Tantarum causas irarum: Untersuchungen zur einleitenden Bücherdyade der Punica des Silius Italicus [Reprint 2012 ed.] 3110106108, 9783110106107

In der 1968 gegründeten Reihe erscheinen Monographien aus den Gebieten der Griechischen und Lateinischen Philologie sowi

178 55 13MB

German Pages 222 [220] Year 1986

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Tantarum causas irarum: Untersuchungen zur einleitenden Bücherdyade der Punica des Silius Italicus [Reprint 2012 ed.]
 3110106108, 9783110106107

Table of contents :
Vorwort
Einleitung
A. Inhalt und Aufbau der beiden Anfangsbücher der Punica und ihre Stellung im Gesamtwerk
1. Inhaltliche und kompositionelle Grundzüge von Buch 1 und 2 der Punica
2. Die einleitende Bücherdyade im Rahmen des Gesamtwerkes
B. Das Proömium und die Geschehensexposition bis zu Hannibals Angriff auf Sagunt (Sil. 1,1-270)
1. Die silianische Gestaltung des Proömium zum Gesamtwerk
2. Mythologische und historische Begründung des 2. Punischen Krieges
C. Der Kampf um Sagunt
1. Makrostruktur und Darstellungsweise der silianischen Schilderung
2. Thematische Leitlinien und epische Gestaltung des Geschehens in und um Sagunt
D. Die Grundzüge silianischer Darstellungs- und Erzählweise in der einleitenden Bücherdyade
Exkurs: Zum Problem der Großkomposition der Punica
Literaturverzeichnis
Register

Citation preview

Jochem Küppers Tantarum causas irarum

w DE

G

Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte

Herausgegeben von Winfried Bühler, Peter Herrmann und Otto Zwierlein

Band 23

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1986

Tantarum causas irarum Untersuchungen zur einleitenden Biicherdyade der Punica des Silius Italicus

von Jochem Küppers

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1986

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Gedruckt auf säurefreiem Papier (alterungsbeständig — pH 7, neutral)

CIP-Kur^titelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Küppers, Jochem: Tantarum causas irarum : Unters, zur einleitenden Bücherdyade d. Punica d. Silius Italicus / von Jochem Küppers. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1986. (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte ; Bd. 23) ISBN 3-11-010610-8 NE: GT

©

1986 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30, Genthiner Straße 13. Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin 30 Einband: Lüderitz & Bauer, Berlin 61

Vorwort Die vorliegenden Untersuchungen zu den beiden einleitenden Büchern der Punica des Silius Italicus wurden im Wintersemester 1983/84 von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Habilitationsschrift angenommen. Für den Druck erfuhren sie in einzelnen Punkten eine Überarbeitung, die zumeist durch die fördernde Kritik der von der Fakultät bestellten Gutachter angeregt wurde. In dieser Hinsicht danke ich namentlich den Professoren H. Erbse und D. Schaller sowie vor allem Professor O. Zwierlein, der mir bei der Beurteilung der Frage nach Disposition und Umfang des silianischen Proömium wichtige Hinweise gab (vgl. 36 ff. bes. 38 f.). Mein besonderer Dank gilt aber Professor W. Schetter, der meine Arbeit an den Punica stets mit wertvollen Ratschlägen förderte. Zu danken habe ich außerdem den Herausgebern der .Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte', daß sie diese Arbeit in ihre Reihe aufgenommen haben, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, daß sie einen großzügigen Zuschuß zu den Druckkosten gewährte, und dem Verlag, daß dieses Buch rasch und in so ansprechender Form gedruckt wurde. Wesentlichen Anteil am Zustandekommen dieser Arbeit hat aber auch meine Frau, die neben häufiger Rücksichtnahme mir immer wieder Mut zusprach. Dafür möchte ich ihr auch an dieser Stelle ausdrücklich danken. Bonn 1985

J.K.

Inhaltsverzeichnis Vorwort

V

Einleitung

1

A. Inhalt und Aufbau der beiden Anfangsbücher der Punica und ihre Stellung im Gesamtwerk 1. Inhaltliche und kompositionelle Grundzüge von Buch 1 und 2 der Punica 2. Die einleitende Bücherdyade im Rahmen des Gesamtwerkes B. Das Proömium und die Geschehensexposition bis zu Hannibals Angriff auf Sagunt (Sil. 1,1-270) 1. Die silianische Gestaltung des Proömium zum Gesamtwerk 1.1 Umfang und Disposition des silianischen Proömium . . . 1.2 Die silianische Themenangabe (Sil. 1,1 — 16): Traditionelle Proömiengestaltung und inhaltliche Eigenständigkeit . . . 2. Mythologische und historische Begründung des 2. Punischen Krieges 2.1 Die Kausalkette: Dido — Juno — Hannibal und Hannibals Schwur 2.2 Der Schwur Hannibals und Didos Fluch 2.3 Der weitere Gang der Handlung bis zu Hannibals Angriff auf Sagunt C. Der Kampf um Sagunt 1. Makrostruktur und Darstellungsweise der silianischen Schilderung 2. Thematische Leitlinien und epische Gestaltung des Geschehens in und um Sagunt 2.1 Hannibals Sturm auf Sagunt und das Eingreifen des Murrus (Sil 1,271-555) 2.2 Asbyte und ihre .Amazonen' (Sil. 2,56-269) 2.3 Sagunts Untergang (Sil. 2,391-695) 2.3.1 Hannibals Schild (Sil. 2,395-456) 2.3.2 Sagunts Selbstvernichtung im Widerstreit von Fides und Tisiphone (Sil. 2,457-695)

4 4 11

22 22 22 45 61 61 73 92 107 107 123 125 141 153 154 164

D. Die Grundzüge silianischer Darstellungs- und Erzählweise in der einleitenden Bücherdyade 171 Exkurs: Zum Problem der Großkomposition der Punica

176

Literaturverzeichnis

193

Register

199

Einleitung Eine intensivere Beschäftigung mit den Punica des Silius Italicus, dem — neben Lukans Gedicht vom Bürgerkrieg — zweiten erhaltenen umfangreichen Geschichtsepos der römischen Antike, setzte erst in jüngerer Zeit mit der Monographie v. Albrechts ein 1 . Das Ziel dieses Buches ist es, die spezifische gestalterische Leistung des Silius näher zu bestimmen, die nach Meinung des Verfassers nicht so sehr in einer Poetisierung des Livius besteht, als vielmehr „gedanklich-konstruktiver" Art ist: „Umorientierung des Hannibalischen Krieges auf die Aeneis hin, Deutung des historischen Geschehens aus der Sicht der größten Dichtung der Römer." 2 In diesem Zusammenhang spielt für v. Albrecht eine wichtige Rolle der Nachweis ganz bestimmter inhaltlicher „Grundlinien und Grundtendenzen", die dem silianischen Epos Einheit und Gehalt verleihen 3 . Die sich hier andeutende Tendenz, das spezifisch Silianische bei der Gestaltung der Punica näher zu bestimmen, kennzeichnet seitdem die Forschungslage. Allerdings werden dabei zusehends die inhaltlichen Gesichtspunkte, oder — um es mit den Worten Juhnkes zu formulieren — „die ideologischen Grundzüge des silianischen Epos" 4 überbetont. Dies ist insbesondere bei der durch v. Albrecht angeregten Dissertation Kissels der Fall, der die „Konstante silianischen Denkens" 5 in den geschichtsphilosophischen Grundanschauungen des Dichters sieht und diese durch seine Interpretationen näher zu bestimmen sucht. In eine ähnliche Richtung weisen auch zwei Aufsätze Vesseys zu den beiden einleitenden Büchern 6 , welche die durch v. Albrecht herausgestellten gedanklichen Grundlinien in gewissem Umfange zum einzigen Instrument der Interpretation machen. Nur am Rande sei auf zwei Dissertationen aus jüngster Zeit hingewiesen, nämlich die von Fincher und Thuile, die sich mehr oder weniger darauf beschränken, ausgehend von den Untersuchungen v. Albrechts den gesamten Inhalt bzw. einen Teilabschnitt der Punica zu paraphrasieren. 1

2 3 4 5 6

Zu der durchweg negativen Beurteilung des Silius in der älteren Forschung, die sich gerne auf das bekannte Plinius-Diktum (ep. 3,7,5): Scribebat carmina maiore cura quam ingenio beruft, v. Albrecht 9 — 12 und hier unten 11 mit Anm. 40. V. Albrecht 184. Vgl. besonders v. Albrecht 15 — 89. Juhnke 225 Anm. 165 (vgl. auch 50) sowie unten 13 Anm. 46. Kissel 10. Vessey, Saguntum und ders., Shield.

2

Einleitung

Demgegenüber hat Juhnke stärker den Kunstwillen und die poetische Gestaltung des Silius hervorgehoben, indem ihm — entsprechend der Themenstellung seiner Arbeit — an dem Nachweis der silianischen Rezeption und Adaptation von Homerischem gelegen ist 7 . Freilich wäre ein intensiver Vergleich zwischen Silius und Vergil wichtiger und aufschlußreicher gewesen. Niemann wendet sich in seiner Dissertation der „Darstellung der römischen Niederlagen" zu, die einen breiten Umfang im Gesamtwerk einnimmt und die bei v. Albrecht so gut wie gar keine Berücksichtigung findet, und zwar vor allem mit dem Ziel, „die Spannung zwischen historischer Überlieferung und epischer Tradition" 8 sichtbar zu machen. Einer Einzelepisode, nämlich der Nekyia im 13. Buch der Punica, gilt die Dissertation von Reitz, die aber nur wenig dazu beiträgt, das Spannungsfeld zwischen epischem Traditionsgut und der silianischen Gestaltung innerhalb seines Geschichtsepos auszuloten. Das Thema der stofflichen und künstlerischen Gestaltung im Vergleich mit der historischen Überlieferung steht auch im Mittelpunkt der zuletzt erschienenen Monographie von Burck, wobei drei Themenkreise aus dem bisher kaum untersuchten letzten Werkdrittel einer ausführlichen Analyse unterzogen werden, nämlich „Die Taten des Marcellus", „Hasdrubals Invasion in Italien; die Schlacht am Metaurus" und „Die Schlußkämpfe in Nordafrika". Diese knappen Bemerkungen zur Forschungssituation verdeutlichen, daß man sich erst in jüngster Zeit um Einzeluntersuchungen zu wichtigen Passagen dieses umfangreichen Epos bemüht. Solche Untersuchungen sind aus zwei Gründen begrüßenswert: zum einen, weil auch Kommentare neueren Datums fehlen, und zum anderen, weil in einem Teil der zuerst genannten Arbeiten das Interesse an den übergeordneten Gesichtspunkten einer Erfassung von Sinn und Absicht des Gesamtwerkes überwiegt, was dann leider bisweilen zu einem geradezu unverbindlichen Interpretieren einzelner Textpassagen führt 9 . Bei allen bisher genannten Arbeiten fällt jedoch auf, daß ein wichtiges Problemfeld, nämlich die silianische Erzähl- und Darstellungsweise, weitgehend unberücksichtigt bleibt. Erste Ansätze zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit diesen Fragen begegnen allein bei Herzog, der sich im Rahmen seiner Untersuchungen zur Bibelepik darum bemüht, die erzähltechnischen Voraussetzungen für diese christliche Ausformung epischen Erzählens innerhalb des antiken römischen Epos und dort vor allem auch bei Silius näher zu bestimmen 10 . In den Siliuskapiteln der umfangreichen Abhandlung Häusslers über das „Historische Epos" sucht man vergeblich nach erzähl7 8 9 10

Vgl. besonders Juhnke 1 8 5 - 2 2 0 , aber auch 1 1 - 2 2 . 2 8 0 - 2 9 7 . Niemann 2. Vgl. z.B. hier unten 1 5 4 - 1 6 4 . Herzog 6 0 - 9 7 und bes. 7 6 - 8 6 .

Einleitung

3

technischen Spezifika silianischer Geschichtsepik 11 ; statt dessen behandelt Haussier ausführlich und häufig Nebensächlichkeiten überbetonend Einzelprobleme wie das des Verhältnisses von Silius zu Ennius oder des Götterapparates, ohne zu weiterführenden, die grundsätzlichen Besonderheiten der Punica erhellenden Einsichten zu gelangen 12 . Vor diesem Hintergrund sind die Aufgaben und Themen zu sehen, die die hier vorgelegten Untersuchungen aufgreifen. Sie bemühen sich vor allem um die Einzelinterpretation eines thematisch in sich geschlossenen Textteiles, nämlich der einleitenden Bücherdyade der Punica, die neben dem Proömium und der Geschehensexposition die ausführliche, in mehrere Phasen gegliederte Darstellung von Hannibals erstem kriegerischen Großunternehmen, nämlich dem Angriff auf Sagunt, zum Inhalt hat. Gleichsam die Mitte der Abhandlung bildet die Untersuchung der silianischen Exposition der Kriegsursachen, der ,tantarum causae irarum' (Sil. 1,17), die sich zusammen mit der einleitenden Themenangabe eng an die Proömiengestaltung in Vergils Aeneis (Aen. 1,1—33) anlehnt, um vor diesem Hintergrund eine spezifische Grundlegung des von Silius gewählten Sujets zu vermitteln. Dieser ausführlichen Analyse geht ein Kapitel über den Inhalt der einleitenden Bücher und ihre Stellung im Gesamtwerk voraus, das die wesentlichen Aspekte des später detailliert zu Behandelnden vorstellt. Die sich hierbei als notwendig ergebende Auseinandersetzung mit dem kontrovers beurteilten Problem der Makrostruktur des Gesamtwerkes wird in einem Exkurs nachgetragen, da sich sonst dieses Kapitel allzusehr verselbständigt hätte. Den dritten Teil nehmen ausführliche Untersuchungen zu der epischen Gestaltung des Kampfes um Sagunt vor dem Hintergrund des livianischen Berichtes ein. Es ist hier vor allem herauszuarbeiten, wie Einzelszenen, die bewußt episch gestaltet sind und in denen sich zahlreiche, Silius als kaiserzeitlichen Epiker kennzeichnende Besonderheiten finden, in die Gesamtdarstellung eingebunden werden. Gerade letzteres stellt einen wichtigen Aspekt innerhalb des diese Abhandlung durchgehend bestimmenden Versuches dar, eine Annäherung an den komplexen Gesamtcharakter des silianischen Epos zu erreichen.

11

Haussier, Epos II 1 4 8 — 2 1 1 . Bezeichnenderweise geht Haussier erst in seinem später erschienenen Essay „Strukturfragen historischer Epik in der Antike" (139 f.) näher auf die silianische Erzähltechnik ein und bezieht sich dabei auf die Ausführungen Herzogs. Auch Burck, Epos 261 f. Anm. 22b scheint erst durch Herzog auf diese Fragestellungen aufmerksam gemacht worden zu sein.

12

Häussler, Epos II 211 befindet abschließend im Hinblick auf die Götterszenen der Punica, daß diese Dichtung „als unfreiwilliges Zeugnis eines unaufhaltsamen geistigen Umbruchs, nicht als Kunstwerk von Interesse" sei.

Α. Inhalt und Aufbau der beiden Anfangsbücher der Punica und ihre Stellung im Gesamtwerk 1. Inhaltliche und kompositioneile Grund^üge von Buch 1 und 2 der Punica Silius eröffnet sein Epos über den zweiten Punischen Krieg mit einer Bücherdyade 13 , die ab V. 1,271 ein einheitliches und in sich geschlossenes Handlungsgefiige zum Inhalt hat, nämlich Hannibals Angriff auf Sagunt und die Eroberung der romtreuen Stadt 14 . Die einleitenden Textpartien nehmen ein traditionelles episches Proömium mit darin integrierter Vorstellung der Gründe, die zum Kriege führen (1,1 — 37), die Darstellung des Handlungsbeginnes (1,38 —69) 15 , und die geraffte Exposition der historischen Vorgänge ein, aus denen sich Hannibals erstes kriegerisches Großunternehmen und damit der Beginn des Krieges mit Rom 1 6 entwickelt (1,70 — 270). Die Verse 1,268 — 270, die den letztgenannten Abschnitt beschließen und gleichzeitig zum Saguntgeschehen überleiten, binden Hannibals Angriff auf Sagunt fest in die zuvor vermittelte gedankliche Grundlegung des Gesamtgeschehens ein und erlauben erste Aufschlüsse über Sinn und Funktion dieses Geschehenskomplexes im Gesamtwerk; sie lauten folgendermaßen: Ergo instat (sc. Hannibal) fatis, et rumpere foedera certus, quo datur, interea Romam comprendere bello gaudet et extremis puisât Capitolia terris. 13

14

15

16

Die allein schon durch den Begriff ,Bücherdyade', der auch im Titel dieser Arbeit sowie in der Einleitung (3) benutzt wird, evozierte Frage, ob das Gesamtwerk sich in ganz bestimmte Bücherkomplexe gliedern läßt und ob sich hierdurch auch die Möglichkeit bestimmter Kompositionsschemata ergibt, wird unten 15—21 und in dem diesem Problem ausschließlich gewidmeten Exkurs (176 — 192) erörtert. Ausführlich gehen auf die beiden Eingangsbücher ein v. Albrecht 24—28. 55—62 und Vessey in den Abhandlungen: ,Silius Italicus on the Fall of Saguntum' und ,Silius Italicus: The shield of Hannibal'. Die hier bereits vorausgesetzte Disposition der einleitenden Textpassagen wird unten 22—45 in einem eigenen Kapitel behandelt. v. Albrecht 24 ff. zeigt, daß Hannibals Angriff auf Sagunt die ,Präfiguration' des Angriffes auf Rom darstellt; außerdem vgl. Vessey, Saguntum 28 und unten 14 f. Als besonders wichtige Stellen für diesen Sachverhalt sind die gleich anschließend zitierten Verse 1,269 f. (dazu vgl. die allgemeine Aussage in Hannibals Schwur l,114f.) und die Verse 2,451 f. innerhalb der Schildbeschreibung zu nennen; zu letzterem unten 162 f.

Inhaltliche und kompositionelle Grundzüge

5

Diesen Versen können als die wichtigsten Gedanken der Anfangspassagen folgende an die Seite gestellt werden: Gleichsam in zwei gedanklichen Entwicklungsreihen stellt Silius zum einen die mythologischen, zum anderen die historischen Voraussetzungen für die gewaltige kriegerische Auseinandersetzung, die Thema seines Epos ist, vor 17 : In der Versreihe 1,21—37, die als causae-Erörterung den zweiten Teil des Proömium ausmacht, führt er Junos Haß gegen Rom und ihre Vorliebe für Karthago als die entscheidenden Gründe dafür an, daß die Göttin nach dem Scheitern des 1. Punischen Krieges Hannibal zum alleinigen Befehlshaber in dem erneuten Krieg gegen Rom auserwählt. Den eigentlichen Handlungsbeginn markiert Hannibals Übernahme des göttlichen Zornes in 1,38 f., ein Ereignis, das Silius bedeutungsvoll in V. 39b so kommentiert: hunc audet (sc. Iuno) solum componere fatisx%. Es schließen sich eine Rede Junos (1,42—54)19 und eine erste, stark negativ gefärbte Charakteristik Hannibals an, in der dieser durch seine Charaktereigenschaften als geradezu prädestiniert für das junonische Unterfangen gezeichnet wird (1,56 —62)20. Im Hinblick auf die Stelle 1,268 — 270 sind besonders wichtig die Eigenschaften blinden Tatendranges und der Wortbrüchigkeit (1,56 f.: Ingenio motus avidus fideique sinister \ is fuit)\ letzteres wird näher ausgeführt in V. 1,61b —62: . . . havet Aegatis abo lere, parent um | dedecus, ac Siculo dem erger e foeder a ponto. Die gesamte Versreihe beenden die Visionen zukünftiger Taten, von denen Hannibal umgetrieben wird und in deren Mittelpunkt der Sturm auf das Kapitol und die Überwindung der Alpen stehen (1,64—65): iamque aut nocturno pénétrât Capitolio visu \ aut rapidis fertur per summas passibus Alpes. Obgleich Hannibal schon jetzt vollständig dazu bereit und gerüstet erscheint, seinen Kampf gegen Rom aufzunehmen, werden in einer zeitlichen Rückblende die wichtigsten historischen Ereignisse und Fakten berichtet, die dem Angriff auf Sagunt und somit dem Kriegsbeginn vorausgehen (1,70 — 267). Als zentraler Vorgang wird der Schwur, den Hannibal seinem Vater Hamilkar leistet, dargestellt (1,114—119a): Romanos terra atque undis, ubi competei aetas, ferro ignique sequar Rhoeteaque fata revolvam. Non superi mihi, non Martern cohibentia pacta, non celsae obstiterint Alpes Tarpeiaque saxa. ... 17 18 19

20

Diese zweifache Begründung des Krieges wird unten 61 ff. ausführlich behandelt. Für die hier vorausgesetzte Textgestaltung vgl. unten 33—42. Zu der Frage, ob es sich bei diesen Worten der J u n o analog zu Verg. Aen. 1,37—49 um einen Monolog oder aber um eine den Hannibal anfeuernde Rede handelt, unten 42 f. mit Anm. 174. Es wird deshalb hier und auch im folgenden zunächst ganz allgemein von einer ,Rede Junos' gesprochen. Zu der ausschließlich negativen Charakteristik Hannibals an dieser Stelle v. Albrecht 48 ff. 140, Kissel 35. 104, Burck, Epos 278 f. mit Anm. 55, Miniconi - Devallet L X I u.a. sowie unten 42 f. 1 0 4 f . mit Anm. 399 u . ö .

