System des heutigen römischen Rechts: Band 7-8 [Reprint 2016 ed.] 9783111573007, 9783111201054

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System des heutigen römischen Rechts: Band 7-8 [Reprint 2016 ed.]
 9783111573007, 9783111201054

Table of contents :
Vorrede
Inhalt des siebenten Bandes
Zweites Buch. Die Rechtsverhältnisse
Viertes Kapitel. Verletzung der Rechte
§ 302. Surrogate des Urtheils. Einleitung–§ 316. Restitution. – Begriff derselben
§ 317. Restitution. – Eigenthümliche Statur und innere Entwicklung derselben–§ 331. Restitution. – Einzelne Gründe. – IV. Irrthum
§ 332. Restitution. – Einzelne Gründe. – V. Betrug–§ 343. Restitution. – Wirkungen. (Fortsetzung.)
Beilagen. XVIII.–XIX.
Front matter 2
Vorrede
Inhalt des achten Bandes
Drittes Buch. Herrschaft der Rechtsregeln über die Rechtsverhältnisse
§ 344. Einleitung
Erstes Kapitel. Oertliche Gränzen der Herrschaft der Rechtsregeln über die Rechtsverhältnisse
§ 345. Uebersicht–§. 371. III. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. (Fortsetzung)
§ 372. III Obligationenrecht. Örtliches Recht–§ 382. VI. Formen der Rechtsgeschäfte. (Locus regit actum.) (Fortsetzung.)
Zweites Kapitel. Zeitliche Gränzen der Herrschaft der Rechtsregeln über die Rechtsverhältnisse
§ 383. Einleitung–§ 400. B. Daseyn der Rechte. – Rechtmäßigkeit

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System des

heutigen Römischen Rechts von

Friedrich Carl von Savigny.

S ie b e n te r Band.

Mit. L. Bairischen und K. Würtembcrgischen Privilegien.

Berlin. Bei Bei t »nd Comp.

1848.

V o r r e d e .

).

(c) L . 9 § 4 eod. — L . 4 C. eod. (4. L), die aus der ange­ führten Stelle der Digesten erklärt werden mnß; p u p illu s soll also hier so viel heißen a ls : quondam pupillus. (d) L . 35 §. 1 eod. (e ) L . 9 § 5 eod. (f) L . 17 § 2 .3 , L . 18.19.34 § 1. L . 35 pr. eod., L. 7 C. eod. (4. 1).

(g) L . 20. 21. 22 eod. (h ) L.ZQpr. L . 42p r. eod . — Scheinbar widerspricht L . 34 § 2 eod. „ p u p illo non d e fe rtu r. ju sju ra n d u m .“ D a s heißt aber nur so viel, daß der Unmündige nicht so, wie jeder Andere, gezwun­ gen ist, sich auf den zugeschobenen Eid einzulassen.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

D er P rocurator der P a rte i, so wie der Defensor ohne A uftrag, können den ihnen zugeschobenen Eid ableisten, find aber nicht zur Einlassung genöthigt (i). W egen eines Rechtsstreits, der d as Peculium betrifft, kann der Sklave oder S o h n schwören, auch wenn er keine freie V erw altung hat (k). Eben so kann deshalb der V ater schwören, daß der S o h n Nichts schuldig sey (1). W ollen aber diese Personen nicht selbst schwören, sondern den Eid zurück schieben, so treten dabei wieder dieselben Beschränkungen ein, wie bei der ersten Zuschiebung (m). D ie bloße Annahme des Eides übrigens, ohne wirkliche Ableistung, giebt kein unwiderrufliches Recht auf die Ab­ leistung; vielmehr kann die Zuschiebung willkürlich zurück­ genommen werden bis zum Urtheil (n). S eh r bestritten ist die Frage, wer den Eid abzuleisten hat, wenn derselbe einer juristischen Person zugeschoben w ird, da diese nur ein fingirtes D aseyn, und nicht die bei dem Eide vorausgesetzten geistigen Eigenschaften eines den­ kenden und wollenden Menschen hat. Keinen Zweifel kann es haben, daß der P rocurator einer juristischen Person, wenn er sich dazu entschließt, den Eid gültig ableisten kann (Note i). Dieses setzt aber v orau s, daß der Gegner gerade diesem P rocurator den Eid zuschiebt, ihm also d as B er­ ti) Z-.9 §6. L .42 §2. L. 34 (m) L. 24 eod. § 3 eod. (n) L. 11. 12 }>>'■ C. eod. (k) L. 23. 24. 25 eod. (4. 1). (l) L. 26 § 1 eod.

§. 210. Surrogate. II. Eid. Zuschiebung. Ableistung n\

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trauen beweist, welches das Wesen des Eides ausm acht; dazu wird jedoch häufig keine Veranlassung sehn, weil der P rokurator von den thatsächlichen Verhältnissen oft keine Kenntniß haben töirb. Nach dem Römischen Recht sind eigentlich die Vorsteher der juristischen P erso n, als V erw alter ihrer Rechte zu dem Eide berufen und befugt, so daß es der Gegner zu erwägen hat, ob er diesen Personen so viel Z utrauen schenken w ill, um ihnen den Eid zuzuschieben. Nach der überwiegenden heutigen P r a r is ist der Eid von einigen einzelnen M itgliedern der juristischen Person zu leisten, und zwar nimmt man am consequentesten an , daß diese M itglieder durch die freie A usw ahl von S eiten des G egners bestimmt werden (o). III. D er mögliche I n h a l t des zugeschobenen Eides verdient eine besonders genaue Betrachtung. Zuerst ist zu bemerken, daß der Eid stets gerichtet wird auf das G e g e n ­ t h e i l der von dem Zuschiebenden aufgestellten Behauptung. W enn also bei einer Schuldklage der Kläger den Eid zu­ schiebt, so geht der Eid au f das N i c h t d a s e y n der Schuld; wenn der Beklagte zuschiebt, auf das D a s e y n derselben. Diese Fassung ist die Folge davon, daß der Eid zugeschoben wird in der E rw artung und mit dem Wunsche, daß er nicht abgeleistet werde (§ 309). A uf gleiche Weise wurden im alten Prozeß die Erceptionen vom Beklagten so gefaßt, daß sie das Gegentheil seiner B ehauptuug ausdrückten (p). Uebrigens konnte nach Römischem Recht der Eid sowohl (o)

S . o. B. 2 S . 297.

(p)

G ajus IV § 119.

60

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kar. IV. Verletzung.

auf ein Rechtsverhältniß, als auf eine Thatsache gerichtet seyn. a. D ie Richtung aus ein R e c h t s v e r h ä l t n i ß wird im Römischen Recht als der regelmäßige und gewöhnliche Fall behandelt. Dabei liegt zum Grunde der Gedanke einer vertragsmäßigen Anerkennung des Daseyns oder Nichtdaseyns dieses Verhältnisses. D a demselben aber jederzeit Thatsachen zum Grunde liegen, so werden stets auch diese durch den Eid mittelbar festgestellt; ja oft hat der Streit eine so einfache Natur, daß beide Richtungen des Eides völlig zusammen fallen und nur in Worten verschieden find. Uebrigens kann der Eid vorkommen bei allen Arten von Rechtsverhältnissen und Klagen (q). Folgende Fälle werden in unseren Rechtsquellen namentlich angeführt: Ueber das Daseyn oder Nichtdaseyn eines Eigenthums oder Erbrechts (r). Ueber das Daseyn oder Nichtdaseyn einer Schuldforderung (s). Ueber die väterliche oder die H erren-G ewalt (t). Ueber das Patronatsrecht (»). Ueber Abstammung und Jngenuität eines Menschen (v). b. D ie Richtung auf eine bloße T h a t s a c h e wird bei dem zugeschobenen Eide seltener erwähnt, und kann nicht (q) L. 3 § 1.L. 34 pr. de jurej. (12.2). (r) L.9 §7. L. 11 pr. § 1. eod.

(s) (t) (u) (v)

L. 3 pr. 7 pr. 9 pr. eod. L. 3 §2 eod. L. 13 pr. L. 30 § 4 eod. L. 6 C. eod. (4.1).

§. 310. Surrogate. II Eid. Zuschiebung. Ableistung ic.

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als der eigentliche Zweck des In stitu ts nach Römischem Recht angesehen werden. S ie kommt in folgenden Fällen vor, in welchen die Thatsache augenscheinlich entscheidend ist über das Daseyn eines Rechtsverhältnisses: D er Beklagte habe einen Diebstahl oder R aub nicht begangen (w ). Verkauf einer Sache um bestimmten P re is (x). Abschluß einer Societät (y). Uebergabe einer Sache als P fan d oder als B ra u t­ gabe (z). Schwangerschaft oder Nichtschwangerschaft einer F rau (aa). Gehaltlosigkeit eines Peculium (bb). D ie Thatsache, daß bereits ein Eid über eine streitige Frage geschworen sey (cc). Beide hier zusammengestellte Fälle entsprechen ungefähr dem Gegensatz der formula in jus und in factum concepta, doch nicht genau und vollständig, weil die Fassung der Klagformeln allgemein bestimmt w a r, die der Eidesformeln von der W illkühr der P a rte i abhing, die den Eid zu­ schob (dd). IV. Ueber die F o r m des zugeschobeneir Eides ist schon (w) L. 13 §2. L. 28 §öeod. L. 11 § 1 rer.amot. (25.2). (x) L 13 § 3 de jurej. (12.2). (y) Z, 13 § 4 eod. (z) L. 13 §5 eod

(aa) L. 3 § 3 eod. (bb) L. 26 § 1 eod. (cc) L. 29 eod. (dd) Piicht a Institutionen « .2 §173. f

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

bemerkt worden, daß das Römische Recht die verschiedensten und willkürlichsten Betheuerungsformeln zuließ (§ 309. a). Wesentlich w ar n u r die wörtliche Uebereinstimmung deS abgeleisteten EideS mit der in der Zuschiebung ausgedrückten Formel. Außerdem w ar der Eid w irkungslos, und mußte in richtiger Form wiederholt werden (ce). Ueber den O rt der Eidesleistung wird nur erwähnt, daß der vor dem P rä to r zugeschobene Eid in der Regel vor dem T ribunal geschworen werden mußte; nur bei Kranken und bei sehr vornehmen Personen wurde die A u s­ nahme gestattet, daß sie den Eid in ihrer W ohnung vor einem Abgeordneten leisten durften (ff). V. D er E r l a ß des Eides (remissio) von S eiten des Zuschiebenden hat dieselbe W irkung, wie die wirkliche Leistung (gg). D er S in n derselben ist der, daß der Z u ­ schiebende in der bloßen Bereitschaft des Gegners eben so, wie in dem wirklichen E id, einen genügenden Ausdruck gewissenhafter Ueberzeugung anerkennen will. D aher wird vorausgesetzt, daß der Gegner auch wirklich den Eid sogleich angenommen habe; hat er Dieses A nfangs nicht gethan, sondern erst später sich dazu entschlossen, der Zuschiebende will aber nun nicht die Zuschiebung wiederholen, so soll diese W eigerung nicht als E rlaß angesehen werden (hh). (e e ) 3 § 4 L. 4 L. 5 pr, L. 33 eod. — W en» die Abfassung der Eidesformel zweifelhaft oder streitig w ar, so hatte die Richterbehörde darüber zu entscheiden. L. 34 § 5. 8 eod.

(ff) L. 15 eod. Vgl. L. 12 § 5 C. eod. (g e) L. 6 L. 9 § 1 eod. (h h ) L. (i / . . ! ) § ! eod.

§. 311. Surrogate. 11. Eid. Gemeinsame Wirkungen.

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D er E rlaß kann in G egenw art oder Abwesenheit des G egners mündlich oder schriftlich erklärt werden, und ist immer gleich wirksam, selbst wenn der Gegner noch Nichts davon erfahren hat (ii). D er E rlaß h at, eben so, wie die Zuschiebung, eine der V eräußerung ähnliche N a tu r, und ist daher an dieselben Bedingungen der Handlungsfähigkeit gebunden, wie die Zuschiebunq selbst (kk). §. S u r r o g ate des Urtheils.

311. — II. Eid.

— Ge in eins» ms

Wirkungen.

VI. D ie W i r k u n g e n des zugeschobenen und wirklich abgeleisteten (a) oder erlassenen Eides sind sehr mannichsaltiger A rt, lassen sich aber auf die gemeinsame G rund­ lage zurückführen, daß der Eid f ö r m l i c h e W a h r h e i t , v. h. F i c t i o n d e r W a h r h e i t , bildet, in welcher Hinsicht er ganz au f gleicher Linie steht mit dem gerichtlichen Geständniß (§ 303) und dem Urtheil (.§ 280). Diese förmliche W abrheit ist gleichmäßig anzuerkennen, es mag der Eid ge­ schworen seyn über ein Rechtsverhältniß oder über eine Thatsache (§ 310). D ie alten Juristen drucken dieselbe so a u s, daß sie sagen, nach geschwornem Eid dürfe nichts (ii) L. 41 eod. praestitum oder datum jusju(kk) L. 32 eod. randum. L. 9 pr. § 1 de jurej. (a) Die Römer bezeichnen den (12. 2). geleisteten Eid durch die Ausdrücke:

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Buch II Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

Anderes mehr geprüft werden, als allein die Thatsache des Eides selbst, auf die vorhergehende Lage der Sache sey nicht mehr zurück zu gehen (b). Natürliche Folgen dieses Satzes sind die, daß eine au s dem Eid etwa hervorgehende neue Klage in fu ctm n actio genannt wird (c), daß über die Thatsache des Eides selbst, wenn sie bezweifelt wird, ein neuer Eid zugeschoben werden kann (d ), so wie, daß unter mehreren einander widersprechenden.Eiden der letzte allein Gültigkeit hat (c), weil durch ihn die ganze V er­ gangenheit, also auch die Kraft des früheren E ides, absorbirt ist. — D er Eid hat daher eine die Rechtsverhält­ nisse selbst umbildende K raft, und wird in dieser Hinsicht gleichgestellt bald mit der Z ahlung, bald mit der Acceptilation, der Novation und D elegation, dem Constitutum (f). D ie W irkung aber beschränkt sich auf die Parteien, unter welchen die Zuschiebung und Ableistung vorgegangen ist, so daß fremde Personen dadurch weder Rechte erlangen, noch verpflichtet werden (g). M it den P arteien selbst aber

(b) L. 5 § 2 eod. „non aliud quaeritur quam an juratum sit“ . Eben so L. 9 § 1 . L. 28 § 10. L. 29. L. 30 pr. eod., §.11 J. de act. (4. 6). Gerade hierin stehen gleich: das Urtheil, das Geständniß, der Eid. L. 56 de rejud. (42. 1). (c) L. 11 § 1 de jur. (12. 2), L. 8 C. eod. (4. 1).

(d) L. 29 eod. (e) L. 28 § 10 eod. (f) L. 21. L. 27. L. 28 § 1 L. 35 § 1. eod. — L. 40 eod. — L. 26 § 2 eod. — L. 25 § 1 de per. const. (13. 5). (g) L. 3 § 3. L. 9 § 7. L. 10 L. 11 §3. L. 12 de jur. (12.2), L. 7 § 7 de publ. (6. 2).

8' 311. S u rro g a te

II Eid.

Gemeinsame Wirkungen.

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stehen in dieser Hinsicht ganz gleich die Rechtsnachfolger derselben: E rben, Singularsuccessoren, B ürgen (h). Z u r genaueren Einsicht in diese W irkung ist es nöthig zu erw ägen, daß der Eid eine zusammengesetzte jnristische N atur hat, indem er zugleich als V ertrag anzusehen ist, und als eine bindende Prozeßhandlung (>). D er Eid beruht also erstlich aus einem wahren V ertrag und zwar auf einem Vergleich, indem beide Theile darüber einig geworden sind, daß ihr S tre it auf diesem Wege ent­ schieden werde (k). An diesem E in Verständniß ist selbst in den Fällen nicht zu zweifeln, worin der Eid als ein noth­ wendiger bezeichnet wird. D enn wenn auch die Zuschiebung dem Gegner nicht erwünscht w ar, und deshalb ein indirecter Z w ang gegen ihn angewendet w ird, so hat er sich doch durch die wirkliche Ableistung darin gefügt, und diese ist unzweifelhaft als eine freie H andlung anzusehen. Zweitens aber hat der Eid zugleich die N atu r einer bindenden Prozeßhandlung (I), und zwar sowohl einer Litiscontestation, als eines rechtskräftigen Urtheils. (h) L. 7. 8. 9 § 7, 28 § 1— 3, 42 pr. § l — 3 de ju r. ( 1 2 .2 ) .— Der Eid in «net p o p u la ris a ctio wirkt, ßcvaüe wie das Urtheil, auf dritte Personen, insofern nicht eine Collustou erwiesen werden kann. L . 30 8 3 eod. — W ird in Folge eines Eides eine Verurtheilung in einer entehrenden Klage ausgesprochen, so wird der Verurtheilte ehrlos, auch allen fremde» V H.

Personen gegenüber. 9 8 2 eod. D as ist aber nicht die Folge des E ides, sonder» des Urtheils. (i) L. 20 § 2 eod. „ . . . p ro ficiscitur ex conventione, quam vis h a b e a t et instar judicü". (k ) L. 2. L . 26 8 2. L. 35 § 1 eod. L. 21 de dolo (4 .3 ). (l) L. 26 § 2 eod. (Note i). L. 35 8 1 .2 . L. 42 8 3 eod., L. 8

('. eod. 5

66

Buch 11. Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. VcrleKuug

E r hat die N atu r einer Litiscontestation (m ), in einem doppelten S i n n : er unterbricht die Klagverjährung gleich der Litiscontestation (n ), und macht dieselbe zuweilen ent­ behrlich, ist also S u rro g a t derselben, welches noch näher erklärt werden wird. E r wirkt aber auch in ähnlicher Weise wie ein rechts­ kräftiges Urtheil (o ); ja es wird sogar gesagt, daß er größere Kraft habe, als dieses (,»). D a s hat die Bedeutung, daß die Rechtskraft ein rein positives, dem ju s gentium fremdes In stitu t ist, anstatt daß der E id, vermöge seiner V ertrag sn atur (Note k ), dem jus gentium vollständig an­ gehört (., S. 223. 419.

$ , 333.

VI.

äntiquitk. Restitutioosgründe-

211

D ie capitis deminutio hatte als Restitutionsgrvndi von jeher nur folgende, höchst beschränkte Bedeutung. W enn ein Schuldner eine minima, capitis deminutio erlitt, durch Arrogation, Adaption, Emancipation u. s. w. (a), so gingen nach altem Recht alle seine Schulden unter (b). D a nun Dieses eine augenscheinliche Ungerechtigkeit gegen die nicht einwilligenden Gläubiger war-, so gab dagegen der P räto r eine Restitution, wodurch er die verlorenen Forderungen wickerherstellte (c). Diese Restitution führte aber nur den leeren Name» einer solchen, indem die eigenthümliche N atur einer Re­ stitution bei ihr gar nicht zur Anwendung kam. S ie sollte nämlich nicht vom freien Ermessen des PrätorS abhangen, sondern unbedingt, ohne alle Voruntersuchung der beson­ deren Umstände, gegeben werden; und sie sollte ferner nicht an die Verjährungsfrist der Restitution gebunden seyn (ä). E s war also in der T hat eine praktische Aushebung deS alten Rechtssahes, nur versteckt unter der Form einer Re­ stitution, gewissermaßen aus Respect gegen das alte Civilrecht. S o stand es also schon im alten Recht. I m Justinia(a) S . o. B . 2. §. 68. (b) Gajus Lib. 4 § 38, Lib. 3 § 84. Nur wenige Arten von Schulden waren von diesem Unter­ gang ausgenommen. — Die m axim a und m edia capitis d e­ minutio hatten andere Folgen, und kommen hier nicht in* Betracht.

(c) L. 2 § 1, L . 7 § 2. 3 de cap. min . (4. 5), L . 2 de in in t . rest. ( 4 . 1), G ajus 1. c., P aulus I. 7. § 2 . (d) L . 2 § 1. 5 de cap. mm. (4. 5).

212

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung

irischen Recht aber ist der alte Grundsatz selbst, w orauf sich diese mildernde M aaßregel bezog, mit allem Recht wegge­ lassen w orden, so daß für u ns das Bedürfniß dieser R e­ stitution räthselhast blieb bis zur Entdeckung des G a j u s . M a n möchte glauben, es w äre nun besser gewesen, auch diese Restitution selbst unerw ähnt zu lassen. Dieses ist nicht geschehen, theils weil überall in den Justinianischen Sam m lungen das Bestreben sichtbar ist, so wenig als möglich von den alten Rechtsinstituten dem Nam en nach untergehen zu lassen, theils weil hier die einzige schickliche S tev e zu seyn schien, um überhaupt die Lehre von der capitis deminutio in den Digesten anzubringen (e). D ie alienatio judicii mutandi causa facta w ar in der T hat vom P rä to r als Restitutionsgrund aufgestellt. W enn der Besitzer einer fremden Sache, der eine Eigenthumsklage erw artete, den Besitz absichtlich weggab, indem er dadurch den Kläger in eine nachtheiligere Lage versetzte, so sollte durch jene Restitution die Klage gegen ihn eben so möglich gemacht, werden, wie wenn er den Besitz behalten hätte. Diese Restitution wurde aber völlig überflüssig gemacht durch die späterhin, zuerst bei der Erbschaftsklage, dann bei der Eigenthumsklage, eingeführte Lehre von dem qui dolo desiit possidere. Dieser soll jetzt, gerade so wie ein gegen­ w ärtiger Besitzer, mit jenen Klagen in rem belangt werden können, und zwar im G ang des gewöhnlichen Prozesses, (e) Bergt, über diese Restitution B. 2 § 70 S. 82—87.

