Theorie der Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter [1 ed.] 9783428485345, 9783428085347

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Theorie der Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter [1 ed.]
 9783428485345, 9783428085347

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RUDOLF BOSSLE

Theorie der Irnrnaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter

Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann t

Heft 468

Theorie der Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter

Von

Rudolf Bossle

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Bossle, Rudolf: Theorie der Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter I von Rudolf Bossle. - Berlin : Duncker und Humblot. 1997 (Volkswirtschaftliche Schriften; H. 468) ISBN 3-428-08534-5 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH. Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH. Berlin Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 3-428-08534-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @

Inhaltsverzeichnis

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Bestehende ökonomische Theorien 1.1 Die Angebotstheorie 1.2 Die Nachfragetheorie 1.3 Die Mischformen 1.4 Kritik . . . . . . . . .

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2. Indikatoren für eine neue Wirtschaftstheorie 2.1 Philosophische Aspekte . 2.2 Gesellschaftliche Aspekte 2.3 Politische Aspekte ... 2.4 Wirtschaftliche Aspekte .

36 36 45 52 59

3. Die Immaterialisierungstheorie 3.1 Der Paradigmawechsel .. 3.2 Immaterialisierungsrelevanz 3.3 Instrumentalisierung der Immaterialisierung 3.4 Verifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 65

4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie 4.1 Ordnungspolitik . 4.2 Strukturpolitik .. 4.3 Konjunkturpolitik 4.4 Finanzpolitik . . .

s.

78 86 97

103

103 113 122 131

Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

136

5.1 5.2 5.3 5.4

Beschäftigung Einkommen Umwelt ... Wettbewerb

136 151 159 166

Fazit . . . . . . .. .

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Literaturverzeichnis

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Einleitung Volkswirtschaftliche Theorien haben immer versagt, wenn sie situativ falsch angewendet wurden oder von ökonomischen Entwicklungen in einem Land überholt waren und der neuen Wirklichkeit nicht mehr entsprachen. Dem Wirtschaftsprozeß und der daraus sich ergebenden Problematik folgend entstanden immer neue wissenschaftliche Darstellungen nationaler Ökonomien. Diese Theorien waren eine Zustandsbeschreibung der realen Verhältnisse, auch wenn sie zur Zeit ihres Entstehens als revolutionär angesehen wurden und sich nur langsam durchzusetzen vermochten. Schumpeter beklagt sich hierüber: "Die Geschichte der Wissenschaft ist eine einzige große Bestätigung der Tatsache, daß es uns überaus schwer fällt, uns z. B. eine neue wissenschaftliche Auffassung zu eigen zu machen. ,,1 Und an gleicher Stelle verweist er auf den "Gegendruck, mit dem die soziale Umwelt jedem begegnet, der überhaupt oder speziell wirtschaftlich etwas Neues tun will. ,,2 Galbraith ist der gleichen Meinung und begründet derartiges Verhalten: "Das aufzugeben, was man gelernt und gelehrt hat, heißt, einen früheren Irrtum einzugestehen; dagegen wehren wir uns alle."3 Oder: "Gegen die Anpassung an eine sich verändernde Wirklichkeit wehrt man sich, wie in der Vergangenheit, auch aus dem Bestreben, in der Wirtschafts theorie eine exakte Wissenschaft zu sehen. ,,4 Und er schließt daraus: "Paradox dar an ist nur, daß gerade weil die Wirtschaftstheorie sich so sehen will, sie in einer Welt des Wandels dazu verurteilt ist, zu veralten."s Kritisch äußert sich auch Allais: "Jeder wahre wissenschaftliche Fortschritt stößt auf die Tyrannei vorherrschender Ideen, die das Establishment ausübt. ,,6 Neues ereignet sich nicht im luftleeren Raum. Jede Wissenschaft stützt sich auf akkumuliertes Wissen. 7 So gibt es im Beziehungsgeflecht ökonomisch reSchumpeter, Joseph: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 7. Auflage, Berlin 1987, S. 126. Schumpeter, Joseph: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S. 126. 3 Galbraith, John Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft, Wien, Darmstadt 1987, S. 339. 4 Galbraith, John Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft, S. 339. , Galbraith, John Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft, S. 340. 6 Al/ais, Maurice: Die Hauptlinien meines Werkes. In: Die Nobelpreisträger der ökonomischen Wissenschaft, Bd. H, hrsg. von H. C. Recktenwald, Düsseldorf 1989, S. 1006. 7 Stigler, George J.: Entwicklung und Fortschritt der ökonomischen Wissenschaft. In: Die Nobelpreisträger der ökonomischen Wissenschaft, Bd. H, hrsg. von H. C. Recktenwald, Düsseldorf 1989, S. 791. 1

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Einleitung

levanter Kräfte die Konstanz des Faktischen mit dem Ziel und Zweck des Wirtschaftens und dem dazu notwendigen Ablaufprozeß, in den immer drei Größen involviert sind: - Angebot - Nachfrage und - Güter. Mit den Gütern wird der Zweck des Wirtschaftens bestimmt, mit Angebot und Nachfrage die notwendige Abstimmung der produktiven und konsumtiven Seite einer auseinandergetretenen Einheit menschlichen Tätigseins. Jede theoretische ökonomische Einlassung muß sich mit diesen drei Determinanten, ihren Interaktionen und Auswirkungen befassen. Da hierbei nicht nur Einzelwesen betroffen sind, sondern auch das Gemeinwesen, ist der Staat in derartige Studien immer mit einzubeziehen. Die Verflechtung von Wirtschaft und Staat steht in engem Kontext zur Bildung von Nationalstaaten, hat dadurch erheblich an Gewicht gewonnen und zwangsläufig zur "Politischen Ökonomie" als eigenem theoretischen Ansatz geführt. 8 Galbraith bemerkt in den letzten Kapiteln seines Buches "Entmythologisierung der Volkswirtschaft" bei der Suche nach Ansatzpunkten einer neuen Wirtschaftstheorie: "Das große Gegensatzpaar unserer Zeit ist nicht ... Kapital und Arbeit, sondern Unternehmen und Staat. Daher der moderne Konflikt zwischen Privatwirtschaft und Staat. ,,9 "Zukünftig", so Galbraith weiter, "wird nicht einmal der begabteste Verteidiger der klassischen Orthodoxie ihm jene Wichtigkeit zusprechen können, die er einmal hatte ... in Frage stellen wird man die traditionelle Beschäftigung der Ökonomie mit Wert und Verteilung, mit Bestimmungsgründen der Güter- und Dienstleistungspreise und mit der daraus resultierenden Einkommensverteilung. Nicht die Preise oder die ungleiche Verteilung von Einkommen ist nachweislich die Hauptsorge der Gesellschaft unserer Zeit", sondern der "Verlust der Arbeitsplätze" .10 Der Autor beklagt in vielfältiger Weise die Fehlbeschäftigung der Nationalökonomen klassischer wie keynesianischer Ausprägung. Er geißelt die Mathematisierung und verurteilt das Auseinanderdriften von Makro- und Mikroökonomie und sieht letztendlich in der japanischen Wirtschaftspolitik mit einer engen Kooperation von Wirtschaft und Staat den Ansatzpunkt für eine neue Volkswirtschaftstheorie. 11

8 Vgl. Stammen, Theo: Marx. In: Klassiker des politischen Denkens, Bd. 11, hrsg. von Hans Maier; Heinz Rausch; Horst Denzer, München 1987, S. 240ff. 9 Galbraith, lohn Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft, S. 340. 10 Galbraith, lohn Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft, S. 345-347. 11 Galbraith, lohn Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft, S. 267.

Einleitung

9

Es steht außer Frage, daß die Bedeutung des Staates für das Wirtschaften im zwanzigsten Jahrhundert enorm gestiegen und ins Blickfeld einer neuen Volkswirtschaftstheorie gerückt ist. Es ist zu bezweifeln, ob sich aus dieser Konstellation ein Paradigmawechsel ableiten und entwickeln läßt, der zu einer besseren Wirtschaftspolitik führt als die der herrschenden Theorien. Der moderne demokratische Staat steht mit seiner größeren und aktiveren Wirtschaftsbeteiligung sowie seiner eigentlichen Aufgabe, Rahmenbedingungen für die Wirtschaft festzusetzen, in einem ständigen Widerstreit. Letztlich geht es bei diesem Interessenkonflikt um die Wahrnehmung von Eigen- und Gemeinwohl, um Individual- und Gemeinschaftsgüter. Auf der einen Seite stehen Natur, Umwelt und die Not einer Minderheit im eigenen Land (in hochentwickelten Nationen) sowie Armut vieler Menschen der dritten Welt. Auf der anderen Seite stehen Güterfülle, Mode, Luxus, Reichtum im eigenen Land (in hochentwickelten Nationen) dessen anderer hochentwickelter Staaten in hartem Wettbewerb gegenüber. Beide Konstrukte befinden sich in einem geschlossenen, weltumspannenden Kreislauf mit modernster Technologie, die eine physische und geistige Überbrückung von Zeit und Raum kurzfristig möglich macht. Autarkie einer Volkswirtschaft ist auf dieser Welt praktisch ausgeschlossen. Alle Ökonomien dieser Erde sind mehr oder weniger stark vernetzt und miteinander im Wettbewerb. So treffend Hinweise auf die "Allmacht" des Staates auch sind, so bewegen sie sich doch in althergebrachten Denkschemata und stellen nur eine Verlagerung der Schwerpunkte der immer schon diskutierten ökonomischen Kräfte dar. Ob statt des Widerstreites von Kapital und Arbeit, um Vollbeschäftigung und Arbeitslosigkeit, Unternehmen und Staat sich miteinander um eine Problemlösung bemühen, erfolgt nach den gleichen theoretischen Überlegungen und sogar Ritualen. Damit wird in der Praxis, im realen Wirtschaftsprozeß, deshalb nicht ein Arbeitsplatz wirklich mehr oder weniger zustande kommen. "Jede Theorie, gleich welcher Art, ist wissenschaftlich wertlos und sollte zurückgewiesen werden, wenn sie nicht durch empirische Evidenz bestätigt wird ( ... ) Das trifft z. B. auf die heutige Theorie des allgemeinen ökonomischen Gleichgewichtes ZU."12 Auch wenn von einer politischen Ökonomie, in welcher Art und Weise sie auch immer auftreten wird, kein neuer Ansatz für eine bessere Gestaltung der Volkswirtschaften zu erwarten ist, so bleiben Staat und Privatwirtschaft wesentliche Bestandteile im Spiel der Kräfte. Diese Interessenvertretungen sind ebenso feste Bestandteile des Wirtschaftens wie Angebot, Nachfrage, Güter und Marktautomatismus. In hochentwickelten Ökonomien geht es nicht mehr um Versorgung und Problemlösungen, sondern um Erhaltung und Erweiterung eines relativ hohen Wohlstandes für alle. Diese neue Zielsetzung führt zwangsläufig dazu, Angebot (Versorgung) und Nachfrage (Pro12

Al/ais, Maurice: Die Hauptlinien meines Werkes, S. 1003.

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Einleitung

blemlösungen) zu vernachlässigen und die Güter (Faszination) in den Mittelpunkt einer volkswirtschaftlichen Theorie zu stellen und damit einen echten Paradigmawechsel zu begründen. Eigentlich geht es darum, die Wirklichkeit des Wirtschaftsprozesses hochentwickelter Länder in eine Theorie umzusetzen, die ihrerseits dieser Realität gerecht wird, indem sie dazu beiträgt, daß die Zielsetzung moderner Ökonomien erreicht wird. Mit den Gütern hat sich im Rahmen der Fortentwicklung der Volkswirtschaften Dramatisches vollzogen, was wir zur These des Paradigmawechsels machen:

Die Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter hält hochentwickelte Ökonomien am Leben und sichert Wachstum und Wohlstand für alle. Die Immaterialisierungstheorie stellt quasi "das neue Mischen der ökonomischen Karten" dar. Keine wirtschaftliche Größe, keine Determinante, kein Bereich wird davon unberührt sein. Bei Darstellung der "Theorie der Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter" geht es nicht um die Aufteilung der bekannten Gliederung von Fourastie in Primär-/Sekundär- und Tertiärbereich, also expressis verbis um die Dienstleistung, die in der Literatur als Immaterie bezeichnet wird, sondern um den Bestandteil von Materie und Immaterie an ein und demselben Wirtschaftsgut und um die Befriedigung immaterieller Bedürfnisse mit dem der Geltung an ihrer Spitze. Im ersten Abschnitt werden die herrschenden Wirtschaftstheorien im Hinblick auf ihre Effizienz für die Wirtschaftspolitik dargestellt. Der zweite Abschnitt befaßt sich mit den Indikatoren, die maßgebend sind für die Immaterialisierung der volkswirtschaftlichen Güter. Im dritten Abschnitt wird die Immaterialisierungstheorie entwickelt, das veränderte Wirtschaften, die Immaterialisierungsrelevanz nach Güterkategorien, die Instrumentalisierung und damit praktische Verwendbarkeit sowie eine statistische Verifizierung mit bereits vorhandenem, wenn auch unvollkommenem Material vorgenommen. Im vierten Abschnitt geht es um die Übertragung der Immaterialisierungstheorie auf die Wirtschaftspolitik und deren wichtigste Bereiche, wie Ordnungspolitik, Strukturpolitik, Konjunkturpolitik und Finanzpolitik. Im fünften Abschnitt werden die Auswirkungen der Immaterialisierung auf Beschäftigung, Umwelt, Einkommen (Einnahmen wie Ausgaben), Machtstrukturen sowie Wettbewerb untersucht und beschrieben. Im Fazit wird die Immaterialisierungstheorie kritisch beleuchtet und ihre Bedeutung für hochentwickelte Volkswirtschaften zusammenfassend dargestellt.

1. Bestehende ökonomische Theorien 1.1 Die Angebotstheorie Die Angebotstheorie basiert auf einer liberalen Wirtschaftsordnung und stützt sich auf die Annahme, daß durch sinnvollen Einsatz der Produktionsfaktoren Boden, Kapital und Arbeit die in einer Volkswirtschaft benötigten Güter geschaffen werden. Die reichlich vorhandenen Bedürfnisse verdichten sich zum Bedarf und werden zur Nachfrage im Markt, wenn die dazu notwendige Kaufkraft vorhanden ist. Diese bildet sich durch Entgelt für Arbeit, das die Beschäftigten in Form von Lohn und Gehalt für ihre Leistung bekommen. Der Unternehmer resp. Anbieter leistet vor, indem er alle Kosten (Sachwie Personalkosten) zunächst einmal trägt, um sie dann mit Zeitverzögerung und einem angemessenen Gewinn zurückzubekommen, sobald die Ware oder die Dienstleistung abgenommen und bezahlt worden ist. Mit dem erwirtschafteten Überschuß sichern die Anbieter ihre eigene Existenz und betreiben ihre Geschäfte. Erwirtschaftete Überschüsse und auf Vermögen basierende Kredite werden investiert. Es sind die Gelder, die im Kreislauf von Angebot und Nachfrage das Wirtschaften bestimmen und in Gang halten. Nach dem Sayschen Theorem schafft sich jedes Angebot seine Nachfrage. 1 Bestimmender Faktor und treibende Kraft der Wirtschaft ist das Geld und die es repräsentierenden Unternehmen. Nur wer Kapital hat oder für zu leihendes Sicherheit bieten kann, so die Angebotstheorie, kann und sollte sich wirtschaftlich betätigen. Der Grundtheorie von Adam Smith liegt die These zugrunde, daß Angebot und Nachfrage gleichsam automatisch zum Ausgleich streben. Von der "invisible hand" ist die Rede, die diesen Marktautomatismus steuert. 2 Die Aufgabe des Staates und damit auch dessen Volkswirtschafts politik ist es, die Rahmenbedingungen für das Wirtschaften so weit abzustecken, daß sich dieser Prozeß ungestört und voll entfalten kann. Zu einem solchen Ordoliberalismus gehört auch, daß der Staat so wenig wie möglich in diesen Wirtschaftskreislauf eingreift oder sich selbst aktiv am Geschehen beteiligt.

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Hardes/Rahmeyer/Schmid: Volkswirtschaftslehre, 17. aktualisierte Aufl., Tübingen 1990, S. 106. Samuelson, Paul A.: Economics, New York, Toronto, London 1961, S. 39.

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1. Bestehende ökonomische Theorien

Seit den Zeiten von Adam Smith, der diese Theorie aus der Praxis heraus entwickelte - in seiner Zeit dominierten die Anbieter die Wirtschaft - und postulierte, hat sich die Volkswirtschaft in vielen Staaten der Welt fortentwickelt. Die Angebotstheorie wurde angepaßt und zur herrschenden klassischen Theorie. Diejenigen, die fortan die Angebotstheorie vertreten, werden als "Klassiker" bezeichnet, die Lehrrichtung nennt man "klassische Schule". Wesentliches Kennzeichen ihrer Lehre ist bis heute die Betonung der Angebotsseite und damit der Unternehmen und die Nichtbeteiligung des Staates am aktiven Wirtschaftsprozeß: Privatwirtschaft und möglichst keine Staatsbetriebe. Wesentlich ist, daß die Angebotstheorie den privaten Unternehmen die eindeutige Führungsrolle der Wirtschafts gestaltung zugewiesen hat und dem Staat eine legislative, ordnende Gewalt, die Rahmenbedingungen setzt und auf deren Einhaltung achtet, was in bezug auf das Wirtschaften passiver Natur ist. Entscheidend für gutes Wirtschaften sind die Investitionen. Sie schaffen Arbeitsplätze und Verdienst für die Arbeitenden, die mit diesem Entgelt, wie bereits betont, als Nachfrager für produzierte Güter auftreten. Konsequenterweise wird dann die Vollbeschäftigung zum Hauptziel und auch zur Hauptaufgabe des Wirtschaftens erklärt. Ist dieses erreicht und gesichert, kann es theoretisch keine Probleme, zumindest globaler Art, geben, weil hiermit der Absatz automatisch gesichert ist, denn bei Vollbeschäftigung, das ist inzwischen auch schon ein objektivierter Erfahrungswert, wird gekauft. Der Kreislauf ist voll intakt. Der Ausgleich von Angebot und Nachfrage, so die Angebotstheorie, wird durch den Marktautomatismus sichergestellt. Diesem liegt zugrunde, daß durch das Gewinnstreben der Anbieter (Unternehmer) die richtigen Güter in den Markt kommen. Denn sobald sich die Nachfrage ändert, was sich darin ausdrückt, daß der Wettbewerb nahezu ausschließlich über den Preis erfolgt, ziehen sich die Anbieter solcher Güter automatisch und sukzessiv aus diesen Märkten zurück und suchen lukrativere Geschäfte. Es sind in der Regel die Grenzbetriebe, die als erste in die Verlustzone kommen und im Wettbewerb nicht mehr mithalten können. Darüber hinaus gibt es auch Anbieter, die rechtzeitig aussteigen, um Verluste zu vermeiden. 3 Dieser gesamte Sachverhalt ist vielschichtig und kompliziert und in der Wirtschaftstheorie differenziert abgehandelt, so daß auf eine mechanistische Betrachtung der Angebotstheorie verzichtet werden kann. Historisch gesehen ist mit der Angebotstheorie immer quantitatives Wachstum verbunden, weil sie am Anfang j~der Wirtschaftsentwicklung steht. Einmal ist auf dieser untersten Stufe der Wirtschaft Bedarf zu decken und somit die Grundversorgung einer Bevölkerung sicherzustellen. So war es im neunzehnten Jahrhundert und auch nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg in vielen Ländern der Welt, und so ist es Ende des zwanzigsten Jahr3

Samuelson. Paul A.: Economics, S. 60ff.

1.1 Die Angebotstheorie

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hunderts in den Ostgebieten bis zum Ural, wo Staaten und ihre Volkswirtschaften erst einmal die Grundversorgung ihrer Bürger gewährleisten müssen. Dieser Wirtschaftszweck der Basisversorgung war und ist in den meisten sozialistischen Staaten mit einer Staatswirtschaft ebenso der Fall, auch wenn diese Art von Plan- oder Kommandowirtschaft mit der Angebotstheorie absolut nichts zu tun hat. Allein schon deswegen, weil es in dieser Ökonomie keinen Markt und damit auch keine Marktwirtschaft gibt. Dennoch ist der Staat alleiniger Anbieter und bestimmt, was produziert und konsumiert wird. 4 Auf niedrigen Entwicklungsstufen der Wirtschaft ist Geld knapp, Kredite sind nur unter erschwerten Bedingungen gegen Sicherheitsgarantien zu bekommen. In Demokratien mit Marktwirtschaften kommen diejenigen in Machtpositionen, die dieses Geld haben oder durch ihr Vermögen über Kredite beschaffen können, und das sind die Unternehmer oder Anbieter. Auf höheren Entwicklungsstufen der Wirtschaft ändert sich das insofern, als auch solche Unternehmen zum Markt Zugang finden, die Ideen einbringen, welche zu Güterangeboten geeignet sind und erfolgreich in den Märkten verkauft werden können. Immer noch historisch gesehen handelt es sich bereits um Ökonomien, die über die Grundversorgung der Bevölkerung hinaus Problemlösungen anzubieten haben. Ein wahrer Unternehmer im schumpeterischen Sinn ist derjenige, der mit der Fähigkeit "schöpferischer Zerstörung" positives Wirtschaften, also Umsatz und Gewinn, in Aussicht stellt und dafür Geld in Form von Personalkredit zur Verfügung gestellt bekommt. Auf diese Unternehmen stützt sich die weiterentwickelte Angebotstheorie, obwohl auf dieser Stufe der Marktwirtschaft der Kunde, der Nachfrager, schon der König geworden ist. 5 Die Angebotstheorie bleibt dabei, daß einzig und allein den Unternehmen, also den Anbietern, die Führungsrolle zur Wirtschaftsgestaltung zukommt. Gerade wenn die Wirtschaft komplizierter wird, ist nur die Privatwirtschaft in der Lage, Vollbeschäftigung, soweit als überhaupt möglich (natürliche Arbeitslosigkeit wird es immer geben), zu erreichen. 6 Politisch gesehen haben die Angebotstheoretiker ihre Befürworter bei den Konservativen, was an der Wirtschaftspolitik derartiger Regierungen weltweit zu belegen ist. Sie verhalten sich unternehmerfreundlich und richten ihre Rahmenbedingungen und Steuerungsmaßnahmen, soweit als vertretbar, auf deren Bedürfnisse aus. Aktive Beteiligung des Staates wird auf ein Minimum beschränkt. Moderate Steuern und Abgaben sollen nach Meinung dieser politi4 Vgl. Kornai, lanos: Growth, Shortage and Efficiency, Oxford 1982, S. 12ff. und The Road to a Free Economy: Shifting from a Socialist System. The Examp1e of Hungary, New York 1990. 5 Vgl. Schumpeter, loseph: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S. 88ff. und Galbraith. lohn Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft, S. 334. 6 Vgl. Friedman, Milton: Inflation und Arbeitslosigkeit. In: Die Nobelpreisträger der ökonomi· schen Wissenschaft, Bd. I, hrsg. von H. C. Recktenwald, Düsseldorf 1989, S. 494.

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1. Bestehende ökonomische Theorien

schen Richtung Investitionen fördern, die ihrerseits einen möglichst hohen Beschäftigungsstand, wenig Arbeitslose und sichere Arbeitsplätze bewirken. Die auf der Angebotstheorie basierende Wirtschaftspolitik versucht, optimale Voraussetzungen und die nötige Motivation auf der Unternehmerseite zu schaffen, um über Innovationen den Wettbewerb anzukurbeln und für die nationale Wirtschaft positiv zu gestalten. In der Tat wird hiermit ein Zweifaches erreicht: 1. Blockaden, Hemmnisse und Hindernisse werden insofern aus dem Weg geräumt, als mehr Geldgeber ins Risikokapital gehen und damit mehr investiert werden kann. 2. Günstige Steuern erhöhen die Gewinnerwartungen und damit die Hauptbeweggründe für Unternehmer und Geldanleger für Investitionen. Leistung lohnt sich. Das führt, so die Angebotstheoretiker, im Verein mit einer konservativen Wirtschaftspolitik dazu, daß weniger Mittel für soziale Zwecke aufzuwenden sind - etwa für Arbeitslose - und dadurch auch für die Arbeitnehmer niedrigere Steuern erhoben werden können.

Im Jahresgutachten des Sachverständigenrates aus dem Jahr 1981/82 - viel hat sich seither nicht verändert - sind in Ziffer 300 die wichtigsten Grundsät ze für eine auf der Angebotstheorie basierende Volkswirtschaftspolitik in sehr anschaulicher Weise dargestellt: "Auf der Grundlage einer konsequent auf Geldstabilität ausgerichteten Notenbankpolitik und einer zurückhaltenden Lohnpolitik soll der Staat: - unnötige Hemmnisse wirtschaftlicher Aktivitäten wegräumen, durch mehr Konstanz der Wirtschaftspolitik und Zurückhaltung bei Eingriffen in den Markt Risiken senken, Reserven an privater Risikobereitschaft mobilisieren helfen, insbesondere die Neigung zur Eigenkapitalanlage sowie Gewinnbeteiligung von Arbeitnehmern fördern, sich im Steuersystem verstärkt an Unternehmensrisiken beteiligen, seine eigenen Ausgaben in Grenzen halten, die kreditfinanzierten Ausgaben senken, aber auch die Abgabenquoten nicht weiter erhöhen, die Mobilität der Arbeitskräfte und deren Bereitschaft, sich fortzubilden, unterstützen, - Produkt- und Verfahrensinnovationen global fördern, - die wirtschaftliche Dynamik von unten stärken, besonders die Chancen zur Gründung einer selbständigen Existenz sowie die Entwicklungsmöglichkeiten kleiner und mittelgroßer Unternehmen verbessern, - den Wettbewerb, namentlich den Wettbewerb mit dem Ausland, scharf halten, Subventionen und Schutzmaßnahmen, die den Strukturwandel hemmen, abbauen."7 7 Sievert, Olaf: Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik des Sachverständigenrates. In: Wirtschaftspolitik der achtziger Jahre, hrsg. von O. Vogel, Köln 1982, S. 40.

1.1 Die Angebotstheorie

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In echt ordoliberalem Geist strebt die auf der Angebotstheorie basierende Wirtschaftspolitik in Deutschland mit dem Regierungswechsel seit den 80er Jahren an, diese Grundsätze zu verwirklichen und die Finanzkraft der Unternehmen durch niedrigere Kosten - Senkung der Steuern - und höhere Gewinnmöglichkeiten zu stärken. Durch solide und stringent auf Sparkurs gehaltene Haushaltspolitik versuchte der Staat, den Kapitalmarkt, den die sozialdemokratisch geführte Regierung stark strapaziert hatte (etwa 150 Arbeitsbeschaffungsprogramme, Staatsschulden von 800 Mrd. DM), zu entlasten. Das führte der Theorie entsprechend zu Zinssenkungen und erleichterte für Privatunternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt, was zwangsläufig zu höheren Investitionen führte. 8 Mit dieser von der Angebotstheorie abgeleiteten Stabilitätspolitik läßt sich der moralische Appell zur Selbstbescheidung der Arbeitnehmer bezüglich ihrer Lohnforderungen, aber andererseits auch die Inpflichtnahme der Arbeitgeber zur Weiterbildung der Mitarbeiter sowie deren Gewinnbeteiligung rechtfertigen. Die auf der Angebotspolitik basierende Wirtschaftspolitik strebt immer eine enge Kooperation zwischen Regierung und Privatwirtschaft an, die vor allem unter dem Gesichtspunkt erfolgt, Wachstum zu erzielen und hohe Beschäftigung sicherzustellen und so das Vertrauen der Bürger in die Wirtschaftskraft zu stärken - wohlwissend, daß die Psychologie in hochentwickelten Ökonomien eine immer größere Rolle spielt und Bestandteil der Politik selbst wird. Letztlich gilt sie im Verständnis der Angebotstheorie nur den Investoren. Der Mut zum Risiko ist nicht nur von wirtschaftlichen Imponderabilien abhängig, sondern wird in hohem Maße geprägt durch die Berechenbarkeit der Regierung demokratischer Staaten, wobei es die einfache Meßlatte gibt: Lohnt sich Leistung oder nicht. Das Wohlergehen der Arbeitnehmer (der Nachfrageseite), sowohl hinsichtlich ihres Beschäftigtseins als auch ihres effektiven Einkommens und damit ihres Lebensstandards, hängt in der auf der Angebotstheorie basierenden Wirtschaftspolitik von der Leistungskraft und Effizienz, letztendlich also von der Investitionswilligkeit der Unternehmen ab. Eingriffe seitens des Staates zugunsten der Arbeitnehmerschaft sieht die reine Angebotstheorie und damit auch die ihr zugrunde liegende Wirtschaftspolitik nicht vor. Obwohl die auf der Angebotstheorie basierende Wirtschaftspolitik auf Wohlstand aller Bürger eines Staates ausgerichtet ist, gilt sie als materialistisch und seelenlos. Geld, Kapital und Leistung werden als Machtinstrumente gegen den Menschen gesehen, wenn sich diese in privater Hand, also in der 8 Vgl. Recktenwald, Horst Claus: Die ökonomische Wissenschaft - auch Kritisches zu ihrem Verständnis. In: Die Nobelpreisträger der ökonomischen Wissenschaft, Bd.l., hrsg. von H. C. Recktenwald, Düsseldorf 1989, S. 68.

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l. Bestehende ökonomische Theorien

von Unternehmern befinden. Abstrakt gesehen trifft diese Kritik durchaus zu. Geld ist materieller Natur und hat absolut höchste Priorität. Der Masse der Menschen ist im Geschehensvollzug dieses Wirtschaftsprozesses eine sekundäre Rolle und gewisse Machtlosigkeit zugewiesen. Der Mensch steht zwar, wie dennoch zu Recht behauptet wird, im Mittelpunkt des Wirtschaftens, doch seine Beteiligung ist nicht exekutiver, sondern passiver Art. Er ist weder direkt an Zielvorgaben, unmittelbar oder mittelbar, beteiligt noch an Entscheidungen und Festlegungen von Maßnahmen. So groß der Nutzen, so gering ist die Mitbestimmung zur Erreichung desselben. Die Macht des Geldes und der dieses repräsentierenden Institutionen sowie dessen Inhaber ergeben nicht nur den Anschein, daß "Geld die Welt regiert", sondern manifestiert sich in mannigfaltigem Fehlverhalten der "Anbieter" im mikroökonomischen Bereich, aber auch in der Makroökonomie, wenn es um Einzel- und Gemeinschaftsinteressen geht. Materie oder Dinglichkeit der Angebotstheorie fokussiert sich in der Bestimmung ihres Wertes sowohl für Waren, Dienstleistungen wie Arbeit. Quanten, Massen und Mengen stehen als Angebot und Nachfrage einander gegenüber und werden über einen Preis geregelt. Die Arbeitskraft unterliegt den gleichen ökonomischen Regeln wie die Güter. Knappheit, eine Mengengröße, bestimmt den Wert beider. Auch wenn es objektiv gesehen weder so gewollt noch gerechtfertigt erscheint, was ihre Befürworter auch zu begründen vermögen, so wird die Angebotstheorie immer als kapitalistisch bezeichnet, womit weniger ihre Effizienz als vielmehr mangelnde Mitbestimmung die entscheidende Rolle spielt. Sachlich wird argumentiert, daß der Nachfrager von Gütern und gleichzeitig Anbieter von Arbeitskraft doch wohl die bestimmende Größe für eine florierende Volkswirtschaft mit gutem Wachstum, guter Beschäftigung und allgemeinem Wohlstand ist. Ein Paradigmawechsel war damit vorprogrammiert und konnte historisch in dem Moment erfolgen, in dem eine Reihe von Ereignissen zusammentraf, was Anfang der dreißiger Jahre in Form der Weltwirtschaftskrise der Fall war. Fassen wir zusammen:

1. Die Angebotstheorie sieht die Unternehmen als die bestimmenden Kräfte für eine gut funktionierende Volkswirtschaft. 2. Die Angebotstheorie geht davon aus, daß sich jedes Angebot im Markt seine Nachfrage sucht, sofern ihm dafür genügend Zeit gelassen wird. Das gilt auch für hochtechnisierte und hochentwickelte Märkte. 3. Die reine klassische Form der Angebotstheorie ist der Ordoliberalismus mit dem Laissez-faire-Prinzip und dem durch eine invisible hand gesteuerten Marktautomatismus.

1.2 Die Nachfragetheorie

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4. Nach der Angebotstheorie erfolgt die Wirtschaftssteuerung im wesentlichen über Geld. Wer es besitzt, kann investieren. Der Mensch hat bei Schaffung des Sozialproduktes zwar eine aktive, aber hinsichtlich der Mitbestimmung und Steuerung der Marktwirtschaft in der Masse gesehen eine passive Rolle. 5. Die auf Adam Smith zurückgehende Angebotstheorie entspricht in ihrer klassischen Form dem damaligen Entwicklungsstand der Wirtschaft auf relativ tiefem Niveau mit vorherrschender Versorgung der Bürger eines Staates. Diese Theorie wird in ihren generellen Thesen auch in hochentwickelten Wirtschaften beibehalten, auch wenn sie den neuen Verhältnissen angepaßt wurde. Es bleibt beim Marktautomatismus und den immanenten Selbstheilungskräften ebenso wie bei der Dominanz des Geldes und der Macht der Privatwirtschaft. 6. Auf der Angebotstheorie basierende Wirtschaftspolitik setzt die Rahmenbedingungen so, daß die bestimmenden Kräfte möglichst viel Freiraum haben und relativ niedrig belastet werden: Begrenzung der staatlichen Haushaltsausgaben, keine zu hohe Steuerbelastung, keine Mittel des Staates zur Förderung der Nachfrage, zurückhaltende Inanspruchnahme des Kapitalmarktes mit positiver Beeinflussung der Zinsrate, Vermeidung von Inflation durch Geldwertstabilisierungsmaßnahmen. 7. Im Jahresgutachten des Sachverständigenrates aus dem Jahre 1983/84 ist die Umsetzung der Angebotstheorie in die Wirtschaftspraxis anschaulich dargestellt. 8. Die auf der Angebotstheorie basierende Wirtschaftspolitik gilt als kapitalistisches Wirtschaftssystem, das dem Materiellen den Vorrang gegenüber dem Sozialen einräumt und einen Widerstreit zwischen Materie und Immaterie hervorruft, woraus sich eine politische Ökonomie entwickelt hat. 9. Die Schwäche der Angebotstheorie und damit auch der auf ihr beruhenden Wirtschaftspolitik ist eben diese Vernachlässigung der sozialen Aspekte, denn die Arbeitnehmer und Konsumenten tragen erheblich zur Gestaltung der Wirtschaft bei. 10. Der Paradigmawechsel war vorprogrammiert, und es bedurfte lediglich des Zusammentreffens einiger wesentlicher Faktoren, um eine neue Wirtschaftstheorie zu begründen. Die Demokratie als neue Staatsform spielt dabei eine entscheidende Rolle, ebenso wie die Gewerkschaftsbewegung. 1.2 Die Nachfragetheorie Die Nachfragetheorie stützt sich auf die Organe des Staates und weist ihnen eine aktive Rolle bei der Gestaltung des Wirtschaftsprozesses eines Landes zu. Sie geht davon aus, daß es keinen Selbstheilungsprozeß der Wirtschaft gibt und staatliche Eingriffe ins Wirtschafts geschehen unabdingbar sind. 2 Bossle

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1. Bestehende ökonomische Theorien

Ihre Repräsentanten sehen die Möglichkeiten zur Erhaltung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes in der Beeinflussung der Nachfrage. Ist genügend Kaufkraft vorhanden, werden in steigendem Maße Güter gekauft. Dadurch wird die Produktion angekurbelt und Beschäftigung sichergestellt. Sowohl das oberste Ziel, Vollbeschäftigung, als auch die Instrumentarien der Marktwirtschaft sind, wie bei der Angebotstheorie, geblieben. Es hat aber eine Verlagerung der Kräfte auf die Gegenseite stattgefunden, und vor allem greift der Staat aktiv ins Wirtschaftsgeschehen ein. Die zur Gestaltung einer positiven ökonomischen Entwicklung notwendigen Investitionen sollen nicht mehr dem freien Spiel der Kräfte eines reinen Marktautomatismus und auch nicht den privaten Unternehmern (Kapitalisten) überlassen, sondern von staatlicher Seite beeinflußt werden. Der Staat dirigiert und reguliert, indem er einerseits Abgaben- und Steuerpolitik so gestaltet, daß die Unternehmer gezwungen werden zu investieren. Durch direkte oder indirekte Subventionierung von Arbeitsplätzen versucht er andererseits, aktiv Einfluß zu nehmen. Die Arbeitsbeschaffungsprogramme werden durch Anziehen der Steuerschraube, möglichst bei Besserverdienenden, und durch Kreditaufnahmen am Kapitalmarkt finanziert. Der Staat verschuldet sich, zieht Wechsel auf die Zukunft. Kredite bekommen einen vergleichsweise hohen Stellenwert und in der Wirtschaftspolitik mehr Gewicht als Geld oder durch Vermögen abgesichertes Geld (Sachkredit) privater Unternehmen. Die Rückzahlung der Schulden, so die Nachfragetheoretiker, hat in Zeiten der Hochkonjunktur zu erfolgen, was übrigens in der Praxis nie geschah. 9 Die Nachfragetheorie wurde von John Maynard Keynes entwickelt und 1936 in seinem Werk" General Theory of Employment, Interest and Money" veröffentlicht. Sie wurde über fünf Jahrzehnte zur herrschenden Lehre und zur Grundlage der Wirtschaftspolitik nahezu aller demokratischen Länder der Welt. Man war über lange Zeit davon überzeugt, daß mit dieser Theorie Krisen vermieden oder weitestgehend minimiert und Konjunkturen herbeigeführt werden können. Historisch gesehen erfolgte der Paradigmawechsel zur "Demand-Theorie" in den dreißiger Jahren. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 war der Endpunkt einer lang anhaltenden Rezession. Sie führte gleichermaßen zu Unternehmenszusammenbrüchen wie Vermögensverlusten und in deren Gefolge zu hoher Arbeitslosigkeit. Aus einem Wirtschaftsproblem wurde ein soziales Problem, das alte und junge Demokratien zu lösen hatten. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat in vielen europäischen Ländern, so u. a. in Frankreich und vor allem in Schweden, aber auch in Hitlerdeutschland zu staatlichen 9 Vgl. Issing, Otmar: Hat der Keynesianismus noch Zukunft? In: Wirtschaftspolitik der achtziger Jahre, hrsg. von O. Vogel. S. 15ff.

1.2 Die Nachfragetheorie

19

Maßnahmen geführt, wie sie später in der neuen Nachfragetheorie festgeschrieben wurden. Ein Beispiel hierfür ist das Arbeitsbeschaffungsprogramm zum Bau der Autobahn. 10 Das Dogma der klassischen Lehre, wonach mit den vorhandenen Mitteln an Geld und Vermögenswerten, mit Gelassenheit und Abwarten und einer gezielten Sparpolitik des Staates die Selbstheilungskräfte wirken, wurde vom "Druck der Straße" außer Kraft gesetzt. Während, so Galbraith, Reichskanzler Brüning von einer amerikanischen Universität in Anerkennung für seine stringente Sparpolitik und Minimierung der Staatsverschuldung mit dem Doktor der Ökonomie ausgezeichnet wurde, besiegelte er den Untergang der Weimarer Republik und die Etablierung des Dritten Reiches. l1 Letztlich war die Starrheit der Angebotstheorie der Grund für den Paradigmawechsel. Doch auch die Vernachlässigung der Menschen als Masse (Kollektiv), in ihrer Eigenschaft als produzierende und konsumierende Wesen, darf hierbei nicht übersehen werden. Effektiv gab es Güter, die niemand haben wollte, und Löhne, mit denen man nicht allzuviel kaufen konnte, was zu einem dramatischen Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage führte. Der Organismus Wirtschaft war so krank, daß er aus eigener Kraft nicht oder, nach Ansicht der Verantwortlichen, nicht innerhalb einer angemessenen Zeit gesunden konnte. Die Nachfragetheorie ist ohne Betrachtung des öffentlichen Umfeldes nicht abzuhandeln. Philosophen, Theologen und Intellektuelle haben in kritischer Begleitung des Industriezeitalters und Manchesterkapitalismus in aufklärerischer Art und Weise darauf aufmerksam gemacht, daß das Schicksal der Wirtschaft mit der Lösung der sozialen Frage in engem Kontext zu sehen ist. Während in einer Vielstaaterei ohne Industrialisierung - achtzehntes und Teile des neunzehnten Jahrhunderts - Vermögende (Fürsten und Großkaufleute) im Verein mit einer reichen starken Kirche die sozialen Probleme einigermaßen lösen konnten, gewann das im Verlauf der industriellen Revolution entstehende "Proletariat" bald eine so große Bedeutung, daß Karl Marx ihm alle Macht geben wollte. Die Versorgung der Armen war grundsätzlich weitgehend den neugebildeten Nationalstaaten zugefallenY Freie Denker, Kulturschaffende und eine starke Arbeiterbewegung formierten sich und traten als "Sozialisten" den "Kapitalisten" entgegen. Die Demokratisierung ist die Voraussetzung für die neue Theorie der Nachfrage gewesen, die gesellschaftlichen Umstände, der Zwang und die Aufklärung die Basis. Im Denken Hegelscher Philosophie rückte Marx den Menschen als produzierendes wie 10

11 12

2'

Vgl. Ga/braith, John Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft, S. 265ff. Vgl. Ga/braith, John Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft, S. 267. Vgl. Ga/braith, John Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft, S. 160ff.