6

Inhalt und Aufbau von Buch 1 und 2

Die Androhung des Krieges gegen Rom ist hinsichtlich der Kampfstätten (terra atque undis) und der Kampfmittel {ferro ignique) umfassend und total, ebenso wie weder Götter und Verträge, noch schier unüberwindlich scheinende kriegerische Aufgaben Hindernisse bilden können; hier spiegeln sich deutlich die zentralen Motive aus der Charakteristik Hannibals und den Visionen des Puniers wider. Rasende Kriegsgier unter der Einflußnahme Junos, Vertragsbruch sowie Rom und das Kapitol als eigentliche Ziele allen Bestrebens, das sind die Beweggründe, die Hannibal nicht nur grundsätzlich in seiner Unternehmung gegen Rom bestimmen, sondern auch ganz speziell bei seinem Angriff auf Sagunt, wie die Verse 1,268 — 270 zeigen. Es liegt von hierher bereits die Vermutung nahe, daß das Saguntgeschehen im Gesamtzusammenhang die Funktion des Exemplarischen erfüllt. Die entscheidende Rolle würde dabei aber dem Motiv der Vertragsbrüchigkeit Hannibals 21 , oder anders ausgedrückt der Nichtbeachtung der fides durch ihn, zufallen 22 , und zwar nicht nur, weil sich von hierher ein unübersehbarer Bogen vom Beginn der Belagerung Sagunts zu der ihren Abschluß bildenden Apostrophe (2,696 — 707) spannt 23 , sondern vor allem, weil das Verhalten der Saguntiner durchweg die Kontrafaktur zu dem des Hannibal bildet. Dieses Verhalten Sagunts läßt sich in aller Kürze so charakterisieren: Die Einwohner Sagunts reagieren auf die Aggression Hannibals, indem sie in einem nicht mehr zu überbietenden Gegensatz zum Vertragsbruch des Gegners sich der Fides verpflichtet fühlen und an ihr bis zur letzten Konsequenz, nämlich der Selbstvernichtung, festhalten. Programmatischen Charakter für diese Positionen haben die Verse 1,329 —333a24, die Silius gleich an den Beginn der saguntinischen Gegenmaßnahmen auf Hannibals erstes Anstürmen hin stellt und mit einer Fides-Epiklese betont feierlich eröffnet: Heu priscis numen populis, at nomine solo in terris iam nota Fides!2S Stat dura inventus 21

22

23

24

25

Den Vertragsbruch als zentrales Motiv der ersten beiden Bücher hebt besonders Juhnke 185 f. 220 f. hervor und zieht (220 f.) Verbindungslinien zu der σύγχυσις όρκίων in der Ilias; vgl. auch unten 56f. 59. 125 ff. u. ö Zur „beherrschenden Stellung der Fides als Gestalt und Daseinsmacht in Silius' Punica" v. Albrecht 55 ff. Allerdings übersteigert v. Albrecht die Funktion der Fides, wenn er (55) die Punica geradezu als ein „Epos der Fides" bezeichnen zu können glaubt (vgl. Burck, Epos 289 Anm. 88); dazu außerdem unten 13 f. Kissel 217 weist daraufhin, daß die gedankliche Verbindung zwischen 1,296 und 2,700 f. die beiden Anfangsbücher eng zusammenschließt. Als weitere wichtige Stelle, an der die fides der Saguntiner ausdrücklich betont wird, ist 1,598 f. zu nennen: Sagunt ist die Fidei domus inclita so wie die Römer, denen Sagunt durch die fides eng verbunden ist, die sacrata gens clara fide (1,634) schlechthin repräsentieren (weitere Stellen nennt v. Albrecht 56 ff.). Auf die an dieser Stelle sich äußernde „Dekadenzanschauung" des Silius in bezug auf

Inhaltliche und kompositioneile Grundzüge

7

ereptamque fugam et claudi videt aggere muros, sed dignam Ausonia mortem putat esse Sagunto servata cecidisse fide. Gleichzeitig bilden sie den Gegenpol zu der — in indirekter Rede wiedergegebenen — infamen Drohung Hannibals, die ihrerseits programmatisch ist und unmittelbar dem Speerwurf vorangeht, mit dem dieser endgültig den Vertragsbruch besiegelt 26 und den Kampf um Sagunt eröffnet (1,303-304a): scita patrum et leges et iura fidemque in dextra nunc esse sua.

deosque

Dieses ist die Ausgangsposition und zugleich die gedankliche Grundlegung für die anschließenden Kampfhandlungen vor den Mauern der Stadt und in der Stadt selbst sowie den Untergang der Saguntiner, in den sie von Fides selbst in ihrer Sinneshaltung bestärkt Tisiphone treibt 27 . Eine solche Haltung aber macht Sagunt in den Augen des Silius zum eigentlichen Sieger, Hannibal aber, der sich selbstherrlich über göttliche und menschliche Satzung hinwegsetzt, zum Verlierer. Diese Gedanken beherrschen die abschließende Apostrophierung der Saguntiner (2,696 — 707), in der mit deren strahlender Apotheose der Vorausblick auf das unselige Ende Hannibals, sein Umherirren in der Verbannung und seinen unehrenhaften Tod durch Gift, aufs eindrucksvollste kontrastiert: At vos, sidereae, quas nulla aequaverit aetas, ite decus terrarum, animae, venerabile vulgus, Elysium et castas sedes decorate piorum. Cui vero non aequa dedit victoria nomen — 700 audite, o gentes, neu rumpite foedera pacts nec regnis postferte fidem! — vagus exul in orbe errabit toto, patriis proiectus ab oris, tergaque vertentem trepidans Carthago videbit. Saepe Saguntinis somnos exterritus umbris seine Gegenwart weist neben v. Albrecht 56 mit Anm. 6 Haussier, Epos II 208 Anm. 65 hin. Zu der hiermit verbundenen übergreifenden Thematik der silianischen Stoffwahl als einer ,bewußten Rückwendung in Roms glorreiche Vergangenheit' äußern sich u. a. Schinkel 3 — 23 (hierzu sind jedoch die einschränkenden Bemerkungen bei Kissel 222 zu berücksichtigen), McDonald 153 ff., Schetter, Epos 76 f., Burck, Epos 257 f. 2 9 0 f f . , Kissel 2 1 8 ff., bes. 222 mit weiteren Literaturangaben in Anm. 39 zur grundsätzlichen modernen Beurteilung der Punica unter diesem Aspekt. Kissels eigene Ausführungen messen den angeblichen geschichtsphilosophischen Grundüberzeugungen des Silius zuviel an Bedeutung bei (vgl. unten 16 Anm. 64 u. ö.). 26

27

Silius kleidet also den Beginn der eigentlichen Kampfhandlungen in ein traditionelles episches Motiv ein; dazu unten 127 f. Diese entscheidende Auseinandersetzung zwischen den beiden göttlichen Mächten wird Gegenstand eines eigenen Kapitels sein: vgl. unten 1 6 4 — 1 7 0 .

8

Inhalt und Aufbau von Buch 1 und 2

705 optabit cecidisse manu; ferroque negato, invictus quondam Stjgius bellator ad undas deformata fer et liventi membra veneno. Hannibals erster großer Sieg ist zugleich der erste Schritt zu seiner Niederlage, denn sein Sieg ist non aequa (2,699) wie auch seinem ganzen Handeln Rechtsbruch und Unrecht zugrunde liegen. Der pointierte Abschluß des Saguntgeschehens stellt „die kompositionelle Verankerung von Werkanfang und Werkende" 28 dar und verdeutlicht gleichzeitig, daß die Vorgänge in Sagunt exemplarische und das gesamte Geschehen der Punica ,in nuce' vorwegnehmende Bedeutung haben: Hannibals unmoralischem und rechtswidrigem Verhalten, das zwar von außen betrachtet in Sagunt noch Triumphe feiert, ist auf die Dauer kein Erfolg beschieden, da nur der moralisch und sittlich korrekt Handelnde, der also, der der virtus verpflichtet ist 29 , letztlich den Siegerlorbeer ernten kann 30 . Wenn die Römer diese Einsicht, die Saguntinisches Verhalten nahelegt, in den folgenden Auseinandersetzungen, bei denen Hannibal ihnen selbst auf italischem Boden die schlimmsten Niederlagen ihrer Geschichte beibringen wird, beherzigen, so wird darin die Quelle für berechtigte Hoffnung auf eine erfolgreiche Beendigung des Krieges und den Sieg über Hannibal und Karthago liegen 31 . Mag der moderne Leser dieser stark moralisierenden Sichtweise der Dinge vielleicht ein nicht geringes Maß an Schwarz-Weiß-Malerei vorwerfen, so ist zu bedenken, welchen Leser Silius ansprechen will: Es ist der zeitgenössische römische Leser des ausgehenden l . J h . n.Chr., dem eindrucksvoll vor Augen gestellt werden soll, wozu römische virtus fähig war, und dem somit ein Wertesystem ins Gedächtnis zurückgerufen wird, das für ihn und seine Umwelt gewiß keine tatsächliche, dafür aber um so mehr an ideeller Bedeutung haben kann 32 . Soweit erste einführende Bemerkungen zur Grundthematik des Saguntgeschehens und ihrer Einbindung in die gedanklichen Zusammenhänge 28

29

30 31

32

Burck, Epos 265. Auch das folgende Buch 3 schließt mit einem Vorausblick auf die zukünftigen Ereignisse, jedoch nur auf einen Teilausschnitt, nämlich die für Hannibal siegreich endenden Schlachten bis einschließlich Cannae; dazu im Exkurs 189 f. Über die fides als „einen wesentlichen Baustein des ethischen Fundaments der virtus bei Silius" handelt zuletzt Kissel 96 ff.; außerdem vgl. hier kurz zuvor 6 Anm. 22. Zu den moralisierenden Tendenzen in den Punica unten 13. 55f. u.ö. Solche Momente der Hoffnung bilden immer wieder ein Gegengewicht zu den Niederlagen und bitteren Erfahrungen, die Rom insbesondere bis zur Niederlage bei Cannae erdulden muß; das eindrucksvollste Beispiel liefert die Serranus-Regulus-Episode im 6. Buch (zu diesem Aspekt des Regulus-Exkurses unten 13 f. und bes. Haussier, Epos II, 175 f.). Einen guten Gesamtüberblick über die wichtigsten Textstellen dieser Art und ihre Funktion im Gesamtwerk vermittelt Burck, Epos 260 — 270 (bes. 264 ff.) in seinem Kapitel: .Aufbau und Inhalt der Punica, Kompositionsfragen'; vgl. auch unten 19f. Über einige grundsätzliche Absichten, die für Silius bei seiner Stoffwahl bestimmend gewesen sein dürften, vgl. bereits kurz zuvor 6 f. Anm. 25. Zu dem bei Silius .intendierten Leser' vgl. mehrfach das Folgende.

Inhaltliche und kompositionelle Grundzüge

9

des Gesamtwerkes! Ein Hauptthema der anschließenden Untersuchungen wird die Fragestellung sein, wie Silius solche übergeordneten Gedankengänge bei der Gestaltung der Kampfereignisse im einzelnen zur Entfaltung und Darstellung bringt 33 . Es soll deshalb bereits an dieser Stelle ein erster Überblick über die Gliederung und kompositioneile Durchdringung des Geschehensablaufes gegeben werden: In drei großen, jeweils deutlich voneinander getrennten Abschnitten schreitet die Handlung vom Angriff Hannibals auf Sagunt bis zum Untergang dieser Stadt fort. Allerdings ist es weniger eine kontinuierliche Entwicklung der Vorgänge in der Zeit, die die einzelnen Teile miteinander verbindet; vielmehr wird in jedem Kampfabschnitt ein bestimmtes Ereignisgefüge in breiter epischer Form und unter Benutzung von mancherlei Motiven und Topoi traditioneller epischer Kampfschilderung berichtet 34 . Dagegen kommt die Aufgabe der Gliederung und der Vermittlung eines zeitlichen Rahmens für die Einzelereignisse einem synchron ablaufenden Geschehen zu, nämlich den diplomatischen Bemühungen von selten Sagunts und Roms, das sich in der Entsendung von Gesandtschaften und in deren Verhandlungen vollzieht 35 . Die einzelnen Großabschnitte werden jeweils von einem besonders hervorgehobenen Geschehenskomplex geprägt: In der ersten Kampfphase (1,271—555) zeichnet sich nach der Beschreibung Sagunts und dem Entfachen der Kriegshandlungen durch Hannibal unter den saguntinischen Kämpfern Murrus in besonderer Weise als Verteidiger seiner Stadt und entschiedener Widersacher Hannibals aus. Zwar unterliegt er letztlich Hannibal, doch gerät auch dieser in solche Bedrängnis, daß Juno ihm zur Hilfe kommen muß. Die zweite große szenische Einheit (2,56—269) gewinnt durch die Asbyte-Handlung ihren Zusammenhalt: Asbyte, der Nachfahrin des Garamantenkönigs Hiarbas, die mit ihren .Amazonen' Hannibal und die Karthager unterstützt, stellen sich auf saguntinischer Seite zunächst Mopsus und dann, nach dessen tragischem Freitod, der Herculespriester Theron entgegen; nachdem Theron neben anderen Feinden vor allem auch Asbyte getötet hat, wird er selbst ein Opfer der Rache, die Hannibal für den Tod Asbytes übt. In dem dritten und entscheidenden Stadium der Auseinandersetzungen (2,391—695) vollzieht sich schließlich nach der

33

34 35

Einige Ansätze zu einer solchen Betrachtungsweise finden sich bei Vessey in den genannten Aufsätzen zu den beiden Anfangsbüchern; allerdings subsumiert er allzu einseitig die Handlungsführung und die sie bestimmenden Ereignisse unter die von v. Albrecht herausgearbeiteten .Grundlinien und Grundtendenzen' des silianischen Epos und übertreibt die allegorisierende Deutung der Vorgänge (dazu unten bes. 131 Anm. 503). Vgl. die ausführlichen Untersuchungen unten 107—170. Es sei schon hier auf die doppelte Funktion hingewiesen, die die Gesandtschaften einerseits im Hinblick auf die kompositionelle Durchformung des Saguntgeschehens, andererseits in inhaltlicher Hinsicht als ein „tableau de la Rome ancienne" (Miniconi—Devallet XXIII) haben; dazu unten besonders 111 Anm. 430.

10

Inhalt und Aufbau von Buch 1 und 2

Beschreibung von Hannibals Schild der Fall Sagunts in dem unerbittlichen Widerstreit von Fides, die Hercules zur Unterstützung der Saguntiner entsandt hat, und Tisiphone, hinter deren Wirken natürlich Juno steht. Tisiphone ist es schließlich, die in der Gestalt Tiburnas, der Witwe des Murrus, Sagunt in den Untergang treibt. Diese kurze Inhaltsübersicht verdeutlicht bereits, daß es sich bei den Einzelszenen weitgehend um freie Gestaltungen dichterischer Einbildungskraft handelt, die bald aus bestimmten, in der historischen Überlieferung berichteten Tatsachen heraus entwickelt werden, bald ganz und gar fiktiv sind. Die poetischen Fähigkeiten des Silius werden aber nicht nur an seiner Erfindungsgabe gemessen werden können, sondern auch daran, wie er diese Einzelszenen abgesehen von der durchgehenden Deutung der Vorgänge unter der Antithetik der perfìdia Hannibals und der fides Sagunts, die bereits hervorgehoben wurde, auch durch ein subtiles Netz von Verknüpfungen und Beziehungen zu einem homogenen Gesamtgeschehen zusammenzubinden vermag. Ein Mittel solcher Verknüpfung schafft sich Silius z. B. durch die identische Begründung des Widerstandswillens der saguntinischen Helden, nämlich den Kampf für die — der Überlieferung zufolge von Hercules erbauten — Mauern Sagunts, den Herculeus labor (1,369), sowie durch weitere Beziehungen zwischen den saguntinischen Protagonisten, so z. B. diejenige, daß Tisiphone im dritten Szenenkomplex die Gestalt Tiburnas, der Witwe des Murrus, der während der 1. Kampfphase auf saguntinischer Seite die dominierende Rolle spielt, annimmt. Doch dies sind nur beliebige Beispiele aus einer Vielfalt ähnlicher Motivverknüpfungen, die in den späteren Einzeluntersuchungen (unten 123 ff.) noch nachgewiesen werden. Für die übergreifende Gliederung des Gesamtgeschehens ist dagegen — wie bereits kurz zuvor bemerkt wurde — die Unterbrechung der Kampfhandlungen in Sagunt durch Gesandtschaften und deren Verhandlungen von entscheidender Bedeutung: In den Versen 1,556 — 2,55 werden zunächst die Entsendung einer saguntinischen Gesandtschaft nach Rom36 und ihre Verhandlungen im Senat, sodann die Ankunft der Gesandten Roms vor Sagunt, ihre Abweisung durch Hannibal und ihre Weiterfahrt nach Karthago geschildert. Die Darstellung dieser Vorgänge ist der 1. und 2. Kampfphase zwischengeschaltet und verbindet gleichzeitig Buch 1 mit Buch 2 durch einen fließenden Übergang 37 . Der 2. Kampfabschnitt wird durch die Verhandlungen der Gesandten Roms im karthagischen Senat (Sil. 2,270 — 390) von der dritten und entscheidenden Phase der Auseinan36

37

Zur Problematik der Anzahl der Gesandtschaften bei Silius im Verhältnis zu den historischen Quellen unten 110—114. Dieses und die weiteren formalen Mittel, durch die Silius die beiden Anfangsbücher zu einer engen Einheit zusammenschließt, werden im folgenden Abschnitt (11—21) näher behandelt. — Zu der Erscheinung fließender Buchübergänge vgl. im Exkurs Anm. 701.

Stellung im Gesamtwerk

11

dersetzungen in Sagunt getrennt. Die Hauptakzente dieses letzten Versuches, den Konflikt auf diplomatischem Wege beizulegen, bilden die Rede Hannos und die Gegenrede Gestars im karthagischen Senat sowie die abschließende Kriegserklärung durch Fabius 38 .

2. Die einleitende Bücherdjade im Rahmen des Gesamtwerkes Thematische Geschlossenheit und kompositionelle Durchformung zeichnen also die beiden Anfangsbücher der Punica aus; dazu gesellt sich die wichtige Aufgabe innerhalb der Gesamtkonzeption des Epos, daß Sagunt als strahlendes ,exemplum fidei'39 am Beginn des Geschehens ein unübersehbares Zeichen von Heldentum und moralischer Integrität setzt, das in absolutem Gegensatz zur perfidia und charakterlichen Verderbtheit Hannibals steht und so gleichzeitig ein markantes Symbol der Hoffnung darstellt, Hannibal niederzwingen zu können. Doch dies ist nicht die einzige Funktion der einleitenden Bücher im Gesamtgeschehen, wenngleich auch die wichtigste, und nicht allein durch diese Aufgabe verbindet Silius diese Bücher mit dem weiteren Handlungsablauf. Ausgehend von der einleitenden Bücherdyade soll im folgenden der Blick auf die Handlungsführung im Gesamtwerk gelenkt werden. Ein für die ältere Silius-Forschung bezeichnendes Urteil über die Anfangsbücher und ihr Verhältnis zu den anschließenden Werkteilen äußert Mendell in seinem 1924 erschienenen Essay „Silius the Reactionary" (99)40: „The first two books by shear narrative force sustain the interest with scarcely a break and had Silius had the good fortune to die before writing more, he might have been hailed as another of those incomparable geniuses 38

39

40

Zu der Transponierung der Kriegserklärung in die Zeit noch während der Belagerung im Gegensatz zu Livius, wo diese erst nach der Eroberung Sagunts erfolgt, unten 111 — 113. Wert und Bedeutung des saguntinischen Verhaltens als eines .exemplum fidei' werden dadurch von Silius besonders betont, daß er innerhalb der Schildbeschreibung ausdrücklich Sagunt in Verbindung bringt mit Regulus, dem ,exemplum fidei κατ' έξοχήν' (2,435 f.): iuxta triste decus pendei sub imagine poenae \ Regulus et fidei dat magna exempta Sagunto\ dazu unten 158. Auf die weitgehend negative Beurteilung des silianischen Epos in der älteren Forschung, die letztlich unter dem Eindruck des Plinius-Diktum: scribebat (sc. Silius) carmina maiore cura quam ingenio (Plin. epist. 3,7) und des hierauf basierenden Vernichtungsurteils Scaligers:,... quem (sc. Silium) equidem postremum bonorum poetarum existimo: quin ne poetam quidem ..." (Scaliger, Poetices libri Septem, Lyon 1561, Nachdr. Stuttgart 1964, 324) steht, gehen alle Verfasser von Silius-Monographien neueren Datums in der Einleitung ein (am ausführlichsten v. Albrecht 9—12; daneben vgl. Niemann 1 f. und Kissel 9), so daß sich weitere Ausführungen erübrigen. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß Vessey in: The Cambridge History of Class. Literature II, Latin Literature, ed. by E.J. Kenney and W.V. Clausen, Cambridge 1982, 590—596 wieder ein durchweg negatives Urteil über die Punica fallt und die Ergebnisse neuerer Untersuchungen in vielen Punkten ignoriert.

12

Inhalt und Aufbau von Buch 1 und 2

lost to the world through a premature death." Das, was also nach Mendells Meinung die ersten beiden Bücher auszeichnet, nämlich die konzentrierte und kontinuierliche Darstellung eines einheitlichen Geschehensablaufes, fehle in gleichem Ausmaß dem Gesamtwerk, das lediglich gleichsam in annalistischer Tradition die historisch vorgegebenen Fakten aneinanderreihend erzähle41. Es ist gewiß richtig und darf nicht übersehen werden, daß das überlieferte historische Geschehen den maßgebenden Leitfaden für die silianische Darstellung bietet 42 , und daß Silius zu keiner einheitlichen Konzeption des Gesamtgefüges seines Epos gelangt, wie sie sich etwa bei der Konzentration des Geschehens auf einen einzelnen Helden denken ließe43, wobei es allerdings fraglich ist, ob dies bei dem Thema des 2. Punischen Krieges aus der Sicht eines römischen Epikers überhaupt durchführbar gewesen wäre 44 . Doch andererseits ist geltend zu machen, daß Silius stets interpretierend hinter dem Geschehen steht und häufig historische Tatsachen entsprechend seinen Intentionen deutet und auch manipuliert45. Er spannt gleichsam ein Netz von Grundgedanken und Leitmotiven über das Gesamtwerk, in denen sich seine gestalterischen Absichten verwirklichen und die letztlich dem Epos den erforderlichen Zusammenhalt und die notwendige Homogenität garantieren. Neuere Untersuchungen zu Silius, insbesondere die Arbeiten v. Albrechts, die 41 42

43

44

45

Mendell 99. 100. Zu den sich in dieser Feststellung andeutenden Hauptaspekten silianischer Erzählweise sei schon hier auf die Ausführungen von Herzog 73 ff. und Haussier, Strukturfragen 139 ff. sowie unten 18—21 hingewiesen (außerdem vgl. besonders 94 f. 171 ff.). Bei der Frage, wer der Held der Punica sei, stellen sich ähnliche Schwierigkeiten wie bei der Frage nach dem Helden von Lukans Epos über den Bürgerkrieg, der Argonautica des Valerius Flaccus oder der Thebais des Statius. Hierzu unten 46 mit Anm. 187. Die völlig verschiedenen Positionen bei der Beantwortung dieser Frage hinsichtlich der Punica referiert Kissel 218 mit Anm. 23. Zu Kissels eigener Ansicht, daß der Held der Punica ein „als Nachfolger des stoischen Hercules idealisierter Scipio" sei, unten 16. In einem Epos wie den Punica, das sich bewußt an dem Leitfaden der historischen Vorgänge, wie sie bei Livius berichtet werden, orientiert, kann es auf römischer Seite keine Einzelgestalt geben, die vom Anfang bis zum Ende des Geschehens eine dominierende Rolle spielt. Diese Rolle hat vielmehr bis zu einem gewissen Umfange ein negativer Gegenheld inne, nämlich Hannibal (dazu u.a. Burck, Epos 287f.), ohne daß man ihn deshalb allerdings den eigentlichen Helden der Punica nennen kann (vgl. v. Albrecht 21 mit Anm. 15 und auch 22 f., wo v. Albrecht den Punica des Silius Petrarcas Africa gegenüberstellt, in deren Mittelpunkt ganz dem „individualistischen Tenor" dieses „ersten Renaissanceepos" entsprechend Scipio steht). Zu den „Grundlinien und Grundtendenzen der Punica" gerade auch in bezug auf die historischen Quellen v. Albrecht, 15—89 passim, zusammenfassend bes. 15 f. und 86 ff. sowie ders., Argentea aetas 182 ff.; die Position der modernen Silius-Forschung in dieser Frage wird referiert bei Miniconi-Devallet XXXIX sqq. (am Rande sei auf eine störende Namensverwechslung bei Miniconi-Devallet hingewiesen: Als Verfasser des RE-Artikels ,Silius' wird stets A. Koch statt richtig A. Klotz genannt: XLIII. XLVIII u. ö; weitere Beispiele „mangelnder Sorgfalt" nennt Delz, Rez. 212) und Burck, Epos 258 f.; außerdem unten 97 Anm. 375; 108 ff. u.ö.