§. 333.

VI. Antiquirte Restitution-gründe.

213

ohne daß es dazu fernerhin einer Restitution bedarf, also in viel vortheilhafterer Weise für den gefährdeten Klagberechtigten (f).

Außer den autiquirten Rcstitutionsgründen sind hier, der Vollständigkeit wegen, noch einige zu erw ähnen, die blos au f irrigen M einungen beruhen. D ah in gehören zunächst die sogenannten civilen R e­ stitutionen. D eren Annahme und reichhaltige A usstattung ist au s zweierlei M ißverständniffen hervorgegangen. Zuerst au s der schon oben gerügten Verwechselung vieler ordent­ lichen Rechtsmittel mit der Restitution, die doch mit der­ selben in der T hat nur den äußeren Erfolg gemein haben (§ 316). D an n aber au s dem irrigen V erfahren, die zum Theil au s Kaiserconstitutionen hervorgegangene A usbildung der oben vorgetragenen wahren Restitutionsgründe zu unab­ hängigen, neuen Restitutionen umzubilden (g). Ferner gehören dahin die verschiedenartigsten Fälle von Restitutionen die m an au f den irrig aufgefaßten B egriff einer generalis clausula zurück zu führen versucht hat. D avon ist jedoch schon oben (§ 325) geredet worden.

(f) Vergl. oben § 316 Noten Ir bi« 1.

(g) Vergl. S c h r ö t e r S . 151. bi» 157. Göschen Vorlesungen I § 183.

214

Buch II. Rechtsverhältnisse.

Kap, IV. Verletzung.

§. 334. Restitution. — G erichtsbehörd en.

E s ist jetzt noch der formelle Theil der Nestitutionslehre darzustellen übrig, welcher die dabei thätigen Gerichts­ behörden, die P arteien , das V erfahren, und endlich die W irkungen der Restitution zum Gegenstand hat (§ 318). D a s Recht der Behörden zur Ertheilung von Restitu­ tionen (Competenz) ist nach zwei Gesichtspunkten zu be­ stimmen: zuerst nach ihrem B eru f zu diesem Geschäft im Allgemeinen (Gerichtsbarkeit); dann nach ihrer Berechtigung für vorkommende einzelne Fälle (Gerichtsstand). Gerichtsbarkeit in Restitutionssachen hatte ursprünglich in Rom und in Ita lie n n ur allein der P rä to r; in jeder Provinz der S tatth alter. D ie städtischen Obrigkeiten waren zu Restitutionen niem als befugt (a). Eben so erstreckte sich die B efugnih eines vom P rä to r ernannten Ju d e r nicht au f die in diese Sache etwa einschlagende B itte um R estitution; diese mußte vielmehr stets an den P rä to r selbst zurück­ gehen (b). Nach demselben Grundsatz blieb unter den Kaisern die Restitution ein Vorbehalt der höheren Obrigkeiten; sie wurde ertheilt von den P räto ren ,, dem Stadtpräsecten, dem P r ä fectus P rä to rio , den S tatth altern der Provinzen, vom Kaiser selbst. J u s t i n i a n aber bestimmte, welches vor ihm (a) L. 26 § 1 ad munic. (50.1). Vergl. oben § 317. (b) Burchardi S. 433.

§. 334. Restitution. Gerichtsbehörde».

215

bezweifelt w urde, daß alle diese Behörden auch durch commifsatische Richter die Restitution prüfen und ertheilen lassen könnten; imglrichen, daß die von ihnen für ritte andere ganze Sache ernannten Commissare auch eine darin gelegentlich vorkommende Restitution ertheilen sollten (c). F ü r den wichtigsten F all, die Restitution gegen ein rechtskräftiges Urtheil, sind noch folgende besondere Regeln zu bemerken. Kein Beam ter sollte gegen das Urtheil eines im R ang höher stehenden Beam ten restituiren, wohl aber gegen das eines gleichstehenden; also auch gegen sein eigenes Urtheil, so wie gegen das seines V orgängers. Gegen ein Urtheil des K aisers, oder eines vom Kaiser unm ittelbar aufgestellten V ertreters, konnte daher auch nur der Kaiser selbst restituiren (d). I m heutigen Recht ist unzweifelhaft jeder ordentliche Richter zur Ertheilung einer Restitution befugt, und dadurch wird dieses ohnehin schon bedenkliche In stitu t für unsren Rechtszustand noch weit bedenklicher, als es jem als für die Röm er gewesen ist (e). F ü r den Gerichtsstand, also für die Competenz der G e­ richtsbehörden in einzelnen Restitutionssachen, sind dieselben (c) L. IG §5, L. 17 de min. (4.4), L. 3 C. ubi et ap. que?n (2.47). Diese Stelle des Coder ist wiederholt in dem C. 9 X. de in int. rest. (1. 41), jedoch mit dem, wahrscheinlich blos mißverstündlichen, Zusatz, daß auch Schiedsrichter restituiren könnten.—

B u rc h a rd iS . 432bis 439. S.537 bis 548. (d) L . 18.42 de min. (4.4), L . 3 C. si adv. retn jud. (2.27). — Bu r c h a r d i S. 550 bis 552. (e) S . oben § 317. Vergl. Bur cha r di S . 545. 546.

216

Buch II. Rechtsverhältnisse.

Kap, IV. Verletzung.

Regeln zu beobachten, wie wenn das Restitutionsgesuch eine ordentliche Klage wäre. Insbesondere fällt die bei Gelegenheit einer anhängigen anderen Rechtssache vorkom­ mende B itte um Restitution der P rü fu n g und Entscheidung deS Richters anheim, bei welchem die Hauptsache anhängig ist (f). 335 .

§

R e stitu tio n .



P a r te ip e r so n e n .

D er nächste Gegenstand der Untersuchung betrifft die Personen, unter welchen das Gesuch einer Restitution ver­ handelt und entschieden werden kann. A uf der einen S eite steht der Verletzte, dem durch die Restitution geholfen werden soll, au f der andern S eite irgend E iner, welcher der R e­ stitution zu widersprechen ein Interesse h at, indem er durch die Herstellung des früheren Zustandes E tw as verliert. Ic h w ill, der Kürze w egen, diese beide Personen-den B e ­ r e c h tig te n und den V e r p f lic h te te n nennen. I. A ls B e r e c h t i g t e r ist zunächst und unm ittelbar der Verletzte selbst zu betrachten, um dessentwillen die gerade jetzt in Frage kommende Restitlltion eigentlich eingeführt ist, also der M inderjährige, der Gezwungene, der B e ­ trogene u. s. w. Außer und neben ihm aber können auch manche andere Personen als Berechtigte angesehen werden, welche ihr (0

B u rch a rd i S . 548 bis 550.

§. 335.

Restitution.

Parteiversone«.

217

Recht von dem seinigen in Folge eines besonderen Rechts­ verhältnisses ableiten. Dahin gehören allgemein und unzweifelhaft alle Universalsuccessoren des ursprünglich Berechtigten (a). Jeder Re­ stitutionsanspruch kann also nach dem Tode des ursprünglich Berechtigten auch geltend gemacht werden von dessen Erben, so wie von denen, welche in gleichem Verhältniß, wie eigentliche Erben, zu dem Verstorbenen stehen; dahingehören die Nachfolger aus einem Fideicommiß der Erbschaft, ferner die, welchen ein castrense peculium zufällt. Eben so aber auch, wenn der Berechtigte nicht stirbt, sondern in Unfrei­ heit fällt, der Herr desselben, weil dieser in das Vermögen seines Sklaven wie ein Erbe eintritt (b). Unter die Fälle eines solchen abgeleiteten Rechts auf eine Restitution gehört ferner der Fall einer Cesston, welche überall angewendet werden kann, um die Stelle der S in ­ gularsuccession in eine Restitution zu vertreten (c ), so wie sie bei den Obligationen diese Stelle vertritt. Alle diese Regeln haben kein Bedenken. Dagegen ist in hohem Grade streitig und verwickelt die Frage, ob auch der B ü r g e des ursprünglich Berechtigten an der Restitution desselben Theil nehmen kann (d). (a) S . o. SB. 3 § 105. (b) L. 6 de in int. rest. (4.1), L. 18 § 5 de minor. (4.4). (c) L. 24 pr. de min. (4.4), L. 25 de admin. (26. 7), L. 20 §1 de tutelae (27.3). — S . u. Note q.

(d) Bergt, über diese Frage Burchardi S . 407 —416. S . 570 — 581, der die älteren Schriftsteller anführt. Ferner Göschen Vorlesungen I. S . 538. 553. 554. Puchta Pandekten §. 105i. und §. 405 g. Vorlesungen S . 216.

218

Buch II Rechtsverhältnisse. Kap. IV/Verletzung.

Um diese S treitfrage au f das ihr allein zukommende engere Gebiet zurück zu führen, muß die Bemerkung vor­ a u s geschickt werden, daß sie n u r vorkommen kann bei der Restitution der M inderjährigen. Abwesende nämlich werden überhaupt nur restituirt gegen Versäumnisse, nicht gegen Rechtsgeschäfte ( § 3 2 5 ) , während B ürgen n u r bei Rechts­ geschäften eintreten. I n den Fällen des Zw anges und B etru gs aber wird sich der B ürge stets durch die exceptio metus oder doli schützen können, die ihm eben so gut, als dem Gezwungenen oder Betrogenen selbst, zusteht (e); dazu bedarf es keiner Restitution. D er M inderjährige n un , für dessen Schuld ein B ürge eingetreten ist, steht in zwei verschiedenen Rechtsverhält­ nissen: gegen den ursprünglichen Gläubiger, und gegen den B ü rgen , der, wenn er aus der Bürgschaft verurtheilt ist, oder freiwillig gezahlt hat, in der Regel den Regreß an den Hauptschuldner nehmen kann (f). D er minderjährige Schuldner ist gegen jede dieser beiden Forderungen, wenn er will, gleichmäßig durch Restitution geschützt, so daß also die praktische Frage eigentlich nur darauf geht, wer zuletzt den Verlust tragen soll, der G läubiger oder der B ürge (g).

(e) L. 7. § 1 de excej/t. (44.1). (f) Mit der actio mandati oder negotiorum gestorum, jenachdem der Schuldner um die Bürgschaft wußte oder nicht. L.6 § 2 L. 18 mund. (17.1), L. 43 de neg. gestis. -(3.5).

(g) L. 13 ]>>'■ de min. (4.4) „ .. . In summa perpendendum erit Praetori, cui potius subveniat, utrurn crcditori an fidejussori; nam Minor captus neutri tenebitur". — L. 1 C. de f id min.' (2. 24). Allerdings

8- 335. Restitution. Parteipersonen.

219

Wird nun zuerst der Bürge verklagt, so hat Dieser gewiß keinen Anspruch auf Restitution (h). D ie Streitfrage beschränkt sich also auf den anderen F all, wenn zuerst der Minderjährige verklagt, und aus sein Begehren restituirt wvtden -ist; ob diese, nicht mehr blos mögliche, sondern wirklich ertheilte Restitution des Hauptschuldners auch von dem nachher verklagten Bürgen für sich geltend gemacht werden kann, das ist die allein noch übrige Frage. Mehrere Stellen sprechen hierüber so, daß man glauben könnte, der Bürge könne den Schutz der Restitution verlangen (i); andere so, als sönnet er diesen Schutz nicht in Anspruch nehmen (k); in der That aber muß die Unbe­ stimmtheit der einen und der anderen Aussprüche nicht in aber kann es geschehen, daß die eine dieser Restitutionen geltend gemacht wird, während die andere verloren geht, z. B. durch Ver­ jährung. D arauf geht in dieser letzten Stelle der hypothetische Ausdruck: modo fi... non juvaris. (h) Nach dem .neuesten Recht freilich kann der Bürge die Klage durch die exceptio excussionis von sich ablehnen, und dadurch sogleich die Anwendung des fol­ genden Falles herbei führen (Nov. 4 C. 1). (i) L , 3 § 4 de min. (4. 4), „ . . hoc auxiiium . . solet intei'dum fidejussori ejus p ro desse“ , jL .5 1 iw .d e proc. (3.3), L. 8 de adqn. her. (£9. 2). (k) L . 1 .2 C. de fid . min. (2.24), L. 7 § 1 de except. (44.1).

Diese schwierige Stelle spricht zuerst von der exceptio L. P laeto riae, die sie unbedingt den Bürgen zu­ spricht, dann von der Restitution: ,,quod si deceptus sit in re (i. e. sine dolo), tune nee ipse ante habet auxiiium , quam restitu tu s fu e r it, nec fidejus­ sori danda est exceptio.“ Die letzten Worte sind zweideutig, in­ dem man so auslegen kann: der Bürge soll n i e m a l s den Schutz haben; oder auch: er soll gleich­ falls den Schutz nicht anders haben, als nachdem der Minderjährige restituirt ist. Die letzte Deutung ist den Worten angemessener. Vgl. B u r c h a r d i S . 205. 410. 579. S a v i g n y Zeitschrift s. geschichtl. Rechtsw. X. 249.

220

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

dem S in n einer allgemeinen und unbedingten Wahrheit aufgefaßt werden, sondern einer blos möglichen, für manche Fälle, unter gewissen Umständen geltenden, Wahrheit. D ahin deuten schon die Ausdrücke einiger dieser Stellen selbst (Note h. i). Ganz bestimmt aber entscheidet für die Richtigkeit dieser Auffassung eine Stelle des U lp ia n (1), die überhaupt den Weg zeigt zur wahren Vereinigung der über diese ganze Frage scheinbar widersprechenden Stellen. U lp ia n sagt, der P räto r müsse nach den Umständen jedes einzelnen Falles prüfen, ob der Gläubiger den Verlust tragen solle oder vielmehr der Bürge (Note g). Als H aupt­ regel aber für die Entscheidung dieser Frage stellt er den offenbar richtigen Satz auf, der Bürge müsse den Schaden tragen, wenn er gerade mit Rücksicht auf die aus der Minderjährigkeit für den Gläubiger hervorgehende Gefahr Bürgschaft leistete (»>). M it dieser Anweisung stimmt auch völlig überein eine Stelle des P a u l u s (n). — D er ent(l) L 13 pr. de min. (4. 4). (m) L. 13 pr. cit. ,, Itaque 8i, cum scirem minorcm, et ei fidem non haberem, tufidejusseris pro eo, non est aequum, fidejussori in necem meam subveniri, sed potius ipsi deneganda erit mandati actio.“ (n) P aulus 1. 9. § 6. ,, Qui sciens prudensque se pro minore obligavit, si id consulto consilio fecit, licet minori succurratur, ipsi tarnen non succurretur.“ Consulto consilio

kann nicht die Absichtlichkeit über­ haupt bezeichnen, denn diese findet sich bei jeder Bürgschaft, ja bei jedem Vertrag, sondern nur die besondere, auf die Sicherheit gegen eine künftige Restitution gerichtete Absicht. — B u r c h a r d i faßt die Sache im Allgemeinen richtig auf, stellt aber S . 572. 577 Präsum­ tionen auf, die ich für grundlos und uunöthig halte. Besonders aber scheint mir der von ihm über U l p i a n ausgesprochene Tadel ( S . 576) völlig ungerecht.

8-

335.

Restitution.

Parteipersonen.

221

gegengesetzte F all wird demnach so zu denken seyn, daß der B ürge n ic h t au s jener besonderen Rücksicht die Bürgschaft leistete, sondern etwa, weil der G läubiger die Z ahlungs­ fähigkeit des M inderjährigen in Zweifel zog, während der B ürge dessen ausreichendes Vermögen genau kannte, so daß also dabei d as minderjährige A lter des Hauptschuldners gar nicht zur Sprache kam (o ); am entschiedensten würde dieser zweite F all anzunehmen seyn, wenn die M inderjährig­ keit dem B ürgen ganz unbekannt geblieben w äre, vielleicht auch selbst dem G läubiger. I n diesem zweiten Fall nun würde der au s der Restitution hervorgehende Schutz dem B ürgen zu gute kommen, und der G läubiger hätte den Verlust zu tragen. M a n kann nun noch die Frage auswerfen, welche M ittel anzuwenden seyen, um zu dem hier aufgestellten Ziele zu gelangen. D arüber sagt U l p i a n , der sicherste W eg bestehe darin, daß sofort der M inderjährige gegen den Hauptschuldner und den B ürgen zugleich die Restitution nachsuche. D an n -höre der P rä to r alle Betheiligte gegen einander, und könne so am besten entscheiden, wer im vor­ liegenden Falle den Verlust tragen solle (p). (o) Dieses drückt P api ni an in L. 95 § 3 de sol. (46. 3) so au6: „cuifidejussoris (obligatio) accessit sine contemplatione Juris praetor ii " Burch ardi S . 575 faßt diese Worte anders stuf. (p) L. 13 pr. de min. (4. 4). „Unde tractari potest, minor in

integrum restitutionem utrum adversus creditorem, an et adversus fidejussorem implorare debeat? Et puto tutius adversusutrumque; causa enim cognita et praesentibus adversariis, vel si per contumaciam desint, in integrum restitutiones perpendendae sunt.

222

Buch II. Rechtverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

Nun ist es aber auch möglich, daß der Minderjährige diesen R ath nicht, befolgt, vielmehr mit der Restitution gegen den Hauptschuldner sich begnügt, oder auch diese einstweilen auf sich beruhen läßt, da dann in beiden Fällen dem Bürgen die Gelegenheit entzogen wird, seinen Anspruch auf die Theilnahme an der Restitution zu rechter Zeit geltend zu machen. Für solche Fälle muß dem Bürgen gestattet werden, seine Regreßklage gegen den Minderjährigen gleich jetzt geltend zu machen ( Note f ) ; nicht um einen Gelderfatz zu erlangen, indem er selbst noch Nichts gezahlt hat, auch von diesem Ersatz durch des Minderjährigen Restitution in jedem Fall ausgeschlossen seyn würde (Note g): wohl aber um den Minderjährigen zu einer Cession seiner Restitution zu zwingen, die er dann gegen den Gläubiger geltend machen kann. Diese billige, dem Minderjährigen unschäd­ liche, Befugniß wird von P a u l u s anerkannt, zwar nicht skr den Fall der Bürgschaft, wohl aber für folgenden ganz ähnlichen, nach gleichen Grundsätzen zu beurtheilenden Fall. W enn ein Minderjähriger für einen Anderen eine nego­ tiorum gestio unternimmt, und darin E tw as versieht, so kann er sich restituiren lassen, und dadurch von dem Anderen (dem H errn des Geschäfts) allen Schaden abwenden. Ver­ weigert er diese Restitution, so kann der Andere durch die actio negotiorum gestorum verlangen, daß ihm der Minder­ jährige die Restitution cedire, die dann er selbst geltend machen kann (q). (q) L. 24 pr. de min. (4. 4). S. o. Note c.

§. 336.

Restitution.

Parteipersonen.

(Forts.)

223

§. 336. R e s titu tio n . — P a r tk ip e r s o n e n .

(Fortsetzung.)

II. D ie Person des V e r p f l ic h t e t e n in der Resti­ tution (§ 335) ist nicht so einfach und leicht zu bestimmen» wie die des Berechtigten, wegen der großen Verschiedenheit der Rechtsverhältnisse, w orauf sich die Wiederherstellung eines früheren Zustandes beziehen kann. B ei einem nachthriligen V ertrag wird es oft n u r d arauf ankommen, die obligatorische W irkung desselben zu entkräften; dann ist der andere Contrahent allein der zur. Erduldung der Restitution verpflichtete G egner, ganz als ob von einer persönlichen' Klage die Rede wäre. I s t dagegen d as durch Ersitzung einem Abwesenden entzogene Eigenthum zu restituiren, so ist der Besitzer der S ach e, der meist auch der Eigenthümer seyn w ird, der Verpflichtete, da gegen diesen die herzustel­ lende Eigenthumsklage gerichtet wird. Geht die Restitution gegen eine angetretene oder auSgeschlagene Erbschaft, so sind die sehr mannichfaltigen Personen als Verpflichtete zu betrachten, mit welchen ein Erbe als solcher in Rechts­ verhältnisse eintritt. — M a n pflegt wohl diese Verschieden­ heit so auszudrücken, daß die Restitution bald in personam, bald in rem gehe. V on diesem Gegensatz wird jedoch zweck­ mäßiger weiter unten, bei den W irkungen der Restitution, gehandelt werden (§ 343). Gewisse Personen sind wegen ihres persönlichen V er­ hältnisses zum Berechtigten von der Verpflichtung aus-

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Buch II. Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

genommen, eine Restitution gegen stch ergehen zu lassen. Diese Ausnahmen haben Aehnlichkeit mit den für die actio doli vorgeschriebenen Ausnahmen von der Verpflichtung, alS Beklagte in dieser Klage aufzutreten, dürfen jedoch nicht damit gleich gestellt werden. B ei der Restitution find ausgenommen die Eltern und der Patron des Berechtigten. Diese Ausnahme war früher bestritten in ihren Bedingungen und Gränzen, ist aber von J u stim ia n in größter Ausdehnung anerkannt worden (a). — B ei der actio doli sind gleichfalls ausgenommen die Eltern und der Patron; außer diesen aber auch noch viele andere Personen, welchen der Berechtigte nach seiner S te l­ lung Ehrfurcht schuldig ist. Dagegen hat diese Ausnahme bei der actio doli die blos formelle Bedeutung, daß der Ausdruck dolus und die davon abhängende Entehrung ver­ mieden werden soll; jede andere Wirklmg der Klage soll durch eine actio in factum aufrecht erhalten werden (b). B ei der Restitution hat die Ausnahme eine ernsthaftere Bedeutung; weder die Restitution selbst,-noch ein Surrogat derselben, soll gegen Eltern und Patrone in Anspruch ge­ nommen werden, weil diesen gar nicht zugetraut werden dürfe, daß sie gegen ihre Kinder oder Freigelassene ein

(a) L Z C. qui et adv. quos (Z. 42). Vergl. Bnrchardi S . 117— 124. Göschen Vor­ lesungen I. S . 540. Puchta Pandekten § 107 d.

