in Einklang zu bringen.

3.

Die Rechtsprechung muss (oftmals Jahre oder Jahrzehnte nach Inkrafttreten von Normen) deren Reichweite bestimmen. Dabei geht es aber nicht um „Anlegerfreundlichkeit" oder „Bankenfreundlichkeit", sondern um die Anwendung von Recht.

Wenn man sich vor Augen vor führt, dass bis in die jüngste Zeit noch höchstrichterliche Urteile zur Reichweite von Bestimmungen des schon am 1.10.1992 in Kraft getretenen VerbrKrG ergehen, 21 bedarf es angesichts des Zeitablaufs nicht sehr großer Phantasie, um ermessen zu können, wie viele schon bestehende Verträge von solchen Urteilen erfasst sein können. Leider lassen sich hier Entwicklungen beobachten, die nachdenklich stimmen. a) Die Anwendbarkeit des Rechts unter Anwendung der herkömmlich anerkannten Auslegungsmethoden wird zunehmend in den Hintergrund gedrängt durch ergebnisorientierte Interessenjurisprudenz. Das in die juristische Diskussion vor allem von Verbraucherseite eingeführte Begriffspaar anlegerfreundlich - bankenfreundlich fördert die zu starke Fokussierung auf - für wen auch immer „freundliche" - Ergebnisse. Die eigentlich an erster Stelle stehende Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und die darauf erfolgende Normanwendung gerät in den Hintergrund. Es darf nicht zuerst ein - aus wessen Sicht auch immer - „gerechtes" Ergebnis festgelegt werden, das dann mit einer juristischen Begründung versehen wird. Vielmehr muss zuerst das Recht auf den festgestellten Sachverhalt angewendet werden. Ob dieses so gefundene Ergebnis dann unter Umständen korrigiert werden kann, ist eine weitere Frage, die noch später anzusprechen sein wird. Wenn

20 21

Vgl. Riesenhuber, ZBB 2003, 325 ff. Vgl. z.B. BGH, Urt. v. 18.1.2005 - XI ZR 17/04, WM 2005, 415 ff. zur Frage der Berechnung des effektiven Jahreszinses; BGH, Urt. v. 19.10.2004 - XI ZR 337/03, WM 2004, 2436 ff. zur Frage der Pflicht zur Angabe des Gesamtbetrages.

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man die Auslegung und Anwendung des Gesetzes zugunsten vermeintlich höherrangiger Interessen in den Hintergrund stellt, stellen die Juristen gleichgültig in welcher Funktion sie tätig sind und wessen Interessen sie vertreten - ihr eigenes Handwerkszeug, nämlich das Gesetz, in Frage. 22 Als negatives Beispiel lässt sich in diesem Zusammenhang, die ausschließlich ergebnisorientierte Auslegung des II. Zivilsenates zur Reichweite des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG anfuhren. 23 Die Regeln des verbundenen Geschäfts sind kraft Gesetzes nicht anwendbar auf grundpfandrechtlich gesicherte Kredite. Die vom II. Senat eingeläutete sehr verbraucherfreundliche Rechtsprechung wäre daher auf derartige Kredite nicht anwendbar gewesen. Um diese Rechtsfolge zu vermeiden, vertrat der II. Senat zunächst die Auffassung, das Grundpfandrecht müsse vom Darlehensnehmer persönlich bestellt worden sein. 24 Dass diese Rechtsauffassung nicht mit dem materiellen Recht des BGB in Einklang zu bringen war und ist, wurde schon an anderer Stelle ausgeführt. 25 In einer späteren Entscheidung fehlte vielleicht der Mut, diesen juristischen Fehler einzuräumen. Stattdessen wurde das gewünschte verbraucherfreundliche Ergebnis mit einer neuen Begründung versehen, die ebenso fragwürdig ist. Die Neuregelung des § 358 Abs. 3 S. 3 BGB zeige, dass Darlehen zur Finanzierung eines Gesellschaftsbeitritts nicht privilegiert sein sollen. Dies sei Beleg dafür, dass in der Vergangenheit nichts anderes gegolten habe. 26 Abgesehen davon, dass damit einer gesetzlichen Neuregelung rückwirkende Kraft beigemessen wurde, 27 wurde völlig außer Acht gelassen, dass § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG schon vom Wortlaut her eine solche Überlegung weder nahe legt noch rechtfertigt.

22

23 24 25

26 27

In diese Richtung geht auch die im Endergebnis vielleicht zu drastisch formulierte Kritik von Edelmann, BB 2004, 1649 ff.; kritisch zur ergebnisorientierten Methodik auch Wolf/Großerichter, WM 2004,1993 ff. Vgl. BGH, Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 393/02, WM 2004, 1529; BGH, Urt. v. 21.3.2005 - II ZR 411/02, WM 2005,843. Vgl. BGH, Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 393/02, WM 2004,1529. Vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2004 - XI ZR 255/03, WM 2005, 127; Jork/Engel, BKR 2005, 3, 11; Mülbert/Hoger, WM 2004, 2281,2283 ff.; Wolf/Großerichter, WM 2004, 1993, 1994 f. Vgl. BGH, Urt. v. 21.3.2005 - II ZR 411/02, WM 2005, 843. Mit zutreffender Begründung hatte der XI. Senat (Urt. v. 27.1.2004 - XI ZR 37/03; WM 2004, 620) eine rückwirkende Anwendung des § 358 BGB über § 242 BGB abgelehnt.

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Die in der Praxis zu beobachtende lnteressenjurisprudenz muss zwangsläufig zu einer erheblichen Verunsicherung beim Rechtsanwender führen, da das anwendbare Recht nicht mehr verlässlich bestimmbar ist. Gerade Instanzgerichte, die mit Streitigkeiten aus dem Verbraucherdarlehensbereich nicht so vertraut sind, neigen sehr schnell zur Flucht in allgemeine Gerechtigkeitserwägungen, anstatt sich zunächst mit dem konkreten Fall und dem dafür maßgeblichen Recht auseinanderzusetzen. Die in den Hintergrund tretende Normanwendung wird ferner begünstigt durch eine Vielzahl von höchstgerichtlichen, z.T. sich einander widersprechenden Entscheidungen, die in ihren weitreichenden Verästelungen nur noch fur den Spezialisten nachvollziehbar ist. Verstärkt wird diese Entwicklung noch durch einen weiteren Aspekt, nämlich die Akzeptanz höchstrichterlicher Urteile. Die Akzeptanz höchstrichterlicher, präjudizieller Entscheidungen ist insbesondere dann in Frage gestellt, wenn darin eine Auseinandersetzung mit veröffentlichten kritischen Stellungnahmen völlig fehlt. 28 Dass derartige Entscheidungen zu Widerspruch herausfordern, liegt eigentlich nahe. Dennoch muss man den Mut bewundern, mit welcher Deutlichkeit das OLG Schleswig 29 kürzlich die Rechtsprechung des II. Senates beim BGH kritisch hinterfragt und dogmatische Schwächen aufgedeckt hat. Derartige dogmatische Stringenz ist bei den Instanzgerichten aber eher die Ausnahme. Diese aus meiner Sicht bedenklichen Entwicklungen haben für die rechtsuchenden Parteien in der Praxis eine weitere gravierende Konsequenz: die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits lassen sich nicht mehr oder nur schwer prognostizieren bzw. hängen davon ab, bei welchem BGH-Senat eine mögliche Revision landen wird (sofern dieses Rechtsmittel im konkreten Fall überhaupt eröffnet ist). Aber nicht nur der Rechtsstreit wird schwer prognostizierbar, sondern jeder Rechtsanwender ist schon im Vorfeld von Rechtsstreitigkeiten damit häufig überfordert, sein Verhalten an den rechtlichen Vorgaben auszurichten. Der Wortlaut des Gesetzes mag ja mehr oder weniger bestimmbar sein; wie aber Gerichte Jahre später die Rechtslage beurteilen, wird bei einer zeitgeistabhängigen lnteressenjurisprudenz nicht mehr vorherzusehen sein. Die Risiken für den Rechtsanwender, dem man nicht die

28 29

Hieraufweist zu Recht Hadding, WuB I Ε 2. § 9 VerbrKrG 1.05 hin. Urt. v. 2.6.2005 - 5 U 162/01, WM 2005, 1173.

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Absicht unterstellen darf, er würde bewusst rechtliche Vorgaben missachten, würden unkalkulierbar. Die ergebnisorientierte Argumentation ist dabei nicht auf die nationale Rechtsprechung beschränkt. Als Beispiel darf auf die aktuell beim EuGH anhängigen Vorlageverfahren zur Rückabwicklung widerrufener Darlehensverträge verwiesen werden. Was dort unter Berufung auf den „effet utile" der Haustürgeschäfte-Richtlinie in die Regelungen der Richtlinie hineininterpretiert wird, muss teilweise überraschen. Insoweit darf auf die vorangegangenen Ausfuhrungen von Ehricke verwiesen werden. Dem in der Praxis verstärkt zu beobachtenden Hang zu rein ergebnisorientierter Wertung muss Einhalt geboten werden. Damit hängt nämlich der sogleich anzusprechende Problemkreis eng zusammen.

4. Aufgrund gesetzgeberischer Mängel stoßen die Gerichte zwangsläufig an verfassungsrechtliche Grenzen, insbesondere betreffend die Rückwirkung von Rechtsprechung und die Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung. Die Gerichte haben die Autonomie des Gesetzgebers grundsätzlich zu respektieren. Als ungerecht empfundene Ergebnisse der gesetzlichen Grundkonzeption können nicht unter Berufung auf höherrangige Interessen korrigiert werden. Eine solche Korrektur ist Sache des Gesetzgebers. a) Jede Gesetzesauslegung ist begrenzt durch den Wortlaut der Norm. Darüber dürfte Einigkeit bestehen. Eine richtlinienkonforme Auslegung kann und darf nicht dazu führen, dass aus Richtlinien Rechtsfolgen abgeleitet werden, die im nationalen Recht keine Grundlage haben.30 Derartige Rechte einzuführen bleibt dem Gesetzgeber vorbehalten.31 Der Richter kann hier nicht als „Ersatzgesetzgeber" fungieren. b) Ein weiteres Problem ist darin zu sehen, dass die Rechtsprechung Sachverhalte rückwirkend bewertet und dabei möglicherweise in Rechtspositionen der beteiligten Vertragsparteien eingreift, auf deren Bestand die Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrages vertrauen durften. Die verfassungs30 Vgl. Meller-Hanisch, WM 2005, 1157 f. 31

Zur vergleichbaren Problematik auf EU-Ebene vgl. Calliess, NJW 2005, 929 ff.

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rechtlichen Grenzen 32 dürften überschritten sein, wenn die rückwirkende Rechtsprechung ein Resultat erzielt, welches der Gesetzgeber nicht hätte erreichen können. Beispielhaft sei hier auf die fragwürdige Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG verwiesen. Gesetzgeberische Fehler bei der Umsetzung der Haustürgeschäfterichtlinie wurden nicht nur ex-tunc beseitigt, sondern extunc geheilt. 33 Auch die bereits oben erwähnte Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG in Bezug auf Darlehen, die der Beteiligung an einer Anlagegesellschaft dienen, erscheint in diesem Zusammenhang höchst zweifelhaft. c) Dass Rechtsprechung einem Wandel unterliegen kann und muss, soll hier nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden. Die Frage ist nur, ob im Falle einer unvorhersehbaren Änderung der Rechtsprechung nicht Schutzmechanismen zugunsten des Rechtsanwenders greifen müssen, der sein Handeln an den bisher einstimmig interpretierten Normen und der dazu eventuell vorhandenen Rechtsprechung ausgerichtet hat. Aus dem Bereich des Verbraucherdarlehensrechts gibt es für solche Rechtsprechungsänderungen zahlreiche Beispiele: Erwähnenswert insoweit vor allem die Beurteilung eines Abschlusses eines Darlehensvertrages durch einen Treuhänder/Geschäftsbesorger. War diese Fallkonstellation zunächst nur unter dem Aspekt diskutiert worden, ob eine Vollmacht die Pflichtangaben nach § 4 Abs. 1 VerbrKrG enthalten musste, 34 gab es ausgehend vom Urteil des IX. Senate vom 28.9.2000 35 eine überraschende Wende: die Tätigkeit des Treuhänders wurde als erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung angesehen, so dass die Wirksamkeit der vom Treuhänder abgeschlossenen Verträge in Frage gestellt war. Zwar wurde dem Vertragspartner dadurch Schutz gewährt, dass der vom Treuhänder abgeschlossene Vertrag gemäß §§171, 172 BGB wirksam ist, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine Ausfertigung der Vollmacht vorgelegt worden war. 36 Beweispflichtig für das Vorliegen der Ausfertigung ist allerdings der Vertragspartner, d.h. die Bank, was in der Praxis durchaus auf Schwierigkeiten stoßen kann. Da es nach bisherigem Verständnis auf die

32 33 34 35 36

Vgl. dazu Wagner/Loritz, WM 2005, 1249 ff. So zutreffend Stamm, ZBB 2005, 35, 39; s.a. Wallner, BKR 2004, 367,369. Vgl. BGH, Urt. 21.4.2001 - XI ZR 40/00, WM 2001, 1024. IX ZR 279/99, WM 2000, 2443. Vgl. z.B. BGH, Urt. v. 23.3.2004 - XI ZR 194/02, WM 2004, 1221.

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Vorlage der Ausfertigung der Vollmacht nicht ankam, wurde die Vorlage und der Eingang der Ausfertigung der Vollmachtsurkunde vielleicht auf Bankseite in der Vergangenheit nicht immer so dokumentiert, wie es jetzt - in Kenntnis der geänderten Rechtsprechung - dokumentiert werden würde. Zeugenvernehmungen der Bankmitarbeiter zu Vorgängen, die teilweise mehr als 10 Jahre zurückliegen, dürften bezogen auf den Einzelfall wohl selten die gewünschte Klarheit bringen. Die Risiken, die sich für über viele Jahre hinweg vollzogene Darlehensverträge durch diese Rechtsprechungsänderung realisieren können, liegen auf der Hand. Ein weiteres Beispiel für solche Rechtsprechungsänderungen ist das Thema Vorfälligkeitsentschädigung. Hier gab es innerhalb kurzer Zeit Urteile, die sich zur „richtigen" Vergleichsrendite äußerten. War zunächst die Rentenrendite der Kapitalmarkttitel öffentlicher Schuldner für maßgeblich erachtet worden,37 war es später die Hypothekenpfandbriefirendite,38 aber nicht der PEX bzw. die DGFZ-Rendite.39 Nach jedem dieser Urteile entstand ein enormer, kostenintensiver Bearbeitungsaufwand, weil zum einen die einschlägigen Berechnungsprogramme durch Einpflegen neuer Zinssätze angepasst und zum anderen zahlreiche Kundenanfragen abgearbeitet werden mussten, die unter Berufung auf die neuen Urteile eine Neuberechnung der Vorfälligkeitsentschädigung verlangten. Die dabei erzielten Ergebnisse blieben in vielen Fällen weit hinter den Beträgen zurück, die den Darlehensnehmern von Anwälten oder Verbraucherschutzverbänden in Aussicht gestellt worden waren. Als nächstes Beispiel sei hier die Problematik des Widerrufsrechts bei nicht grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen genannt (Stichwort: „doppelte Widerrufsbelehrung"40 bzw. Erkundigungspflicht der Bank über das Zustandekommen der Verträge41). Eine Bank hatte bei voller Anwendbarkeit des VerbrKrG gar keinen Anlass der Frage nachzugehen, ob neben der

37 38 39 40 41

Vgl. BGH, Urt. v. 1.7.1997-XI ZR 267/96, WM 1997, 1747. Vgl. BGH, Urt. v. 7.11.2000 - XI ZR 27/00, WM 2001, 20. Vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2004 - XI ZR 287/03, WM 2005, 322. Verneinend OLG Schleswig WM 2004, 1959; vgl. dazu auch Peters, WM 2005, 456 ff. Vgl. dazu einerseits BGH, Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 395/01, WM 2004, 1521; andererseits BGH, Urt. v. 20.01.2004 - XI ZR 460/02, WM 2004, 521.

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Widerrufsbelehrung nach VerbrKrG eine solche nach HWiG erforderlich sei, bzw. sich nach dem Zustandekommen des Vertrages zu erkundigen. Als letztes Beispiel sei hier der entgegen der einhelligen Literaturmeinung vom II. Senat bejahte Rückforderungsdurchgriff bei finanzierten Fondsbeitritten 42 angeführt. Auch die Einbeziehung von Schadensersatzansprüchen gegen Fondsgesellschafter und Initiatoren im Rahmen des § 9 Abs. 3 VerbrKrG ist mit bisherigem Recht und Rechtsprechung nicht zu vereinbaren. 43 Wie ist mit derartigen Änderungen der Rechtsprechung umzugehen? 44 Dass die Rechtsprechung in der Vergangenheit in vergleichbaren Konstellationen über das erforderliche Problembewusstsein verfugte, lässt sich belegen. So hatte der BGH im Zusammenhang mit der Änderung seiner Rechtsprechung zur persönlichen Haftung des neu eintretenden GbR-Gesellschafters fur bereits bestehende Altverbindlichkeiten aus Erwägungen des Vertrauensschutzes entschieden, die neue Rechtsprechung erst auf künftige Beitrittsfälle anzuwenden. 45 Auch bei der Frage der AGB-zulässigen Vereinbarung von Bürgschaften auf erstes Anfordern wurde ähnlich verfahren. 46 Vergleichbare Erwägungen sucht man in den oben genannten Fällen leider vergeblich. Allein der Umstand, dass auf der einen Seite ein Verbraucher beteiligt ist, rechtfertigt es sicherlich nicht, Vertrauensschutzaspekte völlig in den Hintergrund zu schieben.

42

43 44 45 46

Vgl. BGH, Urteile v. 14.6.2004 - II ZR 392/01, WM 2004, 1518; II ZR 395/01, WM 2004, 1521; II ZR 374/02, WM 2004, 1525; II ZR 385/02, WM 2004, 1527; II ZR 393/02, WM 2004,1529; II ZR 407/02, WM 2004, 1436. Vgl. Schwab, ZGR 2004, 861 ff.; s.a. Schäfer, BKR 2005, 98, 103. Vgl. dazu Medicus, WM 1997,2333 ff.; Schimansky, WM 2001, 1889 ff. Vgl. BGH, Urt. v. 7.4.2003 - II ZR 56/02 in BGHZ 154,370,377 f. Vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2002 - VII ZR 502/99, WM 2002,1876.

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5.

Gesetzgebung und Rechtsprechung machen es dem Rechtsanwender, insbesondere dem Vertragspartner des Verbrauchers, oftmals unmöglich, bei Vertragsabschluss die Reichweite anzuwendender Normen hinreichend klar zu bestimmen. Eine wissentliche Umgehung von Verbraucherschutzvorschriften, wie sie von interessierten Kreisen immer wieder unterstellt wird, ist in der Regel nicht anzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist ein Sanktionsbedürfnis wegen der Nichteinhaltung von Normen kritisch zu hinterfragen.

Ein verlässlicher Rechtsrahmen ist von elementarer Bedeutung für die rechtliche Ausgestaltung von Geschäftsbeziehungen, nicht nur im Verbraucherdarlehensrecht, sondern für alle am Rechtsverkehr teilnehmenden Personen. Ich will die in der Überschrift meines Beitrags gestellte Frage weder verneinen noch bejahen. Aber man muss konstatieren, dass die für die Gestaltung von täglich in großer Anzahl abgeschlossenen Geschäften erforderliche Rechtssicherheit gefährdet ist durch verschiedene Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung. Vor diesem Hintergrund darf man zukünftig vom Gesetzgeber klarere, besser durchdachte Regelungen erhoffen. Der Rechtsanwender hätte sicherlich dann auch größere Gewissheit, den rechtlichen Vorgaben genüge zu tun. Für die Vergangenheit darf man insoweit unterstellen, dass keineswegs wissentlich nach Umgehungsmöglichkeiten von Verbraucherschutzvorschriften gesucht wurde, was bei der Frage zu berücksichtigen sein wird, ob es ein Sanktionsbedürfnis gibt, weil ein Unternehmer neue Rechtsentwicklungen nicht voraussehen konnte. Die Rechtsprechung sollte sich - auch in Kenntnis bestehender Regelungslücken und einer für erforderlich gehaltenen Lückenschließung - nicht in die Rolle eines „Ersatzgesetzgebers" drängen lassen.

Aktuelle Probleme des Verbraucherkreditgeschäftes aus Verbraucherschutzsicht Dr. Rainer Metz, Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Berlin 1

I.

Aktuelle Probleme in Fachliteratur und Rechtsprechung

II.

Lösungsvorschlag „Schrottimmobile"

III.

Veränderungen auf dem Kreditmarkt

IV.

Veränderung auf allen Märkten

V.

Verbraucherpolitische Lösungsansätze im internationalen Umfeld

VI.

Verbraucherschutztrends außerhalb der Finanzdienstleistungen

VII. Verbraucherpolitische Zielsetzungen im Ausland im Finanzdienstleistungssektor VIII. Der Entwurf einer neuen Verbraucherkreditrichtlinie der EU IX.

Eckpunkte Finanzdienstleistungen

X.

Wohin will das Bankrecht

I.

Aktuelle Probleme in Fachliteratur und Rechtsprechung

Wer die aktuelle Fachdiskussion aufmerksam verfolgt, gewinnt den Eindruck, die Probleme des Verbraucherkreditgeschäftes lägen fast ausschließlich in fehlgeschlagenen Immobilienanlagen und Immobilienkrediten bzw. den Auffassungsunterschieden zweier Senate. Richtig ist, dass zwischen dem II. Senat, der für die Anlage in Fonds zuständig ist und dem XI. Senat, der fur die Direktanlage bei Immobilien zuständig ist, wesentlichen Auffassungsunterschiede bestehen.2 1

Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Verfassers wieder und spiegelt nicht die Position der Bundesregierung bzw. des Bundesministeriums ftir Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (früher: Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft).

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Während zum Beispiel der II. Senat regelmäßig Aufklärungspflichten über Risiken, z.B. die Überschuldung durch Mietgaranten bejaht, sieht der XI. Zivilsenat dagegen regelmäßig Aufklärungspflichten nur bei besonderen Risikotatbeständen. Ansonsten müsse sich der Anleger um den Wert des Objektes selbst kümmern. Während der II. Senat verbundene Geschäfte und damit die Anwendung des Einwendungsdurchgriffes bejaht, wenn der Darlehensgeber sich der Mitwirkung der Initiatoren bedient, geht der XI. Senat grundsätzlich von getrennten Geschäften aus: der Anwender habe das Verwendungsrisiko alleine zu tragen (Trennungstheorie). Deshalb gebe es auch keine Verweisung der Darlehensgeberin im Rahmen der Rückabwicklung auf die angeschaffte Immobilie. Der II. Zivilsenat geht bei Verstößen gegen das Rechtsberatungsgesetz regelmäßig von der Unwirksamkeit des ganzen Geschäftes aus, eine Gutgläubigkeit scheidet bei wirtschaftlicher Identität aus. Der XI. Zivilsenat hingegen sieht einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz hinsichtlich der Vollmacht nur im Verhältnis zwischen Anleger und Vermittler als bedeutsam an. Der Darlehensgeber dürfe gutgläubig unter bestimmten Umständen auf die Wirksamkeit, z.B. bei Vorlage der Vollmacht, vertrauen. Der II. Zivilsenat erachtet die Haustürsituation zumindest bei Fahrlässigkeit, und dies ist in der Regel bei Nutzung des Vertriebssystems gegeben, der Darlehensgeberin für zurechenbar. Der XI. Zivilsenat ist auch hier zurückhaltender. Die Haustürsituation müsse dem Darlehensgeber nach § 123 BGB zurechenbar sein. Der Vermittler bleibe Dritter, solange die Rolle als Darlehensgeberin nicht überschritten werde. Möglicherweise wird der letztgenannte Punkt durch die Schlussanträge des Generalanwaltes in der Rechtssache C-229/04 vom 2. Juni über den EuGH geklärt. 3 Nach Ansicht des Generalanwaltes setze das in der Haustürrichtlinie vorgesehene Widerrufsrecht nicht voraus, dass der Gewerbetreibende das Verhalten des Dritten kannte oder zumindest kennen musste. Der in der

2

3

Vgl. u.a. Schäfer, Der Streit um die Schrottimmobilien geht weiter, FAZ v. 2.3.05, S. 25; sowie u.a. mit vielen Verweisen Oechsler, Die Entwicklung des privaten Bankrechts im Jahre 2004, NJW 2005, 1406 ff. Vgl. Pressemitteilung 49/05 des Generalanwalts vom 2.6.05 in der Rechtssache C-229/04.

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Richtlinie geschriebene objektive Tatbestand rechtfertige es, den Verbraucher durch ein Widerrufsrecht zu schützen. Bereits an dieser Stelle zeigt sich, dass man aktuelle Probleme des Verbraucherkreditgeschäftes und seine Lösungen nicht mehr alleine durch den Verweis auf die nationale Rechtsordnung, insbesondere seiner sehr spezifischen Ausprägungen, alleine verstehen und lösen kann, sondern der Rückgriff auf andere Rechtskulturen und Marktentwicklungen im gemeinsamen Markt erforderlich ist. Insgesamt scheint es auch wenig innovativ, sich bei der Darstellung aktueller Probleme der Verbraucher und den Lösungsvorschlägen hierzu alleine auf die Unterschiede zweier Senate zu beschränken. Wie die Analyse der Mehrzahl der Veröffentlichung auch zeigt, geht es dabei letztendlich in der Beurteilung der Entscheidungen im Kern weniger um dogmatische Präzision, sondern vielmehr werden die Ergebnisse meines Erachtens von beiden Seiten, den Banken bzw. Anlegern und ihren Anwälten, vom gewünschten Ergebnis her beschrieben. Es soll deshalb im Folgenden davon ausgegangen werden, dass die zwischen den Senaten aufgetretenen Auffassungsunterschiede zwar Symptome für Marktentwicklungen, insbesondere auch die Rolle des Vertriebs, darstellen, nicht aber die aktuellen Verbraucherprobleme selbst. Diese sollen vielmehr aus allgemeinen Trends der Marktentwicklungen und der Verbraucherpolitik, sowohl national wie international, dargestellt und abgeleitet werden.

II. Lösungsvorschlag „Schrottimmobile" Damit jedoch nicht der Eindruck entsteht, rechtspolitisch solle dem Problem der sog. „Schrottimmobilien" ausgewichen werden, soll auch hierfür kurz ein Lösungsvorschlag skizziert werden. Ein rechtspolitischer Lösungsvorschlag zu sog. „Schrottimmobilien" könnte beispielsweise durch eine Ergänzung des BGB im § 508 BGB erfolgen. „Bei einem Verbraucherdarlehensvertrag nach § 1 VerbrKrG, der zur Finanzierung des Erwerbs eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts in einer Haustürsituation nach § 1 HWiG bis zum 31.12.2001 abgeschlossen worden ist, ist im Falle des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ein verbundenes Geschäft im Zweifel anzunehmen, wenn der Darlehensgeber sich bei der Vermittlung des Darlehens unmittelbar oder mittelbar einer auch für den Veräußerer tätigen Vertriebsperson

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bedient hat und in schwerwiegender Weise von den anerkannten Beleihungsgrundsätzen des GrundstUckskredits abgewichen ist. Eine Abweichung liegt insbesondere vor, wenn der Darlehensgeber die üblichen Maßstäbe für die Kreditwürdigkeit außer acht gelassen, nahezu vollständig auf Eigenkapital des Darlehensnehmers verzichtet, die üblichen Beleihungsgrenzen überschritten oder einen unverhältnismäßigen Vermittlungs- und Betreuungsaufwand mitfinanziert hat." Eine solche Lösung hätte folgende Vorteile: -

sie beschränkt sich auf bestimmte Zeiträume; öffnet also nicht den gesamten Zeitkorridor; sie beschränkt sich auf Extremfälle; öffnet also nicht jedem Fall rein fehlgeschlagener Investition die Rückabwicklung; gibt der Rechtsprechung durch Hervorhebung von Treu und Glauben flexible Anwendungsspielräume - insoweit ist auch ein Bezug zum neuen - später dargestellten - britischen „unfair-relationship-test" gegeben.

Ein klares, wenn auch begrenztes und flexibles gesetzgeberisches Signal für die Lösung der Schrottimmobilienproblematik wäre gesetzt.

III. Veränderungen auf dem Kreditmarkt Die grundlegenden Veränderungen auf dem Verbraucherkreditmarkt lassen sich m. E. am überzeugendsten exemplarisch anhand der eigenen Praxis der Kreditwirtschaft darstellen, z.B. die Anzeigen für den sog. „easy-credit". Schuldnerberater mögen an dieser Werbung sicherlich kritisieren, dass durch aggressive und großformatige Werbung die Verleitung zur Kreditaufnahme und damit das Risiko der Ver- und Überschuldung durch die Kreditwirtschaft weiter gefördert werde. 4 Zutreffend ist sicherlich auch, dass damit die früher übliche Zurückhaltung bei der Werbung für Kredite nicht mehr im gleichen Stil gewahrt ist. Schuldnerberater werden ferner darauf hinweisen, dass die in der Werbung angesprochenen Kreditzwecke, z.B. für einen Familienurlaub, ebenfalls vor einigen Jahren auch noch in Bankkreisen mit Unbehagen beobachtet worden wären.

4

Vgl. auch diverse Pressemeldungen vom 8.9.05 zur gestiegenen Anzahl der Verbraucherinsolvenzen.

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Selbst wer diese Kritik nicht teilt, wird jedoch nicht umhin können, Veränderungen in der Marktsituation für Verbraucherkredite, z.B. einen stärkeren Vertriebsdruck, feststellen zu müssen. Letztendlich sollen hier aber nicht mögliche Problematiken im Vordergrund stehen, sondern die vom Kreditgeber selbst hervorgehobenen Vorteile. Der Kredit wird als sicher beworben, es sei der erste Kredit mit Sicherheitsgurt. Damit könnten alle Risiken optimal abgesichert werden. Auch wenn es im Leben nicht so laufe wie geplant, die Bank gehe mit Rückzahlungsproblemen partnerschaftlich und fair um und verzichte auf gerichtliche Schritte. Die Bank wirbt ferner damit, dass sie vor Überlastung schütze. Durch eine erstklassige Beratung würden alle Lebensumstände genau geprüft und Risiken schnell erkannt. Daraus werde gemeinsam mit dem Kunden festgelegt, welche monatlichen Belastungen Kunden problemlos tragen können. Die Bank wirbt jedoch nicht nur mit der einmaligen Kooperation bei Vertragsabschluss, sondern verspricht auch, Kreditnehmer sicher durch die Laufzeit zu bringen. Auch wenn der Kreditnehmer sein Geld bekommen habe, stehe sie in Servicegesprächen mit Rat und Tat gerne zur Seite. Vorbeugen sei besser als zurücklehnen. Die Bankkunden werden aufgefordert eine jährliche Bestandsaufnahme ihrer finanziellen Situation zu machen und frühzeitig auf Veränderungen zu reagieren. Last but not least weist die Bank selbst auf plötzliche gravierende Veränderungen wie z.B. Scheidung hin und verspricht, bei Rückzahlungsgefahrdung fair zu bleiben. Man suche gemeinsam die partnerschaftliche Lösung und verzichte auf gerichtliche Schritte. All dies ist im Kleingedruckten keineswegs eingeschränkt, etwa dass man auf gerichtliche Schritte nur für die nicht pfändbaren Beträge verzichte. In der Bankpraxis selbst scheint man also über nur das klassische juristische Dogma der getrennten Sphären und der reinen Privatautonomie längst hinaus gegangen zu sein und selbst die Notwendigkeit einer verantwortungsvollen Kreditvergabe und eines kontinuierlichen Begleitprozesses zu sehen. Die heftige Ablehnung, die die Konzeption der verantwortungsvollen Kreditvergabe auf europäischer Union abstrakt erfährt, wird also durch die neue Bankpraxis selbst bereits realisiert. Dies gilt offensichtlich insbesondere dann, wenn, was vermutlich ohnehin ein Zukunftstrend sein wird, Kreditvergabe nicht mehr in persönlichen Kontakt und durch die Entscheidung „vor Ort", sondern standardisiert über

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Bonitätsprüfprogramme und über so genannte „Kreditfabriken" anonym aus der Distanz erfolgt.

Banken 2002 Handel 2002 Kreditkarte 2002

Teiko

2002

Entwicklung der negativen SCHUFA-Ersteinträge

Anzahl

300.000 250.000 200.000 150.000 lOO.ÜOO 50.000

50-64 &5-5& 60-64 C 200* SCMUFA HOLDING AQ. Ale Redl® MXtehtfan

Soweit kritisch immer wieder Probleme der Verbraucherverschuldung angesprochen werden, soll hier keineswegs die klassische Kreditwirtschaft als Allein- oder Hauptverursacher verstanden werden. Im Gegenteil, auch fur die Bankpraxis und das Bankrecht wird man sich auf einen neuen Trend der zunehmenden Verbraucherverschuldung durch andere Dienstleistungssektoren, insbesondere bei jungen Menschen, einstellen müssen. Als Beispiel sei hier auf die Entwicklung der negativen SCHUFA-Einträge aus dem Schuldenkompass 5 verwiesen. Ganz klar sind dort in den letzten Jahren gescheiterte

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Schuldenkompass 2004, Schufa Holding AG, 2004, S. 35.

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„Kredite" aus anderen Branchen, insbesondere der Telekommunikation, im Vordringen. Weit über Bankpraxis und Kreditrecht hinaus wird sich vermutlich eine veränderte Werterhaltung - hin zu mehr Konsum auf „Vorschuss" - abzeichnen, der auch das Kreditrecht Rechnung tragen muss. 6

IV. Veränderung auf allen Märkten Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, wenn man Veränderungen alleine auf Kreditmärkte isolieren würde. Meines Erachtens sind generelle Marktentwicklungen einzubeziehen. Prof. Nolte 7 spricht von einer Ablösung der Anbietergesellschaft durch eine verbraucherzentrierte Gesellschaft, durch Nachfrage bzw. durch nachfrageorientierte Märkte. Der Wirtschaftsablauf der hoch entwickelten westlichen Gesellschaften sei immer stärker von den Konsumpräferenzen und Konsumentscheidungen der Individuen bzw. Haushalte abhängig. Die oben dargestellte Werbemaßnahme scheint diesem Trend durchaus zu entsprechen. Prof. Nolte 8 hält deshalb ein Vordringen der Verbraucherpolitik und des Verbraucherrechts nicht für eine zufällige Häufung, die nur im Zusammenhang mit der Rot-Grünen Regierungsbeteiligung seit 1998 stehe, sondern die neue Rolle des Verbrauchers sei vielmehr ein Ergebnis von lang dauernden und tief greifenden ökonomischen und sozialen Wandlungsprozessen. Sie sei eindeutig mehr als ein kurzfristiges oder oberflächliches Modephänomen. In Deutschland sei dieser Umbruch zu einer verbraucherzentrierten Gesellschaft im 20. Jahrhundert bisher zwar immer wieder verzögert und blockiert worden, es handele sich aber um einen Trend, über den hierzulande eher zu wenig und zu zögernd als zu viel nachgedacht werde. Ein zweiter wesentlicher Trend wird vom internationalen Währungsfond Global Financial Stability Report 9 als Verlagerung der Alterssicherung von 6 7 8 9

Roethe, Verbraucherverschuldung junger Menschen, Gutachten für das BMVEL, unveröffentlicht. Nolte, Generation Reform - Jenseits der blockierten Republik, München 2004, S. 109 fT. Nolte (vorige Fn.) S. 110. Vgl. IMF, Global Financial Stability Report .

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Sozialsystemen auf private Vorsorge beschrieben. Finanzdienstleister würden deshalb Privatpersonen aus Gründen der Altersvorsorge vermehrt angeblich renditenstarke Geldanlagen verkaufen, die aber auch Risiken auf private Haushalte verlagere. Die künftigen Rentner würden zu einem „Gesamtwirtschaftlichen Risikostoßdämpfer". Der internationale Währungsfond, insoweit ein eher unverdächtiger Meinungsbildner, fordert deshalb, dass die Bürger wenigstens umfassend über Risiken und finanzielle Zusammenhänge aufgeklärt werden müssten. Zusammenfassend lassen sich damit drei wesentliche Probleme auf dem Kreditmarkt und damit für das Kreditrecht darstellen: -

es liegt eine Situation der gesellschaftlichen Veränderungen, z.B. zu einem nachfragestehenden Markt, bei der Wertehaltung zur Kreditaufnahme, bei der Notwendigkeit der Altersvorsorge etc. vor; - die Kreditwirtschaft reagiert darauf mit neuen komplexen, und auch risikoreichen (Kopplungs-)produkten und - neuen aggressiveren Vertriebsstrukturen und Vertriebsmethoden. Exemplarisch lassen sich diese Veränderungen auch am Bericht des Bundesaufsichtsamtes für Finanzdienstleistungen (BAFin) 10 zur Produktgestaltung und Vertriebspraxis einer Bausparkasse aufzeigen. Der BAFin Bericht hält folgendes fest: -

-

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Die Bank hat seit Beginn der Kooperation erheblichen Einfluss auf die (Vermittler) Gruppe ausgeübt. Die Kreditgewährung an die (Vermittler)-Gruppe ist insgesamt als nicht ordnungsgemäß zu bewerten. Die erheblichen und für eine Bausparkasse unüblichen Risiken dieses Portfolios, die sich aus der Art der finanzierten Objekte, deren überhöhten Kaufpreisen und den Umständen der Kreditvermittlung über Strukturvertriebe ergaben (ca. 671 Mio. DM), waren dem Vorstand bekannt. Erwerberfinanzierungen, die sehr hohe Vertriebsprovisionen und für den Kunden nicht ersichtliche Zinssubventionen enthalten; sowie pflichtweise Beteiligungen des Kreditnehmers an den sog. Mietpools, die teilweise den Interessen der Kunden zuwider liefen.

Zitiert nach dem Urteil des Oberlandesgerichtes Karlsruhe vom 24.11.04, AZ 15 U 4/01, n.rkr.; auszugsweise veröffentlicht in ZIP 2005,698.

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-

Beleihungswertermittlungen waren nicht vertretbar - Wertfestsetzungen entsprachen nicht den Vorgaben des BausparkassenG. Exemplarisch finden sich also bereits die o.g. Stichworte der risikoreichen Kopplung und der Vertriebsveränderung selbst in Untersuchungsergebnissen der Aufsicht in Deutschland wieder.

V. Verbraucherpolitische Lösungsansätze im internationalen Umfeld Auch wenn man in Deutschland Verbraucherpolitik häufig noch allein als bürokratisches Hemmnis, als Hindernis fur einen erfolgreichen Aufschwung betrachtet und Verbraucherrecht auf Form Vorschriften und Widerrufsbelehrungen reduziert wird, so entspricht dies keineswegs dem internationalen Standard. Andere Länder sind hier bereits erheblich weiter. Das englische "Department of Trade and Industry"11 sieht in "Empowered Consumers" die Voraussetzung für "successful business". Verbraucherschutz ist kein bürokratisches Hemmnis, sondern Grundlage fur den Erfolg im Wettbewerb. Gut informierte und mit klaren Rechten ausgestattete Verbraucher mit hohem Vertrauen würden Wettbewerb und Innovation stimulieren. Wenn sich Verbraucher mit schlechter Qualität zufrieden geben würden, dann erhielten auch Anbieter von guter Qualität und hoher Leistung nicht mehr Kunden als jene Anbieter, die unterdurchschnittlich sind. Dies würde jedoch dazu fuhren, dass die nationalen Anbieter im zunehmend internationaler werdenden Wettbewerb nicht innovativ und leistungsfähig genug seien. Kunden müssten deshalb im Falle schlechter Leistung effektiv durchsetzbare Ansprüche zur Verfügung stehen. Wenn Unternehmen mit Verstößen erfolgreich wären, dann seien sie in der Lage, rechtstreue Unternehmen durch unterdurchschnittliche Angebote zu unterbieten. Insofern sieht das Department of Trade and Industry im Verbraucherschutz auch einen Markt- und Wettbewerbsschutz. Die englische Regierung will damit seine Konsumenten und auch das Wettbewerbssystem auf ein Toplevel in der Welt bringen, um einen fairen Deal sowohl für Unternehmen wie fur Konsumenten zu sichern. Verbraucherpolitik sei danach zugleich die 11 DTI, A Fair Deal for ALL - Extending Competitive Markets .

