Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem 9783504384227

Die Habilitationsschrift analysiert die gängigen Bewertungsmethoden und Begrifflichkeiten umfassend unter steuerlichen,

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Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem
 9783504384227

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Marcel Krumm Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem

Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem Eine juristische Untersuchung steuergesetzlicher Bewertungsnormen unter besonderer Berücksichtigung der Verkehrswerte

von Universitätsprofessor

Dr. Marcel Krumm Münster

2014

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-01896-2 ©2014 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Betz, Darmstadt Printed in Germany

Vorwort Steuergesetze ordnen die Bewertung eines Gegenstandes zum Verkehrswert an, scheinen den Rechtsanwender aber dann nicht selten außerhalb der Steuergesetze nach den notwendigen Fragen und Antworten suchen zu lassen. Damit verbunden sind spezifisch juristische Fragestellungen – sie sind rechtstheoretischer, verfassungs- und einfach-rechtlicher Natur. Ihnen widmet sich diese Arbeit. Sie ist im Juli 2013 von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Habilitationsschrift angenommen worden. Bei ihrem Abschluss waren Literatur und Rechtsprechung bis März 2013 berücksichtigt. Bis zur Übersendung des Manuskriptes an den Verlag konnten auch noch einige jüngere Beiträge und Urteile berücksichtigt sowie einige inhaltliche Ergänzungen vorgenommen werden. Die Arbeit ist auf dem Rechtsstand vom 31.12.2013. Besonderen Dank schulde ich meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Roman Seer. In den fünf Jahren, die ich am Lehrstuhl für Steuerrecht wirken durfte, wurde ich viel gefordert, konnte aber auch eine unschätzbare Förderung und die für die eigene wissenschaftliche Betätigung notwendigen Freiräume erfahren. Ich denke gerne an meine Bochumer Zeit zurück und werde ihm stets verbunden bleiben. Herrn Professor Dr. Stefan Huster danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Auch vielen anderen Hochschullehrern der Juristischen Fakultät in Bochum gilt mein Dank. Ich habe von ihnen stets Zuspruch, Fürsprache und Wegweisung erfahren. Ein Projekt wie dieses kann nicht ohne Unterstützung gelingen. Mein herzlicher Dank gebührt Frau Dr. Andrea Kießling, Frau Anna Lena Wilms, den Herren Sascha Kargitta, Dominik Wedel und Alexander Witfeld und insbesondere meiner Ehefrau. Mülheim an der Ruhr, im Januar 2014

Marcel Krumm

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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV

Einleitung I. Gegenstand der Untersuchung: Wert, Bewertung, Wertfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Beweggründe für dieses Thema und methodische Vorbemerku­ng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Teil 1: Steuergesetzliche Bewertung zwischen sozialer Wirklichkeit und rechtlichem Funktionsbegriff § 1 Der „Wert“ eines Gegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Die „Realität“ als Bezugspunkt der Juristen . . . . . . . . . . . . 19 II. Zur Existenz und dem Wesen des ökonomischen Wertes eines Gegenstandes in Unterscheidung zum Preis . . . . . . . 27 1. Die „ethisch-normative“ Perspektive: „gerechter Preis“ und „natürlicher Wert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Die „erklärende Perspektive“ der Nationalökonomie . . 39 III. Preis und Preisbildungserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Der wahrscheinlich erzielbare Preis als in Geld ausge­ drückte Tauschwert­verkörperung eines Gegenstandes . 46 2. Beobachtbare Preise und beobachtbare Preisbildungsverhaltensmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Die Preisbildungserwartung zwischen beobachtbarem Verhaltensmuster und der „Fiktion idealtypischer Bedingungen“ unter besonderer Berücksichtigung der Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a. Die Akzentuierung der Ertragswertmethodik im Verhältnis zu anderen Bewertungsmethoden – ein Überblick über die Bewertungsmethodik . . . . . . . . . . 65 b. Die Ertragswertmethodik als präskriptives Modell und ihre Einwirkung auf die Rechtsanwendungswirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 VII

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c. Zum Auseinanderfallen von präskriptiven Bewertungsgrundsätzen und tatsächlich geübten Bewertungsverhaltensmustern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 § 2 Der Rechtswert als Funktionsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Bewertung im Steuerrecht: Ein erster Überblick über die Bewertungsnotwendigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Bewertung und Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Erbschaft- und Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Einkommen- und Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . 108 4. (Allgemeine) Vermögensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 5. Grundsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 6. Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 7. Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Die Bewertungsrechtsnorm als Teil der materiellen Steuernorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Die quantifizierende Funktion der Bewertungsrechtsnorm innerhalb des steuerlichen Rechtssatzes . . . . . . . 125 2. Kontrolle und Zwecksicherung durch Bewertung . . . . . . 127 a. „Rechtswerte“ als Teil des Obersatzes . . . . . . . . . . . . 127 b. Bewertung anlässlich des Untersatzes . . . . . . . . . . . . . 128 § 3 Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes und sein realer Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 I. Kreations- und Definitionsfreiheit des Gesetzgebers . . . . . 131 II. Der „Gegenstand“ der Bewertung und seine Wechselwirkung zum Rechtswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 III. Der intersubjektiv nachvollziehbare Realbezug als gemeinsames Grundelement aller Rechtswerte und zugleich als ihr maßgeb­liches Unterscheidungskriterium . 142 1. Allgemeine Bezugspunkt- und Unterscheidungsüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Der wahrscheinlich realisierbare Tauschwert als Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a. Voraberkenntnis: Soziale Verhaltensmuster als Fluchtpunkt aller Verkehrswerte . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b. Gemeiner Wert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c. Teilwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 d. Fremdvergleichspreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 e. Üblicher Endpreis am Abgabeort . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3. Der Güterverzehr als realer Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . 208

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a. Voraberkenntnis: Pagatorische Anknüpfung als Fluchtpunkt­der Anschaffungs- und Herstellungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b. Anschaffungs- und Herstellungskosten . . . . . . . . . . . . 210 4. Ertrag als eigenständiger (ausschließlicher) Ist-/SollBezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

Teil 2: Normtheoretische Betrachtung verkehrswertorientierter Rechtswer­te § 4 Normtheoretischer Ausgangsbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I. Normative Akzeptanz der Wertbandbreite und die Einwertigkeit des Rechtsanwendungsergebnisses als Spezifikum der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 II. Die (konstitutive) Konkretisierung des „einen (wahrscheinlich erzielbaren) Preises“ aus der Bandbreite heraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 § 5 Bewertung als Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Nochmals: Bewertung als quantifizierender Teil der Steuerrechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 II. Die Auslegung steuergesetzlicher Normen im Allgemeinen und der Bewertungsnorm im Besonderen. . . . 254 III. Rechtsanwendung und (betriebswirtschaftliche) „Bewertungs­methoden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. Die Rezeption sozialer Verhaltensmuster zwischen Tatund Rechtsfra­ge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Normative Rezeption und normative Filterung sozialer Verhaltensmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 IV. Tatsachenfeststellung und wertende Festlegung zur Ausfüllu­ng des als maßgeblich identifizierten Verhaltensmusters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 1. „Arbeitsteilige Bewertung“ und Feststellungslast . . . . . 275 2. Die Erfassung des Preisbildungsverhaltensmusters und seiner Einzelfragen zwischen Alltags- und Sachverständigenerfahrung, empirischer Sozialwissenschaft und ökonomischer Modellwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 3. Die selektierende Vorbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 a. Daten- und Informationsübernahme aus rechtlich determinierten „Eigen-Aufzeichnungen“ . . . . . . . . . . 289 IX

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b. Daten- und Informationsübernahme aus „finanzverwaltungsinternen“ (anonymisierten) Beständen . . 296 c. Daten- und Informationsübernahme aus „fremden“ (finanz­verwaltungsexternen) Beständen . . . . . . . . . . . 302 4. Prognostische und wertende Elemente der Bewertung . . 309 a. Die Prognose des künftigen Nutzens im Besonderen . 309 b. Die Notwendigkeit sonstiger Wertungen . . . . . . . . . . 315 § 6 Bewertung als die Suche nach der idealen Wertbandbreite . . . 321 I. Bewertung als methodisch geleitete, „nur“ auf Annäherung gerichtete Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 II. Die Grenzen rational begründbarer Wertfindung . . . . . . . . 326 III. Zum Gefährdungspotential „der zahlengeprägten Modelle“ für das Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

Teil 3: Die verfassungsrechtliche Ebene: Gleichheit, Freiheit und parlamen­ tarische Steuerung im Lichte der sozialen Bewertungs­wirklichkeit § 7 Gleichheit und Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 I. Das verfassungsrechtlich geforderte Bewertungsgleichmaß 345 1. Die Gleichheit im Belastungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . 345 2. Die bewertungsspezifische Bandbreite wahrscheinlich realisierbarer Preise im Lichte des Gleichheitssatzes . . . 356 a. Materielle Gleichheit als Ausdruck der Anerkennung der Lebenswirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 b. Konkretisierung der Ungleichbehandlung durch Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 c. Schlussfolgerungen aus dem materiellen Gleichheitsverständnis als normativem Ausgangspunkt (insbesondere für § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG) . . . . . . . . . . . . . . 368 3. Das rechtspraktische Problem: Die Feststellung von Bewertungs­ungleichheit im Lichte der Bewertungsvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 a. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 und vom 7.11.2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 b. Vergleichsberechnungen in der betriebswirtschaftlichen und juristisch­en Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 4. Zulässigkeit und Grenzen formaler Bewertungsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 a. Typisierende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 X

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b. Gleichheitsrechtliche Würdigung des sog. vereinfachten Ertragswertverfahrens (§§ 199 ff. BewG) . . . . 393 5. Lenkung durch verschonende Bewertung . . . . . . . . . . . . 400 II. Das gleichheitsrechtliche Sicherstellungsgebot in Bezug auf die Vollziehbarkeit der Bewertungsnorm . . . . . . . . . . . 405 1. Gleichheitsspezifische Bestimmtheitsanforderungen und der kompen­sierende Verfahrensgedanke . . . . . . . . . 405 2. Verfassungsrechtlich gebotene Absicherung des Erkenntnisprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 a. Absicherung durch Mitwirkungspflichten und Verifikationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 b. Absicherung durch Begründungslasten anlässlich der Anwendung auf den Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 c. Die Verständigung über den „Wert“ als Element einer gleichheitskonformen Wertfindung . . . . . . . . . . . . . . . 416 d. Generierung von Erfahrungswissen durch die Finanzverwaltung und selektive Prüfung der Bewertungsvorschläge der Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 § 8 Freiheit und Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 I. Freiheitsrechtliche Dimension einer bewertungsabhängigen Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 1. Zur eigentumsrechtlichen Relevanz der Besteuerung . . 426 2. Die Grenzziehungskraft des Übermaßverbotes . . . . . . . . 428 a. Übermaßverbot und steuerschuldrechtliche Belastungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 b. Übermaßverbot und Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen durch materielle Steuerpflicht nebst bewertungsspezifischer Mitwirkungspflichten . . . . . . 438 c. Die fiskalische Ungeeignetheit einer bewertungsabhängigen Steuer als Problem des Übermaßverbotes 445 d. Aktivierbarkeit des Übermaßverbotes gegenüber der Bewertungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 II. Zur freiheitsrechtlichen Relevanz der Dispositions­ entscheidung unter (Wertfindungs-) Risiko . . . . . . . . . . . . . 458 1. Bewertung und freiheitsrechtlicher Dispositionsschutz . 458 2. Bewertung und Pflichtwidrigkeitsrisiko als verfassungsrechtliches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 § 9 Die Selbstentscheidungs- und Steuerungsverantwortung des Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 I. Zum verfassungsrechtlichen Mindestmaß an gesetzlicher Determination der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 XI

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II. Exekutive (abstrakt-generelle) Detailsteuerung durch Verwaltungs­vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 1. Verwaltungsvorschriften im System der Rechtsquellen unter besonde­rer Berücksichtigung der Bewertung . . . . . 475 2. Richtliniengesteuerte „Bewertungsverfahren“ (insbesondere das vormalige Stuttgarter Verfahren) . . . . 482

Teil 4: Die einfach-rechtliche Ebene: Richtungs- und Kompetenzfragen als verkehrswertübergreifende Bewertungsrechtsfragen § 10 Die verfahrensrechtliche Erstbewertungspflicht des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 I. Von der Planung über die Entscheidungsfindung bis zur Dispositionsbetätigung durch den Steuerpflichtigen . . . . . 492 1. Dispositionsschutz unter Unsicherheit: Zuweisung und Bewältigung des Wertfindungsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . 492 2. Bewältigung des Wertfindungsrisikos durch individuelle, „vorab geschaffene“ Vertrauensschutztatbestände . . . . . 493 a. Die verbindliche Auskunft im Lichte der Bewertung . 493 b. Advance Pricing Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 II. Einleitung und Durchführung des Steuerfestsetzungs- oder Feststellungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 1. Das Bewertungsergebnis als (un-) selbständiger Teil der Verwaltungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 2. Steuer- und Feststellungserklärungspflichten . . . . . . . . . 500 a. Erstbewertungspflicht und Erstbewertungsrecht des Steuerpflichtigen in eigener Angelegenheit . . . . . . . . . 500 b. Die Erweiterung der Erstbewertungspflicht auf Dritte in fremder Angelegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 3. Wertverständigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 III. Abschluss des Steuerfestsetzungs- und Feststellungs­verfahrens durch finanzbehördliche Entscheidung . . . . . . . 518 1. Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Verwaltungsakt und der Maßstab seiner Rechtmäßigkeit . . . . . 518 2. Sachliche Verbindlichkeitsgrenzen der finanzbehördlichen Entscheidu­ng (trotz Mehrfachrelevanz des steuerlichen Wertes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 3. Verhinderung bzw. Durchbrechung der Stabilisierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 XII

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§ 11 Die „Richtungsfrage“: Der Günstigergrundsatz . . . . . . . . . . . . 527 I. Einführung in die Problematik: Die Bandbreitenreduzierung als (Verfassungs-) Rechtsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 II. Das Meinungsbild zu Teilaspekten der Diskussion . . . . . . 531 1. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu verschiedenen Bewertungs­normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 2. Hermann-Ulrich Viskorf: Die Gleichheitswidrigkeit eines sogenann­ten Meistbegünstigungsgrundsatzes und eines Wahlrechts im Kontext des § 11 Abs. 2 Sätze 2, 4 BewG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 III. Eigene Position: Der Günstigergrundsatz als Regelerkenntnis vorbehaltlich normspezifi­scher Besonder­heiten . . . . . . 538 IV. Die Konkretisierung der freiheitsschonenden Einwertig­ keitsentscheidung im Sinne ihrer Steuerwirkung? . . . . . . . 542 § 12 Die „Kompetenzfrage“: Zur Bewertungsprärogative bei wertenden und prognostischen Rechtsanwendungsbeiträgen sowie­ der Einwertigkeitsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 I. Das Dogma der Wertschätzung nach § 162 AO (i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 II. Eigene Position: Hoheitliches Vollzugsmodell mit teilweiser Letztkonkretisierungsbefugnis durch den Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 1. Die Bandbreitenproblematik als normspezifische Frage der Bewertungs­norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 2. Die Bewertungsprärogative des Steuerpflichtigen in Ansehung von Prognose, offener Wertung und Konkretisierung des einwertigen Rechtsanwendungsergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 III. Die „Erfüllung“ der Erstbewertungspflicht durch den Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 IV. Verfassungsrechtliche Anerkennung und (klarstellende) Grenzziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 § 13 Bewältigung der Bewertung in Mehrpersonenkonstellationen 573 I. Mehrpersonenkonstellationen zwischen materieller Bewertungs­prärogative und formellem Verfahrensrecht . . . 573 II. Bewertungspflicht des Indienstgenommenen mit Wirkung für und gegen den Steuerschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 1. Zuweisung der Bewertungsprärogative an den Indienstgenommenen mit ausschließender Wirkung gegenüber dem Steuerschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574

XIII

Inhaltsverzeichnis

2. Verfahrensrechtliche Teilhabe des Steuerschuldners sowie seine Rechtsschutzmöglichkeiten im Verhältnis zur Finanzbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 III. Mehrpersonenkonstellationen wegen mehrfacher materieller Bewertungsbetroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 1. Problemstellung und Abschichtung der Fragestellungen 579 2. Konkretisierung der Mehrpersonenkonstellation . . . . . 580 3. Anordnung einer personenübergreifend wirkenden Bewertungs­entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 4. Zuweisung der Bewertungskompetenz innerhalb der Personen­mehrheit für das Außenverhältnis zur Finanzbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659

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Abkürzungsverzeichnis Bezüglich der verwendeten Abkürzungen wird auf H. Kirchner/D. Pannier, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Aufl. 2008, verwiesen. Ergänzend sind noch folgende Abkürzungshinweise angezeigt: APA BFuP CAPM CF(B) FB JBE SZ ZfB zfbf zfhf ZgS

Advance Pricing Agreemement Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Capital Asset Pricing Model Corporate Finance (biz) (bis einschließlich 2008 FB) Der Finanz-Betrieb Journal of Business Economics (bis einschließlich 2012 ZfB) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte – Romanis­tische Abteilung Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

Gesetze, die heute nicht mehr in Kraft sind, werden mit dem Jahr des Gesetzeserlasses versehen (z.B. Preußisches Ergänzungssteuergesetz = PreußErgStG 1893).

XV

Einleitung I. Gegenstand der Untersuchung: Wert, Bewertung, Wertfindung „Wäre die rechnerische Bestimmung des gerechten Preises im einzelnen Falle wirklich an Hand einer Formel so einfach möglich, dann würden auch die Rechtsfragen, die heute an diesen Begriff anknüpfen, viel einfacher zu beantworten sein oder sogar kaum ernsthaft auftauchen. Gerade weil die Dinge viel verwickelter liegen, wird auch gerade „der gerechte Preis“ so sehr zu einem Rechtsproblem“.1 Diese Erkenntnis Rudolf Reinhardts' aus dem Jahr 1937 ist der bürgerlich-rechtlichen Diskussion um den gerechten Preis zuzuordnen. Diese Diskussion war stark von ethisch-normativen Vorstellungen geprägt. Das Anliegen seiner Befürworter war ein Preis, wie er sein „soll“ und ihm musste gegebenenfalls das tatsächlich Vereinbarte weichen bzw. dem tatsächlich Vereinbarten wurde von der Rechtsordnung insgesamt die Anerkennung versagt. Das Eingangszitat lässt sich ebenso gut auch für die steuergesetzliche Bewertung vereinnahmen. Dem Steuerrecht geht es zwar nicht um einen Preis im Sinne eines „Sollens“, sondern – so viel sei hier vorweggenommen – um den Preis als Ergebnis eines hypothetischen Verhandlungsergebnisses in Übereinstimmung mit der sozialen Wirklichkeit. Aber auch das Steuerrecht auf der einen und die Vielgestaltigkeit des Lebens, die eine rechnerische Erfassung eines „Wertes“ so schwierig oder gar unmöglich macht, auf der anderen Seite stehen hier in eben jener Rechtsprobleme schaffenden, wechselwirkenden Beziehung zueinander. Diesen Rechtsproblemen wird sich die nachfolgende Arbeit widmen. Es geht um das Prozesshafte des „Suchens“ im Hinblick auf einen „Wert“. Der Begriff „Wert“ ist freilich in mannigfaltiger Weise besetzt.2 Man kann hiermit eine Stellungnahme unter moralischen, ethischen, kulturgeschichtlichen oder ästhetischen Gründen verbinden. Darum geht es jedoch nicht. Gesucht und gefunden werden soll der ökonomische, quantitativ ausgedrückte Wert eines Gegenstandes. Aus dem Kreise der vielen repräsentativen und in der entscheidenden Aussage jede für sich treffenden Formulierungen soll hier diejenige von Klaus Vogel vorangestellt werden: „[Der] Wert ist der Rang eines Gutes innerhalb einer Vorzugsordnung aller (oder doch vieler) Güter, ausgedrückt in einem Vielfachen 1 R. Reinhardt, in: Festschrift f. H. Lehmann, S. 221, 222. 2 Siehe nur die Nachzeichnung der philosophischen Wertdiskussion bei P. Kolmer/A. G. Wildfeuer, Neues Handbuch philosophischer Grundbegriffe, S. 2484 ff.; F. Wapler, Werte und das Recht, passim; zum nicht-ökonomischen Wert im Recht ferner U. Di Fabio, JZ 2004, S. 1, 2 ff.; C. Polke, Der Staat 52 (2013), S. 99, 101 ff.

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Einleitung

einer Maßeinheit, regelmäßig in Geld“.3 Die Anknüpfung an ein „Gut“ bringt zum Ausdruck, dass es nicht nur um einzelne Sachen geht. Be­ wertungsrelevanz kann vielmehr auch die Zugehörigkeit dieser Sachen zu einer übergeordneten Einheit, also die Zusammenfassung einer Mehrzahl solcher Sachen erlangen. Ferner lassen sich Dienstleistungen, Nutzungen und sonstige Vorteile in die mit der Bewertung ausgedrückte Vorzugs­ ordnung einordnen; für Nachteile und auch Risiken gilt dies sinngemäß. Verbindet man alle diese Gegenstände durch eine betriebliche Organisation, so kann schließlich in Gestalt eines „Unternehmens“ eine neue Sachgesamtheit entstehen. Sie besteht nicht nur aus dem Unternehmensträger rechtlich zuzuordnenden Sachen, Rechten, Verbindlichkeiten und Schuldverhältnissen, sondern auch Faktoren wie dem Kundenstamm, dem guten Ruf, der Qualität des Personals, Erfahrungen und schließlich auch externen Umweltbedingungen. Der Unternehmer stellt zwischen ihnen eine Verbindung her und gestaltet eine betriebsfähige ökonomisch-organisatorische Einheit4, die es je nach Bewertungszweck auch „als solche“ zu erfassen gelten kann, z.B. wegen eines spezifischen (Gesamt-) Mehrwertes gegenüber den Einzelwerten. Dabei ist es gleich, ob diese Einheit unmittelbar beim Unternehmensträger erfasst wird oder nur mittelbar über das Anteilseigentum des Gesellschafters. Aber auch „kleinteiligere“ Einheiten existieren. Dies reicht von einem selbständig lebensfähigen Teil eines solchen Unternehmens (Teilbetrieb) bis hin zu einer als solches verlagerungsfähigen und deshalb zu bewertenden „Funktion“. So verschieden wie diese Gegenstände alle sind, so sind es auch die Bewertungsanlässe. Für jeden dieser Anlässe sieht das Steuerrecht mehr oder weniger konkrete Vorgaben für den Maßstab vor, der die Vorzugsordnung, innerhalb derer der Gegenstand seinen Platz im Verhältnis zu anderen Gegenständen finden muss, prägt. Bei weitestgehender Betrachtung ist auch das Einkommen ein Wert, der – freilich durch die Summierung vieler Einzelwerte – festgestellt werden muss.5 Der hiesigen Untersuchung soll jedoch ein engeres Verständnis zugrunde liegen. Dies ist vorstehend bereits angeklungen: Es geht um die Gegenstände jeweils mit ihren Einzelwerten, also die der Summierung vorgelagerte Ebene. Die so eingegrenzte, spezifisch rechtliche Bewertungsproblematik ist so alt wie das menschliche Interesse an der Überschaubarkeit wirtschaftlicher Ver3 K. Vogel, DStZ 1979, 27, 28. 4 Siehe zum Beispiel aus juristischer Sicht K. Bartels, AcP 209 (2009), S. 309, 312; K. Schmidt, Handelsrecht, S. 63 ff.; aus ökonomischer (bewertungsspezifischer) Sicht zum Beispiel M. J. Matschke/G. Brösel, Unternehmensbewertung, S. 4. 5 A. Hensel, Steuerrecht, S. 86 ff.

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hältnisse bzw. am Ergebnis einer wirtschaftlichen Betätigung. Sie begleitet vor allem jede Art von Rechenwerk6, weshalb es nicht verwundert, dass die Bewertung als Rechtsproblem zuerst das Handelsbilanzrecht erfasste und zwar namentlich die im deutschen Rechtsraum erstmals im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB, 1861) enthaltenen Bilanzierungsvorschriften.7 Industrielle Revolution, der endgültige Übergang von der Tausch- zur Naturalwirtschaft und die Positivierung eines einheitlichen Bilanzrechts gingen Hand in Hand. Dies wirkte auf das Steuerrecht fort. Zwar waren einzelne Bewertungsfragen immer auch schon im steuerlichen Kontext aufgetreten8 und dies auch losgelöst vom Handelsrecht, z.B. mit der preußischen Einkommensteuer vom 1.5.18519, die trotz ihres quellentheoretischen Charakters zum Teil schon Bestandsveränderungen kannte. Zu einem „breiten Problem“ wurde die Bewertungsfrage jedoch erst, als in der zweiten Hälfte und schließlich vor allem zum Ende des 19. Jahrhunderts die handelsrechtlichen Bewertungsfragen das Steuerrecht erreichten. Denn erste Ansätze einer steuerrechtlichen Maßgeblichkeit, beispielsweise im bremischen Einkommensteuergesetz vom 17.12.187410 und im sächsischen Einkommensteuergesetz vom 22.12.187411, galten auch dem Wertansatz. Sodann erfasste auch das preußische Einkommensteuergesetz vom 24.6.189112 nicht nur Geldeinkommen, sondern auch Vorteile in Geldeswert (§ 7 PreußEStG) und knüpfte ebenso wie die vorgenannten Gesetze zur Konkretisierung des Einkommens für Gewerbetreibende an den „Reingewinn“ an, wie er nach den Vorschriften des ADHGB zu ermitteln war (§ 14 Abs. 1 Satz 2 PreußEStG 1891). Zeitnah hierzu brachte die Miquel'sche Steuerreform mit dem preußischen Ergänzungssteuergesetz vom 14.7.189313 die erste allgemeine Abgabe auf das Vermögen, namentlich genannt auf das gesamte bewegliche Vermögen, auf Grundstücke und auf Betriebsvermögen (vgl. § 4 PreußErgStG 1893). Vor allem sie wird maßgeblich mit dem „eigentlichen Beginn des steuerlichen Bewertungsproblems“ in Verbindung ge 6 H. W. Kruse, DStJG 7 (1984), S. 1. 7 Siehe für die Zeit davor zurückreichend bis zum 15. Jahrhundert („Fugger-Bilanzen“) instruktiv die „Geschichtliche Betrachtung zur Bilanztheorie bis zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch“ von M. Lion, StVjSch 2 (1928), S. 401, insbesondere 418 ff. 8 Zu steuerlichen Bewertungsanlässen, die bis zum Mittelalter zurückreichen, seien hier die Darstellungen bei B. Moll, Zur Geschichte der Vermögensteuern sowie K. Barth, Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, empfohlen. 9 PreußGS. 1851, S. 193 ff. 10 GBl. der freien Hansestadt Bremen 1874, S. 121 ff. 11 SächsGVBl. 1874, S. 471 ff. 12 PrGS 1891, S. 175. 13 PrGS 1893, S. 134.

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bracht.14 Hierauf folgten Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Reichsgesetze mit vergleichbaren Bewertungsnotwendigkeiten, beispielsweise das Reichserbschaftsteuergesetz vom 3.6.190615, das Wehrbeitragsgesetz und das Besitzsteuergesetz jeweils vom 3.7.191316 sowie verschiedene Kriegssteuergesetze anlässlich des ersten Weltkrieges. Schließlich ent­ hielt die Reichsabgabenordnung vom 13.12.1919 den ersten Ansatz eines vor die Klammer gezogenen „Bewertungsrechts“. Sowohl das historische Ertrag- als auch Vermögensteuerbeispiel zeigen anschaulich, dass ein Steuergesetz, das nicht auf Hilfsmaßstäbe zurückgreifen will (z.B. die Anzahl der Fenster eines Hauses als Anknüpfungspunkt für den Rückschluss auf eine gesteigerte Leistungsfähigkeit), sondern vielmehr trotz einer Vielzahl verschiedener steuerlich relevanter Sachverhalte den Steuergegenstand ausgerichtet am Belastungsgrund auf eine einheitliche und Vergleichbarkeit bewirkende Bemessungsgrundlage zusammenführen will, nicht ohne Bewertung auskommt. Dies war der Einstieg in die Problematik, die bis heute Anlass zur wissenschaftlichen Durchdringung gibt: Bewertungsfragen bilden letztlich schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts ein Kernproblem aller wichtigen Steuerarten – vor allem von der Einkommen-/Körperschaftsteuer über die Erbschaft- und Schenkungsteuer bis hin zur (heute nicht mehr erhobenen) Vermögensteuer. Albert Hensel hat in seinem „Steuerrecht“ viele Facetten der Bewertungsproblematik angedeutet: Die rechtswissenschaftliche Behandlung der Steuerbewertung muss von der Grundtatsache ausgehen, dass kein einziger Steuerwert irgendwie mit dem „wirklichen“ Wert des zu bewertenden Gegenstandes übereinzustimmen braucht. Jeder im Steuerrecht verwendete „Wert“ ist nur wegen seiner Funktion, die er im Steuertatbestande zu erfüllen hat, bedeutsam. Von dem für das Einzelgesetz ausgewählten Wert hängt die Höhe des Steuersatzes in erster Linie ab. Bei der Auswahl der im einzelnen Fall anzuwendenden Werte kann daher der Steuergeber mit vollem Recht seine Wahl zwischen verschiedenen, an sich denkbaren Bewertungsmöglichkeiten treffen; er wird die Auswahl vor allem auch unter Berücksichtigung verwaltungstechnischer Gesichtspunkte zu treffen haben, zumal die Bewertung 14 So H. Hanisch, Die Entwicklung der Wertbegriffe im modernen deutschen Steuerrecht, S. 2 (aus der Perspektive des Jahres 1934); siehe zu ähnlichen, allerdings hinsichtlich Steuersubjekt, Steuerobjekt und Bemessungsgrundlage durchaus abweichenden Vermögensteuern anderer Länder im Nachgang zur Einführung in Preußen noch B. Fux, in: Gerloff/Mensel, Handbuch der Finanzwissenschaft, Band 2, S. 133 ff. 15 RGBl. 1906, S. 654. 16 RGBl. 1913, S. 505.

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die Steuerbehörden meist vor die schwierigsten Aufgaben der gesamten Steuerverwaltung, insbesondere der Veranlagung, stellt. Das Gesetz wird ebenso auf die einfache Feststellungsmöglichkeit der Werte abstellen, selbst wenn dadurch Vereinfachungen beim Bewertungsgeschäft vorgenommen werden, die die Steuerwerte von dem, was man gemeinhin unter dem „wirklichen Werte“ eines Gegenstandes versteht, abführen. Trotz dieser Vereinfachung, die wir namentlich im modernen Steuerrecht antreffen, wird bei der Auswahl des Wertmaßstabes und dessen Ausgestaltung dafür Sorge zu tragen sein, dass durch die Bewertung gleichliegende Tatbestände auch gleichmäßig (oder wenigstens möglichst gleichmäßig) vom Steuersatz getroffen werden“.17 Die letzten hundert Jahre zeigen eindrucksvoll, welche Problemfelder sich insoweit auftun: Sehr früh wurden Vollzugsdefizite offenbar. Glaubte man ursprünglich noch, dass der Staat die (bewertungsrelevanten) Besteuerungsgrundlagen mit den Mitteln des Polizeirechts ermitteln müsse und auch könne, setzte sich schnell die Deklarationspflicht durch18; die formalisierte Mitwirkung des Steuerpflichtigen wurde als entscheidende Erkenntnisquelle erkannt. Anderen Problemen wurde hingegen erst mit einiger Verspätung entgegengesteuert. Neben der bewertungs­ typischen Schwierigkeit, den Wert einer Sache im Hinblick auf eine vergleichsgeeignete Bemessungsgrundlage zu bestimmen, betraf dies vor allem die Uneinheitlichkeit der Bewertungsregeln. Die bereits ge­nannten reichseinheitlichen bewertungsrelevanten Steuern Anfang des 20. Jahrhunderts (Reichserbschaftsteuergesetz, Wehrbeitragsgesetz und Besitzsteuergesetz) enthielten jeweils eigenständige Wertermittlungsvorschriften. Teilweise waren auch für Landessteuern Bewertungen notwendig, die wiederum eigenständigen Vorschriften folgten. Dies betraf vor allem die Realsteuern einschließlich der Gewerbesteuern. Ein und derselbe Gegenstand musste daher nach unterschiedlichen Regelungen bewertet werden.19 Ferner war die Vollzugslage im Reich bezüglich der Reichssteuern sehr unterschiedlich und vor allem ungleichmäßig.20 Die Steuerverwaltungshoheit war bei den Einzelstaaten verblieben (Art. 36 der Reichsverfassung v. 16.4.1871) und dies sogar für die Steuern, für welche das Reich Gesetzgebungs- und Ertragskompetenz innehatte. Eine Reichsfinanzverwaltung existierte nicht. Die Überwachung des Ländervollzu17 A. Hensel, Steuerrecht, S. 82 f. 18 W. Schick, StuW 1988, 301. 19 F. Dötsch, in: Gürsching/Stenger, BewG, Einführung Rn. 1. 20 G. Lassar, JöR 14 (1926), S. 4, 132 f.; dies konstatiert auch die Begründung zum Entwurf eines Reichsbewertungsgesetzes, RT-Drucks. 400 Nr. 797, S. 23.

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ges nach Art. 36 Abs. 2 RV 1871 (Rechtsaufsicht) übernahm das Reichsschatzamt.21 Im Rückblick ist es sehr aufschlussreich, wie die historischen Gesetzgeber die Bewertungsproblematik und insbesondere die Vollzugsdefizite zu bewältigen suchten: Das Reichsschatzamt beschloss im Sommer 1918 die Schaffung eines Mantelgesetzes, das im Sinn­e eines Allgemeinen Teils unter anderem auch im Zeichen einer Vereinheitlichung der steuerlichen Bewertungsregeln stand.22 Diese Bestrebungen mündeten in der Reichsabgabenordnung vom 13.12.191923. Zudem wurde die Einrichtung einer reichseigenen Finanzverwaltung forciert und letztlich auch durchgesetzt.24 Das Rechtsvereinheitlichungsbestreben unter besonderer Berücksichtigung der Bewertung äußerte sich unter anderem darin, dass die Reichsabgabenordnung die Wertmaßstäbe vor die Klammer zog. Die Kodifizierung der Bewertungsvorschriften in dem „neuen Mantelgesetz“ war indes nur unvollkommen. Auch die nachfolgenden Reichsvermögensteuergesetze vom 8.4.192225 und vom 19.12.192326 konnten die Uneinheitlichkeit der Bewertung nicht beseitigen. Der erste ernst zu nehmende Versuch, eine einheitliche Bewertung materiell-rechtlich zu kodifizieren und durch einen reichseinheitlichen Vollzug abzusichern, kann rückblickend wohl erst dem Reichsbewertungsgesetz vom 10.8.192527 zugeschrieben werden. Aufschlussreich – weil selbstkritisch – ist hierbei die Gesetzesbegründung: Es wird ein ungleichmäßiger Bewertungs- und damit auch Steuervollzug konstatiert. Reichseinheitliche Vorschriften allein hätten mithin nicht genügt. Dies zeige, dass es zugleich auch einer „einheitlichen Leitung“ in Bezug auf die Bewertung bedürfe.28 Relevanz erlangte das RBewG 1925 für die Vermögensteuer, Erbschaftund Schenkungsteuer, Grundsteuer und Gewerbekapitalsteuer. Freilich blieb es den Ländern allerdings auch nach wie vor unbenommen, für die

21 Statt vieler R. Seer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 108 Rn. 3. 22 Ausführlich H. Cordes, Untersuchungen über Grundlagen und Entstehung der Reichsabgabenordnung v. 23.12.1919. 23 RGBl. 1919 I, S. 1993. 24 Zur verfassungshistorischen Ausgangslage und zur sodann vom damaligen Reichsfinanzminister Erzberger auf der Grundlage des Art. 14 RV 1871 forcierten reichseigenen Reichsverwaltung R. Seer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 108. 25 RGBl. I 1922, S. 335. 26 RGBl. I 1923, S. 1205. 27 RGBl. I 1925, S. 899. 28 Begründung zum Entwurf eines Reichsbewertungsgesetzes, RT-Drucks. 400 Nr. 797, S. 23.

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Realsteuern eigene Bewertungsvorschriften vorzusehen.29 Ungeachtet dessen ist aber das mit dem RBewG 1925 verfolgte normative Konzept entwicklungsgeschichtlich äußerst interessant: Es legte zum einen auf abstrakt-genereller Ebene die Grundlagen für eine Detailsteuerung durch die Verwaltung30 mit dem Ziel der Objektivierung durch Typisierung. Dies betraf beispielsweise die landwirtschaftlichen Betriebe. So ordnete § 13 RBewG 1925 (methodisch) die Ertragsbewertung nach Maßgabe der RAO 1919 (dort § 152 Abs. 2 bis 4 RAO 1919) an, enthielt aber zugleich Ermächtigungen zugunsten der Exekutive, die hierfür notwendigen Daten zu vereinheitlichen. Zugleich ermächtigte § 16 RBewG 1925 zum Zwecke der „Herbeiführung der Gleichmäßigkeit in der Bewertung der landwirtschaftlichen Betriebe innerhalb des Reichsgebietes“ zur Feststellung betriebsgrößenabhängiger Verhältniszahlen hinsichtlich auf die Flächeneinheit berechneter Ertragswerte (Abs. 1 Nr. 1 u. 2) und hierauf aufbauend zur Bestimmung von Ertragswertklassen einschließlich Höchst- und Minderwerte durch Rechtsverordnung (Abs. 1 Nr. 3). Die Absätze 2 bis 5 steuerten sodann im Detail die hierbei anzulegenden Kriterien. § 17 RBewG 1925 wiederum stellte dem Reichsminister der Finanzen „zur Sicherung einer wirksamen Durchführung der Vorschriften des § 16 Abs. 1“ einen Bewertungsbeirat zur Seite, der aus dem Reichsminister der Finanzen (oder einem Vertreter) als Vorsitzenden, zwei Ländervertretern, zwei ausübenden, sachkundigen Landwirten sowie einer Person, die, ohne ausübender Landwirt zu sein, über allgemeine Sachkunde auf dem Gebiet der Landwirtschaft verfügt. Ähnliche Vorschriften auf abstrakt-genereller Ebene sah das RBewG 1925 ferner für Grundstücke vor. Auch hier tritt das Streben nach abstrakt-genereller Vereinheitlichung und damit verbunden nach „objektiven“, weil „durchschnittlichen“ Bewertungsdaten zu Tage. Der Reichsminister der Finanzen wurde ermächtigt „Richtlinien über die Bewertung bestimmter Gruppen von Grundstücken aufzustellen“ (§ 37 RBewG 1925). Mit § 35 Abs. 1 Satz 3 RBewG 1925 wurde er ferner dazu ermächtigt, Pauschbeträge für die Ertragswertermittlung von Grundstücken zu bestimmen.31 Waren die nachgewiesenen Kosten höher, blieb es bei deren Abzug. Neben diesen 29 R. Halayzinsky, in: Rössler/Troll, Einführung Rn. 3; F. Dötsch, in: Gürsching/Stenger, BewG, Einführung Rn. 7. 30 Eine solche Detailsteuerung durch die Verwaltung hatte es durchaus schon anlässlich des Vollzuges des PreußErgStG 1893 geben und zwar in Gestalt der „Technischen Anleitung zum PreußErgStG“ (siehe dazu später noch § 3 III. 4.). 31 Genauer: „[…], welcher Teil des jährlich im Durchschnitt nachhaltig erzielbaren Rohertrages von diesem zur Ermittlung des Reinertrages für die Grunstückslasten [Nebenleistungen, Instandhaltungskosten und sonstige Grundstückslasten] ohne Nachweis abgezogen werden darf“.

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abstrakt-generellen Bewertungsvorgaben erfolgte zum anderen erstmals auch die Normierung der verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorgaben. Die Bewertung wurde aus dem allgemeinen Veranlagungsverfahren und aus der Entscheidungsgewalt eines einzelnen Amtsträgers herausgelöst und in einem gesonderten Wertfeststellungsverfahren kollegialen Be­wertungsausschüssen (zum Beispiel „Grundwertausschuss“; „Betriebswertausschuss“) übertragen, die ihrerseits mit Reichs- und Landesbeamten sowie fachkundigen Angehörigen der betroffenen Steuerpflichtigengruppen (Land- und Forstwirte oder Gewerbetreibende) besetzt waren (vgl. §§ 50 ff. RBewG 1925). Mittels dieser kollegialen und zugleich förderalen Zusammensetzung sollte auch bei reichseinheitlicher Leitung die spezifische Bewertungserfahrung der Landesbeamten („wertvollen Erfahrungen und Einrichtungen, die die Länder auf dem Gebiet der Bewertung haben“) bewahrt werden32, was zugleich die Vorstellung impliziert, dass es so etwas wie erfahrungsgeprägtes – von der gewöhnlichen Rechtskenntnis zu unterscheidendes – Bewertungswissen geben kann. Dieses „fachkundige Kollegialprinzip“ setzte sich jedoch letztlich nicht durch – weder rechtspraktisch noch rechtspolitisch.33 Das Reichsbewertungsgesetz vom 16.10.193434 brachte die Einheitswerte mit dem ehrgeizigen und letztlich gescheiterten Ziel, Gegenstände mit einem Wert einheitlich für verschiedene Steuerarten (damals fokussiert auf die stichtagsmäßig relevante Vermögensteuer, Grundsteuer35, Gewerbesteuer) festzustellen und dies in regelmäßigen Abständen (ursprünglich: alle sechs Jahre für land- und forstwirtschaftliche Betriebe und viele bebaute Grundstücke, alle drei Jahre für Betriebe, siehe § 46 RBewG 1934). Die Idee einer einheitlichen Bewertung wurde zwar auch schon mit den vorgenannten Bewertungsgesetzen verfolgt, aber erstmals das Reichsbewertungsgesetz 1934 setzte die Idee nicht nur materiell-rechtlich, sondern auch konsequent verfahrensrechtlich um. Der Einheitswert war geboren.36 Die erste Hauptfeststellung wurde auf den 1.1.1935 durchgeführt. Das ergeizige Unterfangen, die Werte regelmäßig festzustellen, scheiterte jedoch am zweiten Weltkrieg. Mit der Verordnung vom 22.11.193937 wurde bestimmt, dass Hauptfeststellungen bis 32 Begründung zum Entwurf eines Reichsbewertungsgesetzes, RT-Drucks. 400 Nr. 797, S. 23. 33 A. Hensel, Steuerrecht, S. 94. 34 RGBl. I 1934, S. 1035. 35 Kurz darauf auch reichseinheitlich geregelt mit dem Grundsteuergesetz vom 1.12.1936 (RGBl. I 1936, 986). 36 A. Uelner, DStJG (1984), S. 275, 276. 37 RGBl. I 1939, 2271.

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auf weiteres nicht stattfinden sollten. Auch in der ganz jungen Bundesrepublik blieb es zuerst hierbei. Das Vermögensteuerveranlagungsgesetz vom 3.6.1949 bestimmte in seinem § 7, dass es bei der Maßgeblichkeit der auf den 1.1.1935 festgestellten Einheitswerte bleiben solle.38 Es wurden daher lediglich noch Fortschreibungen für die bestehenden wirtschaftlichen Einheiten und Nachfeststellungen für neu entstandene Einheiten vorgenommen – beides jeweils aber immer bezogen auf den Wertfeststellungsstichtag des 1.1.1935. Die beim Grundbesitz auszumachende Wertentwicklung wurde nicht abgebildet. Rechtspraktisch war die Idee der Einheitsbewertung damit (bereits) in ihrem „ersten Versuch“ gescheitert.39 Gleichwohl hielt das Bewertungsgesetz vom 10.12.196540 an der Idee der Einheitswertbewertung fest. Es scheiterte freilich ebenso: Die Einheitswerte des Grundvermögens sind zuletzt auf den 1.1.1964 festgestellt worden. Weitere (regelmäßige) Wertfeststellungen sind nicht erfolgt. Stattdessen arbeitete das Gesetz mit einem prozentualen Aufschlag auf den zum 1.1.1964 festgestellten Wert (vgl. § 121a BewG, der mit dem Vermögensteuerreformgesetz vom 17.4.1974 eingeführt wurde41). Vorherrschend war die Vorstellung, dass die Besteuerung nach Verkehrswerten bei den einheitswertabhängigen Steuern die Steuerverwaltung wegen der damit verbundenen Verkomplizierung der Bewertung überfordern würde.42 Dies betraf vor allem das Grundvermögen. Die Einheitswerte für das Grundvermögen verloren nach überwiegender zeitgenössischer sowie auch rückblickend heutiger Meinung zwar ihre Aussagekraft in Bezug auf den Verkehrswert der Grundstücke, aber gleichwohl erlangten diese Einheitswerte auch noch über die Vermögensteuer, Erbschafts- und Schenkungsteuer, Gewerbekapitalsteuer und Grundsteuer hinaus normative Bedeutung. Als Beispiele sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu nennen: bei der Einkommensteuer anlässlich der Ermittlung der Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen (§ 13a Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5 EStG) sowie für die Bemessung des Nutzungswertes der Wohnung im eigengenutzten Einfamilienhaus (§ 21a EStG43), bei der Gewerbeertragsteuer in Ansehung der Eliminierung von Grundbesitz­

38 WiGBl. 1949, 83. 39 F. Dötsch, in: Gürsching/Stenger, BewG, Einführung Rn. 14. 40 BGBl. I 1965, S. 1861. 41 BGBl. I 1974, S. 949. 42 Begründung vom 4.5.1972 zum Entwurf eines Zweiten Steuerreformgesetzes, BTDrucks. 6/3418, S. 44. 43 Abgeschafft mit Gesetz v. 15.5.1986, BGBl. I 1986, 730.

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erträgen (§ 9 Nr. 1 GewStG) sowie bei der Grunderwerbsteuer, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden war (§§ 8 Abs. 2, 10 Abs. 1 GrEStG). Einige Zeit später erhielt dieser Vereinfachungsgedanke sodann auch Einzug in die Bewertung des Betriebsvermögens, das bis dahin seit jeher von wenigen Ausnahmen abgesehen mit dem Teilwert (einzel-) bewertet worden war. Anstelle des Teilwertansatzes ordnete der Gesetzgeber des Steueränderungsgesetzes 199244 die Übernahme der Steuerbilanzwerte an.45 Besonders deutlich spricht dies vor allem die Begründung zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 1997 aus: Richtig „wäre […] der gemeine Wert, d.h. der Verkehrswert. […]. Aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit hat sich aber gezeigt, dass der früher nach eigenständigen Bewertungsvorschriften ermittelte Wert des Betriebsvermögens letztlich keine objektive und stichtagsbezogene Abbildung des tatsächlichen Betriebsvermögens hervorgebracht hat. Zusammenfassend ist festzustellen, dass zur Vermeidung einer sehr aufwendigen und streitanfälligen Einzelbewertung des Betriebsvermögens eine typisierende Bewertung geboten ist. Zur Vereinfachung für Bürger und Verwaltung muss dabei weitestgehend an vorhandene Wertfeststellungen angeknüpft werden. Es bietet sich daher weiterhin an, Betriebsvermögen […] grundsätzlich auf der Basis der Steuerbilanzwerte zu bewerten.“46 Bei börsennotierten Aktiengesellschaften blieb es hingegen beim Börsenkurs und auch die nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften wurden weiterhin auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften, die allerdings von der Rechtsprechung rechtssatzähnlich angewandt wurden (dazu noch § 9 II. 2.), nach Maßgabe des sog. Stuttgarter Verfahrens, einem Übergewinnverfahren, bewertet. Wir werden anlässlich dieser Untersuchung noch sehen, wie hier das Streben nach gleichheitsmotivierter Verwaltungstypisierung und Komplexitätsreduzierung über Jahrzehnte hinweg ein bewertungsrechtliches Eigenleben außerhalb des Parlamentsgesetzes entwickeln konnte. Die sog. Einheitswertbeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts47, in denen das Bundesverfassungsgericht unter anderem auf die Verfassungswidrigkeit der Bewertung des Grundvermögens erkannte (hierzu eingehend § 7 I. 3.), leiteten sodann die „Gegenbewegung“ ein. Sie beginnt aus 44 BGBl. I 1992, S. 297. 45 Siehe die Begründung der Bundesregierung v. 6.9.1991, BR-Drucks. 522/91, S. 35: „deutlicher Vereinfachungseffekt“ und zudem Vermeidung einer doppelten Belastung der stillen Reserven. 46 Begründung der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1997 v. 11.6.1996, BT-Drucks. 13/4839, S. 64. 47 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121; v. 22.6.1995, 2 BvL 552/91, BVerfGE 93, 165.

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legislativer Sicht für das von den Einheitswertbeschlüssen unmittelbar betroffene Grundvermögen mit dem Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.199648, das an dem Einheitswertkonzept zwar nach wie vor festhielt, seine Relevanz aber auf die Grundsteuer und Gewerbesteuer zurückschnitt. Eine Bewertung für Zwecke der Vermögensteuer erledigte sich mit deren Nichterhebung. Für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Grunderwerbsteuer wurde die Grundbesitzbewertung hiervon entkoppelt und eine auf den 1.1.1996 fixierte Bedarfsbewertung eingeführt. Die relativ detaillierten Bewertungsnormen orientierten sich an beobachtbaren Grundstücksmarktdaten und führten zu einer typisierten Bewertung des Grundbesitzes. Gut zehn Jahre später wurde die Grundbesitzbewertung von dem Stichtag 1.1.1996 gelöst und jeweils auf den Besteuerungsstichtag ausgerichtet (Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.200649). Auch die sich jüngst anschließende „nächste“ Reform erklärt sich wiederum nur im Lichte einer bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zur Bewertung. Der 1. Senat des Bundesver­fassungsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 7.11.2006 erneut den bereits in den Einheitswertbeschlüssen akzentuierten Grundsatz einer realitätsgerechten Bewertung effektuiert und insoweit folgerichtig das vormalige Bewertungsrecht wegen der unterschiedlichen (Unter-) Bewertung von Grundbesitz, Betriebsvermögen und Beteiligungen an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften für verfassungswidrig erklärt.50 Der Vorgabe der „verkehrswertorientierten Bewertung“ ist der Gesetzgeber nach einem längeren und wechselhaften Gesetzgebungsverfahren51 im Zuge der zum 1.1.2009 in Kraft getretenen Erbschaftsteuerreform nachgekommen.52 Die Folge dieser legislativen Reaktionen auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist derzeit eine „Dreiteilung“ des Bewertungsrechts innerhalb des Bewertungsgesetzes. Es sieht für erbschaftund schenkungsteuerliche Zwecke für alle Bewertungsgegenstände eine 48 BGBl. I 1997, S. 2049. 49 BGBl. I 2006, S. 2878. 50 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 69 f. 51 Dazu eingehend M. Schmitt, in: Festschrift f. Schaumburg, S. 1079 ff. 52 BGBl. I 2008, S. 3018; auch dieses Gesetz ist zwischenzeitlich wieder Gegenstand eines konkreten Normenkontrollantrages des Bundesfinanzhofs, jedoch beruhrt der gleichheitsrechtliche Mangel des heute geltenden Rechts nicht auf den Bewertungsnormen, sondern auf der Überdimensionierung und mangelnden Zielgenauigkeit der Verschonungsnormen für unternehmerisches Vermögen (siehe den Vorlagebeschluss des II. Senats des Bundesfinanzhofs [BFH v. 27.9.2012, II R 9/11, BStBl. II 2012, 899], sowie zuvor zur Verfassungswidrigkeit der reformierten Erbschaftsteuer schon D. Piltz, DStR 2010, 1913; R. Seer, GmbHR 2009, 225; J. Lang, StuW 2008, 189; derselbe, FR 2010, 49).

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Verkehrswertorientierung vor; gesondert geregelt ist dies in den neugestalteten §§ 157 ff. BewG. Für die Grundsteuer hält es hingegen am Einheitswert und für die Grunderwerbsteuer, soweit dort mangels Gegenleistung ein Ersatzwert als Bemessungsgrundlage erforderlich ist, an der Bewertung nach Maßgabe der – vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 7.11.2006 für erbschaftsteuerliche Zwecke als gleichheitswidrig erkannten – §§ 138 ff. BewG fest. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass die eingangs als „Gegenbewegung“ bezeichnete Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Der Bundesfinanzhof hat dem Bundesverfassungsgericht jüngst die Frage vorgelegt, ob die grunderwerbsteuerliche (Ersatz-) Bewertung nach den §§ 138 ff. BewG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.53 Auch die Verfassungskonformität der Einheitswertbewertung des Grundbesitzes für Zwecke der Grundsteuer dürfte demnächst wieder auf den bundesverfassungsgerichtlichen Prüfstand kommen, was sodann (vermutlich) wiederum zu einer Reform des grundsteuerlichen Bewertungsrechts führen wird.54 Schließlich bleibt abzuwarten, ob die Vermögensteuer die Problematik in der Zukunft um ein weiteres Problemfeld bereichern wird. Sie hatte im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes 2013 nennenswerte Befürworter gefunden, dürfte allerdings in Zeiten einer CDU/CSU/SPD-Koalition jedenfalls in den nächsten Jahren keine Verwirklichungschance haben (siehe auch noch unter § 2 I. 4.). Dieser kurze historische Überblick zeigt bereits, dass in den letzten 100 Jahren Steuerrechtsgeschichte immer wieder Verkehrswerte definiert wurden, der Gesetzgeber angesichts des Steuervollzuges zugleich aber immer auch wieder versuchte, einen Kompromiss mit ihrer vollzugs­ mäßigen Ermittlung zu finden. Konzeptionell und normtheoretisch waren die Fragestellungen insoweit immer identisch oder zumindest ähnlich. Albert Hensel hat die Problemfelder in dem vorgenannten Zitat letztlich zeitlos benannt. Das Bonner Grundgesetz, das die Bewertungsproblematik und das zu seiner Bewältigung damals maßgebliche RBewG 1934 vorgefunden hat, hat jedoch eine weitere, heute vornehmlich im Fokus stehende Perspektive hinzufügt: Bewertungsspezifische Gerechtigkeitsfragen waren im Kaiserreich ein reales Problem, aber keine Verfassungsfrage. Weder die Verfassung des Norddeutschen Bundes noch die Reichsverfassung enthielten Grundrechte. Effektuiert wurden im Einzel53 BFH v. 2.3.2011, II R 23/10, BStBl. II 2011, 932 ff. 54 Siehe nur „den Hinweis an den Gesetzgeber“ von BFH v. 30.6.2010, II R 60/08, BStBl. II 2010, 897: die Bewertung zum Stichtag des 1.1.2007 sei „noch“ verfassungskonform. Zwischenzeitlich ist erneut ein Verfahren anhängig und zwar betreffend den Stichtag des 1.1.2009 (II R 16/13).

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Wert, Bewertung, Wertfindung

fall allenfalls landesrechtliche Verbürgungen.55 In der Weimarer Republik änderte sich dies nicht. Die Staatsrechtslehre stritt bereits im Ausgangspunkt über die Bindungswirkung der Grundrechte, was eine Effek­ tuierung verhinderte.56 Soweit ersichtlich wurde das exekutive Bewertungsverhalten gleichheitsrechtlich (Art. 109 RV 1919) jedenfalls nicht hinterfragt. Mit dem Bonner Grundgesetz änderte sich dies sodann. Eine steuer- und bewertungsspezifische Dogmatik musste sich zwar erst noch etablieren und vor allem auch effektuieren. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 sowie vom 7.11.2006 bringen die besondere Relevanz und den kritischen Stand der verfassungsrechtlichen Bewertungsperspektive nunmehr jedoch eindrucksvoll zum Ausdruck. Es ist daher nahezu zwingend, dass die Bewertungsthematik in Teilbereichen bereits mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen ist. Die Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft hat der Thematik unter dem Generalthema „Werte und Wertermittlung“ ihre Jahrestagung in Salzburg (1983) gewidmet57 und es liegt eine Vielzahl rechts- und wirtschaftswissenschaftlicher Arbeiten hierzu vor.58 Auch die Bewertung aus nichtsteuerrechtlichem Anlass war bereits mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.59 Gleichwohl harren viele Fragen 55 Zum Beispiel PreußOVG v. 20.4.1896, Rep. E VIIIa 1/96, PreußOVGStE 5, 63, 71 f. in Ansehung des in den Finanzedikten vom 27.10.1810 (PreußGS 1810, S. 25) und 7.9.1891 (PreußGS 1811, S. 253) niedergelegten Gebotes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. 56 Zur Grundrechtsdiskussion in der Weimarer Republik statt vieler nur H. Dreier, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band 1, § 4. 57 Veröffentlichung der Beiträge in Raupach (Hrsg.), Werte und Wertermittlung, 1984. 58 Über die Zeit hinweg sind beispielsweise und ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu nennen H. Hanisch, Die Entwicklung der Wertbegriffe im modernen deutschen Steuerrecht (Diss.), 1934; H. Jacob, Das Bewertungsproblem in den Steuerbilanzen, 1961 (Habil.); F. Helmert, Der Wert im Vermögensteuerrecht (Diss.), 1984; aus jüngerer Zeit ferner F. Schleithoff, Die Unternehmensbewertung im deutschen Steuerrecht, 2006; C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebs­ wirtschaftlichen Steuerlehre (Habil.), 2008; A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Bewertungsmethoden im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht (Diss.), 2010; hinzuweisen ist ferner auf eine Vielzahl von Arbeiten zum Teilwert im Besonderen, wobei hier nur die beiden jüngsten (juristischen) Untersuchungen von I. Gabert, Der Bewertungsmaßstab des Teilwertes im Bilanzsteuerrecht (Diss.), 2011 und C. Lange, 75 Jahre Teilwert (Diss.), 2011 genannt werden sollen. 59 Im Besonderen hervorzuheben ist die (juristische) Habilitationsschrift von Johannes Adolff mit dem Titel „Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft“ aus dem Jahr 2007; sie enthält eine beachtenswerte instruktive und detallierte Darstellung nicht nur der Unternehmensbewertung, sondern auch weitergehender ökonomischer Zusammenhänge, auf die hier an vielen Stellen verwiesen wird. Ansonsten siehe zu Bewertungsrechtsfragen anlässlich von zivilrechtlichen Streitigkeiten bzw. zumindest mit einem Darstellungsschwerpunkt im Zi-

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Einleitung

der steuerrechtlichen Verkehrswertbewertung nach wie vor ihrer Klärung, teilweise sogar überhaupt erst einmal ihrer Entdeckung.

II. Beweggründe für dieses Thema und methodische Vorbemerku­ng Beweggründe und methodische Vorbemerku­ng

Es dürfte heute Einigkeit darüber herrschen, dass es unmöglich ist, den gesuchten „Wert“ verstanden als das, was man als Preis im Falle der Veräußerung des Bewertungsgegenstandes erzielen könnte (also: Verkehrswert), eindeutig zu bestimmen. Die Zahl der Juristen, die nach wie vor an einen einzigen „Wert“ glauben, dürfte zwischenzeitlich verschwindend gering sein. Geht man jedoch der Frage auf den Grund, warum der wahrscheinlich zu erzielende Preis so schwierig zu bestimmen ist, flüchten sich viele Begründungen in die theoretischen Faktoren seiner Bestimmung. Wir werden sehen, dass gerade die Bewertung von Unternehmen sehr methodenfixiert ist und diese Methoden eben bestimmte „Stellschrauben“ aufweisen. Die Methodenfixierung ist Ausdruck eines Konventionsbedürfnisses in Ansehung des Begründungsweges, wo das Ergebnis selbst nicht vollständig begründbar ist. Dieses Problem ist dem Juristen in Bezug auf „seine“ juristische Methodik bekannt. Sie kann kein einziges Rechtsanwendungsergebnis erzeugen, aber leitet doch zumindest den Denkweg, zwingt zur Argumentation, macht damit den Rechtserzeugungsvorgang für Dritte nachvollziehbar und wirkt wegen der Einhaltung eines anerkannten Standards akzeptanzfördernd.60 Ähnliche Erwartungen verbinden sich mit betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden. Sie bieten Konventionen und fördern ob ihrer Verbreitung die Akzeptanz eines Ergebnisses, das immer auch hätte anders ausfallen können. Was ist aber mit dem Blick hinter diese Methoden? Was bilden sie ab, was sollen sie abbilden und was sollten sie abbilden? Mein subjektiver Eindruck ist, dass viele Juristen diese Methoden schlicht als existent hinvilrecht J. P. Meincke, Das Recht der Nachlassbewertung im BGB (Diss.), 1973, W. Meilicke, Die Barabfindung für den ausgeschlossenen und abgefundenen Minderheitskapitalgesellschafter (Diss.), 1987, A. Hackmann, Unternehmensbewertung und Rechtsprechung (Diss.) 1987, D. Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl. 1994, M. Lausterer, Unternehmensbewertung zwischen Betriebswirtschaftslehre und Rechtsprechung (Diss.), 1997. 60 Statt vieler hier erst einmal nur U. Neumann, Rechtstheorie 32 (2001), S. 239, 242 ff.; H. H. Trute, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers, Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, S. 211, 215 f.; R. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 51.

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Beweggründe und methodische Vorbemerku­ng

nehmen. Sie sehnen sich nach „Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung“ und schauen auf die Betriebswirtschaftslehre mit der Erwartung, dass sie solche „Regeln“ für sie „finde“. Wer die sodann „gelieferten“ Methoden hinterfragt, macht ihre Überzeugungskraft häufig allein an ihrer konzeptionellen, ökonomischen Richtigkeit fest. Dabei fand ich es besonders verwunderlich, dass die Frage nach der juristischen Relevanz zwischen sozialer Wirklichkeit (wie bilden sich Preise „in der Regel“ und was bedeutet dies für „Preiserwartungen“?) und gesetzlicher Bewertungsanordnung dabei vielfach überspielt wird. Die Frage, warum solche Methoden im Bereich der „Preisschätzung“ überhaupt rechtserheblich sind, wird nicht gestellt. Dabei sind viele dieser Fragen von erheblicher normtheoretischer und staatsrechtlicher Bedeutung. Recht kann nicht nur aus der Wirklichkeit heraus mit Leben gefüllt werden. Vielfach kann es auch nur über das Verständnis der sozialen Wirklichkeit verstanden und konkretisiert werden. Was bedeutet es beispielsweise für die „Gleichheit“ (gemessen an dem Kriterium der Leistungsfähigkeit), wenn die soziale Wirklichkeit nur facettenreiche, vielgestaltige und letztlich pluralistische Perspektiven auf die jeweiligen Vergleichspaare erkennen lässt, die überdies noch diffus und schwer messbar zu machen sind? Dabei kann man sogar noch einen Schritt weitergehen: Was ist, wenn das Recht die dergestalt beschriebene soziale Wirklichkeit sogar rezipiert? Dies verlängert nicht nur die gleichheitsrechtliche Konkretisierungsproblematik, sondern führt auch zu (damit wechselbezüglichen) Fragen ihrer Erfassung, Übernahme und vor allem normativen Filterung. Ohne hier vorweggreifen zu wollen, so sei jedenfalls schon einmal hervorgehoben, dass die (konstruierte) Wirklichkeit für die Bewertung von großer rechtserheblicher Bedeutung ist. Erkannt wird dies bisher nur bedingt. Soziologische, ökonomische und sonstige rechtstatsächliche Argumente begegnen einem zwar durchaus. Aber man gewinnt den Eindruck – und an manchen Stellen wird sich auch diese Arbeit nicht davon frei machen können –, dass wir es hier mit der individuellen Alltagserfahrung der jeweils mit Bewertungsfragen beschäftigten Akteure zu tun haben. Damit soll nicht gesagt sein, dass dieses Erfahrungswissen „unrichtig“ ist. Problematisch ist es aber, wenn Aussagen zur sozialen Wirklichkeit getroffen werden, ihre Quellen aber nicht offengelegt werden. Das Erfahrungswissen wird vielfach intransparent gebildet und auch verwendet. Eine Prüfbarkeit ist selten möglich. Des Weiteren war es der Umgang mit der Bewertungsfrage im konkreten Fall, die Gewinnung der bewertungsrelevanten Daten bzw. Informationen und vor allem die Begründung von Bewertungsergebnissen, die mich teilweise unbefriedigt zurückließen. Zwischenzeitlich dürften fast alle 15

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Juristen erkannt haben, dass die Verkehrswertbewertung von Gegenständen innerhalb einer Bandbreite allesamt denkbarer Preise mündet. Zugleich sehen sich sowohl die auf einen Erkenntnisakt hinwirkenden (Verwal­tungsakt, Urteil) als auch die beratenden Juristen aber einer Entscheidungssituation gegenüber, die sie auf einen einzigen Punktwert als (aus der Beratungssituation: vorherzusagendes) Rechtsanwendungsergebnis verpflichten. Sie müssen (eigen-) wertend bewertungsrelevant Faktoren bestimmen und nicht wenige Juristen tun sich schwer damit, hier den maßgeblichen intuitiven Anteil anzuerkennen. Man versucht sich stattdessen rational zu geben. Die betriebswirtschaftliche Unternehmensbewertungslehre trägt dazu freilich auch ihren Teil bei, wenn sie immer technischer und mathematischer wird und somit vielleicht „Zahlensicherheit“ und damit Objektivität suggeriert, wo eine solche bei genauem Hinsehen überhaupt nicht existieren kann. Insgesamt begegnet einem hier eine spezifisch (steuer-) juristische – vielfach durch ein formales Gleichheitsstreben oder die Idee der Rechtssicherheit im Sinne von Vorhersehbarkeit der Entscheidung befeuerte – Skepsis gegenüber der Unsicherheit der Rechtsanwendung bei Bewertungen. Insbesondere Juristen scheinen die Bewertungsvielfalt, die uns die soziale Wirklichkeit lehrt, als „misslich“ zu empfinden, setzen Praktikabilitäts- und Gerechtigkeitsfragen gleich und streben nach Objektivierung. Sie geben sich deshalb nicht selten der Sicherheit von Methoden und Formeln hin – und dies nicht nur bei der Bewertung unternehmerischer Einheiten, sondern auch bei der Grundstücksbewertung. Mit diesen und vielen anderen Problemfeldern, ihren Fragestellungen und den bisher diskutierten Lösungsansätzen beschäftigt sich die nachfolgende Untersuchung. Sie ist eine solche zur (Verfassungs-) Rechtsanwendung und insoweit normwissenschaftlich angelegt. Das geltende Recht steht im Vordergrund und soll dogmatisch durchdrungen werden: Der Rechtsstoff und die Phänomene werden ermittelt, geordnet und beschrieben, um bereichsspezifisch Institute und Sinnzusammenhänge zu entwickeln, die die praktische Rechtsanwendung entlasten und durch sachgerechte Orientierungspunkte erleichtern sollen.61 Dazu werden die grundlegenden Wertungen der hier interessierenden (Teil-) Rechtsordnung und deren schrittweise Konkretisierung bis hin zu den auf sie zurück­führbaren individuellen Rechtssätzen abgebildet und dies vor allem im Kontext der Wertfindung als Rechtsanwendungsvorgang. Sie bie61 Zur Aufgabe der Dogmatik J. Esser, in: Festschrift f. Raiser, S. 517, 522 f.; C. Möllers, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 3 Rn. 157; C. Starck, JZ 1972, 609; K. Vogel, in: Festschrift f. Thieme, S. 605, 606 f.; C. Waldhoff, in: Festschrift f. Spindler, S. 853, 867 ff.

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Beweggründe und methodische Vorbemerku­ng

tet hervorragendes Anschauungsmaterial für den dogmatischen Diskurs zwischen Wissenschaft und Praxis. Dabei ist die vorliegende Arbeit vor allem auch eine solche des Steuerrechts. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf den Einkommensteuern im weitesten Sinne (Einkommen-, Körperschaft- sowie Erbschaft- und Schenkungsteuer) sowie der Vermögensteuer als Substanzsteuer. Die steuerspezifischen Details werden in gebotener Tiefe und ihrem systematischen Umfeld dargestellt. Gleichwohl sollte sich auch der nichtsteuerrechtliche Leser in der Thematik, den Problemfeldern und den diskutierten Lösungen zu Recht finden können. Die steuerrechtliche Bewertung wird im Laufe der Untersuchung noch weitergehend eingeengt auf die Verkehrswertbewertung aus steuerrechtlichem Anlass. Referenzfeldbildend wirkt dabei die starke Akzen­ tuierung der Unternehmens- und Grundstücksbewertung. Sowohl der Verkehrswert im Allgemeinen als auch die beiden genannten Bewertungsanlässe im Besonderen bilden besonders anschaulich die fachübergreifenden Herausforderungen ab, denen sich das Recht bei Bewertungen stellen muss. Sie werden das Fallmaterial liefern, anhand dem Fragestellungen formuliert und Lösungsansätze entwickelt werden. Ihrer Modellfunktion als (Sub-) Referenzmaterien folgend werden sich anlässlich der Unternehmens- und Grundstücksbewertung Erkenntnisse ergeben, die Bewertungsgegenstand und auch Verkehrswert übergreifend in die all­ gemeine steuerliche Bewertungsdogmatik strukturbildend einfließen (können).62 Ob sich auch Erkenntnisgewinne für nichtsteuerrechtliche Bewertungsanlässe ergeben, muss anlässlich der Untersuchung offen bleiben. Insbesondere zivilrechtliche Bewertungsanlässe folgen anderen normativen Wertungen und mit diesen kann hier keine Verprobung vorgenommen werden. Die Relativität der Bewertungsrechtsfragen hindert es allerdings nicht, auf viele Erkenntnisse gerade der gesellschaftsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur zur Bewertung zurückzugreifen. Ungeachtet des normwissenschaftlichen Ausgangspunktes werden sich viele Verbindungslinien zu den Nachbarwissenschaften einstellen (offenbaren). Dies betrifft insbesondere die soziale Wirklichkeit als den nach hier vertretener Ansicht entscheidenden Schlüssel zur Bewertung. Die Untersuchung vergewissert sich daher außerjuristischer Wissenschaftserkenntnisse, versteht sich aber nicht als eine Arbeit auf diesen Gebieten. Die Ausführungen sind nicht Selbstzweck. Zum Teil wird es sich nicht vermeiden lassen, Begriffe zu verwenden, die auf das hiesige Er62 Zum Denken in Referenzmaterien und den Anforderungen an die Auswahl eines Refrenzgebietes M. Burgi, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 18 Rn. 115 f.; M. Schmidt-Preuß, DVBl. 2000, 767; Wahl, VVDStRL 62 (2003), S. 337.

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kenntnisinteresse zugeschnitten sind und sich in die steuerjuristische Diskussion einfügen, aber den Angehörigen der Nachbarwissenschaften aus ihrem Erkenntnisinteresse heraus „unscharf“ erscheinen mögen. Zudem wird die Arbeit an vielen Stellen die Notwendigkeit der Rechtstatsachenforschung aufzeigen und postulieren. Sie will – und kann – allerdings die dabei aufgeworfenen empirischen Fragen nicht beantworten. Für die Rechtswissenschaft ist Wirklichkeitserkenntnis nur ein Mittel auf dem Weg zur Entscheidung63 und in diesem Geiste wird das Ziel dieser Arbeit bereits dadurch erreicht, dass aufgezeigt wird, wo und warum solche Notwendigkeiten bestehen. Die Untersuchung bewegt sich auf verschiedenen Ebenen: Im ersten Teil werde ich mich zunächst mit „dem Wert eines Gegenstandes“ beschäftigen, wie er ungeachtet juristischer Bewertungsnotwendigkeiten diskutiert und wahrgenommen wurde und wird. Es geht hier um die Erfassung der sozialen Wirklichkeit in Bezug auf die Bewertung von Gegenständen. An die dort gewonnenen Erkenntnisse anknüpfend wird untersucht, in welchem Verhältnis die Bewertungsnorm hierzu steht (zweiter Teil). Auf dieser Ebene werden die rechtsanwendungsbezogenen Fragen in Bezug auf den Bewertungsrechtssatz gewürdigt. Dort werde ich vor allem herausarbeiten, dass und warum Bewertung nie zu einem punktgenauen Ergebnis führen kann, der Rechtsanwendungsvorgang aber gleichwohl auf ein solches gerichtet ist. Diese Erkenntnis steht sodann auch im Mittelpunkt der grundrechtlichen Untersuchung (dritter Teil). Auf dieser Ebene findet die gleichheits- und freiheitsrechtliche Dimension der Wertfindung ihre Aufarbeitung. Abgeschlossen wird der dritte Teil mit der kompetenzrechtlichen Dimension. Die verfassungsrechtlichen Erkenntnisse werden schließlich auf einfach-rechtlicher Ebene entfaltet. Dieser vierte Teil widmet sich zuerst der verwaltungsverfahrensmäßigen Umsetzung der Bewertungsnorm im Einzelfall, um dann auf den verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen aufbauend die Rechtsinterpretation der materiellen Bewertungsnorm in den Blick zu nehmen. Die Untersuchung wird dabei vor allem den „roten Faden“ aufzeigen, der die vorgenannten Ebenen allesamt verbindet.

63 P. Gottwald, ZZP 98 (1985), S. 113, 115; J. Lüdemann, in: Boysen/u.a., Netzwerke, S. 268, 277; W. Krawietz, Juristische Entscheidung und wissenschaftliche Erkenntnis, S. 145 f.

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Teil 1: Steuergesetzliche Bewertung zwischen sozialer Wirklichke­it und rechtlichem Funktionsbegriff § 1 Der „Wert“ eines Gegenstandes I. Die „Realität“ als Bezugspunkt der Juristen Diese Untersuchung hat Steuerrechtsnormen zum Gegenstand, die zur Bewertung zwingen. Sie sind Bestandteil der Sollensordnung, mit der sich die Rechtswissenschaft beschäftigt. In einer solchen Ordnung wird nichts beschrieben, sondern mittels Rechtsnormen vorgegeben, wie sich ihre Adressaten zu verhalten haben (Verhaltensnormen) bzw. wie diejenigen, die zur Handlung und Entscheidung im Einzelfall berufen sind, zu handeln und zu entscheiden haben (Entscheidungsnormen).64 Als solche beinhalten sie keine den Kategorien von wahr oder falsch zugängliche Aussage über die soziale Wirklichkeit. Das was ist, soll daher von dem zu scheiden sein, was sein soll. Aus der erkenntnistheoretischen Trennung von Sein und Sollen darf aber nicht gefolgert werden, sie stünden unverbunden nebeneinander.65 Es besteht vielmehr unter verschiedenen, sich gegenseitig beeinflussenden und bedingenden Gesichtspunkten Wechselwirkungen zwischen der Rechtsordnung auf der einen und der sozialen Wirklichkeit mit ihren sozialen Fakten auf der anderen Seite.66 Zwar haben soziale Tatsachen keine physikalische Existenz. Sie existieren nur als menschliche Handlungen67 – gerade dies wird uns bei der Bewertung immer wieder begegnen. Diese soziale Wirklichkeit – ethnomologisch verstanden als Vollzugswirklichkeit mit ihren beobachtbaren lokal-situativen Alltagshandlungen und Regelhaftigkeiten68 – ist jedoch empirisch feststellbar, wenn auch „nur“ im Sinne einer Konstruktion („zweiter Ordnung“69). So geht es nämlich bei der sozialen Wirklichkeit nicht um 64 K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 250. 65 C. Gusy, JZ 1991, 213; N. Petersen, Der Staat 49 (2010), S. 425; M. Rehbinder, Rechtssoziologie, § 2 Rn. 3; K. F. Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, S. 31 f. 66 F. Müller/R. Christensen, Juristische Methodik, Band 1, Rn. 84 ff., 230 ff.; C. Polke, Der Staat 52 (2013), S. 99, 102; M. Rehbinder, Rechtssoziologie, § 2 Rn. 3; K. F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 77 ff.; Rupp, AöR 101 (1976), S. 161, 162 f.; C. Starck, JZ 1972, 609, 612 f. 67 M. Morlok/R. Kölbel/A. Launhardt, Rechtstheorie 31 (2000), S. 15, 16. 68 M. Morlok/R. Kölbel/A. Launhardt, Rechtstheorie 31 (2000), S. 15, 18. 69 A. Schütz, Das Problem der Relevanz, S. 44 ff.

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

etwas, was man von einem neutralen Beobachtungsstandpunkt aus lediglich zu erkennen braucht. Empirie ist kein bloßes Abbild der sog. Realität, „sondern immer nur Effekt spezifischer Konstruktionsverfahren, insbesondere der jeweiligen Beobachtungstechniken der darauf spe­ zialisierten Wissenschaften […]“.70 Wir haben es bei sozialwissenschaftlichen Erkenntnisprozessen mit einer Perspektive zu tun, die durch Frage­stellung, Vorverständnis, Methodenwahl, Selektion und weiteren Wertungen beeinflusst wird71, letztlich also von dem Standpunkt, von dem aus man sie betrachtet. Das Verhältnis von Erkenntnis und Erkenntnissubjekt darf daher nicht ausgeblendet werden. 72 Niemand kann beanspruchen, die Wirklichkeit zu erkennen. Es geht lediglich um „Realitätsbeschreibungen“73 im Lichte eines konkreten, von Wertungen geprägten Erkenntnisanliegens. Dieser erkenntnistheoretischen Grundlage müssen wir uns anlässlich dieser Untersuchung vor allem deshalb stets bewusst sein, weil wir es bei der Bewertung – so in Vorwegnahme der hier zu entwickelnden These – stets mit sozialen Verhaltensmustern zu tun haben werden. Das Steuerrecht ordnet zwar keine Lebenssachverhalte. Es knüpft aber zur Verteilung von Lasten hieran an.74 Die (Steuer-) Rechtswissenschaft kommt damit nicht umher, sich um eine Erfassung und insbesondere auch um ein Verständnis dieser sozialen Wirklichkeit (im Sinne einer Realitätsbeschreibung) zu bemühen. Dies betrifft zum einen den Gesetzgeber. Erkennt er solche Sachverhalte und Sachzusammenhänge anlässlich der Gesetzgebung, ist er natürlich darin frei, ob und inwieweit er sie für rechtserheblich erklärt.75 Tut er dies, verknüpft er zwangsläufig Sein und Sollen. Über die soziale Wirklichkeit kann sich der Gesetzgeber aber

70 I. Augsberg, Der Staat 51 (2012), S. 117. 71 I. Augsberg, Der Staat 51 (2012), S. 117, 118; M. Morlok/R. Kölbel/A. Launhardt, Rechtstheorie 31 (2000), S. 15 ff.; A. Scherzberg, ZZP 117 (2004), S. 163, 174; A. Schütz, Das Problem der Relevanz, S. 44 ff.; C. Starck, JZ 1972, 609, 610; A. Voß­ kuhle, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers, Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, S. 637, 639; W. R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, S. 128 Fn. 34 u. S. 160. 72 R. Damm, Rechtstheorie 7 (1976), S. 213 ff.; A. Dieckmann, Empirische Sozialforschung, S. 49 ff.; J. Habermas, Erkenntnis und Interesse, passim, insbesondere S. 116 ff.; A. Scherzberg, ZZP 117 (2004), S. 163, 174; N. Luhmann, Erkenntnis als Konstruktion, passim. 73 A. Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/derselbe, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 1 Rn. 31; I. Augsberg, Der Staat 51 (2012), S. 117. 74 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 277. 75 M. Jachmann, Die Fiktion im Öffentlichen Recht, S. 78 Fn. 235; R. Lippold, Rechtstheorie 19 (1988), S. 463, 474 ff.; R. Zippelius, Rechtsphilosophie, S. 39.

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Die „Realität“ als Bezugspunkt der Juristen

immer nur bedingt hinwegsetzen.76 Etwas faktisch Unmögliches kann das Recht nicht anordnen. Tut es dies doch, werden die Regelungsziele der Norm zwangsläufig verfehlt.77 Dieses „Vorfinden“ einer sozialen Wirklichkeit ist gerade dort so bedeutsam, wo der Gesetzgeber beispielsweise durch den Gleichheitssatz in seiner Freiheit ohnehin beschränkt und stattdessen auf dessen Verwirklichung verpflichtet ist. Verfassungsrechtskonkretisierung und -maßstabsbildung lassen sich dann nur im Spiegel der sozialen Wirklichkeit betreiben. Verfassungsrechtliche Anforderungen lassen sich nur formulieren, wenn man weiß, was „tatsächlich“ möglich ist und vor allem was nicht.78 Wir werden insbesondere bei der Konkretisierung der gleichheitsrechtlichen Vorgaben für die Bewertung sehen, dass normative und empirische Erkenntnisse ineinandergreifen (müssen) und dass diese Konkretisierung nicht ohne Verständnis für die beobachtbaren sozialen Verhaltensmuster, Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten erfolgen kann. Die soziale Wirklichkeit bildet hier also vor allem das Umfeld für einen Regelungsbereich und gibt ihm Zusammenhänge und (Sach-) Gesetzlichkeiten vor.79 Wenngleich die methodische Terminologie insoweit nicht einheitlich ist, legt sie sowohl aus Sicht der Gesetzgebung als auch der Rechtsanwendung den Grundstein für die spätere Argumentation aus der Natur der Sache80 heraus, nämlich in Bezug auf die Bewertung hinsichtlich ihrer Vielgestaltigkeit, Unsicherheit und Wertungsabhängigkeit und die sich damit zwangsläufig ergebende „natürliche Wertbandbreite“. Natur der Sache meint hier also im Anschluss an die Dernburg´sche Beschreibung die Vorstellung von einer natürlichen Ordnung im Sinne einer natürlichen Sachstruktur und Sachgesetzlichkeit, welche die Lebensverhältnisse im Allgemeinen und hier das Wertphänomen als Teil der sozialen Wirklichkeit im Besonderen in sich tragen.81 Es geht unter dem Stichwort der Natur der Sache mithin darum, (lediglich) zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen, „dass dem Recht bestimmte Sachverhalte vorgegeben sind, die es als Tatsachen hinnehmen muss“ und zwar als „tatsächliche Notwendigkei-

76 R. Zippelius, Rechtsphilosophie, S. 39. 77 B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 921; C. Starck, JZ 1972, 609, 612. 78 N. Petersen, Der Staat 49 (2010), S. 435, 437. 79 F. Schoch, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers, Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, S. 543, 557. 80 Siehe zu den verschiedenen Verwendungen des Begriffs der „Natur der Sache“ B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 919 ff. 81 So das Verständnis unter Hinweis auf H. Dernburg, Pandekten, Teil 1, S. 87 bei K.- D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 287 f; ferner R. Zippelius, Rechtsphilosophie, S. 77.

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

ten und Möglichkeiten“82. Damit begegnet uns hier letztlich der (berechtigte) Grundgedanke, der auch der Lehre vom Normbereich innewohnt, wonach die Erfassung der Wirklichkeitsstruktur eine Grundbedingung ist, unter der sich die Konkretisierung des Verfassungsrechts vollzieht83: Bei der Konkretisierung des im Rahmen dieser Untersuchung besonders relevanten Gleichheitssatzes muss die soziale Wirklichkeit deshalb mit in den Blick genommen werden, weil anderenfalls eine theoretische Überhöhung des Gleichheitsverständnisses und der zu seiner Konkretisierung bemühten Leistungsfähigkeit droht (eingehend noch § 7 I.). Von besonderer Relevanz ist die Wirklichkeitserfassung aber auch für die einfach-rechtliche Ebene. Zum einen wird man vor allem eine teleologische Auslegung nicht betreiben können ohne Verständnis für die realen Zusammenhänge dessen, was Gegenstand der zu interpretierenden und konkretisierenden Norm ist. Das Gesetz ist wegen seiner Anknüpfung an die soziale Wirklichkeit aus sich heraus nicht immer verständlich. Sein Sinn kann zum Teil nicht gedacht werden ohne eine Vorstellung von dem geregelten Sachverhalt und den realen Bedingungen bzw. Problemfeldern, die mit ihm zusammenhängen.84 Insoweit ist es häufig erst das Verständnis für die das Regelungsumfeld der Norm bildende soziale Wirklichkeit, das offenlegt, aus welchem Grund sich beim Gesetzgeber und dem Rechtsanwender, aber auch dem Rechtsverkehr im Allgemeinen, bestimmte Vorstellungen und hieran anknüpfende Rechtsauffassungen gebildet haben und bilden konnten.85 Denn die mittels Sollensan­ ordnungen verwirklichten Werturteile werden in aller Regel durch Interessen, Traditionen und Dogmatismus zu erklären sein.86 Zum anderen werden wir sehen, dass es vor allem soziale Verhaltensmuster sind, die von Bewertungsnormen sogar rezipiert werden. Die Frage des „inwie82 R. Zippelius, Rechtsphilosophie, S. 77. 83 F. Müller/R. Christensen, Juristische Methodik, Band 1, Rn. 85 f. und Rn. 124 ff., zur Verbindung mit dem Gedanken der „Natur der Sache“ insbesondere Rn. 126. 84 M. Morlok/R. Kölbel/A. Launhardt, Rechtstheorie 31 (2000), S. 15, 16; M. Rehbinder, Rechtssoziologie, § 3 Rn. 20 ff. 85 Zur Relevanz der „sozialen Wirklichkeit“ für die (teleologische) Auslegung K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 287 f. (zur Natur der Sache als teleogischen Argument); C. Gusy, JZ 1991, 213; W. Hoffmann-Riem, in: derselbe/SchmidtAßma­nn/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 10 Rn. 14; C. Möllers, ebenda, § 3 Rn. 24; M. Morlok/R. Kölbel/A. Launhardt, Rechtstheorie 31 (2000), S. 15, 16; M. Rehbinder, Rechtssoziologie, § 3 Rn. 20 ff.; ähnlich S. Magen, in: Towfigh/u.a., Recht und Markt, S. 1, 19 zum Verständnis ökonomischer Zusammenhänge für die Auslegung von Normen, die an ein ökonomisches Steuerungsmodell anknüpfen. 86 K. F. Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, S. 45; ähnlich N. Petersen, Der Staat 49 (2010), S. 435, 454.

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Die „Realität“ als Bezugspunkt der Juristen

weit“ kann hier noch nicht beantwortet werden. Entscheidend ist aber, dass sie – wie auch immer – Relevanz erlangen und uns auf dem Weg zur konkreten (Bewertungs-) Entscheidung begegnen. Sie sind dann Teil der Sachverhaltsfrage und können „rechtserhebliches Subsumtionsmaterial“87 sein. Sie sind infolge solcher Rezeptionen freilich aber immer auch ein Element normativer Beurteilung und müssen als solches einen normativen Filter durchlaufen, also in Bezug auf die sie rezipierende Norm und deren Regelungszweck noch einmal kontrolliert und gegebenenfalls angepasst werden.88 Dies sei hier erst einmal nur angedeutet. Aus den vorgenannten Gründen soll die juristische Perspektive bzw. der juristische Bezug noch – soweit wie möglich, aber auch nötig – zurückstehen und vielmehr die außerjuristische „Wertwirklichkeit“ in den Blick genommen werden. Die (aus nichtjuristischem Anlass) formulierte Frage nach dem Wert einer Sache und vor allem die hierbei auch zu beantwortende Frage nach dem Wesen des Wertes sind vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. Sie beherrschen den Alltag des Individuums unabhängig von politischer, gesellschaftlicher und sozialer Gestaltung und Steuerung durch „Recht“. Damit stehen wir allerdings schon vor dem ersten Problem, das gerade auch Anlass zur Beschäftigung mit der sozialen Wirklichkeit gibt: Die Frage ist, ob es überhaupt eine „Wertwirklichkeit“ gibt, die „natürlich vorgegeben“ ist, die also ungeachtet rechtlicher Gesellschaftssteuerung und -gestaltung existiert und auch gefunden werden kann. Wir stehen hier vor dem Problem, dass man „den Wert“ nicht sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen oder sonst irgendwie sinnlich wahrnehmen kann, wir aber gleichwohl (zu glauben) wissen, dass es ihn gibt. Dies äußert sich im Besonderen darin, dass wir in der Regel anerkennen, einen Wert als solches nicht beweisen zu können, uns zugleich aber bei bestimmten Wertnennungen im ausgrenzenden Sinne sicher sind, dass sie den Wert nicht treffen. Entsprechende Vorstellungen über einen „Wert an sich“ herrschen also durchaus vor. Im Steuerrecht hat der Gesetzgeber eine solche Vorstellung – soweit ersichtlich – erstmals in der Begründung zum Gesetz über einen einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrag anklingen lassen. Während die Bewertungsvorschriften ansonsten an das preußErgStG 1893 angelehnt waren, normierte § 19 WehrbG 1913 für nicht börsennotierte Kapitalgesellschaftsbeteiligungen ein Novum: Um zu verhindern, dass diese nur 87 Begriff im Kontext der sozialen Wirklichkeit nach O. Lepsius, JZ 2005, 1. 88 Siehe zur Problematik I. Augsberg, Der Staat 51 (2012), S. 117, 123; J. Lüdemann, in: Boysen/u.a., Netzwerke, S. 266, 275 ff.; W. R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, S. 161.

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

mit dem Nennwert in die Bemessungsgrundlage einfließen, ordnete die Vorschrift die Schätzung „unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der in der Vergangenheit erzielten Gewinne nach freiem Ermessen“ an. Die Gesetzesbegründung sieht hiermit den „tatsächlichen, inneren, wahren Wert“ erfasst; alle drei Adjektive werden innerhalb eines einzigen Satzes synonym verwendet.89 Sodann bekannte sich – unter dem Eindruck der Geldentwertung – beispielsweise auch der Reichsfinanzhof in einer Entscheidung aus November 1924 zur Existenz eines inneren (wirtschaftlichen) Wertes, der „ein innerer Wert [ist], weil er besteht, gleichgültig ob er durch Anwendung eines Vergleichsmaßstabes auf eine Ziffer gebracht wird oder nicht“.90 Auch sonst lässt ein oberflächlicher Blick in Rechtsprechung und Gesetzgebung schnell erkennen, dass man jedenfalls dort von einer solchen Realität im Sinne eines „inneren Wertes“ auszugehen scheint. Dies zeigt das später noch zu fende, vom Bundesverfassungsgericht formulierte und vom Gevertie­ setzgeber anlässlich der Erbschaftsteuerreform 2009 aufgegriffene, gleichheitsrechtliche Postulat einer „realitäts- und relationsgerechten Wert­ abbildung“91. Auch die Steuerrechtsprechung spricht anlässlich von Bewertungen von einem „inneren Wert“92, „wirklichen Wert“93, „tatsächlichen Wert“94 und/oder „wahren Wert“95; an anderer Stelle ist von „realitätsgerechter Bewertung“ die Rede.96 Des Weiteren nimmt auch die zivilgerichtliche Rechtsprechung zur Abfindung von Gesellschaftern, zum Zugewinnausgleich und zur Pflichtteilsbemessung immer wieder 89 Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über einen einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrag, RT-Drucks. I. Session 1912/1913, Band 301, Aktenstück 871, S. 20 f.; der Gesetzesentwurf sah allerdings noch die Maßgeblichkeit des „Gesellschaftsvermögens“ vor. Im Kontext des Handelsbilanzrecht findet sich die Bezugnahme auf einen „inneren Wert“ bereits bei RG v. 25.6.1887, I 137/87, RGZ 19, 111, 119 (zu Art. 31 ADHGB). 90 RFH v. 21.11.1924, II A 896/24, RFHE 14, 330, 331. 91 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 53; aufgegriffen in der Begründung zum Regierungsentwurf v. 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, S. 47. 92 BFH v. 28.4.2004, I R 20/03, BFH/NV 2005, 19, 21 für eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung. 93 BFH v. 24.8.1962, III 288/60 U, BStBl. III 1962, 526; v. 17.4.1980, IV R 174/76, BStBl. II 1980, 566. 94 GrS BFH v. 29.5.1972, GrS 4/71, BStBl. II 1973, 5, 8; BFH v. 31.1.1961, I 259/60 U, BFHE 72, 428; v. 11.7.1961, I 226/60 U, BStBl. II 1961, 463. 95 GrS BFH v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348, 356 für die Bewertung eines Wirtschaftsgutes anlässlich einer verdeckten Gewinnausschüttung; BFH v. 9.9.1966, III 263/63, BStBl. III 1967, 43. 96 BFH v. 30.6.2010, II R 12/09, BStBl. II 2011, 48, 49 f. für die Grundsteuer: „innerhalb der Vermögensgruppe des Grundvermögens [bedarf es] einer realitätsgerechten Bewertung“.

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Die „Realität“ als Bezugspunkt der Juristen

auf einen „vollen wirtschaftlichen Wert“, „wirklichen Wert“, „wahren Wert“ und/oder „inneren Wert“ Bezug.97 Derartige Formulierungen finden sich auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur eigentumsrechtlichen Relevanz von Gesellschafterausschlüssen.98 Entsprechendes gilt schließlich für andere Bewertungsobjekte99, insbesondere Grundstücke.100 Die vorstehend rezitierten Schlagworte stammen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten und dort auch aus verschiedenen Normzusammenhängen. Jeder steuert und beeinflusst die Bewertung auf seine normspezifische und regelungskontextabhängige Weise. Sie spiegeln aber allesamt die Suche nach etwas „Realen“ wieder und operieren nicht ohne Grund Rechtsgebiet übergreifend mit denselben oder vergleichbaren Adjektiven. Diese wiederum sind freilich nicht unproblematisch. Dies gilt beispielsweise für das Adjektiv „wahr“. Die Wahrheit ist eines der zentralen Probleme der Philosophie. Ungeachtet der dort anzutreffenden Diskurstiefe dürften hier die umgangssprachlichen Begriffskonkretisierungen den Weg leiten: Wahrheit wird zum einen als die Übereinstimmung mit der Wirklichkeit verstanden; damit eng verbunden ist das „Wahre“ in Abgrenzung zum „Falschen“ zu sehen – gleich ob absichtlich oder irrtümlich. Die „Wirklichkeit“ eines Wertes als die häufig anzutreffende Formulierungsalternative zur „Wahrheit“ passt in dieses Bild. Entsprechendes gilt auch für den inneren Wert, der bildlich den Wert als dem Gegenstand etwas Anhaftendes vermittelt. Den Gerichten ist die Problematik dieser Adjektive durchaus bewusst, setzen sie sie nämlich häufig in Anführungszeichen. Hierin kommt meines Erachtens eine gewisse Distanz gegenüber dem Begriffsinhalt der vorgenannten Adjektive zum Ausdruck. Entscheidend ist daher nicht die Begrifflichkeit, sondern vielmehr der gemeinsame Fluchtpunkt, auf den sie sich zurückführen lassen: 97 Siehe (zum Teil auch mit synonymer Mehrfachnennung der vorgenannten Be­ griffe) beispielsweise BGH v. 13.3.1978, II ZR 142/76, BGHZ 71, 40; v. 24.5.1993, II  ZR 36/92, WM 1993, 1412, 1413 f.; v. 16.12.1991, II ZR 58/91, BGHZ 116, 359, 368 u. 370; v. 6.2.2008, XII ZR 45/06, BGHZ 175, 207; v. 2.2.2011, XII ZR 185/08, NJW 2011, 2572, 2573; v. 27.9.2011, II ZR 279/09, NZG 2011, 1420, 1421; Bay­ ObLG v. 11.12.1995, 3Z BR 36/91, NJW-RR 1996, 1125, 1126; OLG München v. 2.4.2008, 31 Wx 85/06, juris. 98 Siehe nur BVerfG v. 27.4.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 304, 306; v. 16.5.2012, 1 BvR 96/09 u.a., ZIP 2012, 1408. 99 Allgemein für die Bewertung des Endvermögens beim Zugewinnausgleich zum Beispiel BGH v. 23.10.1985, IVb ZR 62/84, NJW-RR 1986, 226, 228 („wirklicher Wert“). 100 Zum Beispiel BGH v. 31.5.1965, III ZR 214/63, NJW 1965, 1589 („innerer Wert“ im Kontext des § 2331 BGB); v. 7.7.1993, XII ZR 35/92, NJW 1993, 2804 (Zugewinnausgleich).