(b) L A i § 1, L. 12 de dolo (4.3), L. 27 § 4 de mm. (4.4).

§. 336.

Restitution.

Parteipersonen.

(Forts.)

225

Recht geltend machen könnten, welches zu einer Restitution Anlaß geben möchte (c ). V on dieser Begünstigung der E ltern und P atron e haben neuere Schriftsteller wiederum folgende Reihe von A u s­ nahmen aufgestellt, die aber insgesammt als solche nicht anerkannt werden können. 1. Gegen eine nachteilige A rrogation kann ein minder­ jähriger S o h n allerdings Restitution fordern (d). N u r ist es ein Zirkel, Dieses als Ausnabm e von der oben ange­ gebenen Begüllstigung anzusehen. D enn wenn die Resti­ tution als begründet erkannt w ird, so ist ja gerade d a s elterliche V erhältniß verneint, w orauf allein die Begünsti­ gung sich bezieht. 2. W enn ein V ater seinen minderjährigen S o h n emancipirt, dann aber durch Klage die Em ancipation als nicht geschehen angreift, und ein rechtskräftiges Urtheil für sich erlangt, so kann der S o h n allerdings Restitution gegen dieses Urtheil erhalten (e). Allein wegen dieser angeblichen Ausnahme gilt dieselbe Bemerkung, wie wegen der vorher­ gehenden. D enn wenn in Folge der Restitution ein ent­ gegengesetztes Urtheil bewirkt w ird, welches die Emancrpation für gültig erklärt, so ist dadurch wiederum d as Verhältniß zwischen V ater und S o h n beseitigt. 3. W enn der V ater eine Sache zuerst seinem minder(c) L. 2 C. eit. (d) L : 3. § 6 de min. (4 .4 ). Bgl. oben § 319 Note p.

(e) L. 2 C. si adv , rem ju d . (2. 27).

226

Buch II. Rechtsverhältnisse.

Kap. IV . Verletzung.

jährigen Sohn, dann aber einem Dritten, und zwar mit Einwilligung des Sohnes, schenkt, so kann der Sohn gegen diese seine Einwilligung Restitution verlangen (f). Hier geht aber die Restitution nicht gegen den Vater, sondern gegen den Dritten, der die spätere Schenkung empfing. 4.

Wenn einem in väterlicher Gewalt lebenden minder­

jährigen Sohne die Erbschaft zufällt, über den Werth dieser Erbschaft Vater und Sohn verschiedene Meinung haben, und deshalb der Sohn, im Widerspruch mit der Anficht des Vaters, die Erbschaft ausschlägt oder antritt, so kann er hinterher gegen diese seine Handlung Restitution erlan­ gen (g).

Auch hier, wie in dem vorhergehenden Falle,

geht die Restitution nicht gegen den Vater, sondern gegen die mancherlei fremde, dabei betheiligte Personen. 5.

Wenn eine Mutter als Vormünderin die Rechte

ihres Kindes beeinträchtigt, so kann dieses dagegen Rechts­ mittel jeder Art, unter andern auch die Restitution, ge­ brauchen (h ).

Dieses ist eine wahre Ausnahme jener

Begünstigung, allein da die Novelle J u s tin ia n 's , worin fich diese neueste Bestimmung findet, unglossirt ist, so hat fie für das heutige Recht keine Anwendbarkeit ( i) .

(f) L . 2 C. si adv. don. (2.30). (g) L . 8 § 1 C. de boti. quae Mb. (6. Gl). (h) Nov. 155 C. 1. (i) S . o. B . 1 § 1 7 . Göschen a. a. O . will die Novelle gelten

lassen als blos declaratorisch, wofür ich sie nicht halten kann, da sie in der That das frühere Gesetz positiv einschränkt. P u c h ta a. a. O . faßt die Sache so auf, daß die Re­ stitution nur wegfalle gegen die

8 336.

Restitution.

Parteipersonen.

(Forts.)

227

Zuletzt ist noch der F all zu erörtern, wenn der V er­ pflichtete bei der Restitution gleichfalls eine besonders be­ günstigte Person ist. I n einem solchen F all fragt es sich, ob auch dieser Person gegenüber die Restitution verlangt werden könne. Diese Frage tritt zuerst ein, wenn ein M inderjähriger gegen einen M inderjährigen restituirt seyn will. H ier wird meistens nur ein einseitiger Nachtheil vorhanden seyn; z. B . wenn eine Sache zu wohlfeil verkauft w ird, hat nur der Verkäufer Nachtheil, und dieser wird restituirt, wobei der Käufer keinen Nachtheil erleidet in Vergleichung des u r­ sprünglichen Zustandes. S in d aber beide im Nachtheil ge­ kommen, z. B . wenn ein M inderjähriger dem andern Geld leiht, und dieser es verschwendet, so soll der Empfänger des D arlehens den Vorzug haben, d. h. es soll an dem gegen­ wärtigen Zustand Nichts verändert werden ( k ) . W enn ein Abwesender die Sache eines anderen Ab­ wesenden usucapirt, so ist n u r ein einseitiger Nachtheil vor­ handen, und die Restitution gegen die Usucapion hat kein Bedenken (1). G iebt ein M inderjähriger ein D arlehen an einen S o h n in väterlicher G ew alt, so wird er gegen die exceptio Sc. Eltern als solche (L. 2 C. gut Eigenschaft als Contrahenten, Usuet adv. quos) , nicht gegen die in capienten u. s. w. qnderer Eigenschaft, z. B . als Vor(k ) L. 11 § 6, L. 34 pr.de mund er, auftretende Eltern (N ov. mm. (4. 4). 155). Allein auch jede andere R e(1) L. 46 ex quib. caus stitutivn geht nicht gegen die ( 4 .6 ) . Eltern als solche, sondern in ihrer

228

Buch II. Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

restituirt, b. h. der Schutz des minderjährigen A lters soll in der Collision den Vorzug haben vor dem Verbot des Senatusconsults (m ). W enn ein M inderjähriger seine Forderung gegen die Erpromission e in e r.F ra u aufgiebt, so wird ihm (so wie jedem A nderen) seine frühere Klage wiedergegeben, und wenn der alte Schuldner zahlungsfähig ist-, so entsteht für den M inderjährigen keine Läsion. I s t aber der Schuldner insolvent, so wird der M inderjährige restituirt, d. h. der Schutz deS minderjährigen A lters hat im Collistonsfall den Vorzug vor dem Verbot des Vellejanischen S e n a tu s­ consults (n ). M aced o n ian i

§. 337. Restitution. — Verfahren.

E s gehörte zur Eigenthümlichkeit der Restitution schon von ihrem Ursprung an, daß die P rü fu n g und G ew ährung derselben nicht dem gewöhnlichen G ang des Verfahrens (dem ord o ju d ic io r u m ) überlassen ward, sondern dem höch­ sten Richteramt vorbehalten blieb, also extra ord in em voll­ zogen wurde (§ 316. 317). D aher verfolgte D e r, welcher eine Aenderung des be­ stehenden Zustandes durch Restitution bewirken wollte, seinen Zweck nicht durch eine a c tio , da diese vor einem Juder (m) L. 11 §*7, L. 34 § 1 de min. (4. 4), L. 3 §2 de Sc. Mac. (14. 6), L. 9 pr. de j. et fa c ti ignor. (22. 6). (n) L. 12 de min. (4. 4).

§. 337.

Restitution.

Verfahren.

229

hätte verhandelt werden müssen (a ), sondern er bat viel­ mehr um eine cognitio, d. h. um eine Verhandlung un­ mittelbar vor dem P rä to r selbst ( b ) . D am it hängt es zusammen, wenn oft gesagt w ird, die Restitution werde bewirkt durch cognitio, welches n u r ein abgekürzter, nicht völlig genauer Ausdruck ist, da es eigentlich das in Folge der cognitio erlassene Decret des P rä to rs w ar, welches die Restitution ertheilte (c). — D aß aber an die ertheilte R e­ stitution eine Klage angeknüpft werden konnte, wird sogleich weiter ausgeführt werden. Eben so suchte der Beklagte eine Restitution nicht au f dem Wege einer exceptio, sondern unm ittelbar durch V er­ weigerung der Klage (d ), obgleich auch hier eine exceptio, angeknüpft an die Restitution, wohl möglich w ar. — Dasselbe V erhältniß trat wiederum bei dem Kläger ein, der die Verweigerung der exceptio unm ittelbar durch Restitution bewirken konnte, nach den Umständen des

(a) L. 24 § 5 . de mm, (4.4).geht übrigens zunächst nur auf ,,E x hoc edicto nulla propria die Restitution der Minderjährigen, actio v el cautio proficiscitur, ist aber darum nicht weniger wahr totum enini hoc pendct ex auch für alte übrige Restitutionen. (b) Cognitionem postulare, Praetoris cogn ition c.“ Die Worte v el cautio gehen auf die im pctrare. L . 30 § 0 de proc. Fälle einer vom Prätor erzwun­ (3. 3 ), L. 3 § 9 de mm. (4 .4 ), genen Stipulation, aus welcher L. 39 p r. de evict. (21. 2). (c) L . 29 § 2. L. 47 § t de dann wieder, in natürlicher Folge, eine actio (nämlich eine condic­ min. (4. 4). L A C. de off. praet. tio) entstand. L. 1 § 2 de stip. (1. 39), L. 2 C. si u t omissam praet. (46.5), L. 37 p r. de o, et (2. 40). a. (44. 7). Die abgedruckte Stelle (d) L . 27 § 1 de min. (4 .4 ).

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Buch II- Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

einzelnen F alles aber auch eine replicatio an die Restitution knüpfte ( e ) . Diese Eigenthümlichkeiten sind schon seit dem Untergang des alten ordo judiciorum verschwunden, und können also auch in unsrem heutigen Prozeß um so weniger w ahr­ genommen werden. H ier erscheint daher die B itte um Re­ stitution in Form einer gewöhnlichen Klage oder Einrede; bald selbstständig, bald bei Gelegenheit eines anderen Rechts­ streits, und in Verbindung mit demselben. D a aber unsre Juristen einen Römisch aussehenden Klagnamen für unentbehrrlich hielten, so pflegten sie dem Restitutionsgesuch den Nam en imploratio officii judicis beizulegen, ohne sich daran zu stoßen, daß dieser Name weder in unsren Nechtsquellen vorkommt, noch zu der ursprünglichen Form des Römischen Restitutionsverfahrens paßt. D ie meisten Prozeßregeln, die über das Restitutions­ verfahren aufgestellt werden, sind einfacher N atu r und geben zu Zweifeln keinen Anlaß. — W er zur Restitution berechtigt ist, kann nicht nur in eigener Person darum bitten, sondern auch durch einen P rocurator (f); jedoch nicht durch einen Generalbevollmächtigten, sondern n u r vermittelst eines auf dieses Geschäft gerichteten besonderen A uftrags (g). — M it einer gewöhnlichen Klage ist d as Restitutionsverfahren darin (e) L. 9 §4 de jurej. (12. 2). (g) L. 25 § 1, L. 26 de min. (f) L. un. C. etiam per pro c. (4. 4). Ueber daS Vertretungs(2. 49). recht des Vaters, nach L. 27 pr. de min. (4. 4), s. o. § 323 Notes).

§. 337. Restitution. Verfahren.

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gleichartig, daß es nur Gültigkeit h at, wenn die G egner des Berechtigten dazu gehörig vorgeladen sind, und entweder erscheinen, oder durch Ungehorsam ausbleiben ( h ) . D er ausbleibende Gegner kann auch durch einen V ertreter ver­ theidigt werden, der aber, eben so wie in einem gewöhn­ lichen Rechtsstreit, B ürgen stellen muß (i). N u r Restitu­ tionen gegen Versäumnisse im Prozeß werden nicht selten auch ohne Anhörung des Gegners (brevi mann) ertheilt (k). D ie schwierigste und bestrittenste Frage in dem V er­ fahren bei der Restitution ist die über das sogenannte Ju­ dicium rescindens und rescissorium, womit es folgende B ew andtniß hat (1). D er Zweck der Restitution, die Herstellung des V er­ letzten in seinen früheren Zustand, kann nach Verschiedenheit der Umstände aus zweierlei Weise erreicht werden. E s kann geschehen durch ein einfaches Decret deS P rä to rs, welches in Folge einer bloßen cognitio die Sache völlig erledigt, so daß Nichts mehr zu thun übrig bleibt. Dieser F all tritt stets ein bei der Restitution gegen V er­ säumnisse oder Versehen im P rozeß, indem das Decret die restituirte P artei in dieselbe Lage versetzt, wie wenn die

(i) L. 26 § 1 de min. (4. 4). (h) L. 13 pr. de min. (4. 4), L. 1 C. si adv. dotem (2. 34). — (k) P u chta Vorlesungen B ei der Restitution gegen den Er­ S . 216. werb einer Erbschaft sind sämmt­ (l) Ausführlich handelt davon liche Gläubiger des Verstorbenen B u r c h a r d i § 2 4 .2 5 .2 6 , wo auch als Gegner vorzuladen. L. 29 § 2 viele andere Schriftsteller angeführt und beurtheilt werden. de min. (4 .4 ), Nov. 110 C. 6.

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Buch II

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung!

Versäum nis oder das Versehen nicht S ta tt gefunden hätte. — Derselbe F all findet sich oft, ja meistens, bei der Restitution eines M inderjährigen. H a t Dieser eine Sache zu theuer gekauft oder zu wohlfeil verkauft, so wird der Gegner gezwungen, im ersten F all das G eld, im zweiten die ver­ kaufte Sache zurück zu geben, und mit diesem Decret ist jeder Verletzung des M inderjährigen vollständig abgehol­ fen (m). — Allein auch diese cog n itio des P rä to rs kann wieder au f verschiedene Fragen gerichtet seyn, also in ver­ schiedene S tufen der Untersuchung zerfallen, deren jede viel­ leicht durch ein besonderes Decret entschieden w ird, indem z. B . das Alter selbst, ferner das Daseyn einer Verletzung, endlich der Zusammenhang der Verletzung mit der M inder­ jährigkeit, bestritten werden kann (n). E s kann aber auch geschehen durch das restituirende Decret des P rä to rs, verbunden mit einem darauf folgenden ganz anderen Rechtsstreit, durch welchen erst die völlige Befriedigung des Verletzten herbeigeführt wird. I n vielen Fällen nämlich soll die Restitution n u r dazu dienen, ein Hinderniß wegzuräumen, welches dem Gebrauch irgend eines anderen selbstständigen Rechtsmittels (Klage oder Einrede) im Wege steht. D an n erwartet der Verletzte von der R e­ stitution nicht sowohl die Herstellung des erwünschten frü­ heren Zustandes selbst, als die Herstellung eines verlorenen (in) L . 24 § 4 de min. (4.4), L . 39 § 6 de proc. (3. 3), L. 39 pr. de evict. (21. 2) ,, fundus praetoria cognitione ablatus.“ (n) L. 39 pr. de min. (4. 4).

§. 337. Restitution. Verfahren.

233

Klagerechts, dessen Anwendung ihm d ann , wie er hofft, zum G enuß jenes Zustandes verhelfen soll. H ierau s ent­ stehen also zwei an sich getrennte Prozesse, und man kann die Restitution insofern eine bedingte H ülfe nennen, als sie dem Verletzten nur unter der Bedingung einen wirklichen V ortheil verschafft, als er den zweiten Prozeß gewinnt. A uf zusammengesetzte Verhältnisse der hier beschriebenen A rt beziehen sich die oben erwähnten Kunstausdrücke. Ju­ dicium rescindens nennen unsre Schriftsteller den S tre it über die Restitution, der mit dem Ausspruch derselben endigt (also die praetoria cognitio) ; judicium rescissorium den d arauf folgenden Rechtsstreit, der durch die Restitution erst möglich geworden ist. D er erste dieser Ausdrücke ist von den Neueren willkürlich gebildet; der zweite ist ein ächter Kunstausdruck, von den Röm ern abwechselnd gebraucht mit restitutorium judicium oder actio (o). N u r ist der Ausdruck rescissoria actio nicht beschränkt auf die Herstellung einer verlorenen Klage durch die prätorische in integrum resti­ tutio; derselbe wird vielmehr auch gebraucht, wenn eine solche Herstellung unm ittelbar nach einer Regel des Civilrechts, unabhängig von dem freien Ermessen des P rä to rs ein­ tritt (p). (o) Rescissoria actio. L. 28 § 5 . 6 ex quib. cans. (4. C), L. 24 C. de R. V, (3. 32), L. 18 C. de j.postlim. (8.51). — Restituto ria actio ober judicium. L. 3 § 1 de eo per quem (2.10), L. 46

§. 3 de proc. (3. 3), quod falso (27. 6).

L. 7 § 3

(p ) W enn z. B . eine F rau erprom ittirt, so wird sie nicht ver­ pflichtet, aber die eigentlich unter­ gegangene K lage des vorigen

234

Buch II.

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV.

Verletzung.

D a s hier beschriebene zusammengesetzte Verfahren ist besonders anwendbar auf die Restitution der Abwesenden, bei welcher schon die W orte des Edicts auf die W ieder­ herstellung einer verlorenen K la g e gerichtet, waren (§ 325). E s ist aber keinesweges au f diesen Restitutionsgrund ein­ geschränkt, sondern nicht selten auch bei M inderjährigen anw endbar, und es ist auf der anderen S eite bei Ab­ wesenden nicht allgemein und nothwendig. D ie Anwendbarkeit jenes V erfahrens au f M inderjährige wird anerkannt von U l p i a n in einer Stelle, die vor allen anderen dazu geeignet ist, den Gegensatz beider V erfahrungsarten zur Anschauung zu bringen (q). U l p i a n sagt, die Restitution werde einem M inderjährigen zuweilen in rem gegeben, z. B . wenn die von ihm mit Nachtheil verkaufte Sache durch neue V eräußerung in die H and eines D ritten gekommen sey, gegen welchen er nun in manchen Fällen Restitution begehren könne; dabei fügt er folgende W orte hinzu: et hoc vel cognitione Praetoria, vel rescissa alienatione, dato in rem judicio.

Diese W orte enthalten die Andeutung des oben beschrie­ benen zweifachen V erfahrens: des einfachen ( cognitione

Schuldners kann wieder gebraucht werden als rescissoria a ctio , wo­ zu es keiner Restitution durch den P rä to r bedarf. L . 16 C. ad Sc. Veil. (4. 29). Auch diese heißt

anderwärts restitutoria. L . 8 § 9. 12.13 ad. Sc. Veil. (1 6 .1 ). • (q) L. 13 § 1 de min. (4. 4). Ueber diese Stelle ist zn vergleichen B u r c h a r d i S . 443. 444.

§. 337.

Restitution.

Verfahren.

235

und des zusammengesetzten, bestehend au s der Restitution gegen die V eräußerung, und einer d arauf folgenden Eigenthumsklage vor dem Ju d er. Beide Arten des V erfahrens werden hier so zusammengestellt, daß in einem und demselben R echtsfall, je nach den Umständen, sowohl die eine als die andere anwendbar seyn soll (s). A us der anderen S eite aber w ar auch bei den Abwe­ senden das zusammengesetzte Verfahren nicht allgemein und nothwendig, vielmehr konnte auch hier zuweilen die einfache cognitio genügen, ja für manche Fälle wurde späterhin diese kürzere Behandlung sogar vorzugsweise angewendet. Dieses ist anerkannt in folgender, oft mißverstandenen S telle des C a l l i s t r a t u s (t):

Praetoria [ r ] ) ,

Hoc edictum, quod ad cos pertinet qui eo continentur, minus in usu frequentatur; hujusmodi enim personis extra ordinem jus dicitur ex senatusconsultis et principalibus constitutionibus.

D a hier das neuere extra ordinem als Gegensatz gegen daS ursprüngliche Verfahren nach dem Edict bezeichnet wird, so könnte man leicht zu der irrigen Aitstcht verleitet werden, als ob der alte. Ju rist das ursprüngliche, rein nach dem (r )

M an

muß

hinzudenken: denn auch die in dem zweiten F all erwähnte r e s c is s io a lie n a tio n is geschah stets in Folge einer prätorischen c o g n itio . (s ) Eine ähnliche Zusammenstellung beider Verfahrungsarten

solo, c o g n it io n c ,

für einen und denselben Rechtsfall findet sich in L. 9 § 4 de jurej. (1 2 .2 ) (N ote e ) ; nur nicht in Beziehung auf eine Klage, sondern auf eine Replication. ( t ) L. 2 pr. ex quib. caus. (4. 6). V gl. B n r c h a r d i S . 466 bis 468.