1. Bestehende ökonomische Theorien

20

konsumierendes Wesen in den Mittelpunkt der Ökonomie und propagierte die Konfrontation zwischen Arm und Reich und das gesamte Gedankengut, das in der französischen Revolution zum Ausdruck kam, nämlich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, was jede auf der Nachfragetheorie basierende Wirtschaftspolitik bestimmt. Im "Kommunistischen Manifest" wird eine Wirtschaftsordnung vorgestellt, die in abgewandelter Form zur "Lösung der sozialen Fragen" in jedem wirtschaftspolitischen Programm einer auf die Nachfragetheorie ausgerichteten ökonomischen Politik zu finden ist: -

Recht auf Arbeit, Verbot von Kinderarbeit gerechte Entlohnung und gerechte Einkommensverteilung Veränderung der Besitzverhältnisse (Umverteilung) Überführung des Privateigentums in Volkseigentum Chancengleichheit für alle; unentgeltliche Schulbildung klassenlose Gesellschaft. 13

Die meisten Forderungen von Marx, die zu seiner Zeit sicher ihre Berechtigung hatten und aus seiner Verelendungstheorie konsequenterweise zu stellen waren, haben zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zu evolutionären (Westen) und revolutionären (Osten) Entwicklungen geführt, die in der neuen Wirtschaftstheorie ihren Niederschlag fanden. Der - dramatische - Unterschied bestand in der Radikalität bei der Umsetzung der Ziele. Ohne diesen ideologischen Background ist die Nachfragetheorie nicht zu begreifen. Sie muß im Kontext mit der politischen Ökonomie gesehen werden. In diesem Zusammenhang scheint es durchaus angebracht, darauf zu verweisen, daß die Ökonomie zu allen Zeiten eng mit Kultur, Kirche, Gesellschaft und Politik interagierte. So stehen berühmte Gegensatzpaare für Arm und Reich: Solon und Drakon, Christus und Pilatus, Thomas von Aquin und Friedrich 11., um nur einige Paare zu nennen. Reine Wirtschaftstheoretiker, und ein solcher war J. M. Keynes, versuchten, ein wertfreies, allgemeingültiges Paradigma, das zwar der Situation ökonomischer Wirklichkeit entsprach, zu entwerfen, sich aber jeder Ideologie zu enthalten, was durchaus gelungen ist. So gesehen steht die Lehre von Keynes als Nachfragetheorie der Angebotstheorie von Smith absolut vergleichbar gegenüber. Es geht um die gleichen Fakten und wirtschaftlichen Begriffe, weshalb sie hier auch alternativ betrachtet und abgehandelt werden muß. Die Menschen, so Keynes, verhalten sich, was konsumieren und sparen angeht, richtig, sofern sie über ein geregeltes Einkommen verfügen. Wer also ihr Einkommen sichert, ihnen sozusagen einen Arbeitsplatz garantiert und eine "gerechte Entlohnung" gibt, kann das Gleichgewicht von Angebot und 13

Vgl. Galbraith, John Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft, S. 167ff.

1.2 Die Nachfragetheorie

21

Nachfrage in optimaler Weise gestalten. Deshalb ist es Sache des Staates, in Situationen, in denen Arbeitsplätze in Gefahr sind oder verlorengehen, einzugreifen und Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen bereitzustellen. Damit kann eine annähernde Vollbeschäftigung sichergestellt werden. Die Arbeitnehmer haben Geld und Kaufkraft und sorgen ihrerseits für Nachfrage, die wiederum zu Produktion führt. "Deficit spending" ist die Zauberformel, die das Wirtschafts gleichgewicht auch in wachsenden Märkten garantiert. Die Nachfragetheorie hat sich, ähnlich wie die Angebotstheorie, allerdings in viel kürzerer Zeit weiterentwickelt. Die Epigonen tragen als Neo- oder Postkeynesianer mit erweiterten Erkenntnissen zum Gedankengebäude der Nachfragetheorie bei, die ebenso wie die Fortentwicklung der Angebotstheorie unter Mischformen abgehandelt wird. Die auf der Nachfragetheorie basierende Wirtschaftspolitik konkretisiert sich in dreifacher Art: 1. Arbeitsbeschaffungsprogramme sowie personales Aufblähen staatlicher Dienststellen und Unternehmen. 2. Erhöhung der Steuern zu Lasten der Bezieher hoher Einkommen und Vermögender sowie Kreditnahme und Verschuldung. 3. Rahmenbedingungen, die die Anbieter höher be- und die Nachfrager mehr entlasten; Beschäftigung hat Priorität bei der Stabilitätspolitik. Die Grundsätze der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik sind: -

höhere Löhne für Arbeitnehmer, mehr Mitbestimmung seitens der Arbeitnehmer, niedrigere Gewinne für Unternehmen und/oder Kapitalgeber, Belastbarkeit der Unternehmen soweit als möglich ausnutzen, hoher Arbeitsrechtschutz und verbrieftes Grundrecht (Verankerung im Grundgesetz) auf einen Arbeitsplatz, Verstärkung des sozialen Netzes, Gesetze und Verordnungen zur Erleichterung der Arbeitsbedingungen, Eingriffe des Staates zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen (Arbeitsbeschaffungsprogramme ), Begrenzung der Flexibilität und Mobilität der Arbeitskräfte, Standortsicherung für Arbeitnehmer, Steigerung der Sozialausgaben, Umverteilung der Einkommen. 14

Der bekannte Ausspruch des Bundeskanzlers der sozialliberalen Koalition, Helmut Schmidt, wonach 5 Prozent Arbeitslosigkeit schlimmer seien als 5 Prozent Inflation, kennzeichnet die keynesianische Wirtschaftspolitik im Deutschland der siebziger Jahre. Als die Mahnung des damaligen Wirtschaftsministers 14

Vgl. Hardes/Rahmeyer/Schmid: Volkswirtschaftslehre, S. 166ff. und S. 300ff.

22

1. Bestehende ökonomische Theorien

Schiller an die Genossen, "die Tassen im Schrank zu lassen", überhört wurde, trat dieser zurück, und eine anhaltende Stagflation beendete schließlich das Experiment nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik auf deutschem Boden. Das Anspruchsdenken hatte das Leistungsdenken verdrängt. Viele Bürger - nicht immer die Bedürftigen - bedienten sich, wo immer sie konnten, an staatlichen Subventionen. Umschulung, Fort- und Weiterbildung oder sozialfinanzierte Wohnungen nahmen nicht nur die in Anspruch, deren Arbeitsplatz gefährdet war oder verlorenging, oder diejenigen, die ein unterdurchschnittliches Einkommen hatten, oder kinderreiche Familien, sondern auch die Cleveren, die die staatliche Unterstützung nicht nötig hatten. Der Hauptgrund für das Scheitern der auf der Nachfragetheorie basierenden Wirtschaftspolitik war weniger das Funktionieren derselben als vielmehr deren Überforderung und nicht konsequente Umsetzung. So dienten die Arbeitsbeschaffungsprogramme mehr zur Erhaltung unrentabel gewordener Arbeitsplätze oder auch solcher, die nie produktiv werden würden. Vor allem aber wurde die Hauptforderung der Nachfragetheorie, die Staatsverschuldung nach Erreichen der Konjunktur abzubauen, nicht erfüllt. Im Gegenteil, es wurde weiter an den Schrauben gedreht, was die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen immer mehr minderte und zu erhöhten Konkursen von mittelständischen und kleinen Unternehmen führte, die weder Lobby noch Macht (Gewerkschaft) hatten. Leistung lohnte sich immer weniger, was das Engagement und die Motivation der Angebotsseite stark beeinträchtigen mußte. Diese mangelnde Rücksichtnahme auf das Kapital ist die große Schwäche der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik, ebenso wie das Soziale bei der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik. Der Staat kann private Investitionen, die ausbleiben, weil sie ökonomisch nicht machbar sind, nicht ersetzen. Und da auch für die nachfrageorientierte Politik nur über Investitionen Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen sind, muß sich eine Mehrbelastung der Leistungsträger einer Gesellschaft in Grenzen halten. Die Kosten sind nun einmal Voraussetzung der Fähigkeit, den Wettbewerb für sich zu entscheiden und darin zu bestehen. Eigentlich haben weniger die Theorien versagt als vielmehr deren Anwendung und Umsetzung. Das haben die Wirtschaftspolitiker offenbar bis heute nicht so recht begriffen, auch wenn sie die von der Theorie weiterentwickelten Formen der Angebots- und Nachfragetheorie, die sich einander annähern und den Charakter von Mischformen haben, übernehmen. Einer der prominentesten Keynesianer, Samuelson, hat denn auch schon frühzeitig darauf verwiesen, daß eine einseitige Betrachtungsweise nicht gut sei: "The Lord gave us two eyes to watch both. demand and supply."15 " Vgl. Issing, Otmar: Hat der Keynesianismus noch Zukunft?, S. 33.

1.2 Die Nachfragetheorie

23

Fassen wir zusammen:

1. Die Nachfragetheorie beruht auf der Grundannahme, daß die Masse der Konsumenten (Nachfrager) den Verlauf einer Volkswirtschaft bestimmt. 2. Wenn die Nachfrager nach Gütern über ein gesichertes Einkommen verfügen, werden sie kaufen und sparen. Beide Maßnahmen kommen der Wirtschaft zugute. Einmal sorgt die Nachfrage für neue Produktion, und zum anderen werden die Ersparnisse in Investitionen geleitet. 3. J. M. Keynes hat diesen von den Nachfragern ausgehenden Kreislauf des Produzierens und Konsumierens in "General Theory of Employment, Interest and Money" als neue Volkswirtschaftslehre entwickelt. 4. Da die Nachfrager nur dann über die nötige Kaufkraft verfügen, wenn sie Einkommen haben, steht die Beschäftigung im Mittelpunkt dieser Theorie. 5. Die Realität hat gezeigt, so die Nachfragetheorie, daß die Selbstheilungskräfte der Marktwirtschaft (Marktautomatismus/invisible hand) nicht ausreichen, um Beschäftigung in ausreichendem Maße zu sichern und damit das notwendige Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu erreichen. Deshalb muß der Staat eingreifen und Arbeit beschaffen. 6. Die Finanzierung der Arbeitsbeschaffungsprogramme erfolgt über höhere Steuern vornehmlich Besserverdienender und Vermögender oder über Kredite, die sich der Staat am Kapitalmarkt besorgt. 7. Diese Politik des "Deficit Spending" verschuldet den Staat in der Zeitperiode einer Krisenbewältigung. Ist die Wirtschaft wieder in Gang (Konjunktur), sollen diese Schulden getilgt werden, was in der Realität nie geschehen ist. 8. Bei der auf der Nachfragetheorie basierenden Wirtschaftspolitik greift der Staat nicht nur ins Wirtschaftsgeschehen direkt ein, er setzt auch die Rahmenbedingungen so, daß das Soziale Priorität hat, wodurch die Haushalts aus gaben überproportional steigen. 9. Die Privatwirtschaft wird demotiviert, Leistung lohnt sich nicht mehr. Die "Demand Theory" endet in der Praxis in der Stagflation. 10. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ist die Nachfragetheorie eine konsequente Folge hoher Arbeitslosigkeit in nahezu allen Ländern der Welt gewesen. Sie hat in dieser Wirtschaftskrise und über Jahrzehnte hinweg die Wirtschaft durchaus positiv gestaltet, ist aber der stürmischen Weiterentwicklung derselben nicht mehr gerecht geworden. 11. Samuelson betont zu Recht: "The Lord gave us two eyes to watch both, demand and supply." Die Theorien von Angebot und Nachfrage bewegen sich aufeinander zu und postulieren eine Wirtschaftspolitik der Mischform.

24

1. Bestehende ökonomische Theorien

1.3 Die Mischformen Nach der Euphorie keynesianischer Wirtschaftspolitik, die in der ernüchternden Erkenntnis mündete, daß ohne volles unternehmerisches Engagement und eine breite Leistungsbereitschaft aller eine hochentwickelte Volkswirtschaft nicht gut genug gestaltet werden kann und dies auch die auf der Angebotstheorie beruhende Wirtschaftspolitik nicht vermag, weil die Arbeitnehmer und das Soziale zuwenig Berücksichtigung finden, sind beide Seiten bemüht, Kompromisse einzugehen. Der wohl spektakulärste und auch erfolgreichste Versuch ist "Die freie und soziale Marktwirtschaft" von Ludwig Erhard mit der alles in allem geglückten Intention, sowohl die Anbieter (Unternehmer) als auch die Nachfrager (Arbeitnehmer/Konsumenten) in die Verantwortung zu nehmen und an den Erfolgen zu beteiligen. Der Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland in die Weltspitze der Wirtschaftsnationen in etwa 20 Jahren (Wirtschaftswunder) ist ein unwiderlegbarer Erfolg für diese Wirtschaftsform, die den beiderseitigen Interessen gerecht zu werden versucht. Das Eingehen sozialer Verpflichtungen (soziales Netz, eines der besten weltweit) seitens der Privatwirtschaft und die Akzeptanz der Arbeitnehmer und der sie vertretenden Partei (Godesberger Programm der SPD) sowie der freiheitlichen Gestaltung der Marktwirtschaft mit ihrem Marktautomatismus brachten permanente Produktivitätssteigerungen, Wachstum und Wohlstand. Natürlich darf hierbei nicht übersehen werden, daß diese Wirtschaftsordnung im Grunde keine neue Wirtschaftstheorie darstellt, weil sie inhaltlich, je nach Regierung, mehr angebots- oder mehr nachfrageorientiert gestaltet wurde. Historisch gesehen postulierten die Sozialdemokraten und auch Teile der Christdemokraten (Sozialer Flügel) eine Planwirtschaft, die eine Verstaatlichung der Produktionsbetriebe (wie in England) nicht ausschloß. Da sie keine Mehrheit in der neuen deutschen Demokratie besaßen, konnte diese Wirtschaftspolitik nicht realisiert werden. Die auf Ausgleich angelegte freie und soziale Marktwirtschaft ist zwar privatwirtschaftlich betont und insofern der Angebotstheorie näher als der Nachfragetheorie, aber sie ist nicht klassisch ordoliberal. Ihr Erfolg war so groß, daß letztlich sie bestimmte, welche politische Richtung regieren sollte. Erst als die Sozialdemokraten das erkannten und akzeptierten, wurden sie regierungsfähig und stellten mit Karl Schiller einen der bedeutendsten Verfechter dieser Wirtschaftsordnung. Das, was mit und in der freien sozialen Marktwirtschaft manifestiert wurde, ereignete sich in anderer Art und Weise, auch teilweise mit großer Zeitverzögerung, zwangsläufig und pragmatisch in allen anderen Ländern der Welt, die freie demokratisch gewählte Regierungen haben. In den meisten europäi-

1.3 Die Mischformen

25

sehen Ländern wechselten die Regierungen im Verlauf der letzten 50 Jahre von rechts nach links und von links nach rechts, und damit einher ging immer eine Lastigkeit der Wirtschaftspolitik in Richtung Angebots- oder Nachfragetheorie; bei jeder dieser Fortentwicklungen wurden Teile der einen von der anderen übernommen. Das ist so in England, in Frankreich, in Spanien, den Beneluxländern, Italien und selbst in den skandinavischen Ländern, namentlich in Schweden, wo Keynes am konsequentesten umgesetzt und seine Nachfragetheorie auch politisch realisiert wurde. Doch nachdem sich in den achtziger Jahren herausstellte, daß der Sozialstaat auf den Weltmärkten nicht mehr konkurrenzfähig war und die Belastbarkeit der Privat unternehmen nicht weiter gesteigert werden konnte, mußte auch der schwedische Staat eine Wende zur Mischform antreten und die Angebotsseite entlasten. War Anfang des Jahrhunderts ein Trend zu Staatsbetrieben festzustellen, so ist Ende des gleichen Jahrhunderts eine Privatisierungswelle im Gang. Bedeutsam bei diesem Prozeß ist, daß offenbar beide Seiten eingesehen haben, daß eine Wirtschaftspolitik nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie sowohl Elemente der Angebots- wie der Nachfragetheorie berücksichtigt, also eine Mischform darstellt. Selbst in den USA, die als das klassisch kapitalistische Land gelten und es wahrscheinlich auch sind, gibt es Anzeichen für eine Annäherung, auch wenn die Republikaner Reagan und Bush eine unternehmerfreundliche und die Demokraten Kennedy, Carter und Clinton eine sozialorientierte, arbeiterfreundliche Politik betrieben bzw. betreiben. Kaum zum Präsidenten gewählt, verkündete Clinton, daß er ein 30-Mrd.-Dollar-Arbeitsbeschaffungsprogramm aufstellen und im sozialen Bereich ein ähnlich soziales Versorgungssystem wie in Deutschland einführen wolle. Es sind nicht nur die im Repräsentantenhaus mächtig gewordenen Republikaner, die Clinton zu einer moderaten, den Unternehmern entgegenkommenden Steuerpolitik veranlassen, sondern die Erkenntnis, daß sich Leistung lohnen muß. Ganz davon abgesehen, daß dies eine angebotstheoretische Komponente ist, weiß jeder Bürger dieses Landes, daß hier das Geheimnis des amerikanischen Wirtschaftserfolges liegt, das dieses Land an die Spitze aller Nationen der Welt gebracht hat. Der Wirtschaftsriese Japan gründet seine Erfolgsstory auf eine Mischform, deren soziale Komponente tief in ihrer Kultur wurzelt und nicht vom Staat, sondern von der Privatwirtschaft getragen wird. Trotz Betonung der Angebotsseite hat die japanische Wirtschaftspolitik - übrigens in gleicher Weise wie die der USA - keynesianische Wesenszüge, und zwar insofern, als der Staat enormen Einfluß auf das Wirtschaftsgeschehen nimmt. Im Unterschied zu den europäischen Ökonomien steht nicht der Arbeitsplatz, sondern die Wettbewerbsfähigkeit im Mittelpunkt staatlicher Einflußnahme. Der Staat fordert nicht, sondern kooperiert. Galbraith sieht in dieser Art des Zusammenwirkens von Staat und Privatwirtschaft, also von einer die Kollektivinteressen vertretenden Seite (Staat) und einer die Individualinteressen vertretenden Seite (Privatwirtschaft), also einer Kooperation von An-

26

1. Bestehende ökonomische Theorien

gebot- versus Nachfrageinteressen, die mögliche neue Wirtschaftstheorie. Sie wäre eine Mischform, die das Aufeinanderzubewegen kennzeichnen würde. I6 Die Mischformen aus Angebots- und Nachfragetheorie sind in der Wirtschaftspolitik durch konkrete Maßnahmen belegt. Die Frage ist, ob auch die reine Theorie nachgezogen hat und eine allgemein gültige Mischform aus beiden als neue Volkswirtschaftstheorie präsentiert. Dem ist nicht so. Obwohl die Epigonen von Smith wie die von Keynes die Angebots- respektive Nachfrage theorie weiterentwickelt haben, stehen sich die beiden Lehrmeinungen nach wie vor wie zwei feindliche Brüder gegenüber. Selbst wenn ein Keynesianer wie Samuelson mahnt, auch die andere Seite zu beachten, so bleibt er doch in seinen Grundaussagen ein Nachfragetheoretiker. Ebensowenig läßt sich etwa ein Milton Friedman davon überzeugen, daß eine andere als die Angebotsseite das Wirtschaftsgeschehen zu bestimmen hat, wobei er selbst der Geldpolitik eine besondere Rolle zuweist.I' Wenn es objektiv gesehen keine Mischform als neue Theorie gibt, so zeigt doch die Analyse der Weiterentwicklung der Angebots- und Nachfragetheorie deutlich, daß es eine solche geben könnte, wenn diejenigen, die die Lehren vertreten, sich nicht in Details und Spitzfindigkeiten verlieren und nur für die Wirtschaftspolitik relevante Faktoren aufarbeiten würden. Dazu fehlt offenbar der Mut. IS Wie weit die Annäherung gediehen ist, zeigen die Fortentwicklungen: Für die "Neue Makroökonomie" (Angebotstheorie) sind es die unvollkommenen Informationen und die damit in Zusammenhang stehenden Ungewißheiten, die die Erwartungen künftiger Entwicklungen und die Beurteilungen der Marktchancen beeinträchtigen, die ihrerseits zur Herstellung des Gleichgewichtes beitragen. Es geht um Opportunitätskosten, die die Arbeitgeber und Arbeitnehmer davon abhalten, ausreichende Informationen für ihre Zukunftsentscheidungen, seien es Investitionen oder die Suche eines neuen Arbeitsplatzes, einzuholen. Arbeitslosigkeit ist somit im Endergebnis ein Informationsproblem und löst sich mit der Zeit von selbst (Marktautomatismus). Aus diesem Grund, so die "Neue Makroökonomie", gibt es in einer sich fortentwickelnden Volkswirtschaft immer eine "natürliche" Arbeitslosenquote bei mehr oder weniger Vollbeschäftigung. "In einer statischen, verkrusteten Volkswirtschaft mag für jeden ein fester Arbeitsplatz reserviert sein, wohingegen in einer dynamischen, vorwärtsstrebenden Volkswirtschaft, die laufend neue Möglichkeiten bietet und die Flexibilität fördert, eine hohe natürliche Arbeitslosigkeit auftreten kann (z. B. England/Japan mit Stagnation und Wachstum)."19 16 17 18

19

Vgl. Galbraith, lohn Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft, S. 350. Vgl. Friedman, Milton: Inflation und Arbeitslosigkeit, S. 494ff. Vgl. HardeslRahmeyerlSchmid: Volkswirtschaftslehre, S. 176. Friedman, Milton: Inflation und Arbeitslosigkeit, S. 504.

1.3 Die Mischformen

27

Die "Neue Makroökonomie" ist neoklassisch, erklärt jedoch die Arbeitslosigkeit auch mit der Fehleinschätzung der Nachfrager von Arbeit. Sie bietet mit dem Hinweis auf die unvollkommene Information den operativen Ansatz für eine bessere Wirtschaftspolitik hochentwickelter Länder. Die "Monetaristische Theorie" stellt einen Zusammenhang zwischen Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit des Geldes einerseits mit Güterangebot und Preisniveau andererseits her. Die Höhe des Güterangebotes, so die Monetaristen, wird von den Produktionsfaktoren und nicht von der Geldmenge bestimmt, wobei die Wirtschaftssubjekte von einer Konstanz zwischen Geldmenge und Einkommen ausgehen bzw. diese anstreben. Da jedoch die zukünftigen Erwartungen hinsichtlich Preisen und Löhnen nicht immer richtig eingeschätzt werden, gibt es Differenzen, die zu rückläufigem Absatz/Umsatz, weniger Produktion und Beschäftigung führen, was auf Zeit durch den Marktautomatismus (Angebotstheorie) wieder austariert wird. 20 Die zukünftigen Erwartungen der Wirtschaftssubjekte nehmen in dieser Theorie einen zentralen Platz ein. Sie sind beidseitig (Anbieter/Nachfrager) und haben deshalb Mischformcharakter. Auch die "Neue Klassische Makroökonomie" geht von unvollkommener Information aus und stützt sich auf einen Markträumungsansatz, der seinerseits auf das rationale Verhalten der an der Gesamtwirtschaft beteiligten Einzelwesen ausgerichtet ist. Nach dem freien Spiel der Kräfte gestalten sich Angebot und Nachfrage automatisch in Richtung eines Ausgleichs. Dabei treten Störungen auf, die exogen beeinflußt sind. Staatliche Eingriffe schaffen hier keine Abhilfe, sie können die Situation nur noch verschlechtern und den Selbstheilungsprozeß (Angebotstheorie) beeinträchtigen. Der Markträumungsansatz geht von folgenden Annahmen aus: -

Märkte sind jederzeit geräumt; und es herrscht Lohn- und Preisflexibilität; unvollkommene Informationen für Entscheidungen der Marktteilnehmer; natürliche Arbeitslosenrate; Anbieter reagieren nur auf Veränderung der Preise ihrer eigenen Produkte; Marktteilnehmer berücksichtigen die zukünftige Entwicklung der Preise und Löhne und deren Determinanten?!

Das nach Ansicht dieser Theorie prognostische Vorgehen der Marktteilnehmer ist beidseitig (Mischform). So wird eine Situation antizipiert und Entscheidungen wie Verhalten auf diese Annahme abgestellt. Die "Neue Keynesianische Makroökonomie" sieht die Änderung eines Ungleichgewichtes nicht in einer automatischen Anpassung (Nachfragetheorie) von Angebot und Nachfrage, die sie als zu starr ansieht, und unterstellt ihr 20 21

Vgl. Hardes/Rahmeyer/Schmid: Volkswirtschaftslehre, S. 118ff. Vgl. Hardes/Rahmeyer/Schmid: Volkswirtschaftslehre, S. 121ff.

28

1. Bestehende ökonomische Theorien

deshalb einen Nicht-Markträumungsansatz. Sie versucht das damit zu belegen, daß z. B. ein Haushalt sein Arbeitsangebot nicht realisieren kann, wenn er ein niedrigeres Einkommen hat, das eine niedrigere Güternachfrage bewirkt, was zu geringerer Beschäftigung führt, da weniger produziert werden kann. Unternehmer, so die Neokeynesianer, richten ihre Beschäftigungspolitik nicht nach Reallöhnen, sondern nach den Umsätzen aus. Gehen diese zurück, ändern sie die Zahl ihrer Beschäftigten. "Je nach Marktverhältnissen kann klassische Arbeitslosigkeit wegen zu hoher Reallöhne oder keynesianisehe Arbeitslosigkeit wegen Nachfragemangels auftreten.' (WVz; WV3 ; WV4 ; WV z > (WV i ; WV3 ; WV4 ;

... ...

... ...

+ IV n ) + IV n )

= lVi = IVz usw.

WV n ) = lVi> (IVz; IV3 ; IV4 ; WV n ) = IVz > (lVi; IV3 ; IV4 ;

... ...

IV n ) IV n ) usw.

Das Ergebnis der Immaterialisierungstheorie lautet: 1. These Die Überlegenheit einer Volkswirtschaft gegenüber anderen Volkswirtschaften entspricht ihrem Immaterialisierungsgrad gegenüber den anderen Ökonomien. 2. These Das Wirtschaftswachstum hochentwickelter Ökonomien korrespondiert mit der Steigerung der Immaterialisierung. Die wichtigste Größe für die Berechnungen steht noch aus, die Bestimmung der Immaterie in Relation zur Materie bei einer Gutpersönlichkeit. Generell gesehen sind die Persönlichkeitsmerkmale der Güter die Kriterien der Immaterialität. Sie können sowohl auf einzelne Güter als auch auf deren Kategorien angewendet werden, was für mikro- und makro ökonomische Betrachtungen wichtig ist. Dennoch gehören beide immer zusammen. Die Überlegenheit der Volkswirtschaften im Wettbewerb mit anderen bleibt güterpersönlichkeitsbezogen. Der wirtschaftliche Stellenwert einer Nation gründet sich auf die Leistungskraft ihrer Firmen, die in den Gütern zum Ausdruck kommt. 18 Kriterien zur Bestimmung von Immaterialität sind die Persönlichkeitsmerkmale der Güter wie z. B.:

18

Bossle, Rudolf: Überlegenheitsmanagement, S. 52ff.

3.3 Instrumentalisierung der Immaterialisierung

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

intelligent leistungsstark wertvoll attraktiv hilfreich stark angenehm jung, dynamisch bekannt berühmt

89

transformierter Geist technisch an der Spitze höchste Qualität sehr modisch großer Zusatznutzen große Sicherheit starke Faszination immer das Neueste hohe share of voice bestes Image

Die Wirtschaftswissenschaft, namentlich die Markt- und Meinungsforschung, kennt unzählige Verfahren der Zuordnung dieser Items zu den einzelnen Güterpersönlichkeiten, die in der Realität bekanntlich einen Namen haben (Markenname oder Bezeichnung) und deshalb leicht zuzuordnen sind. Wir verweisen hier auf die einschlägige Literatur. 19 Für die neue Theorie soll es genügen, festzuhalten, daß Immaterie quantitativ meßbar ist. In vergleichender Gegenüberstellung der Güterpersönlichkeiten kann also deren Immaterialisierungsgrad (IG) einzeln ermittelt und in die Gleichungen der Formeln eingesetzt werden. Die von uns gewählten zehn Items zur Bestimmung der Immaterialität volkswirtschaftlicher Güter erheben keinen Anspruch auf Vollkommenheit und können beliebig verändert oder auch ergänzt werden. Die Determinanten der Immaterialität haben zwar nicht das gleiche Gewicht, sind aber deshalb ohne Gewichtung in die Gesamtrechnung einzubringen, weil sie auf jede Güterbewertung einer Kategorie angewendet werden. Ein Gewichtungsfehler trifft damit jede Güterpersönlichkeit in gleichem Maße. Als Güter- oder Produkte kategorie gelten alle Waren, die direkt miteinander konkurrieren, also Personalcomputer mit Personalcomputer, Zahnbürsten mit Zahnbürsten, Filterzigaretten mit Filterzigaretten etc. Die Frage der Immaterialitätsbildung (Persönlichkeitsbildung), also wie es zur immateriellen Aufladung der Güter kommt, ist sowohl mikro- wie makroökonomisch von großer politischer wie strategischer Bedeutung für Unternehmen und Volkswirtschaft und wird gesondert abgehandelt. Außerdem wurde das Grundlegende in Kapitel 2 bereits dargestellt. Geist tritt an die Stelle des Geldes. Deshalb auch die Notwendigkeit der Ablösung des Preises durch Immaterie als Bestimmungsgröße für Umsatz, Marktanteil und Gewinn, die in Grad ausgedrückt wird. In diesem Zusammenhang ist in besonderer Weise auf den mit der Immaterialisierungstheorie verknüpften Wechsel vom dialektischen zum polaren 19 Anmerkung: Über Markt- und Meinungsforschung sowie Statistikmethoden gibt es zahlreiche Fachbücher. Sie anzuführen sprengt den Rahmen dieser Arbeit.

90

3. Die Immaterialisierungstheorie

Wirtschaften zu verweisen. Immaterialisierung braucht den ganzen Menschen, den produktiv tätigen schöpferischen Gestalter und den konsumtiv tätigen geltungsorientierten Verbraucher. Wesen der Instrumentalisierung der neuen Theorie ist die Möglichkeit einer Beweisführung der These, daß die Immaterialisierung tatsächlich das Wirtschaften in hochentwickelten Ökonomien bestimmt und dazu die Umsetzbarkeit der Immaterialisierungstheorie in die Wirtschaftspraxis, also Wirtschaftspolitik auf allen Ebenen, unternehmens- und staatlicherseits machbar ist. Es geht um Fakten und um die Realität. Bevor wir auf die Verifizierung der neuen Theorie kommen, soll hypothetisch dargelegt werden, wie die Grundlage aussehen wird, die aufgrund dieser Theorie zu entwickeln ist. Zunächst ist festzuhalten, daß Analysen und Rechenvorgänge wie z. B. Input-Output-Gegenüberstellung oder Wertschöpfungsermittlung in gleicher Methode vorgenommen werden können und nur inhaltlich insofern davon abweichen, als eine Unterteilung in materiellen und immateriellen Anteil vorzunehmen ist. Statt Güter nur über Menge und Preis zu registrieren, sind jetzt Güterpersönlichkeiten über Qualität und Immaterialisierungsgrad auszuweisen. Für Mengenbestimmung existiert das Gewicht, für Preisfestsetzung das Geld. Dem entspricht für Qualität die Immaterie und für den Immaterialisierungsgrad Geltung. Diese Abgrenzung ist im Tauschmarkt möglich, nicht aber in der Marktwirtschaft. Kurzum, das Geld ist nicht nur Zahlungsmittel (Preis), sondern auch Wertausdrucksmittel (Immaterialisierungsgrad). Da Geld Wert und Preis repräsentiert und Materie wie Immaterie einer Gutpersönlichkeit einschließt, ist in der Realität, also nach Kaufakten, eine Splittung des Preises nach Materie und Immaterie vozunehmen. Diese Bewertung soll bei der neuen Theorie nach dem Immaterialisierungsgrad erfolgen. Er beziffert den Aufpreis von Waren der gleichen Kategorie. Ökonomisch gesehen ist es dabei ohne Bedeutung, daß bei solcher Rechnung die absoluten Größen von Materie und Immaterie in einem Gut unberücksichtigt bleiben und lediglich der relative Wert gemessen und ausgedrückt wird. Es geht also immer um Mehr-Wert, um Mehr-Preis, im Verhältnis zum Durchschnittspreis, in dem natürlich auch sowohl Materie wie Immaterie bezahlt wird, und zwar - und das ist die These der Immaterialisierungstheorie - entspricht dieses Mehr (oder Weniger) an Wert und/oder Preis der Höhe des Immaterialisierungsgrades eines Gutes. Damit ergibt sich als weiteres Ergebnis der Immaterialisierungstheorie: 3. These Mehr- oder Minderwert bestimmen Mehr- oder Minderpreis eines Gutes und sind eine Funktion der Immaterialisierung. Oder: der Immaterialisierungsgrad bestimmt den Mehr- sowie Minderpreis eines Gutes.

91

3.3 Instrumentalisierung der Immaterialisierung

Trifft diese Feststellung zu, dann läßt sich auch mit diesen Determinanten als einer Größe an sich operieren. Sie kann isoliert vom realen Kaufakt, also von Angebot und Nachfrage, Wert und Preis, als Wert an sich ermittelt werden. Zwei Beispiele - eines aus der Mikro- und eines aus der Makroökonomie sollen die Vorgehensweise aufzeigen und darlegen, daß eine Instrumentalisierung in dieser Weise möglich ist und wie sie aussieht. Ich verweise bezüglich der Methode auf die Studie der GFK über "made in".20

Mikroökonomik: Immaterialisierungsgrad PKW-Mittelklasse nach Marken (subjektive Bewertung)21 Automarken

AU BMW FO M200 MA

NI

OP PEU TOY VW Total

Immaterialisierungsitems intelligent leistungsstark wertvoll attraktiv hilfreich stark angenehm jung, dynamisch bekannt berühmt Insgesamt

12 13 12 11 13 13 11 13

9 9 10 9 8 10 8 10 10 10

11 13 15 11 14 14 13 12 12 15

10 8 8 12 10 8 11 8 8 7

8 8 7 7 7 7 6 8 8 6

10 11 10 10 11 11 10 10 11 11

9 9 8 8 8 9 8 8 8 8

9 9 8 8 7 8 8 9 10 7

10 11 10 10 11 11 10 10 11 11

100 100 100 100 100 100 100 100 100 100

121

93

130

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72

105

83

83

105

1000

12 11 12 12 12 11 13 12 11 12

12

118

11

Den höchsten Immaterialisierungsgrad hat nach dieser Übersicht Mercedes. Er liegt 30% über dem Durchschnitt, gefolgt von BMW mit 21% und Audi mit 18%. Opel und VW liegen beide nur um 5% darüber, alle anderen darunter. Diese Immaterialisierungsgrade sind Werte, die sich analog in den Preisen für diese Marken niederschlagen müßten, sofern unsere Immaterialisierungstheorie zutrifft. Demnach könnte der Preis für Mercedes 30% über dem Durchschnitt liegen, den in etwa VW und Opel bestimmen. BMW und Audi um etwa 20% darüber, Ford und Mazda 10% darunter und 20 bis 30% die restlichen Marken. Das reale Bild entspricht in etwa dieser Darstellung. Die tatsächlichen Abweichungen der Preise nach oben und unten bei den einzelnen Marken erVgl. Bossle, Rudolf: Überlegenheitsmanagement. S. 55ff. Anmerkung: Diese und die nachfolgenden Tabellen sind zwar fiktiver Natur, aber hinsichtlich ihres Aufbaues und ihrer Items Vorlagen für Primär- oder Sekundärerhebungen. 20 21

92

3. Die Immaterialisierungstheorie

klären die höheren oder geringeren Marktanteile. Zu empfehlende Strategie: Entweder sie senken die Preise oder erhöhen den IG. In dieser mikroökonomischen Betrachtung geht es nicht um die Wiedergabe der Realität, sondern um die Veranschaulichung der Umsetzung der Immaterialisierungstheorie in der einzelwirtschaftlichen Praxis. Die Immaterialisierung ist die bestimmende Kraft, der Preis nur Wertmesser und Indikator ihrer Ausprägung. Quod erat demonstrandum. Makroökonomik: Immaterialisierungsgrad Küchenmöbel nach Volkswirtschaften (subjektive Bewertung) in den EU-Ländern EULänder

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Immaterialisierungsitems intelligent leistungsstark wertvoll attraktiv hilfreich stark angenehm jung, dynamisch bekannt berühmt Total

8 12 10 14 11 13 7 9 11 9 10 10 9

11 10 12 11 10 11 11 11 11 10 13 12 8 10 12 11 10

11 11 10 10 12

9 8 9 8 10 10 10 12 9 10 12 11 10 8

10 12 10 12 11 10 9 8 13 10 14 11 10 8 10 11 10 15 11 11 8

7

14 9

8 8 9 8 9 8

12 10 10 10 9 10 9 9 11 10 12 9 9 11 9 1110 10 10 10 1010 10 10 10 12 9 9 11 10

8 12 9 8 11 8 7 12 8

9

10 8

9 10 9 8 12 8 8 11 9

7

8 13 160

8 10 11 160 9 9 11 160 8 9 12 160 9 10 11 160 9 10 11 160 8 9 12 160 8 9 12 160 8 10 13 160 7 8 14 160

94 113 101 125 110 105 83 80 116 91 91 106 92 81 92 120 1600

Am Beispiel der Güterpersönlichkeitskategorie Küchenmöbel ist demonstriert, wie eine Analyse zur Bestimmung des Immaterialisierungsgrades aussehen könnte. Methodisch wurde so vorgegangen, daß für jedes Immaterialisierungsitem 160 Punkte vergeben wurden, im Schnitt also für jedes EU-Land 10 Punkte. Die Bewertung oszilliert um die 10 nach oben und unten. Die Addition der Punkte eines Landes ergibt für Küchenmöbel dessen Immaterialisierungsgrad im Vergleich zu anderen Staaten und den Rang innerhalb der Volkswirtschaften. In diesem fiktiven Beispiel hätten Finnland und Schweden den vergleichsweise höchsten Immaterialisierungsgrad und die besten Voraussetzungen für Wachstum. Jedes EU-Land kann nun seine Politik und Strategie auf den einzelnen Märkten (Produkt- respektive Güterpersönlichkeitsfeldern) entwickeln. Es ist nicht mehr der Preis, der über Erfolg und Mißerfolg entscheidet, sondern

3.3 Instrumentalisierung der Immaterialisierung

93

die Beschaffenheit der in den Teilmärkten miteinander konkurrierenden Güterpersönlichkeiten, deren Wert sich in Preisen ausdrückt und diese in ihrer Höhe nicht mehr von der Angebotsmenge oder den Angebotspreisen abhängig macht, sondern in erster Linie von immateriellen Werten. Diese subjektiven und deshalb fiktiven Ergebnisse sind repräsentativ, wenn der Bewertung eine entsprechende Stichprobe von urteilenden Personen zugrunde liegt. Auf die Analysemethoden habe ich bereits verwiesen. Gleichgültig für welchen Weg sich Unternehmen oder Volkswirtschaften entscheiden, für Primär- oder Sekundärerhebungen, sind der Ermittlung der Immaterialisierung weder technische (Computer) noch finanzielle (Kosten) Grenzen gesetzt. Die Aufwendungen derartiger Untersuchungen liegen unter 1% der Unternehmens umsätze oder des Bruttosozialproduktes. Außerdem betreiben die Unternehmen in ihrer Mehrheit bereits Marktforschung, und die hochentwickelten Staaten haben statistische Bundesämter, so daß praktisch keine Mehrkosten anfallen. Gerade was letztere betrifft, so geht es also mehr um eine Umstellung der Datenerfassung als um ein erweitertes Programm. Die statistischen Jahrbücher sind nicht nur von Daten überfrachtet, die weder von den Unternehmen noch von den Wirtschaftspolitikern gebraucht oder genutzt werden. Sehr viele dieser Daten sind, wie nicht anders zu erwarten, weitgehend der Wirtschaftspolitik angepaßt, die auf den alten Theorien basiert. Außerdem sind sie allesamt mehr auf Ermittlung von Daten zur Verteilung des Erwirtschafteten denn auf die Erwirtschaftung selbst ausgerichtet. Kurzum, mit diesen Daten kann Verteilungspolitik, aber keine Wertschöpfungspolitik und schon überhaupt nicht eine solche, die auf Immaterie beruht, betrieben werden. Da der Immaterialisierungsprozeß im mikroökonomischen Bereich in vollem Gang ist, ist eine Anpassung an die Wirklichkeit ohnedies höchstes Gebot, so daß die Forderungen aus der Immaterialisierungstheorie lediglich den Zustand hergestellt wissen wollen, der dem Verlangen vieler Theoretiker der Wirtschaftswissenschaften, wonach die Theorie sich nach der Realität auszurichten habe, entspricht. 22 Da wir bei der Instrumentalisierung die drei Unterscheidungen, Gutpersönlichkeit, Güterpersönlichkeitskategorie und Wertschöpfung oder BSP benötigen, fehlt noch die zusammenfassende Übersicht, in der der Immaterialisierungsgrad der Volkswirtschaft (Summe seiner Güterpersönlichkeiten) dargestellt ist. 22 Anmerkung: Obwohl es eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, daß sich die Theorie an der Praxis auszurichten hat, gibt es praktisch keinen bedeutenden Wirtschaftswissenschaftler. der nicht auf diesen Tatbestand hinweist. Der Grund ist der, daß, obwohl es alle wissen, viele dennoch dagegen verstoßen.

94

3. Die Immaterialisierungstheorie

Immaterialisierungsgrad der Summe aller immaterialisierten volkswirtschaftlichen Güter der EU-Staaten (fiktiv) EUStaaten

BLDÄ D FI

F GB GR IR

I LU NL NO ÖS PG SP SW total

Immaterialisierungsitems tot. intelligent leistungsstark wertvoll attraktiv hilfreich stark angenehm jung, dynamisch bekannt berühmt Gesamt

9 9 11 10 10 10 10 9 8 8

11

7

7

l2

15 9 13 l2 12 10 11 10 14 8 15 10 15 8 14 10 13 10 11 12 14 8 15 10

7 8 7 7 8 7

7 8 7 7 8 7

12 9 11 9 15 9 15 9 10 10 15 9

9 16 9 11 10 10 10 10

9 16 8 14 8 13

8 14

9 12 10 8 8 14 12 6 8 13 12 8

8

10

9 10 7 10 13

160

10 9 9 910 10 10 8 10 10 8 10 10 10 9 10 8 10

7 10 13 8 10 l2 7 9 11 7 9 11 7 9 13 7 9 11

160 160 160 160 160 160

7 1310 10 9 11 7 14 9 12 8 12 8 13 8 12 9 10

6 10 11 6 10 12 8 10 12

160 160 160

94 94 142 86 132 109 73 73 130 90 10388 101 70 96 119 1600

Diese fiktive, auf subjektiver Wertung basierende Übersicht zeigt, daß Deutschland in der europäischen Union den vergleichweise höchsten Immaterialisierungsgrad hat, gefolgt von Frankreich, Italien und Schweden. Nach der Immaterialisierungstheorie würde dies den Schluß zulassen, daß Deutschland auf der höchsten Entwicklungsstufe läge und Portugal auf der vergleichsweise niedrigsten von den ausgewiesenen Staaten. Oder der Entwicklungsstand Deutschlands doppelt so hoch sei als in Portugal. Ferner wäre anzunehmen, daß das Wirtschaftswachstum in Portugal, Griechenland und Irland quantitativ-qualitativer Art und in Deutschland, Frankreich, Italien und Schweden rein qualitativer Art sein müsse. Eine derartige Schlußfolgerung wäre nicht zulässig, da in allen bisherigen Darstellungen lediglich die relativen Immaterialisierungsgrade und nicht die absoluten ermittelt wurden. Diese absolute Höhe ist derjenige Anteil, den die Immaterialisierung bei einer Gutpersönlichkeit, bei einer Güterpersönlichkeitskategorie oder schließlich bei einer Volkswirtschaft erreicht hat und der in der Gegenüberstellung von Materie und Immaterie zum Ausdruck kommt. Dieses Verhältnis kann von einem Anteil 0: 100 bis 100: 0 bezüglich Materie: Immaterie liegen. Bei Produkten der Urproduktion ist der Anteil der Materie nahe 100 (Salzsäure), bei Luxusprodukten ist derjenige der Immaterie nahe 100 (Parfum).