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

Es wird, erstens, unterstellt, dass es eine Wertwirklichkeit gibt, an die das Recht „lediglich“ anknüpft bzw. anknüpfen muss, dass es also etwas gibt, dem man sich zumindest „annähern“ kann. Die Aussage geht aber, zweitens, noch darüber hinaus. Es wird sogar vorausgesetzt, dass man diese Realität auch erfassen kann. Denn anderenfalls könnte man an ihr – und darum geht es hier ausschließlich – kein Maß nehmen. Dies führt wiederum zurück zum philosophische Diskurs über die Wahrheit, der uns lehrt, dass jede Aussage zur Wahrheit eines Kriteriums bedarf, dass die Beurteilung erlaubt, ob etwas zu Recht „wahr“ („wirklich“) genannt wird. Bei der Bewertung und der Suche nach der „wahren, wirklichen und/oder inneren“ Wertrealität ist dies nicht anders. Außerjuristisch finden wir zur „Wertrealität“ eine Diskussion vor, die weit zurückreicht. Ihre Fragestellungen wurden bereits angedeutet: Gibt es einen „wahren Wert“? Was ist sein Maßstab? Wie verhält sich – die erste Frage bejahend – der wahre Wert zum Preis? Angesichts der bereits angedeuteten Bezugnahme auf eine „Realität“, auf etwas „Wirkliches“ und „Wahres“, an dem man für eine „Relation“ Maß nehmen kann, steht die Rekonstruktion dieser außerjuristischen Diskussion am Anfang der Untersuchung. Die Antworten auf die von Wissenschaftlern der Philosophie, der Volks- und Betriebswirtschaftslehre gewürdigten Kernfragen erhellen auch die für die „juristisch relevante Realität“ entscheidenden Einsichten: Decken die Menschen beim „Bewerten“ nur etwas auf, das (objektiv) besteht, das gegebenenfalls jedem Gegenstand „anhaftet“? Ist der Bewertungsvorgang also eher eine „Entdeckung“, oder nicht vielmehr doch eine erst durch den Bewertenden an den Bewertungsgegenstand herangetragene Größe? Die Relevanz dieser Fragen für die Realitäts- und Relationsgerechtigkeit dürfte schon auf den ersten Blick und damit vorbehaltlich steuerrechtlicher Detailausführungen einsichtig sein. Wir werden sehen, dass auch die weiteren Fragen, vor allem jene nach der Beziehung von Wert und Preis, dem Rechtswissenschaftler ebenso weiterführende Erkenntnisse vermitteln. Eine Beobachtung kann dabei hier schon vor die Klammer gezogen werden: Eine reale Tatsache ist jedenfalls, dass Menschen „etwas“ Wert beimessen.

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Zur Existenz und dem Wesen des Wertes eines Gegenstandes

II. Zur Existenz und dem Wesen des ökonomischen Wertes eines Gegenstandes in Unterscheidung zum Preis Zur Existenz und dem Wesen des Wertes eines Gegenstandes

1. Die „ethisch-normative“ Perspektive: „gerechter Preis“ und „natürli­ cher Wert“ So alt wie der Tauschverkehr selbst, so alt ist letztlich auch die Frage nach Eingriffen in die tauschwirtschaftliche Verteilung von Gütern, nämlich die Frage nach einer als gerecht empfundenen Festsetzung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung.101 Beginnen wir dabei die Erkenntnisgeschichte in Ansehung wirtschaftlich orientierter Wertbegriffe in der Antike und dort bei Aristoteles.102 In seiner „Politik“ lehrt er in seinem viel zitierten „Schuhbeispiel“ die Unterscheidung zwischen Tausch- und Gebrauchswert: „Jede ist Verwendung des Dings als solchen, aber nicht in derselben Weise, sondern die eine ist dem Ding eigentümlich, die andere nicht, so etwa beim Schuh das Anziehen und die Verwendung zum Tausch. Beides ist Verwendung des Schuhs. Auch wer den Schuh um Geld oder Nahrungsmittel jemandem gibt, der ihn nötig hat, verwendet den Schuh als Schuh, aber nicht zu dem ihm eigentümlichen Gebrauche. Denn er ist nicht um des Tausches willen verfertigt worden. Ebenso verhält es sich mit den andern Besitzstücken. Der Tausch ist bei allem möglich, anknüpfend an die naturgemäße Tatsache, dass die Menschen von den notwendigen Gütern hier zu viel und dort zu wenig haben“.103 Den Tausch rechnet er zur Grundlage einer stabilen Polis. Er erkennt ferner bereits die grundlegende Funktion des Geldes als Zahlungsmittel zur Wertaufbewahrung und als Maßstab für den Wert von Gütern.104 Dem Tausch widmet er sich aus moralphilosophischer Sicht, nämlich innerhalb seiner Nikomachischen Ethik, wo er anlässlich seiner Abhandlung zur Gerechtigkeit auch auf die Frage stößt, was einen gerechten Tausch ausmacht. Ideengeschichtlich müssen seine Ausführungen vor dem Hintergrund seiner These gesehen werden, dass das Ziel des Wirtschaftens darin besteht, dass die Grundbedürfnisse der Menschen befriedigt werden und Geldvermehrung nicht um ihrer selbst willen zu erfolgen hat.105 In seiner Nikomachischen Ethik unterscheidet er bekanntlich die austeilende Gerechtigkeit in Bezug auf Rechtsbezie101 R. Kaulla, Die geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien, S. 1; ähnlich, aber nicht auf das Tauschen, sondern die Reflektion über die Gerechtigkeit bezogen H. Bartholomeyczik, AcP 166 (1966), S. 30, 40. 102 Siehe für die Zeit davor statt vieler C. Brinkmann, Die Welt als Geschichte, S. 418 ff. 103 Aristoteles, Politik, Buch 1, 1257 a. 104 Aristoteles, Politik, Buch 1, 1257 a u. b. 105 Siehe Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch 1, Kap. 8–13.

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hungen zwischen Ungleichen von der ausgleichenden Gerechtigkeit in Ansehung von Rechtsbeziehungen zwischen Gleichgeordneten. Zu letzterer wiederum gehört unter anderem die innerhalb von freiwilligen beziehungen relevante iustitia commutativa (austauschende Vertrags­ Gerechtig­keit). Maßstab der ausgleichenden Gerechtigkeit ist die arithmetische Proportionalität. Nach Aristoteles ist ein Tausch daher dann nach dieser Maßgabe gerecht, wenn ein angemessenes Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hergestellt ist und dies im Sinne einer Äquivalenz in Form einer arithmetischen Proportionalität.106 Den hierfür notwendigen Maßstab („Gegenstand […], der das Maß von allem sein kann“) erkennt er im Bedürfnis. „[Denn] wenn die Menschen nichts bedürften oder nicht die gleichen Bedürfnisse hätten, so würde entweder kein Austausch sein oder doch kein gegenseitiger Tausch unter den Menschen stattfinden“.107 Hieraus wiederum folgert er, dass ein Tausch gerecht ist, wenn das Bedürfnis der beiden Tauschpartner in Bezug auf die jeweils hingegebenen Güter gleich stark empfunden wird. Dies wiederum führt Aristoteles zum Geld: Es fungiert letztlich als Stellvertreter der menschlichen Bedürfnisse.108 Hier klingt mithin erstmals der theoretische Gedanke an, dass die Bewertung von Gütern auf ein gemeinsames „etwas“ zurückgeführt werden kann und somit immer eine wertmäßige Vergleichbarkeit gegeben sein muss. Ob dieses „etwas“ in Gestalt des Bedürfnisses die erste Grundlegung für eine „subjektive Werttheorie“ war109, lässt sich meines Erachtens nicht beurteilen. Zwar suchte Aristoteles diesen gemeinsamen Nenner nicht in den zu bewertenden Gegenständen selbst110 und in der Tat suggeriert der Begriff des Bedürfnisse eine subjektive, bei jedem Menschen anders zu würdigende Maßgröße – weshalb uns das Bedürfnis auch später noch als zentraler Begriff der subjektiven Grenznutzenlehre begegnet (dazu erst unter 3.). Aber eine Antwort auf die sich seinen Überlegungen denknotwendig anschlie­ßende Folgefrage, woran man erkennt, ob zwei ausgetauschte Güter den gleichen Wert im Sinne des gerechten Preises verkörpern, gibt Aristoteles letztlich nicht. Er suggeriert eine ethisch-normative Be106 Zu diesem Verständnis vor allem J. D. Harke, Vorenthaltung und Verpflichtung, S. 13 ff.; O. Küster, in: Festschrift f. Raiser, S. 541, 545; U. Manthe, SZ 113 (1996), S. 5, zum Teil mit weiteren Nachweisen. 107 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch 5, Kap. 8. 108 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch 5, 1133 b 35. 109 So M. Kaser, Das römische Privatrecht, Band 1, S. 423 ff.; R. Kaulla, Die Geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien, S. 53; bei J. Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 78 klingt hingegen eine Deutung im Sinne einer objektiven Werttheorie an. 110 Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch 5, Kap. 8.

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stimmbarkeit des Tauschwertes, aber es bleibt offen, wie Bedürfnisse in concreto vergleichbar gemacht werden können bzw. sollen. Angesichts dessen lässt sich auch keine Aussage darüber treffen, ob ihm als gemeinsamer Nenner etwas „Objektives“ oder etwas „Subjektives“ vor Augen stand. In der römischen Epoche spielten solche oder vergleichbare Überlegungen zuerst keine Rolle. Unter Geltung des Zwölftafelrechts entschied über die Äquivalenz von Preis und Ware allein der Parteiwille.111 Das römische Recht schützte die Parteivereinbarung ohne Rücksicht darauf, in welchem Verhältnis das vereinbarte Entgelt zum Wert der Ware stand.112 Übervorteilung als solche war nicht verboten.113 Es folgte dem Gedanken einer formalen Vertragsrichtigkeit.114 Eingriffe in die Preisvereinbarung waren zwar möglich, aber abhängig von weiteren Voraussetzungen als nur dem Missverhältnis des Wertes von Leistung und Gegenleistung. Es ging um Informationsasymmetrie. Das Recht sollte nur gewährleisten, dass die Entscheidung fehlerfrei zustande kommt, also ohne Einfluss eines deliktisch vorwerfbaren Verhaltens.115 Wenngleich somit das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich ausgeblendet blieb, gab es gleichwohl „Bewertungsnotwendigkeiten“. So mussten Leistungsurteile auf Geld lauten (condemnation precuniaria)116; insbesondere ist auch an das Mängelrecht zu denken. Für das hiesige Erkenntnisinteresse ist dies deshalb bedeutsam, weil uns hier die Bewertung ausschließlich als Preisschätzung begegnet und anlässlich dessen auch die Vorstellung von einem „normalen Marktpreis“: Der gesuchte Tauschwert wurde durch die Brauchbarkeit des Gutes geprägt und für dessen Brauchbarkeitseinschätzung kam es auf die Vorstellung eines Durchschnittsmenschen an. Dass es subjektiv verschiedene Gebrauchswert­ beurteilungen gibt, sollte keine Rolle spielen.117 Anknüpfend an einen derart durchschnittlich „normalen“ Gebrauchswert musste hiervon 111 Mit Nachweisen aus den historischen Quellen D. R. Göttlicher, Auf der Suche nach dem gerechten Preis, S. 25 ff.; H. Honsell, Römisches Recht, S. 125. 112 Siehe zum Beispiel E. Genzmer, Sonderheft zu RabelsZ 11 (1937), S. 25, 31 ff.; J. D. Harke, Vorenthaltung und Verpflichtung, S. 27 ff.; A. Wacke, SZ 94 (1977), S. 184 ff. 113 A. Wacke, SZ 94 (1977), S. 184, 195. 114 Zur formalen Vertragsrichtigkeit und zu ihrem Pendant der materiellen Vertragsrichtigkeit statt vieler C. Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, S. 9 ff. 115 J. D. Harke, Vorenthaltung und Verpflichtung, S. 30 f.; A. Wacke, SZ 94 (1977), S. 184, 195 f. 116 H. Honsell, Römisches Recht, S. 96 f.; A. Wacke, SZ 94 (1977), S. 184, 194. 117 R. Kaulla, Die Geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien, S. 30 f.

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zwangsläufig auch die Bestimmung des Tauschwertes erfasst werden. Dies führt zur Vorstellung eines „gerechten Preises“ (justum pretium) oder eines „wahren Preises“ (verum pretium).118 Während wir in späteren Epochen diesen Begriff vielfach mit ethisch-normativen Vorstellungen besetzt finden, kommt im Recht dieser ersten römischen Epoche hierin lediglich die Vorstellung von einem „üblichen Marktpreis“ zum Ausdruck. Einfluss auf eine solche Vorstellungsbildung soll dabei vor allem gehabt haben, dass angesichts des Entwicklungsstandes der Wirtschaft im zeitgenössischen Verkehrsleben Preisbildungsprozesse und insbesondere auch ihre Regelhaftigkeit sowohl im Vorgang selbst als auch in Bezug auf das Ergebnis beobachtet werden konnten.119 Neben dieser „Durchschnittsbetrachtung“, die außergewöhnliche Einflüsse und auch subjektive Wertschätzungen zu eliminieren versucht, ist dies auch deshalb aufschlussreich und somit erwähnenswert, weil wir hier nämlich einen Rückschluss vom üblichen Marktpreis auf den Wert eines Gegenstandes erleben; bezeichnenderweise hatten die Römer für Preis und Wert mit „pretium“ nur ein Wort und konnten darum schon deswegen zwischen beiden keinen Unterschied kennen.120 Diese Sichtweise veränderte sich jedoch. In der Spätantike tritt mit der sog. laesio enormis ein Rechtsinstut auf, das noch lange prägende Bedeutung erlangen sollte. So wurde Ende des 3. Jahrhunderts von Diokletian121 ein Rücktrittsrecht des Verkäufers eines Grundstücks normiert, wenn er weniger als die Hälfte des „gerechten“ bzw. „wahren“ Preises für seine Sache empfangen hatte. Der Käufer seinerseits konnte dies abwehren, indem er eine Nachzahlung bis zum Betrag des iustum pretium leistete (sog. Anfechtungsrecht wegen laesio enormis).122 Die Motive des Diokletian werden nach wie vor diskutiert. Es geht um die Frage, ob mit ihr 118 Siehe vor allem C. Becker, Die Lehre von der laesio enormis in der Sicht des heutigen Wucherproblematik, S. 27; E. Genzmer, Sonderheft zu RabelsZ 11 (1937), S. 25, 31 ff.; K. Hackl, SZ 98 (1981), S. 150, 156 Fn. 42; R. Kaulla, Die Geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien, S. 31 jeweils mit Quellennachweisen. 119 R. Kaulla, Die Geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien, S. 31 f. 120 R. Kaulla, ZgS 58 (1902), S. 385, 386; T. Mayer-Maly, SZ 108 (1991), S. 213; P. Oertmann, Die Volkswirtschaft des Corpus Iuris Civilis, S. 38 f.; A. Wacke, SZ 94 (1977), S. 184, 194, demzufolge den im klassischen Latein fehlenden Ausdruck „valor“ erst die Scholastiker des Hochmittelalters bildeten 121 Zum Streit um die Urheberschaft statt vieler E. Genzmer, Sonderheft zu RabelsZ 11 (1937), S. 25 ff.; K. Hackl, SZ 98 (1981), S. 147 ff.; M. Kaser, Das römische Privatrecht, Band 1, S. 283; T. Mayer-Maly, in: Festschrift f. Larenz, S. 395, 396; M. Pennitz, in: Festschrift für Theo Mayer-Maly, S. 575 ff. 122 Überliefert durch Codex Iustiniani 4, 44, 2 und C 4, 44, 8; die laesio enormis war auf die Aufhebung des Vertrages durch gerichtliche Anfechtung gerichtet; dazu

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(auch) eine ethisch-normative Gerechtigkeitsgesinnung (vor allem als Ausfluss von stoischer und christlicher Ethik) verbunden gewesen ist, oder ob sie „lediglich“ als ein rein praktisches (zugleich bestimmte Interessen bedienendes) Instrument zur Begegnung der Reichskrise des dritten Jahrhunderts anzusehen ist.123 Für die hiesige Untersuchung ist jedenfalls entscheidend, dass es dieses Rechtsinstitut unabdingbar machte, zwei Preise miteinander zu vergleichen: den vereinbarten und den gerechten Preis, und dies wiederum zur Notwendigkeit führte, letzteren bestimmbar zu machen. „Wer Vorschriften – und sei es auch nur für Einzelfälle – erlässt, die auf den Gedanken der laesio enormis hinauslaufen“, so Theo Mayer-Maly, „der muss sich der Objektivierbarkeit der Relation zwischen Wert und Preis gewiß sein“.124 Freilich ist hier mit Wert der gerechte Preis im bereits beschriebenen Sinne gemeint und seine Gerechtigkeit dürfte – der Codex Iustiniani schweigt insoweit – jedenfalls zur damaligen Zeit (erst einmal) durch die Vorstellung von einem „üblichen Marktwert“ gekennzeichnet gewesen sein.125 Wie sich solche Marktpreise allerdings gerade bei Grundstücken, für die die laesio enormis (zuerst) nur geschaffen worden war, bestimmt wurden, ist nicht überliefert. Festzuhalten ist hier jedoch die Vorstellung von einem unter „allgemeingültigen Bedingungen“ entstehenden Preis. Hiermit der legislativen, hier interessierenden Tätigkeit des Diokletian jedoch nicht genug: Zu Beginn des 4. Jahrhunderts erfolgte – mit der laesio enormis womöglich sogar im Zusammenhang stehend126 – sodann ein weitgehender Eingriff in die Preisbildung. Diokletians edictum de pretiis rerum venalium (Preisedikt) legte einheitliche (Höchst-) Preise für landwirtschaftliche Produkte, Handwerkserzeugnisse und Dienst-/Arbeitsleistungen fest.127 Das Motiv wird man nicht in ethisch-normativen Vor-

eingehend E. Genzmer, Sonderheft zu RabelsZ 11 (1937), S. 25 ff.; K. Hackl, RS 98 (1981), S. 150 ff.; M. Pennitz, in: Festschrift für Theo Mayer-Maly, S. 575 ff. 123 Siehe zu ihrer zeitgenössischen Einordnung zum Beispiel E. Genzmer, Sonderheft zu RabelsZ 11 (1937), S. 25 ff.; K. Hackl, SZ 98 (1981), S. 150 ff.; J. D. Hanke, SZ 122 (2005), S. 91 ff.; T. Mayer-Mali, IURA 6 (1955), S. 128, 137 f. 124 T. Mayer-Maly, in: Festschrift f. Larenz, S. 395, 396; ähnlich C. Becker, Die Lehre von der laesio enormis in der Sicht der heutigen Wucherproblematik, S. 27. 125 C. Becker, Die Lehre von der laesio enormis in der Sicht der heutigen Wucherproblematik, S. 27. 126 T. Mayer-Maly, in: Festschrift f. Larenz, S. 395, 396. 127 Zum Preisedikt H. Brandt, in: Demandt/Goltz/Schlange-Schöningen, Diokletian und die Tetrarchie, S. 47, 48 ff.; M. Kaser, Das römische Privatrecht, Band 2, S. 388 f.; S. Lauffer, Diokletians Preisedikt; B. Meißner, Historia 49 (2000), S. 79 ff.; W. Kuhoff, Diokletian und die Epoche der Tetrarchie, S. 564.

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stellungen suchen dürfen128, sondern im volkswirtschaftlichen Kontext zu sehen haben: Die Tarifierung sollte stabilisierend wirken.129 Für den hiesigen Kontext ist vor allem relevant, wie man den der Preistarifierung zugrunde liegenden Wert zu bestimmen versuchte. Dies erfolgte nämlich mit Rücksicht auf die herkömmlichen Produktionskosten zuzüglich eines Gewinnaufschlages des Produzenten. Dabei stellte man auf den unmittelbaren Verkehr zwischen Produzenten und Konsumenten ab, also ohne Berücksichtigung etwaiger Zwischenhändler.130 Das Preisedikt überlebte noch nicht einmal seinen Schöpfer. Die laesio enormis wurde womöglich von den auf Diokletian nachfolgenden Kaisern erst einmal nicht mehr übernommen.131 Der Gedanke eines ge­ rechten Preises hielt sich zwar und mit der zunehmenden Verdrängung der stoischen Philosophie durch christliche Vorstellungen trat seine ethisch-normative Prägung zunehmend in den Vordergrund132, blieb aber außerhalb des Rechtlichen.133 Anlässlich der Erstellung des Codex Justinians (6. Jahrhundert) wurde die laesio enormis allerdings wiederentdeckt und dies wohl im Hinblick darauf, „dass die Sonderbestimmung zugunsten des Verkäufers gut zur christlichen Ethik der Zeit paßt“134. Sie erlangte sodann vor allem in den auf die klassische Phase des rö­ mischen Rechts folgenden Rechtsepochen erhebliche Bedeutung: Die mittelalterlichen Juristen dehnten die ursprünglich für Grundstückskaufverträge geschaffene Regelung nämlich aus: vom Verkäufer auf den Käufer; vom Grundstück auf alle Kaufgegenstände und später überdies 128 Was freilich nicht ausschloss, dass es zeitgenössisch im Einzelfall gleichwohl im Sinne eines gerechten Preises zur Begegnung übertriebener Habgier einzelner Personen gerechtfertigt wurde (siehe mit Nachweisen H. Brandt, in: Demandt/Goltz/ Schlange-Schöningen, Diokletian und die Tetrarchie, S. 47, 50). 129 Wobei über den genauen Anlass hierfür die Historiker allerdings streiten, nämlich darüber, ob es sich um eine Begleitmaßnahme des ansonsten einen (vor allem den Sold der Soldaten betreffenden) Kaufkraftschwund auslösenden Währungsediktes gehandelt hat oder ob sich es um eine Antwort auf einen von staatlicher Nachfrage getriebenen Preisschub handelte; siehe eingehend zur Diskussion zum Beispiel H. Brandt, in: Demandt/Goltz/Schlange-Schöningen, Diokletian und die Tetrarchie, S. 47, 48 ff.; A. Demandt, Die Geschichte der Spätantike, S. 56; W. Kuhoff, Diokletian und die Epoche der Tetrarchie, S. 564; B. Meißner, Historia 49 (2000), S. 79 ff. 130 Siehe K. Bücher, ZgS 50 (1894), S. 189, 201; R. Kaulla, Die Geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien, S. 42 f. 131 Zu dieser Frage E. Genzmer, Sonderheft zu RabelsZ 11 (1937), S. 25 ff.; K. Hackl, SZ 98 (1981), S. 147 ff. 132 Dazu M. Just, in: Festschrift f. Küchenhoff, S. 69, 90 ff. 133 Mit Nachweisen R. Kaulla, Die Geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien, S. 21 ff. 134 K. Hackl, SZ 98 (1981), S. 147, 161.

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auf andere Austauschverträge.135 Später wurde die laesio enormis ferner prägend für die frühen Privatrechtskodifkationen (zum Beispiel das Preußische Allgemeine Landrecht, wo sie in die Irrtumslehre inte­griert wurde).136 Ihre Anwendung folgte einem „Bandbreitenmodell“.137 Dass es den wahren Wert der Sache, verstanden als Preis, wie er im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen wäre138, nicht als Punktwert gab, war offensichtlich auch schon damals einsichtig. Die Kodifikationen des 19. Jahrhunderts übernahmen die laesio enormis indes nicht mehr; das „Handelsrecht befreite sich als erstes von dieser Fessel“139 (vgl. Art. 286 ADHGB). Auch das Bürgerliche Gesetzbuch übernahm sie bewusst nicht.140 Hierauf wird noch zurückzukommen sein. Bevor wir jedoch dergestalt voranschreiten, ist zuerst noch die ethisch-normative Perspektive im Blick zu behalten. Der vorstehend beschriebenen Sicht der weltlichen Juristen standen die Scholastiker und Kanonisten gegenüber, die Anstoß daran nahmen, dass Leistung und Gegenleistung in keinem Verhältnis zueinander stehen mussten.141 Ihr Einfluss auf das weltliche Recht, das sich an der laesio enormis orientierte und sich weitergehenden Äqui­ valenzgeboten verschloss, hielt sich allerdings in Grenzen.142 Die Scholastiker des Mittelalters griffen die Überlegungen des Aristoteles zum gerechten Preis wieder auf. Das mittelalterliche Denken war stark beeinflusst von der Aristoteles´schen Vorstellung von der ungerechten Geld135 J. D. Harke, Vorenthaltung und Verpflichtung, S. 39; U. Wolter, Ius canonicum in iure civili, S. 114 mit Nachweisen. 136 Nachweise zu weiteren Kodifikationen, die den Gedanken der laesio enormis aufgriffen, bei T. Mayer-Maly, in: Festschrift f. Larenz, S. 395, 396; A. Wacke, SZ 94 (1977), S. 184, 210. 137 Begriff in diesem Zusammenhang nach T. Mayer-Maly, in: Festschrift f. Larenz, S. 395, 396 f., dort mit Hinweis auf Wolfgang Adams Lauterbachs Collegium theorico-practicum ad quinquiaginta Pandectarum libros (1707) und den Codex Thersianus (1766, Vorläufer des österreichischen ABGB). 138 Vgl. T. Mayer-Maly, in: Festschrift f. Larenz, S. 395, 396 f. 139 A. Wacke, SZ 94 (1977), S. 184, 210. 140 Motive II, S. 321; C.-W. Canaris, AcP 200 (2000), S. 273, 287: § 138 Abs. 2 BGB als “klare Absage an alle Bemühungen um eine Ermittlung des iustum pretium”; die Entstehungsgeschichte des § 138 Abs. 2 BGB wird unter besonderer Berücksichtigung der laesio enormis nachgezeichnet bei C. Becker, Die Lehre von der laesio enormis in der Sicht des heutigen Wucherproblematik, S. 170 ff. 141 A. Wacke, SZ 94 (1977), 184, 186. 142 C. Becker, Die Lehre von der laesio enormis in der Sicht des heutigen Wucher­ problematik, S. 51 ff.; J. Kulischer, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters, Band 1, S. 347 f.; J. Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 66 f.; U. Wolter, Ius canonicum in iure civili, S. 118 mit Nachweisen vom Mittelalter bis in die Nachrezeptionszeit.

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vermehrung um ihrer selber Willen und der Reduzierung des Wirtschaftens in Bezug auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Menschen. Es herrschte eine christlich begründete Ethik vor, „die die Wirtschaft nicht zum Selbstzweck werden [lassen wollte], sondern sie unter das Gebot der Gerechtigkeit und sozialen Ordnung stellte“.143 Damit war die Grundlage gelegt für die Vorstellung, dass Verträge zu ihrer Wirksamkeit eines gerechten Preises bedürften. Gewirkt hat hierbei insbesondere Thomas von Aquin.144 Freilich waren sich die Scholastiker dabei in der konkreten Verwirklichung und insbesondere der Maßstabsformulierung uneins. Die Epoche, die es hier zu erfassen gilt, ist zudem sehr lang. Einzel­ne Ansichten, Akzentuierungen und Entwicklungsphasen können hier nicht nachgezeichnet werden. Es soll auch nicht beurteilt werden, welche dieser Vorstellungen die „herrschende“ und damit repräsentativ für die Scholastik war. Für die hiesige Untersuchung ist allein der Kern des Problems relevant: Diejenigen, die Preise als den Ausdruck subjektiver Bewertungen der Individuen verstanden und deshalb als „gerecht“ den im gewöhnlichen, freien Verkehr ausgehandelten Marktpreis ansahen, waren naturgemäß nur auf seine Korrektur bedacht.145 Sie mussten die Frage beantworten, wie sich ein dem tatsächlichen Preis gegenübergestellter „natürlicher Preis“ erkennen lässt.146 Andere hingegen formulierten einen marktunabhängigen Beurteilungsmaßstab. Für sie ging es um eine ethische Aufwertung des eigentlichen Wertes einer Ware oder Dienstleistung gegenüber dem tatsächlich erzielten Marktpreis.147 Konnten hiernach Preis und Wert nicht identisch sein, so musste dies für diese Meinungsrichtung zur Frage nach diesem („eigentlichen“) Wert einer Sache als solches führen.148 Wie konnte aber die ethisch-normative Vorstellung des gerechten Preises operabel gemacht werden? Nunmehr rückte die bei Aristoteles nicht beantwortete Frage in den Mittelpunkt, woran der gerechte Preis in Bezug auf die getauschten Güter erkannt werden kann. So treten hier beispielsweise schon bei Albertus Magnus an die Stelle des Bedürfnisses die aufgewendete Arbeit und das eingesetzte Ma143 H.-J. Prien, Luthers Wirtschaftsethik, S. 45. 144 Zu seiner Gerechtigkeitslehre unter besonderer Berücksichtigung des Vertragsrechts statt vieler J. D. Harke, Vorenthaltung und Verpflichtung, S. 35 ff. 145 Nach U. Wolter, Ius canonicum in iure civili, S. 115 ff. war dies das Konzept der Mehrheit der Scholastiker (dort auch mit Nachweisen zur Gegenansicht). 146 Vgl. zum natürlichen Preis H. Bartholomeyczik, AcP 166 (1966), S. 30, 42. 147 J. Ritter/K. Gründer/G. Gabriel, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 12, „Wert“, S. 587. 148 Eingehend mit Nachweisen zu den einzelnen Scholastikern R. Kaulla, Die Geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien, S. 59 ff.; U. Wolter, Ius canonicum in iure civili, S. 113 ff.

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terial. Damit Gleichheit zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe, müssten die „gleichen Mengen von Arbeit und Kosten gegeneinander ausgetauscht“ werden.149 Sein Schüler Thomas von Aquin ergänzte dies um Risikoaspekte, wenn er das Transportrisiko berücksichtigt sehen will und hieran anknüpfend auch gewisse „Spielräume“ anerkennt.150 Hier deuten sich erste Züge einer „objektiven Wertlehre“ an, erscheinen solche Faktoren doch dem Wert als solches innewohnend.151 In einem Aspekt waren sich beide Ansätze aber wohl einig: Gleich ob mehr marktoder mehr eigenwertorientiert so wurde kein Punktwert gefordert, sondern (auch hier) wurde die „Bandbreite“ akzeptiert.152 Der „gerechte Preis“ im Sinne von Austauschgerechtigkeit hält sich also lange als schillernde, in seinen ethisch-normativen Ausgangspunkten zum Teil wandelbare Idee. Sie hatte als Ausdruck der – im jeweiligen historisch-gesellschaftlichen Kontext zu konkretisierenden153 – austeilenden Gerechtigkeit zwischen Gleichgeordneten stets Anhänger. Entsprechendes gilt für die hieraus abgeleitete Forderung nach Eingriffen in die Vertrags- und insbesondere die Preisfindungsfreiheit. Nach den Scholastikern waren es sodann einige Naturrechtler, die an die Idee des gerechten Preises anknüpften. Sie stellten in ihren Konzepten von Vertragsgerechtigkeit maßgeblich auf die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung ab und standen bei der Formulierung des maßgeblichen (inneren, objektiven) Wertes eines Gegenstandes oder einer Leistung, den sie als Ausgangspunkt brauchten, vor den nämlichen, aber bisher nicht befriedigend gelösten Fragen wie die Scholastiker.154 Es gab aber auch 149 A. Magnus, Ethicorum V, tract. II, c. 7., hier wiedergegeben nach R. Kaulla, Die Geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien, S. 52. 150 T. v. Aquin, Summa theologica II.II qu. 77, a. 1, 4. 151 Siehe auch die Hinweise auf und die Nachweise bei R. Kaulla, Die Geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien, S. 53 auf Bernhardin von Siena und Gabriel Biel. R. Kaulla, a.a.O, selbst deutet dies als den Beginn der objektiven Wertlehre. 152 Nachweise bei C. Becker, Die Lehre von der laesio enormis in der Sicht des heutigen Wucherproblematik, S. 51 ff., insbesondere hinweisend auf Carolus Molinaeus (Tractatus commerciorum Nr. 170 ff.) sowie unter Auswertung weiterer historischer Quellen, die in diese Richtung deuten. 153 Zur Zeitgeprägtheit und Kulturabhängigkeit solcher Gerechtigkeitsvorstellungen im Allgemeinen N. Luhmann, Rechtstheorie 4 (1973), S. 131 ff. 154 Siehe beispielsweise Benjamin Franklin, der den gerechten Preis anknüpfend an arbeits- und kostenorientierte Aspekte statuierte und einen normalen, objektiven Tauschwert annahm (B. Franklin, The Writings of Benjamin Franklin, S. 200 ff.). Vgl. ferner J. G. Fichte, Der geschlossene Handelsstaat, S. 24 ff. (1. Buch, 2. Cap. V.), der in seinem geschlossenen Handelsstaat die Forderung formulierte, dass der Vernunftstaat zur Bestimmung fester Preise für alle Gegenstände berufen ist und die hierfür notwendige Einheit in dem fand, was jedermann gleichermaßen

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sich aus dieser Denkweise befreiende, gegenläufige Ansätze. Wer zum Beispiel wie Thomas Hobbes universell verbindliche Moralstandards weitestgehend ablehnte, musste zwangsläufig solche überrechtlichen Vorgaben, insbesondere die iustitia commutativa im Verständnis eines Scholastikers wie Thomas von Aquin, ablehnen: „Der Wert aller Gegenstände eines Vertrags bemißt sich nach dem Verlangen der Vertragspartner, und deshalb ist der gerechte Wert der, den sie zu zahlen bereit sind“.155 Weiter heißt es sodann: „Die Geltung oder der Wert eines Menschen ist wie der aller anderen Dinge sein Preis. Das heißt, er richtet sich danach, wieviel man für die Benützung seiner Macht bezahlen würde, und ist deshalb nicht absolut, sondern von dem Bedarf und der Einschätzung eines anderen abhängig. […] Denn mag jemand, wie es die meisten Leute tun, sich selbst den höchsten Wert beimessen, so ist doch sein wahrer Wert nicht höher, als er von anderen geschätzt wird“.156 Die Frage nach einem eigenständigen, vom beobachtbaren Preis verschiedenen „Wert“ stellt sich für ihn angesichts seiner theoretischen Ausgangsprämisse nicht. Dies erinnert doch wieder sehr an die Vorstellung, die dem klassischen römischen Recht innewohnte. Schreiten wir schließlich voran in die letzten beiden Jahrhunderte. Die Thematik fand zum Teil neue Akzentuierungen. So rückte beispielsweise mit der sozialen Frage die Lohngerechtigkeit als spezieller Ausschnitt in den Fokus.157 Mit dem aufkommenden Gedanken des Verbraucherschutzes wurde die Perspektive zugleich auf die gesamte Vertragsgerechtigkeit erweitert. Bleibt man bei der „Preisfrage im Allgemeinen“ und der objektiven Äquivalenz, so ist es sodann vor allem der klassische Liberalismus, der ein Gegengewicht zu ethisch-normativ begründeten Eingriffen in die Vertragsfreiheit darstellt. Der Nachtwächterstaat überließ das Spiel der wirtschaftlichen Freiheiten sich selbst. Aber selbst die späbraucht, nämlich im Brot bzw. dem zu seiner Herstellung notwendigen Korn (zu diesem um Wertschöpfungsaspekte ergänzten Ernährungswert zum Beispiel J. D. Harke, Vorenthaltung und Verpflichtung, S. 65). Siehe zeitlich noch früher beispielsweise zu den Vorstellungen eines gerechten (objektiven) Wertes auch noch S. Pufendorf, De iure natural et gentium, und H. Grotius, De iure belli ac pacis (dazu insbesondere J. Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 73 f. und überhaupt für die gesamte Zeit weiterführend ebenda auch S. 78 ff.). 155 T. Hobbes, Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates, S. 115. 156 T. Hobbes, Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates, S. 115. 157 Siehe zur Lohngerechtigkeit als „Nachbar“ der Preisgerechtigkeit zum Beispiel K. Engisch, Auf der Suche nach Gerechtigkeit, S. 167 ff.; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, S. 350 ff.

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tere Erkenntnis, dass in der modernen industriellen Gesellschafts-, Wirtschafts- und Rechtsordnung zum „Schutz des strukturell Schwächeren“ doch Eingriffe in die Vertragsfreiheit notwendig sein können, führte nicht zum „gerechten Preis“ zurück. Dies zeigt das Bürgerliche Gesetzbuch mit seinem Inkrafttreten anschaulich: Bereits in der ausgehenden gemeinrechtlichen Lehre war die laesio enormis überwunden. Friedrich Carl von Savigny hatte sie als im entstehungshistorischen Kontext zu sehendes Billigkeitsinstrument für Ausnahmesitua­ tionen identifiziert und nahm die nachfolgende Ausdehnung ihres Anwen­dungsbereichs als Beispiel für eine methodische Verfehlung.158 Im 19. Jahrhundert erschien sie den Juristen als Fremdkörper im System der Vertragsfreiheit.159 Das Bürgerliche Gesetzbuch übernahm sie sodann auch bewusst nicht. Es erhebt nicht die positive Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung zur Voraussetzung für die Vertragswirksamkeit, sondern knüpft mit dem Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB vor allem an die unverhältnismäßige Inäquivalenz an. Im Übrigen zieht sich das Privatrecht mit § 138 Abs. 1 BGB auf die Sittenwidrigkeit als Anerkennungsgrenze zurück, d.h. es muss ein Element der Vorwerfbarkeit hinzukommen, das die Missbilligung der Rechtsordnung nicht allein wegen der Störung der Äquivalenz verdient, sondern wegen Art und Umständen des Zustandekommens eines Vertrags.160 Solange sich ein Vertrag innerhalb dieser Grenzen hält, bleibt die Frage der Angemessenheit und Gerechtigkeit außerhalb der staatlichen Wertung.161 Es verwundert nicht, dass die Weltwirtschaftskrise das Vertrauen in den Marktpreis erschütterte und damit zugleich die Frage nach dem gerechten Preis wieder auf die Tagesordnung brachte162 – und dies vor allem auch als juristische Frage. Insbesondere die nationalsozialistische Ideologie und ihr Einfluss auf die Gesetzesauslegung boten fruchtbaren Boden

158 Wiedergabe bei A. Mazzacane, Friedrich Carl von Savigny: Vorlesungen über juristische Methodologie 1802–1842, S. 44. 159 Siehe aus der zeitgenössischen Literatur zum Beispiel H. Dernburg, Pandekten, Band 2, S. 283; B. Windscheid/T. Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 2, § 396 Anm. 2. 160 C.-W. Canaris, AcP 200 (2000), S. 273, 280, 287 ff.; C. Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, S. 15 ff., insbes. S. 20. 161 C. Meller-Hannich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, S. 9. 162 Siehe nur H. Pesch, Lehrbuch der Nationalökonomie, Band 5, S. 91; H. G. Schachtschnabel, Der gerechte Preis; im Allgemeinen zur (zeitlosen) Wechselwirkung von ökonomischen Rahmenbedingungen und der Aktualisierung der Gerechtigkeit in Ansehung von Austauschbeziehungen J. Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 64 mit weiteren Nachweisen.

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für ethisch-normative Preisgerechtigkeitsvorstellungen.163 Zugleich trat aber auch immer wieder das (bereits bekannte) Problem der Bestimmung des gerechten Preises hervor. Dabei wurde von dem bereits eingangs der Einleitung zitierten Rudolf Reinhardt nicht nur das Problem der Bewertung selbst gesehen, sondern auch die sich für den Rechtsverkehr einstellende Unsicherheitsproblematik: „[Der] Weg, ein Gericht zum allge­ meinen Preiskommissar zu machen, indem man ihm nichts als eine Generalklausel zur Verfügung stellt, [führt] zu unmöglichen Ergebnissen […]. Da nämlich bei der Feststellung des gerechten Preises das Ermessen des Beurteilers eine bedeutsame Rolle spielt, könnte nicht verhindert werden, dass im einzelnen Falle der eine Richter diesen, der andere jenen Preis als den gerechten ansieht. Dazu käme, dass das gerichtliche Verfahren Berufungs-, Revisions- und Beschwerdemöglichkeiten eröffnet und unter Umständen drei Rechtszüge durchlaufen muss, ehe die Entscheidung endgültig wird. […] Das führte notwendig zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit.“164 Weiter heißt es, dass die „Unsicherheit in der Wirtschaft ein ganz anderes Maß annehmen müsste, wenn nicht nur die besonders kraß liegenden Verstöße, sondern jeder Zweifel über die Angemessenheit des Preises schon zur gerichtlichen Auseinandersetzung führen könnte“.165 Die Aussage ist Bewertungsrecht übergreifend zeitlos, wird uns nämlich auch im steuergesetzlichen Kontext die „Vorhersehbarkeit“ einer Wertfindung noch einge­hend beschäftigen. Ungeachtet dieser „Ungewissheitsproblematik“ wird man insgesamt resümieren müssen, dass die Preisgerechtigkeit überhaupt die Grenzen des Rechtlichen aufzeigt, weil ihr nämlich die rechtlichen Maßstäbe fehlen.166 Es würde eine ethische Maxime zur Rechtsnorm erhoben, die rechtlich nur schwierig zu verwirklichen ist.167 Fassen wir an dieser Stelle zusammen: Unter dem Stichwort des „gerechten Preises“ verbergen sich moralische Vorgaben, die sich auf das jeweilige Gesellschaftssystem im Ganzen beziehen und sich vor allem gegen 163 Vgl. zum Beispiel das von R. Reinhard, in: Festschrift f. H. Lehmann, S. 221 ff. gezeichnete (aufkommende) Meinungsbild, dem er selbst allerdings entgegentritt; hinzuweisen ist ferner noch auf die Einsetzung eines Reichskomissars für die Preisbildung (RGBl. I 1936, 927); siehe schließlich zur Vertragsgerechtigkeitsdiskussion noch W. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), S. 130 ff.; K. Larenz, Richtiges Recht, S. 65 ff. 164 R. Reinhard, in: Festschrift f. H. Lehmann, S. 221, 229 f. 165 R. Reinhard, in: Festschrift f. H. Lehmann, S. 221, 230. 166 Vgl. C. Becker, Die Lehre von der laesio enormis in der Sicht der heutigen Wucherproblematik, S. 28 f.; H. Coing, Rechtsphilosophie, S. 209 f. 167 H. Bartholomeyczik, AcP 166 (1966), S. 30, 43 f. mit Nachweisen auch zu ausländischen Rechtsordnungen.

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rein individuelles Gewinnstreben unter Ausnutzung aller sich anbietenden Möglichkeiten richten.168 Jede Aussage ist daher immer in ihrem zeitgenössischen Kontext zu sehen. Ungeachtet dessen trägt der Blick auf den „gerechten Preis“ über alle historische „Etappen“ hinweg durchaus einen Mosaikstein für unsere „außerjuristische Wertdiskussion“ bei. Es zeigt sich nämlich (bereits) hier, was sich wie ein roter Faden auch noch nachfolgend – allerdings unter gewandelter Perspektive – durch die Wertdiskussion ziehen wird: Auf der einen Seite steht die These „vom Wert an sich“, der mittels eines einheitlichen (objektiven) Maßstabes bestimmt werden kann, sowie seine Unterscheidung und vor allem auch seine Unabhängigkeit vom (vereinbarten bzw. erzielbaren) Preis.169 Auf der anderen Seite finden wir eine subjektiv-individuelle, situationsabhängige Werterklärung, die den frei ausgehandelten Preis mit dem Wert gleichsetzt. Insbesondere auf Letzteres wird noch genauer unter III. zurückzukommen sein. 2. Die „erklärende Perspektive“ der Nationalökonomie Lösen wir uns vom „gerechten Preis“ und dem ethisch-normativen Antrieb seiner Postulierung. Während sich insbesondere Teile der Scholastik nicht für die tatsächlichen (moralisch verwerflichen) Preisbildungszusammenhänge interessierten, standen dem bereits im 16. Jahrhundert erste Ansätze einer „realen Betrachtungsweise“ gegenüber.170 Erkenntnistheoretisch erfolgte die Loslösung vom „gerechten Preis“ als moralischer Zielvorstellung sodann vor allem mit der politischen (National-) Ökonomie, die mit der bürglichen Gesellschaft aufkam. Sie verfestigte zwar durchaus einige der bereits vorstehend genannten Überlegungen und Thesen, tat dies aber aus einer anderen Perspektive, aus einem anderen Erkenntnisziel. Die politische (National-) Ökonomie widmete sich dem Wert als solchem, weil sie sich hiervon eine Erklärung für die zu be­ obachtenden wirtschaftlichen Zusammenhänge und vor allem den Preisbildungsprozess versprach. Die Fragestellung war mithin nicht von ethisch-normativen Gerechtigkeitsüberlegungen geprägt. Vorgefunden wurde die Wirtschaft mit dem Markt als einzigartigem Koordinationssystem, das Werte messbar aufzuzeigen schien. Gesucht wurden die dem Markt zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten menschlichen Verhaltens

168 N. Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, S. 23. 169 Vgl. P. Kolmer/A. G. Wildfeuer, Neues Handbuch philosophischer Grundbegriffe, „Wert“, S. 2491. 170 Nachweise bei R. Kaulla, Die Geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien, S. 61 ff.

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und dies ohne göttlichen Einfluss.171 Die neu aufkommende Wissenschaft wollte „nur“ die Gesetzmäßigkeiten erklären, die der aufkommenden Industriegesellschaft und den damit (verstärkt) einhergehenden Arbeitsteilungs- und Güteraustauschprozessen zugrunde liegen (mussten).172 Maßgeblichen Einfluss übte hierbei Adam Smith aus. Er knüpfte an die Unterscheidung zwischen Gebrauchs- und Tauschwert an. Der Nutzen (im Sinne des Gebrauchens) als solches spielt in seiner Werttheorie jedoch keine Rolle. Er fokussierte sich auf den Tauschwert. Ziel seiner Untersuchung war es, das „richtige Maß für diesen Tauschwert“ zu identifizieren, mithin zu bestimmen, „worin der reale Preis aller Güter besteht“.173 Ausgehend von dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage befasste er sich dabei mit der Angebotsseite. Die Antwort auf seine Frage findet Adam Smith vornehmlich in der Arbeit: Ein Produkt habe aufgrund der in ihm vergegenständlichten Arbeit einen Wert. „[Es] ist der Wert einer Ware für seinen Besitzer, der sie nicht selbst nutzen oder konsumieren, sondern gegen andere tauschen möchte, gleich der Menge Arbeit, die ihm ermöglicht, sie zu kaufen oder darüber zu verfügen. Arbeit ist demnach das wahre oder tatsächliche Maß für den Tauschwert aller Güter.174 Die Idee war nicht ganz neu. Erinnert sei zuvorderst an die Scholastiker (§ 1 II. 1.). Aber auch William Petty hatte bereits ähnliche Überlegungen angestellt und vor allem auf die „gewöhnliche, normale“ Arbeitszeit, die ein „normaler Mensch“ aufwenden muss, als Wertmaßstab hingewiesen.175 Ihre maßgebliche (erklärende) Fundierung fand diese – später als „klassische Arbeitswerttheorie“ bezeichnete – Argumentation aber erst bei Adam Smith. Es sind die Arbeitskosten, die den „wahren Wert“ bestimmen. Daneben spielen auch die Rendite für das in 171 M. Hutter, in: Rustemeyer, Symbolische Welten, S. 45, 47 f. 172 Siehe im Vorfeld der nachfolgend behandelten Thesen von Adam Smith ferner die (auch) Angebot und Nachfrage erklärend in die werttheoretische Betrachtung zur Abweichung von innerem Wert und Marktpreis einpflegenden Arbeiten von Richard Cantillon (Essai sur la Commerce de General, 1755) und Joseph Harris (An Essay upon Money und Coins, 1757); dargestellt bei R. Kaulla, Die Geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien, S. 92 ff. 173 A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, S. 27. 174 A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, S. 28. 175 W. Petty, Economic Writings, Band 1, S. 50 und S. 68, der vor allem an die Arbeitszeit als Wertmaßstab anknüpft (siehe vor allem sein Beispiel mit dem Kornbauern und dem Silbergräber und die Schlussfolgerung, dass „the silver of the one must be esteemed of equal value with the corn of the other, S. 43 f.); hieran anknüpfend finden sich theoretische Vorarbeiten ferner bei John Locke (Two treaties of government, Band 5, S. 353 ff.) sowie ferner (wiederum moralphilosophisch) bei Benjamin Franklin (dazu bereits § 1 II. 1.).

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Produktionsmittel investierte Kapital und eine Bodenrente in Ansehung des Grundbesitzes eine wertprägende Rolle. Von dem dergestalt ermittelten „wahren Wert“ bzw. „natürlichen Preis“ unterschied Adam Smith den in Geld ausgedrückten nur nominellen Wert.176 Für Adam Smith beste­ ht also kein innerer Zusammenhang zwischen Ware und Geld. Micha­el Heinrich formuliert hierzu: „Die Geldsphäre erscheint [bei Adam Smith] als bloßer Schleier vor der Realsphäre, ein Schleier, der zumindest in der Theorie jederzeit entfernt werden kann.“177 Adam Smith ging allerdings auch davon aus, dass Wert und Preis zueinander tendieren (müssen).178 Um den im Wert zum Ausdruck kommenden „natürlichen Preis“ schwankten die Marktpreise und langfristig entspreche das arithemtische Mittel der letzteren dem natürlichen Preis.179 David Ricardo entwickelte die Arbeitswertthese sodann weiter. Er relativierte vor allem innerhalb der Arbeitswerttheorie den Wert der Arbeitsstunde: Er erklärte die durchschnittlich notwendige Arbeitszeit für maßgeblich und gewichtete Arbeit nach ihren Anforderungen. Die Einheit des Arbeitsmaßes bleibt damit erhalten. Ferner führt David Ricardo als weiteres Kriterium die Seltenheit von Gütern ein; bei solchen Gütern soll anders als bei beliebig reproduzierbaren Gütern die Intensität der Nachfrage entscheiden.180 Hieran anknüpfende, vergleichbare, d.h. auf der Arbeit als Maßstab basierende, Begründungen finden sich sodann auch in der so­ zialistischen Theorie, einflussprägend insbesondere bei Karl Marx.181 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzt ein Paradigmenwechsel ein. Wenngleich „subjektive werttheoretische Betrachtungen“ bis in das 16. Jahrhundert zurückreichen182, war es (erst) zu diesem Zeitpunkt, dass der Nutzen (wieder) in den Fokus rückte und in der wissenschaftlichen Diskussion die Arbeit als Ursprung des Wertes ablöste. Als Nutzen eines Gegenstandes wurde die Bedürfnisbefriedigung angesehen, die sich hiermit erreichen lässt. Der Güterwert wurde mithin vom Bedürfniswert abgeleitet. Hierbei wurde allerdings nicht auf den Gesamt- oder einen Durchschnittsnutzen eines Gegenstandes abgestellt. Der Wert wurde vielmehr aus dem Nutzenzuwachs, der von der letzten zusätzlichen Einheit des Gegenstandes ausgeht, abgeleitet. Im Rahmen der Diskussion

176 A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, S. 31. 177 M. Heinrich, Die Wissenschaft vom Werte, S. 38. 178 A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, S. 52. 179 A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, S. 50 f. 180 D. Ricardo, Grundsätze der Volkswirtschaft und Besteuerung, S. 10 f. 181 K. Marx, Das Kapital, Band 1, S. 31 ff. 182 Siehe A. Ott, Grundzüge der Preistheorie, S. 25 mit historischen Nachweisen.

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prägte Friedrich von Wieser hierfür den Begriff des Grenznutzens.183 Auf dem Marginalprinzip fußend wird also die sich aus einer Handlung ergebende kleinste Nutzenveränderungen in den Mittelpunkt gerückt. Die Idee findet sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts bei Hermann H. Gossen.184 Sie wird allerdings erst später als sog. Gossen´sche Gesetz wahrgenommen und gewürdigt.185 Ihren Durchbruch erfuhr diese Theorie jedenfalls zu Beginn der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts mit den Arbeiten von Carl Menger,186 William Stanley Jevons187 und Leon Walras.188 Im Anschluss hieran wirkte in der Diskussion vor allem die sog. Österreichische Schule, der Carl Menger zugehörte, namentlich durch die weiteren Arbeiten insbesondere von Eugen Böhm von Bawerk189 und Friedrich von Wieser.190 Ausgangspunkt dieser Grenznutzentheorie ist das bedürftige Individuum. Jedes konsumierbare Produkt gewähre dem Menschen eine bestimmte Bedürfnisbefriedigung und besitze daher einen Nutzen. Zugrunde gelegt wird dabei die Annahme, dass die Bedürfnisbefriedigung nicht in demselben Maße wächst wie die Anzahl der konsumierten Güter, also die Bedeutung knapper Güter für einen Menschen mit größerer verfügbarer Menge abnimmt, bis ein Punkt erreicht ist, an dem das Bedürfnis gesättigt ist. Es gibt also einen spezifischen, zusätzlichen Nutzen, den eine zusätzliche Gütereinheit einem Individuum verschafft. Hieran anknüpfend wird sodann ein relativer Tauschwert aus dem Gebrauchswert der letzten verbrauchten Gütereinheit hergeleitet. Der dergestalt entscheidende Nutzen der letzten bedarfsdeckenden und verfügbaren Einheit eines Gutes variiert naturgemäß von Individuum zu Individuum. Der Wert eines Gegenstandes wird also durch die subjektive Wertschätzung der jeweils letzten Einheit („Grenzeinheit“) bestimmt. „Der Wert ist demnach nicht nur seinem Wesen, sondern auch seinem Maße nach subjektiver Natur. Die Güter haben Wert stets für bestimmte wirtschaftende Subjekte, aber auch nur für solche einen bestimmten Wert“ (Carl Menger).191

183 F. v. Wieser, Der natürliche Werth, S. 14. 184 H. H. Gossen, Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln. 185 Die Bezeichnung dürfte – ebenso wie die Bezeichnung „Grenznutzen“ – auf F. v. Wieser, Der natürliche Werth, S. 6 ff. und S. 12 zurückzuführen sein. 186 C. Menger, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre. 187 W. S. Jevons, Theory of Political Economy. 188 L. Walras, Eléments d´Economie politique pure. 189 E. Böhm v. Bawerk, Geschichte und Kritik der Kapitalzinstheorien. 190 F. v. Wieser, Der natürliche Werth. 191 C. Menger, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 142.

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Der hier nur in seinen Grundaussagen andeutbare Wertdiskurs der zeitgenössischen Nationalökonomie ist vor einem spezifischen Hintergrund geführt worden, der nicht unmittelbar Gegenstand dieser Untersuchung ist. Aber er ist dafür gleichwohl fruchtbar, spiegelt sich nämlich in den gegensätzlichen Positionen mehr wieder als nur eine Aussage zum Ursprung des Wertes (Arbeit oder Nutzen). Es geht viel grundlegender um die Frage, ob ein Gegenstand einen Wert „an sich“ haben kann, also unabhängig von der Bewertung durch einen konkreten Menschen. Die klassische Arbeitswertlehre bejahte dies: Der durch die aufgewendete Arbeit repräsentierte Wert ist – jedenfalls theoretisch – unabhängig von der subjektiven Bewertung eines Menschen. Die Grenznutzenlehre verneinte dies hingegen und gelangte zu einem relativen Tauschwert. Auch die Grenznutzenthese im beschriebenen Sinne setzte sich letztlich nicht durch. Sie fokussierte sich zur Erklärung von Preisen zu sehr auf die subjektive Nutzenschätzung der Nachfrageseite. Im 20. Jahrhundert setzte sich vielmehr eine rein funktionalistische Betrachtungsweise der Preisbildungsprozesse durch. Es folgte insbesondere die Gleichgewichts­ preistheorie. Anders als die Theorien zuvor interessierte man sich dort allerdings nicht mehr für das Verhältnis von realer und monetärer Sphäre. Der „wahre Wert“ spielt dort keine Rolle mehr und wurde zum „unnötigen Umweg“192. Es erfolgte vielmehr die Entdeckung des Gleichgewichtspreises, bei dem sich Angebot und Nachfrage gerade decken. Über die Angebots- und Nachfragefunktion sowie die Setzung von Präferenzen gelangt man über ein mathematisches Modell zu einem System relativer Preise. Ihre inhaltlichen Fragen wurden mehr und mehr solche des mathematischen Modells.193 Um die Erklärung von Beobachtungen ging es hingegen nicht mehr. Die Modellannahmen sind in der Realität nicht zu beobachten. Die Gleichgewichtstheorie hatte freilich aber auch nicht den Anspruch, den sozialen Zusammenhang zwischen den individuellen Markthandlungen und den real beobachtbaren Tausch- und den hierbei stattfinden Preisfindungsvorgängen zu erklären. Die Preislehre verlor damit ihre realen, werttheoretischen Bezüge, wie sie ihr insbesondere in der politischen Nationalökonomie noch eigen waren. Mehr als dass es sich um Preise handelt, die ein Nachfrager bereit ist zu zahlen und der Anbieter zu akzeptieren und dass beide Seiten wohl ihre Gründe dafür haben, lässt sich ihr an inhaltlicher Aussage nicht entnehmen.194

192 M. Heinrich, Die Wissenschaft vom Wert, S. 72 193 Siehe zum theoretischen Stand heute statt vieler P. Krugmann/R. Wells, Volkswirtschaftslehre, S. 69 ff.; R. S. Pindyck/D. C. Rubinfeld. Mikroökonomie, S. 51 ff. 194 M. Heinrich, Die Wissenschaft vom Wert, S. 72 f.

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Was blieb, war der Gedanke der Subjekt-Objekt-Beziehung. Er wirkte freilich über den ökonomischen Wert, auf den sich die Diskussion bisher konzentriert hatte, hinaus und beeinflusste damals auch noch andere Wissenschaftsrichtungen maßgeblich. So fand die Wertdiskussion insgesamt eine philosophische Richtung – insbesondere mit und im Anschluss an Hermann Lotze195 und sodann Heinrich Rickert196 und Wilhelm Windelband197. Der (zum Teil unterschiedlich akzentuierte, aber doch durchweg zugrundeliegende) Dualismus von Wert und Wirklichkeit suchte die Abgrenzung des Wertes gegenüber der empirisch wahrnehmbaren Wirklichkeit.198 Auf der einen Seite sollen Werte „gelten“ (objektiv, subjektunabhängig, allgemeingültig). Auf der anderen Seite sind es aber die Menschen, die sich wertend verhalten und zwischen ihrem jeweiligen Maßstab (Wertmaßstab) und einem Gegenstand eine den Wert darstellende Beziehung herstellen. Der Wert manifestiert sich hier als etwas „nicht Wirkliches“. Diese Diskussion geht weit über den hier allein interessierenden ökonomischen, quantitativ ausgedrückten Wert eines Gegen­standes hinaus. (Insbesondere) in dieser Phase wurde der Wertbegriff jedenfalls in seiner philosophischen und später auch die rechtswissenschaftliche Diskussion beeinflussenden Bedeutung geprägt.199 Dies alles bleibt hier indes ausgeblendet. Bevor wir zu der ökonomischen Betrachtung zurückkehren, sei lediglich noch die sich in Ansehung des „Wertphänomens“ ausdrücklich auf die nationalökonomischen Erkenntnisse berufende psychologische Schule erwähnt.200 Was Grenznutzentheoretiker mit ihrem subjektivistischen Ansatz bereits herausgearbeitet 195 H. Lotze, Metaphysik; derselbe, Logik, § 316; vgl. zur Unterscheidung zwischen relativem Wert (Preis) einerseits und innerem Wert (Würde), der sich nicht in einem Preis ausdrücken lässt, auch schon I. Kant, Grundlegung der Metaphysik der Sitten, S. 434. Zum Verhältnis der (philosophischen) Werttheortie zur nationalökonomischen Diskussion zum Beispiel P. Kolmer/A.G. Wildfeuer, Neues Handbuch philosophischer Grundbegriffe, S. 2491 ff. 196 H. Rickert, System der Philosophie, S. 116 ff. 197 W. Windelband, Präludien – Aufsätze und Reden zur Philosophie und ihrer Geschichte, Band 1, S. 139 ff 198 Statt vieler mit umfangreichen zeitgenössischen Nachweisen F. Wapler, Werte und das Recht, S. 42 ff. 199 Zum Einfluss des Neukantianismus auf die Rechtsphilosophie bis in die Gegenwart F. Wapler, Werte und das Recht, S. 147 ff. 200 Vor allem Alexius von Meinong, der bezugnehmend auf die Arbeiten Carl Mengers´ und Friedrich von Wiesers´ versuchte, die Wertfrage aus ihrer ökonomischen Perspektive heraus in eine allgemeine Dimension zu überführen (A. v. Meinong, Psychologisch-ethnische Untersuchung zur Wert-Theorie, insbesondere S.  1 ff. zu diesem Anspruch). Hieran schlossen sich wiederum andere Arbeiten an (siehe zum Beispiel C. v. Ehrenfels, System der Werttheorie; J. C. Kreibig, Psychologische Grundlegung eines Systems der Werttheorie).

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Zur Existenz und dem Wesen des Wertes eines Gegenstandes

und die Philosophen mit dem jeweiligen Wertmaßstab des bewertenden Menschen gar nicht so abweichend davon erfasst hatten, brachten sie aus ihrer psychlogischen Perspektive auf einen einfachen Nenner: Der „Wert [kann] niemals eine adhärente Eigenschaft oder Beschaffenheit eines Gegenstandes der Außenwelt, sondern lediglich subjektiver Natur“ sein (Josef Clemens Kreibig).201 Und genau in diesem Sinne übte die Grenznutzentheorie schließlich auch ihren nachweisbaren202 Einfluss auf den Bilanzrechtler Veit Simon aus, dessen Aussagen bis heute in der steuerjuristischen Aufarbeitung der Bewertungsfrage immer wieder (zustimmend) zitiert werden und auch hier die Exegese schließen sollen: „Der Wert einer Sache ist nichts der Sache inhärierendes und ist weder eine Eigenschaft derselben noch überhaupt eine Tatsache, sondern ist vielmehr eine Meinungssache. Wer behauptet, eine Sache habe einen bestimmten Wert, gibt hierdurch ein Urteil ab. Ein begründetes Urteil muss zwei Tatsachen berücksichtigen, erstens, dass die Sache geeignet ist, gewisse Bedürfnisse zu befriedigen, zweitens, dass zu der Erlangung der zur Befriedigung der Bedürfnisse erforderlichen Güter bestimmte Personen bestimmte andere Güter hingeben, bzw. Geldbeträge zu zahlen pflegen“203 Weiter heißt es: „Losgelöst von der Beziehung auf Personen und ihre Bedürfniszwecke lässt sich der Wert aber nicht vorstellen; der Wertbegriff ist ein subjektiver und relativer, und die Ausdrücke „objektiver“ oder „absoluter Wert“ enthalten eine contradictio in adiecto“.204 Dem ist meines Erachtens nicht mehr viel hinzuzufügen. Die überwiegende Meinung sieht dies heute ebenso.205 Hierin kommt die zutreffende Einsicht zum Ausdruck, 201 J. C. Kreibig, Psychologische Grundlegung eines Systems der Werttheorie, S. 5. 202 Siehe E. Gutenberg, ZfB 3 (1926), S. 497 ff. 203 V. Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien, S. 293. So auch bereits eine ebenfalls traditionell in diesem Kontext zitierte Aussage des Reichsoberhandelsgericht aus dem Jahr 1877, wonach „der Werth einer Sache keine Eigenschaft derselben [ist]“, ROHG v. 8.6.1877, Rep. 405/77, ROHGE 22, 388, 392. 204 V. Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaften auf Aktien, S. 289 ff. 205 Siehe neben den bereits anlässlich der Diskussion genannten Autoren noch J. Adolff, ZHR 173 (2009), S. 67, 69; W. Bayer, ZHR 163 (1999), S. 505, 533; W. Busse von Colbe, in: Festschrift f. Lutter, S. 1053, 1056; J. Drukarczyk, AG 1973, 357 f.; B. Großfeld, JZ 1981, 641, 645; H. Hanisch, Die Entwicklung der Wertbegriffe im modernen deutschen Steuerrecht, S. 6; A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Methoden im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 74; R. Hüttemann, ZHR 162 (1998), S. 563, 574 f.; C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 16 ff.; G. Mandl/K. Rabel, in: Festschrift f. Rückle, S. 45, 56; A. Moxter, Grundsätze ordnungsgemä-

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

dass sich ein naturwissenschaftliches „objektives“ Denken bei der quantifizierenden Bewertung nicht auf die Ebene sozialer Beziehungen übertragen lässt.206 Es bleibt jedem Individuum selbst überlassen, woran er den „Wert“ des Gegenstandes festmacht, warum ein Gegenstand also „wert haben soll“. „Nichts ist von Natur aus wertvoll oder wertlos; die Menschen machen es dazu“ (Fritz Mauthner207). Und ergänzen muss man: jeder Mensch macht dies anders. Wenn daher nachfolgend von einem subjektiven Wert die Rede ist, so knüpft dies an eben jene Erkenntnis an.

III. Preis und Preisbildungserwartung 1. Der wahrscheinlich erzielbare Preis als in Geld ausgedrückte Tauschwert­verkörperung eines Gegenstandes Nach alledem fehlt es also an einer naturgesetzlichen (objektiven) Wert­ realität. Es gibt nicht „den einen“ natürlichen Wert. Es gibt nur subjektive-individuelle Werte und davon eine unendliche Fülle. Kommen wir im Anschluss an diese Erkenntnis auf das zurück, was anlässlich der vorstehenden Diskussion bereits angeklungen ist, aber dort nicht im Mittelpunkt stand, nämlich die Frage nach dem Preis, der für einen Gegenstand (wahrscheinlich) erzielbar ist, den also der Geschäftsverkehr (wahrscheinlich) bereit ist, für einen Gegenstand zu zahlen. Dies kann freilich nur gelingen, wenn man den „Tausch“ und die Bedeutung des „Geldes“ für ebendiesen an den Anfang stellt. Menschen haben Bedürfnisse und die Bedürfnisbefriedigung erfolgt in einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Letztere ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder Mensch immer auch für andere Menschen arbeitet. Man bringt Gegenstände hervor, die man tauschen kann und auch muss, um wiederum andere Gegenstände zu erlangen.208 Dies führt zur Notwendigkeit der Bewertung. Bereits in der Einleitung habe ich festgehalten, dass Bewertung nicht ohne Maßstab auskommt. Die maßgebliche volkswirtschaftliche Weichenstellung war der Übergang von der Naturaltauschwirtschaft zur Geldwirtschaft. Der direkte Tauschvorgang (Gut gegen Gut) wirft ein beßer Unternehmensbewertung, S. 23 ff.; H. Münstermann, Wert und Bewertung der Unternehmung, S. 1; U. Ränsch, AG 1984, 202, 205; T. Schildbach, zfbf 47 (1995), 620; J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. A 8 jeweils alle mit weiteren Nachweisen. 206 Vgl. H. Bartholomeyczik, AcP 166 (1966), S. 30, 37. 207 F. Mauthner, Wörterbuch der Philosophie, Band 2, S. 582. 208 P. Bofinger, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 29 ff.

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Preis und Preisbildungserwartung

wertungsspezifisches Problem auf: Er ist von einer Vielzahl relativer Preise gekennzeichnet. Denn die Zahl der möglichen Preise befindet sich hier in einer Abhängigkeit von der Güterzahl (bei 100.000 Gütern ergäben sich beispielsweise ca. 5 Milliarden Preise)209. Mit dem Übergang zur Geldwirtschaft wird die Zahl der möglichen Preise hingegen erheblich reduziert. Dem Geld kommt eine Wertmess-, Recheneinheits- und Wertspeicherfunktion zu. Für den Ökonomen ist es lediglich eine Einheit. Für den Steuerjuristen ist es – dies werden wir später im Kontext der Verkehrswerte vertiefen – der maßgebliche Vergleichsmaßstab für die Menge von Lohnarbeit, Waren und Dienstleistungen, die man damit entlohnen oder erwerben kann. Geld verkörpert eine generalisierende Kaufkraft: Wer für ein reales Gut kein anderes reales Gut, sondern Geld entgegennimmt, vertraut darauf, zu einem späteren Zeitpunkt ein beliebiges Gut mit diesem Geld erwerben zu können. Es wird damit zugleich zum gemeinsamen Nenner, auf den sich alle Güter bringen lassen, und ermöglicht damit, ungleiche Güter zu addieren.210 Dies wiederum führt zum Ausgangspunkt jeglicher Bewertung. Jedem Gegenstand kann eine bestimmte Menge Geldeinheiten zugewiesen werden. Es existiert mithin ein Vergleichsmaßstab, der – jedenfalls theoretisch – jeden erdenklichen Gegenstand in ein relatives Wertverhältnis zu jedem beliebigen anderen Gegenstand setzen lässt und damit im Gewande des Preises einen (konkreten) Tauschwert in Geld zum Ausdruck bringt. Die Preisbildung leistet „der Markt“. Sie ist seine Hauptfunktion.211 Das Referenzsystem, um reale Marktprozesse und die Gesetzmäßigkeiten bei der Preisbildung zu untersuchen, ist das Modell der vollständigen Konkurrenz.212 Hieran anknüpfend lassen sich Überlegungen anstellen, welchen Tauschwert zwei vertragswillige Menschen einem Gut in dem theoretischen Idealfall von vollständigen und vollkommenen Güter- und Kapitalmärkten (theoretisch) beimessen müssten, wenn also die Märkte abgeschlossen sind (keine neuen Güter oder keine neuen Technologien), Transaktionskosten und Steuern fehlen, die Güter beliebig teilbar sind und homogene Erwartungen aller Marktteilnehmer bestehen.213 Der Preis bildet sich hier durch Angebot und Nachfrage und gleicht beide 209 A. Woll, Volkswirtschaftslehre, S. 429 f. 210 A. Woll, Volkswirtschaftslehre, S. 429. 211 M. Neumann, Theoretische Volkswirtschaftslehre, Band 2, S. 10 ff. u. S. 134 ff. 212 P. Krugmann/R. Wells, Volkswirtschaftslehre, S. 69 ff.; R. S. Pindyck/D. C. Rubinfeld. Mikroökonomie, S. 51 ff.; P. A. Samuelson/W.D. Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 273 ff. 213 Vgl. nur P. Krugmann/R. Wells, Volkswirtschaftslehre, S. 264 ff.; W. Neus, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre aus institutenökonomischer Sicht, S. 96 ff.; R. S. Pindyck/D. C. Rubinfeld. Mikroökonomie, S. 51 ff.

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

miteinander aus. Er wird durch den Schnittpunkt der Angebots- und der Nachfragekurve bestimmt. Es kommt zu einer Preis-Mengen-Kombination, die den Zustand eines Marktgleichgewichtes darstellt. Austauschbeziehungen finden hier einzig zu diesem Preis statt.214 Dass sich im Marktmodell der vollständigen Konkurrenz einzig dieser Preis herausbildet, liegt dabei nicht nur an der eingangs bereits genannten Annahme der vollständigen Markttransparenz (die Marktteilnehmer verfügen über sämtliche relevanten Informationen), sondern auch an der zentralen Prämisse in Bezug auf die Marktteilnehmer: Sie wissen nicht nur alles, sondern handeln ständig rational mit dem Ziel, ihren individuellen, nach selbst gesetzten Präferenzen formulierten Nutzen zu maximieren, und machen dabei keine Fehler. Angesprochen ist damit die Zentralfigur der neoklassischen Ökonomie, nämlich das Ideal des homo oeconomicus. Als Kreation der Wissenschaft kann er von Alltagserfahrung abstrahieren; er tritt nicht als Einzelperson in Erscheinung, sondern als aggregierter Typus.215 Die Ökonomie greift auf den homo oeconomicus allerdings nicht als Zustandsbeschreibung zurück. Es wird nicht behauptet, dass sich rationale Vernunft und soziale Wirklichkeit decken. Insgesamt gegenwärtigt man, dass sowohl diese idealisierten Umweltbedingungen als auch die auf die Person der Akteure bezogenen Idealbedingungen nirgendwo beobachtbar sind. Tatsächlich beobachtbare Interaktionen sind von unterschiedlichen Wertschätzungen der verschiedenen Akteure geprägt. Dies liegt einerseits an unterschiedlichen „Nutzenvorstellungen“ und unterschiedlichen (Anlage-) Rahmenbedingungen in Bezug auf den zu erwerbenden/ zu veräußernden Gegenstand. Sie sind andererseits aber immer (auch) Ausdruck von Informationsasymmetrien. Es kommt zu unterschiedlichen Preisvorstellungen und innerhalb derer müssen sich die Beteiligten einigen. Damit werden zudem Faktoren wie Macht, Verhandlungsgeschick und Zeitdruck, aber auch soziales statt ökonomisch-rationales Verhalten relevant. Gerade dieser Umstand, dass sich nämlich Preise als Verhandlungsergebnis (Kompromiss) nicht nach (formal-) logischen, als solche feststellbaren Regeln bilden, ist für die weitere Betrachtung elementar. Man erkennt daher schnell, dass theoretische Überlegungen zur 214 Eingehend statt vieler P. Krugmann/R. Wells, Volkswirtschaftslehre, S. 69 ff.; P. A. Samuelson/W. D. Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 273 ff.; U. v. Suntum, Die unsichtbare Hand, S. 9 ff.; R. S. Pindyck/D. C. Rubinfeld. Mikroökonomie, S. 51 ff. 215 Zum „Konzept“ des homo oeconomicus zum Beispiel G. Kirchgässner, Homo oecono­micus, passim; derselbe, JZ 1991, 104, 106 f. und U. Sacksofsky, in: Hoffma­nn-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrecht, Band II, § 40 Rn. 31 ff.

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Preis und Preisbildungserwartung

idealen Preisbildung nur sehr eingeschränkt weiterführen können, wenn wir wissen wollen, welcher Preis für ein bestimmtes Gut wahrscheinlich zu erzielen ist, wenn man es denn veräußern würde. Wenngleich hier die juristische Perspektive noch ausgeblendet bleibt, so bleibt ihre Relevanz immer präsent: Die Rechtswissenschaft braucht Wirklichkeitskenntnis. Für den hiesigen Untersuchungsgegenstand kann daher immer nur die Beobachtung der Wirklichkeit maßgeblich sein und zwar mit allen ihren Schwächen und Mängeln. Jedes Mal, wenn zwei Akteure einen Vertrag über einen Gegenstand abschließen und diesem Gegenstand einen monetären Gegenwert bei­ messen, also bestimmen, was die eine Vertragspartei aufwenden muss, um in den Genuss eben jenes Gegenstandes zu gelangen, entsteht „ein“ tatsächlich zu beobachtender Preis. Er stellt grundsätzlich das von si­ tuations- und machtspezifischen sowie zufälligen Einflüssen geprägte Verhandlungsergebnis über die Preisforderung auf der einen und des Preisgebotes auf der anderen Seite dar. An dieser Stelle ist (noch) irre­ levant, nach welchen Gesetz- oder zumindest Regelmäßigkeiten sich Preise tatsächlich bilden. Entscheidend ist zunächst nur, dass sich Preise bilden. Der Preis ist „eine gesellschaftliche Tatsache“ (Friedrich von Wieser216), die beobachtet werden kann. Daraus wiederum ergibt sich: Wenn der Wert einer Beziehung zwischen Subjekt und Objekt entspringt, also etwas „Subjektives“ ist, kann der Preis nicht mit ihm identisch sein. Insoweit herrschte selbst zwischen den Arbeitswert- und den Grenznutzentheoretikern Einigkeit.217 Im Nachgang zum damaligen Diskurs ist diese (zutreffende) These bis heute anzutreffen.218

216 F. v. Wieser, Der natürliche Werth, S. 50; ähnlich hieran anschließend H. Hanisch, Die Entwicklung der Wertbegriffe im modernen deutschen Steuerrecht, S. 5 (Wert als „gesellschaftliches Phänomen“). 217 Siehe zum Beispiel einerseits A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, S. 36; andererseits F. v. Wieser, Der natürliche Werth, S. 37 ff. (Der natürliche Wert „ist der Werth, wie er wäre, wenn eine wirtschaftlich hoch entwickelte Gesellschaft ohne Tausch und Preis bestünde“ [S. 37]). 218 BGH v. 25. 10. 1967, VIII ZR 215/66, BGHZ 48, 344; J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 160 u. S. 261; H. Hanisch, Die Entwicklung der Wertbegriffe im modernen deutschen Steuerrecht, S. 8; A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Methoden im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 74; C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 23 f.; W. Müller, in: Festschrift f. Bezzenberger, S. 704, 706 f.; M. Olbrich, BFuP 52 (2000), S. 454, 459; auch RFH v. 21.11.1924, II A 896/24, RFHE 14, 330, 331 unterscheidet den inneren Wert und den Ausdruck dieses Wertes durch Bezugnahme auf einen Vergleichsmaßstab.

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

Die Unterscheidung von Wert und Preis betrifft in Bezug auf ersteren nur den subjektiv-individuellen Wert. Sowohl sprachlich als auch der Sache nach lässt sich aufbauend auf dem Phänomen der Preisbildung im Übrigen durchaus eine „Wertaussage“ treffen. Der Preis ist das Ergebnis einer sozialen Interaktion zwischen mindestens zwei Personen, die ihre jeweiligen Wertvorstellungen zu einer Preisvereinbarung zusammengeführt haben. Ist dies geschehen, hat der Gegenstand einen ökonomischen Wert zugewiesen erhalten; es geht mithin um den Tauschwert. Für den Verkäufer verkörpert der Gegenstand jedenfalls den ökonomischen Wert, wie er in der Gegenleistung seine Bezifferung findet. Solange der Gegenstand nicht veräußert wird, schlummert in ihm jedenfalls das Potential, diesen ökonomischen Wert zu realisieren. Dieses Potential lässt sich auch beziffern. Es geht um die Vorhersage eines Preises, der sich wahrscheinlich bilden (vereinbaren lassen) würde, wenn man das Gut veräußern würde. Da es an einem tatsächlichen Preisbildungsprozess fehlt, bedarf es einer Ableitungsüberlegung: Man schließt von in der Vergangenheit oder Gegenwart beobachtbaren Preisen bzw. Preisbildungsvorgängen auf den wahrscheinlichen (zukünftigen), im Falle einer Veräußerung erzielbaren Preis für das zu bewertende Gut. Man sucht über diese Ableitung eine hypothetische Aussage. Ihre Bedeutung ist enorm: Wegen dieser Ableitungsbeziehung repräsentiert der für einen Gegenstand wahrscheinlich erzielbare Preis immer einen ökonomischen Wert. Denn solange Tauschverkehr stattfindet und Geld als Tauschmittel akzeptiert wird – beide Bedingungen werden im Folgenden als gegeben unterstellt –, lässt sich die These aufstellen, dass jeder Gegenstand eine in Geld ausgedrückte Tauschwertigkeit vermittelt.219 Das Geld wird also zum Fixpunkt und zwar deshalb, weil es seinen Wert als Konstante in sich trägt und nicht etwa nach Anschaffungsgrundsätzen mit dem Wert der verkauften Ware oder Dienstleitung zu bewerten ist.220 Diese ökonomische Wertigkeit, die der Gegenstand verkörpert, könnte man daher als „Geldwert“ bezeichnen. Da dieser Begriff schon anderweitig belegt ist, soll hier im weiteren Verlauf der ebenso passende Begriff des „Tauschwertes“ verwendet werden. Bereits Aristoteles hat mit diesem Begriff im Grunde das 219 Die beiden Grundbedingungen dieser These mögen banal klingen, aber ihre Relevanz wird deutlich, wenn man sich die Inflation in der Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre vor Augen führt. Nicht ohne Grund suchte der Reichsfinanzhof in der bereits bei § 1 I. zitierten Entscheidung aus November 1924 einen inneren Wert, „[der] besteht, gleichgültig ob er durch Anwendung eines Vergleichsmaßstabes auf eine Ziffer gebracht wird oder nicht“ (RFH v. 21.11.1924, II A 896/24, RFHE 14, 330, 331). 220 W. Mathiak, DStJG 7 (1984), S. 97, 105; J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. A 80 beide mit weiteren Nachweisen.

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umschrieben (vgl. § 1 II. 1. zu Beginn), was auch hier aus dem steuerjuristischen Erkenntnisinteresse heraus mit einem praktikablen Begriff erfasst werden soll, der trotz der Vielfalt der Bewertungsgegenstände einen verallgemeinerungsfähigen Anknüpfungspunkt für eine steuergesetzliche Bemessungsgrundlage verkörpert: Tauschwert meint hier also, dass jedermann ungeachtet (s)einer individuell-subjektiven Wertschätzung den Gegenstand mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit in eine bestimmte (zwar nicht genau fixierbare, aber doch näherungsweise eingrenzbare, dazu später § 4 I.) Menge Geldeinheiten umwandeln könnte (wenn er wollte). Zwar ist auch die Preisfindung von subjektiven (Nutzen-) Vorstellungen der Vertragsparteien und anderen Faktoren (Informationsasymmetrie, Macht, Verhandlungsgeschick) beeinflusst. Aber durch die widerstreitende Interessen zum Ausgleich bringende „(Preis-) Vereinbarung“ mündet dies in einem intersubjektiven Ergebnis und hieraus lässt sich sodann auch der (wahrscheinliche) Preis ableiten, der den Tauschwert eines (bisher) nicht veräußerten Gegenstandes repräsentiert.221 Diese Erkenntnis zum wahrscheinlich erzielbaren Preis als Tauschwert und somit zur Kernaussage aller Verkehrswerte führt geradewegs zu den unter dem Gesichtspunkt der „Realität“ referierten Aussagen der Rechtsprechung zurück (dazu § 1 I.). Dies gilt insbesondere für die Verfassungs- und die Zivilrechtsprechung betreffend die Abfindung von ausscheidenden Gesellschaftern, wenn sie der betroffenen unternehme­ rischen Einheit (Unternehmensträgerbeteiligung) einen „tatsächlichen Wert“, einen „wirklichen Wert“ bzw. den „vollen wirtschaftlichen Wert“ zusprechen, der sich nämlich aus dem „Preis“ ergeben soll, der bei einer Veräußerung zu erzielen wäre.222 Hier werden bezogen auf den jeweiligen 221 Die Idee eines so verstandenen Tauschwertes als Ausgangspunkt für den Nutzen, den die Sache für jedermann hat (vgl. die Definition des gemeinen Wertes in § 112 Abs. 1 Satz 2 ALR), und dessen Eignung als „realer Wertmaßstab“ klingt bereits in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts in Steuersachen an (siehe vor allem PreußOVG v. 17.5.1897, Rep. E IX 84/96, PreußOVGStE 6, 30, 32 f.; zuvor im Ergebnis auch schon PreußOVG v. 20.4.1896, Rep. E VIIIa 1/96, PreußOVGStE 5, 63, 73 ff.) 222 So (wohl) bereits RG v. 25.6.1887, I 137/87, RGZ 19, 111, 121; siehe sodann statt vieler nur BGH v. 13.3.1978, II ZR 142/76, BGHZ 71, 40; v. 24.5.1993, II ZR 36/92, WM 1993, 1412, 1413 f.; v. 16.12.1991, II ZR 58/91, BGHZ 116, 359, 368 u. 370; v. 6.2.2008, XII ZR 45/06, NJW 2008, 1221, 1223. Eine Ausnahme scheint insoweit allerdings BGH v. 23.10.1985, IVb ZR 62/84 NJW-RR 1986, 226, 228 für die Bewertung anlässlich des Zugewinnausgleichs darzustellen: „Zwar wird der wirkliche Wert eines Vermögensgegenstandes in einem Wirtschaftssystem, das seine Maßstäbe für den Wert von Vermögensgegenständen weithin am Markt findet, in vielen Fällen dem Veräußerungswert zusammenfallen. […]. Dies kann jedoch nur

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

Bewertungsanlass folgerichtig der „tatsächliche, innere, wirkliche etc. Wert“ und der „Tauschwert“ im Sinne eines wahrscheinlich erzielbaren Preises im Falle einer gedachten Veräußerung miteinander verbunden. Diese Verbindung ist in Bezug auf das juristische Erkenntnisinteresse inhaltlich richtig und zudem gibt es hiergegen auch in sprachlicher Hinsicht nichts zu erinnern, wenn Preis und (Verkehrs-) Wert dergestalt verknüpft werden.223 Auch für das Steuerrecht ist diese Verbindungslinie von besonderer Bedeutung. Ich werde später noch eingehend ausführen, dass die Bewertung für steuerliche Zwecke ausnahmslos dazu dient, verschiedene Gegenstände zu einer einheitlichen Bemessungsgrundlage zusammen­zuführen und sie vergleichbar zu machen (dazu insbesondere § 2 I. sowie § 2 II. 1.). Mittels der für einen Gegenstand von jedermann erzielbaren Geldmenge existiert nicht nur eine Einheit, die es erlaubt, die verschiedenen Gegenstände in eine einheitliche Bemessungsgrundlage zu überführen. Es existiert auch ein konkretes Maß, mit dem sie einem Vergleich unterzogen werden können, nämlich eben jener in Geld auszudrückende Tauschwert. Ohne diese Einsicht könnte man keine Verbindung zwischen dem Wert und dem Preis herstellen. Der Preis bliebe ohne Aussagekraft für den (subjektiven) Wert. Halten wir daher bis hierhin fest: Es existiert zwar kein für jedermann gleicher Wert, also kein „Wert als solcher“. Solange ein Güteraustausch mit Preisbildung stattfinden kann, existiert aber eine „Erwartung“ dahin gehend, dass unter bestimmten Annahmen eine Umsetzung des Gegenstandes in Geld gelingen wird und dass sich diese Umsetzung mit mehr oder weniger Genauigkeit vorhersagen lässt. Es geht also um eine Erwartung in Bezug auf die Bildung eines Preises für den zu bewertenden Gegenstand (Preisbildungserwartung).

für Vermögensgegenstände gelten, die entweder zur Veräußerung bestimmt oder als Folge des Zugewinnausgleichs veräußert werden müssen. Ansonsten dürfen wirklicher Wert und Veräußerungswert nicht in eins gesetzt werden und kann der wirkliche Wert höher als der aktuelle Veräußerungswert sein. Gerade bei Immobilien, die gar nicht verkauft werden sollen, geht es nicht an, sie kurzerhand mit ihrem hypothetischen Verkaufswert anzusetzen.“; ferner vielleicht ebenfalls anders BGH v. 2.2.2011, XII ZR 185/08, NJW 2011, 2572, 2573 ff (ebenfalls zum Zugewinnausgleich). 223 Anders wohl K. Henselmann, BFuP 58 (2006), S. 144, 151 demzufolge der Sprachgebrauch der Gerichte Verwirrung stifte, wenn der Preis mit dem vollen Wert, dem Verkehrswert etc gleichgesetzt werde.

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Preis und Preisbildungserwartung

2. Beobachtbare Preise und beobachtbare Preisbildungsverhaltensmuster So theoretisch einleuchtend dies ist, so schwierig kann es freilich im Tatsächlichen sein, eben jenen Preis zu bestimmen, letztlich vorherzusagen. Es geht nämlich immer um die Beantwortung der hypothetischen Frage, was würde ein anderer als Gegenleistung hingeben, wenn ich bereit wäre, meinen Gegenstand einzutauschen. Ich habe dies im vorangegangenen Abschnitt „Preisbildungserwartung“ genannt. Sie bildet allerdings nur einen (wenn auch gewichtigen) Teil der Problematik ab. Wolfgang Ballwieder, Karlheinz Küting und Thomas Schildbach formulieren die Ausgangsbedingung und die damit verbundene Herausforderung zutreffend wie folgt: „In einer Wirtschaft, die nicht durch Gleichgewichte auf vollkommenen und vollständigen Märkten gekennzeichnet ist, spiegeln Marktpreise Schnittmengen geordneter Mengen von Wertvorstellungen der jeweiligen Güter auf Anbieter- und auf Nachfragerseite wider. Wer solche Preise schätzen will oder durch Bereinigung anderer Preise gewinnen möchte, muss die Vielfalt der Wertvorstellungen und deren Abstimmung über den Markt simulieren“.224 Hierin kommen zutreffend die beiden Hauptfragen jeder Ableitungsbeziehung mit dem Ziel eines hypothetischen Preises zum Ausdruck. Erstens, fragen wir, wie die Menschen einen (konkreten) Gegenstand typischerweise bewerten. Wir fragen also nicht in erster Linie danach, wie sie (individuell) einen konkreten Gegenstand bewertet haben. Letzteres ist zwar durchaus wichtig, weil es wiederum Aufschluss auf das „Typische“ gibt, erwarten wir nämlich, dass sich ein Mensch so verhält, wie es die Mehrheit in der Vergangenheit auch getan hat und sich nach wie vor auch noch verhält. Diese Erwartung projizieren wir sodann auf einen gedachten Käufer und Verkäufer. Aber dennoch ist dies nicht dasselbe, weshalb das in der Vergangenheit Beobachtete nicht mit dem gegenwärtig Gesuchten gleichgesetzt werden kann. Zweitens müssen wir gegebenenfalls eine Aussage dazu treffen, wie die gedachten Vertragspartner (Verkäufer, Käufer) die dergestalt jeweils aus ihrer Perspektive gebildeten Vorstellungen auf eine einwertige Einigung (Preis) zusammenführen. Mittels dieser (hypothetischen) Ableitungsüberlegungen wird die Frage, was sich wahrscheinlich für ein Preis für ein konkretes Gut erzielen lassen wird (Verkäuferperspektive) bzw. welchen Preis man hierfür wahrscheinlich aufwenden muss (Käuferperspektive), immer einer Antwort zugänglich sein. Lediglich die Genauigkeit variiert.

224 W. Ballwieser/K. Küting/T. Schildbach, BFuP 56 (2004), S. 519, 536.

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

Dies führt zum Ausgangspunkt jeder Bewertung: Die Beobachtung des Verhaltens anderer Menschen anlässlich der Bewertung (anderer Gegenstände); genauer: eine Verhaltensregelmäßigkeit von Menschen, also ein tatsächlich, durchschnittlich oder mehrheitlich geübtes Verhalten, das man als Faktum und – dies wird sich nachfolgend als wichtig herausstellen – nicht als „Sollen“ feststellen kann. Dies sind die sozialen Fakten im Sinne der Ausführungen unter § 1 I. Es geht also um die Erfassung von sozialem Verhalten im Sinne von Übung, Konvention, Verkehrssitte etc. Als Oberbegriff für derartige Regelmäßigkeiten sozialen Verhaltens soll auch hier der Ausdruck des „Verhaltensmusters“ verwendet werden. Nach der Definition von Klaus F. Röhl und Hans Christian Röhl spricht man von einem Verhaltensmuster in diesem Sinne dann, „wenn innerhalb einer näher definierten Menge von Menschen in gewissen typischen Situationen ein gleichartiges Verhalten zu beobachten ist, wenn gewisse Muster existieren, die dem Handelnden vorgeben, was er tun oder lassen, und die beim Zuschauer die Erwartung eines bestimmten Verhaltens des Handelnden hervorrufen“225. Mit diesem Phänomen, dass sich Menschen in vergleichbaren Situationen nicht zufällig vergleichbar verhalten, sondern eine gewisse Gleichförmigkeit im Handeln oder Denken bestimmter (mehr oder minder großer) Gruppen von Menschen auftreten, befasst sich die soziologische Betrachtung des menschlichen Zusammenlebens.226 Es kommt zu beobachtbaren Normbildungen. Diese „Norm“ kann von einer sozialen Gewohnheit, die es lediglich als übliche Verhaltensförmigkeit deskriptiv zu erfassen gilt, bis zu einer sozial verbindlichen Regel, also einem (nicht-staatlichen) Sollensgebot reichen. Letzteres liegt dann vor, wenn bei einer Abweichung eine (nicht-staatliche) Sanktion zu beobachten ist, eine Verletzung der Regel also geahndet wird.227 In diesem Fall beschreibt das Verhaltensmuster nicht lediglich eine Form sozialen Verhaltens, sondern auch das Maß hierfür.228 Die hier eine Abgrenzung vollziehenden Begrifflichkeiten variieren. Hier wird der in der Rechtssoziologie häufig anzutreffenden Unterscheidung gefolgt, wonach der Begriff der „sozialen Norm“ nur für die verbindlichen Regeln und Verhaltensforderungen verwendet wird (normativer Normbegriff),

225 K. F. Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 200; B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 97. 226 K. F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 121; zu den Erklärungsmodellen für soziales Verhalten, a.a.O, S. 127 ff. 227 M. Adams, JZ 1991, 941; T. Raiser, Das lebende Recht. Rechtssoziologie in Deutschland, S. 197; K. F. Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 201. 228 M. Rehbinder, Rechtssoziologie, § 4 Rn. 37.

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während im Übrigen von sozialer Gewohnheit oder (Verkehrs-/Handels-) Brauch gesprochen wird.229 Betrachten wir in diesem Lichte die Bewertung eines Gegenstandes durch Menschen. Eine solche Bewertung kann erfolgen zur „Selbstinformation“, aber am häufigsten wohl vor bzw. anlässlich einer sozialen Interaktion, wie dies insbesondere bei interessengegensätzlichen Preisfindungssituation der Fall ist. Dabei wird jeder Mensch – aus seiner Käufer- oder Verkäuferperspektive – versuchen, eine Preiserwartung zu formulieren. Dies wird er natürlich auf der Grundlage seiner selbstgesetzten Prämissen tun (zum Beispiel kann ein Verkäufer seine Vorstellung vom Kaufpreis ohne jede innere Beziehung zum Gegenstand danach formulieren, was er als Kaufpreis „braucht“). Manche Menschen mögen es hierbei auch belassen, aber die meisten Menschen dürften doch ihr Preisziel immer auch mit Erfahrungen verbinden wollen. Sie wollen sich hieran vergewissern. Sie suchen Anhaltspunkte und Bestätigung. Soziologisch treffen hier die Vorbildfunktion eines Verhaltensmusters und seine Grundlage für eine enttäuschungsfeste Erwartung zusammen.230 Dies kann im Eigeninteresse geschehen, weil Menschen angesichts der Knappheit ihrer finanziellen Mittel naturgemäß Sorge haben, etwas zu teuer zu kaufen bzw. etwas oder (bei Arbeits-/Dienstleistungen) „sich“ zu günstig zu verkaufen. Sie wollen in der Regel (mindestens) so teuer verkaufen bzw. günstig einkaufen, wie es auch andere Menschen vor ihnen getan haben. Unter Umständen kann sogar eine (rechtliche) Verpflichtung bestehen, sich über die Preisfindung der Kontrolle wegen „vergleichende Gedanken“ zu machen. Dies gilt zum Beispiel dort, wo fremdes Vermögen verwaltet wird und sich Preise rechtfertigen lassen müssen.231 Der Verkehr liefert jedenfalls Orientierungspunkte. Der Bewertende wird sich daher die Frage stellen, wie er einen Tauschwert antizipieren kann, wie also der anonyme allgemeine Verkehr den Gegenstand im Falle einer Veräußerung wohl bewerten würde. Er wird daher versuchen, zu erkennen, ob sich Preise für bestimmte Gegenstände nach regelmäßig auftretenden Mustern bilden, wie sich diese Muster zu bestimmten Merkmalen/Eigenschaften der Gegenstände verhalten oder gerade nicht verhalten und ob und inwieweit die Veränderung externer 229 Siehe T. Raiser, Das lebende Recht. Rechtssoziologie in Deutschland, S. 196 ff.; M. Rehbinder, Rechtssoziologie, § 2 Rn. 11 f.; K. F. Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 201 jeweils mit Nachweisen. 230 Vgl. dazu K. F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 237. 231 Beispielsweise zu den Anforderungen für Vorstände von Aktiengesellschaften bei Unternehmensaquisitionen statt vieler U. Hüffer, ZHR 172 (2008), S. 572, 576 ff.

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

Bedingungen, die nichts mit dem Gegenstand selbst zu tun haben, ebenfalls eine Veränderung des Preises nach sich ziehen oder nicht. Er versucht, das Zufällige vom Regelhaften zu scheiden und seine eigenen Beobach­tungen in einen Kontext hierzu zu stellen. Der Bewertende orientiert sich also an dem, was „andere“ bisher bei gleicher oder vergleichbarer Aufgabenstellung (Bewertung) getan haben. Dies wird als „normal“ dem eigenen Verhalten sodann ebenfalls zugrunde gelegt, nämlich gerade deshalb, weil es immer schon so gemacht wurde und weil es in seiner Grundlogik jedenfalls (bisher) nicht widerlegt wurde. Diese Einsicht wirkt über das kollektive Bewusstsein verhaltenssteuernd und dies unter Umständen sogar im Sinne eines „Selbstläufers“, weil man durch die Anknüpfung an das, was andere Menschen tun, selbst wiederum einen Anknüpfungspunkt für spätere Entscheidungen anderer Menschen liefert. Die Subjekt-Objekt-Beziehung, welche den Wert prägt, wird also weiterhin geachtet, aber es wird eine Aussage über ein konkretes Einzelsubjekt hinaus getroffen, weil sich das Subjekt in einer Abhängigkeit von mindestens einem weiteren Subjekt befindet. Auf diese Weise gehen beide Parteien vor und sie müssen sich sodann noch innerhalb des hierdurch entstandenen Einigungsbereichs auf einen Preis verständigen. Wie sie dies tun, bleibt ihnen überlassen. Soziale Verhaltensmuster prägen also die Interaktion auf dem Weg zum Einigungsbereich, aber es ist immer die privatautonome Entscheidung der Akteure, auf welchen Preis man sich tatsächlich einigt. Bei Max Weber heißt es: „Geldpreise sind Kampf- und Kompromißprodukte, also Erzeugnisse von Machtkonstellationen.“232 Wir sehen hier den untrennbaren Zusammenhang zwischen der Preisbildung einerseits und der Freiheit als wirtschaftspolitisch grundlegendem und auch verfassungsrechtlich geschütztem Prinzip der (Privat-) Rechtsordnung andererseits: Es gibt grundsätzlich keine staatlich festgesetzten Preise. Die Parteien werden auch nicht mittels wertender Klauseln des Zivilrechts auf einen „gerechten Preis“ verpflichtet. Die (Privat-) Rechtsordnung garantiert dem Einzelnen das Recht, Inhalt, Gegenstand und Zeitpunkt seiner Bindung gegenüber und in Übereinstimmung mit der Willensäußerung der anderen Verhandlungsseite zu gestalten.233 Unter § 1 II. 1. wurde bereits herausgestellt, dass die Frage des Preises als essentiala negotii eines jeden Austauschvertrages und insbesondere seine Angemessenheit grundsätzlich außerhalb der staatlichen Wertung bleiben. In einer Marktwirt232 Dazu M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 58. 233 Dazu C. Meller-Hanich, Verbraucherschutz im Schuldvertragsrecht, S. 8 ff.; J. Schapp, AcP 192 (1992), S. 355 ff.