236

Buch II

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

Edict eingerichtete Restitutionsverfahren für eine A rt von ordinarium Judicium ausgeben wolle. E r will vielmehr sagen, es werde in solchen Fällen jetzt Alles abgethan durch bloße cognitio, also extra ordinem , ohne noch eine beson­ dere actio nachfolgen zu lassen (u). — Ferner darf den W orten des C a l l i s t r a t u s nicht ein so allgemeiner S in n beigelegt werden, als ob die Neuerung alle Fälle des Edicts über die Abwesenden umfaßt hätte. O hne Zweifel ist hier die Rede von einem der zahlreichen juristischen Privilegien der S old aten; diesen sollte au f die kürzeste und leichteste Weise zu ihrem verlorenen Rechte verholfen werden, welches allerdings geschah, wenn der P rä to r extra ordinem die Sache abmachte. Andere Abwesende, z. B . Verbannte, oder auch der Freiheit B eraubte, auf ähnliche Weise zu begünstigen, w ar weder ein juristischer, noch ein politischer G rund vorhanden. Und eben so w ar für den umgekehrten F all (die Restitution g e g e n die Abwesenden) gewiß das alte Verfahren unverändert beibehalten worden (v ). A us der hier geführten Untersuchung ergiebt es sich, daß in vielen Fällen das einfache Verfahren allein möglich w ar, in anderen Fällen das zusammengesetzte allerdings möglich, aber nicht durchaus nothwendig. D an n hatte ohne (u) D as lextra ordinem jus dicitur hat also hier denselben S in n , wie in der vorhergehenden Stelle das (solo) eognitiöne P ra e to ria (Note r).

(v) Darauf deuten selbst die Worte der Stelle, hujusmodz enim personis e x tra ordinem jus d icitur; also nicht, wenn etwa Anwesende gegen solche die Re­ stitution begehren.

z. 337.

Restitution.

Verfahren.

237

Zweifel der P rä to r freie M acht, zu entscheiden, welches V erfahren in jedem einzelnen F all als das zweckmäßigere vorzuziehen sey ( w ) ; gewiß aber konnte auch die P a rte i au f d as eine oder d as andere antragen (x). W ir können aber als wahrscheinlich annehmen, daß, so lange der alte ordo judiciorum bestand, diesem nicht ohne N oth E tw as entzogen wurde, d as zusammengesetzte Verfahren also in Anwendung kam, da wo es überhaupt möglich und nicht durch dringende G ründe widerrathen w ar. I m heutigen Prozeß steht insofern die Sache ganz anders, als stets ein und derselbe Richter über die R e­ stitution und über die dadurch etwa herzustellende Klage zu erkennen hat. E s hat keinen Zweifel, daß d as V erfahren über beide Rechtsfragen von Anfang an verbunden (cumulirt) werden kann, und daß die P a rte i schon ihre A nträge hierauf richten darf. Aber es ist eben so wenig zweifelhaft, daß es dem Bedürfniß einzelner Sachen angemessener seyn kann, beide V erhandlungen gänzlich zu trennen, und zuerst daö judicium resciudens abgesondert zu einer rechtskräftigen Entscheidung zu bringen, ehe das rescissorium eingeleitet wird (y). (w ) B u r c h a r d i S .4 6 4 - 4 7 0 . Ein paffendes Beispiel, wie in einzelnen Fällen der Vorzug be­ stimmt werden konnte, findet fich ebendas. S . 443. (x ) I n diesem S in n ist es zu verstehen, wenn von Manchen be­

hauptet wird, beide Theile des Re­ stitutionsverfahrens hätten schon nach R . R . cumulirt werden können. B u r c h a r d i S . 4 61— 464. (y ) B u r c h a r d i §. 26. — Gö s c he n Vorlesungen S 541.

238

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

P u c h ta giebt dem an sich richtig aufgefaßten Gegensatz des judicium rescindens und rescissorium noch folgenden Zusatz. Er sagt, der Prätor habe auch noch das judicium rescindens gleichsam spalten können, indem er z. B . die Restitution wegen Zwanges in zwei Fragen zerlegte: eine rechtliche, über die Verletzung und' deren Zusammenhang mit dem (angeblichen) Zwang, worüber er selbst (hypothe­ tisch) entschied; eine faktische, über das Daseyn des Zwan­ ges, worüber er von einem Juder entscheiden ließ. Dieses sey die äußerste Gränze der Restitution gewesen-, und so sey insbesondere die actio quod metus causa behandelt worden (z). — Diese allzu subtile Annahme kann ich nur als einen nicht glücklichen Vermittlungsversuch ansehen zwischen der strengen Scheidung der wahren Restitution von den sogenannten Nestitutionsklageir auf der einen S eite, und der (ungehörigen) Vermengung dieser beiden Arten von Schutzmitteln aus der andern S eite W enn der Prätor sich entschloß, eine Sache als Gegenstand der R e­ stitution zu behandeln, so entschied er allein über die Resti­ tution als solche vollständig, und gab höchstens nachher eine actio. W ir haben durchaus keinen Grund zu der Annahme, daß jemals im älteren Recht ein Theil der Restitutionssrage an einen Juder gewiesen worden wäre. (z ) P u c h ta Pandekten § 105. Institutionen §. 177.

§. 338. Restitution. — Verfahren.

(Fortsetzung.)

W ie das eigentliche Klagerecht au f eigenthümliche Weise aufgehoben werden konnte (a), so müssen auch für d as Recht zur R estitution, welches mit dem Klagerecht zwar nicht gleichbedeutend, dennoch verwandt ist, zwei besondere Aufhebungsgründe anerkannt werden. Diese sind: der V e rz ic h t und die V e r j ä h r u n g . I. V e rz ic h t. Z w ar hat dieser Aufhebungsgrund eine allgemeinere, über d as Gebiet der Restitution weit h inaus reichende N a tu r (§ 3 0 2 ); dennoch muß die Anwendung desselben au f die Restitution hier besonders festgestellt werden. D er Berechtigte kann seinen Auspruch au f Restitution, nachdem er ihn zuerst geltend machte, aufgeben durch eine ausdrückliche W illenserklärung. Diese wird desistere ge­ n an n t; es wird aber besonders bemerkt, dazu genüge eS nicht, wenn der Berechtigte blos den Prozeß liegen lasse, sondern er müsse seinem Recht selbst gänzlich entsagen (b). Dieselbe W irkung aber, wie die ausdrückliche Entsagung, hat die spätere Genehmigung oder Bestätigung derjenigen H andlung, gegen welche die Restitution hätte gesucht werden können; also die comprobatio oder ratihabitio (c). D es(a) S . o. B. 5 §. 230—255. (b) L. 20 § 1 de min. (4. 4), L. 21 eod. „Destitisse autem is videtur, non ' qui distulit,

sed qui liti renuntiavit in totum.“ (c) L. 3 § 1 de min. (4.4), L. 1.2 C. sim a jo rfactus (2.46).

240

Buch II.

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV.

Verletzung.

gleichen kann diese W irkung hervorgebracht werden auch durch solche Handlungen, welche mit dem Zweck und Erfolg der erlangten Restitution im Widerspruch stehen würden. H a t also z. B . ein M inderjähriger die Frist einer B. P. contra tabulas versäumt und gegen diese Versäum niß R e­ stitution gesucht, dann aber auö demselben Testament ein Legat eingefordert, so ist dadurch die Restitution unmöglich geworden, weil durch die Forderung des Legats die G ü l­ tigkeit deS Testaments anerkannt worden ist (d). Diese H andlungen sind nur dann dazu geeignet, d as Recht zur Restitution aufzuheben, wenn sie zu einer Zeit vorgenommen werden, worin der besondere Zustand, der den Restitutionsgrund bildet, bereits aufgehört hat. D er Verzicht au f die Restitution eines M inderjährigen ist also n u r wirksam, wenn er nach eingetretener Volljährigkeit erklärt w ird; denn ein früherer Verzicht würde wieder der­ selben Restitution unterliegen, wie das ursprüngliche Rechts­ geschäft, welches durch Restitution entkräftet werden soll. Eben so verhält es sich mit der Restitution wegen Z w anges, wenn der Verzicht erklärt wird unter dem fortdauernden Einfluß desselben Z w anges, der die Restitution begründete; D er Verzicht ist also nur gültig, wenn er im Zustand hergestellter völliger Freiheit erfolgt. D ie Anwendung dieser letzten Regel kann in solchen Fällen schwierig und zweifelhaft werden, worin ein Rechts(d)

L. 30 de min. (4 .4 ).

8- 3 3 8.

Restitution.

Verfahren.

(Forts.)

241

geschäst eine längere Zeit hindurch fortgeführt w ird, und in mehreren einzelnen H andlungen sichtbar hervortritt. H ier­ über sind die Aeußerungen U l p l a n ' S etw as schwankend. W enn ein M inderjähriger einen au f längere D au er berech­ neten V ertrag schließt, und nach erlangter Volljährigkeit einzelne H andlungen in Beziehung auf diesen V ertrag vor­ nim m t, so liegt darin eine Genehmigung, wodurch die R e­ stitution gegen den V ertrag ausgeschlossen wird (e). — F ängt ein M inderjähriger einen Rechtsstreit an , der w äh­ rend der Volljährigkeit zu seinem Nachtheil entschieden wird, so soll er gegen dieses Urtheil in der Regel nicht restituirt werden, sondern n u r ausnahm sw eise, wenn der Gegner unredlicherweise den Rechtsstreit so hingehalten hat, daß das Urtheil erst zu dieser Zeit erfolgte (f). — H a t ein M inderjähriger eine nachtheilige Erbschaft angetreten, und nach erlangter Volljährigkeit Erbschaftsschulden eingeklagt, so soll er dennoch Restitution gegen den Erwerb der Erb­ schaft erhalten, weil man au f den Anfang dieser Reihe von H andlungen sehen soll (g). (e ) L. 3 § 1 de min. (4 . 4 ). (f) L. 3 § 1 eit. Um diese Entscheidung richtig zu finden, muß m an hinzu denken, wie es auch w ohl U l p i a n m einte, daß das Urtheil unm ittelbar nach erreichter V olljährigkeit erfolgte, also ehe der nun volljährig Gewordene Zeit h atte, die bisherige nachtheilige Führung seines Rechtsstreits zu entdecken und zu verbessern.

(g ) L. 3 § 2 eod. „ . . p u ta v im u s ta rn en r e s titu e n d u m in in te g r u m , in itio in s p e c t o .“ D iese Entscheidung vermag ich nicht m it allgem einen Grundsätzen, und in s ­ besondere m it der Entscheidung über die B . P . (N ote d) in E in ­ klang zu bringen.

242

Buch II. Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

II. V e r j ä h r u n g (h). D er Gedanke liegt sehr nahe, die Verjährung der Re­ stitution als eine einfache Anwendung der Klagverjährung anzusehen, und daher die für diese letzte geltenden Regeln auf die Restitution unmittelbar anzuwenden. Dem Römi­ schen Recht aber ist dieser Gedanke völlig fremd, und in ihm hat die verjährte Restitution mehr Verwandtschaft mit einer versäumten Prozeßfrist, als mit einem verjährten Klagerecht ( i ) . Allerdings hat nun in unsrem heutigen Recht die Restitution, w as das Verfahren betrifft, weit mehr die Natur einer gewöhnlichen Klage angenommen (§ 337). Dennoch würde es auch hier ungehörig, oft unmöglich seyn, die Regeln der Klagverjährung auf die Restitution einfach zu übertragen; theils aus Gründen, die in der eigenthüm­ lichen Natur des Gegenstandes liegen, theils weil die A us­ sprüche des Römischen Rechts über die Verjährung der Restitution auf der Voraussetzung einer völligen Verschie­ denheit beider Nechtsinstitute beruhen. Eine durchgreifende Verschiedenheit zeigt sich unter andern darin, daß die Verjährung nicht blos anwendbar ist, wenn die Restitution angrifföweise, also einer Klage ähnlich wir­ kend, gebraucht werden soll, sondern auch, wenn sie Ver­ theidigungsweise gesucht wird, das heißt um eine verlorene (h) Davon handelt ausführlich B u r c h a r di § 2 7 . Vgl. U n t e r h o l z n e r Verjährungslehre§ 151. bis 155.

(i) S . o. B . 4 S . 300. 307, B . 8 S .4 1 5 .

§. 338. Restitution. Verfahren. (Forts.)

243

Erception wieder zu erlangen, oder anstatt einer Erception (die dadurch entbehrlich w ird) der Klage eines Andern ent­ gegen zu wirken. Z u r B egründung dieser Erception ist es also nöthig, daß der, welcher Anspruch au f die Restitution hat, diese binnen der vierjährigen Frist erbitte, auch wenn der Gegner nicht innerhalb dieser Frist die Klage anstellt, und dadurch das unmittelbare Bedürfniß einer Erception herbeiführt. D ie Nothwendigkeit, diese Restitutionsfrist zu w ahren, ist also nicht zu verwechseln mit einer V erjährung der Erception als solcher, von welcher allerdings nicht die Rede seyn kann (k ). E in wichtiger F all der Anwendung einer solchen E r­ ception ist schon oben vorgekommen. W enn die Sache eines Abwesenden von einem Anderen usucapirt w ird, nach der Rückkehr des vorigen Eigenthümerö aber durch Z ufall wieder in dessen Besitz kommt, so bedarf Dieser zu seinem Schutz keiner K lage, sondern nur einer Erception (§ 330. r ) . Um aber diese Erception in irgend einer künftigen Zeit mit Erfolg gebrauchen zu können, muß er den Anspruch auf dieselbe durch Restitution binnen vier Jah ren begründen. Gesetzt nun, dieser vorige Eigenthümer verliert aberm als den wieder erlangten Besitz, bevor es zu einem Rechtsstreit gekommen ist, so befindet er sich wieder in der früheren (k ) S . o. B . 5 S . 414. 415. beobachten, ausdrücklich anerkannt F ü r den F all der Minderjährigkeit von U l p i a n in L. 9 § 4 dejurej. wird die hier aufgestellte Noth- (1 2 .2 ). Wendigkeit, die Restitutionssrist zu

244

Buch II. Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

Lage, und bedarf der Restitution, um seine Klage gegen D en , der usucapirt h at, zu begründen oder zu sichern, so wie es oben ausgeführt worden ist. D am it scheint im Widerspruch zu stehen eine S telle des P a u l u s , nach welcher diese neue Klage nicht mehr an die Restitutionsfrist gebunden seyn soll (1). Diese Behauptung läßt sich mit allgemeinen Grundsätzen nur durch die Annahme in E in­ klang bringen, daß hier P a u l u s von der Klage gegen einen dritten Besitzer rede, nicht gegen D en , welcher usu­ capirt hat. D enn wenn gegen diesen D ritten mit der P u bliciana geklagt w ird, so hat derselbe allerdings nicht die exceptio dominii (da nicht er usucapirt h atte), und eö bedarf m ithin auch nicht zu deren Ueberwindung einer R e­ stitution, also auch nicht der Beobachtung einer Restitutionssrist. §.

339.

{R estitu tion . — V e r f a h r e n .

( F o r t s e t z u n g .)

E s sind nunmehr die B e d i n g u n g e n dieser V erjährung aufzustellen; die Anordnung dieser Bedingungen soll, der leichteren Vergleichung wegen, so viel als möglich den B e(1) L . 31 ex quib. caus, (4. 6) ,,8 i is, cujus rem usucepit reip. causa absens, posscssionem suae re i ab illo usucaptac nactus sit, etsi p o stea am iserit, non tem poralem , sed p crp etuam h ab et actionem .“ — Die Glosse seht zur Lösung der Schwie­

rigkeit v o ra u s, der vorige Eigen­ thüm er habe wirklich Restitution gesucht und erhalten, nachher aber den Besitz wieder erlangt. D an n aber verstand sich doch die Sache zu sehr von selbst, um noch einer E rw ähnung werth zu seyn.

8-

339.

Restitution.

Verfahren.

(Forts.)

245

dingungen der Klagverjährung angenähert werden (a). S ie beziehen sich au f den A n f a n g , die U n te r b r e c h u n g , den A b l a u f der V erjährung. 1. D er A n f a n g dieser V erjährung ist abzuleiten au s der N atu r des Restitiltionsgrundes. Dieser wurde im All­ gemeinen gedacht als ein besonderer (abnormer) Zustand des Verletzten, dazu geeignet, eine solche außerordentliche Rechtshülfe zu rechtfertigen (§ 3 2 0 ). D ie V erjährung fängt daher an in dem Zeitpunkt, worin jener abnorme Zustand aufhört; nicht früher, nicht später. F ü r die meisten u n d . wichtigsten Fälle hat diese Regel keinen Zw eifel; es wird d arauf ankommen, die einzelnen Restitutionsgründe unter diesen! Gesichtspunkt durchzugehen. D ie Restitution wegen M i n d e r j ä h r i g k e i t verjährt vom vollendeten fünf und zwanzigsten Lebensjahre an (b ); wird der M inderjährige früher für volljährig erklärt, von diesem Zeitpunkt an (c ). Diese Regel aber hat nicht zu­ gleich die B edeutung, als ob es dem M inderjährigen ver­ sagt wäre, schon früher die Restitution zu erbitten; er kann Dieses zu jeder Zeit thun (d), und eben hieraus erklärt es sich, daß auch gegen eine solche, au f übereilte B itte ertheilte, Restitution wiederum eine neue Restitution gesucht werden kann (§ 319 Note u). (a) S . o. B. 5 §. 239 — 247. (b) L. 7 pr. C. de temp. (2. 53).

(c) L. 5 pr. C. de temp. (2. 53). (d) L. 5 § 1 C. de in int. rest. min. (2. 22).

246

Buch II

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

D ie Restitution wegen A b w e s e n h e i t verjährt von dem Zeitpunkt an , mit welchem das H inderniß der Rechtsver­ folgung aufhört (e); also in der R egel, sobald der Ab­ wesende nach seinem W ohnort zurückkehrt. D ie Restitution wegen Z w a n g muß nach demselben Grundsatz verjähren von der Zeit a n , in welcher der ab­ norme Zustand des Z w anges, d. h. der absichtlich erregten Furcht, aufhört, der Verletzte also seine volle Freiheit zu handeln wieder erlangt. D ie Zweifel gegen diese Annahme können erst bei dem A blauf der V erjährung deutlich gemacht werden. — Schon hier aber ist zu bemerken, daß diese Bestimmung von sehr geringer praktischer Erheblichkeit ist. D enn es kann zwar leicht geschehen, daß eine einzelne, vorübergehende H andlung durch Z w ang erpreßt werde, und d arauf eben bezieht sich diese ganze Restitution. Dagegen ist es nicht leicht denkbar, daß ein solcher Zustand so lange fortdauere, wie es zum A blauf der V erjährungszeit, oder auch nur eines merklichen T heils derselben, nöthig w äre; denn in einem solchen Zeitraum wird es fast iturnet dem Bedrohten möglich seyn, richterlichen oder polizeilichen Schutz für seine Freiheit zu finden. D ie Restitution wegen B e t r u g s wird auf gleiche Weise verjähren müssen mit dem Aufhören des abnormen Z u ­ standes, d. h. der Täuschung, in welche der Verletzte durch (e) L. 1 §1 ex quid. caus. (4.6), „intra annum quo primum de ea re experiundi potestas

erit“. L. 7 § 1 C. de temp. (2. 53).

§. 339.

Restitution.

den unredlichen W ille n

Verfahren.

des Gegners

247

(Forts.)

verseht worden ist.

D ie Z w eifel gegen diese Behauptung werden auch hier erst bei dem A b l a u f der V erjährung erwähnt werden. — P ie praktische Unerheblichkeit dieser Bestimmung,

die so eben

bei dem Zw ang bemerkt worden ist, läßt sich bei dem B e­ trug nicht geltend machen.

D enn der Zustand einer ab­

sichtlich erregten Täuschung kann allerdings lange Z e it h in ­ durch

fortdauern,

also

nicht blos a u f einzelne,

vorüber­

gehende Handlungen einwirken. Eben

so verhält

es sich m it der Restitution

wegen

I r r t h u m s , die also auch verjähren müßte von der Z e it an, in welcher der Verletzte von dem Ir r th u m befreit w ird . H ie r aber ist die Frage weniger erheblich, w eil diese ganze Restitution nicht n u r an sich unwichtig ist, fast

nur

einer

bei Prozeßversäumnissen vorkommt,

V erjährung

der Restitution

nur

sondern auch wobei

selten die

von Rede

seyn w ird . D e r bisher aufgestellte Grundsatz aber fü r den A nfang der V erjährung ist vö llig unanwendbar a u f diejenigen Re­ stitutionsgründe, welche nicht so, wie die bisher erwähnten, ein

zufälliges und

währendes Daseyn Restitution

der

vorübergehendes, haben.

So

sondern ein immer­

verhält es sich m it der

S ta d t g e m e in d e n ,

der K ir c h e n

und

K lö s t e r , die niemals aufhören, in dem Zustand zu seyn, der ihneir überhaupt Anspruch a u f Restitution giebt.