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beste Umgebung um Geschäftserfolge sicher zu stellen. Man helfe damit Unternehmen produktiver zu werden, ihre Kreativität und Innovation zu fördern. Dies gelte insbesondere für den zunehmend internationalen Wettbewerb. Aber auch die amerikanische Federal Trade Commission 12 hat ein anderes Verständnis von Verbraucherpolitik. Auch dort wird Verbraucherpolitik nicht isoliert, oder gar als Hemmnis betrachtet, sondern die Federal Trade Commission beschreibt in ihren Jahresbericht 2005 zu ihrem 90. Geburtstag ihre Tätigkeit ausdrücklich als Einsatz für Konsumenten und Wettbewerb. Die Federal Trade Commission arbeite am effektivsten, wenn sie Symmetrie und Synergie zwischen ihrer Wettbewerbs- und ihrer Verbraucherschutzfunktion herstelle. Beide Teile gehörten zu einem größeren Ganzen, diese Missionen ergänzten einander und würden die Vorteile für Konsumenten genauso maximieren wie das Verbrauchervertrauen die Märkte und gesunden und freien Wettbewerb fördere. Das Eine mit der Vernachlässigung des Anderen zu betonen würde zu weniger effizienten und stabilen Märkten fuhren. Auch in Deutschland gewinnt ein anderes Verständnis von Verbraucherpolitik Oberhand. 13 Staatliche Verbraucherpolitik hat danach die Aufgabe, Sicherheit und Orientierung zu geben. Sie hat das Ziel, die Marktteilnehmer auf gleiche Augenhöhe zu bringen. Die Wegweiserfunktion gelte insbesondere für die Privatisierung und die Liberalisierung bislang staatlich geregelter Daseinsvorsorge, z.B. im Gesundheits- und Altersvorsorgebereich oder in der Telekommunikation bzw. bei der Energie. Aufgabe der modernen Verbraucherpolitik sei es, Verbraucherinnen und Verbraucher im Dschungel der neuen Märkte, Produkte und Dienstleistungen bzw. in neuen Technologien Orientierung zu geben. Dabei sei wegen bestehender Informationsasymmetrien eine verstärkte Verbraucherinformation wesentliche Voraussetzung für Verbrauchervertrauen und damit für funktionierende Märkte. Beruhen Verbraucherentscheidungen regelmäßig auf falschen, unvollständigen oder fehlenden Informationen, werde sich weder Reform-, noch MarktefFizienz noch Bürgerzufriedenheit einstellen. Dies gelte insbesondere für Vertrauensgütermärkte.

12 Federal Trade Commission, the FTC in 2005: Standing Up for Consumers and Competition, Wash. D.C., 2005, S. 1. 13 Vgl. Verbraucherpolitischer Bericht der Bundesregierung, Berlin 2004, S. 4 ff.

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Die aktive Gestaltungsfunktion setze den Auf- und Ausbau der entsprechenden Rechte auf der Nachfrageseite voraus. Nur wenn Verbraucherinnen und Verbraucher im Zweifelsfall den Wechsel zu einem verantwortungsvollen, einem leistungsfähigen oder innovativen Anbieter auch rechtlich und wirtschaftlich durchsetzen können, können Produkt- und Dienstleistungsangebote und damit Märkte und Markterfolg beeinflusst werden. Marktstrukturgestaltung, z.B. in Karteilverfahren, Verhinderung oder Abschöpfung von Unrechtsgewinnen und effiziente Geltendmachung von sonstigen Verbraucheransprüchen, z.B. durch Sammel- und Verbandsklagen, d.h. für Probleme die über Individualstreite nicht sinnvoll gelöst werden können, sind Eckpunkte im Rahmen der Stärkung von Verbraucherpositionen. Aspekte davon zeigen sich nicht nur im kürzlich verabschiedeten Musterklagegesetz, sondern werden auch ein Schwerpunkt der europäischen Verbraucherpolitik in den nächsten Jahren bilden. Die europäische Kommission wird beispielsweise in den nächsten Jahren einen deutlichen Schwerpunkt auf die Durchsetzung (Enforcement) der vorhandenen Verbraucherrechte legen. Aber nicht nur die Durchsetzung von Verbraucherrechten steht zukünftig stärker im Mittelpunkt, sondern auch Selbstverpflichtung der anbietenden Wirtschaft. Selbstverpflichtung im Sinne freiwilliger Maßnahmen mit klar definierten Kriterien und Kennzeichnungen, z.B. auch über Labeling und Siegel, würden für Verbrauchervertrauen, Verbraucherbindung und Stabilität von Märkten sorgen. Freiwilligen Vereinbarungen und neuen Modellen der Konfliktlösung, z.B. auch der außergerichtlichen neutralen Streitschlichtung, wird deshalb grundsätzlich der Vorrang vor ordnungspolitischen Maßnahmen gegeben. Moderne Wirtschaftspolitik -

schützt deshalb nicht nur Verbraucher, sondern auch seriöse und leistungsstarke Anbieter; bildet „Wegweiser" in Veränderungsprozessen, z.B. im Rahmen der privaten Altersvorsorge oder auf neuen Märkten; schafft Verbrauchervertrauen und ergänzt Wirtschaftspolitik, sorgt für Markterfolg, d.h. sie ist „Motor der Wirtschaftspolitik".

Im Gegensatz zu einer Wirtschaftstheorie, die in der Verbraucherpolitik lediglich einen Kostenfaktor sieht, könnte für Deutschland neben seinem Nachholbedarf und Rückstand an Verbraucherpolitik auch die These vertreten werden, dass hier das Binnenkonjunkturklima auch deshalb so wenig ausgeprägt sei, weil es ein Defizit an verbraucherpolitischen Maßnahmen gibt.

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Das Defizit beschränkt sich aber nicht nur auf politische Maßnahmen, sondern auch auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Forschungsergebnisse zur wirtschaftlichen Wirkung von verbraucherpolitischen Maßnahmen sind ausgesprochen dünn gesät. So fehlen z.B. Erkenntnisse darüber, was eine finanzpolitische Beratung etwa in Kreditangelegenheiten oder im Rahmen der A Iters Vorsorge bewirkt. Lediglich für die Energievorortberatung der Konsumenten ist bekannt, dass jede Beratung im Durchschnitt Investitionen von 13.500 € anschiebt. Verbraucherberatung bildet damit gleichzeitig ein Element des individuellen Verbraucherschutzes, des Umwelt- und Klimaschutzes wie der Investition, d.h. der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. 14 Aber auch der Zusammenhang zwischen der Verbraucherorientierung eines Unternehmens und dem wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen wäre genauere Untersuchungen wert. Mangelnde Verbraucherorientierung könnte durchaus ein Indikator für geringere wirtschaftliche Erfolge von Unternehmen und Volkswirtschaft sein. So hat z.B. der Börsenwert von Kreditinstituten mit einer Vielzahl von dubiosen Immobilienfinanzierungen durchaus erheblich gelitten, die fehlende Verbraucherorientierung bei der Kreditvergabe ist mithin erheblich negativ auf das Unternehmen zurückgeschlagen. Es dürfte auch nicht zufällig sein, dass ein Versicherungsunternehmen, das beim Start der Riesterrente besonders massiv mit unlauterer Werbung aufgefallen ist, später der erste Insolvenzfall der deutschen Versicherungswirtschaft war. Und auch der Stand der Kundenreklamationen im Telekommunikationsbereich und die Ablehnung von Verbraucherschutzpolitiken in diesem Sektor hat sich im späteren Börsenmisserfolg eines norddeutschen Mobilfunkunternehmens bereits frühzeitig durch Verbraucherbeschwerden gespiegelt. Auch die dänische Regierung 15 weist auf diesen Zusammenhang hin. Sie nimmt Bezug auf amerikanische Untersuchungen, die zeigen, dass Gesellschaften, die sich hohen Verbraucherstandards verschrieben hätten, höhere Leistungen und größere finanzielle Gewinne erzielen würden. Unternehmen mit einer klaren Orientierung an hoher Verbraucherzufriedenheit würden eindeutig besser abschneiden als vergleichbare Gesellschaften unter den Kriterien der Verkaufszahlen, der Einnahmen und des Gewinns. Dies bedeute 14 Evaluierung der Energieberatung der Verbraucherzentrale NRW, Jahresbericht 2003, S. 24 f. 15 Denmark's New Consumer Policy, Kopenhagen 2003, S. 8.

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auch, dass unzureichende Verbraucherstandards nicht nur für finanzielle Verluste bei Konsumenten verantwortlich sind, sondern auch den Erfolg einzelner Unternehmen und das Wirtschaftswachstum behindern würden. Verbraucherpolitik ist mithin nicht nur eine Angelegenheit zum Schutz einzelner Verbraucher, sondern wird international zunehmend als wesentliche Voraussetzung für den Erfolg von Volkswirtschaften wie der einzelnen Unternehmen gesehen.

VI. Verbraucherschutztrends außerhalb der Finanzdienstleistungen Über die klassischen Konsumentenrechte, etwa der Gewährleistung oder des Widerrufs hinaus, gibt es für diese moderne Verbraucherpolitik grundlegende Trends. Hier sind meines Erachtens zwei Trends hervorzuheben, die für alle Wirtschaftsbereiche prägend sind. Hiervon werden Finanzdienstleistungen und damit auch das Verbraucherkreditgeschäft auf Dauer nicht uneingeschränkt ausgenommen bleiben. Dies betrifft zum einen die Verankerung des Verbraucherschutzes als Gesetzesziel. Vom Wettbewerbsrecht, hier insbesondere der Novellierung des UWG, bis hin zu anstehenden Novellierungen, etwa der Neufassung der Rechtsberatung, ist Verbraucherschutz regelmäßig eines der explizit geregelten Gesetzesziele. Ein zweiter wesentlicher Trend ist die Einräumung von Informationsfreiheitsrechten. In zunehmendem Umfang werden Verbrauchern Informationsrechtsansprüche entweder gegenüber Anbietern direkt oder gegenüber staatlichen Institutionen eingeräumt. Eine breite Palette spezifischer Informationsansprüche, beispielsweise aus dem Umweltinformationsgesetz, dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz, dem Lebensmittel- und Futtergesetz bis hin zum kürzlich verabschiedeten Informationsfreiheitsgesetz zeigt, dass Transparenz für Verbraucher nicht nur als allgemeines folgenloses Schlagwort verstanden werden kann, sondern sich zunehmend in konkreten Informationsrechten äußert. Diese Entwicklung der Informationsfreiheit in Deutschland ist ebenfalls keineswegs ein isolierter nationaler Trend, sondern liegt eingebettet in inter-

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nationalen Entwicklungstendenzen, etwa den Freedom of Information Act.16 Selbst soweit nationale Informationsfreiheitsrechte nicht greifen, wird vielfach über den Umweg, beispielsweise der Europäischen Gemeinschaft, Transparenz hergestellt. So hat beispielsweise zuletzt der Europäische Gerichtshof den Abweisungsbescheid der EU Kommission auf eine Klage des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) aus Österreich gegen die Abweisung eines Ersuchens um Akteneinsicht gegenüber der Europäischen Kommission stattgegeben. Die Entscheidung der Kommission ist somit nichtig. Das Urteil wird Geschädigten Zugang zu belastenden Unterlagen verschaffen und ist damit künftig auch für kommende Zivilrechtstreitigkeiten von zentraler Bedeutung. Damit können Verbraucher ihr Recht selbst in die Hand nehmen, um Schäden aus Verstößen, etwa gegen das Wettbewerbsrecht, zu beweisen.

VII. Verbraucherpolitische Zielsetzungen im Ausland im Finanzdienstleistungssektor Über die allgemeinen Trends der Verankerung des Verbraucherschutzes als Gesetzesziel und der Einräumung von Informationsfreiheitsrechten hinaus ist ferner ein Blick auf allgemeine Entwicklungen im Finanzdienstleistungssektor im internationalen Kontext notwendig. Auch hier wird Deutschland auf Dauer keine Insel bleiben. Regulierungen werden sich in Deutschland nicht alleine mit den Schlagworten der Deregulierung und unnötiger Bürokratie ablehnen lassen, wenn sich zeigt, dass im internationalen Kontext Regulierungen und Lösungen sehr wohl möglich sind, ohne die dortigen Anbieter übermäßig zu belasten, sondern sogar für mehr Markterfolg sorgen. Grundsätzlich zeigt sich, dass im Finanzdienstleistungsaufsichtsrecht anderer Länder, insbesondere in Großbritannien und den USA im Gegensatz zu Deutschland, das Ziel des Verbraucher-/Anlegerschutzes gleichberechtigt verankert ist. In Großbritannien beispielsweise ist Anlegerschutz als gleichberechtigtes Ziel der Finanzaufsicht aufgeführt. Neben der Gewährleistung des Marktvertrauens, der öffentlichen Bewusstseinsbildung und der Vermin-

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derung der Finanzkriminalität steht der Anlegerschutz gleichberechtigt im Zielkatalog.' 7 Exemplarisch sei im Hinblick auf die Regelungsintensität und auf den Consumer Protection Code der Irish Financial Services Regulatory Authority 18 verwiesen. Ziel ist dabei grundsätzlich, dass Verbrauchern Hilfestellung gegeben werden soll, informierte Auswahlentscheidungen in einem sicheren und fairen Markt zu treffen. Dies soll zunächst durch umfangreiche allgemeine Grundprinzipien und dann ferner durch Generalklauseln erreicht werden. Um exemplarisch zu verdeutlichen wie breit diese generellen Prinzipien angelegt sind, die neben dem Consumer Credit Act bestehen, sollen sie hier ausführlicher dargestellt werden. General Principles A regulated entity shall ensure that in all its regulated business activities it: 1. acts honestly, fairly and professionally in the best interests of its customers and the integrity of the market; 2. acts with due skill, care and diligence in the best interests of its customers; 3. does not recklessly, negligently or deliberately mislead a customer as to the real or perceived advantages or disadvantages of any product or service provided; 4. has and employs effectively the resources and procedures, systems and control checks that are necessary for compliance with this Code and other applicable consumer protection legislation; 5. seeks from its customers information relevant to the service requested; 6. makes full disclosure, in a way that seeks to inform the customer, of all relevant material information to the customer, including all fees, charges and commissions, before acting on behalf of a customer,

17 Keßler/Micklitz, Anlegerschutz in Deutschland, Schweiz, Großbritannien, USA und der Europäischen Gemeinschaft, 2004, S. 322. 18 Irish Financial Services Regulatory Authority, Consumer Protection Code, Consultation Paper CP 10,2005, S. 3; 20 ff., 36 ff.

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7. seeks to avoid conflicts of interest and, when they cannot be avoided, fully discloses the potential conflict and ensures that customers are treated fairly; 8. corrects errors and handles complaints speedily and efficiently; 9. does not exert undue pressure or undue influence on a customer; 10. retains full responsibility for any outsourced activity and ensures that providers of such outsourcing are able to perform these functions reliably, professionally and in the best interests of its customers·, 11. does not, through its policies, procedures, or working practices, create a barrier of access to financial services; 12. complies with the letter and spirit of all regulatory requirements applicable to the conduct of its business activities. Neben den umfangreichen allgemeinen Prinzipien gibt es weitere Grundsätze jeweils für spezifische Bereiche. Diese seien für Kredite und Hypothekarkredite exemplarisch hier dargestellt. So muss ein Hypothekarkreditgeber über die unterschiedlichen Formen der Baufinanzierungsprodukte gemäß den Bedürfnissen des Kunden informieren. Auch der Kreditvermittler muss den Verbraucher über die unterschiedlichen Produkttypen des Kreditgebers, von dem er eine schriftliche Ermächtigung benötigt („written letter of appointment"), informieren. Eine Kreditinstitution muss ein öffentlich zugängliches Register für alle Baufinanzierungskreditvermittler aufrechterhalten, mit denen sie gegenwärtig in Verbindung steht. Ein Kreditvermittler muss beispielsweise bevor er einen Kreditantrag einreicht, die Originalunterlagen einsehen, einschließlich der Bankauszüge, des Einkommensnachweises, der Fähigkeit des Verbrauchers den Kredit zurück zu zahlen sowie der verpflichtend vorgeschriebenen Einsichtnahme in das Original der Wertbeurteilung der Immobilie. Diese Wertbeurteilung muss ebenfalls vom Kreditgeber im Original eingesehen werden. Es zeigt sich mithin, dass sowohl im Hinblick auf allgemeine Grundsätze wie aber auch auf spezifische Anforderungen der Baufinanzierung, z.B. der Wertbeurteilung der Immobilie und insbesondere auch der Vermittlerstellung etc., sehr viel weitergehende Regulierungen möglich sind und keineswegs zu einer übermäßigen Belastung der Kreditwirtschaft führen. Die Tatsache, dass dies beispielsweise gerade in Irland möglich ist, einem Land das mithin durchaus als besonders vorbildlich im wettbewerbsfähigen Europa gilt, demonstriert, dass keineswegs eine Automatik zwischen dem Verzicht auf Verbraucherschutzregelungen und ökonomischem Erfolg besteht. Die präzisen und sehr spezifischen Bestimmungen zu

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Kreditvermittlern, die beispielsweise in ein öffentliches Register der Bank aufzunehmen sind, spezifische Verpflichtung bis hin zur Einsichtnahme in die Originalwertschätzung haben, machen auch verständlich, warum der deutsche Sonderweg, z.B. für die zusätzliche subjektive Zurechenbarkeit der Haustürsituation gegenüber dem Darlehengeber, im internationalen Vergleich wenig Verständnis zu erwarten hat. Das Plädoyer des Generalanwaltes beim EuGH macht dies meines Erachtens nur exemplarisch. Auch das Kreditrecht in Großbritannien 19 zeigt, dass Deutschland im internationalen Vergleich verbraucherschützend keineswegs überreguliert ist. Großbritannien hat einen so genannten „unfair relationships test" eingeführt. Das Gericht kann danach den Kreditvertrag anpassen, wenn der Kredit „unfair" für den Schuldner ist. Grundlage der Beurteilung der Unfairness sind folgende Aspekte: -

-

Der Inhalt eines Vertrages oder eines damit verbundenen Vertrages oder Geschäftes. Die Art und Weise, wie der Kreditgeber seine Rechte ausgeübt oder durchgesetzt hat, sowohl im Hinblick auf den Kreditvertrag, wie auf damit verbundene Verträge/Geschäfte. Jede Handlung oder Unterlassung des Kreditgebers oder zugunsten des Kreditgebers sowohl vor Vertragsabschluss wie auch nach Vertragsabschluss und auch hier in Bezug auf den Kreditvertrag oder die damit verbundenen Verträge.

Bei seiner Entscheidung zur Beurteilung der Fairness - im Deutschen würde man wohl eher von Treu und Glauben sprechen - kann das Gericht alle Umstände in Betracht ziehen, die es für relevant erachtet. Dabei ist das Gericht auch frei, alle Handlungen bzw. Unterlassungen die ihr vom „association" zum Kreditgeber („by, or on behalf of, or in relation to") vorgenommen werden, zu berücksichtigen. Das Verhalten von „Dritten" kann also sehr weitgehend berücksichtigt werden. Auch hier zeigt sich, dass die deutsche Trennungstheorie, nach der dem Kreditgeber das Verhalten, z.B. des Vermittlers der Immobilie, nicht oder nur ausnahmsweise zugerechnet wird, von anderen Rechtsordnungen nicht geteilt wird. 19 Consumer Credit Bill, ; insbes. Section 140A bzw. 140B.

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Es kann im Gegenteil in sehr weitem Umfang das Verhalten des Vermittlers dem Kreditgeber zugerechnet werden, weil man real davon ausgeht, dass es keine zufälligen oder dem Institut unbekannten oder nicht beeinflussbare Verhaltensweisen sind, sondern „outgesourcte" eigene Verkaufsfunktionen.

VIII. Der Entwurf einer neuen Verbraucherkreditrichtlinie der EU Auch der neu vorgelegte Entwurf der Verbraucherkreditrichtlinie 20 hält am Grundsatz einer geteilten Kreditverantwortung für die Kreditvergabe bzw. Kreditaufnahme fest. Das Prinzip der verantwortungsvollen Kreditvergabe umfasst die Pflichten zur Erteilung der vorvertraglichen Informationen und die Pflicht, die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers auf der Basis der vom Verbraucher erteilten Information und - wo erforderlich - auf der Basis der Berücksichtigung von Kreditdateien einzuschätzen. Der Entwurf verpflichtet die Mitgliedstaaten sicher zu stellen, dass Kreditgeber und Kreditvermittler durch angemessene Hilfestellungen die Konsumenten in die Lage versetzen, beurteilen zu können, ob der vorgeschlagene Kreditvertrag ihren Bedürfnissen und ihrer finanziellen Situation entspricht. Soweit erforderlich, müssen die vorgeschriebenen Informationen erläutert werden und die mit dem vorgeschlagenen Produkt verbundenen Vor- und Nachteile dargestellt werden. Mitgliedstaaten können die Art und Weise und den Umfang, in dem diese Hilfestellung zu leisten ist, anpassen. Gleichzeitig können sie vorschlagen, von wem diese Hilfestellung zu geben ist, insbesondere unter Berücksichtigung der Umstände unter denen der Kreditvertrag angeboten wird. Kreditverträge, die nicht zur direkten Tilgung fuhren, also beispielsweise Kreditverträge mit Tilgungsaussetzung auf der Basis einer Lebensversicherung oder von Fondsparplänen, müssen nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission eine klare und präzise Erläuterung enthalten, dass solche Verträge keine Garantie der vollständigen Rückzahlung des Kreditvertrages umfassen. Die auch für Deutschland zukünftig meines Erachtens auf Grund der Reduzierung der Garantieverzinsung bzw. der geringeren Renditen an Kapitalmärkten zu erwartende Problematik nicht ausreichender 20

Modifizierter Vorschlag der EU-Kommission, KOM(2005) 483 endg.

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Tilgungssummen, wird damit von der EU Kommission im Sinne eines klaren Warnhinweises geregelt. Im Gegensatz zum deutschen Lösungsmodell (vgl. OLG Karlsruhe), 21 das von einer Verpflichtung des Kreditgebers nur bei einer inneren Verbindung ausgeht, erfordert also die europäische Regelung den klaren Warnhinweis, dass hier zusätzliche Risiken bestehen. Die in Deutschland strittige Frage der variablen Zinsen wird ebenfalls im Vorschlag der EU Richtlinie aufgegriffen. Bei variablen Zinsen sind die Bedingungen anzugeben, unter denen der Zinssatz geändert werden kann. Dies umfasst z.B. jeden Index oder jede Referenzquelle wie auch die Angabe der Zeitperioden, Bedingungen und der Prozedur für Veränderungen der Zinssätze. Der Kreditnehmer ist periodisch über Veränderungen zu informieren. Soweit die Veränderung des Zinssatzes signifikant ist, muss der Konsument im Augenblick der Veränderung informiert werden. Kriterien für die Beurteilung der Signifikanz von Veränderungen sind allerdings nicht angegeben, so dass sich hier ein potentielles Konfliktfeld anbahnt. Je nach Perspektive des Kreditnehmers oder Kreditgebers könnten natürlich völlig andere Maßstäbe für die Beurteilung der Relevanz von Bedeutung sein. Dies sollte meines Erachtens entweder präzisiert werden oder einer grundsätzlichen Regelung zugeführt werden. Jede Zinsanpassung ist im Augenblick ihres Eintretens mitzuteilen - mithin das Modell des § 315 BGB. Ansonsten folgt der Vorschlag der EU weitgehend der Debatte in Deutschland, dass Referenzgrundlagen, Anpassungszeitpunkte, -schwellen etc. gegeben sein müssen. 22

IX. E c k p u n k t e F i n a n z d i e n s t l e i s t u n g e n Damit ergeben sich für Finanzdienstleistungen und somit auch für Verbraucherkredite folgende Eckpunkte, die bei zukünftigen Regelungen und im Rahmen der Rechtsprechung zu berücksichtigen sind: 23

21 22 23

Vgl. Fn. 10. Vgl. Brückner/Metz, Variable Zinsklauseln, 2001, S. 122. In ähnlicher Weise hat dies die damalige Bundesministerin Künast auf dem Symposium Altersvorsorge vom 27.6.05 auch ausgeführt, vgl. Pressemitteilung dazu unter .

Rainer Metz Die Mitverantwortung der Kreditgeber wird sich formal niederschlagen. Für Kreditvermittler ist der Kreditgeber internationaler Kredite deutlich in der Pflicht. Die berufliche Mindestqualifikation für Finanzdienstleistungsvermittler ist anzupassen, so wie dies z.B. auch im Rahmen der Umsetzung der Versicherungsvermittlerrichtlinie vorgesehen ist. Es kann nicht angehen, dass in Zukunft die finanzielle Sicherheit und beispielsweise auch die A Iters Vorsorge von Konsumenten gänzlich unqualifiziertem Personal überlassen bleibt. Aufklärungs- und Beratungspflichten sind genauer zu statuieren. Auch dies ergibt sich teilweise aus der Umsetzung von EU Vorschriften, etwa der Versicherungsvermittlerrichtlinie oder der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente. Auch hier zeigen die Beispiele der Lösungen in anderen Ländern, dass dies sehr wohl möglich ist, ohne Banken und Vermittler übermäßig zu belasten. Die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften sind an allgemeine BGB Vorschriften anzugleichen. Dies gilt insbesondere für Verjährungsvorschriften. Die finanzielle Allgemeinbildung der Verbraucher ist zu verbessern. Das Aufsichtsrecht ist zu verändern und der Anlegerschutz ist ausdrücklich als Gesetzesziel festzulegen. Ferner ist eine Auskunftspflicht gegenüber Verbrauchern bei verbraucherschädigendem Verhalten von Anbietern und entsprechenden Erkenntnissen der Aufsicht vorzusehen. In Anbetracht der Vielgestaltigkeit der Angebote und der Internationalisierung von Märkten sind meines Erachtens nur derartige auf allgemeinen Grundsätzen beruhenden Lösungen sinnvoll. Teillösungen, die sich an spezifischen Situationen oder Produkten festmachen, wie etwa der Schrottimmobilienproblematik, laufen regelmäßig Gefahr, nur auf diese Situation zugeschnitten zu sein und keine zukunftsorientierte oder präventive Wirkung bei Marktstrukturveränderungen, neuen Produkten oder Vertriebsstrukturen zu entfalten.

X. W o h i n will das B a n k r e c h t Verbraucherschützende Innovationen durch die anbietende Wirtschaft im Bereich der Banken sind seltener geworden. Die Zeiten der Anpassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder der Einfuhrung des Ombudssystems liegen lange zurück. Wer die Diskussionen in den letzten Jahren intensiv verfolgt hat, kann den Eindruck gewinnen, man habe sich hauptsächlich mit

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der Kritik am XI. Zivilsenat bzw. zuletzt am II. Zivilsenat des BGH, mit der Kritik am Gesetzgeber oder der Kritik an der Europäischen Kommission begnügt. Eigene Modelle der Verbraucherpolitik oder neue Konzeptionen wurden nicht vorgelegt. Allein das abstrakte Bekenntnis zum Verbraucherschutz und die Ablehnung jeglicher Konkretisierung dürften für die Zukunft, auch unter einer neuen Bundesregierung, nicht ausreichend sein. Dies ergibt sich schon aus dem Quervergleich mit anderen Branchen. So fordert beispielsweise der Ombudsmann der Versicherungen, 24 dass es vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der zunehmenden privaten Vorsorge dringend geboten sei, die rechtlichen Voraussetzungen privater Risikovorsorge zu verbessern. Damit Verbraucher die richtige Entscheidung treffen können, sei es erforderlich, die Informationspflichten der Versicherungsunternehmen und der Versicherungsvertreter zu verbessern. Nur der gut unterrichtete Verbraucher könne die für seine Zukunft richtigen Entscheidungen treffen. Neben einer verbesserten Information müssten auch die wirtschaftlichen Nachteile für Kunden begrenzt werden. Es zeigt sich also, dass der Ombudsmann der Versicherung, im Gegensatz zu den Ombudsmännern der Kreditwirtschaft, durchaus eine systematische Herangehensweise hat und rechtspolitische Veränderungsvorschläge macht. Diese Veränderungsvorschläge, etwa verbesserte Informationspflichten, liegen durchaus im internationalen Trend. Aber auch wer davon ausgeht, dass es im nationalen Rahmen keine neuen Gesetzgebungen zu Lasten der Anbieter geben wird, muss sich Gedanken über eigene Lösungen machen. So fordert beispielsweise das Wahlprogramm der CDU fur die Landtagswahl 2005 in Nordrhein-Westfalen, 25 das grundsätzlich auf gesetzliche Belastungen für Anbieter verzichten will, eine klare Priorität für präzise definierte Selbstverpflichtungen. Der Staat solle sich danach auf die Kontrolle der Kontrolle zurückziehen, Selbstverpflichtungen müssten aber klare Zieldefinitionen, bindende Wirkungen, eine Kontrolle der Einhaltung und ernst zu nehmende Sanktionsmechanismen umfassen. Schlagworte wie „Deregulierung" und „mündiger Verbraucher" werden für Anbieter als nationale Zukunftsperspektive alleine nicht ausreichen. Soweit Anbieter den Verzicht auf gesetzliche Regelungen fordern, werden sie

24 25

Römer, Fünf Thesen zur Reform des Versicherungsrechts, VuR 2005, 131 ff. Vgl. .

110

Rainer Metz

dem durch die Setzung klarer und verbindlicher eigener Maßstäbe, z.B. durch Selbstverpflichtungen, begegnen müssen. Wer den Rahmen nicht selbst ausfüllt, wird sich über rechtliche Regelungen, seien es nationale, seien es europäische, nicht erstaunen dürfen. Die sich dabei abzeichnenden Grundtendenzen einer Anbietermitverantwortung, einer Erhöhung der Verbraucherkompetenz, veränderten Aufsichtspflichten, verbesserten Informationsrechten der Verantwortung für Vermittler und der Regelung durch Generalklauseln, die von den Rechtsprechungsinstitutionen adäquat anzuwenden sind, bilden hierfür die angemessenen und flexiblen Rahmenbedingungen.

2. Abteilung: Forderungsübertragungen, insbesondere im Lichte von Bankgeheimnis und Datenschutz Leitung: Dr. Gerhart Kreft, Vorsitzender Richter am BGH a.D., Karlsruhe

Bankgeheimnis und Abtretungsausschluss* P r o f e s s o r D r . Horst

Hammen,

Justus-Liebig-Universität Gießen

I.

Einführung

II.

Eingeschränkte Reichweite des Urteils des OLG Frankfurt vom 25.5.2004? 1. Wirksamkeit der Abtretung einer Bankforderung gemäß § 354 a HGB? 2. Abtretung notleidender Forderungen

III. Argumente für und wider einen Abtretungsausschluss 1. Keine Unwirksamkeit der Abtretung wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz 2. Keine Wirksamkeit der Abtretung als Auslagerung gemäß § 25 a Abs. 2 KWG 3. Zurückhaltung bei der Annahme konkludenter Abtretungsverbote? 4. Unbeachtlichkeit einer einem Abtretungsausschluss entgegenstehenden Absicht der Bank 5. Keine fehlende Schutzbedürftigkeit des Bankkunden IV. Möglichkeiten der Abtretung von Bankforderungen 1. Auslegung von Nr. 2 AGB-Banken 2. Abtretung an Kreditinstitute V.

Zusammenfassung

I.

Einführung1

Fragt m a n d a n a c h , w e l c h e Ereignisse a u f d e m Feld des B a n k r e c h t s im J a h r e 2 0 0 4 A u f r e g u n g verursacht haben, so zählt dazu g e w i s s das in

einem

einstweiligen V e r f i i g u n g s v e r f a h r e n e r g a n g e n e Urteil des O L G F r a n k f u r t v o m

* 1

Erweiterte Vortragsfassung; die Vortragsform wurde beibehalten. Herrn Rechtsanwalt Manfred Baumbach bin ich für vielfältige Hinweise zu Dank verpflichtet.

114

Horst Hammen

25. Mai 2004, 2 in welchem das Gericht das Bankgeheimnis bei einem Verbraucherdarlehen als stillschweigenden Ausschluss einer Abtretung des Darlehensrückzahlungsanspruchs gemäß § 399 Alt. 2 BGB qualifiziert hat.3 Zwar hat die dann mit dem Hauptsacheverfahren befasste 21. Zivilkammer des LG Frankfurt - wie kurz zuvor in einem ähnlich gelagerten Verfahren auch das LG Koblenz 4 - die Auffassung vertreten, das Bankgeheimnis führe bei einer notleidenden(l) Forderung nicht zu einem Abtretungsausschluss gemäß §399 BGB. 5 Damit ist die Diskussion freilich keineswegs zum Stillstand gekommen. Vielmehr ist überall die Sorge groß, andere Gerichte könnten sich der Rechtsprechung des OLG Frankfurt anschließen. Deshalb ist die Einschätzung, die kürzlich in einer Einladung zu dem Vortrag eines leitenden Herrn des in Deutschland führenden Forderungsverwerters 6 zu lesen war, „die Rechtsprechung" habe „bisherige Hindernisse" „(Stichwort: Bankgeheimnis)" „aus dem Weg geräumt", reichlich optimistisch. Denn wenn sich zwei Landgerichte, dazu noch auf anderer Tatsachengrundlage, gegen ein Oberlandesgericht stellen, wird man das kaum als Klärung der Rechtslage bezeichnen können. 7 Darum verwundert es auch nicht, dass bei der Übertragung bedienter Forderungen auf diesen Forderungsverwerter die Einwilligung der Kreditnehmer eingeholt wird. Die Bankrechtliche Vereinigung hat mir die Aufgabe übertragen, diese Rechtsprechung, insbesondere die erwähnte Entscheidung des OLG Frankfurt, dogmatisch, aber auch in ihrer praktischen Tragweite zu würdigen. Lassen Sie mich mit dem letztgenannten Gesichtspunkt beginnen. Der Geschäftsbereich, um den es geht, gehört nicht zu den berühmten peanuts. Vielmehr hat sich nach einer Studie von Mercer, Oliver, Wyman und Kroll vom Februar 2005 allein bei den notleidenden Krediten (non performing loans) ein Berg von 160 Mrd. € angehäuft. Ob den Richtern des 8. Senats des 2 3 4 5 6 7

OLG Frankfurt WM 2004,1386. Dazu Rogner, NJW 2004, 3230; Freitag, EWiR §399 BGB 1/04, 741; Bütter/Tonner, ZBB 2005, 165, 166. LG Koblenz WM 2005, 30; das OLG Koblenz führt die Berufung unter Az. 12 U 3/05 (BB 2005, 126, Hinweis der Redaktion). LG Frankfurt BKR 2005,67,70. Dieser Forderungsverwerter ist auch der Zessionar in dem Rechtsstreit vor dem OLG Frankfurt gewesen (Börsenzeitung v. 30.12.2004, S. 3). A.A. Schilmar/Breiteneicher/Wiedenhofer, DB 2005, 1367, 1371: „nunmehr gefestigte Rechtsprechung".

Bankgeheimnis und Abtretungsausschluss

115

OLG Frankfurt die Tragweite ihrer Entscheidung bewusst gewesen ist, darf bezweifelt werden. 8 De jure haben sie ein einstweiliges Verfügungsverfahren entschieden; de facto haben sie den Markt für True-Sale-Geschäfte mit Bankforderungen in seiner herkömmlichen Form in weiten Bereichen zeitweise praktisch lahm gelegt. Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, dass jeder Platzierung verbriefter Forderungen, soll sie einen ausreichenden Ertrag erbringen, ein möglichst hohes Rating vorangehen muss. 9 Die Rating-Agenturen vergeben ein solches Rating indes gewöhnlich nur dann, wenn eine legal opinion 10 dahingehend vorliegt, dass die bei der Verbriefung vorgenommenen Abtretungen rechtlich einwandfrei sind." Eine solche gutachterliche Stellungnahme wird, gleichgültig wie sich in der nächsten Zeit die Diskussion im Schrifttum entwickeln wird, niemand abgeben wollen, solange der Bundesgerichtshof nicht gesprochen hat. Zwar gibt es eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1982, in welcher das Gericht unausgesprochen davon ausgegangen ist, dass notleidende(!) Bankforderungen abgetreten werden dürfen. 12 Der Bankpraxis ist damit freilich wenig geholfen, weil der BGH nur über die Frage zu urteilen hatte, ob eine Allgemeine Bankbedingung, die das Kreditinstitut in der Verwertung einer Sicherungsgrundschuld darauf beschränkt, diese nur zusammen mit der gesicherten Forderung an denselben Erwerber zu übertragen, lediglich eine entsprechende schuldrechtliche Verpflichtung der Bank begründet oder aber - was das Gericht verneint hat - ein Abtretungsverbot erhält. Mit dem Verhältnis von Bankgeheimnis und Abtretung hat sich der BGH nicht be-

8

9 10 11 12

Wie sehr es den Mitgliedern des 8. Senats des OLG Frankfurt an Kenntnis der Rechtspraxis mangelt, wird aus der Einschätzung des Gerichts deutlich, „bei der großen Mehrzahl aller abgetretenen Forderungen" handele es sich „um solche aus gegenseitigen Handelsgeschäften" (OLG Frankfurt WM 2004, 1386, 1388). Immerhin stammt rund ein Viertel aller bad loans (33 Mrd. € in absoluten Zahlen) aus Consumer- und Consumer Real Estate-Krediten (Mercer, Oliver, Wyman und Kroll, 2005, S. 8 f., 12). Berichte über Zurückhaltung bei der Vergabe von Triple-A-Ratings bei Kristen/Kreppel, BKR2005, 123, 131. Η ierzu neuestens Koch, WM 2005, 1208 ff. Vgl. Brandt, BKR 2005,71. BGH WM 1982, 839.