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schaft ist es der Preisfindung eigen, dass der Gesetzgeber sie nicht steuert, sondern sie sich lediglich in einer zur Verfügung gestellten (Rechts-) Ordnung vollzieht und diese Ordnung ist von Vertrags- und Eigentumsfreiheit und damit auch weitgehender (vor allem auch: begründungsloser) „Preisfindungsfreiheit“ gekennzeichnet.234 Gerade dies macht es natürlich so schwierig, Preise zu antizipieren. Man muss nämlich die Inanspruchnahme privatautonomer Freiheit anlässlich eines autonomen sozialen Prozesses vorhersagen und dies unter Berücksichtigung sowohl des inneren als auch des intersubjektiven Teil des Prozesses: intern, soweit es um die Preiserwartung jeder Partei geht und intersubjektiv, soweit es um die Einigung beider Parteien im Anschluss an die interne Willensbildung geht. Der Einfluss sozialer Verhaltensmuster auf die preisorientierte Wertschätzung wird durch ein alltägliches Beispiel anschaulich belegt: Wer den Verkehrswert für ein Auto zu finden hat, orientiert sich daran, wie „der Markt“, also andere Menschen in ihrer bisherigen „Übung“ Fahrzeuge bewertet. Man erwartet, dass die beobachtbare (übliche) Vorgehensweise bei den Verhandlungen über den Preis Anerkennung findet; zugleich bietet sie Orientierung. Auch unser gedachter Bewertender wird daher „übungsgemäß“ dem Alter des Fahrzeugs sowie seiner Nutzung (in der Regel private Nutzung mit Strecke Wohnhaus, Kindergarten, Schule und Supermarkt einerseits oder berufliche Nutzung mit langen Autobahnstrecken andererseits) erhebliche Bedeutung beimessen und wird den Kilometerstand, Vorschäden und bestimmte Instandhaltungsmaßnahmen in seine Bewertung einfließen lassen. Sowohl Anbieter als auch Nachfrager werden sich hieran im Vorfeld von – wenn ein Einigungsbereich besteht – Verhandlungen orientieren. Sie werden zu einem Spektrum möglicher Werte gelangen und sodann „verhandlungstypisch“ mit den ihnen günstigen Randbereich des Spektrums die Verhandlungen beginnen. Was am Beispiel der Bewertung eines Kraftfahrzeugs dargestellt wurde, lässt sich vereinfachend in folgende Gedankenschritte fassen: 1) Feststellung des Bewertungsgegenstandes und aller seiner Merkmale, die wertbeeinflussend sein könnten 2) Identifizierung eines oder mehrerer Verhaltensmuster, die in Bezug auf die Bewertung eines solchen Gegenstandes mit den vorab festgestellten Merkmalen beobachtbar sind (die „üblich“ sind), und Entscheidung, dass und inwieweit diese Verhaltensmuster auch für das konkret zu bewertende Objekt herangezogen werden können; dabei 234 Vgl. M. Burgi, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 18 Rn. 13; J. Köndgen, AcP 184 (1984), S. 600, 602; G. Teubner, HRSP 68 (1982), S. 13, 52.

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

sind freilich Wechselwirkungen mit 1) unvermeidbar, da man die unter 2) zu beantwortende Frage gegebenenfalls durch Schritt 1) schon vorbeeinflusst hat. 3) Feststellung und Festlegung der Daten, die zur Anwendung des Verhaltensmusters auf das konkret zu bewertende Objekt notwendig sind 4) Anwendung des Verhaltensmusters mittels der festgestellten und festgelegten Daten auf das konkret zu bewertende Objekt Eine der für die nachfolgende Untersuchung maßgeblichen Thesen lautet: Menschen, die einen Gegenstand im Hinblick auf seinen (wahrscheinlich erzielbaren) Tauschwert bewerten, orientieren sich hierbei an dem beobachtbaren Verhalten derer, die vor ihnen bereits vergleichbare Gegenstände bewertet haben. Diese These wirkt in ihrer Allgemeinheit banal und wird nachfolgend noch ihre Verästelungen erfahren (müssen). Bezugspunkt dieses Vergleichens sind Beobachtungen und die Frage, ob und inwieweit man sie auf konkrete Bewertungsgegenstände übertragen kann. Beobachten kann man dabei grundsätzlich zweierlei, wobei Überschneidungen denkbar sind: Gegenstand der Beobachtung können zum einen im Geschäftsverkehr entstandene Preise sein. Zum anderen lassen sich aber auch ihre Entstehungszusammenhänge, d.h. der Preisbildungsvorgang, beobachten. Beide Beobachtungen sind der Verallgemeinerung und damit auch der Übertragung auf andere Gegenstände zugänglich. Allerdings ergeben sich naturgemäß qualitative Unterschiede in der Aussagekraft des hieraus abgeleiteten, wahrscheinlichen Preises. Umso weiter sich die Ableitungsbasis vom konkret zu bewertenden Gegenstand entfernt, so geringer wird der Wahrscheinlichkeitsgrad. Hieran anknüpfend lassen sich die Verhaltensmuster daher in folgender – ohne Anspruch auf Vollständigkeit formulierter – „Stufenfolge“ beschreiben: Die erste Stufe bildet der unmittelbare Vergleich. Das Verhalten anderer Menschen kann sich unmittelbar auf einen erzielbaren Tauschwert für den konkret zu bewertenden Gegenstand als solches beziehen. In diesem Fall gelangt man zu einem Vergleichswert. Wir unterstellen dabei, dass jemand so viel zahlt, wie auch andere zeitnah für den gleichen Gegenstand bezahlt haben und zwar auf dem (Absatz- oder Beschaffungs-) Markt, zu dem man selbst Zugang hat. Letzteres zeigt, dass ungeachtet der selbst auf einer Handelsstufe anzutreffenden Preisunterschiede, schon allein wegen des Aspektes der Marktzugänglichkeit verschiedene Preise existieren (müssen).235 Ist der für das betroffene Subjekt zugängliche 235 Vgl. in diesem Sinne auch schon die Begründung zur RAO 1919: „Nach den Verhältnissen des besonderen Falls ist zu entscheiden, ob der Erzeuger-, Großhandels- oder Kleinhandelspreis zugrunde zu legen ist. So ist zum Beispiel steuer-

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Markt ausgemacht und können dort Preise beobachtet werden, dann folgt der Ableitungsvorgang. Erich Gutenberg nannte dies das „Prinzip der Preisübertragung“.236 Die dafür notwendige Kenntnis der Tauschwerte für eine bestimmte Gegenstandsgattung kann regelmäßig dort erlangt werden, wo hierfür Marktpreise existieren. Die Verbindung zum Verhaltensmuster ist hier offenkundig: Es wird vom Rechtsverkehr unterstellt, dass der beobachtete Tauschwert grundsätzlich auch für den konkreten Bewertungsgegenstand erzielt werden kann. Das Verhaltensmuster fokussiert sich also auf die von Marktpreisen ausgehende Preisrealisierungserwartung. Jeder, der eine solche Preisübertragung vornimmt, weiß dabei, dass eine exakte Übereinstimmung selbst bei Identität der Güter nicht eintreten wird. Dies wäre nur anders bei staatlich festgesetzten Einheitspreisen, wo also Preise künstlich geschaffen werden. Aber dies ist nicht relevant. Denn in Kenntnis dessen geht es für den Geschäftsverkehr immer nur um einen ungefähren Rückschluss. Die zuvor genannte Unterstellung gründet immer nur auf Vertrauen und bringt letztlich nur eine gewisse Realisierungswahrscheinlichkeit zum Ausdruck. Dies gilt für Marktpreise insgesamt, zeigt sich vor allem aber anschaulich beim Börsenkurs.237 Denn nur weil man einen Börsenkurs (ohne eigene Veräußerung) „ablesen“ kann, bedeutet dies keine Garantie dafür, dass man diesen Preis für seinen Gegenstand auch wirklich erzielen kann. Zum einen wird immer der dauerhafte Fortbestand des Tauschplatzes und seiner Funktionsbedingungen vorausgesetzt. Zum anderen müsste der Preis – jedenfalls theoretisch – im Falle einer tatsächlichen Veräußerung nämlich sinken, wenn der Gegenstand zur Veräußerung angeboten wird, aber die Nachfrage gleich bleibt. Insbesondere Börsenkurse sind immer nur die Wertschätzung der zuletzt noch zum Zug gekomme-

pflichtiger Wein, der beim eigenen Verbrauche zugeführt wird oder bei einer Bestandsaufnahme fehlt, bei einem Weinhändler anders als bei einem Wirte zu bewerten (Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, Drucksache 759, S. 589). 236 E. Gutenberg, ZfB 3 (1926), S. 497, 500; weiter: „Der gesuchte Wert ist ein Reflex von Preisen“ (a.a.O, S. 501). 237 Die Beziehung zwischen Börsenkurs und Verhaltensmuster liegt zum Beispiel BVerfG v. 27.4.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 anlässlich der Frage nach der eigentumsrechtlich gebotenen Untergrenze für die Bemessung der Abfindung ausgeschlossener Aktionäre zugrunde: „[Die Aktie] wird an der Börse gehandelt und erfährt dort aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage eine Wertbestimmung, an der sich die Aktionäre bei ihren Investitionsentscheidungen orientieren. Insbesondere Kleinaktionäre […] steht kein anderer Maßstab zur Verfügung, an dem sie den Wert dieses spezifischen Eigentumsobjektes messen könnten.“ Die Frage wurde letztlich im Sinne des Börsenkurses beantwortet.

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nen Käufer und Verkäufer.238 Selbst bei liquiden Märkten ist es mitnichten gewiss, dass sich zu diesem Preis (noch) beliebige Mengen der entsprechenden Gegenstände zusätzlich absetzen oder erwerben lassen.239 Gleichwohl ändert dies nichts an dem grundsätzlichen Verhaltensmuster, wonach der Preis unter Rückgriff auf diesen Börsenkurs bestimmt wird; man muss allenfalls prüfen, ob das Verhaltensmuster das genannte Problem nicht vielleicht berücksichtigt und daher der „Verkehr“ typischerweise einen Abschlag vornimmt (es „einpreist“). Festzuhalten ist hier jedenfalls die Notwendig­keit, eine gewisse Vorsicht gegenüber der unmittelbaren Vergleichsaussagekraft von Börsenkursen walten zu lassen, selbst wenn es sich um identische Objektive und liquide Märkte handelt. Hierauf wird später noch zurückzukommen sein (§ 3 III. 2. b. cc] [1]). Eine – nach dem Vorgesagten: relativ wahrscheinliche – Preisaussage ist auf den ersten Blick immer nur dort möglich, wo sich ein Preis für ein entsprechendes Gut bereits einmal gebildet hat. Gerade dies ist jedoch häufig nicht der Fall. Vielmehr ist ein stichtags- und bedingungskongruenter Preis für das konkret zu bewertende Gut nicht beobachtbar. Viele Güter sind derart individueller Natur, dass sich ein unmittelbarer Marktpreis für sie schlicht nicht bilden kann. Gleichwohl stürzt dies die Wertvergleichung mittels des Preises nicht in ein unlösbares Dilemma. Denn nunmehr wandert der Blick vom unmittelbaren Vergleichswert als solches zum Preisbildungsprozess und damit zur zweiten (hilfsweisen) Stufe. Dies betrifft Gegenstände, für die es an einem Geschäftsverkehr, in dem sich Preise bilden könnten, fehlt, oder wo sich lediglich Preise bilden, die nicht (unmittelbar) auf den Bewertungsgegenstand übertragbar sind. Der Bewertende behilft sich hier mit einer Fiktion: Er unterstellt, dass es für den konkret zu bewertenden Gegenstand einen Geschäftsverkehr gibt und fragt sich, welcher Preis sich dort vermutlich gebildet hätte. Hierzu muss man den Prozess der Marktpreisbildung simulieren. Grundlage dieser Simulation wiederum sind nicht die beobachteten Preise für das konkrete Gut – diese fehlen ja gerade –, sondern beobachtbare Preisbildungs-Verhaltensmuster: Der Rechtsverkehr hält eine oder verschiedene, aber doch konsentierte, allgemein geübte Antworten auf die Frage bereit, wie man in einer solchen Situation „typischerweise“, „vernünftigerweise“ („immer schon“) zu einem Wert für den Gegenstand gelan­gt ist. Diese Antworten macht sich der Bewertende in seiner kon238 W. Ballwieser/K. Küting/T. Schildbach, BFuP 56 (2004), S. 519, 535. 239 J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 165; W. Ballwieser, in: Festschrift f. Moxter, S. 1377, 1383; K. Beckmann, WPg 2004, 622; A. Burger, NZG 2012, 281, 287; T. Schildbach, BFuB 61 (2009), S. 371, 376.

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kreten Situation zunutze. In den meisten Fällen lassen sich solche Verhaltensmuster in Bezug auf den Preisbildungsvorgang beobachten: Dies kann beispielsweise wiederum in Ansehung von beobachtbaren Preisen für andere, aber ähnliche Güter vergleichend geschehen. Entsprechendes gilt für in der Vergangenheit für den konkreten Gegenstand beobachtete Preise, die man vergleichend auf den nunmehr maßgeblichen Bewertungsstichtag zu übertragen versucht. Die Verhaltensmuster äußern sich letztlich zur Übertragbarkeit eines beobachteten Verhaltensmusters (Preis für einen vergleichbaren Gegenstand) auf einen anderen Gegenstand. In diese Kategorie der „vergleichenden Bewertung“ dürfte das an vorangegangener Stelle bereits gebildete Beispiel mit der Bewertung eines gebrauchten Kraftfahrzeuges gehören. Als weiteres Beispiel sei hier auf die Bewertung von Grundstücken hingewiesen: Wer Eigen­ tümer einer Eigentumswohnung ist, nimmt natürlich mit Interesse zur Kenntnis, welchen Preis die neuen Wohnungseigentümer im selben Haus für ihre Wohnung gezahlt haben. In Kenntnis dieses Preises und des Zustandes der Wohnung, für den dieser Preis gezahlt wurde, macht man sich Gedanken, ob und inwieweit dies auf die eigene Wohnung übertragbar ist. Ferner liefern die Gutachterausschüsse dem Bewertenden „Rohdaten“, die sogar über das Internet abrufbar sind. So liefert das System BORIS in Nordrhein-Westfalen Boden- und Immobilienrichtwerte. Zudem sieht dieses System eine allgemeine Preisauskunft vor, die man für Teile des Gemeindegebiets abrufen und – ausreichend Vergleichstrans­ aktionen vorausgesetzt – zudem auch nach bestimmten Kriterien einengen kann (zum Beispiel nach Objektart, Ausstattung und Anzahl der Wohneinheiten). Das System nennt einem sodann bestimmte Eckdaten aus Verkäufen eines bestimmten Zeitraums (zum Beispiel: „Auf Grund Ihrer Recherche wurden 9 Kaufpreise aus den Jahren 2008 bis 2012 gefunden. Die Stichprobe umfasst Wohnungen mit einer Wohnfläche von 103 bis 130 m² [Mittelwert 114 m²] und Baujahren von 1968 bis 1982 [Mittelwert 1973]. Der mittlere Kaufpreis beträgt 1298 €/m² mit einer Streuung von +/– 20 %“). Dies alles kann durchaus Anhaltspunkte für die Bewertung eines konkreten Objektes bieten. Schließlich „hilft“ auch die Kaufpreissammlung selbst, soweit man auf sie zugreifen kann (dazu noch eingehened § 5 IV. 3. c]). Da aber jedes Grundstück, jede Eigentumswohnung einzigartig ist, ist jedem Bewertenden bewusst, dass er die ihm zur Verfügung stehenden Daten nicht unbesehen auf sein Bewertungsobjekt übertragen darf, sondern den von ihm gesuchten (wahrscheinlich erzielbaren) Preis vielmehr hieraus abzuleiten hat. Diese Art des „Vergleichens“ ist dem mit „unmittelbarer Vergleich“ (dazu im vorherigen Absatz) bezeichneten Vorgehen durchaus ähnlich, unterscheidet sich aber 61

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vor allem durch die Qualität des wertenden Ableitungsvorgangs, der zwischen den beobachteten Preisen und dem gesuchten (wahrscheinlich erzielbaren) Preis liegt. Auch der unmittelbare Verglei­ch mag im Einzelfall nicht ganz ohne Ableitungsüberlegung auskommen. Jedoch erlangt sie dort keine nennenswerte Bedeutung. Die Grenzen sind allerdings letztlich fließend. Ein weiteres Verhaltensmuster knüpft an die Faktoren an, die der Rechtsverkehr als wertbestimmend erachtet. Es steht also nicht die Übertragung beobachteter Preise auf das konkrete Bewertungsobjekt in Rede, sondern die Übertragung des Preisbildungsverhaltensmusters selbst. Dies kann dann gelingen, wenn sowohl die Faktoren als auch die Ableitungszusammenhänge zwischen diesen Faktoren und dem (wahrscheinlich erzielbaren) Preis beobachtet werden können, auf die der Rechtsverkehr dann zurückgreift, wenn eben keine tauglichen (Vergleichs-) Preise beobachtbar sind. Man findet also keine Preise vor, die man übertragen kann, aber doch zumindest einen „Weg“ zum Preis, der auch für das eigene Bewertungsobjekt für gangbar erachtet wird. Anhand dieser Beobachtungen lässt sich ein Preisbildungsvorgang auch für das konkret zu bewertende Gut „simulieren“. Gegebenenfalls greift der Rechtsverkehr auch kumulativ (ergänzend) auf solche Überlegungen zurück, obwohl Vergleichspreise zu beobachten sind. Diese Faktoren und Ableitungszusammenhänge können zum Beispiel die gebräuchlichen Formen kosten- und ertragsorientierter Preiskalkulation sein.240 Betrachten wir zuerst den Gedanken der kostenorientierten Verhaltensmuster: Wer den (wahrscheinlich erzielbaren) Preis für ein Produkt sucht, das er selbst hergestellt hat, wird die kaufmännische Verhaltensregel vorfinden und auch im eigenen wirtschaftlichen Über­lebensinteresse zur Orientierung nehmen, wonach ein Preis vollkostendeckend und zudem unter Einschluss eines Gewinnaufschlags zu kalkulieren ist. Der Preisbildungsvorgang kann sich hierin erschöpfen. Er kann aber auch kombiniert mit der Beobachtung des Marktes und dessen, was dort als Preis für vergleichbare Güter erzielbar erscheint, auftreten. Als weitere Spielart eines sozialen Verhaltensmusters in Ansehung des Preisbildungsvorgangs lässt sich der Gedanke des künftigen Nutzens im Sinne eines „Ertrages“, eines „Einnahmeüberschusses“, der aus dem Bewertungsobjekt zu ziehen ist, identifizieren. Dieses Verhaltensmuster wird uns anlässlich dieser Untersuchung noch vielfach begegnen. Hier sei es erst einmal nur angedeutet: So liefert der Gesetzgeber beispiels­ 240 H.-D. Höppner, in: Festschrift f. Wacke, S. 125, 130.

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weise selbst Zeugnis für die Existenz von solchen bewertungs­typischen sozialen Verhaltensmustern. In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung vom 28.1.2008 zum ersten Entwurf des Erbschaftsteuerreformgesetzes zu § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG, der die Bewertung unternehmerischer Einheiten mit dem gemeinen Wert regelt, heißt es: „Üblicherweise wird zumindest bei Beteiligungen an großen Gesellschaften die Ertragswertmethode angewandt, weil sie von der Frage ausgeht, welches Kapital ein gedachter Investor einsetzen würde, um aus seinem Investment eine angemessene Rendite zu erzielen.“241 Auch die Exegese der bewertungsre­ levanten Zivilrechtsprechung zeigt, dass man sich der Maßgeblichkeit dieser Verhaltensmuster bewusst ist, rekurriert sie nämlich in ihren Begründungen auf „anerkanntes Bewertungsverhalten“. Beispielhaft seien genannt: Der Ertragswert sei das Ergebnis einer Wertfest­stellung, „die nach anerkannten Grundsätzen der Betriebs­wirtschaftslehre für bereits strukturierte und in das Marktgeschehen integrierte Unternehmen“ getroffen werde (II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs)242. Die Empfehlungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. seien als „Expertenauffassung eine Erkenntnisquelle für das methodisch zutreffende Vorgehen bei der fundamentalanalytischen Ermittlung des Unternehmenswerts“ (Oberlandesgericht Stuttgart)243. Dabei wird sich die Beobachtung nicht nur auf das Verhaltensmuster als solches beschränken (zum Beispiel Ertragswertbetrachtung), sondern vielfach auch auf einzelne Gedankenschritte und Prämissen innerhalb des Verhaltensmusters. Anschaulich zeigt dies bei der Unternehmensbewertung der Konsens, der in Bezug auf den Abzug eines Unternehmerlohns vorherrscht. Wenn der Bundesfinanzhof formuliert, dass „dies […] auf der Überlegung [beruht], dass der Unternehmerlohn keinem dem Unternehmen als solchem innewohnenden Wert darstellt […]“ und „ein Erwerber des Betriebes […] denjenigen Teil des Ertrages, der dem angemessenen Unternehmerlohn entspricht, nach erfolgtem Erwerb entweder durch eigene Arbeitsleistung erwirtschaften oder für die Honorierung eines Arbeitnehmers verwenden müssen und deshalb nicht vergüten würde“244, so gibt das Gericht letztlich eine Prämisse innerhalb des sozialen Verhaltensmusters der Ertragswertbewertung wieder. Als Zwischenergebnis ist bis hierhin erst einmal festzuhalten: Anlässlich der Bewertung eines Gegenstandes unterstellt der Bewertende regelmäßig, 241 Begründung der Bundesregierung vom 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, S. 38. 242 BGH v. 9.11.1998, II ZR 190/97, BGHZ 140, 35, 37. 243 OLG Stuttgart v. 3.4.2012, 20 W 6/09, AG 2012, 275; ähnlich OLG Düsseldorf v. 4.7.2012, 26 W 8/10, AG 2012, 797, 800. 244 BFH v. 15.9.2004, I R 7/02, BStBl. II 2005, 867.

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dass sich die um einen Preis verhandelnden und ihn letztlich auch treffenden Parteien in einer ganz bestimmten Weise verhalten. Sie legen ihrer Bewertung also eine Beobachtung zugrunde. Diese bezieht sich entweder auf eine für das zu bewertende Gut unmittelbar geltende Marktlage oder zumindest ein vom Rechtsverkehrs geübtes und im konkreten Fall auch nicht abzulehnendes Verhaltensmuster in Bezug auf den Preisbildungsprozess. Hierbei handelt es sich nicht um wertfreie, generalisierende und immer wiederkehrende Wirklichkeitszusammenhänge, wie dies für Naturgesetze gilt. Es geht vielmehr um soziales, durchaus Regelmäßigkeiten folgendes Verhalten. Wir werden an späterer Stelle noch vertieft behandeln, dass es gerade deshalb nicht den „einen“ (voraussichtlich erzielbaren) Preis für einen Gegenstand geben kann, sondern es vielmehr (fast) immer nur eine Bandbreite (möglicher = vertretbarer) Preise gibt (dazu § 4). Dieses reale Phänomen kann im Anschluss an die bisherigen Erkenntnisse allerdings schon einmal angedeutet und vor allem auf (mindestens) sechs (Haupt-) Gründe, die vielfach gemeinsam oder zumindest in Überschneidung auftreten, zurückgeführt werden: Erstens, angesichts der Vielgestaltigkeit der sozialen (Bewertungs-) Wirklichkeit gibt es selbst bei identischen Gegenständen selten nur einen beobacht­baren Preis bzw. ein beobachtbares Preisbildungsverhaltensmuster. Zweitens, mit zunehmender Individu­alität des Bewertungsgegenstandes verliert die Ableitungsbasis (beobachtbare Preise oder Preisbildungsverhaltensmuster) ihre unmitsagekraft für den Bewertungsgegenstand und muss durch telbare Aus­ andere Erfahrungssätze ergänzt werden; letztere können und müssen selbst wiederum auf Wertungen beruhen. Drittens, dort wo beobachtbare Preisbildungsverhaltensmuster im Vordergrund stehen, bedarf es stets deren „Fütte­rung“ mit den vom Preisbildungsverhaltensmuster geforderten Prämissen, Rechengrößen und sonstigen Einzelfaktoren. Wenn sich der Rechtsverkehr bei seinem Verhaltensmuster am zukünftigen Nutzen orientiert, erfolgt diese Fütterung nicht durch beobachtbare Tatsachen, sondern erfordert vielmehr eine Prognose und damit einen Blick in die ungewisse Zukunft. Viertens, werden die Umweltbedingungen, unter denen sich Preise bilden, nie identisch sein und die Situationsbezogenheit eines jeden Preises lässt sich nicht simulieren. Fünftens, ist die Bewertung immer abhängig von der Datengrundlage. Und schließlich, sechstens, müssen die unterschiedlichen Wertschätzungen, die unter Beeinflussung der vorgenannten Aspekte die Preisvorstellung einer Partei speisen, zwischen den Parteien im Verhandlungswege zum Ausgleich gebracht werden.

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Preis und Preisbildungserwartung

3. Die Preisbildungserwartung zwischen beobachtbarem Verhaltens­ muster und der „Fiktion idealtypischer Bedingungen“ unter besonder­er Berücksichtigung der Unternehmensbewertung a. Die Akzentuierung der Ertragswertmethodik im Verhältnis zu anderen Bewertungsmethoden – ein Überblick über die Bewertungs­ methodik Die vorgenannten Zitate des Gesetzgebers und vor allem der Rechtsprechung geben Anlass zu der Frage, inwieweit sich der von ihnen gewählte Ansatzpunkt („anerkannte Grundsätze der Betriebswirtschaft“; „Empfehlung des IDW“) zu den bisherigen Erkenntnissen verhält. Den vorgenannten Beispielen folgend soll auch hier die Unternehmensbewertung bemüht werden, um das damit verbundene Problem zu verdeutlichen: Hier erscheint die Bewertungsfrage zuvorderst als eine Perspektivenfrage.245 Es wurde früher durchaus vertreten, dass ein Unternehmen einen Selbstzweck wahrnimmt und es deshalb einen Nutzen gibt, den man unabhängig vom Inhaber und von bestimmten Interessenlagen fest­stellen kann246; bezeichnet wird diese Sichtweise gemeinhin als objektive Unternehmensbewertungslehre.247 Seinen Niederschlag fand dies in der starken Akzentuierung des Substanzwertes. Nach betriebswirtschaftlichem Verständnis beruht er auf der Annahme eines Unternehmensnachbaus in der vorhandenen Struktur.248 Er ist auf eine Summierung der Einzelwerte der jeweiligen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter angelegt. Der Substanzwert beantwortet also die Frage, was der Nachbau des Unter­nehmens auf der „grünen Wiese“ kostet (Rekonstruktionswert). Er kann aus der Perspektive eines Erwerbers ferner die Frage beantworten, was er an Ausgaben für einen Nachbau erspart. Maßgeblich sind die (gebrauchten) Wieder­beschaffungskosten. Vernachlässigt werden also Verbundeffekte sowie Geschäftswertfaktoren (Standortvorteil, Belegschaftsqualität, Mar-

245 Vgl. J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 162. 246 Siehe zum Beispiel K. Mellerowicz, Der Wert der Unternehmung als Ganzes, S. 12 f.; W. Engels, Betriebswirtschaftliche Bewertungslehre und Entscheidungstheorie; J. Viel/O. Bredt/M. Renard, Die Bewertung von Unternehmen und Unternehmensteilen, S. 121, siehe weiterführend und vor allem die objektiven Strömungen noch ausdifferenzierender darstellend J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 161 ff. 247 Zum „Objektiven“ dieser Unternehmensbewertungslehre bzw. der „Irreführung dieser Firmierung“ eingehend (kritisch) W. R. Bretzke, BFuP 28 (1976), S. 543 ff. 248 Zum Substanzwert im Allgemeinen statt vieler W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 200.

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ken, Kundenbeziehungen, Reputation etc.).249 Ertragswertbetrachtungen waren dieser Strömung gewiss nicht fremd, aber ihren Niederschlag fanden sie allenfalls in den im Übri­gen substanzwertgeprägten Mittel- und Übergewinnmethoden250 (zu dieser Methode im Detail noch sogleich). Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts rückt die Betriebswirtschaftslehre hingegen das Unternehmen als Mittel zur Erreichung eines Ziels für einen bestimmten Menschen in den Mittelpunkt. Es ging also nicht mehr um „jedermann“, sondern um ein konkretes Subjekt mit individuellen Präferenzen und Faktoren. Entsprechend ihres Forschungsfeldes erfolgt dabei eine Verengung auf finanzielle Zielsetzungen. Aus ihrer Sicht geht es um die beim Erwerb oder der Veräußerung eines Gegenstandes aus betriebswirtschaftlicher Sicht notwendige einzelwirtschaftliche Beurteilung der Vorteilhaftigkeit der Verwendung knapper monetärer Ressourcen. Dies führt zu dem heute vorherrschenden investitionstheoretischen Standpunkt der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertungslehre251: Der Wert für einen ertragsbringenden Gegenstand ist primär abhängig von dem künftigen Nutzen, den er stiftet. Eine vielzitierte Aussage von Eugen Schmalenbach, die dies auf den Punkt bringt, lautet, dass der Kaufmann für das Gewesene nichts gibt.252 Aus dieser Erkenntnis lässt sich wiederum die mindestens ebenso häufig zitierte und sich selbst beantwortende Frage heraus formulieren: „Was“, so Adolf Moxter, „dürfte ein Erwerber vergüten oder ein Veräußerer erwarten, vergütet zu bekommen, außer diese künftigen Erträge.“253 Dem Ertragswertverfahren liegt hiernach die Vorstellung zugrunde, dass der Erwerber eines Unternehmens bei seiner Preisbemessung von dem zu erwartenden künftigen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben ausgeht, so dass die dem Unternehmen gewidmeten Gegenstände insgesamt so viel wert sind, wie das Kapital, mit dem auf andere Weise dersel249 Aufzählung nach W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 200. 250 N. Herzig, WPg 2007, 806, 807; J. Pensel, in: Festschrift f. Wacker, S. 171. 251 Vor allem W. Busse von Colbe, Der Zukunftserfolgswert; M. J. Matschke, BFuP 24 (1972), S. 146 ff. 252 So sinngemäß E. Schmalenbach, zfhf 12 (1917/1918), S. 1, 11; das Zitat lautet im Original: […], denn für das gewesene gibt nicht nur der Jude nichts“; im weiteren Verlauf wurde hieraus die Perspektive des Kaufmanns (so wohl erstmals bei H. Münstermann, Wert- und Bewertung der Unternehmung, S. 13). 253 A. Moxter, DStJG 7 (1984), S. 387, 390, siehe allerdings auch schon 66 Jahre zuvor zum Zusammenhang von Ertragswert und Verkaufswert mit gleicher Eindringlichkeit in Bezug auf die Maßgeblichkeit des „wirtschaftlichen Denkens“ Eugen Schmalenbach (E. Schmalenbach, zfhf 12 [1917/1918], S. 1 ff.); ferner T. Umberg, zfhf 16 (1922), S. 256 ff. (am [lesenswerten] Beispiel der Bewertung einer Kohlezeche).

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be Überschuss erzielt werden kann.254 Dies erfordert eine Kapitalisierung des Überschusses nach den Grundsätzen der ewigen Rente oder bei unterstellter zeitlicher Begrenzung seiner Diskontierung. Die künftigen Erträge werden also in einen Barwert auf einen bestimmten Bewertungsstichtag überführt. Dies ist die entschiedene Abkehr von der Vorstellung, man könne den Wert eines Unternehmens nach den Kosten seiner Wiederherstellung (für jedermann gleichermaßen) bestimmen. Der (subjektive) investitionstheoretische Ansatz mündete sodann in einer ausdifferenzierten funktionalen Bewertungslehre, die nach dem Bewertungsanlass unterscheidet. Prägend war hier die sog. „Kölner Funktionenlehre“255 mit ihren drei Hauptfunktionen, nämlich der Entscheidungsfunktion, der Vermittlungsfunktion und der Argumentationsfunktion, sowie ihren Nebenfunktionen, zu denen vor allem regelmäßig die Bewertung aus bilanz- und steuerrechtlichem Anlass gezählt wird. Hiernach ist es mögli­ ch, dass ein Unternehmen sogar für ein Subjekt mehrere Unter­ nehmenswerte verkörpert256; es gibt einen „zielabhängigen Wertepluralismus“.257 Diese Zweckadäquanz der Unternehmensbewertung dürfte bis heute der Stand der deutschen Unternehmensbewertungslehre sein und lediglich die Formulierung und Ausdifferenzierung der Funktionen lässt Unterschiede erkennen258. Nach diesem kurzen historischen Überblick über die Entwicklungsstufen der Unternehmensbewertungslehre – der freilich nur ein vorläufiger ist (siehe noch nachfolgend die Ausführungen zu den Discounted-Cashflow-Verfahren) – bedarf es, bevor wir uns diesbezüglich den weiteren Einzelheiten zuwenden, zuvorderst einer Erinnerung daran, aus welcher Perspektive der Ökonom sich diesem Themenkomplex widmet: Die Unternehmensbewertungslehre ist Teil der Betriebswirtschaftslehre. Diese wiederum ist Sozialwissenschaft, untersucht allerdings als Einzelwis254 So eine repräsentative Formulierung bei J. Schulze-Osterloh, ZGR 15 (1986), S. 545, 551. 255 Maßgeblich W. Busse von Colbe, Der Zukunftserfolg, M. J. Matschke, zfbf 21 (1969), S. 57; derselbe, BFuP 23 (1971), S. 508; derselbe, Der Entscheidungswert im Unternehmen; derselbe, Funktionale Unternehmensbewertung; G. Sieben, Der Substanzwert der Unternehmung, derselbe, BFuP 28 (1976), S. 491; G. Sieben/T. Schildbach, DStR 1979, 455; aus jüngerer Zeit mit weiteren Nachweisen T. Hering, Finanzwirtschaftliche Unternehmensbewertung; M. Olbrich, Unternehmungskultur und Unternehmenswert; M. J. Matschke/G. Brösel, Unternehmensbewertung. 256 W. Ballwieser/R. Leuthier, DStR 1986, 545, 546; A. Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 6. 257 A. Raupach, DStR 2007, 2037, 2039. 258 Siehe zum Beispiel noch A. Moxter, Die Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, S. 64 ff.; G. Mandl/K. Rabel, Unternehmensbewertung, S. 18 ff.

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

senschaft reale Phänome, teils mit der Absicht, sie zu erklären, und teils mit der Absicht, sie zu gestalten, und dies beschränkt auf einen Aspekt, der bei menschlichem Handeln auftreten kann (nicht muss): den Einkommensaspekt, d.h. Erwerb und Verwendung von Einkommen unter Unsicherheit und ungleich verteiltem Wissen.259 Ihrer Fragestellung liegt das Konzept des methodologischen Individualismus zugrunde. In den Mittelpunkt gestellt wird das Handeln des Einzelnen.260 Soweit sie Handlungsempfehlungen formuliert (gestaltende Theorie) grenzt die Betriebswirtschaftslehre ihr Blickfeld regelmäßig auf entscheidungslogische Rationalität ein.261 Es wird weitgehend rationales, nutzenmaximierendes Verhalten der Wirtschaftssubjekte unterstellt, die entsprechend ihrer eigenen Präferenzen und bei einem gegebenen Informationsstand handeln. Die Interessen der anderen Individuen werden nur insofern berücksichtigt, als sie den eigenen Handlungsspielraum beeinflussen.262 Die Betriebswirtschaftslehre als praktisch-normative Wissenschaft erklärt also nicht nur, sondern formuliert auch Regeln rationalen Entscheidens; sie gibt Handlungsempfehlungen durch gestaltende Theorien.263 Dies ist auch die Perspektive der Unternehmensbewertung. Sie ist nämlich nichts anderes als die „Anwendung der Prinzipien der Investitionsund Finanzierungstheorie“264. So zielt die Entscheidungsfunktion auf einen Entscheidungswert ab. Ihr Zweck ist es, „für ein ganz bestimmtes Entscheidungssubjekt (Bewertungsinteressent, z.B. Käufer, Verkäufer) in einer ganz speziellen Entscheidungs- und Konfliktsituation (z.B. Erwerb, Veräußerung) Grundlagen für rationale Entscheidungen in dieser Situation und in Bezug auf dieses Vorhaben zu liefern. Bei gegebenem Zielsystem und Entscheidungsfeld gibt der Entscheidungswert an, unter 259 W. Neus, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre aus institutenökonomischer Sicht, S. 1 ff.; 7 f.; P. Raisch/K. Schmidt, in: Grimm, Rechtswissenschaften und Nachbarwissenschaften, S. 144 f.; R. H. Schmidt, AG 1996, 250; D. Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Band 1, S. 24 ff. 260 G. Kirchgässner, JZ 1991, 104, 106; D. Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Band 1, S. 26. 261 G. Bamberg/A. G. Coenenberg/M. Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 3 ff. u. S. 11 f. 262 G. Kirchgässner, JZ 1991, 104, 106. 263 G. Bamberg/A. G. Coenenberg/M. Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 11 f.; W. Neus, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre aus institutenökonomischer Sicht, S. 1 ff., insbesondere S. 471 ff. 264 G. Brösel/R. Hauttmann, FB 2007, 223, 234; J. Drukarczyk/A. Schüler, Unternehmensbewertung, S. 3; N. Frey, BFuP 64 (2012), S. 34; A. Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 138 f.; W. Müller, in: Festschrift f. Bezzenberger, S. 705; T. Schildbach, in: Festschrift f. Sieben, S. 301, 305 zum Teil mit weiteren Nachweisen

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Preis und Preisbildungserwartung

welchen Bedingungen die Durchführung einer bestimmten vorgesehenen Handlung das ohne diese Handlung erreichbare Niveau der Zielerfüllung (Nutzwert) gerade noch nicht mindert.“265 Hier wird der „Wert“ also zum Maßstab für einen Vergleich (mindestens) zweier Handlungsalternativen. Die ertragswertorientierte Unternehmensbewertung soll sowohl dem Käufer als auch dem Verkäufer einen „preislichen“ Ausgangspunkt für ihre Verhandlungen liefern. Es geht aus der jeweiligen Sicht um die Ermittlung der Grenze der Konzessionsbereitschaft (Preisoberbzw. Preisuntergrenze) und zwar unter Einbeziehung der individuellen Vorstellungen, Alternativanlagemöglichkeiten, Risikopräferenzen, Steuerbelastung und Konzepte der jeweiligen Partei. Es werden also subjektive Entscheidungswerte gesucht.266 Dass hiermit freilich nur ein Teil der Wegstrecke zurückgelegt ist, liegt auf der Hand. Denn in der Regel haben Käufer und Verkäufer unterschiedliche Erwartungen an den künftigen Nutzen und sind auch sonst durch nicht identische Rahmenbedingungen gekennzeichnet. Sie kommen daher zu unterschiedlichen Grenzpreisen. Entsteht hierdurch ein sog. Einigungsbereich, bedarf es noch einer Einigung zwischen den Entscheidungswerten von Käufer und Verkäufer. Diese theoretisch richtige Zweiaktigkeit (Feststellung der Preisvorstellungen und sodann Verhandlung und Einigung) dürfte auch in der sozialen Wirklichkeit als Regelfall zu beobachten sein. Wer verhandeln muss, bietet regelmäßig nicht schon zu Beginn das, was er eigentlich erstrebt, sondern er weiß, dass er mittels Abstrichen zu einem Kompromiss kommen muss. Dieser wiederum wird sodann beeinflusst durch die bereits genannten Faktoren: Verhandlungsgeschick, Macht, Umweltbedingungen oder schlicht Zufall (vgl. bereits § 1 III. 2.). Weder sind diese Faktoren messbar267, noch beste­ht ein gesetzmäßiger ([formal-] logischer) Einfluss im Hinblick auf einen konkreten Wert innerhalb dieses Einigungsbereichs. Das Verhandlungsergebnis (der „Kompromiss“) ist nicht vorhersagbar. Ausgehend von der finanziellen Zielsetzung eines Investors sucht die Ertragswertmethode mithin einen investitionstheoretischen Zukunftserfolg und zwar des betriebsnotwendigen Vermögens als ökonomisch organisatorischer Einheit. Im Gegensatz zum Substanzwert handelt es sich

265 M. J. Matschke/G. Brösel, Unternehmensbewertung, S. 51. 266 Statt vieler nur T. Hering, Unternehmensbewertung, S. 7; H. Kußmaul/A. Pfirmann/C. Hell/S. Meyering, BB 2008, 472, 473; M. J. Matschke/G. Brösel, Unternehmensbewertung, S. 51. 267 W. Ballwieser/R. Leuthier, DStR 1986, 545, 549; G. Sieben, AG 1966, 6, 9.

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daher um ein sog. Gesamtbewertungsverfahren.268 Das hierbei bemühte Ertragswertkalkül ermittelt den Unternehmenswert als den Betrag, den ein Käufer des Unternehmens ansetzen oder ein Verkäufer des Unternehmens fordern würde, wenn er die Bedingung eingehalten wissen will, dass die Rendite des Betrages nach Maßgabe der ausschüttbaren finanziellen Überschüsse des Unternehmens genau der Rendite entspricht, die aus einer alternativen Anlage erzielt werden kann. Diese Bedingung erfüllt der auf den Bewertungsstichtag bezogene, unter Verwendung der Alternativrendite ermittelte Barwert der ausschüttbaren finanziellen Überschüsse des Unternehmens.269 Da es sich immer um einen Vergleich handelt, müssen verschiedene Äquivalenzbedingungen in Bezug auf die zu vergleichenden Anlagealternativen erfüllt sein, wie insbesondere die Risikoäquivalenz, die Laufzeitäquivalenz, Besteuerungsäquivalenz und die Ausschüttungsäquivalenz.270 Die beiden maßgeblichen „Stellschrauben“ einer solchen Konzeption sind augenfällig: Die künftigen Erträge müssen geschätzt werden. Sie beruh­ en auf Planungen und damit letztlich auf einer von komplexen bedingungen geprägten Prognose. Der Kapitalisierungszinssatz Rahmen­ wiederum setzt sich zusammen aus einem Basiswert und einem Risikozuschlag, der den individuellen Gegebenheiten des zu bewertenden Unter­nehmens, seiner Branche, der konkreten Marktlage etc. Rechnung trägt. Er ist sehr stark von intersubjektiv kaum nachprüfbaren Wertungen abhängig und daher schwierig rational zu ermitteln. Für denjenigen, der eine individuelle Grenzpreisbestimmung anstrebt, ist dies freilich kein Problem. Denn subjektive Pläne und Erwartungen sowie individuelle Alternativinvestitionen sind dem Anliegen immanent. Den beiden Stellschrauben „künftige Erträge“ und „Zinssatz“ wird im hiesigen Kontext noch eingehend Beachtung geschenkt werden. Hier sei erst einmal nur auf 268 Statt vieler zu dieser Unterscheidung im Allgemeinen und zur Einordnung des Ertragswertverfahrens im Besonderen nur W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 9. Auch ein Einzelwirtschaftsgut kann mit einem Einzelertragswert bewertet werden; dies wirft allerdings bei Wirtschaftsgütern, die Teil einer ökonomisch-organisatorischen Einheit sind, in Ansehung der Zurechnung der Überschüsse und des Zinses nochmals gesonderte Probleme auf (dazu eingehend C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 114 ff.) 269 W. Ballwieser/R. Leuthier, DStR 1986, 545, 548; J. Baetge/C. Krause, BFuP 56 (1994), S. 433, 434 f.; A. Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 9 ff.; M. J. Matschke/G. Brösel, Unternehmensbewertung, S. 40 ff.; J. Pensel, in: Festschrift f. Wacker, S. 171, 181. 270 Dazu (auch mit weiteren Äquivalenzbedingungen) W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 84 ff.; M. J. Matschke/G. Brösel, Unternehmensbewertung, S. 45 ff.

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Preis und Preisbildungserwartung

die Methodik als solches hingewiesen. Existiert nicht betriebsnotwendiges Vermögen, wird dieses gesondert bewertet (in der Regel mit dem kurzfristig erzielbaren Veräußerungserlös) und dem Barwert hinzugerechnet.271 Die Vermittlungsfunktion der Unternehmensbewertung knüpft an die bisherige Erkenntnis an. Sie soll einen Arbitriumswert hervorbringen, der eine Einigung zwischen zwei Konfliktparteien erleichtern oder gar bewirken soll. Angeknüpft wird dabei an die Entscheidungswerte, wie sie jeweils die Grenze der Konzessionsbereitschaft der konfligierenden Parteien als äußeren Rahmen abstecken. „Der Arbitriumwert ist als Kompromiß aufzufassen, der für die beteiligten Parteien zumutbar ist und der schließlich ihre Interessen angemessen wahrt“.272 Im Blick hat man mithin einen Gutachter als unparteiischen Dritten, der sich im ersten Schritt Klarheit über die Entscheidungswerte der Parteien verschaffen muss, um sodann – vorausgesetzt, es gibt einen Einigungsbereich – in einem zweiten Schritt diesen Einigungsbereich zwischen den Parteien aufzuteilen. Wenn – was der Regelfall sein dürfte – mehrere Lösungen als zumutbar gelten können, soll es diesem Gutachter obliegen, „im Hinblick auf das Merkmal der parteibezogenen Angemessenheit, den Arbitriumwert auf der Grundlage eines gewählten Gerechtigkeitspostulats innerhalb des Arbitriumbereichs zu bestimmen“.273 Die Ertragswertmethode, die im Lichte dieser Funktionen gesehen werden muss274, bezeichnet freilich einen Sammelbegriff für eine Vielzahl von methodischen Ansätzen, die allesamt den künftigen wirtschaftlichen Nutzen in den Mittelpunkt stellen. Hier herrscht eine erhebliche Variantenvielfalt vor: Dies beginnt bereits mit der Frage, ob der künftige Nutzen sich eher an Erträgen im (steuer-) bilanzrechtlichen Verständnis (also mit Einfluss auf die Eigenkapitalgröße) oder eher an der Stromgröße der Zahlungen zu orientieren hat. Nach überwiegender Ansicht werden unter den künftigen Erträgen – in Abweichung von der bilanzwissenschaftlichen Sprachkonvention und der Gesetzesterminologie des Handelsrechts (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) – die verfügbaren Nettozahlungsmittelzuflüsse (d.h. abzüglich von Kapitalrückzahlungen und Steuern) 271 W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 10. 272 M. J. Matschke/G. Brösel, Unternehmensbewertung, S. 51 u. S. 467. 273 M. J. Matschke/G. Brösel, Unternehmensbewertung, S. 468. 274 Die Argumentationsfunktion wird hier vernachlässigt. Sie zielt auf die Beeinflussung eines Verhandlungs- oder sonstigen Konfliktpartners ab und liefert dementsprechend weniger einen konkreten Wert (- Vorschlag), sondern dient der Formulierung und Vermittlung von bewertungsrelevanten Argumenten (dazu nur M. J. Matschke/G. Brösel, Unternehmensbewertung, S. 571 ff.).

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

verstanden.275 Schon diese Definition enthält weiteren Konkretisierungsbedarf, der je für sich betrachtet dem Grunde und der Höhe nach diskussionswürdig sein kann: Ein finanzieller Überschuss allein sagt nichts darüber aus, ob und inwieweit er für den Investor auch verfügbar ist. Verfügbarkeit zielt dabei auf die gesamthänderische Bindung der erwirtschafteten Zahlungsmittelüberschüsse und etwaige Entnahmerestriktionen bei Personengesellschaften bzw. auf das erst durch Ausschüttungsbeschluss zu überwindende Trennungsprinzip bei Kapitalgesellschaften ab. Auch die Frage nach der Berücksichtigung der Steuerbelastung auf der Ebene des Investors (Besteuerung der mitunternehmerisch transparent zugerechneten Gewinnanteile bzw. der ausgeschütteten Kapitalerträge) wird diskutiert.276 Ungeachtet dieser Detailfragen in Ansehung der Verfügbarkeit ist es allerdings vor allem der Zukunftsertrag als Ausgangs­ größe, der große Schwierigkeiten bereitet. Es ist die „Unsicherheit“ als reale Bedingung, die bewältigt werden muss. Der Zukunftsertrag ist nicht nur abhängig von der Geschäftspolitik, sondern vor allem auch von der nicht beeinflussbaren Umwelt wie dem Verhalten der Nachfrager, Wettbewerber und Regulierer sowie sonstigen Umweltbedingungen.277 Es sind letztlich immer mehrere Prognosen wahrscheinlich. Dieses Prognose­problem und sein Ausweis über mehrwertige Szenarien werden uns noch mehrfach beschäftigen. Hier ist vorerst nur relevant, dass man dieser Unsicherheit im Ertragswertmodell irgendwie Rechnung tragen muss und dies auch jeweils mit unterschiedlicher Akzentuierung tun kann. Eine weitere reale Bedingung, die dem Kapitalwertkalkül naturgemäß Schwierigkeiten bereiten müsste, nämlich die Unvollkommenheit der Kapitalmärkte, blendet man hingegen gemeinhin aus. Auf unvollkommenen Märkten gibt es keinen einheitlichen Marktzins; vielmehr gibt es eine Fülle von Anlagerenditen und Fremdkapitalzinssätzen. Praktisch werden die Interdependezen variierender Anlage- und Fremdkapitalzinssätze jedoch vernachlässigt.278

275 Siehe nur W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 13 Fn. 50, S. 15; H. Dirrigl, Unternehmensbewertung für Zwecke der Steuerbemessung im Spannungsfeld von Individualisierung und Kapitalmarkttheorie, S. 23; anders freilich das vereinfachte Ertragswertverfahren nach Maßgabe der §§ 199 ff. BewG, das an den reinvermögenszugangstheoretisch geprägten steuerlichen Gewinn anknüpft, also an eine Vermögensveränderungsgröße, die keine Aussage zur Stromgröße der Zahlungen erlaubt, dazu noch unter § 2 III. 2. a. cc) (4). 276 Dazu zum Beispiel D. Hachmeister/J. Wiese, WPg 2009, 54, 61; A. Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 177 f. 277 W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 49. 278 C. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 12 f.

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Preis und Preisbildungserwartung

Bei der Bestimmung des Zinssatzes geht das Ertragswertverfahren von der Prämisse aus, dass ein Investor dem Unternehmen einen Wert immer nur in Relation zu einer alternativen Anlageform beimessen wird. Folgt man der verbreiteten Risikozuschlagsmethode bildet der zu diskontierende Betrag den mit Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten Durchschnitt der prognostizierten verfügbaren Zahlungsüberschüsse ab. Da in diesem Erwartungswert das Risikomoment noch nicht zum Tragen gekommen ist, wird das Risiko sodann im Zinssatz kompensiert. Diese sog. Risikozuschlagsmethode wird jedenfalls von der Rechtsprechung „geübt“ bzw. revisionsrechtlich nicht beanstandet279 und der Gesetzgeber hat sie anlässlich der Erbschaftsteuerreform für die §§ 199 ff. BewG (dazu noch § 3 III. 2. b. cc] [4]) übernommen.280 Der somit zu ermittelnde risikoangepasste Zinssatz setzt sich hiernach zusammen aus einem Basiszinssatz (ab­ geleitet aus der Verzinsung einer nahezu risikolosen Alternativanlage, insbesondere öffentliche [deutsche Bundes-] Anleihen) und einem unternehmensindividuellen Risikozuschlag. Letzterem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Anlage von Kapital in Unternehmen oder andere Wirtschaftsgüter mit einem größeren Risiko verbunden ist als die Geldanlage in öffentlichen (Bundes-) Anleihen und der Markt deshalb einen Zusatznutzen (Risikoprämie) erwartet, der dieses Risiko ausgleicht (Risikoäquivalenz). Das zu vergütende Risiko gliedert sich nach herrschender Auffassung in zwei Kategorien: die Unsicherheit des geschäftlichen Erfolges (operatives Risiko) und das für die Eigenkapitalgeber infolge der Fremdkapitalfinanzierung erhöhte Risiko (Kapitalstrukturrisiko281; siehe noch eingehender § 5 IV. 4. b.). Ferner kommt noch ein sog. Wachstumsabschlag (für die zweite [unendliche] Phase) in Betracht. Dieser soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Geldentwertung in einem Unternehmen nicht in demselben Umfang eintritt wie bei der Kapitalanlage in festverzinsli279 Siehe zum Beispiel BGH v. 30.9.1981, IVa ZR 127/80, NJW 1982, 575; OLG Düsseldorf v. 19.10.1999, 19 W 1/96, NZG 2000, 693; BayObLG v. 28.10.2005, 3Z BR 71/00, AG 2006, 41; OLG Stuttgart v. 19.1.2011, 20 W 3/09, AG 2011, 205; OLG München v. 2.4.2008, Wx 85/06 u.a., juris. 280 Die Risikozuschlagsmethode ist auch in weiten Teilen der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertungslehre anerkannt, bildet allerdings nicht die einzige Möglichkeit; siehe daher auch noch zur sog. Sicherheitsäquivalenzmethode W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 67 ff.; G. Seicht, in: Festschrift f. Rückle, S. 97, 105 ff.; entscheidend ist jedenfalls, dass das Risiko nicht „doppelt“ berücksichtigt werden darf, also kumulativ bei der Schätzung der künftigen Erträge durch einen Abschlag sowie den Zuschlag beim Zins. 281 OLG Stuttgart v. 19.1.2011, 20 W 2/07, juris; Baetge/Niemeyer/Kümmel/Schulz, in: Peemöller, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, S. 386 ff.; A. Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 34 zum Teil mit weiteren Nachweisen zur Diskussion.

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

che Wertpapiere, bei denen der Zins eine Geldentwertungsprämie enthält. Der Abschlag vom Kapitalisierungszins hängt davon ab, in welchem Umfang erwartet werden kann, dass das Unternehmen die Fähigkeit besitzt, die laufende Geldentwertung aufzufangen; die Kapitalanlage in einem Unternehmen kann insoweit einer Geldentwertung entzogen werden, wenn und soweit dieses in der Lage ist, die durch Geldentwertung gestiegenen Kosten mittels Preiserhöhungen auf die Abnehmer abzuwälzen.282 Andere Ab- und Zuschläge, die ebenfalls noch diskutiert werden (zum Beispiel ein Fungibilitätsabschlag, mit dem einer eingeschränkten Veräußerbarkeit Rechnung getragen werden soll), werden hier nicht aufgegriffen. Betrachten wir diese Methodik an einem (unter vielen Gesichtspunkten sehr vereinfachten) Beispiel. Da es hier auch um die Vergleichbarkeit mit anderen Methoden geht, werden dabei mehr Sachverhaltsangaben mitgeteilt als für eine Ertragswertbewertung notwendig sind: Mit ihrem zu bewertenden Einzelunternehmen erzielte eine natürliche Person folgende verfügbaren Zahlungsüberschüsse: Jahr 01: 350.000 Euro; Jahr 02: 380.000 Euro und Jahr 03: 300.000 Euro. Bewertungsstichtag soll der 1.1.2004 sein. Prognostiziert werden für Jahr 04: 350.000 Euro; Jahr 05: 360.000 Euro; Jahr 06: 370.000 Euro; Jahr 07: 380.000 Euro und Jahr 08: 390.000 Euro; ab 09: 400.000 Euro mit einem Wachstum von je 2 % pro Jahr (= w). Ein angemessener Unternehmerlohn ist mit 60.000 Euro zu beziffern. Der Saldo aus der Summe der zu Wiederbeschaffungskosten bewerteten Aktiva und Passiva ist mit 1.400.000 Euro vorgegeben. Ein Geschäfts-/Firmenwert ist hierbei nicht berücksichtigt. Der risikolose Basiszinssatz soll 3 % und der individuelle Risikozuschlag soll 6 % betragen (zusammen = i). Es wird von einem auf den gesamten Gewinn anzuwendenden Einkommensteuersatz von 45 % ausgegangen (Steuersatz = s). Dabei wird angenommen, dass die Erträge aus der Alternativanlage des Bewertungssubjektes mit dem gleichen Steuersatz belastet wären. In Bezug auf die Gewerbesteuer wird unterstellt, dass die Ermäßigung gemäß § 35 EStG jede zusätzliche Steuerbelastung vermeidet. Zins nach Steuern (= is) = i (1 – s) = 0,09 (1 – 0,45) = 0,0495 282 So die prägnante (wörtlich übernommene) Zusammenfassung des OLG Stuttgart v. 26.10.2006, 20 W 14/05, AG 2007, 128, 135; ferner BGH v. 21.7.2003, II ZB 17/01, NJW 2003, 3272, 3273; OLG Düsseldorf v. 4.7.2012, 26 W 8/10, AG 2012, 797; BayObLG v. 28.10.2005, 3Z BG 71/00, AG 2006, 41; OLG Düsseldorf v. 31.1.2004, 10 W 9/00, NZG 2003, 588, 595.

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Preis und Preisbildungserwartung Unternehmenswert283 =

=

Et (1 – s) (1 + is)t

Et + 1 (is – w) × (1 + is)t

290.000 (1 – 0,45) 1,0495 +

=

+

+

320.000 (1 – 0,45) 1,0495

4

300.000 (1 – 0,45) 1,0495 +

2

+

330.000 (1 – 0,45) 1,0495

5

310.000 (1 – 0,45) 1,04953 +

340.000 (1 – 0,45) (0,0495 – 0,02) × 1,04955

736.895 4.978.602 + (Detailplanungsphase) (unendliche Phase)

= (ca) 5.715.500 Euro

Das vorgenannte Phasenmodell vereinfacht erheblich, aber es zeigt unter Zugrundelegung einer unendlichen Laufzeit deutlich, dass der Ertragswert der zweiten Phase (unendliche Phase) wertprägend sein kann. Je nach Risikozuschlag hat sie einen erheblichen Anteil am Gesamtunternehmenswert. Man muss sich jedoch immer des folgenden Zusammenhangs bewusst sein: Wenn man den Zinssatz anhebt, wird nicht nur der Unternehmenswert geringer, sondern auch der prozentuale Anteil der unendlichen Phase hieran. Ein höherer Zins kann also durchaus im Ergebnis einen Unternehmenswert hervorbringen, der Ausdruck einer Vergütung nur der kurzfristigen Überschüsse ist. Ungeachtet dessen besteht ferner die Möglichkeit, in den beiden Phasen mit unterschiedlichen Zinssätzen zu arbeiten. Entscheidend ist immer, dass über die Zinshöhe entschieden wird, inwieweit welche künftigen Erträge wertprägend sind. Das Problem wird deutlich, wenn man diese Erkenntnis umgekehrt formuliert: Ein niedriger (wenig Risiko abbildender) einheitlicher Zinssatz führt zu einer Wertprägung der unendlichen Phase und ist – vorsichtig formuliert – deshalb umso problematischer, je mehr Bestand und Erfolg des Unternehmens vom persönlichen Einsatz und der Präsenz des Unternehmers abhängen, also von (zum Teil sehr kurzfristig) vergänglichen und damit nicht vergütbaren Faktoren. Wir werden später sehen, dass gerade dies ein Problem der §§ 199 ff. BewG darstellt (§ 7 I. 4. b.). Auf dem Barwertkalkül aufbauend, aber im Grunde gleichwohl von der Ertragswertmethode im vorstehenden Sinne in ihrer Aussage streng zu unterscheiden, sind die im angelsächsischen Raum vorherrschenden 283 Formel nach W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 63 ff.

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

und auch zunehmend im deutschen Raum anzutreffenden sog. Discounted-Cashflow-Methoden. Wenn man die Unternehmensbewertungslehre in historischen Entwicklungsstufen betrachtet, so werden ihr Aufkommen und ihre Verbreitung ab den 1980er/1990er Jahren als weitere Stufe genannt.284 Die Eigenständigkeit dieser Stufe beruht (vor allem) auf Folgendem: Während die Ertragswertmethode (wie sie vorstehend dargestellt wurde) auf Entscheidungswerte abzielt und somit die Eckwerte liefert, innerhalb derer sich ein Preis bilden dürfte, beanspruchen die Discoun­ted-Cashflow-Methoden eine unmittelbare Aussage zum Preis des Unternehmens. Sie gehen entsprechend ihrer Wurzeln in der neoklassischen Kapitalmarkttheorie davon aus, dass es nur einen Wert des Unternehmens gibt und dieser dem Preis des Unternehmens auf einem vollkommenen und vollständigen Kapitalmarkt entspricht.285 Auch hier gilt allerdings wieder, dass der Begriff Discounted-Cashflow-Methode nur ein Oberbegriff ist und wir uns einer Vielfalt von sog. Discounted-Cashflow-Methoden gegenübersehen. Gemeinhin lassen sich sog. Entity-Verfahren (Brutto-Verfahren) von sog. Equity-Verfahren (Netto-Verfahren) unterscheiden: Die Brutto-Verfahren ermitteln zunächst den gesamten Wert des Unternehmens, subtrahieren hiervon den Marktwert des Fremdkapitals und gelangen so zum Unternehmenswert als Wert des Eigenkapitals. Die Netto-Verfahren ermitteln hingegen direkt den Wert des Eigenkapitals und weisen insoweit konzeptionell eine große Ähnlichkeit zum Ertragswertverfahren auf.286 In Abhängigkeit davon, ob ein Brutto- oder Nettoverfahren angewendet wird, müssen die zukünftigen Zahlungsüberschüsse („cash flow“) definiert werden, nämlich entweder unter zusätzlicher Berücksichtung der Zahlungen an die Fremdkapitalgeber oder nur unter Berücksichtigung dessen, was den Eigen­ kapitalgebern zur Ausschüttung zur Verfügung steht (also nach Fremdkapitalkosten). Die wie auch immer definierten Zahlungsüberschüsse müssen sodann kapitalisiert werden. Hier äußert sich die Kapitalmarktorientierung dieser Verfahren am deutlichsten, nämlich durch den Rückgriff auf das sog. Capital Asset Pricing Model (kurz: CAPM).287 Es zielt ab auf die Ablei284 N. Herzig, WPg 2007, 806, 807; C. Kuhner/H. Maltry, Unternehmensbewertung, S. 53. 285 Dazu und weiterführend J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 184 ff.; C. Kuhner/H. Maltry, Unternehmensbewertung, S. 263; M. J. Matschke/G. Brösel, Unternehmensbewertung, S. 25 f.; T. Schildbach, in: Festschrift f. Sieben, S. 301 ff. 286 C. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 86. 287 Sehr instruktiv zum CAPM statt vieler zum Beispiel J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 26 ff.; M. J. Matsch-

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Preis und Preisbildungserwartung

tung einer risikoäquivalenten Risikoprämie mittels Kapitalmarktdaten. Mit der Heranziehung derart kapitalmarktbasierter Daten wird die individualistische Sicht, wie sie das „klassische“ Ertragswertverfahren kennzeichnet, verlassen. Nicht die individuelle Risikoeinstellung des Investors ist Maßstab für den Risikozuschlag im Kapitalisierungszinssatz, um Äquivalenz zum Unternehmensrisiko herzustellen, sondern Basis der Risikomessung ist vielmehr die am Kapitalmarkt beobachtbare Überrendite von Aktien gegenüber festverzinslichen Anlagen.288 Die riskanten Papiere werden dabei nicht einzeln betrachtet, sondern es wird ein Marktportfolio gebildet. Das CAPM unterstellt also einen vollständig diversifizierten Investor und sieht daher über die Risikoprämie nur eine Vergütung für das übernommene systematische Risiko vor, d.h. für Einflüsse, die für die Rendite aller Unternehmen Bedeutung haben (zum Beispiel Zinsänderungen, Geldentwertung, Konjunkturentwicklung)289. Die unsystematischen Risiken, also solche, die von Determinanten abhängen, die nur für den wirtschaftlichen Erfolg des einzelnen Unternehmens relevant sind, finden hingegen keine Berücksichtigung. Sie werden durch die Diversifikation reduziert oder gar eliminiert.290 Die dergestalt ermittelte Risikoprämie muss schließlich in einem zweiten Schritt mit einem unternehmensindividuellen Beta-Faktor multipliziert werden. Dieser Beta-Faktor drückt das systematische Risiko in einem Unternehmen im Verhältnis zum Gesamtmarkt riskanter Papiere (Portfolio) aus. Dieses Risiko kann unterteilt werden in operatives Risiko und Kapitalstrukturrisiko.291 Letzteres spricht vor allem den Verschuldungsgrad als Kriterium an.292 Eine besondere Spielart ist ferner das sog. Tax-CAPM, das zusätzlich die unterschiedliche Besteuerung von Zinsen, Dividenden und ke/G. Brösel, Unternehmensbewertung, S. 42 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen. 288 C. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 90; H. Dirrigl, Unternehmensbewertung für Zwecke der Steuerbemessung im Spannungsfeld von Individualisierung und Kapitalmarkttheorie, S. 25; V. H. Peemöller, in: Festschrift f. Rödl, S. 165, 182. 289 J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 28. 290 J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 28; J. Baetge/C. Krause, BFuP 56 (1994), S. 433, 437 f.; H. Dirrigl, Unternehmensbewertung für Zwecke der Steuerbemessung im Spannungsfeld von Individualisierung und Kapitalmarkttheorie, S. 51; M. Zieger/S. Schütte-Biastoch, FB 2008, 590, 597. 291 V. H. Peemöller, in: Festschrift f. Rödl, S. 165, 182 f., dort auch instruktiv im Überblick zur Ableitung des Beta-Faktors. 292 Zum hierbei angewandten sog. Modigliani-Miller-Modell sowohl instruktiv als auch dezidiert kritisch M. J. Matschke/G. Brösel, Unternehmensbewertung, S. 42 ff.

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Kursgewinnen berücksichtigt. Gerne wird das CAPM im Hinblick auf die Bewertungsrelevanz des „anonymen Kapitalmarktes“ mit dem Wort „objektiv“ bzw. „objektiviert“ in Verbindung gebracht.293 Bei genauem Hinsehen ergeben sich jedoch viele Spielräume für den Bewertenden und dies nicht allein beim Beta-Faktor – wo dies am augenfälligsten sein dürfte –, sondern auch auf der Ebene davor. Hierauf wird an anderer Stelle zurückzukommen sein (§ 6 II.). Kommen wir zu einer weiteren Spielart der Ertragswertmethodik: Bisher wurde sie vor allem unter dem Aspekt der (investitionstheoretischen) individuellen Entscheidungshilfe dargestellt, bei der jedes Bewertungssubjekt infolge der selbstgesetzten Präferenzen (Prognose, Alternativanlage, Risikoneigung etc.) ein spezifisches Entscheidungsfeld hat. Ihr Anspruch reicht jedoch darüber hinaus. Zwar sucht der Ökonom vorrangig einen subjektiven Entscheidungswert, der von der individuellen Beurteilung der Zukunft und der alternativen Anlagemöglichkeiten des konkreten Investors geprägt ist. Die Ertragswertmethodik gibt aber zugleich einen Erkenntnisweg vor, der hiervon abstrahieren kann. Hieran anknüpfend will der Ökonom auch eine Antwort für den Fall geben können, dass die genannten Prämissen nicht individuell vorgeben sind – zum Beispiel gerade anlässlich einer (vermeintlichen) Objektivität erfordernden steuergesetzlichen Bewertung. Dies führt zum „objektivierten Ertragswert“, wie ihn vor allem das Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. als Erkenntnisziel eines neutralen Gutachters vor Augen hat. „Objektiviert“ meint hier die Loslösung von den individuellen, wertrelevanten (Investitions-) Präferenzen einer konkreten Person, insbesondere der von der Bewertung im konkreten Fall betroffenen Parteien.294 Das Institut der Wirtschaftsprüfer e. V. hat mithin einen vom (bisherigen) Unternehmensinhaber losgelösten, theoretisch jedem Anteilseigner zugänglichen Erfolg vor Augen.295 Verwendung findet hier das Bild vom „Unternehmen wie es steht und liegt“296. Diese Ausrichtung entfernt sich derart von der zuerst dargestellten wirtschaftswissenschaftlichen individualistischen Ertragswertkonzeption im Sinne der Funktionenlehre, dass der objektiverte Ertragswert zu Recht nicht mehr als deren Ausprägung, sondern als spezielle Variante 293 A. Blum/S. Weber, GmbHR 2012, 322, 327; M. Krog, Marktorientierung und gesellschaftsrechtliche Unternehmensbewertung, S. 334; C. Kuhner/H. Maltry, Unternehmensbewertung, S. 57 („Wertobjektivismus besonderer Prägung“); C. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 90. 294 IdW S1 Tz. 12, 29 ff.; zu den Annahmen des IdW S1 J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 180 f. 295 So die Kommentierung des IdW S1 bei T. Schildbach, zfbf 47 (1995), S. 620, 631. 296 Siehe IdW S1 Tz. 29 u. 40.

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Preis und Preisbildungserwartung

des Barwertkalküls begriffen wird.297 Angesichts der vom Institut der Wirtschaftsprüfer im IdW S 1 vorgesehenen Verwendung von Kapitalmarktdaten (marktorientierte Risikoprämien über das [Tax-] CAPM, siehe IdW S 1 Tz. 118) verwundert es nicht, wenn das dergestalt formulierte Ertragswertverfahren auch als Variante der Equity-Verfahren angesehen wird.298 Ob und inwieweit das formulierte Objektivierungspostulat zutreffend ist, sei hier noch dahin gestellt; dieser Frage wird später in verschiedenen Kontexten nachgegangen. Jedenfalls wird unterstellt, dass der von einem Gegenstand erwartete Nutzen für jedermann, der nach vernünftigen Grundsätzen wirtschaftet, der gleiche ist. Dies erlaubt es, an die Stelle des konkreten Subjekts ein Modellsubjekt zu setzen.299 Dies macht den Reiz des objektivierten Unternehmenswertes aus, weil er gerade in den Konfliktsituationen, in denen es nicht auf die subjektiven Präferenzen einer der Parteien ankommen soll (Gerichtsverfahren, Schiedsverfahren und Ähnliches), verspricht, einen für jedermann akzeptablen Wert zu liefern. Wenngleich hier durchaus der Gedanke mitzuschwingen scheint, einen Wert zu finden, der dem Gegenstand „anhaftet“, so hat dieses Vorgehen gleichwohl nichts mit der heute nicht mehr vertretenen (am Anfang dieses Abschnitts erwähnten) „objektiven Unternehmensbewertungslehre“ zu tun. Die Subjekt-Objekt-Beziehung wird vielmehr anerkannt und „lediglich“ der Subjektbezug typisiert. Gesucht wird letztlich ein subjektbezogener, objektivierter Unternehmenswert.300 Bei der Frage, was das Modellsubjekt kennzeichnet, was seine „normalen“ Prämissen sind, kommt allerdings auch der „objektive Gutachter“ hier nicht umhin, wertende Entscheidungen zu treffen. In der Unternehmensbewertungspraxis finden sich ferner noch folgende Bewertungsmethoden: So werden zum Beispiel (wahrscheinlich erzielbare) Preise mit Hilfe von Multiplikatoren ermittelt, die aus Schlüsselkennzahlen vergleichbarer Unternehmen abgeleitet worden sind (Multiplikatormethode).301 Ein sol297 So zum Beispiel V. H. Peemöller/S. Kunowski, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 278; zustimmend W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 9 u. 11; ähnlich W.-R. Bretzke, WPg 1975, S. 125 (gegenüber den ersten Anfängen einer „objektivierenden Theorie“); K. Henselmann, BFuP 58 (2005), S. 144, 152; T. Schildbach, zfbf 47 (1995), S. 620 ff. 298 So J. Drukarczyk/A. Schüler, Unternehmensbewertung, S. 234. 299 J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 1 f. 300 S. Meyerding, StuW 2011, 274, 275. 301 Die Multiplikatormethode, wie sie hier dargestellt wird, bildet nur einen Teilausschnitt der vergleichenden Bewertungsverfahren. Zu preisvergleichenden Bewer-

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

ches Vergleichswertverfahren (alternativ auch: marktwertorientiertes Verfahren) beruht auf der Annahme einer branchenüblichen Mindestprofitabilität in Bezug auf bestimmte Gewinn- oder Umsatzgrößen. Der Bezugspunkt, auf welche der Multiplikator angewendet wird, ist daher je nach Branche eine bestimmte Gewinn- oder Umsatzmaßgröße, die der vergangenen Rechnungslegung des zu bewertenden Unternehmens entnommen (zum Beispiel der durchschnittliche Jahresumsatz der letzten drei Jahre) und gegebenenfalls um bestimmte Faktoren korrigiert wird. Der Vergleich setzt freilich voraus, dass ausreichend Daten vergleich­ barer Unter­nehmen vorhanden sind. Eine solche Vorgehensweise wird insbesondere bei Freiberuflerpraxen und kleinen Unternehmen von den eigenen berufständischen Organisationen empfohlen.302 Der Bundesgerichtshof hat sie vor allem in familien- und erbrechtlichen Streitigkeiten gebilligt.303 Bekannt sein dürften solche Vorgehensweisen ferner unter dem Stichwort der sog. Maklermethode bei der Bewertung von Mietwohngrundstücken, wo ebenfalls die Jahresmiete mit einem bestimmten Faktor multipliziert wird. Zu nennen sind ferner sog. Kombinationsverfahren (Mischverfahren). Sie beruhen auf der Vorstellung, dass der Wert eines Unternehmens aus einer Kombination von Substanz- und Ertragswert zu bestimmen ist. Hierzu gehört konzeptionell insbesondere304 das Stuttgarter Verfahren mit seiner Übergewinnmethode305: Der Substanzwert (Teilreproduktionswert) bildet die Basis für den Unternehmenswert. Bis zum 31.12.1992 war er auf der Grundlage einer Einzelbewertung zu Teilwerten zu ermitteln. Nicht einzubeziehen sind ein Geschäfts- oder Firmenwert sowie firmenwertähnliche Wirtschaftsgüter, da diese in der nachfolgend noch darzustellenden Übergewinnkomponente ihren Ausdruck finden. Dieser Substanzwert ist zu modifizieren, wenn die Vermögensrendite, d.h. das Verhältnis zwischen dem voraussichtlichen künftigen Jahresertrag (vertungsverfahren im Allgemeinen J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 299 ff. 302 Vgl. zum Beispiel für Rechtsanwaltspraxen die Empfehlung der Bundesrechtsanwaltskammer in BRAK 2007, 112 ff. und für Arztpraxen die Richtlinien der Bundesärztekammer im Deutschen Ärzteblatt 2008, 2778 ff. sowie Knief, DB 2009, 866 ff. 303 Zum Beispiel BGH v. 24.10.1990, XII ZR 101/89, NJW 1991, 1547, 1548 (Zugewinn­ ausgleich). 304 Siehe zu anderen Kombinationsverfahren zum Beispiel die Übersicht bei M. Lausterer, Unternehmensbewertung zwischen Betriebswirtschaftslehre und Rechtsprechung, S. 66 ff. 305 Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf dem instruktiven Beitrag von J. Pensel, in: Festschrift f. Wacker, S. 171, 173 ff.

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gangenheitsorientiert abgeleitet) und dem Substanzwert, von dem Alternativzinssatz abweicht, den ein potentieller Käufer des Unternehmens bei anderweitiger Kapitalanlage (wenn er das Unternehmen also nicht erwerben würde) erzielen würde. Ist die Vermögensrendite höher als der Alternativzinssatz, tritt eine sog. Übergewinnsituation ein und der Substanzwert ist unter Annahme einer fünfjährigen Übergewinndauer erhöht worden. Der Zusatzwert im Verhältnis zum Substanzwert entspricht also dem fünffachen, nicht diskontierten Übergewinn, der sich wiederum bemisst nach dem Saldo aus dem künftigen Jahresertrag und den kalkulatorischen Zinserträgen der Alternativanlage. Auch dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden, wobei der Vergleichbarkeit wegen die (historischen) Ausgangsdaten mit dem Beispiel auf Seite 74 f. identisch sind: Mit ihrem auf den 1.1. des Jahres 04 zu bewertenden Einzelunternehmen erzielte eine natürliche Person folgende verfügbaren Zahlungsüberschüsse: Jahr 01: 350.000 Euro; Jahr 02: 380.000 Euro und Jahr 03: 300.000 Euro. Ein angemessener Unternehmerlohn ist mit 60.000 Euro zu beziffern. Der Saldo aus der Summe der Aktiva und Passiva ist zu Wiederbeschaffungskosten mit 1.400.000 Euro zu beziffern und soll hier dem Vermögenswert (zu Teilwerten) entsprechen; ein Geschäfts-/Firmenwert ist nicht berücksichtigt. Das Stuttgarter Verfahren ging von einem Zeitraum von fünf Jahren aus; dies wird auch hier übernommen. Ferner wurde ein Zinssatz von 9 v. H. unterstellt, der auch hier zugrunde gelegt wird. Damit ergibt sich folgende Formel: Unternehmenswert =

=

9 Vermögenswert + 5 (Ertragswert – 100) 68,97 100

× (Vermögenswert + 5 × Ertragswert)

Berechnung des Vermögenswertes: = 1.400.000 Euro Berechnung des Ertragswertes: = 290.000 € + (320.000 Euro × 2) + (240.000 Euro × 3) : 6 = 1.650.000 Euro : 6 = 275.000 Euro

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Der „Wert“ eines Gegenstandes Zur Klarstellung: Das Stuttgarter Verfahren stellte auf die vergangenen steuerlichen Gewinne ab, die um bestimmte außergewöhnliche Einflüsse bereinigt wurden; angesichts der Maßgeblichkeit des Gewinns ist die Ertragskompenente nicht zahlungsstromorientiert und gibt somit den Erfolg, aber nicht die Verfügbarkeit von Geldmitteln wieder. Hier wird aus Gründen der Vergleich­ barkeit gleichwohl unterstellt, dass die genannten Jahreswerte verfügbare Zahlungsüberschüsse wiedergeben. Zusammenführung zum gemeinen Wert =

68,97 100

× (1.400.000 Euro + 5 × 275.000 Euro)

= 1.913.917 Euro

Das Beispiel verdeutlicht, dass das Charakteristikum des Stuttgarter Verfahrens vor allem die starke Betonung der Vermögenssubstanz und die zeitlich nur begrenzte wertbildende Kraft der künftigen Erträge sind. Dem liegt letztlich die Erwartung zugrunde, dass nach ca. fünf Jahren die vom veräußernden Unternehmer geschaffenen Ertragspotentiale nicht mehr auf diesen zurückzuführen sind. Eine solche Methodenvielfalt führt zu der Frage nach Präferenzen und Vorrangüberlegungen. Insoweit müssen wir freilich zwischen Theorie und Praxis trennen: Teile der (deutschen) Unternehmensbewertungswissenschaft sprechen den Discounted-Cashflow-Verfahren die Tauglichkeit zur Ermittlung eines Entscheidungswertes wegen ihrer realitätsfernen Annahmen ab.306 Sie verteidigen vielmehr den Ertragswert (und dies nicht nur gegenüber den Discounted-Cashflow-Verfahren sondern auch gegenüber Mittelwert- und vor allem Substanzwertverfahren). Dessen zum Trotz scheint sich die „Bewertungspraxis“ der kapitalmarktorientierten Bewertung gleichwohl zu bedienen. Man liest gelegentlich, dass die Discounted-Cashflow-Verfahren bzw. die Ertragswertmethode nach IdW S1 unter Heranziehung des CAPM im Vordringen bzw. auf dem Vormarsch befindlich seien307; sie hätten sich etabliert.308 Insbesondere in der Spruchpraxis der Obergerichte in aktien- bzw. umwandlungsrechtlichen Verfahren sind sie in der Tat verbreitet (siehe noch mit Nachweisen 306 Siehe vor allem T. Hering, Finanzwirtschaftliche Unternehmensbewertung, passim, mit weiteren Nachweisen. 307 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 38; G. Brösel/R. Hauttmann, FB 2007, 223, 224 (Grundlage ist eine eigene empirische Erhebung); W. Müller, in: Festschrift f. Bezzenberger, S. 704, 706; V. H. Peemöller/S. Kunowski/J. Hillers, WPg 1999, 621 ff. (auch hier ist Grundlage eine eigene empirische Erhebung) 308 So zum Beispiel J. Müller, Unternehmensbewertung für substanzsteuerliche Zwecke, S. 33.

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§ 6 II.) und der Bundesgerichtshof beanstandet dies nicht (dazu noch § 1 III. 3. b. dd]). Auch in literarischen Beiträgen werden diese Verfahren oft ohne weitere Erläuterungen zugrunde gelegt (siehe die Nachweise sowohl bei § 3 III 1. als auch § 7 I. 3. b.). Betrachtet man hingegen die empirischen Erhebungen hierzu, so fällt auf, dass von einer Vormachtstellung der investitionstheoretisch geprägten Verfahren nicht die Rede sein kann. Die Untersuchungen deuten vielmehr darauf hin, dass sich in der Praxis nach wie vor eine gewisse Pluralität hält und bei Bewertungsanlässen auch durchaus mehrere Bewertungsmethoden zum Einsatz kommen. Insbesondere die Verwendung von Multipliktatoren, aber teilweise auch von Kombinationsverfahren scheint verbreiteter, als dies die wissenschaftliche Diskussion und die häufig im Wahrnehmungsfokus stehende Praxis der Spruchgerichte vermittelt. Unterschiede scheinen sich auch danach zu ergeben, wer befragt wird (Unternehmen selbst, deren [steuerliche] Berater oder Financiers) und vor allem in Bezug auf das Bewertungsobjekt.309 Die reale Existenz dieser Methodenpluralität hat zwischenzeitlich auch der Gesetzgeber an verschiedenen Stellen anerkannt – sei es im Steuerrecht in dem noch näher darzustellenden § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG (siehe § 3 II. 2. b. cc] [3]) oder sei es im gesellschaftsrechtlichen Abfindungskontext zum Beispiel in § 293e Abs. 1 Satz 3 AktG (gegebenenfalls i.V.m. § 327c AktG Abs. 2 Satz 4 AktG) und § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwG (jeweils Pflicht zur Angabe, nach welcher Methode Ausgleich, Abfindung bzw. Umtauschverhältnis ermittelt worden sind und welcher Ausgleich, Abfindung bzw. Umtauschverhältnis sich bei der Anwendung verschiedener Methoden jeweils ergeben würde, sofern mehrere Methoden angewandt worden sind). Gegenstand der Diskussion ist allerdings die Frage nach dem Umfang dieser Pluralität. Während beispielsweise das Institut der Wirtschaftsprüfer den ertragswertorientierten Methoden klar den Vorzug einräumt (dazu sogleich § 1 III. 3. b.), vertreten andere Stimmen wiederum einen methodenpluralistischen Ansatz, bei dem die nach verschiedenen (gleichberechtigt neben­einander stehenden) Methoden gewonnenen

309 Siehe vor allem die Erhebungen bei G. Brösel/R. Hauttmann, FB 2007, 223 ff.; U. Kehrel/P. Konrad, CFB 2013, 28 ff.; V. H. Peemöller/S. Kunowski/J. Hillers, WPg 1999, 621 ff.; V. H. Peemöller/P. Bömelburg/A. Denkmann, WPg 1994, S. 741 ff.; V. H. Peemöller/L. Meyer-Bries, DStR 1995, 1202 ff.; siehe ferner auch DVFA Expert Group „Corporate Transactions and Valuation“ (CFB 2012, 43 ff.), die – freilich ohne empirischen Beleg, sondern aus eigener Erfahrung – konstatieren, dass die Heranziehung des IdW S1 durch die Spruchgerichte nicht das Marktbewertungsverhalten widerspiegele.

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

(Zwischen-)Ergeb­nisse zu einem Unternehmenswert zusammengeführt bzw. weiterent­wickelt werden.310 Gleich wie man diese Fragen letztlich beantwortet: Entscheidend für die hiesige Untersuchung ist jedenfalls die von Rechtsprechung und (Bewertungs-)Literatur zugrundegelegte These, dass die modellgestützte Bewertung den Weg zum „wahren, wirklichen, vollen etc. Wert“ (im Sinne des wahrscheinlich erzielbaren Preises) leiten kann. Letztlich wird unterstellt, dass sich Veräußerer bzw. Erwerber bei der Findung ihrer Entscheidungswerte in Ansehung des noch auszuhandelnden Kaufpreises der von den Bewertungsmethoden aufgezeigten Denkwege bedienen.311 Klar­ zustellen ist jedoch, dass es insoweit keine Identität gibt: Abgesehen von den Discounted-Cashflow-Verfahren mit dem ihnen eigenen Anspruch, bei alloklationseffiziten Märkten einen allgemeingültigen Wert im Sinne eines Marktpreises lediglich „aufzudecken“, nimmt keine Unternehmensbewertungsmethode für sich in Anspru­ch, unmittelbar den wahrscheinlich erzielbaren Preis eines Unternehmens abzubilden.312 Sie liefern jeweils immer nur Anhaltspunkte für die Ableitung des Verkehrswertes. Dies gilt sowohl für Vergleichsverfahren, die zum Teil mehr dem Prinzip der Preisübertragung folgen, als auch insbesondere für das Ertragswertverfahren als Preisbildungsverhaltensmuster. Sie stellen „lediglich“ ein Hilfsmittel in Ansehung des gesuchten wahrscheinlich erzielbaren Kaufpreises dar.313 Dies gilt unabhängig davon, ob und inwieweit 310 Vor allem C. W. Barthel, DB 2011, 719 ff.; jüngst auch DVFA Expert Group „Corporate Transactions and Valuation“, CFB 2012, 43 ff. für die Überprüfung der Angemessenheit aktienrechtlicher Abfindungen. 311 Siehe J. Müller, Unternehmensbewertung für substanzsteuerliche Zwecke, S. 36; D. J. Piltz/E. Wissmann, NJW 1985, 2673, 2678. 312 Statt vieler J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 160 u. S. 261; C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 23 f.; W. Müller, in: Festschrift f. Bezzenberger, S. 704, 706 f.; M. Olbrich, BFuP 52 (2000), S. 454, 459; T. Schildbach, WPg 1983, 493, 494; siehe allerdings auch F. Schleithoff, Die Unternehmensbewertung im deutschen Steuerrecht, S. 56, der den methodisch ermittelten Unternehmenswert und den wahrscheinlich erzielbaren Preis (bei ihm: potentieller Preis) meines Erachtens vorschnell gleichstellt. 313 Den Zusammenhang zwischen „wahrscheinlich“ erzielbaren Preis und Ertragswertverfahren hat bereits das Reichsgericht in seiner Entscheidung vom 25.6.1887 erkannt (RG v. 25.6.1887, I 137/87, RGZ 19, 111, 121); sodann ist im steuerlichen Kontext vor allem auf die technische Anleitung zum Preußischen Ergänzungssteuergesetz sowie die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts hinzuweisen (PreußOVG v. 20.4.1896, Rep. E VIIa 1/96, PreußOVGStE 5, 63, 77: „Ertrag [kann] als Hilfsmittel der Bewertung nach Kaufpreisen bemüht werden“). Heute ist dies vor allem in der Zivilrechtsprechung einhellige Meinung: OLG Düsseldorf v. 4.7.2012, 26 W 8/10, AG 2012, 797; OLG Stuttgart v. 3.4.2012, 20 W

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Preis und Preisbildungserwartung

sie einen Einigungsbereich zwisch­en den (fiktiven) Erwerbs- und Verkaufsinteressenten überhaupt (offen) ausweisen. Dort wo dies schon vom methodischen Anspruch her geschieht – wie bei der Ertragswertmethode im traditionellen entscheidungstheoretischen Sinne –, liegt dies in der notwendigen Zweischrittigkeit. Mehr als die Bewältigung des ersten Schrittes nimmt diese Methode mit ihrer Entscheidungsfunktion gar nicht für sich in Anspruch, weil sie – worauf bereits mehrfach hingewiesen wurde – nicht die Einigung zwischen Käufer und Verkäufer fingieren will. Ihre Aussage beschränkt sich auf die Verhandlungsgrundlage. Für die anderen Methoden gilt dies aber gleichermaßen. So mag beispielsweise die objektivierte Unternehmensbewertung mit ihrer Fixierung auf den status quo („Unternehmen wie es steht und liegt“) zwar Grenzpreisüberlegungen eines gedachten Erwerbers ausblenden und somit unter weitgehender Verhinderung eines Einigungsbereichs zum Grenzpreis eines in seinem Investitionsverhaltens passiven Verkäufers führen.314 Aber selbst aus ihrer „neutralen Gutachter-Sicht“ stellt das gewonnene Ergebnis von seinem theoretischen Anspruch her „nur“ einen typisierten Entscheidungswert und als solches eine – wenn auch gutachterliche – Verhandlungsgrundlage dar.315 b. Die Ertragswertmethodik als präskriptives Modell und ihre Einwirku­ng auf die Rechtsanwendungswirklichkeit aa) Diese kurze Einführung in die Historie und Vielfalt der Unternehmensbewertungsmethoden offenbart einen „Konflikt“. Dass man sie als Methoden bezeichnet, sagt erst einmal nur etwas darüber aus, dass sie Denk- bzw. Erkenntniswege sind. Denn der Begriff umschreibt nicht mehr als ein planmäßiges Verfahren, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.316 Was aber ist ihr Anspruch, was ist ihre Aussage? Als die drei Hauptmerkmale (realwissenschaftlicher) Modelle lässt sich jedenfalls vorgeben: Erstens, Modelle sind stets Abbildungen, Repräsentationen natürlicher oder künstlicher Originale, die selbst freilich wiederum auch Modelle sein können. Zweitens, Modelle verkürzen, d.h., sie erfassen im 7/09, juris; KG v. 19.5.2011, 2 W 154/08, juris; OLG München v. 2.4.2008, 31 Wx 85/06 u.a., juris. 314 J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 182; A. Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 28; T. Schildbach, BFuB 61 (2009), S. 371 ff. 315 W. Dörner, WPg 1981, 202, 204 f.; gerade dies hat ihr allerdings auch die Kritik eingebracht, dass sie (zu) „käuferfreundlich“ sei (statt vieler T. Schildbach, BFuB 61 [2009], S. 371 ff.). 316 D. Zschocke, Modellbildung in der Ökonomie, S. 5.

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Allgemeinen nicht alle Attribute des durch sie repräsentierten Originals, sondern nur solche, die den jeweiligen Modellschaffern und/oder Benutzern relevant scheinen. Drittens, Modelle sind nicht nur eine Abbildung von „etwas“, sondern auch für jemanden. Sie erfüllen eine Funktion, sie sind Modelle zu einem bestimmten Zweck.317 Wissenschaftstheoretisch finden wir sodann eine auch hier sehr wichtige Unterscheidung vor, nämlich danach, ob ein Modell deskriptiv oder präskriptiv (ausgerichtet) ist. Theoretisch-empirische Modelle versuchen eine Abbildung der Realität. Ungeachtet aller Vorverständnis-/Selektionsprobleme (dazu bereits § 1 I.) versuchen sie die Wirklichkeit unabhängig von einem bestimmten Sollen zu erkunden. Sie fragen dabei entweder „nur“ nach der Beschaffenheit eines sozialen Phänomens oder sie wollen dieses im Sinne einer verifizierenden Forschung zugleich auch kausal erklären.318 Es geht also um die Beschreibung, Erklärung und Prognose von Wirklichkeit und dies gegebenenfalls vereinfacht durch ein Modell. Solange ein Modell dergestalt aus Beobachtungen gewonnen wird und hieran anknüpfend nur einen deskriptiven Anspruch hat, also nur Verhalten, Vorgänge und Zusammenhänge als tatsächlich bestehend oder stattfindend beschreibt, hilft es bei der Identifizierung und Konkretisierung eines Verhaltensmusters und hilft damit zugleich bei der Beantwortung der Frage, welcher Preis (wahrscheinlich) für einen Gegenstand gezahlt werden würde. Ungeachtet ihrer beschreibenden Funktion konkretisieren und vervollständigen Modelle das Verhaltensmuster hier vielleicht auch noch, zum Beispiel dort, wo dem Verhaltensmuster keine Detailfragen zu entnehmen sind. So gibt es häufig wertbildende Zusammenhänge, die fast jedem Teil des Rechtsverkehrs selbst bei laienhaftester Wahrnehmung einleuchten, die aber nach einer entsprechenden Systematisierung auch noch zu Ende gedacht werden können. Jedenfalls bleibt der Anspruch immer vorhanden, nur etwas zu beschreiben. Nunmehr gilt es allerdings daran zu erinnern, dass (insbesondere) die auf dem Barwertkalkül fußende Unternehmensbewertungslehre im Wesentlichen einen investitionstheoretischen Ausgangspunkt und damit einen entscheidungstheoretischen Anspruch hat. Schon die zuvor zitierte Aussage von Adolf Moxter zeigt, dass die bloße Deskription gar nicht der 317 H. Stachowiak, Allgemeine Modelltheorie, S. 131 ff.; siehe ferner G. Bamberg/A. G. Coenenberg/M. Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 13 ff. für Entscheidungsmodelle im Besonderen. 318 G. Bamberg/A. G. Coenenberg/M. Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 5 f.; H. Laux/R. M. Gillenkirch/H. Y. Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, S. 17; W. Neus, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre aus institutenökonomischer Sicht, S. 11 f., M. Rehbinder, Rechtssoziologie, § 4 Rn. 55 ff.

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Anspruch der Unternehmensbewertungslehre ist (§ 1 III. 3. a.). Seine „Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung“ weisen das Charakteristikum von Normen auf, nämlich die Ausrichtung auf eine Verhaltenssteuerung.319 Er spricht selbst von „betriebswirtschaftlichen Normen“.320 In diesem Geiste gibt die Unternehmensbewertungslehre insbesondere mit ihrem Entscheidungswert präskriptiv vor, wie „es sein soll“.321 Es sollen keine Zusammenhänge erklärt, sondern menschliches Verhalten durch die Fixierung von Entscheidungsregeln im Sinne „ordnungsgemäßen Verhaltens“ gelenkt werden.322 Wir haben es bei der modellgestützten Bewertung nach dem Barwertkalkül also mit einem normativen Modell zu tun. Es will Zusammenhänge nicht (nur) beschreiben und erklären, sondern sie auch bewerten. Eine gerne gewählte Formulierung ist diejenige vom „theoretisch richtigen Verfahren“ der Unternehmensbewertung, vom „theoretisch richtigen Wert“.323 Diese Perspektive entspricht dem Anspruch der Betriebswirtschaftslehre. Als praktisch-normative Wissenschaft will sie Entscheidungsalternativen aufzeigen und eine Aussage darüber treffen, wie das Entscheidungsverhalten sein soll. Sie entwickelt normative Entscheidungsmodelle und postuliert die Rationalität des Entscheidungsverhaltens324, was unvermittelt zu dem von ihr vorausgesetzten Menschen führt: den Menschen einerseits als bedürftiges Individuum, andererseits als rational handelndes, seinen Nutzen maximierendes oder zumindest seine Mittel optimierendes Wesen (siehe zu dieser Annahme bereits § 1 III. 3. a.). Dies führt (auch) bei der Bewertung zu axiomatisch aufgestellten ökonomischen Vernunftregeln, die sodann ihre weiteren präskriptiven Konkretisierun319 Zum (präskriptiven) Sollenscharakter von Normen statt vieler Braun, Einführung in die Rechtswissenschaft, S. 4; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 251; B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 94 ff.; R. Zippelius, Methodenlehre, S. 2. 320 A. Moxter, zfbf 32 (1980), S. 454; später derselbe, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, passim. 321 Zur präskriptiven Entscheidungstheorie zum Beispiel G. Bamberg/A. G. Coenenberg/M. Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 3 ff.; H. Laux/R. M. Gillenkirch/H. Y. Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, S. 18 f. 322 Siehe vor allem W. F. Fischer-Winkelmann, BFuP 61 (2009), S. 343 ff. 323 Vgl. zum Beispiel BGH v. 9.11.1998, II ZR 190/97, BGHZ 140, 35, 38; M. Lausterer, Unternehmensbewertung zwischen Betriebswirtschaftslehre und Rechtsprechung, S. 45; D. J. Piltz/E. Wissmann, NJW 1985, 2673, 2674; M. Zieger/S. Schütte-Biastoch, FB 2008, 590. 324 G. Bamberg/A. G. Coenenberg/M. Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 3 ff. u. S. 11 f.; H. Laux/R. M. Gillenkirch/H. Y. Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, S. 18 f. u. S. 41 ff. (dort auch zur Abhängigkeit der Rationalität von der Zielvorstellung).