H ie r

bleibt N ichts übrig, als die V erjährung anfangen zu lassen von der Z eit der Verletzung selbst, gegen welche die Nesti-

248

Buch II Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

tution H ülfe gewähren soll. B ei den Kirchen ist dieser an sich unzweifelhafte Grundsatz auch gesetzlich anerkannt (f). D er Anfang der V erjährung ist hier in der Regel fest­ gestellt worden auf die Z eit, in welcher der den Restitu­ tionsgrund bildende abnorme Zustand aufhört; ausnahm s­ weise au f die Zeit der Verletzung. Nach einer sehr ver­ breiteten M einung aber soll selbst in diesen Zeitpunkten die V erjährung nicht anfangen können, wenn nicht.noch eine andere B edingung hinzutrete: das B e w u ß t s e y n des V er­ letzten von der erlittenen Verletzung (g). Einige stellen diese B ehauptung ganz allgemein auf, also schon für das Römische Recht. I n dieser Gestalt ist sie am entschiedensten zu verwerfen, da sie mit Irrth ü m ern theils über eine ähnliche Bedingung der K lagverjährung, theils über den Römischen Kunstausdruck der expcriundi potestas zusammenhängt. Andere wollen dieselbe Behauptung nur aus dem canonischen Recht ableiten, welches in Beziehung auf die Kirchen das Bewußtseyn der Verletzung für den Ansang der V er­ jährung fordern soll; theils indem sie nun den Satz selbst

(f) CA de rest. in VI. (1.21) „si quadriennii s p a t i u m s i t lapsum“ (nämlich post sententiam vel eontractum). C. Z eod. „infra quadriennium ab ipsius con/essionis tempore computandum“. Clem.un. derest. (1.11)

„infra quadriennium continuum a tempore laesionis". (g) Vgl. oben B. 3 S . 415, B. 5 S . 282. — Glück B. 6 § 405 Rote 3. Burchardi S . 517 — 524. Puchta Pandekten § 105. e.

§. 339. Restitution.

Verfahren.

(Forts.)

249

auf die Kirchen beschränken, theils indem sie demselben eine allgemeinere Bedeutung beilegen, und die E rw ähnung bei den Kirchen n u r für einen zufälligen Umstand halten, indem das canonische Recht ihn als allgemein w ahr voraus­ setze (h). I n der T hat aber enthält das canonische Recht jenen S atz gar nicht, weder allgemein, noch für die Kirchen. M a n hat denselben finden wollen in den Ausdrücken: „Ecclesia quae . . beneficium rcstitutionis in integrum . .

negligenter omiserit “ ( i) ; eine Nachlässigkeit nämlich sey

n u r vorhanden, wenn die Kirche von der Verletzung unter­ richtet sey, und dennoch die B itte unterlasse. — D abei liegt ein gänzliches Verkennen des W esens dieser V erjährung zum G runde. D a s Römische Recht geht au s von der Ansicht, daß jeder M inderjährige, der volljährig werde, jeder Abwesende, der zurückkehre, sogleich seinen ganzen Rechtszustand durchforschen solle, um etwa vorgefallene V er­ letzungen zu entdecken und zur Abhülfe zu bringen. D azu hält man V ier Ja h re (früher E in J a h r ) für hinreichend, und wee. in dieser Zeit eine Verletzung nicht entdeckt, der gilt als nachlässig, und verfällt der V erjährung; nicht ebst, wenn er sie entdeckt und n u r zu träge ist, um sie vor G e­ richt geltend zu machen (k). D a ra u f bezieht sich nun der (h ) Ueber diesen letzten Gegensah erklärt sich schwankend B u r ch a rd i @ .523 („ z u m w e n ig s te n was die Restitution der Kirchen. . betrifft").

(i) C. 1 de rest. in VI. (1 .2 1 ) Fast mit denselben Worten in C. 2 eod. (k ) Eben so verhält es sich auch mit dem Anfang der Klag-

250

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

Ausdruck des canonischen R echts: negligenter omiserit, da w ir durchaus keinen G rund haben zu der Annahm e, daß daS Römische Recht hierin von den Päbsten entweder miß­ verstanden sey, oder habe abgeändert werden sollen. Nach der hier aufgestellten Ansicht ist also für den An­ fang der V erjährung d as Bewußtseyn des Verletzten ganz gleichgültig. N u r bei zwei Restitutionsgründen verhält es sich in sofern anders, als bei ihnen der abnorme Zustand, dessen Aufhören oben erfordert wurde, damit die Bew ährung anfangen könne, gerade in dem mangelhaften Bewußtseyn des Verletzten besteht. Dieses ist der B etrug und der Irrth u m . D er Verletzte muß also aufgehört haben, unter der Herrschaft jenes mangelhaften Bewußtseyns zu stehen, damit die V erjährung anfangen könne; die Täuschung ist in diesen Fällen Dasselbe, welches in anderen Fällen die M inderjährigkeit oder die Abwesenheit ist, ein in besonderen Schutz genommenes H inderniß, Schaden abzuwenden. D ie hier aufgestellte B ehauptung also geht nicht etwa au f eine A usnahm e von den oben angegebenen Grundsätzen, 'sondern vielmehr au f eine reine Anwendung derselben (1). Eine unmittelbare Bestätigung dieser Behauptung liegt in einer S telle des canonischen Rechts. W enn eine Kirche

Verjährung, nur mit dem Unterschied, daß dabei kein abnormer Zustand aufgehört haben muß, folglich die Verjährung stets m it der Verletzung selbst anfängt.

(1) A uf die Restitution wegen Zwanges kan» Dieses natürlich nicht angewendet werden, da es kaum denkbar ist, daß Jemand zu einer Handlung gezwungen werden sollte,

§. 339. Restitution. Verfahren. (Forts.)

251

durch ihr gerichtliches Geständniß in Nachtheil kommt, so kann sie als Kirche Restitution verlangen binnen V ier Jah ren , von dem Geständniß an. W enn sie aber einen Irrth u m in dem Geständniß nachweist, und deswegen (so wie jeder Andere) Restitution begehrt (§ 3 3 1 ), so ist sie an die V ier Ja h re nicht gebunden (m ). D a s w ill sagen, die Restitutionsfrist werde ihr dann gerechnet, nicht von dem Geständniß (der Läsion) an, sondern von der Zeit des entdeckten Irrth u m s an. D a rin liegt zugleich die vollstän­ dige W iderlegung der so eben erwähnten B ehauptung, nach welcher die Kirchen wegen des Anfangspunktes der ihnen a l s K i r c h e n zustehenden Restitution besonders privilegirt seyn sollen. §. 340. Restitution. — V erfahren.

(Fortsetzung.)

2. U n u n t e r b r o c h e n e F o r t d a u e r der V erjährung. D ie zweite Bedingung der V erjährung besteht (bei der Restitution, wie bei den K lagen) in der ununterbrochenen Fortdauer bis zum S chluß: E s fragt sich also, worin eine Unterbrechung derselben bestehen könne. Diese kann erstlich darin liegen, daß der abnorme Z u ­ stand, in dessen Aufhören der Anfang der V erjährung gesetzt w urde, vor dem A blauf von Neuem eintritt. B ei der M inderjährigkeit ist D ieses von selbst unmöglich, bei der ohne zugleich zu wissen, daß Dieses zu seinem Schaden geschehe.

(m ) C. 2 de restit. in VI. (1, 21).

252

Buch II.

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV.

Verletzung.

Abwesenheit kann es allerdings vorkommen. W enn also der Abwesende zurückkehrt, vor A blauf der V erjährung seinen W ohnort aberm als verläßt, und diesen abwechselnden Zustand vielleicht öfter wiederholt, so sind zwei verschiedene Behandlungen dieses Falles denkbar. M a n könnte erstens alle einzelne Zeiten der G egenw art zusammen rechnen, und die V erjährung als vollendet annehmen, wenn die Sum m e der gesetzlichen Verjährungszeit gleich käme. M a n könnte aber auch zweitens die Verjährung n u r dann für vollendet halten, wenn irgend eine einzelne Zeit der G egenw art so lange gedauert hätte, als das Gesetz für die V erjährung fordert. Von diesen beiden Berechnungsarten ist die zweite, dem Verletzten günstigere, als die richtige anzusehen (a ). D abei liegt also der Gedanke zum G runde, dem Verletzten müsse irgend einmal die volle, ununterbrochene V erjährungs­ zeit gestattet worden seyn, um an seinem W ohnort prüfen (a ) L. 28 § 3 ex quib. caus. ( 4 .6 ) . D aß die S te lle wirklich diesen S in n h a t, zeigt folgender A nfang derselben: „ S i q u is s a e p iu s r e ip . c a u sa a b fu it, ex novissimo reditu te m p u s r e s t itu tio n is e s s e e i c o m p u ta n d u m , L a b e o p u ta t“ ; wobei natürlich vorausgesetzt w ird, daß er nicht schon nach der früheren Abwesen­ heit, in welcher er durch Usucapion einen Verlust erlitten hatte, ein volles J a h r zu Hause geblieben war. D ie nachfolgenden W orte könnten so verstanden werden, a ls

wenn von einem Zusammenrechnen der Z e i t e n d e r A b w e s e n h e i t die Rede seyn möchte, die doch ganz gleichgültig sind. I n den W orten: s i o m n e s q u id e m a b s e n tia e an m im c o llig a n t liegt daher ein ungenauer Ausdruck für die auf jede Abwesenheit folgende Zeit der G egenw art, während welcher ja allein die Verjährung laufen kann. Cujacius o b s. X IX . 15 sagt ganz richtig, a b se n tia e stehe hier für in te r v a lla a b se n tia ru m .

§. 340. Restitution. Verfahren. (Forts.)

253

zu können, welchen Einfluß die Vergangenheit, in welcher er abwesend w a r, au f seine Rechtsverhältnisse etwa au s­ geübt haben möge. Zw eitens kann die Unterbrechung aber auch darin liegen, daß der Verletzte sein Recht zur Restitution wirklich geltend macht; dürften w ir hier die Regeln von der K lagverjährung anwenden, so würde die Unterbrechung schon in der I n ­ sinuation des Restitutionsgesuchs zu finden seyn (b). Allein J u s t i n i a n sagt ausdrücklich, innerhalb der V erjährungs­ frist müsse der Restitutionsprozeß nicht nur angefangen, sondern auch v o lle n d e t w e r d e n , sonst sey die Restitution ver­ loren (c). E s würde unrichtig seyn, diese Vorschrift, so fremdartig sie u ns erscheinen m ag, als eine von J u s t i n i a n au s­ gegangene willkürliche Neuerung anzusehen. Schon frühere Kaisergesetze stimmen damit völlig überein (d ); ja auch schon die alten Juristen setzen denselben Grundsatz voraus, indem sie den A blauf der Frist vor beendigtem R estitutions­ prozeß nur dann für unschädlich halten, wenn die V er­ zögerung des Rechtsstreits dem Gegner zur Last fällt (e). Auch schließt sich diese Vorschrift ganz einfach an die P ro ­ zeßverjährung des alten Rechts an, und sie w ar bei der

(b)

S . o. B. 5 § 242. litem“. Wiederholt und bestätigt L. 7 pr. C. de temp. in Clem. un. de re st. (1. 11). (2.53) ,, continuatio temporis (d) B urchar d i S. 503 — observetur ad interponendam 506. contestationem ßniendamque (e) L. 39 pr. de min. (4.4). (c)

254

Buch

II Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

Restitution um so natürlicher, alö diese stets durch bloße cognitio vor dem P rä to r abgemacht w urde, die w ir gewiß als ein sehr schleuniges Verfahren denken dürfen. F ür unsren heutigen Prozeß aber würde die Beobach­ tung dieser Vorschrift ganz unpassend seyn, und so ist denn auch die P r a r is von jeher darüber einverstanden gewesen, dieselbe unbeachtet zu lassen (k). D ie Unterbrechung der V erjährung erfolgt demnach durch die Insinuation des R estitutionSgesuchs, und die V erjährung der Restitution ist in in diesem Punkte mit der Klagverjährung ganz auf gleiche Linie getreten. 3. A b l a u f der V erjährung. Dieser w ar ursprünglich auf E in J a h r bestimmt, und zwar auf einen annus utilis, sowohl für die M inderjährigen, als für die V olljährigen (g). B ei den M inderjährigen heißt diese Zeit legitimum terapus (h), ohne Zweifel, weil sie au s der L e r P l ä t o r i a au f die Restitution übertragen w ar (i). C o n s t a n t i n gab für diese V erjährungszeit mannichfaltige und verwickelte Vorschriften (k). J u s t i n i a n aber führte wieder Alles au f eine einfache, leicht anwendbare Regel zurück, indem er anstatt des alten annus utilis V ier (f) Durch ardi S . 507. Göschen Vorlesungen S. 543. (g) L A S de min. (4. 4), L, 7 pr. C.de temp. (2.53) (fürMinderjährige). — L. 1 § 1, L. 28§ 3. 4 ex quib. caus. (4. 0) (für Volljährige).

(h) L. 10 detnin. (4. 4), L. 6 pr. C. de temp. (2.53.). (i) Zeitschrift für geschichtliche RechtswissenschaftB. 10 @.253. — Unrichtig bezieht Burchardi S . 499 diesen Ausdruck auf das prätorische Edict. (k) Burchardi S. 500.501.

8-

340.

Restitution.

Verfahren.

(Forts.)

255

gewöhnliche Kalenderjahre (quadriennium continuum), a ls allgemeine V erjährungsfrist der Restitution vorschrieb (1). R u r bei den für volljährig erklärten M inderjährigen gilt d as besondere R echt, daß ihre Restitution für frühere V er­ letzungen niem als vor dem vollendeten fünf und zwanzigsten Ja h re verjähren soll, so daß also in diesem F all die V er­ jährung zuweilen länger als V ier Ja h re dauern kann (m). Irrigerw eise wird die von J u s t i n i a n neu eingeführte Zeit der V ier Ja h re von M anchen auch au f die sogenannten Restitutionsklagen angewendet (n); diese falsche M einung ist eine Folge der schon oben ausführlich widerlegten V er­ mengung dieser Klagen mit der Restitution (§ 316). — Eben so irrig ist es, wenn Andere die V erjährung der V ier Ja h re nicht nur au f das sogenannte Judicium rescindcns, sondern auch au f das rescissorium beziehen, so daß jedes dieser Rechtsmittel seine besondere vierjährige V erjährung haben soll (o). Diese M einung beruht au f einem gänzlichen Verkennen der N atu r dieser beiden Rechts­ mittel. D a s sogenannte rescindens ist der einzige, aber auch vollständige Restitutionsprozeß, und d arauf beziehen sich die V ier Jah re. D a s rcscissorium ist eine gewöhnliche Klage, die von der verschiedensten A rt seyn kann, und bald dieser, bald jener Klagverjährung unterworfen ist ( p ) ; (l) (m) (n) so) (p)

L . 7]>r. C. de temp. (2.53). L. 5pr. C. de temp. (2.53). B u r c h a r d i S . 513.514. B u r c h a r d i S . 507.508. Diese Klagverjährung kann

in jedem Fall erst anfangen von der Zeit der rechtskräftig ertheilten Restitution, weil die Klage ver­ loren war und erst jetzt wieder entstanden (actio n ata) ist. Es wird

256

Buch II.

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

dafür war gar kein Bedürfniß vorhanden, jetzt etwas Neues vorzuschreiben. Dagegen muß allerdings behauptet werden, daß die vierjährige Verjährung für alle Restitutionen gilt (q). Von den wichtigsten Restitutionen, wegen Minderjährigkeit und Abwesenheit, ist Dieses schon oben dargethan worden (Noten g. 1). E s bedarf nur noch einer näheren Prüfung dieser Frage in Beziehung auf Zwang und Betrug, wobei auch die schon oben erwähnte, aber ausgesetzte Frage wegen des Anfangs der Verjährung in diesen beiden Fällen (§ 339) ihre Erledigung finden muß. D ie actio quod metus causa verjährt in Einem annus utilis von der Zeit des Zwanges an, und es scheint in­ konsequent, daß daneben eine vierjährige Restitution wegen desselben Zwanges gelten sollte. Allein jene kurze Verjäh­ rung tilgt die Klage nur, insofern sie zur Strafe des vier­ fachen Ersatzes führen kann; wird sie auf den einfachen Ersatz gerichtet, so ist sie ganz ohne Verjährung (r). D a nun die Restitution stets nur zum einfachen Ersatz führt, so ist es gewiß nicht inkonsequent, neben der immerwäh­ renden Klage eine auf Vier Jahre beschränkte Restitution zur W ahl zu stellen. aber von ihr fast nie die Rede seyn, w eil die Restitution meist gesucht.wird von D em , welcher die restituirte K lage unm ittelbar dara u f anstellen w ill. (q ) V u r c h a r d i S . 5 0 9 — 514. N u r freilich nicht, wie dieser Schrift-

steller behauptet,, für die Restitution wegen c a p itis d e m in u tio , die int alten Recht gar keine Verjährung hatte, und im neuen Recht nicht mehr vorhanden ist (§ 3 3 3). (r ) L. 14 § 1. 2 quod metus (4 .2 ) .

8 340. Restitution. Verfahren. (Forts.)

257

D ie actio doli v erjäh rt nach C o n s t a n t i n 's Gesetz in Z w ei J a h r e n , welche vom B etru g selbst an fan g en , ohne Rücksicht a u f d as B ew ußtseyn des B etro g en en (s). D a b ei scheint eS wieder inkonsequent, eine vierjährige R estitution daneben zu stellen, und diese erst anfangen zu lassen, w enn der B etrogene die Täuschung erfährt (§ 3 3 9 ). A llein die zw eijährige V e rjäh ru n g (früher einjährig) geht n u r n u f die eigentliche actio doli, welche entehrt; daneben steht eine im m erw ährende actio in factum a u f bloße E ntschädigung m it S ch o n u n g der E h re (t), und neben diese K lage auch noch eine au f gleichen Zweck gerichtete vierjährige R estitution zu stellen, ist gew iß nicht inconscqucnt; auch kann es nicht störend gefunden w erden, daß die actio in factum a u f die B ereicherung des B eklagten beschränkt w ird , welche B e ­ schränkung bei der R estitution nicht vorkommt. §.

341.

Restitution. — Verfahren. (Fortsetzung.)

B ei der V erjäh ru n g der R estitution sind zuletzt noch einige F rag en von besonders verwickelter N a tu r zu erörtern, die sich a u f d as Zusam m entreffen m ehrerer N estitutionsgründe beziehen. I n solchen F ällen werden fast im mer ver­ schiedene Zeitpunkte des A blaufs der V erjäh ru n g eintreten, und cs ist dann zu bestimmen, in welcher V erbindung diese verschiedene R estitutioneit aufzufassen sind, um d a s Schicksal der R estitution überhaupt festzustellen. (s)

L. 8 C. de dolo (2. 21).

(t) L. 23 de dolo (4.3).

17

258

Buch II.

Rechtsverhältnisse.

Kap- IV. Verletzung.

E in solches Zusammentreffen mehrerer Restitutionen kann vorkommen sowohl in einer und derselben P erson, a ls in mehreren Personen, wenn nämlich die eine Restitution durch Succession auf eine andere Person übergegangen ist (§ 335). I. '33ei dem Zusammentreffen mehrerer Restitutionsgründe in einer und derselben Person ist vor Allem die Frage zu beantworten, ob es zulässig ist, gerade gegen die Verjährung einer Restitution wiederum eine neue Restitution zu suchen. D iese Frage wird von unsern Schriftstellern schlechthin ver­ neint, und zwar au s zwei Gründen: erstlich au s dem all­ gemeinen G runde, w eil sonst kein Ende des Restituirens zu finden wäre, zweitens wegen einer ausdrücklichen S telle des U l p i a n , L . 2 0 p r . de minor. (a ). B eide Gründe sind aber unhaltbar, und ich muß jene Frage entschieden bejahen. D a ß es mit der angeblichen Endlosigkeit der R e­ stitution keine Gefahr hat, wird sich au s der Betrachtung der einzelnen möglichen Fälle solcher Art ergeben, die über­ haupt nur äußerst selten vorkommen können; die S telle des U l p i a n aber hat einen ganz anderen S in n , wie sogleich gezeigt werden wird. Erstlich machen gar keine Schwierigkeit die Fälle, in welchen die Minderjährigkeit a ls Restitutionsgrund zuletzt vorhanden ist. Gesetzt, es wird eine S ach e von einem Abwesenden usucapirt, welcher in die Heimath zurückkehrt, a ls der vorige Eigenthümer Z w anzig Jahre alt ist, so vcr(a) D u rch a r d i lesungen S . 210.

S . 134.

P u c h ta Pandekten §. 107. h. Vor­

8- 341. Restitution. Verfahren. (Forts.)

259

jährt die Restitution wegen Abwesenheit binnen V ier Ja h re n , und man könnte nun fragen, ob der Verletzte gegen diese V erjährung als M inderjähriger Restitution erhalten könne. Diese Frage ist aber ganz m üßig, denn da die Restitution der M inderjährigen die umfassendste unter allen ist, so kann der Verletzte bis zum A lter von Neun und zwanzig Jah ren gegen jene Usucapion schon als M inderjähriger unm ittelbar Restitution erlangen, wobei dann die Abwesenheit, so wie die bereits eingetretene V erjährung, und die Restitution gegen diese V erjährung, als ganz gleichgültig erscheint. Betrachten w ir aber nun den umgekehrten F all, da die M inderjährigkeit als Restitutionsgrund nicht zuletzt vor­ handen ist. Gesetzt, ein M inderjähriger ist abwesend, während seiner Abwesenheit wird er volljährig, nachdem er (vor oder in der Abwesenheit) einen nachtheiligen V er­ trag geschlossen hat. A ls er D reißig Ja h re alt ist, kehrt er zurück. Eigentlich ist seine Restitution schon seit einem Jah re verjährt, es fragt sich aber, ob er gegen diese V er­ jährung Restitution suchen könne. Dieses verneint U l p i a n , übereinstimmend mit P a p i n i a n (b ), indem er sagt, die Abwesenheit sey hier nicht zu berücksichtigen, und das ist eben die S telle, w oraus bewiesen werden soll, daß gegen die V erjährung einer Restitution überhaupt keine Restitution möglich sey (N ote a). Allein U l p i a n giebt gar nicht diesen G rund seiner Entscheidung an, sondern vielmehr den (b)

L. 20 pr. de min. (4.4).

17*

260

Buch II.