3.3 Instrumentalisierung der Immaterialisierung

95

Diese Bewertung kann nach der gleichen analytischen Methode über eine subjektive Einschätzung einer repräsentativ ausgewählten Gruppe von Verbrauchern und/oder Fachleuten für jede der drei Größen (Güterpersönlichkeiten, Güterpersönlichkeitskategorie, Bruttosozialprodukt) vorgenommen werden. Wir beschränken uns hier auf die makroökonomische Variante. Einschätzung des Anteils der Immaterialisierung des Bruttosozialproduktes in den einzelnen Ländern der EU 1980 und 1990 (fiktives Beispiel) Anteil der Immaterialisierung in EU-Ländern Belgien Dänemark Deutschland Finnland Frankreich Großbritannien Griechenland Irland Italien Luxemburg Niederlande Norwegen Österreich Portugal Spanien Schweden

1980

1990

52 53 60 51 56 55 45 45 58 52 53 51 52 43 50 60

54 55 65 53 60 58 48 49 61 55 57 56 57 45 54 62

Die Tatsache, daß der Immaterialisierungsanteil aller Güter in allen EULändern nahe an und weit über 50 liegt, ist auf den Anstieg der Dienstleistung bei der Wertschöpfung zurückzuführen, also auf den Zuwachs der weitgehend immateriellen Güterpersönlichkeiten. Der hohe Anteil der Immaterie aller Güter in Deutschland, Frankreich, Italien und Schweden geht indessen auf die Immaterialisierung der Güter des produzierenden Gewerbes zurück. Deshalb ist es notwendig, zur Beurteilung der wirklichen Lage und wegen der Nutzanwendung diesen Anteil zu kennen, was nur über die Einstufung der einzelnen Güterpersönlichkeiten möglich ist. Die Bestimmung der Immaterialisierung in der neuen Theorie macht methodisch keine Schwierigkeiten und ist kostenmäßig zu verkraften. Die z. Z. in Deutschland vieldiskutierte Standortfrage ist nach der Immaterialisierungstheorie keine der Kosten oder Preise, sondern des Grades der Immaterialisierung der deutschen Volkswirtschaft gegenüber ihren Mitbewerbern und deren Güterpersönlichkeiten, mit denen sie im Wettbewerb steht. Es ist zwar die Innovationskraft, aber nicht die, wie sie einseitig als technischer

96

3. Die Immaterialisierungstheorie

Fortschritt verstanden wird, sondern die Gestaltungskraft, die Immaterie schafft, also die immaterielle Wertschöpfung, die konkret vermarktet wird. Deshalb ist es so wichtig, diese Immaterie aus der Anonymität zu holen und sie zu instrumentalisieren. Daß sie vorhanden ist, haben wir versucht nachzuweisen. Im nächsten Abschnitt werde ich aus vorhandenem Material den Nachweis ihrer Existenz und ihres wirtschaftlichen Umfangs verifizieren.

Fassen wir zusammen:

1. Instrumentalisierung der Immaterialisierungstheorie bedeutet die Erfassung und Bewertung dessen, was an einem Gut das "Geistige", Nicht-Faßbare, die "Seele", also Immaterie ist. 2. Um mit Immaterie wirtschaftlich umzugehen und sie in der Unternehmens- wie Wirtschaftspolitik umzusetzen, muß sie in ihrer Bedeutung sichtbar gemacht werden. 3. Die Methoden hierzu bieten Marktforschung und Statistik mittels Primärund Sekundärerhebungen. 4. Es gibt grundsätzlich drei "Körper", in denen Immateriebewertungen sinnvoll erscheinen: Güterpersönlichkeiten, Güterpersönlichkeitskategorien und das Bruttosozialprodukt als Ganzes. Dazu gehören die Mikround die Makroökonomie. 5. Die Instrumentalisierung dient in erster Linie dazu, das Vorhandensein und die Bedeutung der Immaterialisierung für hochentwickelte Ökonomien zu belegen, gleichzeitig ihre Umsetzung politisch und strategisch zu ermöglichen. Die Anonymität der Immaterie, die durch die konkret sichtbare, erlebbare Materie verstellt ist, soll mit der Immaterialisierungstheorie aufgehoben werden. 6. Es sind grundsätzlich zwei Meßgrößen der Immaterialisierung zu unterscheiden, die relative, vergleichende, die für den mikro- wie makroökonomischen Wettbewerb anzuwenden ist und die absolute, mit der Wachstum und Wohlergehen von Unternehmen wie Staat auszuloten und zu beeinflussen sind. 7. Die 10 Kriterien zur Ermittlung der Immaterialisierung sind Persönlichkeitsmerkmale der Güter. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollkommenheit, sollten aber ausreichen, das Phänomen Immaterie weithin zu bestimmen. 8. Die Immaterie nimmt in hochentwickelten Märkten die Stelle des Preises ein. Nicht dieser Preis aus Angebot und Nachfrage bestimmen Umsatz, Marktanteile und Gewinn, sondern der Grad der Immaterialisierung der Güter, die im Wettbewerb einander gegenüberstehen. Und Wachstum ist keine Kosten-, sondern eine Immaterialisierungsfrage.

3.4 Verifizierung

97

9. Die Standortfrage hochentwickelter Ökonomien ist nicht in erster Linie eine solche der Kosten oder Angebotspreise, sondern der Wettbewerbsüberlegenheit, die durch den Immaterialisierungsgrad der Güterpersönlichkeiten und der Volkswirtschaft als Ganzes bestimmt wird. 10. Geist (Immaterie ) ersetzt zwar Geld (Materie), doch behält letzteres seine Mediumfunktion als Zahlungs- und Wertausdrucksmittel, verliert aber seine Funktion als Regulativ von Angebot und Nachfrage. Nicht das Quantum (Überfluß oder Knappheit) bestimmen Umsatz und Wachstum, sondern Mehr- oder Minderwert oder der Immaterialisierungsgrad.

3.4 Verifizierung

Obwohl alle verfügbaren sekundärstatistischen Daten materieorientiert sind, läßt sich die These der Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter dennoch mit Hilfe der Entwicklung der Wertschöpfung und der Erwerbstätigkeit in den einzelnen Wirtschaftsbereichen tendenziell nachweisen. Leider ist nur eine Branchenübersicht verfügbar. Aufschlußreicher wären wettbewerbsbezogene Güterpersönlichkeitskategorien, noch besser natürlich die Güterpersönlichkeiten selbst. Dennoch ist die Interdependenz zwischen Wachstum und Erwerbstätigkeit einerseits und Immaterialisierung andererseits an den Zahlen der Statistik abzulesen. In dieser globalen Gegenüberstellung der Bruttowertschöpfung von 1980 und 1990 zeigt sich, daß innerhalb von 10 Jahren ohne Exportzuwachs der Primärbereich um nur 6,2 Mrd. gestiegen ist. Der Rückgang von 2,2% auf 1,6% indiziert ein unterdurchschnittliches Wachstum. Es ist anzunehmen, daß diese Entwicklung in enger Korrelation mit dem Immaterialisierungsprozeß vonstatten ging. Einmal indem die Güter des Primärsektors schwieriger zu immaterialisieren sind, zum anderen indem eine Immaterialisierung dennoch stattgefunden haben muß, da die Bevölkerung in diesem Zeitabschnitt nahezu stagnierte und eine Zunahme des Mengenvolumens auszuschließen ist. Am Export kann es auch nicht liegen, da dieser für diese Periode und diesen Sektor rückläufig war. Positiv ausgedrückt heißt dies, daß ein Zuwachs der Wertschöpfung von immerhin über 6 Mrd. DM weitgehend der Immaterialisierung zu verdanken ist, wobei die Geldentwertung berücksichtigt werden muß.

7 Bossle

3. Die Immaterialisierungstheorie

98

Bruttowertschöpfung der Bundesrepublik Deutschland (ohne DDR) in Milliarden zu jeweiligen Preisen23 1980

Jahre

1990 %

abs.

Primärbereich: Urproduktion, Landwirtschaft und Forsten

30,52

2,2

36,74

1,6

Sekundärbereich: produzierendes und verarbeitendes Gewerbe

624,78

44,0

939,40

40,0

Tertiärbereich: Handel, Verkehr und Dienstleistungsunternehmen

556,93

39,2

1054,69

45,0

1212,23

85,4

2030,83

86,6

172,39

12,4

253,20

10,8

31,31

2,2

58,30

2,6

1415,93

100,0

2342,33

100,0

Unternehmen insgesamt Staat Private Haushalte, private Organisationen Alle Wirtschaftsbereiche (unbereinigt)

abs.

%

Bereiche

Im Sekundärbereich registrieren wir ein Wachstum von etwa 315 Mrd. DM, was einer Steigerung um 50% entspricht. Gemessen an einer stagnierenden Bevölkerung und unter Berücksichtigung des Export/Importergebnisses manifestiert sich hinter dieser Wachstums höhe die ansteigende Immaterialisierung der Wirtschaftsgüter. Der beste Beweis für steigende Immaterialisierung in Deutschland ist der Anstieg des BSPs im Tertiärbereich um ca. 90%. Insgesamt sind also 45% der Wertschöpfung bereits immaterieller Art. Doch dies trifft, wie bereits öfter betont, nicht den wahren Umfang der Wirkung, die von der Immaterie auf die Wirtschafts entwicklung und deren Prosperität ausgeht. Diese drückt sich eben nicht nur in der Wertsteigerung der Güter aus, sondern auch in der Bedürfnisbefriedigung immaterieller Natur. So werden beispielsweise nicht nur deshalb Autos gekauft, weil sie der Fortbewegung dienen, sondern einfach nur, weil sie das Geltungsbedürfnis befriedigen. Das Auto ist ein Statussymbol. Ein kluger Rechner kann hier leicht ermitteln, daß Anschaffung und Unterhaltung eines PKW weit teuerer kommen als das Benutzen eines Taxis in Verbindung mit extrem schnellen 23

Statistisches Bundesamt, Fachserie, 18. Reihe 1. 3. 1993.

3.4 Verifizierung

99

Beförderungsmitteln, wie Bundesbahn oder Flugzeugen. Das heißt, daß selbst Mengensteigerungen auf die Befriedigung rein immaterieller Bedürfnisse zurückzuführen sind und nicht nur die Vermarktung von immateriellen Güterbestandteilen die ungeheure Bedeutung des Immateriellen ausmacht. Ob eine Wohnung jedes Jahr oder alle 5, 10 oder 20 Jahre renoviert wird, ist keine Frage des materiellen, sondern einzig des immateriellen Nutzens (Mode). Demnach ist Wachstum, wie es hier ausgewiesen ist, wahrscheinlich zu 90% immaterieller Natur. Diese Aussage eines nahezu hundertprozentigen qualitativen Wachstums in Deutschland in den vergangenen Jahren - mindestens bis zur Wiedervereinigung - wird auch dadurch gestützt, daß Investitions- und Ausrüstungsgüter nahezu ausschließlich durch Implantierung von Geist (technischer Fortschritt) wachsen können. Die "Blue-print-Politik" hochentwickelter Volkswirtschaften ist hierfür ein offensichtlicher Beweis. Eine Branchenübersicht läßt ebenfalls Schlüsse in begrenztem Umfang über den Immaterialisierungsprozeß zu, obwohl sich in einer solchen Ordnungsgröße zeigt, wie weit entfernt die Statistik von der Realität ist. Die Auswahlkriterien für statistische Erfassung sind an Rohstoffen und Verrichtungen ausgerichtet und zu wenig an der Nutzung. Für praktische Wirtschaftspolitik, auf mikro- wie makroökonomischer Ebene, wird wenig mit solchen Globalzahlen über "Straßenfahrzeugbau, Reparaturen von Kraftfahrzeugen usw." oder "Großhandel, Handelsvermittlung" einerseits und "EinzelhandeI" andererseits anzufangen sein. Dennoch zeigt sich beispielsweise im Vergleich der Positionen Bauhauptgewerbe und Ausbaugewerbe der Einfluß der Immaterialisierung in sehr anschaulicher Weise. Der gesamte Wertschöpfungszuwachs des Baugewerbes kommt hier von Immaterie. Das Ausbaugewerbe legte innerhalb von 10 Jahren um rd. 10 Mrd. DM zu, während das Bauhauptgewerbe in der gleichen Zeit stagnierte. Und erneut und immer wieder sind es weder Versorgung noch Problemlösungen, sondern Faszinationen, die vermarktet werden. Die Erhöhung der Wertschöpfung bei "Luft und Raumfahrt" um 50% und bei "Tourismus" um 100% innerhalb von 10 Jahren unterstreicht diese Vermarktung von Immateriellem. Die Revisionsbedürftigkeit der Wertschöpfungsrechnung ist allein aus dem Tatbestand abzuleiten, daß das bedeutendste Item oder Gliederungsmerkmal "sonstige Dienstleistung" lautet. Und ausgerechnet dieser Zweig ist von 182 Mrd. DM auf 419 Mrd. DM Wertschöpfung gestiegen und hat 1990 einen Anteil von ca. 18% am Total. Der Staat ist an der Wertschöpfung mit unterdurchschnittiichem Zuwachs bei immer schon niedrigem Niveau beteiligt. Sie stieg zwar von 172 Mrd. DM auf 253 Mrd. DM, ging aber von 12,4% auf 10,8% zurück. Diese Entwicklung legt die Vermutung nahe, daß Immaterialisierung hier eine geringe Rolle spielt, was dadurch erhärtet wird, daß es um Versorgung und Problemlösun7*

100

3. Die Immaterialisierungstheorie

gen und nicht um Faszination geht. Ein Vergleich mit der Zahl der vom Staat Beschäftigten unterstreicht, daß hier wenig Immaterie vermarktet wird. Entsprechend niedrig ist auch die Produktivität in diesem Bereich. Der Immaterialisierungsprozeß ist nicht nur über die qualitative Wertschöpfung, sondern auch über die Veränderung der Erwerbstätigkeit zu belegen. Zahl der Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland (ohne DDR) in Millionen nach Wirtschaftsbereichen in den Jahren 1980 und 199014 Jahre Bereiche Primärbereich: Urproduktion, Landwirtschaft und Forsten

1980 abs.

1990 rel.

abs.

rel.

1403

5,2

995

3,5

11721

43,5

11318

39,7

Tertiärbereich: Handel, Verkehr und Dienstleistungsunternehmen

9002

33,3

10607

37,0

Staat

3929

14,6

4305

15,3

Sekundärbereich: produzierendes und verarbeitendes Gewerbe

Private Haushalte, private Organisationen Total

925

3,4

1262

4,5

26980

100,0

28487

100,0

Der Immaterialisierungsprozeß hat in einer hochentwickelten Ökonomie wie der der Bundesrepublik Deutschland zwar zu einer Verlagerung, aber im Endergebnis zu einer Mehrbeschäftigung von 1,5 Millionen Erwerbstätigen geführt, was der neuen Theorie voll entspricht. Nun muß allerdings darauf verwiesen werden, daß die Hälfte dieser neuen Arbeitsplätze zwar weitestgehend solche sind, die Immaterie "produzieren", aber vom Staat kommen und deshalb unproduktiv sind. Dennoch ist dies für die Immaterialisierungstheorie nicht von Bedeutung, da es lediglich um die Führung des Nachweises geht, daß Immaterie in engstem Kontext mit der zentralsten Aufgabe oder Zielvorgabe der Volkswirtschaft steht, nämlich der Beschäftigung. Im tertiären Bereich, in dem die Immaterie im Mittelpunkt der Beschäftigung steht, ist innerhalb von 10 Jahren ein Anstieg von rund 1,6 Mill. Er2-4

Statistisches Bundesamt, Fachserie, 18. Reihe 1. 3. 1993.

3.4 Verifizierung

101

werbstätigen zu registrieren, die im Primär- und Sekundärbereich teilweise verlorengehen. Es bleibt dennoch ein positiver Überschuß, der mit den zusätzlich geschaffenen Stellen des Staates den Zuwachs von rund 1,5 Millionen mehr Erwerbstätigen in der Gesamtheit ergibt. Die Transformation von Geist auf Güter, was wir mit Animisierung der Güter bezeichnen, hat im produktiven Bereich der Wirtschaft enorme Auswirkungen ausgelöst. Diese Immaterialisierung führte zu höherer Produktivität und ermöglichte kürzere menschliche Arbeitszeiten. Die Immaterialisierung der Investitionsgüter im weitesten Sinn und die Erweiterung der immateriellen Güter schlechthin (Methoden, Systeme) hat die Menschen erstmals in die Lage versetzt, das zu tun, was ihrer Natur oder Wesensgleichheit des Schöpfers entspricht. Sie haben sich weitgehend frei gemacht von schwerer körperlicher Arbeit und vermögen sowohl handwerklich wie geistig ihre Begabung in den Dienst des Wirtschaftens zu stellen. Das ist die wahre Freiheit des Menschen und der Beginn einer völlig anderen Wirtschaftsform. Die Immaterialisierung hat den Menschen tatsächlich, und nicht wie das früher immer beschworen wurde, aber nicht zutraf, in den Mittelpunkt des Wirtschaftens gestellt. Der Satz, daß nicht Geld, sondern Geist das Wirtschaften hochentwickelter Ökonomien bestimmt, kann nicht häufig genug wiederholt werden. Die vorliegende Statistik der Erwerbstätigen in Deutschland erlaubt nur Tendenzen zur Immaterialisierung aufzuzeigen. Wie hoch die Beschäftigung mit der Immaterie als Wirtschafts güter oder Anteile derselben tatsächlich ist, bleibt Studien vorbehalten, die die Tätigkeit der Menschen in der Wirtschaft nach Materie und Immaterie erfassen. Sicher ist, daß viele Dienstleistungen an und mit Gütern betrieben werden, wie z. B. Marktforschung oder Design oder Kommunikation oder Beratung. Diese Art von Derivativen zeigt sich etwa beim Fernsehen, wo das gesamte private und Teile des öffentlichen Fernsehens über die Kommunikation, die für Produktpersönlichkeiten (Werbung, Sponsoring) aufgewendet wird, finanziert werden und somit alle diese Arbeitsplätze der Immaterialisierung der Güter zu verdanken sind. Fassen wir zusammen:

1. Die Bedeutung der Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter läßt sich selbst mit dem unvollkommenen statistischen Material der Bruttowertschöpfung und Erwerbstätige in Deutschland nachweisen. 2. Im Primärbereich lag die Bruttowertschöpfung zwischen 1980 und 1990 unter dem Durchschnitt, was auf die Grenzen der Immaterialisierung der Güter dieses Bereiches der Urproduktion hindeutet. 3. Im Sekundärbereich hingegen ist die Wertschöpfung insgesamt, vor allem aber deren Zuwachs, nahezu ausschließlich qualitativer Art, also auf Im-

102

4.

5.

6.

7.

3. Die Immaterialisierungstheorie

materie basierend. Hier wird nicht mehr nur Materie, sondern in immer größerem Umfang Immaterie vermarktet. Die Statistik ist nach Branchen gegliedert, so daß die ausgewiesenen Daten keinen Schluß zulassen über Mengen- und Wertentwicklungen, wonach der Immaterialisierungsverlauf zu bestimmen wäre. Es gibt jedoch Anhaltspunkte (Bauhauptgewerbe/Ausbaugewerbe ), die qualitatives Wachstum vermuten lassen. Unter dem Aspekt wirtschaftlicher Nutzung derartiger Statistiken für mikro- wie makroökonomische Wirtschaftspolitik wäre es sinnvoll, wenn sie an die Realität angepaßt würden. Beweis für diese Feststellung ist das Item "sonstige Dienstleistungen", auf das fast 20% der Wertschöpfung entfällt und das zugleich auf die stürmischste Entwicklung des Immaterialisierungsprozesses schließen läßt. Die durch die Immaterialisierung herbeigeführte höhere Entwicklung der Wirtschaft zeigt sich nicht nur an Konsumgütern, sondern ebenso an Investitions- und Ausrüstungsgütern, wo die Transformation von Geist sowohl die Arbeit erleichtert als auch die Arbeitszeit reduziert hat. Zum ersten Mal in der Geschichte beherrscht nicht die Arbeit den Menschen, sondern der Mensch die Arbeit. Er ist jetzt wirklich der Mittelpunkt des Wirtschaftens, was er zuvor nie war. Immaterialisierung führt zu Wertschöpfung, die letztendlich mehr Arbeitsplätze schafft. Sie ist das Bewegende (Seele) und einziger Garant für Wachstum und Wohlstand in hochentwickelten Märkten. Deshalb muß die Immaterialisierung im Zentrum der Wirtschaftspolitik stehen. Ihre Verifizierung erklärt den Paradigmawechsel und die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie.

4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie 4.1 Ordnungspolitik Das Prinzip der freien sozialen Marktwirtschaft hat sich als der vergleichsweise beste Ordnungsrahmen für die Wirtschaftspolitik hochentwickelter Ökonomien erwiesen. Da beim Übergang von den Agrar- in die Industriegesellschaften zu starke Eingriffe in die Natur gemacht wurden, die zu großen Umweltschäden führten, sind ökologische Belange in ökonomische Planungen und Maßnahmen mit einzubeziehen. Ökologie muß also Berücksichtigung finden, darf jedoch nicht oberstes Ziel der Volkswirtschaftspolitik werden. Die Aufnahme des "Sozialen" als dominante Rahmengröße des Wirtschaftens stellt die freie Marktwirtschaft vor nahezu unlösbare Probleme und behindert die freie Entfaltung des Immaterialisierungsprozesses. Eine gleich hohe Belastung durch die Ökologie ist nicht zu verkraften. Die Lösung der sozialen Frage, gleiches gilt auch für die ökologische, erfolgt in der Wirklichkeit nicht über die Ordnungspolitik, sondern über die Art und Weise des Wirtschaftens selbst. Es geht um Inhalte und Prozeßabläufe. Kern derselben bilden die schöpferische Gestaltung und schöpferische Verwendung von Güterpersönlichkeiten. In dem Ausmaß, in dem es einer Volkswirtschaft gelingt, Immaterie zu vermarkten, verringert sie sozialen Notstand und ökologische Belastungen. Die Transformation von Geist oder Beseelung von toter Materie ist nur durch Individuen möglich, weshalb sich eine wirtschaftspolitische Ordnung logischerweise auch nur auf diese stützen kann. Daß jeder einzelne Mensch bei seinem ökonomischen Handeln in einer rahmengegebenen Ordnung ethisch agiert, ist eine Frage der Wirtschaftsphilosophie als Ganzes. Immaterialisierung setzt Privateigentum in der aristotelisch-philosophischen Rechtfertigung desselben voraus, nämlich: 1. Diligentia quam in suis, d. h. der Mensch wendet mehr Sorgfalt für das auf, was ihm gehört. 2. Selbstinteresse. "Jemand, der kein Eigentum erwerben kann, kann kein anderes Interesse haben, als soviel wie möglich zu essen und sowenig wie möglich zu arbeiten" (Adam Smith)l. 1 Reckten wald, Horst Claus: Die ökonomische Wissenschaft - auch Kritisches zu ihrem Verständnis, S. 46.

104

4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

3. Das Gemeinwesen bleibt besser in Takt. 4. Bewertung der Güter in Form der Opportunitätskosten ist ohne privates Eigentum nicht möglich. 5. Eigentum erzieht zur persönlichen Entfaltung und Selbstverantwortung. 6. Volkseigentum verursacht hohen Verwaltungsaufwand. "Der einzelne maximiert seine Wohlfahrt, die interpersonal nicht vergleichbar ist und fördert damit ohne Absicht am besten das Bonum communeo ... Das System (Kollektiv) erzeugt ein Anspruchsdenken, das die natürliche Ethik geradezu auf den Kopf stellt, indem es egoistisches ,Trittbrettfahren' ganzer Gruppen demonstrativ fördert."z So wie schöpferisches Gestalten als individueller Akt, ob in Einzel- oder Gemeinschaftsverrichtung, seine Wurzeln im Privateigentum hat und jedem Beteiligten seinen angemessenen Anteil zukommen lassen muß, so hat die Ordnungspolitik auch Rücksicht auf die schöpferische Nutzung der Güterpersönlichkeiten zu nehmen. Das Geltungsbedürfnis in seiner positiven Ausprägung ist dem Eigentum als Wirtschaftsgröße gleichzusetzen. Dies entbindet kein Individuum, sich an einem Höchstwert und von ihm abgeleiteten Normen zu orientieren, Normen, zu denen sicher als eine der wichtigsten die Gerechtigkeit gehört. Die Immaterialisierungstheorie postuliert eine Ordnungspolitik, die das Individuum wirklich in den Mittelpunkt stellt und nicht das Geld, aber auch nicht das Kollektiv, was eine klare Absage an den Kapitalismus wie an den Sozialismus bedeutet. Ein Marktautomatismus, der nicht Preise, sondern Werte zum Maßstab hat, der den Immaterialisierungsgrad der Güter wichtiger für die Vermarktung ansieht als Preise und diesen deshalb an deren Stelle setzt, weil nicht er, sondern das Geltungsbedürfnis und andere immaterielle Strebungen zu Umsatz führen, muß seinem Wesen nach polar gestaltet werden. So fordert ein an sich gleiches System "freie Marktwirtschaft" eine andere Art des Zusammenspiels der Kräfte - statt Konfrontation (dialektisch) Kooperation (polar) und die Gewichtung derselben. Obwohl die Wirtschaftsordnung und mit ihr die Ordnungspolitik im Grundgesetz nicht expressis verbis festgelegt ist, muß sie dennoch inhaltskonform mit ihm sein, was in der Realität denn auch zutrifft. Interessanterweise haben die Väter des Grundgesetzes nicht nur eine gute Basis für die neue Demokratie Deutschland geschaffen, sondern auch, wahrscheinlich unbeabsichtigt, die Grundvoraussetzung für den Immaterialisierungsprozeß und somit für die Immaterialisierungstheorie gelegt, indem sie die "freie Ent2

Reckrenwald. Horst Claus: Die ökonomische Wissenschaft - auch Kritisches zu ihrem Ver-

ständnis, S. 52.

4.10rdnungspolitik

105

faltung der Persönlichkeit" zum Grundrecht machten. Ohne dieses Recht wäre individuelles Einbringen in den Wirtschaftsprozeß, schöpferisches Gestalten und auch privates Wirtschaften der Menschen nicht möglich. Die Ordnungspolitik hat die Aufgabe, ein möglichst reibungsloses, effizientes Wirtschaften sicherzustellen, Krisen zu vermeiden und Wachstum und Wohlstand zu ermöglichen, in der Vergangenheit nicht voll erfüllt. Die Praxis zeigt, daß die auf den alten Theorien basierende Wirtschaftspolitik diese Ziele nur unvollkommen erreichen konnte. Die These, daß Vollbeschäftigung, niedrige Inflationsrate, Wachstum und außerwirtschaftliches Gleichgewicht eine gesunde, stabile Wirtschaft garantieren, ist zwar zutreffend, doch die Instrumentarien, mit denen diese Ziele verfolgt werden, versagten, weil sie realitätsfern waren. Nach der Immaterialisierungstheorie wird das Wachstum in hochentwickelten Volkswirtschaften von der Immaterie und nicht von der Materie bestimmt. Das bedeutet, daß Geld und/oder Kapital hinter Geist und/oder Innovationskraft zurücktreten müssen. Vollbeschäftigung, Preisniveau und außerwirtschaftliches Gleichgewicht sind bewirkte und nicht wirkende Faktoren des Wachstums. So macht es in der Tat wenig Sinn, Aufgaben vorzugeben, die offenbar unerfüllbar sind, weil ihnen die innere Logik zur Verwirklichung fehlt. Mathematisch ausgedrückt sind Voraussetzung und Behauptung widerlegt, wenn sie nicht bewiesen werden können oder tatsächlich widerlegt werden, wie die Stagflation es plötzlich zeigte und die Keynesianer auf den Boden der Wirklichkeit zurückbrachte. Das hat namhafte Wirtschaftswissenschaftler zur Erkenntnis und resignierenden Feststellung gebracht, daß es offenbar keine Theorie gibt, die der Wirtschaftspolitik wirklich dienlich ist, weshalb man aufhören sollte, den Praktikern Empfehlungen zu geben. 3 Zu Recht wird dabei immer wieder darauf verwiesen, daß eine Theorie, die an der Realität vorbeigehe, keinerlei Sinn mache. Richtig interpretiert heißt die Empfehlung der Besten ihres Faches, eine Theorie zu finden, die die Wirklichkeit reflektiert, aus ihr heraus entwickelt ist. Die Immaterialisierungstheorie bietet diesen völlig neuen Ansatz in der These, daß die Geldsteuerung als Mittel, die Stabilitätsziele zu erreichen, durch die Geiststeuerung abgelöst werden muß. Es ist ein unspektakuläres Faktum, daß es Unternehmen praktisch gut geht, wenn sie mehr Umsatz machen als in den jeweiligen Vorperioden. Dabei ist natürlich ganz selbstverständlich ökonomisches Handeln zu unterstellen, denn kein Kaufmann arbeitet, ebensowenig wie Beschäftigte, ohne Einkommen, d. h. Gewinn, auch 3 Friedman, Milton: Inflation und Arbeitslosigkeit, S. 521, zitiert diesbezüglich Du Pont, Pierre S.: "Wir sollten dort keine Gnade walten lassen, wo die Logik inkonsistent und die Beweisführung absurd ist."

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

wenn er als Unternehmer vorübergehend einmal Verlust in Kauf nimmt. Ebenso ist es mit Volkswirtschaften. Sie sind dann gesund und nicht in der Krise, wenn sie wachsen. Doch auch hier muß eine ökonomische Haushaltspolitik, wie sie jeder private Haushalt kennt, nämlich, nicht mehr auszugeben als eingenommen wird, beachtet werden. Das gilt auch für eine Verschuldung. Sie sollte befristet sein. Und damit zurück zur Kernfrage: Wer oder was bringt dem Unternehmen mehr Umsatz und der Volkswirtschaft Wachstum? Antwort: die Vermarktung von Immaterie; also, so der Beweis, kann nur das verursachend sein, was Immaterie schafft, und das ist der Geist. Was, so stellt sich nun die Frage, ist ordnungspolitisch zu ändern, um den genannten Paradigmawechsel zu vollziehen, um von Materie-orientierter GeldlKredit-Politik zu Immaterie-orientierter GeistiInnovationspolitik umschalten zu können? Zunächst muß klargestellt werden, daß die normative Grundordnung des Wirtschaftens mit Angebot, Nachfrage, Gütern, Wettbewerb auf nationaler und internationaler Ebene der Arbeitsmarkt mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie Staat und privaten Unternehmen bleibt. Zu ändern sind Gewichtung und Zuordnung der Determinanten, die das Wirtschaften ausmachen. Der Wechsel von Geld auf Geist erfordert ordnungspolitisch: 1. Veränderung rechtlicher Rahmenbedingungen Ordnung beruht auf Grundregeln, denen Gesetze und Verordnungen zugrunde liegen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch sind die wirtschaftlichen Spielregeln festgelegt, mit allen Rechten und Pflichten für die Individuen. Obwohl das BGB erst etwa 100 Jahre alt ist, reicht es dennoch mit seinen Wurzeln bis ins römische Recht hinein und hat, wie sein wichtigster Paragraph 1 ausdrückt, mit der Verpflichtung auf Treue und Glauben ethische Verankerung. Es geht im Ordnung schaffenden Recht darum, das Verhältnis zwischen Menschen sowie zwischen Menschen und Dingen zu regeln. Eigentum genießt dabei einen hohen Schutz. Diese Rahmenbedingungen, ebenso wie die im Grundgesetz, behalten bei der Immaterialisierungstheorie nicht nur volle Gültigkeit, sondern verlangen konsequente Anwendung. Das spezielle Wirtschaftsrecht (Handelsrecht, Wettbewerbsrecht, Kartellrecht, Steuerrecht) ist dem Immaterialisierungsprozeß anzupassen. Entsprechend der herrschenden alten Theorien ist das Wettbewerbsrecht angebots- und nachfrageorientiert, also auf die handelnden Parteien ausgerichtet und trägt dem Umstand der Animisierung der Güter zu wenig Rechnung. Es gibt zwar einen "Persönlichkeitsschutz" der Güter, namentlich der Marken, doch die Markenpiraterie belegt, daß der Schutz offenbar unzurei-

4.1 Ordnungspolitik

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chend ist. Der geistige Diebstahl muß nach der Immaterialisierungstheorie den Nerv des Wirtschaftens eines hochentwickelten Staates treffen. Daß dem so ist, zeigt u. a. der gerade beigelegte Streit im Frühjahr 1995 zwischen Amerika und China um die Markenrechte. 4 Der hohe Stellenwert der Persönlichkeit der Güter dokumentiert sich allein schon aus der Tatsache, daß die Verhandlungen auf höchster Ebene geführt und mit einem Staatsakt beendet wurden. Dabei muß vermerkt werden, daß es hierbei in erster Linie um Know-how und damit in Verbindung stehende Transformation von Geist in Güter hinsichtlich technischer Nutzung ging (Patentmißbrauch) und erst in zweiter Linie um das, was hier als die Beseelung der Güter bezeichnet wird, um Diebstahl von Image, das über Design, Ausstattung und Kommunikation über Jahre gebildet wurde. Um die Bedeutung dieser immateriellen Werte Image oder Goodwill, sofern es um Veräußerung von Unternehmen geht, handelt es sich, sie bedürfen eines höheren Schutzes, zumal, das zeigen Bewertungen bei Kaufsituationen, diese immateriellen Werte oft allein den Marktwert und Kaufpreis der Objekte bestimmen. Eine vormals "tote Materie", die Ware ohne Seele, erfordert andere rechtliche Rahmenbedingungen als quasi lebendige Güterpersönlichkeiten. Das beginnt schon damit, daß Materielles leichter zu schützen ist als Immaterielles. Die Möglichkeit der Manipulation ist größer. Warum, so die Frage, soll geistiges Eigentum besser geschützt werden? Ganz davon abgesehen, daß es ein ureigenes Persönlichkeitsrecht ist, hat es und darauf kommt es in einer ökonomischen Betrachtung in erster Linie an wirtschaftliche Folgen. a. Führt Erosion eines Images zu Umsatzeinbußen, also weniger Wachstum für ein Einzelunternehmen und weniger Wachstum der Volkswirtschaft insgesamt, die bekanntlich die Summe ihrer Teile ist, und b. sind Imitationen auf quantitatives Wachstum ausgerichtete Aktivitäten, die hochentwickelte Ökonomien in die Stagnation führen, weil ein hoher Anteil produktiver Kräfte der Innovation verlorengehen. Es kommt hinzu, daß Arbeitsplätze in den hochentwickelten Ländern, die die Eigentümer dieses geistigen Potentials sind, verlorengehen, weil weniger entwickelte Länder diese widerrechtlich nutzen (Streit USA/China). Die Verfechter der Entwicklungshilfe werden diese Analyse der realen ökonomischen Verhältnisse sicher mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen und - ihrer Ideologie entsprechend - diese Art von Transformation von Geistigem begrüßen, insbesondere auch deshalb, weil die gewünschte und geforderte Transformation von Geld nicht erfüllt wird. • Anmerkung: Die Bedeutung der Verhandlungen geht allein schon daraus hervor, daß in den Nachrichten aller Medien wiederholt darüber berichtet wurde.

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

Im übrigen ist es erschreckend, mit welch einer Naivität Wachstum immer noch in einer materiellen Befangenheit diskutiert wird, obwohl die Wirklichkeit, wie wir selbst mit unvollständigen Statistiken belegten, dieses in hochentwickelten Ländern nur in qualitativer Form und damit als ein solches von Immaterie ausweist. 5 Die Problematik der Rechtssituation liegt in dem Phänomen der Immaterie selbst begründet. Sie ist zwar eindeutig nachzuweisen (Marktforschung), aber sie steht im Widerspruch zu dem Wesen der Wirtschaft an sich, die gegenständlich erlebt wird. In dieser Rationalität geht das Produkt/Gut inclusive Immaterie in seiner Ganzheit oder als Teil von Investitions- und Konsumgütern (Güterpersönlichkeiten ) verloren. Obwohl statistisch verifiziert, wird Immaterie weder legislativ noch exekutiv (Rechtsprechung) so ernst genommen, wie es ihr als alles bewegende Kraft der Wirtschaft hochentwickelter Ökonomien zusteht. Mit dem Paradigmawechsel wird sich dieser Zustand automatisch verändern. Die neue Theorie führt zur Forderung einer Wettbewerbsordnung, in deren Rahmenbedingungen die Vermarktung von Immaterie besser als zur Zeit vollziehbar ist. Das Kartellrecht befaßt sich ausschließlich mit Kapital. Es geht um Beherrschung, um Marktrnacht, unter der Größe (Umsatz, Marktanteile etc.) verstanden wird, die einen fairen Preiswettbewerb nicht mehr gewährleistet. Das ist gut und richtig, weil es die Voraussetzung dafür ist, daß Immaterie überhaupt noch eine Chance hat von Klein- und Mittelbetrieben, oft als einzige Waffe, eingesetzt werden zu können. Es ist selbstverständlich, daß eine Wirtschaft, deren Schicksal mehr vom Geist als vom Geld abhängt, einer Kartellordnung, die nur Geld als Kriterium für Marktbeherrschung zugrunde legt und der Realität nicht gerecht wird, geändert werden muß. Das Zusammenkaufen von "Brain" führt in hochentwickelten Volkswirtschaften zu größerer Machtkonzentration und Marktbeherrschung als eine Kapitalansammlung. Indizien des Mißbrauches sind reichlich vorhanden. So werden Unternehmen nur gekauft, um in den Besitz von Know-how (Patente) oder Markenrechten zu kommen. Das Materielle wird oft stillgelegt. Die meisten Synergieeffekte lassen sich auf diese Art und Weise gewinnbringend realisieren. Die Konzentration von "Geist" ist für hochentwickelte Ökonomien weitaus gefährlicher als die von "Geld", wobei beide Begriffe weiter zu fassen sind und namentlich unter Geist alle menschlichen Eigenschaften, die Immaterie schaffen, besondere Talente, Intuition etc. zu verstehen sind.

, Anmerkung: In der Diskussion um den .. Standort Bundesrepublik Deutschland" wird sehr viel über Kosten und relativ wenig über Innovation und praktisch überhaupt nicht über Faszination der Güter gesprochen.

4.1 Ordnungspolitik

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2. Veränderung politischer Rahmenbedingungen Auch wenn die Ordnungspolitik in erster Linie ein rechtliches Konstrukt ist, wofür der Staat und damit auch die Politik verantwortlich zu machen ist, stellt diese neben der normativen auch eine faktische Kraft dar. Der Staat schafft Fakten, indem er private Unternehmen mit staatlichen Maßnahmen konfrontiert. Die Ideologie als politische Rahmenbedingung ist in Realität eine wirtschaftliche, da sie vor allem den Zeitgeist mitbestimmt und somit das Konsumklima in hohem Maße beeinflußt. Nach der Immaterialisierungstheorie ist das Abhebungs- und Angleichungsbedürfnis der Menschen, das im Geltungsstreben verankert ist, essentiell für die Vermarktung von Immaterie. Wenn der Zeitgeist aber von der Ideologie Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit im Sinne gleicher Lebensbedingungen (Umverteilung) bestimmt wird und ein Manager öffentlich bekennt, daß er lieber quantitatives Wachstum mit billigen, brauchbaren Gegenständen, die den Drittländern nützen, verkaufen möchte, dann sehen wir den Einfluß dieses Zeitgeistes. Dabei ist die Realität, daß dieses Unternehmen, das der Manager vertritt, mit Mode- und Luxusgeräten sein Geld in Deutschland verdient, also mit implantiertem Geist, mit Immaterie, die dieser Topmanager eigentlich nicht will. 6 Wer sollte Geräte dieses Unternehmens in der dritten Welt auch abkaufen? An diesem Beispiel zeigt sich Utopie und Schizophrenie in einem Tatbestand. Wie gut, daß sich die menschliche Natur zwar überlisten, letztlich aber nicht vergewaltigen läßt. Denn würde die Masse so handeln, wie die Meinungsführer und Opportunisten denken und reden, kämen hochentwickelte Volkswirtschaften nicht mehr aus Krisen heraus. Der Untergang bedeutender Wirtschaftszentren wurde, so beweist die Historie, praktisch nie durch Wirtschaftsverantwortliche direkt, sondern durch externe Kräfte politischer (Kriege) oder sittlicher (Werteverfall) Art herbeigeführt. Die Immaterialisierungstheorie verlangt Entmythologisierung der Gesellschaft und damit ein Ende des Meinungsterrors, der Schuldgefühle gerade bei denen aufbaut, die durch ihr Konsumverhalten für Wachstum und Wohlstand sorgen und Arbeitsplätze sichern und schaffen. Das Meinungsklima hat zentrale Bedeutung, und deshalb ist immer wieder darauf hinzuweisen, daß in hochentwickelten Ökonomien die schöpferische Gestaltung von Immaterie, durch die schätzungsweise bereits fünfzig Prozent der produktiv tätigen Menschen heute schon beschäftigt sind, nur dadurch möglich ist, daß konsumtiv tätige Menschen diese Immaterie als Wirtschaftsgüter ansehen und kaufen. Es ist eine nicht zu widerlegende Binsenwahrheit, daß ohne Vermarktungsmöglichkeiten Produktion jedweder Art nutz- und sinnlos ist. • Vgl. Marketing - eine Standortbestimmung mit Visionen, hrsg. vom Marketing Club Frankfurt, Frankfurt 1994, S. 83ff.