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gen für die Bewertung im Besonderen erfahren: Wer nicht auf den Nutzen und damit auf die künftigen Überschüsse abstellt, handelt ökonomisch irrational.325 Die bezweckte Verhaltenssteuerung tritt hier, aber auch bei anderen Autoren und insbesondere bei den nachfolgend noch darzustellenden „Grundsätzen zur Unternehmensbewertung“ des Instituts der Wirtschaftsprüfer, deutlich hervor.326 Aus ihrer betriebswirtschaftlichen Perspektive ist die funktionale Unternehmensbewertungslehre überzeugend; präskriptive Aussagen entsprechen ihrem Anspruch. Ob und inwieweit diese Perspektive aber auch normativen Bewertungsanlässen gerecht wird, mit ihnen „kompatibel“ ist, ist aber eine andere Frage. Aus juristischer Sicht haben wir es hier mit der – im Detail allerdings erst später zu würdigenden, hier aber schon einmal angedeuteten – Kernfrage jeder Rezeptionstheorie zu tun: Besteht in Bezug auf außerjuristische Erkenntnisse Rezeptionsbedarf nach positiver Theorie und Empirie oder nach normativer Theorie?327 Oder anders gefragt: Ist die Bewertung aus rechtlichem Anlass auf die Preisschätzung im Einklang mit der sozialen Wirklichkeit gerichtet oder verlangt die Norm die Schätzung eines theoretisch richtigen, aber von der sozialen Wirklichkeit gegebenenfalls entkoppelten Wertes? Blenden wir das (juristisch) normative Rezeptionsproblem aber nach wie vor erst einmal aus. Wenn sich „die Praxis“ steuern lässt, führt dies „Sollen“ und „Ist“ zusammen. Diese Zusammenführung von „Sollen“ und „Ist“ kann durch verschiedene, sich gegebenenfalls auch erst wie ein Mosaik zusammenfügende, wechselseitige „Einflüsse“ der verschiedenen „Diskursakteure“ bedingt sein: bb) Beginnen wir mit dem „Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland“ und seinen Verlautbarungen. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IdW e.V.) ist ein eingetragener privatrechtlicher Verein und gibt eine Reihe von fachlichen Verlautbarungen heraus. Hierzu gehören: Fachgutachten (IdW FG), Prüfungsstandards (IdW PS), Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IdW RS) und (allgemeine) Standards (IdW S). Mit Blick auf die Bewertung sind hier vor allem die Standards IdW S1 („Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“) und IdW S5 („Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögensgegenstände“) zu nennen. 325 A. Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 97. 326 Auf diesem präskriptiven Anspruch sodann auch für das Steuerrecht aufbauend zum Beispiel die Untersuchungen von F. Schleithoff, Die Unternehmensbewertung im deutschen Steuerrecht und A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Methoden im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, dazu sogleich noch unter § 3 III. 3. b. cc) (3). 327 Vgl. J. Lüdemann, in: Boysen/u.a., Netzwerke, S. 268, 280.

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Hinzuweisen ist ferner auf die „IdW-Stellungnahme zur Rechnungslegung: Anwendung der Grundsätze des IdW S1 bei der Bewertung von Beteiligungen und sonstigen Unternehmensanteilen für die Zwecke eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses“ (IdW RS HFA 10). Der Standard IdW S1 fixiert heute die Ertragswertkonzeption (einschließlich Discounted-Cashflow-Verfahren328) und befindet sich damit auf einer Traditionslinie seit der Stellungnahme des Hauptfachausschusses aus dem Jahr 1983, in der erstmals auch die Entwicklung in der betriebswirtschaftlichen Bewertungslehre hin zur investitionstheoretischen Ertragswertkonzeption nachvollzogen wurde.329 Der Standard IdW S1 suggeriert direkt zu Beginn (Tz. 1) einen lediglich deskriptiven Anspruch: „Dieser IdW Standard legt vor dem Hintergrund der in Theorie, Praxis und Rechtsprechung entwickelten Standpunkte die Grundsätze dar, nach denen Wirtschaftsprüfer unternehmen bewerten“. Hier gilt aber nichts anderes, als bereits im Kontext mit der Aussage Adolf Moxters' zuvor formuliert wurde: In Wirklichkeit handelt es sich um präskriptive Verhaltensnormen. Der IdW e.V. formuliert nicht, wie es ist. Er formuliert, wie es aus seiner Sicht sein soll.330 Welche Relevanz haben nun diese Standards? Die Satzung des IdW e.V. verpflichtet die Mitglieder des IdW e.V., diese Standards einzuhalten. Es handelt sich also originär nur um eine vereinsrechtliche Bindung; Rechtsnormcharakter haben die Standards nicht.331 Gleichwohl soll sich über § 43 WPO eine mittelbare Bindung und damit vor allem auch normative Relevanz einstellen. Gemäß § 43 Abs. 1 WPO hat der Wirtschaftsprüfer seinen Beruf (unter anderem) „gewissenhaft“ auszuüben. § 4 Abs. 1 der Satzung der Wirtschaftsprüferkammer über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers (BS WP/vBP) konkretisiert dies dahingehend, dass Wirtschaftsprüfer nicht nur die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten ha328 Siehe IdW S1 Rn. 102 ff. (Ertragswertverfahren) und Rn. 124 ff. (Discounted-Cash-Flow-Verfahren); andere Verfahren sollen lediglich der Plausibilisierung des nach diesen Verfahren gewonnenen Bewertungsergebnisses dienen (IdW S1 Rn. 143). 329 Stellungnahme IdW HFA Stellungnahme 2/1983, WPg 1983, 468 ff. 330 Überzeugend W. F. Fischer-Winkelmann, BFuP 61 (2009), S. 343, 352; in diese Richtung auch A. Gehringer, Abschlussprüfung, Gewissenhaftigkeit und Prüfungsstandards, S. 113 ff. 331 In diesem Sinne die (zutreffende) überwiegende Meinung, siehe nur AG Duisburg v. 31.12.1993, 23 HR B 3193, DB 1994, 466, 467; A. Gehringer, Abschlussprüfung, Gewissenhaftigkeit und Prüfungsstandards, S. 113 ff.; B. Hense, in: Hense/Ulrich, WPO, Einl. Rn. 52; K. J. Hopt, in: Festschrift f. Pleyer, S. 341, 363; D. Rückle, BFuP 32 (1980), S. 54, 63; J. Wüstemann, BB 2007, 2223.

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ben, sondern auch „fachliche Regeln“. Nach dem Selbstverständnis des IdW e.V., aber auch der Literatur zu § 43 WPO, sollen die IdW-Standards „im Zweifel“ solche fachlichen Regelungen darstellen.332 Dies bedeute nicht zwingend eine Übernahme jedes Standards, aber doch die Pflicht zu deren Berücksichtigung im Sinne einer „best practise“, als „state of the art“.333 Die Steuerungskraft (und -macht), die den (präskriptiv formulierten) Standards dieses privatrechtlichen Vereins damit zuteil wird, ist infolgedessen nicht unerheblich. Ungeachtet der Frage, wie man die vorgenannte Auffassung zur mittelbaren normativen Relevanz dieser Standards würdigt334, orientiert sich der praktisch tätige Wirtschaftsprüfer jedenfalls tatsächlich hieran und dies ist für die hier interessierende Fragestellung in Bezug auf „Sollen“ und „Ist“ (erst einmal) allein maßgeblich. Die bereits wiedergegebenen Zitate aus der Rechtsprechung zeigen ferner, dass die Standards von der Rechtsprechung zur Kenntnis genommen, gewür­digt und zum Maß der Orientierung gemacht werden (§ 1 III. 2.). Ihre faktische Autorität und damit die über den vereinsrechtlichen Rahmen hinausreichende Steuerungswirkung beruhen unter anderem auf der (vermeintlichen) Sachkompetenz der Verfasser und äußern sich hieran anknüpfend in einem Rechtfertigungsdruck bei abweichender Ansicht.335 cc) Ein weiterer Akteur ist der Gesetzgeber. Er kann sich bei der Formulierung eines Rechtswertes von den präskriptiven Aussagen der Wissenschaft und beruflicher Interessenvertretungen (Institut der Wirtschaftsprüfer e.V., siehe zuvor) beeinflussen lassen und dies wiederum kann das außerjuristische Verhaltensmuster der Verkehrsteilnehmer beeinflussen. Die Gesetzesnorm kann hier auch außerhalb ihres Geltungsbereichs (zum Beispiel Steuerrecht) eine normative Leitbildfunktion ausüben.336 332 Zum Beispiel B. Hense, in: Hense/Ulrich, WPO, Einl. Rn. 52; in diese Richtung – allerdings mit weitergehenden Einschränkungen – auch K. J. Hopt, in: Festschrift f. Pleyer, S. 341, 362 f.; (ohne Begründung und undifferenziert) behauptet allerdings F. Schleithoff, Die Unternehmensbewertung im deutschen Steuerrecht, S. 68 eine Bindung über § 43 WPO. 333 So Schnepel, in: Hense/Ulrich, WPO, Vor § 43 Rn. 3. 334 Meines Erachtens zutreffend (zurückhaltend) A. Gehringer, Abschlussprüfung, Gewissenhaftigkeit und Prüfungsstandards, S. 139, demzufolge die fachlichen Regeln empirisch zu konkretisieren sind mit der Folge, dass ein IdW-Standard über § 4 Abs. 1 BS WP/vBP die Gewisshaftigkeit nur dann konkretisieren kann, wenn empirisch feststellbar ist, dass er von einer beachtlichen Zahl der Wirtschaftsprüfer als fachgerecht angesehen wird. 335 Ebenso A. Gehringer, Abschlussprüfung, Gewissenhaftigkeit und Prüfungsstandards, S. 151. 336 Zum Einfluss des Rechts auf die soziale Wirklichkeit zum Beispiel A. Scherzberg, in: Festschrift f. Erichsen, S. 177, 198; R. Zippelius, Rechtsphilosophie, S. 57 f.

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Verlassen wir dafür einmal das Referenzfeld der Unternehmensbewertung und blicken wir auf die Grundstücksbewertung, wo die normative Leitbildwirkung am deutlichsten hervortritt: Das Baugesetzbuch bestimmt in §§ 193 f. BauGB im Dritten Kapitel („sonstige Vorschriften“) den Verkehrswert zum Leitmaßstab für die Grundstücksbewertung durch die Gutachterausschüsse. Wie dieser Verkehrswert („Preis, der […] im gewöhnlichen Geschäftsverkehr […] zu erzielen wäre“ [§ 194 BauGB]) zu ermitteln ist, gibt wiederum die auf die Ermächtigungsgrundlage in § 199 BauGB gestützte Immobilienwertermittlungsverordnung vom 19.5.2010337 (ImmowertVO) nebst Wertermittlungs-Richtlinien vor und zwar in Abhängigkeit von der Art des Bewertungsobjektes in Gestalt des Vergleichswert-, Ertragswert- und Sachwertverfahrens. Die Auswahl des Verfahrens liegt im Ermessen des Gutachters (§ 3 ImmowertVO). Wenngleich keine gesetzliche Regelung eine ausdrückliche Verweisung herstellt, so geht die einhellige Auffassung davon aus, dass § 199 BauGB i.V.m. der ImmowertVO auch in anderen Rechtsgebieten maßgeblich ist, sofern der Verkehrswert dort nicht eigenständig geregelt ist (daher: keine Anwendung im Steuerrecht, weil es eine eigenständige Regelung enthält338). Dies gilt zum Beispiel für § 74a ZVG, der das Wort Verkehrswert explizit verwendet339, soll aber auch im materiellen Zivilrecht insgesamt gelten, wenn es dort auf einen „Wert“ für ein Grundstück ankommt.340 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass das BauGB insoweit das Zivilrecht ergänze.341 Rechtsmethodisch würde ich freilich nicht so weit gehen und hieraus eine rechtliche Verbindlichkeit ableiten. Nach meinem Dafürhalten äußert sich hier vielmehr die normative Leitkraft der ImmowertVO, die sie nämlich aufgrund ihrer sachlichen Akzeptanz und Überzeugungskraft im Laufe der Jahrzehnte auch über ihren originären „bodenrechtlichen

337 BGBl. I 2010, S. 639; Vorläufer war die Wertermittlungsverordnung (WertV) zuletzt vom 6.12.1988 (BGBl. I 1988, S. 2209). 338 Beim grunderwerbsteuerbaren Grundstückstausch, wo der gemeine Wert des hingegebenen Grundstücks maßgeblich ist, soll hingegen zur Ermittlung des gemeinen Wertes ausnahmsweise auf die baurechtlichen Vorschriften zurückgegriffen werden können (siehe FG Münster v. 12.8.1998, 8 K 5129/94, EFG 1999, 247). 339 Statt vieler BGH v. 2.4.2009, V ZB 157/08, NJW 2009, 1888, 1889; U. Hintzen, in: derselbe/Engels/Rellermeyer, ZVG, § 74a Rn. 46; K. Stöber, ZVG, § 74a Rn. 7.3; bemerkenswert ist, dass weder der BGH noch die Literatur überhaupt thematisieren, warum die ImmoWertVO den § 74a ZVG konkretisiert. 340 Dieterich, in: Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 194 Rn. 8. 341 So Dieterich, in: Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 194 Rn. 8; F. Freuding, BayVBl. 1982, 108, 109.

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Anwendungsbereich“ hinaus im Rechtsverkehr erlangt hat.342 Das Gesetz wird hier zur Informationsquelle über eine Verkehrsübung und damit zugleich über eine Verhaltenserwartung; dies ist mit Leitbildfunktion gemeint. Kommen wir zur Unternehmensbewertung zurück. Auch dort lässt sich eine normative Leitbildwirkung ausmachen – wenn auch nicht so intensiv, wie gerade zuvor beschrieben. Die normative Leitbildeignung der steuerlichen Unternehmensbewertung beruht darauf, dass hier die Bewertungsnormen und damit auch die gesetzgeberischen Vorstellungen – anders als zivilrechtliche Bewertungsnormen – sehr konkret gefasst sind. Sie können also – neben vollzugsorientierten Zwecken (Typisierung, Vereinfachung) – auch Ausdruck einer inhaltlichen Stellungnahme zu einer oder mehreren Bewertungskonventionen sein: Bestärkt es den Praktiker nicht in der Akzeptanz einer außerrechtlichen Entscheidungsfindung auf der Grundlage von Ertragswertverfahren, wenn der Gesetzgeber ihnen in § 11 Abs. 2 BewG Anerkennung zollt und dies gegebenenfalls sogar im Sinne eines Primats343, sie jedenfalls aber sprachlich als Beispiel hervorhebt? Meines Erachtens ist es nicht unrealistisch, wenn demnächst Sachverständige und im Anschluss hieran sodann auch die Zivilrichter in der Neufassung des § 11 Abs. 2 BewG die Bestätigung für das von ihnen verwendete Modell suchen344 (und wohl auch finden werden). Entsprechendes gilt auf weitaus konkreterer, nämlich auch Detailfragen umfassender Stufe für das vereinfachte Ertragswertverfahren, wie es in den §§ 199 ff. BewG seine normative Fixierung erfahren hat. Ungeachtet der später hieran noch zu formulierenden Kritik ist bereits seit seiner Einführung zum 1.1.2009 das Phänomen zu beobachten, dass sich die Menschen hieran (zumindest als ersten Ausgangspunkt) orientieren, weil es einfach und 342 In diese Richtung gegebenenfalls auch U. Hintzen, in: derselbe/Engels/Rellermeyer, ZVG, § 74a Rn. 46, der von „für nahezu alle Bereiche anerkannten Grundsätzen“ spricht. 343 Zum Methodenverhältnis des § 11 Abs. 2 BewG auch noch eingehend § 3 III. 2. b. cc) (3). 344 Für einen derart „bestätigenden Seitenblick“ sei zum Beispiel auf die Kali und Salz-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.3.1978 hingewiesen, in der es um die Angemessenheit der Gegenleistung bei einer Kapitalerhöhung ging, was wiederum eine Bewertung erforderte: „Nach einer in der Betriebswirtschaftslehre bislang vorherrschenden Auffassung ist der Unternehmenswert in der Regel durch eine Verbindung von Substanzwert und Ertragswert zu ermitteln, wobei teils der eine, teils der andere Faktor zum Ausgangspunkt genommen oder als der gewichtigere betrachtet wird ([…]). Dieser Art der Bewertung hat im Prinzip auch in der steuerlichen Gesetzgebung und Gesetzgebungspraxis Eingang gefunden (vgl. dazu Moxter, DB 1976, 1585 ff.)“ (BGH v. 13.3.1978, II ZR 142/76, BGHZ 71, 40).

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verständlich ist – ein nicht zu unterschätzender Aspekt, der auch dem (allerdings nicht positiv-rechtlich, sondern lediglich von der Finanzverwaltung durch Verwaltungsvorschrift fixierten) Stuttgarter Verfahren praktische Anerkennung vermittelte und dies trotz seiner Mängel (insbesondere nach dem 31.12.1992: Ableitung des Vermögens aus Steuerbilanzwerten, dazu noch § 9 II. 2.). Insoweit bleibt die letztendliche Einflussnahme auf die Praxis allerdings noch abzuwarten. Wichtig ist jedenfalls, dass man den Zusammenhang erkennt: So wie einerseits das Gesetz die außerjuristische Wertdiskussion rezipiert oder auch nur reflektieren will, ist andererseits die außerjuristische Wertdiskussion nicht selten gerade auch ein Spiegel der Bewertungsrechtslage – hier vor allem erst einmal verstanden als die vom Gesetzgeber selbst vorgenommene Konkretisierung. dd) Erst Recht und vor allem auch im besonderen Maße gilt dies für die Rechtsprechung und ihre Auslegungspraxis in Bezug auf Bewertungsrechtsnormen. Die Wirkung von höchstrichterlichen Entscheidungen auf Gesellschaft und Staat ist unbestritten. Hierzu trägt insbesondere bei, dass die Gerichte ungeachtet der Einzelfallbezogenheit mehr oder minder abstrakte „Rechtssätze“ formulieren, sei es in Gestalt von Präzisierungen und Wertausffüllungen von Rechtsbegriffen, sei es in Gestalt von Lückenfüllung, sofern das Recht punktuell unvollständig ist, oder sei es in Gestalt sogar von sog. gesetzesvertretenden Richterrecht, sofern es überhaupt an geschriebenen Regeln in einem Rechts- oder Lebensbereich fehlt.345 Gerichte, die ihre Entscheidungen mitsamt Begründung veröffentlichen, nehmen daher zwangsläufig und überdies vielfach auch bewusst an der Bewertungsdiskussion teil. Insoweit gilt nichts anderes als für ihre Teilnahme am allgemeinen Rechtsdiskurs auch.346 Denn der Richterspruch nimmt für sich in Anspruch, dass der (sachverständig beratene) Richter nach selbständiger und eigenverantwortlicher Prüfung die angewandte Bewertungsmethode und die ihr zugrunde gelegten Prämissen für überzeugend erachtet hat. Die Urteilsbegründung erhebt im Gegensatz zum angewendeten Rechtssatz den Anspruch auf Richtigkeit im Sinne einer zutreffenden Erkenntnis. Der Richter ordnet nicht an, sondern will und muss überzeugen.347 Er darf eben nicht lediglich darauf verweisen, dass eine Bewertungsmethode so vertreten wird und jeden345 F. Ossenbühl, Richterrecht im demokratischen Rechtsstaat, S. 7 ff.; J. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 61 f.; 63 ff.; 80 ff.; 91 ff.; 104 ff. 346 Dazu A. v. Bogdandy/I. Venzke, ZaöRV 70 (2010), S. 1, 14; P. Kirchhof, in: Festschrift für die Jurististische Fakultät Heidelberg, S. 9, 15 f.; B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 89. 347 K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 264.

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falls nicht zu beanstanden ist. Wenn auch sachverständig beraten, so trifft doch immer der Richter letztverantwortlich die Bewertungsentscheidung (dazu noch § 6 III.). Während die finanzgerichtliche Rechtsprechung dem Ertragswertverfahren jedenfalls für die Erbschaft- und Schenkungbesteuerung nach Maßgabe der Rechtslage bis zum 31.12.2008 mit Hinweis auf die damalige, den Rechtsanwender neben den Ertragsaussichten auch auf die Berücksichtigung des Vermögens verpflichtende Fassung des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F. sowie die Notwendigkeit einer „vorsichtigen, schonenden Bewertung“ skeptisch bis ablehnend gegenüberstand348, finden sich in der zivilund verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vielfach bestätigende (inhaltliche) Aussagen: So favorisiert der Bundesgerichtshof seit seiner Entscheidung vom 12.2.1979 das Ertragswertverfahren, wegen der „ohne weiteres erkennbaren Nähe der Ertragswertmethode zu den üblichen Bewertungsmethoden und der inneren Folgerichtigkeit“ ihrer Durchführung.349 Ähnlich verhält es sich mit einer gut zwanzig Jahre später begründeten Erkenntnis, wonach der Tatrichter zwar nicht zwingend nach der Ertragswert­methode bewerten müsse, der II. Senat des Bundesgerichtshof aber gleichwohl kundtut, dass der Barwert der zukünftigen Überschüsse grundsätzlich den „theoretisch richtigen Wert“ darstelle.350 Ferner sind Aussagen anzutreffen, die vorgeben, lediglich eine Beobachtung wiederzugeben, so zum Beispiel in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1999: „In der Praxis hat sich für die zur Bestimmung der angemessenen Abfindung […] notwendige Ermittlung des wahren Unternehmenswertes die sogenannte Ertragswertmethode durchgesetzt (vgl. Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, Die Wirtschaftsprüfung 1983, S. 468 ff.)“.351 Ob die Auffassung des Instituts der Wirtschaftsprüfer wirklich für das tatsächlich zu beobachtende Verhaltensmuster repräsentativ ist, wird vom Bundesverfassungsgericht allerdings nicht empirisch verifiziert. Letztlich tritt an die Stelle von Empirie die Autorität des Gerichts. Auch im jüngeren Erbschaftsteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7.11.2006, der 348 Siehe vor allem BFH v. 29.1.1992, X R 193/87, BStBl. II 1992, 465; siehe hierzu insbesondere auch noch § 8 I. 1. c. aa) und § 9 II. 3. 349 BGH v. 12.2.1979, II ZR 106/78, WM 1979, 432; zuvor hingegen noch unter Hinweis auf die entsprechende „Bewertungspraxis“ eine Kombination von Substanz und Ertrags bevorzugend zum Beispiel BGH v. 13.3.1978, II ZR 142/76, BGHZ 71, 40. Siehe ferner noch die Rechtsprechungsanalysen bei M. Lausterer, Unternehmensbewertung zwischen Betriebswirtschaftslehre und Rechtsprechung, S. 101 ff. sowie D. J. Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, passim. 350 BGH v. 9.11.1998, II ZR 190/97, BGHZ 140, 35, 38. 351 BVerfG v. 27.4.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 269, 307.

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seinerseits wiederum den Gesetzgeber in Bezug auf den zum 1.1.2009 reformierten, im vorherigen Absatz bereits genannten § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG beeinflusst hat, findet sich eine solche vorgebliche „Beobachtung“: „Der gemeine Wert von Betriebsvermögen kann nach verschiedenen Methoden ermittelt werden. Nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur dürfte hierfür die Ertragswertmethode unter Berücksichtigung des Substanzwerts (vor allem des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, weil dieses den Ertrag nicht mit erwirtschaftet) vorherrschend sein ([…]). […] Keinen wesentlich anderen Ansatz verfolgen die sog. Discounted Cash Flow-Verfahren, die in der betriebswirtschaftlichen Literatur im Vordringen befindlich sind“.352 Solche judikativ-autoritären Aussagen betreffen freilich nicht nur die methodische Auswahlfrage (Ertragswertverfahren oder andere Verfahren?). Die Rechtsprechung hat sich seit jeher vor allem auch mit Detailfragen innerhalb eines methodischen Ansatzes beschäftigt und ihre Meinung hierzu formuliert.353 Solche inhaltlichen oder auch nur vorgebliche Beobachtungen zur tatsächlichen (rechts-) praktischen Übung tätigenden Aussagen haben Fernwirkungen auf die soziale Wirklichkeit. Sie können im außerjuristischen Bereich das beobachtbare Verhaltensmuster beeinflussen – sei es im Sinne einer Konkretisierung oder Veränderung des Verhaltensmusters oder sei es im Sinne einer Vorzugsentscheidung bei mehreren Verhaltensmustern. Denn weil es keine Wertrealität gibt, sondern immer nur eine mehr oder weniger verbreitete, anerkannte Konvention in Ansehung der Tauschwertbildung für bestimmte Gegenstände oder eine Gruppe von 352 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 38. Die empirische Absicherung dieser Aussage stellt sich als (unnötige) Verweisungskette dar: Der 1. Senat verweist beispielsweise für seine Behauptung, dass die Discounted-Cash-Flow Verfahren in der Literatur (!) im Vordringen befindlich seien, auf Ulmer, in: Münchener Kommentar, 4. Auflage, BGB, § 738 Rn. 36, dieser wiederum zitiert in seiner Fn. 9 W. Müller, in: Festschrift f. Bezzenberger, S. 704, 707 f., der selbst wiederum nur die empirische Untersuchung von V. H. Peemöller/S. Kunowski/J. Hillers WPg 1999, 621 ff. wiedergibt. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass die Discounted Cashflow-Verfahren in der „Praxis“ sehr verbreitet sind. Letztlich dürfte das Bundesverfassungsgericht dies auch gemeint haben. 353 Siehe vor allem die obergerichtliche Rechtsprechung zum CAPM (siehe die Nachweise bei § 6 II.) und siehe ferner gerade unter dem Gesichtspunkt der argumentativen Herleitung aus einer „Bewertungslogik heraus“ aus der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zum Beispiel BFH v. 8.2.1989, II R 53/86, BStBl. II 1989, 349, 350 f. (Verfügbarkeit der maßgeblichen Überschüsse und kein Abzug der Körperschaftsteuer, da sie im Anrechnungsverfahren keine definitiv Belastung bewirke) und BFH v. 25.1.1979, IV R 56/75, BStBl. II 1979, 302, 303 f. (Berücksichtigung eines Unternehmerlohns).

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Gegenständen, können das Gesetz selbst und die von den Gerichten geübte Auslegung die Konvention prägen, gar verändern, solange im Ziel (Tauschwert) Deckung besteht. Für Bewertungen, bei denen im Vorfeld schon absehbar ist, dass sie vielleicht irgendwann einmal juristische Relevanz erlangen könnten, folgt dies bereits daraus, dass das Bewertungsgutachten „gerichtsfest“ sein soll. Eine Orientierung an der Rechtsprechung ist die Folge.354 Aber auch dort, wo eine solche Gerichts- oder Verwaltungsverfahren antizipierende Perspektive fehlt, kann sich eine Beeinflussung einstellen. Hier spielt freilich vieles zusammen. Dies kann durch die Einsichtigkeit der Sachargumente bedingt sein. Es kann auch dadurch veranlasst sein, dass dem Bewertenden – vergleichbar dem Präjudizienphänomen – Begründungsaufwand abgenommen wird. 355 ee) Des Weiteren sei – wenn naturgemäß auch mit geringerer Autorität als die Rechtsprechung – auf die Teilnahme der Finanzverwaltung am Bewertungsdiskurs hingewiesen. Vor der Erbschaftsteuerreform hatten die Oberfinanzdirektionen Rheinland und Münster einen Leitfaden für die Bewertung nicht börsennotierter Anteile an Kapitalgesellschaften entwickelt, der in Anlehnung an den IdW S1 (Unternehmensbewertung) eine Bewertung nach Ertragswertgrundsätzen vorsah.356 Ferner ist die Verwaltungsauffassung zu § 1 Abs. 3 AStG zu nennen: So verwei­st das Bundesministerium der Finanzen in seiner Verwaltungsanweisung zur ertragsorientierten Bewertung einer verlagerten Funktion (zu bewerten ist das sog. Transferpaket, § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG, dazu noch § 3 III. d. cc]) explizit auf den IdW S1 und den IdW S5 (Bewertung immaterieller Vermögensgegenstände).357 Sie schließt zwar andere „betriebswirtschaftlich anerkannte Verfahren zur Barwertermittlung“ für die Bewertung eines Transferpaketes nicht aus.358 Aber allein die Tatsache, dass die Verwaltung dem Steuerpflichtigen hier zwei IdW-Standards „an die Hand gibt“, die sie selbst für geeignet hält, kann eine verhaltensbeeinflussende Wirkung im Kontext von Sollen und Ist bewirken. 354 Vgl. für die Bewertung im Besonderen M. Lausterer, Unternehmensbewertung zwischen Betriebswirtschaftslehre und Rechtsprechung, S. 26 u. 29 f.; zur Steuerungswirkung der (gerichtlichen) Kontrollerwartung im Allgemeinen C. Möllers, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 3 Rn. 27. 355 Dazu beispielsweise B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 236 ff.; C. Schönberger, VVDStRL 71 (2012), S. 296, 319. 356 Siehe zu diesem Leitfaden A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Methoden im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 125 Fn. 2.; F. Schleithoff, Die Unternehmensbewertung im deutschen Steuerrecht, S. 154 ff. 357 BMF v. 13.10.2010, BStBl. I 2010, 774, Rn. 63. 358 BMF v. 13.10.2010, BStBl. I 2010, 774, Rn. 89.

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ff) Schließlich – vielfach auch in Wechselwirkung mit den beiden vorgenannten Punkten – muss man die wissenschaftliche Lehre an den Universi­täten in den Blick nehmen. Die wesentliche Wechselwirkung zwisch­ en Wissenschaftserkenntnis („Sollen“) und praktischer Übung („beobachtbares Verhaltensmuster“) erfolgt zum einen über die wissenschaftliche Ausbildung der Ökonomen, die bewerten oder die anlässlich einer Bewertung beraten (sei es intern, sei es als externe Berater, zum Beispiel Wirtschaftsprüfer). Sie beraten Käufer und Verkäufer dahingehend, wie sie ihre Preisvorstellung vernünftigerweise („Sollen“) zu bilden haben. Zum anderen wirken Hochschullehrer gegebenenfalls in den Gremien des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. (zum Beispiel im Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft [FAUB]) mit.359 gg) Begünstigt wird die Zusammenführung von Sollen und Ist dadurch, dass die Mehrheit der bewertenden Menschen nur einen sehr beschränkten Zugang zu Preisbildungsprozessen hat. Sie spielen sich – insbesondere im Bereich der Unternehmensbewertung im Vorfeld von Transaktionen – naturgemäß im Verborgenen ab. Die Geheimhaltung der ermittelten Grenzpreise liegt in der Natur der egoistischen Verhandlung. Aber auch das Verhandlungsergebnis selbst wird in der Regel nicht publik gemacht. Eine Ausnahme gilt lediglich bei Unternehmenserwerben, die über den Kapitalmarkt erfolgen, und unter Umständen solchen, die sich aus veröffentlichten Jahresabschlüssen des erwerbenden Unternehmens ableiten lassen. Dies bleibt nicht ohne Folgen für die Unternehmensbewertungslehre. Trefflich heißt es bei Wolf F. Fischer-Winkelmann: „Nur, wie sich die Bewertungsprozesse abspielen, abspielen können oder sollen etc. und wie beispielsweise Unternehmenskäufer beim Bewerten vorgehen, steht nicht in den Zeitungen, Zeitschriften, („Lehr-“) Büchern und Wirtschaftsperiodika. Wer mehr wissen will, muss sich intensiv umsehen, obwohl es sich doch im Grunde um eine „naive“ Frage handelt, wie denn das Bewertungsverhalten ist. Als originale Informa­tionsquellen bietet sich naheliegend dann die Wissenschaftsrichtung an, die sich mit den Unternehmensbewertungen als solcher insgesamt oder teilweise befasst, also die Unternehmensbewertungslehre, die sich aber diesbezüglich als fast „leer“ erweist. Dies ist kein fachspezifisches Manko. Letzteres rührt vielmehr daher, dass ein grundlegender Strang der Forschung in der deutschen Betriebswirtschaftslehre, nämlich die empirisch fundierte Grundlagenforschung unterentwickelt ist. Damit ist 359 So wird derzeit als Mitglied des FAUB ein Hochschullehrer geführt (siehe www. idw.de/idw/portal/d611006, zuletzt abgerufen am 25.2.2013).

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nicht gesagt, dass in der Betriebswirtschaftslehre keine empirischen Untersuchungen stattfinden, nur selten jedoch sind sie theoriegeleitet und entsprechen den den methodischen Standards der empirischen Sozialforschung, […]“360. Diese Aussage beschreibt das praktische Dilemma, warum es so schwierig ist, das „Ist“ in dem genannten Bereich der Unternehmensbewertung fundiert zu erfassen. Sie liefert damit zugleich (eine) Erklärung dafür, warum präskriptive Aussagen in diesem Bereich eine so gewichtige Rolle spielen können: Sie nutzen empirische Leerräume. Dies beinhaltet die Gefahr normativistischer Fehlschlüsse, nämlich von präskriptiven ökonomischen Modellen mit ihrer Annahme des homo oeconomicus auf die soziale Wirklichkeit. c. Zum Auseinanderfallen von präskriptiven Bewertungsgrundsätzen und tatsächlich geübten Bewertungsverhaltensmustern Sofern sich die Menschen nicht im Sinne des (wirtschaftswissenschaftlich) sachgerechten Sollens verhalten, kommt es zu einer – zum Teil sogar nennenswerten und nicht nur auf Detailfragen beschränkten – Diskrepanz von „Sollen“ und „Ist“, d.h. es entsteht eine (nicht rechtliche, sondern nur fachwissenschaftliche) Sollensordnung, die von ihren (potentiellen) Adressaten in der Praxis nicht angenommen wird. Betrachtet man die empirischen Erhebungen (siehe § 1 III. 3. a.), so gewinnt man den Eindruck, dass sich in nicht unbedeutenden Bereichen die „Realität hartnäckig den ausgefeilten Annahmen, die den Denkmodellen zugrunde liegen [widersetzt]“361. Bezeichnenderweise werden den theoretischen Modellen sog. „Praktikerverfahren“ gegenübergestellt.362 Solche finden wir vor allem für die Bewertung von kleineren und mittleren Unternehmen. Zu einem Auseinanderfallen von Sollen und Ist kann es aus den verschiedensten Gründen kommen. Dies geschieht zum Beispiel dann, wenn sich die Theorie derart von der Praxis löst, dass man sich gegenseitig nicht mehr versteht. Die Unternehmensbewertung wird immer technisierter und mathematischer363; die Modellannahmen werden immer axiomati360 W. F. Fischer-Winkelmann, BFuP 61 (2009), S. 343, 353. 361 M. Hommel, BB 2008, 1056. 362 Siehe zum Beispiel M. Zieger/S. Schütte-Biastoch, FB 2008, 590, 592 f. 363 Vgl. in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Kritik bei W. F. Fischer-Winkelmann, BFuP 61 (2009), S. 343 ff. sowie die Diskussion über praktischen und wissenschaftlichen Anspruch zwischen K. U. Pawelzik, CFB 2012, 35 ff. und F. Friedl/ B. Schwetzler, CFB 2012, 40 ff.

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scher. Dort, wo sie sich der empirischen Verprobung bewusst entziehen und ihre Theorien mittels ihrer Modellannahmen gegen die Realität „immunisieren“, erinnert dies an den von Hans Albert geprägten Begriff des Modell-Platonismus.364 Ferner kann es auf Seiten des anwendenden Geschäftsverkehrs eine psychologische Barriere geben. So kann die Diskrepanz darauf zurückzuführen sein, dass sich ein Verhaltensmuster („Praxis“) derart in den Köpfen der Geschäftsverkehrsteilnehmer etabliert hat, dass sich selbst die noch so (theoretisch) „richtige“ Erkenntnis nicht durchsetzen kann. Dass sich beobachtbare Verhaltensmuster gegen eine (vermeintliche) ökonomische Vernunft durchzusetzen scheinen, zeigt anschaulich die Diskussion um die nach wie vor immer noch auszumachende Verbreitung der sog. Umsatzmethode bei der Bewertung von Freiberuflerpraxen (dazu bereits § 1 III. 3. a.). So konstatiert Volker Römermann meines Erachtens zu Recht: „Die Umsatzmethode ist ebenso traditionsreich wie betriebswirtschaftlich fernliegend: Nicht vom Umsatz, sondern vom Gewinn lebt der Kaufmann. […] Marktteilnehmer orientieren sich seit Jahrzehnten an diesem Verfahren und der Wert einer Praxis ist das, was der Markt bereit ist, hierfür zu zahlen. Nicht für den dogmatischen Elfenbeinturm, sondern für Käufer und Verkäufer in der Praxis müssen Lösungen gefunden werden“.365 Ähnlich verhält es sich, wenn die DVFA Expert Group „Corporate Transactions and Valuation“ zu einem Methodenpluralismus (insbesondere mit gleichberechtigter Anerkennung von Multiplikatorenverfahren) rät366, weil investitionstheoretische Bewertungsverfahren (insbesondere IdW S1) eben nicht dem (international beobachtbaren) Marktverhalten entsprechen (sollen).367 364 H. Albert, in: Festschrift f. Weisser, S. 44 (in Bezug auf die theoretische Nationalökonomie). 365 V. Römermann, NJW 2012, 1694, 1697; ferner C. W. Barthel, DB 2011, 719 ff.; siehe auch noch BGH v. 24.10.1990, XII ZR 101/89, NJW 1991, 1547, 1548, wo die Ablehnung der Ertragswertmethode und die Heranziehung der berufsständischen Bewertungsempfehlung (im konkreten Fall für eine Arztpraxis: Substanzwert zuzüglich Goodwill, der im Grunde auf dem dreifachen eines um einen angemessenen kalkulatorischen Arztlohnes bereinigten Bruttoumsatzes beruht) durch das Berufungsgericht nicht beanstandet wurde und dies unter anderem auch deshalb, weil diese Methode in der Praxis der Kaufpreismessung verbreitet angewendet werde; in diesem Sinne auch BGH v. 6.2.2008, XII ZR 45/06, BGHZ 175, 207; ferner jüngst BGH v. 2.2.2011, XII ZR 185/08, NJW 2011, 2572, 2573, wo sich insbesondere (auch) die Weiterentwicklung bzw. die differenziertere Darstellung der berufsständischen Bewertungsvorschläge für bestimmte Fälle hin zu mehr Ertragswertorientierung niederschlägt. 366 CFB 2012, S. 43 ff., siehe auch bereits § 1 III. 3. a. 367 Instruktiv sodann auch die sich im Nachgang zur Veröffentlichung der DVFA-Empfehlungen entspinnende Diskussion zwischen M. Olbrich/D. Rapp, CFB 2012, 233 ff. und B. Schwetzler/C. Aders/J. Adolff, CFB 2012, 237: Erstere kritisie-

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Diese Erkenntnis gilt freilich nicht nur für das „Ob“ einer Methode, sondern auch für ihre Detailfragen. Worauf dieses Verhalten wider (vermeintlich) vernünftiger Bewertung beruht, ist letztlich irrelevant. Entscheidend ist, dass es zu beobachten ist. Entsprechendes gilt auch in Bezug auf die Discounted Cashflow-Methoden. Man mag ihnen zum Teil aus theoretischen Gründen skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Dort, wo sie sich jedoch in der sozialen Wirklichkeit zur Preisfindung etabliert haben, geben sie einen – zum Teil von den Kritikern als (unreflektiertes) „Mode-Phänomen“ bezeichneten368 – „Ist-Zustand“ wieder. Womöglich sehen wir dort, dass der Mensch hier mehr homo sociologicus ist, also nicht (nur) von klarsichtiger widerspruchsfreier ökonomisch rationaler Zielsetzung getrieben ist, sondern eben auch sozialen Normen unbewusst und unreflektiert folgt.369 Bewertungen erfahren ihre Rationalität also aus der Orientierung an beobachtbaren Regeln370; vielleicht bleiben sie aber auch schlicht rational unvollkommen. Ungeachtet dessen kann ein Abweichen von den präskriptiven Vorstellungen sogar von gewichtigen, ihrerseits „vernünftigen“ Argumenten getragen sein. So ist es meines Erachtens durchaus nachvollziehbar, wenn bei kleineren und mittleren (durch den persönlichen Einsatz des Inhabers geprägten) Unternehmen dem Substanzwert mehr Beachtung geschenkt wird, weil hiermit die Erwartung verbunden ist, dass sich dieser Substanzwert nicht ohne weiteres verflüchtigen kann, während die Zukunft ungewiss ist. Die Behauptung des Bundesgerichtshofs in einer Entscheidung aus dem Jahr 1986, wonach das „Stuttgarter Verfahren nicht schlechthin ungeeignet [ist], wenn es ein Unternehmen zu bewerten gilt, das seine Erträge weniger mit Vermögenssubstanz als durch den persönlichen Einsatz seiner Geschäftsführer erwirtschaftet“ und dass deshalb das der Ertragswertmethode zugrunde liegende Modell der unren die Empfehlungen mit der Begründung, dass es lediglich wichtig sei, dass die Abfindung auf der Basis eines bewertungstheoretisch schlüssigen Verfahrens erfolgt, während die letztgenannten den DVFA-Ansatz verteidigen, wonach es vorrangig darauf ankommen soll, dass sich eine Bewertungsmethode am Markt etabliert hat. 368 So G. Brösel/R. Hauttmann, FB 2007, 293. 369 Siehe nur R. Dahrendorf, Homo sociologicus, S. 37 ff.; M. Adams, JZ 1991, 941. 370 Dazu A. Scherzberg, in: Festschrift f. Erichsen, S. 177, 198; A. Voßkuhle, in: Trute/ Groß/Röhl/Möllers, Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, S. 637, 641 jeweils mit weiteren Nachweisen. Freilich geht es hier nicht zwingend um Gegensätze, wenn man sich vor Augen führt, dass auch die Befolgung anerkannter Verhaltensnormen vorteilhaft sein kann (U. Sacksofsky, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrecht, Band II, § 40 Rn. 33).

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endlichen Rente (revisionsrechtlich nicht zu beanstanden) nicht heranzuziehen ist, dürfte sich in der sozialen Preisfindungswirklichkeit durchaus wiederfinden. Weiter heißt es: „Dahinter steht die zutreffende Überlegung, dass der Mehrertrag, den das Unternehmen auf Grund der persönlichen Tüchtigkeit des ausscheidenden Gesellschafters abwirft, sich nach dessen Ausscheiden mit der Zeit verflüchtigt; soweit es dem verbleibendem bzw. neuem Gesellschaftern gelingt, die bisherige Rendite zu erhalten, ist das von einem gewissen Zeitpunkt ab eine Folge seiner eigenen persönlichen Fähigkeit.“371 Dies ist meines Erachtens plausibel. Aber auch dort, wo solche Überlegungen keine Rolle spielen und durchaus der „Goodwill“ und künftige Chancen „längerfristig“ abgegolten werden sollen, kann es ein Bedürfnis nach „einfacheren Verfahren“ geben. Die „Praktikabilität“ ist im Wettstreit der Bewertungsmethoden ein nicht zu unterschätzender Aspekt.372 So kann es ein praktisch wichtiger Grund für die Nichtberücksichtigung der Ertragswertmethode im Sinne des IdW S1 sein, dass sie in ihrer individuellen, zukunftsbezogenen Spielweise bei kleineren und mittleren Unternehmen zu einer Kostenbelastung führt, die außer Verhältnis zum (denkbaren) Wert des Unternehmens oder eines Anteils hieran steht.373 Nur wenige kleinere und mittlere Unternehmen halten beispielsweise die notwendigen Planungen vor, auf denen die Prognose aufbauen könnte. Die mangelnde Eignung betrifft vor allem aber die Kapitalmarktorientierung einiger bewertungsrelevanten Daten – sei es beim Discounted-Cash-Flow-Ansatz oder sei es bei der Ertragswertmethode, wie sie durch den IdW S1 „objektiviert“ wird. Sie sind sehr auf börsennotierte Großunternehmen zugeschnitten (Stichwort: CAPM), so dass sie auch in ihren Prämissen nur bedingt auf kleinere und mittlere, vor allem aber inhabergeprägte Unternehmen übertragbar sind. So kann man durchaus daran zweifeln, dass die Erwerber von kleinen und mittleren Unternehmen im Sinne eines zwischen mehreren Geldanlagen wählen könnenden Investors denken. Selbstverwirklichung und auch sonst mit ökonomischer Rationalität nicht zu erklärende Einflüsse sind hier eher anzutreffen als bei reinen Aktienkapitalinvestoren. Diese zu einseitige Orientierung an Großunternehmen mit (reinem) Anlagecharakter und einem diversifizierten Investor ist jedenfalls ein Vorwurf, der nicht selten gegenüber der Ertragswertbewertung und insbesondere ihrer Konkretisierung im IdW S1 erhoben wird (siehe noch eingehend § 6 II.). Es kann jedenfalls aus ver371 BGH v. 14.7.1986, II ZR 249/85, NJW 1987, 21; ferner BGH v. 24.10.1990, XII ZR 101/89, NJW 1991, 1547, 1548 (für eine freiberufliche Praxis). 372 So schon A. Moxter, zfbf 32 (1980), S. 454. 373 M. Zieger/S. Schütte-Biastoch, FB 2008, 590, 592 f.

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schiedenen Gründen schlicht ein praktisches Bedürfnis nach „einfacheren“, wenn auch methodisch nicht idealen Verfahren bestehen.374 Dies erkennt auch die theoretische Unternehmensbewertungslehre an.375 Hier darf insbesondere nicht der Eindruck entstehen, sie wolle jedes Unternehmen um jeden Preis auf der Grundlage der Ertragswertmethode „lege artis“ bewerten. Die Diskrepanz zwischen Sein und Sollen muss allerdings auch nicht immer so groß sein, wie es auf den ersten Blick erscheint. Wenn man beispielsweise die Möglichkeit einer starken Wertprägung der unendlichen Phase im Ertragswertverfahren betrachtet, scheint sich erst einmal ein grundlegender Widerspruch zu ergeben, wenn beim Verkauf einer bestimmten Art von Unternehmen (zum Beispiel kleinere, inhabergeprägte Unternehmen) die zukünftigen Erträge nur für eine kurze Zeit preisbestimmend sind (zum Beispiel für fünf Jahre). Insoweit sei noch einmal auf die Aussage des Bundesgerichtshofs im vorletzten Absatz hingewiesen. Bei genauem Hinsehen ist dies aber kein grundlegender Einwand gegen das unendliche Rentenmodell, das nämlich für diesen Aspekt durchaus offen ist: Wenn ab einem bestimmten Zeitraum die künftigen Erträge deshalb besonders ungewiss werden, weil die Person, die Fähigkeiten, die Kontakte etc. des alten Inhabers nicht mehr fortwirken, dann kann dem über den Risikozuschlag derart Rechnung getragen werden, dass selbst bei methodischer Verwendung eines unendlichen Rentenmodells die unendliche Phase gegenüber der Wertprägung der (zum Beispiel) ersten fünf Jahre keine nennenswerte Bedeutung mehr erlangt. Insoweit besteht die Diskrepanz also weniger im methodischen Umgang mit den Zukunftserträgen als vielmehr (allein) in der Frage, welchen Stellenwert der Substanz zukommt. Hier besteht in der Tat das Potential für eine auch im Ergebnis zu konstatierende Abweichung zwischen Sein und Sollen. Dies kann dann der Fall sein, wenn bei der Kaufpreisfindung dem Substanzwert auch dann höhere Bedeutung beigemessen wird, wenn selbst ein nach vorstehender Relativierung ermittelter befristeter Ertragswert (sei es eben auch nur faktisch durch die Wahl eines entsprechenden Risikozuschlages) höher ist; wenn also der Gedanke der künftigen Erträge wei374 Hierauf stellt beispielsweise sehr deutlich BFH v. 6.2.1991, II R 77/88, BStBl. II 1991, 459 unter Hinweis auf Bodarwé, Unternehmensbewertung: Wegbegleitung durch das Labyrinth der Theorien, S. 8 („aus den Wolken der reinen Lehre auf den Boden bekannter Tatsachen herabzusteigen“) ab; ebenso M. Rid, in: Festschrift f. Flick, S. 531, 532. 375 Siehe zum Beispiel W.-R. Bretzke, zfbf 40 (1988), S. 813, 818 f.; A. Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, S. 26. 33 f.; V. H. Peemöller, in: Festschrift f. Rödl, S. 165, 176 f.

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testgehend außer Acht gelassen wird, obwohl dafür angesichts des zu bewertenden Unternehmens gar kein Anlass besteht. Ein weiteres Beispiel für eine in nicht wenigen Fällen gar nicht so grundlegende Abweichung zwischen der Ertragswertkonzeption und anderen Methoden ist ferner das Multiplikatorverfahren. Hinter der Anwendung des Multiplikators auf eine bestimmte Kennzahl wie Gewinn oder Umsatz kann sich durchaus eine (sehr) vereinfachte Abbildung einer investitionstheoretischen Barwertbetrachtung befinden. Wer beispielsweise den Umsatz als Anknüpfungspunkt wählt, kann eine bestimmte typische Rentabilität (auch für die Zukunft) unterstellen und der gewählte Multiplikator steht unter Berücksichtigung dessen in der Sache, also der Vorstellung von der Vergütung des künftigen Nutzens, dem Kehrwert bei der Ertragswertmethode gar nicht so fern. Er ist wegen der vielen Vereinfachungsentscheidungen dann letztlich nur nicht so transparent in seiner Zusammensetzung gewählt, also in Bezug auf die jeweils zu treffenden Entscheidungen in Ansehung von Laufzeit, Zins, Risiko (insbesondere auch hier gegebenenfalls unterschieden nach einer näheren und einer unendlichen Phase) und sonstige Zu-/Abschläge. Es ist daher unter Umständen durchaus möglich, dass eine Wertermittlung mittels Multiplikation eines repräsentativen Gewinns in einen Diskontierungsvorgang zurückinterpretiert werden kann.376 Unterstellen wir, dass es durchaus Diskrepanzen zwischen Sein und Sollen gibt – sei es grundlegender Natur, sei es nur in Bezug auf Detailfragen, sei es in Bezug auf den Genauigkeitsanspruch. Je mehr das Modell vom „Sollen“ des Richtigen ohne Ansehung der Realität geprägt ist, umso weniger Bezug weist es zu den beobachtbaren Verhaltensmustern und damit zwangsläufig auch zu dem wahrscheinlich für einen Gegenstand erzielbaren Preis auf. Dies zeigen insbesondere „vereinfachende Praktikermethoden“, wo die in der realen Übung zum Ausdruck kommenden Vereinfachungsentscheidungen nicht ohne Einfluss auf den Genauigkeitsanspruch in Bezug auf das Preisfindungsverhalten bleiben und allein dies gemessen am Anspruch der „Bewertungstheorie“ schon eine Diskrepanz von Ist und Sollen bedeuten kann: Wer beispielsweise die Umsatzkostenmethode verwendet, gibt sich mit weniger „Genauigkeit“ zufrieden und auch diese „Pauschalität“, insbesondere der darin zum Ausdruck kommende simplifizierende Umgang mit der Unsicherheit, kann verkehrsübungsprägend sein. Insbesondere aus dieser Perspektive verdient die oben zitierte Aussage von Volker Römermann Zustimmung. Es geht 376 W.-R. Bretzke, zfbf 40 (1988), S. 813, 818; insoweit auch anschaulich seine Gliederungsüberschrift: „Die versteckte Intelligenz einer Daumenregel“.

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Der „Wert“ eines Gegenstandes

hier nicht darum, im Detail das Erkenntnis­interesse der theoretischen Unternehmensbewertungslehre zu hinterfragen oder zu vor diesem Hintergrund ausgetragenen Streitigkeiten Stellung zu beziehen. Umgekehrt gilt dies in Ansehung der Bewertungswirklichkeit ebenso; auch sie soll nicht – woran auch immer – gemessen und bewertet werden. Es geht vielmehr lediglich darum, dass man sich der Möglichkeit solcher Diskrepanzen gewahr sein muss. In dem Moment, wo sich Menschen nicht vollständig rational verhalten bzw. ihrer Rationalität nicht durch die „ideale“ methodische Vorgehensweise Ausdruck verleihen, führt dies nämlich zu dem für das hiesige Erkenntnisinteresse entscheidenden Punkt. Es zeigt, wie dringlich die aus spezifisch juristischer Sicht später noch zu beantwortende Kernfrage ist: Ist das tatsächliche, gegebenenfalls auch unvernünftige, gar ökonomisch irrationale, aber tradierte Verhaltensmuster der am Rechtsverkehr teilnehmenden Menschen unter den realen Marktbedingungen oder das Ideal ökonomischer Rationalität maßgeblich, wenn eine Diskrepanz zwischen beiden besteht? An dieser Stelle geht es zunächst nur darum, im rechtstatsächlichen Kontext schon einmal das Problem anzudeuten. Die Antwort auf die vorstehende Frage kann erst im Rechtskontext beantwortet werden. Denn die einschlägige Bewertungsnorm gibt ihren Konkretisierungsmaßstab jeweils selbst vor.

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§ 2 Der Rechtswert als Funktionsbegriff I. Bewertung im Steuerrecht: Ein erster Überblick über die Bewertungsnotwendigkeiten 1. Bewertung und Bemessungsgrundlage Rechtsnormen erfordern vielfach die Bewertung einer Sache, einer Dienstleistung, eines sonstigen Vorteils, eines (drohenden) Nachteils oder einer (komplexen) Zusammenfassung der vorgenannten Gegen­ stände. Dies gilt für nahezu alle Rechtsgebiete. Die Beispiele aus dem Zivilrecht sind mannigfaltig: Abfindung ausgeschiedener Gesellschafter, Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsstreitigkeiten, Berechnung von Schadensersatz und so weiter. Auch das öffentliche Recht kennt Bewertungsanlässe. Man denke hier nur an das staatshaftungsrechtliche Schadensersatz- und Enteignungsrecht. Rechtsgebiet übergreifend lassen sich ferner noch (gerichts-) kostenrechtliche Bewertungsanlässe hinzufügen. Es ist aber vor allem das Steuerrecht, welches bei vielen Steuerarten darauf angewiesen ist, dass Gegenständen ein Geldbetrag zugewiesen wird. Zwar gilt dies nicht zwingend für alle Steuern. Es existieren auch Steuertatbestände, bei denen die von der Bemessungsgrundlage zu leistende Verbindung zwischen Steuerwürdigkeit und Steuerbelastung durch andere Anknüpfungspunkte als „Geld“ erreicht wird. Dies sind dann häufig technische Merkmale wie die Stückzahl, das Gewicht, das Volumen und Ähnliches. Man spricht dann von einer „spezifischen Bemessungsgrundlage377“. Exemplarisch sei auf die Kraftfahrzeugsteuer hingewiesen, die sich nach den Kohlendioxidemissionen und dem Hubraum bemisst (§ 8 Nr. 1 lit. b KfzStG). Ferner gilt dies für viele Verbrauchsteuern; genannt seien hier die Energiesteuer (zum Beispiel § 2 Abs. 1 Nr. 5 EnergieStG: 130 EUR Steuer pro 1.000 kg Heizöl) oder die Kernbrennstoffsteuer, wo die Steuer für ein Gramm Plutonium 239, 241 bzw. Uran 233, 235 fest 145,00 EUR beträgt (§ 3 KernbrStG). Hier stellen sich zwar auch Bewertungsfragen. Diese sind aber allein auf die Maßgröße des „Volumens“ und des „Gewichts“ bezogen und beide folgen Naturgesetzen. Die Verbindung zur in Geld ausgedrückten Bemessungsgrundlage leistet das Gesetz sodann in einem streng vorgegebenen, an das „Messungsergebnis“ anknüpfenden und nur noch eine Multiplikation erfordernden Rechenschritt. Bei den relevantesten Steuern wie der Einkommen-, Körper377 M. Bongartz/S. Schroer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, Rn. 78.

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Der Rechtswert als Funktionsbegriff

schaft- und Gewerbesteuer, wie der Umsatzsteuer, wie der Erbschaftund Schenkungsteuer sowie der Vermögensteuer ist dies anders. Der Steuergegenstand wird hier in der in Geld ausgedrückten Bemessungsgrundlage so verdichtet, dass der Beitrag, den der Steuerpflichtige gegenleistungslos an die Gemeinschaft zu leisten hat, durch die Anwendung einer Prozentzahl auf eben diese ermittelt wird.378 Hier zeigt sich die Abhängig­ keit des modernen Steuerstaates von der Wertmess- und Rechen­ einheitsfunktion des Geldes. Denn erst durch das Geld als Rechen­einheit wird es möglich, ungleiche Güter zu einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage zusammenzuführen, sie also zu addieren, und schließlich Vermögen, Vermögenszuwächse bzw. Vermögensverwendungen als relative Größe im Verhältnis der Steuerpflichtigen zueinander zu erfassen.379 Nur durch diese Bezifferung und ihre praktische Umsetzbarkeit kann die Brücke vom Steuergegenstand (erwirtschaftetes oder transferiertes „Einkommen“, „Vermögen“ oder „Konsum“ etc.), zur Steuerlast geschlagen werden und damit letztlich beurteilt werden, was gleich und ungleich ist. Dies prägt jedenfalls den modernen Steuerstaat, der nicht mehr anhand von Hilfstatsachen – wie beispielsweise in Frankreich und England im 17. und 18. Jahrhundert mittels der Anzahl der Fenster – versucht, auf die zu besteuernde Leistungsfähigkeit seiner Steuerbürger zu schließen. Die Bewertungsanlässe im geltenden Steuerrecht sind insbesondere die Folgenden: 2. Erbschaft- und Schenkungsteuer Der Besteuerung von Erwerben von Todes wegen und von freigebigen Zuwendungen zu Lebzeiten liegt das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zugrunde.380 Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist in ihrer derzeitigen Ausgestaltung eine Bereicherungssteuer und knüpft an die Vermögensmehrung beim Empfänger, dem Bereicherten, an.381 Die Maßgröße steuerlicher Leistungsfähigkeit beim Empfänger ist der transferierte Vermögensbestand. Das hieran anknüpfende Bereicherungsprinzip beruht dabei auf dem Einkommensbe378 Vgl. BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 136. 379 Vgl. W. R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, S. 54 ff.; A. Woll, Volkswirtschaftslehre, S. 429. 380 Statt vieler J. P. Meincke, DStJG 22 (1999), S. 39, 42 ff.; R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 15 Rn. 1 f.; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 2, S. 872 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen. 381 R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 15 Rn. 2.

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Bewertung im Steuerrecht: Ein erster Überblick

griff der Reinvermögenszugangstheorie.382 Soll mithin der Zugang an Reinvermögen erfasst werden, erlangen – wenn Gegenstand des Vermögenstransfers andere Vermögenswerte als Zahlungsmittel sind – Gesichtspunkte der Liquidität, des Erfüllens oder des Einforderns keine Relevanz. Die Leistungsfähigkeit ist bereits dann gesteigert, wenn das Vermögen um einen (schuldrecht­lichen) Anspruch gemehrt ist. Die gesteigerte Leistungsfähigkeit findet ihren Ausdruck daher in der Bemessungsgrundlage der „Bereicherung“, die sich wiederum in Gestalt eines „Vermögensanfalls“ (siehe § 2 Abs. 1 ErbStG) nach bürgerlichem Recht auf den Zeitpunkt des Erbfalls (§ 9 Abs. 1 ErbStG) vollzieht. Gegenstand der Bereicherung ist der Netto-Vermögenszuwachs (Bruttovermögen abzüglich Nachlassverbindlichkeiten). Bewertungsspezifisch steht bei einer derart ausgestalteten Bereicherungssteuer ausschließlich die Zusammenführung der unterschiedlichen, das transferierte Einkommen darstellenden Gegenstände in einer einheitlichen, in Geld ausgedrückten Bemessungsgrundlage im Fokus. Wenn beispielsweise Bargeld, eine Immobilie und eine Gesellschaftsbeteiligung von Todes wegen oder unter Lebenden steuerbar erworben werden, müssen die Immobilie und die Gesellschaftsbeteiligung mit dem Bargeld in einer einheitlichen Bemessungsgrundlage zusammenfassbar gemacht werden. Der bereichernde Zugang an Reinvermögen muss daher in Geld umgerechnet werden, wenn nicht (Buch-) Geld bereits Bereicherungsgegenstand war. Anderenfalls würde es an einer tauglichen Bemessungsgrundlage für den Steuersatz fehlen. Ungeachtet dieser technischen Erkenntnis dient die Bewertung aber auch dazu, die mit verschiedenen Erwerbsgegenständen einhergehende Bereicherung vergleichbar zu gestalten. Sie soll die zum Erwerb gehörenden Gegenstände auch in ihrer Relation zueinander realitätsgerecht abbilden. Nach zutreffender Ansicht geschieht dies (nur) durch den Verkehrswert. D. h. der messbar zu machende Leistungsfähigkeitszuwachs wird durch den Preis, zu dem das erworbene Vermögen am Markt realisiert werden könnte, abgebildet.383 382 Vgl. nur G. von Schanz, FinArch a.F. 17 (1900), S. 553 (672); K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 2, S. 872 f.; R. Seer, in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 15 Rn. 1 f. 383 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 34; M. Balke, Einheitswert oder Verkehrswert für Grundbesitz im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 77 ff., 98 ff.; M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG, S. 102; J. Hey, JZ 2007, 564, 565; A. Löhle, Verfassungsrechtliche Gestaltungsspielräume und – grenzen bei der Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen, S. 96; J. P. Meincke, in: Festschrift f. Tipke, S. 391; M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 73 ff.; R. Seer, StuW 1997, 283, 287; derselbe, DStJG 22 (1999), S. 191, 196 f.; B. Spitzbart, Das Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht, S. 108; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 2, S. 887; andere Ansicht (im Sinne

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3. Einkommen- und Körperschaftsteuer a) Auch die Einkommen- und die Körperschaftsteuer wollen die Steigerung individueller wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit erfassen. Indikator dieser Leistungsfähigkeit ist das „Einkommen“ und zwar das am Markt erwirtschaftete Einkommen. Dies mag nicht für jeden einzelnen ertragsteuerlichen Tatbestand zutreffen, bildet aber den roten Faden, der sich durch das Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht zieht.384 Schon auf den ersten Blick offenbaren sich vergleichbare Bewertungsnotwendigkeiten wie bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer: Man denke nur an den Steuerpflichtigen, der für seine Marktteilnahme kein Bar- oder Buchgeld erhält, sondern eine Sachzuwendung. Auch die Sachzuwendung stellt steuerbares Markteinkommen dar und muss in das zu versteuernde Einkommen, welches eine Geldgröße darstellt, transformiert werden. Für Sachverhalte, die zu einem Abzug von der steuerlichen Bemessungsgrundlage führen, gilt dies sinngemäß (zum Beispiel im Bereich der Sonder­ausgaben die Sachspende). Diese Transformationsnotwendigkeit bildet allerdings nur einen – wenn im praktischen Massenfall (Sachzuwendungen an Arbeitnehmer) gewiss auch nicht unbedeutenden – Ausschnitt aus dem ertragsteuerlichen Bewertungsfeld. Bewertungsnotwendigkeiten sind vielmehr weitaus komplexer und können daher nicht auf die Messbarmachung von nichtbaren Sacheinnahmen und -ausgaben reduziert werden. Der Steuergegenstand „Einkommen“ wird im geltenden Steuerrecht nach zwei verschiedenen konzeptionellen Ausrichtungen erfasst, die auf einen finanzwissenschaftlichen Theorienstreit vor gut hundert Jahren zurückführbar sind385: Auf der einen Seite steht der quellentheoretische eines [Soll-] Ertragswertes) vor allem für Grundbesitz R. Jüptner, StuW 2005, 126, 128 f. u. 139; W. Leisner, DB 1996, 595, 599; K.-G. Loritz, Beihefter zu DStR 8/1995, S. 3, 13 ff.; A. Nachrainer, ZEV 2005, 1, 5, siehe ferner noch die verfassungsrechtlichen Ausführungen bei § 7 I. 384 Siehe wegweisend zur Markteinkommenstheorie J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, passim; derselbe, DStJG 4 (1980), S. 54 ff.; siehe ferner zuvor auch schon H. G. Ruppe, DStJG 1 (1979), S. 1, 16 ff.; aus der Literatur ist ferner insbesondere auf P. Kirchhof, in: derselbe/Söhn/Mellinghoff, § 2 Rn. A 163 ff.; derselbe, in: Festschrift f. Lang, S. 451, 462 ff. hinzuweisen; heute dürfte das markteinkommenstheoretische Einkommensverständnis jedenfalls als „roter Faden“ vorherrschend sein, siehe zum Beispiel J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 50 ff.; H.-J. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 3, 14; R. Wendt, DÖV 1988, 710, 716; R. Wittmann, StuW 1993, 35 ff. 385 Eingehend und jeweils im entstehungsgeschichtlichen Kontext zu den nachfolgend hier nur gestreiften theoretischen Konzeptionen der Quellentheorie und der Reinvermögenstheorie P. Kirchhof, in: derselbe/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A

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Einkommensbegriff. Einkommen ist hiernach nur, was aus einer ständigen Quelle fließt. Wertsteigerungen und Veräußerungsgewinne in Ansehung des (Quellen-) Vermögens sind nicht steuerbar.386 Auf der anderen Seite tritt die Reinvermögenszugangstheorie auf. Hiernach ist Einkommen der gesamte Zugang von Reinvermögen während einer Periode und hierzu gehören unter anderem auch unrealsierte Wertsteigerungen des Vermögens.387 Jedenfalls bei sehr vergröbender Betrachtung lässt sich heute sagen, dass die Überschusseinkünfte noch im Kern der Quellentheorie folgen. Die aus der Quelle fließenden laufenden (Arbeits-, Vermietungs- und Kapital-) Einkünfte werden im Zeitpunkt ihres Zuflusses erfasst (§ 11 Abs. 1 EStG). Allerdings kennt das Einkommensteuerrecht zwischenzeitlich viele Veräußerungsgewinntatbestände, die in Abweichung von diesem Quellenprinzip auch realisierte Wertsteigerungen bei Gegenständen des Privatvermögens für steuerbar erklären (für Kapitalvermögen auf breiter Front [§§ 17, 20 Abs. 2 EStG] und für andere Vermögensgegenstände nach Maßgabe der Fristen des § 23 EStG). Weitergehende Bewertungsprobleme als die bereits in Bezug auf Sachzuwendungen genannten stellen sich bei den Überschusseinkünften allerdings selten, weil die tatbestandliche Anknüpfung an Veräußerungen den Rückgriff auf einen vereinbarten Kaufpreis erlaubt. Die weiteren Bewertungsanlässe sind vielmehr den Gewinneinkünften geschuldet, die im Ausgangspunkt der Reinvermögenszugangstheorie folgen.388 Einkommen wird bei den Gewinneinkünften technisch durch die Gegenüberstellung von Vermögensständen ermittelt (Betriebsvermögensvergleich). Wenn das Gesetz als Gewinn also den Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen zu zwei Stichtagen, vermehrt um Entnahmen und vermindert um Einlagen, definiert (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) und die Lebenszeit des Unternehmens für steuerliche Zwecke periodisiert, müssen die Wirtschaftsgüter zu den jeweiligen Stichtagen zwangsläufig bewertet werden.389

285 ff.; im Überblick ferner auch J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 7 Rn. 30 ff.; § 8 Rn. 50 f. 386 B. Fuisting, Die Preußischen direkten Steuern, Band 4, S. 147 ff. 387 G. v. Schanz, FinArch 13 (1896), S. 1 ff.; derselbe, FinArch 39 (1922), S. 505 ff. 388 Siehe hierzu statt vieler nur J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 50 f. 389 Lediglich dann, wenn man die Erfolgsermittlung nicht nach dem Prinzip der Jährlichkeit vornehmen würde, sondern am (Unternehmens-) Lebenszeitende eine Totalrechnung erstellt, in der die Summe sämtlicher Einnahmen abzüglich der Geldeinlagen der Summe sämtlicher Ausgaben abzüglich der Geldentnahmen gegenübergestellt wird, würde sich eine Bewertung weitestgehend erübrigen (E. Kosiol, zfbf 4 [1952], S. 265, 266 ff.; J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. A 1 f.).

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Die Bewertungsfragen treten dabei sowohl beim erstmaligen Zugang eines Wirtschaftsgutes als auch in der Folgezeit zu jedem (Folge-) Bewertungsstichtag auf. Allerdings folgt das geltende Bilanzsteuerrecht der Reinvermögenszugangstheorie nicht uneingeschränkt. Das Vermögen wird nicht zu jedem Stichtag mit Verkehrswerten angesetzt. Vielmehr erfolgt eine Folgebewertung allenfalls „nach unten“ hin, d.h. entweder zur Abbildung von Wertverlusten oder bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern zum Zwecke der Verteilung der Einstandsaufwendungen auf die Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes (dazu im nächsten Absatz). Eine Erfassung nicht realisierter Wertsteigerungen des Betriebsvermögens zwischen den Bilanzstichtagen erfolgt hingegen grundsätzlich nicht. Dies zu verhindern ist Aufgabe des Realisationsprinzips sowie des Anschaffungs-/Herstellungskostenprinzips. Ersteres besagt, dass in einem Wirtschaftsgut ruhende stille Reserven erst dann als Gewinn aufzudecken sind, wenn sein Wert durch einen Umsatzakt am Markt eine ausreichend sichere Bestätigung erfahren hat. Zweiteres beinhaltet – normativ in § 6 Abs. 1 Nr. 1 u. Nr. 2 EStG niedergelegt – die Vorgabe, dass Wirtschaftsgüter höchstens mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten bewertet werden dürfen. Beides zusammen verhindert den Ausweis einer Vermögensmehrung, solange sie noch nicht realisiert ist.390 Dieser Ausweis erfolgt vielmehr erst mit einem Umsatzakt (was beim normalen Warengeschäft der Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung ist391). In diesem Moment wird der in dem veräußerten Wirtschaftsgut ruhende Mehrwert im Bestandsvergleich berücksichtigt und er wird zu einem steuerbaren Gewinn (in Höhe des Saldos aus Buchwert und Veräußerungspreis = stille Reserven). b) Gewährleisten die Anschaffungs- und Herstellungskosten die Erfolgsneutralität des Anschaffungs- bzw. Herstellungsvorgangs, muss dieser Zustand jedoch anlässlich der notwendigen Folgebewertung überprüft werden. Diese Wertüberprüfung hat zumindest zu jedem steuerlichen Stichtag zu erfolgen. Der Grund dafür liegt darin, dass Wirtschafts­güter durch bestimmte Ereignisse an Wert verlieren können; zum Teil geht es allerdings auch lediglich um eine periodengerechte Verteilung der Anschaffungs- und Herstellungskosten auf die Dauer der Nutzung des Wirtschaftsgutes. So gibt es Wirtschaftsgüter, deren Gebrauchsdauer erfah390 BFH v. 15.2.1966, I 103/63, BStBl. III 1966, 468, 470; v. 26.3.1992, IV R 74/90, BStBl. II 1993, 96; B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, S. 7; T. Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 260; M. Wendt, in: Festschrift f. P. Kirchhof, S. 1961, 1967 f. 391 Siehe statt vieler G. Crezelius, in: Kirchhof, EStG, § 5 Rn. 145 f.; J. Hey, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 410 ff.

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rungsgemäß begrenzt ist, die – in den Worten des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG – „der Abnutzung unterliegen“. Das Steuerrecht berücksichtigt über die (regulären) Absetzungen für Abnutzung bei diesen Wirtschaftsgütern einen typisierten (regelmäßigen) Wertverzehr (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 bis 6 EStG). Hier wird unterstellt, dass sich der Wertverzehr linear auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer verteilt. Die Differenz aus Anschaffungs- und Herstellungskosten und den (kumulierten) Abschreibungen führt sodann zu einem neuen Wertansatz, nämlich dem Buchwert. Ein Wirtschaftsgut kann zudem einen „unregelmäßigen“, in der Terminologie des Handelsrechts einen „unplanmäßigen“ Wertverlust erleiden. Das Ertragsteuerrecht kennt letztlich zwei Wege, um dem Rechnung zu tragen. Dies sind die Teilwertabschreibung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zum einen und die Absetzungen für außergewöhnliche technische und wirtschaftliche Abnutzung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG zum anderen. Während es bei letzterem um die Berücksichtigung von Wertverzehr geht, der lediglich atypisch eingetreten ist, so geht es bei der Teilwertabschreibung um die Bewertung des Wirtschaftsgutes selbst. Durch die Bewertung mit dem niedrigeren Teilwert wird ein Vermögensverlust vorweggenommen392 und zwar Vorwegnahme insoweit, als der Wertverlust zwar tatsächlich eingetreten ist, nach Maßgabe des Realisationsprinzips aber noch nicht (zum Beispiel durch Verkauf zum niedrigeren Preis) realisiert worden ist. Auch solche Wertberichtigungen verlangen nach einem Wertmaßstab, der vorgibt, ob und inwieweit eine solche durchzuführen ist bzw. durchgeführt werden darf. Bei der Teilwertabschreibung ist dies der noch näher darzustellende Teilwert. c) In einem weiteren Gedankenschritt müssen in das ertragsteuerliche System die Realisationsvorgänge und die Ersatzrealisationstatbestände einbezogen und in ihrem bewertungsrelevanten Kontext gewürdigt werden. Den Ausgangspunkt bildet der Realisationsvorgang: Veräußert der Steuerpflichtige einen Gegenstand gegen Geldeinheiten und hat dieser Sachverhalt steuerrechtliche Relevanz, erfolgt die notwendige steuerliche Bewertung anhand der tatsächlich erlangten Gegenleistung. Die Bewertung der Leistungsfähigkeitssteigerung erfolgt durch den „Markt“. Das Steuerrecht knüpft an das Äquivalenzermessen der Vertragsparteien an und nimmt – trotz Subjektivität der Preisbildung – keine steuerspezifische Angemessenheitskorrektur vor.393 Die Hinnahme dessen, was die Vertragsparteien vereinbart haben, rechtfertigt sich daraus, dass sich 392 E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 236. 393 H. D. Höppner, in: Festschrift f. Wacke, S. 125, 128.

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fremde Dritte grundsätzlich nichts zu schenken pflegen. Dies erlaubt die Schlussfolgerung, dass die in Geld bemessene Gegenleistung einen vertretbaren Ausgleich für den Verlust des weggegebenen Gutes darstellt. Relevant ist dies vor allem für die Veräußerungsgewinnbesteuerung des Ertragsteuerrechts – sei es innerhalb des Betriebsvermögensvergleichs, der Gewinnermittlung nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 EStG oder in den gesondert angeordneten Fällen für das Privatvermögen (§§ 17, 20 Abs. 2, 23 EStG). Bei einem marktkonformen Leistungsaustausch kann es jedoch auch vorkommen, dass der Zwischenschritt einer Geldumrechnung formal nicht erfolgt. Einkommensteuerrechtlich macht es allerdings keinen Unterschied, ob die Gegenleistung in Geld oder in anderen geldwerten Vorteilen besteht. Dementsprechend stellt auch der Tausch einen Realisationsvorgang dar. Hier stellt der gemeine Wert der Gegenleistung den steuerlich maßgeblichen Veräußerungspreis für das weggetauschte Gut dar. Für den Tausch von Einzelwirtschaftsgütern ordnet hier § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG als lex generalis die Bewertung des weggegebenen Wirtschaftsgutes mit dem gemeinen Wert des erlangten Wirtschaftsgutes an und umgekehrt. Entsprechender Bewertungsbedarf besteht bei tauschähnlichen Vorgängen, die regelmäßig anlässlich gesellschafts- und umwandlungsrechtlicher Umstrukturierungsmaßnahmen verwirklicht werden. Denn jede Verschmelzung, Spaltung oder Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten stellt eine Veräußerung gegen eine nicht in Geld bemessene Gegenleistung dar.394 Es ist daher folgerichtig, wenn das Umwandlungssteuergesetz diese Vorgänge als Realisationsakte qualifiziert und eine Bewertung mit einem Verkehrswert, nämlich seit dem 1.1.2007 durchweg mit dem gemeinen Wert (als unter bestimmten Voraussetzungen in Gestalt einer Buchwertverknüpfung oder eines Zwischenwertansatzes [teilweise] vermeidbaren Grundsatz) vorsieht (siehe §§ 3 Abs. 1 Satz 1; 11 Abs. 1 Satz 1; 20 Abs. 2 Satz 1; 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Nach herrschender Ansicht ist der gemeine Wert nicht in Bezug auf jedes Einzelwirtschaftsgut zu ermitteln, sondern vielmehr hat eine Bewertung der Sachgesamtheit zu erfolgen395, was freilich nicht von

394 Zur Realisationsakteigenschaft von tauschähnlichen Umwandlungs- und Einbringungsvorgängen BFH v. 19.8.2008, IX R 71/07, BStBl. II 2009, 13, 14 mit weiteren Nachweisen. 395 BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 3.07 (i.V.m. Tz. 11.04, 20.17, 24.03); D. Jäschke, in: Lademann, UmwStG, § 20 Rn. 50; H. Kahle/M. Hiller/T. Vogel, FR 2012, 789, 792; M. Krumm, GmbHR 2010, 15, 17; T. Rödder, DStR 2011, 1059, 1060.

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einer Verteilung auf die Einzelwirtschaftsgüter unter Einschluss eines (aufzudeckenden) Geschäfts- und Firmenwertes entbindet.396 d) Schließlich gelangen wir zu den Rechtswerten, die als Teil einer Steuerrechtsnorm den Belastungsgrund „absichern“. Dieser Handlungsbedarf folgt aus dem Einkünftedualismus und der konzeptionellen Ausrichtung der Gewinneinkünfte an einer freiheitsschonenden Besteuerung nur „realisierten Markteinkommens“. Der Staat verzichtet mittels des Anschaffungskosten- und Realisationsprinzips nämlich bis zum Realisationsakt auf eine Besteuerung der Wertsteigerung und ermöglicht die Bildung steuerlich relevanter stiller Reserven (dazu aus verfassungsrechtlicher Sicht auch noch § 8 I. 2. a.). Dies geschieht nicht deshalb, weil erst im Veräußerungszeitpunkt der Wertzuwachs entsteht, sondern obwohl er bereits vorher beim Steuerpflichtigen entstanden war.397 Es geht also immer nur um eine vorübergehende Verschonung. Dies bringt freilich mit sich, dass der Staat Mechanismen für den Fall vorhält (und auch vorhalten muss), dass er Gefahr läuft, die bisher eingetretene, aber nicht besteuerte Wertsteigerung, nicht mehr besteuern zu können. Hierzu sieht das Steuerrecht Ersatzrealisationstatbestände vor, die eine Besteuerung der ertragsteuerrechtlich relevanten stillen Reserven auch ohne Realisationsakt anordnen.398 Ohne Realisationsakt fehlt es allerdings auch an einer am Markt gebildeten Gegenleistung, so dass auch diese Fälle zu einer Bewertung zwingen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind hier folgende Normzusammenhänge zu nennen: Die Veränderung der sachlichen Zurechnung dahingehend, dass ein Wirtschaftsgut nicht mehr (generell steuerverstricktes) Betriebsvermögen darstellt, sondern fortan Privatvermögen, stellt eine mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG dar (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG). Ebenfalls hierunter zu subsumieren ist ein Wechsel in Bezug auf die persönliche Zurechnung eines steuerverstrickten Wirtschaftsgutes des Betriebsvermögens und dies ungeachtet der Frage, ob es beim neuen Zurechnungssubjekt ebenfalls betrieblich steuerverstrickt ist. Hier gilt es, die Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit zu sichern, wonach die stillen 396 Nach BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 3.09 soll die Aufteilung analog zu § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG im Verhältnis der Teilwerte der übergehenden Wirtschaftsgüter erfolgen. 397 BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1, 29. 398 Zum absichernden Charakter statt vieler J. Lang, DStJG 4 (1981), S. 45, 66; H.-J. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 3, 22; zur Rechtfertigung der Gewinnrealisierung durch Entnahme und der Bedeutung des Einkünftedualismus im Detail instruktiv J. Lang, a.a.O., S. 45, 66 ff.

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Reserven bei dem Steuerpflichtigen zu erfassen sind, der sie erwirtschaftet hat. Sofern nicht einer der bedeutsamen Ausnahmetatbestände mit der Anordnung einer Buchwertverknüpfung eingreift (vgl. § 6 Abs. 5 EStG), ist die Entnahme auch hier mit dem Teilwert zu bewerten. Schließlich fingiert § 4 Abs. 1 Satz 3, 4 EStG eine Entnahme, wenn das deutsche Besteuerungsrecht in Bezug auf einen etwaigen Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes verloren geht oder beschränkt wird; hierdurch soll das deutsche – abkommensrechtlich vor allem auf dem Betriebsstättenprinzip beruhende – Besteuerungsrecht gesichert werden. Die Bewertung dieser fingierten Entnahme erfolgt mit dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG). Einen Tatbestand mit entsprechender Intention, aber im Detail abweichender Ausgestaltung sieht ferner § 6 AStG für Kapitalgesellschaftsbeteiligungen des Privatvermögens vor. Hier erfolgt die Bewertung ebenfalls mit dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Satz 4 AStG). Die vorgenannten Ersatzrealisationstatbestände (Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG sowie die Entnahme- bzw. Veräußerungsfiktion bei grenzüberschreitenden Sachverhalten) gelten dabei nicht nur dann, wenn es überhaupt an einer Gegenleistung fehlt. Vielmehr erfassen sie auch das Bedürfnis nach (weitergehender) Erfassung der stillen Reserven, wenn zwar ein Realisationsvorgang vorliegt, dieser aber nicht zu fremdüblichen Bedingungen erfolgt (zum Beispiel Unterwert-Verkauf).399 Vereinfacht lässt sich daher sagen, dass mittels der Ersatzrealisationstatbestände die in der betrieblichen Sphäre entstandenen, aber bisher verschonten stillen Reserven „(end- oder zwischen-) abgerechnet“ werden. Freilich muss das Gesetz auch den umkehrten Fall regeln, nämlich die Zuführung von Gegenständen zum Betriebsvermögen. Mit der Einlagenregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG soll erreicht werden, dass vom Steuerpflichtigen steuerfrei gebildetes oder bereits anderweitig (im Ausland) versteuertes Vermögen nach seiner Einbringung in den Betrieb nicht durch eine Erhöhung der Gewinneinkünfte der Besteuerung unterworfen wird.400 Dies wird dadurch verhindert, dass der Zugang mit dem Teilwert (Regel) oder dem gemeinen Wert (Sonderfall der Überführung aus dem Ausland in ein inländisches Betriebsvermögen) bewertet wird (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) und im Vermögensvergleich als Einlage vom Endvermögen abgezogen wird.401

399 BFH v. 21.6.2012, IV R 1/08, BFH/NV 2012, 1536; v. 20.12.2012, IV B 12/12, juris. 400 J. Hennrichs, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 360. 401 Siehe allerdings auch die Ausnahme in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 EStG.

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Bewertung im Steuerrecht: Ein erster Überblick

e) Geht es um das Verhältnis einer Körperschaft zu ihren Anteilseignern, gilt das Sonderregime der verdeckten Gewinnausschüttung. Da die Gefahr besteht, dass die Gesellschafter auf „ihre“ Kapitalgesellschaft bei der Vereinbarung von (Preis-) Bedingungen Einfluss nehmen und deshalb die Körperschaft nicht mehr das Streben nach maximaler Vermehrung ihres Vermögens zum alleinigen Maßstab macht, können die Bewertungen der Vertragsparteien nicht uneingeschränkt und vor allem unkontrolliert übernommen werden. Das Anliegen des Rechtsinstituts der verdeckten Gewinnausschüttung geht daher ebenso wie bei der Entnahme in einem Sicherungszweck auf: Anders als eine natürliche Person soll eine Körperschaft nach herrschender Auffassung keine außerbetriebliche Sphäre haben.402 Gleichwohl existiert die Notwendigkeit, die ertragsteuerlich relevanten Vermögensminderungen einerseits und irrelevante Vermögensminderungen durch Einkommensverwendung andererseits abzugrenzen, auch hier.403 Den von § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG formulierten Grundsatz, dass es ohne Bedeutung für die Ermittlung des Einkommens ist, ob es verteilt wird, konkretisiert Satz 2 dahingehend, dass dies auch für verdeckte Gewinnausschüttungen gilt. Nunmehr sind freilich nicht alle Leistungen, die eine Körperschaft an einen Gesellschafter erbringt, ipso iure der offenen Ausschüttung gleichgestellte verdeckte Gewinnausschüttungen. Vielmehr werden schuldrechtliche Verträge zwischen der Körperschaft und Gesellschaftern grundsätzlich anerkannt.404 Es muss also für jede Leistungsbeziehung geprüft werden, ob und inwieweit eine Vermögensminderung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft durch Teilnahme am Marktgeschehen erwirtschaftet und damit Ausdruck der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Körperschaft ist oder ob sie ihre Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis hat.405 Dementsprechend wird die verdeckte Gewinnausschüttung wie folgt formuliert: Sie ist eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung bei der Kapitalgesellschaft, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.406

402 BFH v. 13.8.1997, I R 85/96, BStBl. II 1998, 161; F. Wassermeyer, GmbHR 1998, 157, 158; a.A. J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 45. 403 Siehe nur D. Gosch, in: derselbe, KStG, § 8 Rn. 290; H. J. Pezzer, Die verdeckte Gewinnausschüttung im Körperschaftsteuerrecht, S. 65; F. Wassermeyer, GmbHR 1998, 157; S. Wilk, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 8 Rn. 100. 404 J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 45. 405 J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 45. 406 Siehe nur BFH v. 14.9.1994, I R 6/94, BStBl. II 1997, 89.

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Der Rechtswert als Funktionsbegriff

Das Erfordernis, zwischen einem betrieblich veranlassten und einem durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Vorgang abzugrenzen, bedingt eine Kontrollprüfung. Diese wiederum setzt einen Maßstab voraus und einer dieser Maßstäbe ist vor allem der Fremdvergleichsgrundsatz. Dieser hat selbst wiederum in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verschiedene (Sub-)Konkretisierungen erfahren und eine dieser (Sub-) Konkretisierungen zielt darauf ab, den Inhalt der Vereinbarung einem Fremdvergleich zu unterziehen.407 An späterer Stelle wird auf diesen (materiellen) Fremdvergleich noch weitergehend eingegangen (dazu unter § 3 III. 2. d.). Hier ist erst einmal nur von Interesse, dass diese (Sub-)Konkretisierung zu dem für diese Untersuchung relevanten Bewertungsbedarf führen kann: Es müssen bei einem Leistungsaustausch Leistung und Gegenleistung miteinander verglichen werden, um zu beurteilen, ob die Kapitalgesellschaft ein Geschäft abgeschlossen hat, das zwischen fremden Dritten nicht erfolgt wäre und je nach Geschäft kann dies eine Bewertungsfrage sein. Erweist sich das vereinbarte Entgelt hiernach nicht als „fremdvergleichskonform“, so gilt Entsprechendes dann auch für die Rechtsfolgenseite: Ist eine verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach festgestellt, so richtet sich die Höhe der Einkünftekorrektur grundsätzlich nach der Differenz zwischen dem tatsächlich vereinbarten und dem Preis, den voneinander unabhängige Vertragspartner vereinbart hätten, den also ein gedachter Geschäftsleiter von einem Nichtgesellschafter gefordert und erhalten hätte. Der gesuchte Wertansatz wird auch als Fremdvergleichspreis bezeichnet408, wohinter sich in vielen Fällen freilich der Ansatz des gemeinen Wertes verbirgt (dazu noch § 3 III. 2. d.). Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß für die umgekehrte Perspektive: Eine verdeckte Einlage ist die Zuwendung eines bilanzierbaren Vermögensvorteils aus gesellschaftsrechtlichen Gründen ohne Entgelt in Gestalt von Gesellschaftsrechten.409 Vorbehaltlich § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG erhöhen verdeckte Einlagen das Einkommen der Kapitalge407 Ein ebenfalls bedeutsamer (im Gegensatz zum auf die Höhe abzielenden Fremdvergleich eher formeller, den „Grund“ betreffender) Maßstab ist beispielsweise die insbesondere beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer aufgeworfene Frage, ob eine Leistung auf einer klaren, von vornherein abgeschlossenen und tatsächlich auch so durchgeführten Vereinbarung beruht (vgl. zu dieser Differenzierung und zum Anwendungsbereich des Fremdvergleichs in Bezug auf den „Grund“ jüngst BFH v. 11.10.2012, I R 75/11, DStR 2013, 25 ff.; ferner D. Gosch, in: derselbe, KStG, § 8 Rn. 318 ff.; F. Wassermeyer, FR 1989, 218 f.; S. Wilk, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, KStG, § 8 Rn. 100). 408 BFH v. 29.6.1994, I R 137/93, BStBl. II 2002, 366; v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 409 BFH v. 12.12.2000, VIII R 22/92, BStBl. II 2001, 385; v. 28.4.2004, I R 20/03, BFH/ NV 2005, 19, 20.

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sellschaft nicht (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Aus Sicht eines Gesellschafters, der Geld oder Sachen in das Vermögen einer Kapitalgesellschaft einlegt, ohne dafür Gesellschaftsrechte zu erhalten, wird die verdeckte Einlage als ein Vorgang behandelt, der steuerlich der Anschaffung der bereits ausgegebenen Gesellschaftsanteile gleichsteht. Es kommt zu nachträglichen Anschaffungskosten. Zu bewerten ist die verdeckte Einlage mit dem Teilwert des zugewendeten (bilanzierbaren) Vermögensvorteils; nach herrschender Ansicht gilt hier § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG410, sofern nicht der ebenfalls den Teilwert vorgebende § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG einschlägig ist. Hieraus folgt die Bewertungsrelevanz einer verdeckten Einlage. f) Der verdeckten Gewinnausschüttung bzw. verdeckten Einlage nahestehend regelt § 1 AStG eine Korrekturvorschrift mit besonderem Fokus auf internationale (Konzern-) Strukturen: „Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahestehenden Person (dazu § 1 Abs. 2 AStG) dadurch gemindert, dass er seiner Einkünfteermittlung andere Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise), zugrunde legt, als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz), sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen ausgefallen wäre“ (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG). Die Norm bezweckt die Verhinderung von Gewinnverlagerungen zwischen (selbständigen) Einheiten innerhalb eines Konzerns durch die Ausnutzung des internationalen Steuergefälles.411 Mit den Verrechnungspreisen ist die wesentliche Fallgruppe in der Norm selbst bereits angesprochen, nämlich die Vereinbarung unangemessener Preise für Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen inländischen und ausländischen Einheiten innerhalb eines Konzerns. Solche Fallgestaltungen werden vielfach zwar auch den Tatbestand einer verdeckten Gewinnausschüttung bzw. einer verdeckten Einlage erfüllen. § 1 AStG stellt jedoch eine eigenständige Korrekturnorm dar, die sich mit anderen Korrekturtatbeständen in Idealkonkurrenz befinden kann. Führt die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG zu weitergehenden Berichtigungen als die anderen Korrekturvorschriften, ist die weitergehende Berichtigung neben den Rechtsfolgen der anderen Korrekturvorschriften durchzufüh410 GrS BFH v. 9.6.1997, GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307; BFH v. 18.12.2001, VIII R 10/01, BStBl. II 2002, 463; v. 4.3.2009, I R 32/08, BFH/NV 2009, 1207; J. Rengers, in: Blümich, KStG, § 8 Rn. 181. 411 G. Kraft, in: derselbe, AStG, 2009, § 1 Rn. 88; siehe ferner zur Anwendung im Verhältnis zu ausländischen Betriebsstätten nunmehr § 1 Abs. 5 AStG (eingefügt durch Gesetz vom 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809).

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ren; es gilt also letztlich die weitergehende Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG.412 g) Der vorstehende einkommensteuerrechtliche Überblick kann in Bezug auf die dort auftretenden Bewertungsnotwendigkeiten keine Vollständigkeit für sich in Anspruch nehmen. Er dürfte aber ausreichend aufgezeigt haben, dass und warum auch dort Einzel- und Gesamtbewertungen zu verschiedenen Rechtswerten notwendig sind. 4. (Allgemeine) Vermögensteuer Steuerpolitik und Finanzwissenschaft erblicken ferner im Vermögen an sich einen Indikator besonderer Leistungsfähigkeit – sei es, weil es notfalls veräußert werden kann oder weil es einen laufenden Nutzen (Ertrag, Realnutzen, ersparte Aufwendungen) spendet.413 Wählt der Gesetzgeber das Vermögen als Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung (allgemeine Vermögensteuer), kommt es zwangsläufig zu Bewertungsbedarf. Eine allgemeine Vermögensteuer existiert derzeit nicht. Das letzte Vermögensteuergesetz vom 17.4.1974414 ist aufgrund der Unvereinbarkeitserklärung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 22.6.1995415 und nach Verstreichen der gesetzten Reformfrist (31.12.1996) außer Kraft getreten.416 Angesichts der jüngst wieder aufgelegten Diskussion zur „Wiedereinführung“ einer Vermögensbesteuerung soll sie hier gleichwohl in den Blick genommen werden. Die Vermögensteuer knüpfte an das Vorhandensein von Vermögen an. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (im vorerwähnten Beschluss vom 22.6.1995), aber auch nach vielfach in der Literatur vertretener Auffassung soll es sich jedoch konzeptionell nicht um eine Substanzsteuer gehandelt haben, sondern um eine Sollertragsteuer.417 Dieser konzeptionelle Ansatzpunkt lässt sich zwar in der Tat bis zum PreußErgStG 1893 (siehe bereits Einleitung I.) zurückverfolgen. Diese erste Vermögensteuer sollte getreu ihrer Bezeichnung Ergänzungscharakter im Verhältnis zu den quellentheoretischen konzeptionierten Einkommensteuern haben. Sie sollte eine zusätzliche Belastung des sog. fundierten Einkommens sicherstellen. Freilich 412 C. Pohl, in: Blümich, AStG, § 1 Rn. 18. 413 Zur Diskussion um die (rechtspolitische) Rechtfertigung der Vermögensteuer mit Nachweisen statt vieler H. Kube, Beihefter zu DStR 26/2013, S. 37 ff.; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 2, S. 914 ff. 414 BGBl. I 1974, S. 949. 415 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121. 416 R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 16 Rn. 61. 417 BVerfGE v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 139; H. Kube, Beihefter zu DStR 26/2013, 37, 41; K. Tipke, in: Festschrift f. Wacke, S. 211, 217 f.

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war auch sie schon auf die Erfassung des Gesamtvermögens gerichtet und sah eine Verkehrswertbewertung vor. Daher kann man daran zweifeln, ob die Preußische Ergänzungssteuer wirklich die Charakterisierung verdiente, die man ihr ursprünglich zugedacht hatte.418 Jedenfalls aber die nachfolgenden reichs- bzw. bundeseinheitlichen Vermögensteuergesetze (beginnend mit dem Vermögensteuergesetz vom 8.4.1922419 über die Vermögensteuergesetze vom 10.8.1925420 und vom 10.10.1934421 bis zum letzten Vermögensteuergesetz vom 17.4.1974) bewegten sich sodann nicht mehr in dieser (zumindest behaupteten) Sollertrags-Tradition. Dies hat Ernst-Wolfgang Böckenförde in seiner abweichenden Meinung zum Beschluss vom 22.6.1995 dezidiert begründet.422 Insbesondere die Entstehungsgeschichte des Vermögensteuergesetzes vom 17.4.1974 zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber keine Sollertragskonzeption verfolgt hat: „Der heutigen Vermögensbesteuerung liegt der Gedanke zugrunde, dass das Vermögen an sich bereits eine steuerlich relevante Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen darstellt […]. Deshalb bleibt auch künftig ertragloses Vermögen […] der Besteuerung unterworfen.“423 Der Gesetzgeber distanzierte sich also bewusst von einer Rückbindung an die Ertragsfähigkeit des Vermögens.424 Neben der normativen Ausgestaltung des Steuergegenstandes wird dies schließlich ferner dadurch dokumentiert, dass der gemeine Wert der leitende Bewertungsmaßstab (auch) des Vermögensteuergesetzes gewesen ist. Diese Charakterisierung betraf die letzte Vermögenssteuer. Zwischenzeitlich lag ein Gesetzesentwurf der rot-grünen Landesregierungen für eine Vermögensteuer 2014 vor. Die Loslösung vom Sollertragsgedanken wird hier sogar noch deutlicher. Denn angeknüpft wurde durchweg an den gemeinen Wert und zwar nicht nur sprachlich, sondern durch die Bezugnahme auf das aktuelle Bewertungsrecht auch inhaltlich.425 In der laufenden Legislaturperiode dürfte eine solche Vermögensteuer allerdings nicht mehrheitsfähig sein, weshalb sie (erst einmal) nicht mehr im Mittelpunkt der rechtspolitischen Diskussion steht. 418 Eingehend F. Helmert, Der Wert im Vermögensteuerrecht, S. 51 ff. 419 RGBl. I 1922, S. 334. 420 RGBl. I 1925, S. 233. 421 RGBl. I 1934, S. 1052. 422 E.-W. Böckenförde zu BVerfG v. 22.6.1995, BVerfGE 121, 158. 423 Begründung der Bundesregierung v. 4.5.1972, BT-Drucks. VI/3418, S. 51. 424 Wie hier A. Musil, DB 2013, 1994, 1995 (nach Grundlegung und historischer Entwicklung eine ausgesprochene Substanzsteuer); andere Ansicht H. Kube, Beihefter zu DStR 26/2013, 37, 41 (durchgehende Sollertragskonzeption). 425 Über diesen von den Landesregierungen der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Baden-Württemberg getragenen Entwurf berichten im Überblick H. Häuselmann, DStR 2012, 1677 ff. und L. Siemers/M. Birnbaum, ZEV 2013, 8 ff.