Rechtsverhältnisse.

Kap. IV . Verletzung.

ganz anderen, daß hier die Abwesenheit gar kein H inderniß fü r die B itte um Restitution gewesen sey, Grundbedingung

aller Restitution

daß also die

fehle (§ 320 Note d ) ;

denn auch während der Abwesenheit habe die Restitution gegen den V ertrag gesucht werden können,

und zwar so­

w ohl durch einen P rocurator bei dem P rä to r in R om , als in eigener Person bei dem S ta tth a lte r der P ro v in z , w o rin der vo lljä h rig Gewordene lebte (welches Letzte P a p i n i a n dicht einmal erwähnt hatte).

H ie rin zeigt sich nun wieder

die Verschiedenheit der Klagen von der Restitution.

W enn

ein abwesender M in d e rjä h rig e r ein ihm zustehendes einjäh­ riges Jnterdict verjähren läßt, dann vo lljä h rig w ird , und später zurückkehrt,

so kann er nun noch das Jnterdict an­

stellen binnen der Nestitutionsfrist, und diese Frist lä u ft ihm nicht von der V o lljä h rig ke it, an (c). —

In

dem F a ll,

sondern von der Rückkehr

welchen U lp i a n a nführt,

war

der Abwesende ein zur S tra fe Verbannter gewesen,

und

diesen Umstand machte P a p i n i a n als einen unterstützenden G rund

jener

U lp i a n ,

Entscheidung

geltend.

Deshalb

tadelt ihn

indem hier das Verbrechen keinen E influß habe,

(c) L \5$.G quodvi (43 24). D ie Restitution wegen M inderjä h rigte it kommt mm gar nicht in Betracht, weil die wegen Abwesen­ heit Alles entscheidet. — D er Grund des Unterschieds liegt zu­ nächst und formell darin, daß das Cdict über die Abwesenden von einer verlorenen a c tio sprach, unter

welche Bezeichunng die Restitution nicht gehörte. D er tiefer liegende innere Grund aber war wohl der, daß cs weit leichter war, auch aus der Ferne ein Nestitntionsgcsuch zur prätorischen c o g n itio zu bringen, als einen ordentlichen Prozeß vor den 2uder.

§. 341. Restitution. Verfahren. (Forts.)

261

sondern lediglich das Alter an sich (und die Abwesenheit an sich) zu berücksichtigen sey (d). — Nach der Ansicht U l p i a n 's also sollte auf die G ründe der Abwesenheit gar nicht gesehen werden. H ierin aber machte das spätere Recht eine Ausnahm e zum Besten der S oldaten, die nicht auffallen kann, da sie zu den zahlreichen, auch sonst schon bekannten, P rivilegien dieses S tan d es gehört. W enn nämlich ein M inderjähriger während des Soldatenstandes volljährig w ird, so soll die Verjährungszcit nicht von der V olljährig­ keit, sondern von dem A u stritt au s dem Soldatenstand an­ fangen (c). W enn ferner gegen einen M inderjährigen eine Usucapion vollendet w ird, derselbe aber später in den S o l­ datenstand eintritt, so soll er noch immer H ülfe gegen jene Usucapion erhalten können (f). Beide Aussprüche gehen unzweifelhaft von der Ansicht a u s , daß, vermöge eines besonderen V orrechts, der S o ld at als Abwesender Restitu­ tion erhalten müsse gegen den A blauf der V erjährungsfrist einer Restitution, die ihm seines minderjährigen A lters wegen zugestanden hätte. Ich will aber nun noch den wichtigsten und am wenigsten verwickelten F all anführen, in welchem die oben erwähnte S treitfrage vorkommen kann. W enn Jem and au s irgend einem G runde, wegen M inderjährigkeit, Abwesenheit u. s. w., (cl) L. 20pr. dt. „Quid enim für bcncficium aetatis, Neft'tucommune habet dclietuin cum ttontfanfprucs) des Minderjährigen, venia aetatis?“ venia aetatis Vgl. auch oben § 32 G Note r. ist hier nicht in dem sonst gewöhn(e) L 1 C. sie timp. (2.53) liehen S.nn zu nehmen, sondern ( f ) L. 3 C. eod.

262

Buch

II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV.

Verletzung.

Anspruch auf Restitution h at, und diese Restitution, ge­ täuscht durch Betrügereien seines G egners, verjähren läßt, so fragt es sich, ob er gegen diese V erjährung die R e­ stitution wegen B etrugs verlangen kann. Nach der oben angeführten M einung (Note a) muß diese Frage verneint werden, ich halte die B ejahung für ganz unzweifelhaft. D a ß durch diesen F all keine endlose Ausdehnung und W ie­ derholung der Restitution herbeigeführt werden könne, wird wohl Jed er zugeben. E s ist aber ferner kein G rund denk­ b ar, weshalb dem Verletzten die actio doli gegen den B e­ trüger versagt werden könnte. W ird nun diese zugegeben, so muß er vielmehr die nicht entehrende Restitution erhalten, da diese im vorliegenden F all völlig zu demselben Erfolg fü h rt, wie die Klage, und also der Klage nach allgemeinen Grundsätzen vorgezogen werden muß (§ 332 Note s). Diese Restitution führt also dahin, daß die verjährte frühere R e­ stitution als nicht verjährt behandelt, und dem Verletzten gewährt werden muß. D ie hier aufgestellte Behauptung über die Restitution wegen B etru gs gegen die V erjährung irgend einer anderen Restitution findet eine unmittelbare Bestätigung im canonischen Recht. H ier wird gesagt, die vierjährige V er­ jährung der den Kirchen zustehenden Restitution könne ent­ kräftet werden, wenn der Gegner durch B etrug diese Ver­ jährung bewirkt habe (g). E s ist durchaus kein G rund (g) C. 1 de rcstit. in Vf. (1.21). ,,Ecclesia . . . si qua-

dricnnii spatium post sit lapsinn, et negligcnter omiscrit,

§. 341. Restitution. Verfahren. (Forts.)

263

vorhanden, diesen Ausspruch a ls ein besonderes Privilegium der Kirchen anzusehen, indem auch die Fassung des A u s­ drucks nicht hierauf, sondern au f die Anerkennung einer allgemein bekannten Rechtsregel hindeutet. Eben so ist kein Zw eifel herzuleiten au s einem Zusatz der angeführten Decretale (h ), der so allgemein gefaßt ist, daß man dadurch verleitet werden könnte, die ganze Bestiminung für eine Aeußerung willkürlicher B illigkeit, nicht für die Aner­ kennung einer Rechtsregel zu halten. Auch dieser Zusatz läßt sich streng rechtfertigen. D ie Kirche nänilich kann au s individuellen Gründen, oder auch au s allgem einen, w ie K rieg, A u fru h r.», s. w -, längere Zeit ohne Schutz und Vertretung seyn. D a rin würde, in Anwendung der gene­ ralis clausula , ein hinreichender Grund der Restitution gegen alle in diese Zeit fallende Versäumnisse liegen, also unter anderen auch gegen die Versäumniß der Frist einer Restitution, die sie in ihrer Eigenschaft a ls Kirche binnen V ier Jahren hätte begehren können. II. E s bleibt nun noch übrig, von dem Zusammen­ treffen mehrerer Restitutionen in Folge eines Successions­ falles zu sprechen. Darüber enthält d as Römische Recht folgende Regeln.

non est ad bcneficium hujusmodi admittcnda, nisi jiraevaricationis vel fra u d is manifeste probelur super hoc intej'venisse commentum . .

(li) 1. c. „ aut alia rationabilis causa subsit, quae superiorcm movere debcat ad idem bcneficium concedendum.“

264

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

W enn ein M inderjähriger auf Restitution gegen ein Rechtsgeschäft Anspruch h at, dann stirbt, und von einem M inderjährigen beerbt wird, so ist der Tod erfolgt entweder vor oder nach der Volljährigkeit des Erblassers. I m ersten F all hat der Erbe Vier Ja h re Zeit zur Restitution, welche von seiner eigenen Volljährigkeit an zu berechnen sind (i). I m zweiten Fall hat der E rbe, gleichfalls von seiner eigenen Volljährigkeit an , so viel Zeit zur Restitution, als der Erblasser zur Zeit des Todes von seiner eigenen Nestitutionssrist noch übrig hatte (k). Auch hier findet sich wieder ein Privilegium der S o l­ daten, ähnlich dem schon im ersten H auptfall erwähnten P rivilegium (Note c. f). W enn nämlich entweder der Erblasser, oder der Erbe, im Heere diente, so soll d a, wo sonst von der Volljährigkeit an zu rechnen w äre, stets erst der Abschied au s dem Heere als bestimmender Zeitpunkt angesehen werden (1). §.

342.

Restitution. — Wirkungen.

D ie au s dem G rundbegriff der Restitution folgende W irkung derselben ist die Herstellung des früheren Rechtszustandcs. H at nun die eingetretene Aenderung dieses Z u­ standes, die durch die Herstellung beseitigt werden soll, eine (i) L. 19 de mm. (4.4), h . 5 (k) L. I9 de min (4. 4), §. 1 C. de temp. (2. 53), P aulus L 5 § 2 C. de temp. (2. 53). I. 9 § 4. (1) L. 1. 3 C de timp. (2. 53).

§. 342.

Restitution.

Wirkungen.

265

ganz einfache N a tu r, wie z. B . die Schenkung, wozu ein M inderjähriger beredet worden ist, so kann jene Regel als ausreichend gelten', indem eben nur die einzelne H andlung in ihren'F olgen rückgängig zu machen ist. Allein viele, ja die meisten Aenderungen des Rechtszustandes haben eine so einfache N atu r nicht, indem sie vielmehr au s gegenseitigen Leistungen, also au s Vortheilen und Nachtheilen auf beiden S e ite n , zusammengesetzt sind. F ü r alle diese Fälle nun gilt die allgemeine und n atür­ liche Regel, daß der ursprüngliche Zustand nach allen S eiten hin wiederhergestellt werden muß (a ). Eine Anwendung ans die wichtigsten einzelnen Fälle wird diese Regel in das rechte Licht setzen. Durch ein empfangenes D a r l e h e n kann ein M inder­ jähriger in Nachtheil versetzt seyn, indem er das empfangene Geld verloren oder verschwendet hat; dann führt die R e­ stitution dahin, daß er Nichts zurückbezahlt (§ 319 Note d). H a t er das Geld nicht gerade verschwendet, sondern an einen unvermögenden Schuldner geliehen, so wird er da­ durch geschützt, daß er sich durch Cession der Klage gegen diesen Schuldner mit seinem G läubiger abfindet. H at er (a) L. 24 $. Ade min. (4.4), „ u t unnsquisqne in integrum jus suum recipiat“ — L. 23 ex qu. cfjtfs. (4. G) ,/videlicet ne cui officium publicum vel damno, vel campend,o sit“ . — L . 1 pr. C. de repntat. (2. 48.). „Qui rcstituitur, sicut in damno mo-

rari non deb e t, ita nec in lucro“ — Gleichbedeutend ist die Vorschrift, daß bei einem zwei­ seitigen Vertrag der Verletzte nur die Wahl hat, ob das Geschäft ganz gelten oder ganz nicht gelten soll. L. 13 §.27.28 de act. emti (19.1).

266

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

m it dem geliehenen Gelde einen nachtheiligen Einkauf vor­ genommen, so wird er gegen seinen Verkäufer restituirt, und bedarf dann einer Restitution gegen den D arleiher nicht (b). Gegen einen nachtheiligen V e r k a u f geht die Restitution des M inderjährigen zunächst dahin, daß demselben die ver­ kaufte Sache mit den Früchten der Zwischenzeit zurückgege­ ben werden muß (c). — D agegen muß der Verletzte von seiner S eite das empfangene Kaufgeld zurückzahlen, und zwar mit Zinsen, die gegen die Früchte aufzurechnen sind (d). — Diese Rückzahlung kann dadurch ausge­ schlossen werden, daß der M inderjährige das empfangene Kaufgeld verschwendet hat, welches der Källfer vorher­ sehen konnte (§ 319 Note i). I n diesem H ergang liegt dann eine doppelte Restitution: gegen den Verkauf, und gegen den Em pfang der Zahlung. — H a t der Käufer w ahre Verbesserungen an der Sache vorgenommen, so müssen ihm die Kosten derselben ersetzt werden (e). Dieselbe N atu r mit dem Verkauf hat, wie überhaupt, so auch in dieser Beziehung, die Uebergabe einer Sache a n Z a h l u n g s s t a t t . Auch dabei ist die gegebene Sache mit ihren Früchten zurück zu geben, und die Zinsen des Geldes sind dagegen aufzurechnen (1). (b) £ .2 7 §1 de min. (4.4), (c) £ . 24 § 4, £ .2 7 § 1 de min. (4.4).

(d)

£ . 27 § 1 , £ . 47 §1. de P aulus I. 9 §. 7. (e) £ .3 9 § 1 de min. (4. 4). (f) £ .4 0 § 1 de min. (4. 4), £ .9 8 § 2 de sohit. (40. 3). min. (4. 4).

§. 342. Restitution. Wirkungen.

267

D er nachtheilige E i n k a u f einer Sache wird nach gleichen Grundsätzen behandelt; auch hier ist die Sache m it ihren Früchten, das Kaufgeld mit Zinsen, zurück zu geben (g). Gegen eine nachtheilige A c c e p t i l a t i o n besteht die R e­ stitution d arin , daß dem unvorsichtigen G läubiger seine An­ sprüche zurück gegeben werden, und zwar nicht blos gegen den Schuldner selbst, sondern auch gegen dessen M itschuldner und B ü rgen , so wie gegen die P fänder (h). H a t ein M inderjähriger durch N o v a t i o n anstatt seines S chuldners einen schlechteren Schuldner angenommen, so w ird ihm die Klage gegen den früheren Schuldner restituirt (i). H a t er durch E r p ro M i s s i o n die Schuld eines Anderen übernommen, so wird durch die Restitution er selbst be­ freit, dem G läubiger aber seine verlorene Klage gegen den Schuldner wiederhergestellt; diese natürlich mit den d arauf früher haftenden Beschränkungen, z. B . wenn sie einer kurzen V erjährung unterw orfen, und diese zur Zeit der Erpromission bereits bis au f wenige Tage abgelaufen w ar (k). D ie Restitution gegen einen V e r g l e i c h hat die Folge,

(g) L. 27 § 1 de min. (4. 4), (h) L. 27. §2 de min. (4.4). (i) L. 27 § 3 de min. (4.4).

(k) L. 50 de minor. (4. 4), L. 19 de nov. (40.2), L. 1 § 1 C de reputat. (2. 48).

Buch II.

268

daß die

K -p . IV .

Rechtsverhältnisse.

gegenseitig

Verletzung.

aufgegebenen Ansprüche

von beiden

S eiten wieder aufleben (I). D ie Restitution gegen eine U s u c a p io n hat die Folge, daß dem Verletzten die verlorene Sache m it allen Früchten der Zwischenzeit herausgegeben werden muß (m ). Is t

eine

vortheilhafte

E r b s c h a ft

a u s g e s c h la g e n ,

oder durch unerfüllte Bedingung verloren w orden,

so be­

steht die Restitution nicht darin, daß D er, welcher sie erhält, nun wirklich E r b e w i r d ,

welches unmöglich ist;

er be­

kommt aber alle Klagen, die er als wahrer Erbe von selbst erhalten haben würde,

nunmehr als utiles actiones,

das

heißt also, es w ird ihm ein fingirtes Erbrecht verschafft (n ). — E r muß jedoch A lles als g ü ltig anerkennen, w as in der Zwischenzeit (E rben,

von

den

bis

Curatoren u. s. w .)

dahin

berechtigten

Personen

an den Bestandtheilen der

Erbschaft verändert worden ist (o). —

Ferner leben n u n ­

mehr auch alle Lasten und Verpflichtungen wieder auf, die dem Restituirten in der Eigenschaft eines Erben auferlegt w aren,

und

von

welchen

er

bis

zur Restitution

frei

w a r (p ). (1) L A . 2 C. si adv. transact. (2. 32). Anders verhalt es sich bei der Rest.tntion gegen ein Urtheil, wenn dieselbe nur Ein Stück streitiger Verhältnisse betrifft, und daneben andere, ganz unab­ hängige Stücke vorliegen; diese bleiben unberübrt durch die Re­ stitution. L . 28, L . 29 § 1 de min. (4. 4).

(m ) L 28 § C, L . 2D ex quid, caus. (4. 6). (n) L . l § 10 de m:n. (4.4), am Ende der Stelle. L . 21 § 6 quod nutus (4. 2). (o) L. 22 de min. (4.4) Diese Vorschrift sann sogar unter Um­ ständen zur Versagung der Re­ stitution führen. L 2 i §2 (od. (p ) L. 4 1 ex quib. caus. (4 6).

§. 342. Restitution.

Wirkungen.

269

D ie Restitution gegen den A n t r i t t e in e r E r b s c h a f t ist nach denselben Grundsätzen zu beurtheilen. D er Nestituirte ist und bleibt E rbe, und wird nur durch Fiction behandelt, als ob er nicht Erbe w äre (abstinendi potcstas ei tribuitur) (q). E r muß nun Dem, an welchen nunmehr die Erbschaft fällt, diejenigen Erbschaftsstücke herausgeben, die an ihn bleibend gekommen, oder durch bösen W illen nicht gekommen, oder untergegangen sind (r). — W enn er vor der Restitution Legate oder Schulden der Erbschaft ausgezahlt hat, so giebt er dafür keinen Ersatz; eben so ersetzt er nicht den W erth der durch seinen A ntritt frei ge­ wordenen S klaven, oder der S klaven, die er fideicommissarisch selbst freigelassen hat (s). D ie Restitution gegen den E r w e r b e i n e s L e g a t e s macht den Nestituirten frei von den Lasten, die ihm in der Eigenschaft eines Legatars alö Fideicommiß auferlegt w aren (t). §. 3 4 3 . Restitution.

— W irkungen.

(Fortsetzung.)

D ie Schriftsteller über die Restitution haben sich von jeher viel mit der Frage beschäftigt, ob die Restitution in pcrsonam wirke oder in re m , d as heißt, n ur gegen eine

(q) L. 21 § 5 quod metits (4.2), L. 7 §5, L. 31 de min. (4. 4). (r) L. 7 § 5 de min. (4.4)

am Ende. L. 1 § 2C .de reputat. (2.48), (s) L 22.31 de min. (4. 4). (t) L . 33 de min. (4. 4).

270

Buch II. Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

einzelne bestimmte P erson, oder in das Unbestimmte hin, gegen Personen, die sich vielleicht zur Zeit der erlittenen Verletzung noch gar nicht übersehen lassen. D aß überhaupt beide W irkungsarten vorkommen können, sagt in einem all­ gemeinen Ausspruch eine S telle des P a u l u s (a), die durch andere Stellen bestätigt wird (b). Nach einer unter unsren Schriftstellern sehr gangbaren Formel soll die Restitution in personam die Regel bilden, die in rem die Ausnahm e ( c ); in der T hat aber bedarf die Sache einer etw as tieferen Begründung (d). E s hängt diese Frage unm ittelbar zusammen mit der schon oben erör­ terten Bestimmung der v e r p f l i c h t e t e n Person in der R e­ stitution, oder des G egners des Verletzten (§ 336)', und diese Bestimmung muß nothwendig sehr verschieden a u s­ fallen, je nach der verschiedenen N atu r der Rechtsverhält­ nisse, w orauf sich die Restitution beziehen kann. D ie Restitution kann gerichtet seyn gegen eine Usucapion, also gegen eine nicht au f der H andlung des Eigenthüm ers beruhende Veränderung im Eigenthum , welcher F all vor­ kommen kann sowohl wegen M inderjährigkeit als wegen Abwesenheit. H ier versteht es sich von selbst, daß sie in rem wirkt, also gegen jeden Besitzer (e), wie sie denn auch (a) P aulus I. 7 § 4 „Integri restitutio aut in rem competit, aut in personam.“ Diese Stelle ist aber sicher stark verstümmelt. (b) L. 13 § 1 de min. (4. 4) Jnterdum untern restitutio et ,in rem datur minori“.

(c) (d) Note f, (e) (4. 6).

Burchardi S.416fg. Puchta Pandekten § 106 Vorlesungen S . 217.218. L. 30 § 1 ex qu. caus.

§. 343. Restitution. Wirkungen. (Forts.)