116

Horst Hammen

fasst. 1314 Nr. 2 AGB Banken, in der die Geheimhaltungspflicht der Geschäftsbanken verankert ist,15 konnte das Gericht noch nicht bedenken, weil diese Regelung erst im Jahre 1993 in das AGB-Regelwerk eingefugt worden ist.16 Da die Rechtspraxis mithin nicht davon ausgehen kann, dieses Verhältnis sei höchstrichterlich geklärt, kreieren Kreditinstitute und Forderungsverwerter Ausweichstrategien. Zwar war erst kürzlich zu hören, dass sich eine deutsche Großbank entschieden hat, ungeachtet der sich aus der Entscheidung des OLG Frankfurt ergebenden Risiken notleidende gekündigte Forderungen in einem Volumen von mehreren 100 Millionen € an ein anderes Institut mit Banklizenz abzutreten. Bei True Sale Asset Backed Securities Transaktionen, bei denen die Weitergabe kundenbezogener Daten anlässlich der Abtretung, anders als es manche meinen, 17 keineswegs ohne weiteres zulässig ist, wirkt das Urteil des OLG Frankfurt indes anders. Manche Forderungsverwerter legen sich kleine Bankhäuser zu. 18 Das geschieht vornehmlich, weil im Zusammenhang mit der Verwaltung bedienter Forderungen (performing loans) gelegentlich Kreditgeschäfte (z.B. Restrukturierung von Immobilienkrediten) vorgenommen werden müssen. 19 Viel13

A.A. LG Koblenz WM 2005, 30, 32: „... implizit geprüft und als unbedenklich erachtet"; Butler/Aigner, BB 2005,119, 121; Cahn, WM 2004, 2041,2047. 14 Im Anschluss an den Bankrechtstag 2005 hat Herr Rechtsanwalt am BGH Dr. Volkert Vorwerk mir dankenswerterweise einen unveröffentlichten Nichtannahmebeschluss des BGH vom 27.1.1998 (XI ZR 208/97) zukommen lassen, in dem der XI. Senat mit einem Satz ausgeführt hat: „Die Konstruktion eines auf das Bankgeheimnis gestützten Abtretungsverbots ist abwegig". 15 Eine gleichlautende Regelung findet sich auch in Nr. 2 der AGB der Genossenschaftsbanken. In Nr. 1 Abs. 1 S. 2 AGB-Sparkassen heißt es: „Der Kunde kann sich darauf verlassen, dass die Sparkasse ... das Bankgeheimnis wahrt". Wo solche AGB fehlen, gilt die Geheimhaltungspflicht als ungeschriebene vertragliche oder als vor- bzw. nachvertragliche Pflicht (Bruchner, BKR 2004, 394, 395). Soweit sie eine vertragliche Pflicht ist, ist sie als Unterlassungspflicht eine Nebenleistungspflicht. 16 Zu dieser Einfügung Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 2. 148. 17 Cahn, WM 2004, 2041,2045. 18 Vgl. Börsenzeitung v. 7.6.2005, S. 4. 19 Vgl. Bomhard/Kessler/Dettmeier, BB 2004, 2085, 2087. Zur Genehmigungsbedürftigkeit des ausschließlich betriebenen Kreditgeschäfts vgl. Boos/Fischer/ Schulte-Mattler/Fü/iiier, KWG, 2. Aufl. 2004, § 1 Rn. 9, 48; Hammen, WM

Bankgeheimnis und Abtretungsausschluss

117

leicht spielt aber auch die Erwartung eine Rolle, Zessionen an Kreditinstitute seien rechtlich leichter zu bewerkstelligen (vgl. unten IV.2). Häufig wird versucht, die Abtretung in eine andere Rechtsform zu verpacken, indem man das vollständige Darlehensverhältnis im Zuge einer Abspaltung oder Ausgliederung nach Maßgabe der § § 1 2 3 ff. des Umwandlungsgesetzes im Weg partieller Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen lässt und dann die Anteile an diesem Rechtsträger veräußert. 20 In allerneuester Zeit scheint man allerdings auch bei Verbriefungen zu den herkömmlichen Geschäftsmodellen zurückkehren zu wollen. Ausschlaggebend hierfür ist zunächst, dass Ratingagenturen das Urteil des OLG Frankfurt nunmehr als fehlerhaft und insbesondere dann, wenn marktübliche Datentreuhänderstrukturen eingesetzt werden, als unbeachtlich einschätzen. Zudem gehen die Kreditinstitute dazu über, in den Kreditpool solcher Transaktionen Kredite mit geänderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen einzustellen, die eine Einwilligungsklausel enthalten, mit der die Kreditnehmer fur den Fall der Verbriefung ihres Kredits eine Befreiung vom Bankgeheimnis erteilen und die Weitergabe personenbezogener Daten erlauben. 21 Jüngst haben sogar, worüber übrigens in den Instituten schon vor Jahren einmal diskutiert worden ist, Einwilligungsklauseln ihren Weg in die Vertragswerke mancher Großbank gefunden, die die Abtretung von Bankforderungen zu jedem Zweck gestatten. 22 Darum ist es nicht ausgeschlossen, dass die gegenwärtig geführte

20 21 22

1998, 741 ff. Der Erwerb von Geldforderungen, z.B. im Rahmen von AssetBacked-Securities-Transaktionen, ist kein Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäft (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 2 KWG; Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Fü/iier ebd., § 1 Rn. 176 m.w.N.; Bruhns/Jäger, ZBB 2005, 207, 209; Schilmar/ Breiteneicher/Wiedenhofer, DB 2005, 1367, 1371; zu eng Hoffmann/Walter, WM 2004, 1566, 1569; Theewen, WM 2004, 105, 112). Vgl. Bruchner, BKR 2004, 394, 397; Bütter/Aigner, BB 2005, 119, 123; Bütter/Tonner, ZBB 2005, 165, 172; skeptisch Brandt, BKR 2005, 71. Siedler, Börsenzeitung v. 20.1.2005, S. 4.; vgl. ferner Theewen, WM 2004, 105, 113. Zu einer vom Bundesverband deutscher Banken entwickelten Muster-Abtretungsklausel Schilmar/Breiteneicher/Wiedenhofer, DB 2005, 1367, 1368; Butter Aigner, BB 2005, 119, 122.

Horst Hammen

118

Diskussion - vorausgesetzt, die neuen Einwilligungsklauseln halten einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand 23 - nur noch Altfälle betrifft. Besieht man die Debatten der vergangenen Jahrzehnte um sich entwickelnde Rechtsprechung zu einzelnen Fragen des Bankrechts näher, so kann man immer wieder drei sich gelegentlich überlappende Phasen beobachten. Solange eine höchstrichterliche Entscheidung aussteht, wird um das Sachproblem heftig gerungen. Hat der Bundesgerichtshof gesprochen, klingt diese Diskussion ab und es gehen die von der Entscheidung nachteilig betroffenen Verkehrskreise dazu über, sich darum zu bemühen, die begrenzte Reichweite des Judikats darzutun. Gleichzeitig machen sich diese Kreise daran, die neue höchstrichterliche Rechtsprechung in ihre Geschäftsmodelle und Regelwerke einzuarbeiten. Ich möchte mich zunächst kurz mit dem zweiten Bereich, sodann ausfuhrlicher mit dem ersten befassen, den dritten überwiegend Herrn Wittig überlassen, und zudem das Datenschutzrecht ausklammern, 24 weil man davon schweigen soll, worüber man nicht sprechen kann. 25 Ausgespart bleiben alle denkbaren Weiterungen des Themas, etwa die Frage, wie es mit dem Bankgeheimnis steht, wenn eine Bank eine Sicherheit, z.B. eine Grundschuld oder ein sicherungsübereignetes KFZ, verwerten will, bei welcher der Verwertung eine Offenlegung des Bestehens einer Geschäftsbeziehung zu dem Sicherungsgeber immanent ist (Grundbuch, KFZBrief) 26 - hier gilt jedenfalls § 137 BGB - , ferner das Problem, ob auch eine

23

Hierzu Cohn, WM 2004, 2041, 2049 f.; Rogner, NJW 2004, 3230, 3233; Hofmann/Walter, WM 2004, 1566, 1572; Klüwer/Meister, WM 2004, 1157, 1162.

24 Nur so viel sei hier festgehalten: Es gibt keine Gerichtsentscheidung - das OLG Celle und das LG Frankfurt haben ein aus dem Bundesdatenschutzgesetz folgendes Abtretungsverbot abgelehnt (OLG Celle, WM 2004, 1384, 1385; LG Frankfurt BKR 2005, 67, 70); das OLG Frankfurt und das LG Koblenz haben diese Problematik unerwähnt gelassen - und keine Stimme in der Literatur, die die Abtretung einer Bankforderung an den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes scheitern lassen will (vgl. Bomhard/Kessler/Dettmeier, BB 2004, 2085, 2086; Bütter/Aigner, BB 2005, 119, 122; Cohn, WM 2004, 2041, 2050; Hofmann/Walter, WM 2004, 1566, 1574; Klüwer/Meister, WuB I B.3.-1.04, S. 724; Rinze/Heda, WM 2004, 1557, 1563; Toth-Feber/Schick, ZIP 2004, 491, 494; Theewen, WM 2004, 105, 114; Früh, WM 2000, 497, 503). 25 Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, 7. 26 Vgl. Cahn, WM 2004, 2041, 2047; Klüwer/Meister, WM 2004, 1157, 1161; Rinze/Heda, WM 2004, 1557,1566.

Bankgeheimnis und Abtretungsausschluss

119

rechtsgeschäftlich eingeräumte Verfugungsbefugnis oder Einziehungsermächtigung wegen Umgehung eines aus dem Bankgeheimnis abgeleiteten Abtretungsverbots unwirksam ist.27

II. Eingeschränkte Reichweite des Urteils des OLG Frankfurt vom 25.5.2004? Im Schrifttum zeichnet sich eine Tendenz ab, zu meinen, die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 25. Mai 2004 sei in ihrer Tragweite sachlich begrenzt. Vielfach ist zu lesen, die Frage, ob aus dem Bankgeheimnis ein Abtretungsverbot folge, sei auf die Abtretung von Forderungen gegen Nichtkaufleute zu reduzieren, weil ein Abtretungsverbot, selbst wenn ein solches Verbot aus dem Bankgeheimnis wirklich ableitbar sei, die Wirksamkeit der Abtretung von Forderungen aus Handelsgeschäften (§ 343 Abs. 1 HGB) der Bank mit Kaufleuten gemäß § 354 a HGB unberührt lasse.28 Ferner wird vorgetragen, auch Nichtkaufleute könnten sich auf ein vorgeblich aus dem Bankgeheimnis folgendes Abtretungsverbot nicht berufen, wenn sie sich in Zahlungsverzug befanden oder gravierende Pflichtverletzungen begangen hätten. 29 Dieser Auffassung hat sich jüngst das OLG Celle angeschlossen. 30

1.

Wirksamkeit

der Abtretung gemäß

einer

Bankforderung

§ 354 α HGB?

Die Auffassung, die Entscheidung des OLG Frankfurt sei mit Blick auf § 354 a HGB für die Abtretung von Bankforderungen gegen Kaufleute bedeutungslos, lässt zweierlei unberücksichtigt. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass § 354 a HGB die Wirksamkeit eines vertraglichen Abtretungsausschlusses zwar insoweit begrenzt, als eine verbotswidrige Abtretung

27 28

29 30

Vgl. OLG Frankfurt WM 2004, 1386, 1388. Langenbucher, BKR 2004, 333, 334; Rogner, NJW 2004, 3230; Böhm, BB 2004, 1641, 1643; Freitag, EWiR § 3 9 9 BGB 1/04, 741; vgl. auch Klüwer/ Meister, WM 2004, 1157, 1159; Bütter/Tonner, ZBB 2005, 165, 166, 168. Langenbucher, BKR 2004, 333, 334; Rogner, NJW 2004, 3230; Freitag, EWiR § 3 9 9 BGB 1/04,741. OLG Celle WM 2004, 1383, 1384.

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120

„gleichwohl wirksam" bleibt (§ 354 a S. 1 HGB), diesen Ausschluss jedoch keineswegs vollständig unwirksam werden lässt.31 Vielmehr wirkt er zugunsten des Schuldners insoweit, als dieser weiterhin mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger leisten darf (§ 354 a S. 2 HGB), und zwar selbst dann, wenn er von der Abtretung weiß. Abgetretene Bankforderungen gegen Kaufleute sind hiervon keineswegs ausgenommen! 32 Bedenkt man nun, dass dieses Recht des Schuldners erst an den Grenzen des Rechtsmissbrauchs endet, 33 berücksichtigt man zudem, dass der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach untergerichtlicher Rechtsprechung nur in engen Grenzen 34 zulässig ist,35 und gewichtet man schließlich, dass der Zessionar nach verbreiteter Auffassung nur dann auf Leistung an sich selbst klagen können soll, wenn die Klage die Einschränkung enthält, dass die Leistung auch an den Schuldner erfolgen kann, 36 wird deutlich, dass eine Kanzlei, die für eine True-Sale-Transaktion eine legal opinion abgeben soll, die Frage, ob aus dem Bankgeheimnis ein Abtretungsverbot entspringt, auch bezüglich der Bankforderungen gegen Kaufleute keinesfalls ausklammern darf. Hinzu kommt ein Zweites: Wer möchte eigentlich ausschließen, dass die Rechtsprechung den Tatbestand in § 354 a HGB eines Tages teleologisch reduziert? Die Argumente für eine solche Reduktion liegen auf der Hand. § 354 a HGB wurde ausweislich der Gesetzesmaterialien geschaffen, um Marktmacht von Großabnehmern, die in ihren Allgemeinen Einkaufsbedingungen die Abtretung von Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen ausschließen, also um die Machtstellung von Schuldnern zugunsten von Lieferanten, den Gläubigern, zu beschneiden, die andernfalls ihre Außenstände nicht zu Finanzierungszwecken verwenden könnten. 37 Dieser intendierte Schutz des Schuldners vor einer Machtausübung des Gläubigers ist auch der Grund dafür, warum erwogen wird, den Tatbestand in § 354 a HGB nicht nur auf Kleingewerbetreibende und freiberuflich tätige

31

Koller/Roth/Morc*, HGB, 3. Aufl. 2002, § 354 a Rn. 1, 3.

32 Klüwer/Meister, WM 2004, 1157, 1159; vgl. Saar, ZIP 1999, 988, 952 mit dem 33 34 35

Hinweis, dass die Befugnis in § 354a S. 2 HGB häufig benutzt wird. Vgl. Canaris, Handelsrecht, 23. Aufl. 2000, § 28 Rn. 13. Koller/Roth/A/orcA (oben Fn. 31), § 354 a Rn. 3. LG Hamburg WM 1999,428,431: nahezu freies Belieben des Schuldners.

36

Canaris (oben Fn. 33), § 28 Rn. 11.

37

BT-Drucks. 12/7912, S. 24 f.

Bankgeheimnis und Abtretungsausschluss

121

Zedenten, sondern auch auf Geschäfte auszuweiten, die der Schuldner im Rahmen seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt. 38 Mithin ist es nicht der Zweck dieser Vorschrift, den Gläubiger vor sich selbst, nämlich vor der Verankerung eines Abtretungsverbotes in seinen eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugunsten des Schuldners zu schützen. Bedenkt man folglich, dass eine Anwendung von § 354 a HGB auf ein Bankdarlehen zudem auch noch zu einer Begünstigung des häufig Marktmächtigeren, des kreditgewährenden Kreditinstituts, führt, mag man es nicht ausschließen, dass die Rechtsprechung - immer vorausgesetzt, es folgt aus dem Bankgeheimnis ein Abtretungsverbot - den Tatbestand in § 354 a HGB bei einem Bankkredit eines Kaufmanns teleologisch einschränken und dem zugunsten dieses Kaufmanns, des Schuldners, bestehenden Bankgeheimnis den Vorrang einräumen könnte.

2,

Abtretung notleidender

Forderungen

Auch denen, die meinen, das Urteil des OLG Frankfurt sei für die Abtretung notleidender Bankforderungen irrelevant, sei zur Vorsicht geraten. Denn das Gericht hat keineswegs entschieden, die Abtretung solcher Forderungen werde ohne weiteres wirksam. Vielmehr hat es in Abgrenzung zu der erwähnten Entscheidung des OLG Celle lediglich gesagt, dass jedenfalls die Abtretung einer Bankforderung unwirksam sei, deren Schuldner kein Vertragsbruch angelastet werden könne. 39 Diese Passage des Urteils wird - und das ist ftir die Zessionspraxis der Kreditinstitute von erheblicher Bedeutung im Schrifttum unterschiedlich interpretiert. Während manche meinen, das OLG Frankfurt scheine bei notleidenden Forderungen davon auszugehen, dass eine Offenlegung kundenbezogener Daten zulässig und die Abtretung

38 39

Canaris (oben Fn. 33), § 28 Rn. 20, 22. OLG Frankfurt WM 2004, 1386, 1388 f. - Die Argumentation des Gerichts ist übrigens unvollständig. Denn wenn der Darlehensvertrag unwirksam gewesen wäre, hätte die Bank einen Anspruch aus § 812 BGB gehabt, der spätestens mit Ablauf der vereinbarten Darlehenslaufzeit (vgl. § 817 S. 2 BGB) fällig geworden wäre. Mithin war der Darlehensnehmer in jedem Fall im Verzug, weshalb das OLG Frankfurt Unrecht hat, wenn es meint, Verzug oder rechtswidriges Verhalten des Darlehensnehmers seien „zweifelhaft".

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möglich sei, 40 heben andere hervor, das Gericht habe diese Frage „offengelassen". 41 Diese unterschiedliche Sichtweise ist nun für die Abfassung einer bei einer Forderungstransaktion eingeholten legal opinion hoch bedeutsam. Eine von einem Oberlandesgericht offen gelassene Frage ist eine in dessen Gerichtssprengel obergerichtlich ungeklärte Frage. Um einen Hinweis darauf, dass nach prominenter Ansicht das OLG Frankfurt die Frage nach der Abtretung notleidender Bankforderungen ungeklärt gelassen hat, dürfte der Verfasser einer legal opinion deshalb kaum herumkommen. Dass ein solcher Hinweis dem Gelingen der Transaktion nicht förderlich sein wird, liegt auf der Hand. Mit diesem eher formalen Hinweis darf es nun aber keineswegs bewenden. Vielmehr muss deutlich hervorgehoben werden, dass Rechtsprechung und Schrifttum eine überzeugende Begründung fur eine trotz des Bankgeheimnisses bestehende Abtretbarkeit notleidender Bankforderungen bislang schuldig geblieben sind. Mehr als die Feststellung, die Berufung des Schuldners auf das Bankgeheimnis verstoße, da er ja selbst vertragsbrüchig geworden sei, gegen Treu und Glauben und sei deshalb rechtsmissbräuchlich, 42 lässt sich nicht finden. Demgegenüber ist zu betonen, dass es fur eine überzeugende juristische Begründung nicht ausreichen kann - ich gebrauche eine Wendung des ehemaligen Richters am Banksenat des BGH Alfons van Gelder43 - sich von Treu nach Glauben zu hangeln. Vielmehr muss aus dem Gesetz abgeleitet werden, warum ein Verhalten gegen Treu und Glauben verstößt. Deshalb hilft auch eine vom Gesetz abgelöste Abwägung der beiderseitigen Interessen, wie sie im Schrifttum häufiger vorgenommen wird, 44 nicht weiter. Schaut man also in das Bürgerliche Gesetzbuch, so erweist sich, dass dem behaupteten Recht der Banken, bei notleidenden Krediten kundenbezogene Informationen weiterzugeben, gewichtige Rechtsgründe entgegen40 41 42

43 44

Rinze/Heda, WM 2004, 1557, 1559; Brandt, BKR 2005, 71, 72. Cahn, WM 2004, 2041 2042; ferner Bomhard/Kessler/Dettmeier, BB 2004, 2085, 2086; Bütter/Aigner, BB 2005, 119. OLG Celle WM 2004, 1384, 1385; vgl. auch LG Frankfurt BKR 2005, 67, 70; Brandt, BKR 2005, 71, 72; Klüwer/Meister, WM 2004, 1157, 1162; Rinze/ Heda, WM 2004, 1557, 1565; Theewen, WM 2004, 105, 113; Bütter/Tonner, ZBB 2005, 165, 168. van Gelder, MDR 1996, 340, 342. Hofmann/Walter, WM 2004, 1566, 1573; Langenbucher, BKR 2004, 333, 334; Toth-Feber/Schick, ZIP 2004,491,494.

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stehen. Der Grundsatz, dass eine Vertragspartei (hier: das Kreditinstitut) eine vertragliche Pflicht (hier: die Nebenpflicht, das Bankgeheimnis zu wahren), rechtmäßig beeinträchtigen dürfen soll, wenn und weil die andere Vertragspartei die ihr obliegenden Pflichten (hier: die Darlehensrückzahlungspflicht) verletzt, ist dem allgemeinen Schuldrecht nur in engen Grenzen bekannt. Es ist nämlich anerkannt, dass es keinen allgemeinen Grundsatz gibt, nach dem nur derjenige Rechte geltend machen kann, der sich selbst rechtstreu verhalten hat. 45 Deshalb macht ein eigenes rechtswidriges Verhalten („unclean hands"), von der Besonderheit des § 817 S. 2 BGB abgesehen, nicht rechtlos.46 Verletzt der Schuldner seine Pflichten aus einem Vertrag, wird die andere Vertragspartei nur dann von den ihr obliegenden Verpflichtungen frei, wenn sie - der Tatbestand in § 326 BGB bleibt ausgeklammert, weil er bei Geldforderungen der Banken kaum einmal einschlägig sein wird - gemäß §§ 323, 324 BGB von dem Vertrag zurücktritt oder, soweit es sich wie bei einem Darlehen um ein Dauerschuldverhältnis handelt, das Schuldverhältnis kündigt (vgl. § 3 1 4 Abs. 2 BGB 47 ). Wobei freilich die Kündigung einer darlehensgewährenden Bank bezüglich ihrer Pflicht, das Bankgeheimnis zu wahren, nichts nützt, weil diese Pflicht grundsätzlich auch nach der Beendigung des betreffenden Rechtsverhältnisses wirkt. 48 Besteht die Pflicht der anderen Vertragspartei hingegen fort, kann sie allenfalls ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB oder aus § 273 BGB geltend machen. Keineswegs darf sich der Gläubiger, wie es der Fall wäre, wenn eine Bank nach § 402 BGB vom Bankgeheimnis erfasste Daten weitergeben würde, die Erfüllung der ihm seinerseits obliegenden Pflichten ganz oder teilweise unmöglich machen. Aus den Vorschriften über die „Wirkungen des Zurückbehaltungsrechts" (Überschrift vor § 274 BGB) wird nämlich deutlich, dass die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts lediglich die Wirkung hat, dass der Schuldner zur Leistung gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung zu verurteilen ist (§§ 274, 322 BGB), dass der Gläubiger sich also grundsätzlich

45 46 47 48

BGH NJW 1971, 1747; ZIP 2000, 136; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 242 Rn. 46. SoergeUTeichmann, BGB, 12. Aufl. 1990, § 242, Rn. 287. Zum Verhältnis von § 314 Abs. 2 BGB und § 323 BGB vgl. Paiandt/Heinrichs (oben Fn. 45), § 314 Rn. 12, § 323 Rn. 4. BGH BB 1953, 993; Kumpel (oben Fn. 16), Rn. 2. 144; Bruchner, BKR 2004, 394, 395.

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weiter zu der von ihm geschuldeten Leistung bereithalten muss. Dieses Ergebnis wird befestigt, wenn man die beiden auf noch allgemeinerer Stufe stehenden Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts hinzuzieht, die sich mit dem Inhalt von Pflichten und der Ausübung von Rechten befassen. Dort gibt es zwar, nämlich in der Vorschrift über die unzulässige Rechtsausübung in § 226 BGB, einen Tatbestand, der eine schuldbeendende Wirkung auslösen kann. Das Schikaneverbot in dieser Bestimmung verwehrt es freilich dem säumigen Schuldner einer Bankforderung keineswegs, sich auf seinen Anspruch auf Wahrung des Bankgeheimnisses zu berufen. Schikane lässt sich nämlich nur bejahen, wenn die Rechtsausübung dem Berechtigten objektiv keinen Vorteil bringen kann. 49 Deshalb scheidet Schikane schon dann aus, wenn ein berechtigtes Interesse auch nur mitbestimmend ist50 - und dass auch ein säumiger Kreditnehmer grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Wahrung des Bankgeheimnisses hat, ist unstreitig, andernfalls die auch hier in Rechtsprechung und Schrifttum vorgenommene Interessenabwägung überflüssig wäre. Darüber hinaus ist die Pflicht der Bank, das Bankgeheimnis zu wahren, nach § 242 BGB durch den Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt. 51 Unbezweifelbar ist zudem, dass die Rechtsprechung bei der Ausfüllung des Tatbestandes in dieser Vorschrift eine umfassende Interessenabwägung vornimmt. 52 Ebenso deutlich ist indes, dass der Schuldner nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift in § 242 BGB „die Leistung" desungeachtet „zu bewirken verpflichtet ist", dass also § 242 BGB lediglich einen schuldausfullenden, keineswegs aber einen schuldbeendenden Tatbestand enthält. Die im Zusammenhang mit der Geheimhaltungspflicht der Banken geäußerte Auffassung, die Anwendung von § 242 BGB könne über den Wortlaut der Vorschrift hinaus zu einem völligen Wegfall der Schuld fuhren, 53 wird man als durch die Neufassung von § 275 BGB, insbesondere durch die Einfuhrung von § 275 Abs. 3 BGB durch das Schuldrechtsmoder-

49 50 51 52 53

OLG Frankfurt ΝJW 1979, 1613. RGZ 98, 17; Palandt/Heinrichs (oben Fn. 45), § 226 Rn. 3. Vgl. Kumpel (oben Fn. 16), Rn. 2. 162. Vgl. nur BGHZ 49,153. Jobe, ZIP 2004, 2415, 2419 unter Verweis auf MünchKomm/Λο/Α, BGB, 3. Aufl. 1994, § 242 Rn. 43, 45 (= 4. Aufl. 2003 § 242 Rn. 61, 63 [mit Rn. 357]) in Fußnote 54.

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nisierungsgesetz überholt ansehen müssen. 54 Die in diesen Vorschriften tatbestandlich gezogenen Grenzen der Zumutbarkeit einer Leistung würden nämlich obsolet, wenn man den Schuldner auch in Fällen jenseits dieser Grenzen unter Berufung auf § 242 BGB aus seiner Pflicht entließe. Nimmt man nun die Vorschrift in § 275 Abs. 3 BGB in den Blick, muss festgestellt werden, dass diese Bestimmung der Bank bezüglich ihrer Pflicht, das Bankgeheimnis zu wahren, kein Leistungsverweigerungsrecht geben kann. Eine „persönliche" Verpflichtung, wie sie in § 275 Abs. 3 BGB aber verlangt wird, trifft das Kreditinstitut nämlich nicht. Eine solche Pflicht soll nur vorliegen, wenn der Schuldner nicht durch Erfüllungsgehilfen leisten kann oder darf. 55 Davon kann bei der Geheimhaltungspflicht der Bank keine Rede sein, weil das Institut als juristische Person oder als „teilrechtsfahiges" Rechtssubjekt, also als juristisches Konstrukt ohne reale Handlungsfähigkeit, bei der Wahrung des Bankgeheimnisses der Mithilfe seiner Angestellten bedarf. Auch außerzivilrechtliche Tatbestände erlauben es nicht, die Interessen des Kreditinstituts über diejenigen des Kunden zu stellen. Zwar wird im Schrifttum vorgetragen, die Bank könne sich in analoger Anwendung von § 193 StGB auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen stützen, wenn der Kreditnehmer im Falle der Abtretung auf der Wahrung des Bankgeheimnisses bestehe. 56 Dieser Analogieschluss scheidet jedoch bei näherem Hinsehen aus. In § 193 StGB geht es um die Straffreistellung von „Äußerungen". Deshalb wird diese Vorschrift heute als Ausprägung der Grundrechte aus Art. 5 GG, insbesondere des Grundrechts der Meinungsfreiheit verstanden. 57 Die Einschränkung des Ehrenschutzes in §§ 185 ff. StGB durch das Institut der Wahrnehmung berechtigter Interessen durch „Äußerungen" rechtfertigt 54

55 56

57

Vgl. auch die allerdings nur auf die durch das Schuldrechtsmodemisierungsgesetz neugefassten Vorschriften in §§ 323, 324 BGB bezogenen Überlegungen von MünchKomm//?o/A, BGB, 4. Aufl. 2003, § 242 Rn. 357-359. MUnchKomm/Erasf (oben Fn. 54), § 275 Rn. 112. Früh, WM 2000, 497, 503; Theesen, WM 2004, 105, 113; Rinze/Heda, WM 2004, 1557, 1565. - Der BGH (WM 1978, 999) hat die Durchbrechung des Bankgeheimnisses bei Übermittlung von Negativmerkmalen über Kunden an die SCHUFA mit der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) begründet. Z.B. BVerfGE 12, 113, 125; BGHSt 12, 293; Schönke/Schröder/Z^otoer, StGB, 26. Aufl. 2001, § 193 Rn. 1.

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sich aus dem besonderen Gewicht der Meinungsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht hat die Meinungsfreiheit als „eines der vornehmsten Menschenrechte" und als „flir die freiheitliche demokratische Grundordnung schlechthin konstituierend" bezeichnet. 58 Dieses Gewicht kommt dem „Eigentum" an Forderungen 59 nicht zu. Das Eigentum ist zwar wie auch das Recht, rechtsgeschäftliche Forderungen zu begründen, ebenfalls vorstaatlich; 60 zudem ist die Eigentumsgarantie nicht auf persönliches Eigentum beschränkt, sondern ergreift auch das Eigentum an Wirtschaftsgütern. 61 Es ist jedoch das Eigentum nicht nur in Ausprägung des Sozialstaatsprinzips (vgl. Art. 20 Abs. 1 GG) sozialpflichtig (Art. 14 Abs. 2 GG) und deshalb gegebenenfalls im Wege einer Enteignung entziehbar (Art. 14 Abs. 3 GG). Vielmehr unterliegt es auch weitreichend der Inhaltsbestimmung durch den Gesetzgeber gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Da es, soweit es sich auf „Produktionsmittel" erstreckt, 62 sogar sozialisiert werden kann (Art. 15 GG), enthält das Grundgesetz nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 63 kein Bekenntnis zur gegenwärtigen Wirtschafts- und Sozialordnung, 64 weshalb dem Eigentum an Wirtschaftsgütern im Gefuge des Grundgesetzes nicht der gleiche Stellenwert wie der Meinungsfreiheit zukommt. Deshalb geht es auch nicht an, das die Rechte des anderen beschränkende und durch das besondere Gewicht der Meinungsfreiheit begründete Institut der Wahrnehmung berechtigter Interessen in § 193 StGB, welches mithin kein allgemeines Prinzip enthält, auch bei dem grundgesetzlich weniger gewichtigen „Eigentum" an (Bank-)Forderungen Platz greifen zu lassen. 65 Ich will nicht ausschließen, dass im geschriebenen Recht eine andere Regelung gefunden werden kann, die es erlaubt, die Bank bei notleidenden

58 59 60 61 62 63 64 65

BVerfGE 12,113,125. Dazu, dass auch Forderungen Art. 14 GG unterfallen, vgl. BVerfGE 92, 262, 2 7 1 ; v. Münch/Kunig/ßo^e, GG. 5. Aufl. 2000, Art. 14 Rn. 12. Wolf, Lehrbuch des Sachenrechts, 2. Aufl. 1979, § 3 B., S. 103 ff. v. Münch/Kunig/Ä/jcfe (oben Fn. 59), Art. 14 Rn. 2. Zur Frage, ob dieser Begriff Banken von Sozialisierungsmaßnahmen ausschließt, vgl. v. Münch/Kunig/ßryife (oben Fn. 59), Art. 15 Rn. 18. BVerfGE 4, 7, 17 f.; 50, 290, 337 f. Vgl. v. Münch/Kunig/ßryife (oben Fn. 59), Art. 12 Rn. 3, Art. 14, Rd. 2; zum Einfluss des Prozesses der deutschen Einigung hierauf vgl. ebenda Rn. 2 a. I.E. ebenso Brandt, BKR 2005, 71, 72; Hofmann/Walter, WM 2004, 1566, 1573; Jobe, ZIP 2004,2415,2419.

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Forderungen aus ihrer Geheimhaltungspflicht zu befreien. 66 In den Erläuterungen zum Allgemeinen Schuldrecht wird beispielsweise darauf hingewiesen, bei unpersönlichen Leistungen sei die Rechtsanwendung, da § 275 Abs. 3 BGB keine allgemeine Unzumutbarkeitsregelung enthalte, auf die Regelung über die Störung der Geschäftsgrundlage in §313 BGB verwiesen 67 - ein Hinweis, der einer abtretungswilligen Bank freilich von vorneherein nicht weiterhilft, weil die Vorschrift in § 313 BGB das Institut nicht gleichsam automatisch aus seiner Geheimhaltungspflicht löst, sondern ihm lediglich einen Anspruch auf Anpassung des Vertrages (§313 Abs. 1 BGB) oder ein Rücktritts- bzw. Kündigungsrecht gibt (§313 Abs. 3 BGB). Ob man, wie es manche erwägen, § 275 Abs. 3 BGB auf unzumutbare unpersönliche Leistungen analog anwenden kann,68 ist angesichts des Ausnahmecharakters dieser Vorschrift zweifelhaft. Vielleicht lässt sich ein jüngst wieder von Cahn vorgetragener Gedanke weiterentwickeln. Cahn hat hervorgehoben, dass das Bankgeheimnis keineswegs so weit reiche, wie die herkömmliche umfassende Begriffsbestimmung den Anschein erwecke. 69 Das trifft, wie aus den Vorschriften über die Pfändung von Forderungen deutlich wird, zu. Forderungen sind uneingeschränkt pfändbar, soweit die Pfändbarkeit nicht gesetzlich ausgeschlossen ist. Deshalb ändert eine Geheimhaltungspflicht des Gläubigers an der Pfändbarkeit auch dann nichts, wenn die Preisgabe des Geheimnisses mit Strafe bedroht ist.70 Selbst wenn aus dem Bankgeheimnis ein Abtretungsausschluss folgen würde, könnte es der Schuldner nicht verhindern, dass seine Daten an den Gläubiger der Bank gelangen. Denn der Vollstreckungsschuldner ist nach § 807 Abs. 1 ZPO unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, ein Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen und für seine Forderungen den Grund 66

67 68 69 70

Die Auffassungen, ein auf Nr. 2 AGB-Banken gestütztes stillschweigendes Abtretungsverbot widerspreche der Wertung in § 402 BGB (Klüwer/Meister, WM 2004, 1157, 1160), bzw. es sei § 402 BGB ein Gebotsgesetz im Sinne von Nr. 2 AGB-Banken (Korberstein-Windpassinger, WM 1999, 473, 479), verkehren die Rechtslage in ihr Gegenteil. § 402 BGB ist der Vorschrift in § 399 Alt. 2 BGB nachgeschaltet („dem neuen Gläubiger"). MünchKomm/£ras/ (oben Fn. 54), § 275 Rn. 109. MünchKomm/£>rts/ (oben Fn. 54), § 275 Rn. 109, Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, S. 263 f. Cahn, WM 2004, 2041, 2043. OLG Stuttgart NJW 1994, 2839 f.; Diepold, MDR 1993, 835.

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zu bezeichnen. Das gilt auch für Forderungen, deren Abtretbarkeit vertraglich ausgeschlossen ist, weil solche Forderungen ungeachtet der fehlenden Abtretbarkeit dergestalt gepfändet werden können, dass sie dem Gläubiger zwar nicht an Zahlungs Statt (vgl. § 835 Abs. 1 ZPO), wohl aber zur Einziehung überwiesen werden (§ 851 Abs. 2 ZPO). Ist dieses geschehen, ist der Vollstreckungsschuldner verpflichtet, dem Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben (836 Abs. 3 ZPO). Aus § 840 ZPO folgt sogar eine Pflicht des Drittschuldners, sich zu bestimmten Aspekten der Forderung zu äußern. Mithin ist das Bankgeheimnis bei der Pfändung einer Bankforderung wesentlich gelockert. 71 Cahn hat dann weiter vorgetragen, das Bankgeheimnis stehe einer für eine gerichtliche Durchsetzung von Forderungen gegen den Bankkunden notwendigen Offenlegung der Geschäftsbeziehung und der anspruchsbegründenden Tatsachen und damit der Möglichkeit einer Kenntnisnahme des Publikums (§ 169 GVG), nicht entgegen. 72 Diese Auffassung trifft zu. Im deutschen Recht gilt der Grundsatz der Klagbarkeit von Ansprüchen. Hiernach kann jeder Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden, es sei denn, dass die Klagbarkeit gesetzlich ausgenommen ist, wie es in § 1297 Abs. 1 BGB mit dem Anspruch auf Eingehung der Ehe aus einem Verlöbnis geschehen ist. Wollte man unter Berufung auf das Bankgeheimnis die Klagbarkeit von Bankforderungen ausschließen, würde der Schweigepflichtige ganz rechtlos gestellt, 73 was indes gegen die Rechtsgewährungsgarantie verstoßen würde, weil sich der dem Bürger abverlangte Verzicht auf die private Durchsetzung seiner Ansprüche (vgl. § 229 BGB) nur rechtfertigen lässt, wenn der Staat das ihm eingeräumte Monopol für die Feststellung und Durchsetzung von Ansprüchen auch wahrnimmt. Zudem würde die der Forderung zugrundeliegende vertragliche Abrede im rechtspraktischen Ergebnis zu einer lediglich einseitig, nämlich das Kreditinstitut verpflichtenden Vereinbarung, was sie aber weder nach der gesetzlichen Regellage noch nach dem beiderseitigen Parteiwillen sein soll. Deshalb

71

72 73

Jobe, ZIP 2004, 2415, 2417. Zur Einschränkung der gesetzlichen Auskunftspflichten vgl. OLG Stuttgart NJW 1994, 2839, 2840. - Zu Drittschuldnererklärungen der Bank vgl. Kumpel (oben Fn. 16), Rn. 2. 179. Cahn, WM 2004, 2041, 2043; Kumpel (oben Fn. 16), Rn. 2.174; Jobe, ZIP 2004, 2415, 2419 m.w.N. in Fußnote 57. BGHZ 122, 115, 120.

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dürfen auch Geheimnisträger ihre Ansprüche gerichtlich geltend machen, selbst wenn die Preisgabe des Geheimnisses an sich mit Strafe (vgl. § 203 StGB) bedroht ist.74 Dabei ist nun bedeutsam, dass die Preisgabe der Daten eines Bankkunden in einem gerichtlichen Verfahren in erster Linie notleidende Forderungen betrifft. Eine bediente Forderung klagt kein vernünftiger Mensch ein, und wo dies doch einmal geschieht, kann sich der Schuldner durch sofortiges Anerkenntnis vor einer Erörterung der Streitsache in einer mündlichen Verhandlung weitreichend, wenngleich nicht vollständig schützen (vgl. § 3 0 7 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 3 1 0 Abs. 3 ZPO einerseits, §§ 128 Abs. 1, 307 Abs. 1, 310 Abs. 1, 311 Abs. 2 ZPO andererseits), weil ein Anerkenntnis die gerichtliche Prüfung der Schlüssigkeit oder der Begründetheit der Klage 75 und damit auch eine Erörterung der Sache in der mündlichen Verhandlung ausschließt. Hieraus lässt sich folgern, dass das Gesetz gerade das Geheimhaltungsinteresse des Säumigen, der sich gegen seine Inanspruchnahme wehrt, hinter das Interesse des Gläubigers, befriedigt zu werden, zurücktreten lässt. Bedenkt man, dass in einem gerichtlichen Verfahren durch Gerichtsberichterstattung (vgl. § 169 S. 2 GVG) im Einzelfall eine denkbar breite Öffentlichkeit hergestellt werden kann, sollte darüber nachgedacht werden, ob dann als weniger einschneidende Mittel nicht auch außergerichtliche Möglichkeiten der Realisierung notleidender Forderungen, etwa die Abtretung an einen Zessionar, der sich zur Geheimhaltung der Kundendaten verpflichtet, zulässig sein könnten. Solange indes nicht diese Ableitung als tragfähig oder eine andere gesetzliche Regelung als einschlägig erwiesen ist,74 empfiehlt es sich nicht, die notleidenden Bankforderungen aus der nun folgenden Beackerung des Problemfeldes „Bankgeheimnis und Abtretungsausschluss" von vorneherein auszuklammern.

74 75 76

BGHZ 122, 115, 120; BGHSt 1, 368; Cohn, WM 2004, 2041, 2043; Schönke/ Schröder/Lenckner (oben Fn. 57), § 203 Rn. 40. Thomas/Putzo/Reichhold, ZPO, 26. Aufl. 2004, § 307 Rn. 10. Arne Wittig hat auf dem Bankrechtstag 2005 vorgeschlagen, auf § 28 BDSG abzustellen.

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III. Argumente fur und wider einen Abtretungsausschluss Wendet man sich der Frage zu, ob aus dem Bankgeheimnis ein Abtretungsverbot abgeleitet werden kann, sind in einem ersten Schritt alle diejenigen in Rechtsprechung und Schrifttum vorgetragenen Argumente auszuscheiden, die nicht weiterhelfen.