Stellung im Gesamtwerk

13

Dissertation Kissels und auch die Dissertation Niemanns, gehen in diese Richtung und weisen eine subtile Leitmotivik oder auch andere Formen gedanklicher Durchdringung nach 4 6 . Die wichtigsten Gesichtspunkte lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Unter den „Grundlinien und Grundtendenzen" des silianischen Epos, die v. Albrecht in dem l.Teil seines Buches (15 — 89) entwickelt, zeichnen sich die Motivkomplexe besonders aus, denen gerade auch bezüglich des Saguntgeschehens ein hohes Maß an Bedeutung zukommt: Auf der einen Seite weist v. Albrecht nach, daß entsprechend der ethischen Grundkonzeption der Punica sich häufig Tendenzen zur Überhöhung von Einzelcharakteren oder auch von Verhaltensweisen ins Exemplarische abzeichnen 47 . Dieser Aspekt kommt besonders in dem der Hannibal-Gestalt gewidmeten Kapitel ,Hannibal und die Aussaat des Krieges' (47 — 55) und in dem anschließenden Abschnitt .Sacrata Gens Clara Fide' (55 — 86), der den Helden auf römischer Seite gilt, zum Tragen: Wie Hannibal letzthin in all seinen Handlungen von der improba virtus (1,58) geleitet und geprägt sei, so repräsentiere römisches Verhalten stets Grundtugenden wie fides, pietas und patientia. Dieses konträre Wertschema bestimme weitgehend die Handlungsführung. Die so ganz knapp umschriebene Kernaussage der Ausführungen v. Albrechts in den genannten Kapiteln wird durch die hier voranstehenden Bemerkungen über den Grundgehalt des Saguntgeschehens bestätigt (oben 8): Von entscheidender Bedeutung ist das Festhalten der Saguntiner an der fides und die exemplarische Bedeutung, die solches Verhalten haben muß. Aber nicht nur in diesem Kontext, sondern auch an anderen, gerade für den kompositionellen Zusammenhalt des Gesamtgeschehens sehr wichtigen Stellen 48 , spielt der in römischen Augen fundamentale Wert der fides eine entscheidende Rolle, so im 6. Buch innerhalb des Serranus-RegulusExkurses (6,54—589), wo Regulus, das ,exemplum fidei κατ' έξοχήν', nach den römischen Niederlagen am Ticinus, Trebia (Buch 4) und am 46

Allerdings sei schon hier darauf hingewiesen, daß die genannten Interpreten häufig zu einseitig das silianische Epos unter den jeweils von ihnen besonders betonten Gesichtspunkten betrachten (dazu unten 16. 178 ff. u.ö.). Welche Gefahren es in sich birgt, die Punica in erster Linie unter dem Aspekt bestimmter „Grundlinien und Grundtendenzen" zu deuten, zeigen die zwei Arbeiten Vesseys zu den beiden Anfangsbüchern der Punica, die vor allem von den Ergebnissen v. Albrechts ausgehen (dazu mehrfach das Folgende, bes. 124 mit Anm. 470). Juhnkes Bedenken gegen die ,,'ideologisierte' Gesamtschau" des Silius nach der Art v. Albrechts (Juhnke 50. 225 mit Anm. 167) sind sicherlich in einem gewissen Umfang berechtigt, auch wenn v. Albrecht, Argentea aetas 188 mit Anm. 41, dies nicht wahrhaben möchte.

47

Außer den gleich anschließend genannten Kapiteln bei v. Albrecht vgl. die Zusammenfassung ebd. 86 — 89 und besonders 88. Zur Stellung des 6. Buches im Gesamtwerk vor allem im Exkurs 190 und die folgende Anmerkung.

48

14

Inhalt und Aufbau von Buch 1 und 2

Trasimenischen See (Buch 5) und vor dem anschließenden, in der Katastrophe von Cannae kulminierenden Geschehen (insgesamt Buch 7 — 10) wiederum protreptisch verdeutlicht, daß römische virtus unbesiegbar sei49. Eine nicht zu unterschätzende Rolle auf dem Wege zur Niederlage Hannibals spielt das Gegenstück zur ,Fides Romana', die perfidia Capuas und anderer von Rom abgefallener Bundesgenossen, die sich dem Beispiel punischer perfidia anschließen. Thematisch ist dieses Motiv in dem gesamten Capua-Geschehen, das sich von 11,1 bis 13,380 erstreckt, präsent 50 . Andererseits arbeitet v. Albrecht in dem moenia-Motiv51 ein wesentliches Element epischer Technik52 heraus, durch das Silius die Gesamthandlung zusammenknüpft: „Das Werk (ist) von Anfang an auf den Augenblick hin angelegt, da Hannibal vor Roms Mauern steht: Im zwölften Gesang laufen die Fäden der Darstellung zusammen." 53 Bereits im Proömium (1,16), in den Visionen Hannibals (1,64) und im Eid (1,116 f.) seien die Mauern Roms, das Kapitol oder auch der Tarpejische Felsen als eigentliche Zielpunkte aller Bestrebungen Hannibals ausdrücklich genannt, so wie „der Angriff auf Sagunt zugleich Angriff auf die Ewige Stadt (sei)" und der gesamte Kampf um Sagunt mit einer kunstvollen Präfigurationstechnik als Kampf um Rom gestaltet sei54: Hinter dem Kampf um die Mauern Sagunts stehe der Kampf um Rom, und bezeichnenderweise könne man zu Beginn des Angriffs auf Sagunt (1,271 f.) 55 lesen: Prima Saguntinas turbarmi classica portas, bellaque sumpta viro belli maioris amore. In ähnlicher Weise würden auch während Hannibals weiteren Vorgehens die Alpen als Mauern Italiens und Roms (3,506 ff.) gesehen und die großen punischen Siege lediglich als Etappen des Ansturms auf die Mauern Roms beurteilt 56 . Für das letzte Werkdrittel sei die Umkehrung des moenia-iAotxvs, 49

50

51 52

53 54 55

56

Bedeutung und Funktion der Regulus-Episode in den Punica arbeitet v. Albrecht 62 ff. heraus; Hinweise auf weitere Literatur werden dort 63 Anm. 43 gegeben. Ausführlich behandeln diese Episode Bassett, Regulus 1—20 und jetzt Haussier, Epos II 168 — 177, der insbesondere die Plazierung dieses Exkurses gerade ins 6. Buch untersucht. Dazu unten ausführlich im Exkurs 182 — 186; v. Albrecht 32. 39 u. ö. mißt dem CapuaGeschehen weniger Gewicht unter diesem Gesichtspunkt zu, als vielmehr unter demjenigen der „Umkehrung des moenia-IAoúws". Kap. 13: „Die Grundsituation (Moenia Romae)": v. Albrecht 24 — 46. Zu den Überschneidungen, die sich bei v. Albrechts etwas gewaltsamer Unterscheidung zwischen inhaltlichen „Grundlinien und Grundtendenzen" einerseits und „epischer Stilisierung" andererseits ergeben, Schetter, Rez. 461. v. Albrecht 24. Vgl. insgesamt v. Albrecht 24—27. Als die wichtigste weitere Stelle in diesem Zusammenhang ist 1,645 zu nennen,, an der der saguntinische Gesandte Sicoris Hannibals bisherige Unternehmungen vor dem römischen Senat mit den Worten: maioraque moenia quaerit umschreibt. Hierzu und zu weiteren Stellen v. Albrecht 26. v. Albrecht 42; vgl. auch Burck, Epos 265.

Stellung im Gesamtwerk

15

bezeichnend: Nach dem Scheitern von Hannibals Angriff auf Rom wende sich nunmehr die Bedrohung schrittweise den Mauern Karthagos zu 57 . Hannibals Person, die unbändige Gier des Puniers, Rom zu erobern, sowie sein energisches Vorgehen bei der Verwirklichung dieses Zieles — das sind nach den Ausführungen v. Albrechts die entscheidenden Aspekte, die den Gedankengang großer Teile der Punica bestimmen. Eine wichtige einheitsstiftende Funktion, um diese Werkteile durch die genannten Gesichtspunkte zusammenzubinden, kommt — wie vor allem Burck hervorhebt58 — zwei Reden in den einleitenden Textpartien zu, nämlich der Rede Junos mit der Aufzählung der Siege Hannibals (1,42 — 54), die sich bis zur Schlacht bei Cannae erstreckt, sowie der inhaltlich analogen Rede der massylischen Priesterin (1,125—137), die allerdings in einem Punkt über diejenige der Göttin hinausgeht, nämlich darin, daß auf Hannibals Sieg über Marcellus (15,334 ff.) angespielt wird 59 . Nach Hannibals vergeblichem Angriff auf Rom, der am Ende des 12. Buches mit besonderem Nachdruck dargestellt wird 60 , setzt eine Gegenbewegung ein, die im wesentlichen durch das Erstarken Roms bis zur Niederzwingung des gewaltigen Gegners gekennzeichnet ist 61 . Diese Entwicklung der Handlung ist auf enge Weise mit der Person Scipios verknüpft, der im Verlauf der Bücher 13—17 zum dominierenden Strategen der Römer wird. Mehrere über das gesamte Epos verteilte Vorverweise künden bereits die Bedeutung Scipios an, wobei derjenige im Proömium (1,14b —15a: reseravit Dardanus arces | ductor Agenoreas) hervorzuheben ist 62 . Es läßt sich somit zumindest in groben Umrissen eine Dreiteilung des Gesamtwerkes vornehmen: Hannibals Marsch gegen Rom und die verschiedenen gewaltigen Niederlagen, die er hierbei den Römern beibringt, beherrschen die Bücher 1 — 12, wobei jedoch der Regulus-Exkurs im 6. Buch einen bedeutungsvollen Einschnitt markiert, so daß dieser Hand57 58

59

60

61

62

V. Albrecht 3 9 - 4 1 . Burck, Epos 264 f.; zur „strukturierenden Funktion" v o n Aufzählungen innerhalb „der Fülle des Geschichtlichen" v. Albrecht, Argentea aetas 185 mit A n m . 27. Letztere Rede weist Burck, Epos 264 f. nicht nur falschlich J u n o zu, sondern er bezieht ebenso falsch die Verse 1 , 1 3 2 f. auf den Erfolg des Marcellus v o r Nola. Zu dem Hinweis auf den Tod des Marcellus bereits an dieser Stelle vgl. Nicol 77, ν. Albrecht 79 und jetzt auch Burck, Tradition 6 sowie unten 85 — 92, w o beide Reden ausführlich miteinander verglichen werden. Hannibals Sturm auf Rom nennt v. Albrecht 24 ff., 29, 32, 39 u. ö. „Mitte", „Höhe-" oder auch „Wendepunkt" des gesamten Geschehens. Kritisch gegenüber einer solchen Uberbetonung dieses Ereignisses äußert sich Niemann 30 ff., der seinerseits der .clades Cannensis' eine stärkere Bedeutung beimißt. Eine vermittelnde Position vertritt Kissel 2 1 3 ff.; vgl. dazu ausführlich im Exkurs 176 ff. Neben v. Albrecht 39—41 vgl. v o r allem auch Burck, Epos 268 — 270 und ders., Tradition 5. Alle Stellen nennt v. Albrecht 79 ff.; außerdem vgl. auch Schrempp 107 ff.

16

Inhalt und Aufbau v o n Buch 1 und 2

lungskomplex auf zwei gleich große Büchergruppen verteilt ist 63 . Den personellen Aspekt betonend gliedert Kissel die Punica folgendermaßen, wobei er von den Ausführungen v. Albrechts zur silianischen Heldendarstellung ausgeht 64 : Das erste Drittel des Epos sei „geprägt von der ungebremst vorpreschenden Dynamik Hannibals" (Buch 1— 6) 65 ; ihm träten im zweiten Drittel mit einem gewissen retardierenden Effekt Fabius sowie Paullus entgegen (B. 7—12); nach der Peripetie im 12. Buch bestimme in dem letzten Drittel der Punica „die agile Dynamik des jüngeren Scipio" 66 das Geschehen ( B . 1 3 - 1 7 ) 6 7 . Die nur ganz knapp vorgestellten Gliederungsversuche sind aber nur dann berechtigt, wenn man die Punica vor allem vor dem Hintergrund der Hannibal-Handlung und des hiermit aufs engste verbundenen moeniaMotivs betrachtet. Demgegenüber hat Niemann einen anderen Grundgedanken herausgearbeitet, der gewissermaßen eine inhaltliche Konstante innerhalb der Mannigfaltigkeit des Berichteten darstellt, nämlich den der Prüfung Roms und der Bewährung römischer virtus in den Zeiten äußerster Bedrängnis 68 . Silius formuliert diese Leitidee mehrfach in programmatischer Form und zwar u.a. wiederum innerhalb des Proömium (1,3b—4a: da, Musa, decus memorare laborum \ antiquae Hesperiae) sowie innerhalb des Göttergespräches des 3. Buches vor allem durch Juppiters Worte in 3,573 — 590. Bei Betonung dieses Aspektes kulminiert die gesamte Handlung in der Schlacht bei Cannae, die im 10. Buch ausführlich dargestellt wird, wodurch gleichzeitig die zuvor genannte Großgliederung in Frage gestellt wird 69 . Aus den bisherigen Darlegungen ergibt sich als wichtigster Punkt, daß der Zusammenhalt des silianischen Epos durch thematische Leitmotive, 63

64

65 66 67

68 69

A m entschiedensten tritt f ü r eine solche Gliederung des Gesamtgeschehens in drei Teile ungefähr gleichen Umfangs Burck, Epos 260 ff. und ders., Tradition 4 f. ein. Außerdem vgl. Kissel 2 1 1 - 2 1 8 . Kissel ist hauptsächlich um die Bestimmung des Ethos der Protagonisten bemüht und darum, Scipio als den eigentlichen Helden der Punica auszuweisen. Besonders deutlich spricht Kissel dies in der „Zusammenfassung: Die Punica und ihr Held" (209—222) aus. Zu diesem Problem vgl. oben 12 sowie im folgenden 46 mit Anm. 187. Berechtigte Bedenken gegen die Überbetonung dieses Aspektes bei Kissel und die damit verbundene „übersteigerte A u f w e r t u n g des geschichtlichen Denkens des Silius" äußert Burck, Rez. 134 ff. Kissel 213. Kissel 214. Zu den Entsprechungen im Schlußbuch des zweiten Hauptteiles (B. 12) und im 17. Buch Kissel 2 1 4 f. Vgl. insgesamt Niemann 3—25. Niemann a. O. gliedert seinerseits die Punica in folgende drei Hauptteile: Buch 1—2; 3 — 10; 11 — 17. Zu einer ausführlichen Auseinandersetzung mit dieser Gliederung vgl. im Exkurs 1 7 7 — 1 8 0 . — Zu dem Aspekt der „Bewährung römischer virtus" unten 54 ff. bei der Interpretation des silianischen Proömium.

Stellung im Gesamtwerk

17

exemplarische Ausdeutung einzelner Ereignisse, Vorblicke und Prophezeiungen gesichert wird, von denen hier nur das im Zusammenhang mit der Frage nach der Stellung der einleitenden Bücherdyade im Gesamtwerk Bedeutsame genannt wurde. Außerdem zeigte sich aber gerade zuletzt, daß man v o r allem in der neuesten Forschung wieder versucht, durch ein übergreifendes Schema die Punica in bestimmte Buchgruppen zu gliedern und somit den genannten inhaltlichen Mitteln, die die Geschlossenheit des Epos garantieren, auch ein formales Gliederungskonzept an die Seite zu stellen, v. Albrecht hatte sich nicht ausführlich mit der Analyse der Großkomposition der Punica auseinandergesetzt, obwohl sich Ansätze dazu in der „Inhaltsübersicht der Punica mit kurzen interpretatorischen Hinweisen" finden70. Der Grund für diesen Verzicht mag darin liegen, daß v. Albrecht in seiner Monographie zu Silius sowie ausführlich im Schlußteil des Aufsatzes .Claudia Quinta bei Silius Italicus und Ovid' 7 1 nachweist, daß das letzte Buch des Epos, nämlich das siebzehnte, „ausdrücklich als Schlußstein komponiert ist" 72 und somit „die Vermutung Bickels, die Punica seien nach ennianischem Muster auf achtzehn Bücher konzipiert, abzuweisen ist." 73 Hiermit scheint ein wichtiges Argument gegen die Annahme eines symmetrischen Gliederungsschemas in drei Hexaden gegeben zu sein. Diese erstmals von Bickel, darauf etwas modifiziert von Martin vertretene These 74 greifen jetzt wieder Burck und Kissel mit der oben genannten Gliederung des Werkes in die Büchergruppen 70 71 72

73

74

v. Albrecht 195 — 214: Anhang III; zusammenfassend ders., Argentea aetas 185 ff. v. Albrecht, AU 11.1, 1968, 9 2 - 9 5 . v. Albrecht 133 Anm. 34; ebd. Anm.35 und 171 Anm. 11 referiert v. Albrecht die Vermutung von E. Zinn, daß die Zahl der Kriegsjahre des 2. Punischen Krieges „für die Buchzahl der Punica bestimmend geworden sein dürfte", eine Vermutung, die Burck, Epos 270 Anm. 42 für „ganz unwahrscheinlich" hält. Dagegen erwähnt Häussler II 259 am Rande „für Hexadenfreunde", „daß sowohl die von Aristophanes von Byzanz veranstaltete Pindarausgabe als auch die Atthis des Philochoros, außerdem die Historiae des Asinius Pollio und Strabons Geographika je 17 Bücher umfaßten". — Ein weiteres Argument für die bewußte Konzeption der Punica auf 17 Bücher ist aus dem Hinweis bei Lorenz 231 zu gewinnen, daß die Leichenspiele bei Silius „bewußt wie in der Dias im vorletzten Buch erscheinen" (vgl. Häussler a. O.). v. Albrecht 182 Anm. 37; Bickel äußert diese Vermutung erstmals in: Rhein. Mus. 66,1911, 508 ff. (gegen die dort 500—512 insgesamt vorgetragenen Ansichten zur Entstehungszeit der Punica wendet sich zu Recht Wistrand) und wiederholt sie in: Lehrbuch der Geschichte der römischen Literatur, Heidelberg 1937, 440; 2 1961, 413. Martin, Würzburger Jahrbücher 1, 1946, 163 — 165. Ebenfalls von der Hypothese ausgehend, daß die Punica ursprünglich 18 Bücher umfassen sollten, entwickelt Wallace, The epic technique 178 ff. und ders., The Architecture 99 — 102 ein noch differenzierteres System von Bezügen zwischen den Büchern der ersten Hälfte der Punica zu den entsprechenden Büchern der zweiten Hälfte analog zu Duckworths Analyse der Aeneis (The Architecture of the Aeneis, American Journ. of Philol. 75, 1954, 1 — 15). Beide Gliederungsversuche, die daran scheitern, daß sie zu mechanisch vorgehen (dazu unten 187), referieren Kissel 211 f. (mit zwei Gliederungsschemata) und Niemann 3 — 6.

18

Inhalt und Aufbau von Buch 1 und 2

1—6, 7—12 und 13—17 auf und rechnen mit dem ursprünglichen Plan einer hexadischen Gliederung. Sie sehen in der stark verkürzenden und raffenden Erzählweise des Schlußteiles und insbesondere des 17. Buches ein Indiz dafür, daß Silius aus Alters-, Krankheits- oder anderen Gründen zur Änderung seines Planes gezwungen war, ohne jedoch anzuzweifeln, daß Silius Buch 17 bewußt als Schluß seines Werkes gestaltet habe 75 . Eine Auseinandersetzung mit der Problematik der Makrostruktur der Punica, bei der vor allem auch Niemanns Gliederungsversuch zu berücksichtigen wäre 76 , würde an dieser Stelle den eigentlichen Gang der Untersuchungen allzu sehr hemmen. Da aber darauf nicht verzichtet werden soll, wird sie einem Exkurs (unten 176 — 192) vorbehalten. Es sei aber dennoch bereits hier auf einen spezifischen Aspekt der silianischen Erzählhaltung und Darstellungsweise näher eingegangen, der zwar einerseits hinsichtlich einer adäquaten Beurteilung der Frage nach einer übergreifenden Gliederung des Gesamtwerkes von Bedeutung ist, gleichzeitig aber auch bei der anschließenden Behandlung der einleitenden Bücherdyade immer wieder berücksichtigt werden muß. Die mehr allgemeinen Bemerkungen an dieser Stelle dienen somit der Vorbereitung für spezielle Beobachtungen innerhalb der späteren Einzeluntersuchungen. Während also Burck und Kissel die geraffte Darstellung im letzten Drittel des Epos für das Anzeichen einer gewissen Eile halten, mit der Silius sein Lebenswerk doch noch zum Abschluß bringen wollte, hatte demgegenüber schon v. Albrecht bezüglich des unvermittelten Ubergangs zwischen einzelnen Szenen zumindest im 17. Buch darauf hingewiesen, daß hierin „weniger ein Zeichen der Unfertigkeit des letzten Buches als eine bewußte Anwendung der ,Technik der isolierten Bilder'" zu sehen sei 77 . Durch seine Untersuchungen über die grundsätzlichen „paraphrastischen" Tendenzen in der Darstellungsweise des Silius, mit denen die „Technik der isolierten Bilder" in Zusammenhang gesehen werden muß, hat Herzog einen ersten wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer adäquaten Beurteilung der silianischen Erzählhaltung getan 78 . Zu den Schlußbüchern 75

76 77

78

Burck, Epos 260 ff., bes. 270 Anm.42 sowie ders., Tradition 4 f.; Kissel 211 ff., bes. 217 f.. Vgl. kurz zuvor 16 mit Anm. 69. v. Albrecht 133 Anm. 34; zu dem Begriff .Technik der isolierten Bilder' vgl. ebd. 116 und F. Mehmet, Virgil und Apollonios Rhodios (Hamburger Arbeiten zur Altertumswissenschaft 1), Hamburg 1940, bes. 116 ff. und 127 ff., der diese Technik für die spätantike Bildkunst und Dichtung, hier insbesondere für Claudian, nachweist; außerdem vgl. auch ders., Valerius Flaccus, Diss. Hamburg 1934, passim, und unten besonders 95 Anm. 368. Für diesen Zusammenhang ist das gesamte Kapitel Β. I.: „Epische Paraphrase und Epos" bei Herzog (60—99) sowie speziell für Silius darin der Abschnitt 2.b): „Der Tod des Hamilkar" (76 — 86) zu berücksichtigen. Die Kritik von Burck, Epos 261 f. Anm. 22b an Herzog vereinfacht dessen Ausführungen zur silianischen Darstellungsweise allzusehr und glaubt sie allein mit dem Begriff der .Technik der isolierten Bilder' erfassen zu