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

Die neue Theorie verhindert in ihrer praktischen Umsetzung in der Wirtschaftspolitik, daß es nach der materiellen Entmündigung (Folgen des Sozialismus) eine immaterielle Entmündigung (Folge von Ökologismus) geben wird. Die Ausrichtung der Wirtschaft kann nur an der Wesensbeschaffenheit der Menschen (individuellen Strebungen), also an der Wirklichkeit und nicht an einer idealistisch-materialistischen utopischen Daseinsphilosophie ausgerichtet werden. Die politischen Rahmenbedingungen, die im Faktischen ihren Niederschlag finden, konkretisieren sich nicht nur in der Medienpolitik und durch sie verursachten öffentlichen Meinungsbildung, sondern weit ausgeprägter und wirtschaftsrelevanter in der Bildungspolitik im allgemeinen und der Schulpolitik im besonderen. Den Kindern wird beigebracht, daß sie nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen. Merkwürdigerweise wird dieses Leben aber nicht mit dem Wirtschaften (produzieren und verbrauchen, arbeiten und wohlleben) in Verbindung gebracht. Schule steht in engem Kontext zur Kultur, wogegen im Grunde genommen nichts einzuwenden ist, doch damit ist Daseinsbewältigung nicht zu schaffen. Spätestens beim Verlassen der Schule hat der Arbeitsplatz die Priorität, die ihm durch den Lehrplan während der Schulzeit versagt blieb. Plötzlich dreht sich alles ums Geldverdienen, und das ist unverkennbar das Wirtschaften, ob das Arbeiten nun direkt oder indirekt mit ihm zusammenhängt. Nach der Immaterialisierungstheorie ist Schule, wie jede Fort- und Weiterbildung, ein Akt der Wertschöpfung, und zwar in dem Maße wie Individuen bezüglich ihrer Fähigkeiten und Talente weiterentwickelt werden. Fachkräfte eines Landes gelten zweifelsfrei als "Kapital". Deshalb geht es mehr um die Orientierung, also das Lernprogramm, als um den Tatbestand an sich. Wer auf die Vermarktung von Immaterie angewiesen ist, der kann es sich nicht erlauben, Talente unentdeckt zu lassen, sie zu vernachlässigen oder gar zu vergeuden. Daß und wie sehr dies der Fall ist, zeigen die vielen Hobbys und schöpferisches Gestalten außerhalb der Wirtschaft. In gewissem Umfang kann in hochentwickelten Märkten diesbezüglich auch schon von grauen und/oder schwarzen Märkten gesprochen werden, wo derartige individuelle "Wertschöpfungen" unter der Hand vermarktet werden. Die durch die Transformation des Geistes herbeigeführte Animisierung der Investitionsgüter hat den Menschen weitestgehend frei gemacht von körperlich harter Arbeit und ihm Chancen eingeräumt, seine schöpferischen Talente entwickeln und einsetzen zu können. Das Lehrprogramm jeder Art von Bildung ist dieser neuen Situation anzupassen. Die geistige Elite Europas fühlt sich offenbar der amerikanischen beispielsweise überlegen, wobei mit Stolz auf das eigene Bildungssystem verwie-

4.10rdnungspolitik

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sen wird. Die Resultate sind indessen genau umgekehrt. Die USA und nicht Europa stellen die meisten Nobelpreisträger (eine europäisch fundierte Auszeichnung) und stehen auf nahezu allen Gebieten der Forschung und Entwicklung an der Spitze der Welt. Das ist in Japan ähnlich und in beiden Fällen keine Frage des Geldes, sondern der Geltung (Anerkennung), also des Klimas und der Rahmenbedingungen, die die Politik faktisch setzt. Viele, die ihre Talente einbringen wollen, gehen deshalb dorthin, wo dies möglich ist. Das gilt auch für die Forschung und Entwicklung der Unternehmen. Auf eine Methode gezielter ökonomischer Ausbildung an Fach- und Hochschulen der USA sei in diesem Zusammenhang noch verwiesen, die unglaublich zur Praxisnähe beiträgt: Es ist das Lernen an Fallbeispielen, die aus der Wirtschaftspraxis stammen (Casemethode). Nicht nur, daß mit dieser Methode die reale Welt in die Studierstube geholt und damit experimentiert wird, sondern es auch zu diesem Lernprogramm gehört, daß Schüler und Studenten in Betriebe gehen und als Teams, wie es Berater tun, analysieren und konkrete Vorschläge für das entsprechende Unternehmen erarbeiten. Das ist Learning by doing, bevor man als Graduierte(r) in die Wirtschaft kommt und dann sehen muß, daß die Praxis völlig andere Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, als sie von Schule und Universität vermittelt wurden. Der Immaterialisierungsprozeß zwingt hochentwickelte Ökonomien dazu, pragmatischer zu werden und die Theorie stärker an der Praxis auszurichten, wie es die amerikanische Casemethode tut. 3. Veränderung kultureller Rahmenbedingungen Kultur und Wirtschaft müssen nach der neuen Theorie aus ihrer Frontstellung treten. Was im letzten Jahrzehnt unter dem Zwang der Verhältnisse Unbezahlbarkeit der Kultur durch den Staat - die beiden in ein "gemeinsames Bett" getrieben hat, muß zu einer Selbstverständlichkeit werden. Aus dieser Vernunftehe muß eine Liebesgemeinschaft werden. Sponsoring ist kein Gnadenakt der Wirtschaft, weil diese zur Schaffung von Immaterie Kunst in ihrer konkreten Form braucht. Hier stehen sich also keine zwei Welten gegenüber, sondern zwei Interessen, die sich gegenseitig befruchten. Einmal mehr zeigt auch hier Amerika die richtige Einstellung und den Weg zur Interaktion. Warhol wählt Güterpersönlichkeiten, wie die Campbell'sSuppendose oder Coke-Flasche, und macht sie zum Kunstobjekt, nicht etwa weil er dafür gesponsort wurde, sondern weil er Kunst und Kommerz als sich gegenseitig befruchtende Größen ansah. Welche Talente gehen der Wirtschaft in Europa und der Welt verloren, weil sie sich ausschließlich der Kunst verschreiben, aber nicht für die Wirtschaft tätig sind, für die sie Immaterie schaffen könnten, was letztlich Arbeit für viele bedeuten würde. Hinzu kommt ein "kunsterzieherischet" Effekt, der

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

in zweifacher Hinsicht wirkt, einmal, indem Kunst als wertvoll angesehen und vermehrt Berufsziel wird, zum anderen, weil der Kunstsinn, das Kunstverständnis, wächst und viel mehr Menschen als bisher bereit wären, Geld für einen durch Kunst geschaffenen Mehrwert (Immaterie ) auszugeben. Bei allen Rahmenbedingungen gilt es, diese auf polares Wirtschaften einzustellen; denn je weiter der Mensch als Individuum spezialisiert arbeitet und differenziert konsumiert, muß er in der Interessengemeinschaft aller eingebunden bleiben, polar, wo das eine ohne das andere nicht sein kann. Fassen wir zusammen:

1. Die freie soziale Marktwirtschaft ist das Pendant zur neuen Demokratie und die Voraussetzung der Umsetzung der Immaterialisierungstheorie. 2. Wenn das Soziale in der Ordnungspolitik dominant wird (Schweden), zerstört es die Leistungskraft der Ökonomie. Sie ist in vielen hochentwickelten Ländern am Ende ihrer Belastbarkeit angekommen und wird eine zusätzliche Aufgabe, wie die der Ökologie, nicht aushalten, weshalb eine Ausrichtung der Wirtschaft am Sozialen und der Ökologie den Niedergang derselben bedeuten würde. Ökologie statt Ökonomie ist der dümmste Spruch intelligenter Menschen. 3. Die Ordnungspolitik muß ganz generell den Wandel von der dialektischen zur polaren Wirtschaft herbeiführen, ohne den der Immaterialisierungsprozeß nicht vollzogen werden kann. 4. Da Geist vor Geld rangiert, sind die Individuen die das Wirtschaften in hochentwickelten Märkten bestimmenden Kräfte. Die Folge ist: Keine Staatsbetriebe im Wertschöpfungsprozeß, aber auch Begrenzung der Unternehmensgrößen. 5. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die in der Ordnungspolitik grundlegend sind, werden in hohem Maße durch Gesetze des BGB, HGB und speziell des Wettbewerbs-, Kartell- und Steuerrechts bestimmt und in der Rechtsprechung umgesetzt. Sowohl die Gesetzgebung als auch die Rechtsprechung entsprechen nicht der Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter und sind der neuen Theorie gemäß zu ändern. 6. Die politischen Rahmenbedingungen manifestieren sich im Faktischen. Sie betreffen sowohl den schöpferisch tätigen Menschen, der für diese Arbeiten nicht optimal ausgebildet wird, und den konsumtiv tätigen, der in einem ideologisch falsch ausgerichteten Zeitgeist zu einer kontraproduktiven Konsumpolitik geleitet wird. Eine Schizophrenie, die hochentwickelte Volkswirtschaften nicht aushalten. 7. Die kulturellen Rahmenbedingungen müssen von einer zwangsweisen in eine freiwillige Kooperation geführt werden. Kultur und Wirtschaft sind keine Antipoden. Wo Immaterie zu vermarkten ist, dürfen keine schöpferischen Talente außerhalb des Wertschöpfungsprozesses stehen.

4.2 Strukturpolitik

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4.2 Strukturpolitik Strukturpolitik ist ihrem Wesen nach eine staatliche Förderungspolitik, die der Privatwirtschaft das Wirtschaften ermöglicht. Sie ist zur Zeit nahezu ausschließlich materiell ausgerichtet. Es gibt jedoch immer mehr Ansatzpunkte, immaterielle Belange zu berücksichtigen. Dieser Trend zum Qualitativen geht von den Kommunen und Ländern aus, dort also, wo sich die Standortfrage konkret stellt. So bemühen sich Gemeinden, unterstützt von den Landesregierungen im internen Wettbewerb, bei Schaffung von Infrastrukturen, den privaten Unternehmen nicht nur erschlossene Gebiete mit fertigen Straßen, gelegten Leitungen für Wasser, Gas sowie Strom und billiges Bauland zu offerieren, sondern Güter immaterieller Art, wie weiterführende Schulen oder Universitäten, ärztliche Versorgung und viele Einrichtungen mit hohem Freizeitwert, wie Theater, Musik- und Festhalle, Schwimmbäder, Tennis- und Golfplätze zur Verfügung zu stellen. Die Staaten hochentwickelter Ökonomien fördern derartige regionale Bemühungen zwar, sind aber in ihrer Strukturpolitik immer noch in hohem Maße am Sozialen ausgerichtet und weniger am Gestaltenden. Sie fördern oder zahlen Ausgleich für unterentwickelte Gebiete. Vorrangig geht es dabei um Industrie oder andere Wirtschafts ansiedlungen. Ein weiterer Schwerpunkt staatlicher Förderung hinsichtlich der Strukturen liegt in der Beeinflussung des technischen Fortschritts. Die Investitionen in die Grundlagenforschung bekommen immer höheren Stellenwert in den führenden hochentwickelten Ökonomien, werden aber speziell in europäischen Demokratien in starkem Maße dadurch eingeschränkt, daß zu hohe Mittel seitens des Staates für Strukturerhaltung statt für deren Gestaltung eingesetzt werden. Es ist sachlogisch begründet, daß die strukturerhaltenden staatlichen Investitionen gegenläufig zur Wirtschaftsentwicklung getätigt werden. Am meisten wird für Unternehmen ausgegeben, die der Urproduktion, dem Bergbau, der Landund Forstwirtschaft oder Fischerei nahe sind, dann dem produzierenden und verarbeitenden Gewerbe, das wie die Betriebe der Urproduktion beim Immaterialisierungsprozeß hinterherhinkt. Hier werden von den Staaten aus sozialen Gründen enorm hohe Summen zur sozialen Abfederung bei Schließung, Verlagerung oder Modernisierung von Unternehmen ganzer Branchen aufgewendet. Die wirtschaftliche Integration der deutschen Ostgebiete ist ein einmaliges Beispiel einer anpassenden Strukturpolitik. Vorwürfe, daß hierbei Unternehmen "plattgemacht" werden, sind ökonomisch gesehen völlig unhaltbar und lassen sich nur durch Unwissenheit ökonomischer Zusammenhänge seitens der Kritiker erklären. Wer in der Wirtschaft steht oder von ihr betroffen ist, muß zwangsläufig noch nichts von den Gesetzmäßigkeiten des Wirtschaftens verstehen. Die Frage, die sich stellt, ist nicht diejenige der strukturellen Anpassung an die sich ständig verändernde Wirklichkeit, sondern in welcher Art und Weise 8 Bossle

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

diese zu erfolgen hat. Wird die Strukturpolitik ihrer Aufgabe, optimale Voraussetzungen für die private Wirtschaft zu schaffen, gerecht? Nach der Immaterialisierungstheorie unterliegt die staatliche Strukturpolitik dem Zwang des Faktischen, wie die Maßnahmen in Richtung zur qualitativen Wachstumsförderung erkennen lassen, doch folgt sie immer noch in ihrer Grundphilosophie den herkömmlichen alten Theorien mit Orientierung am Materiellen. Wirtschaftswachstum, Wohlfahrt und Wohlstand werden nicht allein durch Transformation von Geist auf der Angebotsseite gesichert (High-Tech oder High-ehern) sondern durch eine ständige Ausweitung von Dienstleistungen. Dadurch wird Überlegenheit in den Märkten sichergestellt und damit Arbeitsplätze. Das stärkt die Kaufkraft zum Erwerb immaterieller Güter. Nur mit beiden Teilen wird die Immaterialisierungstheorie erfüllt. Die stärkeren Impulse gehen dabei von der Nachfrageseite aus, sowohl bei Investitions- wie Konsumgütern. Ohne diese Bedürfnisse nach Immaterie wäre deren Vermarktung nicht möglich. Das bedeutet für die unter Berücksichtigung der Immaterialisierungstheorie notwendige Strukturpolitik: 1. Den bereits eingeschlagenen Weg einhalten und forcieren

Staatliche Institutionen auf allen Ebenen, die in Gemeinden, Ländern und Institutionen eine Standortpolitik betreiben, die auf Faszination durch Immaterie setzen, liegen richtig und sind zu unterstützen. Mit dieser Strukturpolitik wird ein Zweifaches erreicht, einmal werden die Standorte attraktiver für die Ansiedlung neuer Unternehmen, zum andern vermeiden sie dadurch die Abwanderung ansässiger Betriebe in Niedriglohnländer. Die Arbeitnehmer hochentwickelter Länder haben einen Lebensstandard, der sie sowohl hinsichtlich ihrer Arbeitsverrichtung wie auch ihres Konsums anspruchsvoll gemacht hat. Die Folge ist, daß sie weniger flexibel sind und nicht jeden Arbeitsplatz außerhalb ihres Wohnsitzes annehmen oder gar zu bekommen versuchen, und zum anderen wechseln sie nicht gerne dorthin, wo sich "Fuchs und Hase gute Nacht sagen". Ein wichtiger Faktor dabei ist auch das soziale Netz, das die Arbeitnehmer vor Not schützt. Im Umkehrschluß kann auch festgehalten werden, daß der hohe "Verzehr" von Immaterie dazu zwingt, an den vorhandenen Standorten Immaterie zu produzieren. So sind die Museen einer Stadt nicht nur eine Einrichtung, die ein paar Menschen Arbeit gibt, sondern ziehen auch Besucher an, die nicht nur in diese Museen gehen; sie benutzen Verkehrsmittel, essen und trinken oder über-

4.2 Strukturpolitik

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nachten. Es gibt heute schon viele Länder in der Welt, die ihre in Stein gehauene Geschichte über den Tourismus kapitalisieren. Sie vermarkten Kultur, also Immaterie. Auf dem richtigen Weg befindet sich die Strukturpolitik, indem sie Menschen in den Regionen umschult, wenn diese ihre Arbeitsplätze verloren haben, weil alte Wirtschaftsorganismen absterben oder durch Transformation von Geist veralten und menschliche Kraft durch maschinelle ersetzt wird. Doch schon hierbei stellt sich ernsthaft die Frage, ob diese "Umschulungen" im wirtschaftlichen Entwicklungstrend der Immaterialisierung liegen. Oft wird auf Berufe umgestellt, die momentan gerade Konjuktur haben, aber weder mittel- noch langfristig zur Immaterialisierung der Güter wesentlich beitragen. So begeben sich viele Arbeitnehmer zwangsläufig auf eine Art Umschulungslaufbahn oder ein Umschulungskarussell. Hinzu kommt, daß oft nur auf Verdienst und rasche Integration in den Arbeitsprozeß und weniger darauf geschaut wird, was die freigewordenen Kräfte an Fähigkeiten und Talenten mitbringen. Strukturpolitik wird in einer sozialen Marktwirtschaft neuer Demokratien immer auch ein Stück Sozialpolitik bleiben. Entscheidend ist, daß Sozialhilfe nicht in langzeitliche Unterstützungen einmündet und zu staatlichen Fixkosten wird, die den Staat dauerhaft belasten und die den Betroffenen nicht einmal beglücken. Die beste Sozialpolitik ist immer noch die Hilfe zur Selbsthilfe mit Wiedereingliederung in den Wirtschaftsprozeß. Die Vermarktung von Immaterie bietet hierzu die besten und wohl einzigen Möglichkeiten. 2. Auf Immaterialisierung ausgerichtete Förderung Strukturpolitische Maßnahmen haben eine mikro- wie makroökonomische Komponente. Mikroökonomisch geht es darum, den Kreativen in den Unternehmen mehr Freiheit zu ihrer Entfaltung zu geben. Das erfordert neue Organisationsstrukturen, andere Bezahlungssysteme und andere Arbeitszeiten. Die Organisationsgebilde sind zwar schon flacher geworden, sind aber nach wie vor pyramidenförmig, was zeigt, daß sich in der Grundstruktur nichts verändert hat. Mit dieser hierarchischen Form ist jedoch Immaterie nicht optimal zu vermarkten. Es darf kein Über- und Unter-, sondern nur ein Nebeneinander geben. Die "Pyramide" ist durch den "Kreis" zu ersetzen. Eine Organisation, deren Aufgabe darin besteht, Güter zu beseelen und im wesentlichen damit zu verkaufen, mehr Umsatz, Marktanteil und Ertrag zu haben, braucht den Individualisten mit seinen spezifischen Talenten. Bildlich und auch hinsichtlich ihrer Struktur und Arbeitsweise entspricht sie eher einem Orchester. Das beginnt schon mit dem Dirigenten. Das Orchester kann praktisch auf ihn verzichten und ohne ihn spielen, doch mit ihm spielt es normalerweise besser und besonders gut, wenn dieser ein Könner ist. Das drückt 8"

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

sich dann darin aus, daß Kunstfreunde (Konsumenten) für derartige Konzerte einen enormen Aufpreis zahlen. Wofür? Natürlich für Immaterie, denn das Orchester ist dasselbe, und es spielt auch dieselben Komponisten. Im Orchester spielt eine(r) die erste Geige. Es ist in der Regel der Beste, der mit dem größten Talent. Dennoch sitzt er im und nicht außerhalb des Orchesters. Alle Musiker gruppieren sich mal näher, mal weiter entfernt um den Dirigenten, aber alle bilden einen gesamthaften Klangkörper. Jeder ist am Erfolg mit seiner persönlichen Leistung beteiligt, indem er sein Talent in den Dienst des Ganzen stellt. Er hat, je nach der gespielten Komposition, denn auch seinen individuellen Auftritt, einmal sind es Geigen, Hörner, Flöten und Oboen, ein andermal Trommeln, Pauken und Trompeten oder eine Harfe, ein Klavier. Spätestens beim Applaus bemerkt selbst der weniger musikalisch geschulte Zuhörer an der Handbewegung des Dirigenten und dem Erheben der Musiker, wer gerade eine tragende Rolle oder Solopartie in dem gerade vorgetragenen Stück hatte. Unternehmen mit einer analogen Orchesterstruktur verfügen über eine überlegene Ausgangslage zur Vermarktung von Immaterie. Arbeiten mit Talenten erfordert Organisationsformen, die sich an Kompetenz ausrichten und nicht an Geld oder verliehener Macht. Das hierarchische Prinzip ist demnach durch ein Ranking im Ansehen abzulösen. Dieses ist seinem Wesen nach variabel und muß immer neu erworben werden. Wer seine Talente schlecht einbringt und wenig leistet, verliert dieses Ansehen ebenso schnell, wie er es erworben hat. So fremd, wie diese Organisationsstruktur erscheint, ist sie nicht. Denn dort, wo Immaterie vermarktet wird - in Beratungsunternehmen, Sozietäten, Agenturen, Steuerberatungs- oder Arztpraxen -, ist diese Struktur verbindlich. Das produzierende und verarbeitende Gewerbe wird sich hieran orientieren müssen, wenn seine Unternehmen überleben wollen. Eng verknüpft mit der Struktur der Organisation und des Ansehens, die im Kontext zu individuellen Leistungen steht, ist die Entlohnung und die sich hieraus ergebende Lohnstruktur zu sehen. Sie kann sich nicht länger am Quantitativen (Stückzah1en/Arbeitsstunden) ausrichten, sondern am individuellen Leistungsbeitrag zur qualitativen Wertschöpfung. Die Bezahlung von Kreativen, und dazu zählt jeder, der einen individuellen Beitrag zur Schaffung und Vermarktung von Güterpersönlichkeiten bringt, ist variabel und stringent projektorientiert, vergleichbar der des Künstlers, sei er Sänger, Maler, Schriftsteller oder Musiker, Fußballprofi oder Schauspieler. Gut verdient, wer gut ist, weniger gut, wer eine unterdurchschnittliche Leistung bringt. Natürlich wird es auch weiterhin Bezahlung nach quantitativen Kriterien geben, doch sie wird seltener werden müssen. Standardisierte, auf Mengen und Masse ausgerichtete globale Tarifabschlüsse schaden den Unternehmen, indem diese daran gehindert werden,

4.2 Strukturpolitik

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sich optimal am Immaterialisierungsprozeß zu beteiligen. Sie nutzen aber auch den Arbeitnehmern nicht, da die Pauschalierung und Globalisierung einer Differenzierung von Leistungen zuwiderläuft. Diese Struktur der Löhne führt automatisch zu einem zu hohen Lohnniveau mit zwei schlechten Resultaten: mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und Rationalisierungsnotwendigkeit, mit der Folge von Entlassungen. Hier liegt letztlich der Grund für das Ansteigen des Sockels der Arbeitslosigkeit nach jeder überwundenen Krise und neuen Konjunktur. Die Undifferenziertheit und mangelnde Flexibilität gilt auch für die Arbeitszeit. Die in allen hochentwickelten Ökonomien geführten Diskussionen und getroffenen Maßnahmen bezüglich der Arbeitszeit haben einen Verteilungscharakter, der der Immaterialisierungstheorie im Grunde zuwiderläuft. Denn diese ist einmal mehr quantitativ und der Tendenz nach abnehmend. Deshalb erfolgen Arbeitszeitkürzungen der Wochenstunden, der Monats-, der Jahres- und Lebensarbeitszeit (Frühpensionierung) sowie Einführung von Teilarbeit. Die Strukturierung der Arbeitszeit der Immaterie produzierenden Menschen folgt völlig anderen Gesetzmäßigkeiten. Sie zeigt sich einmal mehr in der Organisation der Arbeitszeit selbständiger Kreativer. Sie ist frei und dauert so lange, wie die Tätigkeit, Lust und Laune es erfordern. Im Endeffekt kommen dabei mehr Arbeitsstunden heraus als bei festgelegten Arbeitszeiten. Die Immaterie-Macher können ihren Job nur dann erfüllen, wenn sie ihre Arbeitszeit selbst bestimmen. Im Kontext zur strukturellen Veränderung des Lohn- und Gehaltssystems steht auch die Mobilität. Immaterie kann an jedem Ort und in beliebiger Gruppierung gestaltet werden. Makroökonomisch stellt eine auf die Immaterialisierung ausgerichtete Strukturpolitik Deregulierung jeder Form und Art dar. Sie hilft Unternehmen, ihre Wert schöpfung zu steigern. Alle Einrichtungen einer Volkswirtschaft, die mit Forschung und Entwicklung befaßt sind, sollten weitestgehend von Abgaben befreit oder unterstützt werden. Vorrangig sind solche Unternehmen zu subventionieren, die Immaterie vermarkten, also genau umgekehrt, wie es momentan der Fall ist. Das ist nur möglich, wenn sich die Förderungen an Güterpersönlichkeiten ausrichten statt an Arbeitsplätzen. Subventionen an Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen, die nicht gezielt für Innovationen gegeben werden, finden die gleiche Verwendung wie Rabatte, die dem Handel gegeben werden, sie gehen zu fast hundert Prozent in die Angebotspreise, neutralisieren sich gegenseitig und bringen mittel- und langfristig keine zusätzliche Wertschöpfung. Damit können keine Arbeitsplätze gesichert oder neu geschaffen werden. Anders bei Unterstützung des Immaterialisierungsprozesses. Hier ist jede DM an Unterstützung eine produktive Investition zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen über die Gestaltung von Güterpersönlichkeiten. Im Gegensatz zu den herrschenden Theorien verbietet es sich nach der Immaterialisierungtheorie, Arbeitsbeschaffungsprogramme aufzulegen und zu

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

finanzieren. Die Zielvorgabe stimmt nicht. Priorität haben nicht die Arbeitsplätze, sondern die Güterpersönlichkeiten. Auf ihre Schaffung und Gestaltung sind die Fördermittel auszurichten. Statt ABM demnach GPM (Güterpersönlichkeitsmaßnahmen). Dabei steht die optimale Nutzung der freigewordenen Talente und Fähigkeiten im Vordergrund. Oft fehlen kleinen und mittelständischen Unternehmen die Mittel zur Diversifikation, zum Einstieg in neue Märkte mit neuen Güterpersönlichkeiten. Jeder, der neu beginnt oder sich neu orientiert, um Immaterie zu vermarkten, wird somit durch staatliche Förderung zu einer positiven Strukturpolitik beitragen. Es ist zu betonen, daß es hierbei nicht nur um Transformation von Geist auf Güter in technologischer Hinsicht geht, sondern um Wertschöpfung von Immaterie, die sowohl Investitions- wie Konsumgüter transportieren und in höherer Qualität und entsprechendem Preis zum Ausdruck kommen. Die Hypothese vom sektorialen StrukturwandeC, wonach es eine Verlagerung der Wertschöpfung und Beschäftigung vom primären in den sekundären und schließlich tertiären Bereich der Wirtschaft gibt, ist eine deskriptive, auf Statistik beruhende Darstellung, die als entwicklungsimmanent angesehen wird, die aber strukturpolitisch zur Passivität der für die Wirtschaftspolitik hochentwickelter Länder Verantwortlichen führt. Sie hält sie in Zugzwang, und statt zu agieren, wird reagiert. Dieser Zwang zu konservieren bindet die Mittel zum progressiven Gestalten. Es ist zudem eine trügerische Hoffnung, daß der tertiäre Sektor quasi das Ende möglicher Rationalisierung sei, wie die Bürotechnik deutlich macht. Das "Heil" liegt nicht in der Durchwanderung der Sektoren, um am Ende bei der nahezu reinen Vermarktung von Immaterie die optimale Struktur vorzufinden, sondern in der Steigerung der Immaterialisierung bei Gütern des primären wie tertiären Bereiches. Auf diese ist die Strukturpolitik abzustellen. Im übrigen muß darauf hingewiesen werden, was oft übersehen wird, daß ein hoher Anteil der Vermarktung "reiner" Immaterie nur in Verbindung mit der Personifizierung der Güter zu sehen ist. Die Strukturpolitik, die der Immaterialisierungstheorie folgt, ist zwar auch an Menschen ausgerichtet, aber nicht, um sie sozial zu versorgen oder physisch wieder bzw. mit irgend etwas zu beschäftigen, sondern sie mit ihren Talenten zu nutzen. Das Produzieren von Immaterie erleichtert eine effiziente Strukturpolitik, da sie nur auf "Köpfe" zu achten hat, die äußerst flexibel und mobil sind. Die Möglichkeiten sektorialer Strukturpolitik sind gerade deshalb nicht ausgeschöpft, weil in der Urproduktion und im produzierenden wie verarbeitenden Gewerbe zu wenig auf die Möglichkeiten der Immaterialisierung geachtet wird. Dabei gibt es zahllose Beweise in der Praxis, daß diese Tätigkeiten der wahre Grund dafür sind, daß Arbeitsplätze erhalten oder neu ge7

Vgl. Hardes/Rahmeyer/Schmid: Volkswirtschaftslehre, S. 192f.

4.2 Strukturpolitik

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schaffen werden. Eine solche Möglichkeit ist, die Bauern zu Landschaftsschützern zu machen, nicht aus rein ökologischen, sondern auch ästhetischen Gründen oder weil eine ganz andere Branche, z. B. der Tourismus, davon profitiert. 3. Das Meinungsklima verändern Strukturpolitik nach den herrschenden Theorien macht sich praktisch nur am Dinglichen fest. Um ein Bild der Landwirtschaft zu gebrauchen, geht es um das Bereiten des Bodens für gutes Wachstum, ein rein physischer Vorgang mit konkret sichtbarem Erfolg. Ähnlich rational und konkret läuft die strukturbezogene volkswirtschaftliche Förderung, die jedoch nach der Immaterialisierungstheorie umzugewichten ist. Im Gegensatz zu vielen wirtschaftenden Menschen wissen die Bauern sehr wohl, daß sie vom Klima abhängen, es aber nicht beeinflussen können, während viele Wirtschaftspolitiker wie Unternehmer es offenbar nicht wissen, obwohl sie auf das Konsumklima Einfluß nehmen könnten. Für die Vermarktung von Güterpersönlichkeit (animisierten, lebenden Gütern) ist das Meinungsklima von gleich großer Bedeutung wie das Naturklima für die Flora oder wie die Luft zum Atmen für uns Menschen. Das Meinungsklima ist der Sauerstoff jeder Art von Immaterialisierung der Güter. Wenn das Meinungsklima schlecht ist für Güterpersönlichkeiten, dann gibt es kein Wirtschaftswachstum oder ein schlechtes. Also zählt es zur vornehmlichen Aufgabe der Strukturpolitik einer hochentwickelten Volkswirtschaft, für ein gesundes, den Güterpersönlichkeiten zuträgliches Meinungsklima zu sorgen. Denn was nützt eine materiell wunderbar aufbereitete Infrastruktur, selbst mit hoch angereichertem immateriellem Nutzen und faszinierenden Güterpersönlichkeiten, wenn der Zeitgeist ein Meinungsklima schafft, das diese Waren verteufelt. Die für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen, und das ist nicht nur die Regierung eines Staates, sondern auch die Opposition, die diese kritisch begleitet, tragen die Verantwortung für die Strukturen insgesamt. Sie können das Meinungsklima nicht dem freien Spiel der Kräfte öffentlichkeitswirksamer Medien überlassen und sich durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit exkulpieren; nicht, wenn Immaterie das Wachstum bestimmt. Es gab Wirtschaftsminister, die die Bevölkerung aufgefordert haben, "Maß zu halten" oder die "Tassen im Schrank" zu lassen, doch bezogen sich diese Klimaansagen auf Einkommen und deren Verteilung, nicht aber auf die Beschaffenheit der Güter und deren Nutzenstiftung, was nach der Immaterialisierungstheorie notwendig ist. Was Meinungsklima bewirken kann, zeigt die Ökologie. Sie ist ein positives Beispiel dafür, was in konsequenter Verfolgung eines Themas mit Engagement einer Gruppe und bei Unterstützung durch die öffentlichen Medien erreicht werden kann. Es wurde ein positives Meinungsklima geschaffen. Auch

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

wenn Immaterialisierung in der Umweltgestaltung involviert ist, kann diese Entwicklung dennoch nicht als die Kraft angesehen werden, die Wachstum und Wohlstand sichert. Deshalb kann dieses Beispiel lediglich zur Demonstration der Bildung und Wirkung des Meinungsklimas herangezogen werden und keineswegs als Möglichkeit für einen Paradigmawechsel durch Ökologie. Im Gegenteil, ein Großteil der von diesem Thema bestimmten Meinung ist für das Klima insgesamt negativ, worauf wiederholt hingewiesen wurde. Wie, so lautet die Frage, ist das Meinungsklima zu gestalten, damit dieses produktiv wirksam wird? In welcher Art und Weise muß die Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter kommuniziert werden? Welche Informationen sind notwendig, um den Nutzen der Immaterie für hochentwickelte Ökonomien den produktiv wie konsumtiv tätigen Menschen zu vermitteln? Erster und wichtigster Schritt ist, wie bereits an anderer Stelle betont, die Entideologisierung des Konsums. Die Verbraucher dürfen kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie Mode- und Luxusgüter kaufen, denn diese haben einen hohen Immaterialisierungsgrad. Die Schizophrenie muß ein Ende haben, daß beispielsweise Künstler auf der Herstellerseite Immaterie produzieren und auf der Konsumseite deren Ge- und Verbrauch kritisieren oder verteufeln. Wer wie Musiker, Schauspieler, Schriftsteller und in Sonderheit die Kommunikationsleute völlig auf immateriellen Konsum angewiesen ist, dort sein Geld verdient, der sollte diese Art von Konsum in anderen Branchen und Güterkategorien nicht zur Zielscheibe machen, schon überhaupt nicht, um sich damit zu profilieren, weil es dem Zeitgeist entspricht, denn damit vernichtet oder verhindert er Arbeitsplätze. Da es sich bei den Meinungsführern im allgemeinen um intelligente Menschen handelt, die ihren Verstand zu gebrauchen wissen, sollte es doch wohl möglich sein, sie davon zu überzeugen, daß nur ein konsumfreudiges Meinungsklima Wachstum und Wohlstand in einer hochentwickelten Wirtschaft sichern kann. Noch ist das Geltungsstreben der Menschen stärker als die Bußpredigten bestimmter Ideologen. Vielleicht ist auch der Grund maßgebend für ungebrochene Konsumfreude, daß diese Missionare selbst in ihrer Diesseitsorientierung permanent sündigen und freudig Immaterie konsumieren (Reisen, gutes Essen, Konzerte, schicke Autos), wo es ihnen konveniert. 8 Solange Damen in lila Schuhen mit hohen Absätzen und traumhaften Kleidern auf Straßen flanieren und gute Parfums unsere Nasen verwöhnen, also wenn Mode und Luxus die Güterwelt beleben und faszinierend machen, werden viele Arbeitsplätze sicher sein und neu geschaffen werden.

• Anmerkung: In diesem Verhalten demonstriert sich die Verlogenheit oder Inkonsequenz der Achtundsechziger.

4.2 Strukturpolitik

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Das Meinungsklima ist die entscheidende Determinante für Wirtschaftswachstum und Wohlstand, es ist deshalb wesentlicher Bestandteil der Strukturpolitik und damit Teil der Wirtschaftspolitik. Es ist eine falsch verstandene Freiheitsauffassung, die Meinungsbildung den sogenannten geistigen oder selbsternannten Eliten zu überlassen. So wie es eine politische, staatstragende Bildung gibt, so auch eine, die das Image der Wirtschaft ins rechte Licht setzt. Und wenn es wie im Falle der Immaterialisierung um das Wohl der Bürger geht, hat diese Forderung wohl auch sinnvolle Berechtigung. Der Staat und die Wirtschaft (Makro- und Mikroökonomie ) müssen mehr Mittel zur positiven Gestaltung des Meinungsklimas bereitstellen. Wettbewerbsstärke auf den Märkten der Welt beruht auf dem geistigen Potential der schöpferisch tätigen Menschen und der Bereitschaft, für Immaterie zu zahlen. Mit einem miesen Konsumklima kann diese auf Dauer nicht gehalten werden.

Fassen wir zusammen:

1. Strukturpolitik ist Förderungspolitik des Staates, damit die Privatwirtschaft die vergleichsweise besten Voraussetzungen fürs Wirtschaften hat. 2. Der in vollem Gang befindliche Immaterialisierungsprozeß hochentwickelter Länder hat eine Verlagerung der Strukturpolitik von der Materie zur Immaterie eingeleitet. Doch noch dominieren die quantitativen die qualitativen Zielsetzungen und den sie bestimmenden Mitteleinsatz. 3. Es wird (aus sozialen Gründen) zu viel Geld ausgegeben, um Strukturen zu erhalten und zu wenig, um solche neu zu gestalten. 4. Es gibt Ansatzpunkte auf Gemeinde- und Landesebene, die Bedeutung der Immaterie als Wirtschaftsgüter bei Erschließung neuer Standorte zu berücksichtigen. 5. Die Förderung immaterieller Werte ist zu verstärken, was sowohl im Unternehmensbereich als auch seitens des Staates erfolgen muß. 6. Mikroökonomisch sind die Organisationsstrukturen so zu verändern, daß die Talente besser genutzt werden (Orchester). 7. Die Lohn- und Gehaltspolitik ist ebenso wie die Arbeitszeit differenzierter und flexibler zu strukturieren. Den Kreativen muß mehr Freiraum gegeben werden. Erfindungen dürfen nicht dadurch scheitern, daß z. B. die Patentgebühren zu hoch sind. 8. Strukturbeeinflussende Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind zur Zeit sowohl hinsichtlich ihrer sozialorientierten als auch rein materiellen Ausrichtung weitgehend fehlgeleitete Mittel. Die freigewordenen Arbeitskräfte müssen ihren Fähigkeiten gemäß umgeschult und dort wieder in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden, wo ein hoher Immaterialisierungsgrad der Güterpersönlichkeiten besteht.

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

9. Die These, wonach der sektoriale Strukturwandel jede Strukturpolitik zu einer reagierenden statt einer agierenden macht, gilt so lange, wie das Erhaltende höhere Priorität hat als das neu zu Gestaltende. 10. Alterung ist nur schicksalhaft für das Physische, nicht für das Psychische. Animisierung belebt auch die Güter der Urproduktion sowie die des produzierenden und verarbeitenden Gewerbes. 11. Die Dienstleistung als Prototyp für die Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter ist zwar ein bedeutender Teil derselben, aber keineswegs der entscheidende, denn dieser vollzieht sich im primären und sekundären Sektor der Wirtschaft. Zahlreiche Dienstleistungen sind Folgewirkungen der dort stattfindenden Immaterialisierung. 12. Die herrschende Strukturpolitik ist im Grunde genommen eine nachfrageorientierte, auch wenn es den Anschein hat, sie fördere in erster Linie die privaten Unternehmen. Letztlich geht es dem Staat um Beschäftigung und Einkommen der Arbeitnehmer. 13. Die wichtigste Determinante der Nachfrage, das Konsumklima, bleibt strukturpolitisch vollkommen unbeachtet. Das ist schlecht, weil ein konsumfeindliches Meinungsklima, gerade bei den Gütern mit dem höchsten Immaterialisierungsgrad, wie Mode- und Luxusgüter, außerordentlich schädlich ist und Arbeitsplätze vernichtet oder nicht in größerer Zahl entstehen läßt (z. B. Pelzindustrie ). 14. Nur eine auf die Immaterialisierung der Güter ausgerichtete Strukturpolitik sichert Wettbewerbsstärke, Wachstum und Wohlstand.

4.3 Konjunkturpolitik Konjunkturpolitik ist das Herzstück der Wirtschaftspolitik. Während Ordnungs- und Strukturpolitik die Umfeld- und Rahmenbedingungen für gutes Wirtschaften schaffen, setzt die Konjunkturpolitik Instrumentarien zur Gestaltung derselben ein. Konjunkturpolitik ist in erster Linie eine Stabilitätspolitik. Die hierzu verwendete Globalsteuerung setzt Eckwerte zur Sicherung dieser Stabilität. Diese sind: -

Vollbeschäftigung Preisniveau außenwirtschaftliches Gleichgewicht Wachstum.

Zur Erreichung dieser Stabilitätsziele bedient sich die Wirtschaftspolitik im wesentlichen monetärer Mittel, soweit der Staat darüber verfügt oder darauf Einfluß nehmen kann.