1. Keine Unwirksamkeit der Abtretung wegen gegen ein Verbotsgesetz

Verstoßes

Als wenig überzeugend hat sich der Versuch des OLG Frankfurt erwiesen, einen aus dem Bankgeheimnis folgenden stillschweigenden Abtretungsausschluss aus dem Hinweis abzuleiten, bei Berufsträgern, die in vergleichbarer Weise Geheimnisse zu bewahren hätten, sei die Abtretung von Forderungen ebenfalls unzulässig. 77 Gegen diese Argumentationsweise ist zu Recht vorgebracht worden, ein gesetzliches Verbot (vgl. § 134 BGB), wie es die Rechtsprechung für die Abtretung von Forderungen mancher der in § 203 StGB aufgeführten Berufsträger aus dieser Bestimmung ableitet,78 könne keinen vertraglichen Abtretungsausschluss auslösen. 79 Besteht nämlich bereits ein gesetzliches Abtretungsverbot, gibt es keinen Anlass, den Beteiligten einen rechtsgeschäftlichen Willen zu unterstellen, den Abtretungsausschluss noch einmal vertraglich zu begründen. Allerdings existiert ein auf das Bankgeheimnis gestütztes gesetzliches Verbot, Bankforderungen abzutreten, im objektiven Recht nicht. Wenn wir das Gewohnheitsrecht als Quelle des Bankgeheimnisses 80 und damit - was aber keineswegs eine zwingende Folge hieraus ist81 - gegebenenfalls eines gesetzlichen 82 Abtretungsverbots einmal 77 OLG Frankfurt WM 2004, 1386, 1387 f. („Diese Regelung hat ... auch für Banken zu gelten") unter Verweis auf BGH WM 1993, 1003 und WM 1996, 1815.

78 79 80 81

BGH WM 1993, 1009; OLG Dresden NJW 2004, 1464. Cohn, WM 2004,2041,2048; vgl. auch Jobe, ZIP 2004,2415, 2417. So Koberstein- Windpassinger, WM 1999, 473, 474. Mag auch die schuldrechtliche Pflicht des Kreditinstituts, das Bankgeheimnis zu wahren, auf einer lang dauernden Übung und auf einer anerkannten RechtsUberzeugung beruhen, so kann dies für ein dinglich wirkendes Abtretungsverbot für Bankforderungen als gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB keineswegs gelten (Stiller, ZIP 2004, 2027, 2030).

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beiseite schieben wollen, 83 kann ein gesetzliches Abtretungsverbot nur aus der Anwendung von § 203 StGB erschlossen werden. Freilich unterfallen Organmitglieder und Mitarbeiter privatrechtlich organisierter Kreditinstitute dem strafbewehrten Geheimnisverratsverbot in dieser Vorschrift nicht.®4 Deshalb kann allenfalls eine analoge Anwendung von § 203 StGB erwogen werden. Dieser Analogieschluss verbietet sich indes. 85 Allerdings machen es sich alle diejenigen zu einfach, die auf das strafrechtliche Analogieverbot in Art. 103 Abs. 2 GG verweisen. 86 Denn man könnte es sich durchaus vorstellen, nur das von der Rechtsprechung in die Vorschrift in § 203 StGB hineininterpretierte Verbot entsprechend anzuwenden, ohne zugleich auch die strafrechtliche Rechtsfolge dieser Bestimmung auf den Bruch des Bankgeheimnisses zu erstrecken. Weiterfuhrend ist hingegen der Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § § 8 5 GmbHG, 203 StGB, 87 nach welcher die Vorschrift in § 203 StGB nicht in jedem Fall zugleich ein

82

„Gesetze" im Sinne von § 134 BGB können nach überwiegender Auffassung auch Normen des Gewohnheitsrechts sein (Staudinger/Sac/fc, BGB, 2003, § 134 Rn. 17; vgl. Cohn, WM 2004, 2041, 2049). 83 Das Gewohnheitsrecht ist ungeachtet seiner Erwähnung in § 293 ZPO ein durch die Verfassungsentwicklung überholtes Überbleibsel der Rechtsentstehungslehre (der Volksgeistlehre) F.C. v. Savignys, das in seinem historischen Kontext - der Frage nach einem Fortleben des gemeinen römischen Rechts in Deutschland nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahre 1806 - seine Berechtigung gehabt haben mag, spätestens aber mit dem Inkrafttreten der bürgerlichrechtlichen Kodifikationen im Jahre 1900 seine Daseinsberechtigung verloren hat. Im parlamentarischen System des Grundgesetzes hat es als eine Art unorganisierter fiktiver Volksentscheid keinen Platz. - Gegen die Begründung des Bankgeheimnisses mit dem Gewohnheitsrecht Jobe, ZIP 2004, 2415,2416. 84 Zur Rechtslage bei Organmitgliedern und Mitarbeitern öffentlichrechtlich verfasster Banken vgl. Bomhard/Kessler/Dettmeier, BB 2004, 2085, 2086 f.; Kristen/Kreppel, BKR 2005, 123, 131; Sesler/Glos, DB 2005, 375, 376; Beratungen des Sonderausschusses fiir die Strafrechtsreform, Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode, S. 177, 178. 85 Vgl. LG Frankfurt BKR 2005, 67, 70; LG Koblenz WM 2005, 30, 33; Bülter/ Aigner, BB 2005, 119, 121; Bruchner, BKR 2004, 394, 395; Cahn, WM 2004, 2041, 2049; Kristen/Kreppel, BKR 2005, 123, 132 unter Hinweis auf § 53 StPO. 86 Bruchner, BKR 2004, 394, 395; Jobe, ZIP 2004, 2415, 2418; Rogner, NJW 2004, 3230, 3231. 87 BGH WM 1996, 1399.

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gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB enthält, sondern nur dann, wenn es um den Schutz der höchstpersönlichen Privatsphäre geht. 88 Deshalb hat das OLG Celle bei der Weitergabe von Schuldnerdaten bei einer Forderungsabtretung durch einen Tierarzt, obgleich dieser Berufsstand in § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausdrücklich aufgeführt ist, von einer Anwendung des § 134 BGB abgesehen, weil die Weitergabe dieser wirtschaftlichen Informationen nicht den persönlichen Bereich des Schuldners berühre. 89 Diese Ableitung ist nun mit der Feststellung zu verbinden, dass der Gesetzgeber bei der grundlegenden Reform der Vorschrift über die Verletzung von Privatgeheimnissen durch das Einfuhrungsgesetz zum Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1974 90 einen strafrechtlichen Schutz des Bankgeheimnisses keineswegs unreflektiert übergangen hat. Vielmehr hat er das Bankgeheimnis bewusst nicht unter strafrechtlichen Schutz gestellt. Ausschlaggebend hierfür war, wenngleich einige Ungereimtheiten blieben, die Verbindung zweier Gesichtspunkte. Erstens zählte man die durch die bankrechtliche Geheimhaltungspflicht geschützten Kundendaten nicht zu den „intimen Geheimnissen". 91 Und man stellte zweitens auf das besondere Vertrauen der Öffentlichkeit in die Person des Geheimnisträgers und auf seine „staatliche Anerkennung" ab, die privatrechtlich organisierten Kreditinstituten fehle. 92 Wenn deshalb der Gesetzgeber einen besonderen, nämlich einen strafrechtlichen Schutz eines Geheimnisses nur dann für erforderlich hält, wenn es entweder um „intime" Daten oder - bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - um einen als besonders vertrauenswürdig anerkannten Geheimnisträger geht, scheidet ein aus § 203 StGB ableitbares gesetzliches Verbot (vgl. § 134 BGB) der Datenweitergabe und einer damit verbundenen Abtretung aus, wenn es an beidem fehlt. Hiernach hat das OLG Frankfurt keine überzeugende Begründung für den von ihm behaupteten Abtretungsausschluss finden können. Demgegenüber sind aber auch einige Argumente, die gegen einen aus dem

88 89 90 91 92

Rinze/Heda, WM 2004, 1557,1562. OLG Celle NJW 1995,786; Rinze/Heda, WM 2004,1557,1562. BGBl. I. 1974, S. 469 ff. Was aber auch für die gleichwohl durch § 203 StGB geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gilt. Beratungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform (oben Fn. 84), S. 178, 179.

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Bankgeheimnis folgenden Ausschluss der Abtretbarkeit von Bankforderungen vorgetragen worden sind, nicht weiterführend.

2.

Keine Wirksamkeit der Abtretung als gemäß §25 α Abs. 2 KWG

Auslagerung

Hierzu gehört an erster Stelle die Behauptung, die Abtretbarkeit von Bankforderungen trotz des Bankgeheimnisses folge aus der Vorschrift in § 25 a Abs. 2 KWG, nach welcher wesentliche Geschäftsbereiche eines Kreditinstitutes auf fremde Dienstleister ausgelagert werden können, und aus einem Rundschreiben der Aufsichtsbehörde hierzu. Das gälte auch dann, wenn diese Dienstleister keine Banklizenz besäßen; 93 offenbar meint man, aus § 25 a Abs. 2 KWG folge eine Art nicht dispositives gesetzliches Verbot von Abtretungsausschlussvereinbarungen. Diese Behauptung trifft nicht zu. Denn es werden damit erstens die Auslagerung des Inkassowesens, die Outsourcing sein kann, 94 und der Verkauf von Kreditrisiken, der von jener Vorschrift nicht erfasst wird, 95 unzulässig miteinander vermischt. Es wird zweitens übersehen, dass die Bestimmung in § 25 a Abs. 2 KWG eine aufsichtsrechtliche und damit eine öffentlichrechtliche Vorschrift enthält, die die zivilrechtliche Wirksamkeit des Auslagerungsvorgangs nicht anordnet, sondern voraussetzt. Und es wird drittens verkannt, dass ein Schreiben der Aufsichtsbehörde die Wirksamkeit einer bankvertraglichen Vereinbarung über einen Abtretungsausschluss selbstredend nicht beseitigen kann. 96

3.

Zurückhaltung

bei der Annahme konkludenter

Abtretungsverbote?

Wenn aus dem Bankgeheimnis ein Abtretungsverbot folgt, ist dieser Abtretungsausschluss mangels ausdrücklicher Regelung in den AGB-Banken stillschweigend vereinbart. Als nicht weiterführend muss in diesem Zusammenhang der gelegentlich zu lesende Hinweis auf eine gesetzgeberische 93 94 95 96

Bruchner, BKR 2004, 394, 396; Butter/Aigner, BB 2005, 119, 121; Butter/ Tonner, ZBB 2005, 165, 169; wohl auch Cahn, WM 2004, 2041, 2046. Cahn, WM 2004, 2041, 2046. Freitag, EWiR § 399 BGB 1/04, 742. Richtig Cahn, WM 2004, 2041, 2047.

134

Horst Hammen

Grundentscheidung für die Verkehrsfähigkeit von Forderungen betrachtet werden, die eine gewisse Zurückhaltung bei der Annahme konkludenter Abtretungsverbote geboten sein lasse. Zur Begründung für diese Sichtweise wird angeführt, der Ausnahmecharakter des § 399 Alt. 2 BGB gegenüber der Regel in § 398 BGB werde unter anderem durch die Tatsache belegt, dass sich der erste Entwurf zum BGB noch gegen einen rechtsgeschäftlichen Ausschluss der Abtretbarkeit entschieden habe (§ 295 Abs. 2 1. Entw.). 97 Auch die Einführung von § 354 a HGB, die erneut die Bedeutung der freien Abtretbarkeit zeige, lasse erkennen, dass ein konkludentes Abtretungsverbot nicht die Regel sein könne. 98 Hieran ist richtig, dass die 1. Kommission die Forderung als „gleichsam versachenrechtlicht" betrachtet und hieraus in Anlehnung an § 107 Abs. 2 1. Entwurf den Schluss gezogen hat, rechtsgeschäftliche Beschränkungen der Veräußerlichkeit seien dinglich unwirks a m . " Verkannt wird indes, dass die 2. Kommission diese Konzeption auf den Müllhaufen der Rechtsgeschichte befördert und festgestellt hat, der Schuldner habe in manchen Fällen ein berechtigtes Interesse, sich nur gegenüber dem bestimmten Gläubiger verbindlich zu machen. 100 Damit haben die Verfasser des BGB der Freiheit der Beteiligten, ihre rechtlichen Verhältnisse durch vertragliche - auch stillschweigend erfolgende - Abreden zu regeln, Vorrang vor der Verkehrsfähigkeit der Forderung eingeräumt, weil eben eine Forderung nur abgetreten werden kann, wenn keine rechtsgeschäftliche Vereinbarung entgegensteht. 101 Dieses in § 399 Alt. 2 BGB Gesetz gewordene Konzept ist auch durch die Einführung von § 354 a HGB nicht wesentlich verändert worden. Denn das Interesse des Schuldners, nur dem ursprünglichen Gläubiger zu haften, wird durch die Regelung in § 354 a S. 2 HGB gewahrt, wonach der Schuldner anders als im Falle des § 407 BGB selbst dann mit schuldbefreiender Wirkung an den Zedenten leisten darf, wenn er die Abtretung kennt. 102 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass 97

Vgl. Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, II. Band. 1889, S. 67. 98 Langenbucher, BKR 2004, 333, 334. 99 Mugdan (oben Fn. 97), S. 67. 100 Mugdan (oben Fn. 97), S. 573. - Zum Abtretungsausschluss in der Gesetzgebungsgeschichte Hadding/van Look, WM 1988, Beilage 7, S. 2,16 f. 101 Zur Rechtsgeschichte und Dogmatik von § 399 Alt. 2 BGB vgl. Berger, Rechtsgeschäftliche Verftigungsbeschränkungen, 1998, S. 226 ff. 102 Vgl. Saar, ZIP 1999, 988, 992.

Bankgeheimnis und Abtretungsausschluss

135

konkludent vereinbarte Abtretungsverbote gerade im bankrechtlichen Bereich keineswegs die Ausnahme, sondern, nämlich beim Girokonto, umgekehrt sogar die Regel sind. Denn die Unabtretbarkeit kontokorrentgebundener Forderungen 103 folgt aus der Einstellung der Forderungen in das kaufmännische Kontokorrent, also aufgrund der Kontokorrentabrede 104 und deshalb, weil die Kontokorrentabrede diese Rechtswirkung nicht ausdrücklich bestimmt, aus einem stillschweigend vereinbarten Abtretungsausschluss. 105

4.

Unbeachtlichkeit einer einem Abtretungsausschluss entgegenstehenden Absicht der Bank

Im Schrifttum ist vielfach etwas undeutlich davon die Rede, ein vertraglicher Abtretungsausschluss erfordere einen entsprechenden rechtsgeschäftlichen Willen, an dem es aber auf Seiten des Kreditinstituts regelmäßig fehle, weil die Bank stets die Absicht habe, ihre Forderungen zum Zwecke der Refinanzierung und Risikoentlastung in banküblicher Weise einzusetzen 106 („Tatfrage" 107 ). Demgegenüber ist daran zu erinnern, dass es für die Wirksamkeit einer rechtsgeschäftlichen Erklärung (hier: der darlehensvertraglichen Erklärung der Bank) nicht darauf ankommt, ob der Erklärende eine bestimmte Rechtswirkung der Erklärung (hier: den Abtretungsausschluss) will. Für die Wirksamkeit der Erklärung reicht es vielmehr hin, dass dem Erklärenden bewusst ist, überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben. Ein Irrtum über den objektiven Inhalt der Erklärung (hier: über den Inhalt von Nr. 2 AGB Banken) verhindert die Wirksamkeit der Erklärung nicht. Erinnert sei zudem an die - freilich angreifbare 108 - Rechtsprechung des BGH, dass es unter gewissen Umständen - und zwar auch bei schlüssigem Verhalten, ja

103 BGHNJW 1985, 1219. 104 Canaris (oben Fn. 33), § 27 II S. 471; a.A. K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 21 III, S. 622: kraft Gesetzes. 105 BGH ZIP 2002, 1488, 1490; Bruchner, BKR 2004, 394, 395; Bütter/Tonner, ZBB 2005, 165, 169 mit Fußnote 36; Koller/Roth/Morck (oben Fn. 31), § 354 a Rn. 1. 106 Bruchner, BKR 2004, 394, 396; Brandt, BKR 2005, 71, 72; Butter/Aigner,

2005, 119, 121 f. 107 Langenbucher, BKR 2004, 333,334. 108 Canaris, NJW 1984,2281; Singer, JZ 1989, 1030.

BB

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136

sogar bei beredtem Schweigen - nicht einmal auf dieses Erklärungsbewusstsein ankommt. 109 Demnach ist ausschließlich maßgeblich, was die Bank bei Abschluss des die allgemeinen Bankbedingungen einschließenden Darlehensvertrags objektiv erklärt hat, nicht aber, was sie erklären wollte.

5.

Keine fehlende Schutzbedürftigkeit

des

Bankkunden

Wenig hilfreich ist schließlich das Argument, es bedürfe eines Abtretungsverbots nicht, weil j a der Kunde aus der Verletzung der Nebenpflicht, das Bankgeheimnis zu wahren, einen Schadensersatzanspruch 110 gegen den Zedenten geltend machen könne ( § 2 8 0 BGB)" 1 und ihm überdies ein Unterlassungsanspruch zustehe, der es ihm ermögliche, wenn eine solche Verletzung drohe, vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz gegen die Abtretung zu begehren, weshalb er gegen die Verletzung des Bankgeheimnisses umfassend geschützt sei." 2 Wollte man es mit diesem Hinweis bewenden lassen, könnte das Bankgeheimnis erheblich an Gewicht verlieren, weil die Institute in der Rechtspraxis des Abtretungsgeschäfts bei Verstößen kaum einmal mit einer Sanktion rechnen müssten und deshalb übermäßig versucht sein könnten, ihre eigenen geschäftlichen Interessen über das Geheimhaltungsinteresse ihrer Kunden zu stellen und den Pflichtenverstoß im Abtretungsgeschäft in ihre Geschäftsmodelle aufzunehmen. Zwar ist unbestreitbar, dass dem Kunden dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch entsteht, wenn die Bank das Bankgeheimnis verletzt. Der in § 249 Abs. 1 BGB geregelte Anspruch auf Naturalrestitution fuhrt jedoch nicht weiter. Denn die Abtretung kann der Zedent nur unter Mithilfe des Zessionars rückgängig machen und der Geheimnisverrat dürfte ohnehin kaum heilbar sein." 3 Ein

109 BGHZ 91, 324, 327; 109, 171, 177; BGH NJW 1995, 953 (schlüssiges Verhalten); NJW 2002, 3629. 110 Vgl. BGHZ 27, 241, 246 f. 111 Vgl. LG Frankfurt BKR 2005,67, 70; LG Koblenz WM 2005, 30, 32.

112 Brandt, BKR 2005, 71, 72; Klüw er/Meister, WM 2004, 1157, 1159; dies., WuB I B.3.-1.04, S. 725. 113 Gegebenenfalls kann der Bankkunde von dem Kreditinstitut verlangen, dass dieses den Zessionar veranlasst, Abschriften mit Kundendaten zwecks Vernichtung herauszugeben oder Kundendaten in Dateien zu löschen, vgl. RGZ 94, 3; Palandt/Heinrichs (oben Fn. 45), § 253 Rn. 3.

Bankgeheimnis und Abtretungsausschluss

137

Schadensersatz in Geld steht dem Kunden meist nicht zu, weil er aus diesem Verrat in aller Regel - beispielsweise wenn die abgetretene Forderung ordentlich bedient wird - keinen Vermögensschaden erleidet. 114 Und auch ein Ersatz eines denkbaren Nichtvermögensschadens des Kunden kommt wohl kaum in Betracht." 5 Zudem trifft es zwar zu, dass die Rechtsprechung dem Gläubiger aus § 280 BGB einen Unterlassungsanspruch gibt, solange die Verletzungshandlung oder ein pflichtwidrig geschaffener Zustand andauert." 6 Und es lässt sich vielleicht sogar vertreten, dass es vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz sogar schon bei einer drohenden Pflichtverletzung gibt." 7 Damit ist aber weder der Bank noch dem Kunden gedient. Der Kunde kann mit diesen Rechten meist nichts anfangen, weil er von einer bevorstehenden Abtretung regelmäßig keine Kenntnis hat. Und auch der Bank hilft ein Unterlassungsanspruch des Kunden nicht weiter, weil damit die Gefahr erwächst, dass der Kunde immer dann, wenn er von der geplanten Abtretung erfahrt, sie blockiert. Nimmt man dies alles zusammen und bedenkt man zudem, dass sich der Kunde einer infolge einer Abtretung geschehenden Preisgabe seiner Daten auch nicht durch eine Kündigung der Geschäftsverbindung" 8 entziehen kann, besteht die Gefahr, dass die Bank das Bankgeheimnis durch Abtretung einer Forderung gegen ihren Kunden und eine anschließende Weitergabe seiner Daten gemäß § 402 BGB rechtsfolgenlos verletzen kann. Im Schrifttum wird nun vorgetragen, die Vereinbarung, das Bankgeheimnis zu wahren, und ein Ausschluss der Abtretbarkeit einer Bankforderung seien zwei unterschiedliche rechtsgeschäftliche Abreden, deren erste die zweitgenannte deshalb keineswegs denknotwendig bedinge; zudem berühre eine eventuelle Nichtigkeit der Verpflichtung zur Weitergabe der Daten aus dem einer Transaktion zugrundeliegenden Rahmenkaufvertrag die Wirksamkeit der Abtretung nicht." 9 Dieser Auffassung ist grundsätzlich zu folgen. Bedenkt man indes 114 Rogner, NJW 2004, 3230, 3232; Freitag, EWiR § 3 9 9 BGB 1/04, 742; KlüwerfMeister, WM 2004, 1157, 1159; Hofmann/Walter, WM 2004, 1566, 1572; Bütter/Tormer, ZBB 2005, 165, 171; Eck!, DZWiR 2004, 221, 226. 115 Vgl. Bütter/Tonner, ZBB 2005, 165, 171 unter Verweis auf OLG Frankfurt WM 1988, 154, 160. 116 BGH NJW 1995, 1284, 1285; Palandt/Z/e/w-jcAy (oben Fn. 45), § 2 8 0 Rn. 33. 117 Vgl. Toth-Feber/Schick, ZIP 2004, 491, 494; Brandt, Β KR 2005, 71, 72. 118 Hierzu Jobe, ZIP 2004, 2415, 2418; Klüwer/Me ister, WM 2004, 1157, 1159. 119 Stiller, ZIP 2004, 2 0 2 7 , 2 0 3 0 .

Horst Hammen

138

noch einmal, dass die Verletzung der Nebenpflicht, die Kundendaten geheimzuhalten, für das Kreditinstitut häufig schuldrechtlich rechtsfolgenlos bleiben wird, womit dann auch jeder zivilrechtliche Anreiz fehlt, das Bankgeheimnis zu wahren, könnte man durchaus auf den Gedanken verfallen zu meinen, die Effektivität der Vereinbarung über das Bankgeheimnis 120 werde am besten durch einen in diese Vereinbarung hinein zu interpretierenden Abtretungsausschluss gewährleistet, weil dann ja jede rechtliche Grundlage für eine Weitergabe der Kundendaten gemäß § 402 BGB fehlt. Eine solche Auslegung ist keineswegs illegitim, weil es anerkannt ist, bei der Auslegung das mit einer Vereinbarung angestrebte Ziel mit in den Blick zu nehmen. 121 Das erlaubt es dann auch, um das mit der Abrede Gewollte zu erreichen, dieser Abrede über die in ihr ausdrücklich angestrebten Rechtswirkungen hinaus die Bestimmung zusätzlicher Rechtsfolgen zu entnehmen. 122

IV. M ö g l i c h k e i t e n der Abtretung von Bankforderungen 1.

Auslegung von Nr. 2

AGB-Banken

Wenn ich nun einen eigenen Vorschlag entwickeln soll - und dieser Vorschlag soll für die Abtretung notleidender wie bedienter Forderungen gleichermaßen gelten, gleichgültig ob sie gegenüber Kaufleuten oder Nichtkaufleuten bestehen! - , möchte ich zunächst noch einmal daran erinnern, dass ich eine vom Gesetz und der bankvertraglichen Vereinbarung abgelöste Abwägung der Interessen von Bank und Bankkunde bezüglich der Abtretbarkeit von Bankforderungen, wie sie auch bei bedienten Forderungen vorgenommen wird, 123 für untunlich halte. Ausgangspunkt der Betrachtung muss vielmehr die vertragliche Abrede zwischen Kreditinstitut und Bankkunde, bei Verträgen mit Geschäftsbanken also Nr. 2 Abs. 1 AGB-Banken sein. Für die Auslegung der in diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen

120 Vgl. hierzu im vorliegenden Zusammenhang Langenbucher, BKR 2004, 333, 334. 121 BGHZ 109, 19,22. 122 Vgl. BGHZ 2, 379, 385. - Und das ist dann keine ergänzende Auslegung, wie sie von Klüwer/Meister, WuB I B.3.-1.04, S. 725 und Sester/Glos, DB 2005, 375 Fußnote 4 verworfen wird. 123 Langenbucher, BKR 2004, 333, 334.

Bankgeheimnis und Abtretungsausschluss

139

Erklärung der Bank ist auf den „Horizont" und auf die Verständnismöglichkeiten des Erklärungsempfangers, also des Bankkunden, abzustellen, und zwar auch dann, wenn der Erklärende seine Erklärung anders verstanden hat und auch verstehen durfte; der empirische Wille des Erklärenden ist unmaßgeblich. 124 Dabei ist zunächst bedeutsam, dass Nr. 2 Abs. 1 AGB-Banken in Satz 1 das Bankgeheimnis grundsätzlich uneingeschränkt garantiert. Dem Bankkunden bleibt unerkennbar, dass das Institut seine Forderungen gegebenenfalls unter Preisgabe der Kundendaten abtreten können möchte. Zwar ist der Erklärungsempfanger gehalten, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat. 125 Aber welcher rechtlich nicht vorgebildete Durchschnittskunde - und die Verständnismöglichkeiten eines solchen Kunden sind der Maßstab für die bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorzunehmende „objektive" Auslegung 126 - kann bei der Lektüre von Nr. 2 AGB-Banken eigentlich erkennen, dass die Kreditinstitute ein Interesse daran haben, notleidende und nichtnotleidende Forderungen im Wege der Zession verwerten zu können? Die uneingeschränkte Gewährleistung des Bankgeheimnisses in Nr. 2 Abs. 1 S. 1 AGB-Banken ist nun keineswegs ein unverbindlicher Programmsatz. Vielmehr verpflichtet sich das Institut, die Kundendaten geheimzuhalten, es sei denn, es liege eine der in Nr. 2 Abs. 1 S. 2 AGBBanken geregelten Ausnahmen (Pflicht zur Weitergabe aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, Einwilligung des Kunden, Befugnis zur Erteilung einer Bankauskunft) vor. Wie anders kann es der Bankkunde verstehen, wenn es etwa in Nr. 1 Abs. 1 S. 2 AGB-Sparkassen heißt: „Der Kunde kann sich darauf verlassen, dass die Sparkasse das Bankgeheimnis wahrt". Weitere Ausnahmetatbestände kann ein durchschnittlicher Bankkunde aus Nr. 2 Abs. 1 AGB-Banken nicht herauslesen. Das gilt umso mehr, als es den Kreditinstituten freigestanden hat und auch künftig freisteht - und davon wird neuerdings ja auch Gebrauch gemacht - , im Rahmen der Vorschriften über die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen solche Ausnahmen in den AGB-Banken zu verankern. Nach dem vorstehend Ausgeführten gleichwohl noch möglicherweise vorhandene Zweifel bei der Auslegung von Nr. 2 Abs. 1 AGB-Banken gehen zu Lasten der Institute (§ 305c Abs. 2 124 ?d\and\JHeinrichs (oben Fn. 45), § 133 Rn. 9. 125 BGHNJW 1981,2296. 126 Palmdt/Heinrichs (oben Fn. 45), § 305c, Rn. 16.

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BGB). Gewichtet man schließlich, dass diese Regel, wollte man ihr entnehmen, die Institute dürften bei der Entlastung ihrer Bilanz durch Forderungstransaktionen Kundendaten weitergeben, auch für einen aufmerksamen Vertragspartner undurchschaubar wäre - und deshalb gegen das Gebot verstoßen würde, die Rechte des Bankkunden möglichst klar darzustellen (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) 127 - , kann es den Banken nicht ohne weiteres gestattet werden, bei einer Forderungstransaktion Kundendaten an den Zessionar weiterzugeben. Das wirft die Frage auf, wie dieser j a zunächst nur die schuldrechtliche Pflicht auf Wahrung des Bankgeheimnisses betreffende Befund auf die dinglich wirkende Abtretung durchschlägt. Entschließt sich die Bank zu einer Transaktion unter vollständigem Ausschluss der Weitergabe von Kundendaten, scheidet eine Verletzung dieser Pflicht von vorneherein aus. Das ist etwa der Fall, wenn die dispositive Vorschrift in § 402 BGB abbedungen wird. Dann besteht, weil das Bankgeheimnis uneingeschränkt gewahrt ist, kein Anlass zu prüfen, ob der Grundsatz der Effektivität es erfordert, in die bankvertragliche Vereinbarung einen Abtretungsausschluss hineinzuinterpretieren. Mithin sind beispielsweise alle Transaktionen ohne weiteres wirksam, bei denen das Institut fur die Einziehung der Forderungen zuständig bleibt. 128 Anders liegen die Dinge indes, wenn die Bank bei der Abtretung die Kundendaten preisgeben will. Zwei Fälle sind zu unterscheiden: die Abtretung an ein anderes Kreditinstitut und die Abtretung an ein Nichtbankunternehmen. Im letztgenannten Fall legt der Gedanke der Sicherung des Bankgeheimnisses die Annahme eines Abtretungsverbots und damit die Unanwendbarkeit von § 402 BGB nahe. Dies darf nicht nur, wie es in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt ist,129 in den Fällen gelten, in denen die Forderung an einen Konkurrenten des Bankkunden abgetreten werden soll, sondern muss auch Zessionen an andere

127 Vgl. BGH NJW 2001, 2014, 2016; Heinrichs (oben Fn. 45), Rn. 17. 128 Hofmann/Walter, WM 2004, 1566, 1572; Klüwer/Meister, WM 2004, 1158; Koberstein-Windpassinger, WM 1999, 473, 478; Langenbucher, 2004, 333, 334; Rogner, NJW 2004, 3230, 3232; Stiller ZIP 2004, 2027, Theewen, WM 2004,105, 113; Früh, WM 2000,497, 501. 129 LG Lüneburg ZVI 2003, 162; Langenbucher, BKR 2004,333,334.

§307 1157, Β KR 2029;

Bankgeheimnis und Abtretungsausschluss

141

beliebige Dritte betreffen, 130 andernfalls das Bankgeheimnis weitreichend entwertet wäre. Denn der Zessionar ist durch die dem Zedenten obliegenden Nebenleistungspflichten nicht gebunden, weil diese Pflichten bei einer Abtretung beim Zedenten verbleiben, es sei denn, sie werden vom Zessionar übernommen. Etwas anderes mag gelten, wenn der Kredit wie in dem vom LG Koblenz entschiedenen Fall 131 als Schuldscheindarlehen ausgereicht wird. Solche Schuldscheindarlehen werden häufig ähnlich wie Anleihen an liquiden Märkten gehandelt. Darum ist bei dieser Form der Kreditvergabe die Weitergabe von Daten des Darlehensnehmers regelmäßig angelegt, weswegen er mit dieser Weitergabe auch rechnen muss. Mithin kann in seine Bereitschaft, ein Schuldscheindarlehen zu akzeptieren, eine Einwilligung in die Weitergabe der Daten hineininterpretiert werden. 132

2.

Abtretung an

Kreditinstitute

Tritt die Bank ihre Forderungen an ein anderes Kreditinstitut ab, scheidet in der Mehrzahl der Fälle, nämlich im Massengeschäft, ein durch Auslegung zu ermittelndes Abtretungsverbot aus. Zu diesem Ergebnis gelangt man, wenn man sich vor Augen fuhrt, dass hier der Zessionar in gleicher Weise durch das Bankgeheimnis gebunden ist wie der Zedent, und wenn man einmal andenken möchte, dass er in gleicher Weise wie jener hinsichtlich der Wahrung dieses Geheimnisses im Rahmen der Missstandsaufsicht nach § 6 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 KWG aufsichtsrechtlicher Überwachung unterfallen könnte. 133 Freilich bedarf diese Bindung einer näheren Begründung. Denn der Zessionar

130 Langenbucher, BKR 2004, 333, 334.; vgl. auch Jobe ZIP 2004, 2415, 2420; Koberstein-Windpassinger, WM 1999, 473, 481; Bütter/Tonner, ZBB 2005, 165, 171. 131 LG Koblenz WM 2005, 30. 132 Brandt, BKR 2005, 71, 72. 133 Jedenfalls hat sich die BaFin (bzw. das BAKred) in den Rundschreiben 4/97 zur Veräußerung von Kundenforderungen im Rahmen von Asset-Backed-SecuritiesTransaktionen vom 19.3.1997 und 11/2001 zur Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen gemäß § 25 a Abs. 2 KWG vom 6.12.2001 auch zum Bankgeheimnis aufsichtsrechtlich geäußert. Zu der Verbindung mit § 6 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 KWG vgl. Koberstein-Windpassinger, WM 1999, 473, 474.

142

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übernimmt ja nicht das gesamte, mit dem Bankkunden begründete Rechtsverhältnis mitsamt den aus ihm entspringenden Pflichten, 134 sondern eben nur die Forderung. Zwar scheidet eine Pflichtbegründung nach §311 Abs. 2 Nr. 3 BGB aus, weil der Erwerb einer Forderung kaum als die Begründung eines „ähnlichen geschäftlichen Kontakts" im Sinne dieser Vorschrift mit dem Schuldner begriffen werden kann, und die Pflicht, das Bankgeheimnis zu wahren, überdies keine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB), sondern eine Nebenleistungspflicht ist. Wohl aber darf von einer die Zession begleitenden stillschweigenden Abrede der auf die Wahrung des Bankgeheimnisses bedachten Bank mit dem Zessionar zugunsten des Schuldners gemäß § 328 Abs. 1 BGB ausgegangen werden. Wenn nun die Abtretung von Bankforderungen aus dem Massengeschäft an ein Kreditinstitut zulässig sein soll, darf man sich nicht mit dem gelegentlich zu lesenden Argument begnügen, dem Geheimhaltungsinteresse des Bankkunden werde bereits dadurch Rechnung getragen, dass das erwerbende Kreditinstitut in gleichem Maße zur Verschwiegenheit verpflichtet sei wie die zedierende Bank. 135 Denn auch bei einer solchen Transaktion bleibt es erstens dabei, dass der Zedent ein Geheimnis einem Dritten preisgibt, das er strikt zu hüten versprochen hat; 136 ein Geheimnis, in das ein Dritter eingeweiht wird, ist zur Hälfte schon kein Geheimnis mehr. Dies gilt umso mehr, als keineswegs garantiert ist, dass dieses Geheimnis bei dem Dritten verbleibt. Denn die Forderungsverwerter behalten es sich vor, die an sie zedierten Forderungen an Vierte weiter zu übertragen. 137 Zudem ist es zweitens in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu §§ 203 StGB, 134 BGB anerkannt, dass eine Offenbarungsbefugnis nicht schon daraus folgt, dass auch der Empfänger schweigepflichtig ist.138

134 Andernfalls eine Einwilligung des Bankkunden unabdingbar wäre (Hofmann/ Walter, WM 2004, 1566, 1569; Toth-Feber/Schick ZIP 2004, 491; Schilmar/ Breiteneicher/Wiedenhofer, DB 2005, 1367, 1369). 135 Langenbucher, BKR 2004, 333, 334; Freitag, EWiR § 399 BGB 1/04, 742; Bruchner, BKR 2004, 394, 396. 136 Cohn, WM 2004, 2041, 2047. 137 Vgl. Bomhard/Kessler/Dettmeier, BB 2004, 2085, 2090; Hofinann/Walter, WM 2004, 1566, 1570. 138 BGHZ 115, 128 f.; 116, 272; Schönke/Schröder/IencW (oben Fn.57), § 2 0 3 Rn. 21.

Bankgeheimnis und Abtretungsausschluss

143

An dieser Stelle ist in den Blick zu nehmen, dass bei der Ermittlung des Inhalts vertraglicher Erklärungen nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen, 139 sondern auch eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung geboten ist. 140 Legt man diese Maßstäbe bei der Auslegung von Nr. 2 Abs. 1 AGBBanken an, muss die Interessenlage eines durchschnittlichen Bankkunden im Massengeschäft bedacht werden. Sucht ein solcher Kunde beispielsweise einen Kredit, geht es ihm vornehmlich darum, möglichst günstige Vertragskonditionen zu erzielen. 141 Auf die Person des Bankiers wird es ihm eher weniger ankommen. Deshalb ist der Kunde vielfach bereit, bei einer Kreditaufnahme die Bindung an seine Hausbank aufzugeben. Damit geht seine Bereitschaft einher, seine persönlichen Daten prinzipiell jedem Kreditinstitut anzuvertrauen. Es kommt ihm also nicht auf die Wahrung des Bankgeheimnisses durch eine ganz bestimmte Bank an. Vielmehr ist es ihm lediglich wichtig, dass seine Daten nicht „zu Markte getragen werden". Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu den Rechtsbeziehungen eines Mandanten mit seinem Rechtsanwalt oder eines Patienten mit seinem Arzt, die - weil sie meist höchstpersönlicher Natur sind - nicht zu den Massengeschäften gezählt werden können, bei denen es vielmehr nicht nur um sensiblere Daten geht, sondern durch die auch ein besonderes Vertrauensverhältnis entsteht, das die Person des Leistenden und seine Leistung nicht ohne weiteres als austauschbar erscheinen lässt. Mithin wird der Bankkunde seine Interessen auch dann als gewahrt ansehen, wenn seine Daten von dem Kreditgeber gemäß § 402 BGB an einen ebenfalls durch das Bankgeheimnis gebundenen Zessionar weitergegeben werden, wenn die Daten also, wie es eine Mitarbeiterin der BaFin so treffend formuliert hat, „in der Familie bleiben". 142 Mit einem solchen von der Person des Geheimnisträgers abstrahierenden Bankgeheimnis scheint es mir vereinbar zu sein, dass Bankforderungen aus dem Massengeschäft auf andere Kreditinstitute übertragen werden können. Anders liegen die Dinge indes, wenn die Bankforderung nicht aus dem Massengeschäft stammt. Wenn etwa ein vermögender Bankkunde aus Griin139 BGHZ 2, 385; 20, 110; Pa\aadV Heinrichs (oben Fn. 45), § 133 Rn. 18. 140 BGH NJW 2000, 2508; NJW 2002, 747; PalandtIHeinrichs (oben Fn. 45), § 133 Rn. 18. 141 Vgl. im vorliegenden Zusammenhang Stiller, ZIP 2004, 2027, 2031. 142 Koberstein-Windpassinger, WM 1999,473,481.

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den der Geheimhaltung seiner geschäftlichen Aktivitäten, seine Bankgeschäfte mit Bedacht auf mehrere Kreditinstitute aufteilt und wenn dann die Abtretung der Forderung dazu fuhren könnte, dass eines dieser Institute diese Aufteilung bemerkt, wird man aus Gründen der Effektivität des Bankgeheimnisses von einem Abtretungsverbot ausgehen müssen.

V.

Zusammenfassung

1. Bankforderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften und notleidende Forderungen dürfen bei der Behandlung der Frage, ob der in Nr. 2 Abs. 1 AGB-Banken enthaltenen Abrede über die Wahrung des Bankgeheimnisses ein vertraglicher Abtretungsausschluss entnommen werden kann, keinesfalls ausgeklammert werden. 2. Das aus der strafrechtlichen Bestimmung in § 203 StGB hergeleitete gesetzliche Verbot (vgl. § 134 BGB) der Abtretung von Forderungen mancher Hüter intimer Geheimnisse kann nicht auf die Abtretung durch das Bankgeheimnis geschützter Bankforderungen erstreckt werden. 3. Für eine Abtretbarkeit solcher Forderungen trotz des Bankgeheimnisses können weder die in § 25 a Abs. 2 KWG fixierten Regelungen zur Auslagerung von Bereichen eines Kreditinstituts noch ein einem Abtretungsausschluss entgegenstehender, empirisch feststellbarer innerer Wille der betreffenden Bank noch gar ein angeblich ausreichender Schutz des Bankgeheimnisses durch Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüche des Kunden ins Feld gefuhrt werden. Vielmehr kann eine an dem Ziel der Abrede über die Wahrung des Bankgeheimnisses ausgerichtete Auslegung dazu fuhren, dieser Abrede eine Vereinbarung über den Ausschluss der Abtretung von Bankforderungen zu entnehmen. 4. Desungeachtet sind Zessionen von Bankforderungen wirksam, wenn dabei die Weitergabe von Kundendaten an den Zessionar ausgeschlossen ist. Nicht zu beanstanden ist zudem die Abtretung von Bankforderungen aus dem Massengeschäft an ein anderes ebenfalls durch das Bankgeheimnis gebundenes Kreditinstitut. 5. In der Zukunft sollte eine befriedigende Lösung des Spannungsfeldes zwischen Bankgeheimnis und Forderungsabtretung in den AGB-Banken möglich sein.