Stellung im Gesamtwerk

19

der P u n i c a (Buch 1 3 — 1 7 ) b e m e r k t H e r z o g , d a ß hier „die p a r a p h r a s t i s c h e B i n d u n g stärker h e r v o r t r i t t " u n d d a ß nach H a n n i b a l s A b z u g v o n R o m „ab B u c h 1 3 keine K l a m m e r m e h r d e n livianischen S z e n e n w a n d e l b ä n d i g t " 7 9 . W e n n g l e i c h die letzte B e m e r k u n g i m einzelnen zu m o d i f i z i e r e n ist 8 0 , da sie v o n v. A l b r e c h t a u s g e h e n d die Punica in d e r H a u p t s a c h e u n t e r d e m A s p e k t des moenia-Motivs u n d d a m i t des H a n n i b a l g e s c h e h e n s deutet, so ist d e n n o c h die w e i t e r e F e s t s t e l l u n g w i c h t i g , daß g e r a d e i m Schlußteil Silius den K r i e g s v e r l a u f m i t seinen w e c h s e l n d e n S c h a u p l ä t z e n u n d Verzett e l u n g e n „distanziert, a b e r stetig, selbst w e n n i h m das , M ü h e ' m a c h t , .begleitet'"81. A u f das G e s a m t w e r k des Silius b e z o g e n h e i ß t das aber, d a ß Silius g r u n d s ä t z l i c h u m n a r r a t i v e K o n t i n u i t ä t b e m ü h t ist, die sich stets an „ d e m livianischen H a n d l u n g s s t r a n g in seiner g e s a m t e n A u s d e h n u n g " o r i e n tiert 8 2 . U n t e r diesen prinzipiellen A s p e k t silianischer E r z ä h l h a l t u n g , n ä m lich das k o n t i n u i e r l i c h e F o r t s c h r e i t e n i m E r z ä h l e n einer v o r g e g e b e n e n E r e i g n i s f o l g e , sind b e s t i m m t e F o r m e n d e r künstlerischen D u r c h d r i n g u n g des S t o f f e s s u b s u m i e r t , w i e sie bereits z u v o r g e n a n n t w u r d e n , n ä m l i c h

79 80

81

82

können. Außerdem bezieht Burck falschlich die Bemerkungen Herzogs (83), die vor allem die Göttermaschinerie im kaiserzeitlichen Epos betreffen, auf die Darstellungsweise. Herzog 82. Es sind durchaus zwei thematische Schwerpunkte faßbar, nämlich auf der einen Seite die perfidia-Thematik, die im Zusammenhang mit dem Capua-Geschehen entfaltet wird, und auf der anderen Seite die schließlich zum Sieg führenden Aktivitäten Scipios (dazu oben 14, 15 sowie ausführlich im Exkurs 182 ff.). Doch wenn auch diese Leitthemen von Silius deutlich herausgearbeitet werden, so beeinflussen sie nur in einem gewissen Umfang den fortlaufenden Bericht, der sich an der vorgegebenen Ereignisfolge orientiert. Mit diesen Worten umschreibt Herzog 82 die Aussage des Musenanrufes zu Beginn des 14. Buches (14,1 — 10), der nicht nur programmatischer Charakter, sondern auch ein „Ansatz zur erzähltechnischen Ironie Ariosts" zuzusprechen sei. In diesem Zusammenhang ist übrigens darauf hinzuweisen, daß durch diesen Musenanruf der Behauptung insbesondere Niemanns (20—23), das 14. Buch nehme innerhalb der Schlußbücher der Punica eine Sonderstellung ein, die Berechtigung entzogen wird. Denn hier werden die Kämpfe um Syrakus eindeutig unter die Kriegsereignisse des Schlußteils der Punica eingeordnet, deren Gemeinsamkeit darin besteht, daß sie gleichsam über den ganzen Erdkreis verstreut sind: Mit poetischen Metonymien werden Sizilien, Italien, Mazedonien und Griechenland, Sardinien, Nordafrika und Spanien als Kriegsschauplätze bezeichnet. Es fällt auf, daß hierbei auch auf Ereignisse angespielt wird, die bereits vor dem 14. Buch berichtet worden sind, so vor allem in 14,6 auf die Kämpfe in Sardinien (12,342—419), während die Nennung Italiens und Spaniens sich sowohl auf Kämpfe vor als auch nach dem 14. Buch beziehen kann. Geht man also von diesem, durch Silius selbst formulierten Kriterium als gliederndem Faktor für die Schlußbücher aus und nicht so sehr von der Scipio-Handlung, so besteht die Sonderstellung von Buch 14 lediglich darin, daß der Kampf um Syrakus gegenüber den anderen kriegerischen Ereignissen als abgeschlossene Handlungseinheit in einem Buch berichtet wird. Die hier nur knapp angedeuteten Sachverhalte werden ausführlich innerhalb des Exkurses (189—192) behandelt. Herzog 81 f.

20

Inhalt und Aufbau von Buch 1 und 2

thematische Leitmotive, Vorblicke und Prophezeiungen, Verklammerungen und Korrelationen zwischen den Szenen, exemplarische Ausdeutung einzelner Ereignisse, insbesondere bei Exkursen und Episoden83. Es läßt sich jedoch zwischen solchen Textteilen kein symmetrisches Bezugssystem herstellen, was Wallace nachzuweisen versucht hat84. Ein weiteres wichtiges Element zur Gliederung des Stoffes, insbesondere eines Stoffes von der Fülle und Ausbreitung, wie er Silius vorlag, bildet auch die Geschlossenheit der einzelnen Bücher oder auch kleinerer Buchgruppen, so z. B. der einleitenden Bücherdyade. Dabei sind aber die Übergänge nie so unvermittelt, daß sie die stetig fortschreitende Erzählung, die insgesamt als etwas Ganzes aufgefaßt sein will, hemmen könnten85. Gerade unter diesem Vorzeichen gewinnen auch die Ausführungen Niemanns zu den Buchschlüssen und -anfängen eine wichtige Bedeutung, wie die ausführlichen Untersuchungen innerhalb des Exkurses zeigen werden86. Andererseits lassen aber die hier vorgestellten Besonderheiten silianischen Erzählens es von vornherein als fraglich erscheinen, daß Silius bei seiner kontinuierlich fortschreitenden Präsentation des Stoffes intendiert habe, diesen Stoff in ein symmetrisches Kompositionsschema einzuzwängen. Dieses würde außerdem dadurch erschwert, daß ausgehend von verschiedenen Leitthemen wie besonders dem moenia-Motiv oder dem 83 84 85

86

Vgl. oben 16 f. Vgl. oben 17 Anm. 74. Grundsätzlich vergleichbare Tendenzen bezüglich Aufbau und Komposition zeichnen sich auch in den Argonautica des Valerius Flaccus, dem Epos Lukans und vor allem auch in der Thebais des Statius ab. Selbst Burck, Epos 312, der wie z. B. bei den Punica des Silius auch bei der Thebais für ein übergeordnetes Gliederungsprinzip eintritt, nämlich im Anschluß an B. Kytzler, Statiusstudien, masch. Diss. Berlin 1955, 56 ff., für eine Triadengliederung, gesteht ein, daß „sich neben einer mehr architektonischen Komposition im Sinne einer Säulenstellung der einzelnen Bücher eine fließende Gliederungsform, die insbesondere der zweiten Werkhälfte zusätzlich den Charakter eines ,opus continuum' verleiht, ergibt". Dagegen weisen Schetter, Statius 64—79 und Vessey, Statius 317—328 auf durchweg fließende Buchübergänge hin, wobei ihre Einteilungen des Epos in buchübergreifende thematische Einheiten jedoch divergieren, da diese jeweils unter anderen Gesichtspunkten vorgenommen werden (vgl. das zusammenfassende Referat bei Burck, Epos 312 f. Anm. 32). Eine ausführlichere Auseinandersetzung mit der Makrostruktur der Thebais und den unterschiedlichen Gliederungsversuchen ist in diesem Zusammenhang nicht möglich. Hier sei nur noch auf zwei grundsätzliche Gesichtspunkte hingewiesen: a) Vesseys Bemerkungen (Statius 328 Anm. 1), daß die völlige Einheitlichkeit der Thebais als eines ,carmen perpetuum' vor dem Hintergrund der stoischen Philosophie zu sehen sei und daß „the total unity of the epic is equivalent to the all-inclusive unity of the Stoic mundus", sind unzutreffend und überzogen (vgl. auch Burck, Epos 313 Anm. 32), da sie formal-literarische Erscheinungen mit inadäquaten Kriterien beurteilen, b) Die Tendenzen zum kontinuierlichen Erzählen, die durchweg in der kaiserzeitlichen Epik zu beobachten sind, erleichtern es Silius, sich grundsätzlich an einen vorgegebenen Stoff zu binden und die Handlung seines Epos zumindest in ihren Grundzügen sich parallel zu der des Livius entwickeln zu lassen. Vgl. dort bes. 1 8 9 - 1 9 2 .

Stellung im Gesamtwerk

21

Thema der „Bewährung römischer virtus", die bereits in den hier ausführlich zu behandelnden beiden Anfangsbüchern als für das Sinnganze des Epos bedeutsam herausgestellt werden, sich auch jeweils differierende Gliederungen der Punica als notwendig ergeben 87 . 87

Dazu bereits oben 11 — 18 sowie ausführlicher im Exkurs 176 ff.

Β. Das Proömium und die Geschehensexposition bis zu Hannibals Angriff auf Sagunt (Sil. 1 , 1 - 2 7 0 ) Das Proömium mit der Darlegung der mythologischen causae des Geschehens, die Darstellung des Handlungsbeginns sowie die Exposition der historischen Vorgänge, die zum Angriff Hannibals auf Sagunt und somit zu der den 2. Punischen Krieg auslösenden Unternehmung führen, vermitteln einerseits die gedankliche Grundlegung, auf der fußend Silius das gesamte Kriegsgeschehen deutet und zur Darstellung bringt 88 . Andererseits erhellen aus diesen einleitenden Textpartien aber auch die maßgebenden literarischen Grundtendenzen und -absichten, die Silius bei der epischen Gestaltung eines historischen Stoffes leiteten. Gerade diese näher zu bestimmen, ist das vorrangige Ziel der anschließenden Kapitel. Bei den Untersuchungen zum Proömium wird neben den Problemen des Umfanges und der Disposition 89 die differenzierte Analyse der Ähnlichkeiten, vor allem aber auch der Unterschiede zwischen Silius und Vergil im Mittelpunkt des Interesses stehen 90 . Der Vergleich des silianischen Proömium mit dem des Vergil erfordert häufig auch die Berücksichtigung der Proömiengestaltung in der übrigen kaiserzeitlichen Epik 91 . In den Bereich der künstlerischen Gestaltung, nicht so sehr in denjenigen geistesgeschichtlicher Fragestellung weist auch die Problematik der gegenseitigen Durchdringung von mythologischer und historischer Begründung des Geschehens 92 , wobei die besondere Aufmerksamkeit der silianischen Erzähltechnik gelten wird 93 . 1. Die silianische Gestaltung des Proömium %um Gesamtwerk 1.1 Umfang und Disposition des silianischen Proömium In allen Äußerungen zu den Anfangspassagen des silianischen Epos wird auf die bewußte Nähe zum Beginn der Aeneis Vergils hingewie88 89 90 91 92

93

Dazu vgl. bereits oben 4 ff. Vgl. hierzu den anschließenden Abschnitt 22—45. Vgl. unten 4 5 - 6 0 den Abschnitt 1.2. So ζ. B. 49 ff. mit Anm. 197. Hierüber handelt das zweite Kapitel: ,Mythologische und historische Begründung des 2. Punischen Krieges' unten 61 — 106. Dazu vgl. besonders 93—97 u. ö.

Umfang und Disposition

23

sen 9 4 : Beide Epen heben traditionell mit einer Themenbestimmung an (Verg. Aen. 1,1—7; Sil. 1,1 — 16); es folgen jeweils die Zuwendung zu den causae, die dem zu berichtenden Geschehen zugrunde liegen (Aen. 1 , 8 — 1 1 ; Sil. 1,17 — 20), und die Darlegung eben dieser causae (Aen. 1 , 1 2 — 3 3 ; Sil. 1,21 ff.). Auffallende inhaltliche Bezüge in den zuletzt genannten Abschnitten stiften über den formalen Aufbau hinausweisend enge Verbindungslinien zwischen Aeneis- und Punicahandlung, ja bilden eine der Grundlagen für die Beurteilung des silianischen E p o s als eine ,Aeneis continuata' 9 5 . Eine weitere Gemeinsamkeit ergibt sich daraus, daß im Mittelpunkt des auf die Erörterung der causae folgenden Abschnittes eine Rede Junos steht (Aen. 1 , 3 7 — 4 9 ; Sil. 1 , 4 2 — 5 4 ) 9 6 . Vor einem genauen Vergleich der einzelnen, einander offensichtlich korrespondierenden Abschnitte stellt sich jedoch eine übergeordnete Frage, nämlich diejenige, wie weit das silianische Proömium reicht, ob die Darlegung der causae so, wie es offensichtlich in der Aeneis der Fall ist 9 7 , als ein fest in das Proömium integrierter Bestandteil anzusehen ist oder nicht, und w o diese Erörterung endet bzw. ob nach dem Vorbild der Aeneis die eigentliche Handlung mit einem J u n o - M o n o l o g einsetzt. Die Silius-Interpreten haben bisher diese Problematik nicht erkannt, so daß die Gliederungen und Abgrenzungen so gut wie unverbindlich sind und entsprechend divergieren: Zwar spricht man zumeist von der Versgruppe Sil. 1,1 — 1 6 9 8 als Proömium oder auch von l , l — 2 0 9 9 , wobei dann allerdings die gerade

94

95

56

97 98 99

Aus der Vielzahl der ausführlichen Besprechungen sowie auch der kürzeren Bemerkungen zum Proömium der Punica sollen hier nur die aus neuerer Zeit genannt werden: v. Albrecht 1 6 - 2 4 . 167; Lorenz 4ff.; Delz, Mus. Helv. 26, 1969, 88ff.; Juhnke 185; Herzog 76f.; Haussier, Epos II 177ff.; Kissel 30ff. u.a. Diesen Ausdruck gebraucht Baudnik 3; zu dem Sachverhalt insgesamt und den „Keimzellen" der Punica-Handlung, nämlich Verg. Aen. 10,11 — 14 und Aen. 4,622—629, vgl. vor allem Delz a. O. 88 — 89, der an eine Bemerkung Heynes zu Verg. Aen. 10,11 ff. (VergilAusgabe, Bd. 4, Paris 3 1820) anknüpft. Auf die Funktion der Juno in diesem Zusammenhang weist besonders v. Albrecht 167 f. (vor allem 168 Anm. 8) hin. Vorsicht scheint bei Kissels Versuch (222) geboten, die Punica „als geschichtsphilosophisches Gegenbild zu und historisches .missing link' zwischen seinen Vorgängern (nämlich Vergil und Lukan) zu verstehen" (vgl. bereits oben 6 f. Anm. 25), eine Vorstellung, die vor dem Hintergrund der rein spekulativen Überlegungen Schinkels (3—23) entwickelt wird, Silius habe nach der Darstellung der römischen Anfänge durch Vergil und der des Unterganges Roms durch Lukan mit der Beschreibung des Höhepunktes römischer Geschichte in der Auseinandersetzung mit Karthago den Mittelteil einer „Trilogie" der Geschichte Roms schaffen wollen. Zu der Frage, ob es sich bei Sil. 1,42 — 54 analog zu der entsprechenden Passage in der Aeneis ebenfalls um einen Monolog der Juno handelt, unten 4 2 f . Anm. 174 sowie 85ff.; deshalb wird zunächst ganz unbestimmt von einer ,Rede Junos' gesprochen (vgl. bereits oben 5 Anm. 19). Vgl. dazu im einzelnen anschließend 25 ff. Vgl. ζ. Β. v. Albrecht 16. 195; Herzog 76. So allgemein in den .Argumenta' z. B. bei Ruperti p. 1 (vgl. auch den Kommentar ad

24

Proömium

gestellte Frage nach der Abgrenzung zwischen eigentlicher Themenangabe und Vorstellung der causae verdunkelt wird, da die Verse 17—20 übergreifend die mit V. 21 einsetzende Einzelerörterung ankündigen, doch wird auch Sil. 1,1—37 kommentarlos als Proömium bezeichnet100. Die Frage nach dem Abschluß der Erörterung der causae und somit nach dem Handlungsbeginn analog zur Aeneis steht ebenso unbeantwortet im Räume: Zwar findet sich in allen modernen Editionen nach V. 37 ein Absatz 101 , doch spricht man demgegenüber einerseits auch von einem gedanklichen Einschnitt nach V. 39 102 ; andererseits wird im Zusammenhang mit der Erörterung von textkritischen Problemen, die angeblich in den Versen 35 ff. auftauchen, die Annahme eines Absatzes bzw. Sinneinschnittes nach V. 37 oder nach V. 39 überhaupt abgelehnt 103 . loc.) und Lemaire p. 1 und auch bei den modernen Herausgebern: Duff p. 2 und MiniconiDevallet p. 3 (vgl. auch XXIII); außerdem vgl. Delz, Mus. Helv. 26, 1969, 89. 100 Lorenz 4 ff.; Sil. 1,38 f. hält Lorenz 12 für die Hinführung zur Rede der Juno und sieht insgesamt in der „Rede Junos (Sil. 1,38—55)" die „Anfange der Handlung". Niemann 31 Anm. 2 erachtet diese Abgrenzung angesichts der textkritischen Beobachtungen von Delz a. O. 88 ff. zu den Versen 26 — 55 (dazu im folgenden 33—39) für problematisch. iot Vgl. di e Ausgaben von Bauer, Summers und Duff, auf die sich Lorenz 12 bei ihrer Gliederung beruft, und jetzt auch die von Miniconi-Devallet. Auch Kissel 33 übernimmt diesen Absatz, ohne hier wie auch überhaupt in seinem Kapitel,Proömium und Junomonolog' (30 ff.) auf die Frage nach der Disposition einzugehen. Der Versuch von Delz a. O., die gesamte Passage bezüglich Textkritik und Interpunktion neu zu gestalten, ist bei Kissel 33 Anm. 81 nur teilweise referiert. Kissels Ausführungen sind insgesamt irreführend: Bei der Wiedergabe der fraglichen Stelle auf S. 33 findet man wie in den Ausgaben nach V. 37 einen Absatz; dagegen spricht Kissel sich S. 34 Anm. 85 gegen Beibehaltung des Absatzes aus, wobei er allerdings die Interpunktion von Delz in V. 36 {arma remolitur dux [sc. Iuno] agmina. Sufficit unus ...; dazu ausführlich unten 33 ff.) nicht billigt, da ihm der Bezug von dux auf Juno inhaltlich unmöglich scheint. Die Handlung beginnt nach Kissel 36 mit den Versen 1,70 f. Herzog 77 übernimmt zwar für V. 36 — 37 den von Delz insbesondere hinsichtlich der Interpunktion neu gestalteten Text, setzt dann aber nach V. 37 einen syntaktisch kaum möglichen Punkt (vgl. unten 40). Zu Delz' Behandlung der gesamten Passage wird im Folgenden 36 ff. ausführlich Stellung genommen. An dieser Stelle sollte lediglich auf die sich hier stellenden Probleme aufmerksam gemacht werden. Bedauernswert und gleichzeitig auch unverständlich scheint es, daß Delz' Ausführungen von 1969 in dem 1979 erschienenen l.Band und auch in den folgenden Bänden der Ausgabe von Miniconi-Devallet keine Berücksichtigung finden (das gleiche gilt übrigens auch für die textkritischen Untersuchungen, die Delz in Mus. Helv. 32, 1975, 155 ff. veröffentlicht hat). Weitere unbeachtet gebliebene Publikationen nennt Delz, Gnomon 55, 1983, 212 mit Anm. 3. In seiner Rezension a. O. 211—220 weist Delz im übrigen auf eine Vielzahl von Unzulänglichkeiten der französischen Ausgabe (Bd. 1 u. 2) [vgl. bereits hier oben 12 Anm 45] sowie auf die häufig unbefriedigende Textgestaltung hin. v. Albrecht 195; Kissel 34 Anm. 85 lehnt, wie in der voranstehenden Anmerkung bereits bemerkt wurde, zumindest den Absatz nach V. 37 ab. 103 Vgl. die Hinweise in Anm. 101 auf die Ausführungen von Delz sowie ausführlich unten 33 ff.; es ist jedoch schon hier darauf aufmerksam zu machen, daß Delz die Fragen nach der übergreifenden Gliederung der Anfangspassagen unbedacht läßt.