4.3 Konjunkturpolitik

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Nach der Immaterialisierungstheorie sind mit monetären Mitteln die Stabilitätsziele nicht zu erreichen, was die Wirtschaftspraxis denn auch gezeigt hat. Die Gründe sind bereits dargelegt, so daß die Konsequenzen aus der neuen Theorie für die Konjunkturpolitik gezogen werden können. 1. Neue Ziele für Wirtschaftsstabilität

Für die Immaterialisierungstheorie gibt es nur ein Ziel, für die Stabilität der Wirtschaft als Ganzes wie für ihre Teile, und dies ist zugleich auch das Programm für die Konjunkturpolitik: - Die Erhöhung des Immaterialisierungsgrades der Güter einer Volkswirtschaft. Ist dieser Grad höher als der der Mitbewerber, gleichgültig, in welchem Markt und welcher Region, dann ergeben sich die heutigen Ziele automatisch. Denn Güterpersönlichkeiten mit einem überdurchschnittlichen Anteil von Immaterie können nur durch Transformation von Geist immaterielle Wertschöpfung erzielen, das macht diese Güter faszinierend und attraktiv und fähig, Ansehen und Geltung zu verleihen. Immaterie dient immaterieller Bedürfnisbefriedigung, und diese ist im Gegensatz zur materiellen unbegrenzt. Das Ansehen eines Menschen kann praktisch unendlich wachsen. Damit ist Wachstum als wesentlichste Voraussetzung für Wohlstand nicht nur gesichert, sondern auch hinsichtlich ihres Ausmaßes über diesen Immaterialisierungsgrad steuerbar. Dieses qualitative Wachstum ist in höchstem Maße krisensicher, weil - sieht man vom menschlichen Geist und Talenten ab - keine Ressourcen verwendet werden, die der Knappheit unterworfen sind. Wachstum allein sichert noch keine Vollbeschäftigung, solange die Transformation von Geist in Güter, namentlich Investitionsgüter, diese lediglich so ausstatten, daß sie nicht nur die menschliche Arbeitskraft ersetzen, sondern auch noch kostengünstiger pro Mengeneinheit werden läßt. Sobald jedoch der Mehrwert (Wertschöpfung) ausschließlich immaterieller Natur ist, werden die Stückkosten nicht mehr durch Maschinen gesenkt werden können, weil diese nicht in der Lage sind, Immaterie zu produzieren, zum andern werden die Marktpreise nicht mehr nach Quanten (Mengen), sondern nach "Qualen" (Beschaffenheit) ausgewählt und gekauft. Der Umsatz ist letztlich mengen unabhängig und richtet sich nur nach der Attraktivität, und diese drückt sich im Immaterialisierungsgrad aus oder in der Persönlichkeit, die die im Wettbewerb stehenden Güter haben. Wenn Immaterie Wachstum bestimmt und nur der Mensch diese produzieren kann, dann bedeutet qualitatives Wachstum auch Vollbeschäftigung. Da sich Ansehen und Geltung immer neue Ausdrucksformen suchen können, wird es Wechsel geben und mit ihnen auch eine vorübergehende natürliche Arbeitslosigkeit. Geld bleibt als Zahlungs- und Wertausdrucksmittel, quasi als Generaltauschware, existent und in seiner Funktion erhalten. Ändern wird sich in-

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

dessen das Preisniveau. Geltungskonsum tendiert immer nach oben, physischer Konsum immer nach unten. Der Preis als der entscheidende Faktor für Wettbewerbsfähigkeit wird abgelöst durch den Immaterialisierungsgrad, der jetzt die Attraktivität bestimmt und die Kaufentscheidung herbeiführt. Masse, die billig macht, hat schon jetzt kaum Auswirkungen auf Umsätze und Wachstum. Steigendes Preisniveau ist in einer Wirtschaft mit qualitativem Wachstum kein Indiz für Inflation, sondern für höheren immateriellen Input. Dieser hinwiederum ist mit höherem Entgelt zu bezahlen, so daß Kaufkraft und qualitatives Wachstum sich die Waage halten. Inflationstreibend sind Löhne und Gehälter dann, wenn sie nichts oder wenig zum qualitativen Wachstum beitragen und eine unterdurchschnittliche oder keine Wertschöpfung haben. Je stärker jedoch Talente und Können als Animisierungspotential für Güter seitens der Mitarbeiter eingebracht werden, um so kräftiger wachsen die Unternehmen und mit ihnen die gesamte Wirtschaft, und die Inflation bekommt einen anderen Stellenwert. Die Preisniveaustabilität hat nach der Immaterialisierungstheorie eine völlig andere Bedeutung als in den Angebots- und Nachfragetheorien. Hier wird nichts aufgebläht (inflationiert), sondern aufgewertet. Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht ist eine Zielvorgabe der Stabilitätspolitik, die systemimmanent ist. Es können mittel- und langfristig nur so viel Devisen ausgegeben wie eingenommen werden. Die Immaterialisierung spielt insofern eine große Rolle, weil sie diese internationalen Geschäfte in hohem Maße beeinflußt. Sowohl die Handels- als auch die Zahlungsbilanz von Deutschland - gleiches gilt für jedes andere hochentwickelte Land - zeigen, daß die Vermarktung von Immaterie den Devisenfluß in beiden Richtungen zu einem hohen Prozentsatz ausmacht. Auf der einen Seite ist es der Tourismus, der erheblich dazu beiträgt, daß ausländische Staaten deutsche Ware importieren können, weil sie über Devisen verfügen, die sie aus dem Tourismus erlösen. Zum andern sind diese Ausgaben deutscher Touristen, um bei dem Beispiel zu bleiben, möglich, weil das Geld aus Einkommen fließt. die mit dem Export von Waren (natürlich auch aus dem Gegentourismus) erzielt werden. Das Bemerkenswerte dabei ist, daß auch die Exportgüter in hohem Grad immaterialisierte Güter darstellen (blue print). Der Überschuß, den Deutschland und andere hochentwickelte Länder in der Handelsbilanz erzielen, geht darauf zurück, daß die Güter, die exportiert werden, einen weitaus höheren Immaterialisierungsgrad aufweisen als diejenigen, die importiert werden. Den Ausgleich bringen "rein" immaterielle Güter wie der Tourismus, der gleichsam eine "immaterielle Gegenbuchung" zu den hochimmaterialisierten Exportgütern darstellt. Vereinfacht ausgedrückt läßt sich sagen, daß ein hoher Immaterialisierungsgrad der volkswirtschaftlichen Güter eines Landes z. B. einen hochqualifizierten Tourismus erlaubt. Deutsche, Japaner und Amerikaner können nicht nur aus diesen Gründen die Welt bereisen, sondern auch deshalb, weil

4.3 Konjunkturpolitik

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sie durch einen hohen Immaterialisierungsgrad ihrer Investionen genügend Freizeit dafür haben. Der Immaterialisierungsgrad der volkswirtschaftlichen Güter bestimmt somit letztlich auch das außenwirtschaftliehe Gleichgewicht und nicht primär, wie das die alte Theorie sieht, der Preiswettbewerb. Diesem Tatbestand ist es auch zu verdanken, daß Kursschwankungen in einer Bandbreite von 20% ohne Einfluß auf das außenwirtschaftliehe Gleichgewicht bleiben. Die Stabilitätsziele Wachstum, Vollbeschäftigung, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und Preisniveau sind nach der neuen Theorie einzig am Immaterialisierungsgrad der Güter einer Volkswirtschaft auszurichten. Immaterialisierung ist der beste Garant für Stabilität und damit auch für die Konjunktur. Deshalb ist die einzig notwendige Zielvorgabe für situationsgerechte und zeitgemäße Konjunkturpolitik die Vorgabe von Immaterialisierungsgraden einzelner Güterkategorien, deren Summe den Grad der volkswirtschaftlichen Immaterialisierung ergibt. Das bedeutet: 2. Ein neues Informationssystem Theoretisch läßt sich ein neues Informationssystem, das den Immaterialisierungsprozeß anzeigt, problemlos installieren, wie im Kapitel 3.3 nachzulesen ist. Die praktische Umsetzung hingegen ist schwierig, weil die vorhandenen Statistiken nicht aufgegeben werden. Solange die neuen Demokratien ihren Informationsbedarf hauptsächlich an gesellschaftspolitischen und weniger an wirtschaftlichen Zielen ausrichten, weil ihre Maßnahmen in dieser Richtung laufen, wird kaum eine Chance für ein neues System bestehen, das die vorhandene Datenbank ablöst. Deshalb kann nur eine pragmatische Vorgehensweise empfohlen werden, die sowohl der Makro- wie Mikroökonomie nützt. Das ist eine nach Güterkategorien gegliederte Information über deren Immaterialisierungsgrad. Diese Kenntnis setzt die Wirtschaftspolitiker in die Lage, ihre Mittel gezielt einzusetzen. Unternehmen erhalten entscheidende Signale über Immaterialisierungsstände und Trends der Güterpersönlichkeitskategorien und können ihre Planungen und Maßnahmen ihrer eigenen Güterpersönlichkeiten innerhalb dieser Kategorien darauf abstellen. Da die Gütermärkte in den freien Marktwirtschaften hinsichtlich des Wettbewerbes weltweit ähnlich strukturiert sind, reicht es aus, wenn in einer hochentwickelten Ökonomie für die einzelnen Güterkategorien der Immaterialisierungsgrad ermittelt wird. Internationale Marktforschungsstudien haben immer wieder bestätigt, daß qualitative (immaterielle) Werte in allen Ländern mit hochentwickelten Märkten nahezu identisch sind. 9 Eine Untersu9 Anmerkung: Sowohl Untersuchungen der GfK als auch internationaler Konzerne (unveröffentlicht). die dem Autor vorliegen. verifizieren diese Gesetzmäßigkeiten.

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

chung über Immaterialisierungsgrade von Güterkategorien in irgendeinem europäischen Land oder in Japan oder in den USA, Kanada oder Australien wird für alle genannten Länder verbindlich sein, weil bei einem ceteris paribus, also genau gleicher Vorgehensweise und Verfahren, die gleichen Ergebnisse herauskommen. Die einzelnen Volkswirtschaften hochentwickelter Länder sind nicht auf Informationen anderer Staaten angewiesen. Sie können von den im eigenen Land ermittelten Ergebnissen auf die anderer hochentwickelter Märkte schließen und so auch die für den Export probaten Entscheidungen treffen und Maßnahmen vornehmen. Anders als bei der Umweltpolitik gibt es für den notwendigen Immaterialisierungsprozeß der wirtschaftlichen Güter keinen Druck seitens der öffentlichen Meinung, sondern einen Gegendruck. Seit jedoch Ökologie zum zentralen Thema der Wirtschaft geworden ist, ergießt sich eine Informationsflut über Vermarktungsmöglichkeiten ökologischer Produkte auf die Wirtschaft, und sie kann im Einzel- wie im volkswirtschaftlichen Bereich auf ausreichendes Datenmaterial zurückgreifen, um Politik zu machen. Damit ist bewiesen, daß es weder eine methodische noch eine monetäre Frage ist, ausreichend Informationen zu beschaffen, wenn das Meinungsklima stimmt. Die Immaterialisierungstheorie belegt, daß in der Konjunkturpolitik auf eine Wirtschaftsrealität umgeschaltet werden kann, die die Vermarktung der Immaterie im Zentrum ihres Wirtschaftens sieht. Die sich daraus ableitende neue Zielsetzung erfordert zunächst neue Informationen und dann: 3. Neue Handlungsweisen Neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Grundlagen und Voraussetzungen, die in der Ordnungs- und Strukturpolitik hinsichtlich der Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter zu erfolgen haben, sind jene Maßnahmen, die die Konjunktur direkt beeinflussen, privatwirtschaftlicherwie staatlicherseits einzubringen. Mit dem Indikator Immaterialisierungsgrad der Güter, ihrer Kategorien und der gesamten Volkswirtschaft hochentwickelter Länder, ist die Konjunkturpolitik vorgegeben. Die im Erwerbsleben stehenden Menschen müssen darüber aufgeklärt werden, welche Rolle ihnen bei der Wertschöpfung zukommt, daß jeder einzelne mit seinem Talent dazu beiträgt, daß es überhaupt noch Wertschöpfung gibt, weil diese ausschließlich qualitativer Art ist.und sich in der Vermarktung von Immaterie konkretisiert und die auf seinen individuellen Beitrag im Rahmen der schöpferischen Gestaltung zurückgeht. Diese Überzeugungsarbeit zu einem ökonomischen Bewußtseinswandel ist unabdingbar für Engagement und Motivation der im Arbeitsprozeß stehenden Menschen. Diese Aufklärung ist kein wirtschaftliches Beiprogramm oder gar eine Art Erziehung zu neuem wirtschaftlichen Denken, sondern Kern der Ausbildung für zu ver-

4.3 Konjunkturpolitik

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richtende Tätigkeiten am Arbeitsplatz. Wie sollte auch der einzelne Mitarbeiter in einem Unternehmen zum qualitativen Wachstum beitragen, wenn er keine Ahnung davon hat, was Immaterialisierung der Güter überhaupt bedeutet, geschweige denn, was er persönlich dazu beitragen kann. Höhere Immaterialisierungsgrade als die der Mitbewerber auf regionalen oder internationalen Märkten sind nur zu erreichen. wenn die schöpferische Gestaltung von denen, die daran beteiligt sind, tief im Bewußtsein verankert ist. Wirklich geschafft ist diese Situation erst dann, wenn der einzelne überzeugt davon ist, daß nicht das Kapital im Unternehmen seinen Arbeitsplatz sichert, sondern er selbst im Zusammenwirken mit allen Mitarbeitern, die innerhalb und außerhalb und (im Zuarbeiten) dafür ausschlaggebend sind. Geist (Talent und Können) schafft die immaterielle Wertschöpfung und nicht primär das Geld, auch wenn darauf natürlich nie verzichtet werden kann. Die Verinnerlichung dieser Erkenntnis ist ein wesentlicher Bestandteil der Konjunkturpolitik hochentwickelter Ökonomien, deren zentrale Aufgabe in der Vermarktung von Immaterie beruht. Diese logische Verkettung von Immaterie und Wachstum für Wohlstand macht es notwendig, daß für die neue Wirtschaftsphilosophie der Immaterialisierung Mittel bereitgestellt werden zur Erklärung der durch den Immaterialisierungsprozeß geschaffenen neuen Arbeitswelt bei denen, die sie gestalten. Die Privatwirtschaft hat diesen Weg der Konjunkturpolitik bereits beschritten. Allerdings zwang sie der Immaterialisierungsprozeß dazu. Sie mußte auf allen Ebenen und in allen Bereichen Qualitycircels und Innovationsgruppen einrichten. Sie hat damit über geistigen Input ihren Gütern Überlegenheitspotential im Kampf um mehr Umsatz, höhere Marktanteile und Gewinne mitgegeben. lO Die staatliche Konjunkturpolitik leistet diesbezüglich praktisch nichts. Es scheint den Verantwortlichen offenbar gleichgültig zu sein, ob die Erwerbstätigen ihre Rolle kennen und vor allem auch spielen oder nicht, um Wachstum und Wohlstand in einer hochentwickelten Wirtschaft sicherzustellen. Einerseits sehen sie immer noch im Geld die entscheidende Größe für diese Entwicklung und setzen in der Konjunkturpolitik auf monetäre Steuerung, andererseits gilt ihr ganzes Augenmerk der Erhaltung des sozialen Friedens, wozu alle Mittel und Möglichkeiten ausgeschöpft werden, was den Immaterialisierungsprozeß bremst, anstatt ihn zu fördern. Ansätze wie Starthilfen bei Neugründungen von Unternehmen oder Mitbeteiligungen an neuen Entwicklungen sind ausschließlich materieorientiert und haben den Zweck, Menschen zu beschäftigen, damit sie "von der Straße" sind, also soziale Gründe. Diese Art von konjunkturellem Beitrag ist nicht

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Vgl. Bossle, Rudolf: Überlegenheitsmanagement, S. 169f.

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

nur ökonomisch, sondern auch menschlich anachronistisch; denn die Menschen in hochentwickelten Ländern wollen nicht irgendeine, sondern eine sinnvolle Arbeit ausüben, was dann der Fall sein wird, wenn sie ihre Talente und Fähigkeiten in ihre Beschäftigung einbringen können. Es entspricht dem Wesen des Menschen, daß sein Konsumverhalten mit seinem Tätigsein in einem Zusammenhang steht. So ist erwiesen, daß seine Geldausgabe mit seiner Müheerinnerung ans Geldverdienen eng korreliert ist. Wer sein Geld mühsam verdient, gibt es nicht so leicht aus. Dieses "ökonomische Gesetz" hat für die Konjunkturpolitik, in der es auf den Immaterialisierungsgrad der volkswirtschaftlichen Güter ankommt, eine zweifache Bedeutung. Zum ersten werden die Erwerbstätigen körperlich entlastet und geistig mehr beansprucht. Was die Müheerinnerung insbesondere dann senkt, wenn die Menschen in ihren Eignungsberufen arbeiten können, was einzig auf den Immaterialisierungsprozeß zurückzuführen ist, weil er dies möglich macht. Damit steigt automatisch auch die Kaufbereitschaft und -lust (Zufriedenheit im Beruf und gutes Einkommen). Zum anderen sind die Erwerbstätigen Anreizen, die ihre wirtschaftliche Situation verbessern, stärker zugänglich. Die Wirklichkeit ist hierfür der beste Beweis, denn in dem Maße, wie sich Leistung lohnt, wird sie erbracht. Diese Erkenntnis ist Allgemeingut und auch Bestandteil der Konjunkturpolitik. Sind die momentanen Anreize, so die Frage, auch effizient? Offenbar nicht oder zumindest nicht so ganz, wie Wachstumsschwächen, Arbeitslosigkeit, Inflationsraten und Störungen im außenwirtschaftlichen Gleichgewicht aller hochentwickelten Länder zeigen. In diesen Ökonomien herrscht Reichtum vor, auch wenn es eine, gemessen an unterentwickelten Ländern, begrenzte Armut gibt. Es besteht Konsens darin, daß es an stabilisierenden Faktoren fehlt. Genau das trifft nicht zu. Der alles entscheidende stabilisierende Faktor ist mit der Vermarktungsmöglichkeit von Immaterie sowohl als Teil der Güter als auch eigenständige Wirtschaftsgüter (Dienstleistungen) vorhanden. Deshalb stellen die Anreize zur Förderung des Immaterialisierungsprozesses den Kern der neuen Konjunkturpolitik dar. Obwohl häufiger auf die stabilisierende Kraft der Vermarktung von Immaterie Bezug genommen wurde, sei diese Eigenschaft noch einmal kurz begründet. Sie liegt im Wesen der Immaterie, das sich durch Substanzlosigkeit, unendliche Variierbarkeit und beliebige Vermehrbarkeit ausdrückt. Dieser kompositorischen Seite der Immaterie entspricht ihre unbeschränkte Konsumierbarkeit. Materie stößt an Sättigungsgrenzen, Immaterie nicht. Konjunkturpolitik im Rahmen der Immaterialisierungstheorie bedeutet demnach, die Anreize seitens des Staates so zu setzen, daß das Schöpfungspotential in allen Bereichen der Wirtschaft erhöht wird.

4.3 Konjunkturpolitik

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An konkreten Maßnahmen sind zu empfehlen: - Einrichtung von Kreativzentren auf kommunaler, Länder- und Bundesebene, in denen unter Leitung von Fachkräften schöpferisches Gestalten zur Hervorbringung von Immaterie geübt wird. - Ausdehnung des Wettbewerbes "Jugend forscht" auf Immaterialisierung der Güter, unter Einbeziehung des technischen Fortschritts. - Vereinfachung des Patentrechts, Abbau von Barrieren zur Erlangung eines solchen Rechtes. - Entbürokratisierung bei Unternehmensgründungen. Beseitigung der Flut von Auflagen materieller Art. - Erhöhung und Erweiterung des Kreditrahmens zur Nutzung von Innovationspotential. - Weniger Subventionen für Erhaltung kranker Güter (Unternehmen) und mehr zur Gestaltung attraktiver Güterpersönlichkeiten für immaterielle Bedürfnisbefriedigung. - Verstärkte Privatisierung. - Auszeichnung für außergewöhnlich hohe immaterielle Wertschöpfung in Unternehmen des primären und sekundären Bereiches einer Volkswirtschaft mit Preisen, die einen Wert haben (keine Ehrenzeichen und Orden). - Steuerfreiheit oder -senkung für Künstler bei kreativer Betätigung in der Erwerbswirtschaft und damit außerhalb ihres eigentlichen Arbeitsgebietes. - Reduzierung der Steuern für Mode- und Luxusgüter. Senkung des Mehrwertsteuersatzes. - Degressive Besteuerung bei wachsendem Immaterialisierungsgrad der Güterpersönlichkeiten. - Kommunikationspreis für öffentlich wirkende Medien, die den Konsum von Immaterie verständlich vermitteln. Die hier angeführten Anreize sind Maßnahmen seitens des Staates, den Immaterialisierungsgrad der volkswirtschaftlichen Güter zu erhöhen. Es sind Beispiele, die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Im Gegenteil, es gibt unzählige weitere Möglichkeiten, Kräfte zur Immaterialisierung in den Volkswirtschaften freizusetzen. Es soll hier mit allem Nachdruck noch einmal darauf hingewiesen werden, daß in erster Linie die Immaterialisierung der Güter in Urproduktion und Gewerbe (primärer und sekundärer Bereich) angesprochen ist und nicht die Dienstleistung selbst als ein nahezu hundertprozentiges immaterielles Gut oder Dienstleistungen verbunden mit Produkten, da die Mehrzahl von ihnen in engem Kontext zu den Güterpersönlichkeiten von Investition und Konsum stehen. So sind die rund 50 Milliarden Werbeumsatz und die dadurch Beschäftigten z. B. ohne reale Güter der Urproduktion und des Gewerbes nur begrenzt vorhanden. 9 Bossle

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

Ist damit die in hochentwickelten Ländern praktizierte Wirtschaftspolitik im allgemeinen und die Konjunkturpolitik im besonderen ad absurdum geführt und aufzugeben, die Samuelson wie folgt beschreibt: "Today most economists in the free world attempt ( ... ) a neoclassical synthesis: i.e. by effective monetary and fiscal policies they try to make a marriage between the classical microeconomics of Smith and Marshall and the macroeconomics of modern income determination, combining what is sound in each approach. Economists who use these same tools range in their political beliefs from conservatives ( ... ) to new Dealers ( ... ) or middle-of-the roaders."ll? Natürlich nicht. Es geht nicht um Beseitigung, was weder theoretisch noch praktisch möglich wäre, sondern um Umgewichtung und vor allem Ergänzung. So wird die Zinsrate als Preis des Geldes in der Konjunkturpolitik ebenso eine Rolle spielen wie die Löhne als Preis der Arbeit, ebenso wird auch die Haushaltspolitik des Staates, seine Verschuldung und Kreditaufnahme, Auswirkungen auf den Wirtschaftsverlauf haben. Doch sind diese Determinanten weniger bedeutsam für Wachstum und Wohlstand als die Innovationskraft und der Gestaltungswille zur Erreichung eines höheren Immaterialisierungsgrades der volkswirtschaftlichen Güter. Die Zinshöhe ist weniger wichtig in ihrer jetzigen Funktion, Investoren schlechthin abzuhalten oder zu ermutigen, sondern inwiefern sie diejenigen motiviert oder abhält, die zur Immaterialisierung der Güter beitragen. Und gleiches gilt auch für die Tarifabschlüsse, deren Höhe sich nach gleichem Kriterium ausrichten muß, weshalb Pauschalabschlüsse sozial zwar verständlich, aber ökonomisch falsch sind. Fassen wir zusammen:

1. Konjunkturpolitik ist das Herzstück der Wirtschaftspolitik und Stabilität, generelles Ziel für eine positive Gestaltung derselben, die nach bisher herrschender Meinung dann gegeben ist, wenn Wachstum, Vollbeschäftigung, gleichbleibendes Preisniveau und außenwirtschaftliches Gleichgewicht vorliegen. 2. Weder diese Zielsetzungen noch die monetäre Steuerung der Mittel zur Erreichung derselben werden der ökonomischen Wirklichkeit gerecht. In hochentwickelten Ökonomien ist der entscheidende Faktor für eine positive Wirtschaftsgestaltung der Immaterialisierungsgrad ihrer Güter. 3. Damit ist nicht in erster Linie die Dienstleistung gemeint, die ohnedies eher ein Derivat der Animisierung der Güter aus Urproduktion und Gewerbe darstellt, sondern diese Güter selbst, was am deutlichsten in der Konsumierung dieser Güterpersönlichkeiten zum Ausdruck kommt. 11

Samuelson, Paul A.: Economics, S. 836.

4.4 Finanzpolitik

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4. Schöpferische Gestaltung von Immaterie, Vermarktung und Verbrauch derselben gehören unzertrennlich zueinander, sie bedingen einander, sind polar strukturiert. Ohne Bereitschaft, Immaterie zu kaufen und zu "konsumieren", macht ihre Produktion keinen Sinn. 5. Die Konjunkturpolitik hat nach der Immaterialisierungstheorie nur ein Ziel, die Erhöhung des Immaterialisierungsgrades in Gütern und Güterkategorien. Wird dieses Ziel erreicht, werden alle anderen Ziele, die aufgrund momentaner Wirtschaftspolitik vorgegeben werden, erfüllt. 6. Zur Umsetzung der neuen Politik ist ein neues Informationssystem erforderlich, das den Stand der Immaterialisierung aller Güter und/oder Güterkategorien aufzeigt, was der Gleichartigkeit psychologischer Bedürfnisbefriedigung wegen (immateriell) nur in jeweils einer Volkswirtschaft ermittelt werden muß und auf alle hochentwickelten Länder der Welt übertragbar ist. 7. Die auf der Immaterialisierungstheorie basierende Konjunkturpolitik erfordert neue Handlungsweisen, die sich in entsprechenden, auf das Ziel der Erhöhung von Immaterialisierungsgraden der volkswirtschaftlichen Güter und deren Kategorien ausgerichteten Maßnahmen ausdrücken. 8. Die Anreize und zwölf empfohlenen Maßnahmen sind Indikatoren für eine reale Konjunkturpolitik. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

4.4 Finanzpolitik Finanzpolitik umfaßt Geld- und Fiskalpolitik. Beide betreffen sowohl die materielle als auch die institutionelle Seite der Ökonomien und sind Instrumentarien zur Steuerung der Volkwirtschaften. Der Wirtschaftskreislauf einer Zeitperiode (Jahr) wird in einer Ergebnisrechnung nach der Input-Output-Methode gesamthaft dargestellt. Dieses Bruttosozialprodukt (BSP) wird in Geld ausgedrückt, das seiner Definition entsprechend als Zahlungs-, Wertausdrucksund Wertaufbewahrungsmittel gilt. In nahezu allen Staaten mit hochentwickelten Ökonomien wird über Geldmenge, die in den Wirtschaftskreislauf gegeben wird (verantwortlich für Währungen sind Staaten), Wirtschaftspolitik gemacht. Nach der Art der im Umlauf, auf Termin oder Sparkonten befindlichen Geldmenge wird nach Mi, M2, M3 gesteuert (BRD M3), was sich in den Zinsen ausdrückt, die ihrerseits die gewünschten Stabilitätsziele beeinflussen. 12 Die Fiskalpolitik bezieht sich auf die Ein- und Ausgabeseite des Staatshaushalts. Gleiches gilt für Länder und Kommunen. Maßnahmen sind das Erheben von Steuern und Abgaben auf der einen sowie Ausgaben und Subventionen auf der anderen Seite, wobei diese mehr oder weniger fix sind. In den Demokratien sind dem Staat von dessen Bürgern Aufgaben zugewiesen, die dieser zu erfüllen hat, wofür er von denselben Mittel zur Verfügung gestellt bekommt. Trotz der Eindeutigkeit der Verantwortlichkeiten hat nicht der 12

9*

Vgl.: Sonderdruck der deutschen Bundesbank Nr. 7. Die Deutsche Bundesbank. S. 83ft.

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

einzelne Bürger, sondern der Staat die Macht. In der neuen Demokratie werden die Vertreter des Staates durch freie Wahlen zu Souveränen. Mit dieser Politisierung wird die Fiskalpolitik über die Wirtschaftssteuerung hinaus als gesellschaftspolitisches Instrument legitimiert, in dessen Vordergrund individuelle Belastungen und Verteilungen stehen, die gerecht sein sollen. An diesem Generalauftrag Finanzpolitik an die Regierungen hochentwickelter Staaten wird auch die Immaterialisierungstheorie nichts ändern. Der Staat muß in den neuen Demokratien Aufgaben erfüllen, die eine Finanzpolitik erfordern. Doch muß und kann er sie so gestalten, wie ihm das die herrschenden Volkswirtschaftstheorien empfehlen? Bedeutende Wirtschaftswissenschaftler verneinen dasY Nach der Immaterialisierungstheorie muß eine Umgewichtung der Geld- und Fiskalpolitik erfolgen, da Geldmengenumlauf und Zinsniveau nicht auf den Immaterialisierungsprozeß abgestimmt sind, ebensowenig wie die Einnahmen und Ausgaben. Hier besteht Handlungsbedarf. Die Lösung der gestellten Aufgabe ist insofern einfach, weil sie mit der neuen Theorie systemkonform ist. Die Transformation von Geist, die den Immaterialisierungsprozeß bestimmt, hat in hochentwickelten Ökonomien die soziale Frage in ihrer Grundsätzlichkeit gelöst. Die neue Armut in den neuen Demokratien hochentwickelter Länder hat nichts mehr mit Hunger, Not und Elend zu tun. Es ist vielmehr eine relative Armut, in der sich ein Teil der Bevölkerung solcher Staaten weniger leisten kann als der Durchschnitt. Während nahezu alle Menschen als produzierende Wesen, als Erwerbstätige, von der Immaterialisierung der Investitionsgüter profitieren - sie arbeiten kürzer und mit weniger körperlichem Aufwand -, können nur relativ wenige Menschen als konsumierende Wesen (als Verbraucher) eine bestmögliche Befriedigung ihrer immateriellen Bedürfnisse erreichen. Auf diese Diskrepanz der Immaterialisierung von Investitions- und Konsumgütern muß die Finanzpolitik abstellen. Momentan werden diejenigen, die auf Mode- und Luxusgüter weitgehend verzichten müssen, im untersten Drittel der Einkommensverteilung sozial abgefunden und die breite Masse sowie vor allem die "Immateriekonsumenten" steuer- und abgabemäßig zu hoch belastet. Nachdem in hochentwickelten Ländern die Grundversorgung sichergestellt ist, empfiehlt sich nach der neuen Theorie die Einführung einer degressiven Mehrwertsteuer dergestalt, daß mit zunehmendem Immaterialisierungsgrad einer Güterkategorie der Mehrwertsteuersatz gesenkt wird.

13 Vgl. HardeslRahmeyerlSchmid: Volkswirtschaftslehre. S. 175; oder von Hayek, Friedrich A.: Die Vortäuschung von Wissen, S. 385ft; oder Tobin, James: Geld und Finanzwissenschaft im makroökonomischen Prozeß. In: Die Nobelpreisträger der ökonomischen Wissenschaft, Bd. 11, hrsg. von H. C. Recktenwald, Düsseldorf 1989, S. 774.

4.4 Finanzpolitik

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Diese Vorgehensweise stützt sich auf die Erkenntnis, daß der "Immateriekonsum" alle ökonomischen Ziele zu erfüllen vermag. - Qualitatives Wachstum wird auf einem höheren Niveau abgesichert. Einmal, indem die Zahl der Konsumenten von Immaterie steigt, und zum anderen, weil deren Intensität zunimmt. Immaterielle Bedürfnisbefriedigung ist im Gegensatz zur materiellen unbegrenzt. - Qualifizierte Beschäftigung sichert Arbeitsplätze und schafft neue. "Produzierender Geist" beruht auf Talent und Können von Individuen und kann nur bedingt durch Technik ersetzt werden. - Qualitätsbestimmtes Preisniveau wird durch Steuerdegression stabilisiert. Die Kaufkraft steigt und mit ihr die Nachfrage nach Gütern mit hohem immateriellem Nutzen. - Das außenwirtschaftliehe Gleichgewicht stabilisiert sich. Die Vermarktung von Immaterie ist grenzüberschreitend und wirkt gleichermaßen für Import und Export. - Das Wohlstandsniveau nimmt durch Mehrung immaterieller Werte zu. Ein Trend, der heute schon im Vermögenszuwachs deutlich erkennbar ist, wo nicht mehr das Materielle, sondern das Immaterielle im Mehrwert deutlich wird. Die Umsetzung der Immaterialisierungstheorie in die Wirtschaftspraxis ist so gesehen keine revolutionäre Aktion, sondern eine Anpassung an die Wirklichkeit des ökonomischen Evolutionsprozesses von der quantitativen zur qualitativen, von der materiellen zur immateriellen Güterherstellung, -vermarktung und Konsumtion. Auf diese Dominanz des Immateriellen muß die Finanzpolitik fiskalpolitisch nicht nur bezüglich der Einnahmeseite reagieren. Die Ausgabenseite hat eine noch höhere Priorität. Zunächst führt eine Sicherung der Arbeitsplätze und ein gleichzeitig abnehmender Zuwachs von Arbeitszeitverkürzungen jeder Art (Wochen-, Jahres- oder Lebensarbeitszeit) zu einer Konsolidierung und/oder Abnahme von staatlichen Ausgaben in nahezu allen sozialen Bereichen. Eine derartige Entlastung eröffnet zwei Möglichkeiten. Entweder der Staat senkt weiter die Steuer- und Abgabenlast, weil er Mittel in dieser Höhe nicht braucht, oder er verwendet diese Mittel, um den Prozeß der Immaterialisierung positiv zu unterstützen. Die möglichen Projekte für staatliche Maßnahmen sind vielfältiger Art und jetzt schon, obwohl die Mittel eigentlich hierfür nicht vorhanden sind, in hochentwickelten Ökonomien zu registrieren, einmal mehr ein Beweis für die Wirklichkeitsnähe der neuen Theorie. Am Beispiel der Stadt Frankfurt kann eine immateriefeindliche wie immateriefreundliche Politik mit wirtschaftlicher Auswirkung exemplifiziert werden. Kultur als Wirtschafts gut (Immaterie) wurde und wird von Sozialdemokraten und insbesondere von Grünen zugunsten vordergründiger materieller sozialer Ziele vernachlässigt. Der Etat für Kultur wird niedrig gehalten, dafür

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4. Wirtschaftspolitik nach der Immaterialisierungstheorie

wird der Personalbestand im Rathaus z.B. um 2000 Stellen erweitert. Viele hochqualifizierte, weil immaterieorientierte Arbeitsplätze gehen verloren, von den indirekt dadurch zerstörten, etwa in Gastronomie, Handel und Handwerk gibt es keine Statistik. Derartige Rechnungen werden nur bei dramatischen Veränderungen in einer Gemeinde oder Region aufgemacht, wie etwa momentan beim Abzug amerikanischer Truppen oder der Aufgabe von Standorten seitens der Bundeswehr in Deutschland. Doch zurück zu Frankfurt. In der Amtszeit der Christdemokraten hat ein kunstsinniger Oberbürgermeister genau die gegensätzliche Politik von Rot-Grün betrieben und hohe Investitionen in der Kultur gemacht und das interessanterweise mit einem sozialdemokratischen Fachmann in Sachen Kultur. Es gibt Kritiker für beide Seiten, den einen wird vorgeworfen, daß sie zu wenig, und den anderen, daß sie zu viel Mittel für die Erstellung immaterieller Güter aufgewendet hätten. In einer rein wirtschaftlichen Bewertung ist die Bilanz beider kommunaler Aktivitäten eindeutig. Die Wertschöpfung als Kriterium genommen, haben die zusätzlichen 2000 Arbeitsplätze mehr z. B. keinen positiven, wahrscheinlich sogar einen negativen Beitrag (mehr Bürokratie mit allen ihren schlimmen Folgen) gebracht. Anders die Investitionen im Kulturbereich. Abgesehen von der Errichtung vieler Bauten, durch die zahlreiche Menschen Beschäftigung hatten, wurden durch die neuen Institutionen Arbeitsplätze geschaffen. Das Image von Frankfurt wurde erhöht, was Firmen in die Stadt zog und auch den Tourismus belebte. Daß diese Art von immaterieorientierter Wirtschaftspolitik in Deutschland bereits einen hohen Stellenwert hat, zeigen die Festival-Städte und -Regionen sowie das Bemühen vieler Kommunen, diesem Trend zu folgen, wie gerade momentan die Aktivitäten Bonns, Beethoven zu vermarkten. Ein eindrucksvolles Beispiel aus der Vergangenheit für eine Vermarktung von Immaterie in einer aus wirtschaftlicher Sicht trostlosen Situation ist das der Beatles aus dem Arbeitslosenmilieu Liverpools. Sie sind die Begründer eines neuen Wirtschaftszweiges, der Rockmusik, geworden. Alle diese Beispiele der Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter zeigen, was in einer hochentwickelten Wirtschaft machbar ist, wenn schöpferische Gestaltung immaterieller Wirtschaftsgüter von einer offensiven Fiskalpolitik unterstützt wird und weniger Gelder für das Erhalten von Materiellem und mehr für das Gestalten von Immateriellem ausgegeben wird. Die Immaterialisierungstheorie präferenziert Wertschöpfung und Effizienz, was letztlich immer auch dem Sozialen zuträglich ist. Es gibt zwei wirtschaftliche Kräfte, die den Immaterialisierungsprozeß hochentwickelter Ökonomien überdurchschnittlich beeinflussen, der Mittelstand und die Mittelschicht. Jetzt schon gehen von beiden die höchste Innovationskraft und der stärkste immaterielle Konsum aus. Es sind nachweislich

4.4 Finanzpolitik

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die kleinen und mittelständischen Unternehmen der Privatwirtschaft, die mit Kreationen aufwarten. Die Gründe hierfür liegen bekanntlich im Zwang zum Überleben. Denn ohne diese Immaterialisierungsoffensive sind sie im Wettbewerb unterlegen. Die Hauptkonsumenten von Immaterie befinden sich in der Mittelschicht, weil bei Ihnen der Drang, nach oben zu kommen, am stärksten ist. Die Unterschicht kämpft um Versorgung und Daseinsbewältigung, die Oberschicht ist saturiert und leistet dabei absolut gesehen zwar immer noch den höchsten Beitrag zum" Geltungskonsum ", ist aber relativ niedrig an dessen Zuwachs beteiligt. Genau diese Mittelschicht (produktiv wie konsumtiv) hat die vergleichsweise höchste Belastung. Sie arbeitet am härtesten, zahlt die meisten Steuern und bekommt praktisch keine Subventionen. Hier ist der Ansatz für eine veränderte Fiskalpolitik, die der neuen Theorie entspricht. Fassen wir zusammen:

1. In allen Demokratien der Welt werden die Volkswirtschaften über Geld gesteuert, obwohl nicht das Geld, sondern Geist die Märkte macht. 2. Nach der Immaterialisierungstheorie ist weder Geldumlaufmenge noch Zinsrate, sondern der Immaterialisierungsgrad der volkswirtschaftlichen Güter bestimmend für Wachstum und Wohlstand hochentwickelter Ökonomien. 3. Die Geldpolitik ist in den Dienst der Immaterialisierung zu stellen, was einen Wandel vom Sach- zum Personalkredit bedeutet. 4. Die Fiskalpolitik muß sowohl hinsichtlich der Einnahmen- wie der Ausgabenseite des Haushaltes geändert werden, mit der Grundtendenz zur Senkung der Aktiva wie Passiva. 5. Die insgesamt zu hohe Steuerlast muß zugunsten der Herstellung, Vermarktung und des Konsums von Immaterie gesenkt werden. Einführung einer an den Immaterialisierungsgrad gekoppelten degressiven Mehrwertsteuer. 6. Steuerliche Entlastung des Mittelstandes als bedeutendste Innovationskraft hochentwickelter Ökonomien ist notwendig. 7. Finanzierung staatlicher Einrichtungen zur Förderung von Kreativität ist das Gebot der aktuellen Situation. 8. Umschichtung der Mittelallokation von Sozialausgaben auf Aktivitäten, die soziale Ausgaben erübrigen, indem die Talente und Fähigkeiten der Menschen produktiv genutzt werden. 9. Integration von Wirtschaft und Kultur, weil nach der Immaterialisierungstheorie Fördermittel kultureller Art keine Subventionen, sondern Investitionen darstellen. So wäre ein "Kulturpfennig" effizienter als ein "Kohlepfennig" . 10. Zur Derivation des Geldflusses muß die Deregulierung kommen. Die Bürokratie ist der Feind der Immaterialisierung.

5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie 5.1 Beschäftigung

In den hochentwickelten Ökonomien der neuen Demokratien ist die Vollbeschäftigung oberstes Ziel der Wirtschaftspolitik. Sie befindet sich scheinbar in einem Teufelskreis. Denn je mehr produziert und verbraucht wird, um so weniger Manpower ist für die Güterbereitstellung nötig, weil durch den technischen Fortschritt immer mehr Arbeit auf Maschinen übertragen wird. In Europa gab es 1995 etwa 20 Millionen registrierte Arbeitslose. Doch weit bedeutsamer für die Wirtschaft als diese ist die Zahl derjenigen, die Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. In Krisenzeiten schnellt der Anteil, der normalerweise bei etwa 10% liegt, auf 50% der Erwerbstätigen hoch, eine Zahl die völlig irrational ist, einmal weil sie nicht einmal in den schärfsten Krisen je eingetreten ist, zum anderen weil sie auch praktisch nicht eintreten kann, weil dann die Wirtschaft zuvor schon bankrott sein würde. 1 Die tatsächliche und die befürchtete Arbeitslosigkeit machen die Wirtschaft unstabil. Nach keiner der herrschenden Wirtschaftstheorien, so haben wir festgestellt, kann eine Wirtschaftspolitik gemacht werden, die diesen Zustand ändert. "Sowohl ,keynesianische' als auch ,klassische' Arbeitslosigkeit sind möglich, und es können sogar beide Formen gleichzeitig auftreten: Bei zu hohen Reallöhnen reicht der vorhandene Kapitalstock nicht aus, um Vollbeschäftigung zu sichern, und auch die aggregierte Nachfrage nicht, um die geplante Produktion der Unternehmen abzusetzen. Damit hätten Reallohnänderungen angebots- und nachfrageseitige Wirkungen."2 Oder, "Der wichtigste Grund der anhaltenden Unterbeschäftigung liegt nach Hayek in der Diskrepanz, die zwischen der Verteilung der Nachfrage auf verschiedene Güter und Dienste einerseits und der Allokation von Arbeit und anderen Ressourcen auf die Produktion jenes Ausstoßes andererseits existiert ( ... ) Da wir, die beobachtenden Wissenschaftler, nie alle Bestimmungsfaktoren einer 1 Anmerkung: Diese Angst vor Arbeitslosigkeit ist weder in der Theorie noch in der Praxis mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht worden. Die zwei bedeutendsten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland der Nachkriegszeit, Erhard und Schiller, haben der Psychologie große Bedeutung beigemessen, indem sie zum Maßhalten aufriefen, doch so recht begründen konnten sie ihre Ansicht nicht, obwohl das Verhalten der Bürger einen realen Hintergrund dafür bot. 2 Solow, Robert M.: Wachstumstheorie und ihre Perspektiven. In: Die Nobelpreisträger der ökonomischen Wissenschaft, Bd. II, hrsg. von H. C. Recktenwald, Düsseldorf 1989. S. 972

5.1 Beschäftigung

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solchen Ordnung kennen und folglich auch nicht wissen können, bei welcher bestimmten Preis- und Lohnstruktur die Nachfrage überall dem Angebot entsprechen würde, können wir auch nicht die Abweichungen dieser Ordnung messen."3 Nahezu alle Epigonen von Smith und Keynes sehen eine Korrelation zwischen Löhnen und Preisen einerseits sowie Beschäftigung andererseits. Inflation und Arbeitslosigkeit werden dabei immer wieder zueinander in Beziehung gesetzt. Die Wirklichkeit hat alle bislang ermittelten und aufgestellten Gesetzmäßigkeiten außer Kraft gesetzt. Das führte dazu, daß die einen von einer "natürlichen Arbeitslosigkeit" ausgehen4 und ein gleichzeitiges Auftreten von Inflation und Arbeitslosigkeit (Staglation) hinnehmen und die anderen "Vollbeschäftigung und Preisstabilität ... als zwei voneinander getrennte und oft miteinander in Widerspruch geratende Ziele makroökonomischer Politik"S sehen oder viele endogene und exogene Faktoren für das Entstehen von Krisen und notwendigerweise auch Konjunkturen mit entsprechenden Begleiterscheinungen auf dem Arbeitsmarkt und hinsichtlich der Wohlfahrt in Verbindung bringen. 6 Nach den Weltwirtschaftskrisen der dreißiger, siebziger und achtziger Jahre herrscht die Meinung vor, daß viele Ursachen auf den Gang der Wirtschaft einwirken und man sich mit einem bestimmten Prozentsatz von nicht mehr vermittelbaren Arbeitskräften abfinden muß. Als Hauptgrund für Instabilität und Arbeitslosigkeit wird die Entwicklung, "die Wirkung des institutionellen Wandels", der eng mit dem technischen Fortschritt korreliert, gesehen. 7 Ungeachtet aller dieser neuesten theoretischen Erkenntnisse und Selbsterkenntnisse der Wirtschaftswissenschaftler wird ökonomische Realpolitik dennoch entweder nach neoklassischer oder postkeynesianischer Art betrieben. Im Mittelpunkt steht dabei die Beschäftigungspolitik mit Diskussionen um Löhne und Preise im Kontext zu Wettbewerbsfähigkeit, Kaufkraft und immer wieder auch den Sozialkosten. Buchanan bringt das allgemeine Unbehagen der Wirtschaftswissenschaftler auf den Punkt: "Die Ökonomen sollten aufhören, politischen Rat zu erteilen ... statt dessen sollten sie den Rahmen ins Auge fassen, in dem politische Entscheidungen gefällt werden. ,,8 Und Hayek meint: "Es scheint mir, als ob dieses Versagen der Ökonomen, die Politiker mit Erfolg zu beraten, eng verbunden ist mit ihrer Neigung, soweit wie nur möglich das Vorgehen der von Hayek, Friedrich A.: Die Vortäuschung von Wissen, S. 386-389. V gl. Friedman, Milton: Inflation und Arbeitslosigkeit, S. 503. 5 Vgl. Meade, James: Die Bedeutung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes im Inland. In: Die Nobelpreisträger der ökonomischen Wissenschaft, Bd. 11, hrsg. von H. C. Recktenwald, Düsseldorf 1989, S. 568. • V gl. Friedman, Milton: Inflation und Arbeitslosigkeit, S. 494ff. 7 Vgl. Friedman, Milton: Inflation und Arbeitslosigkeit, S. 517. 8 Buchanan, James M.: Die Verfassung der Wirtschaftspolitik, S. 933. 3 4

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

höchst erfolgreichen Naturwissenschaften nachzuahmen .... Ich bezweifle, ob die Suche der mathematischen Ökonomen nach meßbaren Größen bedeutsame Beiträge zu unserem theoretischen Verständnis der wirtschaftlichen Erscheinungen geleistet hat. ,,9 So einfach ist das mit der Zurückhaltung oder gar einem Sich-Zurückziehen der Wissenschaftler nicht. Zum einen käme es einer Selbstaufgabe gleich, zum anderen ließe es die Öffentlichkeit nicht zu. Also bleibt die Aufgabe bestehen, zur Problemlösung der Arbeitslosigkeit beizutragen. Jede neue Theorie hierzu, darin sind sich alle Wissenschaftler einig, "ist wissenschaftlich wertlos und sollte zurückgewiesen werden, wenn sie nicht durch empirische Evidenz bestätigt wird".l0 Praxis bedeutet in erster Linie Mikroökonomie; denn in Unternehmen werden die Menschen eingestellt und entlassen, werden Löhne/Gehälter und Preise für die Güter festgelegt. Der dort stattfindende Geschehensvollzug stützt zunächst einmal die These von Friedman und vielen anderen Ökonomen, wonach die von Schumpeter postulierte "schöpferische Zerstörung", also der permanente Neuerungsprozeß, ebenso wie exogene Faktoren (Ölschock) Instabilität auslösen. Dazu drei Beispiele aus der Praxis, die diese Ansichten bestätigen. 1. Beispiel: Ölkrise

In einem Unternehmen war nach sorgfältiger Vorbereitung (Markteintrittsstudie) die Entscheidung getroffen worden, den Joghurt-Markt mit Produkten erstmals zu beliefern. Die Außenorganisation stand, die Testmarktergebnisse bestätigten die Planung, in diesem Markt eine Marke erfolgreich zu etablieren. Mitten in die bundesweite Einführung kam völlig unerwartet der Ölpreisschock, der natürlich nicht im Kostenpreis berücksichtigt war. Reaktion des Unternehmers: Um hohe Verluste abzuwenden, mußte eine Korrektur der Plankostenabweichung vorgenommen werden. Dazu gab es kurzfristig zwei Möglichkeiten: Die naheliegendste war die Erhöhung der Abgabepreise. Sie war in der Praxis nicht durchführbar, weil der Wettbewerb zu stark war, weil der Handel nicht so schnell mitziehen wollte, weil die Preiserhöhung exorbitant hoch hätte sein müssen und vor allem weil die Verbraucher zu diesen hohen Preisen weniger Joghurt gekauft hätten. Die einzig mögliche kurzfristige Maßnahme zu Kosteneinsparungen war die Freisetzung von Arbeitskräften. In diesem konkreten Fall konnten Entlassungen und ein Sozialplan vermieden werden, weil die Mitarbeiter in anderen Bereichen des Unternehmens (Konzerns) einen neuen Arbeitsplatz fanden. 9 10

von Hayek, Friedrich A.: Die Vortäuschung von Wissen, S. 384.