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Die einzelnen verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Vermögensbesteuerung sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Hier ist die Frage nach der konzeptionellen Ausgestaltung des Belastungsgrundes lediglich eine Vorfrage in Bezug auf den zu seiner Umsetzung zu formulierenden Bewertungsmaßstab. Insoweit ist sie selbst wiederum allerdings eine Frage von verfassungsrechtlicher Relevanz, weil sie nach meinem Dafürhalten die entscheidende Vorgabe für die (notwendige) Folgerichtigkeit bei der Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage enthält. Bei einer Sollertragskonzeption kann eine folgerichtige Bewertung nur eine solche sein, die auf die Erfassung des typischerweise möglichen Ertrages gerichtet ist (siehe noch eingehend § 3 III. 4.). Der Wertmaßstab muss dann also die Sollertragsfähigkeit abbilden und dies konsequent für alle (notwendigerweise: abstrakt ertragsfähigen) Wirtschaftsgüter gleichermaßen, damit sie in einer einheitlichen Bemessungsgrundlage zur Gesamtsollertragsfähigkeit des Vermögens addiert werden können.426 Das Bundesverfassungsgericht war freilich in seinem Beschluss vom 22.6.1995 nicht derart streng (und damit inkonsequent auf der Grundlage der von ihm erkannten Sollertragskonzeption) und erlaubte auch einen Ansatz mit dem (auf die Ertragsfähigkeit nicht zwingend Rücksicht nehmenden) Verkehrswert, solange der Sollertragsfähigkeit über den Steuersatz Rechnung getragen wird.427 Diese Inkonsequenz dokumentiert freilich zugleich, dass es überzeugender gewesen wäre, der damaligen Vermögensteuer kein Soll­ertragskonzept überzustülpen und vielmehr anzuerkennen, dass nach ihrer damaligen Konzeption der Verkehrswertansatz aus gleichheitsrechtlicher Sicht folgerichtig war.428 Ob er auch im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf den Vermögensbestandschutz, die das Bundesverfassungsgericht in der vorgenannten Entscheidung gezogen hat, freiheitsrechtlich zulässig ist, ist allerdings eine andere Frage. Auf beide verfassungsrechtlichen Aspekte wird noch zurückzukommen sein. Wir werden jedenfalls im Kontext der Darstellung der einzelnen Rechtswerte noch sehen, dass diese konzeptionelle Frage sehr starken 426 So vor allem auch R. Seer, StuW 1997, 287: derselbe, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 15 Rn. 56; ihm folgend zum Beispiel A. Löhle, Verfassungsrechtliche Gestaltungsspielräume und -grenzen bei der Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen, S. 96. 427 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 140. 428 Vgl. auch D. Birk, DStJG 22 (1999), S. 7, 20 f.; H. Weber-Grellet, BB 1996, 1415 ff.; siehe aber auch die Deutung bei R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 294, der den Beschlusses vom 22.6.1995 dahingehend versteht, dass „Ist-Leistungsfähigkeit“ gemeint gewesen sei, aber nur für die Bewertung dieser „Ist-Leistungsfähigkeit“ eine „Soll-Leistungsfähigkeit maßgeblich gewesen sei.

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Einfluss auf die Kreation der hier herangezogenen Rechtswerte hat und auch deren Deutung beeinflusst. 5. Grundsteuer Bewertungsrelevanz kommt – jedenfalls de lege lata – ferner der Grundsteuer zu. Ihr Steuerobjekt ist der im Gemeindegebiet belegene Grundbesitz (§ 2 GrStG). Die Grundsteuer ist in der derzeitigen Ausgestaltung eine periodisch erhobene spezielle Vermögensteuer.429 Sie knüpft an den Sollertrag an.430 Die zu besteuernde Sollertragsfähigkeit wird in der Bemessungsgrundlage durch den – für die Wertverhältnisse auf den Stichtag 1.1.1964 bzw. für die neuen Bundesländer sogar auf den Stichtag 1.1.1935 bezogenen – Einheitswert der jeweiligen wirtschaftlichen Einheit (landund forstwirtschaftlicher Betrieb, Grundvermögen) zum Ausdruck gebracht (vgl. § 13 GrStG). Die Grundsteuer steht daher unter einem erheblichen Reformdruck. Dies rührt zum einen aus den gleichheitsrechtlichen Mängeln der Grundstücksbewertung.431 Zum anderen muss dieser Reformdruck aber auch im Gesamtkontext der Reform einer Gemeindefinanzreform überhaupt gesehen werden. Es bleibt jedenfalls abzuwarten, ob die Grundsteuer im Nachgang zu einer etwaigen Gemeindefinanzreform überhaupt noch ein Bewertungsproblem im hier untersuchten Sinne beinhaltet. Denn beispielsweise das als Reformvorschlag diskutierte sog. „Süd-Modell“ löst sich von der Konzeption einer Sollertragsteuer und damit auch von dem Grundstückswert als ihrem derzeitigen Anknüpfungspunkt. Es folgt vielmehr unter Anknüpfung an physikalische Merkmale dem Äquivalenzprinzip.432 6. Umsatzsteuer Die Umsatzsteuer ist eine allgemeine Verbrauchsteuer, die den Endverbrauch von Gütern und Dienstleistungen erfassen will.433 Steuergut der 429 K. Tipke, in: Festschrift f. Wacke, S. 211, 220. 430 R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 16 Rn. 1 431 Eingehend dazu M. Balke, ZSteu 2005, 322 ff.; R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 16 Rn. 2 ff., 23; M. Thöne, in: Lange, Reform der Gemeindesteuern, S. 173, 175 ff.; auch die Rechtsprechung erkennt dieses Defizit an, beschränkt sich aber noch auf Appellentscheidungen, siehe BFH v. 30.6.2010, II R 60/08, BStBl. II 2010, 897; v. 30.6.2010, II R 12/09, BStBl. II 2011, 48. 432 Siehe zur Diskussion der Modelle mit Nachweisen vor allem R. Seer, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 16 Rn. 38 f. 433 Statt vieler J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rn. 10; W. Reiß, DStJG 13 (1990), S. 3; K. Tipke. Steuerrechtsordnung, Band 2, S. 975 ff. jeweils mit Nachweisen zum Diskussionsstand.

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Umsatzsteuer sind jedoch nicht der Gebrauch und Verbrauch als solcher, sondern die vom Endverbraucher getätigten geldwerten Aufwendungen für den Konsum von Gütern und Dienstleistungen.434 Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer ist das Entgelt für die empfangene Lieferung oder sonstige Leistung. Erachtet man in den Konsumaufwendungen, die aus dem (versteuerten) Vermögen erbracht werden, einen Ausdruck steuerlicher Leistungsfähigkeit435, manifestiert sie sich letztlich im Entgelt. Solange das Entgelt in Geld besteht, existiert grundsätzlich kein Bewertungsbedarf. Anders ist dies jedoch dann, wenn das Entgelt nicht in Geld bemessen ist. Hier besteht die vereinbarte Gegenleistung ganz oder teilweise in einer Lieferung oder sonstigen Leistung. Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 u. 3 UStG gilt der Wert jedes Umsatzes abzüglich Umsatzsteuer als Entgelt für den anderen Umsatz. Die beiden (!) Tausch- bzw. tauschähnlichen Umsätze erfordern also eine Bewertung von Leistung und Gegenleistung. Ferner besteht auch hier ein Sicherungsbedürfnis in Ansehung des Verbrauchsteuerzwecks: Ist Belastungsgrund der nichtunternehmerische Endverbrauch, so kann das Gesetz nicht allein an Umsatzakte an­knüpfen, sondern muss auch Eigenverbrauchstatbestände vorsehen. Dies geschie­ ht in § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG für die Sachentnahme aus dem unterneh­ merischen Vermögen in die nicht unternehmerische Verbrauchssphäre sowie in § 3 Abs. 9a UStG für die Verwendung (Nr. 1) unternehmerischen Vermögens und die Leistungsentnahme (Nr. 2). Des Weiteren werden unentgeltliche Wertabgaben des Unternehmers an sein Personal für dessen privaten Bedarf einer Lieferung bzw. einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt (§ 3 Abs. 1b Nr. 2 UStG bzw. § 3 Abs. 9a Nr. 1, 2 UStG). Schließlich ordnet § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG eine Besteuerung für unentgeltliche Zuwendungen an Dritte aus unternehmerischem Anlass an. Fehlt es hier naturgemäß an einem Entgelt, erfordern diese Tatbestände zwangsläufig eine Bewertung, um den steuerbaren Eigenverbrauch in die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage zu überführen (§ 10 Abs. 4 UStG). Die Eigenverbrauchsbelastung muss dabei hinsichtlich der Bewertung immer im Lichte des allgemeinen Verbrauchsteuergedankens gesehen werden. Dies kann zur Eigenständigkeit der umsatzsteuerlichen Rechtswerte führen – dies beispielsweise dann, wenn bei 434 J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rn. 11. 435 So eine verbreitet vertretene Ansicht, siehe nur J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rn. 11; derselbe, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 583 ff.; J. Lang, in: Festschrift f. Kruse, S. 313, S. 336 f.; W. Reiß, DStJG 13 (1990), S. 3, 20; dagegen allerdings P. Kirchhof, StuW 1985, S. 319, 324; K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 3 Rn. 50a.

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der Bewertung lediglich eine mit dem Vorsteuerabzug korrespondierende Korrektur im Vordergrund steht. Neben den unentgeltlichen Leistungen, die einer Leistung gegen Entgelt in § 3 Abs. 1b, 9a UStG gleichgestellt werden, fordert der Verbrauchsteuerzweck ferner einen Sicherungsmechanismus, wenn der Tatbestand der vorgenannten Normen durch die Vereinbarung eines (z.B. minimalen, „symbolischen“) Entgelts vermieden wird.436 In „Ergänzung“ der Vorschriften zur Besteuerung unentgeltlicher Wertabgaben bestimmt § 10 Abs. 5 UStG daher eine Mindestbemessungsgrundlage: Die Bewertungsvorschrift des § 10 Abs. 4 UStG gilt entsprechend für Leistungen, die bestimmte Personenvereinigungen an ihre Gesellschafter oder diesen nahestehenden Personen ausführen sowie für Leistungen des Unternehmers an ihm nahestehende Personen, an sein Personal oder dessen Angehörige, wenn die Bemessungsgrundlage nach Abs. 4 das ansonsten nach Abs. 1 maßgebliche Entgelt übersteigt. Schließlich ist noch auf das „innergemeinschaftliche Verbringen“ als bewertungsrelevanten Tatbestand hinzuweisen: Gemäß § 1a Abs. 2 Satz 1 UStG gilt als innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt (auch) das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, sofern dies nicht lediglich zu einer vorübergehenden Verwendung erfolgt. Da es auch hier an einem Entgelt fehlt und die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG aus der Fiktion eines solchen resultiert, bedarf es einer Bestimmung der Bemessungsgrundlage anhand eines Ersatzwertes: Dies sind der Einkaufspreis bzw. die Selbstkosten im Sinne des § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG. 7. Grunderwerbsteuer Schließlich ist im Bewertungskontext die Grunderwerbsteuer erwähnenswert. § 1 GrEStG enthält die legislative Belastungsentscheidung, grundsätzlich Rechtsträgerwechsel an Grundstücken (§ 1 Abs. 1 GrEStG) und dem wertungsmäßig gleichgestellte (nach Maßgabe der § 1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG fingierte) Vorgänge der Besteuerung zu unterwerfen.437 Die (nicht unbestrittene) Rechtsprechung ordnet die Grunderwerbsteuer mithin als (Rechts-) Verkehrsteuer ein.438 Bemessungsgrundlage der 436 EuGH v. 9.6.2011, C-285/10, UR 2012, 440. 437 Vgl. nur BFH v. 1.4.1981, II R 87/78, BStBl. II 1981, 488. 438 BFH v. 29.9.2004, II R 14/02, BStBl. II 2005, 148, 149; v. 9.4.2008, II R 32/06, BFH/ NV 2008, 1526 f.; v. 7.9.2011, II R 68/09, BFH/NV 2012, 62, 64; ferner aus der Li­ teratur P. Fischer, in: Boruttau, GrEStG, Vorbemerkung Rn. 131 ff.; wohl auch

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Der Rechtswert als Funktionsbegriff

Grunderwerbsteuer ist grundsätzlich der Wert der Gegenleistung (§ 8 GrEStG). Für den praktisch wichtigsten Fall des Kaufs gilt gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Im typischen Fall wird der Wert der Gegenleistung auch dem Verkehrswert entsprechen. Dies ist indes keine rechtliche Voraussetzung: Ob der Kaufpreis eine angemessene Gegenleistung für den erworbenen Gegenstand darstellt, ist grundsätzlich irrelevant. Die Gegenleistung bleibt also auch dann als Bemessungsgrundlage maßgeblich, wenn sie unter dem Wert des Grundstücks liegt.439 Da die Gegenleistung nicht stets in Geld bemessen sein muss, ergibt sich auch bei der Grunderwerbsteuer eine Bewertungsnotwendigkeit. Es ist auch hier vor allem der Grundstückstausch, der zur Bewertung zwingt. Hier ist der gemeine Wert (§ 9 BewG) des Grundstücks als Bemessungsgrundlage anzusetzen.440 Eine Sonderregelung für die Bemessungsgrundlage enthält § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG: Wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden ist – und der Vorgang gleichwohl nicht steuerbefreit ist (vgl. § 3 Nr. 2 GrEStG) – oder eine Gegenleistung nicht zu ermitteln ist (Nr. 1), bei Umwandlungen, bei Einbringungen und anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage (Nr. 2) sowie in den Fällen der Anteilsvereinigung (§1 Abs. 2a, Abs. 3 GrEStG, siehe Nr. 3) wird die Steuer nach den Werten im Sinne des § 138 Abs. 2 bis 4 BewG bemessen. Es findet also eine Bedarfsbewertung statt, die sich nach jenen Vorschriften richtet, die das Bundesverfassungsgericht jedenfalls für Zwecke der Erbschaftsteuer für gleichheitswidrig, weil nicht den gemeinen Wert realitätsgerecht abbildend, erachtet hat.441 Der Bundesfinanzhof erachtet diese BedarfsbewerBVerfG (3. Kammer, 1. Senat) v. 8.1.1999, 1 BvL 14/98, NJW 1999, 1098, 1099; nach anderer Ansicht hat die Anknüpfung an den Rechtsträgerwechsel lediglich steuertechnische Gründe und der zutreffende Belastungsgrund sei vielmehr vergleichbar der Umsatzsteuer die Belastung der Einkommens- und Vermögensverwendung (eingehend J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18 Rn. 4). 439 BFH v. 10.6.1969, II 172/64, BStBl. II 1969, 668; v. 26.2.2003, II B 54/02, BStBl. II 2003, 483; v. 2.6.2005, II R 6/04, BStBl. II 2005, 651; v. 30.7.2008, II R 40/06, BFH/ NV 2008, 2060; allerdings kann sich in Bezug auf die Differenz zwischen Gegenleistung und Verkehrswert des Grundstücks eine schenkungsteuerliche Relevanz einstellen. Siehe ferner zu Ausnahmen von dem Grundsatz, dass es auf die Höhe der Gegenleistung nicht ankommt H.-U. Viskorf, in: Boruttau, GrEStG, § 8 Rn. 42. 440 Vgl. zum Beispiel FG Münster v. 12.8.1998, 8 K 5129/94, EFG 1999, 247; ferner BFH v. 18.12.1963, II 87/60 U, BStBl. III 1964, 102. 441 Siehe BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 57; das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008, BGBl. I 2008, 3018 hat die Grundstücksbewertung nur für die Erbschaftsteuer neugeregelt; der eingefügte Sechste Abschnitt des

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tung auch für Zwecke der Grunderwerbsteuer für gleichheitswidrig und hat die Frage mit Beschluss vom 2.3.2011 dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.442

II. Die Bewertungsrechtsnorm als Teil der materiellen Steuernorm Die Bewertungsrechtsnorm als Teil der Steuernorm 1. Die quantifizierende Funktion der Bewertungsrechtsnorm innerhalb des steuerlichen Rechtssatzes Eine Regel muss im Normsatz verbal formuliert werden. Auch das materielle Steuerrecht wird von dem Konditionalschema als sprachlichen Mittel, in dem die Grundstruktur präskriptiver Sätze zum Ausdruck gebracht wird, beherrscht443: Wenn ein bestimmter, die Besteuerungswürdigkeit konkretisierender Steuertatbestand vorliegt, dann wird dazu eine bestimmte Steuerrechtsfolge angeordnet, nämlich die Entstehung einer Zahlungsverpflichtung in Gestalt der Steuerschuld444, deren Erfüllung schließlich die am Ende maßgebliche Verhaltenspflicht beinhaltet. Dass ein einziger Rechtssatz sämtliche Grundelemente einer Rechtsnorm enthält, also formuliert, dass eine bestimmte Person eine nach vorgegebener Maßgabe ermittelte Steuer schuldet, wenn sie einen bestimmten Tatbestand verwirklicht, ist im Steuerrecht allerdings die Ausnahme. Einer Steuer „unterliegt“ regelmäßig ein bestimmter Ausschnitt der sozialen Wirklichkeit („Erwerb von Todes wegen“ [§ 1 Nr. 1 ErbStG]; „Einkünfte aus“ einer bestimmten Einkunftsart“ [§ 2 Abs. 1 EStG]), und das Gesetz formuliert sodann über mehrere Rechtssätze verteilt die den Belastungsgrund bestimmende und konkretisierende Steuerbarkeit und hierbei vor allem das Steuerobjekt, nennt die Bemessungsgrundlage, in welcher sich das Steuerobjekt messbar erfassbar machen lassen muss, sowie den hierauf anzuwendenden Steuersatz und bestimmt am Ende die Person des Steuerschuldners. Diese Mehrzahl von (unvollständigen) Rechtssätzen lässt sich jedoch immer zu einem vollständigen und die steuerliche Rechtsnorm im Sinne des Belastungsgrundes und ihrer Belastungswirkung nach außen erkennbar machenden Rechtssatz zusammenführen und als solches in ein konditionales Wenn-Dann-Schema übersetzen. Zweiten Teils des BewG (§§ 157 ff. BewG) gilt nicht für die Grundsteuer (BFH v. 2.3.2011, II R 23/10, BStBl II 2011, 932). 442 BFH v. 2.3.2011, II R 23/10, BStBl II 2011, 932. 443 Zur normtheoretischen Unterscheidung von Normsatz und Norm nur B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 92. 444 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 38 Rn. 3.

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Der Rechtswert als Funktionsbegriff

Zum steuerlichen Tatbestand gehört mithin die Gesamtheit der in der materiellen Steuerrechtsnorm enthaltenen abstrakten Voraussetzungen und hierzu gehören das Steuersubjekt, das Steuerobjekt einschließlich seiner Zurechnung, die Befreiungen, die Bemessungsgrundlage und der Steuersatz.445 Die „Bewertungsnorm“ ist damit immer nur Teil einer materiellen Steuernorm. Sie verfügt häufig über einen oder mehrere eigenständige Normsätze, aus denen sich – gegebenenfalls erst im Zusammenspiel – ergibt, dass und nach welcher Maßgabe im Hinblick auf die Verdichtung des Steuergegenstandes in der Bemessungsgrundlage zu bewerten ist. Dort, wo es einer in Geld ausgedrückten Bemessungsgrundlage bedarf und die Wertmess- und Recheneinheitsfunktion des Geldes angesprochen wird, besteht ihre Steuerarten übergreifend zu formulierende rechtstechnische Funktion darin, Wirtschaftsgütern, wirtschaftlichen Einheiten, Dienstleistungen oder sonstigen Vorteilen einen bestimmten Geldwert zuzuweisen und ihnen damit den Weg in die Bemessungsgrundlage zu öffnen. Sie schlägt die Brücke vom Steuergegenstand (erwirtschaftetes oder transferiertes „Einkommen“ bzw. „Konsum“, etc.), wenn er nicht bereits originär in Geld beim Steuerpflichtigen bzw. Steuerträger anzutreffen ist, zur Steuerlast. Die Bewertung stellt also immer einen Zwischenrechtsanwendungsschritt in Bezug auf den gesamten Steuertatbestand dar, ohne den eine Anwendung des Tarifs nichts möglich ist. Streng genommen müsste ihre Funktion auf diesen „Brückenschlag“ beschränkt sein, d.h. sie hat lediglich die an anderer Stelle im Rechtssatz, nämlich beim Steuerobjekt, getroffene Belastungsentscheidung zu vollziehen, indem sie ihm eine quantitative Gestalt gibt. Dies schließt freilich – vorbehaltlich gleichheits- und freiheitsrechtlicher Grenzen (dazu unter § 7 und § 8) – nicht aus, dass die Bewertungsnorm rechtstechnisch dazu benutzt wird, die Belastungsentscheidung zu konkretisieren oder gar zu korrigieren. Dies kann beispielsweise durch eine gezielte, strukturell in der wirtschaftsgutspezifischen Konkretisierung eines Rechtswertes angelegte Unterbewertung geschehen. In diesem Moment erfüllt sie eine eigenständige, d.h. über die Quantifizierung eines vorgegeben Belastungsgrundes hinausreichende, Lenkungsfunktion (im Beispiel der Unterbewertung eine Verschonungsfunktion). So schön man dies bildlich („Brückenschlag“) ausdrücken kann, so schwer ist es jedoch zugleich, die Bewertungsnorm methodisch präzise im Syllogismus zu verorten. Es ist nämlich nicht so, dass wir es hier mit 445 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 38 Rn. 3; H. W. Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, S. 112 f.; C. Waldhoff, in: Festschrift f. Spindler, S. 853, 855 ff.

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dem klassischen Typ von Rechtssatz tun haben, wo im Anschluss an Obersatz und Untersatz anlässlich der Subsumtion binär eine Antwort dergestalt gegeben werden kann, dass eine Rechtsfolge positiv eintritt oder nicht (wie zum Beispiel Eigentumserwerb ja/nein). Vielmehr begegnet uns hier einer der Fälle, wo der Schlusssatz des Syllogismus zur Bestimmung der konkreten Rechtsfolge nicht ausreicht. Das Ergebnis des Syllogismus kann daher immer nur ein vorläufiges sein, beispielsweise in dem Sinne, dass ein Vorgang steuerbar und steuerpflichtig ist und eine Bewertung zu einem bestimmten Rechtswert zu erfolgen hat. Das Zwischenergebnis aktiviert sodann einen weiteren, allerdings bereits der Rechtsfolge zuzuordnenden und dort auf Quantifizierung angelegten Rechtsanwendungsschritt.446 Dort kann die Bewertungsfrage selbst wiederum auch in Tatbestand (zum Beispiel in Bezug auf verschiedene Bewertungsgegenstände und die für sie maßgeblichen Rechtswerte bzw. Rechtswertkonkretisierungen) und Rechtsfolge aufzugliedern sein.447 Das Zwischenergebnis führt also zu einem weiteren Rechtsanwendungsschritt auf der Rechtsfolgenseite. Diese Zuordnung der Quantifizierung ist durchaus von Relevanz: Wir werden sehen, dass wegen der Rechtsfolgenzugehörigkeit der Bewertung ihr spezifisches Problem für den Steuerpflichtigen nicht darin liegt zu erkennen, ob er überhaupt einen steuerbaren Tatbestand verwirklicht hat, sondern welche in einem konkreten Betrag ausgedrückte Rechtsfolge sein Verhalten zeitigt (dazu § 8 II.). Lediglich mittelbar kann die Bewertungsfrage auch auf das „Ob“ einer Besteuerung Einfluss nehmen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Bewertungsergebnis darüber entscheidet, ob steuerliche Freibeträge überschritten werden (dann steuerpflichtig) oder nicht (dann nicht steuerpflichtig). 2. Kontrolle und Zwecksicherung durch Bewertung a. „Rechtswerte“ als Teil des Obersatzes In bestimmten Fällen erfüllen Rechtswerte (meistens: zugleich) die Aufgabe eines Kontrollwertes. Insoweit bestimmen sie nicht (nur) den Maßstab für die Lastenverteilung, sondern sichern (auch) dessen Verwirklichung. Sie sind dazu explizit im Tatbestand der Norm enthalten. Anlässlich der Übersichtsdarstellung zu den steuerlichen Bewertungsanlässen habe ich bereits auf § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG hingewiesen: Die Ab446 Vgl. zum Beispiel K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 277 für den strukturell nicht unähnlichen Fall des Schadensersatzes. 447 Siehe zu einer solchen Mehrstufigkeit zum Beispiel bei der verdeckten Gewinnausschüttung G. Crezelius, IStR 2002, 433, 439.

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Der Rechtswert als Funktionsbegriff

weichung vom Fremdvergleichspreis ist Tatbestandsvoraussetzung. Ist der Tatbestand verwirklicht, bestimmt er zugleich auf der Rechtsfolgenseite den Umfang der Korrektur. Ferner liegt der umsatzsteuerlichen Mindestbemessungsgrundlage ein vergleichbares Zusammenspiel von Kontrollwert und letztlich in die Bemessungsgrundlage einfließendem Rechtswert zugrunde (vgl. § 10 Abs. 5 UStG). Hinzuweisen ist schließlich auf § 21 Abs. 2 EStG, der tatbestandlich auf die ortsübliche Miete Bezug nimmt. Sie dient dort der Kontrolle, beeinflusst die Rechtsfolgenseite allerdings anders als in den beiden vorgenannten Beispielen nicht unmittelbar als Rechtsfolgenwert, sondern als Aufteilungsmaßstab: Beträgt das tatsächlich vereinbarte Entgelt weniger als 66 % der Marktmiete, ist die Nutzungsüberlassung aufzuteilen in einen entgeltlichen und unentgeltlichen Vorgang, wobei die Ausgaben sodann nur in dem Verhältnis, in dem die vereinbarte Miete zur Marktmiete steht, als Werbungskosten abzugsfähig sind.448 Bewertungen können ferner im Zusammenhang mit Lenkungsnormen auftreten. Dort dienen sie der Konkretisierung und/oder Absicherung der mit der bezweckten Entlastung verbundenen Würdigkeitsentscheidung des Gesetzgebers. Dies zeigt zum Beispiel die notwendige Bewertung anlässlich des Verwaltungsvermögenstests im Erbschaftsteuerrecht. Hiernach bleibt grundsätzlich nach Maßgabe des § 13b Abs. 1 ErbStG für verschonungswürdig befundenes unternehmerisches Vermögen gleichwohl von den Verschonungen des § 13a ErbStG ausgenommen, wenn es zu mehr als 50 % aus sog. Verwaltungsvermögen besteht (vgl. § 13b Abs. 2 ErbStG). Hierhin gehören schließlich auch bewertungsbezogene Größenmerkmale bei einkommensteuerrechtlichen Lenkungstatbeständen (vgl. die Betriebsvermögensgröße in § 7g EStG als Voraussetzung für den Investitionsabzugsbetrag und die Sonderabschreibung). b. Bewertung anlässlich des Untersatzes In den meisten Kontroll- und Zwecksicherungsfällen ist die Bewertung allerdings nicht derart explizit vom Gesetzgeber dem Obersatz im Syllogismus zugeordnet worden, sondern ist vielmehr eine Frage des Untersatzes. Zu nennen ist hier vor allem der Fremdvergleichswert bei verdeckten Gewinnausschüttungen, soweit es um die Frage geht, ob überhaupt eine solche vorliegt: Es muss tatbestandlich eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis festgestellt werden. Nach überwiegender Ansicht ist es dabei vor allem eine Abweichung vom Fremdvergleich448 Statt vieler B. Heuermann, in: Blümich, EStG, § 21 Rn. 544.

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Die Bewertungsrechtsnorm als Teil der Steuernorm

spreis, die wiederum einen Rückschluss auf die gesellschaftliche Veranlassung erlaubt (siehe bereits § 2 I. 3. e., eingehend noch § 3 III. 2. d.). Der Fremdvergleichspreis ist also nicht Tatbestandsmerkmal, sondern stellt nur ein Hilfsmittel (Indiz) zur Tatsachenfeststellung in Ansehung des subjektiven Merkmals „Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis“ dar.449 Die Fremdvergleichsprüfung entbindet also nicht von einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls.450 Insbesondere können andere Umstände den Indizwert der Abweichung von Fremdvergleichspreis relativieren bzw. sogar entkräften.451 Eine (bloße) Indizwirkung ist ferner bei folgenden, von der Rechtsprechung geübten Bewertungsnotwendigkeiten gegeben: Zu nennen ist beispielsweise die Rechtsprechung für die steuerliche Anerkennung einer Gewinnverteilungsabrede innerhalb einer Familienpersonengesellschaft.452 Weil der natürliche Interessengegensatz innerhalb der Familie fehlen und über die Verlagerung von Einkunftsquellen steuer­ optimal innerhalb der Familie ein Familienrealsplitting bewirkt werden kann, überprüft der Bundesfinanzhof bei Familienpersonengesellschaften die Gewinnverteilungsabrede darauf hin, ob sie auch unter Fremden in dieser oder ähnlicher Weise getroffen worden wäre. Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine Gewinnbeteiligung, die einen bestimmten Prozentsatz (Rendite) des „tatsächlichen Wertes“ der Beteiligung übersteigt, nicht fremdüblich ist (zum Beispiel im Falle der Schenkung eines Kommanditanteils an einen im Unternehmen nicht tätigen minderjährigen Abkömmling sollte die durchschnittliche Rendite 15 v. H. des tatsächlichen Wertes der Beteiligung nicht übersteigen).453 Diese „Kontrolle“ bedingt zwangsläufig eine (Gesamt-) Bewertung des Unternehmens.454 449 BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171, 174; v. 15.10.2002, IX R 46/01, BStBl. II 2003, 243; v. 14.7.2004, I R 111/03, BStBl. II 2005, 307 („Vermutung für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis“); J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 73 f.; S. Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, S. 42 f. und S. 143 ff. mit umfangreichen Nachweisen; H. J. Pezzer, DStZ 2002, 850, 853 f.; H. Weber-Grellet, DStZ 1998, 357, 364; die Zuordnung zur Tatsachenebene ist nicht unstreitig, siehe auch noch D. Gosch, in: derselbe, KStG, § 8 Rn. 289 ff. mit Nachweisen, dazu auch noch unter § 3 III. 2. d. dd) (1). 450 J. Rengers, in: Blümich, KStG, § 8 Rn. 243. 451 Vgl. J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 73 f.; H. J. Pezzer, DStZ 2002, 850, 853 f.; ferner BFH v. 15.10.2002, IX R 46/01, BStBl. II 2003, 243; v. 14.7.2004, I R 111/03, BStBl. II 2005, 307. 452 BFH v. 23.2.1984, IV R 148/81, BStBl. II 1984, 551. 453 GrS BFH v. 29.5.1972, GrS 5/71, BStBl. II 1973, 5, 7 f., ferner BFH v. 6.2.1980, I R 50/76, BStBl. II 1980, 477; v. 12.12.1990, I R 85/88, BFH/NV 1992, 59. 454 C. Sureth/D. Nordhoff, DB 2008, 305 ff.

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Der Rechtswert als Funktionsbegriff

Hierin gehört ferner die Rechtsprechung zur Abfindung „lästiger Gesellschafter“: Die Abfindung an einen ausgeschiedenen Gesellschafter einer Personengesellschaft ist insoweit sofort abzugsfähige Betriebsausgabe – und nicht wie sonst: zu aktivierende Anschaffungskosten für den vom ausscheidenden Gesellschafter erworbenen Anteil an den gesamthänderisch gehaltenen Wirtschaftsgütern –, als sie nicht auf den Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters an den stillen Reserven und den Geschäftswert enthält.455 Auch dies macht eine Bewertung des Unternehmens erforderlich. Schließlich ist noch hinzuweisen auf das Recht der Versorgungsleistungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Hier dient die Bewertung zur Klärung der tatsächlichen Frage, ob eine Versorgungsrente oder ein verrentetes Entgelt vorliegt.456 Haben die Parteien die Rentenverpflichtung und den Wert des übertragenen Vermögens nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen, liegt ein entgeltlicher Vorgang vor. Übertragen Eltern auf ihre Kinder einen Betrieb gegen Rente, so geht der Bundesfinanzhof von einer widerlegbaren Vermutung für den familiären, außerbetrieblichen Charakter der Betriebsübertragung und damit für die außerbetriebliche Natur im Zusammenhang mit dieser Übertragung zugesagten Rentenleistungen der Kinder an die Eltern aus. Diese Vermutung soll lediglich dann nicht bestehen, wenn Leistung und Gegenleistung einander gleichwertig gegenüberstehen457, was wiederum nur durch eine Bewertung des Betriebes festgestellt werden kann.

455 So bereits RFH v. 27.4.1938, VI 208, StuW 1938, 657; ferner BFH v. 11.7.1961, BStBl. III 1961, 463; v. 25.1.1979, IV R 56/75, BStBl. II 1979, 302. 456 Dazu BFH v. 29.1.1992, X R 193/87, BFHE 167, 95 ff. 457 BFH v. 22.9.1982, IV R 154/79, BStBl. II 1983, 99.

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§ 3 Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes und sein realer Bezugspunkt I. Kreations- und Definitionsfreiheit des Gesetzgebers Mindestbestandteil einer Bewertungsnorm ist der Bewertungsmaßstab. Er findet seinen Ausdruck in einem gesetzlich vorgegebenen Wert, der den gemeinsamen Nenner für den Brückenschlag zur Bemessungsgrundlage bildet (siehe bereits § 2 II. 1.). Bei der Bestimmung dieses Bewertungsmaßstabes ist der Gesetzgeber nicht an die Erkenntnisse anderer Wissenschaftsdisziplinen gebunden. Zu seiner inhaltlichen Gestaltungsbefugnis gehört es vielmehr, dass er sich den Ansprüchen der jeweiligen Fachwissenschaften durchaus entziehen kann, so zum Beispiel jenen der Betriebswirtschaftslehre in Ansehung dessen, was als „ordnungsgemäße Unternehmensbewertung“ gilt.458 Den in den jeweiligen Fachwissenschaften diskutierten „Werten“ setzt er einen normativen Wert gegenüber. Insoweit soll im Folgenden von einem Rechtswert gesprochen werden. Dieser Rechtswert kann – und wird dies in der Regel auch – zugleich deskriptiven Charakter haben. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn er auf reale Ereignisse Bezug nimmt wie das tatsächlich vereinbarte Entgelt oder amtlich festgestellte Börsenkurse. Ebenso deskriptiv ist die hier gerade bei den Verkehrswerten noch eingehend zu würdigende Bezugnahme auf die (beobachtbare) soziale „Bewertungswirklichkeit“. Trotz alledem bleibt er aber auch normativ, weil seine Anwendung immer „seinem“ Belastungsgrund im Allgemeinen und dem Bewertungsobjekt im Besonderen Rechnung tragen muss und sich dies regelmäßig gegenüber seinem deskriptiven Charaker auch durchsetzen wird (siehe zur normativen Filterung der rezipierten sozialen Verhaltensmuster insbesondere noch § 5 III. 3.).

458 D. J. Piltz/E. Wissmann, NJW 1985, 2673, 2676. Dieser Grundsatz gilt über die Bewertung hinaus. Das Bilanzrecht bietet hier weiteres Anschauungsmaterial: So hat der Jurist einer von betriebswirtschaftlichen Vorstellungen geprägten Bilanzierung die Bilanz im Rechtssinne gegenübergestellt und hat versucht, die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung normativ aus dem Bilanzrecht zu gewinnen versucht(e), siehe vor allem BFH v. 17.7.1974, I R 195/72, BStBl. II 1974, 684, 686 („Die Rechnungsabgrenzung ist aber nicht Ausdruck einer betriebswirtschaftlichen, sondern einer rechtlichen Leistungsbezogenheit. Die Bilanz im Rechtssinne ist keine Kostenrechnung“); M. Groh, in: Festschrift f. Rose, S. 142, 151; zur (sich letztlich nicht durchgesetzten) bilanzrechtlichen Rezeption ferner noch Fn. 869.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

Mit dieser inhaltlichen Gestaltungsfreiheit geht zugleich die terminologische Freiheit Hand in Hand. Der Befugnis zur sachlichen Regelung entspricht die Befugnis zur Sprachregelung.459 Die gesetzliche Begriffsbildung kann weder wahr noch falsch, sondern nur zweckmäßig oder unzweckmäßig sein.460 Letzteres dürfte zum Beispiel bei § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG der Fall sein. Dort legaldefiniert der Gesetzgeber den die Bewertungsuntergrenze bildenden „Substanzwert“ als „die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktive Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge“. Er stellt hier also auf Verkaufswerte ab, während die wirtschaftswissenschaftliche Sprachkonvention unter dem Substanzwert die Summe der Wiederbeschaffungskosten der Güter in gebrauchter Form versteht.461 Während dort die Idee vorherrscht, dass ein Unternehmen in Bezug auf seine Substanz das wert ist, was man an Ausgaben für einen Nachbau erspart, fragt der steuergesetzliche Substanzwert danach, was man erzielt, wenn man die Gegenstände einzeln verkaufen würde. Die Normativität und der hiermit verbundene Eigenständigkeitsanspruch kommen in dem vorgenannten Beispiel vor allem durch die Legaldefinition zum Tragen. Aber auch dort, wo es an Legaldefinitionen fehlt und Wertbegriffe (Wertmaßstäbe) innerhalb des Steuerrechtssatzes zugleich Prädikatoren der Alltagssprache bzw. juristische Fachtermini sind, dürfen hiermit geweckte Erwartungen, die sich mit der Verwendung des Begriffs wegen seines Alltags- bzw. Fachgebrauchs kaum unterdrücken lassen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei den Rechtswerten um normative Begriffe handelt. Die Bewertung bietet dabei ein interessantes Betrachtungsfeld für das Verhältnis von Normativität und Realität. Anlässlich § 1 I. wurde bereits angedeutet, dass und warum die Wirklichkeit sowohl für den Gesetzgeber als auch für den Rechtsanwender von Relevanz sein kann. Vorbehaltlich der nachfolgend noch anzusprechenden und sodann vor allem in § 7 I. dieser Arbeit noch zu vertiefenden verfassungsrechtlichen Bindungen ist der Gesetzgeber allerdings erst einmal in der Ausgestaltung seines Rechtswerts „frei“. Dies gilt sowohl für den Maßstab als solchen als auch für seine Konkretisierung vom abstrakt generellen Maßstab hin zum Einzelfall. Insbesondere letzteres ist von erheblicher Bedeutung, da uns gerade bei der Formulierung von Rechtswerten steuerungsschwache Begriffe 459 M. Jachmann, Die Fiktion im Öffentlichen Recht, S. 105 Fn. 363; H. Kindermann, ZG 1987, S. 43, 44 f.; R. Zippelius, Methodenlehre, S. 37. 460 K. F. Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 38; R. Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 110 ff.; R. Zippelius, Rechtsphilosophie, S. 4. 461 W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 218.

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Kreations- und Definitionsfreiheit des Gesetzgebers

begegnen (können). Hier kann der Gesetzgeber den Rechtswert dergestalt normativ ausgestalten, dass er allein aus dem Recht heraus deduktiv zu konkretisieren ist. Er kann aber ebenso gut auch das reale Bewertungsverhalten und/oder den fachwissenschaftlichen Erkenntnisstand rezipieren. Ein solches Rezeptionskonzept wird an späterer Stelle insbesondere im Bereich der Verkehrswerte noch vertieft werden (§ 3 III.). Der Vorrang des Normativen bleibt aber stets erhalten. Vielfach lässt sich das Normative allerdings auch selbst wiederum nur im Hinblick auf die soziale Bewertungswirklichkeit erfassen. An dieser Stelle sei beispielsweise schon einmal auf die Auslegung der Wendung in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG „unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft“ und die Belegung des Ertragsbegriffs im (Steuer-) Bilanzrecht im Sinne einer Eigenkapitalveränderung einereits, aber die bewertungstheoretische Belegung im Sinne einer Zahlungsstromgröße andererseits hingewiesen. Wir haben es hier mit einem Beispiel für die Relativität von Rechtsbegriffen („Ertrag“) zu tun. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG meint nämlich in der Tat die Zahlungsstormgröße, wie sie in der sozialen Wirklichkeit den Ertragswertverfahren in der Regel innewohnt. Rechtswerte im vorgenannten Sinne sind – gleich welchen Maßstab sie formulieren und welche Konkretisierung sie vorsehen – immer Funktionsbegriffe. Die Bewertung ist nicht Selbstzweck. Sie ist Mittel zum Zweck und letzterer kann nur für jede Steuer gesondert bestimmt werden. Der jeweilige Normzweck bestimmt also ihre Funktion und diese erfahren sie vor allem durch den einschlägigen steuerlichen Belastungsgrund462 und seine Konkretisierung durch weitere Prinzipien. Deshalb muss und kann es konzeptionell auch nicht „den einen Rechtswert“ für alle Steuerarten geben.463 Aus diesem Grunde ist es problematisch, ein „allgemeines Bewertungsrecht“ mitsamt den verschiedenen Rechtswerten Steuerarten übergreifend vor die Klammer zu ziehen. Der Gedanke eines „universalen Bewertungsrecht“ oder gar eines „universellen Rechtswerts“, wie er um die Wende vom 19. Jahrhundert zum 20. Jahrhundert wohl in Bezug auf den Tauschwert vorherrschte und vor allem auch nach dem 1. Weltkrieg in der Mantelgesetzgebung (Reichsabgabenordnung) so462 So bereits A. Hensel, Steuerrecht, S. 82 f.; ferner J. Hey, JZ 2007, 564, 565; R. Hofmann, DStJG 12 (1989), S. 145 ff.; R. Jüptner, StuW 2005, 126, 130; P. Kirchhof, DStR 1984, 575, 577; H. W. Kruse, BB 1989, 1349, 1351; L. Osterloh, DStJG 22 (1999), S. 177, 180; M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 68; R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 15 Rn. 54; K. Vogel, DStZ 1979, 28, 32 ff. 463 K. Kuhn, BFuP 20 (1968), S. 1, 17; R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 15 Rn. 53 ff.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

wie ersten Bewertungsgesetzen im Grunde (trotz vieler Spezifika der Ertragswerte) weiterverfolgt wurde464, ist zwar durchaus reizvoll.465 Dies darf aber nicht dazu führen, dass das allgemeine Bewertungsrecht sich vom Belastungsgrund der jeweils durch Tatbestandsverwirklichung betroffenen Steuer entfernt. Diese Gefahr droht aber, wenn ein Rechtswert in einem allgemeinen Bewertungsgesetz vor die Klammer gezogen und dieser Begriff in verschiedenen Einzelsteuergesetzen Verwendung findet. Dies verführt nämlich dazu, an den Begriffsspeicher des vor die Klammer gezogenen Wertes anzuknüpfen und von seinem Universalinhalt Rückschlüsse auf den Belastungsgrund der jeweiligen Steuer zu ziehen, an­ stelle selbst bei gleicher Begriffswahl zuvorderst an die Relativität von Rechtsbegriffen zu denken und den Rechtswert im Einzelsteuergesetz erst einmal autonom am eigenen Belastungsgrund zu verproben. Nimmt man den inneren Zusammenhang zwischen Belastungsgrund und Rechtswert ernst, wird man jedenfalls nicht um die Erkenntnis herum kommen, dass die Verwirklichung eines Universalwertes für alle Steuern eine Utopie ist.466 Bewertung im Rechtssinne muss vielmehr immer im Kon464 P. Kirchhof, Die Steuerwerte des Grundbesitzes, S. 8 ff. 465 Bemerkenswerterweise gibt es heute immer noch Beispiele, in denen nichtsteuerrechtliche Gesetze auf den Einheitswert Bezug nehmen. Dies gilt zum Beispiel für das EntschG, das in Ergänzung zum VermG die Entschädigung für die vom VermG erfassten Vermögenswerte regelt. Sie soll nach dem fiktiven Verkehrswert des geschädigten Vermögenswertes zum 3.10.1990 bemessen werden (s. BT-Drucks. 12/7588, S. 32, 35, 37). Bei dessen Ermittlung vereinfacht das EntschG dadurch, dass an den steuerlichen Einheitswert anknüpft und dieser mit einem zwischen den Vermögensgegenständen differierenden Vervielfältiger multipliziert wird (vgl. §§ 3 ff. EntschG). Nach BVerfG v. 22.11.2000, 1 BvR 2307/94 u.a., BVerfGE 102, 254, 308 f. drücken diese Vervielfältiger in pauschalierender Weise unter Berücksichtigung des typischen Erhaltungszustandes die Wertsteigerungen aus, die die Gegenstände nach Schätzungen von Steuerfachleuten infolge des Wegfalls der deutschen Teilung am 3.10.1990 erfahren haben. Ein weiteres Beispiel ist das Höferecht. Den Miterben, die nicht Hoferben geworden sind, steht bei gesetzlicher Erbfolge ein Anspruch gegen den Hoferben auf Zahlung einer Abfindung zu (§ 12 Abs. 1 HöfeO). Der Anspruch bemisst sich nach dem sog. Hofeswert. Als solcher gilt das 1,5-fache des zuletzt festgesetzten Einheitswertes im Sinne des § 48 BewG in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.9.1974 (§ 12 Abs. 2 Satz 2 HöfeO). Der Bundesgerichtshof hat zwischenzeitlich erkannt, dass eine Bewertung auf den Stichtag des 1.1.1964 für eine Abfindung zu heutigen Stichtagen problematisch ist, und versucht eine Weiterrechnung des Wertes auf aktuelle Stichtage (BGH v. 17.11.2000, V ZR 334/99, BGHZ 146, 74; kritisch wegen der schwierigen Durchführbarkeit [insbesondere wegen der Notwendigkeit rückblickend den Ertragswert zum 1.1.1976 zu ermitteln] zum Beispiel H. Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, § 12 HöfeO Rn. 25 ff.). 466 R. Jüptner, StuW 2005, 126, 130; K.-G. Loritz, Beihefter zu DStR 8/1995, 3, 7; M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 69; andere Ansicht

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Kreations- und Definitionsfreiheit des Gesetzgebers

text des für den Bewertungsanlass einschlägigen Rechtsregimes gesehen werden. Dies hat der kurze Überblick unter § 2 I. bereits gezeigt. Es mag durchaus identische Fragestellungen geben, deren Beantwortung mit identischen Rechtswerten naheliegend erscheint. Zu denken ist dabei z.B. an die sowohl einkommen- als auch umsatzsteuerrechtliche Bewertungsnotwendigkeit beim Tausch oder tauschähnlichen Umsätzen. Ferner wäre es gewiss nicht fernliegend, in bestimmten Konstellationen sowohl im Erbschaftsteuerrecht (Bereicherung) als auch im Einkommensteuerrecht (Ersatzrealisation) einen identischen Wertmaßstab und vor allem eine identische Konkretisierung desselben heranzuziehen. Zwingend ist dies alles jedoch nicht. Der Gesetzgeber muss primär den steuerspezifischen Bewertungsanlass in den Blick nehmen. Selbst dort, wo es naheliegen sollte, muss er keine die Steuerarten übergreifenden Rechtswerte schaffen. Ebenso wenig muss er, wenn solche bestehen sollten, sie identisch konkretisieren. In bestimmten Fällen folgt dies bereits daraus, dass er angesichts der Verschiedenheit und Eigenheiten der Belastungsgründe Gefahr liefe, den jeweiligen Belastungsgründen nicht mehr (ausreichend) gerecht zu werden. Diese Gestaltungsfreiheit bei der Kreation von (steuerspezifischen) Rechtswerten steht unter dem Eindruck zweier sich wechselseitig be­ einflussender Ausgangsbefunde: Zum einen habe ich in Kapitel § 1 festgestellt, dass es keine naturgesetzliche Wertrealität gibt, an die der Gesetz­geber anknüpfen kann. Er findet aber andere Anknüpfungspunkte – „reale Bezugspunkte“ – vor und kann entscheiden, ob und inwieweit er sie für rechtserheblich erklärt. Diese wurden unter § 2 I. bereits angedeutet. Der Gesetzgeber kann an den gesamten tatsächlichen Güterverbrauch für die Anschaffung oder Herstellung eines Gegenstandes anknüpfen, er kann an die für andere (vergleichbare) Gegenstände tatsächlich erzielten Preise anknüpfen oder auch nur an die Verhaltensmuster in Ansehung einer (möglichen) Preisbildung, die ebenso einer Beobachtung zugänglich sind. Mit anderen Worten: Die Formulierung von Rechtswerten wird beeinflusst durch das, was in der Realität vorgefunden wird, weil jede Norm einen realen Bezugspunkt braucht (dazu noch eingehend § 3 III. 1.). Zum anderen ist es die Stellung des Rechtswertes im Gesamtsteuerrechtssatz, welche die Gestaltungsfreiheit beeinflusst. Er erfüllt nämlich eine Aufgabe, die nicht von der gesetzgeberischen Entwomöglich BVerfG v. 7.5.1968, 1 BvR 420/65, BVerfGE 23, 242, 256, welches man durchaus so verstehen kann, dass die Argumentation im Sinne des Verkehrswerte als „der Natur der Sache entsprechenden Grundsatz“ vom Bewertungsgesetz her Richtung Einzelsteuergesetz erfolgt und nicht umgekehrt vom Belastungsgrund der jeweiligen Steuer aus.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

scheidung über den Belastungsgrund getrennt werden kann; er hat eine dienende Aufgabe (siehe bereits § 2 II.). Der Wert wird vom Gesetzgeber an das Bewertungsobjekt herangetragen, ihm also aus einem ganz bestimmten, funktionsbedingten Grund zugewiesen und nicht umgekehrt. Vor allem dieser Funktionsbezug jedes Rechtswertes ist sehr ambivalent: Er setzt die Kreations- und Definitionsfreiheit des Gesetzgebers einerseits voraus, begrenzt sie aber andererseits, nämlich aufgrund seiner gleichheitsrechtlichen Bindungen. Dieser Aspekt der Selbstbindung wird im weiteren Verlauf der Untersuchung noch vertieft werden und zwar im Kontext der Verkehrswerte. Dort wird diese gleichheitsrechtliche Selbstbindung unter dem Aspekt der Belastungsgleichheit besonders virulent, aber zugleich auch in seiner Wechselbezüglichkeit zum realen Bezugspunkt besonders diskussionsbedürftig. Wir werden dabei sehen, dass diese gleichheitsrechtliche Selbstbindung aus der Steuergerechtigkeitsperspektive heraus ihre Berechtigung hat, ihr aber stets die Frage anhaftet, welche Wirklichkeit es aus gleichheitsrechtlichen Gründen überhaupt zu erfassen gilt (eingehend § 7 I. 2.). Das Verfassungsrecht mag den Gesetzgeber bei bestimmten Besteuerungsanlässen durchaus dem Grunde nach sogar an einen bestimmten Wertmaßstab binden. Aber gerade die von der Maßstabsformulierung zu unterscheidende Maßstabskonkretisierung eröffnet dem Gesetzgeber ungeachtet aller verfassungsrechtlichen Zwänge erhebliche einfach-rechtliche Spielräume. Wenn zum Beispiel sowohl das Erbschaftsteuerrecht (dort durchgängig) als auch das Einkommensteuerrecht (dort neben dem Teilwert in bestimmten Fällen) auf den gemeinen Wert rekurrieren und damit letztlich einen Tauschwert für maßgeblich erklären (vgl. § 9 BewG: Preis, der bei der Veräußerung zu erzielen wäre), so ist es doch gerade das Dilemma dieser Anordnung, dass es in der Mehrzahl der Fälle an einem tatsächlichen Tauschvorgang fehlt und deshalb auf „Hilfsüberlegungen“ zurückgegriffen werden muss. Der Gesetzgeber kann sich nur an dem orientieren, was man beobachten kann und dies ist vielfach nur das – gegebenenfalls zu sozialen Normen gewachsene – Bewertungsverhalten der Menschen. Zur Orientierung mögen ihm außerjuristische Begrifflichkeiten, Erkenntnisse und Diskussionen dienen. Aber gleichwohl kann er die soziale Wirklichkeit (allenfalls) vergröbernd einfangen. Denn Verhaltensmuster sind eben nichts „Verfestigtes“ und treten selten mit einem Alleinstellungsanspruch auf. Gerade dies ist die Stunde des konkretisierenden Gesetzgebers. Insbesondere anlässlich der Erbschaftsteuerreform hat sich gezeigt, dass sich der Gesetzgeber bei der Formulierung des Rechtswertes von der außerjuristischen Wertdiskussion und/oder den ihr zugrundeliegenden ökonomischen Beobachtungen 136

Der „Gegenstand“ der Bewertung

und Grundannahmen „inspirieren“ lässt und dies sogar teilweise in einer konkretisierenden Rezeption mündet. Ein Beleg hierfür ist § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG: Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, so ist er unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten des Unternehmens oder einer anderen anerkannten Methode zu ermitteln (eingehend bei § 3 III. 2. a.).

II. Der „Gegenstand“ der Bewertung und seine Wechselwirkung zum Rechtswert In der Einleitung ist bereits angeklungen, was Gegenstand der Bewertung sein kann: Dies waren vornehmlich reale und immaterielle Güter. Sie decken sich im Wesentlichen mit dem, was das Steuerrecht als Wirtschaftsgut auffasst. Bewertungsrelevanz kann aber auch die Zugehörigkeit dieser Güter zu einer übergeordneten Einheit, also die Zusammenfassung einer Mehrzahl solcher Güter erlangen. Ferner lassen sich Dienstleistungen, Nutzungen und sonstige Vorteile bewerten; für Nachteile und auch Risiken, die bilanzsteuerrechtlich vor allem in Gestalt von Rückstellungen Relevanz erlangen, gilt dies sinngemäß, handelt es sich nämlich doch (bilanzrechtlich) nur um vorweggenommene Ausgaben für bewertbare Gegenstände (Güter und Dienstleistungen). So wie man verschiedene Güter zu einer Sachgesamtheit zusammenführen kann, gilt dies auch für alle Gegenstände, also Einzelgüter, Vor- und Nachteile sowie Risiken. Man denke nur an die ökonomisch organisatorische – aber eben nicht sachenrechtliche – Einheit, die ein Unternehmen repräsentiert. Aber auch „kleinteiligere“ Einheiten existieren. Dies reicht von einem selbständig lebensfähigen Teil eines solchen Unternehmens (Teilbetrieb) bis hin zu einer als solches verlagerungsfähigen und deshalb zu bewertenden „Funktion“. Die nachfolgende Untersuchung kommt angesichts der vorstehend aufgezeigten Vielgestaltigkeit nicht ohne eine Arbeitsdefinition aus, die Realgüter, immaterielle Güter, Vorteile, Nachteile, Risiken sowohl im Einzelnen als auch in ihrer Verbindung sprachlich zusammenfasst: genus proximum soll hier der „Gegenstand“ sein. Der „Gegenstand“ umschreibt dabei jeweils den Bezugspunkt dessen, was bewertet wird. Die Klarstellung dieses Bezugspunktes ist deshalb von Bedeutung, weil die Erfahrung lehrt, dass sich unterschiedliche Werte ergeben können, je nachdem, ob eine einzelne Sache bewertet wird oder eine Mehrheit zusammengehörender Sachen als Ganzes. Dies hat 137

Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

(jedenfalls im Grunde) bereits das Preußische Oberverwaltungsgericht in Bezug auf das PreußErgStG 1893, wo erstmals für steuerliche Zwecke versucht worden war, den Gesamtwert des Betriebsvermögens auf der Grundlage der bilanziellen Einzelwerte zu ermitteln467, erkannt: „Diese Einheit [Anm.: Fabrik] kann richtiger Weise regelmäßig nur als Einheit bewerthet werden. Denn der Fabrikant bezweckt durch die Zusammenführung der einzelnen Theile zur Gesamtheit der Fabrikanlage die Erzielung eines höheren Gewinns und gerade diese gewinnbringende Bestimmung der Fabrikanlage hat auch regelmäßig einen im Verkehr zum Ausdruck gelangenden, die Summe der Einzelwerte übersteigenden Werth der Anlage zur Folge“.468 Heute ist dies unbestritten.469 In dem Teilwertgedanken des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG und der Gesamtbewertungsanordnung für wirtschaftliche Einheiten des Betriebsvermögens findet dies auch seinen normativen Ausdruck. Diese Diskrepanz zwischen der Summe der isoliert ermittelten Einzelwerte und dem Gesamtwert beruht beispielsweise darauf, dass die einzelnen Wirtschaftsgüter eines Betriebes für sich betrachtet nicht produktiv sind, sonde­rn vielmehr erst im Verein mit anderen Wirtschaftsgütern eine nutzenbringende Einheit bilden. Die ökonomisch-organisatorische Verbindung bringt zum einen Gegenstände hervor, die vielfach nur in Verbindung mit der Einheit existieren können bzw. deren Wert zumindest in starker Abhängigkeit von dieser Einheit stehen. Dies sind beim Unternehmen der Kundenstamm, der gute Ruf, das Netz der Geschäftsbeziehungen, Vertragskonditionen, also all das, was vielfach begrifflich zum „Geschäftswert“ zusammengefasst wird.470 Hier wird der Mehrwert der Unternehmung also als eigenständiges Wirtschaftsgut erfasst. Zum anderen kann sich das Zusammenwirken der einzelnen Gegenstände auch wiederum auf 467 Siehe Art. 12 der Ausführungsanweisung zum PreußErgStG, abgedruckt bei B. Fuis­ ting, Die Preußischen direkten Steuern, Band 2, S. 216 f. 468 PreußOVG v. 17.5.1897, E IX 84/96, PreußOVGStE 6, 30, 35 f., siehe dazu auch B. Fuisting, Die Preußischen direkten Steuern, Band 2, S. 53 sowie die Bewertung der zeitgenössischen Erkenntnisse und Diskussionen bei H. Jacob, Das Bewertungsproblem in den Steuerbilanzen, S. 37 ff. 469 RFH v. 12.10.1926, II A 371/26, RFHE 20, 93, 94; W. Ballwieser/R. Leuthier, DStR 1986, 545, 548; H. Münstermann, Wert- und Bewertung der Unternehmung, S. 18 ff. 470 Sehr trefflich die – auf den Typus des Einzelunternehmers zugeschnittene, aber für „unpersönlichere große Gesellschaften“ erst Recht geltende – Begründung für einen solchen „stillen“ Wert RFH v. 12.10.1926, II A 371/26, RFHE 20, 93, 95: „Selbstverständlich ist jeder wirtschaftliche Organismus durch die Tüchtigkeit und Vertrauenswürdigkeit der persönlichen Kräfte mitbedingt, die ihn beleben. Der besondere objektive Wert eines eingerichteten Geschäfts liegt aber eben darin, dass gleiche wirtschaftliche Tüchtigkeit eines Nachfolgers den fertigen Körper vorfindet, in dem sie sich auswirken kann“.

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Der „Gegenstand“ der Bewertung

deren eigenen (Einzel-)Wert auswirken. Auch insoweit dürfte das Beispiel des Unternehmens als organisatorisch-ökonomische Einheit das praktisch wichtigste sein: Die betrieblichen Wirtschaftsgüter erfahren wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer funktionierenden, am Markt etablierten Einheit einen spezifischen Mehrwert. Es gibt freilich auch andere Beispiele. So kann ein „Mehrwert“ der Sachgesamtheit auch darauf beruhen, dass sie noch einzigartiger ist als die Einzelsachen (man denke nur an eine Kunstsammlung). Das Gesetz muss auch darüber befinden, ob und wie dieser Zusammenhang bei der Bewertung Berücksichtigung findet. Es gibt insoweit drei Möglichkeiten471: Soll die Summe der Gegenstände als solche bewertet werden, ohne dass nach dem Einzelwert für die Gegenstände gefragt wird (Gesamtbewertung)? Soll jeder einzelne Gegenstand bewertet werden, und zwar so, als bestünde die Verbindung mit anderen Gegenständen nicht (Einzelwert ohne Berücksichtigung der Zugehörigkeit zu einer übergeordneten Einheit)? Oder soll man den Gegenstand einzeln bewerten, aber hierbei auch wertmäßige Auswirkungen wegen seiner Verbindung mit anderen Gegenständen berücksichtigen (Einzelwert unter Berücksichtigung der Zugehörigkeit zu einer übergeordneten Einheit)? Die Antwort auf diese Frage kann freilich keine einheitliche sein, sondern muss immer von Regelungszusammenhang zu Regelungszusammenhang beantwortet werden: So ist beispielsweise das Ertragsteuerrecht vom Grundsatz der Einzelbewertung geprägt. Dies wiederum schließt natürlich nicht aus, dass ein einzelnes Wirtschaftsgut eine Gesamtbewertung erforderlich macht (zum Beispiel die zum Betriebsvermögen gehörende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft), was aus Sicht des einschlägigen Einkommensteuerrechts aber letztlich doch nur eine Einzelbewertung eben jenes Wirtschaftsgutes als eines von vielen anlässlich des Betriebsvermögensvergleichs ist. Getragen von einer steuerlichen Eigenständigkeit des Wirtschaftsgutbegriffs gegenüber dem Zivilrecht kann es für die Einzelbewertung sogar zu einer Abweichung gegenüber sachenrechtlichen Grundsätzen kommen. Das wohl prominenteste Beispiel hierfür dürfte die Verselbständigung von Grund und Boden einerseits und dem aufstehenden Gebäude andererseits als jeweils selbständige Wirtschaftsgüter sein, obwohl Letzteres gemäß § 94 BGB zivilrechtlich lediglich ein unselbständiger Bestandteil des Grundstücks ist.471a Gleichwohl gibt es auch im Einkommensteuerrecht Fälle, in denen der Gesetzgeber ungeachtet des ansonsten vorherrschenden Einzelbewer471 Nach H. Jacob, Das Bewertungsproblem in den Steuerbilanzen, S. 38. 471a Siehe nur BFH v. 13.11.1991, I R 58/90, BStBl. II 1992, 517.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

tungsgrundsatzes nur eine bewertungsspezifische Erfassung einer Gesamtheit verschiedener Rechte, Sachen und sonstiger Vorteile für sachgerecht erachtet. Beispielhaft zu nennen sind hier vor allem die Bewertung eines verlagerten Transferpaketes (Funktionsverlagerung, § 1 Abs. 3 Sätze 7 ff. AStG), aber auch die Gesamtbewertung von Betriebsvermögen bei Umstrukturierungsvorgängen nach Maßgabe des UmwStG. Der Anknüpfungspunkt folgt hier nicht aus dem Wirtschaftsgutbegriff, sondern im Hinblick auf das, was verlagert worden bzw. auf einen anderen Rechtsträger übergegangen ist. Die bewertungsabhängigen Steuern wiederum sind hinsichtlich des bewertungsrechtlichen Bezugspunktes durch die wirtschaftliche Einheit im Sinne von § 2 Abs. 1 BewG geprägt; für die Grunderwerbsteuer findet sich eine entsprechende Regelung in § 2 Abs. 3 GrEStG. Eine solche wirtschaftliche Einheit ist „für sich zu bewerten“ (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BewG). Dies kann (auch) eine Zusammenfassung einer Mehrzahl von Wirtschaftsgütern sein; darüber, was eine solche wirtschaftliche Einheit bildet, entscheidet die Verkehrsauffassung (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BewG). Für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens und des Betriebsvermögens führt dies (seit dem 1.1.2009) zur Gesamtbewertung. Sie ist vorbehaltlich des einzelwertorientierten Mindestwertansatzes (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG) die Regel. Sehr schön zeigt sich die Relevanz der gesetzgeberischen Entscheidung für das Bewertungsobjekt in Bezug auf die Bewertung an einer Kunstsammlung. Ungeachtet der schon in Bezug auf ein einzelnes Kunstwerk bestehenden Bewertungsproblematik (dazu § 6 II.) ist eine freilich ebenso interessante Frage, ob und inwieweit eine Kunstsammlung, die aus mehreren individuellen Werk­stücken besteht, einen bewertungsrechtlich zu erfassenden Mehrwert gegenüber der Summe der Einzelwerte der einzelnen Werkstücke aufweist. In der Literatur wird dies zum Teil verneint mit der Begründung, dass es an einer § 11 Abs. 3 BewG (Paketzuschlag) entsprechenden Regelung fehle.472 Meines Erachtens ist der Begründungsansatz unrichtig: Entscheidend muss sein, ob die Kunstsammlung nach Maßgabe des § 2 BewG eine wirtschaftliche Einheit darstellt. Wenn dies zu bejahen ist, dann ist ihr gemeiner Wert als solches maßgeblich und der Rechtsanwender muss der Frage nachgehen, was der Markt für die Sammlung als Einheit bezahlen würde. Wenn sich hierbei ein Mehrwert realisieren lassen sollte, dann ist er auch zu berücksichtigen. Mit der Frage, wann „etwas“ einzeln, als Bestandteil einer Gesamtheit (aber gleichwohl einzeln) oder die Gesamtheit als solches (also insgesamt) zu bewerten ist, ist ein weiterer im Vorfeld der Bewertung klä472 K. Ebling, in: Ebling/Schulz, Kunstrecht, Rn. 626.

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Der „Gegenstand“ der Bewertung

rungs- und deshalb regelungsbedürftiger Aspekt eng verbunden: Ist der Bewertungsgegenstand als eine Zusammenfassung aus mehreren (untechnisch gesprochen) Sachen und Rechten definiert, so bedarf es regelmäßig einer Umfangskonkretisierung und vor allem einer Abgrenzung, sei es auch nur in der Form, dass dabei auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise abgestellt wird (so insbesondere § 2 Abs. 1 Satz 3 BewG). Gerade bei Grundstücken erfolgt die Steuerung sogar recht detailliert. So bestimmt beispielsweise § 68 Abs. 1 BewG den Umfang der wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens (zum Beispiel: Grund und Boden, Gebäude, sonstige Bestandteile und Zubehör, nicht hingegen Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentlicher Bestandteil sind). Besonders deutlich wird die unmittelbar auf die Bewertung einflussnehmende Abgrenzung auch beim Betriebsvermögen. Es gilt der Grundsatz der Bestandsidentität473 mit dem Einkommensteuerrecht, d.h. die sachliche Zurechnung aktiver und passiver Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen ist auch für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke maßgeblich (§ 95 Abs. 1 BewG) und die dergestalt definierte (wirtschaftliche) Einheit ist als Ganzes zu bewerten (§ 109 BewG). Negativ formuliert: Was einkommensteuerrechtlich Privatvermögen ist, ist auch nicht Teil dieser Bewertungseinheit, sondern muss gesondert bewertet werden. Bedingt dadurch, dass die Betriebsvermögenseigenschaft jedenfalls beim notwendigen Betriebsvermögen einen inneren Zusammenhang mit der gewerblichen Tätigkeit fordert (Wirtschaftsgüter, wenn und soweit sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sind474), wird sich in vielen Fällen eine Deckung mit der vorrangig wirtschaftlichen Abgrenzung, wie sie in der Unternehmensbewertungslehre vorherrscht475, ergeben. Zwingend ist dies freilich nicht. Insbesondere ist zu gegenwärtigen, dass auch innerhalb einer wirtschaftlichen Einheit für Zwecke der Bewertung Ab- und Ausgrenzungen und bewertungsspezifische Verselbständigungen denkbar sind. Wir haben anlässlich der Ausführungen zur Ertragsbewertung bereits gesehen, dass dort zwischen dem der Gesamtbewertung unterworfenen betriebsnotwendigen Vermögen und dem einzelbewerteten nicht betriebsnotwendigen Vermögen unterschieden wird. Diese Unterscheidung gilt trotz Bestandsidentität in Ansehung des steuerlichen Betriebsvermögens auch für Ertragswertbewertungen für steuerliche Zwecke, und zwar ungeach473 R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 15 Rn. 70. 474 Siehe nur BFH v. 19.2.1997, XI R 1/96, BStBl. II 1997, 399, 402. 475 Vgl. zum Beispiel W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 6.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

tet der Frage, ob das Gesetz dies explizit anordnet. Letzteres ist mit § 200 Abs. 2 BewG für das vereinfachte Ertragswertverfahren sogar regelungsspezifisch geschehen. Bezieht man ferner noch das gewillkürte Betriebsvermögen sowie die über kein Privatvermögen verfügenden Kapitalgesellschaften mit in die Betrachtung ein, springt die aus der Abhängigkeit einer steuergesetzlichen Anknüpfung erwachsende Regelungsbedürftigkeit und damit insbesondere auch die Eigenständigkeit dieser „Vermögenskategorie“ mit der hieran anknüpfenden bewertungsrechtlichen Differenzierung besonders ins Auge. Gleich wie man die hier aufgeworfenen Fragen in einem Steuergesetz löst, so dürfte deutlich geworden sein, dass die normative Fixierung des „Bewertungsgegenstandes“ eine die Bewertung unmittelbar beeinflussende Vorfrage darstellt.

III. Der intersubjektiv nachvollziehbare Realbezug als gemein­ sames Grundelement aller Rechtswerte und zugleich als ihr maßgeb­liches Unterscheidungskriterium

Intersubjektiv nachvollziehbarer Realbezug aller Rechtswerte

1. Allgemeine Bezugspunkt- und Unterscheidungsüberlegungen Der dogmatische Sinn einer Typologiebildung dürfte unbestritten sein. „Der Weg, eine erkenntnisfördernde Funktion zu dogmatischen Einsichten zu verdichten, führt in der Jurisprudenz regelmäßig über die juristische Typologie, die auf der Schnittstelle von heuristischer und dogmatischer Funktion liegt“.476 In diesem Bestreben wird die Vielzahl der steuergesetzlichen Rechtswerte häufig auf zwei „Grundtypen“ zurückgeführt: den Verkehrswert als Tauschwert und den Ertragswert als Gebrauchswert. Alle anderen Wertansätze oder Bewertungsmethoden seien lediglich Verfeinerungen eines dieser Grundtypen oder Hilfsmethoden zu einer der beiden Wertfeststellungen.477 Bei großzügigem und pers­ pektivenneutralen (also auch die Beschaffungsseite einbeziehenden) Verständ­nis des Verkehrswertes ließen sich ihm wohl sogar auch die Anschaf­fungs- und Herstellungskosten zuordnen. Denn auf der Beschaffungsseite bilden der Einstandspreis und der bei der Herstellung aufgewendete Güterverzehr durchaus auch Tauschwerte ab.478 Die beiden Grundtypen beziehen sich tatbestandlich auf etwas Reales, sind aber 476 K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, S. 98 unter Bezugnahme auf M. Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 21 f., 206. 477 K. Vogel, DStZ 1979, 28 ff.; P. Kirchhof, Die Steuerwerte des Grundbesitzes, S. 3 ff.; W. Leisner, DB 1996, 595, 596. 478 Siehe aber auch A. Hensel, Steuerrecht, S. 87 der vier Grundtypen beispielhaft aufzählt: gemeiner Wert, Ertragswert, Anschaffungspreis und Nennwert.

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Intersubjektiv nachvollziehbarer Realbezug aller Rechtswerte

nicht als Realtypen zu qualifizieren.479 Sie sind vielmehr das Produkt der Legislative für einen bestimmten Zweck (siehe bereits § 3 I.). Die wesensprägenden Unterscheidungsmerkmale können daher nur normativ gewonnen werden. Dies tut auch die vorstehende Sichtweise, die nämlich an die Perspektive (Tauschen oder Gebrauchen) anknüpft. In dieser Arbeit wird jedoch eine davon verschiedene Perspektive gewählt. Differenzierungsmerkmale sollten vom Erkenntnisinteresse aus gewählt werden. So dienen sie bereits der Vorstrukturierung der weiteren Untersuchung. Daher wird nachfolgend der reale Bezugspunkt, ohne den ein Rechtswert nicht auskommen kann, als ordnungsstiftendes Kriterium herangezogen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich die Erkenntnisse am Ende nicht im Wesentlichen decken. Um sich das hier gewählte Ordnungskriterium zu erschließen, bedarf es freilich einer Vorüberlegung. Die unter § 3 I. formulierte Kreations- und Konkretisierungsbefugnis des Gesetzgebers unterliegt einer entscheidenden normtheoretischen Einschränkung, die ebenfalls im Funktionsbezug wurzelt, aber über die bereits angedeutete (erst bei § 7 I. zu vertiefende) gleichheitsrechtliche Selbstbindung hinausgeht. Anzuknüpfen ist hierbei an die Erkenntnisse zu § 1 II.: Dem subjektiv-individuellen Wert liegt eine Subjekt-Objekt-Beziehung zugrunde. Gegenstände und Vorteile verkörpern je nach Subjekt einen unterschiedlichen, nämlich jeweils individuellen Wert. Er ist eine „Meinungssache“ und eben keine dem Gegenstand anhaftende objektive Eigenschaft, die es nur zu entdecken gilt. Das Gesetz kann den Wert eines Gegenstandes also nicht unmittelbar normativ im Sinne von etwas Realem, das einer Beurteilung von wahr oder falsch zugänglich wäre, erfassen. Es könnte als Tatsache allenfalls die Meinung einer bestimmten Person in Bezug auf den Wert eines bestimmten Gegenstandes beschreiben oder bezeichnen. Solche Nutzenvergleiche in Bezug auf ein Individuum sind rein subjektiv; intersubjektive Nutzenvergleiche wiederum sind überhaupt nicht möglich. Zugespitzt formuliert: Am Ende eines Gerichtsverfahren müsste ansonsten der Richter sagen, was entweder gerade ihm oder einer anderen Person der betroffene Gegenstand wert ist. Würde man sogar auf den Steuerpflichtigen abstellen, käme dies einer „Besteuerung nach Wahl“ gleich. Insoweit ist es verständlich, dass die Rechtsprechung und die Literatur von einem Unbehagen gegenüber einem (vermeintlich) „subjektiven Wert“ im Gegensatz zu einem „ob­jektiven Wert“ geprägt sind. So wird beispielsweise für Verkehrswerte allgemein die Ansicht vertreten, dass ein „subjektiver 479 Siehe zu den normativen Realtypen nur K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 461 ff.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

Wert“ die ihm zugewiesene Funktion nicht erfüllen könne. Dies hat bereits Bernhard Fuis­ting in Ansehung der preußischen Ergänzungssteuer ausgeführt480 und seine Erkenntnis ist dem Grunde nach später auch nicht mehr in Zweifel gezogen worden. Ferner wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Maßgeblichkeit eines subjektiven Wertes zu unlösbaren Vollzugsproblemen führe. Der subjektive Wert sei nicht nur zur Erfüllung des Bewertungszwecks untauglich, er wäre auch auf der Rechtsanwendungsebene nicht verifizierbar.481 Unter verschiedenen Vorzeichen ist daher ein „Objektivierungsbestreben“ auszumachen. Im Sinne einer weitestgehenden Ausschaltung subjektiver – weil als willkürlich und nicht mehr vergleichsfähig empfundener – Einflüsse wird eine „Notwendigkeit der Objektivierung“ postuliert.482 Das herkömmliche Reaktionsmuster auf die „Gefahr“ der Subjektivität lässt sich auf einen Nenner bringen: Begegnet werden soll ihr durch Objek­ tivierung mittels „Konventionalisierung“, „Typisierung“ und „Entindividualisirung“.483 Gerade in Bezug auf die Verkehrswerte wird vor allem die betriebswirtschaftliche Unternehmensbewertungslehre nicht müde, die „Auslegungsstandardisierungsfunktion“ ihrer Methoden sowie ihrer Modellannahmen zu betonen, um zur Verwirklichung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu einem (weitestgehend) „ermessensunabhän­ gigen“ Wert zu gelangen.484 Insbesondere verwundert es nicht, dass in 480 B. Fuisting, Die Preußischen direkten Steuern, Band 2, S. 59. 481 H.-D. Höppner, in: Festschrift f. Wacke, S. 125, 126. 482 Siehe über die Zeit hinweg jeweils mit weiteren Nachweisen H. Hanisch, Die Entwicklung der Wertbegriffe im modernen deutschen Steuerrecht, S. 7; H. Jacob, Das Bewertungsproblem in den Steuerbilanzen, S. 15; D. J. Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, S. 92 f.; A. Raupach, in: Festschrift f. Lang, S. 843, 855 f.; F. Schleithoff, Die Unternehmensbewertung im deutschen Steuerrecht, S. 32. 483 Zur Sprachkonvention: Die Objektivierung wird hier als das Ziel verstanden; die Mittel zu seiner Erreichung sind Typisierung und Entindividualisierung. Es existieren allerdings gerade im Bereich der Unternehmensbewertung auch andere Sprachregelungen, zum Beispiel K. Henselmann, BFuP 58 (2006), S. 144, der zwischen Objektivierung in Bezug auf die intersubjektiv nachprüfbaren Fakten und Typisierung in Bezug auf subjektive Wertdeterminanten unterscheiden will (dem folgend C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 44); ferner zum Beispiel G. Mandl/K. Rabel, in: Festschrift f. Rückle, S. 45, 50: „Objektivierung dient der Ausschaltung bzw. Beschränkung des Bewertungsermessens. Die Typisierung hingegen der Überwindung von Informationsdefiziten und führt zu einer (unvermeidbaren) Vereinfachung der Bewertung“. 484 Zum Beispiel G. Brösel, BFuP 58 (2006), S. 128, 138: Konventionalisierung der Bewertung gerade im Steuerrecht, um „das Ermessen“ bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage zu reduzieren und somit die Besteuerungsgerechtigkeit zu sichern sowie Rechtssicherheit zu schaffen; ferner M. Hinz, BFuP 63 (2011),

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Ansehung der Steuerbemessungsgrundlage häufig dem (vermeintlich) objektivierten Unternehmenswert nach dem IdW S1 das Wort geredet wird bzw. er zumindest „vergleichend“ ins Spiel gebracht wird485 – und dies nicht (allein) wegen seiner (vermeintlichen) praktischen Anerkennung, sondern gerade eben wegen der hiermit (vermeintlich) erreichbaren Objektivierung (siehe zum objektivierten Unternehmenswert bereits § 1 III. 3. a.). Die Verwendung der Attribute „objektiv“ und insbesondere „objektivitert“ ist unglücklich.486 Es kann hierbei jedenfalls nicht darum gehen, dass man Wertungsnotwendigkeiten beseitigt. Man sollte sich dem Problem daher von dem begrifflichen Gegenstück nähern. Die vorstehenden Bedenken sind jedenfalls insoweit richtig, als es selbstverständlich bei der Bewertung im Grundsatz nicht allein auf die subjektive, nicht kontrollierbare Wertvorstellung einer Person, insbesondere des Steuerpflichtigen, ankommen kann. Man darf jedoch „subjektiv“ nicht gleichsetzen mit „nicht nachprüfbar“ oder „willkürlich“. Wer dies tut, ignoriert die soziale Wirklichkeit und verfehlt damit die eigentliche Fragestellung: Jeder Rechtswert (gemeiner Wert, Teilwert, Anschaffungs- und Herstellungskosten) bedarf eines realen Anknüpfungspunktes. Ein (auch) deskriptives Element ist unverzichtbar. Der „Wert als solches“ ist keine im Normtext verarbeitbare, der Beobachtung zugänglich Tatsache. Ein Bewertungsmaßstab kann immer nur in Bezug auf „etwas“ formuliert werden, das in der Realität vorgefunden wird, und dieses „etwas“ muss wiederum der Beobachtung zugänglich sein, d.h. der durch Rechtsanwendung gewonnene Wert eines Gegenstandes muss immer das Ergebnis der AbS. 304, 321: Aufgabe der Unternehmensbewertung sei es, aus dem Bewertungskonzept des BewG den Steuerwert „unter Wahrung des Prinzips der Gleichmäßigkeit der Besteuerung folgerichtig und ermessenunabhängig abzuleiten“; ähnlich W. Ballwieser/R. Leuthier, DStR 1986, 545, 547 f. (Zwang zur Konventionalisierung mit Hinweis auf Steuergerechtigkeit und Rechtssicherheit). 485 So beispielsweise A. Blum/S. Weber, GmbHR 2012, 322, 324; D. Eisele, Erbschaftsteuerreform 2009, S. 187 ff.; T. Kohl/D. Schilling, StuB 2008, 909, 910 ff.; siehe ferner D. Piltz, Ubg 2009, 13, 18, der jedenfalls davon ausgeht, dass die Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG rechtspraktisch auf den IdW S 1 hinausläuft; auf den „objektivierten Unternehmenswert“ (allerdings ohne ausdrückliche Nennung des IdW S1) nehmen ferner C. Sureth/D. Nordhoff, DB 2008, 305, 307 Bezug. 486 Dazu im Kontext der „objektiven Unternehmensbewertungslehre“ bereits W. R. Bretzke, BFuP 28 (1976) S. 543 ff., dessen kritische Überlegungen zur Sprachkonvention in Ansehung des „Objektiven“ im Sinne empirischer Überprüfbarkeit, logischer Überprüfbarkeit, einem Rationalitätsanspruch oder Unparteilichkeit nach wie vor aktuell sind; ähnliche Vorbehalte gegen den „Objektivitätsanspruch“ bei J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 166.

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leitung aus Beobachtungen, also einer der Kategorien von wahr oder falsch zugänglichen Aussage, sein. Ohne einen solchen Anker in der Realität wäre jeder Rechtswert verloren. Seine Befolgung wäre (in der Tat) in das Belieben des Normadressaten gestellt. Wenn der Wert einer Sache für Zwecke der (Steuer-) Rechtsanwendung dem subjektiven „Meinen“ des Bewertenden überlassen würde, bliebe seine Nichtbefolgung unprüfbar und damit sanktionslos. Gleichheitsrechtlich wäre dies nicht hinnehmbar.487 Gleichwohl darf der zutreffend als Problem erkannte Befund aber nicht zur vorschnellen „Eleminierung“ oder zumindest Reduzierung des Subjektiven und damit korrespondierenden (vermeintlichen) „Objektivierungspostulaten“ führen. Wer auf die Erkenntnis, dass es keine naturgesetzliche Wertrealität gibt, beispielsweise in Ansehung der Verkehrswerte mit der Forderung nach einer Konventionalisierung und Typisierung reagiert, überspringt einen wichtigen Gedankenschritt, provoziert damit eine falsche Akzentuierung der Problematik und verbaut sich den Weg zur gemeinsamen Grundlage aller Rechtswerte: Wenn jeder durch Rechtsanwendung gewonnene Wert eines Gegenstandes immer das Ergebnis der Ableitung aus Beobachtungen sein muss (realer Bezugspunkt), dann ist nämlich nicht zwingend vorgegeben, dass dieser Bezugspunkt „subjektiv“ oder „objektiv“ ist. Dies wird besonders deutlich, wenn man auf das beobachtbare „subjektive“ Verhalten von Menschen abstellt. Das Subjektive „schadet“ nicht, solange es aus dem nichtprüfbaren (willkürlichen) Meinungsbild einer einzigen Person herausgelöst und auf die Ebene des intersubjektiv Nachprüfbaren gehoben wird. Die Wertungsnotwendigkeit bleibt also bestehen, aber sie hat sich in einem nachvollziehbaren, als über-individuell akzeptierten Rahmen zu vollziehen.488 Die grundlegende Bedingung eines (vergleichenden) Rechtswertes ist also, dass der Bewertungsvorgang bzw. das Bewertungsergebnis intersubjektiv nachprüfbar auf einen gemeinsamen – von der jeweiligen Vergleichsfunktion des Rechtswertes vorgegebenen (dazu § 2 I. u. II.) – Nenner zurückgeführt werden kann. Der Subjekt-Objekt-Beziehung wird mithin nicht die Anerkennung versagt. Hieran wird sogar festgehalten. 487 Siehe vorerst nur (grundlegend) zur Verifikation als Grundbedingung eines gleichmäßigen Steuervollzuges BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 273; ferner BVerfG v. 9.3.2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, 113; dazu später noch § 7 II. 2. a. 488 Siehe auch schon A. Burger, NZG 2012, 281, 284; B. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 307; A. Hackmann, Unternehmensbewertung und Rechtsprechung, S. 84 f.; P. Kirchhof, DStR 1984, 575, 577; G. Mandl/K. Rabel, in: Festschrift f. Rückle, S. 45, 50, für die Objektivierung ebenfalls (vor allem) intersubjektive Nachvollziehbarkeit bedeutet.

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Es wird aber an die Stelle der Präferenzen des konkreten Subjektes ein Maßstab gesetzt, welcher dem Grunde nach der Beobachtung zugänglich ist. Damit wird die Bewertung rationaler Begründung und damit intersubjektiver Nachprüf- bzw. Nachvollziehbarkeit zugänglich gemacht. Dort, wo dies nicht möglich ist, gibt es ohnehin keine Objektivierung – gerade deshalb darf man sich auch nicht von der Verwendung des Adjektivs „objektiv“ täuschen lassen; in der Bewertungsdiskussion transportiert es nahezu überall einen Anspruch, den es praktisch nicht einlösen kann.489 An einer späteren Stelle erfolgt in dieser Arbeit noch die eingehende Beschäftigung mit Prognosen und sonstigen Wertungsnotwen­ digkeiten an deren Ende die Erkenntnis steht, dass es schlicht Grenzen rational begründbarer und damit intersubjektiv nachprüfbarer Rechtsanwendung gibt (dazu noch § 5 IV und § 6). Kommen wir aber zu dem zurück, was beobachtbar ist und damit den Weg zur intersubjektiven Nachprüf- und Nachvollziehbarkeit leitet: So ist beispielsweise – hier in Vorwegnahme der später eingehenden Ausführungen unter § 3 III. 2. – der reale, intersubjektiv nachprüfbare Bezugspunkt bei den Verkehrswerten die Preisbildung nach bestimmten Verhaltensmustern. Weil hier ein beobachtbarer realer Bezugspunkt existiert, sind die Ableitungsbasis und der Ableitungsvorgang der reinen Meinung entzogen und nachprüfbar. Natürlich werden unterschiedliche Rechtsanwender hier zu unterschiedlichen Werten gelangen, aber dies tun sie doch gleichwohl mittels einer Vorgehensweise, die einen ausreichenden Vergleich zwischen den Rechtsanwendungsergebnissen zulässt. Die in der Tat bestehenden „Spielräume“ dürfen nicht abschrecken. Sie sind eben ein Abbild der sozia­ len Wirklichkeit. Letztlich fungieren die in der Realität zu be­ obachtenden sozialen Verhaltensmuster ähnlich der juristischen Methodik als eine Anleitung, die zwar kein bestimmtes Ergebnis garantieren kann, deren Beachtung aber das Ergebnis akzeptabel macht (zu diesem Vergleich bereits Einleitung II. und siehe ferner noch § 6). Konkretisiert man die vorstehende Erkenntnis zur Notwendigkeit eines realen Bezugspunktes eines jeden Rechtswertes rechtswertspezifisch, führt dies jeweils zu seiner Vergleichsfunktion und muss unter deren Beachtung für jeden Rechtswert gesondert beantwortet werden. Der Detail-Analyse der einzelnen Rechtswerte sei hier bereits die für die weitere Untersuchung relevante Differenzierung vorweggeschickt:

489 Vgl. W. Müller, in: Festschrift f. Bezzenberger, S. 704, 704 für den „objektivierten“ Unternehmenswert.

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Es gibt – Rechtswerte, deren realer Bezugspunkt eine Preisrealisierungserwartung ist, bei denen es also einen wahrscheinlich erzielbaren Preis im Sinne des bereits unter § 1 III. herausgestellten Tauschwerts aus beobachtbaren Tatsachen, insbesondere sozialen Verhaltensmustern, abzuleiten gilt (dazu nachfolgend unter 2.) – Rechtswerte, deren realer Bezugspunkt vergangenheitsorientiert tatsächlich realisierte Preise sind, die also in der Regel auf einem Umsatzakt zwischen unterschiedlichen Marktteilnehmern beruhen bzw. denen ein (beobachtbarer) Güterverzehr zugrunde liegt. Dies sind vor allem die pagatorischen Anschaffungs- und Herstellungskosten (dazu nachfolgend unter 3.) – Rechtswerte, deren realer Bezugspunkt der Ist-Ertrag oder zumindest eine zum Soll-Ertrag entwickelbare Größe ist (dazu nachfolgend unter 4.). 2. Der wahrscheinlich realisierbare Tauschwert als Bezugspunkt a. Voraberkenntnis: Soziale Verhaltensmuster als Fluchtpunkt aller Verkehrswerte Verengen wir den Blick zuerst auf die Rechtswerte, die gemeinhin als Verkehrswerte bezeichnet werden. Hier fragt die Norm nicht danach, was ein konkreter Bewertungsgegenstand einem bestimmten, einzelnen Menschen „wert“ ist. Es geht also nicht um den individuell-subjektiven Wert. Vielmehr fragen solche Verkehrswerte nach dem Tauschwert, den das zu bewertende Gut repräsentiert (vgl. bereits § 1 III. 1.). Im Falle einer tatsächlichen Tauschtransaktion würde sich dieser im tatsächlich für den konkreten Gegenstand vereinbarten Preis manifestieren. Ein solcher fehlt allerdings gerade. Der Gesetzgeber muss daher hypothetisch werden. Gemeinsamer Nenner aller Verkehrswerte ist mithin ihre Fragestellung: Was für ein Preis würde sich im (gewöhnlichen) Geschäftsverkehr für einen bestimmten Gegenstand bilden, wenn er an einem bestimmten Stichtag getauscht worden wäre? Damit ist das genus proximum aller Verkehrswerte benannt, welches sodann noch Raum für weitergehende Differenzierungen lässt. Als differentia specifica treten dabei vor allem unterschiedliche Prämissen in Ansehung des hypothetischen Tauschaktes auf – sei es betreffend der Akteure, des Marktes oder sonstiger Tauschbedingungen. Verkehrswerte in diesem Sinne sind daher der gemeine Wert und der Teilwert. Wir werden ferner sehen, dass auch der Fremd­ vergleichswert hierhin gehört, allerdings als nur bedingt eigenständiger 148

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Rechtswert (§ 3 III. 2. d.). Sie alle sind durch das vorstehend formulierte genus proximum gekennzeichnet, weisen aber allesamt auch ihre differentia speficia auf, die jedoch nichts an der Zuordnung zur Gattung der Verkehrswerte ändern. Sowenig wie der Gesetzgeber in einer Bewertungsnorm an eine Tatsache „Wert“ anknüpfen kann, sowenig kann er dies in Ermangelung einer Transaktion in Bezug auf das konkrete Bewertungsobjekt am maßgeblichen Stichtag für eine Tatsache „Preis“. Er kann daher als realen Bezugspunkt (nur) das tatsächlich im Geschäftsverkehr an den Tag gelegte und geübte Bewertungsverhalten in den Blick nehmen. Im Gesetz findet dies seinen Niederschlag vor allem durch die Bezugnahme auf das Bewertungsverhalten einer abstrakt bleibenden Person und die Konjunktiv-Formulierung („…im Geschäftsverkehr …. zu erzielen wäre“ [gemeiner Wert] bzw. „… den ein Erwerber … ansetzen würde“ [Teilwert]). Dies ist nichts anderes als die normative Maßgeblichkeit beobachtbarer Verhaltensmuster für die Bewertung. Bezugspunkt ist mithin die Beobachtung, ob und inwieweit sich Preise für bestimmte Wirtschaftsgüter nach regelmäßig auftretenden Mustern bilden bzw. Menschen sich auf Preise einigen. Dies umfasst ferner die Preis beeinflussende Wirkung von Eigenschaften des Bewertungsgegenstandes sowie von hiervon unabhängigen Umweltbedingungen. Von Bedeutung ist dabei, dass die notwendige Simulation der (wahrscheinlichen) Preisvereinbarung – egal auf welcher „Stufe“ im unter § 1 III. 2. dargestellten Sinne (unmittelbare Preisübertragung, Ableitung aus vergleichbaren Preisen oder mittels anderer Preisbildungsverhaltensmuster) – nicht auf naturgesetzlichen Kausalitäten beruht, sondern vielmehr einen sozialen Vorgang darstellt. Dieser soziale Vorgang äußert sich in den anlässlich der Bewertung von Gegenständen beobachtbaren Verhaltensmustern der am Rechtsverkehr teilnehmenden Menschen. Auch die Rechtsprechung hat dies jedenfalls bei der Konkretisierung der maßgeblichen Obersätze anlässlich der Rechtsanwendung mehrfach erkannt (was allerdings nicht heißt, dass sie es auf der Tatsachenebene konsequent umgesetzt oder fortgeführt hat, siehe noch § 5 III. und insbesondere IV. 2.). So führte das Reichsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 1879 zum gemeinen Wert aus: „Dagegen genügt es nicht, dass […] ein gewisser Preis für [die Sache] rationell sein würde, denn solange dieser nicht in dem bisherigen Verkehr auch tatsächlich als angemessen anerkannt ist, kann derselbe trotz seiner inneren Berechtigung nicht von jedem Besitzer der Sache durch deren Verkauf ohne weiteres erzielt

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werden“.490 Bei der Anwendung des „Wertes“ im Sinne des Art. 31 ADHGB 1871 stellte das Reichsgericht wenige Jahre später im Ergebnis ebenfalls auf eine Bewertungsübung bei Kaufpreisverhandlungen ab und bejahte damit den Ertrags­wert für die bilanzrechtliche Bewertung einer erworbenen Unternehmung: „Will man hier die ganz entscheidende Bedeutung des bisherigen durchschnittlichen Ertrages leugnen, so setzt man sich mit der täglichen Lebenserfahrung in Widerspruch, welche zeigt, dass bei den Kaufpreisverhandlungen der Nachweis des bisherigen Ertrages seitens der Verkäufers behufs der Preisbemessung eine maßgebende Grundlage bildet“.491 Ähnlich argumentierten später in Ansehung des gemeinen Wertes der Reichsabgabenordnung auch der Reichsfinanzhof492 und der Bundesfinanzhof. So hat beispielsweise der II. Senat des Bundesfinanzhofs in einer Entscheidung vom 16.6.1970 ausgeführt, dass eine Bewertungsmethode nur insoweit richtig sein könne, als ihr die Übung des Wirtschaftslebens folgt.493 Einige Jahre später führte der III. Senat im Kontext des § 9 BewG aus: „Die Regeln des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs sind aus dem Handeln der am Geschäftsverkehr beteiligten Kreise abzuleiten“.494 In der Aussage ähnlich stellte kurz darauf der IV. Senat auf die Methode ab, die im kaufmännischen Verkehr angewendet werde.495 Die „Übung der Kaufleute bzw. des Verkehrs“ beschreiben nichts anderes als soziale Verhaltensmuster (womöglich sogar soziale Normen, siehe zur Differenzierung § 1 III. 2.). Sie sind – sofern die Norm nichts anderes anordnet – der reale Bezugspunkt aller Verkehrswerte und als solches sind sie intersubjektiv nachprüfbar. Wenn sich das Gesetz auf Verhaltensmuster bezieht, dann fragt es nach dem regelmäßig Geübten und Erwarteten, also nach empirisch beobachtbaren Vorgängen und somit nach einem realen Bezugspunkt, der einer Aussage im Sinne von wahr oder falsch zugänglich ist (zur tatsächlichen Feststellung § 5 III. u. IV). Der gesuchte (wahrscheinlich erzielbare) Preis ist also nicht deshalb „rechtsrichtig“ (bzw. rechtmäßig gemessen am Gesetz), weil er im ökonomischen Sinne vernünftig bzw. richtig ist, sondern deshalb, 490 RG v. 19.11.1879, zitiert nach Gruchot 24 (1880), S. 409, 410. 491 RG v. 25.6.1887, I 137/87, RGZ 19, 111, 121. 492 RFH v. 9.2.1926, I A 142/25, RFHE 18, 338, 340. 493 BFH v. 11.10.1960, I 229/59, BStBl. III 1960, 509, 510; v. 16.6.1970, II 95/64 u.a., BStBl. II 1970, 690, 694; siehe auch schon RFH v. 25.5.1944, III 30/43, StuW II Nr. 152, S. 293 ff., wo ein Abschlag mit der Begründung verneint wurde, dass auch der „Verkehr“ dies nicht tue. 494 BFH v. 20.10.1978, III R 31/76, BStBl. II 1989, 34. 495 BFH v. 25.1.1979, IV R 56/75, BStBl. II 1979, 302; ferner BFH v 7.12.1989, IV R 79/88, BFH/NV 1991, 364 (Methode, die im Geschäftsverkehr bei der Bewertung von Unternehmen gebraucht werde).