102

Umfang und Disposition

25

Um die hier kurz skizzierten Fragen angemessen zu erörtern, ist zunächst auf die vergilische Proömiumgestaltung in ihren Besonderheiten einzugehen; sodann darf aber auch nicht außer acht gelassen werden, daß Silius bei aller Nähe zu Vergil, insbesondere zur vergilischen Strukturierung 1 0 4 , durchaus eigene Wege geht, und zwar in inhaltlicher wie auch in erzähltechnischer Hinsicht, die bereits im Zusammenhang mit der gesamten silianischen Geschehensexposition bis zu Hannibals Angriff auf Sagunt (1,271 ff.) zu sehen sind. Das Proömium der Aeneis 1 0 5 setzt mit der Themenbenennung (,propositio') ein (V. 1—7), bei der das gesamte folgende Geschehen umgreifend Ausgangs- und Zielpunkt des Fluchtweges des Helden beschrieben werden (V. 1: Troiae\ V. 7: Romae), und gleichzeitig in V. 4, d. h. genau im Zentrum der einleitenden Versperikope 106 , die entscheidende Gegenkraft, die Grund der mannigfachen Mühen des Helden auf seinem Schicksalsweg ist, nämlich Juno und ihre ira, eingeführt wird. Auf diese ira Iunonis nimmt die anschließende ,invocatio Musae' Bezug (V. 8—11): Die Muse soll dem Dichter die causae solcher ira künden. In Erweiterung des traditionellen Dispositionsschemas antiker Epenproömien, nämlich über Themenankündigung und Musenanruf hinaus 107 , und durch den nicht auf die Gesamtthematik, sondern die causae des Zornes der Juno bezogenen Musenanruf 104

Vgl. das Schema über den Aufbau beider Proömien bei Lorenz 4 (ähnlich v. Albrecht 20):

105

106

107

Sil. Verg. 1-16 Thema 1-7 17 — 20 Hinwendung zu den causae 8—11 21—37 Ursachen (Junos Zorn) 12—33 Als knappe Auswahl aus der umfangreichen Literatur zum Aeneisproömium (vgl. jetzt W. Suerbaum, Hundert Jahre Vergil-Forschung: Eine systematische Arbeitsbibliographie mit besonderer Berücksichtigung der Aeneis, ANRW II 31.1,207 f.) sei genannt: H. Fuchs, Mus. Helv. 4, 1947, 191 f. Anm. 114; V. Buchheit, Vergil über die Sendung Roms (Gymnasium Beih.3), Heidelberg 1963, 1 3 - 2 3 . 5 4 - 5 8 ; W. Kühn, Götterszenen bei Vergil, Heidelberg 1971, 7 - 1 4 ; R. G. Austin, Kommentar zu Aeneis Β. 1 (Oxford 1971), S. 25 ff.; v. Albrecht, Antidosis 7 — 20; Lebek, Lucan 18—30 und ders., Aeneisproömium. Die hier geäußerten Bemerkungen zum Aeneisproömium resümieren im wesentlichen die in der genannten Literatur vertretenen Auffassungen. Hierzu besonders Buchheit a. O. 13 f. 18; über die Möglichkeit, daß Vergil sich hierzu auch von dem Proömium des Apollonios Rhodios zum dritten Argonautica-Buch (3,1 — 5) habe anregen lassen, Lebek, Lucan 22 mit Anm. 15. Dies sind die beiden Grundbestandteile des Ilias- und Odysseeproömium; dazu ausführlich im folgenden 27 ff. Zu Aufbau und Bestandteilen antiker Proömien allgemein vgl. G. Engel, De antiquorum epicorum didacticorum historiconim prooemiis, Diss. Marburg 1911, der in schematischer Form einen Gesamtüberblick über die antike Proömiengestaltung vermittelt, ohne jedoch Probleme wie die hier erörterten zu berücksichtigen. — Lebek, Lucan 23 weist darauf hin, daß zwischen V. 7 und 8 des Aeneisproömium ein wesentlich deutlicherer Einschnitt vorliegt als zwischen V. 11 und 12; unzutreffend dagegen ist die Bemerkung Büchners, RE V i l i A 2, 1958, 1339: „Das Prooemium ist wohlproportioniert in 2 Teile gegliedert (1 — 11; 12—33, das alte Verhältnis 1 :2)." Die

26

Proömium

vorbereitet, folgt die Explikation dieser causae aus dem Munde des Dichters (V. 12 — 33): Ein zweifacher Grund liegt vor, nämlich auf der einen Seite Junos Fürsorge um das von ihr bevorzugte Karthago und ihre Befürchtung, Rom könne ihrem Schützling zur ernsthaften Gefahrdung werden (V. 12—22), und auf der anderen Seite der Groll Junos, der durch Parisurteil und Ganymedraub veranlaßt, sie schon zur Feindin Trojas gemacht hatte (V. 23 — 28), zwei Gründe, in denen sich Zukünftiges und Vergangenes, Historisches und Mythologisches miteinander verbinden. Vor diesem Hintergrund wird das ab V. 34 einsetzende Geschehen deutlich, zu dem V. 29 — 32 hinleiten. Gleichzeitig weist aber diese Versgruppe (V. 29 — 32) auch auf die einleitende Themenangabe (V. 1 —7) zurück108, ebenso wieder monumentale Abschlußvers (V. 33): tantae molis erat Romanam condere gentemm noch einmal die Eingangsverse in konzentrierter Form zusammenfaßt110, so daß das Aeneis-Proömium durch diese Rahmung eine bewußt strukturierte, in sich geschlossene Einheit bildet. Nach dieser Exposition des Geschehens, die nicht nur dem Leser die notwendigsten Vorinformationen für das Verständnis der folgenden Handlung gibt 111 , sondern in unübertrefflicher vergilischer Manier bereits Ursachen, Ziel und Sinn des Geschehens enthüllt112, „beginnt nun die Handlung (V. 34 ff.) in einer voll zeitdeckenden Erzählweise"113, d.h. Vergil führt den Leser in medias res | non secus ac notasxu, oder aber — um die einprägsame

108

109

110

111 112

113 114

Frage, ob man in den Versen Aen. 1,1—33 ein in sich geschlossenes Gesamtproömium zu sehen hat, wird anschließend 27 ff. erörtert. Lebek, Lucan 26 u. Aeneisproömium 204 f. nennt u. a. folgende Entsprechungen: V. 29 iactatos aequore ~ V. 3 iactatus et alto·, V. 31 arcebat longe Latió ~ V. 6 inferretque deos Latto-, V. 32 acti fatis ~ V. 2 fato prófugas. Neben den gedanklichen und sprachlichen Verbindungslinien, die die Verse Aen. 1,1—33 durchziehen, zeigt Lebek, Aeneisproömium passim, metrische Entsprechungen der inhaltlich aufeinander bezogenen Verse bzw. Versfolgen auf. Hierdurch wird ein weiteres wichtiges Kriterium dafür gewonnen, daß Vergil die Verse 1—33 bewußt als Einheit gestaltet hat. Bei den Versen 29—33 findet der abschließende Rückbezug auf zentrale Verse im Vorhergehenden insbesondere dadurch eine rhythmische Verstärkung, daß die Hexameter 29 und 33 mit der Abfolge Spondeus, Daktylus, Spondeus, Spondeus eine Versform aufweisen, „die vorher zweimal gebraucht worden war, eben in der auf Rom hinauslaufenden Zeile 7 und ihrem strukturellen Gegenstück 18" (Lebek a.O. 207). Zur subjektiven, „innigen Teilnahme des Augusteers" Vergil am Geschehen, die in diesem Vers zum Ausdruck kommt, Büchner RE a. O. 1339 f. Quintilian 8,5,11 sieht in diesem Vers ein Musterbeispiel für das Epiphonem, die rei narratae velprobatae summa adclamatio (vgl. Austin, Komm, ad loc. und Lebek, Lucan 27). Heinze, Epische Technik 375. Hierzu vgl. neben Buchheit a. O. besonders auch v. Albrecht, Antidosis passim und Kühn a. O. 12. Herzog 77. Hör. ars 148 f. (vgl. Austin, Komm, zu Aen. 1,34 und Herzog a. O.). — Vergil verwendet somit ein spezifisches Kunstmittel, das von der Literaturkritik für den Beginn eines Epos gefordert wird (zu dem horazischen .dictum' im einzelnen vgl. C. O. Brink, Horace on

Umfang und Disposition

27

Formulierung Makrobs zu benutzen (Sat. 5,2,8) — die Verse 34 f. bilden die ianua narrandi. Die deutliche Strukturierung von Aen. 1,1—33 sowie die verschiedenen Rückbezüge und Verknüpfungen legen die Annahme nahe, daß Vergil diese Verse als Gesamtproömium verstanden wissen will. Deshalb ist auch der Umfang des Aeneis-Proömium in der Forschung weithin unbestritten, oder besser ausgedrückt: er wird häufig kommentarlos konstatiert 115 . Dennoch sollte man sich der Besonderheit der vergilischen Gestaltungsweise, nämlich der Erweiterung der eigentlichen Proömienbestandteile um die ¿-¿/¿Mi-Erörterung und der Integration dieses Abschnittes in ein homogenes Gesamtproömium, bewußt sein. Sie wird besonders offenkundig bei einem kurzen Vergleich mit den homerischen Proömien, aus denen Vergil im übrigen verschiedene Elemente kunstvoll zu adaptieren weiß 116 . Die frühgriechischen Epen kündigen in den Proömien mit einem Musenanruf kurz ihren Gegenstand an, um anschließend unverzüglich mit

115

1,6

Poetry, Cambridge 1971, Komm, ad loc.). Diese Forderung orientiert sich an den frühen griechischen Epikern, die allerdings nicht aus künstlerischen Gründen so verfuhren, sondern vor allem aus dem formal-technischen Grund, daß ihre Werke jeweils nur Teilstücke eines Gesamtzyklus darstellten (vgl. H. Frankel, Noten zu den Argonautika des Apollonios Rhodios, München 1968, 30). Buchheit a. O. 13 f. interpretiert zunächst „Die Eingangsverse der Aeneis (V. 1 — 7)", vergleicht diese anschließend mit den homerischen Proömien (a. O. 15 — 18) und bespricht dann (a. O. 18—22) „Das weitere Proömium der Aeneis (V. 8—33)", ohne näher auf den Gesamtumfang des Proömium einzugehen. Ähnlich gehen v. Albrecht, Antidosis 7 — 20 und Lebek, Lucan 18 — 27 vor. In seinem Aufsatz zum Aeneisproömium behandelt Lebek jedoch ausdrücklich das genannte Problem und weist durch Entsprechungen der verschiedenen Art, von denen einige kurz zuvor genannt wurden, die Einheitlichkeit und Geschlossenheit der Versfolge 1—33 nach. In diesem Zusammenhang macht Lebek a. O. 196 Anm. 3 und 205 Anm.22 auch darauf aufmerksam, daß bereits Tl. Claudius Donatus das Proömium folgendermaßen gliederte: V. 1—7 = thema, V. 8—11 = invocatio Musae, V. 12—28 = Aufzählung der causae. In V. 29 scheint Donat den Beginn der Erzählung zu sehen, er überbetont also die in der Tat vorhandene Funktion der Verse 29 — 33, zur eigentlichen Handlung überzuleiten, und verkennt zugleich die zweite Funktion dieser Verse, nämlich die des Rückbezuges auf die einleitende Versheptade. Letzteres berücksichtigt demgegenüber angemessen Quintilian, da er — wie bereits bemerkt — V. 33 als Musterbeispiel für das Epiphonem ansieht, und auch Makrob scheint ähnlich empfunden zu haben, wenn er V. 34 f. als ¡anua narrandi bezeichnet. — Als ein gewisses Unbehagen daran, Aen. 1,1—33 als Gesamtproömium zu fassen, kann es gedeutet werden, wenn Heinze, Epische Technik 375 zunächst von V. 12—33 als einem „Vorbericht" spricht, „den man einem dramatischen Prologe vergleichen kann", und kurz darauf V. 1—7 als Proömium bezeichnet, das uns „über den eigentlichen Stoff unterrichtet". Bei einer solchen Auffassung werden jedoch die verschiedenen genannten Mittel, durch die Vergil die einleitenden Verse 1—33 seines Epos deutlich zu einer Sinneinheit verklammert hat, übersehen. Ausführlich vergleichen Buchheit a. O. 15 — 18 und Lebek, Lucan 18—27 das Aeneisproömium mit den homerischen Proömien. Zu weiteren Einflüssen, insbesondere aus der hellenistischen Epik und hier aus Apollonios Rhodios, vgl. oben Anm. 106 und Lebek, Lucan 22 f. sowie bereits Fuchs a. O. (vgl. oben 25 Anm. 105).

28

Proömium

der eigentlichen Handlung einzusetzen 117 . Beispielhaft steht hierfür das Iliasproömium: In einem einzigen Satz (A 1—7)118 wird das Thema, die μήνις Άχιλήος, benannt, Fülle und Leid des zu berichtenden Geschehens werden angesprochen (Y. 2—5), der göttliche Wille, der hinter all dem steht (V. 5), sowie schließlich der Ausgangspunkt der Erzählung (V. 6 — 7). Die formale Einheitlichkeit des Proömium wird durch die Nennung des Helden in V. 1 und V. 7 besonders betont. Dagegen ist das Odysseeproömium weniger geschlossen und auch weniger präzise hinsichtlich der genauen Themenbestimmung 119 . Insbesondere fallt die erneute Anrufung der Muse (α 10) auf, die einerseits der Versperikope α 1 —10 Zusammenhalt verleiht, andererseits aber den Ausgangspunkt der Erzählung unbestimmt läßt: ihn präzisiert erst die folgende Versgruppe α 11—21, der die Mittlerfunktion zwischen dem eigentlichen Musenanruf und dem Beginn der Handlung (α 22 ff.) zukommt. Eine detaillierte Diskussion der Frage, wie weit das Odysseeproömium reicht, ob bis V. 10 oder aber V. 21, würde in diesem Zusammenhang zu weit führen 120 , doch kann man folgendes festhalten: Sowohl in der Ilias als auch in der Odyssee hebt sich die einleitende Versgruppe (A 1—7 bzw. α 1 — 10) deutlich als eine formale und auch gedankliche Einheit vom Folgenden ab und ist deshalb als Proömium anzusehen, das in einem Musenanruf wichtige Ausblicke auf das zu behandelnde Thema vermittelt. Wer aber den Versen α 1 — 10 vorhält, in ihnen bleibe der Ausgangspunkt der Handlung unbestimmt, und deshalb α 11—21 mit zum Proömium rechnet 121 , der beurteilt das Proömium der Odyssee nach Kriterien, die aus demjenigen der Ilias gewonnen sind, ohne jedoch die notwendige Bedingung eines jeden Proömium darzustellen. Vielmehr sind die Verse α 11—21 formal nicht zwin-

117 Vgl. hierzu u.a. K. Rüter, Odysseeinterpretationen. Untersuchungen zum ersten Buch und zur Phaiakis (Hypomnemata 19), Göttingen 1969, 28 — 34: „Die traditionellen Elemente des Epenproömiums." 118

119 120

121

Dazu daß Vergil in Entsprechung zum Iliasproömium die Aeneis mit einer Versheptade beginnen läßt und der Frage, ob man auch andere Werkanfange, die ebenfalls aus sieben Versen bestehen (so z.B. Lucan. 1,1 — 7, Stat. Ach. 1,1—7), hiermit in eine bewußte Verbindung bringen kann, vgl. zuletzt Lebek, Lucan 19 mit Anm. 3; 28 ff. mit Anm. 33. 34; 30. Zu Einzelheiten vgl. Rüter a. O. 34 ff. Hierzu u. a. Rüter a. O. 40 Anm. 31, der selbst α 1 —21 als Proömium der Odyssee ansieht. Dagegen ist Lebek, Lucan 20 Anm. 8 wohl zu Recht der Auffassung, daß man aufgrund der Ringkomposition der Verse a l —10, wobei „die Wortsequenz des Anfangsverses in alO chiastisch wieder aufgenommen" wird, das Odysseeproömium mit α 10 als beendet ansehen sollte. Außerdem legt die Zeitbestimmung ένθα am Anfang von a l l es nahe, in diesem Vers den Beginn der Handlung zu sehen, da es im antiken Epos äußerst beliebt ist, das eigentliche Geschehen mit solchen Zeitadverbien einsetzen zu lassen (dazu unten 37 mit Anm. 154). So z.B. Rüter a.O. 40ff.

Umfang und Disposition

29

gend in das eigentliche Proömium eingebunden, sondern sie schlagen die Brücke zwischen Proömium und Handlungsbeginn. Vor diesem Hintergrund wird die besondere Leistung der vergilischen Proömiumgestaltung deutlich: Wie der Augusteer Vergil bei seiner Themenangabe (Aen. 1,1—7) über die homerischen Epen hinausgehend nicht nur Einzelaspekte anklingen läßt, sondern umgreifend Ausgangsund Zielpunkt des Geschehens umschreibt und hierdurch das Sinnganze seines Epos in den Blick treten läßt 122 , so bindet er auch die Vorgeschichte, die zwischen Themenbenennung und Handlungsbeginn vermittelt, in ein bewußt gestaltetes Gesamtproömium ein 123 . Er knüpft dabei die verschiedenen Abschnitte durch inhaltliche, sprachliche und metrisch-rhythmische Entsprechungen zu einem Ganzen zusammen. Diese etwas weiter ausholenden Bemerkungen zum Aeneisproömium und der schöpferischen Umgestaltung der homerischen Vorbilder schaffen die Voraussetzung, um Einblick in die Besonderheiten silianischer Proömiengestaltung und der damit verbundenen Vergiladaptation zu gewinnen. Silius beginnt mit einer umfassenden Themenangabe (1,1—3a), an die sich ein Musenanruf anschließt, innerhalb dessen der angekündigte Gegenstand näher bestimmt wird (1,3b—8a). Die folgenden Verse (1,8b—16) bringen eine weitere Präzisierung der Gesichtspunkte, die in den Augen des Silius den zweiten Punischen Krieg gegenüber dem ersten und dem dritten hervorheben und ihn insgesamt in seinem ganzen Ausmaß und seiner Ungeheuerlichkeit kennzeichnen124. Hiervon deutlich abgesetzt wendet sich der Dichter der Darlegung von tantarum causae irarum und der Explikation der superae mentes zu (1,17 — 20), um dann mit dem Bericht der Vorgeschichte im weitesten Sinne einzusetzen (1,21 ff.) 125 . Rein äußerlich stellt sich Silius mit dieser Disposition in eine auffallige Nähe zum Proömium der Aeneis und distanziert sich deutlich von derProömiengestaltung anderer Epiker des 1. nachchristlichen Jahrhunderts, bei der die Einfügung Dazu bereits oben 25 f. 123 Vergi] überformt gleichsam die Anfangspassage der Odyssee ( a l — 2 1 ) . Der bewußte Gestaltungswille Vergils wird auch besonders deutlich bei einem vergleichenden Blick auf den Beginn der Argonautica des Apollonios Rhodios: auch hier benennt der Dichter zunächst kurz sein Thema (1,1—4), um dann sehr gerafft Details aus der Vorgeschichte zu berichten (1,5 — 17) und außerdem anschließend sehr ausführlich in einem Teilnehmerkatalog die Helden vorzustellen (1,23—233), bevor die eigentliche epische Handlung einsetzt (1,234 ff.). Hier handelt es sich also keineswegs um ein bewußt gestaltetes Gesamtproömium, sondern gewissermaßen um willkürliche Präliminarien. Zu Einzelheiten sind die Ausführungen H. Fränkels a. O. (vgl. oben 26 f. Anm. 114) 24 —33 heranzuziehen, der selbst vielleicht nicht ganz passend die einleitenden Passagen der Argonautica des Apollonios Rhodios als „Prolog" bezeichnet. 122

124

125

Ausführlich werden die einzelnen Abschnitte anschließend (45 — 60) behandelt; zur Einführung aller drei Punischen Kriege in 1,8b —11 vgl. ebenfalls unten 58 ff. Wie weit diese Versperikope reicht, wird anschließend 33 ff. ausführlich erörtert.

30

Proömium

einer Huldigungsadresse an den Kaiser fast schon eine obligatorische Pflichtübung darstellt 126 . Doch fallen auf der anderen Seite gerade im Hinblick auf die soeben verdeutlichte innere Geschlossenheit des Aeneisproömium einige Unterschiede der Gestaltung und des Inhalts zwischen dem Punica- und Aeneisproömium auf: Der silianische Musenanruf, der sich unmittelbar an die übergreifende Themenbenennung in Vers 1 — 3a anschließt (1,3b ff.), bezieht sich anders als bei Vergil auf die Gesamtthematik; Silius bittet die Muse, ihn von dem ungeheuren Geschehen künden zu lassen, das charakterisiert wird durch das decus laborum sowie die Vielzahl und Größe römischer Helden in der Auseinandersetzung mit einem Vertragsbrüchigen, frevelhaften Gegner: perfida ... gens Cadmea (1,3b — 6) 127 . Lukanischer Thematik vergleichbar 128 werden also Exzeptionalität und historische Kausalität des zu berichtenden Geschehens dem Leser in moralisierender Ausdeutung eindrucksvoll suggeriert, ohne dies Geschehen bereits auf eine göttliche Ebene hin zu transzendieren129. Von hierher gesehen, ist bei der anschließenden Hinwendung zu den causae irarum, dem

odium perenni servatum studio und den superae mentes (1,17 — 20) nicht ein 126

So bei Lucan. 1 , 3 3 - 6 6 , Val. Fl. 1 , 5 - 2 1 und Stat. Theb. 1, 1 7 - 2 4 . Das Kaiserlob an den genannten Stellen wird in der Forschung jeweils als Bestandteil eines erweiterten Gesamtproömium angesehen. Eine solche Auffassung impliziert grundsätzlich, daß nach Vergil die Erweiterung des epischen Proömium in der Kaiserzeit gleichsam zur Norm wird. — Während in der vorliegenden Untersuchung die Frage nach dem Umfang des Punica-Proömium ausführlich erörtert wird, ist eine eingehende Behandlung dieser Frage insbesondere hinsichtlich des Proömium Lukans nicht möglich. Es sei nur darauf hingewiesen, daß man in den neuesten Untersuchungen durchweg von einem erweiterten Gesamtproömium ausgeht (Lucan. 1,1 — 182; vgl. bes. Lebek, Lucan 18ff.), ohne der Frage nach dem Umfang besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Aus der umfangreichen Literatur zu den einzelnen Proömien mag hier zunächst der Hinweis auf jeweils eine ausführlichere Behandlung aus neuerer Zeit genügen: zu Lukan vgl. Lebek, Lucan 18 — 102; zu Valerius Flaccus E. Lefèvre, Das Prooemium der Argonautica des Valerius Flaccus (Abh. Ak. Wiss. u. Lit. Mainz, Geistes- u. Sozialwiss. Kl. 1971, Nr. 6), Mainz 1971; zum Thebais-Proömium Vessey, Statius 60—67. Grundsätzlich zur Verbindung von Musenanruf und Kaiserlob vgl. Häussler, Antike und Abendland 19,1973,121 ff. Bei Silius findet sich das Lob auf Domitian erst an späterer Stelle, nämlich innerhalb der für die Sinngebung des gesamten Epos (vgl. oben 16) bedeutsamen Zeusrede im dritten Buch (3,594—629): zum silianischen Herrscherlob vgl. u. a. Wistrand 5 — 30; Lorenz 34 f.; Schetter, Epos 77; Kissel 159; Burck, Epos 258 mit Anm. 15: Allerdings erklingt nach Burck falschlich das Domitianlob „durch den Mund der Venus". — Auf die deutliche Nähe des silianischen Proömium zu Vergil und die damit verbundenen Unterschiede auch zur vorvergilianischen römischen Epik und hier insbesondere zu Ennius macht Häussler, Epos II 177 f. aufmerksam.

127

Zur Einzelinterpretation vgl. unten 54 ff. Auf Bezugspunkte einerseits und Unterschiede andererseits zwischen dem Proömium der Punica und demjenigen des lukanischen Epos wird im folgenden mehrfach hingewiesen werden (vgl. bes. 46 mit Anm. 187. 49 ff. mit Anm. 197 u.ö.). Die historische Begründung des Geschehens durch Silius im Proömium und in der causaeErörterung betont besonders Kissel 30 f.; dazu vgl. auch unten 55.