Distressed Debt Trading - Handel mit notleidenden Krediten unter besonderer Berücksichtigung von Bankgeheimnis und aufsichtsrechtlichen Anforderungen Arne Wit tig Chefsyndikus Deutschland/Zentraleuropa der Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main

I.

Einleitung 1. Entwicklung des Marktes 2. Motive der Handelspartner 3. Transaktionsstrukturen a) Synthetische Transaktionen b) Spaltung c) True Sale - Unterbeteiligung und Abtretung/Vertragsübemahme

II.

Bankaufsichtsrechtliche Anforderungen 1. Voraussetzungen der aufsichtsrechtlichen Bilanzentlastung 2. Erwerb notleidender Kredite als Bankgeschäft a) Abgrenzung zwischen Forderungserwerb und Kreditgeschäft b) Grenzüberschreitendes Kreditgeschäft 3. Einsicht in Kreditnehmerinformationen als aufsichtsrechtliche Verpflichtung

III. Bankgeheimnis und Datenschutz 1. Vertraulichkeitspflichten aufgrund des Bankgeheimnisses 2. Vertraulichkeitspflichten aufgrund Bundesdatenschutzgesetz 3. Bankgeheimnis und Bundesdatenschutzgesetz als Wirksamkeitshindernisse für den Handel mit notleidenden Krediten? a) Unwirksamkeit der Abtretung nach § 134 BGB b) Stillschweigend vereinbartes Verbot der Abtretung c) Zwischenergebnis 4. Schadensersatz bei Verletzung des Bankgeheimnisses 5. Wahrung der Vertraulichkeitsverpflichtungen zur ordnungsgemäßen Durchführung der Bankgeschäfte 6. Reichweite und Schranken von Bankgeheimnis und Datenschutz bei notleidenden Krediten a) Darlehensforderungen gegen insolvente Kreditnehmer b) Darlehensforderungen nach Kündigung oder bei Nichtzahlung trotz Fälligkeit

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Arne Wittig c) Darlehensforderungen bei Kündbarkeit wegen Zahlungsverzug oder wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse d) Darlehensforderungen aus gewerblichen Krediten e) Sonstige Darlehensforderungen 7. Anforderungen an die Rechtswirksamkeit (vorformulierter) Asset-TradingKlauseln

IV. Ausblick

Seit wenigen Jahren beschäftigt ein neues Phänomen die deutsche Kreditwirtschaft: In der Vergangenheit hatten Kreditinstitute Darlehen grundsätzlich gewährt, um sie für die gesamte Laufzeit in den eigenen Büchern zu halten, und dabei unvermeidlich in Kauf genommen, in einer finanziellen Krise des Kreditnehmers selbst die Sanierung betreuen und bei einer Insolvenz die Abwicklung des Kreditengagements selbst durchführen zu müssen. Nunmehr finden sich aber zahlreich und zunehmend institutionelle Investoren (vielfach aus dem Ausland), die bereit sind, von den Kreditinstituten notleidende Kredite entgeltlich zu übernehmen, und Kreditinstitute sind vermehrt bereit, diese Gelegenheiten zum Ausstieg aus den notleidenden Engagements zu nutzen. Ein reger Handel mit notleidenden Krediten, bezeichnet als distressed debt trading oder auch als Handel mit non-performing loans bzw. impaired debt, ist entstanden. Eine irgendwie geartete Beschränkung der Handelsgegenstände, also z.B. ausschließlich auf gekündigte Darlehen, oder eine daraus folgende exakte Eingrenzung der „notleidenden Kredite" ist nicht feststellbar; 1 denn kennzeichnend für die Transaktionen ist nur, dass wegen wirtschaftlicher Probleme beim Darlehensnehmer (oder gelegentlich auch nur in seiner Branche oder Region) die Darlehen vom Erwerber zu einem Preis übernommen werden, der zum Teil erheblich (z.B. bei insolventen Darlehensnehmern), zum Teil aber auch nur geringfügig (sog. near-par debt) unter dem Nominalbetrag der ausstehenden Darlehensforderung liegt. 1

Versuche einer Kategorienbildung z.B. bei Hofmann/Walter, Die Veräußerung notleidender Kredite - aktives Risikomanagement der Bank im Spannungsverhältnis zwischen Bankgeheimnis und Datenschutz, WM 2004, 1566, 1568. Zur Problematik der Eingrenzung v. Sivers, Der Handel mit Not leidenden Forderungen, ZInsO 2005, 290; Schilmar/Breiteneicher/Wiedenhofer, Veräußerung notleidender Kredite - Aktuelle rechtliche Aspekte bei Transaktionen von NonPerforming Loans, DB 2005,1367.

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Dieser Handel mit notleidenden Krediten hat nicht nur die Aufmerksamkeit der Tagespresse 2 gefunden, sondern ist auch in der juristischen Literatur3 vielfach diskutiert worden und war Gegenstand erster Gerichtsentscheidungen. 4 Sowohl die Urteile als auch die meisten juristischen Veröffentlichungen beschäftigten sich vor allem mit der Frage, ob und unter welchen

2

3

4

So z.B. Börsenzeitung v. 17.9.2003, Nr. 179, S. 18: „Rechtsprobleme bei Übertragung von Kreditportfolien sind lösbar ...."; manager magazin 8/2003, S. 72: „Unter Geiern"; Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.09.2004: „In Deutschland kommt der Handel mit Krediten in Fahrt"; FAZ v. 17.9.2004: „Hypo Real Estate verkauft milliardenschweres Kreditpaket". Cahn, Bankgeheimnis und Forderungsverwertung, WM 2004, 2041 ff.; Butter/ Aigner, Sieg der Vernunft: Notleidende Darlehensforderungen sind abtretbar, BB 2005, 119 ff.; Bütter/Tonner, Übertragung von Darlehensforderungen und Bankgeheimnis, ZBB 2005,165 ff.; Bruhns/Jäger, Verkäufergarantien bei NPLTransaktionen, ZBB 2005, 207 ff.; Bruchner, Kein stillschweigender Abtretungsausschluss bei Bankforderungen, BKR 2004, 394 ff.; Bomhard/Kessler/ Dettmeier, Wirtschafts- und steuerrechtliche Gestaltungsfragen bei der Ausplatzierung Not leidender Immobilienkredite, BB 2004, 2085 ff.; Hofmann/ Walter, WM 2004, 1566 ff.; Nobbe, Bankgeheimnis, Datenschutz und Abtretung von Darlehensforderungen, WM 2005, 1537 ff.; Kristen/Kreppel, NPLTransaktionen aus Sicht des Verkäufers - Risiken und Lösungsansätze, BKR 2005, 123 ff.; Kuder, Bankgeheimnis als Abtretungsverbot?, ZInsO 2004, 903 ff.; Kessler/ Schlage, German banks caught in bad-loan trap, IFLR 2004, 49 ff.; Klüwer/Meister, Forderungsabtretung und Bankgeheimnis, WM 2004, 1157 ff.; Hamberger/Diehm, Veräußerung von Non-Performing Loans: Motive, Auswirkungen, Lösungsansätze, Die Bank 2004, 182 ff.; Heemann/Grieser, Die Abtretung von Grundschulden beim Verkauf notleidender Kredite, Syndikus 2003, 22 ff.; Langenbucher, Bankgeheimnis und Kapitalmarktfähigkeit von Kreditportfolios, BKR 2004, 333 ff.; Rinze/Heda, Non-Performing Loans und Verbriefungs-Transaktionen, Bankgeheimnis, Datenschutz, § 203 StGB und Abtretung, WM 2004, 1557 ff.; Rogner, Bankgeheimnis im Spannungsverhältnis mit dem Kapitalmarktrecht?, NJW 2004, 3230 ff.; Sester/Glos, Wirksamkeit der Veräußerung notleidender Darlehensforderungen durch Sparkassen: Keine Verletzung von Privatgeheimnissen gem. § 203 StGB; DB 2005, 375 ff.; Schilmar/ Breiteneicher/Wiedenhofer, DB 2005, 1367 ff.; v. Sivers, ZInsO 2005, 290 ff.; Τbth-Feher/Schick, Distressed Opportunities - Rechtliche Probleme beim Erwerb notleidender Forderungen von Banken, ZIP 2004, 499 ff.; Wittig, Distressed Loan Trading - Chance oder Risiko?, NZI-Editorial 11/2004. OLG Frankfurt v. 25.05.2004 - 8 U 84/04, WM 2004, 1386 ff.; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.12.2004 - 2/21 Ο 96/02, WM 2005, 1120 ff.; LG Koblenz v. 25.11.2004 - 3 Ο 496/03, ZIP 2005, 21 ff.

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Voraussetzungen die Veräußerung notleidender Kredite durch deutsche Kreditinstitute mit den Vertraulichkeitspflichten aufgrund des Bankgeheimnisses und der datenschutzrechtlichen Regelungen vereinbar ist. Noch nicht im Mittelpunkt der Überlegungen standen bisher die aufsichtsrechtlichen Anforderungen und Schranken für das distressed debt trading. Im folgenden soll zunächst ein Überblick zur tatsächlichen Ausgestaltung des Handels mit non-performing loans gegeben werden, um dann insbesondere Fragen des Aufsichtsrechts und des Bankgeheimnisses, die sich beim distressed debt trading stellen, zu erörtern.

I.

Einleitung

1. Entwicklung des Marktes Der Handel mit non-performing loans hat seinen Ursprung in den USA. Dort hatte sich bei den sog. Savings & Loans, einer Art Bausparkassen, in den achtziger Jahren ein riesiges Portfolio notleidender Immobilienfinanzierungen angesammelt, die in einer Krise dieses gesamten Sektors der US-amerikanischen Kreditwirtschaft resultierte. Als Reaktion auf diese Krise wurden, mit staatlicher Intervention durch die Resolution Trust Corporation, im großen Maßstab (rd. US$ 800 Mrd.) die problematischen Immobiliendarlehen an spezialisierte Investoren veräußert, die die Portfolien professionell abarbeiteten.5 Einige dieser Investoren haben dann mit den daraus gewonnenen Erfahrungen den Schritt in die internationalen Märkte gewagt und zunächst vor allem in der Asienkrise Ende der neunziger Jahre in Japan, Südkorea und anderen asiatischen Staaten notleidende Kredite in großem Umfang erworben,6 bis hin zum Erwerb von kompletten, durch ihr non-performing Kreditportfolio in der Existenz bedrohten Kreditinstituten.7 Diese institutionellen Investoren sind seit circa 2000 auch im deutschen Markt auf der Suche nach Investitionsmöglichkeiten in notleidende Kredite gewesen. Nach zögerlichem Beginn, als zunächst von abgabewilligen Kredit-

5 6 7

Dazu Hofmann/Walter, WM 2004,1566 f. Dazu Jakubik, How to dispose of non-performing loans, IFLR 2001,73 ff. Z.B. Erwerb der japanischen Tokyo Sowa Bank durch Lone Star Ende 2000/ Anfang 2001, mittlerweile umbenannt in Tokyo Star Bank.

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instituten einzelne Unternehmensfinanzierungen erworben wurden, fanden dann erste größere Transaktionen im deutschen Markt ab dem Jahr 2003 statt, so z.B. im Sommer 2003 der Verkauf eines Portfolios notleidender Kredite im Nominalwert von über € 200 Mio. von Gontard & Metallbank an Lone Star und Anfang 2004 der Erwerb eines Portfolios notleidender Kredite, darunter Immobilienkredite, durch Lone Star von der Niederschlesischen 8 Sparkasse, In das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gelangt ist der Handel mit notleidenden Krediten im Herbst 2004 durch den Verkauf eines Pakets von Problemkrediten im Volumen von 3,6 Milliarden € durch die Münchner Immobilienbank Hypo Real Estate an die amerikanische Lone Star-Gruppe; eine Transaktion, die nach Zeitungsmeldungen die bis dahin größte dieser Art weltweit gewesen ist. 9 Mittlerweile sind solche Transaktionen in notleidenden Krediten, für einzelne Unternehmensfinanzierungen ebenso wie für Portfolien, zum Alltag in der deutschen Kreditwirtschaft geworden. Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2005 non-performing loans im Gesamtvolumen von € 12 Milliarden in Deutschland gehandelt worden sind. 10 Und zuletzt, im Dezember 2005, hat auch in Deutschland mit Lone Star einer der institutionellen Distressed Debt-Investoren eine gesamte Bank, d i e A H B R , mit allen ihren Kreditportfolien, darunter auch ein Portfolio notleidender Immobilienfinanzierungen, übernommen. Beim Verkauf von Distressed Debt sind im wesentlichen drei verschiedene Typen zu beobachten." Erstens werden kleinteilige immobiliengesicherte Wohnungsbaukredite aus dem Massengeschäft der Kreditinstitute verkauft, die auf der Basis standardisierter Kreditverträge vergeben wurden und bei deren Veräußerung die Bonität des Schuldners für den Erwerber praktisch keine Rolle spielt, weil sich sein Interesse ausschließlich auf die vorhandenen Kreditsicherheiten konzentriert. Zum Zweiten erfolgte der Verkauf größerer immobiliengesicherter Darlehen, die zur Finanzierung von gewerblich oder gemischtgenutzten Immobilien dienten und meist nicht auf Basis standardisierter Formulare, sondern individuell vereinbart wurden und

8 9 10 11

Siehe dazu FAZ v. 14.9.2004: „In Deutschland kommt der Handel mit Krediten in Fahrt"; Börsen-Zeitung vom 14.9.2004. FAZ v. 17.9.2004: „Hypo Real Estate verkauft milliardenschweres Kreditpaket". Bruhns/Jäger, ZBB 2005, 207. v. Sivers, ZInsO 2005, 290.

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häufig Sonderklauseln enthalten und bei deren Veräußerung sowohl die Bonität des Kreditnehmers als auch die Sicherheit bewertet werden. Drittens schließlich ist der Verkauf von Firmenkrediten, vor allem Betriebsmittelkrediten, zu verzeichnen, für die - da Sicherheiten oft gar nicht vorhanden sind - allein die Bonität des Kreditnehmers von Bedeutung ist. Im Übrigen finden sich aber praktisch für alle notleidenden Kreditforderungen Interessenten, selbst noch in der Insolvenz des Kreditnehmers, und über Darlehensforderungen hinaus werden praktisch alle Finanzierungsformen gehandelt, bis hin zu Avalkrediten, also der Sache nach (Eventual-)Verbindlichkeiten der Kreditinstitute. Das Gesamtvolumen notleidender Kredite, die als Gegenstand solcher Transaktionen in Betracht kommen, wurde in 2004 für Deutschland auf ca. € 300 Milliarden geschätzt, 12 während man für Europa von einem Marktvolumen notleidender Kredite in Höhe von US$ 500 - 750 Milliarden ausgeht. 13

2.

Motive der

Handelspartner

Dass notleidende Kredite in großem Umfang in den Büchern der Kreditinstitute vorhanden sind, reicht allein als Erklärung für den mittlerweile schwunghaften Handel mit dieser Asset-Klasse allein sicher nicht aus. Hinzukommen mussten auf der Seite der abgebenden Kreditinstitute besondere Gründe, die es, stärker als in der Vergangenheit, sinnvoll erscheinen lassen, diese Kreditportfolien nicht auf den eigenen Büchern zu halten. Und auf der anderen Seite muss es für die Investoren Gründe geben, umgekehrt genau diese Distressed Debt-Portfolien erwerben zu wollen. Auf Seite der abgebenden Kreditinstitute wird es in der Regel ein Bündel von Motiven sein, das für die Veräußerung von non-performing loans spricht. 14 Zum einen müssen sich vor allem die privaten, börsennotierten Kreditinstitute seit ca. 10 Jahren einer wesentlich kritischeren Betrachtung ihrer Rentabilität stellen. Kennzahlen wie z.B. die Eigenkapitalquote der return on

12 13 14

Hamberger/Diehm, Die Bank 2004, 182 ff.; FAZ v. 14.9.2004: „In Deutschland kommt der Handel mit Krediten in Fahrt". Börsenzeitung vom 26.10.2004. Siehe zu den Motiven des Veräußerers auch Hofmann/Walter, WM 2004, 1566 ff.; Kristen/Kreppel, BKR 2005, 123 f.

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equity oder der return on investment werden von Ratingagenturen, 15 Analysten und Aktionären als Gradmesser für die Profitabilität eines Kreditinstituts herangezogen, und Kreditinstitute überprüfen sämtliche Assets in ihrer Bilanz daraufhin, welche Rendite die jeweilige Asset-Klasse erwirtschaftet. Vor diesem Hintergrund kann es dann sinnvoll sein, die Bilanzsumme durch Abgabe von notleidenden Krediten zu verkürzen, evtl. sogar unter Inkaufnahme von einmaligen Abschreibungen, um damit die künftige Gesamtrentabilität des Unternehmens zu erhöhen. Und diese Tendenz hat sich gerade in den letzten Jahren dadurch verstärkt, dass mit dem Wegfall der Staatsgarantien auch die öffentlichen Kreditinstitute sich einem Rating stellen mussten, für das nur noch die Bonität des jeweiligen Instituts und nicht mehr die Finanzkraft der öffentlichen Hand maßgeblich ist. Unabhängig von diesen Erwartungen der Ratingagenturen und des Marktes an die Rentabilität und Bonität eines Kreditinstituts ist zum Zweiten ausschlaggebend, dass die Fortführung notleidender Kredite auf der eigenen Bilanz keineswegs „kostenlos" zu haben ist. Vielmehr erfordern die aufsichtsrechtlichen Vorgaben, wie sie noch von § 10a KWG iVm. Grundsatz I formuliert werden, für notleidende Kredite, die noch nicht abgeschrieben sind, Eigenkapital in Höhe von 8% zu unterhalten. Dieses Eigenkapital muss, als Dividende für die Aktionäre oder in anderer Weise bei alternativen Eigenkapitalinstrumenten, verzinst werden und kostet damit Geld, so dass Kreditinstitute abwägen, ob die Fortführung des Portfolios von notleidenden Krediten in den eigenen Büchern zumindest die Eigenkapitalkosten erwirtschaftet oder nicht effektiv Werte verzehrt, weil die Rendite aus den notleidenden Krediten geringer als die Eigenkapitalkosten ist. Und diese Abwägung muss z.Zt. einer grundsätzlichen Neubewertung unterzogen werden. Während nämlich bisher die Eigenkapitalanforderungen in Höhe von 8% für gewerbliche Unternehmensfinanzierungen unabhängig von der Bonität des Kreditnehmers galten, werden ab 2007/2008 mit Basel II völlig veränderte Eigenkapitalanforderungen gelten. Da dabei künftig die Eigenkapitalanforderung mit schlechterer Bonität des Kreditnehmers steigen, wird es teurer werden, notleidende Kredite in den eigenen Büchern zu halten. 16 Dies erhöht die Bereitschaft bei Kredit15 16

Zur Bedeutung von non-performing loans für das Rating Kessler/Schlage, IFLR 2004, 49. Ausführlich zu den neuen Eigenkapitalanforderungen durch Basel II z.B. Willig, Bankaufsichtsrechtliche Grundlagen des (internen) Ratings und seine Trans-

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instituten, solche non-performing loans auszuplatzieren. 17 Zum Dritten kann die Ausplatzierung notleidender Kredite ein Instrument zur Risikosteuerung sein, mit dem Klumpenrisiken z.B. aus der Finanzierung bestimmter Branchen, bestimmter Sektoren (Immobilienfinanzierung, Konsumentenfinanzierung, etc.) oder bestimmter Regionen abgebaut werden, um das betreffende Kreditinstitut vor einer weiteren Verschlechterung der durchschnittlichen Kreditqualität in solchen Bereichen zu schützen. Und da ein großer Bestand an notleidenden Krediten in der Regel ein erhöhtes Risiko noch weiterer Verschlechterung der Kredite mit daraus folgenden Wertberichtigungen und Abschreibungen in sich birgt, kann es für Kreditinstitute sinnvoll sein, mit der Abgabe der non-performing loans, selbst wenn dies mit einmaligen Verlusten aus der erforderlichen Abschreibung verbunden ist, einen klaren Schnitt zu machen, um unbelastet aus Kreditrisiken der Vergangenheit einen neuen Start mit Schwerpunkten auf anderen Geschäftsfeldern zu suchen. Schließlich ist als viertes Element nicht zu verkennen, dass notleidende Kredite über das erforderliche Eigenkapital hinaus auch Personalressourcen binden, die zur Abarbeitung der Distressed Debt-Portfolien eingesetzt werden müssen - zur Mahnung und Beitreibung, zur Führung von Umschuldungsgesprächen und Teilnahme an Bankensitzungen beim Workout insolvenzgefahrdeter Darlehen, zur Anmeldung von Forderungen in Insolvenzverfahren, zur Durchfuhrung von Zwangsversteigerungen usw. Mit der Veräußerung der notleidenden Kredite können Kapital und Personal freigesetzt werden, um profitablere Geschäftsbereiche auszubauen. Umgekehrt ist das letztendliche Motiv der institutionellen Investoren, die distressed debt erwerben, sehr einfach: Die Erwartung ist, mit diesem Investment Gewinn zu erzielen. Es lohnt aber der Blick darauf, welche Elemente diese Gewinnerwartung rechtfertigen können, wenn doch deutsche Kreditinstitute die notleidenden Kredite gerade „loswerden" wollen. Dazu ist zum einen festzustellen, dass weltweit liquide Finanzmittel in großem Umfang nach Anlagemöglichkeiten suchen. Mit dem allgemein sehr niedrigen

formation in das Darlehensverhältnis mit Unternehmen, ZHR 169 (2005), 212 ff.; Wittig, Basel II: Das (externe) Rating von Emittenten und Emissionen als Maßstab fllr die Eigenkapitalerfordernisse der Kreditinstitute, in: Köhler/ Obermüller/Wittig (Hrsg.), Kapitalmarkt - Recht und Praxis, Gedächtnisschrift für Ulrich Bosch, 2006, S. 293 ff. 17 Dazu Hofmann/Walter, WM 2004, 1566, 1567 f.

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Zinsniveau und mit dem dramatischen Verfall von Aktienkursen in 2001/ 2002 hatten dabei klassische Anlagemöglichkeiten wie Anleihen und Aktien ebenso an Attraktivität verloren wie z.B. die Private Equity-Investitionen in gesunde Firmen (wg. des zweifelhaften exits durch ein IPO). Dementsprechend sind z.B. die Gelder, die zur Kapitalanlage in Private Equity Fonds geflossen sind, weltweit von ca. US$ 60 Mrd. in 2000 um knapp 75% auf ca. US$ 18 Milliarden in 2002 zurückgegangen, während im gleichen Zeitraum die Mittel, die in „Restrukturierungsfonds" geflossen sind, sich ungefähr verfünffacht haben - von ca. US$ l Milliarden in 2000 auf ca. US$ 5 Milliarden in 2002. 18 Zum Zweiten haben die institutionellen Distressed DebtInvestoren zumindest dann, wenn sie fur ihr Geschäft nicht als Kreditinstitut zugelassen sein müssen (siehe dazu nachstehend bei II.2.a)), einen Kostenvorteil gegenüber den veräußernden Kreditinstituten dadurch, dass die Erwerber für die notleidenden Kredite auf ihren Büchern keine Eigenkapitalanforderungen erfüllen müssen. Schließlich und vielleicht am wichtigsten ist aber die Erwartung der Erwerber von notleidenden Krediten, dass sie im Ergebnis einen höheren Ertrag aus dem Distressed Asset erzielen können als der Veräußerer. Diese Gewinnerwartung leiten die typischen Distressed Investoren aus drei unterschiedlichen Strategien ab. Zum einen, und dies waren die ersten Investitionen im deutschen Markt, finden sich sog. passive Investoren. Der passive Investor ist dadurch gekennzeichnet, dass er selbst keine besonderen Anstrengungen unternimmt, um einen Wertzuwachs fur die erworbenen notleidenden Kredite zu generieren. Vielmehr vertraut der passive Investor darauf, dass der Verkäufer den Wert der veräußerten Forderungen zu gering einschätzt, z.B. weil Zweifel an den Erfolg von Sanierungsbemühungen beim Kreditnehmer bestehen oder der Wert von Kreditsicherheiten anders beurteilt wird, und dass im Ergebnis, z.B. nach erfolgreicher Sanierung oder vorteilhafter Liquidation der Kreditsicherheiten, eine Wertsteigerung eintritt. Dieser passive Investor setzt darauf, eine solche Wertsteigerung dann als Handelsgewinn durch den Weiterverkauf der nunmehr höher bewerteten Darlehen, aus dem Sicherheitenerlös oder durch die Rückzahlung des Kredits zum Nominalbetrag bei der planmäßigen Fälligkeit oder im Rahmen einer Refinanzierung zu realisieren.

18

manager magazin 8/2003, S. 72: „Unter Geiern".

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Im Gegensatz dazu strebt der sog. aktive Investor als Erwerber von Unternehmenskrediten danach, den Wertzuwachs durch aktives Management seines Investments selbst zu schaffen. 19 Ein typisches Mittel dafür ist z.B. die Entwicklung und Umsetzung eigener Sanierungskonzepte für ein notleidendes Kreditengagement, mit dem ein Ausfall der erworbenen Darlehensforderung verhindert werden soll. Dabei kann der typische aktive Investor im Vergleich zum ursprünglichen Darlehensgeber Vorteile nutzen: Zum einen wird, da keine Rücksicht genommen werden muss auf gewachsene Geschäftsverbindungen, die Sanierung häufig stringenter und umfassender angestrebt; bis hin - trotz aller damit rechtlich verbundenen Probleme - zur Einsetzung eines Chief Restructuring Officers (CRO), der das Vertrauen des Distressed Debt-Investors genießt, in die Geschäftsleitung des Kreditnehmers. Zum anderen strebt der Investor häufig danach, die Bankverschuldung des Kreditnehmers (nahezu) vollständig zu übernehmen, so dass Sanierungskonzepte aus einer Hand, ohne Abstimmungsbedarf mit sanierungsunwilligen anderen Kreditinstitute entwickelt und umgesetzt werden können. Und schließlich ist der typische Distressed Investor häufig auch bereit, im Rahmen eines Gesamtkonzepts zur Sanierung des Kreditnehmers mit zusätzlichen Krediten (fresh money) zur Verfügung zu stehen, da ja eine bewusste Entscheidung zum Einstieg in ein notleidendes Engagement getroffen worden ist, während die bisherigen Kreditgeber eher dazu neigen, dem vermeintlich „schlechten Geld kein gutes Geld mehr hinterher zu werfen". Vereinzelt findet sich aber neben diesem Ziel des aktiven Investors, durch Sanierung des Kreditengagements Wertsteigerungen zu erzielen, durchaus auch einmal ein Investor, der für die erworbenen non-performing loans einen Lästigkeitswert generiert, indem sich dieser Investor Sanierungskonzepten der anderen Kreditgeber verweigert und auf die Ablösung seiner Darlehen zu einem höheren Betrag als dem Kaufpreis setzt. Typischerweise strebt der aktive Investor als Erwerber von Unternehmenskrediten danach, als Bestandteil des Sanierungskonzepts oder nach gelungener Sanierung die erworbenen Darlehen in eine Eigenkapitalbeteiligung zu wandeln (debt-to-equity-swap) und den Wertzuwachs durch den Verkauf des sanierten Unternehmens zu realisieren. Drittens, und dies spielt vor allem eine Rolle bei den Erwerbern von ganzen Portfolien notleidender Kredite, gehen Distressed Debt-Investoren

19

Zu diesen Strategien siehe manager magazin 8/2003, S. 72: „Unter Geiern".

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davon aus, durch professionelleres Management, z.B. wegen der Spezialisierung auf die Abwicklung von non-performing loans mit entsprechenden Beitreibungsexperten, und durch die Skaleneffekte bei der Abwicklung großer zusammengekaufter Portfolien „besser", also kostengünstiger und mit besseren Ergebnissen als die Veräußerer der notleidenden Kredite, die Werte der erworbenen Distressed Debt-Portfolien realisieren zu können.

3.

Transaktionsstrukturen

Kennzeichnend für den Handel mit distressed debt ist, dass die wirtschaftlichen Chancen und Risiken von Kreditforderungen gegen Zahlung eines Kaufpreises, der geringer ist als der Nominalbetrag der veräußerten Darlehen, vom bisherigen Kreditgeber auf einen Investor übertragen wird. Für diese Übertragung von Chancen und Risiken stehen verschiedene rechtliche Strukturen zur Verfugung, die auch alle - wenn auch in unterschiedlichem Maße genutzt werden.20

a) Synthetische Transaktionen Bei sog. synthetischen Transaktionen verbleibt die Darlehensforderung beim bisherigen Kreditgeber und es wird lediglich das Kreditrisiko durch Derivate übertragen. Dafür kommen die typischen Kreditderivate in Betracht.21 Mit einem Total Return Swap tauschen der bisherige Kreditnehmer und der Investor den kompletten Zahlungsstrom aus dem Kredit, also typischerweise Zins und Tilgung, soweit diese tatsächlich geleistet werden, gegen eine entsprechende, aber risikolose Zahlung aus. Stattdessen kann auch mittels eines Credit Default Swap vereinbart werden, dass bei Eintritt eines vertraglich definierten Ereignisses (typischerweise der Insolvenzantrag, Nichtzahlung des Kreditnehmers bei Fälligkeit oder Einleitung einer Restrukturierung) der Investor als Übemehmer des Kreditrisikos einen Barausgleich leistet oder

20 21

Zu den Transaktionsstrukturen im Überblick auch Schilmar/Breiteneicher/ Wiedenhofer, DB 2005, 1367, 1368 f.; Bruhns/Jäger, ZBB 2005, 207 f. Allgemein zu Kreditderivaten Brandt, Kreditderivate - Zentrale Aspekte innovativer Kapitalmarktprodukte, BKR 2002, 243 ff.; Ήordhues/Benzler, Risikosteuerung durch Kreditderivate, WM 1999, 461 ff.

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gegen einen zuvor vereinbarten Kaufpreis die Kreditforderung übernehmen muss. Schließlich finden sich auch Credit Linked Notes, also Anleihen, bei denen der Investor anfänglich den „Kaufpreis" für das erworbene Kreditrisiko als Nominalbetrag der Anleihe an den Emittenten zahlt, aber das Kreditrisiko insofern trägt, dass die Anleihe nicht rückzahlbar ist, wenn sich das Kreditrisiko in definierter Form, also z.B. durch Stellung eines Insolvenzantrags des Kreditnehmers, verwirklicht. Solche synthetischen Transaktionen sind aber praktisch überhaupt nicht im Primärmarkt, also bei der erstmaligen Übertragung einer notleidenden Forderung vom ursprünglichen Kreditgeber auf einen Distressed DebtInvestor, zu finden. Zahlreiche Distressed Debt-Investoren erwerben aber non-performing loans in der Absicht, die Kreditrisiken im nächsten Schritt wieder auszuplatzieren, auch im Kapitalmarkt. Für Transaktionen im Sekundärmarkt werden häufig und in verschiedenen Konstellationen Kreditderivate zum Handel mit distressed debt eingesetzt.

b)

Spaltung

Nicht selten im Primärmarkt sind demgegenüber Transaktionen, bei denen Portfolien notleidender Kredite durch eine Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz vom veräußernden Kreditinstitut auf einen Erwerber übertragen werden. Dies kann im ersten Schritt durch eine Ausgliederung oder Abspaltung des notleidenden Kreditportfolios in einen neuen Rechtsträger geschehen, der dann in einem zweiten Schritt als Ganzes (share deal) an den Erwerber veräußert wird. So ist z.B. die bereits erwähnte landmark transaction, der Verkauf eines Portfolios von Problemkrediten im Volumen von € 3,6 Milliarden durch die Hypo Real Estate an die amerikanische Lone StarGruppe im Jahr 2004, 22 im Wege der Spaltung mit anschließendem share deal durchgeführt worden. Und auch im Bereich der Volks- und Raiffeisenbanken werden zur Sanierung einzelner Institute, die durch nonperforming loans belastet sind, diese Portfolien durch eine Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz abgetrennt. Der Erwerber dieser notleidenden Kredite aus dem Bestand von genossenschaftlichen Instituten ist dann aber regelmäßig keiner der üblichen institutionellen Distressed Debt-Investoren, son22

Siehe dazu F AZ vom 17.9.2004.

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dern die BAG Bankaktiengesellschafi, ein zum Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. gehörendes Kreditinstitut mit Sitz in Hamm, dessen Aufgabe im genossenschaftlichen Bankenverbund darin besteht, von den Mitgliedsbanken bundesweit gekündigte oder aufgrund notwendiger Sanierungsmaßnahmen besonders betreuungsintensive Kreditforderungen zu übernehmen. 23

c) True Sale - Unterbeteiligung und Abtretung/Vertragsübernahme Die typische Transaktion zwischen einem deutschen Kreditinstitut und Distressed Debt-Investoren spielt sich mittlerweile häufig in zwei Stufen ab. Im ersten Schritt übernimmt der Investor gegen Zahlung des Kaufpreises durch eine (stille) Unterbeteiligung von dem abgebenden Kreditinstitut bereits wirtschaftlich sämtliche Chancen und Risiken aus dem Kreditverhältnis.24 Diese Unterbeteiligung erfolgt, indem Veräußerer und Erwerber vereinbaren, dass der Erwerber im Innenverhältnis durch den Veräußerer so gestellt wird, als sei der Erwerber bereits in sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Darlehensverhältnis eingetreten. Werden z.B. Tilgungsleistungen an den ursprünglichen Kreditgeber gezahlt oder erzielt der ursprüngliche Kreditgeber Erlöse aus der Verwertung von Kreditsicherheiten, hat der Investor einen Anspruch darauf, dass diese an ihn abgeführt werden. Der Veräußerer hält also nach Vereinbarung der Unterbeteiligung die betreffenden Forderungen und die dafür bestellten Sicherheiten treuhänderisch weiter im eigenen Namen, jedoch für Risiko und Rechnung des Erwerbers. Der Veräußerer bleibt aber im Außenverhältnis zum Schuldner mit sämtlichen Rechten und Pflichten Darlehensgeber. In einem zweiten Schritt, nämlich nach Erfüllung aller erforderlichen „Formalitäten" (dazu sogleich) übernimmt dann der Distressed Debt-Investor auch im Außenverhältnis die Stellung als Darlehensgeber, tritt also die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Kreditgebers an. Soweit es sich bei dem distressed asset, das Gegenstand der Veräußerung ist, um einen voll ausgezahlten, nicht revolvierend ausnutzbaren Kredit, also eine reine Dar23

Für weitere Informationen siehe die Web-Seiten der BAG Bankaktiengesellschaft . 24 Zur Ausgestaltung der stillen Unterbeteiligung siehe auch Kristen/Kreppel, BKR 2005, 123, 125.

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lehensforderung handelt, kann der Rechtsübergang durch bloße Abtretung von dem Veräußerer an den Erwerber auch ohne Zustimmung des Darlehensnehmers erfolgen. Besteht das Kreditverhältnis dagegen in einer Kreditlinie, aus der der Darlehensnehmer Anspruch auf weitere Ziehungen (zumindest nach vorübergehender Rückführung) in Höhe einer offenen Kreditlinie hat, oder ist das Darlehen noch nicht voll valutiert, so wird der Veräußerer regelmäßig daran interessiert sein, nicht nur das aktuelle Kreditrisiko in Höhe der Valutierung, also eine Forderung, sondern auch das Risiko zukünftiger weiterer Ziehungen, also die (potentielle) Verbindlichkeit gegenüber dem Kreditnehmer, auf den Investor zu übertragen. Eine solche umfassende Übertragung von Rechten und Pflichten aus dem Darlehensvertrag kann durch die gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Vertragsübernahme erfolgen. Für eine solche Vertragsübernahme ist eine dreiseitige Vereinbarung zwischen dem Veräußerer des notleidenden Darlehens, dem Erwerber und dem Kreditnehmer erforderlich. Da nicht selten die Zustimmung des Erwerbers erst eingeholt werden muss, nachdem sich der Veräußerer und der Erwerber bereits über die Transaktion einig geworden sind, wird regelmäßig die (stille) Unterbeteiligung der Vertragsübernahme vorgeschaltet. Aber auch dann, wenn eine bloße Abtretung reicht, um das distressed asset vollständig auf den Investor zu übertragen, sind häufig noch Zustimmungen Dritter erforderlich. In der Praxis spielt dabei bei Unternehmenskrediten die Zustimmung der anderen Kreditgeber deshalb eine überaus wichtige Rolle, weil üblicherweise in der Krise des Schuldnerunternehmens die finanzierenden Kreditinstitute einen Sicherheitenpool bilden. Nicht nur wegen der Bindung der Kreditsicherheiten im Poolvertrag, sondern auch weil rein tatsächlich die wesentlichen Abstimmungen über Strategie und weitere Begleitung eines Workout durch die finanzierenden Kreditinstitute im Rahmen dieses Bankenpools getroffen werden, haben Distressed Debt-Investoren zumeist ein großes Interesse daran, mit Zustimmung der anderen Kreditinstitute als Vertragspartner in den Sicherheitenpool vertrag einzutreten. Die vorherige Vereinbarung der bilateralen (stillen) Unterbeteiligung dient in dieser Konstellation auch der Überbrückung des Zeitraums, bis die Zustimmung der anderen Kreditinstitute eingeholt ist. Ebenso ergibt sich z.B. ein zu überbrückender Zeitraum, wenn Darlehen durch Buchgrundschulden besichert sind. Hier kann zwar die Darlehensforderung sofort abgetreten werden, die Rechte aus der Buchgrundschuld können aber im ersten Schritt zunächst nur treuhänderisch durch den Veräußerer für den Erwerber gehalten

Distressed Debt Trading

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werden, bis auch die Übertragung der Buchgrundschuld auf den Erwerber durch Eintragung im Grundbuch vollzogen ist.25 Schließlich ist praktisch von großer Bedeutung die Sorge, dass ein Erwerb von notleidenden Darlehensforderungen gegen einen Kaufpreis unterhalb des Nominalwerts zu einer Umsatzsteuerbelastung des Erwerbers fuhren könnte. 26 Diese Besorgnis ergibt sich aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2004, 27 wonach im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH 28 der Käufer einer Forderung (zumindest beim Factoring) umsatzsteuerpflichtige Leistungen an den Verkäufer erbringt, nämlich das sog. servicing, also im wesentlichen den Forderungseinzug. Bemessungsgrundlage fur den Wert dieser umsatzsteuerpflichtigen Leistung soll danach grundsätzlich die Differenz zwischen dem Nennwert der verkauften Forderungen und dem Kaufpreis sein. Dabei geht das BMF in seinem Schreiben entgegen § 4 Nr. 8c UStG unzutreffend davon aus, dass auch beim Handel mit distressed debt im Prinzip diese Betrachtung gelten muss. Allerdings sieht das betreffende BMF-Schreiben immerhin vor, dass bei notleidenden Krediten andere Bemessungsgrundlagen für die Bewertung der vom Erwerber mit der Forderungsverwaltung gegenüber dem Veräußerer erbrachten Leistungen gelten müssen, da notleidende Forderungen nicht mit ihrem Nominalbetrag bewertet werden können und der Wesensgehalt dieser Transaktionen gerade nicht im Factoring besteht. Vielmehr soll beim distressed debt trading Bemessungsgrundlage für die Leistung des Erwerbers die Differenz zwischen dem gezahlten Preis und dem sog. „wirtschaftlichen Nennwert", also dem zum Abtretungszeitpunkt voraussichtlich realisierbaren Teil der Forderungen sein. Da damit aber vielfach nicht absehbar ist, ob und welche Umsatzsteuerbelastung nach diesen Grundsätzen beim Erwerb von distressed debt entstehen könnte, wird in der Praxis nicht selten vor der Abtretung der erworbenen Kreditforderungen auf den Investor eine verbind25

26

27 28

Zur Übertragung von Sicherungsgrundschulden beim Handel mit NonPerforming Loans Heemann/Grieser, Syndikus 2003, 22 ff.; Hofmann/Walter, WM 2004, 1566, 1569 f.; Kristen/Kreppel, BKR 2005, 123, 126. Dazu Schilmar/Breiteneicher/Wiedenhofer, DB 2005, 1367, 1372 f. Kristen/ Kreppe/, BKR 2005, 123, 133 f.; Kessler/Schlage, IFLR 2004,49, 50; Bomhard/ Kessler/Dettmeier, BB 2004, 2085, 2091 f. BMF-Schreiben v. 03.06.2004 - IV Β 7 - S 7104 - 18/04, BStBl I 2004, 737 ff., inzwischen umgesetzt in UStR 18 zu § 2 UStG Abs. 8 bis 11. EuGH v. 26.06.2003 - Rs. C-305/01, BStBl II 2004, 688 ff.