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weil Menschen ihn bzw. den Vorgang seiner Hervorbringung für richtig im Sinne von gewöhnlich, geübt etc. halten und dies wiederum alles in Ausübung ihrer privatautonomen, nicht durch staatliche Preisfestsetzungen- und/oder Steuerungen eingeschränkten Freiheit. Die Erkenntnis, dass für die Bewertung eines Gegenstandes nach seinem (wahrscheinlich erzielbaren) Preis vor allem das Verhalten von Menschen rechtserheblich ist, klingt trivial. Hinter dieser Trivialität verbergen sich jedoch anspruchsvolle juristische Fragestellungen. Wie das Gesetz mit diesem realen Bezugspunkt im Detail umgeht, inwieweit es die soziale Bewertungswirklichkeit rezipiert, gesetzlich steuert und/oder modifiziert, ist dabei eine Frage des jeweils normspezifischen Zusammen­ hangs. Die Begrifflichkeit des „Verkehrs“ („Verkehrswert“) sugge­riert jedenfalls schon etwas „Faktisches“, „Soziales“ als Teil der Seinswelt; für das „gemeine“ am gemeinen Wert gilt nichts anderes. Gleichwohl darf dort, wo sich der Gesetzgeber einer Detailsteuerung enthält und einen unmittelbaren Rückgriff auf die soziale Wirklichkeit zu erlauben scheint, nicht übersehen werden, dass selbst eine weitgehende Öffnung für die einschlägigen sozialen Verhaltensmuster nie aus ihrem normativen Kontext heraus gelöst werden kann. Die letztlich vom Belastungsgrund ausgehenden normativen Vorgaben bleiben vorrangig. Trotz ihrer Maßgeblichkeit müssen die sozialen Verhaltensmuster einen normativen Filter und infolgedessen gegebenenfalls auch einen normativen Selektionsprozess (dazu insbesondere § 5 III. 3.) durchlaufen. Dies ist auch der Grund dafür, dass und warum die unterschiedlichen Verkehrswerte trotz ihres identischen realen Bezugspunktes Differenzierungen aufweisen. Sie unterscheiden sich nämlich nicht nur in Bezug auf ihre Perspektiven, sondern vor allem auch hinsichtlich der normativen Fil­ terung und Selektion (siehe vor allem noch § 5 III. 3.). Der rote Faden bleibt aber gleichwohl immer erkennbar, was es vor allem auch erlaubt, auf ihn zurückzugreifen, wo sich Interpretationsfragen auftun. Nachfolgend wird dies anhand der einzelnen Verkehrswerte und insbesondere in Bezug auf ihre bewertungsgegenstandspezifischen Konkretisierungen im Detail nachgezeichnet. b. Gemeiner Wert aa) Vor allem die Einkommen- und die Erbschaftsteuer streben nach der Erfassung eines „realen Vermögenszuwachses“ im Sinne einer Leistungsfähigkeitssteigerung. Aber welche der unterschiedlichen Perspektiven (Gebrauchs-, Ertrags- oder Tauschwert; siehe bereits § 1 II.) spiegelt diesen Indikator „zutreffend“ oder zumindest vorzugswürdig wieder? 151

Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

§ 112 I 2 des Preußischen Allgemeinen Landrechts formulierte noch: „Der Nutzen, welchen die Sache jedem Besitzer gewähren kann, ist ihr gemeiner Wert“. Die Frage, welche Nutzenperspektive hier zu veranschlagen war, beantwortete die Norm nicht.496 Erstmals Eingang in ein preußisches Steuergesetz fand dieser gemeine Wert des Landrechts mit dem Preußischen Erbschaftsteuergesetz vom 30.5.1873497: „Die Ermittlung des Be­ trages der Masse ist […] auf den gemeinen Wert zur Zeit des Anfalls zu richten“ (§ 12 PreußErbStG 1873, in der Fassung vom 24.5.1891 dann § 14 PreußErbStG 1891). Die Frage, welche Perspektive anzuschlagen ist, erlangte mit dieser Verweisung erstmals steuergesetzliche Be­deutung. Das Reichsgericht beantwortete sie 1879/1880 im Sinne des Tauschwertes: „Den gemeinen Wert einer Sache bildet […] der übliche oder angemessene Preis derselben (pretium oder verum rei pretium), bei Waren der Marktpreis oder Ladenpreis und bei anderen Sachen der entsprechend der mit Rücksicht auf ihre objektive Beschaffenheit und Eigenschaft im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für gleichartige Sachen erzielende [….] Preis“.498 Die Bezugnahme auf den verum rei pretium und die Angemessenheit dürfen dabei nicht irritieren. Sie sind nicht ethisch-normativ gemeint, sondern angemessen wird hier – dies zeigt eine andere, kurz vorher ergangene Entscheidung des Reichsgerichts499 – als Synonym für die Anerkennung einer Preisfindung durch den Verkehr verwendet. Letztlich deutet sich hier bereits die Maßgeblichkeit der sozialen Bewertungswirk­ lichkeit für rechtliche Bewertungsanlässe und deren Vorrang gegenüber „theoretisch richtigen Werten“ an.500 Später rekurrierten § 9 PreußErgStG 1893 und das Preußische Kommunalabgabengesetz vom 14.7.1893 für die Grundsteuer ebenfalls auf diesen gemeinen Wert und er erlangte damit eine weitaus größere Breiten­ wirkung. Das Preußische Oberverwaltungsgericht setzte die Rechtsprechung des Reichsgerichts fort und unterband vor allem jegliches Be­ mühen, den gemeinen Wert (ausnahmsweise) bei landwirtschaftlichen Vermögen als vom Verkehrswertgedanken abweichenden Ertragswert zu interpretieren.501 In der zeitgenössischen Kommentierung bei Bernhard 496 Siehe eingehend E. Schmalenbach, zfhf 12 (1917/1918), S. 1 ff. 497 PreußGS 1873, S. 329. 498 Zitat aus RG v. 11.10.1880, Va 245/79, RGZ 3, 239, 241; ähnlich zuvor schon RG v. 19.11.1879, zitiert nach Gruchot 24 (1880), S. 409. 499 RG v. 19.11.1879, zitiert nach Gruchot 24 (1880), S. 409. 500 Siehe auch bereits das wörtliche Zitat aus RG v. 19.11.1879, zitiert nach Gruchot 24 (1880), S. 409, 410 unter § 3 III. 2. a. 501 PreußOVG v. 20.4.1896, Rep. E VIIIa 1/96, PreußOVGStE 5, 63, 70 ff.; v. 17.5.1897, Rep. E IX 84/96, PreußOVGStE 6, 30, 32 f.; v. 20.10.1898, Rep. E IVa 31/98, PreußOVGStE 7, 310, 311.

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Fuisting heißt es zur Begründung: „Wenn das Gesetz eine allgemeine gleichmäßige Besteuerung beabsichtigt und zu diesem Zwecke den gemeinen Wert als einen überall und stets in verhältnismäßiger Gleichheit wirkenden Maßstab gewählt hat, so muss es auch für die Bemessung des gemeinen Wertes eine Grundlage gewollt haben, welche die allgemeine und gleichmäßige Anwendung dieses Maßstabes gestattet. Eine derartige Grundlage bildet aber nur der wirtschaftliche Tauschwert“.502 Hier zeigt sich deutlich, dass man für Zwecke des Steuerrechts und die von ihm beherrschte Vergleichsfunktion der Rechtswerte den Blick im Grunde von Anfang an auf einen Ausschnitt der Wertdiskussion verengt hat. Was das Wesen des Wertes ist, spielte keine Rolle; subjektivindividuelle Werte als Ausdruck von etwas „Natürlichem“ wurden außer Acht gelassen. Man konzentrierte sich vielmehr – vom steuerrechtlichen Standpunkt zu Recht – auf den Tauschwert, wie er in der Umsetzbarkeit in Geldeinheiten zum Ausdruck kommt. Bedeutung und Eigenart des „hypothetischen Veräußerungsfalls“ wurden bereits damals klarsichtig erkannt. Insbesondere darf man sich nicht von der zeitgenössischen Diskussion gegen einen „Ertragswert“ täuschen lassen (hierzu vor allem noch § 3 III. 4.). Dass der Ertrag für die bewertenden Verkehrskreise durchaus ein preisprägender Faktor sein kann, wurde auch damals schon erkannt.503 Die nachfolgenden Steuergesetzgeber nahmen diese Tauschwert-Interpretation des gemeinen Wertes sodann ausdrücklich in das Gesetz auf – zuerst in die Einzelsteuergesetze selbst (siehe vor allem § 16 des Wehrbeitragsgesetzes vom 3.7.1913, § 29 des Besitzsteuergesetzes vom 3.7.1913504) und dann in die Reichsabgabenordnung vom 13.12.1919505. 502 B. Fuisting, Die Preußischen direkten Steuern, Band 2, S. 59; in diese Richtung ferner bereits anlässlich des Gesetzgebungsverfahrens: „[…] insofern [der Kapitalwert des Vermögens] zugleich den Tauschwert anzeigt, ist die Voraussetzung begründet, dass gleichen Werten auch die gleiche steuerliche Leistungsfähigkeit entspricht“ (Stenographischer Bericht des preußischen Abgeordnetenhauses 1892/93, Band 2, S. 520); instruktiv zur Entstehungsgeschichte des „gemeinen Wertes“ im PreußErgStG L. Buck, FinArch 28 (1911), S. 45, 109 ff.; H. Hanisch, Die Entwicklung der Wertbegriffe im modernen deutschen Steuerrecht, S. 29 ff., die vor allem auch die Diskussion um das Verhältnis zum spezifisch steuerlichen Ertragswert nachzeichnen (dazu auch noch § 3 III. 4.). 503 RG v. 25.6.1887, I 137/87, RGZ 19, 111, 121; PreußOVG v. 20.4.1896, Rep. E VIIa 1/96, PreußOVGStE 5, 63, 77; v. 20.10.1898, E XII a 53/97, PreußOVGStE 7, 308, 309 (für Grundstücke); siehe ferner noch Fn. 313. 504 RGBl. 1913, S. 505 und S. 524. 505 RGBl. 1919, S. 1993; zur Rezeption der vorherigen Rechtsprechung ausdrücklich die Begründung der Verfassungsgebenden Nationalversammlung zur Reichsabgabenordnung vom 6.8.1919, Drucksache 759, S. 589.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

§ 138 RAO 1919 lautete in Anknüpfung an die bereits zitierte Passage des Reichsgerichts: „Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Gegenstandes unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen wäre; ungewöhnliche oder lediglich persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.“ Für kurze Zeit fand der gemeine Wert als primärer Bewertungsmaßstab auch Eingang in das Einkommensteuerrecht (vgl. vorerst nur §§ 32 Abs. 2, 33 Abs. 1 letzter Halbsatz des Einkommensteuergesetzes vom 29.3.1920 sowie §§ 19, 20 des Einkommensteuergesetzes vom 10.8.1925506; dazu sogleich sowohl noch in Bezug auf den Teilwert unter § 3 III. 2. c. als auch vor allem bei den Herstellungs- und Anschaffungskosten unter § 3 III. 3.), setzte sich dort allerdings nicht durch und wurde bis heute fortwirkend sodann auch normativ durch die Anschaffungs- und Herstellungskosten als Regelbewertungsmaßstab verdrängt. Ertragsteuerlich hat er zwar – jedenfalls heute wieder zunehmend – auch durchaus Relevanz (zum Beispiel §§ 6 Abs. 1 Abs. 6; 16 Abs. 3 Sätze 3 u. 7; 17 Abs. 2 Satz 2 EStG, § 6 Abs. 1 Satz 4 AStG, § 3 Abs. 1 Satz 1; 11 Abs. 1 Satz 1; 20 Abs. 2 Satz 1; 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG), aber sein Hauptanwendungsfeld liegt derzeit im erbschaft- und schenkungsteuerlichen Kontext (§ 9 Abs. 1 BewG i.V.m. § 12 Abs. 1 ErbStG). § 9 Abs. 2 BewG „definiert“ ihn in der Tradition der bereits genannten Vorgängernormen wie folgt: „Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.“ An diese Definition kann nach allgemeiner Ansicht Steuerarten übergreifend angeknüpft werden, wenn der gemeine Wert zum Maßstab erklärt wird.507 bb) Besteht in Bezug auf die tauschwertorientierte Bewertungsprämisse somit Klarheit, offenbart dies zugleich den eingangs unter aa) bereits benannten realen Bezugspunkt: die Verhaltensmuster, mit denen Menschen sowohl als Käufer als auch Verkäufer meinen, den Preis für einen von ihnen zu erwerbenden oder zu verkaufenden Gegenstand bestimmen zu können. Dies ist als gemeinsames Merkmal aller Verkehrswerte auch das prägende Merkmal des gemeinen Wertes – sowohl in seiner allgemei506 RGBl. I 1925, 189. 507 BFH v. 20.10.2008, IX R 96/07, BStBl. II 2009, 45.

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nen Definition (§ 9 Abs. 2 BewG) als auch (was nachfolgend noch dargestellt wird) in seinen Konkretisierungen in Ansehung bestimmter Bewertungsgegenstände (siehe vor allem zur Unternehmensbewertung gemäß § 11 Abs. 2 BewG nachfolgend § 3 III. 2. b. cc] und zur Grundstücksbewertung nach Maßgabe der §§ 176 ff. BewG nachfolgend § 3 III. 2. b. dd]). Erkennt man dies an, erschließt sich auch, dass und warum die „Objektivierungspostulate“, die bereits unter § 3 III. 1. wiedergegeben worden sind, in ihrer Allgemeinheit mit Vorsicht zu genießen sind. Denn viele Autoren verstehen unter Objektivierung eine Konventionalisierung vermittels aus der Betriebswirtschaftslehre stammender Methoden. Angesichts des realen Bezugspunktes muss es jedoch vorrangig um die deskriptive Erfassung des Bewertungsverhaltens und nicht um präskriptive Konventionalisierung gehen. Der tatsächliche Preisbildungsvorgang ist zu erfassen und nicht ein Preisbildungsvorgang, wie er sein sollte (siehe dazu vor allem im Kontext des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG noch unter § 11 Abs. 2 BewG nachfolgend § 3 III. 2. b. cc] [3]). Das maßgebliche Verhaltensmuster darf daher nicht unter dem Deckmantel der Objektivierung (vorschnell) ersetzt oder auch nur präskriptiv modifiziert werden. Dies gilt umso mehr, als hierfür auch keine allgemeine Notwendigkeit besteht. Denn die Maßgeblichkeit sozialer Verhaltensmuster hat nichts mit „Subjektivität“ zu tun. Es mag zwar auf einer subjektiven Auffassung einer Vielzahl von Menschen gründen und auch bei der konkreten Anwendung lässt sich der (subjektive) Faktor Mensch nicht eliminieren. Aber es ist gleichwohl doch insoweit intersubjektiv nachprüfbar, als es um die empirische Erfassung eines mehrheitlich geübten Verhaltens geht. Modelle unter Idealbedingungen dürfen also nicht dazu dienen, der Mühe empirischer Sozialforschung aus dem Wege zu gehen. Dies betrifft jedenfalls die Grundannahmen und die Frage, ob eine Methode im Sinne eines Erkenntnisweges wirklich geübt wird. Wenn beides empirisch fundiert worden ist, sind Modelle natürlich unverzichtbar, um das „Gemeinsame“ der beobachtbaren Verhaltensmuster zu systematisieren und die für einen Rechtsanwendungsvorgang gegebenenfalls notwendige Verallgemeinerung und Komplexitätsreduzierung zu bewirken (dazu noch unter § 5 III. und insbesondere § 5 IV. 2.). Nach alledem zeigt sich damit auch, dass es nicht Aufgabe der verkehrswertorientierten Rechtswerte ist, für ein und denselben Gegenstand immer den gleichen, von ihm verkörperten Tauschwert zu bestimmen. Dies ist dem realen Bezugspunkt geschuldet. Die sozialen Verhaltensmuster sind nicht eindeutig und abschließend, es stellen sich bei ihrer Beobachtung ferner kognitive Probleme ein und schließlich ist die Preis155

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findung von vielen Faktoren abhängig, die allesamt Spielraum für Wertungen des Rechtsanwenders lassen. Wir werden dies später noch als „Bandbreiten-Phänomen“ normtheoretisch (Teil 2 der Untersuchung) und verfassungsrechtlich (Teil 3 der Untersuchung) vertiefen. Hier soll jedenfalls die Erkenntnis ausreichen, dass ein verkehrswertorientierter Rechtswert für ein und denselben Gegenstand idealerweise immer dieselbe Bandbreite vorgibt. Der Rechtswert, hier konkret der gemeine Wert, muss nur sicherstellen, dass die Intersubjektivität (auch) vermittels des rezipierten Verhaltensmusters bei seiner Anwendung im Einzelfall gewährleistet bleibt. Dies bedeutet insbesondere, dass individuelle Umstände des Einzelfalls, die auch von der Mehrzahl der das Verhaltensmuster übenden Menschen für unbeachtlich gehalten werden, keinen Eingang in die Rechtsanwendung finden. Dieser Gedanke ist bereits in der Begründung zu § 138 RAO 1919 historisch belegt508 und insoweit folgerichtig erklärt de lege lata § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG in Ansehung des gemeinen Werts „ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse“ für bewertungsirrelevant. Zu den ungewöhnlichen Verhältnissen werden gemeinhin solche Umstände gerechnet, mit denen der Verkehr bei der Abschätzung des Wertes eines Wirtschaftsgutes nicht zu rechnen pflegt.509 Mit den persönlichen Verhältnissen wiederum sollen solche Momente ausgeschieden werden, die in der Person des Käufers oder Verkäufers vorliegen, aber nicht für jedermann beachtlich sind.510 Dies meint vor allem den Liebhaberpreis, den ein Käufer aus einem individuellen Affektionsinteresse heraus bereit ist, zu zahlen.511 Aber im Übrigen gilt: Sofern „Vielfalt“ und „Pluralismus“ in Ansehung der Preisbildungsverhaltensmuster das Abbild einer beobachtbaren Mehrheitsübung und nicht Ausdruck solcher ungewöhnlichen bzw. individuellen Umstände sind, werden sie normativ akzeptiert. cc) Betrachten wir in diesem Lichte den gemeinen Wert insbesondere von unternehmerischen Einheiten: (1) Existiert ein Marktpreis, bildet dieser für den Rechtsverkehr regelmäßig den unmittelbarsten Anknüpfungspunkt. Im Idealfall gehört der zu bewertende Gegenstand zu einer Gattung von Gegenständen und für diese Gattung existieren Marktpreise, die sich durch fremdübliche Preisbildungs508 Begründung zum Entwurf einer Reichsabgabenordnung vom 6.8.1919, Verhandlungen der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 338, Aktenstück 759, S. 589. 509 R. Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 9 Rn. 10. 510 RFH v. 13.2.1923, II A 165/22, StuW 1923, 359; v. 13.5.1925, II A 180/25, StuW 1925, 357. 511 R. Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 9 Rn. 12.

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prozesse gebildet haben. In diesem Fall liegt nichts näher als eine Bewertung des nunmehr zu bewertenden Gegenstandes dergestalt, dass der Bewertende diese (beobachtbaren) Marktpreise zur Kenntnis nimmt und sich die Frage stellt, ob diese Marktpreise im Falle einer Veräußerung auch für das konkret zu bewertende Gut gezahlt werden würden. Diese Vorgehensweise dürfte ein bei vielen Menschen anzutreffendes Verhaltensmuster sein. Ein solches (aus beobachtbaren Marktpreisen ableitendes) Verhaltensmuster erklärt letztlich auch § 9 Abs. 2 BewG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 BewG für maßgeblich512: „Wertpapiere und Schuldbuchforderungen, die am Stichtag an einer deutschen Börse zum Handel zugelassen sind, werden mit dem niedrigsten am Stichtag für sie am regulierten Markt notierten Kurs angesetzt.“ Diese Vorgehensweise genießt absoluten Vorrang gegenüber anderen Möglichkeiten der Bewertung, sofern sich ein solcher Kurs zumindest innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen vor dem Bewertungsstichtag ermitteln lässt (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Satz 1 Einleitungssatz BewG). Betrachten wir dies am Beispiel des Börsenkurses. Entgegen einer teilweise aufgestellten Behauptung geht es nicht darum, dass der Markt (bereits) eine Bewertung für den konkret in Rede stehenden Gegenstand (Aktie) vorgenommen hat und deshalb eine eigene bzw. überhaupt eine weitere Bewertung entbehrlich ist.513 Der Börsenkurs enthält schließlich auch keine Richtigkeitsvermutung, die der Gesetzgeber für unwiderlegbar erklärt hat.514 Ob der Gesetzgeber überhaupt jemals darauf vertraut hat, dass der Börsenkurs einen rational erklärbaren, „richtigen“ Marktwert verkörpert, der in einer inneren Beziehung zu den für nichtbörsennotierte Unternehmen zu bestimmenden Werten steht, lässt sich nicht zweifelsfrei nachweisen.515 Beginnen muss man insoweit bei § 12 Preuß­ 512 Siehe bereits L. Buck, FinArch 28 (1911), S. 45, 109, der diese Beziehung zwischen Börsenkurs und der Bewertungsübung im Sinne eines beobachtbaren Verhaltensmusters bereits erkannt hat: „Es ist nur natürlich, daß man, wenn Vermögensobjekte häufig Gegenstand des Verkaufs sind, als Anhalt zur Bestimmung des allgemeinen Werts vorwiegend auf den letzten Verkaufspreis zurückgreift.“ 513 In diesem Sinne jedoch F. Schleithoff, Die Unternehmensbewertung im deutschen Steuerrecht, S. 56; in diese Richtung könnte auch die Typisierungsbehauptung von L. Hölzer, Die Bewertung von Anteilen an nicht notierten Kapitalgesellschaften nach § 11 Bewertungsgesetz, S. 79 ff. zu verstehen sein. 514 In diese Richtung aber H. Dirrigl, Unternehmensbewertung für Zwecke der Steuerbemessung im Spannungsfeld von Individualisierung und Kapitalmarkttheorie, S. 14 f. 515 Siehe aber auch RFH v. 13.4.1928, II A 58/28, StuW 1928, 404: „[Die Maßgeblichkeit des Börsenkurses] scheint auch in gewissem Grade gerechtfertigt, insofern durch die Börseneinrichtungen sowohl hinsichtlich der Zulassung des Wertpapiers zur Börsennotiz als auch bei der Feststellung des Börsenpreises nach der

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ErgStG 1893, der erstmals für Substanzsteuerzwecke bewertungsrechtlich auf eine Börsennotierung verwies. Mehr als die Aussage, dass die Vorschrift die Bewertung zum Verkehrswert zum Ausdruck bringe, findet sich in den historischen Materialen allerdings nicht516; bei allen im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschriften der § 18 WehrbG 1913, § 29 BesitzStG 1913, § 141 Abs. 1 RAO 1919 und schließlich § 13 Abs. 1 RBewG 1934, welcher der unmittelbare Vorgänger des § 11 Abs. 1 BewG 1965 ist, fehlen weitergehende entstehungsgeschichtliche Aussagen.517 Auch in der späteren Gesetzgebung fehlen hierzu (eindeutige) Bekenntnisse.518 Vielmehr dürfte der Gesetzgeber den Börsenkurs als einen jederzeit realisierbaren Tauschwert vorgefunden haben. Es geht allein um die von ihm (nach einer gewissen Wahrscheinlichkeit) garantierte Wertrealisierungschance. Der Börsenkurswert ist also deshalb ein Tauschwert und deshalb als erzielbarer Preis ein gemeiner Wert, weil er bei einer Veräußerung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit (in etwa) erzielbar ist. Konsequenterweise hat es der Bundesfinanzhof für § 11 Abs. 1 Satz 2 Satz 1 Einleitungssatz BewG ausreichen lassen, dass nur ein sog. Geld-Kurs für ein Wert­ papier vorlag, d.h. kein Börsenkurs als Ergebnis tatsächlicher Verkäufe, sondern es bestand zu einem bestimmten Preis nur die Nachfrage nach Zusammenstellung der tatsächlich abgeschlossenen Geschäfte und dem Durchschnitt der geforderten, angebotenen und bezahlten Preise selbst eine Gewähr dafür gegeben ist, dass im Börsenpreise der Betrag zum Ausdruck kommt, den das Wertpapier in einem bestimmten Augenblick nach der Geschäftslage der Börse wert war“. 516 Begründung zum Preußischen Ergänzungssteuergesetz v. 2.11.1892, Haus der Abgeordneten, 17. Legislaturperiode, V. Session 1892/1893, S. 33 f. 517 Es stellt sich vielmehr eine Verweisungskette ein: Der Gesetzgeber des WehrbG 1913 verweist auf die Vorschriften des PreußErgStG 1893 (Begründung des Entwurfs eines Gesetz über einen einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrag vom 28.3.1913, RT-Drucks. I. Session 1912/1913, Band 301, Aktenstück 871, S. 20); in der Begründung zum BesitzStG 1913 findet sich wiederum eine Verweisung auf das WehrbG 1913 (Begründung des Entwurfs eines Besitzsteuergesetzes vom 28.3.1913, RT-Drucks. I. Session 1912/1913, Band 301, Anlage zum Aktenstück 872, S. 45) und die Begründung zu § 141 Abs. 1 RAO 1919 nimmt Bezug auf das WehrbG 1913 und das BesitzStG 1913 (Begründung zum Entwurf einer Reichsabgabenordnung vom 6.8.1919, Verhandlungen der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 338, Aktenstück 759, S. 589) 518 Dies gilt insbesondere auch für die Begründung zum Steuerrechtsänderungsgesetz 1992 vom 28.2.1992: „Bei einer künftigen Überarbeitung der Vorschriften zur Bewertung nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften (Abschnitte 77 ff. der Vermögensteuer-Richtlinien) wird jedoch, um eine Vergleichbarkeit mit an der Börse notierten Aktien zu gewährleisten, zu prüfen sein, ob aufgrund des nun geringeren Ansatzes des Vermögenswertes der Komponente Ertragswert ein größeres Gewicht beigemessen werden muss“ (BT-Drucks. 12/1108, S. 73). Diese „Anregung“ sagt nichts über die rationale Berechtigung des Börsenkurses aus.

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dem Wertpapier. Entscheidend ist, dass das Wertpapier zu diesem Preis gesucht wurde und damit an der Börse zu verkaufen gewesen wäre.519 Es ist unter der Prämisse, dass ein Tauschwert gefunden werden soll, daher grundsätzlich irrelevant, dass die in der Wirklichkeit anzutreffenden Märkte die ihnen gestellte Aufgabe unter Umständen nur mangelhaft lösen. Dies lässt sich anhand einer einfachen Kontrollüberlegung bestätigen: Auch wenn nach Maßgabe der beobachtbaren Bewertungs­ verhaltensmuster (zum Beispiel Ertragswertmethode) der Börsenkurs „unzutreffend“ sein sollte, bleibt der Börsenkurs als Tauschwert maßgeblich520, weil der (anonyme) Markt ungeachtet der ansonsten anlässlich der Preisfindung zur Anwendung gelangenden Verhaltensmuster bereit ist, zu einem bestimmten Stichtag einen bestimmten Preis für das Gut zu bezahlen.521 Gerade diese „Eintauschwahrscheinlichkeit“ sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ist das Wesensmerkmal des Börsenkurses. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Abfindung von ausgeschlossenen Aktionären, denen Art. 14 Abs. 1 GG eine Entschädigung zum „wirklichen, wahren Wert ihres Anteilseigentums“ garantieren soll, bringt dies deutlich zum Ausdruck: Wegen der besonderen Verkehrsfähigkeit der Aktie gebiete Art. 14 Abs. 1 GG, dass der Aktionär bei einem Ausschluss jedenfalls nicht weniger erhalten dürfe, als er bei einer freien Deinvestitionsentscheidung erhalten hätte. Dies sei grundsätzlich der Börsenkurs.522 Er sei also, so die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, regelmäßig mit dem Verkehrswert identisch. Diese Rechtsprechung verstärkt letztlich sogar den im Börsenkurs zum Ausdruck kommenden Tauschwert, weil er nicht nur beim „freiwilligen Tausch“ möglich erscheint, sondern auch beim unfreiwilligen Tausch (verfas519 BFH v. 21.2.1990, II R 78/86, BStBl. II 1990, 490. 520 D. J. Piltz, Ubg 2009, 13, 14. 521 Ebenso M. Jülicher, in: Troll/Gebel/derselbe, ErbStG, § 12 Rn. 274; W. Mannek, in: Gürsching/Stenger/Christoffel, BewG, § 11 Rn. 70; siehe auch BFH v. 23.2.1977, II R 63/70, BStBl. II 1977, 427: Abweichungen des inneren Wertes von dem jeweiligen Börsenkurs seien dem deutschen Börsenrecht immanent; konsequent erklärt auch BFH v. 1.10.2011, II B 109/00, BFH/NV 2002, 319 spekulationsbedingt hohe Börsenkurse für maßgeblich. Gerade dies (Maßgeblichkeit der Preisrealisierungsmöglichkeit) übersieht nach meinem Dafürhalten P. Möllmann, BB 2010, 407, 408, wenn er unter Hinweis auf den „wahren Wert“ den Börsenkurs dann nicht gelten lassen will, wenn um den Bewertungsstichtag erkennbar Marktanomalien zu Tage getreten sind. Eine solche Anomalie (was auch immer darunter verstanden wird) könnte nur dann eine Abweichung rechtfertigen, wenn sie den Inhaber der Aktie an einer Veräußerung über die Börse gehindert hätte. 522 Grundlegend die Entscheidung DAT/Altana (BVerfG v. 27.4.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 304, 306); zuletzt BVerfG v. 16.5.2012, 1 BvR 96/09 u.a., ZIP 2012, 1408 mit weiteren Nachweisen.

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sungsrechtlich) garantiert wird. Bezieht man ferner die Aussage des Bundesverfassungsgerichts mit ein, wonach die Aktien an der Börse eine Wertbestimmung erführen, an der sich (vor allem die Klein-) Aktionäre bei ihren Investitionsentscheidungen orientieren523, so kommt hier zudem auch die Relevanz des Börsenkurses als beobachtbarem Verhaltensmuster (Preisübertragung) zum Ausdruck. Festzuhalten ist also: Mit der Maßgeblichkeit des Börsenkurses wird das Verhaltensmuster rezipiert, welches in einer vergleichenden Betrachtung von beobachtbaren Börsenkursen eine Aussage für den wahrscheinlich erzielbaren Preis vorherzusagen sucht. In Bezug auf die Ableitungsbasis (Börsenkurs) besteht insoweit weitgehende Übereinstimmung zwischen Gesetz und Verhaltensmuster. In Bezug auf den Ableitungsvorgang, der sich hier in einer strikten Übertragung des beobachteten Börsenkurses auf den gesuchten Preis erschöpft, vereinfacht § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG allerdings und zwar unter zwei Aspekten: Die Auswirkung der Veräußerung des Bewertungsobjektes auf den bisher nur ohne diese Veräußerung beobachtbaren Börsenkurs (dazu bereits § 1 III. 2.) wird ausgeblendet. Es wird also von einer Quantifizierung dieser Auswirkung Abstand genommen. Bei kleineren Aktienbeständen ist sie wohl auch so marginal, dass sie keiner Erwähnung bedürfte. Aber je größer die Beteiligung ist, umso relevanter wäre diese Frage. Insoweit vereinfacht die Norm mit der Unterstellung, dass die Marktakteure bzw. ihre Aktionen entweder so unbedeutend sind, dass Letztere die Höhe des Kurses nicht beeinflussen bzw. dass der Markt so liquide ist, dass er alle Handelsaktivitäten ohne Kursveränderung aufnehmen kann. Zum anderen entbindet § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG partiell von der Beantwortung der Frage, ob nicht gegebenenfalls ein Preis zu erzielen wäre, der oberhalb des Börsenkurses liegt. Man denke diesbezüglich an ein (zum Beispiel [finanz-]krisenbedingt) niedriges Marktniveau. Während diese Frage beispielsweise im Gesell-

523 BVerfG v. 27.4.1999, 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 308; ähnlich, aber in der Akzentuierung doch anders BGH v. 12.3.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108: „Die Gleichstellung von Börsen- und Verkehrswert beruht auf der Annahme, dass die Börse auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens zutreffend bewertet, der Erwerber von Aktien sich an dieser Einschätzung orientiert und sich daher Angebot und Nachfrage danach regulieren, so dass sich die Marktbewertung in dem Börsenkurs der Aktie niederschlägt (dazu Fleischer, ZGR 2001, S. 1, 27 f.)“ Ob die Marktteilnehmer die erste Annahme wirklich zugrunde legen (zutreffende Bewertung) wird man bezweifeln müssen, aber die These zum hieran anknüpfenden Verhalten (Orientierung an beobachtbaren Preisen) erfasst das soziale Verhaltensmuster zutreffend.

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schaftsrecht sehr umstritten ist524, verzichtet die steuergesetzliche Regelung im Grundsatz (zur Ausnahme sogleich) auf Alternativbewertungen und erklärt allein den Börsenkurs für maßgeblich. In Bezug auf diese beiden Aspekte kann man durchaus von einer Typisierung der Bewertung sprechen.525 § 11 Abs. 3 BewG sieht nur eine Ausnahme hiervon für den Fall vor, dass „der gemeine Wert einer Anzahl von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die einer Person gehören, infolge besonderer Umstände (z.B. weil die Höhe der Beteiligung die Beherrschung der Kapitalgesellschaft ermöglicht) höher als der Wert, der sich auf Grund der Kurswerte (Absatz 1) oder der gemeinen Werte (Absatz 2) für die einzelnen Anteile insgesamt ergibt […]“. In diesem Fall ist der gemeine Wert der gesamten Beteiligung maßgeblich. Diese Regelung zielt auf wegen der gesteigerten gesellschaftsrechtlichen Einflussnahmemöglichkeiten erzielbare Paketzuschläge ab. Auch hiermit wird normativ nur ein Phänomen der sozialen Wirklichkeit abgebildet. Der Börsenkurs spiegelt nur den Marktwert der einzelnen Aktie wieder526 und in der Realität sind – insbesondere bei Übernahmen – solche Paketzuschläge auch zu beobachten. (2) Die meisten Bewertungsanlässe sind dadurch gekennzeichnet, dass sich ein konkret vereinbarter Preis für diesen konkreten Gegenstand zum Bewertungsstichtag nicht feststellen lässt. Der Gesetzgeber muss sich daher (hilfsweise) noch weitergehend von beobachtbaren Preisen lö524 So nimmt zum Beispiel der Bundesgerichtshof an, dass der Börsenkurs nur die Untergrenze der Abfindung markiert und eine methodische (beispielsweise ertragswertorientierte) Ermittlung des Unternehmenswertes auch zu einer höheren Abfindung führen kann (BGH v. 12.3.2001, II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 117; U. Hüffer, in: Festschrift f. Hadding, S. 461, 468 f.; R. Hüttemann, ZGR 2001, 454, 456 ff.; A.-J. Paulsen, in: Münchener Kommentar, AktG, § 305 Rn. 83). Allerdings stehen einige Oberlandesgerichte und Teile der Literatur dem kritisch gegenüber (OLG Stuttgart v. 17.10.2011, 20 W 7/11, NZG 2011, 1346; OLG Frankfurt WM 2010, 1841, M. G. Bulgrin, Unternehmensbewertung bei Strukturmaßnahmen nach dem Börsenkurs?, S. 8 ff.; M. Lutter/T. Bezzenberger, AG 2000, 433, 438; O. Gärtner/B. Handke, NZG 2012, 247, 249.); die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht scheint eine solche Meistbegünstigung jedenfalls nicht von Verfassungs wegen zu verlangen (BVerfG [3. Kammer, I. Senat] v. 26.4.2011, 1 BvR 2658/10, NZG 2011, 869). 525 Von einer (unbedenklichen) Typisierung der Bewertung spricht auch BFH v. 1.10.2001, II B 109/00, BFH/NV 2002, 319 ohne allerdings im Detail zu sagen, worin die Abweichung vom eigentlich maßgeblichen Grundsatz liegen soll. 526 U. Hüffer, in: Festschrift f. Hadding, S. 461, 466 ff.; derselbe, ZHR 172 (2008), S. 572, 577; Börsenwert und Marktwert des Unternehmens werden allerdings zum Teil auch gleichgesetzt (siehe zum Beispiel W. Busse von Colbe, in: Festschrift f. Lutter, S. 1053, 1064 f.).

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sen und stattdessen den Preisbildungsvorgang in den Blick nehmen. Wir haben unter § 1 III. bereits festgehalten, dass sich der Geschäftsverkehr in dieser Situation in der Regel (vergleichend) an Preisen orientiert, die für vergleichbare Gegenstände beobachtbar oder die zu einem anderen Stichtag für den gleichen Gegenstand gezahlt worden sind. Für die Bewertung unternehmerischer Einheiten erklärt das Gesetz, sofern kein Börsenkurs existiert, genau dies auch in § 11 Abs. 2 Satz 2 Einleitungssatz BewG für vorrangig und zwar unter Ausschluss anderer Preisbildungsverhaltensmuster.527 Dieser Vergleich geschieht vergangenheitsorientiert und beschränkt auf zwölf Monate („Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, …“). § 11 Abs. 2 Satz 2 Einleitungssatz BewG bringt damit in seinem Grundanliegen eine „preisvergleichende“ Vorgehensweise zum Ausdruck, wie sie auch vom Rechtsverkehr dem Grunde nach geübt wird. Ableiten bedeutet dabei nicht, dass beobachtbare Preise, welche die vorgenannten Anforderungen erfüllen, zwingend und ohne Anpassung zu übernehmen sind.528 Das in normativer Hinsicht Besondere ist lediglich die gesetzliche Steuerung dieses Verhaltensmusters in Bezug auf die maßgebliche Vergleichsdatenbasis (nur zwölf Monate vor dem Stichtag). Die für das Verhaltensmuster „Preisvergleichung“ typische Vorgehensweise, nämlich die Überprüfung der historischen Daten auf ihre Tauglichkeit für eine Aussage zum maßgeblichen Bewertungsstichtag und die gegebenenfalls notwendige Anpassung dieser Daten, gibt § 11 Abs. 2 Satz 2 Einleitungssatz hingegen nicht auf. Eine zwingende (wertungsfreie) Übernahme stichtagsfremder Vergleichspreise kommt im Normtext nicht zum Ausdruck und ist auch unter Berücksichtigung der anderen Auslegungskriterien nicht angezeigt. Dies gilt insbesondere für die Entstehungsgeschichte. Zwar scheint der Gesetzgeber von einer „unwiderlegbaren Vermutung“ ausgegangen sein. Die Äußerung des Gesetzgebers muss meines Erachtens aber so verstanden werden, dass in Bezug auf die Ableitungsbasis ein unverrückbarer Ausgangspunkt geschaffen werden sollte; es ist jedenfalls nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber die Vermutungswirkung (auch) auf den Ableitungsvorgang beziehen 527 Zum Vorrang der Preisableitung aus in der Vergangenheit getätigten Verkäufen gegenüber der anderweitigen Simulation des Preisbildungsvorgangs zum Beispiel BFH v. 5.3.1986, II R 232/82, BStBl. II 1986, 591; v. 5.2.1992, II R 185/87, BStBl. II 1993, 266 (für den wortlautidentischen bis zum 31.12.2008 geltenden § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F.). 528 BFH v. 23.2.1979, III R 44/77, BStBl. II 1979, 618; M. Jülicher, in: Troll/Gebel/derselbe, ErbStG, § 12 Rn. 300.

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wollte.529 Die Verwendung des Begriffs „ableiten“ spricht vielmehr sogar dafür, dass auch zwischen der Ermittlung der Vergleichsdaten einerseits und ihrer wertenden, kontrollierenden und gegebenenfalls korrigierenden Anwendung auf den Anlassfall andererseits unterschieden wird. Diese Auslegung ist ferner gesamtteleologisch stimmig. Denn auch im Übrigen ist – dies wird nachfolgend noch herausgearbeitet – § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG Ausdruck eines materiellen, einzelfallgerechten Wertermittlungskonzepts, das die Preisbildungsverhaltensmuster rezipiert. Festzuhalten ist daher: § 11 Abs. 2 Satz 2 Einleitungssatz BewG setzt immer voraus, dass eine Bewertung im Wege des Vergleichens im konkreten Fall möglich ist, dass also auch der Rechtsverkehr sich bei Vorfinden der qualifizierten Ableitungsbasis für die Preisgewinnung auf eine Vergleichsmethode (im Sinne der gesetzlichen Regelung) einlassen würde.530 Je mehr sich die internen und externen Faktoren, die den beobachtbaren Preis beeinflusst hatten, verändert haben, umso mehr Anpassungsbedarf besteht und umso unzuverlässiger wird naturgemäß auch die Aussagekraft des von § 11 Abs. 2 Satz 2 Einleitungssatz BewG vorgezeichneten Vergleichsverfahrens. Dies kann irgendwann dergestalt umschlagen, dass trotz vorhandener, den qualifizierten Anforderungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 Einleitungssatz BewG genügender, Ableitungsbasis eine nach seiner Maßgabe vergleichende Ableitung ausscheidet und damit der Weg zu einer anderweitigen Bewertung frei ist. (3) Gelingt die Ableitung nicht – sei es, weil überhaupt keine Vergleichsdaten vorliegen oder weil sich nach vorstehender Maßgabe aus vorhandenen Vergleichspreisen keine Ableitung vornehmen lässt –, trifft § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG weitere Anordnungen: „Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, […], so ist er unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde.“ Die sog. Ertragswertmethode wurde bereits an529 Begründung der Bundesregierung v. 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, S. 38. 530 Im Ergebnis ebenso R. Seer, GmbHR 2009, 225, 231: der Vergleichswert nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Einleitungssatz BewG ist unbeachtlich, sofern ihm für die Ableitung des gemeinen Wertes keine Eignung zukommt; ihm folgend zum Beispiel T. Blum, Bewertungsgleichmaß und Verschonungsregelungen, S. 169, der dieser gesetzlich gesteuerten Vergleichsmethode allerdings zu Unrecht einen Verstoß gegen das Stichtagsprinzip attestiert (T. Blum, a.a.O., S. 168). Ferner im Ergebnis wie hier P. Möllmann, BB 2010, 407, 409 (unter meines Erachtens angesichts der methodisch vorrangigen Begründung überflüssigen Bemühung des Verfassungsrechts).

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gesprochen (siehe § 1 III. 3. a.). Entsprechendes gilt für die Auslegungsfrage, ob mit „unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft“ auf den Begriff des Ertrages im Sinne des (Steuer-) Bilanzrechts, also auf eine Eigenkapitalveränderung als Ausdruck von Erfolg, rekurriert wird oder ob nicht vielmehr ein eigenständiges Begriffsverständnis maßgeblich ist. Hier wird man Letzteres annehmen müssen, d.h., es dürfen auch verfügbare Nettozahlungsüberschüsse zugrunde gelegt werden (siehe dazu bereits § 1 III. 3. a.]). Soweit ersichtlich wird auch keine Gegenansicht hierzu vertreten. Ferner berücksichtigen auch die Spielarten der Discounted-Cash-Flow-Methode im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG die Ertragsaussichten.531 Schließlich werden hierzu nach überzeugender Ansicht auch Mischverfahren gezählt, also solche, die neben dem Ertrag auch die Substanz für relevant erklären. Denn die Norm spricht nur von „berücksichtigen“.532 Insbesondere eine Übergewinnmethode wie das Stuttgarter Verfahren dürfte auch die „ertragsorientierte“ Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG erfüllen.533 Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Vermögenswert nicht mit Buch-, sondern mit verkehrswertorientierten (Einzel-) Rechtswerten und zudem orientiert am Grundsatz der Vollständigkeit (mit der Ausnahme von Geschäfts-/ Firmenwerten) ermittelt wird.534 Zu den im Übrigen (im Einzelfall) „üblichen“ Methoden dürfte vor allem die Multiplikatormethode gehören (siehe auch dazu bereits § 1 III. 3. a.). § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG deutet eine Methodenvielfalt an. Bei genauer Betrachtung formuliert die Norm dabei allerdings auch insoweit nichts anderes als die Maßgeblichkeit eines beobachtbaren Verhaltensmusters, nämlich die Übertragung beobachtbarer Preisbildungszusammenhänge auf den hiesigen Bewertungsgegenstand. Es werden keine fachwissenschaftlichen (präskriptiven) Entscheidungsmodelle rezipiert, sondern (vorrangig) die empirisch beobachtbaren Verhaltensmuster. Dies ist freilich in der Sache nicht „neu“. Bereits § 19 WehrbG 1913, § 30 BesitzStG 1913 und später § 141 Abs. 2 RAO 1919 bestimmten in Satz 1 die Maßgeblichkeit von „Verkaufswerten“ und in Satz 2 die Schätzung nach Maßgabe von Vermögen und Gewinn. Während § 19 WehrbG 1913 und § 30 BesitzStG 1913 dabei noch auf die vergangenen Gewinne abstellten, 531 H. Dirrigl, Unternehmensbewertung für Zwecke der Steuerbemessung im Spannungsfeld von Individualisierung und Kapitalmarkttheorie, S. 10 f.; M. Hinz, BFuP 63 (2011), S. 304, 305; S. Meyering, StuW 2011, 274, 277. 532 Überzeugend D. J. Piltz, Ubg 2009, 13, 14. 533 D. J. Piltz, Ubg 2009, 13, 14; R. Seer, GmbHR 2009, 225; H.-U. Viskorf, ZEV 2009, 591, 592 f.; ebenso (wohl) J. Lang, StuW 2008, 189, 195. 534 D. J. Piltz, Ubg 2009, 13, 15; R. Seer, GmbHR 2009, 225.

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erklärte § 141 Abs. 2 RAO 1919 die Ertragsaussichten für maßgeblich, was sodann auch über § 13 Abs. 2 RBewG 1934 in § 11 Abs. 2 BewG 1965 gelangte. Die Entstehungsgeschichte selbst gibt insoweit wenig Aufschluss. Die Schätzungsbefugnis unter Berücksichtigung von Vermögen und Ertrag war 1913 das Ergebnis eines wechselhaften Gesetzgebungsprozesses: Der Entwurf erklärte das Gesellschaftsvermögen für maßgeblich, zwischenzeitlich lautete die Fassung auf das 16 2/3-fache der in den letzten drei Jahren durchschnittlich gezahlten Dividende und schließlich setzte sich im Hinblick auf die als zu hoch und zu unflexibel empfun­ dene Kapitalisierung die Schätzungsregelung durch.535 Der Reichsfinanzhof gelangte jedenfalls 1926 (sinngemäß) zu einem die soziale Wirklichkeit „rezipierenden Normverständnis“ und bewegte sich insoweit in der Tradition der bereits unter § 3 III. 2. a. referierten Rechtsprechung des Reichsgerichts, das der Anerkennung einer Bewertungsmethode durch den Verkehr den Vorrang vor deren (nur) theoretischer Einsichtigkeit eingeräumt hatte536: Der gemeine Wert decke sich, so der Reichsfinanzhof im Jahr 1926, mit dem Verkaufswert „im Sinne des Preises, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände […] zu erzielen wäre (vgl. § 138 Abs. 1 RAO). Als in den Fällen des § 141 Abs. 2 RAO zu berücksichtigende Umstände werden dort das Gesamtvermögen und die Ertragsaussichten der Gesellschaft hervorgehoben. Damit soll aber keineswegs die Berücksichtigung anderer den Verkaufswert zu beeinflussen geeigneter Umstände ausgeschlossen werden, und andererseits will § 141 Abs. 2 Satz 2 RAO eine Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaften nur insoweit, als diese Umstände tatsächlich geeignet sind, auf den Verkaufswert der Gesellschaftsanteile bestimmend einzuwirken. Der Zweck der Vorschrift ist, eine möglichst zutreffende Schätzung zu erreichen, und die Hervorhebung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft erklärt sich daraus, dass im allgemeinen diese Momente den Verkaufswert der Gesellschaft in erster Linie zu beeinflussen pflegen.“537 Betrachtet man die weitere – unter § 10 III. 3. noch vertieft anzusprechende – Entwicklung der Nachfolgevorschrift in den Bewertungsgesetzen und die zu ihrer Konkretisierung be535 Siehe vor allem aus der Diskussion die Stenographischen Berichte S. 5880 B und S. 5917 A, B; die Begründung zu § 141 Abs. 2 RAO 1919 wiederum nimmt lediglich auf das BesitzStG und das WehrbG Bezug (Begründung zum Entwurf einer Reichsabgabenordnung, Verhandlungen der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 338, Aktenstück 759, S. 589). 536 RG v. 19.11.1879, zitiert nach Gruchot 24 (1880), S. 409, 410. 537 RFH v. 9.2.1926, I A 142/25, RFHE 18, 338, 340; ähnlich auch bereits RG v. 25.6.1887, I 137/87, RGZ 19, 111, 121 zu § 31 ADHGB.

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mühten Verfahren (zuletzt das sog. Stuttgarter Verfahren), so ist die Klarheit des vorstehend formulierten Gedankes leider wieder verloren gegangen. Festzuhalten ist jedenfalls, dass man schon die historische Rechtslage beginnend mit den Jahren 1913, vor allem aber des Reformjahres 1919, als normative Rezeption von Preisbildungsverhaltensmustern verstehen konnte und dies meines Erachtens mit gutem Grund. Wechseln wir nach diesem historischen Rückblick wieder zu der seit dem 1.1.2009 geltenden Rechtslage. „Neu“ ist nunmehr, dass die normative Rezeption als Norminhalt seit dem 1.1.2009 weitaus besser dokumentiert ist. Der Wortlaut bringt dies mit dem faktischen (empirisch be­ obachtbaren) Moment der „Anerkennung“ und der „Üblichkeit“ zum Ausdruck. Dabei wird ferner auf den „Geschäftsverkehr“ als dem realen Forum der Preise verhandelnden Akteure Bezug genommen.538 Auch die Gesetzesbegründung stellt darauf ab, ob eine Methode „in den maßgeblichen Wirtschaftskreisen“ angewandt wird bzw. ob sie am „jeweiligen Markt“ üblich ist.539 Hiermit inhaltlich übereinstimmend stellt auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme auf die „Praxis der Unternehmensbewertung“ ab.540 Damit erkennt der Gesetzgeber an, dass sich Menschen tatsächlich (beobachtbar) an bestimmten Verhaltensmustern (hier Methoden genannt) orientieren, wenn sie anlässlich des Erwerbs eines Unternehmens Entscheidungswerte gewinnen wollen. Die letzte Stufe der Bewertungshierarchie des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG bringt letztlich am deutlichsten zum Ausdruck, dass sich das Gesetz auf Verhaltensweisen bezieht, die „typisch“ im Sinne des Normalen, regelmäßig Geübten und deshalb Erwarteten sind und als „Ist-Zustand“ beobachtet werden können.541 Dass der tatsächliche Preisbildungsvorgang zu erfassen ist und nicht ein Preisbildungsvorgang, wie er sein sollte, übersehen vor allem die jüngeren (ökonomischen) Dissertationen und sonstigen Diskussionsbeiträge, die sich mit der Frage beschäftigen, ob und inwieweit betriebswirtschaftliche Bewertungsmethoden bei der Bewertung für steuergesetzliche Zweck­e zu beachten sind, ohne jedoch nach deren Aussage in Bezug

538 Ebenso D. Piltz, Ubg 2009, 13, 16. 539 Begründung der Bundesregierung v. 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, S. 38. 540 Stellungnahme des Bundesrates v. 15.2.2008, BT-Drucks. 16/8547, S. 6. 541 Die Finanzverwaltung scheint dies in Bezug auf die Bestimmung des konzeptionell zugrunde zulegenden Verhaltensmusters ebenso zu sehen. Sie hat immerhin eine Sammlung branchenspezifischer Bewertungsmethoden zusammengestellt und veröffentlicht (siehe FM Bayern v. 4.1.2013, BeckVerw 267920).

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zur sozialen Bewertungswirklichkeit zu fragen.542 Es ist der „methodisch richtige Wert“ im Sinne eines „Sollens“, der dem Steuerrecht dort ohne Verprobung mit dem Ist-Zustand „aufgedrückt“ werden soll. Was wir dort sehen, ist meines Erachtens eine Art normativistischer Fehlschluss, wenn die Autoren die steuergesetzlichen Normen mit ihrer wirtschaftswissenschaftlichen Sollensvorstellung zu konkretisieren suchen und auf diese Art und Weise die deskriptive Ermittlung des Seins ausblenden. Die Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ist vielmehr vor allem – aber nicht nur (siehe zur normativen Steuerung und Filterung § 5 III. 3.) – eine Frage der Empirie.543 Dies ist beispielsweise von großer Relevanz für kleinere Betriebe und freiberufliche Praxen. Unter § 1 III. 3. wurde bereits angemerkt, dass es für diese Bewertungsobjekte nicht als gesicherte Erkenntnis der sozialen Bewertungswirklichkeit gelten kann, dass hier das Ertragswertverfahren reale Anerkennung findet. Es wäre jedenfalls plausibel, dass Substanzwertgesichtspunkte in den Vordergrund rücken, wenn der Bestand und Erfolg des zu bewertenden Unternehmens weitgehend vom persönlichen Einsatz und der Präsenz des bisherigen Betriebs­inhabers abhängen.544 Jedenfalls passt hier die Idee der unbegrenzten Erfolgs­ berücksichtigung nicht ohne Weiteres und es müsste kritisch hinterfragt 542 Siehe insbesondere F. Schleithoff, Die Unternehmensbewertung im deutschen Steuerrecht, wo sich der präskriptive Anspruch dergestalt durch die gesamte Arbeit zieht, dass der Autor für die Normanwendung mehrfach nach der aus „wissenschaftstheoretischer Sicht sachgerechten bzw. richtigen Bewertung“ fragt (zum Beispiel S. 65, 109 f., 167, 261); ähnlich auch A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Methoden im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, passim, sowie K.-D. Koschmieder/N. Herrmann, in: Festschrift f. Spindler, S. 661, 668 (Bewertungssystematik und Verfahrenshierarchie stünden im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Unternehmensbewertungslehre); ferner wohl auch S. Meyerding, StuW 2011, 274, 277, wenn er zu § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG – meines Erachtens präskriptiv orientiert – ausführt, dass eine Ausweitung über die Gesamtbewertungsverfahren hinaus „aus betriebswirtschaftlicher Sicht“ abzulehnen sei, da die übrigen Verfahren allenfalls Ergänzungs- und Korrekturfunktion zukomme. Vor der Erbschaftsteuerreform auch schon in Bezug auf § 11 Abs. 2 BewG a.F. J. Bauer, StbJb 1999/2000, S. 387, 407. Schließlich aus theoretischer, also ohne Anspruch für die Auslegung des geltenden Rechts auftretender Perspektive C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, passim, insbesondere S. 153 ff. sowie B. Spitzbart, Das Betriebsvermögen in der Erbschafsteuer, S. 112. 543 Für die Frage des Methodenwahlrechts in diesem Sinne bereits D. J. Piltz, Ubg 2009, 13, 16: Es entscheide nicht juristische Deduktion, sondern Marktbeobachtung. Nach hier vertretener Ansicht reicht das „Beobachtungsbedürfnis“ freilich noch viel weiter und betrifft vor allem auch die Methodik selbst. 544 Vgl. auch OLG München v. 17.9.1987, 24 U 794/86, BB 1987, 2392 f.

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(und verifiziert) werden, ob der Rechtsverkehr aus diesem Grunde nicht (zumindest) die maßgeblichen Ertragsströme, also den aus dem Unternehmen ziehbaren Nutzen, nur zeitlich begrenzt vergütet – hier nicht als Übergewinnkorrektiv wie bei der Übergewinnmethode verstanden, sondern durchaus als eigenständiger, aber zeitlich begrenzter Ertragswert. Die Bezugnahme auf die beobachtbaren Verhaltensmuster bedeutet an dieser Stelle daher vor allem erst einmal zweierlei: Es ist zum einen Vorsicht angezeigt mit der gelegentlich anzutreffenden These, dass das Ertragswertverfahren die „Regelbewertungsmethode“ sei.545 Hierüber entscheidet nach der hier vertretenen Ansicht allein der Rechtsverkehr. Das Gesetz trifft insoweit keine zwingende Rangvorgabe.546 Richtig ist zwar, dass der Gesetzgeber die ertragsorientierte Perspektive namentlich genannt hat und er in der Gesetzesbegründung erkennen lässt, dass nach seinem Verständnis die Feststellungslast dafür, ob eine andere Methode als die Ertragswertmethode üblich ist, derjenige tragen soll, der sich jeweils darauf beruft.547 Jedoch darf ein materiell-rechtliches Rangverhältnis nicht gleichgesetzt werden mit Fragen der Feststellungslast. Insoweit kann man der Ertragswertmethodik allenfalls die Rolle als Auffangmethode im Falle eines non liquet zuweisen. Zum anderen genießt keine Methode normativen Bestandsschutz. Wenn sich der Geschäftsverkehr nicht (mehr) mit der für ein Verhaltensmuster ausreichenden Repräsentativität einer bestimmten Methode bedient, erlischt auch ihre steuergesetzliche Bewertungsrelevanz. Dies gilt selbst für die Ertragswertmethode, auch wenn sie in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG eine recht deutliche Erwähnung findet (Bewertung „unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft“). Sie wird lediglich als Beispiel her­ vorgehoben. Dies ergibt sich aus der Formulierung „andere anerkannte Methoden“; also muss auch die Ertragswertmethode anerkannt sein – jedenfalls für das konkrete Bewertungsobjekt.548 545 Solche „Regelaussagen“ finden sich zum Beispiel bei T. Blum, Bewertungsgleichmaß und Verschonungsregelungen, S. 170; A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Methoden im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 39. 546 Wie hier M. Jülicher, in: Troll/Gebel/derselbe, ErbStG, § 12 Rn. 735; B. Welling/M. Wünemann, Beilage zu FR 11/2009, 5; andere Ansicht K. U. Pawelzik, Ubg 2010, 883, 885 demzufolge die Ertragswertmethode nach IdW S 1 die einzig zulässige Bewertungsmethode sei. Denn die Anerkennung einer Methode im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG sei gleichzusetzen mit „Gerichtfestigkeit“ der Methode und dieses Kriterium würde derzeit nur die Ertragswertmethode erfüllen. 547 Begründung der Bundesregierung v. 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, S. 38. 548 Andere Ansicht A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Methoden im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 84: nur die anderen Methoden sollen dem Üblichkeitsvorbehalt unterliegen.

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Der Gesetzgeber steuert in Ansehung der Anwendung des Verhaltensmusters den Preisfindungsvorgang mittels der anzulegenden Perspektive vor: Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BewG ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises für das Unternehmen zugrunde legen würde (zur Reichweite der Käuferperspektive auch noch § 11 I.). Es muss daher bei der Auswahl der Bewertungsmethode die Sichtweise angelegt werden, die auch der hypothetische Erwerber in seine Überlegungen für eine Kaufpreisfindung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr einbeziehen würde.549 Die insbesondere mit Rücksicht auf die Unternehmensgröße, die jeweilige Branche, den Umfang des Anteils und seine Ausstattung (zum Beispiel Verfügungsbeschränkungen) auszumachenden Gepflogenheiten der Preisfindung sind daher auch für § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG relevant. Zugleich bedeutet die Maßgeblichkeit der Erwerbersicht aber auch, dass bei mehreren ernsthaft in Betracht kommenden Methoden diejenige zu wählen ist, die zum niedrigsten Wertansatz führt.550 Es ist dieses natürliche Erwerberinteresse, welches § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG übernimmt. Kommt jedoch nur eine Methode in Betracht, dann muss diese zugrunde gelegt werden.551 Es besteht in diesem Fall kein Wahlrecht. (4) Wenngleich § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG individuell auf die jeweilige wirtschaftliche Einheit zugeschnittene Unternehmensbewertungen für maßgeblich erklärt, trägt der Reformgesetzgeber zugleich dem Interesse insbesondere kleinerer und mittlerer Unternehmen an einer weniger kostenintensiven Bewertungsmethode Rechnung. Er stellt den Beteiligten mit dem sog. vereinfachten Ertragswertverfahren nach den §§ 199 ff. BewG ein von Typisierung und Vereinfachungselementen geprägtes Alternativverfahren zur Verfügung: Der die Ausgangsgröße bildende Jahresertrag wird nicht zukunftsorientiert anhand von Planungen ermittelt, sondern setzt sich grundsätzlich vergangenheitsorientiert zusammen aus dem Betriebsergebnis der letzten drei Jahre vor dem Berechnungsstichtag. Das maßgebliche Betriebsergebnis leitet sich wiederum aus dem steuerlichen Gewinn im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ab, der um die in § 202 Abs. 1 BewG genannten Hinzurechnungen und Kürzungen zu 549 S. Kreutziger, in: derselbe/Schaffner/Stephany, BewG, § 11 Rn. 49; D. Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 11 Rn. 32. 550 Gleiche Ansicht D. Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 11 Rn. 32; F. Hannes/W. Onderka, ZEV 2009, 421, 422; A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Methoden im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 40; S. Kreutziger, in: derselbe/Schaffner/Stephany, BewG, § 11 Rn. 51: „Methodenwahlrecht“; H. Kußmaul/A. Pfirmann/C. Hell/S. Meyerding, BB 2008, 472, 477. 551 D. J. Piltz, DStR 2009, 1829, 1830.

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modifizieren und schließlich um einen pauschalen Abzug von 30 % für die Steuerbelastung zu kürzen ist (§ 202 Abs. 3 BewG). Der Kapitalisierungsfaktor wird ebenfalls vorgegeben. Bindend ist insoweit der Kehrwert der Summe aus einem variablen Basiszinssatz (derzeit 2,04 %552) und einem festen Risikozuschlag in Höhe von 4,5 %. Der Gesetzgeber legt hier erkennbar das unendliche Rentenmodell zugrunde.553 Die Vorgehensweise sei an folgendem Beispiel kurz dargestellt, wobei auch hier der Vergleichbarkeit wegen die (historischen) Ausgangsdaten mit dem Beispiel auf Seite 74 f. identisch sind:

552 Der Basiszinssatz ist gemäß § 203 Abs. 2 Satz 1, 2 BewG aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen jeweils zum ersten Werktag eines Jahres abzuleiten und wird durch die Deutsche Bundesbank errechnet. Das BMF veröffentlicht den maßgeblichen Zinssatz jeweils zu Beginn des Jahres; zuletzt BMF v. 2.1.2013, BStBl. I 2013, 19. 553 W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 218; M. Hinz, BFuP 63 (2011), S. 304, 308.

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Intersubjektiv nachvollziehbarer Realbezug aller Rechtswerte Mit seinem auf den 1.1. des Jahres 04 zu bewertenden Einzelunternehmen erzielte eine natürliche Person folgende steuerliche Gewinne: Jahr 01: 350.000 Euro; Jahr 02: 380.000 Euro und Jahr 03: 300.000 Euro. Ein angemessener Unternehmerlohn ist mit 60.000 Euro zu beziffern. Auf die gewerblichen Einkünfte sind folgende Einkommensteuern angefallen: Jahr 01: 140.000 Euro, Jahr 02: 160.000 Euro und Jahr 03: 122.000 Euro. Ermittlung des Jahresertrages: 01 Gewinn

02

03

350.000,00

380.000,00

300.000,00

Hinzurechnung des Ertragsteueraufwandes (§ 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. e BewG)

+ 140.000,00

+ 160.000,00

+ 122.000,00

Kürzung um den angemessenen Unternehmerlohn (§ 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. d BewG)

– 60.000,00

– 60.000,00

– 60.000,00

Zwischensumme

430.000,00

480.000,00

362.000,00

– 129.000,00

– 144.000,00

– 108.600,00

301.000,00

336.000,00

253.400,00

Abzüglich typisierten Ertragsteueraufwand (§ 202 Abs. 3 BewG) Betriebsergebnisse Jahresertrag

= (301.000 Euro + 336.000 Euro + 253.400 Euro) : 3 = 296.800 Euro

Kapitalisierungsfaktor = Kehrwert der Summe von Basiszinssatz und Zuschlag = 2,04 % + 4,50 % = 6,54 %, davon der Kehrwert = 15,29 (1 / 0,0654) Ertragswert

= Jahresertrag × Kapitalisierungsfaktor = 296.800 × 15,29 = 4.538.072 Euro (Unternehmensgesamtwert des betriebsnotwendigen Vermögens)

Seinem Vereinfachungszweck Rechnung tragend muss das vereinfachte Ertragswertverfahren in Ansehung des realen Bezugspunktes Kompromisse eingehen. Der Gesetzgeber hat mit einer ertragswertorientierten Bewertung ein durchaus beobachtbares Verhaltensmuster aufgenommen – zum einen konzeptionell (unendliches Rentenmodell), aber auch im Detail (wie beispielsweise die Berücksichtigung des Unternehmerlohns zeigt) –, aber eben nur eines von mehreren Denkbaren. Entsprechendes gilt grundsätzlich für die Typisierung der für die Anwendung 171

Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

dieses Denkweges notwendigen Daten. So rekurriert der Gesetzgeber beim Basiszinssatz auf Zinsstrukturdaten der Bundesbank und das Bundesfinanzministerium stellt diese einmal zu Beginn eines Jahres mit Wirku­ng für das gesamte Jahr fest. Den Risikozuschlag gibt der Gesetz­ geber hingegen als konkrete Zahl vor. Ob sich ein Kapitalisierungszinssatz überhaupt typisieren lässt, ist freilich problematisch (dazu noch § 7 I. 4. b.). Ferner weicht der Gesetzgeber in einem entscheidenden Punkt vom beobachtbaren Verhaltensmuster (auch) konzeptionell ab: Bei Konzernstrukturen ordnet er eine Einzelbewertung jeder selbständigen Einheit an, was nicht der Bewertungsübung entsprechen dürfte (wenn mit der Konzernmutter die gesamte Einheit verkauft wird) und gerade deshalb bei Konzernobergesellschaften auch einer der Gründe für eine Verfehlung des „Gesamtbewertungsziels“ sein kann. Ein gewichtiges – und wiederum vom realen Bezugspunkt aus zu betrachtendes – Rechtsproblem begegnet uns bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Steuerpflichtige dieses Vereinfachungsgebot überhaupt nutzen darf. § 11 Abs. 2 Satz 4 BewG bestimmt, dass die §§ 199 bis 203 BewG „zu berücksichtigen sind“. § 199 Abs. 1 (für Anteile an Kapi­ talgesellschaften) und Abs. 2 (für Betriebsvermögen bzw. einen Anteil an einem Betriebsvermögen) BewG wiederum formulieren sinngemäß: Ist der Wert für eine unternehmerische Einheit unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten zu ermitteln, „kann das vereinfachte Ertragswertverfahren […] angewendet werden, wenn dieses nicht zu offensichtlich unzu­treffenden Ergebnissen führt“. Unstreitig dürfte (zu Recht) sein, dass die allgemeine Bewertungshierarchie gilt, d.h. ein Rückgriff auf die §§ 199 ff. BewG scheidet aus, wenn nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 BewG die Übernahme des Börsenkurses oder die Ableitung aus Verkäufen angeordnet ist.554 Wenn diese beiden vorrangigen Vorgaben ihre Sperrwirkung nicht entfalten und somit in der Bewertungshierarchie des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG die dritte Stufe mit der Maßgeblichkeit der für den kon­ kreten Bewertungsgegenstand geübten Verhaltensmuster aktiviert wird, führt dies zu der Frage, ob das vereinfachte Ertragswertverfahren eine echte Wahlalternative zu allen Verhaltensmustern ist oder ob es lediglich dann gewählt werden kann, wenn (auch) die Ertragswertbewertung im konkreten Fall als Verhaltensmuster beobachtet werden kann. Letzteres ist im Anschluss an die Gesetzesbegründung555 vor allem die Auf­ fassung der Finanzverwaltung556 und der (wohl) überwiegenden Lite­ 554 Gleiche Ansicht A. M. Hinz, BFuP 63 (2011), S. 304, 306; M. Jülicher, in: Troll/ Gebel/derselbe, ErbStG, § 12 Rn. 736. 555 Bericht des Finanzausschusses v. 26.11.2008, BT-Drucks. 16/11107, S. 22. 556 R B 199.1 Abs. 1 Sätze 1 u. 2. ErbStR 2011.

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Intersubjektiv nachvollziehbarer Realbezug aller Rechtswerte

raturmeinung557. Auch hier leitet die Verhaltensmusterfixierung des Bewertungsrechts wiederum den Weg zur Antwort: Wenn für den konkreten Bewertungsgegenstand kein ertragswertorientiertes Verhaltensmuster beobachtbar ist, dann kann es nicht gleichwohl über das vereinfachte Ertragswertverfahren herangezogen werden. Denn anderenfalls gelangt man zu einem Verkehrswert, der noch nicht einmal konzeptionell für sich in Anspruch nehmen kann, (wahrscheinlich) als Preis im Geschäftsverkehr erzielbar gewesen zu sein. Eine Anwendung der vereinfachten Ertragswertmethode in den Fällen, in denen kein ertragswertorientiertes Verhaltensmuster beobachtbar ist, widerspricht also der Grundausrichtung der Norm und hätte daher als diesen Grundsatz überspielende Ausnahme ausdrücklich angeordnet werden müssen. Als letzte Anwendungshürde muss schließlich die Negativvoraussetzung des „nicht offensichtlich unzutreffenden Ergebnisses“ überwunden werden. Die Formulierung des § 199 Abs. 1, Abs. 2 BewG weist insoweit demjenigen, der die Nichtanwendbarkeit der §§ 199 ff. BewG geltend macht, hierfür die Feststellungslast zu. Überlegungen dahingehend, die „Offensichtlichkeit“ mittels einer prozentualen Toleranzbreite zu konkretisieren558, sind in ihrer Allgemeinheit sehr problematisch. Denn das vereinfachte Ertragswertverfahren soll von einer komplexen und kostenintensiven Unternehmensbewertung entbinden. Die vorgenannte Kontrollüberlegung anhand von Prozentsätzen setzt aber einen Kontrollwert voraus, der (kostenintensiv) ermittelt werden muss.559 Eine „offensichtliche“ Verfehlung des Bewertungsziels kann daher nicht betragsmäßig bestimmt werden, sondern muss vielmehr an systemischen Fehlern ansetzen, d.h. bei Abweichungen des vereinfachten Ertragswertverfahrens von sozialen Verhaltensmustern. Denn der Vergleich der §§ 199 ff. BewG mit den beobachtbaren Verhaltensmustern zeigt, ob das Bewertungsziel verfehlt wird oder nicht (dem Grunde nach, aber auch in Bezug auf die De557 R. Seer, GmbHR 2009, 225, 228; H.-U. Viskorf, ZEV 2009, 591, 593 (der allerdings vom vereinfachten Ertragswertverfahren als aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingendes Regelverfahren ausgeht, dazu noch § 7 I. 2. c.]); andere Ansicht W.-D. Drosdzel, DStR 2011, 1258, 1260. 558 So zum Beispiel C. Riedel, in: Daragan/Halayinsky/derselbe, BewG, § 199 Rn. 9: wenn gemeiner Wert mehr als 150 % höher ist als Wert nach §§ 199 ff. BewG; W. Mannek, DB 2008, 423, 428: mehr als 50 % Abweichung; D. Eisele, in: Rössler/ Troll, BewG, § 199 Rn. 7 und H.-U. Viskorf, ZEV 2009, 591, 596: mindestens 60 % Abweichung; H. Kahle/M. Hiller, WPg 2013, 403, 411: Abweichung von mehr als 40 % bis 50 % zwischen dem Wert nach Anwendung der §§ 199 ff. BewG und dem „eigentlichen“ gemeinen Wert. 559 W. Baumann/R. Seer/M. Krumm, Unternehmensnachfolge, Rn. 1591; S. Meyerding, StuW 2011, 274, 280.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

tails). Auf die insoweit beispielhaft zu nennende Einzelbewertung von Beteiligungen bei Konzernstrukturen wurde bereits hingewiesen. Ferner wird man auch hier kritisch die Frage stellen müssen, ob ein (reiner) Zukunftserfolgswert nach Maßgabe des unendlichen Rentenmodells der Bewertungswirklichkeit gerade in Bezug auf die kleineren und mittleren Gewerbebetriebe und Freiberuflerpraxen entspricht, denen die Vereinfachung primär zugute kommen soll. Erinnert sei hier noch einmal an die Verflüchtigung der persönlichen, wertbildenden Unternehmer-/Berufs­ trägerpersönlichkeit (siehe bereits § 1 III. 3. a. und c.). Sollte sich empirisch belegen lassen, dass der Rechtsverkehr die Erträge nur zeitlich begrenzt vergütet, so wird man wegen der konzeptionellen Ausrichtung der §§ 199 ff. BewG am unendlichen Rentenmodell bei solchen Unternehmen regelmäßig die „Offensichtlichkeit“ eines unzutreffenden Ergebnisses annehmen müssen – falls die §§ 199 ff. BewG wegen der Maßgeblichkeit von Nichtertragswertverfahren nicht ohnehin schon nach Maßgabe der Ausführungen des vorangegangenen Absatzes ausscheiden. (5) Die überwiegende Ansicht erachtet die gesamte Bewertungshierarchie des § 11 Abs. 2 BewG auch für ertragsteuerliche Zwecke für anwendbar560 und dies im Lichte der historischen Entwicklung der Norm auch mit guten Gründen: So war an die Altfassung des § 11 Abs. 2 BewG mit Gesetz vom 7.12.2006561 ein Satz 3 angefügt worden, wonach Satz 2 („Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, so ist er unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen“) nicht für ertragsteuerliche Zwecke gelte. Eine solche Einschränkung enthält § 11 Abs. 2 BewG in der Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes nicht. Neben dem gemeinen Wert in einkommensteuerrechtlichen Vorschriften betrifft diese umfassende ertragsteuerliche Anwendung vor allem das seit dem 1.1.2007 geltende Umwandlungssteuerrecht, wo der gemeine Wert (ebenfalls) als Gesamtwert zu ermitteln ist.562 Nach zutreffender Ansicht finden hier ferner die §§ 199 ff. BewG Anwendung.563 Auf den ersten Blick irritiert zwar ihr systematischer Standort, nämlich im Sechsten Abschnitt unter der Überschrift „Vorschriften für die Bewer560 W.-D. Drosdzol, DStR 2011, 1258, 1259 f. 561 BGBl. I, 2006, 2782. 562 Siehe nur für die verschiedenen Umwandlungskonstellationen zum Beispiel T. Rödder, in: derselbe/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 11 Rn. 75; Schießl, in: Widmann/Mayer, UmwStG, § 11 Rn. 14.27 und § 20 Rn. 675; W. Staats, in: Lademann, UmwStG, § 3 Rn. 104. 563 W.-D. Drosdzol, DStR 2011, 1258, 1260; H. Kahle/M. Hiller/T. Vogel, FR 2012, 789, 792; W. Staats, in: Lademann, UmwStG, § 3 Rn. 105.

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Intersubjektiv nachvollziehbarer Realbezug aller Rechtswerte

tung […] für die Erbschaftsteuer ab 1. Januar 2009“. Aber auch hier muss normativer Ausgangspunkt § 11 Abs. 2 BewG und dort insbesondere Satz 4 sein. Dieser Satz 4 beansprucht den gleichen sachlichen Anwendungsbereich wie § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG und erfasst damit auch die Einkommensteuer. Diese Auslegung wird dabei auch dadurch gestützt, dass die im Jahressteuergesetz 2010 noch enthaltene Einschränkung, wonach die §§ 199 ff. BewG nicht für ertragsteuerliche Zwecke gelten sollten564, gerade nicht Gesetz geworden ist und dies weil der Bundesrat die Sinnhaftigkeit eines einheitlichen, Steuerarten übergreifenden Bewertungsverfahrens betont hatte.565 (6) Nach „unten“ sichert schließlich ein Mindestwert die Bewertung von unternehmerischen Einheiten ab. Als solcher fungiert hier der Substanzwert. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG bildet die Bewertungsuntergrenze „die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktive Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge“. Gemessen am Vergleichsmaßstab des gemeinen Wertes ist es plausibel von einer Gesamtbewertung abzugehen, wenn die Einzelbewertung einen höheren Tauschwert vermittelt.566 Diese Plausibilität knüpft freilich daran an, dass § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG eine „Einzel-Versilberungsperspektive“ einnimmt. Nicht unproblematisch ist, ob und inwieweit dieser Mindestwertgedanke es auch erfordert hätte, das Szenario der Einzelveräußerung vollständig zu simulieren, also vor allem unter Berücksichtigung von Liquidationskosten (Stilllegungskosten). Der Gesetzgeber ist diesen Weg – anders als für einen Teilbereich beim land- und forstwirtschaftlichen Vermögen in § 166 Abs. 1 u. 2 BewG – nicht gegangen. Konzeptionell wäre es hingegen schlüssig gewesen, wenn er dies getan hätte. Zwar zielt auch die Regelbewertung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG auf die Ermittlung eines wahrscheinlich erzielbaren Kaufpreises ab. Da dort aber vom Fortbestand der ökonomisch-organisatorischen Einheit ausgegangen wird, können dort etwaige Transaktionskosten außer Betracht gelassen werden. Wenn der Gesetzgeber aber eine Bewertung anordnet, die letztlich auf einer fiktiven Zerschlagung der betrieblichen Einheit beruht, dann ist dies anders. Denn die einzelnen Wirtschaftsgüter eines Unternehmens sind stets mit latenten Abwicklungskosten belastet und

564 Begründung zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2010 v. 21.6.2010, BTDrucks. 17/2249, 27. 565 Stellungnahme des Bundesrates v. 27.8.2010 zum Jahressteuergestz 2010 BTDrucks. 17/2823, 31. 566 Ebenso M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG, S. 159.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

dies müsste sich bei konsequenter Verwirklichung des (zutreffenden) Mindestwertgedankens auch wertmindernd widerspiegeln.567 dd) (1) Für Grundstücke ist der sog. Grundbesitzwert (§§ 176 ff. BewG) zu ermitteln. Die Bewertung eines Grundstücks nach Maßgabe der §§ 176 ff. BewG orientiert sich an der außerhalb des Steuerrechts anzuwendenden Immowert-VO, die einerseits zwischen verschiedenen Grundstücksnutzungen bzw. -eigenschaften und andererseits in Abhängigkeit hiervon zwischen dem Vergleichswert-, Ertragswert- und Sachwertverfahren unterscheidet. Bezüglich der seit der Erbschaftsteuerreform (Bewertungsstichtage nach dem 1.1.2009) geltenden Rechtslage ist es allerdings schwierig zu sagen, ob der Gesetzgeber damit in der sozialen Wirklichkeit beobachtbare Verhaltensmuster „lediglich“ rezipiert oder ob er hier nicht vielmehr an das anknüpft, was er selbst maßgeblich geprägt hat, nämlich durch die baurechtlichen Verordnungen auf der Grundlage von § 199 BauGB (siehe zur Immowert-VO bereits § 1 III. 3. b. cc]). Insoweit lässt sich nicht ausschließen, dass der Gesetzgeber hier eine soziale Wirklichkeit vorfindet, die er aus anderem normativen Anlass selbst geschaffen hat, um sie sodann auch steuerrechtlich für maßgeblich zu erklären. Konzeptionell ist die Bewertung nach Maßgabe der von den §§ 176 ff. BewG konkretisierten und vielfach mit typisierenden Vorgaben „gefütterten“ Methoden die Regel. § 198 BewG eröffnet dem Steuerpflichtigen allerdings die Möglichkeit, im Wege eines Gegenbeweises einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Dieser Gegenbeweis kann vor allem durch ein Bewertungsgutachten erbracht werden, das der Immowert-VO568 und den zugehörigen Wertermittlungsrichtlinien genügt.569 Dabei dürfen freilich durch die Anwendung der dort normierten 567 Sowohl P. Bareis, DB 1996, 1153, 1157 als auch B. Spitzbart, Das Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht, S. 138 ff. haben bereits vor der Erbschaftsteuerreform zutreffend ausgeführt, dass ein Mindestwert plausibel ist, aber nur als Liquidationswert, d.h. als ein Wert, der auch die Liquidationskosten berücksichtigt. Für die geltende Rechtslage ferner wie hier D. Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 11 Rn. 43; M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 91; C. Wollny, DStR 2012, 766 ff. 568 BGBl. I 2010, 639. 569 Zu den Anforderungen an das Gutachten vor allem BFH v. 10.11.2004, II R 69/01, BStBl. II 2005, 259, 260: Es muss sich um ein Gutachten handeln, das der örtlich zuständige Gutachterausschuss oder ein Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken erstellt hat. Denn nur so würde dem Zweck der Öffnungsklausel

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Intersubjektiv nachvollziehbarer Realbezug aller Rechtswerte

Bewertungsverfahren die erbschaftsteuerlichen Wertungen nicht unterlaufen werden (siehe hierzu vor allem auch noch § 5 III. 3.)570; ferner könn­ en auch zeitnah im gewöhnlichen Geschäftsverkehr vereinbarte Kaufpreise zur Nachweiserbringung ausreichen.571 Die Öffnungsklausel bezieht sich dabei nur auf den Verkehrswert der wirtschaftlichen Einheit als solche. Ein Einzelnachweis für bestimmte Bewertungsgrundlagen ist hingegen – mit Ausnahme des Nachweises der üblichen Miete572 – nicht zulässig.573 Dies vorweggeschickt, sehen die §§ 176 ff. – vorbehaltlich des bereits angesprochenen Gegenbeweises durch ein Bewertungsgutachten – folgende Wertermittlungsverfahren differenziert nach Grundstücksarten vor: (2) Unbebaute Grundstücke (definiert in § 178 Abs. 1, 2 BewG) werden durch einen mittelbaren Preisvergleich (Vergleichswertverfahren) auf der Basis der von den Gutachterausschüssen der Gemeinden nunmehr jährlich zu ermittelnden Bodenrichtwerte (§ 196 BauGB) bewertet. Beim Bodenrichtwert handelt es sich um den durchschnittlichen Lagewert des Grund und Bodens pro Quadratmeter der bebauten und unbebauten Grundstücksfläche in einem Gebiet mit im Wesentlichen gleichen Lageund Nutzungsverhältnissen. Er ist den Kaufpreissammlungen (§ 195 BauGB) zu entnehmen, welche die Gutachterausschüsse für das jeweilige Gemeindegebiet nach Auswertung der von den beurkundenden Stellen zu übersendenden Kaufverträge führen. (3) Für Mietwohn-, Geschäfts- und gemischt genutzte Grundstücke sieht § 182 Abs. 3 BewG grundsätzlich ein Ertragswertverfahren vor. Dabei sind der Bodenwert und der Wert der baulichen Anlagen getrennt zu ermitteln (§ 184 Abs. 1 BewG). Der Bodenwert entspricht gemäß § 184 Abs. 2 BewG dem Wert eines unbebauten Grundstücks. Ihm ist der sog. Gebäudeertragswert hinzuzurechnen, der sich wie folgt ermittelt: Der Reinertrag des Grundstücks (= Rohertrag im Sinne von § 186 BewG abzüglich Bewirtschaftungskosten im Sinne von § 187 BewG) vermindert um den Betrag, der sich durch eine angemessene Verzinsung des Bodenwertes ergibt, ist nach Maßgabe des § 185 Abs. 3 BewG zu kapitalisieren. Während der Rohertrag den tatsächlich vereinbarten (Miet- und Pacht-) genügt, dass die Behörde/das Finanzgericht dem – als substantiiertes, urkundlich belegtes Parteivorbringen zu würdigenden – Gutachten ohne die Bestellung eines Sachverständigen folgen können. 570 BFH v. 8.10.2003, II R 27/02, BStBl. II 2004, 179, 180. 571 BFH v. 8.10.2003, II R 27/02, BStBl. II 2004, 179, 180. 572 Vgl. Abschn. 18 Abs. 5 AEBewGrV, BStBl. I 2009, 590. 573 D. Eisele/K. Schmitt, NWB 2010, 2232, 2239.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

Entgelten bzw. der üblichen Miete entspricht (siehe § 186 Abs. 1, 2 BewG), werden die Bewirtschaftungskosten nur typisierend berücksichtigt. Sie sind nach Erfahrungssätzen anzusetzen. Soweit von den Gutachterausschüssen keine Erfahrungssätze festgestellt worden sind, ist von pauschalierten Kosten auszugehen, die in Anlage 23 zum BewG niedergelegt sind (§ 187 BewG). Auch hinsichtlich des Liegenschaftszinssatzes greift der Gesetzgeber vorrangig auf die Ermittlungen der Gutachterausschüsse zurück (§ 188 Abs. 2 Satz 1 BewG), hält aber zugleich typisierende Zinssatzvorgaben in Reserve (§ 188 Abs. 2 Satz 2 BewG). Die Summe aus Bodenwert und Gebäudeertragswert ergibt den Ertragswert des Grundstücks (§ 184 Abs. 3 Satz 1 BewG). (4) Ein-, Zweifamilienhäuser und Wohn- bzw. Teileigentum werden grundsätzlich im Vergleichswertverfahren bewertet (§ 182 Abs. 2 BewG). Dieses Verfahren kommt in der Regel nur bei solchen Grundstücken in Betracht, die mit weitgehend gleichartigen Gebäuden, insb. Wohngebäuden, bebaut sind und bei denen sich der Grundstücksmarkt an Vergleichs­ preisen orientiert. Das trifft vor allem bei Einfamilien-, Reihenhäusern, Eigentumswohnungen, Siedlungshäusern und Garagen zu. Dabei sind die tatsächlichen Kaufpreise solcher Grundstücke heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (§ 183 Abs. 1 BewG). Für die Anwendung des Vergleichswertverfahrens bedarf es einer ausreichenden Anzahl von Kaufpreisen, die mit dem zu bewertenden Grundstück soweit übereinstimmen, dass die Abweichungen in angemessener Weise berücksichtigt werden können. Vorbild können die Durchschnittspreise je qm Wohn-/Nutzfläche sein, die sich aus den Grundstücksmarktberichten der Gutachterausschüsse ergeben und nach Wohnungsgrößen und Baujahresgruppen gestaffelt sind.574 Lässt sich auch anhand der von den Gutachterausschüssen der Kommunen ermittelten Vergleichsfaktoren keine sachgerechte Bewertung durchführen, findet das Sachwertverfahren Anwendung (§ 182 Abs. 4 Nr. 1 BewG). (5) Sonstige Grundstücke werden nach dem Sachwertverfahren bewertet. Dasselbe gilt für Ein-, Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen, für die keine Vergleichswerte existieren, sowie bei Mietwohn-, Geschäfts- und gemischt-genutzten Grundstücken, für die sich keine übliche Miete ermitteln lässt. Das Sachwertverfahren erhält damit nach § 182 Abs. 4 BewG einen Auffangcharakter. Die Bewertung des Grund und Bodens entspricht gemäß § 189 Abs. 2 BewG der Bewertung unbe574 W.-D. Drosdzol, ZEV 2008, 10, 13.

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Intersubjektiv nachvollziehbarer Realbezug aller Rechtswerte

bauter Grundstücke. Hinzu kommt der Wert der baulichen und sonstigen Anlagen, der sich nach den Regelherstellungskosten richtet (§ § 190 Abs. 1 BewG). Die Regelung entspricht §§ 22–25 Immowert-VO und orientiert sich zur Ermittlung des Normalherstellungswerts an den gewöhnlichen Herstellungskosten je Raum- und Flächeneinheit, von denen Abschläge wegen Alters und Baumängeln/-schäden zu machen sind (§ 190 Abs. 2 BewG). Die gewöhnlichen Herstellungskosten wiederum sind der Anlage 24 zum BewG zu entnehmen. § 190 Abs. 1 Satz 1 BewG ermächtigt das BMF durch Rechtsverordnung zur Aktualisierung dieser Werte. c. Teilwert aa) Der Teilwert, der vornehmlich im Ertragsteuerrecht zur Anwendung gelangt (zum Beispiel § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 EStG), aber auch in § 10 Satz 1 BewG enthalten ist, wird in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG definiert: „Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt.“ Seinen Weg in das Steuerrecht hat der Teilwert über die Vorarbeiten von Ludwig Mirre575 und hieran anknüpfend über die Rechtsprechung des RFH gefunden. Man suchte einen Wert, der eine Einzelbewertung ermöglichen sollte, der aber auch zugänglich war für wertende Elemente der Zugehörigkeit zu einer ertragbringenden Einheit, deren Gesamtwert eben durch diese (künftige) Ertragsfähigkeit geprägt wurde. Es ging mithin um den Einzelwert, der es ermöglichte, unter Addition der Einzelwerte aller Wirtschaftsgüter zum Gesamtwert der übergeordneten Einheit zu gelangen. Für die Rechtsprechung bildete hierbei § 19 Abs. 1 Satz 2 EStG 1925 den normativen Ausgangspunkt. Dieser bestimmte, dass „bei der Ermittlung des gemeinen Wertes von Gegenständen, die nicht zum Verkauf bestimmt sind, […] nicht der bei der Veräußerung jedes Gegenstandes im einzelnen erzielbare Preis zu er­ mitteln [ist], [sondern] vielmehr davon auszugehen [ist], dass der Gegenstand auch fernerhin der Fortführung des Unternehmens dient, dem er zur Zeit der Bewertung angehört“. In seiner Entscheidung vom 14.12.1926 erfuhr dieser Wert sodann folgende Auslegung: „Bei einem zu einer wirtschaftlichen Einheit gehörenden Gegenstand ist […] scharf zu unterscheiden 575 L. Mirre, DNotZ 1913, 155 ff.

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zwischen dem Werte, den der Gegenstand als Teil der wirtschaftlichen Einheit hat, kurz gesagt dem Teilwert, und dem Werte, den er aus dem Zusammenhange gerissen für sich haben würde, kurz gesagt dem Einzelwerte.“576 Dieser „Teilwert“ wurde vom Gesetzgeber des Jahres 1934 sowohl in § 6 EStG 1934577 als auch § 12 RBewG 1934578 aufgegriffen und erhielt dort bereits die sprachliche Fassung, wie sie dem heutigen § 6 EStG und § 10 BewG immer noch entspricht. Die Entstehungsgeschichte des Teilwertes belegt anschaulich, dass die Begriffe gemeiner Wert und Teilwert keine zwingenden Gegensätze sind. Immerhin stellt sich nach der vorgenannten Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu § 19 Abs. 1 Satz 2 EStG 1925 der Teilwert – jedenfalls auf der Grundlage der Gesetzessprache – als ein Fall des gemeinen Wertes dar. Die Definition eines Rechtswertes ist immer eine Frage der Gesetzessprache und damit vom Gestaltungsrecht und der Begriffswelt des Gesetzesgebers umfasst. Das sich letztere ändern kann, sehen wir im Vergleich zur heutigen Rechtslage, insbesondere im Bewertungsrecht: Wenn § 9 BewG den gemeinen Wert definiert und § 10 BewG wiederum – anders als damals § 19 Abs. 1 Satz 2 EStG 1925 – eine Definition des Teilwerts ohne Bezugnahme auf den gemeinen Wert enthält, wird man begrifflich den Teilwert heute nicht mehr als Unterfall des gemeinen Wertes begreifen dürfen. Wir haben bereits anlässlich von § 3 III. 2. a. festgehalten, dass genus proximum der Verkehrswert ist.579 Sowohl gemeiner Wert als auch Teilwert bilden beide einen bei der Veräußerung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erzielenden Preis ab. Ihre differentia specifica liegt darin, dass der Teilwert nicht in dem bei einer beliebigen Einzelveräußerung, sondern in dem im Rahmen einer Veräußerung des ganzen Unternehmens erzielbaren Preis besteht. Dieser Unterschied wirkt sich bei Wirtschaftsgütern aus, die im Rahmen eines lebenden Unternehmens einen anderen Wert haben als außerhalb dieses Unternehmens.580 Ein weiterer Unterschied zwischen gemeinem Wert 576 RFH v. 14.12.1926, VI A 575/26, RFHE 20, 87, 88; siehe ferner RFH v. 14.12.1927, VI A 802/27, RFHE 22, 309. 577 Einkommensteuergesetz vom 16.10.1934, RGBl. I 1934, S. 1005. 578 Reichsbewertungsgesetz vom 16.10.1934, RGBl. I 1934, S. 1035. 579 So auch BFH v. 26.8.1955, III 133/55 S u.a., BStBl. III 1955, 278; R. Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 10 Rn. 2; H. Kahle/M. Hiller/T. Vogel, FR 2012, 789, 793; R. Seer, DStJG 36 (2013), S. 337, 338; sinngemäß ferner BFH v. 22.7.1988, III R 175/85, BStBl. II 1988, 995; (wohl) auch F. Schleithoff, Die Unternehmensbewertung im deutschen Steuerrecht, S. 59 f.; andere Ansicht N. Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 575. 580 BFH v. 26.8.1955, III 133/55 S u.a., BStBl. III 1955, 278; E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 235; J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. B 332.

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und Teilwert besteht in ihrem Bezugspunkt: Der Teilwert ist zwangsläufig ein Einzelwert. Es geht darum, einem einzelnen Wirtschaftsgut den besonderen Einzelwert zuzuweisen, den es im und aufgrund des betrieblichen Gesamtgefüges innehat. Der gemeine Wert hingegen kann sowohl Einzel- als auch Gesamtwert sein, dies nämlich in Abhängigkeit von der Definition dessen, was zu bewerten ist. Schließlich besteht ein Unterschied darin, dass der gemeine Wert ein Verkaufspreis ist, während der Teilwert beschaffungsmarktorientiert ist581; ferner ergeben sich Unterschiede zwischen den Handelsstufen.582 Trotz ihrer differentia specifica können Teilwert und gemeiner Wert zu identischen Ergebnissen führen. Dies ist beispielsweise beim nicht betriebsnotwendigen Vermögen der Fall: Ein Erwerber des gesamten Be­ triebes würde das Vermögen, dessen er sich ohne Einfluss auf den funk­ tionierenden betrieblichen Organismus entledigen könnte, bei der Bemessung des Gesamtkaufpreises wohl mit dem Einzelveräußerungspreis ansetzen, also mit dem Preis, den er nach dem Erwerb des Unternehmens durch alsbaldige Veräußerung eben jener Gegenstände erzielen könnte. Der Bundesfinanzhof, der dies im Ergebnis überzeugend begründet hat583, baut allerdings gleichwohl (gelegentlich) sprachlich einen Gegensatz auf: Anstelle des Teilwertes könne auch der Verkehrswert angesetzt werden, wobei dieser Verkehrswert ausweislich der weiteren Ausführungen mit dem Einzelveräußerungspreis gleichgesetzt wird584; Verkehrswert wird also als Synonym für den gemeinen Wert verwendet. Auch wenn das Richtige gewollt ist, ist dies in zweierlei Hinsicht unpräzise. Hierbei wird nämlich zum einen (sprachlich) überspielt, dass auch der Teilwert ein Verkehrswert ist und zum anderen, dass nicht – unter Verwendung des aus Sicht des Bundesfinanzhofs gemeinten Begriffs – der gemeine Wert in Ansatz gebracht wird, sondern ein Teilwert, der in diesem Fall mit dem gemeinen Wert identisch ist. bb) Anders als der gemeine Wert erfährt der Teilwert nur in einem sehr punktuellen Anwendungsfall eine gegenstandsbezogene gesetzliche Konkretisierung und zwar für den Teilwert einer Pensionsverpflichtung (§ 6a Abs. 3 Satz 2 EStG: „Als Teilwert einer Pensionsverpflichtung gilt …..“). 581 M. Groh, StuW 1976, 32, 36; H. Kahle/M. Hiller, WPg 2013, 403, 409; B. Knobbe-Keuk, Unternehmens- und Bilanzsteuerrecht, S. 197 ff.; J. Werndl, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. B 332; F. Wassermeyer, in: Festschrift f. Raupach, S. 565, 570. 582 E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 235. 583 Zum dergestalt begründeten Teilwert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens zum Beispiel BFH v. 25.8.1983, IV R 21/80, BStBl. II 1984, 33, 34. 584 Siehe jüngst BFH v. 20.12.2012, IV B 12/12, BFH/NV 2013, 547.