AI/ais, Maurice: Die Hauptlinien meines Werkes, S. 1003.

5.1 Beschäftigung

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2. Beispiel: Dollarkurs In Übereinstimmung mit der Konzernzentrale wurde für alle Berechnungen des Marketing- und Masterbudgets ein bestimmter Dollarkurs festgelegt. Das war im Herbst des Jahres. Im Frühjahr des folgenden Jahres entwickelte sich der Dollarkurs stark nach oben. Die neuen Berechnungen auf hohem Dollar ergaben enorme Abweichungen zum Budget im Herbst des Vorjahres. Das machte eine Korrektur des Rechenwerkes notwendig. Wieder gab es die beiden Alternativen, Erhöhung der Abgabepreise mit der Folgerung, daß auch die Endverbraucherpreise, in diesem Fall für Kaffee, steigen, oder Kosteneinsparung. Nahezu gleicher Verlauf wie beim ersten Beispiel: Durchset zung der Preiserhöhung war vom Timing her kurzfristig nicht machbar. Deshalb blieb die einzige Möglichkeit zur Vermeidung hoher Verluste die Freisetzung von Arbeitskräften. Dieses Mal mit Entlassung. Sie erfolgten sozialverträglich. 3. Beispiel: Ersatzinvestition Eine alte Anlage mußte aus technischen Gründen erneuert werden. Das neue Modell bot neben vielen Vorteilen auch den, daß weniger Personal nötig war, weil eine halbkontinuierliche durch eine vollkontinuierliche Anlage ersetzt wurde. In diesem konkreten Fall handelte es sich um weniger als 10 Personen, die durch verschiedene Maßnahmen anderswo im Unternehmen weiterbeschäftigt werden konnten. In den ersten beiden Fällen zwangen exogene Faktoren zum Handeln, im dritten ein endogener. Doch alle Beispiele bestätigen die makroökonomische These, daß Preise und Beschäftigung in engem Kontext zueinander stehen, miteinander korrelieren. Kostenmanagement ist in der Tat für die Mikroökonomie das entscheidende Mittel, ohne oder mit geringen Verlusten über Krisensituationen hinwegzukommen. Zumindest zeigen die Gewinn- und Verlustrechnungen und die Abgabepreise sowie Beschäftigtenzahlen bestimmter Perioden, daß schnelle Korrekturen nur schwer realisierbar sind. Die einfachste Lösung ist dabei leider, Beschäftigte zu entlassen. Die ersten beiden Beispiele exogener Einflüsse auf Unternehmen sind weniger häufig als das dritte, wo es um Neuerungen geht. Es entspricht dem Bild der Wirklichkeit am meisten und unterstreicht die Feststellung, daß der technische Fortschritt zwei Drittel des Wachstums bestimmt und einer der wesentlichsten Gründe für Arbeitslosigkeit und die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes darstellt. l l "In einer statischen und verkrusteten Volkswirt-

11 Vgl. Reckten wald, Horst Claus: Die ökonomische Wissenschaft - auch Kritisches zu ihrem Verständnis, S. 38.

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

schaft mag für jeden ein fester Arbeitsplatz reserviert sein, wohingegen in einer dynamischen, vorwärtsstrebenden Volkswirtschaft, die laufend neue Möglichkeiten bietet und die Flexibilität fördert, eine hohe natürliche Arbeitslosigkeit auftreten kann. "12 Eine simple Fortschreibung der gegenwärtigen Beschäftigungssituation hochentwickelter Staaten führt zu der deprimierenden Feststellung, daß die Arbeitslosigkeit weiter steigen und die Angst um den eigenen Arbeitsplatz zunehmen wird und dies trotz Arbeitszeitverkürzungen und weiteren Kürzungen bei der Wochen- und Lebensarbeitszeit. Ein Stillstand oder gar eine Umkehr ist mit der momentanen Beschäftigungspolitik nicht zu erreichen. Die einzige Möglichkeit, die Menschen in hochentwickelten Märkten auch zukünftig in Arbeit zu halten oder sie neu in solche zu bringen, ist die Immaterialisierung der volkswirtschaftlichen Güter, die schon jetzt eine Katastrophe verhindert. Warum das so ist, zeigen die Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie bei ihrer Umsetzung auf die Beschäftigung. Obwohl alle Kulturvölker der Welt von der Erkenntnis mens sana in corpore sano, wonach gesunder Verstand und gesunder Körper einander bedingen, ausgingen, hat es bis zum zwanzigsten Jahrhundert gedauert (Sigmund Freud), bis die Psychosomatik in der Medizin ernsthaft Eingang fand. Heute spielt die Psyche eine dominante Rolle, und niemand stellt die Interaktion von Körper und Geist/Seele, von Materie und Immaterie, in Frage. Es ist unbestritten, daß auch die Wirtschaft einen Organismus darstellt. Die Makroökonomie hat dieses Phänomen offenbar noch nicht für sich entdeckt. In der Lehre kommt der Begriff Güterpersönlichkeiten nicht vor, ganz im Gegensatz zur Mikroökonomie, die weiß, daß diese Immaterialisierung der Schlüssel zur Lösung ihrer Personalproblerne darstellt. Die Volkswirtschaft der Neuzeit wird ihre Beschäftigungsprobleme ebenfalls nur über und durch den Immaterialisierungsprozeß lösen können. Es sind geistige Leistungen (immaterielle), die es ermöglichen, Massengüter herzustellen. Durch Geist sind Ablaufprozesse effizienter geworden, werden immer wieder neue Roh-, Hilfs-, Betriebs- und Werkstoffe entdeckt, und es kommen ständig neue Güter in den Markt, die in immer höherem Maß immateriell aufgeladen sind. Das, so können Kritiker jetzt sagen, ist doch wohl gemeint, wenn von technischem Fortschritt gesprochen wird. Das trifft zwar für die Angebotsseite, wo es um Investitionsgüter und Systeme geht, zu, greift jedoch zu kurz, weil bei technischen Gütern deren Immaterialisierungsgrad übersehen wird. Millionen-Investitionen in neue Aggregate, Anlagen, Gebäude oder Maschinen

12

Friedman, Milton: Inflation und Arbeitslosigkeit, S. 504.

5.1 Beschäftigung

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sind immaterielle Werte zur Befriedigung von Ansehen und Ästhetik. Wenn heute Designer neben Ingenieuren oder Kommunikationsfachleute neben Verkäufern arbeiten, so sind das zusätzliche Arbeitsplätze, die beispielsweise nur zur Immaterialisierung der Güter und zu nichts anderem errichtet worden sind. Ergometrik beachtende oder den Lärmpegel senkende Tätigkeiten bei der Gütererzeugung erhöhen nicht nur die Vermarktungsfähigkeit, sondern sichern oder schaffen auch neue Arbeitsplätze. Derartige Persönlichkeitsmerkmale finden sich dann bei Stanzen oder Gabelstaplern, bei Fräsen oder Ackerschleppern. Es gibt heute praktisch kein Investitionsgut, das ohne einen immateriellen Bestandteil vermarktet wird. Deshalb stimmt auch die weitverbreitete Ansicht, daß die Dienstleistung als solche im herkömmlichen Sinn wie z. B. Beratungstätigkeit oder Tourismus allein Beschäftigung schaffe und sichere, nicht. In den selteneren Fällen stellt diese Art von Dienstleistung eine völlig neue Güterkategorie dar, meistens ist sie von einem materiellen Gut abgeleitet oder aus diesem ausgegliederte Vermarktung von Immaterie. Das beste Beispiel liefert der Service bei Investitions- und/oder Konsumgütern. Ohne Immaterialisierung der Investitionsgüter hätten die durch den technischen Fortschritt freigesetzten Arbeitskräfte keinen neuen Arbeitsplatz gefunden. Was sich in der Realität vollzieht, soll mit der Immaterialisierungstheorie in der Wirtschaftspolitik umgesetzt werden, was diesen bereits vorhandenen Prozeß begünstigt und das Beschäftigungsproblem weniger pessimistisch erscheinen läßt, zumal dann, wenn sich diese Beschäftigungspolitik in verstärktem Maße auf Konsumgüter, wo das Schwergewicht der Immaterialisierung liegt, erstreckt. Die Immaterialisierung dieser für den Konsum bestimmten Güter, der Output, diese qualitative Wertschöpfung, sichert und schafft in hohem Maße Arbeitsplätze. Die Auswirkungen der Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter bei einer auf der neuen Theorie basierenden Beschäftigungspolitik stellt sich im einzelnen wie folgt dar: - Der Mensch nähert sich als Erwerbstätiger seiner Bestimmung, er wird zum homo creatus. Er arbeitet weniger körperlich und weniger hart, ist besser ausgebildet, höher qualifiziert. - Die Immaterialisierung ermöglicht die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß bei Arbeitslosigkeit und sichert im übrigen grundsätzlich die Arbeitsplätze, da Maschinen weniger gut in der Lage sind als Menschen, Immaterie zu produzieren. - Der Mensch kommt auch als Konsument seiner Bestimmung näher, er wird zum homo consumus spiritualis. Er verbraucht mehr immaterielle als materielle Güter, hat mehr Freude, ist zufriedener und glücklicher. Er konsumiert gleichsam Faszination. - Der Mensch hat gleich viel Arbeits- wie Freizeit. Neben-, Zweit- und Schwarzarbeit gehen in dem Maße zurück, wie dieser Mensch in seinem

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

Beruf Erfüllung findet, da er seinen Talenten und Fähigkeiten entsprechend eingesetzt wird. Wachsende Sicherheit steigert Konsum und Vermögensbildung. Ohne Angst lebt es sich freier. Absenkung der Quote Langzeitarbeitsloser, Abschmelzen temporärer natürlicher Arbeitslosigkeit. Sinkende Kosten sind die Folgen. Mehr Privateigentum, steigende Kaufkraft, mehr Individualität, Subsidiarität, kein Kollektivismus machen die Menschen glücklicher. Qualitatives Wachstum sichert generell Arbeitsplätze. Immaterialisierung bietet mehr Möglichkeiten zur Selbsterneuerung, daher weniger Strukturwandel, weniger Gefahr für Verlust von Arbeitsplätzen. Geistiges Tätigsein erlaubt mehr Flexibilität hinsichtlich Zeit und Ort des Beschäftigtseins. Geltungskonsum stärkt Selbstbewußtsein, macht weniger krank, steigert die Leistungskraft und gibt mehr Spaß an der Arbeit.

Die heutige Beschäftigungssituation gleicht in vieler Hinsicht bereits der auf Unternehmensebene betriebenen Beschäftigungspolitik. Schon heute sind aufgrund des dort stattfindenden Immaterialisierungsprozesses die Fachkräfte in den Firmen am wenigsten gefährdet, ihre Arbeitsplätze zu verlieren. Wer seinen Fähigkeiten entsprechend an der schöpferischen Gestaltung von Immaterie beteiligt ist, wird seinen Job kaum verlieren. Kriterium ist dabei nicht, ob ein Erwerbstätiger Hand- oder Kopfarbeit verrichtet, sondern ob einer mit Hand oder Kopf Güter mit hohem Immaterialisierungsgrad herstellt. Das bedeutet in realiter, daß die These, man müsse unbedingt eine höhere Schule besuchen und studieren, um zu einem sicheren Arbeitsplatz zu kommen, falsch ist. Das Postulat erzwungener (nicht normaler) Chancengleichheit sollte als politisches Dogma dahingehend geändert werden, daß jedem individuelle Chancen, die seiner Begabung entsprechen, eingeräumt werden. Nach der Immaterialisierungstheorie ist die beste Beschäftigungsgarantie die Ausbildung der vorhandenen Talente in den Menschen. Die Tatsache allein, daß heute schon sehr viele Hochschulabsolventen keine Arbeit haben, wo doch gerade ihr Potential eigentlich gebraucht werden sollte, belegt die These, daß hoher Intellekt und viel Wissen noch keine Garanten für schöpferisches Gestalten sind. In diesem Zusammenhang ist es angebracht, darauf hinzuweisen, daß Immaterialisierung Berufe und Jobs, wo nur Hand anzulegen ist, keineswegs obsolet machen. Im Gegenteil, sie bleiben nicht nur bestehen, sondern vermehren sich in gleichem Maße, wie die Wohlfahrt steigt. In nahezu allen Sozialberufen, die mit Pflege zusammenhängen oder mit Dienen und Bedienen (Service = Dienstleistung = Immaterie), besteht eher Mangel als ein Überangebot. Gäbe es die ausländischen Lohn- und Zeitarbeiter nicht, so blieben

5.1 Beschäftigung

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viele anliegende Arbeiten unverrichtet. Doch dies ist keine ökonomische, sondern eine gesellschaftspolitische Frage. Und in gleicher Weise wie nach der Immaterialisierungstheorie dafür plädiert wurde, die Rahmenbedingungen für die Vermarktung von Immaterie zu schaffen (Geltungskonsum, Mode, Luxusgüter), ist hier zu fordern, die Arbeitsfähigen und -willigen nicht durch soziale Unterstützung von derartigen Tätigkeiten abzuhalten. Die Umsetzung der Immaterialisierungstheorie wirkt sich demnach in vielfacher Weise auf die Beschäftigungspolitik aus: 1. Förderung des homo creatus

Das gesamte Bildungswesen, angefangen von der Grundschule über die Fachschulen bis hin zu den Universitäten, ist zu überdenken und neu zu gestalten. Unmöglich, wird gesagt werden. Bedenkt man, welch enorme Anstrengungen schulischerseits darauf verwendet werden, antiökonomische Bildung zu betreiben, wo doch eigentlich jeder Bürger die Ökonomie braucht, was spätestens dann offenbar wird, wenn er die einzelnen Bildungsstätten verläßt und einen Arbeitsplatz sucht, dann ist eine Bildungsreform weniger eine Frage der Organisation, sondern einmal mehr eine solche der Ideologie, die immer mehr geschadet als geholfen hat, Beschäftigung zu geben und zu sichern. Aus Sorge um die Zukunft des Beschäftigungspotentials und in konsequenter Umsetzung der Immaterialisierungstheorie ist zu empfehlen, das Humboldtsche Bildungsideal etwas zu modifizieren und der Praxis mehr Gewicht zu geben. Es kann doch wohl etwas nicht ganz stimmen, wenn Absolventen aus dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften erst einmal eine Spezialausbildung von ein paar Jahren bekommen müssen, um vollwertig in den Unternehmen eingesetzt werden zu können. Daß es auch anders geht, beweisen die Amerikaner mit ihrer case-study-methode, auf die oben bereits verwiesen wurde. Zur Förderung des homo creatus gehört neben der Ausbildung vorrangig eine Talentsuche. Sie gibt es im Sport und in der Kultur und hier mannigfach in allen ihren Bereichen. Es gibt sie aber nicht in der Wirtschaft. Hier sollen sich im freien Spiel der Kräfte die Fähigsten selbst entwickeln. Das Ergebnis ist keinesfalls das gewünschte. Es gibt zu viele Nieten bei all den Fähigen. Die Gründe hierfür liegen meistens nicht in den individuellen Fähigkeiten, sondern im falschen Einsatz: ein guter Mann, eine gute Frau am falschen Platz. Viel wesentlicher und wichtiger als dieses Ergebnis ist die Tatsache, daß zu viele Talente zeitlebens nicht entdeckt, nicht entwickelt und nicht eingesetzt und genutzt werden. Das kann sich eine hochentwicktelte Volkswirtschaft, die auf schöpferische Gestaltung angewiesen ist, schlichtweg nicht leisten. Deshalb ist Talentsuche eine ultima ratio. Eine Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung in den achtziger Jahren über Berufseignung hat ergeben, daß 60% der befragten Berufstätigen nicht in dem Beruf arbeiten,

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

nicht dem Job nachgehen, der ihren persönlichen Fähigkeiten und Neigungen entsprichtY Welch ein Kreativpotential geht hier hochentwickelten Ökonomien verloren. Daß daraus keine Wettbewerbsnachteile für ein Land gegenüber anderen Ländern entstehen, ist darauf zurückzuführen, daß in keinem Land das Kreativpotential ausgeschöpft wird. Es dient dem Immaterialisierungsprozeß auch nicht, wenn in einem Land Eliten verpönt sind und selbst scheinheiligstes Sozial- und Kollektivverhalten mit besonderem Wohlwollen von der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen und honoriert wird. Nicht das Kollektiv, sondern "Der einzelne maximiert seine Wohlfahrt, die interpersonal nicht vergleichbar ist, und fördert damit ohne Absicht am besten das bonum commune."14 Welch einen Effizienzschub, auch in Richtung Beschäftigung, wird es geben, wenn jeder das tun darf, was er kann und will! 2. Deregulierung der Arbeit durch leistungsorientierte Motivation Deregulierung ist ein Begriff für viele unterschiedliche Veränderungen ökonomischer Prozesse geworden, die in der Regel so determiniert sind, daß sie kontraproduktiv wirken. Verstaatlichung und Bürokratie ersticken in hohem Maß die Entfaltung menschlicher Initiativen und Aktivitäten. Deregulierung ist ein Lieblingsbegriff aller Reformer. Dabei geht es in der Regel immer um kollektive oder individuelle Rechte. "Das System" (gemeint ist Kollektiv) "erzeugt ein Anspruchsdenken, das die natürliche Ethik geradezu auf den Kopf stellt, indem es egoistisches ,Trittbrettfahren' ganzer Gruppen demonstrativ rechtfertigt. ... Ein illusionärer Nulltarif für öffentliche Güter pervertiert zwangsläufig Ökonomie und Moral. Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen ... ,Moral hazard' ist die Folge." Recktenwald fährt sinngemäß fort: Was wir brauchen, ist eine konsequente Deregulierung; Ansatzpunkte solcher Entstaatlichung sind Bahn und Post in Deutschland. 15 Entstaatlichung und Entbürokratisierung sind wesentliche Voraussetzungen, aber nicht das Wesen einer Arbeitsderegulierung. Hierbei geht es um mikroökonomische Rahmenbedingungen, die sich auf Organisation und Ablaufplanung beziehen. In den letzten Jahren ist in hochentwickelten Märkten eine Bewegung in Gang gesetzt worden, die von der praktischen Wirklichkeit diktiert wurde. Fließbandarbeit und mechanisch aneinandergereihte Tätigkeiten, bei denen Maschinen die Menschen bewegten, wurden beispielsweise aufgegeben und umfunktioniert, so daß die Arbeiter den Takt der Maschinen bestimmen. Eigenverantwortung und Teamwork lösen alte Strukturen ab. Alle Maßnahmen in Richtung "schlanke Unternehmen, schlanker Staat" sind Anmerkung: Diese Untersuchung der GfK wurde vom Autor diese Buches in Auftrag gegeben. Recktenwald, Horst Claus: Die ökonomische Wissenschaft - auch Kritisches zu ihrem Verständnis, S. 52. lS Recktenwald, Horst Claus: Die ökonomische Wissenschaft - auch Kritisches zu ihrem Verständnis, S. 71 f., 78. 13 14

5.1 Beschäftigung

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nicht nur unter Kostengesichtspunkten zu verstehen, sondern ebenso unter denen der Leistungsmotivation. 16 Dies ist Teil der neuen Theorie. Die Immaterialisierungstheorie geht über die von Schumpeter in bezug auf menschliches Tätigsein gemachten Äußerungen weit hinaus, setzt sich in gewisser Weise in Gegensatz zu ihr. Denn bei Vermarktung von Immaterie geht es nicht um schöpferische Zerstörung, sondern um schöpferische Gestaltung, wie immer wieder von uns betont wurde. Schumpeters Theorie ist geprägt vom technischen Fortschritt und der sich daraus ergebenden Entwicklung. Immaterialisierung hingegen findet in hohem Maße ohne diesen statt. Kreatives Arbeiten setzt auf allen Stufen in allen Bereichen der Unternehmen mehr Freiheit und Eigenverantwortlichkeit des einzelnen voraus. Ohne Deregulierung des Arbeitsrechts ist individuelles Arbeiten nicht möglich. Statt verkrustete Strukturen mit "Recht auf Arbeit" grundgesetzlich verankern zu wollen, ist die Politik gefordert, bestehende Rahmenbedingungen so zu ändern, daß die Erwerbstätigen ihre persönlichen Talente in die Wertschöpfung voll einbringen und somit qualitatives Wachstum miterwirtschaften können. Zur Deregulierung der Arbeit gehört vor allem das Umfeld. Wie soll sich bei einem solchen Wust an Paragraphen ein schöpferisches Arbeiten überhaupt verwirklichen lassen? Hayeks Gärtner-Beispiel zu befolgen wäre hier ratsam, wonach die Pflanzen nur dann gut wachsen und gedeihen, wenn der Boden rundum locker und von Unkraut befreit istP Natürlich gehören zur Deregulierung der Arbeit in erster Linie auch die Arbeitszeit und der Arbeitsort. Für Herstellung und Vermarktung von Immaterie gibt es reichlich Vorbilder im Dienstleistungsbereich, besonders aber in außerökonomischen Betätigungsfeldern wie Kunst oder Literatur. Die dort Tätigen müssen in hohem Maße flexibel sein, generell geregelte Arbeitszeit ist für kreatives Schaffen kontraproduktiv. Der Künstler oder Schriftsteller braucht seinen persönlichen Arbeitsablauf. In gleicher Weise ist auch der Arbeitsort, das Umfeld, auf ihn und nicht auf die Verrichtung oder ein bestimmtes Equipment angewiesen. Hier hilft der technische Fortschritt mit einem guten Kommunikationsnetz und Computern, die Arbeit zu deregulieren. Machbar ist dies letztlich aber nur bei immateriellen Gütern oder solchen mit einem hohen Immaterialisierungsgrad. Es ist das Ende vieler Fabrikhallen und der Übergang von Kollektiv- zu mehr Individualarbeit. Während Deregulierung der Arbeit für das Materielle viele ökonomische Vorteile bringt, die sich jeder Anbieter zunutze machen kann, ist sie für das 16 Anmerkung: Deregulierung von Arbeit ist ohne Beachtung immaterieller Werte undurchführbar und jeder Versuch ineffizient. weshalb in der Mikroökonomie hierauf in besonderer Weise geachtet wird. 17 Vgl. von Hayek, Friedrich A.: Die Vortäuschung von Wissen, S. 397.

10 Bossle

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

Immaterielle die Voraussetzung für ein Tätigsein, das normalerweise nicht möglich wäre. 3. Änderung des Konsumklimas Was dem einzelnen und der Gesellschaft nützlich ist, darf nicht verteufelt werden. Wenn Immaterie Arbeitsplätze schafft, was hinlänglich bewiesen ist, dann dürfen weder der Zeitgeist noch Meinungen, die ihn ausdrücken, die Richtlinien der Wirtschaftspolitik bestimmen, etwa wie die von Myrdal: "Ich hege große Sympathie für Mediziner, Umweltforscher und andere Kollegen ... , wenn sie einen bescheideneren Lebensstil fordern, soweit es das Anwachsen des Konsums und der Produktion von Konsumgütern und anderer Produkte betrifft .... Die reine Wahrheit ist, daß jedes fromme Gerede über eine neue Weltordnung reiner Humbug ist, wenn sich das Konsumverhalten der reichen Länder nicht grundlegend ändert. H18 Diese konsumfeindliche Einstellung ist wirklichkeitsfremd und unlogisch dazu. Nicht im Verzicht, sondern im Wachstum liegen die Chancen, auch für diejenigen, die heute noch in unterentwickelten Ländern leben. Wohlstand beginnt eigentlich erst dann, wenn die Grundversorgung sichergestellt ist, d. h. die materiellen Bedürfnisse befriedigt sind und die Menschen Zeit und Geld für die Befriedigung immaterieller Bedürfnisse verfügbar haben. Die Öffentlichkeit muß deshalb aufgeklärt werden, daß qualitatives Wachstum gleichzusetzen ist mit Immaterialisierung der volkswirtschaftlichen Güter und daß aus dieser Art von Wertschöpfung Wohlfahrt erwächst, ohne die es keine Entwicklungshilfe gibt. Der marxistisch sozialistische Irrglaube, man könne mit Umverteilen und Nulltarifen Wohlfahrt auf Dauer schaffen, ist sowohl in den realsozialistischen Wirtschaftssystemen als auch in demokratisch-sozialen (Schweden, Finnland, England) Ökonomien ad absurdum geführt worden. Unzählige Arbeitsbeschaffungsprogramme (bei 800 Mrd. DM Schulden jährlich) sind in der Regierungsperiode der sozialliberalen Koalition in Deutschland aufgelegt worden. Sie konnten den Niedergang der Wirtschaft und das Ansteigen der Arbeitslosigkeit nicht verhindern. Die Milliarden-Beträge, die die heutige konservativ/liberale deutsche Regierung neben Mitteln für den Aufbau Ost für soziale Befriedung ebenfalls für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ausgibt, sind ökonomisch gesehen unproduktive Investitionen, die die Wirtschaft ebenfalls nicht voranbringen. Die Vermarktung von Immaterie ist keine "geheime Verführung", wie sie von Konsumeristen gerne dargestellt wird, sondern echte Lebensfreude. Immaterie hat einen Wert an sich. Allein dies wäre ein ausreichender Grund, für ein gutes Konsumklima zu plädieren. Wenn dann noch hinzukommt, daß es nur dem Immaterialisierungsprozeß zu verdanken ist, daß keine wirkliche '8 Vgl. Myrdal, Gunnar: Gleichheit und weltwirtschaftliche Entwicklung, S. 417f.

5.1 Beschäftigung

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Arbeitslosigkeit herrscht, dann ist es jeder Vernunft zuwider, gegen immateriellen Konsum zu Felde zu ziehen. Welche hochentwickelte Wirtschaft sägt sich schon den Ast ab, auf dem sie sitzt und der mit den Jahren noch dazu immer dicker und tragfähiger wird? Exkulpiert sind nur die Religionsgemeinschaften, weil sie den diesseitigen Werten jenseitige entgegenstellen, die philosophisch gesehen einen höheren Rang besitzen. Deshalb ist der Kampf der Glaubensgemeinschaften verständlich und nachvollziehbar, da eine Güterabwägung erfolgt, die an irdischer und außerirdischer Erfüllung gemessen wird. Für Gläubige (nicht Scheingläubige) ist höchste Glückseligkeit nur im Jenseits zu erreichen, also können die Güter dieser Welt für sie nichts bringen. Animisierung (Beseelung) halten sie für Gotteslästerung, auch wenn sie es nicht ist, da Gott selbst die Menschen zu kreativem Handeln in die Welt gesandt hat. Für eine diesseits orientierte Konsumerismusbewegung ist die Situation eine völlig andere. Sie hat ihre Berechtigung, aufgrund allgemeingültiger Normen, die vom Staat gegeben sind oder vom Naturrecht abgeleitet werden, zu kritisieren. Sie unterliegt dabei aber der Verpflichtung, sich am Bonum auszurichten, was oft nicht der Fall ist, denn sie schaden, selbst beste Absicht unterstellt, der Gemeinschaft wie jedem einzelnen, der dadurch seinen Arbeitsplatz verliert oder ihn erst gar nicht bekommt. Die Forderung, das Konsumklima zu verbessern und den Immaterialisierungsprozeß zu unterstützen, ist keine kapitalistische Forderung, sondern vielmehr eine soziale und zutiefst menschliche. Je faszinativer die Güterpersönlichkeiten, um so größer die Konsumfreude und um so sicherer die Arbeitsplätze. Das ist nur möglich, wenn das Klima stimmt. 4. Versöhnung zwischen Kunst und Kommerz Die Immaterialisierung der volkswirtschaftlichen Güter kann immer nur dann zur Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen, wenn diejenigen, die dazu fähig sind, dies auch tun. Mit der Kommerzialisierung der Kunst ist es nicht getan, solange die Künstler in ihrer Mehrheit zwar für ihre eigenen Werke die höchstmöglichen Preise zu erzielen trachten, aber in ihrem tiefsten Innern gegen den "Konsum von Immaterie" bei volkswirtschaftlichen Gütern eingestellt sind und sich der "kapitalistischen" Marktwirtschaft verweigern. Das war keineswegs immer so gewesen und darf auch nicht so bleiben, wenn die Chance, die die Immaterialisierung der Wirtschaft bietet, voll genutzt werden soll. Anfang der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts haben bekannte Künstler Packungen gestaltet, Plakate gemalt und Werbeslogans komponiert. Es gibt auch Ende dieses Jahrhunderts viele Künstler, die sich damit ihr Geld und Unterhalt verdienen, doch eher verschämt als offen. Und wenn erst einmal einer berühmt ist, wird er derartige Aufträge ablehnen. 10*

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

Der fortlaufende Immaterialisierungsprozeß hat die Fronten aufgeweicht, und bei bestimmten Güterkategorien wie Schmuck, Glas, Porzellan, Keramik oder Möbeln und Häusern engagieren sich Künstler bereits. Aber immer noch zu wenig, um qualitatives Wachstum und Beschäftigung sichtbar zu beeinflussen. Es gibt eine Annäherung, die situationsbedingt ist. Die Kulturschaffenden haben offenbar erkannt, daß der Staat die Mittel nicht aufbringen kann, um Hochwertiges auf diesem Sektor zu leisten. Sie brauchen die Wirtschaft. Sponsoring ist eine Form der Kooperation von Kunst und Kommerz bei der Vermarktung von Immaterie, gründet aber zu sehr im Idealistischen und wird von Großzügigkeit und Mitleid getragen. Der Nutzen für beide Seiten und für die Ökonomie als Ganzes muß deutlicher bewußt gemacht werden. Hier geht es nicht um Mäzenatentum, sondern um Partnerschaft, in der beide Seiten genau wissen müssen, welchen Nutzen sie haben. 5. Arbeitslosenhilfe neu bestimmen In allen hochentwickelten Staaten der Welt ist das Arbeitsministerium ein Sozialministerium. Die Bundesanstalt für Arbeit und alle Arbeitsämter in Deutschland sind letztlich soziale Einrichtungen, die die Arbeitslosigkeit organisieren. Sie sorgen dafür, daß diejenigen, die keine Arbeit haben, ordnungsgemäß registriert werden und bestätigen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Sie legen außerdem fest, in welcher Höhe dies liegt, wann, wo und wie es ausgezahlt wird und wie lange. Die zweite organisatorische Aufgabe ist die Wiedereingliederung der Arbeitslosen in die Arbeitswelt, auf Dauer oder befristet im Rahmen von ABM-Maßnahmen. Diese Art Verwaltung von Arbeitslosigkeit ist auf Versorgung ausgerichtet. Das ist für hochentwickelte Volkswirtschaften eine total falsche Zielvorgabe. Es ist ein Unterschied, zumindest für die Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Wirtschaftsprozeß, ob diese unter Versorgungsgesichtspunkten, also aus sozialen Gründen geschieht oder unter dem Aspekt einer optimalen Nutzung der Talente dieser Arbeitslosen für die Wirtschaft. Aus diesem Grund ist die Arbeitslosenhilfe neu zu konzipieren. Nach der Immaterialisierungstheorie gibt es für die dafür zuständigen staatlichen Stellen drei Ansatzpunkte: 1. Vermittlung Nach vorherrschender Vermittlungspraxis werden Arbeitslose möglichst dort wieder in den Wirtschaftsprozeß eingeschleust, wo sie branchenmäßig oder verrichtungstechnisch gesehen ausgeschieden sind, was beide Teile, das Arbeitsamt wie der Arbeitslose, als das zweckmäßigste ansehen. Der Schlosser wird als Schlosser, der Werkzeugmacher als Werkzeugmacher, der Automechaniker als Automechaniker, der Buchhalter als Buchhalter, die Sekretärin als Sekretärin usw. vermittelt. Nur wenige entziehen sich dieser Vorgehensweise, wofür es die unterschiedlichsten Motive gibt. Es sind indessen

5.1 Beschäftigung

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nicht die, die von der Immaterialisierungstheorie abzuleiten sind. Nach unserer neuen Theorie ist die Arbeitslosigkeit, die bekanntlich nach herrschender Meinung eine vorübergehende ist oder sein sollte und deshalb als eine natürliche bezeichnet wird, die einmalige Gelegenheit, die freigewordenen Kräfte zum einen dort einzusetzen, wo sie wirklich gebraucht werden, d. h. bei der Gestaltung von Immaterie, und zum andern ihren Begabungen entsprechend, was an erster Stelle stehen muß. Als Grundlage für die Vermittlung dürfen nicht das Zeugnis der letzten Arbeitsstelle Priorität haben oder jahrelang verrichtete Tätigkeiten, sondern Begabung und Eignung. Es gibt eine Schaffensperiode in Deutschland, wo die Arbeitssuche und auch die Einstellungen von Mitarbeitern in einer ähnlichen Form wie der hier vorgeschlagenen verlaufen sind, die unmittelbare Nachkriegszeit. Eine ganze Offiziersgeneration ist damals z.B. in den Wirtschaftsprozeß hineingenommen worden, ohne Vorbildung. Jeder versuchte, dort unterzukommen und Fuß zu fassen, wo Möglichkeiten (Branchen mit Wachstum) zum Fortkommen bestanden, aber auch dort, wo er seine persönlichen Fähigkeiten einsetzen konnte. Es wurden Chancen gesucht und Risiken in Kauf genommen. Die Vermittlung von heute ist dagegen reine Versorgung. Und so es denn die gleiche Arbeit und gleichen Arbeitsbedingungen nicht gibt, reicht das Arbeitslosengeld aus, relativ gut zu leben, zumal ein echter "Profi", einer der wirklich gut ist, auf dem "zweiten Arbeitsmarkt" sich zusätzliches Einkommen verschaffen kann. Priorität bei Neuvermittlung nach Arbeitslosigkeit müssen die Berufseignung und die Möglichkeit, sich an der Herstellung und Vermarktung von Immaterie zu beteiligen, haben. Das setzt voraus, daß die Arbeitsämter entsprechende Unterlagen anfertigen, auf deren Basis vermittelt werden kann. Dann werden aus Hauern unter Tage Landschaftsgärtner, aus Schweißern Sozialarbeiter, aus Sekretärinnen Kosmetikberaterinnen, aus Buchhalter(innen) Reiseführer(innen) etc. Es gibt Ansätze in dieser Richtung, doch Ausnahmen sind die Regel und lassen zuviel Kreativpotential unproduktiv und ungenutzt. 2. Umschulung Allein die Tatsache, daß es eine Umschulung gibt, besagt noch lange nicht. daß diese auch im Sinne der Immaterialisierungstheorie erfolgt. In der Tat ist sie, wie schon die Vermittlung, darauf ausgerichtet, Arbeitslose so schnell als möglich zu versorgen und den Staat zu entlasten. So geht es oft mit Schnellkursen in das nächste schon vorprogrammiert unsichere Arbeitsverhältnis, da weder nach Talenten umgeschult noch nach Zukunftsjobs, die vornehmlich in kreativem Schaffen liegen, vermittelt wird. Mit dem Arbeitsloswerden kommen die Betroffenen auf eine Umschulungslaufbahn, die ihnen wenig hilft und den Staat viel Geld kostet. Bildlich

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

gesehen wälzt eine hochentwickelte Ökonomie die Arbeitslosen vor sich her und macht ihre Masse immer größer. 3. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) Nach der Immaterialisierungstheorie sollte es keine ABM-Aktivitäten geben, da sie weder wesentlich zur Wertschöpfung beitragen noch die Wettbewerbsfähigkeit stärken und auch der Würde und dem Einkommen derjenigen, die sie in Anspruch nehmen, nicht entsprechen und sie nicht zufriedenstellen. Es ist zu empfehlen die ABM umzufunktionieren und die nicht geringen Summen, die dafür staatlicherseits aufgewendet werden, zur Schaffung von Kreativzirkeln zu verwenden, in denen freigewordene Arbeitskräfte an konkreten Projekten arbeiten. Diese können von Firmen oder von Kommunen, Ländern oder dem Staat in Auftrag gegeben werden. Dabei ist durchaus denkbar, daß Firmen im Austausch Arbeitslose einstellen und dafür die gleiche Anzahl von Beschäftigten - auch auf Zeit - in diese Kreativzentren geben. Eine an der Immaterialisierungstheorie orientierte Beschäftigungspolitik erfordert ein Umdenken. Eine andere Politik scheint undurchführbar zu sein weil sie von der Überlegung ausgeht, daß nicht Versorgung der Bürger mit irgendeiner Beschäftigung sozial ist, sondern eine sinnvolle Beschäftigung, die situationsgerecht in einer hochentwickelten Wirtschaft nur in Zusammenhang mit Schaffung und Vermarktung von Immaterie erfolgen kann. Sie entspricht zudem der schöpferischen Betätigung nach individueller Begabung der Menschen. Wenn die beste Sozialleistung die ist, wie oft versichert wird, die Menschen sinnvoll zu beschäftigen, dann ist es an der Zeit, der Wirklichkeit gerecht zu werden und umzusteuern. Fassen wir zusammen:

1. Die Immaterialisierungstheorie hat gravierende Auswirkungen auf die Beschäftigungspolitik hochentwickelter Ökonomien. Sie manifestiert sich in der Umsteuerung von Versorgung auf Selbstverwirklichung der vorübergehend in Arbeitslosigkeit befindlichen Bürger. Damit wird auch die soziale Frage in einer völlig neuen Art und Weise gelöst. 2. Sowohl in der Mikro- wie in der Makroökonomie werden erwerbstätige Menschen als Manövriermasse im Arbeitsprozeß der Wirtschaft angesehen und verwendet. Das ist Verschwendung von Kreativpotential, die sich eine hochentwickelte Wirtschaft nicht leisten kann. Die Menschen als eine Masse mit Pufferfunktion zu behandeln entspricht weder der Realität des notwendigen Wirtschaftens noch der Würde der Menschen. 3. Die alten Theorien, ob sie die Wirtschaftlichkeit oder das Soziale vertreten, haben nach eigenem Eingeständnis der Wirtschaftswissenschaftler versagt. Die Volkswirtschaften müssen sich weltweit mit steigender Ar-

5.2 Einkommen

4.

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9. 10.

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beitslosigkeit auseinandersetzen. Der Paradigmawechsel und eine neue Beschäftigungspolitik sind somit ein Diktum. Der technische Fortschritt hat die arbeitenden Menschen frei gemacht für schöpferisches Tätigsein. Es ist die Art von Betätigung, die der Wirtschaftssituation entspricht. Die Umsteuerung muß mental und organisatorisch erfolgen. Mehr als zehn Gründe sprechen für den Wandel für eine am Immaterialisierungsprozeß ausgerichtete Beschäftigungspolitik. Der Beschäftigte darf in einer vorübergehenden Arbeitslosigkeit nicht zum homo socialis werden mit dem Gefühl, nicht mehr von Nutzen zu sein, sondern ein homo creatus bleiben. Entsprechend ist mit ihm umzugehen. Das Arbeitsumfeld muß durch Deregulierung für schöpferisches Tätigsein aufgeschlossen werden. Ohne mittel- und langfristige Veränderung des Konsumklimas in hochentwickelten Ländern ist jede Hoffnung, brachliegendes Kreativpotential zu nutzen, vergeblich. Dies ist eine zentrale Aufgabe moderner Beschäftigungspolitik. Kunst und Kommerz müssen sich versöhnen. Sie bedingen sich, sind zukünftig in hochentwickelten Ländern aufeinander angewiesen. Die Neuorganisation der Arbeitslosenhilfe und Allokation der Mittel betrifft die Art der Wiedereingliederung vorübergehend arbeitslos gewordener Menschen. Die Umschulung und die ABM-Aktivitäten sind allesamt auf die Bedürfnisse der Wirtschaft und deren Immaterialisierungspotential bezüglich Menschen und Güter auszurichten.