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liehe Auskunft des Finanzamts zur Umsatzsteuer eingeholt. Bis diese vorliegt, wird die (stille) Unterbeteiligung der Vollübertragung der veräußerten Forderungen durch Abtretung vorgeschaltet.

II. Bankaufsichtsrechtliche Anforderungen 1.

Voraussetzungen

der aufsichtsrechtlichen

Bilanzentlastung

Wie bereits oben ausgeführt, ist eines der wichtigen Motive des Veräußerers fur den Verkauf notleidender Kredite die angestrebte Entlastung der „aufsichtsrechtlichen Bilanz", d.h. eine Beendigung der Anrechnung der Kredite als Risikoaktiva für die Ermittlung des aufsichtsrechtlich notwendigen Eigenkapitals gemäß Grundsatz I. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat sich bisher nicht speziell dazu geäußert, ob und unter welchen Voraussetzungen die Veräußerung gerade von distressed debt für deutsche Kreditinstitute zu einer Entlastung der aufsichtsrechtlichen Bilanz führt. Die allgemeinen gesetzlichen Rahmenbedingungen und Hinweise der BaFin zu anderen Formen der Veräußerung von Darlehensforderungen lassen aber hinreichend sicher erkennen, welche Anforderungen beachtet werden müssen. Wenn, wie regelmäßig, die Übertragung notleidender Kredite im ersten Schritt durch eine Unterbeteiligung des Erwerbers an den sachenrechtlich beim Veräußerer verbleibenden Forderungen erfolgt, können für die Beurteilung, ob der Veräußerer diese Darlehen weiter aufsichtsrechtlich als eigene Risikoaktiva behandeln muss, die Regelungen zu Treuhandkrediten in der Großkredit- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV) herangezogen werden. Nach § 1 Abs. 6 GroMiKV sind Treuhandkredite im Sinne dieser Regelung Geld- oder Sachdarlehen, die ein Institut aus Mitteln, die ihm ein Dritter zur Verfügung stellt, im eigenen Namen für fremde Rechnung gewährt, unter der Voraussetzung, dass sich die Haftung des Treuhänders auf die ordnungsmäßige Verwaltung der Darlehen und die Abführung der Zins- und Tilgungsleistungen beschränkt. Liegen die Voraussetzungen eines solchen Treuhandkredites vor, muss nach § 12 GroMiKV nur der Treugeber, der die Mittel dem Treuhänder zur Durchleitung an den Kreditnehmer zur Verfügung stellt, den Kredit als Risikoaktivum für §§ 13 bis 14 KWG berücksichtigen, und zwar als Kredit an den Kreditnehmer. Genau diese Anforderungen an

Distressed Debt Trading

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einen Treuhandkredit können aber üblicherweise die Unterbeteiligungen beim Handel mit Distressed Debt erfüllen: Der Veräußerer bleibt zwar weiter im Außenverhältnis Inhaber der Kreditforderung, also im Verhältnis zum Darlehensnehmer Gläubiger der notleidenden Forderungen, verpflichtet sich aber im Innenverhältnis zum Erwerber Zins- und Tilgungsleistungen (einschließlich der Erlöse aus der Verwertung von Kreditsicherheiten) an den Erwerber abzuführen. Zugleich ergibt sich aber aus diesen Regelungen auch, dass die Unterbeteiligung eine sog .funded participation sein muss, dass also der Erwerber dem Veräußerer den Kaufpreis in Höhe des Buchwertes der Forderung (ggfs. nach Wertberichtigung) bereits gezahlt haben muss, damit die stille Beteiligung zu einer Entlastung der bankaufsichtsrechtlichen Bilanz beim Veräußerer fuhrt. Als weiteres Element kommt dann hinzu, dass dem Veräußerer bei Vereinbarung einer in dieser Weise barunterlegten (stillen) Unterbeteiligung nur noch die Haftung fur das ordnungsgemäße servicing, also die Verwaltung der notleidenden Forderungen, und für die Abführung der vereinnahmten Zahlungen verbleiben darf. Ergänzende Anforderungen für eine Entlastung der bankaufsichtsrechtlichen Bilanz beim Veräußerer lassen sich dann aus dem Rundschreiben der Bankaufsicht zur Anrechnung von Kreditderivaten für Grundsatz I und die Großkreditgrenzen 29 ableiten, da auch mit den Kreditderivaten in vergleichbarer Weise wie bei der Vereinbarung einer Unterbeteiligung schuldrechtlich im Innenverhältnis das Kreditrisiko vom Veräußerer auf den Erwerber übertragen wird. Daraus ergibt sich insbesondere, dass der Risikotransfer durch die Unterbeteiligung rechtlich wirksam vereinbart sein muss und dass eine Laufzeitidentität zwischen der Kreditforderung und der Unterbeteiligung bestehen muss. Außerdem lässt sich diesem Rundschreiben in gleicher Weise wie der Großkredit- und Millionenkreditverordnung entnehmen, dass nur die Barunterlegung beim Veräußerer dazu führt, dass der Veräußerer trotz der im Außenverhältnis bei ihm verbleibenden Darlehensforderung den notleidenden Kredit mit 0% auf die Eigenkapitalanforderungen nach Grundsatz I anrechnen darf. In der Zusammenschau lassen sich damit folgende Anforderungen für eine Entlastung der bankaufsichtsrechtlichen Bilanz beim Veräußerer durch eine (stille) Unterbeteiligung des Erwerbers an einem notleidenden Kredit formulieren: 29

BaKred, Behandlung von Kreditderivaten im Grundsatz I gemäß §§10, 10a KWG und im Rahmen der Großkredit- und Millionenkreditvorschriften, Rundschreiben 10/99 v. 16.06.1999.

162

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(1) Die Unterbeteiligung muss rechtlich wirksam und für die gesamte verbleibende Laufzeit des notleidenden Darlehens vereinbart sein. (2) Die Haftung des Veräußerers muss beschränkt sein auf die ordnungsgemäße Verwaltung des notleidenden Darlehens und die Abfuhrung der Zins- und Tilgungsleistungen an den Erwerber; irgendeine darüber hinausgehende Haftung für die Werthaltigkeit der non-performing loan darf den Veräußerer nicht treffen. (3) Der Erwerber muss die notleidende Kreditforderung beim Veräußerer bar unterlegenen, d.h. der Erwerber muss den Kaufpreis in Höhe des Buchwertes der Forderung beim Veräußerer an den Veräußerer effektiv gezahlt haben. Für die Beurteilung der Abtretung bzw. der Vertragsübernahme, die beim Handel mit notleidenden Krediten regelmäßig die zweite Stufe der Geschäftsabwicklung darstellt, kann das Rundschreiben der Bankaufsicht zu den Auswirkungen von Asset-Backed-Securities-Transaktionen30 entsprechend herangezogen werden, da zwar bei ABS-Strukturen typischerweise keine notleidenden, sondern performing loans veräußert werden, aber im Kern ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt: Die Vollrechtsübertragung (true sale) von Darlehensforderungen durch den ursprünglichen Kreditgeber (originator) an einen Erwerber. Danach ist Voraussetzung für einen Wegfall der Anrechnung von veräußerten Darlehensforderungen für die Ermittlung der Grundsatz IEigenkapitalanforderungen und die Großkreditgrenzen beim Veräußerer zum einen der rechtswirksame Forderungsübergang. Dieses erfolgt beim Handel mit Distressed Debt durch die Abtretung der Kreditforderung an den Erwerber bzw. die Übernahme sämtlicher Rechte und Pflichten aus dem Darlehensvertrag durch den Erwerber. Als weitere Voraussetzung für die Entlastung der bankaufsichtsrechtlichen Bilanz beim Veräußerer muss aber in entsprechender Anwendung der Grundsätze des ABS-Rundschreibens hinzukommen, dass den Veräußerer nach der Übertragung der Forderungen allenfalls noch eine Veritätshaftung trifft, dass aber jede Haftung des Veräußerers für die Bonität des Darlehensnehmers und die Werthaltigkeit der veräußerten Forderung ausgeschlossen ist.

30 BaKred, Veräußerung von Kundenforderungen im Rahmen von Asset-Backed Securities-Transaktionen durch deutsche Kreditinstitute, Rundschreiben 4/97, 19.03.1997, WM 1997, 1821 ff.

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2.

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Erwerb notleidender Kredite als Bankgeschäft

Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG bedarf einer schriftlichen Erlaubnis, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will. Da unterstellt werden darf, dass die institutionellen Erwerber von notleidenden Krediten gewerbsmäßig bzw. in entsprechendem Umfang handeln, brauchen sie also eine Banklizenz, sofern die Transaktionen als Bankgeschäft anzusehen sind und die Leistungen in Deutschland erbracht werden, was insbesondere bei ausländischen Investoren einer näheren Betrachtung bedarf.

a) Abgrenzung zwischen Forderungserwerb und Kreditgeschäft Der Erwerb notleidender Kredite kann aufsichtsrechtlich ein Bankgeschäft sein, das den Erwerber (bei gewerbsmäßiger Tätigkeit oder Tätigkeit in entsprechenden Umfang) als Kreditinstitut gemäß § 1 Abs. 1 KWG qualifiziert, da gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 KWG auch das Kreditgeschäft zu den Bankgeschäften zählt.31 Nach der Legaldefinition ist das Kreditgeschäft die Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten. Bei Verträgen über Gelddarlehen handelt es sich um Verträge im Sinne von § 488 BGB, egal ob das Darlehen verzinslich oder unverzinslich gewährt wird. Ebenso ist die Form und die Art der Verbuchung des Gelddarlehens unerheblich, weshalb auch Kontokorrentkredite Darlehen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 KWG sind. 32 Unter der Gewährung eines Kredits im bankaufsichtsrechtlichen Sinne ist aber nur die erstmalige Hingabe von Geld, nicht die Übernahme schon bestehender Darlehen zu verstehen. Werden bestehende, voll valutierte Darlehen übernommen, so handelt es sich um einen entgeltlichen Forderungserwerb, der wie beim Factoring oder der Forfaitierung nicht als Kreditgeschäft anzusehen ist. Auf die rechtliche Struktur der Übernahme des valutierten Darlehens kommt es dabei nicht an, so dass die Abtretung der Darlehensforderungen ebenso wie eine Vertragsübernahme oder die offene 31 32

Dazu auch Schilmar/Breiteneicher/Wiedenhofer, DB 2005, 1367, 1371 f.; Kessler/Schlage, IFLR 2004, 49, 50. Fülbier, in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 2. Aufl. 2004, § 1 KWG, Rndnr. 47.

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oder stille Unterbeteiligungen gleichermaßen keine Kreditgeschäfte sind. Etwas anderes gilt aber, wenn der Erwerber im Wege der Vertragsübernahme mit dem Darlehensverhältnis auch Auszahlungsverpflichtungen übernimmt, egal ob es sich um die Verpflichtung zur Vollvalutierung eines erst teilweise ausgezahlten Darlehens handelt oder ob der Erwerber in die Verpflichtungen aus einer Kreditlinie eintritt und revolvierend Wiederinanspruchnahmen zulassen muss. Diese Verpflichtungen des Erwerbers zur Hingabe von Geld qualifiziert sein Verhältnis zum Darlehensnehmer als Kreditgeschäft. 33 Für den Handel mit notleidenden Darlehen ist darüber hinaus von besonderer Bedeutung, dass auch die Umschuldung, die bei Kreditnehmern in der Krise nicht selten ist, als Kreditgeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 KWG anzusehen ist.34 Dieses gilt jedoch nicht für die bloße Stundung, womit sich die Frage nach den Abgrenzungskriterien stellt. Dabei spricht einiges dafür, zwischen der bloßen Stundung und dem nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KWG erlaubnispflichtigen Kreditgeschäft durch Gewährung von Gelddarlehen entsprechend den Kriterien des § 499 Abs. 1 BGB abzugrenzen. Danach wird ein Zahlungsaufschub nur dann als (Verbraucher-)Darlehen behandelt, wenn er zum einen entgeltlich erfolgt und zum anderen für mehr als drei Monate vereinbart wird.

b) Grenzüberschreitendes Kreditgeschäft Falls, wie in der Praxis häufig, die Investoren in notleidende Kredite ihren Sitz im (zumeist angloamerikanischen) Ausland haben, hängt die Notwendigkeit einer Banklizenz gemäß § 32 Abs. 1 KWG, selbst wenn der Erwerb von Darlehensforderungen als Kreditgeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 KWG einzustufen ist, weiterhin davon ab, ob dieses Bankgeschäft im Inland vorgenommen wird. Die BaFin geht von einem „Betreiben von Bankgeschäften oder Erbringen von Finanzdienstleistungen im Inland" nicht nur dann aus, wenn der Erbringer der Dienstleistung seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, 35 sondern auch dann, wenn der Erbringer der 33

So auch Bruhns/Jäger, ZBB 2005, 207, 209; Kessler/Schlage, IFLR 2004, 49, 50. Dieses übersehen Bomhard/Kessler/Dettmeier, BB 2004,2085, 2087. 34 Fülbier, (oben Fn. 32) § 1 KWG, Rndnr. 46. 35 Tendenziell für eine solche Betrachtungsweise aber Hess. VGH, Beschl. v. 21.01.2005 - 6 TG 1568/04, WM 2005, 1123 ff.

Distressed Debt Trading

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Dienstleistung seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat und sich im Inland zielgerichtet an den Markt wendet, um gegenüber Unternehmen und/oder Personen, die ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wiederholt und geschäftsmäßig Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen anzubieten. 36 Keiner Erlaubnispflicht unterliegen die Anbieter von Bankdienstleistungen dagegen im Rahmen der sog. passiven Dienstleistungsfreiheit, d.h. das Recht der im Inland ansässigen Personen und Unternehmen, aus eigener Initiative Dienstleistungen eines ausländischen Anbieters nachzufragen, bleibt unberührt. Deshalb fuhren Bankgeschäfte, die aufgrund der Initiative des Kunden zustande gekommen sind, nicht zur Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 KWG. 37 Konkret für das Kreditgeschäft nimmt die BaFin an, dass regelmäßig die Art und Weise, wie die Verhandlungen über die Kreditaufnahme zustande gekommen sind, maßgebend für die Beurteilung ist, ob das Bankgeschäft im Inland erbracht wird und damit eine Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 KWG besteht. Sofern nur bereits bestehende Kundenbeziehungen weitergeführt werden oder die Initiative zum Abschluss der Kreditverträge von vornherein von dem Kunden ausgeht, wie dies bei großen Geschäftskunden bzw. institutionellen Kreditnehmern regelmäßig der Fall ist, führe dies wegen der passiven Dienstleistungsfreiheit nicht zu einer Erlaubnispflicht. Gleiches gelte grundsätzlich ebenfalls für die Übernahme von Krediten im Rahmen von Kreditkonsortien. 38 Auf dieser Grundlage könnte man zum Ergebnis kommen, dass der Erwerb notleidenden Kredite durch ausländische Investoren schon deshalb niemals ein im Inland erbrachtes Bankgeschäft ist, weil mit dem abgeleiteten Erwerb nur bestehende Kundenbeziehungen fortgeführt werden. Eine solche Betrachtung verkennt aber, dass beim Erwerb notleidender Kredite die Kundenbeziehung zwischen dem Erwerber als neuem Darlehensgeber und dem Darlehensnehmer mit dem Erwerb neu begründet

36

37 38

BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 KWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und Abs. la KWG von grenzüberschreitend betriebenen Bankgeschäften und/oder grenzüberschreitend erbrachten Finanzdienstleistungen, Stand: April 2005 ; gegen diesen vertriebsbezogenen Regulierungsansatz und für einen institutsbezogenen Regulierungsansatz aber Hess. VGH, Beschl. v. 21.01.2005, WM 2005, 1123 ff. BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht (oben Fn. 36). BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht (oben Fn. 36).

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wird und dass die Investoren sich zielgerichtet an die bisherigen Kreditgeber wenden, um gegenüber den Darlehensnehmern, also Unternehmen und/oder Personen, die ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wiederholt und geschäftsmäßig Darlehensverträge anzubieten. Dies stellt nach der für die Praxis maßgeblichen Auffassung der BaFin 39 ein aktives Handeln im Inland dar, das von der passiven Dienstleistungsfreiheit nicht mehr gedeckt ist. Sofern nach den oben genannten Kriterien die Fortfuhrung der Darlehensverträge ein Kreditgeschäft ist, unterliegen also auch ausländische Investoren der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 KWG. Hat der Investor seinen Sitz in einem Nicht-EWR-Staat, z.B. in den USA, ergibt sich daraus die rechtliche Notwendigkeit, für den Erwerb notleidender Kredite zur Erlangung der hierzu erforderlichen Erlaubnis ein Tochterunternehmen (§ 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 KWG) oder eine Zweigstelle (§ 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 53 KWG) in Deutschland zu gründen. Die unter der Erlaubnis für das Tochterunternehmen bzw. die Zweigstelle betriebenen Geschäfte sind in der deutschen Geschäftseinheit zu verbuchen; die im Rahmen der Geschäftsbeziehung eröffneten Konten und Depots sind bei dieser Einheit zu fuhren. Für Investoren aus den EWR-Staaten besteht dagegen - unter den Voraussetzungen des § 53b KWG (sog. Notifizierungsverfahren/Europäischer Pass) - neben der Möglichkeit der Errichtung einer Zweigniederlassung (§ 53b Abs. 2 KWG) auch die Möglichkeit des Betreibens erlaubnispflichtiger Geschäfte im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs ohne entsprechende inländische Präsenz (§ 53b Abs. 2a KWG). Voraussetzung dafür ist aber, dass diesen europäischen Investoren aus einem EWR-Staat die Erlaubnis für das Betreiben des Bankgeschäfts in Form des Kreditgeschäfts durch die zuständige Heimatbehörde erteilt worden ist und dass sie der Aufsicht dieser Heimatbehörde unterliegen.

39

Zu den Unterscheidungskriterien der BaFin siehe BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht (oben Fn. 36).

Distressed Debt Trading J.

Einsicht irt Kreditnehmerinformationen aufsichtsrechtliche Verpflichtung

167 als

Handelt es sich bei dem Erwerber - und dies wird aus den vorgenannten Gründen vielfach der Fall sein - um ein deutsches Kreditinstitut oder die nach deutschem Aufsichtsrecht regulierte Niederlassung eines Nicht-EWRInstituts, so muss der Erwerber die deutschen aufsichtsrechtlichen Anforderungen beim Handel mit notleidenden Krediten erfüllen. Dazu gehört nach § 18 KWG insbesondere auch, dass der Erwerber Kredite von insgesamt mehr als 250.000 € an einen Schuldner nur gewähren darf, wenn er sich von dem Kreditnehmer zuvor die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere durch Vorlage der Jahresabschlüsse, offenlegen lässt. Diese aufsichtsrechtliche Verpflichtung zur Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Darlehensnehmers trifft Kreditinstitute nicht nur als originator, also bei der ursprünglichen, eigenen Darlehensausreichung, sondern - was häufig übersehen wird - auch beim abgeleiteten Erwerb von bereits bestehenden Darlehensforderungen. Denn §21 Abs. 1 Nr. 1 KWG bestimmt ausdrücklich, dass Kredite im Sinne von §§ 15 bis 18 KWG auch entgeltlich erworbene Geldforderungen sind. Die sich damit ergebende Verpflichtung zur Erfüllung der Anforderungen aus § 18 KWG hat in der Vergangenheit fur den Handel mit notleidenden Krediten zu verschiedenen Problemen geführt. Zum einen stellt das Distressed Debt Trading in seinen verschiedenen Ausprägungsformen vielfach eine Handelsaktivität dar, bei der - anders als beim Kreditgeschäft - die Bonität des Kreditnehmers u.U. allenfalls ein Kriterium fur die Entscheidung zum Erwerb notleidender Kreditforderungen ist. Da andere Kriterien aber mindestens genauso wichtig sind, z.B. die Erwartungen zu Zins- und Währungsentwicklungen in den Märkten, Erwartungen zur Entwicklung von Immobilienpreisen bei Portfolien notleidender Immobilienkredite oder die Angebots- und Nachfragesituation für bestimmte Kredittypen, stellte die Verpflichtung zur Einsichtnahme in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers nach § 18 KWG insbesondere angesichts der von der Bankaufsicht dafür früher vorgegebenen detaillierten Kriterien40 häufig einen über-

40

BaKred, Überblick über die grundsätzlichen Anforderungen an die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 18 KWG, Rundschreiben Nr. 09/98 v.

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flüssigen Formalismus dar. So hätten z.B. durch den Erwerber einer notleidenden Darlehensforderung grundsätzlich die Jahresabschlüsse des Kreditnehmers der letzten drei Jahre nicht nur eingesehen, sondern ausgewertet und zu den Akten genommen werden müssen, selbst wenn über das Vermögen des Kreditnehmers zwischenzeitlich ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde und damit für die Bewertung der zu erwerbenden Darlehensforderung die Bilanzentwicklung in den Jahren vor der Insolvenz absolut belanglos geworden war. Diese Problematik hat sich aber immerhin zwischenzeitlich dadurch entschärft, dass kürzlich die BaFin ihre strengen formalen Kriterien für die Erfüllung der Offenlegungsverpflichtung aus § 18 KWG vollständig aufgegeben hat. Statt dessen ist es jetzt den Kreditinstituten überlassen, im Rahmen von § 18 KWG Adressenausfallrisiken in eigener Verantwortung umfassend zu beurteilen, die bedeutsamen Aspekte herauszuarbeiten und zu beurteilen, wobei auch auf externe Quellen zurückgegriffen werden kann und Branchen sowie ggfs. Länderrisiken in angemessener Weise zu berücksichtigen sind.41 Kreditinstitute, die deutschem Aufsichtsrecht unterliegen, müssen aber nichts desto trotz die Anforderungen von § 18 KWG beim Erwerb notleidender Kredite erfüllen. Dies zwingt bei Krediten, die den Schwellenwert von € 250.000 überschreiten, jedenfalls zur Einsichtnahme in die wirtschaftlichen Verhältnisse des individuellen Kreditnehmers, und schließt z.B. eine reine Portfoliobetrachtung für solche großvolumigen Darlehen aus.

III. Bankgeheimnis und Datenschutz Wie gerade erläutert, wird beim Handel mit notleidenden Krediten häufig § 18 KWG eine Einsichtnahme in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers durch den Erwerber erzwingen. Und selbst wenn die Offenlegung von Informationen über den Kreditnehmer für den Erwerber nicht gesetzlich zwingende Voraussetzung ist, wird beim Handel mit notleidenden Krediten eine umfassende Unterrichtung des Erwerbers über die Bonität des

7.7.1998 - aufgehoben mit Schreiben der BaFin v. 9.5.2005 - BA - 13 GS 3350 - 1/2005. 41 Schreiben der BaFin v. 9.5.2005 - BA - 13 GS 3350 - 1/2005; BaFin, Mindestanforderungen an das Risikomanagement, Rundschreiben 18/2005, BTO 1.2 Rz. 2 f.

Distressed Debt Trading

169

Schuldners und die Qualität der gestellten Sicherheiten praktisch immer unerlässlich für den Abschluss von Transaktionen sein. Zwar zeichnen sich Asset-Backed-Securites-Transaktionen dadurch aus, dass ganze ForderungsPortfolien, auch Darlehensforderungen, als blind pool, also ohne Offenlegung von Informationen über die individuellen Schuldner veräußert werden. Dabei handelt es sich aber zum einen um nicht-leistungsgestörte Forderungen, bei denen zum anderen wegen der Bündelung zahlreicher Forderungen in einem Portfolio auch das Ausfallrisiko der einzelnen Forderung unerheblich ist, sondern vielmehr die statistische Ausfallerwartung für den gesamten Pool die Bewertung bestimmt. Demgegenüber wird beim Distressed Debt Trading häufig nur eine einzelne Kreditforderung veräußert, und selbst bei der Veräußerung ganzer Forderungspools ist eine Einzeluntersuchung der potentiellen Handelsgegenstände angesichts der Ausfallgefahrdung der notleidenden Forderungen für die Bewertung durch der Erwerber unerlässlich. 42 Grund dafür ist insbesondere auch, dass die Veräußerer bei notleidenden Krediten grundsätzlich keinerlei Gewährleistung für die Handelsgegenstände übernehmen wollen, 43 so dass ein potentieller Erwerber auf eine umfassende eigene due diligence zur Einschätzung der Risiken der notleidenden Kredite angewiesen ist.44 Deshalb findet in der Praxis der Handel mit notleidenden Krediten nahezu ausnahmslos nur nach umfassender Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Darlehensnehmers durch den Erwerber statt, wobei in den meisten Fällen die Erwartung ist, dass dazu der Veräußerer dem Erwerber die Einsicht in die Kreditunterlagen ermöglicht. Im Übrigen muss dann der Veräußerer spätestens nach Abtretung der notleidenden Kreditforderungen an den Erwerber diesem gemäß § 402 BGB die zur Geltendmachung der Forderung nötigen Auskünfte erteilen und ihm die zum Beweis der Forderung dienenden Urkunden, also z.B. den Darlehensvertrag und die Sicherheitenverträge, übergeben.

42 43 44

Dazu auch Hofmann/Walter, WM 2004, 1566, 1570. Zu den dennoch üblicherweise vereinbarten Verkäufergarantien Bruhns/Jäger, ZBB 2005, 207, 208 f. Zur Bedeutung der due diligence des Erwerbers filr den Gewährleistungsausschluss des Veräußerers siehe Kristen/Kreppel, BKR 2005, 123, 127 ff.; zu Strukturen der international üblichen due diligence siehe Bomhard/Kessler/ Dellmeier, BB 2004, 2085, 2088 f.; Jakubik, IFLR 2001, 73.

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Die somit wegen praktischer Bedürfnisse und rechtlicher Erfordernisse beim Handel mit notleidenden Darlehen fast ausnahmslos notwendige Information des Erwerbers durch den ursprünglichen Kreditgebers über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Darlehensnehmers hat zu intensiven Diskussionen geführt, ob diese Praxis mit den gesetzlichen Schranken von Bankgeheimnis und Datenschutz vereinbar ist.

1.

Vertraulichkeitspflichten

aufgrund des

Bankgeheimnisses

Jede Diskussion des Bankgeheimnisses muss dessen doppelte Schutzrichtung beachten und deshalb unterscheiden: 45 Zum einen wird unter dem Bankgeheimnis die Berechtigung der Kreditinstitute verstanden, den Zugriff Dritter, insbesondere staatlicher Stellen, auf Kundeninformationen abzuwehren. Zum anderen ergibt sich aus dem Bankgeheimnis eine Vertraulichkeitsverpflichtung für die Kreditinstitute, nämlich Kundeninformationen nicht an Dritte weiterzugeben. Für den Handel mit notleidenden Krediten ist dieser zweite Aspekt, die Vertraulichkeitsverpflichtung, von Bedeutung. Deutsche Kreditinstitute haben eine (Selbst-)Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses in diesem Sinne zu Gunsten ihrer Kunden in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgeschrieben. So sieht das private Bankgewerbe in § 2 Abs. 1 AGB-Banken vor, dass „die Bank ... zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen Tatsachen und Bewertungen verpflichtet [ist], von denen sie Kenntnis erlangt". Die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute formulieren in § 1 Abs. 1 Satz 2 AGB-Sparkassen, dass „die Geschäftsbeziehung zwischen Kunden und der Sparkasse ... durch ... ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt ... [ist und dass] der Kunde ... sich darauf verlassen [kann], dass die Sparkasse ... das Bankgeheimnis wahrt". Einigkeit besteht aber, dass das Bankgeheimnis nicht nur vertraglich aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kreditgewerbes vereinbart wird. Denn zweifelsohne sind Kreditinstitute auch dann zur Verschwiegenheit gegenüber ihren Kunden verpflichtet, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein-

45

Dazu z.B. Cahn, WM 2004, 2041, 2042; Koberstein-Windpassinger, Wahrung des Bankgeheimnisses bei Asset-Backed-Transaktionen, WM 1999, 473, 474. Ausführlich und detailliert zum Bankgeheimnis Bruchner, in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, 2. Auflage 2001, § 39, S. 740 ff.

Distressed Debt Trading

171

mal nicht in das Vertragsverhältnis einbezogen worden sind. Deshalb handelt es sich bei der Erwähnung des Bankgeheimnisses in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen deutscher Kreditinstitute um eine nur deklaratorische Regelung, die angesichts einer fehlenden ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage die besondere Bedeutung des Bankgeheimnisses für die Geschäftsbeziehung zwischen dem Kreditinstitut und seinen Kunden sichtbar betonen soll. 46 Grundlage des Bankgeheimnisses als Berufs- und Geschäftsgeheimnis des Kreditgewerbes ist vielmehr eine ungeschriebene Nebenpflicht aus jeder Vertragsbeziehung eines Kreditinstituts mit seinem Kunden (einschließlich des bereits mit der Aufnahme geschäftlichen Kontakts entstehende gesetzliche, vorvertragliche Schuldverhältnis - § 311 Abs. 2 BGB 47 ), da die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses lediglich eine besondere Ausprägung der allgemeinen vertraglichen Nebenpflicht von Kreditinstituten ist, die Vermögensinteressen des Vertragspartners zu schützen und nicht zu beeinträchtigen. 48 Darüber hinaus wird dem Bankgeheimnis zum Teil die Qualität von Gewohnheitsrecht 49 oder sogar eines Grundrechts als Ausprägung der Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und allgemeine Handlungsfreiheit auch in Vermögensangelegenheiten zugesprochen. 50 Unabhängig davon, welche Rechtsqualität man dem Bankgeheimnis zuerkennt, muss jedenfalls geklärt werden, ob und welche Konsequenzen das Bankgeheimnis für die Abtretbarkeit von Darlehensforderungen hat.

46

47 48

49 50

So auch Bruchner, BKR 2004, 394, 395; Cahn, WM 2004, 2041, 2042; Kristen/ Kreppel, BKR 2005, 123, 130; Nobbe, WM 2005, 1537, 1539; KobersleinWindpassinger, WM 1999,473, 475. Nobbe, WM 2005, 1537, 1539. BGH v. 24.01.2006 - XI ZR 384/03, WM 2006, 380, 384 f. So in der Tendenz auch schon BGH v. 19.09.1985 - III ZR 213/83, WM 1985, 1305 ff.; OLG Frankfurt v. 25.05.2004 - 8 U 84/04, WM 2004, 1386, 1387. Ebenso Bruchner, BKR 2004, 394, 395. So z.B. Koberstein-Windpassinger, WM 1999, 473, 474; tendenziell für eine solche Einordnung wohl auch Nobbe, WM 2005, 1537, 1540. So wohl Koberstein-Windpassinger, WM 1999, 473, 475 f. Ablehnend, soweit nicht das Geheimhaltungsrecht der Kreditinstitute gegenüber öffentlichen Stellen, sondern die Vertraulichkeitspflicht gegenüber den Kunden in Frage steht: Cahn, WM 2004,2041,2042; Nobbe, WM 2005,1537, 1538 f.

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172 2.

Vertraulichkeitspflichten

aufgrund

Bundesdatenschutzgesetz

Neben den Schranken des Bankgeheimnisses können auch die Bestimmungen des Datenschutzes den Handel mit notleidenden Krediten und der dabei erforderlichen Offenlegung von Informationen über den Darlehensnehmer entgegenstehen. Denn die §§27 ff. BDSG sind anwendbar auch fur nichtöffentliche Stellen, also die privaten Kreditinstitute, und für öffentliche Stellen, die am Wettbewerb teilnehmen, also die Landesbanken und Sparkassen, hinsichtlich der Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten. Schranken für die Weitergabe von Informationen über den Kreditnehmer durch das veräußernde Institut ergeben sich damit aus § § 4 Abs. 1, 28 BDSG. Nach § 4 Abs. 1 BDSG ist die Verarbeitung personenbezogener Daten, wozu gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 3 a) BDSG auch die Weitergabe solcher Daten gehört, grds. nur zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Betroffene eingewilligt hat. § 28 BDSG ergänzt dies für den Privatrechtsverkehr insoweit, dass danach das Übermitteln personenbezogener Daten nur unter bestimmten, abschließend aufgezählten Voraussetzungen zulässig ist. Insbesondere gestattet § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG das Übermitteln personenbezogener Daten, soweit es zu Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und soweit kein Grund zur Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Weitergabe überwiegt. Ob nach datenschutzrechtlichen Regelungen eine Weitergabe personenbezogener Informationen zum Kreditnehmer im Rahmen des distressed debt trading zulässig ist, muss demnach durch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen des Kreditinstituts an der Veräußerung seiner Darlehensforderungen zur bestmöglichen Verwertung und des Kreditnehmers an der Vertraulichkeit von Informationen über ihn ermittelt werden. 51 Zwar geht grundsätzlich das Bankgeheimnis als Berufsgeheimnis den datenschutzrechtlichen Regelungen vor. Denn nach § 1 Abs. 3 BDSG gehen Rechtsvorschriften über personenbezogene Daten, zu denen allgemein auch die Vertraulichkeitspflichten des Bankgeheimnisses gerechnet werden, den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes vor.52 Und § 1 Abs. 3 Satz 2 BDSG regelt, dass die Verpflichtung zur Wahrung von Berufsgeheimnissen

51 Nobbe, WM 2005, 1537, 1543. 52 Nobbe, WM 2005, 1537, 1544.

Distressed Debt Trading

173

von den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes unberührt bleibt. Diese Regelungen schließen im Geltungsbereich eines Berufsgeheimnisses aber die Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes nicht etwa aus, sondern fuhren lediglich zur Subsidiarität seiner Regelungen. Dies bedeutet insbesondere, dass immer dann, wenn die Vertraulichkeitspflichten des Berufsgeheimnisses weniger weitreichend sind als diejenigen des Datenschutzes, die datenschutzrechtlichen Vorschriften ergänzend eingreifen und einen lückenfullenden Schutz schaffen. 53 Daher muss sich jegliche Forderungsübertragung und damit verbundene Offenlegung von Informationen durch Kreditinstitute auch daran messen lassen, ob sie mit den datenschutzrechtlichen Regelungen der §§ 27 ff. BDSG vereinbar ist. Allerdings schützt das Bundesdatenschutzgesetz nur personenbezogene Daten, also Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse von natürlichen Personen. Datenschutzrechtliche Schranken für den Handel mit notleidenden Krediten kommen daher insbesondere dann in Betracht, wenn der Kreditnehmer eine natürliche Person ist, also vor allem bei Konsumentenkrediten und der privaten Baufinanzierung. Darüber hinaus können Regelungen des Datenschutzgesetzes aber auch bei der Veräußerung gewerblicher Kredite einschlägig sein, wenn Informationen über natürliche Personen für die Bewertung der Kreditforderungen erheblich sind und weitergegeben werden sollen, z.B. wenn - wie in der Praxis sehr häufig - bei der Finanzierung mittelständischer Gesellschaften die Gesellschafter und/oder Geschäftsführer eine persönliche Bürgschaft übernommen haben. Demgegenüber schützt das Bankgeheimnis nicht nur personenbezogene Daten, sondern gilt fur alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen, die einem Kreditinstitut aufgrund, aus Anlass oder im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind, sofern nur ein innerer Zusammenhang zwischen der Kenntniserlangung von der Tatsache durch das Kreditinstitut und dem Bestehen der Geschäftsverbindung gegeben ist.54 Dabei genießen insbesondere auch Handelsgesellschaften und juristische Personen als Vertragspartner den vertraglichen Schutz des Bankgeheimnisses. 55 Umgekehrt vermittelt das Bundesdatenschutzgesetz einen weiter53

54 55

Ausführlich zum Verhältnis der Vertraulichkeitsverpflichtungen aus Bankgeheimnis und Datenschutz Cohn, WM 2004, 2041, 2050; Nobbe, WM 2005, 1537, 1544. BGH v. 24.01.2006 - X I ZR 384/03, WM 2006, 380, 384. BGH v. 19.09.1985 - III ZR 213/83, WM 1985, 1305 ff.

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174

reichenden Schutz als das Bankgeheimnis insoweit, als nach § 4b BDSG besondere Regelungen für die Übermittlung von personenbezogenen Daten ins Ausland außerhalb des EWR-Raums getroffen worden sind. 56 Im Zusammenwirken verpflichten damit Bankgeheimnis und Datenschutz in ihrem Kernbereich in gleicher Weise Kreditinstitute zum vertraulichen Umgang mit Kundeninformationen, wobei das Bankgeheimnis auch für nicht-personenbezogene Informationen gilt, während das Bundesdatenschutzgesetz in besonderer Weise Schranken für die internationale Übermittlung von personenbezogenen Daten aufstellt.

3. Bankgeheimnis und Bundesdatenschutzgesetz als Wirksamkeitshindernisse für den Handel mit notleidenden Krediten? Ob und in welcher Weise die besonderen Vertraulichkeitspflichten aus Bankgeheimnis und Bundesdatenschutzgesetz dem distressed debt trading in Deutschland entgegenstehen, ist in den letzten beiden Jahren intensiv diskutiert worden.

a)

Unwirksamkeit der Abtretung nach § 134 BGB

Vereinzelt wurde dabei vertreten, dass die Abtretung notleidender Darlehensforderungen gemäß § 134 BGB wegen des damit zwangsläufig verbundenen Verstoßes gegen das Bankgeheimnis nichtig sei. 57 Denn da die Abtretung einer Forderung den Zedenten nach § 402 BGB verpflichtet, Informationen über den Schuldner an den Zessionar weiterzugeben, habe die Abtretung von Kreditforderungen immer eine Verletzung der Vertraulichkeitspflichten aus dem Bankgeheimnis zur Folge. Dabei stützt sich diese Auffassung auf die (scheinbar) parallele ständige Rechtsprechung des BGH, wonach die Abtretung von Honorarforderungen der Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater

56 57

Dazu z.B. Klüwer/Meister, WM 2004, 1157. So tendenziell OLG Frankfurt v. 25.05.2004 - 8 U 84/04, WM 2004, 1386, 1387 f. Andererseits hatte aber der BGH bereits 1982 eine Abtretung von Darlehensforderungen zu Beitreibungszwecken für wirksam gehalten, ohne allerdings die Problematik von Vertraulichkeitspflichten zu erörtern: BGH v. 13.05. 1982 - III ZR 164/80, WM 1982, 839 ff.