128

129

Umfang und Disposition

31

solch konkreter Bezugspunkt zur einleitenden ,Propositio* gegeben, wie es in den analogen Versen Aen. 1,8—11 der Fall ist: hier knüpft die Frage nach den causae des Zornes der Juno eindeutig an V. 4 an 130 . Vielmehr charakterisieren bei Silius die Affekte trae und odium verdichtend die Ungeheuerlichkeit der angekündigten Kriegsereignisse 131 , so daß trotz der formalen Nähe zu Vergil die silianische Frage nach den causae irarum inhaltlich derjenigen nach den causae tantarum rerum im Proömium des Lukan (1,67) vergleichbar ist 132 . Eine Ausweitung des Gedankenganges gegenüber dem Vorhergehenden beinhaltet jedoch die Ankündigung des Silius, die superae mentes darzulegen und somit göttliche Wirkmächte für das zu berichtende Geschehen verantwortlich zu machen. Es ist dies der erste Hinweis auf die Götterhandlung, die im gesamten Epos die irdischen Vorgänge begleiten wird. Hierdurch distanziert sich Silius eindeutig von Lukan, dessen gerade für viele Zeitgenossen am meisten provozierende Neuerung des Epos vom Bürgerkrieg ja in dem Verzicht auf einen Götterapparat liegt, und stellt sich gleichzeitig in die enge Nachfolge Vergils, was die anschließende inhaltliche Ausfüllung der Ankündigung vollends unterstreicht. Bei Vergil ist das einzige Thema der Versfolge 1,12—33 die Begründung des Zornes der Juno, wobei ein wichtiger Aspekt die Vorliebe und die hiermit verbundene Schutzfunktion der Göttin für Karthago ist (Aen. 1,16 —22)133; aus der sich für die Zukunft abzeichnenden Gefahrdung der karthagischen Machtposition durch Rom resultiert ganz umfassend Junos Bemühen, die Trojaner von ihrem Ziel Italien fernzuhalten. Damit aber schließt die Exposition aus dem Munde des Dichters, und es setzt unmittelbar danach die eigentliche Handlung ein: Die Flotte der Aeneaden sticht von Sizilien aus in See (Aen. 1,34—35), worauf Juno mit einem emotions130

131

132

133

Dennoch ist die Erörterung der causae an dieser Stelle, nämlich unmittelbar nach der Themenankündigung, zweifellos durch das vergilische Vorbild angeregt. Die Verselbständigung ist im wesentlichen durch die hier genannten Gründe zu erklären. Dagegen sind die Ausführungen von P. Dams, Dichtungskritik bei nachaugusteischen Dichtern, Diss. Marburg 1970, 134 f. mit Anm. 1. 2, daß mit den Versen 1,17—20 „dem konventionellen Eingangsteil einige erstaunliche Verse folgen", da sich in der silianischen Frage nach den causae der „direkte Bezug zur nachovidischen Lehrdichtung und dichtungskritischen Diskussion finde", verfehlt. Dams gerät hier bei seinen insgesamt sehr schematisch angelegten Untersuchungen an das falsche Objekt. Hierhingehend ist die Aussage von Lorenz 5 zu differenzieren, das silianische tantarum causas irarum spiele auf Vergil an, wie bereits Kissel 31 Anm. 73 richtig bemerkt. Zum Umfang des Lukan-Proömium vgl. kurz zuvor Anm. 126. Die lukanischen Ausführungen über die Ursachen des Bürgerkriegs (Lucan. 1,67—182) erörtern ausführlich Lebek, Lucan 45 — 71 und Häussler, Epos II 80—89. Einige wichtige Arbeiten zum Proömium Lukans sind nachgedruckt in dem Sammelband: Wege zu Lucan, hrsg. von W.Rutz (WdF Bd. CCXXXV), Darmstadt 1970, 2 8 3 - 3 5 3 . Auf die weiteren Gründe wurde bereits oben 26 hingewiesen; vgl. auch die folgende Anmerkung.

32

Proömium

geladenen Monolog reagiert (Aen. 1,36—49). Danach begibt sie sich zu Aeolus, um diesen zu bewegen, seine Sturmwinde gegen die verhaßten Trojaner zu entsenden (Aen. 1,50 ff.). Dagegen ist die Ausgangsposition für die silianische Grundlegung der Handlung eine ganz andere: Silius kann nach seiner Themenankündigung die ira Iunonis, die er im übrigen in V. 1,26 —33a völlig analog zu Vergil motivieren wird 134 , noch nicht voraussetzen, sondern er führt sie innerhalb eines in verkürzter Erzählweise wiedergegebenen Abrisses der Geschichte Karthagos ein: Beginnend mit der Flucht Didos berichtet Silius die Gründung Karthagos eben durch Dido (V. 21 — 25), bezeichnet diese Stadt als Lieblingssitz der Juno (V. 26 — 28), woraus der Grund erwächst, daß die Göttin, um Karthago gegen die Macht Roms zu schützen, den 1. Punischen Krieg entfacht (V. 29 —33a)135. Nach dessen Scheitern greift Juno erneut zu den Waffen, wobei ein einziger Führer der Göttin, die nunmehr zum Äußersten bereit ist, die Truppen stellt (V. 33b —37). Dieser aber, nämlich Hannibal, den allein Juno gegen die fata aufbietet, übernimmt bereitwillig den göttlichen Zorn (V. 38 — 39) 136 , worauf Juno mit einer Rede reagiert, in der sie lustvoll all die Niederlagen präsentiert, die Rom durch Hannibal erleiden 134

135

136

Allerdings führt Silius im Gegensatz zu Vergil nur einen Grund an, nämlich die Vorliebe Junos für Karthago. Dagegen fehlt die Begründung von Junos Groll, die Vergil in den Versen 1,23 — 28 seines Proömium vorträgt, nämlich Parisurteil und Ganymedraub. Auf diese Gründe führt Silius den Zorn der Göttin erst in einer bukolisch ausgeschmückten Einlage des 7. Buches zurück, der Prophezeiung des Proteus (7,435 ff.); vgl. hierzu Lorenz 7. Herzog 76 weist darauf hin, daß „der zweite Teil des Aeneisproömium mit seiner Anknüpfung an den trojanischen Krieg (Aen. 1,19 — 33) fugenlos koupiert und durch die historische Perspektive der allmählich wachsenden römischen Macht ersetzt wird (Sil. 1,29 — 37)" und daß damit der Rahmen der Aeneis übersprungen sei. Ähnlich äußert sich auch Lorenz 6 f. Die eigentlichen Gründe für den ganz knappen Bericht der Vorgeschichte bei Silius werden unten 61 ff. aufgezeigt. Zu dieser für die Funktion der Juno und des Hannibal im gesamten folgenden Geschehen maßgeblichen Stelle v. Albrecht 47 ff., Lorenz 4—8, Delz 95 f., Herzog 76 f. und Kissel 32 ff. Letzterer wendet sich gegen die bei v. Albrecht, Lorenz und Delz vertretene Auffassung von „Hannibal als Werkzeug unter Junos Führung" und versucht seinerseits herauszuarbeiten, daß Hannibal die irae „als etwas von ihm Vertretenes, Eigenes übernimmt" (33) und daß „Hannibal nicht aus der Verantwortung genommen ist", sondern als „kongenialer Exponent des Römerhasses Junos" letztlich doch „der unabhängige Geschichtstäter bleibt" (34). All dies schließt aber doch nicht aus, daß Hannibal in seinem geschichtlichen Wirken bildhaft als Werkzeug Junos gesehen wird. Kissel konstruiert einen künstlichen Gegensatz von Eigenverantwortlichkeit' und ,Werkzeugcharakter', wobei er den Begriff ,Werkzeug' zu rational und eng auffaßt (vgl. hierzu auch im folgenden 35 Anm. 146). Wenn Kissel 34 zudem ausgehend von den genannten Überlegungen anders als v. Albrecht 48 und Vessey, Shield 392 f. Hannibal eine „wirkliche Tragik" abspricht, so verkennt er, daß der Punier in dem gesamten Epos aufgrund seines Hasses, den Silius bewußt doppelt motiviert, nämlich sowohl auf der mythologischen als auch auf der historischen Ebene (dazu ausführlich unten 61 —106), als der Verblendete gezeichnet wird, der am Ende scheitern muß (vgl. dazu u.a. unten 186 mit Anm. 718).

Umfang und Disposition

33

wird (V. 40 — 54). Gleichsam als Pendant dazu wird Hannibal in einer direkten, stark negativ gefärbten Charakteristik als geeigneter Vollstrecker der aus dem Haß geborenen Pläne Junos vorgestellt (V. 56 —60a)137. Dieser Hannibal begehrt aber nichts mehr als den Krieg gegen Rom, ein Begehren, das Juno zusätzlich schürt (V. 60b —62); ja in nächtlichen Visionen führt er bereits diesen Krieg (V. 64—69)138. Die Paraphrase der Versfolge 21—69, die übrigens für die Verse 35b —41 dem Text folgt, den die Ausgabe von Bauer bietet und der auch der Hauptüberlieferung entspricht, verdeutlicht folgenden grundsätzlichen Sachverhalt: Die Darstellung wechselt von der knappen Exposition der Vorgeschichte zum ausführlichen Bericht des Beginnes des 2. Punischen Krieges, der prägnant durch Hannibals Übernahme des Zornes der Juno markiert wird. Damit ist aber deutlich eine neue Handlungsstufe erreicht, ja auch Silius führt den Leser in medias res. Zwar verzichtet Silius auf eine anschauliche Ausgestaltung dieses entscheidenden Vorganges sowie auch darauf, die Ereignisse folgen zu lassen, die sich unmittelbar aus der Zurüstung Hannibals ergeben, wie etwa der Angriff auf Sagunt 139 , doch legt er auf der anderen Seite um so mehr Wert darauf, in der Juno-Rede und in den Visionen Hannibals die gewaltigen zukünftigen Niederlagen Roms und die umfassende Bedrohung als schwerwiegende Konsequenzen aus dem hier geschlossenen Bündnis zwischen Juno und dem Punier aufzuzeigen. Diese bisher nicht gesehenen Zusammenhänge sind zu berücksichtigen, wenn man sich mit dem Problem der Disposition der einleitenden Textpassagen bzw. konkret mit der Frage auseinandersetzt, an welcher Stelle ein Sinneinschnitt vorliegt, der durch einen Absatz anzuzeigen ist, oder aber ob eine solche Abgrenzung mit Delz überhaupt abzulehnen ist. Der kritische Punkt der Gliederung, also der Übergang von der gerafften Präsentation der Vorgeschichte zur Darstellung des eigentlichen 137

138

139

Daß an dieser Stelle im Gegensatz zu Livius 21,4,1 — 9 lediglich eine ganz und gar negative Charakteristik Hannibals gegeben wird und davon getrennt die positiven Eigenschaften erst in den Versen 1,242—267 hervorgehoben werden, liegt im Zusammenhang begründet: Silius kommt es hier darauf an, Hannibal als „blindwütig-besessene Einzelpersönlichkeit" (Kissel 214) zu kennzeichnen, die sich zum passenden Exponenten der irae der Juno eignet. Zur Charakteristik des Hannibal an dieser Stelle und allgemein bei Silius vgl. u.a. v. Albrecht 44ff., Kissel 104ff., Burck 278ff. mit Anm. 55 und MiniconiDevallet LXI. Zu der hier vorgenommenen Abgrenzung der einzelnen Abschnitte vgl. die unmittelbar anschließenden Ausführungen. Die Gründe dafür bestehen darin, daß Silius eine doppelte Grundlegung des Geschehens auf zwei verschiedenen Ebenen vermittelt, nämlich einerseits auf der mythologischen und andererseits auf der historischen, und daß beide Darstellungen sowohl inhaltlich als auch erzähltechnisch in einem korrelativ-komplementären Verhältnis zueinander stehen: dazu ausführlich unten 61 ff., besonders 66 f. 73 f. 85 u. ö.

34

Proömium

Beginnes des Geschehens, das den. Gegenstand des silianischen Epos bildet, liegt innerhalb der Verse 35b—41. Sie seien hier zunächst entsprechend der bereits bei der Paraphrase vorausgesetzten Textgestaltung Bauers wiedergegeben: 35

..., iter um instaurata cape s sens arma remolitur (sc. Iuno); dux agmina s u f f i c i t unus (sc. turbanti terras pontumque movere paranti. Iamque deae cundas sibi belliger induit iras Hannibal; hune audet solum componere fatis. 40 Sanguineo tum laeta viro atque in regna Latini turbine mox saevo venientum baud inscia cladum: ... inquit ...

Hannibal)

Die weitestgehenden Änderungen gegenüber dieser Gestaltung des Textes hat Delz vorgenommen, der sich bei einer textkritischen Prüfung der gesamten Passage Sil. 1,26 — 55 insbesondere mit den zitierten Versen auseinandersetzt140. Dabei betreffen seine Änderungsvorschläge vor allem die Interpunktion und die Billigung der in den Handschriften LFV überlieferten Lesart cum in V. 40 statt tum (O) 141 . Der Hauptgrund dafür besteht darin, daß Delz wie auch verschiedene Erklärer vor ihm Anstoß an der Bedeutung des in V. 36 überlieferten dux agmina s u f f i c i t unus (sc. Hannibal) nimmt; Madvig (Advers. crit. II p. 464) bemerkt beispielsweise hierzu: „quasi agminibus Iuno eguerit, quae ducerei"142. Zwar gibt Delz zu, daß man durchaus agmina als Objekt zu s u f f i c i t auffassen und somit den überlieferten Text halten könne, wenn man nämlich einigen älteren Kommentatoren und auch Übersetzern folgend sufficere analog zu anderen Stellen, wie etwa vor allem Verg. Aen. 2,617 f. (ipse pater Danais ánimos 140 141

142

Delz, Mus. Helv. 26,1969,88-100, besonders 9 3 - 9 6 . Zur Bezeichnung der silianischen Handschriften sind die von Bauer in seiner Edition benutzten Sigla übernommen. Madvigs, von Delz 93 mit Recht als übereilt bezeichneter Heilungsversuch: dux omnia {agmina codd.) sufficit unus turbanti terra (terras codd.) wird lediglich von Duff gebilligt und in den Text gesetzt. Bauer und Summers drucken den in den Handschriften überlieferten Wortlaut. Miniconi-Devallet, die — wie bereits oben 24 Anm. 101 bemerkt — den textkritischen Beitrag von Delz völlig unberücksichtigt lassen, folgen in den Versen 35—41 ebenfalls der Überlieferung mit einer Ausnahme: In V. 36 konjizieren sie numini für agmina und zwar vermutlich analog zu Bauers Vorschlag (2. Bd. der Ausgabe p. V): divae, worauf Miniconi-Devallet allerdings selbst nicht hinweisen. Delz führt diese Änderung in seiner Rezension a. O. 217 als eine der insgesamt vier eigenen Konjekturen der französischen Herausgeber an, um gleichzeitig in Anm. 16 auf seine Behandlung dieser Verse in Mus. Helv. a. O. aufmerksam zu machen. Wenn er in diesem Zusammenhang auch Juhnke 14 Anm. 13 nennt, so handelt es sich um ein Versehen: Juhnke a. O. bezieht sich dort auf die „von Delz glänzend hergestellten" Verse 1,46b—48a (Delz, Mus. Helv. a. O. 97 — 99; vgl. dazu unten 88 f.); auf die hier behandelten Verse geht Juhnke nirgendwo ein.

Umfang und Disposition

35

virisque secundas \ s u f f i c i t , ipse deos in Dardana suscitât arma), im Sinne v o n s u b m i n i s t r a r e ' v e r s t ü n d e 1 4 3 , d o c h erscheinen i h m d a n n S i n n u n d A u s s a g e k r a f t d e r g e s a m t e n Stelle blaß u n d f a r b l o s . V i e l m e h r m ü s s e , s u f f i cere' hier in seiner eigentlichen u n d v o l l e n B e d e u t u n g . g e n ü g e n ' v e r s t a n den w e r d e n 1 4 4 , w o b e i sich d a n n allerdings das P r o b l e m e r g e b e , w o r a u f agmina zu beziehen sei. Statt die L ö s u n g darin zu suchen, agmina mittels einer K o n j e k t u r zu e l i m i n i e r e n 1 4 5 , schlägt D e l z v o r , das Satzzeichen h i n t e r remolitur zu beseitigen u n d statt dessen h i n t e r agmina stark zu i n t e r p u n g i e ren, so daß agmina z u m O b j e k t v o n remolitur w i r d u n d dux p r ä d i k a t i v z u m S u b j e k t Iuno in V. 2 6 s t e h t 1 4 6 . M i t s u f f i c i t unus in V. 3 6 b läßt D e l z d a n n ein neues S a t z g e f ü g e b e g i n n e n , das sich in e i n e m w e i t e n B o g e n bis zu Hannibal in V . 3 9 a s p a n n t 1 4 7 u n d in V . 4 0 m i t e i n e m «ww-inversum ( L F V ) f o r t g e s e t z t w i r d , d e m — w i e b e m e r k t — D e l z g e g e n ü b e r tum (O) den

Vorzug gibt; die Aussage in V. 39b: hunc audet solum componere fatis deutet D e l z als Parenthese, z u m a l da sich solche E i n s c h ü b e v o r , « / w - i n v e r s u m 143

144

145

146

147

So z. B. Drakenborch, Ruperti, Lemaire jeweils im Kommentar z. St. und Bothe in der Übersetzung dieses Verses. Lemaire paraphrasiert allerdings auch: „Unus instar multorum agminum est". Für seine Annahme, der Sinn müsse hier ,ein Mann genügt ihr' lauten, verweist Delz 93 darauf, daß Silius die Charakteristik des Marius bei Lucan. 2,87 f. vor Augen gehabt habe: vir ferus et Romam capienti perdere fato sufficient. Diese wie auch alle anderen Parallelen, die Delz im Zusammenhang mit seinen Thesen nennt und die im folgenden zum Teil referiert werden, mögen zwar durchaus im Bereich des Möglichen liegen, doch reichen sie nicht aus, die anschließend geltend gemachten gravierenden Einwände gegen die Textgestaltung von Delz insgesamt zu entkräften. Die verschiedenen Textvarianten (magnae Ch magna V) und Konjekturen (dazu vgl. bereits hier Anm. 142) erörtert Delz 91. 93. Delz 95 f. macht darauf aufmerksam, die Beziehung von dux auf Iuno sei in inhaltlicher Hinsicht vor allem deshalb berechtigt, weil „die Funktion der Göttin in den Punica durch die Aeneis festgelegt" sei (hierzu auch unten 42 Anm. 173 u. 61 ff.). Für die Rolle der Juno in der Aeneis nennt Delz die zentralen Stellen Verg. Aen. 1,47 f. und 12,808 ff. Außerdem sieht er eine Verbindung zur dritten Römerode des Horaz (carm. 3,3,61—64; bes.63f.: . . . ducente victrices catervas \ coniuge me Iovis et sorore), auf die Silius nach der Meinung von Delz auch in der Juno-Rede (1,42 ff.) anspielt (Delz 96 f.; dazu vgl. aber unten 86 mit Anm. 324). Ablehnend stellt sich der Interpretation Iuno ... dux bereits Kissel (33 Anm. 80 und 34 Anm. 85) gegenüber; allerdings resultiert diese Ablehnung weitgehend aus der einseitigen, auf modernen psychologischen Kriterien basierenden Beurteilung der Rolle Hannibals in den Punica (vgl. oben 32 Anm. 136). Die entscheidenden Einwände lassen sich vielmehr erst bei einer adäquaten Beurteilung der gesamten Stelle und ihrer wichtigen Funktion im Kontext, wie sie anschließend versucht wird, gewinnen. Für eine solche Satzstruktur — wirkungsvolles Aufsparen einer neu einzuführenden Person bis zum Satzende und Vorausschicken von einem oder auch zwei Prädikaten — nennt Delz eine ganze Reihe von Parallelen bei Silius wie etwa 7,634ff.; 3,447 ff.; 5,287ff. u. a. Doch gerade die Vielzahl der Stellen könnte auch dagegen sprechen, daß Silius bei der erstmaligen Nennung Hannibals in einer ihm so geläufigen Weise konstruiert.

36

Proömium

Sätzen' als silianische Stilbesonderheit nachweisen lassen148. Zur Verdeutlichung seien die Verse 35b —41 jetzt in der von Delz erschlossenen Form abgedruckt: 35

. . . , iter um instaurata cape ssens arma remolitur dux (sc. Iuno) agmina. Sufficit unus turbanti terras pontumque movere paranti iamque deae cundas sibi belliger induit iras Hannibal — hunc audet solum componere fatis —, 40 sanguineo cum laeta viro atque in regna Latini turbine mox saevo venientum baud inscia cladum: ... inquit ... Gegen diese Textgestaltung ist folgender grundsätzliche Einwand geltend zu machen: Indem Delz in den V. 36b —41 ein durchgängiges Satzgefüge annimmt, verkennt er nicht nur den Sachverhalt, daß sich die Darstellung innerhalb dieser Verse auf eine neue Handlungsstufe begibt 149 , was schon allein möglicherweise durch einen Absatz verdeutlicht werden sollte, sondern auch die Gesamttektonik der einleitenden Textpartien der Punica und deren enge Affinität zum Beginn der Aeneis Vergils. Es sei noch einmal an das Schema: ,Propositio — causae-E,törter\ing — Handlungsbeginn mit einer Rede der Juno' erinnert 150 . Da auch Silius den Leser innerhalb der hier diskutierten Verse in medias res führt, ist mit einem deutlichen Abschluß der Darlegung der causae und ebenso nachdrücklichen Neueinsatz zu rechnen und zwar vor allem auch deshalb, weil Silius in den Versen 17 — 20 entsprechend Vergil, Aen. 1,8 — 11 betont den causae-Abschnitt angekündigt hatte, so daß der Leser auch dessen Abschluß erwartet. Demgegenüber würde es aber eine Singularität innerhalb der Gepflogenheiten epischer, an Vergil orientierter Exordialtechnik darstellen, wenn so, wie die Textgestaltung von Delz es impliziert, Darlegung der causae und Handlungsbeginn mit einer Juno-Rede übergangslos ineinander überflössen. Ein Grund dafür, daß die adäquate Disposition der einleitenden Passagen der Punica den Erklärern solche Schwierigkeiten bereitet, mag darin liegen, daß Silius den causae-Abschnitt und damit — was hier schon vorwegnehmend zu betonen ist — das Proömium 151 nicht ähnlich deutlich 148

149 150 151

Diese Besonderheit ist wesentlich auffälliger als die Gesamtstruktur des von Delz angenommenen Satzgefüges. Als vergleichbar nennt Delz 92 bei Silius die Stellen 7,585 ff.; 10,215 ff. und ähnlich 6,628 ff., wobei die Parenthesen allerdings nicht von allen Herausgebern erkannt wurden, so daß zum Teil falsche Interpunktion begegnet, und bei Vergil z.B. Aen. 5,862ff. Dazu oben 33 und anschließend 42 ff. Vgl. oben vor allem 22 f. Dazu ausführlicher unten 44.