5.2 Einkommen In diesem Abschnitt geht es um die Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie auf die Einkommen, also um Verteilung, Verwendung und Machtstrukturen. Der wirtschaftliche Entwicklungsprozeß hat sowohl hinsichtlich der Einkommensverteilung wie der -verwendung und Vermögensbildung erhebliche Veränderungen herbeigeführt. Nicht politische Ideen und auch nicht revolutionäres Handeln, sondern ökonomisches Verhalten und Maßnahmen haben andere und zugleich bessere Verhältnisse geschaffen, die sich in folgenden Resultaten zeigen: 1. Die Einkommens- und Vermögensverteilung, nach der wenige fast alles und viele fast nichts hatten, die statistisch in der Form einer Birne dargestellt wird, veränderte sich in die eines Apfels, wo zwar immer noch ganz wenig sehr viel und wenige relativ wenig, die Masse aber reichlich hat.

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

2. Die Souveränität des Staates liegt in den Händen seiner Bürger. Private Organe sind die aktiv Wirtschaftenden, der Staat gibt mit der ihm von den Wählern gegebenen Macht die Rahmenbedingungen und beaufsichtigt sie. Resultat: privater Reichtum, öffentliche Armut. 3. Einkommen und damit auch die Einkommensverteilung erfolgen nach dem Wertschöpfungsbeitrag und dem Prinzip der Leistung. Die Löhne werden ausgehandelt. Die Spielregeln unterliegen einer Tarifhoheit. 4. Einkommen, Kaufkraft und Vermögen der Privaten steigen kontinuierlich an. Umverteilung ist ein der Wirtschaftsentwicklung immanenter Vorgang, der sich vereinfacht an dem Tatbestand festmacht, daß es heute schon in hochentwickelten Ländern mehr Angestellte, also Höherverdienende, als Arbeiter gibt. 5. Wir haben im Grunde genommen zwei Machtblöcke, den Staat und die Wirtschaft, doch innerhalb beider wieder zwei Antipoden, Arbeitgeber und Gewerkschaften und staatlicherseits die diese beiden Interessen vertretenden Parteien. Ökonomisch gesehen haben alle Staaten bei ihrer Höherentwicklung versagt. Sie haben sich hoch verschuldet und nur unwesentlich umverteilt. Die dennoch für die Bürger entstandene Wohlfahrt kommt ausschließlich vom Güterzuwachs und Beschäftigungswandel, der einzig und allein auf den Immaterialisierungsprozeß zurückzuführen ist. 6. Neben den unmittelbar auf das Einkommen einwirkenden Machtblöcken gibt es zwei dasselbe mittelbar beeinflussende Größen, die Verbraucherverbände und die Medien. Sie bestimmen das Konsumklima, das momentan nicht das beste für Einkommensmehrung schlechthin ist. Denn wenn teure Waren mit hohem Immaterialisierungsgrad nicht gekauft werden, können sie auch nicht hergestellt und vermarktet werden, was die Anzahl der höher dotierten Jobs automatisch begrenzt oder gar mindert. 7. Die Machtstrukturen nehmen an Quantität zu und an Qualität ab. Geld ist noch bestimmend und treibt aus Machterhaltungsgründen zum Gigantismus. Doch auch hier zeichnet sich ein Wandel ab, der durch den Immaterialisierungsprozeß bestimmt wird. Was sich momentan bei einer realitätsfernen Wirtschaftspolitik bereits zeigt, wird bei einer Politik, die sich auf die Immaterialisierungstheorie stützt, erheblich verstärkt. Das wird Auswirkungen in der Zukunft haben auf: 1. Einkommenshöhe, -verteilung, Vermögen und Kaufkraft

Die Wertschöpfung von Immaterie erfordert qualifizierte Arbeitskräfte, die notwendigerweise höher zu entlohnen sind. Immaterialisierungsgrad und Einkommen korrelieren demnach sehr eng. Immaterialisierung der volkswirtschaftlichen Güter führt generell zu höheren Einkommen und gleichzeitig zu einer Neuverteilung von Einkommen mit den Folgen, daß das Vermögen wächst und mehr Kaufkraft im Markt verfügbar ist.

5.2 Einkommen

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Umverteilung war und wird nie eine ökonomische Determinante sein können. Sie hat deshalb in der neuen Theorie keinen Platz, weil sie hier überflüssig ist. Sie wird durch die dem Wesen der Menschen entsprechende Neuverteilung ersetzt. Auf- und Abstieg ist ein Naturgesetz, dem die Menschen als einzige Kreaturen unterworfen sind, was mit ihrer Selbstbestimmung zu tun hat und ihrem freien Willen, den sie denn auch reichlich mißbrauchen. Alles andere in der Natur unterliegt einer Evolution zur Höherentwicklung, also keinem Auf und Ab. Eine Wirtschaftspolitik, die sich an der Immaterialisierungstheorie ausrichtet, wirkt dieser Tendenz der Zerstörung und des Niedergangs entgegen, indem sie auf die schöpferische Gestaltung setzt, die evolutionär ist. Die Höherentwicklung der Einkommen, deren Neuverteilung ebenso wie Stärkung der Kaufkraft und höheres Vermögen basieren auf echter Wertschöpfung, sind also produktiv. Auch darin unterscheiden sich die Auswirkungen von den Einkommen aus nicht-produktiver Arbeit ohne Wertschöpfung, die nur deshalb erfolgen, weil sie nicht aus dem Gesamtrahmen fallen dürfen, um so einer Umverteilung nach unten zu begegnen. Dazu zählen staatliche Verwaltung ebenso wie alle Transformationsleistungen. Der zweite Grund für das Mitwachsen der Einkommen auch für Erwerbstätige ohne Wertschöpfung geht konform mit der Immaterialisierungstheorie, nämlich der, daß höhere Einkommen zwangsläufig zu qualitativ höherem Konsum führen. Da diese Gruppe von Dienstleistenden Immaterie kauft, trägt sie zur immaterieproduzierenden Beschäftigung und automatisch auch mehr zu deren Vermarktung bei und rechtfertigt somit deren Lohn- und Gehaltssteigerungen. Außerdem gibt es eine Reihe von Ansatzpunkten, eine Höherentwicklung und Neuverteilung der Einkommen zu begründen, die in der Art und Weise, wie diese Dienstleistungen ausgeführt werden, zu sehen sind. So können z. B. auch Beamte freundlich oder abweisend, behilflich oder schikanös sein. Sie können, auch wenn sie nicht direkt an der Wertschöpfung beteiligt sind, diese erheblich fördern oder behindern. So gesehen ist eine Umstellung von einer sach- auf eine personenorientierte Dienstleistung die notwendige Folge. Die Umsteuerung und Neuorientierung der Arbeitspolitik von der Versorgung zur Selbstverwirklichung der Beschäftigten mit größerer Differenzierung und Flexibilisierung wird zu völlig neuen Einkommens- und Verteilungsstrukturen führen. Gehalts- und Lohnklassen im herkömmlichen Sinn wird es zukünftig nicht mehr geben. Anciennität wird ebenso wie hohe Bildung nicht aus sich selbst höhere Gehälter bringen, wenn die Meßlatte der individuelle Beitrag zur Immaterialisierung ist. 2. Der Immaterialisierungsprozeß verändert die Einkommensverwendung Zur Bestimmung des Immaterialisierungsgrades der volkswirtschaftlichen Güter fehlen momentan die geeigneten statistischen Daten. Es gibt keine Übersicht, die die Güter nach materiellem und immateriellem Bestandteil

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

gliedert. Anhaltspunkte bieten lediglich Vergleiche zwischen Marken und Me-too-Produkten. Doch auch hier ist nur eine Tendenz abzulesen und keine echte Differenzrechnung aufzustellen. Allein die Tatsache, daß für Me-tooProdukte wenig Werbung gemacht wird, zeigt daß zumindest dieser Teil immaterieller Anreicherung fehlt. Dadurch gehen der Volkswirtschaft tausende Arbeitsplätze verloren. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, gibt es viele Ansatzpunkte, in der auf der Immaterialisierungstheorie basierenden Wirtschaftspolitik Daten über den Immaterialisierungsgrad der Güter neu zu beschaffen. Ohne konkrete Angaben über den Immaterialisierungsgrad ist eine exakte Veränderung der Verwendung der Einkommen, die durch den Immaterialisierungsprozeß herbeigeführt werden, nicht zu belegen. Daß sich eine Änderung vollzieht, ist indessen augenfällig. In Ermangelung sekundär- oder primärstatistischer Erhebungen, die die Auswirkungen der Immaterialisierung offenlegen könnten, aufgrund derer dann Einkommenspolitik auf mikro- wie makroökonomischer Ebene gemacht werden müßte, bringen wir ein fiktives Beispiel.

Einkommensverwendung für Immaterie volkswirtschaftlicher Güter nach ausgewählten Marken und deren Güterpersönlichkeits-Kategorie Marke

Kategorie

Mercedes Adidas Bally Boss Benetton Braun Siemens Miele Joy

Autos Sportschuhe Schuhe Oberbekleidung Bekleidung Elektrorasierer Kühlschränke Geschirrspüler Parfum Parfum Uhren Kosmetik Waschmitttel Uhren Reisen Schokolade Instantkaffee Medikamente Erfrischungsgetränk

4711

Rolex Nivea Persil Swatch TUI Lindt Nescafe Aspirin Coca Cola

Immaterialisierungsgrad der Marke Kategorie

65 70 75 75

72

70 65 66 90 75 90 70 80 95 75 75 70 70 80

50 60 68 70 70 60 60 55 80 80 80 65 60 80 70 55 55 50 60

5.2 Einkommen

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Markenartikel und Marken überhaupt haben einen höheren Immaterialisierungsgrad als No-name-Produkte, und bekannte oder berühmte Marken sind stärker immaterialisiert als unbekannte. Alles in allem gesehen sind Marken wie Mercedes, Rolex, Bally, Nescafe oder Coca Cola weltbekannt und weltberühmt und allein schon aus dieser Imagestärke anderen Mitbewerbern im Immaterialisierungsgrad weit überlegen. Wer diese Marken kauft, bezahlt immer einen vergleichsweise hohen Betrag für Immaterie, für etwas, das ihm Ansehen und Geltung einbringt. Andererseits müssen die Anbieter solcher großen Marken sehr viel dafür tun, um so viel immaterielle Werte in den Gütern anzureichern, was notwendigerweise dazu führt, daß die erzielten Gewinne, relativ wie absolut gesehen, in Grenzen bleiben, also demnach der Mehrwert unmittel- oder mittelbar in das Einkommen der Erwerbstätigen geht, die an der schöpferischen Gestaltung von dieser Immaterie beteiligt sind, was diese Einkommensbezieher wiederum in die Lage versetzt, Markenpersönlichkeiten zu kaufen. Es ist nicht nötig, mit einer Korrelation: EinkommenshöhelMarkenartikelkauf nach Güterpersönlichkeitskategorien den Beweis hierfür anzutreten. Jedermann kann dies selbst beobachten, wer z. B. einen Mercedes kauft, sich Bally-Schuhe aussucht oder eine Rolex-Uhr erwirbt, zahlt für immaterielle Werte. Bei Konsumware wie Lindt oder Nescafe oder Coca Cola sind solche Abstufungen nach hohem/niedrigem Einkommen und Kaufentscheidung aus zwei Gründen etwas anders strukturiert. Die absoluten Preise sind vergleichsweise niedrig, und damit in direktem Zusammenhang steht, daß sich auch Verbraucher mit niedrigem Einkommen einen solchen "Luxus" leisten können. Es gab Zeiten, in denen Bohnenkaffee oder Bananen "Geltungsgüter" waren, d. h. Güter, die man sich leistete, obwohl man sie sich eigentlich nicht leisten konnte. Wenn schon auf Urlaub verzichtet werden mußte, dann wollte man wenigstens seinen Bohnenkaffee haben, war die Devise. Das Wesen der Marke ist also nicht der höhere Preis, sondern der höhere immaterielle Wert, der nicht kostenneutral ist, sondern im Gegenteil hohe Werbe-Investitionen erfordert. Billigmarken erzielen oft eine relativ höhere Gewinnmarge als Markenartikel, weil sehr wenig für die Persönlichkeitsmerkmale der Güter ausgegeben wird. Wer Markenartikel kauft, hat nicht nur für sich selbst einen höheren Nutzen, er trägt auch mit dazu bei, daß die Einkommen generell steigen können, was auf deren qualitativen Mehrwert zurückzuführen ist. 3. Der Immaterialisierungsprozeß beeinflußt Machtstrukturen und Einkommen Nach der herrschenden Lehre und auf ihr basierenden Wirtschaftspolitik bestimmt der Preis nicht nur über Waren, sondern auch über Arbeit. Solange die Menge der Arbeitskräfte, bei aller Differenziertheit des Angebotes, den Preis der Arbeit (Einkommen) und das Beschäftigtsein bestimmt, muß das Schöpferische auf der Strecke bleiben und sekundäre Bedeutung haben.

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5. Auswirkungen der lmmaterialisierungstheorie

Das aber steht in krassem Gegensatz zur Immaterialisierungstheorie und zu der auf ihr basierenden Einkommenspolitik und der sie tragenden Machtstrukturen. Bei der Beteiligung der produktiv tätigen Menschen an der Bereitstellung, Vermarktung und dem Konsum von Güterpersönlichkeiten geht es nicht in erster Linie um den Verdienst und die Mitbestimmung an diesen in den Tarifverhandlungen, auch nicht um eine humanere Arbeitswelt, sondern um aktive Beteiligung am Wertschöpfungsprozeß mit der Bereitstellung der eigenen persönlichen Talente. Einkommen, humane Arbeitsbedingungen und Geltungskonsum müssen in hochentwickelten Ökonomien erreichbare Ziele sein. Diese Vorgaben sind in ihrer Grundsätzlichkeit gelöst. Sie sind verbrieft oder Gewohnheitsrecht, das nicht geändert werden kann, weil die Arbeitskräfte durch den Immaterialisierungsprozeß wertvoller geworden sind. Hier siegt der Zwang des Faktischen. Der Paradigmawechsel wird aber zu Veränderungen der Machtstrukturen, der Einkommensverteilung und -verwendung führen müssen. Wenn Unternehmerverbände und Gewerkschaften ihre Positionen nicht überdenken und auch die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen nicht neu geschrieben werden, wird die Eigengesetzlichkeit des wirtschaftlichen Organismus in seiner evolutionierenden Vorwärtsbewegung neue Strukturen erzwingen. Anzeichen dafür gibt es reichlich: - Arbeitgeber und Gewerkschaften verlieren an Macht. Die Tendenzen, in den Unternehmen miteinander zu kooperieren, statt sich einem global ausgehandelten und wirkenden Gebot zu unterwerfen, mehren sich. Schöpferisch Tätige lassen sich nicht in kollektive Bindungen zwängen. Mantel- und Tarifverträge werden aufgeweicht, bis sie wertlos sind. Dort, wo kreatives Arbeiten, d. h. Produktion von Immaterie vorherrscht, existieren sie ohnehin nicht mehr. - Leistungsträger des wirtschaftlichen Wachstums, die mit ihrem Können und Engagement dieses ihrer Art und ihrem Umfang nach bestimmen, werden eine neue Form der Mitbestimmung einfordern, die dieser Bezeichnung auch gerecht wird. Meßlatte wird der Immaterialisierungsgrad der Güter sein. Die Unternehmer ihrerseits werden die leistungsorientierte Mitbestimmung begrüßen. Das, was heute in Unternehmen als Vorschlagswesen im Verborgenen blüht, wird zur Orientierung der Zusammenarbeit in den Unternehmen werden. Es gibt heute schon viele Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Freiheit bei der Arbeitsplatzgestaltung und bei den Ablaufprozessen lassen. Wenn Unternehmen im Verlaufe einer Generation ihr gesamtes Güterangebot erneuern, in dem sie völlig neue Güter bringen oder ihre alten so erneuern, daß sie wie neu erscheinen (Relaunch), haben sie keine andere Chance, als so vorzugehen. - Einheitliche Lohn/Gehaltstarife für Branchen und Länder wird es nach der neuen Theorie nicht mehr geben, da es nicht mehr um globale Ange-

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bote und Nachfrage von Arbeit geht, sondern um Leistung, die sich am Beitrag zur Wertschöpfung orientiert. An die Stelle der Preise für Arbeit, die von den Machtblöcken Arbeitgeber/Gewerkschaften ausgehandelt werden, treten Kennziffern, die den Wertschöpfungszuwachs messen und als Grundlage für die zu zahlenden Entgelte benutzt werden. Die Höhe der Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit in den Märkten müssen Maßstab und Grundlage der Entlohnung sein. Die Folgen dieser Entwicklung sind die Auflösung verkrusteter Machtstrukturen, Individualisierung und Flexibilisierung der Arbeit und damit höhere Anpassung an die Marktbedürfnisse. Die bedeutendste Wandlung wird die sein, daß Arbeitgeber und Gewerkschaften ihre Frontstellung aufgeben. Sie werden zur beiderseitigen Kooperation finden müssen. In hochentwickelten Ökonomien, die nur über Immaterie wachsen, wird die Selbstverwirklichung der Menschen zentrale Bedeutung bekommen. Der einzelne Mensch hat zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte als Arbeitnehmer massenhaft die Möglichkeit, seine Talente und Fähigkeiten total einzubringen. Das, was heute schon einzelne Genies oder herausragende Persönlichkeiten zu Privilegierten (Eliten) auch hinsichtlich ihres Einkommens macht, wird allen mehr oder weniger entsprechend ihres schöpferischen Gestaitungsbeitrages bei der qualitativen Wertschöpfung zuteil werden. Ökonomien, die in diesem Immaterialisierungsprozeß Reformen verschlafen, werden die Folgen im Wettbewerb konstatieren und in der Regel nicht überleben. Macht steht momentan in engem Kontext mit Volumen (Quantum). Solange eine Volkswirtschaft durch schöpferische Zerstörung wachsen konnte und gleichzeitig die Dienstleistungen auszuweiten vermochte, lief der Konzentrationsprozeß auf Hochtouren. Größe war und ist momentan zwar immer noch Macht. Dieses Dogma stellt sich aber immer mehr selbst in Frage und wird durch den Immaterialisierungsprozeß weitgehend beseitigt. Schöpferische Gestaltung ist ihrem Wesen und Ergebnis nach dem Quantum (Masse, Volumen) entgegengesetzt. Sie differenziert. Nachweislich kommt das Neue von Individuen aus kleinen und mittelständischen Unternehmen. Auch die Tatsache, daß Kooperationen immer häufiger Zusammenschlüsse ersetzen, läßt ein Netzwerk eigenverantwortlichen Tätigseins erkennen. Bei Machtstrukturen ist zwischen Finanzmacht und der des Geistes zu unterscheiden. Oft repräsentieren derartige Machtzentren nur Kapitalkraft. Das plötzliche Aus derartiger Gebilde ist letztlich immer darauf zurückzuführen, daß es an "Geist" fehlte. Das stützt die These der Immaterialisierungstheorie, daß Zusammenschlüsse und Ansammlung von Macht immer weniger eine Frage des Geldes, sondern der Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter von der Spitze bis zur Basis sind. Geist weht, wo er will, und er muß sich zur Konkretisierung immer an Materie binden, doch Größe und Umfang dieses Körpers sind keine Determi-

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

nanten. Das ermöglicht den kleinen und mittleren Unternehmen, im Wettbewerb mitzuhalten, und es macht diese hochentwickelte Ökonomie stabiler und krisensicherer. In diesem Zusammenhang ist es interessant festzuhalten, daß es Jahrzehnte dauerte, bis in den Unternehmen das Absatzdenken in ein Umsatz- und Ertragdenken geändert werden konnte. Doch noch immer blockiert dieses Stückzahl- oder "Kistendenken" den Zugang zum Verständnis der Bedeutung der Immaterie. Ausdrücke wie Klasse statt Masse, Qualität statt Quantität zeigen den Umschwung vom Mengen- zum Wertdenken. Große Machstrukturen haben, abgesehen von dem Quantitativen an sich, noch eine Reihe negative ökonomische Begleiterscheinungen, die bei der Gelegenheit notwendiger Reformen mitbeseitigt werden können, wie Verfettung, Unbeweglichkeit, Bürokratie. Entsprechend sind die verordneten Schlankheitskuren. Der Megantismus ist am Ende. Der Geist gewinnt die Oberhand über das Geld. Umverteilung hat keine Chance zur Realisierung, Individuen machen ihr Glück, denn sie werden gebraucht, und sie schaffen Wohlstand mit ihrem persönlichen Können. Neid bleibt als Negativerscheinung egoistischer Strebungen, die Motivation für Schaffung von Mehrwert sind. Einkommen und Macht relativieren sich.

Fassen wir zusammen:

1. Die Transformation von Geist auf Maschinen und der gleichzeitig stattfindende Prozeß der Immaterialisierung aller volkswirtschaftlichen Güter hat sowohl das Einkommensniveau wie auch die Verteilung der Einkommen verändert. 2. Die ideologisch betriebene, politisch motivierte Umverteilung hat nicht stattgefunden. Die Wirtschaftsentwicklung selbst hat dafür gesorgt, daß es sowohl weniger "Steinreiche" als auch "Bettelarme" gibt. In den hochentwickelten Ökonomien hat die Masse der Bürger mehr Einkommen, höhere Kaufkraft und mehr Vermögen. Wohlstand für (nahezu) alle ist Realität. 3. Die qualitative Wertschöpfung, also die Vermarktung von Immaterie, bestimmt zukünftig die Einkommenshöhe und -verteilung. 4. Die Immaterialisierung erfordert mehr geistige und geschickte Leistungen, was automatisch Höherqualifizierung und Einkommenssteigerung nach sich zieht. 5. Mit steigendem Einkommen wird mehr Geld für Immaterie ausgegeben, was eine Spiralbewegung von Mehrproduktion, Mehrvermarktung und Mehrkonsum von Immaterie auslöst.

5.3 Umwelt

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6. In Markenartikeln und Marken demonstriert sich schon jetzt die enorme, schicksalhafte Bedeutung der Immaterie für die hochentwickelten Ökonomien in Hinsicht auf deren Wachstum und den Lebensstandard ihrer Bürger. 7. Da praktisch keine Güterkategorie von der Immaterialisierung ausgenommen ist, wobei die eine mehr, die andere weniger betroffen ist, bestimmen die an der schöpferischen Gestaltung beteiligten Personen in ihrer Gesamtheit Reichtum und Wohlbefindlichkeit selbst. 8. Quanten (Menge/Masse) und auch Knappheit werden aufgrund der Immaterialisierung zukünftig nicht mehr ausschlaggebend für Preise und Kaufentscheidung sein, sondern die Art (Faszination) der Immaterie und deren Vermarktung. 9. Der Immaterialisierungsprozeß löst die vorhandenen Machtstrukturen, die auf die Einkommensbildung einwirken, weitestgehend auf. Die Macht der Verbände, ob Unternehmer oder Gewerkschaften, schwindet, die der Unternehmen und deren Mitarbeiter steigt. 10. Unternehmensgröße und Kapitalstärke verlieren an Bedeutung zugunsten von Geist und Können (Humankapital). 11. In allem wächst die "Mitte", Mittelstand, Mittelschicht. 12. Vermassung oder Gleichheit nach ökonomischer Diktion nehmen ab, Individualisierung und Differenzierung wachsen. Selbstverwirklichung und Geltungsstreben sind die motivierenden Kräfte im Immaterialisierungsprozeß. Sie bestimmen Einkommen, Wohlstand und Macht. 13. Deregulierungen auf allen Ebenen der Wirtschaft führen zur Verschlankung, Entbürokratisierung und Machtreduzierung, was zur individuellen Leistungssteigerung motiviert und dem bonum commune ebenso dient wie jedem einzelnen selbst, indem sein Wohlstand wächst. 14. Das Nettoeinkommen wird stärker wachsen als das Bruttoeinkommen, weil die individuellen Steuern und Abgaben relativ gesehen sinken. In dem gleichen Maß wie die Bürger hochentwickelter Ökonomien Arbeit und Einkommen haben, reduzieren sich die Ausgaben dieser Staaten. Je mehr Bürger für sich selbst sorgen können, um so weniger Einfluß hat dabei auch der Staat. Seine Allmacht relativiert sich. 5.3 Umwelt

Die Bewahrung und Wiederherstellung der Natur ist am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts zu einer zentralen Aufgabe der Menschheit geworden. Wie das "Soziale" hat auch die "Umwelt" im Rahmen der Wirtschaftspolitik einen eigenen Stellenwert. Allein schon die Tatsache, daß es neben dem Wirtschafts- ein Sozial- und ein Umweltministerium in vielen neuen Demokratien gibt, unterstreicht deren Bedeutung. Industrialisierung und durch den technischen Fortschritt permanent betriebenes quantitatives Wachstum, mit dem Bemühen die Menschen zu beschäf-

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

tigen, haben erhebliche Eingriffe in die Natur verursacht und zu gravierenden Umweltschäden geführt. Im Mittelpunkt der Umweltpolitik steht momentan weltweit die Eindämmung und Sanierung der Schäden und der sie verursachenden Einflüsse. Im Bemühen um eine Problemlösung haben sich, wie schon bei der sozialen Frage, zwei Gruppen gebildet: 1. Die Fortschrittlichen, die Umweltpolitik mit den gleichen Mitteln, nämlich mit High-TechlHigh-Chem, wie bei Lösung der sozialen Frage, betreiben wollen. 2. Die Rückschrittlichen, die Umweltpolitik, ebenso wie bei Lösung der sozialen Frage, durch Unterordnung der Wirtschaft, in diesem Fall unter die Ökologie, betreiben möchten.

Interessant ist, daß in Sachen Umwelt die Konservativen die Fortschrittlichen und die Progressiven die Rückschrittlichen sind. In Analogie zur Lösung der sozialen Frage, wo sich das Soziale dem Wirtschaftlichen untergeordnet hat, was gut war, wie die Folgen des real-existierenden Sozialismus, wo der andere Weg versucht wurde, zeigte, wird sich auch die Ökologie unterzuordnen haben, da die Wirtschaft die Umwelt saniert und nicht umgekehrt. Jedes ökologische Experiment eines "real-existierenden Ökologismus" , selbst in einer freiheitlichen Demokratie, wird aus rein logischen Gründen scheitern müssen, weil allein Arbeitslosigkeit und sinkender Wohlstand Revolutionen auslösen würden. Ganz zu schweigen davon, daß ohne Technik kaum eines der ökologischen Probleme gelöst werden kann. Das Bewußtmachen von Umweltschäden (Grüne) ist ein völlig anderer Tatbestand als deren Beseitigung. Die Lösung der Umweltfrage erfolgt automatisch über den Immaterialisierungsprozeß der volkswirtschaftlichen Güter. Und das sind die Gründe: 1. Immaterie ist umwelt neutral

Immaterie ist substanz- und körperlos. Ihr Rohstoff ist Geist und handwerkliche manuelle Fertigkeit. Bei Herstellung von Immaterie wird demnach weder die Erde noch das Wasser noch die Luft in irgendeiner Weise beeinträchtigt. Wesenhaft gesehen ist Immaterie der Umwelt und Natur gegenüber neutral. Daraus ist zu folgern: Je höher der Immaterialisierungsgrad eines Gutes, um so geringer dessen Umweltbelastung. Da Immaterie, sieht man von bestimmten Dienstleistungen ab, immer gemeinsam mit der Materie in Erscheinung tritt, wird das Gut als Ganzes dem Kriterium Umwelt ausgesetzt, was natürlich ein fataler Irrtum ist. Dies ist deutlich zu erkennen, wenn der Absatz (Menge) von Güterpersönlichkeiten stagniert oder fällt, der Umsatz (Wert) aber steigt. Keiner dieser zusätzlich umgesetzten DM-Beträge hat irgendeinen Einfluß auf die Umwelt.

5.3 Umwelt

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Die Immaterie als Bestandteil der Güter stellt, weil sie substanzlos ist, auch keine schöpferische Zerstörung dar, ganz im Gegensatz zum technischen Fortschritt, der den gleichen Verursacher, den Geist und das Talent eines Schöpfers hat, aber in der Realisierung Altes durch Neues ersetzt. Zurück bleibt Schrott, tote Substanz. Bei der Immaterialisierung der Güter indessen erfolgt eine Anreicherung ein und derselben Materie mit einem substanzlosen Wert oder eine Substitution desselben. In beiden Fällen wird nichts Substantielles zerstört, das als Abfall zurückbleibt und in irgendeiner Form Natur und Umwelt schädigt. Aber selbst im materialisierte Investitionsgüter, die durch Transformation von Geist zu neuen Konstrukten werden, die alte zu Schrott und Abfall machen, verbessern die Umweltsituation. Ein Motor (Materie), der durch eine Neukonstruktion statt 10 nur noch 8 Liter Sprit verbraucht, verbessert die Emission bei einem ceteris paribus um 20%. Werden Autos, die einen solchen Motor haben, aufgrund dieser Eigenschaft teurer verkauft und ist in einem höheren Preis auch noch ein Betrag für Werbung für diesen Motor enthalten, dann ist zusätzlich eine Immaterialisierung des Autos selbst erfolgt mit allen positiven Folgewirkungen, die die Immaterialisierungstheorie darstellt. 2. Immaterialisierung wird Ziel der Umweltpolitik Die von der Immaterialisierungstheorie abgeleitete Umweltpolitik ist nicht nur die beste, sondern auch einzige, die die Probleme lösen kann. Durch eine solche Umweltpolitik wird folgendes erreicht: - Durch Vermarktung von Immaterie reduziert sich, bezogen auf die Gesamtwertschöpfung eines Landes, die Umweltbelastung. - Wenn die Immaterialisierung oberstes Ziel einer Volkswirtschaftspolitik ist, werden die Rahmenbedingungen darauf ausgerichtet und die Aktivitäten zur Erhöhung des Immaterialisierungsgrades der Güter verstärkt. Es entsteht dadurch eine akzelerierende positive Auswirkung auf die Umwelt. - Es besteht kein Zielkonflikt zu Wachstum und Vollbeschäftigung, da für beide die gleiche Zielvorgabe gegeben ist. - Natur- und Umweltschutz sind Bedürfnisse immaterieller Art, ebenso wie der aus ökonomischem Handeln kommende Nutzen. Zur Zielerreichung bedarf es keines Zwanges, weder bei Herstellung und Vermarktung noch beim Konsum von Gütern mit diesem immateriellen Nutzen (Konsum von Ökowaren). - Gebote sind moralische Verpflichtungen, denen sich die Menschen leichter unterziehen als Verboten. Das ist Umweltpolitik mit Sinn und Verstand. - Konsum von Immaterie macht Spaß und Freude, erhöht die Lebensqualität, und das alles mit einem guten Gewissen. 11 Bossle

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

- Der Staat ist davon entbunden, für Umweltinvestitionen oder auch zur Abschreckung vor Umweltschäden die Steuerschraube anzuziehen oder Sonderabgaben zu erheben. - Keine Veränderung der gegebenen Investitions- und Konsumwelt, sondern deren evolutionäre Umgestaltung durch Immaterialisierung der volkswirtschaftlichen Güter. - Langsamer, langandauernder Wandel vom materiellen zum immateriellen, wesentlich anspruchsvolleren Konsum, ferner vom materiellen zum geistigen und damit alles in allem kultivierteren Konsum. Sowenig Umverteilung eine gute und erfolgversprechende Sozialpolitik war und ist, ebensowenig ist Bremsen des technischen Fortschritts und Konsumverzicht eine gute Umweltpolitik. Die Immaterialisierung hat das soziale Problem weitestgehend gelöst und wird auch das der Umwelt lösen, wenn die Naturgesetze beachtet werden und den als Freie geborenen die Freiheit gelassen wird zu schöpferischer Betätigung und zum Konsum von Immaterie. Umweltpolitik muß als anabolischer Bestandteil in die Wirtschaftspolitik integriert und von ihrem diabolischen Charakter befreit werden. Das ist nur mit dem Paradigma wechsel der Immaterialisierungstheorie möglich, der an die Stelle der schöpferischen Zerstörung die schöpferische Gestaltung setzt, wie immer wieder zu betonen ist, weil es die zentrale Veränderung des Wirtschaftens nach dieser neuen Theorie ist. Nicht nur des Verursacherprinzips wegen, das die heutige Wirtschafts- und in sie integrierte Umweltpolitik ihren Straf- und Bestrafungsmaßnahmen zugrunde legt, die es abzuschaffen gilt, sondern wegen der Schaffung von Immaterie muß sich der Staat auf fördernde Rahmenbedingungen konzentrieren. Die gestaltenden Maßnahmen selbst sind Angelegenheit der Privatwirtschaft. Kontrollen sind bei dieser Umweltpolitik nicht nötig, weil jedes Vergehen seitens der Anbieter von Immaterie gnadenlos von den Konsumenten in einer freien Marktwirtschaft durch Nichtkauf bestraft wird. Ein Gut, das sein Image und damit seine inneren, immateriellen Werte, seine Seele verliert, ist tot. Auch das ist ein Naturgesetz, wie das Differenzierungsstreben und die Gestaltungsfreude der Menschen. Die heute praktizierte Umwelt politik ist kontraproduktiv. Der Staat kann nicht im Namen eines Kollektivs willkürlich Rahmenbedingungen setzen, die dem Wesen der produzierenden und konsumierenden Menschen entgegenlaufen und zudem noch falsch sind, da sie das unterbinden und mit Strafe belegen, was letztlich der Umwelt zuträglich ist, den Schöpfungsgeist und die Konsumfreude durch Güter mit hohem Immaterialisierungsgrad zu erhöhen. Nur die Transformation von Geist in Güter und deren Animisierung kann eine Umweltkatastrophe, sei sie erdhaft oder kosmisch (Ozonloch), verhindern. Das Abholzen von Tropenwäldern wird dann beendet, wenn es gelingt,

5.3 Umwelt

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Sonnenenergie zu gewinnen. Abgase aus PKWs werden dann nicht mehr in die Luft entweichen können, wenn es Motoren gibt, die keine Abgase mehr produzieren. Immaterialisierung von Investitions- und Konsumgütern ist die einzige Möglichkeit, Wertschöpfung ohne Umweltbelastung zu betreiben. Deshalb muß die Immaterialisierungstheorie die zukünftige Wirtschaftspolitik bestimmen. 3. Umweltbezogener Immaterialisierungsprozeß wird die Medien und gesamte Öffentlichkeit zu Meinungsänderungen zwingen Zum Wesen der Demokratie gehören die offene Gesellschaft, die Meinungsfreiheit und die damit verbundene öffentliche Meinung. Wie schon bei der Diskussion um soziale Gerechtigkeit steht die Mehrzahl der Meinungsmacher beim Umweltschutz auf der Seite der Betroffenen oder, besser gesagt, der Sich-Betroffen-Fühlenden. Auch wenn es eine Mehrheit für Umweltschutz gibt, so engagieren sich besonders junge Menschen und Familien mit Kindern oder deren Angehörige. Interessenkonflikte treten dann auf, wenn Umweltpolitik zu Lasten der Arbeitsplätze betrieben wird. Deshalb finden sich viele Verfechter des Umweltschutzes in außerwirtschaftlichen Tätigkeitsfeldern, wie Schulen, Medien, Politik und intellektuellen Kreisen, die von der Kritik am Bestehenden leben, ohne direkt durch Arbeitsplatzverlust betroffen zu sein oder dafür die unmittelbare Verantwortung zu tragen, wie Unternehmer und Gewerksschaftsfunktionäre. Solange gut reden höher eingestuft wird als gut tun, wird die Welt ewig ein Experimentierfeld zur Bereicherung unproduktiver Kräfte der Gesellschaft bleiben. Die traurige Geschichte des Sozialismus wie des Kapitalismus zeigt, daß es die demaskierende Wirklichkeit gibt. Der Immaterialisierungsprozeß ist eine solche Realität, die Natur und Umwelt entlastet und die Ideologen ins Abseits stellt. Entscheidend hierfür ist die Logik, die deutlich macht, daß letztlich in einer hochentwickelten Wirtschaft nur das wirklich der Natur, Umwelt und den Menschen hilft, was dieselben nicht tangiert, weil es substanzlos ist, eben Immaterie. Doch über ein für Ideologen des Umweltschutzes kaum zu übersteigendes Hindernis müssen sie dennoch hinwegkommen, den Konsum eben dieser Immaterie, was gleichbedeutend ist mit Ge- und Verbrauch von Mode- und Luxusgütern, mit Güterfülle und Konsumfreude und selbst mit dem Tatbestand der Wegwerfgesellschaft. Das Geltungsbedürfnis (Abhebung und Angleichung) wird keine weltliche Macht und keine Ideologie außer Kraft setzen. Und dort, wo es partiell aufgehoben wird, wird es derart katastrophale ökonomische Auswirkungen geben, daß der alte Zustand schnell wiederhergestellt wird. Wer die Mode, die Verursacherin der Wegwerfgesellschaft, außer Kraft setzt, verspielt den Wohlstand. Er verspielt das "irdische Paradies" und kann nur noch auf das wirkliche hoffen, das er eigentlich weder sucht noch will und das es nach Meinung der meisten Umweltschützer nicht gibt. 11*

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

An der Immaterialisierung scheiden sich die Geister. Wer sich als Ökonom gegen sie stellt, hat aus zwei Gründen keine Chance zu überleben: - Er sündigt gegen die Umwelt, weil er das verhindert, was wirklich umweltneutral ist, die Immaterie, und - er wird von der Wirklichkeit eingeholt, denn der Prozeß der Immaterialisierung ist ein Naturgesetz und läßt sich von keiner Macht (ordre positif) dieser Welt außer Kraft setzen. Nach der Immaterialisierungstheorie und einer entsprechenden Umweltpolitik löst sich die Umweltfrage von selbst durch Transformation von Geist in Materie. Den Menschen wird es beispielsweise gelingen, die Sonnenenergie zu nutzen, so wie diese die Ernährung der Menschen bewerkstelligt hat. 19 Der damit in Zusammenhang stehende steigende Ge- und Verbrauch von Immaterie bei Investitions- wie insbesondere Konsumgütern minimiert die auf die Gesamtwertschöpfung bezogene Umweltbelastung. Ein Einlenken und eine Wende der öffentlichen Meinung durch die sie bestimmenden Kräfte wird diesen Prozeß beschleunigen und rascher als zu erwarten eine "heile Natur" schaffen. Eine Umweltkatastrophe, wie sie momentan apokalyptisch vorausgesagt wird, findet niemals statt, weil die menschliche Natur sie letztlich nicht zuläßt. Die Hoffnung, daß der Trend zur Dienstleistung, wie sie momentan definiert ist, das Problem Umwelt lösen wird, ist illusorisch. Die einfache Begründung hierfür ist, wie an anderer Stelle bereits ausgeführt, die, daß die meisten Dienstleistungen sich in materiellen Gütern manifestieren und entsprechend unserer an Platon angelehnten Definition diesen Seele geben, sie zu Güterpersönlichkeiten und damit faszinativ und lebendig machen. Mit jedem konkret nicht mehr existenten Gut (Materie) entschwindet auch dessen Persönlichkeit (Immaterie ), wenn Güterpersönlichkeiten aus dem Markt genommen werden, es sei denn, diese bekommen eine neue Materie, was in hochentwickelten Wirtschaften die Regel ist. Die Immaterie bleibt, die Materie bekommt eine neue Gestalt. Das ganze nennt sich Relaunch. Es gibt auch Fälle, wo die Materie bleibt und nur das Persönlichkeitsbild (Immaterie ) geändert wird. Alle evolutionären Prozesse, die keine quantitative Mehrung darstellen, sind umweltneutral und bewirken letztlich die Lösung des momentan gegebenen Umweltproblems. Mit der Immaterialisierungstheorie enden Schuldzuweisungen, Bestrafungen, Drohungen, Gebühren und alles Herumlaborieren an Symptomen. Der technische Fortschritt und das Verhalten der Menschen hat die Umweltschäden verursacht, die produktiv tätigen Menschen (Transformation von Geist) 19 Anmerkung: Hunger in der Welt ist keine Frage der Produktion. sondern eine solche der Verteilung oder Organisation.

5.3 Umwelt

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und die konsumtiv tätigen Menschen (Ge- und Verbrauch von Immaterie) werden sie wieder beseitigen und keine neuen aufkommen lassen. Aufgabe der öffentlichen Meinungsmacher ist, dabei mitzuwirken. Fassen wir zusammen:

1. Momentan ist Umweltpolitik darauf gerichtet, Katastrophen zu verhindern und die Natur von Schäden zu befreien. Sie ist weitgehend rückschrittlich konservativ und ökonomiefeindlich. 2. Sie ist eingebettet in Ge- und Verbote, Richtlinien und Anweisungen und wird mit Steuern und Gebühren durchgesetzt. Die öffentliche Meinung einer offenen Gesellschaft der neuen Demokratien hat den Umweltschutz zum Zeitgeist hochstilisiert und macht allen ein schlechtes Gewissen, die diesen Strafexpeditionen, die, wie die Realität beweist, erfolglos sind, entgegentreten. Weltweit hat die Belastung der Böden zugenommen, die Gewässer sind schmutziger geworden, die Luft stickiger und das Ozonloch größer, der Abfall nicht geringer. 3. Die Lösung der Umweltprobleme liegt mittel- und langfristig einzig und allein in der Immaterialisierung der volkswirtschaftlichen Güter. Produktion, Vermarktung und Ge- und Verbrauch von Immaterie sind hinsichtlich der Umwelt und Natur absolut neutral, weil Immaterie substanzlos ist. Ihre Wertschöpfung verursacht nur Wohlstand, aber keinerlei Umweltbelastung. 4. Umweltpolitik nach der Immaterialisierungstheorie hat zwingend die Verwirklichung der Immaterialisierung der Güter zum Ziel, was dazu führt, daß der Grad der Immaterie innerhalb der Güter steigt. Durch dieses qualitative Wachstum nehmen die Umweltschäden bei einem ceteris paribus ab. 5. Da es bei einem solchen ceteris paribus nicht bleibt, weil weitere Kräfte wirksam sind, in erster Linie technischer Forschungsgeist (Immaterie ), werden die noch vorhandenen Schädigungen durch die Industrialisierung über High-Tech oder High-ehern abgebaut. 6. Obwohl es theoretisch wie praktisch langfristig bedeutungslos ist, ob die Meinungsführer den Immaterialisierungsprozeß unterstützen oder nicht, weil die Wirklichkeit einer Naturgesetzlichkeit folgt und diese Immaterialisierung erzwingt, wäre es gut, wenn sich die Umweltschützer neu orientieren würden. Das würde die Zeit periode der Problemlösung abkürzen und ökonomisch gesehen weniger kosten. 7. Die Dienstleistung in der Definition der herrschenden Lehren ist zwar Vermarktung von Immaterie, sie ist jedoch oft kein, wie viele meinen, eigenständiges Produkt, sondern ein Derivat, das in der Regel nur ausgegliedert ist, aber an ein Gut (Materie) gebunden ist, wie z. B. die Kommunikation für Konsumgüter.