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175

und Vertreter ähnlicher Berufe wegen der damit zwangsläufig verbundenen Verletzung der gegenüber den Patienten bzw. Mandanten bestehenden Verschwiegenheitspflichten als nichtig angesehen werden muss. 58 Diese Auffassung verkennt aber zum einen, dass die Abtretung einer Darlehensforderung nicht zwangsläufig und nicht in jedem Fall zur Weitergabe von Informationen über den Darlehensnehmer an den Erwerber fuhrt. Denn die Informationsverpflichtung aus § 402 BGB kann abbedungen oder beschränkt werden. 59 Dies geschieht zwar beim Handel mit notleidenden Krediten praktisch nie, ist aber z.B. bei der Veräußerung von Kreditportfolien nicht-leistungsgestörter Kredite im Rahmen von Asset-Backed-SecuritiesTransaktionen durchaus die Regel: Dort legt das veräußernde Kreditinstitut, dem als sog. Service Agent die weitere Einziehung und sonstige Betreuung der Darlehensforderungen trotz ihrer Veräußerung verbleibt, die individuellen Kundeninformationen gegenüber dem Erwerber (einem special purpose vehicle - SPV) nicht offen, sondern der Erwerber erhält nur nicht-individualisierte Informationen zum Kreditportfolio für die Bewertung des Forderungsbestands und verschlüsselte Informationen zu den Einzelforderungen für die Erfüllung des Bestimmtheitsgebots als Voraussetzung für die wirksame Übertragung der Forderungen. Diese Handhabung ist dann, auch nach Ansicht der Bankaufsicht, mit den Vertraulichkeitspflichten aufgrund Bankgeheimnis und Datenschutz vereinbar. 60 Zum anderen hat der BGH die gesetzlichen Abtretungsverbote fur die genannten Honorarforderungen daraus hergeleitet, dass ein Verstoß gegen die berufliche Verschwiegenheitspflicht bei Ärzten, Rechtsanwälten etc. strafrechtlich sanktioniert ist (§ 203 Abs. 1 StGB) und deshalb in Form des Strafgesetzes ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB die mit der Abtretung verbundene Offenlegung von Informationen an den Zessionar

58

59 60

So z.B. BGH v. 05.12.1995 - X ZR 121/93, WM 1996, 928 ff.; BGH v. 08.07.1993 - IX ZR 12/93, WM 1993, 1849 ff; BGH v. 25.03.1993 - IX ZR 192/92, WM 1993, 1009 ff.; BGH v. 23.06.1993 - VIII ZR 226/92, WM 1993, 1560 ff.; BGH v. 10.07.1991 - VIII ZR 296/90, WM 1991, 1724 ff. Dazu und zum folgenden Nobbe, WM 2005, 1537, 1541; KIüwer/Meister, WM 2004, 1157, 1158 f. BaKred, Rundschreiben 4/97, 19.03.1997, WM 1997, 1821 ff.; dazu auch Koberstein-Windpassinger, WM 1999,473 ff.

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untersagt. 61 Eine vergleichbare strafrechtliche Sanktion der Verletzung des Bankgeheimnisses ist dagegen fur Organe und Angestellte zumindest bei privatrechtlich organisierten Kreditinstituten nicht vorgesehen. 62 Und eine analoge Anwendung von § 203 Abs. 1 StGB scheidet wegen Art. 103 Abs. 2 GG jedenfalls aus. 63 Aber auch bei der Abtretung von Darlehensforderungen durch öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, z.B. Landesbanken und Sparkassen, lässt sich ein auf § 134 BGB i.V.m. § 2 0 3 Abs. 2 Nr. 1 StGB gestütztes gesetzliches Abtretungsverbot nicht begründen. 64 Zwar wurde früher in der strafrechtlichen Rechtsprechung 65 und auch in der Literatur die Auffassung vertreten, die Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute sei grundsätzlich öffentliche Verwaltung i.S.v. § 11 Nr. 4a, 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB, so dass die unbefugte Offenbarung anvertrauter oder bekannt gewordener fremder Geheimnisse nach § 203 Abs. 2 StGB und damit der Bruch des Bankgeheimnisses strafbar sei. Diese Ansicht lässt sich aber zwischenzeitlich nicht mehr aufrecht erhalten. 66 Die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute treten in ihren Geschäftsbankenbereichen in gleicher Weise auf wie privatrechtlich organisierte Wettbewerber, und mit dem Wegfall der Gewährträgerhaftung sind beide Institutsgruppen auch im Hinblick auf ihre Refinanzierung nahezu gleich gestellt. Daher ist eine strafrechtliche Sanktion des Bankgeheimnisses bei öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten jedenfalls in der heutigen Zeit nicht mehr zu rechtfertigen und würde im Übrigen auch gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. 67 Jedenfalls stellt die strafrechtliche Vorschrift des § 203 StGB daher kein Verbotsgesetz dar, das die Abtretung oder sonstige Veräußerung von Dar-

61

62

63 64 65 66 67

So z.B. BGH v. 05.12.1995 - X ZR 121/93, WM 1996, 928 ff.; BGH v. 08.07.1993 - IX ZR 12/93, WM 1993, 1849 ff; BGH v. 25.03.1993 - IX ZR 192/92, WM 1993, 1009 ff.; BGH v. 23.06.1993 - VIII ZR 226/92, WM 1993, 1560 ff.; BGH v. 10.07.1991 - V I I I ZR 296/90, WM 1991, 1724 ff. LG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.12.2004 - 2/21 Ο 96/02, WM 2005, 1120 ff.; LG Mainz v. 23.06.2003 - 3 S 42/03, juris KORE419862003, RdNr. 11; Nobbe, WM 2005, 1537, 1542; Hofmann/Walter, WM 2004,1566, 1571 f. Nobbe, WM 2005, 1537, 1542. Ausführlich dazu Sester/Glos, DB 2005,375 ff. BGH v. 10.03.1983 - 4 StR 375/82, WM 1983, 466 ff. Dazu Sester/Glos, DB 2005, 375 ff; Kristen/Kreppel, BKR 2005, 123, 131; Bomhard/Kessler/Dettmeier, BB 2004, 2085,2086 f. Ebenso Nobbe, WM 2005, 1537,1542 f.

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lehensforderungen durch Kreditinstitute, privatrechtlich oder öffentlichrechtlich organisiert, nach § 134 BGB unwirksam werden ließe. 68 Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht dann, wenn man im Bankgeheimnis Gewohnheitsrecht und damit eine unmittelbare gesetzliche Regelung sieht. 69 Denn auch Gewohnheitsrecht stellt ebenso wie geschriebenes Gesetz nur dann ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB dar, wenn das Verbot sich nicht nur gegen das Verhalten einer Partei richtet, sondern das Rechtsgeschäft als solches unmissverständlich verwirft, sich also gegen das Rechtsgeschäft insgesamt richtet. Das Bankgeheimnis verpflichtet zwar das Kreditinstitut zur Wahrung der Vertraulichkeit, beschränkt sich aber in dieser Verhaltenspflicht fur eine Partei und enthält keine Missbilligung der Forderungsabtretung insgesamt, da nicht jede Forderungsabtretung zwangsläufig mit einer Weitergabe von Informationen über den Schuldner vom Zedenten an den Zessionar oder gar mit einem Bruch des Bankgeheimnisses verbunden ist. Denn zum einen ist § 402 BGB, der den Zedenten verpflichtet, dem Zessionar sämtliche Informationen zu übergeben, die dieser zur Geltendmachung der abgetretenen Forderung braucht, abdingbar. Und zum anderen kann eine Information des Zessionars durchaus im Einklang mit den Verschwiegenheitsverpflichtungen eines Kreditinstituts stehen, weil entweder der Darlehensnehmer der Offenlegung seiner Informationen zugestimmt hat oder sonstige Umstände, worauf noch einzugehen sein wird, die Reichweite des Bankgeheimnisses einschränken. Auch die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes fuhren nicht als Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB zur Nichtigkeit der Abtretung von Darlehensforderungen. 70 Zwar verbietet § 4 Abs. 1 BDSG grundsätzlich die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten einschließlich deren Übermittlung. Zum einen richtet sich aber auch hier das Gebot nur an das jeweilige Kreditinstitut. Zum anderen schließt das Bundesdatenschutzgesetz die Übermittlung personenbezogener Daten nicht in jedem Fall

68 69 70

Ebenso die mittlerweile ganz herrschende Meinung, z.B. Bruchner, BKR 2004, 394,395. Im Ergebnis ebenso LG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.12.2004 - 2/21 Ο 96/02, WM 2005,1120 ff. Ebenso OLG Celle v. 10.09.2003 - 3 U 137/03, WM 2004, 1384 ff.; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.12.2004 - 2/21 Ο 96/02, WM 2005, 1120 ff. Ablehnend z.B. Cahn, WM 2004, 2041, 2050 f.

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aus, sondern lässt z.B. eine Übermittlung zu, wenn der Betroffene eingewilligt hat (§ 4a BDSG) oder wenn eine Übermittlung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Kreditinstituts erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Interessen des Betroffenen überwiegen (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG). Außerdem wird argumentiert, dass das Bundesdatenschutzgesetz die Folgen eines Verstoßes in §§ 43, 44 BDSG selbst regele. Dies schließe eine Anwendung von § 134 BGB aus, da ein Gesetz, das selbständig die Sanktionen bei Gesetzesverletzung vorsieht, kein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB sei.71 Schließlich wird darauf hingewiesen, dass das Bundesdatenschutzgesetz - wie oben erläutert - gegenüber den Vertraulichkeitspflichten des Bankgeheimnisses als Berufsgeheimnis nur ergänzenden, lückenfullenden Schutz gewährt. Da aber schon, wie erörtert, das insoweit vorrangige Bankgeheimnis kein gesetzliches Abtretungsverbot begründet, kann ein solches auch nicht aus den subsidiären Schutzbestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes hergeleitet werden. Anderenfalls ergäben sich nämlich untragbare Wertungswidersprüche insoweit, als die Abtretung von Forderungen gegen juristische Personen, deren Daten nicht datenschutzrechtlich geschützt sind, wirksam wären, während die Veräußerung von Darlehen an natürliche Personen, deren personenbezogene Daten Datenschutz genießen, unwirksam wäre.72 b) Stillschweigend vereinbartes Verbot der Abtretung Die Verschwiegenheitsverpflichtung des Kreditinstituts aus dem Bankgeheimnis oder aufgrund datenschutzrechtlicher Regelungen fuhrt auch nicht dazu, dass eine Abtretung notleidender Darlehensforderungen gemäß §§ 399, 400 BGB wegen eines stillschweigend vereinbarten Abtretungsverbotes unwirksam ist.73 Denn zum einen würde selbst ein vertragliches Abtretungsverbot zumindest bei Krediten an gewerbliche Darlehensnehmer gemäß § 354a HGB einer wirksamen Abtretung der notleidenden Darlehensforde71 72 73

OLG Celle v. 10.09.2003 - 3 U 137/03, WM 2004, 1384, 1385. Ausführlich dazu Nobbe, WM 2005, 1537, 1544. So aber OLG Frankfurt v. 25.05.2004 - 8 U 84/04, WM 2004, 1386, 1387 f.; Dagegen richtigerweise LG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.12.2004 - 2/21 Ο 96/02, WM 2005, 1120 ff.; LG Koblenz v. 25.11.2004 - 3 Ο 496/03, ZIP 2005, 21, 22 ff.; Nobbe, WM 2005, 1537, 1540 ff.; Kuder, ZInsO 2004, 903, 904; Bruchner, BKR 2004, 394, 395 f..

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rung nicht entgegenstehen. Zum anderen kann angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Interessen der Kreditinstitute an einer Übertragbarkeit von Darlehensforderungen nicht unterstellt werden, dass der Darlehensgeber über seine Verpflichtungen zu Vertraulichkeit hinaus mit dem Bankgeheimnis zugleich stillschweigend ein vertragliches Verbot der Abtretung mit dem Darlehensnehmer vereinbaren will, zumal anderenfalls eine entsprechende klarstellende Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kreditgewerbes nahegelegen hätte. 74 Umgekehrt kann auf der Kundenseite regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Kunde bei Abschluss eines Darlehensvertrages Gedanken über einen dinglich wirkenden Ausschluss der Abtretung der Darlehensforderung durch das Kreditinstitut macht. 75 Jede Annahme einer konkludenten Vereinbarung eines Abtretungsausschlusses für die nach dem Gesetz ohne weiteres und bei gewerblichen Krediten gemäß § 354 a HGB sogar trotz Vereinbarung eines Abtretungsverbots abtretbaren Darlehensforderungen wäre daher nichts weiter als eine abwegige und realitätsferne Fiktion. 76 Im Übrigen würde eine solche Annahme auch im Konflikt stehen mit der gesetzgeberischen Grundentscheidung für die Verkehrsfähigkeit von Forderungen, die im Ausnahmecharakter von § 399 Alt. 2 BGB und der Einfuhrung der uneinschränkbar freien Abtretung für Forderungen aus gegenseitigen Handelsgeschäften durch § 354 a HGB zum Ausdruck gekommen ist. 77 Dementsprechend hat der BGH bereits 1998 in einem Beschluss über die Nichtannahme einer Revision, mit der ein stillschweigend vereinbartes Abtretungsverbot für eine Darlehensforderung behauptet wurde, überaus deutlich geurteilt, dass „die Konstruktion eines auf das Bankgeheimnis gestützten Abtretungsverbots ... abwegig" ist. 78

c)

Zwischenergebnis

Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass die Vertraulichkeitspflichten von Kreditinstituten aus dem Bankgeheimnis und nach 74 75 76 77 78

LG Koblenz v. 25.11.2004 - 3 Ο 496/03, ZIP 2005, 21, 23. Nobbe, WM 2005, 1537, 1541. Cohn, WM 2004, 2041, 2048; Bütler/Tonner, ZBB 2005, 165, 169; Nobbe, WM 2005, 1537, 1541. Langenbucher, BKR 2004, 333, 334. BGH v. 27.01.1998-XI ZR 208/97.

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datenschutzrechtlichen Regeln die wirksame Abtretung oder sonstige Übertragung von Darlehensforderungen nicht verhindern. 79 Anders als dies in verschiedenen Stellungnahmen zum Ausdruck kommt, ist damit aber die Problematik der Reichweite dieser Vertraulichkeitspflichten beim Handel mit notleidenden Krediten keinesfalls für die Praxis gelöst oder gegenstandslos. 80 Denn die evtl. Verletzung der Vertraulichkeitspflichten kann gravierende Rechtsfolgen für das veräußernde Kreditinstitut haben - zivilrechtliche Schadensersatzpflichten und aufsichtsrechtliche Sanktionen. Außerdem kann eine Verletzung der Vertraulichkeitspflichten im Einzelfall eine Kündigung des Darlehensverhältnisses durch den Kreditnehmer rechtfertigen. 81 Auf letzteres braucht aber in diesem Zusammenhang nicht eingegangen zu werden, weil Konsequenz der Kündigung eine sofortige Rückzahlungspflicht wäre und eine sofortige Rückzahlung bei notleidenden Krediten für den Kreditgeber im Zweifel keine Sanktion, sondern höchstwillkommen wäre.

4.

Schadensersatz

bei Verletzung

des

Bankgeheimnisses

Einigkeit besteht, dass Kreditinstitute zum Schadensersatz verpflichtet sind, wenn sie Informationen über ihre Kunden unter Verletzung des Bankgeheimnisses offen legen. Dazu hat der BGH jetzt aktuell bestätigt, dass insbesondere die Weitergabe von Informationen über die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Darlehensnehmers bei Verletzung des Bankgeheimnisses für den Darlehensnehmer gemäß § 280 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung begründet, weil ein solcher Bruch des Bankgeheimnisses eine aus dem Darlehensvertrag folgende Interessenwahrungs-, Schutz- und Loyalitätspflicht verletzt. 82 Dabei zeigt dieses aktuelle Urteil des BGH auch sehr prägnant, dass Schadensersatzansprüche des Kreditnehmers nicht nur ein theoretisches Risiko bei Bruch des Bankgeheimnisses sind, sondern dass Kreditinstitute gut daran tun, notleidende Kredite nur in einer 79 80 81 82

So wohl die mittlerweile eindeutig herrschende Meinung: Nobbe, WM 2005, 1537, 1545. So aber in der Tendenz Hofmann/Walter, WM 2004, 1566, 1572; Nobbe, WM 2005, 1537, 1545. Dazu Klüwer/Meister, WM 2004, 1157, 1159; Nobbe, WM 2005, 1537, 1547 f. BGH v. 24.01.2006 - XI ZR 384/03, WM 2006, 380, 384 f.; ebenso schon LG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.12.2004-2/21 Ο 96/02, WM 2005, 1120,1123.

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solchen Weise zu veräußern, die mit den Vertraulichkeitsverpflichtungen des Bankgeheimnisses im Einklang steht - zumindest um Schadensersatzansprüche zu vermeiden.

5.

Wahrung der Vertraulichkeitsverpflichtungen zur Durchführung der Bankgeschäfte

ordnungsgemäßen

Darüber hinaus sind Kreditinstitute auch aufsichtsrechtlich verpflichtet, die Vertraulichkeitspflichten aus Bankgeheimnis und den datenschutzrechtlichen Regelungen zu beachten. Denn gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG müssen Kreditinstitute über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen, die die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen gewährleistet. Dieses wird nach § 6 Abs. 2 KWG durch die BaFin überwacht, die Missständen im Kreditwesen entgegenzuwirken hat, welche die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte beeinträchtigen. Dabei hat die Bankaufsichtsbehörde immer wieder deutlich gemacht, dass zur ordnungsgemäßen Durchfuhrung der Bankgeschäfte insbesondere auch die Wahrung des Bankgeheimnisses gehört und dass Kreditinstitute Datenschutz gewährleisten sowie für Vertraulichkeit sorgen müssen. 83

6.

Reichweite

und Schranken von Bankgeheimnis bei notleidenden Krediten

und

Datenschutz

Einigkeit besteht, dass das Bankgeheimnis nicht uneingeschränkt zur Vertraulichkeit des Kreditinstituts gegenüber jedermann und in jeder Situation verpflichtet, sondern dass die Vertraulichkeitsverpflichtung Grenzen hat, und zwar über die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kreditgewerbes genannten Ausnahmen hinaus. 84 Eine dieser Grenzen ist sicherlich das Erfordernis in einer modernen, arbeitsteiligen Wirtschaft, die Bankdienstleistungen unter Einschaltung von 83

84

So z.B. ausdrücklich in den beiden Rundschreiben: BaKred, Rundschreiben 4/97, 19.03.1997, WM 1997, 1821 ff.; BaKred, Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen gemäß § 25a Abs. 2 KWG, Rundschreiben 11/2001, 06.12.2001. Für alle: Cahn, WM 2004, 2041, 2046.

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Erfüllungsgehilfen oder durch Outsourcing an Dritte erbringen zu können. Entsprechend ist nach § 25a KWG Outsourcing in der Kreditwirtschaft im bestimmten Rahmen ausdrücklich zugelassen. Die dafür erforderliche Information des dritten Dienstleisters kann keine Verletzung der Vertraulichkeitspflichten aus Bankgeheimnis und datenschutzrechtlichen Regelungen begründen. 85 Denn schon der eigene Mitarbeiter ist ja im Verhältnis zum Kreditinstitut „Dritter" und bei Abwicklung der Bankgeschäfte Erfüllungsgehilfe; und es kann keinen Unterschied machen, ob dieser Erfüllungsgehilfe als Angestellter aufgrund eines Dienstvertrages oder als „Sub-Unternehmer" aufgrund eines Werkvertrags tätig wird, da in beiden Fällen das Kreditinstitut für die Wahrung der Vertraulichkeit einzustehen hat. Dementsprechend sieht auch die Bankaufsicht in der Weitergabe von Kundeninformationen beim Outsourcing keine Verletzung des Bankgeheimnisses, sondern verlangt nur, dass auch das Auslagerungsunternehmen die Kundeninformationen vertraulich behandelt und auf Wahrung des Bankgeheimnisses verpflichtet wird. 86 Jedoch kann diese Schranke des Bankgeheimnisses - entgegen verschiedentlich vertretener Meinung 87 - die Offenlegung von Kundeninformationen beim Forderungshandel gerade nicht rechtfertigen. 88 Denn der Erwerber wird nicht als Erfüllungsgehilfe des Verkäufers tätig, und der Verkäufer will nach Abschluss der Transaktion gerade nicht mehr für die Wahrung des Bankgeheimnisses einstehen müssen. Es bleibt damit nur eine Einschränkung des Bankgeheimnisses, die sich aus einer Abwägung der widerstreitenden Interessen des Kreditinstituts an einer Offenlegung und des Kunden an Wahrung der Vertraulichkeit ergibt. 89 Dazu hat der BGH bereits 1985 in einer Entscheidung zur sog. SchufaKlausel formuliert, dass es von einer Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Kreditnehmers und von einer Abwägung der Interessen im Einzelfall abhängig ist, ob und wieweit die Bank das Bankgeheimnis durchbrechen und privaten Dritten ohne - ausdrückliche oder stillschweigende - Einwilligung

85 86 87 88 89

Ausführlich dazu Cohn, WM 2004,2041,2045 f. BaKred, Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen gemäß § 25a Abs. 2 KWG, Rundschreiben 11/2001,06.12.2001. So in der Tendenz zumindest Bruchner, BKR 2004, 394,396. So dezidiert auch Nobbe, WM 2005, 1537, 1546. Mit einem solchen Ansatz z.B. Bomhard/Kessler/Dettmeier, BB 2004, 2085, 2086; Hofmann/Walter, WM 2004, 1566; 1573 f.

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des Vertragspartners Auskünfte erteilen darf. 90 Offen ist aber noch, welches die dogmatische Grundlage dieser Interessenabwägung ist und wo damit die Grenze zwischen Fallgestaltungen zulässiger und unzulässiger Offenlegung von Kundeninformationen beim Verkauf von Darlehensforderungen verläuft. Dabei wird vereinzelt vertreten, dass die Auskunftspflicht aus § 402 BGB als gesetzliche Verpflichtung zur Offenlegung von Informationen über den Kreditnehmer nach Abtretung einer Darlehensforderung grundsätzlich Vorrang vor den Vertraulichkeitsverpflichtungen aus Bankgeheimnis und Datenschutz habe. 91 Denn § 402 BGB sei ein Gesetz i.S.v. § 2 Abs. 1 AGB-Banken bzw. eine Rechtsvorschrift i.S.v. § 4 Abs. 1 BDSG und rechtfertige die Weitergabe von sonst vertraulichen Informationen. Damit könnten Kreditinstitute rechtmäßig in jedem Fall Kreditforderungen, notleidende und nichtleistungsgestörte, abtreten und Informationen über die Darlehensnehmer an den Erwerber weitergeben, ohne ihre Vertraulichkeitspflichten zu verletzen. Diese Auffassung hilft für den Handel mit notleidenden Krediten aber zum einen schon rein praktisch nicht weiter. Denn § 402 BGB könnten allenfalls eine Offenlegung von Informationen über den Darlehensnehmer nach Veräußerung der Forderungen rechtfertigen. 92 Zum anderen vermag diese Auffassung deshalb auch im Grundsatz nicht zu überzeugen, weil Kreditinstituten damit die Voraussetzungen für eine Auskunftsverpflichtung aus § 402 BGB selbst beliebig schaffen und sich ohne jede Bindung von ihren Vertraulichkeitsverpflichtungen selbst befreien könnten. 93 Vereinzelt wird auch die Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne von § 193 StGB und § 824 Abs. 2 BGB als genereller Rechtfertigungsgrund angesehen, der in allen Rechtsbereichen zur Einschränkung von vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen führe. Diese Auffassung lässt aber außer Acht, dass § 193 StGB eine Ausprägung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und seine Anwendung auf die Ehrverletzungs90 91

92 93

BGH v. 19.09.1985 - III ZR 213/83, WM 1985, 1305 ff., ebenso LG Mainz v. 23.06.2003 - 3 S 42/03, juris KORE419862003, RdNr. 10. LG Mainz v. 23.06.2003 - 3 S 42/03, juris KORE419862003, RdNr. 13; Rinze/Heda, WM 2004, 1557, 1564 f. Ebenso in der Tendenz, aber auch mit gewichtigen Zweifeln Kliiwer/Meister, WM 2004, 1157, 1159 f. Cohn, WM 2004, 2041, 2046; Nobbe, WM 2005, 1537, 1546; Rinze/Heda, WM 2004, 1557, 1565. Nobbe, WM 2005, 1537, 1546. Ablehnend auch Koberstein-Windpassinger, WM 1999, 473, 480.

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delikte beschränkt ist. Darüber hinaus erkennt das Zivilrecht die Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht als allgemeinen Rechtfertigungsgrund an. 94 Abgesehen davon, dass ein solch weiter Rechtfertigungstatbestand angesichts seiner Konturlosigkeit auch zu willkürlichen Ergebnissen führen würde, 95 würde ihm schließlich jede Bedeutung für den Forderungshandel fehlen. Denn allenfalls könnte eine Wahrnehmung berechtigter Interessen in notstandsähnlichen Fällen anerkannt werden, die aber beim Verkauf von Forderungen nicht vorliegen. Dementsprechend versucht eine starke Meinung den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB nutzbar zu machen, dass derjenige nicht die Einhaltung vertraglicher Pflichten seines Vertragspartners verlangen darf, der selber vertragsuntreu geworden ist, weil sonst Rechtsmissbrauch vorläge. 96 Diese zutreffende Schranke für das Bankgeheimnis rechtfertigt auch nach Auffassung des BGH eine Offenlegung zum Zwecke der Beitreibung fälliger Forderungen, zumindest nach Mahnung. Und da der Verkauf fälliger, nicht bezahlter Forderungen eine Form der Beitreibung ist, ergibt sich, dass die Veräußerung notleidender Kredite und die damit verbundene Offenlegung von Kundeninformationen zumindest dann ohne Verstoß gegen das Bankgeheimnis erfolgen kann, wenn eine echte Beitreibungssituation eingetreten ist, also der Darlehensnehmer insolvent geworden ist oder seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen, auch soweit die Fälligkeit durch berechtigte Kündigung herbeigeführt werden, nicht nachkommt. Darüber hinaus erscheint es wegen der engen Verknüpfung der Vertraulichkeitspflichten aus Bankgeheimnis und Datenschutz richtig, den Rechtsgedanken des § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG als generelle Schranke für die datenschutzrechtliche Vertraulichkeit und das Bankgeheimnis anzusehen. 97 Entsprechend hat der BGH 1985 in seiner Entscheidung zur Schufa-Klausel erkennen lassen, dass die datenschutzrechtliche Interessenabwägung nach § 24 BDSG a.F. Getzt: § 28 BDSG) die Übermittlung von Informationen zum

94 95

96 97

Nobbe, WM 2005, 1537, 1546. Ablehnend zur Wahrnehmung berechtigter Interessen als generelle Rechtfertigung fllr eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses auch Hofmann/Walter, WM 2004, 1566,1573. Nobbe, WM 2005, 1537, 1547; so wohl auch Kuder, ZInsO 2004, 903; Kristen/ Kreppet, Β KR 2005, 123, 131; Klüwer/Meister, WM 2004, 1157, 1162. Kritisch Nobbe, WM 2005, 1537, 1546.

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Kreditnehmer auch im Hinblick auf die Vertraulichkeitspflichten des Bankgeheimnisses rechtfertigen kann. 98 Gemäß § 28 BDSG ist die Übermittlung von Informationen, selbst wenn es sich um datenschutzrechtlich geschützte personenbezogene Daten handelt, dann und soweit zulässig, wie es zur Wahrung berechtigter Interessen der zur Vertraulichkeit verpflichteten Stelle erforderlich ist und schutzwürdige Interessen des Betroffenen an der Wahrung der Vertraulichkeit nicht überwiegen. Nimmt man diese Interessenabwägung bei der Veräußerung verschiedener Kategorien notleidender Kredite vor, so kann festgestellt werden, dass vielfach eine Offenlegung von Informationen über das Darlehensverhältnis und den Kreditnehmer an den Erwerber ohne Verstoß gegen die Vertraulichkeitspflichten aus dem Bankgeheimnis und den datenschutzrechtlichen Regelungen möglich ist:

a)

Darlehensforderungen gegen insolvente Kreditnehmer

Hat der Kreditnehmer selbst einen Insolvenzantrag gestellt oder steht die materielle Insolvenz des Kreditnehmers nach einem Drittantrag aufgrund Verfahrenseröffnung oder Ablehnung mangels Masse fest, so kann der Kreditgeber Erwerbsinteressenten Informationen über das Darlehensverhältnis ohne Verstoß gegen Vertraulichkeitspflichten aus Bankgeheimnis und Datenschutz offenbaren und die (Insolvenz-)Forderungen aus dem Darlehensverhältnis rechtmäßig veräußern. Denn mit der Insolvenz steht fest, dass der Kreditnehmer seine Forderungen nicht mehr selbst vollumfänglich bedienen wird, so dass der Kreditgeber ein berechtigtes Interesse an der bestmöglichen Beitreibung seiner Forderung hat, soweit dies noch möglich ist. Andererseits sind spätestens mit Einleitung des Insolvenzverfahrens keine schutzwürdigen Interessen des Kreditnehmers an der Wahrung der Vertraulichkeit zu erkennen. Denn in einem Insolvenzverfahren werden ohnehin die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers öffentlich, und der Kreditgeber muss ohne Veräußerung seiner Darlehensforderungen jedenfalls diese zur öffentlichen Tabelle anmelden.

98

BGH v. 19.09.1985 - III ZR 213/83, WM 1985, 1305 ff.

186 b)

Arne Wittig Darlehensforderungen nach Kündigung oder bei Nichtzahlung trotz Fälligkeit

Eine vergleichbare Interessenabwägung rechtfertigt die Offenlegung von Informationen zum Darlehensverhältnis und zum Darlehensnehmer auch dann, wenn der Kreditnehmer mit seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehen in Verzug ist, sei es nach Kündigung oder nach vertragsgemäßer Fälligkeit. 99 Denn einerseits hat das Kreditinstitut in einem solchen Fall ein berechtigtes Interesse daran, alle Maßnahmen zur Durchsetzung der falligen Forderung zu ergreifen - und die Veräußerung gegen Entgelt stellt der Sache nach eine solche Form der Beitreibung dar. Andererseits könnte das Kreditinstitut nach Verzug des Darlehensnehmers seine Forderung auch durch eine Klage beitreiben, wozu eine Offenlegung der maßgeblichen Informationen im öffentlichen Gerichtsverfahren notwendig wäre. Schon aus diesem Gesichtspunkt fehlt für den Kreditnehmer ein schutzwürdiges Interesse an der Wahrung von Vertraulichkeit seiner Informationen. 100 Darüber hinaus kann das Interesse des Darlehensnehmers in diesen Fällen auch deshalb nicht vollumfänglich als schutzwürdig angesehen werden, weil der Darlehensnehmer sich mit Nichtzahlung trotz Fälligkeit selbst nicht vertragsgerecht verhält. 101 Entsprechend hatte der BGH bereits 1982 die Abtretung einer fälligen Darlehensforderung zu Beitreibungszwecken fur wirksam gehalten, ohne allerdings die Problematik von Vertraulichkeitspflichten zu erörtern. 102

c)

Darlehensforderungen bei Kündbarkeit wegen Zahlungsverzug oder wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse

Schwieriger erscheint die Interessenabwägung auf den ersten Blick, wenn das Darlehensverhältnis noch nicht gekündigt worden ist, sondern „nur" eine Kündbarkeit vorliegt, weil der Darlehensnehmer einzelne Zahlungen nicht geleistet hat oder eine wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen

99 OLG Celle v. 10.09.2003 - 3 U 137/03, WM 2004, 1384, 1385; LG Mainz v. 23.06.2003 - 3 S 42/03, juris KORE419862003, RdNr. 11. 100 Im Ergebnis ebenso Bruchner, (oben Fn. 45) § 39, RdNr. 42, S. 758; Nobbe, WM 2005, 1537, 1547; Bomhard/Kessler/Dettmeier, BB 2004, 2085,2086. 101 LG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.12.2004 - 2/21 0 96/02, WM 2005,1120, 1123. 102 BGH v. 13.05.1982 - III ZR 164/80, WM 1982, 839 ff.

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Verhältnisse des Darlehensnehmers eingetreten ist, die eine Kündigung rechtfertigen. Hier könnte eingewandt werden, dass das Kreditinstitut vor Fälligstellung des gesamten Darlehens noch keine Beitreibungsmaßnahmen einleiten könne und daher auch kein berechtigtes Interesse daran habe, durch Veräußerung der Darlehensforderung die Beitreibung einzuleiten. 103 Eine solche Betrachtung verkennt aber zum einen, dass dann, wenn eine Kündbarkeit wegen Zahlungsverzugs oder Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist, die tatsächliche Kündigung und Gesamtfälligstellung regelmäßig zu einer Wertminderung der Darlehensforderung fuhrt, da zumindest juristische Personen und die gleichgestellten Personengesellschaften wegen Zahlungsunfähigkeit nach Kündigung gezwungen sein können, Insolvenzantrag zu stellen und die Insolvenz nahezu ausnahmslos zu einer Vernichtung von Werten beim Darlehensnehmer führt. Deshalb nimmt ein Kreditinstitut berechtigte Interessen wahr, wenn es in diesen Fällen statt der Kündigung die notleidende Darlehensforderung unter Offenlegung von Informationen veräußert. Und schutzwürdige Interessen des Darlehensnehmers stehen dem nicht entgegen, da einerseits j a spätestens nach der Kündigung zur gerichtlichen Beitreibung oder im Insolvenzverfahren die Informationen ohnehin offenbar würden. Andererseits erscheint in einer solchen Situation die Veräußerung der notleidenden Forderung auch für den Darlehensnehmer häufig als das mildere Mittel gegenüber einer Kündigung, weil damit u.U. die Insolvenz vermieden werden kann, sofern der Erwerber bereit ist, das Darlehensverhältnis ohne Kündigung fortzusetzen. 104 Diese Interessenabwägung rechtfertigt daher die Offenlegung von Informationen und die Veräußerung der betroffenen Darlehensforderungen und verhindert eine Verletzung der Vertraulichkeitspflichten aus dem Bankgeheimnis und aufgrund der datenschutzrechtlichen Regelungen auch schon bei bloßer Kündbarkeit des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs oder wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse beim Darlehensnehmer. 105

103 So in der Tendenz Bomhard/Kessler/Dettmeier, BB 2004, 2085, 2086. 104 Zu diesem Aspekt auch Hofmann/Walter, WM 2004,1566,1573. 105 Im Ergebnis ebenso Nobbe, WM 2005, 1537, 1547, der allerdings bei Kündbarkeit wegen wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse

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d) Darlehensforderungen aus gewerblichen Krediten Zum Teil wird wohl die Auffassung vertreten, dass Kreditforderungen aus gewerblichen Krediten, bei denen also der Darlehensvertrag fur beide Teile ein Handelsgeschäft ist, immer ohne Verletzung von Vertraulichkeitsverpflichtungen veräußert werden können.106 Zur Begründung wird darauf abgestellt, dass nach § 354a HGB ein vertraglicher Abtretungsausschluss der Wirksamkeit der Abtretung einer Geldforderung nicht entgegensteht, wenn das Rechtsgeschäft, das diese Forderung begründet hat, für beide Teile ein Handelsgeschäft ist. Eine Offenlegung von Informationen über das Darlehensverhältnis und den Darlehensnehmer sei daher bei kaufmännischen Kreditkunden durch § 354a HGB gerechtfertigt. Eine solche Auffassung würde aber verkennen, dass Kreditinstitute eben nicht „ganz gewöhnliche" Forderungen aus Handelsgeschäften i.S.v. § 354a HGB begründen, sondern aufgrund des Bankgeheimnisses einer bereits mit Anbahnung des Darlehensvertrags entstehenden schuldrechtlichen Sonderverbindung unterliegen, die sie anders als andere Kaufleute bei sonstigen Handelsgeschäften grundsätzlich zur Verschwiegenheit über alle Tatsachen und Werturteile hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers verpflichtet.107 Eine generelle Berechtigung zur Weitergabe von Informationen zu allen kaufmännischen Kreditnehmern erscheint damit unvereinbar.

e) Sonstige Darlehensforderungen Vereinzelt wird schließlich sogar - zumindest in der Tendenz - postuliert, dass als Ergebnis der Interessenabwägung zwischen den Vertraulichkeitspflichten und dem Interesse an der Übertragung von Kreditforderungen eine Übertragung unter Offenlegung von Informationen über den Kreditnehmer an einen Erwerber immer ohne Verletzung von Bankgeheimnis und datenschutzrechtlichen Vorschriften möglich sei, solange nur der Erwerber, also der neue Gläubiger verpflichtet ist, die Verschwiegenheit über Kundeninformationen

vor Weitergabe zumindest personenbezogener Daten ein Fristsetzung zur Nachbesicherung und damit Abwendung der KUndbarkeit fordert. 106 So wohl Bütter/Tonner, ZBB 2005, 165, 166 f. 107 Nobbe, WM 2005, 1537, 1347.

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im gleichen Umfange zu wahren, wie das veräußernde Kreditinstitut selbst, 108 insbesondere weil der Erwerber seinerseits ein Kreditinstitut ist. 109 Begründet wird dies damit, dass einerseits Kreditinstitute ein elementares und vitales wirtschaftliches Interesse daran haben, zum Zwecke der Risikosteuerung und Eigenkapitalentlastung Darlehensforderungen zu veräußern. Umgekehrt habe der Kreditnehmer kein schutzwürdiges Interesse, dass kein Gläubigerwechsel stattfinde - die Erwartung, sich bei der Abwicklung des Darlehens nur mit einem bestimmten Kreditinstitut auseinander setzen zu müssen, werde durch die Rechtsordnung nicht geschützt. 110 Für das berechtigte Geheimhaltungsinteresse bietet dagegen die Vertraulichkeitsverpflichtung des Erwerbers ausreichend Schutz. Im Ergebnis liege die Veräußerung von Darlehensforderungen sogar im Interesse des Kunden, der von der Möglichkeit seines Kreditinstituts zu solcher Refinanzierung und Gesamtrisikosteuerung jedenfalls mittelbar durch günstigere Kreditkonditionen profitiere. 1 " Ob eine so weit gehende Auffassung die Billigung der Rechtsprechung finden wird, erscheint angesichts des besonderen Vertrauens, das Kunden ihren Kreditinstituten entgegenbringen, zumindest zweifelhaft. Angesichts des besonderen Vertrauensverhältnisses dürfte es im Übrigen den Kunden auch nicht gleichgültig sein, welches Kreditinstitut aufgrund des Darlehensverhältnisses zur Wahrung der Vertraulichkeit verpflichtet ist.

7. Anforderungen

an die Rechtswirksamkeit Asset-Trading-Klauseln

(vorformulierter)

Um verbleibende Zweifel an der Vereinbarkeit der Vertraulichkeitsverpflichtungen aus Bankgeheimnis und datenschutzrechtlichen Regelungen mit der erforderlichen Informationsweitergabe beim Handel mit notleidenden Kreditforderungen zu beseitigen, aber auch um generell die Möglichkeiten der Übertragbarkeit von nicht-leistungsgestörten Darlehensforderungen zu

108 So Bruchner, BKR 2004, 394, 396; Früh, Abtretungen, Verpfändungen, Unterbeteiligungen, Verbriefungen und Derivate bei Kreditforderungen vor dem Hintergrund von Bankgeheimnis und Datenschutz, WM 2000,497, 503. 109 So wohl Langenbucher, BKR 2004, 333, 334. 110 Langenbucher, BKR 2004, 333, 334. 111 Früh, WM 2000, 497, 503.

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erhöhen, gehen Kreditinstitute vermehrt dazu über, sog. asset trading clauses in den Kreditverträgen zu vereinbaren.112 Diese Regelungen sehen - deklaratorisch - die freie Übertragbarkeit der Darlehensforderungen vor und räumen in diesem Zusammenhang dem Darlehensgeber die Befugnis ein, Informationen zum Darlehensverhältnis und zum Darlehensnehmer einem (potentiellen) Erwerber zur Verfügung zu stellen." 3 Da solche ,Abtretungsklauseln" aber in aller Regel vorformuliert sein werden, stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Vereinbarungen auch als allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam vereinbart werden können.114 Dazu hat der BGH bereits 1985 in seinem Urteil zur sog. Schufa-Klausel Anforderungen formuliert.115 Zunächst dürfen asset trading clauses, die die Weitergabe von Informationen an potentielle Erwerber erlauben, nicht gegen das Verbot überraschender Klauseln in § 305c Abs. BGB verstoßen.116 Dies erfordert eine deutliche Hervorhebung entsprechender allgemeiner Geschäftsbedingungen. Darüber hinaus müssen die Klauseln gemäß § 307 BGB hinreichend transparent sein. Dafür ist eine Bestimmung erforderlich, bei welcher Art von Transaktionen der Kreditgeber die Informationen zum Darlehensverhältnis und zum Darlehensnehmer weitergeben darf, welches der Zweck der Informations weitergäbe ist und wer als potentieller Empfänger dieser Informationen in Betracht kommt. Die Erfüllung dieser Transparenzstandards werden im Übrigen auch von der Bankaufsicht gefordert.117 Schließlich dürfen entsprechende Klauseln den Darlehensnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Dazu ist zu fordern, dass der Darlehensgeber die Informationen nur an solche Erwerber weitergibt, die entweder - als deutsche Kreditinstitute - den gleichen Vertraulichkeitsverpflichtungen wie der ursprüngliche Vertragspartner des Darlehensnehmers unterliegen, oder den Erwerber vertraglich mit einer Vertraulichkeitsvereinbarung zur Wahrung gleicher Standards verpflichtet. Damit wird zum Schutz der Interessen des

112 Siehe als Beispiel für eine solche Klausel § 12 des vom Bundesverband deutscher Banken entwickelten Musterdarlehensvertrags für gewerbliche Kreditvergaben, WM 2005, 1942 ff. 113 Dazu auch Hofmann/Walter, WM 2004, 1566, 1572 f. 114 Dazu auch Klüwer/Meister, WM 2004, 1157, 1162; Früh, WM 2000,497, 502. 115 BGH v. 19.09.1985 - III ZR 213/83, WM 1985, 1305. 116 So auch Hofinann/Walter, WM 2004, 1566,1572. 117 BaKred, Rundschreiben 4/97,19.03.1997, WM 1997,1821 ff.