Umfang und Disposition

37

abschließt, w i e dies v o r allem in d e r A e n e i s V e r g i l s 1 5 2 , a b e r a u c h in d e m lukanischen G e d i c h t v o m B ü r g e r k r i e g , in d e n A r g o n a u t i c a des Valerius Flaccus u n d in b e i d e n E p e n des Statius d e r Fall ist 1 5 3 . D e m g e g e n ü b e r ist es j e d o c h u m so erstaunlicher, w e n n m a n bisher nicht b e m e r k t hat, d a ß Silius a u f d e r a n d e r e n Seite klar den B e g i n n einer n e u e n H a n d l u n g s s t u f e m a r k i e r t , i n d e m er in d e r s p r a c h l i c h - s y n t a k t i s c h e n G e s t a l t u n g die v e r g i l i sche u n d die l u k a n i s c h e A r t u n d W e i s e m i t e i n a n d e r k o m b i n i e r t , nach d e m A b s c h l u ß des P r o ö m i u m m i t t e n in die H a n d l u n g h i n e i n z u f ü h r e n . V e r g i l b e g i n n t n ä m l i c h in A e n . 1 , 3 4 die D a r s t e l l u n g d e r eigentlichen H a n d l u n g mit d e m Z e i t a d v e r b vix, u m k u r z d a r a u f in V. 3 7 f f . i n n e r h a l b eines ,cumi n v e r s u m - S a t z e s ' z u r R e d e d e r J u n o überzuleiten. A u c h L u k a n läßt in V. 1 , 1 8 3 die H a n d l u n g u n v e r m i t t e l t m i t e i n e m Z e i t a d v e r b a n h e b e n , n ä m l i c h m i t ώ/» 1 5 4 : In E i l m ä r s c h e n hat Caesar bereits die A l p e n ü b e r s c h r i t t e n u n d strebt jetzt nach g e w a l t i g e m K r i e g ( 1 , 1 8 3 — 1 8 5 a ) . N a c h dieser k n a p p e n M i t t e i l u n g w e c h s e l t L u k a n z u r a u s f ü h r l i c h e n D a r s t e l l u n g des entscheidenden, den K r i e g initiierenden Ereignisses, n ä m l i c h Caesars Ü b e r g a n g ü b e r den R u b i k o n (V. 1 8 5 b ff.). H i n t e r dieser b e s o n d e r e n A r t , die H a n d l u n g m i t Z e i t a d v e r b i e n w i e vix o d e r tarn a n h e b e n zu lassen, v e r b i r g t sich die 152

153

154

Zu dem deutlichen Abschluß des Proömium der Aeneis mit dem Epiphonem in 1,33 oben 26 f. Ohne hier im einzelnen auf die Problematik des Umfanges der genannten Proömien eingehen zu können (vgl. bereits oben 30 Anm. 126), fallt hinsichtlich des Abschlusses folgendes auf: Das Schlußwort des Verses Lucan. 1,182 lautet bellum, das nach Lebek, Lucan 48 „das gesamte Proömium durch den Zentralbegriff der epischen Handlung zusammenklammert", da mit diesem Begriff nicht nur das Epos anhebt (Lucan. 1,1: Bella per Emathios ...), sondern er auch noch einmal betont am Ende von Vers 158 zu Beginn des dritten Abschnittes der Ursachenerörterung begegnet (Hae ducibus causae. Suberant sed publica belli \ semina). Zu den Schlußversen des Proömium der Thebais des Statius (1,43 ff.: urguet et hostilem propellens caedibus amnem \ turbidus Hippomedon plorandaque bella protervi \ Arcados atque alio Capaneus horrore canendus) bemerkt Schetter, Mus. Helv. 19,1962,216: Es „kehrt das Thema des dichterischen Enthusiasmus der Einleitungsverse wieder, hier zu dem Bild des von den Heldengestalten seines Werkes bestürmten Dichters abgewandelt. So schließen sich Anfang und Ende zusammen." Noch einmal das eigene dichterische Tun betont Statius ebenfalls am Ende des Proömium zur Achilleis (1,18bf.: te longo necdum fidente paratu \ molimur magnusque tibi praeludit Achilles) und auch Valerius Flaccus in den Argonautica (1,20b f.: nunc nostra serenus \ orsa iuves, haec ut Latios vox impleat urbes). — Zu den Gründen, warum im Gegensatz hierzu Silius auf einen solch markanten Abschluß verzichtet, unten 44 f. — Die hier insgesamt entwickelte Argumentation (36—39, bes. mit Anm. 156. 160) basiert auf Anregungen von O. Zwierlein. Das gilt vor allem auch für den gleich anschließend genannten wichtigen Sachverhalt, daß Silius bei seinem Geschehensauftakt die entsprechenden Stellen bei Vergil und Lukan kombiniert. Wie beliebt es im antiken Epos ist, die Handlung mit Zeitadverbien wie den genannten beginnen zu lassen, zeigen die von Lebek, Lucan 116 mit Anm. 12 angeführten Stellen, nämlich — abgesehen von den hier bereits genannten bei Vergil und Lukan — folgende: Horn, a l l : Ενθα; Ον. met. 3,1; 7,1; 8,1; 14,1; Petron. 89,1; 119,1, Stat. Theb. 1,45: jeweils iam an erster bzw. auch zweiter Stelle im Vers. Diesen Belegen ist jetzt noch die bei Lebek unerwähnt bleibende Stelle Sil. 1,38 hinzuzufügen.

38

Proömium

Absicht, den Leser mitten in ein fortschreitendes Geschehen hineinzustellen und so Spannung zu erzeugen155. Eben diese Absicht verfolgt aber auch Silius, wenn es in V. 1,38 f. heißt: Iamque deae cunetas sibi belliger induit iras I Hannibal156; die Darstellung der Vorgeschichte ist also abgeschlossen und wendet sich jetzt unmittelbar den Anfangen der Handlung zu, die den eigentlichen Gegenstand des Epos ausmacht, nämlich des 2. Punischen Krieges. Es wird somit aber die Annahme des Absatzes zwischen den Versen 37/38, der sich in allen Ausgaben findet, ohne daß dafür allerdings irgendwo Gründe wie die hier genannten geltend gemacht würden, unerläßlich. In diesem Punkte seiner Textgestaltung ist also Delz nicht zuzustimmen, wohl jedoch in dem anderen, daß in V. 40 das «/w-inversum anstelle von tum in den Text gehöre, da die Rekonstruktion des Archetyps auf diese Lesart der Handschriften LFV führe, während tum ein Sonderfehler von O sei157; dementsprechend ist auch mit Delz die unmittelbar vorausgehende Aussage in V. 39b {hunc audet solum componere fatis) als parenthetischer Einschub zu erklären158. Billigt man aber die Textgestaltung in dieser Form, so führt Silius die Rede der Juno unmittelbar nach dem Beginn der Handlung syntaktisch in der gleichen Weise wie Vergil in Aen. 1,36 ein 159 . All dies läßt die Folgerung zu, daß Silius bei der Gestaltung des Geschehensauftaktes in den Versen 38—42 formal-syntaktisch bewußt diejenige Vergils (Aen. 1,34—37a) mit der Lukans (1,183 —185a) kombiniert 160 . Diese Auffassung wird noch dadurch bestärkt, daß sich zu den 155

156

157

158

159

160

Obwohl vix bei Vergil singular ist, wie die Stellenübersicht in der voranstehenden Anmerkung verdeutlicht, hat es die gleiche Funktion wie iam. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik, München 1960, 156 bezeichnet die Einleitung mit iam als ein „insinuatorisches . . . Mittel der Erregung des Informationsbedürfnisses und der Aufmerksamkeit." Dies modifiziert noch in besonderem Hinblick auf Lucan. 1,183 ff. Görler 293 f. Anm. 4. Zur Verwendung von tarn bei Vergil und den lateinischen Historikern vgl. J.-P. Chausserie—Laprée, L'expression narrative chez les historiens latins. Histoire d'un style, Paris 1969, 4 9 7 - 5 1 7 . Die Einführung eines neuen Gedanken mit iam(que) ist im übrigen bei Silius äußerst beliebt; es seien nur einige Stellen genannt: Sil. 2,1.188.457; 3,442.466.540; 4,86; 6,1; 8,468 u. a. Delz 91 schließt sich hierin H. T. Lindblom, In Silii Italici Punica quaestiones, Diss. Upsala 1906,120 an. Gegen A.Ker, Proceed. Cambr. Philol. Soc. 193, N.S. 13, 1967, 14f., der ebenfalls für die Lesart cum und deren Erklärung als ¡ram-inversum eintritt, im übrigen aber unhaltbare Textmanipulationen an dieser Stelle vornimmt, wendet sich Delz 95 zu Recht. Es wurde bereits oben 35 f. mit Anm. 148 darauf hingewiesen, daß diese Satzstruktur eine silianische Stileigenart darstellt. Auch Delz 93 stützt seine Entscheidung für cum mit dem Hinweis auf diese Stelle in der Aeneis, ohne allerdings die naheliegenden Konsequenzen für die Gesamtdisposition der Verse bei Silius zu ziehen. Ganz der vorliegenden Stelle entsprechend begegnet die Kombination iamque | cuminversum bei Silius z.B. 3,183ff.; 7,680ff.; 15,809ff.; außerdem vgl. Verg. Aen. 7,25ff.

Umfang und Disposition

39

formalen Entsprechungen inhaltliche gesellen. Zur Verdeutlichung seien alle drei Versreihen nebeneinander gestellt, wobei die Entsprechungen markiert sind: Sil. 1 , 3 8 - 4 2 Iamque deae cunetas sibi belliger induit iras_ Hannibal — hunc audet solum componete fatis —, sanguineo cum laeta viro (sc. Iunó) ... ... I ... inquit Verg. Aen. 1,34-37a Vix e conspectu Siculae telluris in altum vela dabant laeti et spumas salis aere ruebant, cum Iuno aeternum servans sub pectore vulnus haec secum ... Lucan. 1,183-185a Iam gélidas Caesar cursu superaverat Alpes ingentesque animo motus bellumgue futurum cejperat. ... Lukanische Thematik ist insofern in den Versen des Silius greifbar, als von Hannibal mit der Übernahme des Zornes der Göttin in gleicher Weise die Bereitschaft und Entschlossenheit zu einem gewaltigen kriegerischen Unternehmen konstatiert werden, wie dies Lukan von Caesar feststellt. Denn cunctae trae (Sil. 1,37) implizieren jenen ,belli furor', den bereits ,tantae irae' in V. 17 umschreiben 161 , und sind insofern inhaltlich den ingentesque ... motus bellumque bei Lucan. 1,184 vergleichbar. Allerdings beinhalten cunctae irae an dieser Stelle bei Silius nicht nur ein Mehr gegenüber dem entsprechenden Begriff in V. 17, sondern auch gegenüber den lukanischen Ausdrücken, insofern — wie die unmittelbar vorausgehende Erörterung der causae verdeutlicht hat — diese irae identisch sind mit denen der Juno; ja die Göttin ist es, die Hannibal ihren Zorn eingibt und ihn somit zum Krieg bereit macht, während Lukans Caesar aus sich selbst heraus den Entschluß zu ungeheuren Kriegswirren gefaßt hat 162 . Mit dieser mythologischen Komponente der Begründung des Geschehens setzt sich Silius einerseits von Lukan ab, so wie er andererseits die vergilische Grundlegung der Aeneis-Handlung für sein Epos vom 2. Punischen Krieg übernimmt. 161 162

Dazu oben 30 f. Der Unterschied im Tempusgebrauch — das Präsens induit bei Silius (dazu Delz 92), die Plusquamperfekte superaverat und ceperat bei Lukan — erklärt sich daraus, daß Silius bereits die Haupthandlung zur Darstellung bringt, Lukan dagegen die Hintergrundhandlung; die Haupthandlung bildet bei Lukan die Erscheinung der Patria nach Caesars Ankunft am Rubikon (Lucan. l,185bff.; vgl. dazu Görler 294ff.). Zum Inhaltlichen bereits oben 31 ff.

40

Proömium

Mit dem Nachweis, daß Silius in den Versen 38 ff. analog zu Vergil und Lukan die Handlung beginnen läßt, verbindet sich notwendig die Annahme, die unmittelbar voraufgehenden Verse 35b —37 schlössen die causae-Erörterung ab. Da es aber aufgrund des zwischen V. 37/38 zu fordernden Einschnittes nicht zulässig ist, mit Delz in den Versen 36b —39a den Hauptsatz einer weitgespannten Periode zu sehen, wobei unus ... Hannibal das Subjekt eben dieses Hauptsatzes bildete, ist in V. 36 nicht nur wie bei Bauer und den anderen Herausgebern zu interpungieren, sondern es ist auch der überlieferte Text zu halten. Denn bei Billigung der Interpunktion von Delz in diesem Vers und gleichzeitiger Annahme des Absatzes nach V. 37 bliebe mit: S u f f i t unus \ turbanti terras pontumque movere paranti eine rudimentäre Aussage stehen, der ein eindeutiges Subjekt fehlt 163 . Deshalb haben die Verse 35b—37 so zu lauten, wie sie bereits Bauer gedruckt hat 164 : ..., iterum instaurata cape ssens arma remolitur (sc. Iuno); dux agmina sufficit unus (sc. Hannibat) turbanti terras pontumque movere paranti. Die inhaltliche Kritik an diesen Versen, die ja nicht nur zu verschiedenen Konjekturen sondern auch zu der unzutreffenden Textgestaltung von Delz geführt hat, erscheint wenig begründet 165 . Vielmehr wird die causaeErörterung mit ihnen effektvoll abgeschlossen, indem der Gedankengang zu einem Punkt geführt wird, der die entscheidenden Voraussetzungen für das ungeheure Geschehen des 2. Punischen Krieges in eindrucksvoller Prägnanz suggeriert. Es ist dies auf der einen Seite der Haß Junos gegen Rom, der im 1. Punischen Krieg nicht befriedigt werden konnte und nun umso heftiger glüht. Denn die Göttin will Länder und Meer in Aufruhr stürzen, d.h. aber: sie ist wie in der Aeneis zum Äußersten bereit. Diese gedankliche Verbindung zur Aeneis wird dadurch geknüpft, daß Silius in V. 37 (turbanti terras pontumque movere paranti) zwei Verse kontaminiert, die in der Aeneis jeweils zu Beginn der ersten bzw. der zweiten Werkhälfte das Ingangsetzen der Handlung durch Juno bewertend umschreiben 166 : Folgende empörte Frage richtet Neptun in Aen. 1,133 f. an die Sturm163

164 165

166

Dies ist vor allem deshalb unwahrscheinlich, weil an dieser Stelle ja zum erstenmal Hannibal eingeführt wird, der Protagonist allen zukünftigen Geschehens auf Seiten der Punier. Zur Bedeutung von sufßcere im Sinne von subministrare oben 35 f. mit Anm. 143. Delz 94 beanstandet vor allem auch die „doppelte Tautologie" Herum instaurata ... arma remolitur. In Wirklichkeit handelt es sich hierbei um idiomatisches Latein: Vgl. Liv. 10,29,1 sistere fugam ac novam de integro velie instaurare pugnam, ferner den Kommentar von Weissenborn — Müller zu Liv. 22,5,7 sowie Axelson, Korruptelenkult, Lund 1967, 115 zu Here. Oet. 1418 vires reparare novas (vgl. Lucan. 1,134; Ov. met. 1,11). Hierauf weist bereits Herzog 77 Anm. 131 hin.

Umfang und Disposition

41

winde, die Aeolus auf Junos Geheiß hin gegen die trojanische Flotte entsandt hatte: iam caelum terramque meo sine numine, venti, miscere et tantas audetis tollere moles? Dies übersteigernd ruft Juno selbst in dem Monolog des 7. Buches, der ihr erneutes Wüten gegen die Aeneaden nunmehr auf italischem Boden einleitet, voller Entrüstung aus (Aen. 7, 310b—312) 167 : ... quod si mea numina non sunt magna satis, dubitem haud equidem implorare quod usquam est: fie etere si nequeo superos, Acher onta movebo. Auf der anderen Seite wird aber ebenso effektvoll der menschliche Vollstrecker dieses Planes der Juno eingeführt 168 : Ein einziger Führer wird die Heerscharen, mit -der das junonische Unterfangen in die Tat umgesetzt werden kann, bereitstellen und somit — wie insbesondere die kurz darauf folgende Charakteristik Hannibals unterstreicht — kongenialer Exponent göttlicher trae sein. Diese Feststellung ist aber keineswegs „sonderbar", wie Delz urteilt. Vielmehr ergibt einerseits dux unus einen wirkungsvollen Kontrast zu terras pontumquex(ß, der prononciert auf die ungeheuren Leistungen Hannibals vorverweist. Andererseits wird Hannibal ganz konkret als derjenige eingeführt, der die Truppen und damit das Instrumentarium bereitstellt, mit dem der göttliche Plan durchführbar wird. Von diesen Truppen Libyens und Spaniens heißt es bei der Vorstellung innerhalb eines ausführlichen Truppenkatalogs (Sil. 1,189 ff.) mit Sicherheit nicht zufallig in V. 192, daß es den angehenden Feldherrn mit Stolz erfülle: cessisse tantum terraeque marisque, und ähnlich am Schluß des Katalogs (Sil. 1,239): hae postquam Tjrio gentes cessere tyranno™. Ein weiterer wichtiger Hinweis darauf, daß die Verse 36b —37 in der überlieferten Form die Erörterung der causae mit Nachdruck abschließen, 167

168

169

170

Zu Bezügen zwischen der kurz darauf folgenden Rede der Juno bei Silius (1,42 ff.) und diesem Monolog im 7. Buch der Aeneis unten 86. Eine auffallige Verbindung zwischen dem Wirken Hannibals und den Absichten Junos (V. 37) wird übrigens in 1,468 ff. hergestellt, wo Hannibal während des Kampfes vor den Mauern Sagunts mit dem Sturme Corus verglichen wird: talis ubi Aegaeo ¡urgente ad sidera ponto I per longum vasto Cauri cum murmure fluctus | suspensum in terras portât mare . . . . Zur Entwicklung dieses Motives bei Silius von 1,37 über 1,468 ff. bis zu 1,687 ff. vgl. v. Albrecht 69. Möglicherweise liegt in dux unus eine übersteigernde Bezugnahme auf Lukan vor: Es wird dort totis concussi viribus orbis gekämpft (Lucan. 1,5), wozu konkret die arma dueum (Lucan. 1,98 ff.), also der beiden Feldherren Caesar und Pompeius, zum Einsatz gebracht werden; bei Silius liefert Hannibal allein die Heerscharen, die Juno benötigt, Länder und Meere in Aufruhr zu stürzen. Zu dem Truppenkatalog im einzelnen sowie zu seiner Funktion im Kontext unten 101 ff.

42

Proömium

ist den Worten zu entnehmen, die Juppiter gegen Ende des Epos an Juno richtet (Sil. 17,352 f.): turbasti maria ac terras iuvenemque ferocem inmisti Latió. ...

Mit fast wörtlicher Anlehnung wird der Plan der Juno (paranti V. 37), der gleichsam als Motto allem folgenden Geschehen exponiert vorangestellt wurde, von Juppiter rekapituliert 171 und innerhalb des Gesamtkontextes dieser Rede als gescheitert verurteilt. Unmittelbar anschließend werden in der mit V. 38 anhebenden breiten Schilderung die Absichten der Göttin in die Tat umgesetzt, d.h. es beginnt die eigentliche Handlung 172 : Hannibal übernimmt den Haß Junos und damit ihren Kriegsdurst (V. 38 —39a). Ihn aber allein wagt die Göttin den fata entgegenzustellen (V. 39b) 173 . Erfreut über die Blutgier des Mannes malt sie sich um die Zukunft wissend die Gemetzel aus, die er bald in Italien anrichten wird (V. 40 — 54), und entflammt ihn facta ad Mavortia (V. 55) 174 . Daß sich aber für Junos Pläne kein geeigneterer Vollstrecker 171

172

173

174

Dies verkennt Delz 95, der mit dem Hinweis auf diese Stelle kaum überzeugend zeigen möchte, daß Juno die eigentliche dux sei und deshalb in V. 36 dux auf Juno bezogen werden müsse. Denn auf der Ebene der Götterhandlung kann Juppiter nur Juno zur Verantwortung ziehen, wobei er aber bezeichnenderweise es nicht vergißt, denjenigen zu nennen, mit dessen Hilfe Juno ihren Plan durchführte, nämlich den iuvenis ferox Hannibal. — Zu der Götterszene Sil. 17, 341 — 384 insgesamt und ihrer auffalligen Nähe zu Verg. Aen. 12,792-842 vgl. u.a. v. Albrecht 168ff., Lorenz 58ff. und Kissel 53ff. Zu der unanschaulichen Darstellung des Geschehens oben 33 und ausführlicher unten 66 ff.. Damit wird jetzt beim Beginn der Handlung noch einmal Junos Entschlossenheit zum Äußersten auf eine andere Weise hervorgehoben, die allerdings erneut die Absichten der Göttin in den Punica mit denjenigen in der Aeneis Vergils gleichsetzt: Hier wie dort ist Juno die unversöhnliche und uneinsichtige Widersacherin der Fata (zum Antagonismus Juno-Fata, wie er bereits im Proömium der Aeneis zum Ausdruck gebracht wird, vgl. zuletzt Lebek, Aeneisproömium 197 ff.). Auf die auffallige Nähe zwischen Vergil und Silius auch in diesem Punkt weist vor allem Lorenz 12. 17 hin. Kissel unterbewertet bei seinen Ausführungen über die Fata bei Silius (58 — 68; vgl. vor allem 66 Anm. 196), die er nicht so sehr „als abstrakte transzendentale Größe" fassen, sondern vielmehr in die Hand des „einzelnen Geschichtstäters" gelegt sehen möchte (67), den grundsätzlichen Sachverhalt, daß Silius bei seiner gedanklichen Grundlegung des Geschehens weitgehend an Vergils Aeneis anknüpft. Deshalb sollte man auch nicht, wie es Burck in seiner Rezension Kissels (133) tut, nur damit rechnen, daß Silius „das Walten der Fata mehr okkasionell und situationsbedingt als literarische Reminiszenz einsetzt." Ähnliches läßt sich gegen Häusslers Ausführungen zur Gestaltung der Juno in den Punica (Epos II 187—211) einwenden: Auch hier wird der mythologische Hintergrund des Geschehens nicht als vor allem durch die Aeneis Vergils vorgegebene, somit traditionelle und auch — bis zu einem gewissen Grade — einen übergeordneten Sinnzusammenhang stiftende Größe akzeptiert. Statt dessen mißt Häussler der Unterscheidung von „Juno Regina oder Caelestis" eine in diesem Zusammenhang überbetonte Bedeutung bei. Obwohl Silius durch seine Formulierungen in V. 42: inquit und in V. 55: haec ait ac iuvenem

Umfang und Disposition

43

als eben Hannibal denken läßt, macht dessen anschließende direkte Charakteristik offenkundig, die stark negativ gefärbt ist (V. 56 —60a). Außerdem wünscht er letztlich wie Juno (vgl. V. 33b —35a) nichts sehnlicher, als die Schmach des 1. Punischen Krieges, die seine Väter erleiden mußten, auszulöschen (V. 60b —62) 175 . Erneut spornt Juno ihn an und läßt ihn in der Hoffnung auf gewaltigen Ruhm entbrennen (V. 63). Schon sieht sich aber Hannibal in seinen Träumen das Kapitol stürmen oder die Alpen überschreiten (V. 64—65). Häufig finden des Nachts Diener ihn schweißüberströmt, wie er künftige Kämpfe im Traume durchführt (V. 66 — 69): Hannibal ist in der gesamten Szene — was bisher offenkundig nicht gesehen wurde — bereits in Spanien vorgestellt und zwar unmittelbar vor seinem Angriff auf Sagunt, der den gesamten Krieg gegen Rom eröffnet. Dies unterstreichen vor allem die mehrmaligen Altersangaben, nämlich viro (V. 40), iuvenem (V. 55) sowie aevi flore virens (V. 60) 176 . Hierzu steht in auffalligen Kontrast die Angabe puer o (V. 71) unmittelbar zu Beginn des folgenden Abschnittes (V. 70 ff.). Zusammen mit dem Plusquamperfekt addiderat (ebenfalls V. 71) signalisiert sie, daß nun in einer historischen Rückblende die Entstehung von Hannibals rabies gegen Rom von Kindheit an geschildert wird, wobei der Schwurszene als dem Schlüsfacta ad Mavortia flammat nicht eindeutig festlegt, ob es sich bei den Worten Junos um einen „Monolog des Hasses" (v. Albrecht 168) oder um eine an Hannibal gerichtete und ihn anfeuernde Rede handelt, spricht neben der auffälligen Parallelität zur Rede der Juno in der Aeneis (1,37—49), die durch die Worte haec secum (V. 37) eindeutig als Monolog bestimmt wird, folgendes für die erste Annahme: Die Funktion der Junorede und der kurz darauf folgenden Charakteristik Hannibals (V. 56 —60a) ist es vor allem, das haßerfüllte Wesen der Juno auf der einen Seite und des kongenialen Hannibal auf der anderen Seite zu veranschaulichen, so daß es sich schon von hierher anbietet, in den Worten der Göttin eine lustvolle Selbstvergegenwärtigung des zukünftigen Leides der Römer zu sehen. Das wichtigere Argument dafür, daß es sich in den Versen 42 — 54 um einen Monolog handelt, ist jedoch dieses: Innerhalb der anschließenden historischen Begründung von Hannibals Haß gegen Rom, die vor allem durch die breit ausgestaltete Schwurszene (V. 70 ff.) anschaulich vermittelt wird, prophezeit die massylische Priesterin Hannibal eben die Siege über Rom (V. 125 —137a), die Juno in ihrer Rede bereits aufgezählt hat. Wären die Worte Junos aber ebenfalls an Hannibal gerichtet, so würde die Prophezeiung der Priesterin lediglich eine abundierende inhaltliche Dublette darstellen. Dagegen spricht aber die komplementäre Funktion, die die mythologische und historische Begründung des Geschehens in der bewußten Ausgestaltung des Silius haben. Gerade unter diesem Aspekt werden beide Reden unten 85 ff. verglichen. Gegen die besonders von Duff (vgl. die Übersetzung von V. 55: „With these words she fired the youthful warrior for deeds of battle") und Lorenz 12 vertretene gegenteilige Auffassung vgl. bereits Kissel 35. 175

176

Dieses Motiv spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der anschließenden Vermittlung des Hasses an Hannibal auf historischer Ebene: dazu unten 69 f. Eine auffällige inhaltliche Verknüpfung dieser Szene mit der Darstellung von Hannibals Angriff auf Sagunt wird auch dadurch erreicht, daß es in V. 39 heißt: hmc audet (sc. Imo) solum componere fatis und in V. 1,268: ergo instat (sc Hannibal) fatis. Beide Aussagen befinden sich auf ein und derselben Zeitstufe.