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

5.4 Wettbewerb

In der Wirtschaftstheorie wird der Wettbewerb ordnungspolitisch abgehandelt. Wie sehen die Märkte aus, gibt es eine totale Konkurrenz oder nicht, welche Determinanten sind zu berücksichtigen, welche Faktoren bestimmend? Wettbewerbspolitik ist eine Frage der Grundziele der Wirtschaft und des Rechts. Die Rahmenbedingungen und Wettbewerbsvoraussetzungen bilden das Kernstück jeder freien Marktwirtschaft und besonders der sozialen Marktwirtschaft. Die Spielregeln sind so festgelegt, daß eine faire Auseinandersetzung mit der Konkurrenz stattfinden kann. Die herrschenden Theorien befassen sich ihrer Lehre gemäß über das Ordnungspolitische hinaus mit den Anbietern und deren Verhalten. Das Konzept "workability competition" behandelt markt externe Grundvoraussetzungen, Marktstruktur-Kriterien, Marktverhaltens-Kriterien und Marktergebnis-Kriterien. 20 Dieses Modell nähert sich der Wirklichkeit und ist sicher sehr hilfreich für die Wettbewerbspolitik im Rahmen der Volkswirtschaftspolitik, auch deshalb, weil diese Betrachtungsweise eine mikro ökonomische ist, die der Wirklichkeit und der Auffassung Schumpeters sehr nahekommt. Diese normierenden Verhaltensregeln der am Wettbewerb beteiligten Anbieter sind notwendig. Dennoch bleiben sie Rahmen, die das Geschehen zusammenhalten und mehr oder weniger günstig beeinflussen, aber dem Immaterialisierungsprozeß in keiner Weise Rechnung tragen. Nicht die anbietenden Personen oder ihr Unternehmen, sondern ihre Güterpersönlichkeiten stehen im Wettbewerb. Diese Güterkategorien definieren die Märkte, in denen der Wettbewerb stattfindet. Mit der Entwicklung der Volkswirtschaften haben ständig Zellteilungen von Gütermärkten stattgefunden, woraus sich eine Unsumme neuer Märkte mit eigenen Wettbewerbsregeln gebildet hat. Vor etwa 50 Jahren gab es z. B. zum Ausüben sportlicher Tätigkeiten aller Art praktisch nur einen Sportschuh und eine Sportkleidung. Heute wäre es undenkbar, mit einem Modell, seien es Gummi-, Leder- oder Turnschuhe, auszukommen. Jede Sportart hat einen ganz bestimmten Schuh. Und dieser konkurriert nur mit anderen Schuhen, die zum gleichen Zweck im Angebot sind. Sie allein stehen also miteinander im Wettbewerb. Niemand, der einen Fußballschuh kaufen will, käme heute auf die Idee, auch einmal den Markt für Turnschuhe anzusehen, ob sich da etwas Passendes für ihn findet. Es geht also im Wettbewerb eindeutig um eine Auseinandersetzung der Produkt- oder Güterpersönlichkeiten (Marken). Dabei spielt die Immaterialisierung eine immer größere Rolle.

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Vgl. Hardes/Rahmeyer/Schmid: Volkswirtschaftslehre. S. 483.

5.4 Wettbewerb

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Die Vermarktung der Güterpersönlichkeiten macht sowohl national wie international den Wettbewerb aus und entscheidet über Marktschicksale von Unternehmen, Branchen und Volkswirtschaften. Wettbewerb muß deshalb von der Basis, von den Güterpersönlichkeitsmärkten her betrachtet und durchleuchtet werden. Denn wenn eine Zelle einer Ökonomie krank ist, dann wirkt sich das oft auf den gesamten ökonomischen Organismus aus. Die mechanistische Ordnung ist zwar bedeutsam, aber im eigentlichen Sinne als Rahmenbedingung wettbewerbsneutral, da alle Güterpersönlichkeiten, die miteinander um die "Wählergunst" kämpfen, die gleichen Umfeldbedingungen haben. Ob diese Güterpersönlichkeiten gewinnen oder verlieren, hängt einzig und allein von ihrem Überlegenheitspotential im Konkurrenzkampf ab. Hierbei spielt die Immaterie die entscheidende Rolle. Das Materielle, Funktionale und selbst Herstellungskosten können in hochentwickelten Wirtschaften sehr schnell egalisiert werden. Selbst Geld ist durch Kreditnahme relativ einfach zu beschaffen, nicht oder schwer zu imitieren ist der den Gütern innewohnende immaterielle Wert, ihre Persönlichkeit. Deshalb hat der folgende Satz Allgemeingültigkeit: Der Immaterialisierungsgrad der Güterpersönlichkeiten bestimmt die nationale wie internationale Wettbewerbsfähigkeit. Um so erstaunlicher ist es, daß sich Diskussionen um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland in erster Linie auf die Kosten der Arbeit, Laufzeit der Maschinen und vor allem technische Neuerungen beschränken. Natürlich gelten ökonomische Gesetze, doch sie geben nicht den Ausschlag für Wettbewerbsfähigkeit. Es sind quasi "Schularbeiten", die zu machen sind. Es gehört zum ökonomischen Einmaleins, das auf allen Entwicklungsstufen seine Gültigkeit hat und in jeder Theorie wesentlicher Bestandteil der Lehre ist, aber, wie die Praxis zeigt, die Problem lösung vor sich her schiebt. Es ist ein Gesetz der Logik, daß Reallohnverzicht seitens der Arbeitnehmer auf Dauer gesehen schon deshalb keine Lösung von Wettbewerbsproblemen sein kann, weil dieser die Nachfrage nach Güterpersönlichkeiten negativ beeinflußt. Auch die Flexibilisierung der Arbeit bringt zwar vorübergehend die Arbeitslosenquote auf ein erträgliches Maß, schafft aber keine zusätzliche Nachfrage, sondern stellt vielmehr eine besondere Art von Umverteilung der Einkommen auf der Ebene der Schlechterverdienenden dar; denn diejenigen, die die Ökonomie eines Landes in Gang halten, sind bekanntlich die Geschulten, angefangen von den Facharbeitern über Erfinder bis hin zu Managern und Geschäftsinhabern. Es sind volkswirtschaftlich ausgedrückt alle, die immaterielle Wertschöpfung betreiben und das qualitative Wachstum tragen. Der Vorsitzende eines bekannten deutschen Lederunternehmens hat im Fernsehen im Frühjahr 1995 einem Reporter auf die Frage, warum er den

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

Großteil seiner Produktion nicht in Billiglohnländer außerhalb Deutschlands verlegt, geantwortet: Um Mode und Luxusgüter herzustelle sind Fachkräfte notwendig, die es in diesen Ländern nicht gibt. Um Immaterie zu produzieren, braucht es geschulte Mitarbeiter. Man denke in diesem Zusammenhang auch an Fähigkeiten von Facharbeitern, die in bestimmten Regionen (Porzellan-, Glas-, Schuhindustrie) über Jahrhunderte gewachsen sind. Besser läßt sich die Schaffung von Immaterie (Qualität) nicht ausdrücken. Zugleich zeigt das Beispiel auch, daß nicht die Lohnhöhe als absolute Größe das Kriterium für mehr oder weniger Erfolg im Wettbewerb darstellt, sondern ihre Relativität. Wird mit hohen Löhnen überdurchschnittliche Faszination, d. h. ein hoher Immaterialisierungsgrad der Güter erreicht, dann neutralisieren sich hohe Lohnkosten, oder sie spielen überhaupt keine Rolle mehr, weil sie durch die Attraktion der Waren im Wettbewerb mehr als kompensiert werden. Nach der Immaterialisierungstheorie ist es Aufgabe der Wettbewerbspolitik, alle Möglichkeiten und Maßnahmen zu fördern, die dazu führen, daß alle Fähigkeiten und Talente in einem Volk mobilisiert werden. Hier ist mit allem Nachdruck auf die Ausführungen über die Bildungspolitik zu verweisen, die in der neuen Theorie eine zentrale Bedeutung einnimmt und für das Schicksal der Ökonomien in hochentwickelten Ländern deshalb wesentlich ist, weil sie die Grundlage für Wettbewerbsüberlegenheit durch qualitative Wertschöpfung darstellt. Es ist natürlich Teil der ökonomischen Gesetze, daß die Tätigkeiten, die den vergleichsweise höchsten Wertschöpfungsbeitrag bringen, auch am höchsten zu bezahlen sind. Der Immaterialisierungsprozeß indessen zeigt, daß einerseits diese Gesetzmäßigkeiten durch tarifliche Festlegungen (Macht der Gewerkschaften) unterlaufen werden, andererseits diese Art der Wertschöpfung automatisch zu Mehrverdienst auch bei denen führt, die ihn nicht verursacht haben, was auf die Tatsache zurückgeht, daß Immaterie sich immer an Materie binden muß. Damit sind auch alle diejenigen, die nur mit der Herstellung von Materie zu tun haben, am Umsatzerfolg zu beteiligen. Die Güterpersönlichkeiten sind ganzheitliche Konstrukte, die unteilbar sind, was die Bewertung der einzeln geleisteten Arbeit in hohem Maße erschwert. Es ist herrschende Meinung, daß in der freien Marktwirtschaft nicht der Kostenpreis, sondern der Wettbewerb der Güterpersönlichkeiten untereinander den Marktpreis bestimmt. Je weniger Zusatznutzen (Immaterie ) Güter im Wettbewerb haben, um so unterlegener sind sie, um so geringer ist ihr Umsatz. Der Preis zeigt nur dann absatzfördernde Wirkung, wenn er vorübergehend herabgesetzt wird (Markenartikel im Angebot). Untersuchungen belegen, daß teure Markenwaren, die längere Zeit zu niedrigen Preisen verkauft werden, einen Imageverlust erleiden. Der Immaterialisierungsgrad fällt und mit ihm letztlich die Verkäuflichkeit der Waren oder Dienstleistungen.

5.4 Wettbewerb

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Daß der Wettbewerb in hochentwickelten Ökonomien vom Immaterialisierungsgrad der Güter bestimmt wird, zeigt sich in Krisenzeiten, wo Modeund Luxusgüter leichter zu verkaufen sind als Versorgungs- und Problemlösungsgüter. Bevor jemand seinen Urlaub streicht oder seinen Autokauf zurückstellt oder auf Sekt verzichtet, wird er lieber eine Fastenkur einlegen oder beim Essen und Trinken auf günstige Angebote ausweichen, auf solche mit niedrigstem Immaterialisierungsgrad. Je tiefer der absolute Marktpreis für eine Güterkategorie liegt (Pfennigartikel), um so bedeutender ist der Immaterialisierungsgrad für die Vermarktung, da sich im Grunde genommen jedermann leisten kann, Immaterie zu bezahlen. Bei allen diesen den Wettbewerb kennzeichnenden Vorgängen ist zu bedenken, daß Umsätze für Güterpersönlichkeiten im einzelnen wie in ihrer Summierung, die nur geringfügig über der Vorperiode liegen, ein Wachstum darstellen und solche, die geringfügig darunter liegen, einen Rückgang anzeigen, in der Realität aber für Unternehmen Gewinn oder Verlust bedeuten und für Volkswirtschaften mehr oder weniger Wohlfahrt. Es geht volkswirtschaftlich um 1% bis 5% mehr oder weniger Wachstum pro Jahr, und gleiches gilt auch für den Zuwachs oder das Zurückbleiben der Umsätze bei Unternehmen, obwohl hier größere Ausschläge vorkommen. Kostenmanagement und alle anderen Maßnahmen, die zur Verschlankung in den Unternehmungen vorgenommen werden, sind mittel- und langfristig erfolglos, wenn sie nicht gleichzeitig dazu genutzt werden, den Immaterialisierungsgrad der Güter zu erhöhen und dazu beitragen, den Wettbewerb zu stärken. Mit diesen Feststellungen sind wir bei den notwendigen Maßnahmen einer auf der Immaterialisierung beruhenden Wettbewerbspolitik, mikro- wie makroökonomischer Art, angekommen. Im Mittelpunkt steht die Änderung des Wettbewerbsrechtes, was bereits an anderer Stelle deutlich gemacht wurde, hier jedoch noch einmal betont werden muß. Die Güterpersönlichkeiten müssen einen umfassenderen Rechtsschutz erhalten. Die Markenpiraterie hat einen Umfang angenommen, der in hohem Maße der produktiven Vermarktung von Immaterie zuwiderläuft. Geistiger Diebstahl ist dem von Materie gleichzusetzen, von seiner ökonomischen Bedeutung sogar höher zu veranschlagen. Änderungen stehen auch beim Patentrecht an. Dieses bietet zwar dem Erfinder einen gewissen Schutz seines geistigen Eigentums und trägt somit zum technischen Fortschritt und zur Immaterialisierung der Investitionsgüter bei. Es ist zu prüfen, ob die Paragraphen und deren Handhabung in der Rechtsprechung der Realität von heute entsprechen und dem hohen generellen Wissensstand Rechnung tragen, mittels dessen es möglich ist, mit leichter

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5. Auswirkungen der lmmaterialisierungstheorie

Modifizierung Patente zu umgehen. Nicht die Erfindung, sondern deren Umsetzung und Vermarktung ist bedeutsam und weniger geschützt als die Erfindung selbst. Die Werkspionage ist hochentwickelt und durch internationales Recht offenbar nicht abgedeckt, sonst könnte es nicht möglich sein, daß viele Länder sich in kürzester Zeit (z. B. Korea) auf einen hohen Entwicklungsstand bringen. Sicher haben dazu auch Käufe von Patent rechten und Kooperationen beigetragen, doch scheint der Diebstahl von Know-how enorm hoch zu sein. Der Schutz der Marke als Repräsentant des Immateriellen muß hinsichtlich seiner Persönlichkeitsmerkmale erhöht werden. Es genügt nicht, nur den Markennamen und in gewissem Umfang ihr Design vor Imitation zu bewahren. Die größten Investitionen werden im kommunikativen Bereich gemacht, und hier ist der Schutz mehr als dürftig. Mit solchen Maßnahmen wird ein zweifaches erreicht: a) Die Wettbewerber müssen sich selbst jeder für sich an der schöpferischen Gestaltung beteiligen, kreativ werden, was den Immaterialisierungsgrad der Güter automatisch erhöhen wird, und b) es kommt zu mehr Vielfalt. welche die Attraktivität der Güterkategorie steigert. Faszination führt zu einer höheren Kaufbereitschaft für das Immaterielle. Damit wird ein in vieler Hinsicht heilsamer Kreislauf in Bewegung gesetzt, der letztlich mehr Wohlfahrt in einer heileren Welt bringt. Die Rechtsprechung hat momentan eine starke Ausrichtung auf den Angebotspreis, was nicht vordergründig zutage tritt. Gemeint ist. daß billige Imitatoren in der Rechtsprechung obsiegen, weil mit niedrigen Preisen der Lebensstandard der Verbraucher verbessert wird. Dennoch sollte das Immaterielle, was die Faszination ausmacht, besser geschützt werden, weil dadurch Arbeitsplätze gehalten und neue geschaffen werden. Juristische Maßnahmen in die entgegengesetzte Richtung, Monopole, Kartelle und Preisabsprachen unter den Wettbewerbern werden zu Recht behördlich unterbunden, weil sie zu überhöhten Preisen führen. ohne sichtbaren Nutzen für die Ökonomie als Ganzes. Imitationen schaden der Wirtschaft, weshalb ein auf Preise abgestelltes Wettbewerbsrecht fehl am Platz ist. Möglichkeiten wettbewerbsbeeinflussender Maßnahmen auf makro- wie mikroökonomischer Ebene sind unbegrenzt. Da. wie immer wieder betont wurde, der Immaterialisierungsprozeß in hochentwickelten Volkswirtschaften in vollem Gange ist. fällt es leicht, ein paar Beispiele derartiger Maßnahmen zur Verbesserung des Wettbewerbs zu bringen. 1. Beispiel: Design Zentrum Hessen

"Das Design Zentrum Hessen hat sich zu einer Institution entwickelt, die in der hessischen Wirtschaftspolitik einen festen Platz einnimmt. Das mit dem Auftrag der Förderung guter Produktgestaltung als Mittel zur Sicherung der

5.4 Wettbewerb

171

Wettbewerbsfähigkeit gegründete Institut ist ausgestattet mit drei Planstellen und einem Jahresetat von rd. 600 Tausend DM. Ins Leben gerufen wurde das auf der Darmstädter Mathildenhöhe angesiedelte Design Zentrum 1989 von den Ministerien für Wissenschaft und Kunst sowie Wirtschaft, Verkehr und Technologie, gemeinsam mit den hessischen Hochschulen, den Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammer Rhein-Main und mehreren Privatunternehmen. ,,21 Die Arbeit des Design Zentrums, das unter dem Motto "Wettbewerbsfähig mit Design" steht, ist nach dem Bericht der F AZ so erfolgreich, daß die Zuschüsse des Landes Hessen erheblich erhöht werden sollen. Die EU sieht in dieser Maßnahme ein Modell, das auch in anderen Ländern eingeführt werden soll, und wird deshalb diese Institution finanziell unterstützen. Betrachtet man den Etat von "lächerlichen" 600 Tausend DM im Vergleich zu den Milliarden DM, die für ABM-Maßnahmen ausgegeben werden, dann wird ersichtlich, was mit Umsteuerung von Materie- zur Immaterieförderung gemeint ist. Dieses Beispiel demonstriert in eindrucksvoller Weise das durch die Immaterialisierungstheorie aufgestellte Postulat, von dialektischem auf polares Wirtschaften umzuschalten. Im Design Zentrum Hessen arbeiten nicht nur Staat und Wirtschaft eng miteinander zusammen, sondern Konkurrenten sowie externe und interne Kräfte. Es ist hier wie bei vielen Sportarten, es kann immer nur einer gewinnen. Dennoch verstehen sich die Athleten untereinander gut. Es gewinnt selten immer wieder derselbe. So ist auch der Wettbewerb letztlich zu sehen, der um Immaterie ausgetragen wird. Bei jedem Kaufakt wird eine der im Wettbewerb befindlichen Güterpersönlichkeiten gewählt, doch im Bemühen, diejenige zu sein, die gekauft wird, strengen sich alle an und bringen eine Güterkategorie auf ein immer höheres qualitatives Niveau. Der reine Preiskrieg hingegen zieht die Qualität herab. 2. Beispiel: Bafög für Meister Damit fachliches Talent besser ausgenützt wird, hat die Bundesregierung in Deutschland geplant, 400 Millionen DM bereitzustellen, um mehr Meister heranzubilden. Daß sich Landesregierungen weigern, dafür Mittel bereitzustellen, zeigt, daß die Bedeutung der Immaterialisierung und damit Notwendigkeit zum qualitativen Wachstums nicht erkannt ist. Gemessen an dem, was für Hochschul- und Fachschulstudenten an Bafög aufgewendet wird, ist dieser Betrag mehr als bescheiden, doch immerhin ein Anfang und ein Beweis dafür, daß die Zeichen der Zeit offenbar von der Bundesregierung begriffen worden sind und Erwerbstätigen in höherer Zahl

21

FAZ: 21. Januar 1995: Vorteile durch Produktgestaltung. S. 55.

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5. Auswirkungen der Immaterialisierungstheorie

als bisher Ausbildungsmöglichkeiten, die sie zur schöpferischen Gestaltung befähigen, geboten werden. 3. Beispiel: Guggenheim-Museum und die Firma Boss Endlich, so könnte gesagt werden, hat es ein großes, weltweit operierendes Unternehmen begriffen, daß Kunst und Kommerz so, wie des öfteren in diesem Buch gefordert wurde, miteinander kooperieren, um Wettbewerbs überlegenheit durch mehr Faszination zu erreichen. Das ist kein Sponsoring mehr, sondern eine Unterstützung auf Gegenseitigkeit. Außergewöhnlich ist nicht nur die Höhe der von Boss bereitgestellten Summe für das Museum, die mehrere Millionen ausmacht, sondern auch die Laufzeit über fünf Jahre und vor allem die Art der Zusammenarbeit. Hier wird Immaterie produziert und vermarktet. Kein Vergleich zum Sport-Sponsoring von Boss, das bisher gemacht wurde und auch weiterhin bestehenbleiben soll. Diese Aktivität war zwar auch wirksam in bezug auf eine Erhöhung des Immaterialisierungsgrades für Boss-Artikel, doch mehr in der Dimension Geltung, während jetzt die der Ästhetik hinzukommt, was einen qualitativen Wachstumsschub verursachen wird. Jedes Land hat seine Spezialitäten. Diese stellen ein riesen Potential an Immaterie dar, das noch stärker als bisher genutzt werden kann. Es sind nicht nur die Kulturgüter und Kunstschätze sowie günstige Klimabedingungen, die für mehr Attraktion, mehr Faszination sowie für hohe Vermarktungsanteile von Immaterie sorgen, sondern besondere fachliche Fähigkeiten, die in andere Länder in Form von Exportartikeln verkauft werden können. Daß umgekehrt von hochindustrialisierten Ländern wie Deutschland "reine" Immaterie im Ausland erfolgreich zu vermarkten ist, zeigt das Gütezeichen "made in Germany", das im Prinzip nichts anderes ausdrückt, als daß die Ware aus Deutschland einen hohen Qualitätsstandard hat, womit ein Bündel von Persönlichkeitsmerkmalen dieser Güter gemeint ist. Läßt man die Ideologie der Ökologie beiseite und analysiert statt der "Fensterreden" und "Katastrophenwarnungen" die geleisteten Aktivitäten, so gibt es besonders in Deutschland eine Reihe von Maßnahmen, die die Immaterialisierungstheorie stützen. Die Vermarktung von Öko-Gütern zeigt, daß nicht der Preis, sondern besondere qualitative Substanz den Kauf bestimmt oder einfach nur das Motiv Umweltschutz ausschlaggebend ist. Die Auswirkungen der Immaterialisierung der volkswirtschaftlichen Güter sind sowohl auf den nationalen wie internationalen Märkten aller Länder der Welt spürbar. Die Vermarktung von Immaterie ist auch für arme unterentwickelte Länder die einzige Chance, zu Wachstum und Wohlstand zu kommen.

5.4 Wettbewerb

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Fassen wir zusammen: 1. Für die herrschenden Theorien ist der Wettbewerb im wesentlichen eine Frage der Kosten und Mengen. Die Angebotspreise der miteinander konkurrierenden Firmen bestimmen Umsätze gleichermaßen wie Konjunkturlagen. 2. Nach der Immaterialisierungstheorie ist hingegen der Immaterialisierungsgrad der Güter der ausschlaggebende Faktor im Wettbewerb der Güterpersönlichkeiten untereinander. 3. Die an der neuen Theorie ausgerichtete Wettbewerbspolitik muß sowohl hinsichtlich der Rahmenbedingungen als auch der Förderungsmaßnahmen seitens des Staates umgesteuert werden. Im mikro ökonomischen Bereich ist ebenfalls eine neue Strategie angesagt. 4. Der Persönlichkeitsschutz der Güter muß verstärkt werden, damit geistiger Diebstahl und Markenpiraterie, Raubkopien und dergleichen nicht mehr stattfinden oder zumindest reduziert werden. 5. Zu einer Änderung des Wettbewerbsrechtes muß vor allem eine solche der Rechtsprechung kommen. Preiserhöhungen aufgrund immaterieller Wertschöpfung müssen rechtlich unterstützt werden. Sie erhöhen die Einkommen, stärken die Kaufkraft und führen unmittelbar zum Erwerb von Güterpersönlichkeiten mit hohen Immaterialisierungsgraden. Nicht der die Waren verbilligende, sondern die Waren teurer machende Wettbewerb ist rechtlich zu unterstützen. 6. Da der Immaterialisierungsprozeß in vollem Gang ist, gibt es viele Beispiele, die Maßnahmen zeigen, die auf Möglichkeiten zur Erhöhung des Immaterialisierungsgrades volkswirtschaftlicher Güter hinweisen, wie das Design Zentrum Hessen, Bafög für Meister oder Guggenheim-Museum und Boss. 7. Der nationale wie internationale Wettbewerb ist stark zu beleben, wenn die Immaterie-Potentiale der einzelnen Länder ausgeschöpft werden. Die Entwicklung ist in vollem Gang. Sie muß nur von den Staaten wirtschaftspolitisch begleitet werden. 8. Die Ökobewegung ist, sieht man von der ideologischen Behaftung ab, eine Demonstration, wie Wettbewerb durch Immaterie zu beleben ist. 9. Die Immaterialisierung der volkswirtschaftlichen Güter macht den quantitativen zu einem qualitativen Wettbewerb und eröffnet enorme Zukunftschancen für einen dauerhaften Wohlstand für alle Menschen dieser Welt.

Fazit Die Wirtschaft ist ein Organismus. Sie entwickelt sich. Keine Situation ist so, wie sie im Augenblick davor war. In diesem Evolutionsprozeß gibt es markante Ereignisse, die diesen Vorgang prägen. In der freien sozialen Marktwirtschaft vollzieht sich das Wirtschaften nach einem Marktautomatismus. Dieser reagiert äußerst sensibel auf alle menschlichen Aktivitäten und läßt die zu Gewinnern werden, die seinen Gesetzmäßigkeiten folgen, macht die zu Verlierern, die sie mißachten. Die große Schwierigkeit dabei ist, die Trendverläufe zu erkennen, sich darauf einzustellen und diese an der Spitze mitzugestalten. Max Weber konnte noch feststellen: "Wissenschaftlich auch überholt zu werden ist nicht nur unser aller Schicksal, sondern unser aller Zweck"l, und Recktenwald meint: "Jede Generation schreibt die Geschichte der ökonomischen Wissenschaften neu ... 2 Ende des zwanzigsten Jahrhunderts hat die Entwicklung so viel Fahrt aufgenommen, daß nicht mehr bis zu einem Generationswechsel gewartet werden kann. Wandel und Anpassung müssen schneller und in kürzeren Intervallen erfolgen, wenn der Organismus Wirtschaft nicht krank werden und kollabieren soll. Das herausragende Ereignis in dem ökonomischen Entwicklungsprozeß, der einem Kulminationspunkt zusteuert, ist die Immaterialisierung der volkswirtschaftlichen Güter. Darunter ist nicht die Veränderung der Ökonomie zur Dienstleistung zu verstehen, die immaterieller Art ist und dazugehört, sondern die Animisierung der Güter der Urproduktion und des produzierenden Gewerbes. Es geht um die Beseelung, die Investitions- und Konsumgüter zu Güterpersönlichkeiten macht. Es sind intelligente und faszinative Güter, deren Beschaffenheit zu einem hohen Prozentsatz immaterieller Natur ist und einer vorhandenen immateriellen Bedürfnisbefriedigung dient. Dieser Immaterialisierungsprozeß ist in den Märkten oder Ökonomien dadurch gekennzeichnet, daß diese quantitativ stagnieren oder abnehmen, qualitativ aber steigen. Wenn der Absatz der Güter einer gesamten Volkswirtschaft 1 Zitat von Max Weber bei Recktenwald, Horst Claus: Die ökonomische Wissenschaft - auch Kritisches zu ihrem Verständnis, S. 91. 2 Vgl. Recktenwald, Horst Claus: Die ökonomische Wissenschaft - auch Kritisches zu ihrem Verständnis, S. 91.

Fazit

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stagniert oder abfällt und der Umsatz dennoch ansteigt, kann die Wertschöpfung nur in einem qualitativen Wachstum, also einer immateriellen Wertschöpfung bestehen. Da dieser Tatbestand viele hochentwickelte Märkte kennzeichnet, ist ein Paradigmawechsel unumgänglich. Dieser kann nur im Kontext zum Immaterialisierungsprozeß gesehen werden mit dem Ergebnis der Immaterialisierungstheorie. Es ist u. E. keineswegs so, wie viele herausragende Wirtschaftswissenschaftler festgestellt haben, daß man sich geirrt oder gar versagt hat, sondern daß die Entwicklung der Wirtschaft, wie Schumpeter richtig erkannte, einen permanenten Wandel verursacht und Theorien veralten läßt? Dabei ist es auch nicht so, wie immer wieder betont wurde, daß alle Erkenntnisse von gestern, heute und morgen überhaupt keine Gültigkeit mehr besitzen. Sie erfahren, wie das immer in der Lehre schon war, lediglich eine andere, wenn auch entscheidende Gewichtung. So bleibt zwar die Theorie der Entwicklung von Schumpeter bestehen, der Wandel wird jedoch nicht mehr, wie im Sinn der Immaterialisierungstheorie durch schöpferische Zerstörung, sondern durch schöpferische Gestaltung bewirkt. Vermarktung von Immaterie ist ein regenerativer Prozeß mit Akkumulationscharakter, der zur Höherwertigkeit der Güter führt. Zerstörung ist dem Wesen der Immaterie ebenso fremd wie Sättigung, ihre Substanzlosigkeit ermöglicht unbegrenzte Vermarktung. Mit der Immaterialisierungstheorie ist eine der Hauptforderungen der Wirtschaftswissenschaftler ganz sicher erfüllt, nämlich "Jede Theorie, gleich welcher Art, ist wissenschaftlich wertlos und sollte zurückgewiesen werden, wenn sie nicht durch empirische Evidenz bestätigt wird".4 Oder "Wir sollten dort keine Gnade walten lassen, wo die Logik inkonsistent und die Beweisführung absurd ist. ,,5 Unsere neue Theorie ist aus der Praxis entwickelt, sie ist die Realität. Das Sensationelle der neuen Theorie ist, daß sich Immaterie vermarkten läßt. Neu ist nicht die Existenz immaterieller Bedürfnisse und daraus abzuleitender Nutzen, sondern die Erkenntnis, daß dafür ein bestimmter Preis gezahlt wird, was eine qualitative Wertschöpfung erst möglich macht. Der Nachweis immaterieller Existenz bei der Gütervermarktung ist nicht das entscheidende Kriterium der neuen Theorie. Dieses besteht vielmehr darin, die Immaterie zum alles bestimmenden Wachstumsfaktor zu erklären und sie in den Mittelpunkt des Wirtschaftens zu stellen. Das Fazit der Immaterialisierungstheorie sind die Konsequenzen, Auswirkungen und Maßnahmen für Lehre und Praxis. Diese sind:

3

4

5

Vgl. Schumpeter, Joseph: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S. 100. Al/ais, Maurice: Die Hauptlinien meines Werkes. S. 1003. Friedman, Milton: Inflation und Arbeitslosigkeit (Zitat von Du Pont. Pierre) S. 521.

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Fazit

1. Makro- und Mikroökonomie müssen als Einheit gesehen und als geschlos-

senes System behandelt werden. 2. Ziel und Aufgabe, mikro- wie makroökonomisch, ist die positive Beeinflussung des Immaterialisierungsprozesses. 3. Der Immaterialisierungsgrad ist damit auch Hauptziel der Stabilisierungspolitik und bestimmt Vollbeschäftigung, Preisstabilität, internationales Gleichgewicht und Wachstum. 4. Der Marktmechanismus mit seinen Komponenten Angebot/Nachfrage/ Güter/Geld bleibt bestehen, bekommt jedoch inhaltlich eine völlig neue Prägung. Die Bedeutung des Quantitativen nimmt ab, die des Qualitativen zu, der Einfluß des Geistes ist stärker als der des Geldes. Das Angebot wird in höherem Maße durch Immaterie als durch Materie bestimmt. Die Nachfrage hängt von der Befriedigung immaterieller Bedürfnisse ab und dem Ausmaß der Bereitschaft, dafür zu zahlen. Das gilt gleichermaßen für Investitions- wie Konsumgüter. Der Preis erfährt als Wertausdrucksmittel eine neue Wertigkeit, nicht Masse und Menge bestimmen den Preis der Waren, Löhne und Gehälter, sondern Fähigkeiten zur schöpferischen Gestaltung und der Grad der Immaterialisierung der volkswirtschaftlichen Güter. Der Zins als Preis des Geldes (Kredit) verliert als Steuerungsgröße (M3) an Bedeutung. Investitionen sind weniger eine Frage der Höhe des Zinssatzes als vielmehr des in einer Volkswirtschaft vorhandenen Humankapitals zur schöpferischen Gestaltung und der Möglichkeit, faszinative Güterpersönlichkeiten zu vermarkten, was die Bereitschaft, Immaterie zu kaufen, voraussetzt. Wer z. B. über Marken mit Charakter verfügt, ist überlegen im Wettbewerb und macht die Märkte. 5. Immaterie verhält sich zu Materie wie privat zu kollektiv oder Individuum zu Masse. So wie sich Individualstreben positiv auf die Gemeinschaft auswirkt, so hat Immaterialisierung auch positive Folgen für die Materie. So führt z. B. Mode zur Güterfülle. 6. Individualisierung und Differenzierung von Güterpersönlichkeiten sind Folgeerscheinungen der Immaterialisierung und können ökonomisch nur bestehen, wenn sie von der Allgemeinheit getragen werden. Das wiederum hängt von der öffentlichen Meinung und der sie bestimmenden Personen und Institutionen ab, die im kulturellen, wissenschaftlichen und politischen Bereich zu finden sind. Wer Luxus- und Modegüter verdammt, stellt sich gegen die Vermarktung von Immaterie und die entscheidende Wachstumskraft hochentwickelter Volkswirtschaften. 7. Geld ist anonym, Geist immer persönlich. Schöpferische Gestaltung von Immaterie läßt kein dialektisches, auf Widerstreit basierendes Wirtschaften zu. Der Paradigmawechsel zwingt Makro- wie Mikroökonomie zu polarem Handeln, d. h. gegenseitige Interessenwahrung, Konsens, Team, Kooperation.

Fazit

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8. Das Immaterielle ist die Software der Güter, der ergänzende Teil, der deshalb als Persönlichkeit bezeichnet wird. 9. Die Animisierung der Güter macht seelenlose Ware zu lebendigen Gütern, die ihrer Art nach unsterblich sind. Es gibt Marken, die Jahrzehnte materiell nicht mehr in Erscheinung traten (z. B. Zigarette R Nr. 6), aber immateriell weiterexistierten und dann wieder reanimiert im Markt auftraten. 10. Hochentwickelte Volkswirtschaften haben bei Versorgungs- und Problemlösungsgütern mit geringem Immaterialisierungsgrad gegenüber unterentwickelten oder aufsteigenden Ökonomien Wettbewerbsnachteile, da unterqualifizierte Arbeit mit niedrigen Lohn/Gehaltskosten zum Tragen kommt. Die Einkommensstruktur einer Ökonomie bestimmt das Lohn- und Gehaltsniveau eines Landes. Deshalb haben hochentwickelte Länder nur zwei Möglichkeiten, wettbewerbsfähig zu bleiben, sie gehen in die Billiglohnländer, oder sie transformieren (High-Tech, High-ehern) oder implantieren (Faszination) Geist in Investitions- und Konsumgüter, was gleichbedeutend ist mit Immaterialisierung derselben. 11. Der Immaterialisierungsprozeß hat weltweit zu einer neuen Arbeitsteilung geführt. Mikro- und Makroökonomien müssen sich weit besser als bisher darauf einstellen. Der Immaterialisierungstheorie folgend, müssen sie agieren, statt zu reagieren. 12. Der Wandlungsprozeß ist sichtbar. Hochentwickelte Ökonomien sind in immer größerer Zahl und in höherem Ausmaß dabei, dem Immaterialisierungsprozeß Rechnung zu tragen. Materiedominante Arbeitsplätze werden auf Maschinen übertragen oder in unterentwickelte Staaten verlagert. Weitaus bedeutender und interessanter ist deren Umgestaltung zu immateriebestimmten Arbeitsplätzen. 13. Das Wachstum der hochentwickelten Ökonomien ist qualitativ und wird von der Vermarktung von Immaterie bestimmt. 14. Nach der Immaterialisierungstheorie bilden Mikro- und Makroökonomie eine Einheit, die weder aus methodischen noch propädeutischen, ideologischen, zweckdienlichen Gründen aufgegeben werden darf. Volkswirtschaftspolitik und Unternehmenspolitik müssen synchronisiert werden. Für den Staat und die Privatwirtschaft gibt es nur ein gemeinsames Ziel, die Förderung und Erhöhung der Immaterialisierung volkswirtschaftlicher Güter. Diese Synchronisation ist durchgängig für die Ordnungs-, Stabilitäts-, Einkommens-, Beschäftigungs-, Struktur-, Konjunktur-, Geld- und Fiskalpolitik ebenso wie Ausbildungs- und Tarifpolitik. Anstelle des ruinösen Wettbewerbs muß der Interessen ausgleichende Wettbewerb treten, statt ruinöser Preise mehr Immaterie in Form von Faszination und zur Befriedigung geistiger Nutzen. 15. Talent und Geist sind teuer. Diejenigen, die beides besitzen oder sich besondere fachliche Fähigkeiten angeeignet haben, werden zur "Herstel12 Bossle

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16.

17. 18.

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20.

Fazit

lung" von Immaterie gebraucht und entsprechend hoch dafür entlohnt. Wer nur Materie produziert, verdient weniger, da nur eine geringe Wertschöpfung erbracht wird. Dieses Auseinanderdriften der Löhne ist letztlich sozialer Sprengstoff und führt zu permanentem Begehren nach Umverteilung. Die einzige Möglichkeit aus diesem Dilemma zu kommen ist, die Arbeitskräfte höher zu qualifizieren und an die Anforderungen, die der Immaterialisierungsprozeß stellt, heranzuführen. Die auf der Immaterialisierungstheorie basierende Wirtschaftspolitik weist dem Staat zwei zentrale Aufgaben zu. Er muß Rahmenbedingungen schaffen, die die Vermarktung von Immaterie begünstigen. Dazu zählen vor allem Rechtsgrundlagen und Aufklärung. Und er muß Immaterialisierung fördern. Steuern und Subventionen müssen radikal umgeschichtet werden vom Halten alter Strukturen und Konservieren auf Renovation durch Animation sowie in der Belohnung von Untätigsein für Tätigsein. Versorgungsmentalität muß durch Schöpfungsmentalität ersetzt werden. Der Staat muß das vorhandene Talentpotential besser mobilisieren und nutzen. Keine aufs Quantitative abgestellten ABMs, Entkoppelung der Lohnstruktur, stärkere Liberalisierung des Wettbewerbs bei gleichzeitig höherem Schutz der Güterpersönlichkeiten, Auflösung von Machtzentren, Deregulierung auf allen Ebenen und radikaler Abbau der Bürokratie als eines der Haupthindernisse im Immaterialisierungsprozeß. Immaterie ist substanzlos, umweltneutral, immer reproduzierbar und damit einzige Möglichkeit, die großen Zukunftsaufgaben, Wachstum und Umwelt, konfliktfrei und optimal zu lösen. Zur Umsetzung der Immaterialisierungstheorie bedarf es Instrumente. Diese sind vorhanden, müssen jedoch auf den Immaterialisierungsgrad der Güter ausgerichtet werden. Deshalb gehört zur Instrumentalisierung zunächst eine Messung dieses Immaterialisierungsgrades, was mit Hilfe primär- und sekundärstatistischer Daten, die über die Marktforschung oder Berichterstattungen eingeholt werden können, möglich ist. Bei Vorlage einer nach Materie und Immaterie getrennten Wertschöpfung läßt sich mit einer einfachen Formel der mikro- und makroökonomische Immaterialisierungsgrad der Güter respektive Güterkategorien ermitteln und getrennt nach Märkten oder Nationen einander gegenüberstellen. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse sind die Grundlage der Wirtschaftspolitik. Wirtschaftstheorien sind immer situationsbezogen, weil sie der Wirklichkeit entsprechen müssen. Damit unterliegen sie, wie die Materie selbst, die sie behandeln, dem Wandel. Paradigmenwechsel sind demnach der Wirtschaftstheorie immanent. Es gibt kein Versagen der Theorien, sondern nur eine situativ falsche Anwendung. Philosophie, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft sind interdependente Größen, die in ihrem Zusammenwirken das Schicksal menschlicher Le-

Fazit

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bensgestaltung bestimmen. Zentrifugal ist ihr Wirken positiv, extrafugal negativ. Wenn die Philosophie Wirtschaftsprinzipien mißachtet, indem sie gegen diese lehrt, oder umgekehrt philosophische Erkenntnisse von der Wirtschaft ignoriert werden, wenn Ideologie die Wirtschaftspolitik und nicht die Realität diese bestimmt, wenn die Gesellschaft essentielle Ordnungs rege In mißachtet, kann Wirtschaften nicht optimal sein. Solche exogenen Faktoren belasten die Wirtschaft weit mehr als endogene Kräfte. 21. Es sind nicht die billigen Rohstoffe, die reiche Länder reich gemacht haben oder immer noch reicher werden lassen, sondern die Fähigkeiten und Tüchtigkeit ihrer Bürger, Immaterie zu erzeugen, zu vermarkten und zu ge- und verbrauchen. Deshalb führt der Weg zu mehr Wohlstand für unter- oder weniger entwickelte Völker einzig und allein über eine Aktivierung des landeseigenen Immaterialisierungsprozesses. Der fatale Irrtum, daß entwickelte Länder unterentwickelte ausbeuten, vernebelt den Blick für den rechten Weg. 22. Alle momentan im Mittelpunkt stehenden Maßnahmen zur Lösung der Wirtschaftsprobleme, wie gemäßigte Tarifabschlüsse, Senkung der Arbeitskosten, Flexibilisierung der Arbeit und vor allem Kürzung der Wochen-, Monats- und Jahres- sowie der Lebensarbeitszeit, sind zwar hilfreich, aber letztlich untauglich für eine mittel- und langfristige Lösung der Wirtschaftsprobleme wie Arbeitsplätze, Umwelt und Wohlstand. Der weltweit sich vollziehende Immaterialisierungsprozeß zeigt den Weg aus dem Dilemma, die Immaterialisierungstheorie beschreibt ihn, gehen aber müssen ihn die Verantwortlichen selbst. Der technische Fortschritt hat die Menschen freigemacht, das herzustellen und zu konsumieren, was über ihre Versorgung und zum Lösen ihrer Probleme notwendig ist. Jetzt müssen sie in ihren hochentwickelten Wirtschafts gebilden mit einem qualitativen Wachstum ihren erreichten Wohlstand sichern und erweitern. Das vermögen sie nur durch Vermarktung von Immaterie. Diese notwendige Erhöhung der Immaterialisierungsgrade ihrer Güter können sie nur mittels schöpferischer Gestaltung und steigendem Ge- und Verbrauch von Immaterie als Befriedigung ihrer immateriellen Bedürfnisse erreichen. Ökonomisch gesehen ist die Menschheit in hochentwickelten Ländern mit demokratischen Verfassungen am Ende ihrer Möglichkeiten und Träume angekommen, sie kann schöpferisch tätig sein und in Wohlstand leben.

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