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Darlehensnehmers gewährleistet, dass die weitergegebenen Daten und Informationen des jeweiligen Darlehensnehmers mit demselben Grad an Vertraulichkeit behandelt werden wie vor der Übertragung der Darlehensforderungen.118

IV. Ausblick Als der Handel mit notleidenden Krediten vor nicht viel mehr als drei Jahren in Deutschland größeren Umfang angenommen hat, betraten alle Akteure, veräußernde Kreditinstitute und Erwerber, damit rechtliches Neuland. Mittlerweile sind noch nicht alle Rechtsfragen geklärt, aber es haben sich zwischenzeitlich Struktur- und Vertragsstandards herausgebildet, die zumindest in Ansätzen distressed debt trading auch in Deutschland zu einem Routinegeschäft haben werden lassen. Die geschilderten Vorteile dieser Transaktionen für Veräußerer und Erwerber lassen erwarten, dass das Handelsvolumen eher noch zunehmen wird, auch wenn der Bestand notleidender Kredite durch bessere Kreditvergabepraxis der Kreditinstitute und durch eine wirtschaftliche Erholung tendenziell eher sinkt. Ein ganz wichtiger weiterer Schritt, um diesen Handel zu fördern, muss die Standardisierung nicht nur der Handelstransaktionen, sondern bereits der Handelsgegenstände, der ausgereichten Kredite sein. Dazu gibt es erste viel versprechende Ansätze. So hat zum Beispiel die private Kreditwirtschaft im Bundesverband deutscher Banken e.V. einen Musterdarlehensvertrag für gewerbliche Kreditvergaben entwickelt.119 Auch die englische Loan Market Association, die sich die Förderung des Handels mit (nicht nur: notleidenden) Darlehen in Europa zum Ziel gesetzt hat,120 hat dem Vernehmen nach mit der Erarbeitung eines Standardkreditvertrags für Unternehmensfinanzierungen nach deutschem Recht begonnen. Auf dieser Grundlage wird ein weiteres Wachstum des Marktes für notleidende Kredite möglich sein, zum Nutzen der Kreditnehmer ebenso wie der deutschen Kreditinstitute.

118 So auch Hofrnann/Walter, WM 2004, 1566, 1574. 119 Abgedruckt in WM 2005, 1942 ff., dazu Wand, Musterdarlehensvertrag fllr gewerbliche Kreditvergaben, WM 2005,1932 ff., 1969 ff. 120 Ausführlich dazu auf der Webseite .

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Denn aus Sicht der finanzierten Unternehmen gilt, dass zwar Distressed Debt-Investoren naturgemäß eine Politik der Wertmaximierung verfolgen. Doch sie sind dabei - manchmal eher als die ursprünglichen Kreditgeber auch bereit, für die Sanierung des Darlehensnehmers zusätzliche Kreditmittel zur Verfugung zu stellen oder sogar Eigenkapitalpositionen zu übernehmen. Hinzu kommt, dass Distressed Debt-Investoren, die ihrerseits die Darlehensforderungen mit einem Abschlag übernommen haben, eher Sanierungen mit einem sinnvollen Forderungsverzicht unterstützen werden, als dies die ursprünglichen Kreditgeber tun, die zumindest emotional - selbst wenn Wertberichtigungen erfolgt sind - eine Rückführung des Darlehens zum Nominalwert erwarten. Deshalb wird es dem Kreditnehmer nicht selten leichter fallen, mit dem neuen Kreditgeber Einigkeit über eine Sanierung zu erzielen als mit den ursprünglichen Kreditgebern. Denn die neuen Investoren haben bewusst eine Entscheidung zur Finanzierung des Unternehmens in der Krise getroffen, während Entscheidungen der bisherigen Kreditgeber vielfach von der Enttäuschung über das fehlgeschlagene Kreditengagement mitbestimmt werden. Auch aus Sicht der Kreditinstitute ist zu begrüßen, dass Distressed DebtInvestoren eine Alternative für Abwicklung notleidender Kredite bieten. Kreditinstitut sind nicht mehr gezwungen, eventuell unsichere Sanierungspläne ihres Kreditnehmers zu unterstützen, sondern können sich mit Veräußerung an einen Distressed Debt-Investor endgültig der notleidenden Darlehensforderung entledigen und damit die internen Ressourcen schonen und das Risiko einer weiteren Wertverschlechterung vermeiden. Angesichts dieser Bewertung sollten sich die Rechtspraxis, die Gerichte und erforderlichenfalls auch der Gesetzgeber, z.B. im Zusammenhang mit der True Sale Initiative, bemühen, der Entwicklung des distressed debt trading zu einem florierenden Markt in Deutschland keine unberechtigten Hindernisse in den Weg zu legen - denn jeder Euro, der so aus dem Ausland investiert wird, kommt der deutschen Volkswirtschaft zugute.

Diskussionsbericht Begrüßung Prof. Dr. Peter O. Mülbert, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar,- Giro- und Kreditwesens der Universität Mainz und Vorstand der Bankrechtlichen Vereinigung, zog in seiner Begrüßung aus der hohen Zahl von 270 Teilnehmern den Schluss, dass Hamburg - nach 1996 zum zweiten Mal Gastgeber des Bankrechtstages - ein guter Platz für das Bankrecht sei. Unter dem Beifall der Teilnehmer dankte er herzlich Frau Walburga Preis, die in den Ruhestand tritt, für die jahrelange Betreuung des Sekretariats sowie die kompetente Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchfuhrung des Bankrechtstages. Alexander Stuhlmann, Vorstandsvorsitzender der HSH Nordbank AG, betonte in seiner Begrüßung die Tradition des Bankplatzes Hamburg, an dem die Grundlagen für zahlreiche Bankdienstleistungen gelegt worden seien. Stuhlmann ging auch auf die durch Auslaufen von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung ausgelösten Veränderungsprozesse im öffentlichen Bankensektor ein und äußerte die Hoffnung, dass der hierdurch intensivierte Wettbewerb zu einer Stärkung der deutschen Kreditwirtschaft führe.

1. Abteilung: Verbraucherkredite, insbesondere für Immobilienanlagen Zum Vortrag von Ehricke In Anschluss an das Referat von Ehricke (vgl. den Beitrag auf S. 3 - 59) wies Prof. Dr. Norbert Reich, Direktor des Zentrums für europäische Rechtspolitik der Universität Bremen, darauf hin, dass auch auf der Rechtsfolgenseite der Grundsatz der effektiven Rechtsverwirklichung (effet utile) beachtet werden müsse. Insoweit sei zwischen dem effet utile der Richtlinie und dem allgemeinen Grundsatz der effektiven Rechtsverwirklichung zu unterscheiden. Nach Ausübung des Widerrufs könne der Verbraucher nicht schlechter stehen als vorher; dies sei aber das Ergebnis der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats. Außerdem vertrat Reich die Ansicht, die Widerrufsbelehrung verleihe ein subjektives Recht. Allein der Verzicht auf eine Befristung reiche

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nicht aus, um dieses Recht zu schützen, vielmehr müsse der Freiraum, den die Haustürgeschäftsrichtlinie hier lasse, gemeinschaftsrechtskonform ausgefüllt werden. Schließlich stellte Reich die Frage, wie mit dem Zinsanspruch für den Zeitraum, in dem der Verbraucher nicht belehrt wurde, zu verfahren sei. In seiner Entgegnung betonte Ehricke, dass der effet utile die Mitgliedstaaten verpflichte, den Zweck der Richtlinie soweit wie möglich durchzusetzen. Der effet utile fordere die Anwendung der Richtlinie wie sie ist. Ein weitergehender effet utile, der zu einer Korrektur der Richtlinie selbst führen würde, sei abzulehnen und stelle eine unzulässige Rechtsfortbildung dar. Regelungslücken könne man nur durch Auslegung ausfüllen, aber nicht durch Rechtsfortbildung schließen. Bezüglich der Rechtsnatur der Widerrufsbelehrung blieb Ehricke bei seiner Auffassung. Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus J. Hopt, Direktor am Max-PlanckInstitut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, fragte Ehricke, weshalb die nationalen Gerichte nicht befugt sein sollten, Rechtsfortbildung im Bereich des transformierten Gemeinschaftsrechts zu betreiben, wenn ihnen diese Befugnis bezüglich rein nationalen Rechts zweifellos zustehe. Gleiches gelte hinsichtlich der Ausfüllung unbewusster Gesetzeslücken. Jedoch bezweifelte Hopt, dass im konkreten Fall wirklich eine Regelungslücke bestehe. Darüber hinaus äußerte er Zweifel, dass der Europäische Gerichtshof die dogmatische Betrachtung des Problems, wie sie die deutsche Rechtswissenschaft anstelle, übernehmen werde. Die Komplexität der Lösung durch die deutsche Rechtswissenschaft sei dem Europäischen Gerichtshof wohl nur schwer zu vermitteln. Metz schloss sich der Betrachtung von Hopt an. Das deutsche Recht sei an dieser Stelle "too sophisticated", so dass der Europäische Gerichtshof wohl schon das Vorliegen einer Lücke ablehnen werde. Schließlich fragte Hopt, ob Ehricke auf europäischer Ebene Entwicklungen sehe, die das Thema der Rückwirkung und des Vertrauensschutzes aufgreifen. In seiner Antwort gestand Ehricke zu, dass es sich bei den Normen des Widerrufsrechts um (transformiertes) nationales Recht handele, auf das grundsätzlich die Regeln Anwendung fänden, die für nationales Recht gelten. Nach einer ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie könne das Recht daher fortgebildet werden, solange der effet utile der Richtlinie nicht beeinträchtigt werde. Ein solches zulässiges Vorgehen der nationalen Gerichte könne jedoch zur überschießenden Richtlinienumsetzung durch Rechtsfortbildung führen. Des Weiteren könne eine unbemerkte Lücke bei

Diskussionsbericht

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der Transformation unter Berücksichtigung des effet utile der Richtlinie durch nationale Gerichte geschlossen werden. Der EuGH selbst schließe Lücken einer Richtlinie jedoch mangels Kompetenz nicht. Schließlich wies Ehricke darauf hin, dass im Bereich der vollständigen Umsetzung von Richtlinien auch umfassender Vertrauensschutz bestehe.

Zum Vortrag von Hoepner Dr. Matthias Siegmann, Rechtsanwalt aus Karlsruhe, fragte im Anschluss an das Referat von Hoepner (vgl. den Beitrag auf S. 61 - 73), ob die Einrede der Verjährung nur von den Initiatoren oder der finanzierenden Bank oder von beiden geltend gemacht werden müsse. Hoepner hielt es für ausreichend, wenn nur die Bank die Einrede erhebe. Es sei nicht erforderlich, dass sich bereits vorher die Initiatoren auf die Verjährung berufen haben. Prof. Dr. Johannes Köndgen, Direktor des Instituts für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Bonn, bemerkte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des III. Zivilsenats zu wucherähnlichen Darlehen, dass es der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Vergangenheit durchaus gelungen sei, Massenverfahren zu bewältigen. Erforderlich sei, eine klare Position zu beziehen, um Rechtsfrieden herzustellen. Das sich heute stellende Regelungsproblem sei in tatsächlicher Hinsicht im Grunde einfach gelagert. Auch hier müsse die Rechtsprechung eine eindeutig Position einnehmen, was aber bislang unterblieben sei. Köndgen kritisierte in diesem Zusammenhang die offene Rebellion der Oberlandesgerichte gegen den II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs. Es sei zu befürchten, dass ein solcher Kleinkrieg unter den Obergerichten dem Ansehen der Justiz Schaden zufügen könnte. Andere Diskutanten unterstützten dagegen Hoepners verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Rechtsprechung des II. Zivilsenates. Hoepner stellte klar, dass es ihm um eine Sachauseinandersetzung gehe. Es sei wünschenswert, dass sich der II. Zivilsenat stärker mit der aus der Wissenschaft geäußerten Kritik auseinander setze. Derzeit lasse der II. Zivilsenat die Oberlandesgerichte „im Regen stehen".

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Zum Vortrag von Metz Zum Referat von Metz (vgl. den Beitrag auf S. 89 - 110) ergänzte Hopt, dass derzeit auch in Brüssel an einer Vereinheitlichung des Verbraucherbegriffes in den einzelnen Richtlinien gearbeitet werde. Rechtsanwalt Wolfgang Gößmann, Leiter Recht und Compliance der HSH Nordbank AG, wies mit Blick auf das Prinzip der „Verantwortungsvollen Kreditvergabe" darauf hin, dass den Banken Aufgaben zugewiesen würden, die sie nicht erfüllen könnten. Indem die Bank die richtige Entscheidung für den Kunden treffen müsse, werde sie zum „Sozialingenieur" gemacht. Dem könne die Bank schon deshalb nicht gerecht werden, weil dem Verbraucher keine Informations- und Mitwirkungspflicht obliege. Die Bank müsse ihre Entscheidung häufig auf diffuse Angaben stützen, was ein Haftungsrisiko erzeuge. Die ursprüngliche Übersetzung des Richtlinienentwurfs mit „verantwortungsvoll" sei durch den Ausdruck „verantwortlich" ersetzt worden, wohl um die Bank auch bei untauglicher Informationsgrundlage für die Kreditvergabeentscheidung verantwortlich machen zu können. Auch das BMJ habe erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Zulässigkeit dieses Prinzips geäußert. Nach seiner Auffassung, so Gößmann, gehe es schlicht zu weit. Schließlich warf Klaus Kratzer, Rechtsanwalt aus Nürnberg, die Frage nach der künftigen Entwicklung der Informationspflichten der Banken auf. Er warb dafür, gesteigerte Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken als Chance zu sehen. Wohin eine mangelnde oder unzureichende Beratung fuhren könne, zeigten etwa in die Fälle der Hypo Vereinsbank. Die unzureichende Aufklärung habe zu einer großen Anzahl von Privatinsolvenzen gefuhrt, die auch die wirtschaftliche Entwicklung der Bank stark beeinträchtigt hätten. Nur ein gut informierter Kunde könne eine sachgerechte Entscheidung treffen und dadurch mit dem Betreuungsangebot seiner Bank zufrieden sein. Kratzer verwies dabei auf die im Zusammenhang mit der Anlageberatung von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien der anlageund anlegergerechten Aufklärung.

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2. Abteilung: Forderungsübertragungen, insbesondere im Lichte von Bankgeheimnis und Datenschutz Zum Vortrag von Hammen Im Anschluss an das Referat von Hammen (vgl. den Beitrag auf S. 113 - 144) vertrat Dr. Uwe Eyles, Rechtsanwalt aus Frankfurt a.M., die Ansicht, es sei nicht erforderlich, dass ein Verstoß gegen das Bankgeheimnis zur Nichtigkeit der Abtretung fuhrt. Eyles sprach sich dagegen aus, bezüglich der Wirksamkeit einer Abtretung danach zu differenzieren, ob ein Verbraucherdarlehensvertrag oder ein Darlehensvertrag im Anwendungsbereich des § 354a HGB vorliege. Eine derartige Unterscheidung verkenne, dass das Interesse eines Kaufmanns an der Geheimhaltung seiner finanziellen Situation im Geschäftsverkehr auf Grund der sensitiveren Daten eines Unternehmens im Regelfall schutzwürdiger sei als das Interesse eines Verbrauchers an der Geheimhaltung seiner privaten finanziellen Situation. Eyles betonte weiterhin, dass es keinen absoluten Schutz des Bankgeheimnisses gebe und es daher nicht angehe, in sachenrechtliche Rechtsakte wie die Abtretung einzugreifen. Dies zeige gerade ein Blick auf Interessen Dritter, welche etwa Sicherheiten für die abgetretene Forderung bestellt haben. In seiner Erwiderung stimmte Hammen darin zu, dass die Geschäftsgeheimnisse von Kaufleuten genauso schutzwürdig seien wie Informationen über Privatpersonen. Hinsichtlich der von Eyles angesprochenen Problematik der Kreditsicherheiten gab Hammen zu bedenken, ob nicht das Bankgeheimnis schon dann berührt sei, wenn Sicherheiten verwertet werden, wie dies z.B. auch bei Veräußerung eines sicherungsübereigneten Fahrzeugs unter Vorlage des Kfz-Briefes der Fall sei. Zu erwägen sei, ob nicht Sicherheiten, denen die Weitergabe von Informationen über den Sicherungsgeber immanent ist, kraft Gesetzes von einem Abtretungsausschluss freigestellt sein müssten. Dr. Andreas Früh, Chefsyndikus der HVB Group München, gab zu bedenken, ob für den Erwerber von Kreditforderungen nicht § 18 KWG als Ausnahmevorschrift zu werten sei, die die Durchbrechung des Bankgeheimnisses ermögliche. Hammen entgegnete, dass aus Bestimmungen wie § 402 BGB, § 25a KWG oder § 18 KWG die Zulässigkeit von Forderungsabtretungen nicht abzuleiten sei. Diese Bestimmungen setzten die Wirksamkeit der Abtretung voraus und könnten sie daher nicht etwa herstellen.

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Dr. Andreas Fandrich, Rechtsanwalt aus Stuttgart, vertrat zur Abtretung nicht leistungsgestörter Kreditforderungen die Ansicht, dass bei Fehlen einer Einwilligung des Kunden nur die Möglichkeit bestehe, die Forderungen durch Ausgliederung zu übertragen. Im Bereich der Genossenschaftsbanken sei es seit Jahren üblich, auch kleinere nichtleistungsgestörte Kreditvolumina entsprechend zu übertragen. Hinsichtlich der von Hammen aufgestellten These, Abtretungen von Darlehensforderungen aus dem Massengeschäft an eine andere ebenfalls durch das Bankgeheimnis gebundene Bank seien nicht zu beanstanden, gab Fandrich zu bedenken, dass vor allem das Kriterium „Darlehensforderung aus dem Massengeschäft" zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen könne. Hammen gestand in seiner Erwiderung auf Fandrich zu, dass dieses Kriterium im Einzelfall zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen könne. Dies ließe sich indes nur dann vermeiden, wenn man die Abtretung generell für zulässig oder generell für unzulässig erklären würde. Jede differenzierende Lösung müsse sich in Grenzfällen mit einem gewissen Grad an Unsicherheit arrangieren. Im Rahmen einer Interessenabwägung könne man - mit entsprechenden Argumenten - sicherlich immer auch zu einer anderen Auffassung gelangen. Wittig sprach sich dafür aus, die Abgrenzungsprobleme jedenfalls nicht auf die sachenrechtliche Wirksamkeit der Abtretung durchschlagen zu lassen, sondern nur bei der schuldrechtlichen Frage zu berücksichtigen, ob das Bankgeheimnis mit der Folge einer Schadensersatzpflicht verletzt wurde. Dr. Volkert Vorwerk, Rechtsanwalt beim BGH, Karlsruhe, verwies hinsichtlich der Abtretungsproblematik auf die (unveröffentlichte) Entscheidung des BGH vom 27.01.1998 - XI ZR 208/97. Der Senat habe in diesem Nichtannahmebeschluss ausgeführt, dass die Konstruktion eines auf das Bankgeheimnis gestützten Abtretungsverbots abwegig sei. Vorwerk warf zudem die Frage auf, wie sich vor dem Hintergrund des Bankgeheimnisses ein gesetzlicher Forderungsübergang vollziehen könne, wenn z.B. der Bürge zahlt und die Forderung auf ihn übergehen soll, sie aber der Schweigepflicht unterliegt. Hammen entgegnete, aus § 412 BGB lasse sich ableiten, dass Abtretungsausschlüsse auch bei gesetzlichen Forderungsübergängen wirksam seien. Prof. Dr. Matthias Casper, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, teilte zunächst die Ansicht von Hammen, dass jedenfalls Abtretungen von Darlehensforderungen durch private Kreditinstitute nicht § 203 StGB i.V.m. § 134 BGB unterfielen. Allerdings könne dies für öffentlich-rechtliche

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Kreditinstitute wegen §§ 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB, 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB anders zu beurteilen sein. Es müsse genau untersucht werden, ob bei der z.B. von Sparkassen vorgenommenen Abtretung notleidender Forderungen eine Verletzung von Privatgeheimnissen i.S.d. § 203 StGB zu bejahen ist, die letztlich vermittels § 134 BGB auch eine Unwirksamkeit der Zession zur Folge habe. Wittig wies darauf hin, dass es hinsichtlich der strafrechtlichen Sanktionen im Bereich der Sparkassen bislang keine Klarheit gebe. Prof. Dr. Peter Sester, Universität Karlsruhe, vertrat die Ansicht, dass bei einer Subsumtion derartiger Sachverhalte unter § 203 StGB kein Weg daran vorbei führe, Vorstandsmitglieder von Sparkassen als Amtsträger i.S.d. § 11 Nr. 2 lit. a StGB einzuordnen. Andere Mitarbeiter seien zumindest als besonders Verpflichtete i.S.d. § 11 Nr. 4 lit. a StGB anzusehen. Auch das Tatbestandsmerkmal des Offenbarens oder des sonstigen Bekanntwerdens eines fremden Geheimnisses sei regelmäßig erfüllt. Allerdings sei in der Rechtsprechung zu § 203 StGB anerkannt, dass die Weitergabe aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung ausnahmsweise gerechtfertigt sein könne. Eine solche Rechtfertigung komme unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen durch die Sparkasse in Betracht. Die Veräußerung notleidender Forderungen verstoße daher nicht gegen § 203 StGB. Den Ausführungen von Sester schloss sich Prof. Dr. Raimund Bollenberger, Rechtsanwalt aus Wien, mit einem rechtsvergleichenden Hinweis an: Im österreichischen (Verwaltungs-)Recht sei das Bankgeheimnis zwar strafbewehrt. Dennoch stehe es einer Zession nicht entgegen.

Zum Vortrag von Wittig Zum Vortrag von Wittig (vgl. den Beitrag auf S. 145 - 192) gab Dr. Wolfgang Burghardt, Rechtsanwalt und Syndikus bei der HypoVereinsbank AG in München, zu bedenken, dass die Regelung des Bankgeheimnisses in Nr. 2 Abs. 1 AGB-Banken lediglich deklaratorischen Charakter und damit keine konstitutive Bedeutung habe. Als Teil des Gewohnheitsrechts gelte das Bankgeheimnis unabhängig von Nr. 2 Abs. 1 AGB-Banken. Allerdings befinde sich Gewohnheitsrecht und damit auch das Bankgeheimnis im steten Fluss. Insoweit müsse berücksichtigt werden, dass es gängige Bankpraxis sei, fällige notleidende Forderungen bzw. bestellte Sicherheiten zu verwerten. Die Abtretung notleidender Forderungen sei daher als eine Art der Verwer-

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tung mit dem Bankgeheimnis vereinbar. Wittig stimmte Burghardt in seiner Erwiderung zu, dass die Vertraulichkeitsverpflichtung des Bankgeheimnisses nicht uneingeschränkt anzuerkennen sei und daher - auch über die Regelung in Nr. 2 Abs. 1 AGB-Banken hinaus - die Möglichkeit bestehe, dem Bankgeheimnis Grenzen zu setzen. Die Festlegung dieser Grenzen sei eine Wertungsentscheidung, bei der auch zu berücksichtigen sei, wie das Bankgeheimnis historisch verstanden wurde und ob ein Handelsbrauch betreifend die Verwertung notleidender Forderungen zu akzeptieren sei. Hammen wies darauf hin, dass Handelsbräuche nur unter Kaufleuten gelten, während mittlerweile gut ein Viertel der notleidenden Kredite Verbraucherdarlehen seien, bei denen dieses Rechtsinstitut nicht anwendbar sei. Hammen widersprach auch der Auffassung, dass Nr. 2 Abs. 1 AGB-Banken nur eine deklaratorische Regelung des Bankgeheimnisses beinhalte. Es handele sich vielmehr um eine vertragliche Abrede, die der Auslegung bedürfe. Dr. Werner Tetiwa, Rechtsanwalt aus Frankfurt a.M., wies darauf hin, dass die Bank aus eigener Verantwortung zu prüfen habe, ob und in welchem Umfang bei Forderungsübertragungen Informationen herausgegeben werden könnten, ohne dass das Bankgeheimnis oder datenschutzrechtliche Vorgaben verletzt würden. Er fragte, ob die Einsetzung eines „Data Trustees" sinnvoll sei, um die Informationen zu filtern und zu neutralisieren. Wittig antwortete, dass die Verwendung von Data Trustees gerade bei Portfolio-Transaktionen eine mögliche Gestaltung sei. Er stellte jedoch klar, dass das Vertrauen von Investoren in solche Data Trustees in der Praxis gering sei. Es bestehe vielmehr ein Verlangen, selbst Einblick in die Kreditakten zu nehmen. Früh erinnerte daran, dass das Bedürfnis der Bankpraxis nach einer praktikablen Lösung nicht verkannt werden dürfe. Er selbst sympathisiere daher mit der von Wittig vorgeschlagenen Interessenabwägung in Anlehnung an § 28 Abs. 1 BDSG. Dr. Mathias Hanten, Rechtsanwalt aus Frankfurt a.M., warf die Frage nach der Notwendigkeit einer stärkeren Überwachung der Zessionare auf. So könne z.B. der Forderungserwerb als erlaubnispflichtiges Geschäft ausgestaltet werden. Hammen wies darauf hin, dass die Regulierung nach KWG ein bestimmtes Schutzbedürfnis voraussetze, das bei einer reinen Forderungsverwertung nicht bestehe. Auch Wittig sprach sich gegen eine zusätzliche Regulierung aus. Sofern der Erwerber den Kredit selbst weiterführe, sei durch das Erfordernis einer Banklizenz eine hinreichende aufsichtsrechtliche Regulierung gegeben. Sofern nur der Erwerb von Kreditforderungen im Raum

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stehe, sei eine Beaufsichtigung nicht erforderlich, da dem Schuldner keine weitere Gefahr drohe. Dieser könne weiterhin alle Einreden und Einwendungen gegen die Forderung geltend machen. Dr. Gerhart Kreft, Vorsitzender Richter am BGH a.D., Karlsruhe, gab zu bedenken, dass durch die Übertragung der Kredite an Forderungsverwerter das staatliche Rechtssystem zur Anspruchsdurchsetzung unterlaufen werden könne. Wittig hielt dem entgegen, dass für das Forderungsinkasso stets eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz erforderlich sei. Zudem müsse angesichts von Missständen in der Justiz erörtert werden, ob das gegenwärtige Rechtssystem überhaupt noch die effektive Durchsetzung von Forderungen gewährleiste. Werner Gaus, Rechtsanwalt aus Frankfurt a.M., wies darauf hin, dass auch bei der Übertragung voll ausgezahlter Darlehen während der Laufzeit kreditmäßige Entscheidungen anfallen könnten, wie dies z.B. bei Verhandlungen über eine weitere Zinsbindungsperiode der Fall sei. Er warf die Frage auf, ob nicht dann der Bereich eines erlaubnispflichtigen Bankgeschäfts erreicht sei. Wittig räumte ein, dass es diesbezüglich Abgrenzungsfragen zu beantworten gebe. Die bloße Einigung über einen neuen Zinssatz sei aber noch nicht ausreichend, um das Betreiben von Bankgeschäften anzunehmen. Eine andere Beurteilung sei indes geboten, wenn man sich z.B. mit dem Darlehensnehmer darüber einige, dass der Kredit anstatt in fünf Jahresraten nunmehr in zehn Raten zurückgeführt werden solle. Johann Becher, Rechtsanwalt und Syndikus bei der Hypo Vereinsbank AG in München, warf die Frage nach der Regelung von Bankgeheimnis und Abtretungsverbot in anderen europäischen Ländern auf. Er gab zu bedenken, ob nicht im Hinblick auf den Wettbewerb der verschiedenen Rechtsordnungen eine spezialgesetzliche Regelung auf europäischer Ebene notwenig sei. Wittig wies darauf hin, dass das Bankgeheimnis in Europa durchaus unterschiedlich ausgestaltet sei. Besonders strenge Regelungen seien in der Schweiz und in Polen anzutreffen. Eine Vereinheitlichung der verschiedenen Regel ungsansätze auf europäischer Ebene sei derzeit aber nicht geplant.

Stichwortverzeichnis Abtretung - § 354a HGB 119 ff., 134,178 f., 188 - an Kreditinstitut 140,141 ff, 189 - an Nichtbankunternehmen 140 f. - Auskunftspflicht gemäß § 402 BGB 137 f., 140,169, 174 f , 177, 183 - -sverbot 115,122 ff., 130 ff, 133 ff, 144, 174 ff, 179 - vertraglicher-sauschluss 130, 135 f , 178 f. - Wirksamkeit 137 AGB-Banken 116, 135,170, 183 - Auslegung 138 ff, 143,179 AGB-Sparkassen 116,139,170 Analogieverbot 131 Asset Backed Securities 116,169, 175 Asset-Trading-K lausein 189 ff Ausgliederung 117 Auslagerung (§ 25a Abs. 2 KWG) 133, 144, 182 Auslegung 76, 81 f., 84 - Acte-Clair-Doktrin 12 - Gemeinschaftsrecht 10 ff, 44, 51 - „gespaltene" 57 f. - richtlinienkonforme (Vorzugsregelung) 11, 14 f , 23 f , 26, 32, 34 ff, 37, 39, 42, 55, 84 —sprärogative der nationalen Gerichte 33 —sprärogative des EuGH 11, 44 ff, 59 BAG Bankaktiengesellschaft 157 Bankgeheimnis s. a. Datenschutz - als Berufsgeheimnis 172,178 - aufsichtsrechtliche Bedeutung 181 - Befreiung von s. a. Asset-TradingKlauseln, 117, 177

- Interessenabwägung s. Datenschutz - Rechtsgrundlage 130 f , 171, 177 - Reichweite 127 f , 139 ff, 170 f , 173,181 ff - Schadensersatz bei Verletzung 136 f , 144, 180 f. - Schufa-Klausel 182 f., 184 f , 190 - strafrechtlicher Schutz des 132, 176 - vertraglicher Unterlassungsanspruch 137, 144 Bankgeschäft s. Kreditinstitut Bauherrenmodell s. a. Rechtsberatungsgesetz, Vollmacht, 64 Beratung des Kreditnehmers 93, 104, 108 BGB-Info-VO s. auch Widerrufsrecht, 79 BGH - II. Zivilsenat 48 ff, 62,64 ff, 68 ff, 82, 87, 90 - Kontroverse der Senate 47 ff, 67, 72 f , 89 ff. - XI. Zivilsenat 47 f , 50, 56 f , 62, 65,67, 90 Bilanzentlastung s. Eigenkapitalanforderungen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) s. Datenschutz Cq/it/ei-Entscheidung 18 Crailsheimer VolksbankEntscheidung s. a. OLG Bremen, 3 Darlehen - Empfang des -s 7,62 ff, 66 f. - Nichtigkeit 61 - Sicherheiten fiir s. a. Grundpfandrechte, 63 f.

204 Datenschutz 181 - bei Forderungsübertragung 172 ff., 177 f. - Interessenabwägung 178, 185 ff. - Verhältnis zum Bankgeheimnis 172 ff., 178, 184 distressed debt trading s. non performing loans effet utile s. a. Gemeinschaftsrecht, 9, 11, 12 f., 17, 18, 23 f., 52,59, 84 Eigenkapitalanforderungen - Basel II 151 - Grundsatz I 151, 160 ff. Einsicht in wirtschaftliche Verhältnisse, Pflicht nach § 18 KWG 167 f. Einwendungsdurchgriff s.a. Verjährung, 53 f., 68 ff., 72, 87,90 - Aufspaltungsvorteil 71 - Rechtsnatur des Anspruchs 69 ff. Europarecht s. Gemeinschaftsrecht Forderung, notleidend siehe non performing loans Forderung, verbriefte 115 Forderungspfändung, Offenbarungspflichten bei 127 f. Formvorschriften s. Verbraucherkreditgesetz Geheimhaltungspfl icht, strafrechtliche 129,130 f., 175 f. Gemeinschaftsrecht s. a. effet utile - Anpassungspflicht der Mitgliedstaaten 43 ff. - Staatshaftung bei mangelhafter Umsetzung 12, 35,46 - „Uberschießende" Umsetzung 54 ff., 80 - unmittelbare Wirkung von Richtlinien 12, 26 f f , 30 ff., 32 ff., 37, 43 - Vertragsverletzungsverfahren 34 - Vorabentscheidungsverfahren 11 f., 33 f., 36, 44 f., 55

Stichwortverzeichnis Geschäftsgrundlage, Störung der 127 Gesetzgebung 76 ff. - Überregulierung 80 - Umsetzung neuer Gesetze durch die Praxis 76 - unklare Normen 78 ff. Gewaltenteilung 84 f., 88 Grundpfandrechte s.a. verbundenes Geschäft, 9, 16, 49, 53, 82 Haustürsituation 18,28,34,55 - Zurechenbarkeit 10,21 ff., 49 f., 52, 56, 80, 90 Haustürwiderrufsgesetz (H WiG) 11, 35,65 f., 85 - Verhältnis zum VerbrKrG 5 ff., 28 ff., 47 f., 57, 66 Haustürwiderrufsrichtlinie (85/577/EWG) 5 f., 11,12,15 ff., 19 f., 21 f., 28 f., 30 f., 34 f., 56 -Anwendungsbereich 15 f., 51, 56 f. - Entstehungsgeschichte 22 f., 56 - richtlinienkonforme Umsetzung 30, 32, 35 //e/wnger-Entscheidung 6 f., 20 f., 29 f., 35 f., 46,47, 55, 57, 77, 80 Immobilienfonds 68 f. Informationsrechte des Verbrauchers 101 f. Interessenjurisprudenz 81,83 Klagbarkeit von Ansprüchen, Grundsatz der 128 f. Kolpinghuis-En\scht\Aung 41 Kontokorrentabrede 135 Kredit, notleidender s. non performing loans Kreditgeschäfte s. a. Massengeschäft, 116,163 f. - grenzüberschreitende 164 ff. Kreditinstitut, Zulassung als 153, 163 ff. Kreditmarkt 92 f f , 96 - Vertrieb 96 f. - Werbung 92 f.

Stichwortverzeichnis Kreditnehmer - in Verzug befindlicher 186 - insolventer 185 - Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnis 186 f. - Verschuldung 94 f. Kreditvergabe, Prinzip der verantwortungsvollen 80 f., 93, 106 f. Kreditvermittlung 9, 108 LG Bochum, Vorlagebeschl. v. 29.7.2003 (Schulte) 8 f., 17, 18, 19 - Schlussanträge des GA 8,17 f., 55 - Stellungnahme der Kommission 11 Marktentwicklungen 95 f. Massengeschäft, Kreditforderung aus dem 143 f. Mindestharmonisierung 6 non performing loans s.a. Transaktion, 121 ff., 144, 167 f., 169 f., 172, 175, 183, 191 - Markt fllr 114 f , 146 f., 148 ff, 156 - Motive für Kauf von 152 ff. - Motive für Verkauf von 150 ff. - Umsatzsteuerpflichtigkeit des Erwerbs 159 f. OLG Bremen, Vorlagebeschl. v. 27.5.2004 (Crailsheimer Volksbank) 8 ff, 18, 19, 21 f., 23, 80 - Schlussanträge des GA 8, 17, 18 f., 19 f., 21 f., 57,62 f., 90 f. OLG Frankfurt, Urt. v. 25.5.2004 113 f., 119, 121 f., 130, 132 OLG Schleswig, Urt. v. 2.6.2005 49, 72 f., 83 OLG-Vertretungsänderungsgesetz 6, 29 f., 35,46,77 f. Outsourcing s. Auslagerung Paolo Faccini Doro/Recreb SrlEntscheidung 31 f.

205 performing loans 116 Pfeiffer/Deutsches Rotes KreuzEntscheidung 14,23 ff., 33, 59 - Schlussanträge des GA 24 Privatsphäre, Schutz der 132 Rating 115,151 Realkreditvertrag s.a. verbundenes Geschäft, 7 f., 11, 28,29 f., 31 Rechtsberatungsgesetz 50, 85,90 Rechtsfortbildung 12 f., 23, 25 f., 34, 36, 58 f., 73, 84 Rechtssicherheit 17, 75 f., 79, 83 f., 88 Revisionsentscheidungen, Bindungswirkung 73, 83 Richtlinienwirkung s. Gemeinschaftsrecht Rückabwicklung 8 f., 11, 15,18, 48, 52 f., 66, 90 Rilckforderungsdurchgriff s. Einwendungsdurchgriff Rückwirkung s. a. Vertrauensschutz, 82 - deutsche Rechtslage 37 f. - Gemeinschaftsrecht 38 - von Rechtsprechung 84 f. Rückzahlung, sofortige s. Rückabwicklung „Schrottimmobilien", Lösungsvorschlag 91 f. Schuldrechtsreform 6, 29, 68 Schuldscheindarlehen 141 Schulte-Entscheidung s. a. LG Bochum, 3 Sicherheitenpool 158 Transaktion - Abspaltung 117,156 f. - due diligence und Gewährleistung 169 - synthetische 155 f. - True Sale 115 f., 157 ff. - (stille) Unterbeteiligung 157 f., 160 ff, 163 f.

206 - Vertragsübernahme 158,164 Travel Kac-Entscheidung 19,21 f., 42, 57 f. Treu und Glauben 72, 92,105, 122, 124 f., 184 Treuhänder s. Rechtsberatungsgesetz, Vollmacht Umgehung von Gesetzen 88 unfair relationship test 105 Valuta s. Darlehen van Gend en Ζ,οοί-Entscheidung 13 Verantwortung s. Kreditvergabe Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG) 76, 85 - Formvorschriften 54,61,66,85 - Verhältnis zum HWiG 5 f., 28, 66 Verbraucherkreditrichtlinie (87/102/EWG) 5 f., 15, 53 f. - Anwendungsbereich 52 f. - Entwurf einer neuen 106 f. Verbraucherpolitik 97 ff. - im Finanzdienstleistungssektor 102 ff., 107 f. Verbraucherschutz, als Gesetzesziel 101, 108

verbundenes Geschäft 16,47,62,65, 67 - bei Realkreditvertrag 7,48 f., 78 Verjährung 68 ff., 72, 108

Stichwortverzeichnis - Kenntnis der Person des Schuldners 70 Verkehrsfähigkeit von Forderungen s.a. Abtretung, 134, 179 Vertragsverletzungsverfahren s. Gemeinschaftsrecht Vertrauensschutz s.a. Rückwirkung, 37,39 ff. - bei Rechtsprechungsänderung 42 f. 84 f., 87 Verzinsungspflicht 19 Vollmacht 50,90 - Rechtsschein- 50, 85 f. Vorabentscheidungsverfahren s. Gemeinschaftsrecht Vorfälligkeitsentschädigung 86 Vorzugsregelung s. Auslegung Wahrnehmung berechtigter Interessen 125 f., 183 f. Werbung s. Kreditmarkt Widerrufsrecht 7 f., 9,22,29 f., 48, 65, 79 f., 101 - Befristung 28,29, 35 - Belehrung Uber 20 f., 29 f., 31,38, 53, 79, 86 f. Zinsen, variable 107 Zinsvorteile 9,20