44

Proömium

selereignis breiter Raum zugestanden wird (V. 81 —139), um anschließend die Darstellung über den Tod Hamilcars und Hasdrubals (V. 140—181), die Ausrufung Hannibals zum Feldherrn durch die Truppen (V. 182—188), die aus diesem Anlaß in einem ausführlichen Katalog vorgestellt werden (V. 189 — 238), sowie über eine erneute, jetzt durchweg positive Schilderung der Kriegstugenden Hannibals (V. 239 — 270) ebenfalls bis zum Vorabend des Saguntinischen Krieges zu führen, dessen Darstellung schließlich mit V. 271: Prima Saguntinas turbarunt classica portas anhebt 177 . Die nochmalige Paraphrase der Textpartien im unmittelbaren Anschluß an die Verse 36b—37, die prononciert die ¿vz#.Mi-Erörterung beenden, verdeutlicht zweierlei: Zum einen führt Silius den Leser in medias res und zwar mit dem Bericht darüber, wie Hannibal der Haß gegen Rom eingegeben und er somit gerüstet wird für den 2. Punischen Krieg, der konkret mit dem Angriff auf Sagunt seinen Anfang nimmt. Es sollte deshalb sowohl aufgrund der deutlich an Vergil orientierten Disposition der einleitenden Versfolgen als auch aufgrund der gerade gewonnenen inhaltlichen Aspekte außer Zweifel stehen, daß Silius die Verse 1,1—37 als Gesamtproömium zu seinem Epos aufgefaßt wissen will, das sich in ,propositio' (V. 1 — 16), Überleitung zur Darlegung der causae (V. 17 — 20) und deren Einzelerörterung (V. 21—37) in Form einer knappen Vorstellung der primor dia motus (vgl. V. 20) gliedert, und unmittelbar darauf die Handlung einsetzen läßt (V. 38 ff.). Zum anderen geht aber Silius bei der Darstellung eben des Handlungsbeginnes insgesamt eigene und auch neue Wege insbesondere im Vergleich zu Vergil und Lukan, obwohl er diesen bei der formal-syntaktischen Gestaltung des unmittelbaren Handlungseinsatzes folgt 178 . Das Besondere besteht darin, daß Silius das Entfachen der gegen Rom gerichteten rabies in Hannibal zweimal schildert, wobei ihm als erzähltechnisches Mittel grundsätzlich die zeitliche Rückblende dient. Doch neben den unterschiedlichen Zeitstufen ist von größerer Bedeutung der Sachverhalt differierender Handlungsebenen: Auf der einen Seite übernimmt Hannibal Zorn und Haß von Juno, die ihn ihrerseits mehrfach zu den späteren

177 178

Vgl. hierzu ausführlich die Kapitel unter B. 2: 61 — 106. Die Besonderheiten der silianischen Darstellung werden vor allem deutlich bei einem Vergleich mit den oben 39 zitierten Versen Lucan. 1,183 —185a: Die gesamte Versfolge Sil. 1,38 — 69 führt letztlich das breit aus, was Lukan in kaum mehr als einem Vers (Lucan. 1,184 f.) so ausdrückt: ingentesque animo motus bellumque futurum \ ceperat (sc. Caesar). Ja auch über die anschließende historische Begründung von Hannibals Haß gegen Rom, die Silius in V. 1,70 ff. gibt, könnte man diese Worte Lukans als Motto stellen. Erst im Anschluß daran aber folgt bei Silius Hannibals Angriff auf Sagunt, das eigentlich kriegsauslösende Ereignis (Sil. 1,271 ff.), während Lukan unmittelbar nach den Versen 1,183 —185a in epischer Breite Caesars Übergang über den Rubikon schildert (Lucan. 1,185b—222), durch den der Ausbruch des Bürgerkrieges besiegelt wird.

Traditionelle Gestaltung u n d inhaltliche Eigenständigkeit

45

Kriegshandlungen anfeuert179, auf der anderen Seite aber von seinem Vater, der ihn feierlich mit einem Eid auf den ewigen Haß gegen Rom einschwört. Es ist also deutlich unterschieden zwischen einer mythologischen und einer historischen Eröffnung der Handlung180. Das Verhältnis beider Darstellungen zueinander wird in einem eigenen Kapitel ausführlich untersucht werden. Hier sei lediglich bereits auf den grundsätzlichen Gesichtspunkt hingewiesen, daß die Geradlinigkeit und Einheitlichkeit einer Geschehensexposition im strikten Sinne Vergils durchbrochen oder aber, um eine negative Wertung zu vermeiden, modifiziert wird181. Denn ob man dieses von vorneherein als ein Negativum silianischer Strukturierung und Darstellungsweise buchen oder eher als ein Experimentieren vor allem in erzähltechnischer Hinsicht deuten sollte, hinter dem das Bemühen steht, neue Inhalte in traditionelle epische Formen der Darstellung umzugießen, mag hier noch dahingestellt sein.

1.2 Die silianische Themenangabe (Sil. 1,1 — 16): Traditionelle Proömiengestaltung und inhaltliche Eigenständigkeit Was im vorstehenden Kapitel über Aufbau und Struktur der einleitenden Punica-Passagen, bewußte Vergilnähe einerseits und Unterschiede andererseits ausgeführt wurde, läßt sich leicht fortsetzen und vertiefen bei einer Einzelbetrachtung der ,propositio' (Sil. 1,1 — 16), die als Hauptteil des Proömium das silianische Epos eröffnet. Ausführlichere Interpretationen zu diesen Versen wie die von v. Albrecht, Lorenz und Kissel 182 179

180

181

Allein auf dieser E b e n e k o m m t das an Vergil orientierte Schema, das Lukan seinerseits modifiziert ü b e r n o m m e n hat, nämlich: . P r o ö m i u m mit T h e m e n a n g a b e u n d causae-Etötter u n g I unmittelbarer Handlungseinsatz', auch bei Silius vollständig z u m Tragen. Bei der im folgenden v o r g e n o m m e n e n Unterscheidung zwischen mythologischer u n d historischer G r u n d l e g u n g des Geschehens gilt f ü r den ersten Begriff, daß er auf die gesamte Versfolge Sil. 1,21—69 bezogen wird, also auf die causae-Etötterung noch innerhalb des P r o ö m i u m u n d den H a n d l u n g s b e g i n n , der dadurch vollzogen wird, daß Hannibal die irae der G ö t t i n ü b e r n i m m t und so gerüstet voller Gier danach ist, Sagunt anzugreifen u n d somit bereits den K r i e g gegen R o m zu beginnen. Dieses Vorgehen ist deshalb berechtigt, weil beide Textteile inhaltlich eng z u s a m m e n g e h ö r e n u n d sich als Einheit gegenüber der in einer zeitlichen Rückblende vermittelten historischen G r u n d l e g u n g des Geschehens abheben. Silius selbst scheint dieses d a d u r c h z u m A u s d r u c k bringen zu wollen, daß er die D a r l e g u n g der causae u n d damit das P r o ö m i u m nicht in solch markanter Weise abschließt, wie dies bei Vergil u n d auch den anderen E p i k e r n der Kaiserzeit der Fall ist. Das ändert aber insgesamt nichts an dem Sachverhalt, daß Silius d u r c h die auffällige G e s t a l t u n g des Einsetzens der eigentlichen H a n d l u n g u n d d u r c h den Wechsel innerhalb der H a n d l u n g s s t u f e n deutlich zwischen d e m E n d e des P r o ö m i u m und den A n f a n g e n der H a n d l u n g unterscheidet.

A u f weitere Einzelheiten dieses Sachverhaltes wird unten 62 ff. eingegangen. 182 Vgl. v. Albrecht 16 — 24, dazu ergänzend 167 f., L o r e n z 4—8 u n d auch 12—16, Kissel 30-37.

46

Proömium

bemühen sich in erster Linie um inhaltliche Klärung der ,Grundlinien und Grundtendenzen', die sich bereits im Proömium abzeichnen (so vor allem v. Albrecht), sowie darum, die gedanklichen Berührungspunkte bzw. Differenzierungen zum Aeneis-Proömium zu erfassen (Lorenz und Kissel, wobei es letzterem vor allem um die Darlegung der unterschiedlichen, d. h. historischen statt mythologischen, Geschehensmotivierung bei Silius gegenüber Vergil geht). Formale und künstlerische Fragestellungen dagegen werden nur am Rande gestreift, wie ζ. B. die der Gliederung 183 oder aber Einzelbeobachtungen wie die, daß Silius im Eingangsvers der Punica gegenüber dem vergilischen arma virumque lediglich arma ankündigt, das Wort vir dagegen erst in V. 5, und zwar im Plural, nachholt 184 . Diese von v. Albrecht besonders hervorgehobene Beobachtung klingt samt ihrer inhaltlichen Implikation, daß „die Punica nicht auf einen einzelnen Helden zentriert" seien185, bei den Interpreten in der Folgezeit immer wieder an 186 . Doch scheint diese Feststellung an Gewicht zu verlieren, wenn man sich einerseits des historischen Stoffes erinnert, der Gegenstand des silianischen Epos ist, andererseits einen Blick auf Lukans Epos vom Bürgerkrieg oder auf Statius' Thebais wirft, die als Themen ebenfalls bella (Lucan. 1,1) bzw. acies (Stat. Theb. 1,1) ankündigen, und wo — Silius vergleichbar — kein Einzelheld im Mittelpunkt des Gesamtgeschehens steht 187 . Vielmehr 183

184 185 186 187

Dazu oben 23 f. mit Anm.98—103; aus den Bemerkungen dort geht auch hervor, daß einige Interpreten allein die Verse 1,1 — 16 für das silianische Proömium halten, eine Auffassung, die in den voraufgehenden Erörterungen als unzutreffend nachgewiesen wurde. v. Albrecht 20 f. 167. v. Albrecht 21. So z. B. bei Lorenz 4, Kissel 30 f., Herzog 76. Die Frage nach dem jeweiligen Helden sowohl in Silius' Punica als auch in dem lukanischen Epos, in Statius' Thebais und auch in Valerius Flaccus' Argonautica wird ähnlich kontrovers beurteilt wie andere grundsätzliche Fragestellungen, so z. B. diejenige nach der Komposition (dazu ausführlich oben 22 ff. und 29 f. mit Anm. 126). Der Grund dafür liegt darin, daß man diese Probleme mit Beurteilungskriterien angeht, die aus der Beschäftigung mit der vergilischen und auch homerischen Epik gewonnen wurden, und nicht wahrhaben will, daß die kaiserzeitliche Epik in vielen Punkten von geänderten und eigenständigen Positionen gegenüber Homer und Vergil ausgeht und auch nur von diesen Positionen her beurteilt werden kann (für die Probleme der Komposition vgl. ebenfalls 29 f. mit Anm. 126, für die Frage nach dem Helden unten 50). Grundsätzlich muß derjenige, der nach dem Helden eines Stückes fragt, zunächst klären, was er unter dem Begriff ,Held' versteht: Ist die das gesamte Geschehen beherrschende Gestalt gemeint, auf dessen Aufgabe und Bestimmung alles ausgerichtet ist, also eine Gestalt wie der homerische Odysseus oder der Aeneas des Vergil, oder aber ist es derjenige, der sich in seinen Handlungen vor dem Hintergrund ideellen Heldentums gegenüber den anderen Protagonisten besonders hervortut und der vom Autor als Exponent einer in seinen Augen idealen Heldengestalt vorgestellt wird, so wie der Cato des Lukan oder der Scipio des Silius? In der erst genannten Hinsicht fehlt in allen Epen der Kaiserzeit ein eigentlicher Held, nicht aber in der zweitgenannten. Aus der umfangreichen Literatur

Traditionelle Gestaltung und inhaltliche Eigenständigkeit

47

beansprucht dann die Tatsache besondere Aufmerksamkeit, daß Silius sich in der poetischen Gestaltung des Proömium trotz des inhaltlichen Unterschiedes zu Vergil bzw. der inhaltlichen Nähe zu Lukan in der Hauptsache an Vergil, nicht aber an Lukan orientiert. Dies mag zunächst — gleichsam zum Exempel — ein bewußt in die Einzelheiten gehender Vergleich der Anfangsverse der Punica mit denen der Aeneis verdeutlichen: Sil. 1 , 1 - 3 a :

Ordior arma, quibus caelo se gloria tollit Aeneadum patiturque ferox Oenotria iura Carthago. ... Verg. Aen. 1 , 1 - 3 a :

Arma virumque cano, Troiae qui primus ab oris Italiam fato profugus Laviniaque venit litora, ... An beiden Stellen wird dem Leser eine erste übergreifende Themenbestimmung gegeben, die anschließend (jeweils V. 3b ff.; dazu unten 54 ff.) näher expliziert wird. Es fallen zunächst einige formale Übereinstimmungen auf, nämlich identischer Versumfang, Abschluß dieser Themenankündigung mit Enjambement in 3a 1 8 8 und, was das Wichtigste ist, Gleichheit der syntaktischen Struktur: Den Hauptsatz bildet ein Verb in der 1. Person Singular verbunden mit einem das Thema nennenden substantivischen Objekt im Akkusativ, das durch den unmittelbar sich anschließenden Relativsatz näher bestimmt wird. Diese Satzstruktur findet sich grundsätzlich — bei allen Unterschieden im Einzelnen — auch in den Anfangsversen

188

wird jeweils wieder nur auf einige neuere Behandlungen dieser Frage hingewiesen, in denen sich auch weiterführende Literaturangaben finden: zu Valerius Flaccus vgl. J . A d a m i e t z , Zur Komposition der Argonautica des Valerius Flaccus (Zetemata 67), München 1976, 120 f., sowie Burck, Epos 237 ff.; letzterer sieht anders als Adamietz in Jason den Helden der Argonautica, der in vielen Punkten dem Aeneas Vergils nachgebildet ist; zu Lukan: Lebek, Lucan 34 mit Anm. 46a; zu Statius' Thebais: Burck, Epos 311. 327 ff.; zu Silius: Burck, Epos 278 ff., Kissel 218 mit Anm. 23 und oben 12 mit Anm. 43 sowie unten 50. Gute, zusammenfassende Bemerkungen zum Heldenbegriff im kaiserzeitlichen Epos finden sich bei F . M . A h l , Lucan. An Introduction, Ithaca 1976, 150ff. Auf ein „merkwürdiges metrisches Phänomen", das allerdings nur vom formalen Gesichtspunkt her ein gewisses Interesse beanspruchen kann, weist Lebek, Lucan 27 f. 31 im Anschluß an eine Beobachtung von E. Malcovati, Zum Prolog der Pharsalia, in: Wege zu Lucan, hrsg. v. W. Rutz a. O. 302 ( = Athenaeum Ν. S. 29, 1951, 103) hin, daß nämlich die Eingangsverse Ov. met. 1,1; Lucan. 1,1; Sil. 1,1; Stat. Ach. 1,1 und in späterer Zeit Drac. Orest. 1 (vgl. Lebek, Lucan 28 Anm. 31) die gleiche metrische Rhythmisierung wie Verg. Aen. 1,1: — υ υ — υ υ — | — — — — u u — χ aufweisen. Außerdem nennt Lebek, Lucan 27 noch Hör. ars 141 und Ov. fast. 2,195 als vergleichbare Fälle in episierenden Partien heterogener Kontexte. Silius modifiziert jedoch mit der Sinnpause nach ordior arma in leichter Abwandlung den Einschnitt, der bei Vergil nach der Penthemimeres liegt (arma virumque catto).

48

Proömium

der Ilias und Odyssee189. Der wichtigste, Vergil und Silius gemeinsame Unterschied gegenüber den homerischen Epen besteht darin, daß statt des Anhebens mit einem Musenanruf der Dichter und sein Tun mit cano bzw. ordior stärker in den Vordergrund treten190, die ,Invocado Musae' aber erst später folgt. Das silianische ordior arma seinerseits übersteigert die vergilische Anfangsformulierung durch Wortstellung und Wortwahl: Die Junktur des Silius, die elliptisch im Sinne von ,ordior canere arma' aufzufassen ist 191 , kehrt einerseits die bei epischer Themenbenennung geradezu .kanonische' Wortsequenz: Substantiv — Verb um192, andererseits verleiht die Wortwahl ordior dem Einsatz des Epos besondere Feierlichkeit, da sie nicht nur die Assoziation zu den lateinischen Ausdrücken zuläßt, durch die solenn mit einer Verbform von ,ordiri' der Beginn einer Rede bezeichnet wird 193 , sondern — zumindest in einem bestimmten Umfange 189

190

191

192

193

Einen detaillierten, auch die geringfügigsten Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede berücksichtigenden Vergleich der homerischen Proömien mit dem vergilischen bietet Lebek, Lucan 18 ff. und zwar als Grundlegung seiner Strukturanalyse des lukanischen Proömium (30 ff.). Zu Lebeks Methode der „integral-strukturalen Interpretation" (14) sei nur am Rande bemerkt, daß man trotz vieler lohnender Einzelbeobachtungen, die hier häufig mit Nutzen herangezogen werden konnten, bisweilen den Eindruck gewinnt, Lebek verfahre methodisch zu einseitig, ja die Methode werde manchmal zum Selbstzweck, wobei inhaltliche Zusammenhänge und umfassende Fragestellungen zusehends aus dem Blickfeld geraten (vgl. hier z.B. unten 49f. Anm. 197). Zum vergilischen cano (Aen. 1,1), das in der Tradition der nachhomerischen Epik steht (so z. B. die Ilias parva fr. I Allen: Ιλιον άείδω και Δαρδανίην εϋπωλον | ής ..., vor allem aber auch Apoll. Rhod. 1,1 ff.: άρχόμενος σέο, Φοίβε, παλαιγενέων κλέα φωτών | μνησόμαι ...), vgl. u. a. Η. Fuchs, a. Ο. (vgl. oben 25 Anm. 105) sowie Buchheit 13 Anm. 8; außerdem auch Lebek, Lucan 22 Anm. 3 sowie Haussier, Epos II 177 Anm. 59 und ausführlich Antike u. Abendland 19,1973,118 ff. Diese Art, selbstbewußt mit dem Hinweis auf das dichterische Tun ein Epos zu eröffnen, ahmen die Epiker des 1. Jh. abgesehen von Stat. Ach. 1,1 —3a durchweg nach: Lucan. 1,2 canimus, Val. Fl. 1,1 canimus, Stat. Theb. 1,3 Pierius menti calor incidit (zur „Auflösung des Klassischen" in dieser Junktur des Statius, die mit dem ovidianischen fert animus [Ον. met. 1,1] einsetzt, das seinerseits von Lukan 1,67 wieder aufgegriffen wird, vgl. Friedländer 42 sowie darüber hinausführend Schetter, Mus. Helv. 19,1962, 206; den Aspekt des stärkeren Hervortretens des Dichters und der damit verbundenen ,Subjektivierung' des epischen Proömium behandelt ausführlich U. Fleischer, Zur Zweitausendjahrfeier des Ovid, Antike u. Abendland 6,1957, 32 ff.). So schon Ruperti, Komm, ad loc. In gewisser Weise irreführend ist die Zusammenstellung von Sil. 1,1 mit Hör. ars 147: nec gemino bellum Troianum orditur ab ovo (sc. Homerus) in ThLL IX.2, 948.1, da bei Horaz mit gemino ...ab ovo (zur schwierigen Deutung dieses Ausdrucks vgl. Brink, Komm, ad loc.) der konkrete Ausgangspunkt der Ilias-Handlung umschrieben wird, das silianische ordior dagegen absolut das feierliche Anheben des Dichters zum Gesang bezeichnet. Vgl. bes. Horn. A l ; a l ; Verg. Aen. 1,1; ähnlich auch Lucan. 1,1 f.; Val. Fl. 1,1; Stat. Theb. 1,1 — 3a; Stat. Ach. 1,1 —3a: der das Thema bezeichnende substantivische Ausdruck steht an der Spitze des Eingangsverses. Als weitere Stellen nennt Lebek, Lucan 19 Anm. 4: Liv. Andr. carm. fr. 1 virum ... insece und Horn. lat. 1 tram pande. Besonders zahlreich begegnet in diesem Zusammenhang orsus (-a) loqui, eine „Wendung der hohen Sprache": vgl. Börner, Komm, zu Ov. met. 4,167, wo alle wichtigen Belege

Traditionelle Gestaltung und inhaltliche Eigenständigkeit

49

— a u c h zu d e r s t e r e o t y p e n F o r m u l i e r u n g : α ρ χ ο μ ' άείδειν im E i n g a n g s v e r s mehrerer homerischer H y m n e n 1 9 4 und dem damit verwandten Beginn der A r g o n a u t i c a des A p o l l o n i o s R h o d i o s (1,1 f.): ' Α ρ χ ό μ ε ν ο ς . . . μ ν ή σ ο μ α ι 1 9 5 . N e b e n diesem E i n d r u c k v o n p a t h e t i s c h e r Feierlichkeit, d e n bereits die ersten W o r t e des silianischen E p o s e r w e c k e n u n d d e r d u r c h die anschließ e n d e A u s s a g e des Relativsatzes, n ä m l i c h d e n a u s d r ü c k l i c h e n H i n w e i s a u f die gloria

Aeneadumw