271

zunächst und hauptsächlich durch die Wiederherstellung der verlorenen Eigenthumsklage zur A usführung gebracht wird (S 329). Eben so ist kein Zw eifel, daß die Restitution gegen Pie Ausschlagung oder den A ntritt einer Erbschaft stets in rem wirkt, da sie au f ganz verschiedene und unbestimmte P e r­ sonen sich beziehen soll (§ 342). Auch wird ausdrücklich gesagt, daß die au s der Restitution hervorgehende Klagen au f Erbschaftssachen gegen jeden Besitzer derselben angestellt werden können, auch wenn der ursprüngliche Besitzer der Erbschaft sie veräußert hat (f). A nders verhält es sich mit der Restitution gegen einen geschlossenen V ertrag. Diese geht in der Regel gegen die P erso n , mit welcher der Verletzte den V ertrag geschlossen h at, und n ur ausnahm sw eise gegen dritte Personen; ftir diese Klasse von Fällen also ist die oben erwähnte Formel als richtig anzuerkennen (Note c). W ird also ein M inderjähriger gegen einen nachtheiligen Verkauf restituirt, so hat er in der Regel die Rückgabe des verlorenen Eigenthum s n u r von dem Käufer zu fordern (§ 342 Note c), nicht von dem dritten Besitzer, an welchen der Käufer weiter veräußert hat. Ausnahm sweise aber (g) wirkt die Restitution auch gegen den dritten Besitzer, wenn dieser um den V erkauf des M inderjährigen w ußte, oder (f) L. 17 pr. ex. qttib. caus. (4.6).

(g) Interdum, s. o. Note b.

272

Buch II. Rechtsverhältnisse.

Kap. IV. Verletzung.

wenn der erste Käufer zahlungsunfähig ist (h). I n einem solchen F all hat dann der dritte Besitzer, der die Sache herausgeben m uß, dieselben Regreßansprüche gegen seinen V orgänger, wie wenn er den Besitz durch eine E igenthum s­ klage verloren hätte (i). Dieselbe Behandlung findet sich, wenn einem M inder­ jährigen, der zur Z ahlung einer Schuld verurtheilt w ar, Sachen abgepfändet und verkauft worden sind; denn diese H andlung ist als ein im Namen des M inderjährigen, also von ihm selbst, geschlossener Verkauf anzusehen. W ird nachher die V erurtheilung durch Restitution aufgehoben, so kann der M inderjährige in der Regel nur die Sum m e der Schuld vom G läubiger wieder fordern (k); ausnahm sweise aber (I) kann er auch die verkauften Sachen von dem B e­ sitzer zurück fordern, wenn er durch das Entbehren in besonders großen Schaden versetzt werden würde (m ). Schon oben ist dargethan worden, daß bei einer er­ zwungenen V eräußerung der Verletzte die W ahl hat, ent(h) L. 13 § 1, L. 14 de min. (4. 4). (i) L. j 5 de min. (4. 4), L. 39 p r. de evict. (21. 2). (k) L . 9 pr. de min. (4.4) „nam illucl c er tum est, pecuniam ex causa judicati solutam ei restituendam“. (l) L . 9 pr. cit. „et puto, interdum permittendum“ . . . (m) jL. 9 pr. cit. ,,si grande damnum sit minoris“. L . 1 C. siadv.vend.pign. (2.29) „magno

detrimento . . . enorme dam­ num“ . . . L . 49 de min. (4. 4) „grande damnum“ ; diese Stelle muß offenbar, so wie die vorigen, von einem Verkauf tut Wege der Erecution verstanden werden, ob­ gleich sie das nicht ausdrücklich sagt. — Nicht zu verwechseln aber ist dieser Fall der pignora capta et distracta mit dem Fall, da der Pfandgläubiger verkauft; dagegen gilt gar keine Nestitution, s. oben § 323 Note e. f. g.

$. 343.

Restitution.

Wirkungen.

(Forts.)

273

weder gegen den Verletzer auf Entschädigung zu klagen, oder durch Restitution die Herstellung seiner verlorenen in rem actio zu verlangen, die er dann auch gegen jeden dritten Besitzer geltend machen kann (§ 330 Note e).

Sehr häufig ist das Verfahren bei einer Restitution so einfach, daß Alles abgethan ist mit dem einfachen Befehl an den Verpflichten, Geld zu zahlen oder eine empfangene Sache heraus zu geben (§.337 Rotem ). Dann hat die Restitution eine ähnliche Natur mit einer gewöhnlichen Schuldklage. Ist nun der zunächst Verpflichtete in fremder Gewalt als Sohn oder Sklave, so trifft die Verpflichtung, wie bei einer Schuld, auch den Vater oder Herrn, in sofern entweder dieser durch das Geschäft Etwas in sein Vermögm bekommen hat, oder ein Peculium vorhanden ist, wodurch er nach den Grundsätzen der actio de peculio verbunden wird (n). (n) L. 24 §. 3 de min. (4.4).

VII.

18

B e i l a g e n . XVIII. XIX.

B e ila g e XVIII. Restitution der Minderjährigen, welche in väterlicher Gewalt stehen.

L. 3 § 4 de minor. (4. 4). L. 2 C. de filiofam . minore (2. 23). (Z u 8 323 Note q). U eb er die Restitution der in väterlicher G ew alt stehenden M inderjährigen werden von den Schriftstellern folgende Sätze als sichere Regeln anerkannt: D er M inderjährige erhält gegen seine H andlungen dieselbe Restitution, wie wenn er nicht in väterlicher G ew alt stände, vorausgesetzt (so wie bei jeder R e­ stitution), daß er ein Interesse dabei h at; D er V ater soll von dieser Restitution keinen V ortheil ziehen, kann sie also nicht für sich geltend machen. Auch sind diese Sätze in der Hauptstelle, die von dieser Frage handelt, als Regeln so klar und entschieden a u s­ gesprochen, daß darüber kaum ein Zweifel seyn konnte (a). N u r wird fast eben so allgemein für den ersten dieser beiden Sätze eine A usnahm e behauptet, und diese A usnahm e ist (a) L. 3 § 4 de min. (4.4).

278

Beilage XVIII.

es, welche in der gegenwärtigen Untersuchung geprüft werden soll. D er M inderjährige soll nach dieser B ehauptung au s­ nahmsweise keine Restitution erhalten, wenn das nachthei­ lige Geschäft in der Aufnahme eines Gelddarlehens be­ steht, und wenn dazu der V ater den Befehl gegeben hat (i>). Betrachten w ir zuerst diese Ausnahm e in ihrem allge­ meinen und natürlichen Zusammenhang mit der Restitution überhaupt, also grundsätzlich, und noch ohne Rücksicht auf das Zeugniß einzelner Stellen. M a n könnte dieselbe daraus ableiten w ollen, daß es dem väterlichen Ansehen widersprechen würde, den gegebenen Befehl durch Ertheilung der Restitution für schädlich zu erklären. Diese, an sich denkbare, Ansicht wird von U l p i a n entschieden verworfen, da er bei anderen Rechtsgeschäften dem S o h n die Restitution gestattet, auch wenn der V ater Befehl zu dem Geschäft gegeben hatte (c). M a n könnte der Sache ferner die W endung geben wollen, daß nur der allein handelnde S o h n ein leichtsinniges Gelddarlehen aufnehmen und dadurch in Schaden kommen werde; im F all eines väterlichen Befehls werde keine G e­

ld ) B u r c h a r d i S . 239—248. Andere Schriftsteller werden so­ gleich angeführt werden. (c) L. 3 § 4 eit. „P roinde si jussu patris obligatus s i t . . . filius . . . auxilium im petrare

debebit, si ipse conveniatur.“ — Eben so wenn der Vater seinen unmündigen Sohn emancipirt, und als Vormund die auctoritas zu einem Geschäft gegeben hatte. L. 29 pr. de min. (4. 4).

279

Z u r R estitution der M in d e rjä h rig e n .

fahr und kein Nachtheil vorhanden seyn (d).

M a n kann

Dieses fü r die meisten Fälle unbedenklich zugeben, und in der T h a t kein Nachtheil,

wenn

oder doch kein Nachtheil aus

Unbesonnenheit entstanden ist, so versteht es stch von selbst, daß die Restitution fehlt

w egfällt,

(§ 320 Note I>).

w eil ihre Grundbedingung

Aber es kann doch

auch

anders

kommen; der V a te r kann eben so leichtsinnig seyn, wie der S o h n , er kann durch den S o h n getäuscht werden, er kann selbst in böser, eigennütziger Absicht den nachtheiligen Befehl zum Darlehen geben. w arum

gerade n u r

A u f keine Weise erklärt dieser G rund, bei

dem Gelddarlehen der väterliche

Befehl diese W irku n g haben soll,

da ja bei allen anderen

Rechtsgeschäften genau dieselben Rücksichten und M ö g lich ­ keiten eintreten, um die Restitution fü r zulässig oder unzu­ lässig zu halten. In

dieser Verlegenheit nun haben ältere Schriftsteller

die seltsamsten Gründe geltend gemacht,

um die erwähnte

Ausnahme bei dem Darlehen zu rechtfertigen (e). das

D a s fü r

Gelddarlehen erlassene Sc. Macedonianum,{ sagen sie,

sey fü r viele einzelne Fälle sehr h a rt, und fü r diese H ä rte sollten die G läubiger durch die erwähnte Ausnahme wenig­ stens eine kleine Entschädigung erhalten.

(d )

D a s ist die W endung, die

P u c h t a § 103 N o te i giebt.

D enn

der Sache

in den Vorlesungen

S . 2 1 3 sagt er, es sey keine eigentliche A usnahm e, sondern es werde nur

angenom m en,

daß in

einem

solchen

F a ll

Ferner seyen die

kein

N achtheil

aus

Unbesonnenheit entstanden sey. (e ) A z o in L. 2 C. de f il. fatn . min., G lossa in L . 3 § 4 D. de minor., C ujacius in L . 3 § 4 D . de min., Opp. T. 1 p. 989

280

Beilage XVIII.

meisten G läubiger der M inderjährigen ungemein schlechte Leute. W enn sich nun einmal einer von so redlicher Ge­ sinnung fände, daß er n ur mit der Genehmigung deS V aters daS D arlehen geben wolle, so verdiene dieser seltene Redliche unter den vielen Unredlichen durch eine besondere A usnahm e von den allgemeinen Rechtsregeln ausgezeichnet und belohnt zu werden. Z u r Unterstützung dieser letzten Ansicht wird auch noch eine S telle der heiligen Schrift angeführt (f). Diese G ründe sind so unhaltbar, ja so wunderlich, daß sie sich n ur au s der-völligen Verzweiflung erklären lassen, über den klaren Ausspruch unsrer Rechtsquellen nicht anders hinweg kommen zu können. Nach allgemeinen G ründen muß daher die für das Gelddarlehen behauptete A u s­ nahme schlechthin verworfen werden, und es kommt nun­ mehr Alles au f die Erklärung einzelner S tellen an, zu welcher ich mich jetzt wende. D ie wichtigste S telle ist folgende aus U lpianus lib. XL ad Ed., die ich in ihrem ganzen Zusammenhang hierher setze. L . 3 § 4 de minor. (4. 4). Sed utrum solis patribus familiarum, an etiam filiisfamiliarum succurri debeat, videndum. tionem ,

quod,

Movet dubita-

si quis dixcrit etiam siliisfamiliarum

in re peculiari subvenicndum, efficiet, ut per eos etiam

( f ) E v . S . L u cä Kap. 15 Einen Sünder, der Buße thut, vor V . 7 „Ich sage Euch: Also wird neun und neunzig Gerechten, die auch Freude im Himmel seyn über der Buße nicht bedürfen.

281

Z u r Restitution der Minderjährigen.

majoribus subveniatur, id est patribus eorum. Quod nequaquam fuit Praetori propositum; Praetor enini minoribus auxilium promisit, non majoribus. Ego autem verissimam arbitror sententiam existimantium, filiumfamilias minorem annis in integrum restitui posse ex bis solis causis, obligatus.

quae ipsius intersint, puta si sit

Proinde si jussu patris obligatus sit,

pater utique poterit in solidum conveniri, filius autem* cum et ipse possit vel in potestate manens conveniri, vel etiam emancipatus vel exheredatus, in id quod facere potest, et quidem in potestate manens etiam. invito patre ex condemnatione conveniri, impetrare debebit, si ipse conveniatur. auxilium patri

quoque prosit,

auxilium

Sed an hoc

ut solet interdum

fidejussori ejus prodesse, videamus; es non puto pro futurum.

Si igitur filius conveniatur, postulet

auxilium; si patrem conveniat creditor, auxilium cessat, excepta m utui datione; in hac (g) enim, si filius jussu (h) patris mutuam pecuniam accepit, non adjuvatur.

Proinde et (i) si sine jussu patris

contraxit et captus est, siquidem pater de peculio conveniatur, filius non erit restituendus; si filius conveniatur, poterit restitui. (g) Alle alte Ausgaben lesen h a c , welches eine bessere Construction giebt, als die Florentinische Leseart: h anc. (h) Diese Leseart der V ulgata ist offenbar besser, als die der Flo-

m tttita, welche das W ort filius wegläßt. (i) Aus der folgenden E rklärung wird sich ergeben, daß der Sinneinfacherhervortritt,w ennhier das e t weggelassen wird (Note n).

282

B eilage XVIII.

Alles kommt auf die Erklärung der hier cursiv gedruckten W orte an. Diese enthalten die Ausnahme von einer Regel, und es fragt sich, w orin besteht diese A usnahm e? welches ist die Regel, w orauf sie sich bezieht? D ie Ausnahm e scheint ausgedrückt in den W orten: non adjuvatur, die Regel also scheint nur in einem adjuvatur, (oder w as etwa gleichen S in n giebt) bestehen zu können. D a nun in dem unm ittelbar vorhergehenden S atz gesagt w ird: auxilium cessat, welches eben so viel sagt als non adjuvatur, so scheint die Ausnahme darauf nicht zu passen. S ie würde aber passen au f den entfernteren S atz von dem verklagten S o h n e; denn da es bei diesem heißt: postulet auxilium , so bildet dagegen das non adjuvatur allerdings einen Gegensatz, welcher als A usnahm e der R egel: postulet auxilium wohl gedacht werden könnte. Durch diese Betrachtung sind ohne Zweifel alle bisherige Erklärer unsrer S telle bewogen worden, sich zu zwei sehr bedenklichen M aaßregeln zu entschließen. Erstlich haben sie sich hinweg gesetzt über die oben entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätze, womit das Ergebniß dieser Erklärung geradezu in Widerspruch tritt, und sie haben sich über diesen Widerspruch durch die bereits angeführten, etw as abentheuerlichen Erw ägungen beruhigt. Zweitens aber haben sie die Ausnahm e nicht an die unm ittelbar vorher­ gehenden W orte angeschlossen, sondern, mit Ueberspringung dieser W orte, an den früheren, vom S ohne handelnden S atz; dieses letzte Verfahren ist sehr gezwungen, fast ge-

Zur Restitution der Minderjährigen.

283

waltsam zu nennen. — W enn es nun gelingen wollte, eine andere Erklärung zu finden, durch welche diese beiden großen Uebelstände vermieden werden könnten, so dürste diese Erklärung gewiß vorzuziehen seyn. Eine solche aber will ich jetzt versuchen. Ich gehe dabei von dem festen Punkte au s, daß U lp i a n ganz bestimmt sagt, das Gelddarlehen sey hier allein ausgenom m en, werde also von allen anderen Rechtsge­ schäften, die etwa der S o h n geschlossen haben könnte, ver­ schieden gehandelt. W enn man nun nach einem G runde fragt, der diese ganz eigenthümliche Behandlung des Geld­ darlehens rechtfertigen möchte, so ist kaum ein anderer denkbar, als die exceptio Sc. Macedoniani, welche bekannt­ lich sowohl von dem V ater, als von dem S ohne selbst, gegen jede aus dem Gelddarlehen anzustellende Klage gebraucht werden kann (k), und welche gerade allein au f das Gelddarlehen, im Gegensatz aller anderen Rechtsge­ schäfte (selbst des D arlehens an anderen Sachen als Geld) Anwendung findet. Nimm t man aber Dieses a n , so muß der S i n n der Ausnahm e nothwendig ein bejahender (ein adjuvatur), nicht ein verneinender (ein non adjuvatur) seyn. Sehen w ir zu, wie dieses, nunmehr als nothwendig anzuerkennende, Z iel-der Erklärung erreicht werden kann. E s geschieht am einfachsten durch eine Em endation, die

(k) L. 7 § 10, L. 9 § 3 de Sc. Mac. (14. 6), L 6 pr. C. eod. (4. 28).

284

Beilage XVIII.

jedoch nur in der Versetzung des non an eine andere Stelle zu bestehen braucht, also gewiß bescheiden ist. D er ganze S atz würde nun so lauten: si patrem conveniat creditor, auxilium cessat, excepta mutui datione; in hac enim, si filius non jussu patris mutuam pecuniam accepit, adjuvatur (1).

F ü r Diejenigen aber, welche etwa selbst vor einer so mäßigen Em endation, als zu gew altthätig, zurück schrecken möchten, läßt sich dasselbe Ziel auch au f dem Wege bloßer Erklärung erreichen. M a n muß nämlich dann zu den W orten: si filius jussu patris . . accepit ein n u r oder n u r d a n n (ein non nisi) hinzu denken, so daß der Satz folgenden S in n giebt: denn bei diesem (dem Gelddarlehen) wird dem V ater n u r d a n n die schützende Einrede (au s dem S e n a tu sconsult) versagt (non adjuvatur), wenn das Darlehen au f seinen Befehl aufgenommen w ar (m ); außer diesem F all des Befehls also h a t er die Einrede, worin denn eben die Ausnahm e von der Regel: auxilium cessat besteht. Beide Wege (die Emendation und die zuletzt versuchte Erklärung) führen zu demselben Z iel, nämlich zu folgenden (1) nämlich pater a d ju v a tu r, da ja p a te r das noch fortwirken­ de Subject des Hauptsatzes ist, welcher mit den W orten si patrem c o n v e n ia t anfängt. Natürlich muß man nun die Regel und die Ausnahme nicht von der Restitu­ tion allein verstehen, sondern von jeder den Beklagten schützenden Rechtshülfe überhaupt. I n der

Regel also wird dem V ater gar nicht geholfen, im F all des Geld­ darlehens wird ihm geholfen; freilich nicht durch Restitution, sondern durch die exc. Sc. M acedoniani. (m) Eine ähnliche Erklärung durch ein hinzugedachtes n u r ist nöthig bei der L . 57 mand. (17. 1) s. o. § 329 Note n.

Zur Restitution der Minderjährigen.

285

einfachen. Sätzen: dem Vater, der aus dem Geschäft des Sohnes verklagt wird, ist überhaupt nicht zu helfen, außer wenn von einem Gelddarlehen des Sohnes die Rede ist; denn gegen die Klage aus diesem hat der Vater die Ein­ rede aus dem Senatuseonsult, vorausgesetzt, daß das Dar­ lehen nicht auf seinen Befehl aufgenommen worden ist. Man kann diese Sätze, nur mit einer etwas anderen Wendung, auch so ausdrücken: Im Fall eines Geld­ darlehens hat der Vater gegen die actio de peculio die exe. Sc. Macedoniani, gegen die actio quod jussu hat er diese Einrede nicht. Eine Restitution kann er in keinem Fall verlangen. Daß nun U lpia n in der That gerade D as sagen wollte, welches ihm durch diese Erklärung in den Mund gelegt wird, ergiebt fich aus den nachher folgenden Worten, worin er den eben aufgestellten Fall noch von einer anderen Seite in weiterer Betrachtung verfolgt. Der Fall war der eines vom Vater nicht befohlenen Gelddarlehens; gegen die Klage aus diesem sollte der Vater die exe. Sc. Macedo­ niani haben; D as sagt der bisher erklärte Theil der Stelle. W as geschieht aber in diesem Falle mit dem Sohne? davon sprechen die hier folgende Worte: Proinde si (n) sine jussu patris (o) contraxit et (n) Ich lasse das et vor si weg (N otei), weil nicht eine fortgehende Anwendung des vorher ausgesprochenen Satzes folgt, fondern etwas Neues. (o ) Diese Worte sind die ficht-

bare Wiederholung der vorhergehenden Worte: s i non jussu patris mutuam pecuniam accepit nach der von mir vorgeschlagenen Emendation, und sprechen daher sehr für diese Emendation.

captus est,

siquidem pater de peculio conveniatur,

filius non erit restituendus;

si filius conveniatur,

poterit restitui.

Beide hier aufgestellte Sätze sind nicht ganz ohne B e­ denken. D er S o h n soll, wenn der V ater verklagt wird, nicht restituirt werden können. D a s erklärt sich zunächst d arau s, daß der S o h n nicht in Anspruch genommen ist. Aber wie, wenn der V ater die Erception nicht gebrauchen w ill, oder wenn er sie nach den besonderen Umständen des F alles nicht gebrauchen kann (p )? N un wird der V ater zahlen, d a s Geld au s dem Peculium nehmen, und so ver­ liert der S o h n dennoch dieses Geld. A uf diesen E inw urf antw ortet U l p i a n , das Interesse des S oh nes an dem Peculium als solchem sey ein blos faktisches, kein juristisches, der V ater habe daran daS Eigenthum und könne es also auch ganz willkürlich wegnehmen (q). Auch der zweite S atz hat sein Bedenken. D er au s dem D arlehen verklagte S o h n soll Restitution erhalten; aber auch er hat ja die Einrede au s dem Senatusconsult, und da diese schon mero jure gilt, so scheint die Restitution überflüssig und unzulässig (§. 321 Note r). D a ra u f ist zu antw orten, daß jene Einrede vielleicht ausgeschlossen ist durch den Irrth u m des G läubigers über d as Daseyn der (p) Wenn etwa der Gläubiger nicht wußte, daß der Schuldner in väterlicher Gewalt stand. L. 3 pr. L. 19 de Sc. Maced. (14. 6).