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Der Gesetzgeber gibt hier normativ eine versicherungsmathematische Bewertung und vor allem die hierfür relevanten Parameter vor. Für alle anderen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter bleibt es bei der allgemeinen Teilwertdefinition. Die rechtspraktischen Anwendungsschwierigkeiten, die mit dieser Konzeption des Teilwertes einhergehen, sind hinlänglich bekannt: Die Ermittlung des Teilwertes setzt die Kenntnis darüber voraus, erstens, was der fiktive Erwerber bereit ist, als Kaufpreis für den gesamten Betrieb zu zahlen, und, zweitens, wie der Gesamtkaufpreis auf die einzelnen Wirtschaftsgüter zu verteilen ist. Erich Kosiol veranlasste dies zu der Bemerkung, dass der Teilwert ein „Unikum [sei], das in seiner gestaltlosen Nebelhaftigkeit, die theoretischen Konstruktionsmängel mit praktischer Unbestimmtheit verbindet, einzigartig in der Bewertungslehre dar steht“.585 Denn die beiden genannten Anwendungsschritte bergen jeweils ihre Rechtsprobleme in sich, die zusätzlich jedoch auch noch in einer untrennbaren Wechselwirkung zueinander stehen: Es ist äußerst umstritten, ob der für den ersten Schritt notwendige Gesamtkaufpreis als Gesamtwert des Unternehmens (Ertragsgesamtwert) zu ermitteln ist. Dies wird nicht selten angenommen.586 Die Rechtsprechung folgt diesem ertragsorientierten Teilwert-Verständnis hingegen nicht.587 Sie erachtet den Teilwert vielmehr als denjenigen Betrag, den ein Käufer dem Einzelwirtschaftsgut zur Ermittlung des Gesamtwertes des Unternehmens beilegen würde.588 Ihr Ausgangspunkt ist also das einzelne Wirtschaftsgut und der Gesamtwert des Unternehmens ergibt 585 E. Kosiol, ZfB 22 (1952), S. 265, 276 586 K. Maaßen, Der Teilwert, S. 18 f., 27; B. Peuthert/A. Hurlebaus/T. Hering, DB 2010, 2681 ff.; es sprechen in der Tat gute Argumente dafür, dass der historische Gesetzgeber im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhof (siehe neben den Ausführungen unter § 3 III. 2. c. aa] ferner RFH v. 11.1.1929, VI A 1515/28, StuW 1929, 346; v. 24.1.1935, III A 406/33, StuW 1935, 177) als Ausgangspunkt der Teilwerteinzelbewertung auf einen ertragsbezogenen Gesamtwert des Unternehmens rekurrieren wollte. Auch konzeptionell ist dies nachvollziehbar. Denn aus der Sicht eines fiktiven Unternehmenserwerbers soll der Nutzwert des einzelnen Wirtschaftsgutes für das gesamte Unternehmen gefunden werden und damit muss sich der Teilwert als Teilpreis darstellen (eingehend zur Diskussion K. Maaßen, a.a.O., S. 18 f., 27; B. Peuthert/A. Hurlebaus/T. Hering, DB 2010, 2681 ff.). 587 BFH v. 30.11.1988, II R 237/83, BStBl. II 1989, 183, 185; P. Fischer, in: Kirchhof, EStG, § 6 Rn. 63 („Der Teilwert ist kein anteiliger Ertragswert“); I. Gabert, Der Bewertungsmaßstab des Teilwertes im Bilanzsteuerrecht, S. 19 (im Rahmen des Gesamtkaufpreises sei nicht identisch mit „als Teil des Gesamtkaufpreises“); H. Kahle/M. Hiller, WPg 2013, 403, 411; J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. B 332; N. Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 582. 588 BFH v. 12.7.1968, II 181/64, BStBl. II 1968, 794; v. 19.5.1972, III R 21/71, BStBl. II 1972, 748; v. 8.5.1981, III R 26/79, BStBl. II 1981, 702.

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sich sodann (erst) aus ihrer Summe. Bei der Bestimmung der Einzelteilwerte arbeitet die Rechtsprechung sodann häufig mit Teilwertgrenzen (zum Beispiel: Obergrenze seien die Wiederbeschaffungskosten bzw. der Reproduktionswert und Untergrenze sei der Einzelveräußerungspreis) bzw. sog. Teilwertvermutungen589 (zum Beispiel: der Teilwert für Wirtschaftsgüter entspreche im Zeitpunkt ihrer Anschaffung bzw. Herstellung den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten590 bzw. liege jedenfalls nicht darunter591; oder: bei der Folgebewertung entspreche der Teilwert von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens den Wiederbeschaffungsoder Wiederherstellungskosten).592 Die von der Rechtsprechung vertretene Teilwertauslegung und ihre praktische Umsetzung mittels „Vermutungen“ erklärt sich letztendlich aus einer praktischen Erkenntnis, die sich schnell erschließt, wenn man die zweite Stufe der Teilwerter­ mittlung mit in den Blick nimmt: Würde man vom Unternehmensgesamtwert ausgehen, so müsste man ihn auf die Einzelwirtschaftsgüter verteilen. Wenn die Rechtsprechung demgegenüber unmittelbar am Einzelwirtschaftsgut mit einer Bewertung unter (Einzel-) Preis- und Anschaffungsgesichtspunkten ansetzt, dann ist dies der Tatsache geschuldet, dass eine am Unternehmensgesamtwert anknüpfende Vorgehensweise nicht möglich ist. Die im zweiten Schritt notwendige Herstellung einer Beziehung der Einzelwerte zum ertragsbezogenen Gesamtwert ist praktisch nicht durchführbar.593 cc) Auch für den Teilwert als besonderem Verkehrswert gilt, dass sein realer Bezugspunkt empirisch beobachtbare Preisfindungsverhaltensmuster sind. Das Besondere besteht lediglich darin, dass neben den hy­pothetischen Tauschvorgang noch weitere, ebenfalls hypothetische Prämis­sen treten, nämlich, erstens, die Bewertung des einzelnen Wirtschaftsgutes des Erwerbers anlässlich eines beabsichtigten Erwerbs aller Wirtschaftsgüter, welche die ökonomisch organisatorische Einheit ausmachen, zweitens, 589 Siehe zu den Teilwertgrenzen und Teilwertvermutungen statt vieler nur die Nachweise bei T. Ehmcke, in: Blümich, EStG, § 6 Rn. 600 ff.; J. Werndl, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. B 359 ff. 590 BFH v. 7.2.2002, IV R 87/99, BStBl. II 2002, 294; v. 26.6.2007, IV R 71/04, BFH/NV 2008, 347. 591 BFH v. 18.2.1993, IV R 40/92, BStBl. II 1994, 224. 592 BFH v. 25.7.2000, VIII R 35/97, BStBl. II 2001, 566; v. 7.9.2005, VIII R 1/03, BStBl. II 2006, 298. 593 I. Gabert, Der Bewertungsmaßstab des Teilwertes im Bilanzsteuerrecht, S. 100 ff.; H. Jacob, Das Bewertungsproblem in den Steuerbilanzen, S. 109 ff.; B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 175 f.; C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 85 f.; J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. B 325, 329.

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die Entsprechung der Summe aller Einzelwerte mit dem Gesamtkaufpreis und schließlich, drittens, die Betriebsfortführung.594 Es kommt dabei auch nicht darauf an, welchem Teilwertkonzept man folgt. Das Teilwertverständnis des Bundesfinanzhofs mag sich (aus guten Gründen) nicht mit der dem historischen Gesetzgeber wohl vor Augen gestandenen, aber letztlich ebenso wohl auch von ihm nicht in Ansehung ihrer Schwächen vollständig durchschauten Konzeption decken. Wendet man mit dem Bundesfinanzhof den primären Blick dem Einzelwirtschaftsgut zu, um dessen Teilwert es geht, so stellt aber auch er unter Beachtung der normativ vorgegebenen Teilwertprämissen die Frage nach der Wertschätzung des Geschäftsverkehrs. Wir erkennen auch hier den Blick in die soziale Wirklichkeit. Zwar bezeichnet der Bundesfinanzhof den Teilwert regelmäßig als „objektiven Wert“.595 Dies tut er aber lediglich, um ihn abzugrenzen von einem Wert, der allein von den „subjektiven Einschätzungen des Kaufmanns“ bzw. der „persönlichen Auffassung des Steuerpflichtigen“ geprägt wird.596 Auch hier ist mit der insoweit gegensätzlichen Verwendung des Adjektivs „objektiv“ keine brauchbare Aussage verbunden. Vielmehr wird eine Erwartung geweckt, die nicht erfüllt werden kann. Zu erinnern ist an die bereits unter § 3 III. 1. im Allge­meinen sowie auch anlässlich der Ausführungen zum gemeinen Wert im Besonderen (§ 3 III. 2. a.) formulierte Kritik an der (vermeintlichen) Gegensätzlichkeit von objektiv und subjektiv. In der Sache findet die Maßgeb­lichkeit der sozialen Bewertungswirklichkeit jedenfalls ihre grundsätzliche Bestätigung in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs: Er stellt der individuell-subjektiven Sicht Kaufmanns die „allgemeine Wertschätzung“ gegenüber597, was nichts anderes ist als die Anerkennung der sozialen Bewertungsverhaltensmuster. So ist nämlich beispielsweise beim Umlaufvermögen das „Objektive“ am Teilwert, dass er auf „der allgemeinen Auffassung beruht, wie sie in der Marktlage am Bilanzstichtag ihren Ausdruck findet“.598 Deutlich zeigt sich dies auch in den Entscheidungen zur Teilwertabschreibung auf eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung, wenn die Rechtsprechung meint, dass es nicht auf die 594 T. Ehmcke, in: Blümich, EStG, § 6 Rn. 586 ff.; E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 231 f. 595 BFH v. 26.1.1956, IV 566/54, BFHE 62, 305, 307; v. 25.8.1983, IV R 218/80, BStBl. II 1984, 33, 34; v. 7.11.1990, I R 116/86, BStBl. II 1991, 342; v. 20.12.2012, IV B 12/12, juris. 596 Vgl. zum Beispiel BFH v. 26.1.1956, IV 566/54, BFHE 62, 305, 307; v. 7.11.1990, I R 116/86, BStBl. II 1991, 342. 597 BFH v. 20.12.2012, IV B 12/12, juris. 598 BFH v. 26.1.1956, IV 566/54, BFHE 62, 305, 307; v. 7.11.1990, I R 116/86, BStBl. II 1991, 342.

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subjektive Einschätzung des Kaufmanns ankomme, sondern vielmehr die objektive Ertragslage und die Ertragsaussichten des Beteiligungsunternehmens, sein Vermögenswert und seine funktionale Bedeutung im Unternehmensverbund maßgebend seien.599 Hierin kommt die zutreffende Einsicht zum Ausdruck, dass für den wahrscheinlichen und auch unter Berücksichtigung der besonderen Teilwertprämissen zu ermittelnden Tauschwert eines Gegenstandes das geübte und (deshalb) anerkannte Bewertungsverhalten des Rechtsverkehrs maßgeblich ist. Für die Teilwertbewertung eines Unternehmens hat der III. Senat dies mit dem Hinwe­is auf die Maßgeblichkeit von „Branchenusancen“ und von „brancheneigenen Wertmaßstäben“ sogar recht deutlich in diesem Sinne ausgesprochen.600 Festzuhalten ist daher, dass die Rechtsprechung (auch) beim Teilwert – zu Recht – letztlich (zum Teil unausgesprochen) auf beobachtbare Verhaltensmuster rekurriert. In diesem Lichte müssen sodann auch die vom Bundesfinanzhof häufig bemühten Teilwertvermutungen gesehen werden: Ihre Berechtigung beurteilt sich danach, ob und inwieweit sie einen Rückschluss auf das beobachtbare Bewertungsverhalten anderer Menschen erlauben.601 Ob die vielzähligen Teilwertvermutungen jeweils beobachtbare Preisbildungsverhaltensmuster unter Berücksichtigung der Teilwertprämissen wirklich widerspiegeln, ist eine Tatfrage, die nicht allgemein beantwortet werden kann und hier können auch nicht alle Teilwertvermutungen behandelt werden. Ein Beispiel dafür, dass es jedenfalls Teilwertvermutungen gibt, die dem vorstehend formulierten Anspruch gerecht werden, zeigt meines Erachtens die Rechtsprechung zum Teilwert von börsennotierten Aktien. In einer Entscheidung des I. Senats vom 7.11.1990 heißt es: „Der objektive Wert einer Beteiligung richtet sich grundsätzlich nach den Wiederbeschaffungskosten […]. Die Wiederbeschaffungskosten entsprechen dem Börsenkurswert zum Bilanzstichtag, wenn die Beteiligung zum Verkauf an der Börse bestimmt ist oder wenn der Erwerb 599 BFH v. 6.11.2003, IV R 10/01, BStBl. II 2004, 416, 417; FG RP v. 15.11.2010, 5 K 2737/06, DStRE 2011, 667, 669 jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 600 BFH v. 19.8.2009, III R 79/07, BFH/NV 2010, 610. 601 Andere Ansicht C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 113 ff.: Die Teilwertermittlung durch den Bundesfinanzhof könne „nicht auf ein systematisches, ökonomisch begründbares Vorgehen gestützt“ werden. Stattdessen präferiert er zur Teilwertermittlung einen Einzelertragswert. Solange eine solche Bewertung für einzelne Wirtschaftsgüter nicht im Verkehr beobachtbar ist – was hier nicht kategorisch ausgeschlossen werden soll –, läuft dies allerdings auf die hier verworfene Auslegung des Gesetzes durch präskriptive Bewertungsrationalität hinaus.

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einer gleich hohen Beteiligung an der Börse zu Kurswerten möglich erscheint. Werden aber an der Börse nur Anteile gehandelt, die im Streubesitz gehalten werden und dem Umfang nach der zu bewertenden Beteiligung nicht entsprechen, so richten sich die Wiederbeschaffungskosten jedenfalls dann nicht nach dem Börsenkurswert, wenn zu vermuten ist, dass mit der Höhe der zu bewertenden Beteiligung geldwerte Vorteile verbunden sind, die auch ein gedachter Erwerber durch Zahlung eines sog. Paketzuschlages entgelten würde. Eine entsprechende Vermutung ist gerechtfertigt, wenn entweder der Steuerpflichtige selbst für die zu bewertende Beteiligung oder ein anderer Gesellschafter für eine gleich hohe Beteiligung einen Kaufpreis zahlte, der über dem Börsenkurs lag. In diesem Fall spricht das objektive Marktverhalten dafür, dass die Wiederbeschaffungskosten sich nicht nur nach dem Börsenkurswert richten.602“ Der Begriff der Wiederbeschaffung darf hier nicht irritieren. Entscheidend ist, welches Verhaltensmuster ein Erwerber an den Tag legen würde, und dieser würde wohl versuchen, die beobachtbaren (Börsen-) Preise auf die hiesige Beteiligung zu übertragen. Der Börsenkurs verkörpert eine Preisrealisierungschance, ist also Ausdruck einer besonderen Tauschwerteignung, und beides wird – weil der gedachte Erwerber darum weiß – auch für den Teilwert von prägender Bedeutung sein. Eine Gegensätzlichkeit von Börsenkurs und Teilwert, wie sie zum Teil formuliert wird, vermag ich daher nicht zu erkennen.603 Lediglich dann, wenn der Rechtsverkehr der Beteiligung einen Mehrwert gegenüber dem Börsenkurs zuweist (hier in Gestalt eines Paketzuschlages), ist dies – wie vom Bundesfinanzhof zutreffend erkannt – anders. dd) Der Teilwert war stets Kritik ausgesetzt und auch heute wird nach wie vor vielfach für seine Abschaffung gestritten. Gefordert wird dies teilweise uneingeschränkt, aber auch differenzierte Ansichten existieren, die dem Teilwertgedanken zumindest für das Umlaufvermögen eine (konzeptionelle) Berechtigung zusprechen.604 Durchgesetzt haben sich 602 BFH v. 7.11.1990, I R 116/86, BStBl. II 1991, 342, 344 unter vergleichenden Verweis auf die diesen Gedanken bereits formulierende Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH v. 30.9.1929, I A 720/28, RStBl. 1930, 92, 93 f.; v. 10.3.1931, I A 244/30, RStBl. 1931, 302, 303; v. 30.4.1935, I A 96/33, RFHE 37, 334, 338). 603 Siehe zum Beispiel N. Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 578, der Börsenwert und Teilwert als Gegensätze zu begreifen scheint: „Der Börsenwert ist ein realer Marktpreis, der aufgrund subjektiver Erwartungen unter Berücksichtigung von Marktchancen und -risiken entsteht. Demgegenüber stellt der Teilwert einen fiktiven und vorsichtig geschätzten objektiven Wert dar“. 604 Siehe nur W. Euler, DStJG 7 (1984), S. 155, 164; I. Gabert, Der Bewertungsmaßstab des Teilwertes im Bilanzsteuerrecht, S. 100 ff.; D. Schneider, StuW 1971, 337; F. Wall, WPg 1957, 545 ff.; zur Diskussion weiterführend I. Gabert, a.a.O.

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diese Forderungen bis heute nicht. Für die Entnahme und Einlage hat der Gesetzgeber am Teilwert als Regelbewertungsmaßstab festgehalten. Auch die Wertberichtigung auf den Teilwert sieht § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG immer noch vor und insoweit ist auch keine Änderung in Sicht. In der jüngeren Gesetzesentwicklung rekurriert der Gesetzgeber jedoch zunehmend auf den gemeinen Wert. So hat beispielsweise die Reform des Umwandlungssteuerrechts durch das Gesetz vom 7.12.2006 (SEStEG605) zu einer durchgehenden Ersetzung des Teilwertes durch den gemeinen Wert geführt. Was den Gesetzgeber hierzu veranlasst hat, bleibt allerdings im Dunkeln. Die Entwurfsbegründung verhält sich hierzu jedenfalls nicht. Ferner sieht die ebenfalls mit dem SEStEG normativ verankerte Entstrickungsbesteuerung für Einzelwirtschaftsgüter (z.B. §§ 4 Abs. 1 Satz 3, 4 EStG oder § 12 Abs. 1 KStG) den gemeinen Wert als Bewertungsmaßstab vor (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG). Hier lassen die historischen Materialien (allenfalls) vermuten, dass der Gesetzgeber die Vergleichbarkeit des Vorgangs mit der ebenfalls unter Ansatz des gemeinen Wertes zu würdigenden Betriebsaufgabe vor Augen hatte.606 In anderen Untersuchungen ist jedenfalls bereits nachgewiesen worden, dass die Verwendung von Teilwert und gemeinem Wert nicht immer konsequent am Anliegen der Bewertungsnorm ausgerichtet ist.607 Zum Teil erscheint die Auswahl des Rechtswertes wie eine Laune des Gesetzgebers. Aber auch dies gehört – jedenfalls innerhalb der (hier nicht überschrittenen) verfassungsrechtlichen Grenzen – zu seiner Gestaltungsfreiheit (siehe dazu auch noch § 7 I. 1.). d. Fremdvergleichspreis aa) Ein weiterer den verkehrswertorientierten Rechtswerten zuzurechnender Rechtswert ist der Fremdvergleichspreis. Als Unterfall der Fremdvergleichsbedingungen, die neben Preisen auch andere Aspekte erfassen, lässt er sich im Anschluss an die Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung, die „Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations“ der OECD608 sowie Art. 9 Abs. 1 OECD605 Gesetz über die steuerlichen Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7.12.2006 (BGBl. I 2006, S. 2782). 606 Siehe die Entwurfsbegründung der Bundesregierung v. 25.9.2006 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG im Entwurf, BT-Drucks. 16/2710, S. 28 607 I. Gabert, Der Bewertungsmaßstab des Teilwertes im Bilanzsteuerrecht, passim, insbesondere S. 55 ff. 608 OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, Tz. 1.45 ff.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

DBA-MA und § 1 Abs. 1 AStG umschreiben als der Preis, den voneinander unabhängige Dritte für den Bewertungsgegenstand unter vergleichbaren Umständen vereinbart hätten.609 Diese einheitliche Definition ist je­ denfalls dann möglich, wenn man mit der jüngeren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch bei der verdeckten Gewinnausschüttung die Vertragsgegenseite mit in den Blick nimmt, fragt, worauf dieses sich ein­ gelassen hätte, und auch für die Beantwortung dieser Frage auf einen ordent­lichen Geschäftsleiter abstellt (sogenannter doppelter Fremdvergleich).610 Dies bedeutet nichts anderes, als dass ein Interessengegensatz zwischen zwei Geschäftspartnern simuliert wird.611 Damit nähern sich das Rechtsinstitut der verdeckten Gewinnausschüttung und § 1 AStG in diesem – für das hiesige Erkenntnisinteresse relevanten – Punkt nämlich erheblich an.612 Trotz aller Unterschiede im Detail zeigt sich damit als Gemeinsamkeit von (dergestalt konkretisierter) verdeckter Gewinnausschüttung und § 1 AStG, dass die sich anlässlich ihrer Anwendung ergebende Fragestellung mit derjenigen der beiden anderen Verkehrswerte insoweit identisch ist: Wer einen solchen Vergleich anstellen muss, hat danach zu fragen, was sich für ein Preis gebildet hätte, wenn der Gegenstand einem fremden Dritten unter gewöhnlichen Umständen angeboten worden wäre.613 Auch der Fremdvergleichspreis zeichnet sich also durch eine Verkehrswertorientierung aus und wir erkennen auch hier wiederum (nur) Preisfindungsverhaltensmuster als realen Bezugspunkt. Beim Fremdvergleichspreis wird dies gerade aus seinem „Anlass“ heraus besonders deutlich. Denn ein Kontroll- und sich gegebenenfalls hieran anschließendes Korrekturbedürfnis ergibt sich ja gerade deshalb, weil sich die ansonsten zu beobachtenden Preisbildungsverhaltensmuster (womöglich) tatsächlich nicht abgespielt haben.

609 Siehe nur BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171, 174, wo sich eine fast identische Definition findet. 610 BFH v. 17.5.1995, I R 147/93, BStBl. II 1996, 204, 205; v. 9.11.2005, I R 89/04, BStBl. II 2008, 523; v. 28.4.2010, I R 78/08, BStBl. II 2013, 41; diese „Verdoppelung“ ist nicht unstreitig, siehe bereits § 2 I. 3. e. und ferner zur Diskussion mit Nachweisen statt vieler S. Rasch, Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, S. 73 ff. 611 D. Gosch, in: derselbe, KStG, § 8 Rn. 362; S. Rasch, Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, S. 102. 612 R. Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, S. 62; C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 198 f.; S. Rasch, Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, S. 125 ff.; F. Wassermeyer, IStR 2001, 633, 636. 613 Gleiche Ansicht zur Identität der Fragestellung C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 200.

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Dieser Fremdvergleichspreis findet sich in Kontrollnormen auf der Tatbestandseite oder wird zumindest indiziell in Ansehung subjektiver Merkmale (zum Beispiel „Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis“) rechtstatsächlich wie eine Anwendungsvoraussetzung behandelt (siehe bereits § 2 II. 2. b.). Jedenfalls kommt es (auch) auf einen Vergleich des tatsächlich vereinbarten Preises mit „dem“ Fremdvergleichspreis an. Zu bedenken ist dabei allerdings, dass wir es hier nur mit begrenzenden Kontrollinstrumenten zu tun haben. Auf Tatbestandseite ist allein entscheidend, ob der tatsächlich vereinbarte Preis innerhalb der Bandbreite fremdüblicher Preise liegt. Es ist nicht die Aufgabe des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung), einen konkreten Preis als angemessen für eine Leistungsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter vorzuschreiben614, also die Leistungsbeziehung auf ein „Standard- oder Durchschnittsmaß zurechtzustutzen“615. Für § 1 Abs. 1 AStG gilt dies entsprechend. Auf der Rechtsfolgenseite geht es hingegen nicht allein um die Kontrolle mit einer Bandbreite, sondern dort muss ein konkreter Wert „gefunden“ werden. Häufig kommt dem Fremdvergleichswert dabei allerdings nur eine Vermittlungsfunktion im Verhältnis zu den eigentlichen verkehrswertorientierten Rechtswerten (gemeiner Wert und Teilwert) zu: Ist ein Korrekturbedürfnis mit Erfüllung des Tatbestandes erkannt worden, so erfolgt bei der verdeckten Gewinnausschüttung die Bewertung entweder mit dem gemeinen Wert oder (ausnahmsweise) dem Teilwert. Wir werden nachfolgend sehen, dass dies (unstreitig) jedenfalls dort gilt, wo Wirtschaftsgüter übertragen werden und letztlich die Korrektur darauf gerichtet ist, den Wert anzusetzen, der bei einer „regulären“ Veräußerung des Wirtschaftsgutes erzielt worden wäre. Es gelten teilweise aber auch Besonderheiten. Insbesondere zeichnet sich § 1 AStG durch eine gesetzliche Steuerung aus, die detaillierter ist als beim gemeinen Wert bzw. Teilwert und zu hiervon abweichenden Ergebnissen führen kann. Vor allem aber finden wir bei der verdeckten Gewinnausschüttung und § 1 AStG mit den konzerninternen Leistungsbeziehungen auch ein spezifisches Anwendungsfeld, das ein Stück weit ein Eigenleben entwickelt hat. Dies alles lässt es als sinnvoll erscheinen, den Fremdvergleichspreis im Kontext des realen Bezugspunktes gesondert darzustellen.

614 K.-D. Drüen, in: Brandt, Sechster Deutscher Finanzgerichtstag, S. 95, 109; G. Frotscher, DStJG 20 (1997), S. 205, 248. 615 J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 74.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

bb) (1) Am Anfang der detaillierten Betrachtung steht § 1 AStG. Gegenstand des § 1 AStG ist ein spezifischer Ausschnitt der sog. Verrechnungspreisproblematik, nämlich der im grenzüberschreitenden Zusammenhang. Hier ist eine recht detaillierte gesetzliche Steuerung auszumachen, die überdies von einer noch weitergehenden (rechtsförmigen) exekutiven Konkretisierung begleitet wird. Den Ausgangspunkt bildet § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG: „Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahe stehenden Person dadurch gemindert, dass er seiner Einkünfteermittlung andere Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise), zugrunde legt, als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz), sind seine Einkünfte […] so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären“. Es geht auch hier um die das genus proximum der Verkehrswerte prägende Frage: Was für ein Preis würde sich im (gewöhnlichen) Geschäftsverkehr für einen bestimmten Gegenstand bilden, wenn er an einem bestimmten Stichtag getauscht worden wäre? Der reale Bezugspunkt des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG ist mithin das tatsächlich im Geschäftsverkehr an den Tag gelegte und geübte Bewertungsverhalten, also die Beobachtung, dass und infolge welcher Prämissen und Zusammenhänge sich Preise bilden bzw. Menschen sich auf Preise einigen. Die Besonderheit besteht hier jedoch in der weiteren gesetzlichen Steuerung durch den Gesetzgeber und die Exekutive. So leitet § 1 Abs. 3 AStG den weiteren Weg zum fremdvergleichsadäquaten Wert und gibt eine „Hierarchie“ vor: „Für eine Geschäftsbeziehung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 ist der Verrechnungspreis vorrangig nach der Preisvergleichsmethode, der Wiederverkaufspreismethode oder der Kostenaufschlagsmethode zu bestimmen, wenn Fremdvergleichswerte ermittelt werden können, die nach Vornahme sachgerechter Anpassungen im Hinblick auf die ausgeübten Funktionen, die eingesetzten Wirtschaftsgüter und die übernommenen Chancen und Risiken (Funktionsanalyse) für diese Methoden uneingeschränkt vergleichbar sind; mehrere solche Werte bilden eine Bandbreite. Sind solche Fremdvergleichswerte nicht zu ermitteln, sind eingeschränkt vergleichbare Werte nach Vornahme sachgerechter Anpassungen der Anwendung einer geeigneten Verrechnungspreismethode zugrunde zu legen. Sind in den Fällen des Satzes 2 mehrere eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte feststellbar, ist die sich ergebende Bandbreite einzuengen. Liegt der 190

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vom Steuerpflichtigen für seine Einkünfteermittlung verwendete Wert in den Fällen des Satzes 1 außerhalb der Bandbreite oder in den Fällen des Satzes 2 außerhalb der eingeengten Bandbreite, ist der Median maßgeblich.“ Auf der ersten Stufe muss geprüft werden, ob ein „tatsächlicher Fremdvergleich“ (tatsächlich als gesetzessprachliches Gegenstück zu hypothetisch, dazu sogleich) anhand uneingeschränkt vergleichbarer Werte möglich ist. Die Finanzverwaltung erachtet Werte in diesem Sinne als uneingeschränkt vergleichbar, wenn (unter Berücksichtigung einer Funktionsanalyse) die Geschäftsbedingungen identisch sind oder Unterschiede bei den Geschäftsbedingungen keine wesentlichen Auswirkung auf die Preisgestaltung haben oder die Unterschiede durch hinreichend genaue Anpassungen beseitigt werden können.616 Diese Konkretisierung legt freilich anschaulich offen, welcher Wertungsspielraum schon an dies­er Stelle besteht. Zwei Sachverhalte können nämlich immer in irgendeinem Punkt miteinander verglichen werden.617 Sind solche uneingeschränkt vergleichbaren Werte vorhanden, wird die Fremdvergleichspreisfindung durch die sog. (transaktionsbezogenen) Standardmethoden konkretisiert. Dies sind die Preisvergleichs-, Wiederverkaufspreis- oder Kostenaufschlagsmethode. Andere (durchaus existierende) Methoden sollen auf dieser Stufe keine Anwendung finden.618 Betrachten wir die Standardmethoden in Bezug auf die hinter ihnen stehenden Überlegungen: – Die Preisvergleichsmethode stellt auf den Preis vergleichbarer Wirtschaftsgüter oder Vorteile ab, der auf dem Markt vergütet wird, und überträgt den beobachteten Preis auf das zu bewertende Gut. Dies kann geschehen durch einen äußeren Preisvergleich, d.h. mit Marktpreisen, die anhand Börsennotierungen, branchenüblichen Preisen oder Vertragsabschlüssen unter voneinander unabhängigen Dritten festgestellt werden, oder durch einen inneren Preisvergleich, d.h. mit marktentstandenen Preisen, die der Steuerpflichtige oder ein ihm Nahestehender mit Fremden vereinbart haben.619 Die Anwendbarkeit dieser Methode hängt vor allem von der Vergleichbarkeit der betroffenen Gegenstände ab. 616 BMF v. 12.4.2005, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.12.7; die Literatur knüpft hieran weitestgehend an H. Kußmaul/C. Ruiner, IStR 2010, 497, 498 f.; C. Pohl, in: Blümich, AStG, § 1 Rn. 101. 617 F. Wassermeyer, DB 2007, 535, 537. 618 A. Nientimp, in: Mössner/Fuhrmann, AStG, § 1 Rn. 152. 619 BFH v. 23.6.1993, I R 72/92, BStBl. II 1993, 801; BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218 Ziff. 2.2.2.

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– Die Wiederverkaufspreismethode knüpft an den beobachtbaren Marktpreis an, der von dem an einen fremden Dritten verkaufenden/ leistenden Konzernunternehmen erzielt wird (vor allem von einer Vertriebsgesellschaft). Von dem Preis aus dem Wiederverkauf wird auf den Preis zurückgerechnet, der für die Lie­ferung zwischen den Nahestehenden anzusetzen ist. Es wird also retrograd kalkuliert: Der Wiederverkaufspreis wird um marktübliche Abschläge berichtigt, die der Funktion und dem Risiko des Wiederverkäufers entsprechen.620 Hier kommt es in einem geringeren Maße als bei der Preisvergleichsmethode auf die Vergleichbarkeit der Gegenstände an, weil nicht auf den Preis direkt, sondern auf die fremdübliche Handelsspanne anderer Vertriebsunternehmen derselben Struktur, Branche und Größenordnung abgestellt wird.621 – Die Kostenaufschlagsmethode wiederum geht den umgekehrten Weg. Hiernach werden die Herstellungskosten um angemessene Gewinnaufschläge erhöht. Maßgeblich sind die Kalkulationsmethoden, die der Liefernde oder der Leistende auch bei seiner Preispolitik gegenüber Fremden zugrunde legt oder – wenn dies nicht erfolgt – die betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen („betriebs- und branchenübliche Gewinnzuschläge“).622 Zentraler Punkt für diese Methode ist die sachgerechte Bestimmung der anzusetzenden Kostenbasis.623 Eine Hierarchie zwischen diesen Methoden besteht nicht.624 Entsprechend der auch schon vor Einfügung des § 1 Abs. 3 AStG vom I. Senat des Bundsfinanzhofs vertretenen Auffassung ist in jedem Einzelfall zu bestimmen, welche Methode am geeignetsten ist, mit „der der Fremdvergleichspreis im konkreten Einzelfall mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit seiner Richtigkeit ermittelt werden kann“.625 Auf der zweiten Stufe (es liegen nur eingeschränkt vergleichbare Werte vor) ist jede geeignete Verrechnungspreismethode zulässig, d.h. neben den vorgenannten Standardmethoden auch jede andere Methode, die zieladäquat ist, also eine Aussage über einen Fremdvergleichspreis er620 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218 Ziff. 2.2.3. 621 Vgl. BFH v. 6.4.2005, I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; A. Nientimp, in: Mössner/ Fuhrmann, AStG, § 1 Rn. 226. 622 BMF v. 23.2.1983, BStBl. I 1983, 218 Ziff. 2.2.4. 623 H. Baumhoff, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, AStG, § 1 Rn. 466 ff.; A. Nientimp, in: Mössner/Fuhrmann, AStG, § 1 Rn. 233. 624 H. Baumhoff/X. Ditz/M. Greinert DStR 2007, 1461; A. Nientimp, in: Mössner/ Fuhrmann, AStG, § 1 Rn. 152; C. Pohl, in: Blümich, AStG, § 1 Rn. 101. 625 BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171, 176.

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laubt. In Betracht kommen hier die transaktionsorientierte Nettomarkenmethode, die Gewinnaufteilungsmethode und jede andere in den OECD Richtlinien genannte Methode (dort Tz. 1.68)626. Schließlich sieht das Gesetz eine dritte Stufe vor, die dann eingreift, wenn für einen tatsächlichen Fremdvergleich weder uneingeschränkt (erste Stufe) noch eingeschränkt (zweite Stufe) vergleichbare Fremd­ vergleichspreise beobachtbar sind. Diese auf einen „hypothetischen Fremdvergleich“ abzielende Auffangregelung findet sich in § 1 Abs. 3 Sätze 5 bis 7 AStG: Können keine eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte festgestellt werden, hat der Steuerpflichtige für seine Einkünfteermittlung einen hypothetischen Fremdvergleich unter Beachtung des Absatzes 1 Satz 2 durchzuführen. Dazu hat er auf Grund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers zu ermitteln (Einigungsbereich); der Einigungsbereich wird von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) bestimmt. Es ist der Preis im Einigungsbereich der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zugrunde zu legen. (2) Betrachten wir § 1 Abs. 3 AStG unter dem Blickwinkel des hier herausgestellten Bezugspunktes: Auch dort zeigt sich die normative Orientierung an bzw. die Maßgeblichkeit von sozialen Verhaltensmustern und zwar sowohl beim tatsächlichen als auch beim hypothetischen Fremdvergleich. Bei genauem Hinsehen ist daher die sprachliche Differenzierung wenig glücklich gewählt. So zielt der tatsächliche Fremdvergleich auf einen Vergleich mit tatsächlichem Verhalten des betroffenen Unternehmens in anderen Fällen oder anderer Unternehmen ab. Der hypothetische Fremdvergleich knüpft (vordergründig) an das vermutete Verhalten eines gedachten Unternehmers an. In der praktischen Anwendung gehen beide Fremdvergleiche indes in der Regel ineinander über. Denn ein tatsächlicher Fremdvergleich muss häufig durch hypothetische Elemente ergänzt werden.627 Selbst wenn man „tatsächlich“ vergleicht, so ist der Ableitungsvorgang doch letztlich immer etwas Hypothetisches. Daher sollte man den tatsächlichen und den hypothetischen Fremdvergleich nicht kategorisch unterscheiden. Ein Unterschied besteht le­ diglich bei der Akzentuierung des Bezugspunktes. Während der hypothetische Fremdvergleich sich tendenziell mehr auf den Vorgang der 626 A. Nientimp, in: Mössner/Fuhrmann, AStG, § 1 Rn. 153. 627 Vgl. S. Wilk, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 8 Rn. 132.

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Preisfindung bezieht und diesen zu simulieren versucht, geht es beim tatsächlichen Fremdvergleich tendenziell mehr um beobachtbare Preise und eine Fokussierung auf deren Übertragung bzw. Übertragbarkeit. Letzteres zeigt die Preisvergleichsmethode sehr anschaulich. Auch sie ist letztlich nichts anderes als die Suche nach einem Fremdvergleichspreis durch Simulation, aber eben mit einem sehr eingeschränkt vorgegebenen Simulationsprogramm: Vorgegeben ist das Verhaltensmuster „Übertragung von beobachtbaren Preisen“, aber auch dessen Anwendung auf den konkreten Fall ist immer auf eine hypothetische Betrachtung angelegt. Denn ein Ableitungsvorgang ist auch hier notwendig – sei es, weil mehrere Preise beobachtbar sind, oder sei es, weil wegen der ohnehin nicht 100 %-igen Vergleichbarkeit Anpassungen notwendig sind. Es geht also sowohl beim tatsächlichen als auch beim hypothetischen Fremdvergleich – vergleichbar der Situation bei § 11 Abs. 2 BewG – immer um die Anerkennung eines bestimmten bzw. verschiedener Bewertungsverhaltensmuster.628 Die Frage ist auch hier immer: Wie bewerten andere Menschen einen vergleichbaren Gegenstand? Diese Frage ist immer „hypothetisch“. Der Konjunktiv in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG („vereinbart hätten“) bringt dies zutreffend zum Ausdruck.629 Diese Frage gibt den normativen Kontroll- und zugleich auch Korrekturmaßstab vor. Auch hier nimmt das Gesetz – wie in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG – daher nicht auf eine präskriptive Methodik Bezug, die vorgibt, wie ein (theoretisch richtiger) Preis zustande kommen soll, sondern auf Methoden, die reales Preisfindungsverhalten abbilden.630 628 Siehe auch bereits H. G. Raber, in: Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, S. 19, 23. 629 Daher unzutreffend die (sprachliche) Kritik von M. Frischmuth, in: Festschrift f. Schaumburg, S. 647, 649 an § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG, den die konjunktivische Formulierung stört, weil hierin lediglich der hypothetische Fremdvergleich zum Ausdruck komme, aber nicht auch der tatsächliche Fremdvergleich. Insgesamt zeigt dies, wie unglücklich die sprachliche Differenzierung ist. 630 Wohl auch A. Nientimp, Steuerliche Gewinnabgrenzung in internationalen Konzernen, S. 20 ff.; L. E. Schouerie, in: Festschrift f. Lang, S. 1117, 1123 (Preis nach Fremdvergleichsgrundsätzen muss „normale Handelspraktiken reflektieren“); dieser Zusammenhang spiegelt sich ferner in den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2011 wieder: Der Fremdvergleichspreis komme der Funktionsweise des Marktes am nächsten und er übernehme als Maßstab das normale Marktgeschehen (Kap. I, B. Tz. 1.14); ferner P. Bauschatz, Verdeckte Gewinnausschüttung und Fremdvergleich im Steuerrecht der GmbH, S. 101 ff., der diesen Gedanken sodann für die verdeckte Gewinnausschüttung verallgemeinert. Diese Verbindungslinie zwischen Fremdvergleich und „normalen Marktgeschehen“ ist zutreffend. Daher ist die von K. A. Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der aufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 124 gegen die Betriebs­ OECD und Peter Bauschatz geführte Kritik („Bauschatz verstehe den Markt nicht“)

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Dies gilt auch für den Fremdvergleich im Sinne von § 1 Abs. 3 Sätze 5 f. AStG (dritte Stufe). Er ist eben kein „reines“ Denkmodell.631 Vielmehr kommt auch er nicht ohne Bezug zur sozialen Wirklichkeit aus. Auch dort wird auf beobacht­bare soziale Tatsachen rekurriert, nämlich auf soziale Bewertungsverhaltensmuster. Der Gesetzgeber unterstellt lediglich, dass diese durch die „jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotenziale)“ (§ 1 Abs. 3 Satz 6 AStG) geprägt sind und macht insoweit normative Vorgaben für deren Konkretisierung. Noch deutlicher steuert er normativ bei der Bewertung der Funktionsverlagerung in Richtung einer am Barwertkalkül orientierten Bewertungsmethode, wenn man § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG zusammen betrachtet mit den in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG genannten „funktions- und risiko­adäquaten Kapitalisierungszinssätzen“. Sofern es in der sozialen Wirklichkeit noch andere zu beobachtende Bewertungsübungen geben sollte – was bei den meisten Funktionen schon deshalb zu verneinen sein dürfte, weil es, von Standardfunktionen abgesehen, im Grunde wohl überhaupt keine Übung unter fremden Dritten geben dürfte (zur Funktionsverlagerung noch sogleich unter cc]) –, so wäre die normative Rezeption eben nur selektiv (also andere Übungen ausschließend). Es wäre aber wohl immer noch eine Rezeption der sozialen Wirklichkeit. Sie würde halt nur nicht unmittelbar die Funktion betreffen, sondern vielmehr würde der Gesetzgeber Anleihe nehmen bei den Bewertungsgegenständen, die der Funktion aus seiner Sicht am nächsten kommen, nämlich – je nach konkretem Fall – dem (Teil-) Betrieb oder einem immateriellen Wirtschaftsgut. Es erscheint jedenfalls nicht unplausibel, die soziale Bewertungswirklichkeit hinsichtlich eines (Teil-) Betriebes bzw. eines immateriellen Wirtschaftsgutes auf die Funktion zu projizieren. Das bisher beschriebene Verhältnis von Norm und sozialer Wirklichkeit gilt allerdings auch hier, wenngleich nur innerhalb der Selektion: Die Norm mag eine Bewertung nach dem Barwertkalkül vorgeben. Bezüglich der Details muss aber weiterhin die Frage beantwortet werden, ob und inwieweit sich eine solche Vorgehensweise auch mit der realen Bewertungsübung deckt – wenn auch hier nur vergleichend über die Bewertung unternehmerischer (Teil-) Einheiten bzw. immaterieller Wirtschaftsgüter gedacht. Ebenso eindrucksvoll dokumentiert der Gesetzgeber hier aber auch, wie man den zutreffend erkannten Ansatz durch eine (womöglich „nur“ missglückte) gegenläufige Anordnung selbst wieder in Frage stellen unberechtigt. Es ist vielmehr Karl Albrecht Schachtschneider, der infolge der Überbetonung des Individuums den Markt als Beobachtungsgrundlage nicht erkennt. 631 So aber zum Beispiel H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rn. 18.131.

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kann. So bestimmt § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG, dass „für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes davon auszugehen [ist], dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen und nach den Grundsätzen ordentlicher und ge­ wissenhafter Geschäftsleute handeln.“ Diese sog. Transparenzklausel verlangt die Unterstellung von Informationssymmetrie zwischen den Partnern der Geschäftsbeziehung.632 Dies bedeutet insbesondere, dass jeder Transaktionspartner der Gegenseite seine Gewinnerwartungen und seine Konzessionsbereitschaft in Bezug auf einzelne Bedingungen offen legen muss.633 Dies ist in Bezug auf den dogmatischen Ausgangspunkt, nämlich die Anknüpfung an empirisch beobachtbare Verhaltensmuster, sehr problematisch. Betrachten wir dazu zunächst die Entstehungsgeschichte und hier vor allem die Entwurfsbegründung: „[Mit der Transparenz] wird sichergestellt, dass nicht jeder beliebige Fremdvergleich, der auch unter irregulären Umständen (z.B. wegen mangelhafter Information oder Qualifikation) zustande gekommen sein kann, zu berücksichtigen ist. Dies ist insbesondere für den hypothetischen Fremdvergleich wichtig“.634 Der Widerspruch zur eigenen Regelungskonzeption wird damit offenkundig: Erkennt man die Maßgeblichkeit der beobachtbaren Verhaltensmuster an, dann muss man auch anerkennen, wenn in der sozialen Wirklichkeit keine Informationssymmetrie zu beobachten ist. Der Gesetzgeber übersieht also, dass voneinander unabhängige Vertragspartner ihre Vertragsbedingungen nicht unter vollständiger Transparenz aushandeln.635 Informationsasymmetrien sind der Regelfall und nicht – wie der Gesetzgeber meint – irregulär.636 Vielmehr definiert er mit der Transparenzklausel einen prägenden Teil des freiheitlichen Wettbewerbs weg. Private sind nun einmal selbst dafür verantwortlich, dass die notwendigen Daten und Informationen vorhanden sind und nur in Ausnahmesituationen greift der Staat korrigierend (Informationsasymmetrien entgegenwirkend) in den Markt ein. Diesen Zustand muss auch das Steuerrecht anerkennen.637 Es ist wertungswidersprüchlich, wenn der Gesetz632 Vgl. A. Nientimp, in: Mössner/Fuhrmann, AStG, § 1 Rn. 79. 633 M. Frischmuth, in: Festschrift f. Schaumburg, S. 647, 657; C. Thier, IStR 2012, 495, 498. 634 Begründung der Fraktionen CDU/CSU und SPD vom 27.3.2007, BT-Drucks. 16/4841, S. 85. 635 M. Frischmuth, in: Festschrift f. Schaumburg, S. 647, 656 ff.; D. Gosch, in: derselbe, KStG, § 8 Rn. 300a; R. Klapdor, StuW 2008, 83, 84 f. 636 M. Frischmuth, in: Festschrift f. Schaumburg, S. 647, 656 ff.; M. Wulf, DB 2007, 2280, 2281. 637 Die Regelung stößt allgemein auf Ablehnung bzw. Kritik, siehe nur M. Frisch­ muth, in: Festschrift f. Schaumburg, S. 647, 656 ff.; D. Gosch, in: derselbe, KStG,

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geber hier ein „Sollen“ formuliert, dass er außerhalb des Steuerrechts auch nicht verwirklichen will (und in einer freiheitlichen Marktwirtschaft auch nicht könnte). Besonders deutlich wird das gesetzgeberische Missverständnis dann, wenn man die Transparenzklausel – was Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte allesamt nahelegen638 – nicht nur auf den hypothetischen Fremdvergleich im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG anwendet, sondern auch auf den Fremdvergleich anhand tatsächlich beobachteter (uneingeschränkt oder eingeschränkt) vergleichbarer Fremdvergleichs­ preise. Allerdings wird zu Recht die Ansicht vertreten, dass die Transparenzklausel im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Satz 1 bis 4 AStG (tatsächlicher Fremdvergleich) keine Anwendung findet.639 Die Begründung hierfür leitet das Rezeptionskonzept, wie es § 1 AStG zugrunde liegt: Der Gesetzgeber knüpft an deskriptive Verhaltensmuster an, nämlich die auf realen Märkten mit allen ihren Insuffizienzen beobachtete Preise. Die Transparenzklausel würde sodann den realen Bezugspunkt des Fremdvergleichswerts aufheben.640 Besonders deutlich wird dies bei der Preisvergleichsmethode. Würde man hier die Transparenzklausel anwenden, könnte man auf die Beobachtung von tatsächlich am Markt entstandenen Preisen und deren Übertragung auf das konkrete Bewertungsobjekt auch direkt verzichten. Einen derart gravierenden Eingriff in die eigene Regelungskonzeption wird der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Anders sieht es freilich beim hypothetischen Fremdvergleich aus. So verfehlt sie konzeptionell auch sein mag, so wird man hier nicht umherkommen, die Transparenzklausel zu entfalten. Insbesondere kann aus dem Rezeptionskonzept heraus keine einschränkende Auslegung erfolgen. Denn anderenfalls wäre die Transparenzklausel ohne Anwendungsbereich, was methodisch ein gewichtiges Argument ist. Rechtspraktisch dürfte die Problematik allerdings dadurch entschärft werden, dass es auf der einen Seite kaum möglich ist „Allwissenheit“ zum Zugriffsgegenstand einer gesetzlichen Regelung zu machen, da Wissen immer kontextabhängige, individuelle Informationsverarbeitung darstellt641 und somit kaum objektivierbar ist. Auf der anderen Seite dürfte es (mindestens) § 8 Rn. 300a; R. Klapdor, StuW 2008, 83, 84 f.; Kraft, in: derselbe, AStG, 2009, § 1 Rn. 125; M. Wulf, DB 2007, 2280, 2281. 638 Siehe zur Diskussion A. Nientimp, in: Mössner/Fuhrmann, AStG, § 1 Rn. 80 ff. 639 So beispielsweise A. Nientimp, in: Mössner/Fuhrmann, AStG, § 1 Rn. 81; F. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, AStG, § 1 V Rn. 10; M. Hof­acker, in: Haase, AStG, § 1 Rn. 152. 640 Ähnlich A. Nientimp, in: Mössner/Fuhrmann, AStG, § 1 Rn. 81. 641 H. C. Röhl, Die Verwaltung, Beiheft 9, S. 65 f.

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ebenso schwer sein, einen Preisbildungsvorgang mit asymmetrischer Informationsverteilung zu simulieren. Dafür müsste man wissen, was der „Verkehr“ weiß und was er nicht weiß bzw. was er glaubt zu wissen, was er ahnt und was er noch nicht einmal im Ansatz ahnt. Festzuhalten ist daher: Die Transparenzklausel steht konzeptionell im Widerspruch zum realen Bezugspunkt, dürfte ihm aber angesichts der Umsetzungsschwierigkeiten nicht nennenswert schaden. cc) Als einen Sonderfall der Verrechnungspreisproblematik versteht das Gesetz die sog. Funktionsverlagerung642 und schließt an die vorgenannten Sätze 1 bis 8 des § 1 Abs. 3 AStG folgenden Satz 9 an: „Wird eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile verlagert (Funktionsverlagerung) und ist auf die verlagerte Funktion Satz 5 anzuwenden, weil für das Transferpaket als Ganzes keine zumindest eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte vorliegen, hat der Steuerpflichtige den Einigungsbereich auf der Grundlage des Transferpakets unter Berücksichtigung funktions- und risiko­ adäquater Kapitalisierungszinssätze zu bestimmen“. § 1 Abs. 1 FVerlV legaldefiniert die Funktion auf materieller Rechtsnormebene: Sie ist „eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Sie ist ein organischer Teil eines Unternehmens, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss“.643 Kurzum: Es handelt sich um eine ökonomisch-organisatorische Zusammenfassung mehrere Wirtschaftsgüter, Liefer- und Leistungsbeziehungen und sonstiger Vorteile. Die einschlägige Verwaltungsvorschrift nennt als Beispiele Geschäftstätigkeiten, die zur Geschäftsleitung, Forschung und Entwicklung, Materialbeschaffung, Lagerhaltung, Produktion, Verpackung, Vertrieb, Montage, Bearbeitung und Veredelung von Produkten, Qualitätskontrolle, Finanzierung, Transport, Organisation, Verwaltung, Marketing und Kundendienst gehören.644 Verlagert wird eine dergestalt definierte Funktion, wenn – so jedenfalls § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV in Konkretisierung des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG – ein Unternehmen (verlagerndes Unternehmen) einem anderen, nahe stehenden Unternehmen (übernehmendes Unternehmen) Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt, damit das übernehmende Unter642 F. Hruschka, in: Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, S. 1. 643 BMF v. 13.10.2010, BStBl. I 2010, 774 Rn. 15. 644 BMF v. 13.10.2010, BStBl. I 2010, 774 Rn. 15.

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nehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird. Sind die Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung erfüllt, muss die Funktion grundsätzlich als Ganzes bewertet werden. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG spricht vom „Transferpaket“ (vgl. zur Konkretisierung § 1 Abs. 3 FVerV). Die Bewertung eines solchen Transferpaketes wartet mit einer besonderen Herausforderung auf. Zwar haben auch hier uneingeschränkt bzw. eingeschränkt vergleichbare Preise Vorrang, jedoch wird eine Funktion in der Regel derart einzigartig sein, dass ein hypothetischer Fremd­ vergleichspreis nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. Satz 9 AStG zu ermitteln sein wird.645 Bereits unter bb) hatte ich die Vermutung ge­ äußert, dass der Gesetzgeber hier (nachvollziehbar) Anleihe bei der Bewer­tungsübung in Ansehung ähnlicher Gegenstände (Teilbetrieb, immaterielle Wirtschaftsgüter) genommen haben dürfte, nämlich der Preisschätzung anhand der künftigen Erträge. Ferner ordnet die Norm sogar ausdrücklich an, dass ein Einigungsbereich zu ermitteln ist, was erfordert, dass der Preis des Transferpaketes sowohl aus Sicht des verlagernden als auch des übernehmenden Unternehmens bestimmt wird. Für die Ermittlung der Preisgrenzen muss die Ausgangsprämisse erkannt werden: Funktionsverlagerungen verändern die Gewinnsituation der an der Funktionsverlagerung beteiligten Unternehmen und „üblicherweise“ würde aus diesem Grund von dem abgebenden Unternehmen, dessen Gewinne fortan niedriger ausfallen, eine Entschädigung hierfür verlangt werden.646 Umgekehrt würde auf Seiten des Erwerbers „üblicherweise“ nur so viel für die Funktion bezahlt werden, wie man selbst hieraus „Nutzen“ (im Sinne von Gewinnen) ziehen kann. Angesichts dessen ist es plausibel, wenn hierfür – wie bei (Teil-)Betrieben bzw. immateriellen Wirtschaftsgütern auch – jeweils ertragswertorientiert der Gesamtwert der Funktion herangezogen wird. Die Norm deutet dies mit ihrem Blick in die Zukunft und der Bezugnahme auf eine Kapitalisierung auch an.647 Die Finanzverwaltung verweist hierzu auf den IdW S1 (Unternehmens645 A. Vögele, DStR 2010, 418, 421; H. Luckhaupt, DStR 2012, 1571; ein tatsächlicher Fremdvergleich dürfte beispielsweise möglich sein, wenn eine Standardfunktion wie zum Beispiel EDV, Transport oder Buchführung verlagert wird (H. Luckhaupt, a.a.O). 646 H. Luckhaupt, DStR 2012, 1571, 1572. 647 Allgemeine Auffassung, siehe aus der Literatur H. Baumhoff, WPg 2012, 396, 397 ff; S. Greil, StBp 2011, 159; H. Luckhaupt, DStR 2012, 1571, 1572; J. Menninger/M. Wellens, DB 2012, 10, 13; A. Vögele, DStR 2010, 418, 419 f.; ferner auch die Finanzverwaltung BMF v.13.10.2010, BStBl. I 2010, 774, Rn. 29 f., 63, 82 ff.

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bewertung) und den IdW S5 (Bewertung immaterieller Vermögensgegenstände), schließt allerdings auch andere „betriebswirtschaftlich anerkannte Verfahren zur Barwertermittlung“ nicht aus.648 Gemessen an seiner (selektiven) Rezeption der sozialen Bewertungswirklichkeit gilt indes auch hier (wenngleich auf das Barwertkalkül reduziert): Reale Bewertungsübungen haben Vorrang vor der präskriptiven Theorie. D.h., dass die weitere Konkretisierung der Barwertkalkülvorgabe nach Maßgabe der Bewertungsübung in Ansehung von (Teil-)Betrieben bzw. immateriellen Wirtschaftsgütern zu erfolgen hat. Anlässlich einer solchen Ertragswertbewertung des Transferpakets müssen die Gewinnpotentiale („die jeweils aus der Ausübung der Funktion erwarteten Reingewinne nach Steuern“ [§ 1 Abs. 4 FVerlV]) der verlagerten Funktion bestimmt werden, d.h. es müssen die künftigen Überschüsse isoliert werden, die auf das Transferpaket entfallen. Ferner muss hierbei prognostiziert werden, ob der zukünftige Nutzen „ewig“ oder zeitlich begrenzt fließt und wenn letzteres der Fall ist, wie lange dieser Zeitraum zu bemessen ist. Schließlich muss ein Kapitalisierungszinssatz abgeleitet werden.649 Aus den nach dieser Maßgabe vorzunehmenden Bewertungen ergeben sich ein Preis, den das verlagernde Unternehmen mindestens verlangen würde, und ein Preis, den das übernehmende Unternehmen höchstens gewillt sein kann, für die Funktion zu bezahlen. Aus dieser Bandbreite soll der Preis maßgeblich sein, der – insoweit gilt § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG – „dem Fremdvergleichspreis mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht“; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert maßgeblich. Macht der Steuerpflichtige hingegen geltend, dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist, und bezeichnet er dieses genau, erfolgt die Bewertung der einzelnen Bestandteile des Transferpaktes abweichend von dem vorgenannten Grundsatz jeweils mit dem Einzelverrechnungspreis. Dabei dürfte der Einschätzung Carsten Pohls zuzustimmen sein, dass diese Regelung zugleich einen Rückschluss auf die vollzugssichernde Bedeutung der Gesamtbewertung erlaubt.650 Denn eine Gesamtbewertung ist eben nicht erforderlich, wenn alle wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter 648 BMF v.13.10.2010, BStBl. I 2010, 774, Rn. 89. 649 Siehe jeweils H. Baumhoff, WPg 2012, 396, 397 ff.; A. Eisenberg/R. Ullmann, IStR 2003, 855 ff.; A. Vögele, DStR 2010, 418, 419 f. 650 C. Pohl, IStR 2010, 357, 358. Freilich lässt sich dies je nach Perspektive auch als Erleichterung für den Steuerpflichtigen formulieren, so zum Beispiel J. Menninger/M. Wellens, DB 2012, 10, 11: „Bewertungshilfe“, weil der Steuerpflichtigen nicht jedes Einzelwirtschaftsgut identifizieren und bewerten muss.

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vom Steuerpflichtigen genau bezeichnet werden und eine Überprüfung seitens der Finanzverwaltung sichergestellt ist.651 Umgekehrt formuliert: Die Gesamtbewertung als Regel soll gewährleisten, dass keine immateriellen Wirtschaftsgüter dem Zugriff entzogen werden. dd) (1) Einen rechtspraktisch sehr relevanten Anwendungsfall findet der „Fremdvergleichswert“ ferner bei der verdeckten Gewinnausschüttung. Ihre gesetzliche Grundlage findet sie in § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, der allerdings nicht mehr sagt, als dass (auch) verdeckte Gewinnausschüttungen das Einkommen nicht mindern. Angeordnet ist also lediglich die Rechtsfolge. Auch § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, der auf Gesellschafterebene die verdeckte Ausschüttung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zählt, äußert sich nicht zur verdeckten Gewinnausschüttung als diese Rechtsfolge auslösendes, tatbestandlich zu erfassendes Ereignis. Insbesondere Fremdvergleich oder gar Fremdvergleichswert finden normativ keine Erwähnung. Ihren Weg in das Rechtsinstitut der verdeckten Gewinnausschüttung haben sie jedoch über dessen Anwendungskonkretisierung durch die Rechtsprechung erfahren. Zentrales Tatbestandsmerkmal einer verdeckten Gewinnausschüttung ist die „Veranlassung (der Vermögensminderung/verhinderten Vermögensmehrung) durch das Gesellschaftsverhältnis“ (siehe bereits § 2 I. 3. e.). Betrachten wir zuerst die Tatbestandsseite, also die Frage nach dem Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung; der Fremdvergleichspreis ist hier kein Tatbestandsmerkmal des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, sondern ein Hilfsmittel zur Tatsachenfeststellung (siehe bereits § 2 I. 3. e.): Erforderlich ist eine Preiskontrolle. So wertet die Rechtsprechung beispielsweise einen „Unter-Wert-Verkauf“ in der Regel als ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Preisgestaltung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen ist, d.h. der günstige Preis dem Käufer nur deshalb eingeräumt worden ist, weil er zugleich Gesellschafter ist.652 Für den „ÜberWert-Verkauf“ in umgekehrter Richtung gilt dies sinngemäß. Dabei fragt die Rechtsprechung danach, welcher Preis sich für einen Gegenstand ohne Beeinflussung „von innen“ gebildet hätte (siehe bereits § 3 III. 2. d. aa] zur Simulation eines Interessengegensatzes aufgrund der Verdopplung des Fremdvergleichs). Gesucht wird das „Übliche“ und bestimmt wird es durch das „übliche Verhalten“ fremder Dritter. Dieses Üblich651 Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 4.3.2010, BT-Drucks. 17/939, S. 10. 652 Siehe zum Beispiel HessFG v. 15.5.2001, 4 V 5281/00, EFG 2001, 1163.

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keitsverständnis spiegelt sich bei bewertungsspezifischen Fremdvergleichen, d.h. wenn die Fremdüblichkeit der Preishöhe zu würdigen ist, auch in der Vorgehensweise wieder: Geht es beispielsweise um die Bewertung von Waren und Dienstleistungen, so werden auch hier die Verprobungsmethoden herangezogen, wie sie zwischenzeitlich in § 1 Abs. 3 AStG normativ angedeutet werden (siehe bereits § 3 III. 2. d. bb] [1]).653 Auch hier gehen, nicht anders als bei § 1 AStG, tatsächliche und hypothetische Erwägungen zwangsläufig ineinander über.654 Betrachtet man hiernach das Übliche im vorstehenden Sinne und seine tatsächliche Erfassung, so zeigt sich, dass der notwendigerweise anzustellende tatsächliche bzw. hypothetische Fremdvergleich nichts anderes ist als eine Orientierung an bzw. eine Maßgeblichkeit der sozialen Verhaltensmuster in Ansehung des Bewertungsverhaltens des Rechtsverkehrs. Nach dem Vorgesagten unterschieden sich dann die verdeckte Gewinnausschüttung und § 1 AStG kaum. Gleichwohl bedarf es allerdings einer Klarstellung, die deshalb notwendig ist, weil zum Teil die Ansicht vertreten wird, dass es stets nur auf den Vergleich mit dem zwischen fremden Dritten üblichen Vertragsgebaren ankomme (also nicht auch auf eine Binnenüblichkeit gemessen am Verhalten der konkreten Kapitalgesellschaft gegenüber anderen Geschäftspartnern, die den Indizwert einer Unüblichkeit gemessen am Verhalten fremder Dritter entfallen lassen kann) und sich dies danach richte, wie sich ein Geschäftsleiter verhalten soll und nicht notwendig danach, wie sich die Mehrzahl der Geschäftsleiter tatsächlich verhält. Es wird also eine Sollvorgabe für maßgeblich erklärt. Diese sei qualitiativ durch Nachdenken, nicht vermittels Umfragen und Empirie zu ermitteln.655 Betrachtet man die hierzu angeführten Beispiele, so zeigt sich allerdings, dass damit kein Widerspruch zur hier vertretenen Maßgeblichkeit sozialer Bewertungsverhaltensmuster verbunden ist. Denn dieser Ansicht geht es nicht um bewertungsspezifische Fragestellungen. Sie hat andere fremdvergleichsrelevante Aspekte im Blick. Bezeichnend ist, dass sich die Diskussion an der Frage, ob eine Überstundenvergütung für einen Geschäftsführer überhaupt (!) „üblich“ sein kann („dem Grunde nach“), entzündet.656 Dieser materiell-rechtlich geprägten 653 D. Gosch, in: derselbe, § 8 Rn. 386; S. Rasch, Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, S. 142. 654 S. Wilk, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 8 Rn. 142. 655 So vor allem D. Gosch, in: derselbe, KStG, § 8 Rn. 290 f., siehe auch noch W. Müller, DStJG 17 (1994), S. 289, 306. 656 Vgl. D. Gosch, in: derselbe, KStG, § 8 Rn. 290 ff; siehe dazu BFH v. 27.3.2001, I R 40/00, BStBl. II 2001, 655, wo die Frage verneint wurde und dies unter anderem auch mit der Begründung, dass es irrelevant sei, ob und inwieweit Fremdgeschäftsführer Überstundenvergütungen erhielten. Der Bundesfinanzhof geht vielmehr

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Ansicht geht es letztlich darum, wertende Elemente ohne jede Rückkopplung mit der sozialen Wirklichkeit einfließen lassen zu können. Für die Bewertung kann dies jedoch so nicht gelten und so dürfte diese Ansicht auch nicht zu verstehen sein. Denn bei der Frage, ob ein vereinbarter Preis dem Fremdvergleich standhält oder nicht, lassen sich selbst „normative Soll-Vorstellungen“ nicht ohne Blick auf die soziale Bewertungswirklichkeit formulieren. Ein „üblicher Preis“ lässt sich nicht allein (!) durch Nachdenken, durch normative Wertung gewinnen. Dies hat die Geschichte des „gerechten Preises“, soweit er nicht am „üblichen Marktverhalten“ festgemacht wurde, gezeigt (vgl. § 1 II. 1.). Festzuhalten ist daher, dass es in der dogmatischen Verankerung des Fremdvergleichs durchaus unterschiedliche Ansichten gibt. In Bezug auf die hier interessierende Frage, was das Übliche bei der Bewertung kennzeichnet, kommt man um den Vergleich mit der sozialen Wirklichkeit, wie sie als Ausdruck der Übung des Verkehrs im Allgemeinen zu beobachten ist, allerdings nach allen Ansichten nicht umher. Ob und inwieweit die beobachtbare soziale Wirklichkeit im Hinblick auf den Normtelos (hier: des Instituts der verdeckten Gewinnausschüttung im Ganzen) noch einer Anpassung bedarf, ist dann allerdings eine vom Bezugspunkt zu trennende Frage, nämlich die nach den normativen Rezeptionsvorgaben bzw. Rezeptionsfiltern (dazu erst unter § 5 III. 2.). (2) Ist die verdeckte Gewinnausschüttung tatbestandlich festgestellt, richtet sich ihre Rechtsfolge auf die Korrektur der als Einkommensverwendung erkannten (verdeckten) Ausschüttung an den Gesellschafter. Auf der Ebene der Kapitalgesellschaft muss also die Frage beantwortet werden, welcher Betrag des durch die Teilnahme am Marktgeschehen erwirtschafteten Einkommens (verdeckt) verwendet worden ist. Beim Gesellschafter ist hingegen zu fragen, welcher Vermögenswert ihm aus gesellschaftsrechtlichen Gründen zugeflossen ist.657 Wegen der nicht ganz identischen Fragestellung wird zum Teil angenommen, dass die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung auf der Kapitalgesellschafts­ ebene im Einzelfall von derjenigen auf der Ebene des Gesellschafters abweich­en kann.658 Fokussieren wir hier den Blick auf die Ebene der Kadavon aus, dass sich ein ordentlicher Geschäftsleiter allein an seinem Erfolg und nicht an der „abgesessenen Zeit“ zu messen lassen habe (soll [!]), zustimmend neben Gosch, a.a.O, beispielsweise auch A. Herlinghaus, GmbHR 2002, 397, 406.; siehe allerdings auch noch BFH v. 14.7.2004, I R 111/03, BStBl. II 2005, 307 für eine (ausnahmsweise) übliche Überstundenvergütung. 657 G. Frotscher, in: derselbe/Maas, KStG, Anh. § 8 Rn. 206; U. Schallmoser, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 8 Rn. 200. 658 J. Rengers, in: Blümich, KStG, § 8 Rn. 411; andere Ansicht zum Beispiel J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 89; S. Oppenländer, Verdeckte Gewinnaus-

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pitalgesellschaft: Die außerbilanziell durchzuführende Einkünftekorrektur setzt beim einzelnen Geschäftsvorfall an659 und muss grundsätzlich auch in Abhängigkeit von den Auswirkungen, die dieser Geschäftsvorfall auf den Unterschiedsbetrag im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG gezeitigt hat, beurteilt werden. Die sich wegen der etwaigen bilanziellen Be­ handlung des Geschäftsvorfalls oder anderer (zum Beispiel durch andere Korrekturvorschriften bedingten und damit kein weitergehendes Korrekturbedürfnis notwendig erscheinenden) Auswirkungen auf den steuerpflichtigen Gewinn ergebenden Probleme werden hier jedoch vernachlässigt. Auf die Bewertungsnotwendigkeit und vor allem die Bewertung selbst haben sie keinen Einfluss; sie rechtfertigen allenfalls Korrekturen bzw. Begrenzungen.660 Eine verdeckte Gewinnausschüttung soll in der Höhe anzunehmen sein, die sich aus der Differenz zwischen dem vereinbarten Entgelt und dem Entgelt, das ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter für den Gegenstand gezahlt bzw. für Leistungen der Kapitalgesellschaft gefordert hätte, ergeben.661 Maßgeblich für die Ermittlung dieses Differenzbetrages (der im Falle des Fehlens eines Entgeltes natürlich auch zu einem vollen Ansatz und nicht lediglich einer Differenz führt) ist also ein verkehrswertorientierter Rechtswert. Die Korrektur ist darauf gerichtet, den Wert anzusetzen, der bei einer „regulären“ Veräußerung des Wirtschaftsgutes erzielt worden bzw. bei dessen Erwerb zu entrichten gewesen wäre.662 Dieser zutreffende Gedanke, den gezahlten Preis mit „gewöhnlichen Marktpreisen“ (für Lieferungen unter vergleichbaren Bedingungen) zu vergleichen, findet sich bereits beim Preußischen Oberverwaltungsgericht, ist vom Reichsfinanzhof übernommen und vom Bundesfinanzhof fortgeführt worden.663 Bei der Übertragung von Gegenständen (insbesondere Wirtschaftsgütern) dürfte er heute unbestrittener Konsens sein. In dieser Situation ist also lediglich die Frage zu klären, ob der Fremdvergleichswert seine vermittelnde Funktion in Richtung des gemeinen Wertes oder des Teilwertes ausübt. Der Ansatz des gemeinen Wertes ist die schüttung, S. 232 f. 659 U. Schallmoser, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 8 Rn. 202. 660 Siehe zu diesen Fragestellungen vor allem J. Klingebiel, in: Dötsch/Jost/Pung/ Witt, KStG, § 8 Abs. 3 Teil C Rn. 350 ff. und. 426. 661 BFH v. 19.3.1975, I R 137/73, BStBl. II 1975, 722; D. Gosch, in: derselbe, KStG, § 8 Rn. 380; J. Rengers, in: Blümich, KStG, § 8 Rn. 405. 662 Zum Teil ist von einer Bewertung mit dem „wahren Wert“ die Rede (vgl. GrS BFH v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348, 357); damit ist aber nichts anderes als die Maßgeblichkeit des Verkehrswertes gemeint. 663 Grundlegend PreußOVG v. 28.10.1908, PreußOVGStE 14, 340, 344 ff.; ferner RFH v. 10.5.1921, I A 218/20, RFHE 5, 294, 295 ff.

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Regel.664 Für seine Ermittlung gelten die Ausführungen zum gemeinen Wert im Allgemeinen (§ 3 III. 2. b.) und auch die bereits anlässlich der Tatbestandsmäßigkeit der verdeckten Gewinnausschüttung getätigten Ausführungen im Besonderen (insbesondere: Relevanz der Standardmethoden, siehe § 3 III. 2. d. dd] [1]). Abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG sollen jedoch ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse durchaus rele­vant sein, wenn auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter sie bei der Preisbemessung im Verhältnis zu einem Nichtgesellschafter berücksichtigt hätte.665 Die ältere Literatur, die einen generellen Teilwertansatz vertreten hatte666, konnte sich nicht durchsetzen.667 Gleichwohl kommt der Teilwert-Ansatz ausnahmsweise dort in Betracht, wo ein Betrieb oder Teilbetrieb übertragen wird und hier die Summe aller gemeinen Werte dieser Sachgesamtheit den Wert des Betriebes bzw. Teilbetriebes nicht widerspiegelt.668 Steht hingegen ein Korrekturbedürfnis in Ansehung von Dienstleistungen und Nutzungen im Raum, wird ungeachtet etwaiger Streitfragen in den Details von Folgendem ausgegangen: Wenn die Kapitalgesellschaft Dienste, Kapital oder Wirtschaftsgüter gegen unangemessen hohes Entge­lt nutzt, ist der unangemessene Teil der Vergütung außerbilanziell hinzuzurechnen669, was wiederum einen Vergleich des fremdüblichen Entgelts mit dem tatsächlich vereinbarten Entgelt voraussetzt. Das fremd­ übliche Entgelt entspricht letztlich dem gemeinen Wert der Leistung. Überlässt die Kapitalgesellschaft hingegen ihrem Gesellschafter Kapital oder Wirtschaftsgüter oder erbringt sie diesem gegenüber Dienstleistungen – ist also die Leistungsbeziehung in die andere Richtung Gegenstand der Beurteilung („verhinderte Vermögensmehrung“) –, so wird zwar zum Teil der Ansatz von Selbstkosten vertreten, jedoch erscheint es überzeu664 Statt vieler BFH v. 18.10.1967, I 262/63, BStBl. II 1968, 105; v. 20.8.1986, I R 283/82, BFH/NV 1987, 63 („Marktpreis“); v. 29.6.1994, I R 137/93, BStBl. II 2002, 366; v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 23.2.2005, I R 70/04, BStBl. II 2005, 882, 884. 665 BFH v. 27.11.1974, I R 250/72, BStBl. II 1975, 306; D. Gosch, in: derselbe, KStG, § 8 Rn. 383; J. Klingebiel, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 8 Abs. 3 Teil C Rn. 423; F. Wassermeyer, IStR 2008, 176, 178. 666 Zum Beispiel D. Meyer-Scharenberg, StuW 1987, 11, 17; J. Thiel, DB 1962, 1482; Voss, DStR 1965, 28, 30. 667 Gegen den Teilwert maßgeblich vor allem G. Döllerer, BB 1967, 1437; heute herrschende Ansicht, siehe (neben den Rechtsprechnungsnachweisen in Fn. 664) nur J. Klingebiel, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 8 Abs. 3 Teil C Rn. 423 mit weiteren Nachweisen. 668 BFH v. 7.10.1970, I R 1/68, BStBl. II 1971, 69, 71; D. Gosch, in: derselbe, KStG, § 8 Rn. 381. 669 U. Schallmoser, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 8 Rn. 206.

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gender auch hier das für solche Leistungen angemessene Entgelt (für den Vergleich) heranzuziehen, also die „erzielbare Vergütung“.670 Letzteres bedeutet auch hier nichts anderes als eine verkehrswertorientierte Bewertung der Leistung und zwar mit dem gemeinen Wert. Dabei ist stets die konkrete Kapitalgesellschaft in den Blick zu nehmen: Wenn beispielsweise die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter ein Fahrzeug überlässt, so sind für den Fremdvergleichswert nicht die Mieten professioneller Autovermietungsfirmen heranzuziehen, wenn die Kapitalgesellschaft selbst nicht professionell Fahrzeuge vermietet. Fremdüblich ist es in dieser Situation vielmehr ein Überlassungsentgelt zu verlangen, das aus den Selbstkosten und einem Gewinnaufschlag besteht.671 (3) Die Rechtsfolgen von verdeckten Einlagen richten sich nach überwiegender Ansicht (unmittelbar) nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG und es findet keine „Vermittlung“ über den Fremdvergleichswert statt. Verdeckte Sacheinlagen sind also mit dem Teilwert zu bewerten.672 Es gelten daher die Ausführungen zu § 3 III. 2. c. Eine verdeckte Einlage von Leistungen ist hingegen nicht möglich, so dass sich insoweit keine Bewertungsfragen stellen können.673 e. Üblicher Endpreis am Abgabeort Bei den Überschusseinkünften bestimmt § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG: „Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge), sind mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen“. Die Rechtsprechung wendet die Regelung ungeachtet ihrer systematischen Stellung auch bei den Gewinneinkünften an.674 Seine praktische Breiten670 BFH v. 27.11.1974, BStBl. II 1975, 306; v. 6.4.1977, I R 86/75, BStBl. II 1977, 569; v. 28.2.1990, BStBl. II 1990, 649; für ein angemessenes Entgelt ferner zum Beispiel J. Klingebiel, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 8 Abs. 3 Teil C Rn. 406, 423, 429, besteht für Dienstleistungen eine Gebührenordnung ist diese zugrunde zu legen (so J. Rengers, in: Blümich, KStG, § 8 Rn. 408). 671 BFH v. 23.2.2005, I R 70/04, DStR 2005, 918, für einen Gewinnaufschlag auch BFH v. 23.6.1993, I R 72/92, BStBl. II 1993, 801; v. 28.1.2004, I R 87/02, DStRE 2004, 520; v. 23.1.2008, I R 8/06, BStBl. II 2012, 260; v. 22.12.2010, I R 47/10, BFH/NV 2011, 1019, siehe ferner noch F. Wassermeyer DB 2003, 2616; R. Kohlhepp, DStR 2009, 357. 672 GrS BFH v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; BFH v. 9.6.1997, BStBl. II 1998, 307. 673 Siehe grundlegend GrS BFH v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348, der die Einlage auf Wirtschaftsgüter beschränkt und Leistungen (Nutzungsvorteile) nicht als einlagefähige Wirtschaftsgüter ansieht. 674 BFH v. 26.9.1995, VIII R 35/93, BStBl. II 1996, 273.

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wirkung entfaltet § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG jedoch bei den Arbeitseinkünften und dies anlässlich des vom Arbeitgeber zu verantwortenden Lohnsteuerabzuges (§§ 36 ff. EStG). Die Sätze 2 ff. enthalten Sonderregelungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die hier nicht weiter behandelt werden. Verdrängt wird § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG ferner dann, wenn im persönlichen Anwendungsbereich der Sätze 7 f. ein Sachbezug eine pauschalierende Bewertung durch die Sozialversicherungsentgeltverordnung erfahren hat. Der Rechtswert des üblichen Endpreises am Abgabeort stellt ebenfalls einen Verkehrswert dar.675 Die differentia specifica sind auch hier wiederum die Perspektive und der maßgebliche Markt. Die Frage lautet hier normspezifisch: Was hätte der Steuerpflichtige, der die Sache erhält, sonst dafür am Markt aufwenden müssen? Es wird also aus der Sicht des Erwerbers gefragt. Maßgeblich ist grundsätzlich die Einzelhandelsstufe.676 Wenn der Arbeitgeber den zu bewertenden Vorteil auch Dritten anbietet, ist der Endabgabepreis hieraus abzuleiten. Hier wird der Verkehrswertgrundsatz zum Teil durch die Praktikabilität des Lohnsteuerverfahrens beeinflusst: So soll nämlich nach Ansicht des Bundesfinanzhofs dieser (auch) mit Dritten vereinbarte Preis selbst dann maßgeblich sein, wenn er unter dem Marktniveau liegt. Denn es könne dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, dass er die Preise der Wettbewerber ermittelt.677 Wenn der Arbeitgeber den Vorteil hingegen nicht zu Endpreisen im allgemeinen Geschäftsverkehr selbst anbietet, ist der übliche fremde Endpreis anzusetzen.678 § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG gibt zwar keinen konkreten Ableitungszusammenhang vor, aber in den meisten Fällen dürfte die Bewertung dem Grundsatz der unmittelbaren Preisübertragung folgen. Anders als bei § 9 BewG werden ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse zwar nicht ausdrücklich für rechtsunerheblich erklärt. Aber die „Üblichkeit“ in § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG wird zu Recht genau in diesem Sinne verstanden.679 Soweit die Rechtsprechung (auch) diesen Wert regel675 Vgl. H. Glenk, in: Blümich, EStG, § 8 Rn. 82; ferner BFH v. 22.7.1988, III R 175/85, BStBl. II 1988, 995 für die Vergleichbarkeit der Bewertungsgrundsätze von Teilwert und Endpreis im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. 676 BFH v. 30.5.2011, VI R 123/00, BStBl. II 2002, 230, 231; H. Glenk, in: Blümich, EStG, § 8 Rn. 81. 677 BFH v. 30.5.2011, VI R 123/00, BStBl. II 2002, 230, 231; Kister, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 8 Rn. 61; andere Ansicht zum Beispiel H. Glenk, in: Blümich, EStG, § 8 Rn. 96 jeweils mit weiteren Nachweisen. 678 H. Glenk, in: Blümich, EStG, § 8 Rn. 96; Kister, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 8 Rn. 61. 679 H. Glenk, in: Blümich, EStG, § 8 Rn. 82; Kister, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 8 Rn. 60.

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mäßig als „objektiven Wert“ bezeichnet680, meint auch dies wiederum nur eine Absage an die persönliche Wertschätzung des Betroffenen und es gilt vielmehr die Maßgeblichkeit einer verkehrsanschauungsorientierten Bewertung. Es kann daher auf die Ausführungen zum gemeinen Wert und zum Teilwert verwiesen werden. 3. Der Güterverzehr als realer Bezugspunkt a. Voraberkenntnis: Pagatorische Anknüpfung als Fluchtpunkt der Anschaffungs- und Herstellungskosten Der reale Bezugspunkt der Anschaffungs- und Herstellungskosten ist der mit einem Wirtschaftsgut in Zusammenhang stehende Güterverzehr. Ihr Kennzeichen ist die Ableitung aus Erfolgseinzahlungen und Erfolgsauszahlungen. Sie sind daher „pagatorische Werte“ (stammend von pagare [lat.] = zahlen). Diesbezüglich darf insbesondere die Verwendung des Wortes „Kosten“ im Rechtsbegriff nicht irritieren. Der betriebswirtschaftliche Kostenbegriff, der auch kalkulatorische Kosten beinhaltet, also vor allem solche, die von der Zahlungsebene abstrahieren und denen daher keine Aufwendungen zugrunde liegen, gilt hier nicht. Vielmehr ist die Zahlungsabhängigkeit dieser Rechtswerte der gemeinsame Grundgedanke der bilanziellen Bewertung.681 Über die pagatorische Ableitung der Anschaffungs- und Herstellungskosten besteht heute kein Zweifel.682 Dieser Anknüpfungspunkt hat zugleich zur Folge, dass die Anschaffungsund Herstellungskosten vornehmlich vergangenheitsorientierte Rechtswerte sind. Anders als bei den Verkehrswerten lautet die Frage also nicht, was am Markt für das zu bewertende Gut zu erzielen wäre, sondern was tatsächlich hierfür in der Vergangenheit aufgewendet worden ist. Der reale Bezugspunkt zeigt auch hier wieder, dass und warum es um intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Bewertung geht: Da nur die tatsächlich getätigten (periodisierten) Ausgaben maßgeblich sind, können sich zwangsläufig für ein und denselben Gegenstand unterschiedliche Werte ergeben. Dies muss allerdings so sein, weil anders die Vergleichsfunktion, nämlich die Neutralität für alle Anschaffungs- bzw. Herstellungsvorgänge gleichermaßen zu gewährleisten, gar nicht erfüllt werden könnte 680 BFH v. 27.3.1981, VI R 132/70, BStBl. II 1981, 577; v.22.7.1988, III R 175/85, BStBl. II 1988, 995. 681 Siehe vor allem Erich Kosiol in Ansehung „seiner“ pagatorischen Buchhaltungsund Bilanztheorie (zum Beispiel E. Kosiol, zhwf 38 [1944], S. 47; derselbe, ZfB 22 [1952], S. 265 ff.; derselbe, Bilanzreform und Einheitsbilanz, 87 ff.). 682 Statt vieler nur BFH v. 7.9.2005, VIII R 1/03, BStBl. II 2006, 298; T. Ehmcke, in: Blümich, EStG, § 6 Rn. 451; C.-C. Freidank/P. Velte, StuW 2010, 356 Fn. 3; J. Schulze-Osterloh, StuW 1989, 242 f.

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Intersubjektiv nachvollziehbarer Realbezug aller Rechtswerte

(siehe bereits § 2 I. 3. a.). Die Relativität der Anschaffungs- und Herstellungskostenbewertung ist also systematisch bedingt. Entscheidend ist hier: Es handelt sich um Werte, die intersubjektiv nachprüfbar sind. Zum Verständnis der Anschaffungs- und Herstellungskosten – und vor allem in Ansehung der Offenlegung der auch dort vorhandenen Wertungs- und damit Bandbreitenfrage – bedarf es schließlich noch eines Blickes auf ihre Bestandteile: Anlässlich der Zuordnung von Erfolgseinzahlungen und Erfolgsauszahlungen zu angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgütern wird unterschieden zwischen sog. Einzelkosten und sog. Gemeinkosten. Ihr Unterschied ergibt sich aus ihrer „Nähe“ zu dem angeschafften oder hergestellten Gegenstand: Einzelkosten lassen sich einem Wirtschaftsgut unmittelbar zurechnen, d.h. aufgrund eines eindeutigen und nachweisbaren quantitativen Zusammenhangs.683 Maßgeblich ist grundsätzlich die mögliche Zurechenbarkeit und nicht, ob das konkrete Rechnungswesen die Kosten einzeln erfasst hat.684 Ebenso wie die Einzelkosten sind auch die sog. Gemeinkosten Aufwendungen für Güter, Leistungen und Dienste, die durch den Herstellungsvorgang veranlasst sind. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass die Gemeinkosten nicht unmittelbar in das Produkt eingehen, sondern nur über eine Schlüsselung oder Umlage zu den herzustellenden Vermögensgegenständen in Beziehung gebracht werden können.685 Hierfür gibt es verschiedene Verfahren, denen allesamt ihre Pauschalität eigen ist und die je nach Qualität des Rechnungswesens zu unterschiedlich hohen Herstellungskosten führen können.686 Schließlich hat sich ferner der Begriff der sog. unechten Gemeinkosten eingebürgert. Hierbei handelt es sich um Kosten, die zwar theoretisch im Sinne des Einzelkostenbegriffs zurechenbar wären, die aber aus Wirtschaftlichkeitsgründen (zum Beispiel weil die Einzelerfassung zu einem unangemessen hohen Aufwand führt) als Gemeinkosten behandelt werden (können).687

683 BFH v. 11.2.1988, IV R 191/85, BStBl. II 1988, 661; v. 21.10.1993, IV R 87/92, BStBl. II 1994, 176, 177. 684 W. Mellwig, in: Festschrift f. Budde, S. 397, 407; T. Stobbe, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, § 6 Rn. 463c. 685 BFH v. 11.2.1988, IV R 191/85, BStBl. II 1988, 661; v. 21.10.1993, IV R 87/92, BStBl. II 1994, 176, 177. 686 M. Wohlgemuth, in: v. Wysocki/Schulze-Osterloh/Hennrichs/Kuhner, Handbuch des Jahresabschlusses, I/9 Rn. 32; siehe zu den einzelnen Verfahren zum Beispiel T. Ehmcke, in: Blümich, EStG, § 6 Rn. 510 ff. 687 Dazu nur W. Mellwig, in: Festschrift f. Budde, S. 397, 407; S. Tiedchen, in: Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, § 255 HGB Rn. 82.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

b. Anschaffungs- und Herstellungskosten aa) Die Anschaffungs- und Herstellungskosten bilden die zentralen Rechtswerte für das Ertragsteuerrecht, insbesondere anlässlich der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (Bilanzierung). Das mit ihnen verbundene Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich688: Obgleich die kaufmännische Praxis zu einer Bilanzierung mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten neigte689 und die ersten handelsbilanzrechtlichen Bewertungsregelungen dieser Übung bei entstehungsgeschichtlicher Auslegung womöglich auch nicht entgegen gestanden hätte690, legte das Reichsoberhandelsgericht Art. 31 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs vom 16.4.1871691 dahingehend aus, dass die Vermögensgegenstände und Schulden innerhalb der Bilanz mit dem „allgemeinen Verkehrswert“ zu bewerten seien.692 Mit der Aktienrechtsnovelle vom 18.7.1884693 erfolgte jedoch für Aktiengesellschaften im Grunde eine Rückkehr zum Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip. Dieses Sonderbewertungsrecht dürfte sich insbesondere als Reaktion auf den sog. Gründungsschwindel nach 1871 verstehen.694 Mit § 42 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung vom 20.4.1892695 wurde das Anschaffungskostenprinzip ferner auch für diese (neue) Rechtsform angeordnet. Im Übrigen blieb es aber erst einmal beim Verkehrswertprinzip und zwar auch im Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897 (dort § 40 HGB). Letztlich setzten sich aber die Kritiker – vor allem Hermann Veit Simon696 – durch und das Anschaffungs- und Herstellungswertprinzip fand wieder prägenden Einzug in das Handelsbilanzrecht. Dies wiederum blieb nicht ohne Einfluss 688 Siehe weiterführend zum Beispiel C.-C. Freidank/P. Velte, StuW 2010, 356, 365 f. (speziell zu den Herstellungskosten). 689 H. V. Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien, S. 291 f. mit Nachweisen. 690 Vgl. nur die Untersuchung von H. V. Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien, S. 299 f. 691 Das Datum gibt die Inkraftsetzung als Reichsrecht an (RGBl. 1871, S. 63); seit 1861 galt das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch auch schon in vielen deutschen Staaten als Landesrecht. 692 Siehe vor allem ROHG v. 3.12.1873, 934/73, ROHGE 12, 18; ferner RG v. 25.6.1887, I 137/87, RGZ 19, 111, 119. 693 RGBl. 1884, S. 123. 694 W. Ballwieser/K. Küting/T. Schildbach, BFuP 56 (2004), S. 529, 530 unter Verweis auf G. J. Benston/M. Bromwich/R. E. Litau/A. Wagenhofer, Following the Money, 2003, S. 40. 695 RGBl. 1892, S. 477. 696 H. V. Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien, S. 291 ff.

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Intersubjektiv nachvollziehbarer Realbezug aller Rechtswerte

auf das Steuerrecht. Eine Wechselwirkung stellte sich ein, weil die Einkommensteuergesetze schon früh an den nach handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften ermittelten Jahresüberschuss anknüpften. Zu nennen sind hier das Bremische Einkommensteuergesetz vom 17.12.1874697 (dort Anlage B zum BremEStG 1874 und insbesondere Nrn. 6 und 7), das Sächsische Einkommensteuergesetz vom 22.12.1874 (dort § 22 Nr. 1 SächsEStG 1874)698 und das Preußische Einkommensteuergesetz vom 24.6.1881 (dort § 14 PreußEStG 1891)699. Nach dem ersten Weltkrieg und dem Übergang der ertragsteuerlichen Kompetenzen auf das Reich war es sodann § 33 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes vom 23.3.1920, der den bis heute geltenden Maßgeblichkeitsgrundsatz reichseinheitlich normierte: „Bei Steuerpflichtigen, welche Handelsbücher nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches führen, ist der Geschäftsgewinn […] nach den Grundsätzen zu berechnen, wie sie für die Inventur und Bilanz durch das Handelsgesetzbuch vorgeschrieben sind“. Aus dem bewertungsspezifischen Blick ist dies nicht nur für die Rechtswerte der Anschaffungs- und Herstellungskosten prägend gewesen, sondern auch für den bilanzrechtlichen Grundsatz der Einzelbewertung. Zuvor hatte der Anschaffungs- und Herstellungskostengedanke über den Gestehungswert auch schon Eingang in das Besitzsteuergesetz vom 3.7.1913700 (§ 30 BesitzStG 1913) und ins Kriegssteuergesetz vom 21.6.1916701 (dort § 6 KrStG 1916, der den Gestehungswert als Mindestwert nennt) gefunden. Schließlich nahm auch § 139 Abs. 2 RAO 1919 den Anschaffungs- und Herstellungspreis als Rechtswert auf. Bei den Vermögensteuern spielte dieser Wert jedoch freilich nie eine nennenswerte Rolle. Anschaffungs- und Herstellungskosten waren damals und sind auch heute noch vornehmlich ertragsteuerlich relevante Rechtswerte, wenngleich ihre Bedeutung in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts noch wechselhaft war. Das Einkommensteuergesetz vom 29.3.1920 sah als Grundsatz noch eine Bewertung mit dem gemeinen Wert vor und gestattete lediglich eine Bewertung mit den niedrigeren Anschaffungsund Herstellungskosten (§ 32 Abs. 2 EStG 1920 und § 33 Abs. 1 EStG 1920). Für die Steuerpflichtigen, die Handelsbücher nach den Vorschriften des Handelsrechts zu führen hatten, galt ohnehin, dass der Gewinn 697 GBl. der freien Hansestadt Bremen 1874, S. 121. 698 SächsGVBl. 1874, S. 471 ff. 699 PreußGS 1891, S. 175 ff. Siehe im Einzeln zur Geschichte des Maßgeblichkeitsgrundsatzes im Übrigen noch K. Barth, Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, Band 2/1, S. 182 ff. 700 RGBl. 1913, S. 515. 701 RGBl. 1916, S. 561

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

nach den Grundsätzen des Handelsbilanzrechts zu berechnen war (§ 33 Abs. 2 EStG 1920, siehe bereits den vorherigen Absatz). 1921 wurde § 32 Abs. 2 EStG gestrichen und in § 33a EStG das Prinzip umgekehrt: Maßgeblicher Regelbewertungsmaßstab für das Betriebsvermögen wurden die Anschaffungs- und Herstellungskosten (bei der Folgebewertung im Falle der Abnutzbarkeit unter Berücksichtigung der Absetzungen für Abnutz­ungen) und nunmehr war eine wahlweise Bewertung mit dem gemei­nen Wert zulässig.702 Mit den §§ 19, 20 EStG 1925703 kehrte der Gesetzgeber zwar noch einmal zum gemeinen Wert als Regelmaßstab zurück, aber mit dem Einkommensteuergesetz vom 16.10.1934704 setzte sich die handelsrechtliche Sichtweise endgültig durch.705 Bis heute sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten der Regelbewertungsmaßstab des Ertragsteuerrechts. bb) Die zwischen den Anschaffungs- und Herstellungskosten notwendige Differenzierung knüpft an den Zurechnungsgrund an, kraft dessen dem Steuerpflichtigen ein Wirtschaftsgut persönlich, zeitlich und sachlich zuzurechnen ist: Wird ein Wirtschaftsgut angeschafft, ist es mit den Anschaffungskosten im Zeitpunkt der ersten persönlichen Zurechnung als Regelwert zu „bewerten“ (vgl. § 6 Abs. 1 Einleitungssatz)706. Zugleich bilden die Anschaffungskosten bei angeschafften Wirtschaftsgütern den Ausgangspunkt für die Folgebewertung: Sie markieren die Bewertungsobergrenze, was bei nichtabnutzbaren Wirtschaftsgütern vor allem dazu führt, dass sie auch bei Wertsteigerungen immer „nur“ eine Bewertung mit ihren historischen Anschaffungskosten erfahren. Bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern, bei denen regelmäßige Absetzungen für Abnutzung vorgeschrieben sind (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 7 Abs. 1 EStG, dazu anlässlich des „fortgeführten Buchwertes“ nachfolgend unter § 3 III. 3. b. ee]), sind die Anschaffungskosten die Bemessungsgrundlage für die Absetzungen. Die Steuergesetze kennen bis heute keine eigenständige steuerrechtliche Legaldefinition der Anschaffungskosten. Das zwischenzeitlich verfolgte Definitionsbestreben des einkommensteuerlichen Reformgesetzgebers

702 Steueränderungsgesetz v. 24.3.1921, RGBl. 1921, S. 313. 703 RGBl. I 1925, S. 189. 704 RStBl. I 1934, S. 1261. 705 Vgl. zur Motivation nur die Begründung der Reichsregierung vom 16.10.1934, RStBl. 1935, 33, 38: „Anpassung an die kaufmännische Übung“. 706 Ferner findet dieser Rechtswert Verwendung in steuerlichen Sondergesetzen, wie zum Beispiel den Fördergesetzen (§ 5 InvZulG).