(q) „Npc eo movemur, quasi in tersit filii peculium hab ere; m agis enim p a tr is, quam filii in terest.“

287

Z u r Restitution der Minderjährigen.

väterlichen

G e w a lt (N o te p ) ,

oder daß dieser Umstand

wenigstens vom Gegner behauptet w etten und den Ausgang des Rechtsstreits ungewiß machm kann (§. 318 Note d). A u s solchen G ründen kann w ohl die Restitution V o rth e il gewähren, ja vielleicht ganz unentbehrlich seyn, wenn dem S ohne geholfen werden soll. D enn die M inderjährigkeit giebt stets einen Schutz, der solchen Einweitdungen nicht ausgesetzt ist,

und gerade die sichere Verhütung einer solchen G efahr

eignet sich entschieden zur E rtheilung einer Restitution (@ .121).

D ie zweite S te lle ,

w oraus bewiesen werden soll, daß

der M in d e rjä h rig e keine Restitution erhalte gegen ein Geld­ darlehen,

wenn sein V a te r dazu Befehl gegeben habe,

ist

ein Rescript von G o r d i a n . Jj. 1 (u l. 2) C. de fil. fam . minore (2. 23). „ 8 i fratcr tuus, cum mutuara pecuniam acciperet, in patris fuit potestate,

nec jussu

ejus,

nec contra

Senatusconsultum contractum est, propter lubricum aetatis adversus eam cautionem in integrum restitutionem potuit postulare“ . D ie Belehrung des Kaisers geht dahin, daß der minder­ jährige

Schuldner

gegen

das

Gelddarlehen

unter

zwei

Voraussetzungen Restitution erhalten könne: 1. W enn das D arlehen nicht a u f Befehl des V aters auf­ genommen sey, 2.

wenn dasselbe nicht unter das Verbot des SenatuSconsults falle.

288

Beilage XVIII.

Ich betrachte die zweite Voraussetzung zuerst, die mit der so eben angestellten Untersuchung zusammentrifft. Ist nach der übereinstimmenden Erklärung der Parteien schon daS Senatusconsult anwendbar, so bedarf es der Restitution nicht, und ste wird daher nicht gegeben. Ist es entschieden nicht anwendbar (weil der Gläubiger die päterliche Gewalt ficher nicht kannte), oder ist dieser Umstand wenigstens zweifelhaft und bestritten, dann kann die Restitution ein­ treten. Die erste Voraussetzung scheint folgenden S in n zu haben. Wenn der Vater keinen Befehl zum Darlehen ge­ geben hat, so bekommt der Sohn Restitution (daS sagt die Stelle ausdrücklich); wenn er Befehl gegeben hat, so bekommt der Sohn keine Restitution (das scheint indirekt angedeutet). Diese indirekte Andeutung scheint also eine Bestätigung der Ausnahme zu enthalten, worauf sich die gegenwärtige Untersuchung bezieht, also eine Bestätigung der oben erklärten Stelle deS U l p i a n nach der gewöhnlichen Auffassung der­ selben. Unstreitig war eö die scheinbare Uebereinstimmung dieser beiden von einander unabhängigen Stellen, welche der gewöhnlichen Behauptung einer Ausnahme für den Fall eines vom Vater befohlenen Gelddarlehens solche Kraft verlieh, daß dagegen auch nicht einmal ein Zweifel versucht wurde. Die eben erklärte, in jener ersten Voraussetzung liegende indirekte Andeutung ist nun das gewöhnlich sogenannte

289

Z ur Restitution der Minderjährigen.

Dasselbe besteht darin, daß au s einer bedingungsweise aufgestellten Regel geschloffen werden soll, das Gegentheil dieser Regel müsse gelten, sobald der logische Gegensatz (die reine V erneinung) der aufgestellten B edingung vorhanden sey. Diese Auslegungsweise, die am rechten O rte angewendet ihre relative W ahrheit h at, ist nirgend bedenklicher, als bei den Rescripten im Coder. D enn hier hat die bedingte Fassung eines Ausspruchs sehr oft gar nicht den S in n , daß der Ausspruch eben n u r unter der beigefügten Bedingung w ahr seyn soll, sondern vielmehr nur den S in n einer kurzen W iederholung der in der A nfrage an den Kaiser enthaltenen Thatsachen (s). I n der hier vorliegenden S telle also sind die zwei scheinbaren B e­ dingungen der für zulässig erklärten Restitution etwa so zu verstehen: W enn es w ahr ist, wie D u anführst, daß der V ater zu dem aufgenommenen Gelddarlehen keinen Befehl gegeben h at, und daß auch nicht eine Verletzung deS S enatusconsults jede Restitution überflüssig macht, so ist die Restitution wohlbegründet. D ie E rw ähnung des nicht vorhandenen väterlichen B e ­ fehls in der Anfrage, so wie in der W iederholung durch d a s Rescript, hat nun nicht den S in n , daß die Restitution schlechthin ausgeschlossen wäre im F all eines väterlichen Befehls (wie m an die S telle gewöhnlich au sleg t), sondern argumentum a contrario.

(r) vir.

Vgl. oben B . 1 § 41 am Ende des §.

19

290

Beilage XVIII.

vielmehr, daß, wenn ein solcher Befehl nicht vorhanden ist, die Restitution um so sicherer zulässig seyn w ird, weil das D aseyn eines solchen Befehls gewiß in den meisten Fällen ein Kmnzeichen seyn w ird, daß eine Läsion nicht vor­ handen, also auch eine Restitution nicht begründet ist. W aS hier über die Auslegung der Reftripte im Coder gesagt ist, hängt also dam it zusammen, daß solche Reftripte nicht dazu bestimmt w aren, allgemeine, scharf begränzte Grundsätze aufzustellen (wie eS bei den theoretischen Schriften der alten Ju risten , so wie bei den eigentlichen Gesetzen im C oder, der F all ist), sondern vielmehr Belehrung zu geben über die concrete N atu r einzelner zur Beurtheilung vorge­ legter RechtSfälle. S o ist also auch dieses Rescript des G o r d i a n nicht dazu geeignet, die angebliche Ausnahm e für den F all des Gelddarlehens zu rechtfertigen.

Ich fasse die vorstehende A usführung in folgender kurzen Uebersicht zusammen. M inderjährige erhalten Restitution gegen ihre Rechtsgeschäfte auch wenn sie in väterlicher G e­ w alt stehen, und selbst wenn der V ater in das Geschäft eingewilligt oder dazu Befehl gegeben hat. Diese Regel w ird auch von keiner S eite bezweifelt. E s wird aber sehr allgemein eine Ausnahm e von dieser Regel für den F all behauptet, wenn das Geschäft in der Aufnahme eines G eld -D arleh ens besteht. F ü r diesen Fall

Zur Restitution der Minderjährigen.

291

soll durch den väterlichen Befehl die Restitution deS Sohnes gänzlich ausgeschlossen seyn. Diese Ausnahme läßt sich jedoch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen durchaus nicht rechtfertigen. Sie soll begründet werden durch eine Stelle des U lp ia n , und durch ein Rescript des K. G o rd ia n . Die richtige Auslegung beider Stellen bestätigt aber diese Behauptung nicht. Demnach ist die Behauptung jener Ausnahme durchaus zu verwerfen.

Beilage XIX. L.

57 Mandati (17. 1).

(Z u §.

329

Note

n ).

3»n der Stelle, die hier erklärt werden soll, ist fast AlleGegenstand von Zweifeln und Streitigkeiten geworden: der Text, die Bildung des Rechtsfalles der entschieden werden soll, die Personen von welchen die Rede ist, die Ent­ scheidung selbst. D er Fall stellt sich dem ersten, unbefangenen Blick in folgender Weise dar. Ein Sklavenhändler (venaliciarius) reist in eine Provinz, ohne Zweifel, um neue Sklaven einzu­ kaufen. Die in Rom vorräthigen Sklaven zu verkaufen, giebt er Auftrag an einen M ann, der ihm als zuverlässig persönlich bekannt ist (certi hominis fidem elegit). Bald nach seiner Abreise stirbt dieser M ann, und dessen Erben, unbekannt mit den Regeln des M andats, bilden sich ein, der Auftrag sey auf sie übergegangen; sie verkaufen die Sklaven, und zwar (wie der Erfolg zeigt) unter nachtheiligen Bedin­ gungen. Die Käufer besitzen die Sklaven über ein Jahr. D er Sklavenhändler, von der Reise zurückkehrend, und unzuftieden mit dem Verkauf, will gegen die Käufer mit

Beilage XIX. L. 57 mandati (17. 1).

293

der Publiciana klagen, fürchtet aber die exceptio dominii wegen der Usucapion der Käufer, und eS wird bei P a p i n ia n angefragt, wer wohl Aussicht auf Erfolg habe, der Kläger oder die Beklagten? D a s Responsum auf diese Frage nahm der Jurist in seine Sam m lung auf, und daraus ist dasselbe in die Digesten übergegangen. Aber gerade in der Antwort auf die vorgelegte Frage ist der Sitz der Schwierigkeit, denn eben hier finden sich zwei Lesearten von ganz entgegengesetztem S in n . D ie erste lautet so: Sed venaliciarium ex provincia reversum Publiciana actione non utiliter acturum.

Dieses ist die Leseart der Florentina und der Vulgata. H a l o a n d e r liest: inutiliter, welches ganz denselben S in n giebt, und wobei es dahin gestellt bleiben m ag, ob er es in einer Handschrift vorfand, oder nur des besseren Klanges wegen aufnahm. Nach dieser ersten Leseart sollen die B e­ klagten Recht behalten. D ie z w e i t e Leseart ist folgende: Sed venaliciarium . . . .

Publiciana actione non

inutiliter acturum.

Diese findet sich in der Ausgabe des V i n t i m i l l i u s : Paris. 1548. 8, aus einer Handschrist des R a n c o n n e t u s . Ferner in der Ausgabe des C h a r o n d a s , Antverp. 1575 fol., aus einer Handschrift des Herausgebers. Ferner sagt A u g u s t i n u s (a): „et sunt qui scribant. rum inutiliter

294

Beilage XIX.

acturwm.“ W oher er Dieses hat, sagt er nicht; d as angeführte

Buch ist zuerst 1543 gedruckt, also älter, als die angeführten A usgäben, worin handschriftliche Terte angegeben werden. Auch die Basiliken bestätigen diese Leseart (b). C u j a c i u s schlägt als Conjectur vor: utiliter, welches dem S in n nach nicht verschieden ist von non imitiliter, dem Ausdruck nach schlechter, wie sich weiter unten zeigen wird. Rach dieser zweiten Leseart soll der Kläger Recht behalten. Also an handschriftlicher B eglaubigung fehlt es für beide Lesearten nicht, und w ir haben zunächst nach dem inneren Zusammenhang der S telle, zu prüfen, welche den Vorzug verdiene. S ie h t man die S telle obenhin a n , so spricht ein ober­ flächlicher Schein für die erste Leseart. D enn es heißt in den unm ittelbar folgenden W orten: cum exceptio justi dominii . . detur. A lso: dafür exceptio , die Erception wird vom P rä to r gegeben, sie ist also wirklich begründet, also muß der Kläger abgewiesen werden. Allein bei genauerer Betrachtung ergeben sich sogleich folgende ganz entscheidende G ründe gegen diese Erklärung. Zuerst die adversative Partikel Sed im Anfang des Satzes. D an n wenn die Beklagten durch die Erception gewinnen, so ist Dieses eine unmittelbare Folge der vorher erwähnten Usucapion, kann also unmöglich als Gegensatz anSgedrückt werden, wie es doch in dem Sed augenscheinlich (b)

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geschieht. Allerdings liest nun H a l o a n d e r E t anstatt Sed, und dadurch verschwindet dieser Einw urf. Allein seine Leseart steht so vereinzelt, daß w ir wohl unbedenklich an­ nehmen fMitten, sie sey nicht aus einer Handschrift ge­ nommen, sondern eben n u r erfunden, um diesem E inw u rf zu begegnen. Ferner spricht dagegen der in dem letzten Satz (ueque oporteat etc.) enthaltene, von der bloßen Billigkeit herge­ nommene G rund. W enn die Beklagten gewinnen sollen durch die B erufung aus das strenge Recht, das justum dominium, so w äre es ja sehr unlogisch, dessen Schutz durch die an sich schwächere Stütze der Billigkeit befestigen zu wollen. D an n spricht dagegen das causa cognita, welches nun vollkommen müßig dasteht, wie es sich am deutlichsten au s der richtigen Erklärung dieser sehr bedeutsamen W orte er­ geben wird. Endlich aber, und welches die Hauptsache ist, muß m an bei dieser Erklärung völlig vergessen, daß von sebr alter Zeit her der P rä to r eine Restittltion angekündigt hatte zum Besten der-Abwesenden, und zwar gerade, um ihnen zu helfen, wenn sie in Folge ihrer Abwesenheit Eigenthum durch Usucapion verlieren sollten. An diese Restitution müßte P a p i n i a n gar nicht gedacht haben, sonst hätte er auf entgegengesetzte Weise entschieden, oder doch mindestens nöthig gefunden zu erklären, w arum sie im vorliegenden F all nicht angewendet werden sollte.

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D a s Gewicht dieser Gründe ist denn auch schon vor vielen Jahrhunderten anerkannt worden. Um diesen E in­ wendungen zu entgehen, und dennoch die Leseart non utiliter aufrecht zu halten, da man lange Zeit hindurch keine andere kannte, ist der Versuch schon in der G lo sse gemacht, und von anderen Schriftstellern in ganz ver­ schiedenen Zeiten aufgenommen und vertheidigt worden (c), den Rechtsfall selbst, auf welchen sich F rage und A ntw ort in der S telle beziehen sollen, in einer ganz anderen, und zwar sehr künstlichen und verwickelten Weise auszubilden. E in Eigenthümer von Sklaven giebt A uftrag, diese zu verkaufen, der B eauftragte stirbt, und die Erben desselben verkaufen die Sklaven, nicht in unredlicher Absicht, sondern weil sie irrigerweise glauben, der A uftrag sey au f sie über­ gegangen. — S ow eit ist es fast derselbe F all, wie der oben dargestellte. N un aber sollen sich die Schicksale der Käufer getrennt haben. D ie meisten derselben haben (nach dieser Erklärung) die ihnen durch den K auf zugefallenen Sklaven E in J a h r lang be­ sessen und dadurch usucapirt. Dadurch bekommen sie volles, unanfechtbares Eigenthum, das sie behaupten können, sie mögen n un im Besitze bleiben oder nicht. D er vorige Eigenthümer hat es sich selbst zuzuschreiben, daß er nicht aufmerksamer w ar, und nicht gegen sie geklagt hat vor Vollendung der

(c) Vgl. J. G othofredus im Thesaurus des O t t o T. 3 p .293, und P üttmatsn probabilia p. 1.

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Usucapion. A uf eine Restitution hat er keinen Anspruch, denn er w ar gar nicht abwesend gewesen. V on diesen meisten K äufern ist nun nicht weiter die Rede; ihre Sache ist abgethan mit den W orten: eos ab emtoribus (d. h. von dem größten Theil der Käufer) usucaptos videri placuit. N u r E iner dieser Käufer, ein Sklavenhändler, hatte ein besonderes Schicksal, abweichend von dem seiner M itkäufer. E r w ar vor dem A blauf seiner UsucapionSzeit nach einer Provinz gereist, und in seiner Abwesenheit w ar der auf ihn gefallene Theil der erkauften Sklaven wieder in den Besitz des alten Eigenthüm ers zurückgekehrt, der also dadurch die Usucapion unterbrochen hatte. D er Sklavenhändler wollte nach der Rückkehr gegen den alten Eigenthümer mit der P ub liciana klagen, und darüber wurde P a p i n i a n be­ fragt. E r antwortete, der Kläger müsse abgewiesen werden, weil der Beklagte noch w ahrer Eigenthümer sey, also die exceptio dominii für sich geltend machen könne. I n dieser Erklärung wird nun eine umständliche G e­ schichte erdichtet, ohne daß die S telle auch nur die ent­ fernteste H indeutung darauf enthielte. Alle Ausdrücke der S telle deuten vielmehr gerade au f das Gegentheil der hier vorausgesetzten Thatsachen. D enn unter den emtorcs wird doch gewiß jeder unbefangene Leser a l l e Käufer verstehen, nicht blos die meisten; und unter dem den Käufern (durch Sed) entgegengesetzten venaliciarius eher alles Andere, als einen Collegen eben dieser Käufer. — Ferner bleiben die wichtigsten Bedenken bestehen, welche oben gegen eine

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andere Erklärung erhoben worden sind: daß die W orte causa cognita völlig müßig sind, und daß eine auf das strenge Recht (d a s justum dominium) gegründete Entscheidung unmöglich durch einen G rund der Billigkeit unterstützt werden konnte, der feinen H alt hatte, wenn der alte Eigenthümer nicht auch verreist w ar, und der unter dieser Voraussetzung gerade auf das Verhältniß der übrigen Käufer anwend­ bar gewesen w äre, und dabei eine ganz entgegengesetzte Entscheidung hätte herbeiführen müssen. — Endlich aber sind die R esultate, die der S telle nach dieser Erklärung zugeschrieben werden müssen, so trivial, sie verstehen sich so von selbst, daß man kaum begreift, wie über einen so beschaffenen Rechtsfall ein Responsum von P a p i n i a n hätte begehrt, später in dessen Sam m lung aufgenommen, und zuletzt sogar in die Digesten gesetzt werden sollen. D ie völlige Unhaltbarkeit der beiden bisher dargestellten Erklärungen führt fast nothwendig au f die Annahme der zweiten Leseart (non inutiliter), der es an handschriftlicher Beglaubigung nicht fehlt, und es kommt nur d arauf an, unter Voraussetzung dieses T ertes eine mit dem inneren Zusammenhang der Stelle, so wie mit allgemeineren Rechts­ regeln, übereinstimmende Erklärung zu versuchen. D a s eigentliche H inderniß einer richtigen Auffassung liegt an einem O rte, wo man es au f den ersten Blick kaum erwarten sollte, in den W orten: cum exceptio justi dominii . . . detur, welche einen Doppelsinn mit sich führen, indem sie sowohl auf concrete, als auf abstracte Weise ge-

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deutet werden können. S ie können nämlich erstens sagen, in dem vorliegenden F all werde die Erception gegeben, sey sie begründet, der Kläger müsse daher abgewiesen werden: dann sind diese W orte der G rund der Entscheidung, und setzen die Leseart non utiliter nothwendig voraus. S ie können aber auch zweitens (und das ist das Richtige) eine allgemeine Betrachtung enthalten über die Behandlung jener Erception überhaupt: dann sind sie nicht G rund der E n t­ scheidung, sondern W iderlegung eines E inw urss, und setzen die Leseart non inutilitcr voraus. D er S in n dieses H au p t­ theils der S telle läßt sich hiernach in solgender Umschreibung darstellen: Z w ar haben die Käufer in der T hat die Sklaven usucapirt. Dennoch (Sed) wird der alte Eigenthümer (der venaiiciarius) die Sklaven nicht ohne Erfolg (non inutiliter) mit der P ubliciana einklagen. M a n könnte zwar glauben, daß ihm die exceptio justi dominii der Käufer, eben wegen ihrer Usucapion, im W ege stände; allein man muß erwägen, daß diese Erception im Allge­ meinen nicht jedem Eigenthümer unbedingt, sondern n u r causa cognita (d) ertheilt wird. I m vorliegenden F all aber führt die causae cognkio d arauf, den B e-

(d) ES muß also zu den W orten cau sa c o g n ita ein non n isi hinzugedacht werden, wodurch allein sie gegen den Vorwurf eines völlig massigen Daseyns geschützt werden

könne». Eine ähnliche Erklärung ist oben bei einer andern S telle versucht worden, Beilage XV III. Note m.

klagten die Erception abzuschlagen aus einer Rücksicht der Billigkeit (neque oporteat etc.). D ie G ründe, die oben als Einwendungen gegen siie vorhergehenden Erklärungen aufgestellt wurden, verwandeln sich jetzt in Bestätigungen der hier versuchten. D er durch sed ausgedrückte Gegensatz ist wirklich vorhanden, die W orte causa cognita sind nicht müßig, sondern ganz unent­ behrlich , und der am Schluß aufgestellte G rund der B illig ­ keit ist in der T hat entscheidend für die ganze Sache. D er innere Zusammenhang der S telle ist völlig befriedigend, und Alles steht in Einklang mit sonst bekannten Rechts­ regeln. Endlich bestätigt sich die W ahl der Leseart, w orauf diese Erklärung beruht, auch dadurch als richtig, daß sich auS ihr die Entstehung der anderen, nun als irrig anzu­ sehenden Leseart, ungezwungen und befriedigend erklärt (e). I n irgend einer sehr frühen Zeit ließ sich nämlich ein Ab­ schreiber durch den in den W o rten : cum exceptio . . detur liegenden falschen Schein täuschen, und verwandelte das vorgefundene richtige inutilitcr in das irrige utiliter, welches dann in die meisten Handschriften übergegangen ist. E s bleibt nun noch übrig, die einzelnen Sätze besonders zu erklären, wobei in Erinnerung gebracht werden muß, daß u n s in dieser ganzen S telle P a p i n i a n ein von ihm früher ertheiltes Respvnsum, mit dessen Gründen, in kurzem Auszuge mittheilen will. (e ) Ueber diese Probe der Richngleit eines aus mehreren auszu­ wählenden Tertcs vgl. B . 1