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Intersubjektiv nachvollziehbarer Realbezug aller Rechtswerte

des Jahres 1974 ist insoweit nicht umgesetzt worden.707 Stattdessen fand der steuerliche Definitionsvorschlag mit dem Bilanz-Richtlinien-Gesetz mit Wirkung ab dem 1.1.1986 Eingang in das Handelsbilanzrecht708 und definierte den Anschaffungskostenbegriff in § 255 Abs. 1 HGB erstma­ls gesetzlich. Die Regierungsbegründung zum Bilanz-Richtlinen-Gesetz führte aus, dass die handelsrechtliche Definition auf der „Steuerrechts­ praxis“ beruhe.709 Heute besteht Einigkeit darin, dass die handelsrechtliche Definition in § 255 Abs. 1 HGB auch für die steuerrechtlich normierten Anschaffungskosten gilt.710 Lediglich die methodische Begründung wird unterschiedlich formuliert: Nach überwiegender Auffassung gilt der handelsrechtliche Anschaffungskostenbegriff über die Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 EStG, für andere Steuerpflichtige, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, über § 141 Abs. 1 Satz 2 AO, für Gewinnermittler im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG über den Grundsatz der Totalgewinngleichheit und schließlich für die übrigen Steuerpflichtigen gilt er deshalb, weil die §§ 7 ff. EStG nicht nach verschiedenen Einkunftsarten unterscheiden.711 § 255 Abs. 1 HGB lautet: „Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten. Anschaffungspreisminderungen sind abzusetzen“. Besteht bei einer Anschaffung die Gegenleistung für das erworbene Wirtschaftsgut nicht in Geld, sondern wird vielmehr ein anderes Wirtschaftsgut hingegeben (Tausch), ordnet § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG die Bewertung des erlangten Wirtschaftsgutes mit dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsgutes an. In diesem Fall kommt der pagatorische Wert also nicht ohne Konkretisierung durch den Verkehrswert aus; es ist innerhalb 707 Siehe den Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes, Gesetzesentwurf der Bundesregierung v. 9.1.1974, BT-Drucks. 7/1470, S. 256, dort § 28 Abs. 1 RegE. 708 BGBl. I 1985, S. 2355. 709 Regierungsbegründung zum Entwurf des Bilanz-Richtlinien-Gesetz vom 26.8.1983, BT-Drucks. 10/317, S. 88. 710 Siehe GrS BFH v. 4.7.1990, GrS 1/89, BStBl. II 1990, 830, 833 (für die Herstellungskosten); T. Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 271. 711 So GrS BFH v. 4.7.1990, GrS 1/89, BStBl. II 1990, 830, 833 f. (für die Herstellungskosten); ebenfalls auf die Maßgeblichkeit abstellend zum Beispiel J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 132; T. Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 271. Nach anderer Ansicht handelt es sich um eine analoge Anwendung (zum Beispiel C. Lange, Teilwert, S. 34).

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

des Anschaffungskostenwertprinzips eine Verkehrswertbewertung erforderlich, um das real in der Vergangenheit ausgetauschte Vermögen messbar zu machen. Ist ein Wirtschaftsgut nicht angeschafft, sondern hergestellt worden, ist es mit den Herstellungskosten zu bewerten. Bereits vor der Normierung dieses Rechtswertes war die kaufmännische Übung in Ansehung der Herstellungskosten nicht eindeutig und auch die Betriebswirtschaftslehre diskutierte ihren Umfang.712 Da das Gesetz ebenfalls keine zweifelsfreie Antwort auf diese Streitfrage lieferte, blieb die rechtswissenschaftliche Konkretisierung des Rechtswertes „Herstellungskosten“ hiervon nicht verschont. Die Rechtsprechung schlug dabei früh eine klare Linie ein. Schon zum Herstellungspreis im Sinne des VStG 1922 befand der Reichsfinanzhof unter Hinweis auf die im Steuerrecht geltende wirtschaftliche Betrachtungsweise, dass nicht lediglich die unmittelbar zurechenbaren Einzelkosten, sondern grundsätzlich auch „entsprechende Teile der beim Hersteller entstehenden Gesamtunkosten [gehören], soweit diese zur und bis zur Herstellung des Gegenstandes notwendig sind“.713 Seine bis heute wirkende Verfestigung fand diese Auslegung des Herstellungskostenbegriffs sodann durch das Gutachten des Großen Senats des Reichsfinanzhofs vom 4.2.1939, der ebenfalls unter Herstellungskosten „alle auf die Herstellung verwandten Kosten, also die Einzel­kosten der Herstellung und die Herstellungsgemeinkosten“ verstanden wissen wollte.714 Dieser Auslegung hat sich die Finanzverwaltung später angeschlossen und sie wurde zur praktischen Übung. Im weiteren Zeitablauf ist die Geschichte der Herstellungskosten mit derjenigen der Anschaffungskosten eng verwandt. Auch sie fanden keinen unmittelbaren Eingang in die Steuergesetze, sondern nur in § 255 Abs. 2, Abs. 3 HGB. Die handelsrechtliche Legaldefinition bildet allerdings nach allgemeiner Auffassung auch die Grundlage für den steuerrechtlichen Begriff der Herstellungskosten715: „Herstellungskosten sind die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Dazu gehören die Materialkosten, die 712 Siehe zur Historie und der Wechselwirkung in Bezug auf kaufmännische Tradition und Betriebswirtschaftslehre statt vieler C.-C. Freidank/P. Velte, StuW 2010, 356, 365 f. 713 RFH v. 12.4.1927, I A 321/26, RFHE 21, 105, 106. 714 GrS RFH v. 4.2.1939, D 7/38, RStBl. 1939, 321 f. 715 GrS BFH v. 4.7.1990, GrS 1/89, BStBl. II 1990, 830, 833; BFH v. 21.10.1993, IV R 87/92, BStBl. II 1994, 177.

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Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Wertverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. Bei der Berechnung der Herstellungskosten dürfen angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung einbezogen werden, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Forschungs- und Vertriebskosten dürfen nicht einbezogen werden. Zinsen für Fremdkapital gehören nicht zu den Herstellungskosten. Zinsen für Fremdkapital, das zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstandes verwendet wird, dürfen angesetzt werden, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen; in diesem Fall gelten sie als Herstellungskosten des Vermögensgegenstandes.“ § 255 Abs. 2 HGB enthält eine Wertuntergrenze (Pflichteinbeziehung), die – dies ist unstreitig – auch für das Steuerrecht gilt. Nach unbestrittener Auffassung auch steuerrechtlich zwingend einzubeziehende Bestandteile der Herstellungskosten sind die Material- und Fertigungseinzelkosten, die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Material- und Fertigungsgemeinkosten und der durch die Fertigung veranlasste Wertverzehr des Anlagevermögens. § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB sieht handelsrechtlich ein Wahlrecht vor; die betriebswirtschaftliche und die handelsrechtliche Lehre streiten darüber, ob und inwieweit die dort genannten Gemeinkosten überhaupt zu den Herstellungskosten gehören. Mit anderen Worten: Dürfen die Gemeinkosten eingerechnet werden oder brauchen sie nicht eingerechnet zu werden?716 Einigkeit besteht jedenfalls darin, dass das Wahlrecht der Vereinfachung dient. Es entlastet den Kaufmann von einer Gemeinkostenschlüsselung.717 Steuerrechtlich soll dieses Wahlrecht hingegen (im Wesentlichen) nicht gelten: Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll das handelsrechtliche Aktivierungswahlrecht für die allgemeinen Verwaltungskosten, die angemessenen Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung nicht gelten, sondern vielmehr auch insoweit von einer Aktivierungspflicht auszugehen sein.718 Bei einem solchen (steuerrechtlichen) Vollkostenver716 Siehe zur Diskussion vor allem W. Mellwig, in: Festschrift f. Budde, S. 397. 717 Eingehend G. Döllerer, ZHR 157 (1993), S. 349, 354; M. Kraus-Grünewald, zfbf 46 (1994), S. 32, 42 ff., 48 ff. 718 R 6.3 Abs. 1 EStR, zuvor schon BMF v. 12.3.2010, BStBl. I 2010, 239, Rn. 8; ebenso T. Ehmcke, in: Blümich, EStG, § 6 Rn. 494a; andere Ansicht zum Beispiel C.-C.

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ständnis verpufft der handelsrechtliche Vereinfachungszweck.719 Für die Herstellungszeitzinsen geht die Finanzverwaltung hingegen – in der Differen­zierung wenig einleuchtend – von einem (auch) steuerrechtlich bestehenden Aktivierungswahlrecht aus.720 Die handelsrechtlichen Ak­ tivierungsverbote (§ 255 Abs. 2 Sätze 4 f.) sind uneingeschränkt auch für das Steuerrecht maßgeblich. cc) Blicken wir ferner auf die Nominal- und Erfüllungswerte als Rechtswerte. Sie gelten (steuer-) bilanzrechtlich vor allem für Forderungen auf der Aktivseite und Verbindlichkeiten bzw. Rückstellungen auf der Passivseite. Eine besondere Einordnung ist deshalb geboten, weil der „entgeltliche Erwerb“ solcher aktiven und passiven Wirtschaftsgüter die Ausnahme ist. Es gibt zwar durchaus auch Anwendungsfälle, wo sich die vorgenannten Grundsätze der Anschaffungs- und Herstellungskosten ohne Weiteres auf Forderungen übertragen lassen: Sind Forderungen beispielsweise käuflich erworben worden, gilt § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 255 Abs. 1 HGB unmittelbar. Dies betrifft zum Beispiel den Erwerb von Wertpapieren sowie den Forderungskauf. Für Schulden gilt dies sinngemäß. Dies geschieht vor allem beim sog. Asset-Deal, wenn der Erwerber neben den Aktiva – zumindest im Innenverhältnis – auch die Passiva übernimmt.721 Diese Fälle sind jedoch nicht die Regel. Wie verhält es sich daher mit hingegebenen oder erhaltenen Darlehen, also der Bilanzierung der Darlehensrückzahlungsforderung oder –verbindlichkeit? Oder: Forderungen und Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen? Schließlich: Gesetzliche Ansprüche, wie insbesondere Schadensersatz- und Steueransprüchen? Normativ gilt: Forderungen sind mit dem Nennwert und Verbindlichkeiten mit ihrem Erfüllungsbetrag auszuweisen.722 Bei Rentenverbindlichkeiten ist dies der Rentenbarwert, also der versicherungsmathetisch berechnete, zur Befreiung von einer solchen Verbindlichkeit erforderliche

Freidank/P. Velte, StuW 2010, 356, 365 f.; T. Stobbe/Rade, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, § 6 Rn. 461; M. Günkel/M. Teschke, Ubg 2010, 401, 402 ff.; zum Streitstand statt vieler nur E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 200. 719 Dass dies (jedenfalls) aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und auch Vollzugsfähigkeit nicht unproblematisch ist, hat zwischenzeitlich auch die Finanzverwaltung erkannt: BMF v. 25.3.2013, BStBl. I 2013, 296 hat den Vollkostenansatz erst einmal bis zur Verifizierung des damit verbundenen Aufwandes ausgesetzt. 720 BMF v. 12.3.2010, BStBl. I 2010, 239, Rn. 6. 721 Vgl. BFH v. 14.12.2011, I R 72/10, BFHE 236, 101, wonach einer solcher Anschaffungsvorgang in Bezug auf Drohverlustrückstellungen sogar Vorrang gegenüber einem etwaigen Passivierungsverbot haben soll. 722 E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 441.

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Betrag.723 Sach- oder Dienstleistungsverbindlichkeiten sind mit dem Betr­ag anzusetzen, der den zur Erfüllung notwendigen Aufwendungen entspricht.724 Entsprechendes gilt für Rückstellungen. Auch hier ist der Erfüllungsbetrag maßgeblich (§ 252 Abs. 1 Satz 2 HGB), wobei das Steuerrecht freilich bedeutsame Konkretisierungen und Modifikationen in Bezug auf die Abzinsung und den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt für die Wertverhältnisse vorsieht (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG). In den meisten Fällen fehlt es jedenfalls (auf den ersten Blick) an einem Entgelt, das als pagatorischer Anknüpfungspunkt dienen kann. Dennoch handelt es sich auch beim Nenn- und Erfüllungswert um pagatorische Anschaffungswerte. Dies hat Erich Kosiol auf der Grundlage seines pagatorischen Bilanzkonzepts überzeugend dargelegt.725 Er versteht den Ausdruck Anschaffungswert weit, löst ihn von der Vorstellung eines Anschaffungsvorgangs (insbesondere des Kaufs) und versteht ihn als Entstehungswert für die einzelnen Bilanzbestände: „Aktiva und Passiva gelangen mit dem Wert in die Bilanz, durch den sie überhaupt auf Grund des Einnahmen- und Ausgabenvorgangs buchhalterisch ursprünglich entstehen“.726 Bei Forderungen ist hiernach der pagatorische Wert gleich dem ursprünglichen Einnahmewert im Sinne der vereinbarten zukünftigen Einnahme. Bei Schulden hingegen ist er gleich dem ursprünglichen Ausgabewert im Sinne der vereinbarten künftigen Barausgaben.727 Manfred Groh hat dies plastisch als „Abschaffungskosten“ bezeichnet.728 Kommen wir nach alledem zum ordnungsstiftenden Kriterium zurück: Ausgehend von dem eingeschlagenen Systematisierungsweg steht hier nicht das pagatorische Prinzip als solches im Mittelpunkt, sondern seine Aussage für den realen Bezugspunkt. Insoweit ergibt sich keine voll­ ständige Deckung: In vielen Fällen erfassen die Anschaffungs- und Herstellungskosten (vergangenheitsorientiert) beobachtbare (intersubjektiv nachvollziehbare) Vorgänge. Dies gilt für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern bezüglich der tatsächlich vereinbarten Preise, gilt aber ebenso auch für den realen Güterverzehr im Übrigen, wie er vor allem den Herstellungskosten eigen ist. Es ist der Blick auf die in der Vergangenheit stattgefundenen Vorgänge, die hier den realen Bezugspunkt dar723 E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 443. 724 E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 445. 725 E. Kosiol, zfhf 38 (1944), S. 47 ff.; derselbe, ZfB 22 (1952), S. 265, 269 f; andere Ansicht noch H. Hanisch, Die Entwicklung der Wertbegriffe im modernen deutschen Steuerrecht, S.83: Der Nennwert ist kein besonderer Wertbegriff, sondern sei letztlich der gemeine Wert. 726 E. Kosiol, zfhf 38 (1944), S. 47, 51. 727 E. Kosiol, zfhf 38 (1944), S. 47, 51 f. 728 M. Groh, DB 2007, 2275.

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stellen. Bei einigen Wirtschaftsgütern existiert hingegen kein solcher Bezugspunkt. Insbesondere der Erfüllungswert trägt eine Verkehrswert­ orientierung in sich, dies nämlich dann, wenn er den Gütereinsatz abbildet, den man zu Verkehrswerten in der Zukunft einkaufen muss. Dies gilt sowohl für Sach- oder Dienstleistungsverbindlichkeiten als auch für die praktisch sehr relevanten Rückstellungen. Der hier notwendige Blick in die Zukunft – der vom Pagatoriker mit dem Begriff der Voreinnahme bzw. Vorausgabe so auch bereits angedeutet wird – macht den Unterschied und führt dazu, dass es sich nach der hier bevorzugten Systematisierung letztlich um Verkehrswerte im Sinne § 3 III. 2 handelt. Wer also eine Rückstellung bildet und dafür – unter Beachtung der Kautelen des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG – die Frage beantworten muss, welche Aufwendungen bei Realisierung des Risikos zur Erfüllung der Verbindlichkeit anfallen werden, muss der hypothetischen Frage nachgehen, ob und inwieweit sich Preise für bestimmte (zur Erfüllung der Verpflichtung erforderliche) Gegenstände bilden bzw. Menschen sich auf Preise einigen. dd) Soweit Anschaffungs- und Herstellungskosten vergangenheitsorientiert ermittelt werden, wirken sie auf den ersten Blick objektiv; sie scheinen wenig Spielraum zu lassen. Dies ist jedoch ein Trugschluss. Sehr deutlich wird dies dort, wo selbst eine Geldgegenleistung nicht einfach in EUR mit dem Nominalwert bewertet werden kann. Dies ist beispielsweise der Fall bei unbestimmten Leistungen (d.h. Höhe und Dauer der Leistungspflicht und damit die Gesamtleistung sind unbekannt). Hier muss der Barwert ermittelt werden729 und die dafür notwendigen Parameter müssen erst einmal gefunden bzw. geschätzt werden. Oder: Bei Gesamtkaufpreisen für die Anschaffung mehrerer Wirtschaftsgüter ist wegen der notwendigen Einzelbewertung erst einmal eine Aufteilung notwendig. Haben die Parteien eine anzuerkennende Aufteilung nicht vorgenommen, muss ermittelt werden, was die Vertragsparteien, wenn sie den Kaufpreis nach ernsthaften wirtschaftlichen Maßstäben aufgeteilt hätten, dabei für die einzelnen übernommenen Wirtschaftsgüter voraussichtlich angesetzt hätten.730 Beim Betriebsvermögen soll sich dieser Maßstab aus dem Verhältnis der Teilwerte zum Gesamtpreis ergeben; beim Privatvermögen hingegen wird auf das Verhältnis der gemeinen Werte zum Gesamtpreis zurückgegriffen.731 Es wird also auf Aufteilungsmaßstäbe zurückgegriffen, die ihrerseits wieder mit Bewertungsungenauigkeiten auskommen müssen. Ferner zeigt sich die Illusion einer Be729 T. Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 201. 730 BFH v. 28.3.1966, VI 320/64, BStBl. III 1966, 456. 731 BFH v. 19.5.2005, IV R 17/02, BStBl. II 2005, 637; v. 11.10.2007, IV R 52/04, BStBl. II. 2009, 705.

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wertungsgenauigkeit von Anschaffungskosten dort, wo die Gegenleistung selbst nicht in Geld besteht, sondern in einem anderen Gegenstand. In diesem Fall bedarf es einer Bewertung mit dem gemeinen Wert des Wirtschaftsgutes, das man weggegeben hat, um das angeschaffte Wirtschaftsgut zu erhalten (vgl. § 6 Abs. 6 EStG). Nunmehr lässt sich vielleicht sagen, dass dies im Verhältnis zum Gros der Fälle Ausnahmekonstellationen sind. Aber selbst wenn man hier von einer unproblematischen, sofort fälligen, in europäischer Währung bemessenen Gegenleistung ausgeht, so muss man erkennen, dass die – nach dem Gesetz immerhin verpflichtend mit zu erfassenden – Anschaffungsnebenkosten ein nicht zu vernachlässigendes Ungewissheitspotential in sich tragen. Dies gilt zum Beispiel für die internen Anschaffungsnebenkosten, die allein dadurch entstehen, dass man Ware mit dem eigenen LKW abholt und durch das eigene Personal entladen lässt. Genau genommen müssten diese „Einzelkosten“ den angeschafften Wirtschaftsgütern anteilig zugeschlagen werden.732 Schließlich müssen gegebenenfalls die externen Anschaffungsnebenkosten geschlüsselt zugewiesen werden, wenn dies anders nicht geht (Beispiel: Transport verschiedener Güter mit einer Lieferung und es fallen einheitliche Transportkosten an). Aber was ist der Maßstab? Der Wert der einzelnen Gegenstände zueinander, eine „pro Kopf“-Rechnung oder das Gewicht? Nach alledem zeigt sich, dass es nur wenige Fälle gibt, in denen die Tatbestandsmerkmale des § 255 HGB eine derart konkrete Auslegung erfahren, dass anhand der ohne weiteres feststellbaren Tat­ sachen praktisch nur ein Rechtsanwendungsergebnis denkbar ist. Wir sehen hier selbst an dem (vermeintlich) einfachen Beispiel der An­ schaffungskosten, dass und warum von wenigen Fällen abgesehen die Annahme einer „Bewertungsgenauigkeit“733 trotz der pagatorischen Anknüpfung und vieler typisierender Elemente auch diesbezüglich eine Illu­sion ist. Für den Herstellungskostenbegriff, der alle diese Probleme ebenfalls aufwirft und überdies noch weitergehende Gemeinkosteneinflüsse aufweist, gilt dies erst recht. Im Ergebnis wird bei vielen dieser Aspekte aus Praktikabilitätsgründen von allzu genauen Zurechnungen abgesehen werden (können); aber selbst dies kann und wird jeder Steuerpflichtige anders tun.734 732 K. Offerhaus, DStR 1967, 14, 16; S. Tiedchen, in: Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, § 255 HGB Rn. 25. 733 So W. Mathiak, DStJG 7 (1984), S. 97, 111; ähnlich T. Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 73. 734 Siehe zum Beispiel für die exemplarisch genannten Anschaffungsnebenkosten S. Tiedchen, in: Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, § 255 HGB Rn. 31; M. Wohlgemuth, in: v. Wysocki/Schulze-Osterloh/Hennrichs/Kuhner, Handbuch des Jahresabschlusses, I/9 Rn. 24.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

ee) An die Zugangsbewertung schließt sich im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als Ergebnis der Folgebewertung sodann ein weiterer Rechtswert an: der Buchwert. Sein bewertungsrechtlicher Ausgangspunkt sind in der Regel die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsgutes; in Betracht kommen allerdings auch Verkehrswerte (zum Beispiel nach Einlagen, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) oder sogar selbst wiederum ein Buchwert (zum Beispiel bei Buchwertfortführung, vgl. § 6 Abs. 3 EStG und die Vorschriften des UmwStG). Als Rechtswert wird der Buchwert vorausgesetzt. Explizit im Gesetz verwendet wird er vor allem von Vorschriften des UmwStG anlässlich der Buchwertverknüpfungswahlrechte bei Umstrukturierungen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG und § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Inhaltlich beschrieben wird er von § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG und § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG: „der Wert, der sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergibt“. Diese Normen rekurrieren letztlich auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 bzw. Nr. 2 Satz 1 EStG. Hiernach sind abnutzbare Wirtschaftsgüter mit den „Anschaffungs- und Herstellungskosten oder der an ihre Stelle tretende Wert vermindert um die Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen, Sonderabschreibungen, Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge“ anzusetzen. Für nichtabnutzbare Wirtschaftsgüter gilt die Definition entsprechend verkürzt (vgl. Nr. 2 Satz 1). Der Buchwert kann mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten übereinstimmen (so zum Beispiel in der juristischen Sekunde der Anschaffung oder bei nichtabnutzbaren Wirtschaftgütern vielfach auch noch lange Zeit danach), muss es aber nicht. So unterliegen abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, einer regelmäßigen Absetzung für Abnutzung: Die Anschaffungskosten, die Herstellungskosten oder der Ersatzwert (bei Einlage zum Beispiel der Teilwert) sind in gleichmäßigen Raten auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zu verteilen (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 ff. EStG). § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG ergänzt dies um eine Regelung für Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen. Gleich, ob man dieser Absetzungsregelung (mehr) die Aufgabe einer Aufwandsverteilung zuweist735 oder ob man in ihr (mehr) eine Regelung sieht, die den im 735 Dieser Aufwandsverteilungsthese zum Beispiel zuneigend RFH v. 7.7.1927, VI A 217/27, RStBl. 1927, 200; BFH v. 17.3.1959, I 15/59, DB 1959, 1184; P. Brandis, in: Blümich, § 7 Rn. 30 f.; H.-W. Kruse, FR 1981, 473, 478; H. Söhn, StuW 1991, 270.

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Anschluss an die erfolgs­ neutrale Vermögensumschichtung (Anschaffung/Herstellung) mit der Abnutzung und dem Verbrauch verbundenen Wertverzehr den damit erzielten Erträgen zuweisen soll736, ist der durch ihre Rechtsfolge hervorgebrachte Wertansatz ein technisches Produkt. Aus diesem Grunde wird zum Teil auch gar nicht von Bewertung gesprochen.737 Dies ist insoweit richtig, als hier Gegenstand der Bewertung der einer bestimmten Periode zurechenbare, sich als Erwerbsaufwendung auswirkende Wertverzehr ist und der Wertansatz für das betroffene Einzelwirtschaftsgut ausschließlich die bilanzielle Kehrseite dessen ist. Hier wird inbesondere der Unterschied zur Teilwert-Abschreibung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 u Nr. 2 Satz 2 EStG) deutlich: Letztere stellt eine Bewertung des Wirtschaftsgutes mit einem (niedrigeren) Verkehrswert dar. Es wird also das Wirtschaftsgut selbst bewertet. Die schematische (lineare) Vorgehensweise des Gesetzes bei der Verteilung des Wertverzehrs auf die Jahre der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer in völliger Loslösung von der Frage, ob ein solcher Wertverzehr überhaupt eingetreten ist, das Anschaffungskostenprinzip mit seiner nach oben begrenzenden Wirkung sowie die Tatsache, dass das Steuerrecht an vielen Stellen mit Lenkungsnormen durchzogen ist, die mittels Sonderabschreibungen und erhöhten Absetzungen zu Buchwerten führen, wo selbst der Gedanke einer periodengerechten Verteilung der Anschaffungs-/Herstellungskosten nicht mehr wiederzufinden ist, zeigen das Spezifikum des Buchwertes: Im geltenden Bilanzsteuerrecht kann er keinen anderen Anspruch haben, als ein rechtstechnisches Mittel zu sein. Er ist die Speicher- und Zuordnungsgröße für AfA-Potential und bildet im Falle der (Ersatz-) Realisation eine Rechenziffer bei der Gewinn­ ermittlung. Bei nichtabnutzbaren Wirtschaftsgütern beantwortet er zudem die Frage, zu welcher Gegenleistung bzw. zu welchem Güterverzehr sie in – einer zum Teil lange zurückliegenden – Vergangenheit einmal angeschafft bzw. hergestellt worden sind. Eine weitergehende Aussage darf man von einem Buchwert nicht erwarten. Für die weitere Untersuchung spielt er daher auch keine Rolle.

736 Sog. Wertverzehrsthese, in diese Richtung BFH v. 22.11.1962, IV 38/61, HFR 1963, 287; v. 31.1.1986, VI R 78/82, BStBl. II 1986, 355; B. Knobbe-Keuk, DB 1985, 146 f.; J. Costede, StuW 1986, 44 ff., beides weitgehend zusammenführend allerdings BFH v. 27.6.1978, VIII R 12/72, BStBl. II 1979, 38: Berücksichtigung des Wertverzehrs durch eine periodengerechte Aufwandsverteilung. 737 Zum Beispiel N. Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 556.

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4. Ertrag als eigenständiger (ausschließlicher) Ist-/Soll-Bezugspunkt Spätestens seit dem Preuß­ErgStG 1893 begleitet uns neben dem Verkehrswert auch der Rechtswert des „Ertragswertes“. Und auch seit eben jener Debatte begleitet den Steuerrechtler sowohl das Problem der Begrifflichkeit als auch das Problem des damit verbundenen Aussagegehaltes. Der von einigen preußischen Abgeordneten in der zeitgenössischen Debatte favorisierte „Ertragswert“ (den nach dem gesetzlichen Zinssatz kapitalisierten durchschnittlichen erzielbaren Soll-Ertrag) konnte sich nicht durchsetzen. Gleichwohl führte der preußische Finanzminister sodann aus, dass dort, wo es an Verkaufswerten fehle, die zum Vergleich herangezogen werden könnten, „naturgemäß, wie das heute bei den Taxen geschieht, thatsächlich der Ertragswerth des betreffenden Grundstücks kapitalisiert dem gemeinen Werth entsprechen [werde]“.738 Damit vermittelte er den Eindruck, dass den Ertragswertgesichtspunkten doch Rechnung getragen werde. Im Ergebnis hat man denselben Begriff „Ertragswert“ verwendet, aber letztlich wohl doch aneinander vorbei geredet739 – dies gegebenenfalls sogar bewusst740. Auf Reichsebene mit dem RErbStG 1906 und in Preußen mit der Novelle zum PreußErgStG im Jahr 1909 fand ein spezifischer Ertragswert, der nicht danach fragt, was jemand für einen Gegenstand (vor allem: Grundstücke der Land- und Forstwirtschaft) bezahlen würde, sondern der den Wert aus der Kapitalisierung von Soll-Erträgen zu gewinnen versuchte, dann aber doch noch seine normative Anerkennung. So galt sowohl nach § 16 Abs. 2 RErbStG 1906 als auch § 11 Abs. 1 PreußErgStG 1893 (in der Fassung der Novelle vom 26.5.1909) als Ertragswert das „25-fache des Reinertrages, den die Grundstücke nach ihrer bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig gewähren können“. Derartige als Ertragswert bezeichnete und als Kapitalisierung von definierten Ist- oder Soll-Erträgen konzipierte Rechtswerte haben sich vor allem für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen verfestigt. Auch für die Grundstücksbewertung fanden sie normative Anerkennung, wenn auch abweichend von der vorstehenden Konzeption als Ist-Ertragswert mit Typisierung der Aufwendungen (vgl. vor allem § 17 WehrbG 1913: „Bei bebauten Grundstücken, die Wohnzwecken oder gewerblichen Zwecken dienen, gilt als Ertragswert das 25-fache des Miet- und Pachtertrages, der in den letzten drei Jahren im Durchschnitt erzielt worden ist oder im 738 Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, V. Session 1892/93, Band 3, S. 1853. 739 F. Helmert, Der Wert im Vermögensteuerrecht, S. 66 f., siehe ferner noch nachfolgend die konzeptionelle Gegenüberstellung. 740 P. Kirchhof, DStR 1984, 575 f. spricht von einer „Verschleierungsformel“.

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Falle der Vermietung oder Verpachtung hätte erzielt werden können nach Abzug von einem Fünftel für Nebenleistungen und Instandhaltungskosten […]“). Diese Ertragswertkonzeptionen wurden bei den verschiedenen Gesetzesreformen für die Land- und Forstwirtschaft sowie den Grundbesitz immer wieder aufgegriffen.741 Ob und inwieweit sie konsequent verwirklicht wurden, ist eine andere Frage. Entsprechendes gilt überhaupt für das damit angesprochene theoretische wie auch normative Verhältnis zu den Verkehrswerten. Von Anfang an wurde dem (vermeintlich) niedrigeren Ertragswert eine abschirmende Wirkung gegenüber dem (vermeintlich) höheren Verkehrswert beigemessen. Dies geschah allerdings nicht immer „bedingungslos“. Das ErbStG 1919 beispielsweise „sicherte“ sich ab: So bestimmte § 47 Abs. 4 ErbStG 1919, dass „wenn ein mit dem Ertragswert veranlagerter Grundbesitz innerhalb von 10 Jahren nach dem Bewertungsstichtag veräußert wird, mit dem Veräußerungspreis neuzuveranlagen ist.“ Der Ertragswert war also zwingend, wurde aber nur unter der Bedingung gewährt, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht doch der Tauschwert realisiert wird. § 152 Abs. 6 RAO 1919 wiederum sah ein voraussetzungsloses Wahlrecht des Steuerpflichtigen zwischen Ertragswert und gemeinem Wert vor, welches vom RBewG 1925 allerdings nicht mehr übernommen wurde. Schreiten wir in diesem Kontext auf der Zeitschiene voran: Der Gesetzgeber des Jahressteuergesetzes 1997 bekannte sich beispielsweise für bebaute Mietwohngrundstücke zum Ertragswertprinzip und dies unter bewusster Inkaufnahme einer erheblichen Abweichung gegenüber einem Verkehrswert, wie er normalerweise für Mietshäuser erzielt wird 742, sah aber gleichwohl einen verkehrswertorientierten Mindestwert (§ 146 Abs. 6 BewG i.V.m. § 145 Abs. 3 BewG, d.h. typi­ sierter Verkehrswert des unbebauten Grundstücks bewertet als Bodenrichtwert × qm × 80 %) sowie eine Begrenzung des Ertragswertes „nach oben“ durch den vom Steuerpflichtigen nachweisbaren Verkehrswert des Grundstücks (§ 146 Abs. 7 BewG) vor.743 Auf solche Zusammenhänge 741 Vgl. beispielsweise den (rechtspolitischen) „Schwenk“ des Finanzausschusses vom Verkehrswert hin zum Ertragswert bei der Bewertung des Grundvermögens anlässlich des Jahressteuergesetzes 1997 (Zweiter Bericht des Finanzausschusses v. 11.6.1996, BT-Drucks. 13/5952, S. 27). Siehe ferner die Begründung v. 27.8.1999 zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 BT-Drucks. 14/1514, S. 20. 742 Der Ertragswert solle nur 50 % des Verkehrswertes eines Mietshauses abbilden (Zweiter Bericht des Finanzausschusses v. 11.6.1996, BT-Drucks. 13/5952, S. 28). 743 Zu Recht (aus konzeptioneller Sicht) kritisch gegenüber dieser „doppelte Abhängigkeit“ der im Ausgangspunkt vom Gesetzgeber gewählten Ertragswertkonzeption vom Verkehrswert R. Jüptner, StuW 2005, 126, 135, 139, der dies zugleich als Ausdruck eines politischen Kompromisses ansieht.

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

wird nachfolgend noch zurückzukommen sein, weil dies einer der Gründe dafür ist, warum die theoretische Einordnung des Ertragswertes so schwierig sein kann. Gemeinsam war den verschiedenen gesetzgeberischen Tätigkeiten jedenfalls eines, nämlich die Sorge vor einer über­ mäßigen Bewertung eines typischerweise nicht zur Veräußerung bestimmten Gegenstandes. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass das deutsche Bewertungsrecht bis heute von einem (vermeintlichen, dazu sogleich) Dualismus von Verkehrswert (vor allem: gemeinen Wert) und Ertragswert geprägt ist, wenngleich heute doch weit aus geringer als noch vor einigen Jahrzehnten. Eine heute gängige (abgrenzende) Umschreibung dieses Dualismus lautet beispielsweise: „Dem Verkehrswert liegt die Perspektive der Wertre­ alisierung durch Veräußerung, dem Ertragswert dagegen die laufende Nutzung des Wirtschaftsgutes zugrunde“.744 Dies entspricht der bereits eingangs von § 3 III. 1. genannten Differenzierung zwischen den „Grundtypen“ Verkehrswert (Tauschwert) und Ertragswert (Gebrauchswert).745 Vielfach schließen sich auch Aussagen dazu an, welcher dieser Grundtypen für welche Steuerart „ideal“ bzw. „folgerichtig“ sei: Für die Erbschaft- und Schenkungsteuer sei dies der Tauschwert und für die Vermögensteuer (als Sollertragsteuer) sei dies der Ertragswert (siehe bereits § 2 I 2.). Knüpfen wird aber erst einmal an die vorgenannten Perspektiven an. Dies führt zu der Frage nach dem Verhältnis von Verkehrs- und Ertragswert. Schon früh wurde betont, dass sich eine strikte Gegenüberstellung von Verkehrs- und Ertragswert verbiete.746 Denn eine Verbindung beider Maßstäbe sei deshalb gegeben, weil bei ertragsfähigen Gegenständen die künftigen Erträge den Verkehrswert beeinflussen, wenn nicht sogar prägen. Diese Erkenntnis finden wir bereits in dem einleitend von § 3 III. 4. wiedergegebenen Zitat des preußischen Finanzministers. Ihren Ausdruck fand sie im Anschluss hieran auch in der Technischen Anleitung zum Ergänzungssteuergesetz und insbesondere in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts.747 Vor allem spiegelt sich dies in den meisten Methoden zur Unternehmensbewertung wieder. Insoweit sei hier noch einmal exemplarisch auf die Ausführungen zur Unterneh744 J. Hey, JZ 2007, 564, 566; sinngemäß R. Jüptner, StuW 2005, 126, 128; W. Leisner, DB 1996, 595, 596; R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 15 Rn. 53 ff. 745 Zu dieser Grundtypendifferenzierung vor allem K. Vogel, DStZ 1979, 28 ff. und sodann R. Jüptner, StuW 2005, 126 ff.; P. Kirchhof, Die Steuerwerte des Grundbesitzes, S. 3 ff.; W. Leisner, DB 1996, 595, 596. 746 L. Buck, FinArchiv 28 (1911), S. 45, 108; Glassing, FinArchiv 17 (1900), S. 306; G. Strutz, PreußErgStG, § 9 S. 55 ff. 747 PreußOVG v. 20.4.1896, Rep. VIIIa 1/96, PreußOVGStE 5, 63, 77.

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mensbewertung verwiesen (siehe § 1 III. 3.). Wie weit diese Verbindungslinie reicht, ist allerdings nicht unumstritten. Während Teile des Schrifttums den Ertragswert als bloßen Unterfall des Verkehrswertes betrachten748, vereinzelt auch der Verkehrswert nur als Erscheinungsform des Ertragswertes angesehen wird749, nimmt die (wohl) überwiegende Meinung hier kein Über-/Unterordnungsverhältnis an. Vielmehr geht sie davon aus, dass Ertrags- und Verkehrswert nebeneinander stehen750 und sie lediglich unter bestimmten Bedingungen zu einem (zumindest) vergleichbaren Ergebnis führen.751 Insbesondere zu Letzterem findet man im Schrifttum gelegentlich die Behauptung, dass sich im gewerblichen Bereich Ertragsund Verkehrswert regelmäßig entsprechen würden.752 Zum Teil wird eine Konvergenz zwischen Verkehrs- und Ertragswert jedenfalls für voll verkehrsfähige und üblicherweise auch am Markt umgeschlagene Güter angenommen.753 Solche Behauptungen lassen sich freilich nur aufstellen, wenn man zugleich annimmt, dass die maßgeblichen Erträge und auch die Kapitalisierungsfaktoren verkehrswertbestimmend und nicht nach einer gesetzgeberischen „(künstlichen) Soll-Entscheidung“ bestimmt werden. Die genannten Vorstellungen von Verkehrs- und Ertragswert und vor allem ihrem Verhältnis zueinander können hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Das Problem sind vor allem die terminologischen Überschneidungen und auch Vereinfachungen. Denn der Begriff des „Ertragswertes“ weist keinen festen Begriffsspeicher auf. Schon die historische Debatte im Kontext des PreußErgStG 1893 lief letztlich auf einen 748 A. Mark, DStJG 7 (1984), S. 293, 298 ff.; L. Osterloh, DStJG 22 (1999), S. 177, 182 ff. (Unterart des Tauschwertes, wegen der Beschränkung auf die laufenden Erträge aber ein unvollständiger). 749 Siehe H. Zitzelsberger, in: Festschrift f. Ritter, S. 661, 667, der den Verkehrswert zumindest theoretisch als derivativen Ertragswert bezeichnet, allerdings praktische Divergenzen einräumt. 750 A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Bewertungsmethoden im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 76; R. Jüptner, StuW 2005, 126, 128; P. Kirchhof, DStR 1984, 575, 577; A. Löhle, Verfassungsrechtliche Gestaltungsspielräume und -grenzen bei der Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen, 95 f.; M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 71 ff.; K. Vogel, DStZ 1979, 28, 33. 751 Vgl. R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 15 Rn. 55. 752 So zum Beispiel A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Bewertungsmethoden im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 76; K. Vogel, DStZ 1979, 28, 33; N. Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 573. 753 H. Zitzelsberger, in: Festschrift f. Ritter, S. 661, 667.

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Dissens hinaus, was maßgeblich dazu beigetragen haben dürfte, dass die Speicherfunktion von Begriffen aufgrund historischer Erscheinungen und Vorbilder hier versagt. Zudem leidet die Diskussion auch an dem Defizit, dass die Kreations- und Definitionsfreiheit des Gesetzgebers nicht ausreichend beachtet wird. Die Literatur versucht eine (abgrenzende) Charakterisierung abstrakt, vor allem orientiert an der ideengeschichtlichen Unterscheidung zwischen Tausch- und Gebrauchswert. Wir müssen jedoch danach unterscheiden, was der Gesetzgeber als Ausdruck von Leistungsfähigkeit mittels einer konkreten Steuer- und sodann auch Bewertungs­norm erfassen will. Der Begriff Ertragswert kann nämlich immer nur in seinem normspezifischen und vor allem belastungsgrundspezifischen Kontext verstanden werden, weshalb wegen der Mehrfachverwendung des Begriffs eigentlich immer zugleich mit erläutert werden muss, was er zum Ausdruck bringen soll: – So ist es dem Gesetzgeber unbenommen, ein Ertragswertkonzept zur Konkretisierung des Verkehrswertes zu verfolgen. Dies kann er auch dergestalt tun, dass er sich von dem tatsächlich gezogenen Erträgen bzw. den tatsächlich (voraussichtlich) erzielbaren Erträgen distanziert und stattdessen die Erträge typisiert. Gleichwohl geht es nach dem gesetzgeberischen Konzept immer um die Erfassung einer „Ist-Leistungsfähigkeit“; die Typisierung ändert also nichts daran, dass Ziel immer die Erfassung des Ist-Nutzens ist und dies deshalb, weil es um die Abbildung eines Verhaltensmusters geht, also auch der Markt eine Preisbildung anhand dieses Ist-Nutzens vornehmen würde. Ein solcher investitionstheoretisch orientierter Ertragswert ist ein Verkehrswert und ist den dortigen Ausführungen zuzuordnen. Deshalb muss der Ertragsgedanke auch folgerichtig zurücktreten, wenn feststeht, dass (wahrscheinlich) ein Preis zu erzielen ist, der nicht alle­in im Hinbli­ck auf den (künftigen) Nutzen zu erklären ist. Börsenkurse als Ausdruck des (mit ausreichender Wahrscheinlichkeit re­ alisierbaren) Tauschwerts sowie vergleichbare Preisübertragungsvorgänge müssen also des eigenen Konzepts willen in diesem Fall Vorrang vor einem solchen Ertragswert genießen. – Ferner kann der Gesetzgeber ausschließlich an die Ertragskraft des Gegenstandes anknüpfen, wobei gleichgültig ist, ob er einen Ist-Ertrag oder einen Soll-Ertrag für maßgeblich erklärt. Hier soll also nicht vom (künftigen) Nutzen auf den wahrscheinlich erzielbaren Preis geschlossen werden. Seine Perspektive ist vielmehr eine andere: Besteuert werden soll überhaupt nicht der Gegenstand, sondern die Möglichkeit seiner Nutzung. Schon in begrifflicher Hinsicht zeigt sich das Dilemma: Warum spricht man vom Ertragswert des Gegenstan226

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des, wenn die Steuer gar nicht den Gegenstand als solches belasten soll, sondern den daraus gezogenen bzw. ziehbaren Nutzen? Warum kapitalisiert man den aus der Quelle fließenden Ist- bzw. Soll-Nutzen und bringt ihn mit dem Gegenstand als solches in bewertungsrechtlichen Zusammenhang, verdichtet also die Erträge derart gegenstandsbezogen? Die Antwort lautet: Es ist letztlich eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Einen eigenständigen Wertbegriff kreiert man als Gesetzgeber deshalb, weil man regelungstechnisch nicht unmittelbar auf die Ist-/Sollerträge zugreifen will oder kann. Wenn man dergestalt die künftigen Ist-/Sollerträge kapitalisiert, kommt es aber gerade zu den Abgrenzungsproblemen zum investitionstheoretischen Ertragswert, zu dessen Wesensmerkmal ein solches am Barwertkalkül ausgerichtetes Vorgehen nämlich gehört. Die Grenze zwischen der Stromgröße (Soll-) Ertrag und der auf den Gegenstand selbst bezogenen Bestandsgröße Vermögen verschwimmt dadurch. Hinzutreten weitere Abgrenzungsschwierigkeiten, die gerade aus der Definition der Erträge herrühren (nur laufende Erträge oder auch [realisierte] Wertsteigerungen?754). Es darf jedenfalls nie übersehen werden, dass ein solcher Ertragswert immer (nur) ein rein technisches Mittel, also ein Kunstprodukt ohne eigenen Aussagewert ist (d.h. ohne einen Aussagewert, der über die Erträge bzw. unterstellte Ertragsfähigkeit selbst hinausgeht): Denn eine unmittelbare Aussage über die Ertragsfähigkeit des Vermögens ermög­ lichen immer nur die Ist-/Soll-Erträge selbst.755 Wenn man also die wie auch immer bestimmten Erträge kapitalisiert, muss man dem zwangsläufig wiederum auf der Ebene des Steuertarifs Rechnung tragen und die Besteuerung somit zum (Soll-) Ertragsteuergedanken wieder zurückführen. Weil also bei einem durch Kapitalisierung gewonnenen Sollertragswert die Kapitalisierung nur eine rechtstechnische Funktion erfüllt, offenbart sich damit auch der entscheidende Unterschied zum Bar754 Siehe zur Unterscheidung zwischen engen und weiten Ertragswertverständnissen mit Nachweisen zum Beispiel M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 71 ff. 755 Angesichts dessen verwundert es nicht, dass schon anlässlich der Beratungen zum PreußErgStG 1893 alternativ zur „Ergänzungsbesteuerung des Vermögens“ über einen Zuschlag zur Einkommensteuer bei Vermögenseinkünften bzw. eine Absenkung des Steuersatzes für Arbeitseinkünfte nachgedacht wurde, siehe den Bericht der Steuerreformkommission über den Entwurf eines Ergänzungssteuergesetzes, Anlagen zu den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten, V. Session 1892/1893, Band 5 Aktenstück Nr. 127, S. 2309 f. und S. 2331 ff.

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wertkalkül, wie es den Verkehrswerten zugrunde liegen kann. Beim investitionstheoretisch orientierten Ertragswert ist der Barwert Ausdruck der Anlagealternativität und damit auch unterschiedlicher Risikoeinschätzungen in Bezug auf die zu vergleichenden Anlagealternativen (vgl. § 1 III. 3. a.). Bei einem (lupenreinen) (Soll-) Ertragswert verbietet sich eine solche Betrachtung hingegen. Es geht nicht um Anlagealternativität, sondern um die rechtstechnische Überführung einer Sollertragsvorstellung in einen bemessungsgrundlagetauglichen Wertansatz. Ein Sollertragswert kann in Bezug auf die Ertragskraft der Gegenstände differenzieren. Er kann seiner eigenen Logik nach aber nicht in Bezug auf Risikoaspekte differenzieren und müsste daher immer mit einem einheitlichen Zins einhergehen. Spielt der Gesetzgeber hingegen mittels des Verkehrswertes „über die Bande“, trägt er die unterschiedlichen verkehrswertprägenden Risikoparameter in die Sollertragssteuer hinein. In dem Moment, wo das Risiko in Bezug auf die Erträge bzw. die ertragbringende Quelle auch für eine Sollertragsteuer ein Unterscheidungskriterium zwischen den verschiedenen Gegenständen wird, geht daher die Verbindung zum Belastungsgrund einer Sollertragssteuer verloren. Denn für eine (Soll-) Ertragsbesteuerung ist eine solche Differenzierung irrelevant. Schon die Beratungen zum PreußErgStG 1893 haben diese konzeptionelle Verschiedenheit offengelegt, wenn die Befürworter eines eigenständigen Ertragswertes die (mittleren) Soll-Erträge lediglich mit dem gesetzlichen Zinssatz kapitalisieren wollten756, so dass bei jedem Steuerpflichtigen die Verbindung von (gleichem) Zinssatz und (gleichem) Steuertarif zur Versteuerung vergleichbarer Sollerträge führte. Bedingt durch einen einheitlichen Vervielfältiger bleibt also die für eine Sollertragsteuer maßgebliche Relativität immer erhalten. Durch den Rückgriff auf (nach den künftigen Erträgen bemessene) Verkehrswerte wird sie hingegen wegen der unterschiedlichen (an das Risiko angepassten) Zinssätze zwangsläufig verfälscht. Vorstehend wurden die beiden „Pole“ dargestellt. Die Rechtswirklichkeit denkt freilich nicht immer in solchen konzeptionellen „Reinheitsgeboten“, sondern schafft regelmäßig differenzierte, in den vorgenannten Kategorien nicht eindeutige Befunde. Verwendet der Gesetzgeber einen „Ertragswert“, stellt sich die Frage, ob er damit wirklich einen eigenständigen Rechtswert (in der herkömlichen Diktion: einen eigenständigen, 756 Siehe beispielsweise die Ausführungen des Abgeordneten Enneccerus, Stenographische Berichte, V. Session 1892/1893, Bd. 1, S. 67, 181 f.; dazu auch F. Helmert, Der Wert im Vermögensteuerrecht, S. 63 ff.

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Intersubjektiv nachvollziehbarer Realbezug aller Rechtswerte

vom Verkehrswert verschiedenen „Grundtyp“) kreieren will (der auch die Bezeichnung eines eigenständigen steuerspezifischen – vom investitionstheoretischen abgrenzbaren – Ertragswertes verdient) oder ob er nicht vielmehr lediglich eine Variante eines Verkehrswertes geschaffen hat. Wann die Grenze zu einer solchen Eigenständigkeit überschritten ist, ist schwierig zu beurteilen. Nur weil etwas vom Gesetzgeber als „eigenständig“, als etwas „anderes“ verkauft wird, muss dies nicht der Fall sein. Nicht Begrifflichkeiten sind entscheidend. Wenn beispielsweise die einer Bewertung des Gegenstands zugrunde liegenden Erträge vom Gesetzgeber niedriger vorgegeben werden, als sie beobachtbar sind, kann dies lediglich Ausdruck einer (subventionierenden, verfassungsrechtlich womöglich unzulässigen) Typisierung des Verkehrswertes sein. Es kann aber auch der Einstieg in einen eigenständigen Rechtswert sein. Oder: Ist ein Ertragswert schon dann etwas „Eigenständiges“, wenn er ausschließlich auf laufende Erträge abstellt und jedes andere Preisbildungsverhaltensmuster ausschaltet, er also auch dann an der Maßgeblichkeit von Erträgen festhält, wenn der Rechtsverkehr dies nicht tun würde – sei es allgemein oder im konkreten Fall (zum Beispiel weil höhere Börsenkurse bzw. sonstige zeitnahe Preise beobachtbar sind oder der Substanzwert höher ist)? Letzteres muss nicht Ausdruck einer konzeptionellen Selbständigkeit sein, sondern kann schlicht auch begünstigenden Charakter haben. Dies drängt sich vor allem dann auf, wenn der Ertragswert zwar durch den Verkehrswert nicht über-, aber doch gleichwohl mittels einer Öffnungsklausel unterschritten werden darf und dann der niedrigere Verkehrswert maßgeblich ist. Bei dieser Ausgangslage würde ich Lerke Osterloh zustimmen wollen, dass ein solcher „Ertragswert“ in Wirklichkeit nur ein Tauschwert ist, aber eben ein „unvollständiger“, weil er bestimmte verkehrswertrelevante Faktoren bewusst ausblendet.757 Hier spielt gewiss auch eine Rolle, wie der Belastungsgrund im Übrigen umgesetzt wird. Wenn das Gesetz an eine Bereicherung beim Erwerber anknüpft, die Veräußerung des Gegenstandes beim Erwerber in Kauf nimmt und dementsprechend als Grundsatz einen Verkehrswert-Ansatz pflegt, dann wird es noch schwieriger zu begründen, dass bestimmte Bewertungsnormen, die einen Ertragswert für sich reklamieren, etwas „anderes“ seien als der Verkehrswert. Dies betrifft vor allem die Erbschaftund Schenkungsteuer. Betrachten wir schließlich aber auch die Vermögensteuer: Dort wiederum drängt sich zum einen die Frage auf, 757 L. Osterloh, DStJG 22 (1999), S. 177, 182 ff. Deshalb verbarg sich beispielsweise in der Tat hinter der hiermit vor allem angesprochenen Ertragsbewertung des Grundbesitzes nach dem BewG a.F. nur eine spezifische Begünstigung, die nicht offen als Begünstigung ausgewiesen wurde (L. Osterloh, a.a.O., 188 f.).

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

wie es sich auswirkt, dass der Gesetzgeber trotz eines (vermeintlichen) Sollertragsgedankens gleichwohl auch ertragloses, zum Teil sogar auch dem Grunde nach schon nicht ertragfähiges Vermögen erfasst. Diese Frage wird zum Teil dahingehend beantwortet, dass man dieses Vermögen zur „Liquiditätsreserve“ erklärt und seine (Verkehrs-) Wertschätzung darauf beruhe, dass man es (schnell) veräußern könne.758 Zum Teil wird auch auf das in diese Gegenstände investierte Kapital rekurriert und mittels des Verkehrswertes auf dessen Ertragfähigkeit geschlossen.759 Zwingend ist dies freilich nicht; ich finde es sogar wenig überzeugend. Zum anderen muss der Gesetzgeber bei der parallelen Verwendung von Ertrags- und Verkehrswert erklären können, warum beide Rechtswerte auch unter Berücksichtigung der vorstehend aufgezeigten Problematik („Risikoaspekt“, zweiter Absatz des zweiten Gedankenstrichs) dieselbe, der Vergleichsfunktion des Rechtswertes genügende Aussage in Bezug auf den Belastungsgrund erlauben. Wenn er dies nicht kann, dann muss er zumindest begründen können, warum dies nicht notwendig ist und die Eigenständigkeit beider Werte innerhalb einer Steuer unschädlich ist. Ein weiteres Beispiel dafür, wie schwierig es ist, einen Wert zwischen Verkehrs- und (eigenständigen) steuerlichen Ertragswert einzuordnen, zeigt die wechselhafte Gesetzgebungsgeschichte zum BesitzStG 1913 und WehrbG 1913 in Ansehung der Bewertung von Kapitalgesellschaften: Vorrangig waren der Börsenkurs und dann sekundär bekannte Verkaufswerte heranzuziehen – so verhält es sich heute nach wie vor (siehe § 11 Abs. 2 BewG). Für die subsidiäre dritte Stufe gab es eine parlamentarische Initiative, die folgende Fassung vorsah: „Sofern ein [Verkaufswert] nicht zu ermitteln ist, gilt als Wert [des Gesellschaftsanteils] das Sechzehnzweidrittelfache des Durchschnitts der während der letzten drei Geschäftsjahre […] verteilten Jahresdividende“.760 Dieser Antrag wurde letztlich wieder fallengelassen, weil erkannt wurde, dass Kapitalgesellschaften in Bezug auf ihre Ausschüttungen nicht immer die für einen solchen Ertragswert als notwendig befundene Konstanz aufweisen und es daher zu Überbewertungen kommen könne.761 Auch wenn diese Fassung nicht Gesetz geworden ist, sollte man sich die Frage stellen, mit wel758 R. Hoffmann, DStJG 12 (1989), S. 130 f. 759 F. Helmert, Der Wert im Vermögensteuerrecht, S. 58 u. S. 191. 760 Siehe den entsprechenden Änderungsantrag, der allerdings später noch eine weitere Änderung (Jahresgewinn statt Dividende) erfuhr (Bericht der Kommission für den Reichshaushalt vom 24.6.1913 zu § 19 WehrbG, Aktenstück 1083). Gesetz wurde letztendlich eine Fassung, die auf Vermögen und Ertrag abstellte (siehe bereits § 3 III. 2. b. cc] [3]). 761 Siehe die Ausführungen des Abgeordneten Gothein in der 171. Sitzung vom 27.6.1913, Stenographischer Bericht, S. 5580 B für das BesitzStG.

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Intersubjektiv nachvollziehbarer Realbezug aller Rechtswerte

chem Werttyp man es zu tun gehabt hätte. Die damalige Kommentarliteratur meinte zum Teil „Ertragswert“ verstanden als ein Wert, den der Anteil „ohne Rücksicht auf die Möglichkeit eines etwaigen Verkaufs für den Vermögensinhaber hat“.762 Ich würde angesichts der Hilfsfunktion gegenüber Börsenkurs und Verkaufswerten von einem Verkehrswert in Gestalt eines typisierten (investitiontstheoretischen) Ertragswertes ausgehen wollen und dies obwohl die ertragsorientierte Bewertung jedes andere Bewertungsverhaltensmuster ausgeschlossen hätte.763 Die Einordnungsprobleme dürften damit deutlich geworden sein. Es besteht immer auch die Gefahr, dass insbesondere die Kombination von Sollertragsargument und Ertragswert ein Mittel zum Etikettenschwindel ist, um bestimmte Vermögensarten zu „schonen“. Es verwundert jedenfalls nicht, dass es eigentlich seit dem Gesetzgebungsverfahren zum PreußErgStG 1893 bis in die heutige Zeit sowohl in der rechtspolitischen wie aber auch (verfassungs-) rechtlichen Diskussion nahezu immer (auch) um die Frage ging, ob mittels des Ertragswertes eine Inte­ressengruppe (die üblichen Verdächtigen: Land- und Forstwirte und bestimmte Grundstückseigentümer) begünstigt werden soll(t)en.764 Festzuhalten ist nach alledem: Die Abgrenzungsfrage ist sehr schwierig und vor allem wertungsabhängig. Auch wenn sie immer nur im jeweiligen normspezifischen Einzelfall unter Berücksichtigung des Belastungsgrundes und seiner Umsetzung im Übrigen beantwortet werden kann, drängt sich die Frage auf, ob der (durchaus einer Kreation zugängliche) eigenständige Ertragswert nicht vielleicht doch nur ein theoretisch denkbarer, aber bisher noch nie gesehener Rechtswert ist und wir es in der Rechtswirklichkeit bisher immer nur mit verkappten („unvollständigen, weil begünstigenden“) Verkehrswerten zu tun hatten. Jedenfalls ist große Vorsicht mit der Verwendung des Begriffs „Ertragswert“ geboten.

762 A. Hoffmann, WehrbG, § 19 Anm. 7. 763 So (wohl) auch Mrozek, DStBl 1920, 326, 327. 764 Siehe vor allem BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 64 ff.; M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG, S. 131 ff.; L. Osterloh, DStJG 22 (1999), S. 177, 180 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen. Bemerkenswerterweise stellte das PreußOVG schon 1896 fest, dass die Zulassung des Ertragswertes für landwirtschaftliche Grundstücke gegen das in den Finanzedikten vom 27.10.1810 (PreußGS 1810, S. 25) und 7.9.1811 (PreußGS 1811, S. 253) niedergelegte Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoßen würde, weil der durchschnittliche Verkaufswert über eben jenem Ertragswert liege (PreußOVG v. 20.4.1896, Rep. E VIIIa 1/96, PreußOVGStE 5, 63, 71 f.); die Ausführungen blieben hypothetisch, weil das Gericht letztlich durchgängig der Tauschwertinterpretation folgte (siehe bereits die Ausführungen zum gemeinen Wert unter § 3 III. 2. b. aa]).

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Der Bewertungsmaßstab eines Rechtswertes

Kommen wir hiernach zur Bezugspunktfrage zurück, wobei wir dafür unterstellen müssen, dass es den Ertragswert als eigenständigen Grundtyp im vorbeschriebenen Sinne gibt, er sich also bewusst von beobachtbaren Verhaltensmustern in Ansehung der Preisfindung distanziert. Es wird eine Wertschätzung gesucht, die mangels Akzeptanz in Bezug auf die Preisbildung niemand bezahlen bzw. verlangen würde. In diesem Fall haben wir es mit einem legislativen „Kunstprodukt“ zu tun: einem Typus „Ertragswert“. Und gerade deshalb kann sein realer Bezugspunkt auch so unterschiedlich sein: Ein Ertragswert, der normativ an die tatsächlichen Erträge der Vergangenheit oder der mittels Prognose zu bestimmenden Erträge der Zukunft anknüpft, weist insoweit einen realen Bezugspunkt auf („Ist-Ertragswert“). Ein Ertragswert, mit welchem der Gesetzgeber hingegen seine Vorstellung von einem Sollertrag verwirklicht, knüpft insoweit an nichts Beobachtbares, an nichts Tatsächliches an. Hier wird der Ertrag vielmehr rein normativ vorgegeben („Soll-Ertragswert“). Der reale Bezugspunkt ist in diesen Fällen nur noch in Gestalt der Bezugsgröße für diese normative Vorgabe vorhanden – seien es bestimmte unmittelbare Eigenschaften des Bewertungsgegenstandes selbst (zum Beispiel Größe, Lage, Zustand) oder sei es hinsichtlich bestimmter „Bestandteile“ (Vieheinheiten etc.).

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Teil 2: Normtheoretische Betrachtung verkehrswertorientierter Rechtswer­te Der erste Teil hat in die verschiedenen Rechtswerte des Steuerrechts eingeführt. Ich habe einerseits den jeweiligen Funktionsbezug dieser Rechtswerte steuerartenspezifisch dargestellt und andererseits mit ihrem realen Bezugspunkt ein steuerartenübergreifendes Merkmal benannt. Letzteres wird nunmehr zum Anlass genommen, den Untersuchungsgegenstand weiter zu verdichten und zwar unter zwei Gesichtspunkten: Zum einen wird der Blick nachfolgend auf diejenigen Rechtswerte gerichtet, deren realer Bezugspunkt die Preisrealisierungserwartung ist – also die Verkehrswerte. Diese aus Sicht des Generalthemas „Bewertung“ als the­ matische Verengung erscheinende Entscheidung ist gerechtfertigt, weil es in dieser Untersuchung insbesondere auch um das Verhältnis von (konstruierter) „Wirklichkeit“ und „Recht“ geht und es die Verkehrswerte sind, die diesbezüglich spezifische Rechtsprobleme aufwerfen. Die anderen Rechtswerte bieten insoweit hingegen kein Anschauungsmaterial. Zum anderen erfolgt auch innerhalb dieser Verkehrswerte eine Ausgrenzung, nämlich in Anlehnung an die Differenzierung zu § 2 II.: Die Untersuchung wird sich im weiteren Verlauf auf die quantifizierende Funktion der Bewertungsnorm auf dem Weg hin zur Bemessungsgrundlage konzentrieren. Für alle damit ausgegrenzten Bewertungsnormen gilt gleichermaßen: Sofern sich Parallelfragen stellen sollten (zum Beispiel weil es nicht um ein verkehrswertspezifisches Problem im Kontext „Wirklichkeit“ und „Recht“ geht), wird hierauf eingegangen.

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§ 4 Normtheoretischer Ausgangsbefund I. Normative Akzeptanz der Wertbandbreite und die Einwertig­ keit des Rechtsanwendungsergebnisses als Spezifikum der Bewertung Wertbandbreite und Einwertigkeit d. Rechtsanwendungsergebnisses Die Entscheidungsfindung ist immer ein kreativer Prozess der Auswahl zwischen verschiedenen Entscheidungsalternativen und es gibt keine methodologische Garantie für die Entwicklung einer einzigen, als richtig nachweisbaren Entscheidung. Das klassische Methodenideal, das eine deduktive Rechtsgewinnung durch logische Operationen ohne Eigenwertung des Rechtsanwenders allein auf der Grundlage des positiven Rechts fordert und unterstellt, dass die „richtige Lösung“ von der Person des Rechtsanwenders (theoretisch) unabhängig ist, ist überwunden.765 Rechtsanwendung wird heute nicht mehr als bloßer Gesetzesvollzug verstanden; sie ist kein wertneutraler Akt, der zielgenau durch das Dik­tum des Gesetzgebers determiniert ist. Die durch subjektive Faktoren mitgeprägten intuitiv-wertenden Elemente im Rechtsanwendungsvorgang sind nie vollständig ausschaltbar.766 Zugleich muss man jedoch auch bedenken, dass die Rechtsanwendung in einem Rechtserkenntnis­akt münden kann – sei es in einem Verwaltungsakt, sei es in einem Urteil. Aus der Perspektive des Verwaltungs- oder sogar Gerichtsverfahrens hat der zur Entscheidung berufene Mensch so zu verfahren, als ob in seinem konkreten Fall nur eine Entscheidung richtig wäre.767 Dies liegt in der Natur des Entscheidens. Das Phänomen, dass es nicht die einzig richtige Entscheidung gibt, trifft also auf die Notwendigkeit, dass aber gleichwohl eine einzige

765 Siehe nur C. Bäcker, Begründen und Entscheiden, S. 304 ff.; K. E. Hain, in: Festschrift f. Starck, S. 35, 39 ff.; H.-J. Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensermächtigung im Verwaltungsrecht, S. 75 ff.; M. Kriele, Recht und praktische Vernunft, S. 67; C. Meier, Zur Diskussion über das Rechtsgefühl, S. 62; U. Neumann, in: Festschrift f. Hassemer, S. 143, 149; A. Scherzberg, ZZP 117 (2004), S. 163, 169 ff.; C. Starck, VVDStRL 34 (1976), S. 43, 58 ff. 766 Siehe zur durch das Vorständnis beeinflussten Wertung grundlegend O. Bülow, Gesetz und Richteramt; C. Schmitt, Gesetz und Urteil; F. Wieacker, Gesetz und Richterkunst; siehe aus den letzten Jahrzehnten ferner jeweils mit Nachweisen K.-D. Drüen, in: Festschrift f. Kruse, S. 189, 205; W. Krawietz, Juristische Entscheidung und wissenschaftliche Erkenntnis, S. 181 ff.; M. Morlok/R. Kölbel/A. Launhardt, Rechtstheorie 31 (2000), S. 15 ff.; F. Müller/R. Christensen, Juristische Methodik, Band 1, Rn. 268; A. Scherzberg, ZZP 117 (2004), S. 163, 170 f. 767 K. Vogel, in: Festschrift f. Döllerer, S. 677, 688; ähnlich U. Neumann, in: Festschrift f. Hassemer, S. 143, 150.

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Wertbandbreite und Einwertigkeit d. Rechtsanwendungsergebnisses

Entscheidung getroffen werden muss.768 Genau genommen geht es um die „einzig-verbindliche“ Entscheidung769 und diese wiederum erhebt wegen ihrer Verbindlichkeit den entscheidenden Richtigkeitsanspruch (im Rechtssinne).770 An späterer Stelle wird auf diesen Gedanken noch zurückzukommen sein. Hier gilt es in Vorbereitung auf die nachfolgenden Ausführungen erst einmal nur zu erkennen, dass dies alles im Grunde Fragestellungen sind, die für die Bewertung als Rechtsanwendungsvorgang auch gelten. Die Bewertung tritt aber gleichwohl auch mit einer Eigenart auf: Wenn die Bewertungsnorm die soziale Wirklichkeit rezipiert und damit die Vielzahl der möglichen, allesamt gleichermaßen wahrscheinlichen Tauschwerte akzeptiert, akzeptiert sie zugleich auch, dass alle möglichen Tauschwerte normkonform sind. Vor allem verbietet sich hier ein binäres Denken in den Kategorien „Tatbestand ist erfüllt“ und „Tatbestand ist nicht erfüllt“. Gerade wegen der Quantifizierungsnotwendigkeit als Teil der Rechtsfolge (siehe § 2 I.) geht es in praktisch keinem Bewertungsfall lediglich um zwei Entscheidungsalternativen. Es exitiert also keine Kongruenz zwischen den binären Kategorien rechtmäßig/rechtswidrig und der Anzahl der Entscheidungsalternativen. In Rechtsprechung und Literatur ist dies für viele verkehrswertorientierte Rechtswerte und ihre jeweiligen Bewertungsanlässe Konsens. Der Begriff der „Bandbreite“ findet sich als vielfach anzutreffender Ausgangspunkt.771 Im Bewertungskontext ist er jedenfalls deshalb besonders treffend, weil es hier um die Erfassung von „Zahlen“ als Rechtsanwendungsergebnisse geht. Wir finden „Bandbreitenthesen“ zum Teil ausdrücklich, zum Teil durch Anerkennung eines Spielraums zumindest

768 Vgl. K.-E. Hein, in: Festschrift f. Starck, S. 35, 40; C. Lamprecht, DStJG 12 (1989), S. 79, 81 f.; F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 286; T. Osterkamp, Juristische Gerechtigkeit, S. 66 ff.; M. Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 147. 769 Treffend K. Vogel, VVDStRL 24 (1966), S. 125, 161. 770 H. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 353, ebenso R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 170; C. Seiler, Auslegung als Normkonkretisierung, S. 41 f.; zur einzig richtigen Entscheidung als „regulative Idee“ ferner auch noch unter § 6 II. 771 Damit bedarf es an dieser Stelle einer klarstellende Abgrenzung: Wenn das Umwandlungssteuerrecht bei tauschähnlichen Vorgängen neben dem Buchwert und dem gemeinen Wert sogar einen zwischen diesen beiden Werten liegenden „Zwischenwertansatz“ erlaubt (siehe zum Beispiel § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG), dann hat dies nichts mit der vorgenannten Bandbreite zu tun. Hier wird dem Steuerpflichtigen zwar ein Wahlrecht eingeräumt, aus der Bandbreite vom Buchwert bis zum gemeinen Wert einen Wertansatz auszuwählen, aber eben zwischen mehreren Wertmaßstäben und nicht wie hier interessierend innerhalb eines Wertmaßstabes.

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Normtheoretischer Ausgangsbefund

sinngemäß sowohl beim gemeinen Wert als auch beim Teilwert772. Ferner ist auch anlässlich der Rückstellungsbewertung anerkannt, dass es hier eine Bandbreite möglicher, allesamt vertretbarer Bewertungsergebnisse gibt.773 Zwar tritt hier kumulativ gegebenenfalls noch die Unsicherheit in Bezug auf die Passivierung dem Grunde nach hinzu, aber auch bei isolierter Ermittlung des Erfüllungswertes trifft die Aussage zur Bandbreite ohne weiteres zu. Des Weiteren findet die Bandbreite ihre Anerkennung in der steuerrechtlichen Rechtsprechung in Bezug auf die „übliche Miete“ im Sinne von § 21 Abs. 2 EStG sowie bei der Bewertung von Sachbezügen nach § 8 Abs. 2 BewG, wenn die Rechtsprechung auf Mietspiegel zurückgreift (dazu noch unter § 5 IV. 3. c.): Der „Mietspiegel [trägt] mit dem Ansatz einer Mietpreisspanne lediglich der Tatsache Rechnung, dass für in jeder Hinsicht vergleichbare Wohnungen örtlich eine gewisse Bandbreite von zu zahlenden Mieten typisch ist. […] Insoweit gilt für die ortsübliche Miete gleichermaßen wie für die zivilrechtlich bedeutsame ortsübliche Miete, dass sie keine punktgenaue Einzelmiete ist, sondern selbst bei unterschiedlichen Miethöhen innerhalb einer gewissen […] Bandbreite liegen kann“.774 Schließlich ist hier auf die Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung und zu § 1 AStG a.F. hinzuweisen. So heißt es in einer Entscheidung des I. Senats vom 17.10.2001 im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Verrechnungspreisen: „[Der] Fremdvergleichspreis [besteht] i. d. R. – […] – aus einer Bandbreite von Preisen […], was sich nicht nur aus dem Unterschied zwischen übernommenen Funktionen und Risiken, sondern ebenso z.B. aus unterschiedlichen Unternehmensstrategien und Zielsetzungen erklären kann. Unabhängige Unternehmen müssen auch bei vergleichbaren Bedingungen nicht immer den gleichen Preis nehmen

772 Vgl. BFH v. 29.11.1960, I 137/59 U, BStBl. III 1961, 154 (Bewertung bietet „Spielraum“ mit mehreren vertretbaren Ergebnissen); C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 53; R. Seer, DStJG 36 (2013), S. 337, 342 f.; J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. B 363; N. Winkeljohann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 605; eine Bandbreitenanerkennung deutet sich bereits bei RG v. 25.6.1887, I 137/87, RGZ 19, 111, 119 (dort zum [Verkehrs-] Wert gemäß Art. 31 ADHGB) an. 773 H-.J. v. Beckerath, FR 2011, 349, 355; J. Hennrichs, AG 2006, 698, 700; W.-D. Hoffmann, DStR 2011, 88, 89; K. Küting/S. Lam, DB 2013, 1737, 1740. 774 BFH v. 17.8.2005, IX R 10/05, BStBl. II 2006, 71, 72 für § 8 Abs. 2 EStG; v. 11.9.2007, IX B 4/07, BFH/NV 2007, 2291 für § 21 Abs. 2 EStG, siehe zur Anerkennung der Bandbreitenproblematik im Mietrecht und der sich hieraus ergebenden spezifisch mietrechtlichen Fragestellungen instruktiv V. Emmerich, in: Staudinger, BGB, § 558 Rn. 20.

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Wertbandbreite und Einwertigkeit d. Rechtsanwendungsergebnisses

bzw. bezahlen.[…]“.775 Mit dem durch das Unternehmensteuerreformgesetz vom 14.8.2007 eingefügten § 1 Abs. 3 AStG776 hat diese Bandbreitenbetrachtung für einen bestimmten Anwendungsfall sogar Eingang in das Gesetz gefunden. Das Gesetz übernimmt hiermit die vorgenannte Rechtsprechung, aber vor allem auch die letztlich der Entscheidung des I. Senats zugrunde liegenden OECD-Verrechnungspreisgrundsätze mit ihrem Postulat nach einer Anerkennung entsprechender Bandbreiten.777 Die vorgenannten Bandbreitenthesen stammen jeweils aus verschiedenen steuergesetzlichen Regelungsbereichen. Insbesondere handelt es sich zum Teil um Bewertungen mit Quantifizierungsfunktion und zum Teil um Kontrollbewertungen. Auf diese Unterscheidung kommt es jedoch – anders als der III. Senat und IV. Senat des Bundesfinanzhofs in jüngeren Entscheidungen meinen – nicht an. Die beiden Senate, die über Teilwertbewertungen zu entscheiden hatten, grenzen sich vor allem von der Rechtsprechung des I. Senats dergestalt ab, dass sie dessen Bandbreitenrechtsprechung als Spezifikum des Fremdvergleichs ansehen. Der Teilwert sei hingegen eine „bestimmte feste Größe“. Zu seiner Bestimmung sei kein Fremdvergleich anzustellen.778 In dieser Aussage kann freilich mehreres zum Ausdruck kommen: Wollen die vorgenannten Senate unter Leugnung des Bandbreiten-Phänomens behaupten, dass es nur einen Wert gibt? Oder erkennen sie die Bandbreiten als solches durchaus an, behaupten aber, dass einzig und allein das Finanzgericht den Punktwert bestimmt? Letzteres wäre sodann thematisch nicht mehr hier zu 775 BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; ähnlich später auch in BFH v. 15.9.2004, I R 7/02, BStBl. II 2005, 867: „Dabei ist zu beachten, dass häufig nicht nur ein bestimmter Preis, sondern eine ganze Bandbreite von Preisen als fremdüblich angesehen werden kann“, ferner BFH v. 6.4.2005, I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; FG Sachsen-Anhalt v. 21.2.2008, 3 K 305/01, juris; aus der Literatur H. Baumhoff, in: Festschrift f. Wassermeyer, S. 347, 356; D. Gosch, in: derselbe, KStG, § 8 Rn. 312 u. 385; O. Finsterwalder, DStR 2005, 765, 769; G. Frotscher, in: Festschrift f. Wassermeyer, S. 391, 405; S. Rasch, Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, S. 140 ff.; L. E. Schoueri, in: Festschrift f. Lang, S. 1117, 1128; S. Wilk, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 8 Rn. 142; U. Ziehr, Einkünftezurechnung im internationalen Einheitsunternehmen, S. 288. Auch außerhalb der Verrechnungspreissachverhalte ist die Rechtsprechung insoweit deutlich „bandbreitenorientiert“, zum Beispiel für das Gehalt des Gesellschafter-Geschäftsführers (BFH v. 27.2.2003, I R 46/01, BStBl. II 2004, 132, 134; v. 26.5.2004, I R 92/03, BFH/NV 2005, 77; v. 17.2.2010, I R 79/08, BFH/ NV 2010, 1307, 1308 jeweils mit weiteren Nachweisen). 776 BGBl. I 2007, 1912. 777 Vgl. OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, Tz. 1.45 ff. 778 BFH v. 19.8.2009, III R 79/07, BFH/NV 2010, 610; v. 20.12.2012, IV B 12/12, BFH/ NV 2013, 547.

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Normtheoretischer Ausgangsbefund

verorten, sondern in den Kapiteln § 11 und § 12. Sollten die beiden Senate die Bandbreite als solche in Abrede stellen wollen, so würden sie den Fluchtpunkt aller Verkehrswerte verkennen: Eine Bewertung, die sich der Bezugnahme auf das reale, in einem konkret-inviduellen Rechtsanwendungsfall hypothetisch zu würdigende Bewertungsverhalten von Menschen bedient (soziale Verhaltensmuster), kann nicht in einem Punktwert münden.779 In jeder Verkehrswertbewertung steckt ein Fremdvergleich, nämlich verstanden als der vergleichende Blick auf (beobachbar) geübte Verhalten anderer Menschen in Gestalt des (anonymen, in der Sprachwelt des Bundesfinanzhofs: „Objektivität“ vermittelnden) Rechtsverkehrs.780 Dass jeder Verkehrswert von dem Bandbreiten-Phänomen betroffen ist, zeigt sich in seiner ganzen Klarheit, wenn man die Verkehrswert übergreifend hierfür verantwortlichen Gründe betrachtet: Erstens, alle Verkehrswerte sind auf eine hypothetische Aussage an­ gelegt, welche die Simulation eines Preisfindungsvorgangs verlangt. Dieser wiederum zerfällt naturgemäß in zwei Phasen, nämlich die Feststellung der Grenzpreise des gedachten Käufers und Verkäufers und sodann die Verhandlung innerhalb des sich hierbei einstellenden Einigungsbereichs. Die einzelnen Verkehrswertnormen mögen mit dieser Zweiaktigkeit im Detail unterschiedlich umgehen. So ist natürlich der Ableitungsvorgang aus Kaufpreisen der letzten zwölf Monate (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG) anders strukturiert als die Heranziehung der Bewertungsmethoden auf der dritten Stufe des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG oder auch des § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG (Funktionsverlagerung), der letztlich sogar eine normative Aussage zur Einigung innerhalb des Einigungsbereichs enthält. Ein Ergebnis hervorzubringen, das diesen zweiaktigen Vorgang abbildet und deshalb Ausdruck des in dem Gegenstand ruhenden Tauschwerts ist, ist jedoch stets ihr gemeinsamer, auf die Vergleichsfunktion zurückführbarer Nenner. 779 Dies gilt im Übrigen auch über das Steuerrecht hinaus: Zum Beispiel BVerwG v. 24.11.1978, 4 C 56/76, BVerwGE 57, 87, 94 f. für die Preisprüfung nach §§ 15, 23 StBauFG (heute: §§ 145 Abs. 2, 153 Abs. 2 BauGB); ferner vor allem die gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung zur angemessenen Abfindung von Aktionären, zum Beispiel BayObLG v. 28.10.2005, 3Z BR 71/00, AG 2006, 41; OLG Stuttgart v. 1.10.2003, 4 W 34/93, ZIP 2004, 712, 714; W. Müller, in: Festschrift f. Bezzenberger, S. 704, 706 f. 780 Dies verkennen beispielsweise M. Werra/A. Teiche, DB 2006, 1455, 1457, wenn sie behaupten, dass der gemeine Wert ein „absoluter Wert“ sei, weil er den Einzelveräußerungspreis abbilde, während der Fremdvergleichswert hingegen eine „flexible Betrachtung“ erfordere; mit Letzterem dürften die vorgenannten Autoren die Bandbreite meinen.

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Wertbandbreite und Einwertigkeit d. Rechtsanwendungsergebnisses

Hieran anknüpfend treten noch die Anwendungsfragen hinzu, wobei drei – freilich in den Randbereichen auch mit Überschneidungen – weitere Aspekte zu nennen sind: Zweitens, wenn der Rechtswert bzw. seine Konkretisierung mit sozialen Verhaltensmustern „ausgefüllt“ werden muss, dann sind diese in der Regel nicht ohne weiteres verfügbar, sondern müssen erst einmal festgestellt werden. Die Vielgestaltigkeit des Lebens und vor allem menschlicher Verhaltensmuster stellt insoweit eine Herausforderung dar. Die im Kontext der Unternehmensbewertung dargestellte Methodenvielfalt ist Ausdruck dessen. Wir sehen hier den untrennbaren Zusammenhang zwischen (verfassungsrechtlich garantierter und in Ausfüllung dessen gelebter) Freiheit und der in der Bandbreite zum Ausdruck kommenden Pluralität menschenlichen Verhaltens: Die Bandbreite allesamt wahrscheinlich erzielbarer Preise ist die natürliche Kehrseite einer freiheitlichen, marktwirtschaftlichen Ordnung, wo Preisfindungsvorgänge weder gesetzlich gesteuert noch Preise staatlich festgesetzt werden oder sonst mittels des Zivilrechts in die Vertragsfreiheit mit der Vorstellung von einem „gerechten (angemessenen) Preis“ eingegriffen wird (siehe bereits § 1 III. 2.). Preisedikt und Preisbestimmungen durch Zünfte sind überwunden. Es existiert auch kein Vernunftstaat im Sinne von Johann Gottlieb Fichtes, der den Wert aller Dinge gegeneinander und ihren Preis gegen Geld festsetzt.781 Unter dem Grundgesetz kommt nicht dem Staat, sondern eben dem durch die Menschen gebildeten Markt die Funktion der Preisfindung zu.782 Die Preisfindung der einzelnen Marktakteure – sei es als Verbraucher, sei es als Unternehmer, sei es als sog. öffentliche Hand – vollzieht sich innerhalb eines Ordnungsrahmens nach selbst gesetzten Prämissen, Informationen/Informationsmöglichkeiten, Fähigkeiten und vor allem nach für sich selbst akzeptierten Preisbildungsüberlegungen. Hiernach wird verhandelt und ein Preis vereinbart. Schon deshalb kann es nicht „den einen“ Preis geben. Es kann nur Preise geben, die innerhalb dieses funktionsfähigen, Interessenausgleiche gewährleistenden Ordnungsrahmens zustandekommen. Dies führt unmittelbar zum realen Bezugspunkt zurück: Wegen dieser Freiheit haben wir es bei der aus Rechtsgründen angeordneten Bewertung mit der Notwendigkeit zu tun, (mittels empirischer Sozialforschung) beobachtbare soziale Verhaltens781 J. G. Fichte, Der Geschlossene Handelsstaat, S. 27 (1. Buch, Cap. 2 V.); so bereits zur verdeckten Gewinnausschüttung K.-D. Drüen, in: Brandt, Sechster Deutscher Finanzgerichtstag, S. 95, 108. 782 K.-D. Drüen, in: Brandt, Sechster Deutscher Finanzgerichtstag, S. 95, 108; R. Schmidt, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 6, § 92 Rn. 27; R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, S. 268.

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muster zu identifizieren und dies in aller ihrer freiheitsrechtlich bedingten Vielfalt und Pluralität. Damit aber nicht genug. Die vorgenannten Ausführungen betrafen die natürliche Konkretisierungs- und Fassbarkeitsproblematik unmittelbar dessen, was durch Sachverhaltsfeststellung abgebildet werden soll. Aber, drittens, gilt es ferner die Probleme der Feststellung selbst zu gegenwärtigen: Hier treffen wir noch auf das Problem einer vorverständnisbeeinflussten Realitätserfassung und zwar sowohl in Bezug auf die Kognition im Allgemeinen als auch die Tatsachenfeststellung „im Lichte“ der anzuwendenden Norm im Besonderen. Die selbstreferentielle Erfassung der bewertungsrelevanten sozialen Wirklichkeit (Preisbildungsverhaltensmuster) ist gerade dort nicht unproblematisch, wo die Grenzen zwischen Ist und Sollen nicht immer getrennt werden (siehe bereits zur Problematik präskriptiven Aussagen im Bereich der Unternehmensbewertung § 1 III. 3. b.). Dies wiederum leitet über zu einem weiteren Problem: Selbst der optimale neutrale Beobachter muss erst einmal ausreichend aussagekräftiges (valides) empirisches Datenmaterial zusammentragen. Dies ist problematisch. So habe ich im Kontext der Unternehmensbewertung schon festgehalten, dass es wegen der vielfach anzutreffenden Geheimhaltung bei Kaufpreisverhandlungen/-vereinbarungen am Zugang hierzu fehlt (siehe § 1 III. 3. b.). Viertens, die als maßgeblich erkannten sozialen Verhaltensmuster oder die Norm selbst, soweit der Gesetzgeber konzeptionelle Vorgaben macht, müssen für den jeweiligen Anwendungsfall aus der abstrakt-generellen Ebene durch Ausfüllung mit Daten und Informationen, aber auch mit Prognosen, Erfahrungssätzen oder gar (intuitiven) Wertungen zum konkret-individuellen Ergebnis geführt werden. Wir werden nachfolgend noch sehen, dass selbst die für viele Menschen objektiv scheinenden Daten fast schon immer Ausdruck einer (selektierenden) Vorbewertung sind. Dies gilt für die Daten, die aus bestehenden Aufzeichnungen (zum Beispiel aus der Buchhaltung des Steuerpflichtigen) übernommen werden, aber auch für die Vergleichsdaten, die für die Konkretisierung des sozialen Verhaltensmusters noch extern ermittelt werden müssen (zum Beispiel Vergleichs­preise von „ähnlichen“ Grundstücken). Des Weiteren ist es der gegebenenfalls notwendige Blick in die Zukunft (Prognose), der mehrere Ergebnisse hervorbringen kann, von denen niemand sagen kann, dass das eine „richtiger“ ist als das andere. Schließlich wird der Rechtsanwender häufig auch zu (anderen) Wertungen herausgefordert und erst diese vervollständigen die Rechtsanwendung (dazu sogleich § 5 IV. 4. u. 5.). Diese Wertungen treten häufig dergestalt auf, dass es unmöglich ist, mit240

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tels rationaler Begründung eine bestimmte Grundannahme als richtig darzustellen. Die Ausfüllung des Wertungsspielraums durch den Rechtsanwender stellt sich vielmehr als ein unvermeidbarer Wahlakt dar (zur unvermeidbaren „Willkür“ der Bewertung noch eingehend § 6 II.). Dies betrifft beispielsweise Vergleichsmethoden: Die Individualität des Vermögenswertes kann die Anpassung beobachteter Preise notwendig machen, was immer eine Wertungsfrage ist.783 Dies gilt aber auch überall dort, wo auf Erfahrungswerte zurückgegriffen wird oder wo überhaupt Faktoren eine Rolle spielen, die sich einer rationalen Begründung in Bezug auf einen einzigen konkreten Wert entziehen. Diese „Bandbreiten-Ursachen“ treten bei jeder Bewertung auf – gleich ob beim gemeinen Wert oder beim Teilwert. Sie sind aber naturgemäß unterschiedlich ausgeprägt und zwar sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht. Zum Teil werden sie auch nicht immer so offen kommuniziert, wie dies (methodisch) zutreffend wäre. Die Bandbreite kann also „verdeckt“ sein. Betrachten wir dazu eine preisvergleichende Vorgehensweise: Selbst für identische Güter werden nicht überall zu einem identischen Zeitpunkt dieselben Preise erzielt. Die Beobachtung verschiedener Preise führt zwangsläufig zu einer Bandbreite. Dies gilt erst recht, wenn Unterschiede in Bezug auf die Bewertungsgegenstände selbst bestehen. Dies wird bei gebrauchten Kraftfahrzeugen besonders deutlich. Für Grundstückskaufpreise gilt dies ebenfalls. Auch auf die Bandbreite bei Vergleichsmieten – sei es zur Bewertung des Nutzungsvorteils oder sei es als Informationsgrundlage innerhalb einer Grundstücksbewertung – wurde bereits vorstehend hingewiesen. Verdeckt wird diese Bandbreite allerdings dort, wo aus den beobachtbaren Preisen ein Durchschnittswert ermittelt und nur dieser mitgeteilt wird. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine Bandbreite, nur dass Schritt zwei (Einwertigkeitsentscheidung) schon vorweggenommen worden ist. Dies ist nicht nur suboptimal. Es ist sogar gefährlich. Zum einen wird hierdurch verschwiegen, welche konkreten Vergleichswerte existieren und wie groß die Bandbreite in Wirklichkeit war (welche Einzelwerte sind überhaupt gewichtet worden?); zum anderen muss, damit der Durchschnittswert selbst geprüft werden kann, auch die Vorgehensweise bei der Durchschnittsermittlung offen gelegt werden (wie ist also gewichtet worden?). Besonders deutlich zeigt dies gerade auch die Unternehmensbewertung, die hier wiederum als Referenzbeispiel bemüht werden soll, und zwar ertragswert-, also investitionstheoretisch orientiert. Ungeachtet der Fra783 Vgl. W. Ballwieser/K. Küting/T. Schildbach, BFuP 56 (2004), S. 529, 539.

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ge, ob man Grenzpreise aus Sicht eines Erwerbers und eines Verkäufers mit dem Ziel eines Einigungsbereichs ermittelt (vgl. § 1 Abs. 3 AStG) oder ob man beide Perspektiven zu der eines neutralen – allerdings ebenfalls (subjektive) Annahmen zur Konkretisierung des „Normalsubjektes“ formulierenden – Gutachters verschmilzt (so insbesondere die Grundvorstellung des objektivierten Unternehmenswertes nach dem IdW S1, siehe bereits § 1 III. 3. a.), so hat die reale Bewertungsbedingung der Unsicherheit784 stets zur Folge, dass selbst dann, wenn man im Sinne des objektivierten Unternehmenswertes das Unternehmen betrachtet, wie es steht und liegt (Annahme der Fortführung auf das Grundlage des bestehenden Unternehmenskonzepts), nicht von einem einzigen Strom zukünftiger (verfügbarer) Zahlungsüberschüsse ausgegangen werden kann. Auch der „neutrale Gutachter“ muss in Abhängigkeit bestimmter, sich zukünftig verändernder bzw. eintretener Umweltbedingungen eine Reihe von verschiedenen, alternativen Zahlungsströmen prognostizieren. Letztere sind selbst wiederum auch nur das Ergebnis mehrerer Teilprognosen, nämlich vor allem in Bezug auf die zahlungswirksamen Umsätze, die umsatzabhängigen Kosten und die umsatzunabhängigen Kosten.785 „Der Bewerter muss“, so Wolfgang Ballwieser stellvertretend für viele Stellungnahmen im Kontext der Unternehmensbewertung, „prognos­ tizieren, wann (Zeitdimension) und bei welchen erwarteten Umwelt­ zuständen als Reaktion auf die Geschäftspolitik des Eigentümers (Zustands­ dimension) die Erträge in welcher Höhe und mit welcher Wahrscheinlichkeit (Wahrscheinlichkeitsdimension) erwartet werden.“786 Vergegenwärtigt man sich die verschiedenen Einflussfaktoren auf den künftigen Ertrag als (mit-) entscheidende Größe für die Bewertung eines Unternehmens durch den Rechtsverkehr (soziales Verhaltensmuster), so wird schnell offenbar, dass sich diese Größe nicht einwertig prognostizieren lässt und stattdessen in verschiedenen „Szenarien“ mit mehrwertigen, sodann mit bestimmten (vom bewertenden Individuum geschätzten) Eintrittswahrscheinlichkeiten versehenen Prognosen gedacht werden muss787. Eine anschauliche Formulierung von Wolf Rüdiger Bretzke bringt das Problem auf den Punkt, wenn er von einem „gedank­lichen Prozess“ spricht, in dem „aus dem Nebel schlecht durchschauter Kreuz- und Querkausalitäten, halb erkannter Wenn-Dann-Be784 W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 67. 785 Nach W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 53. 786 W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 50. 787 W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 49 f., 67; H. Dirrigl, Unternehmensbewertung für Zwecke der Steuerbemessung im Spannungsfeld von Individualisierung und Kapitalmarkttheorie, S. 14 f.; C. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 14.

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ziehungen und spekulativer Funktionsabläufe“ eine Wahrscheinlichkeitsverteilung zu formulieren ist.788 Diese Wahrscheinlichkeiten können letztlich immer nur als „subjektive Glaubwürdigkeiten interpretiert werden. Aus logischen Überlegungen oder Auswertung relativer Häufigkeiten gewonnene Wahrscheinlichkeiten sind für Zwecke der Unternehmensbewertung nicht zu gewinnen.“ 789 Die beiden Möglichkeiten, die sich hier etabliert haben, wurden bereits unter § 1 III. 3. a. (dort insbesondere Fußnote 280) angedeutet und sollen hier noch einmal detaillierter aufgegriffen werden: Man berechnet entweder für jedes Szenario mit den dafür prognostizierten künftig verfügbaren Auszahlungsüberschüssen jeweils einen Unternehmenswert und gelangt somit zu einer Bandbreite von Unternehmenswerten. Oder man verdichtet die verschiedenen Ausschüttungsprognosen bereits zu einem einwertigen Erwartungswert. Dieser bildet den mit Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten Durchschnitt der prognostizierten verfügbaren Zahlungsüberschüsse ab790 und diskontiert ihn – da im Erwartungswert das Risikomoment noch nicht zum Tragen gekommen ist – mit einen risikoangepassten Kalkulationszinssatz (Risikozuschlagsmethode). Erst der Risikozuschlag kompensiert also das Risiko (die Unsicherheit).791 Die Praxis geht grundsätzlich den letzten Weg und verdichtet bereits die Ausschüttungen entsprechend der verschiedenen Szenarien zu einem einwertigen Erwartungswert.792 Wer in Szenarien plant, legt das Ausmaß der Unsicherheit im Sinne streuender Ergebnisse dabei offen.793 Aber auch derjenige, der von Anfang an nur „einwertig“ prognostiziert, nimmt implizit („intuitiv“) eine solche Wahrscheinlichkeitswürdigung zwischen verschiedenen Szenarien vor. Er legt dies eben nur nicht offen und verhindert damit in einem wesentlichen Punkt eine kritische Überprüfung

788 W.-R. Bretzke, zfbf 40 (1988), S. 813, 817 f. 789 W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 50; W.-R. Bretzke, zfbf 40 (1988), S. 813, 818 („subjektives Gefühl von Plausibilität“); J. Drukarzyk/A. Schüler, Unter­nehmensbewertung, S. 36 f. („Nachvollziehbare formale Wege der Herleitung der notwendigen subjektiven Wahrscheinlichkeitsurteile aus gegebenen Informationsmengen sind bisher nicht bekannt“); D. Schneider, DB 1973, 241, 242 f. 790 Zum Erwartungswert als mit Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten Durchschnittswert zum Beispiel G. Sieben/T. Schildbach, Betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie, S. 59. 791 W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 81 ff.; C. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 14 ff., insbesondere S. 17. 792 C. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 17. 793 C. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 17.

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seiner Annahmen.794 Sowohl für die explizite als auch die implizite Zusammenführung mehrwertiger Prognosen auf einen Erwartungswert gilt aber: In der Sache handelt es sich allein schon deshalb immer um eine Bandbreite möglicher Unternehmenswerte. Es ist lediglich in einem frühen methodischen Stadium die Konzentration auf ein einwertiges Ergebnis erfolgt und zwar im Sinne einer (subjektiven) wahrscheinlichkeitsgewichteten Durchschnittsbetrachtung. Nunmehr muss man sich dabei ferner noch vergegenwärtigen, dass im vorgenannten Beispiel der Fokus allein auf die Prognose des Zukunftserfolges gerichtet wurde. Die gleichen Fragen stellen sich jedoch kumulativ (!) auch bei anderen Faktoren, wie zum Beispiel insbesondere der Bestimmung der zu erwartenden Ausschüttungsquote (eine Vollausschüttung wird selten angenommen; die Teilausschüttungshypothese ist die Regel, bedarf aber auch einer Schätzung) sowie insbesondere in Ansehung der Bestimmung des Basiszinssatzes sowie des Risikozuschlages (zum Risikozuschlag bereits § 1 III 3. a. und insbesondere noch eingehender § 5 IV. 5.). Die Bewertungsnorm gibt grundsätzlich nicht vor, wie insoweit methodisch zu verfahren ist (Ausnahme: § 1 Abs. 3 AStG). Sie verlangt lediglich, dass am Ende ein einwertiges Ergebnis steht, und lässt offen, an welcher Stelle methodisch zulässigerweise die Weichen von einer Mehrwertigkeit hin zu einer Einwertigkeit gestellt werden. Gleichwohl muss man sich dieser Zweiaktigkeit (Erkennen der Bandbreite sowie Konkretisierung eines einwertigen Ergebnisses aus dieser Bandbreite heraus) und damit letztlich dem Phänomen der Bandbreite stets bewusst sein. Man muss es zumindest gedanklich als Folge des realen Bezugspunktes immer mitdenken. Diesbezüglich ist insbesondere an die Ausführungen zu § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG zu erinnern: Wegen des realen Bezugspunktes und hieran anknüpfend der Notwendigkeit, einen Preisbildungs- und -vereinbarungsprozess realitätsgerecht zu simulieren, ist die Bestimmung eines wahrscheinlichen Einigungsbereichs, dessen Quantifizierung auf beiden Seiten von vielen (ungewissen) Faktoren abhängt und dessen Ausfüllung sodann dem Verhandlungsgeschick und sonstigen (nicht vorhersagbaren) Bedingungen der Parteien überantwortet ist, das prägende Merkmal der Verkehrswerte. Einen positiv-normierten, dies klarstellenden Sonderfall stellt diesbezüglich § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG dar, der sich nicht auf ein „Mitdenken“ beschränkt, sondern die mehrwertige Vorgehensweise und den offenen Ausweis der Bandbreite explizit normativ vorgibt. Die Norm verlangt 794 W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 52; W. F. Fischer-Winkelmann, BFuP 61 (2009), S. 343, 357.

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hier vom Rechtsanwender die Simulation des Preisbildungsprozesses jeweils aus der Sicht beider Parteien. Ermittelt werden müssen der Mindestpreis des Leistenden und der Höchstpreis des Leistungsempfängers. Hieraus ergibt sich eine im ersten Schritt offen auszuweisende Bandbreite (Einigungsbereich, vgl. § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG). Im zweiten Schritt ist sodann aus dieser Bandbreite ein einwertiges Ergebnis zu bestimmen, wobei im Zweifel der Mittelwert maßgeblich ist (§ 1 Abs. 3 Satz 7 AStG). Die Zweiaktigkeit ist also in der Norm selbst vorgegeben. Betrachten wir dies in der Summe, um zu einem Zwischenergebnis zu gelangen: Die anlässlich der Bildung von Preisen zu beobachtenden sozialen Verhaltensmuster sind häufig nicht eindeutig zu identifizieren und ihre Konkretisierung auf den Einzelfall kommt zum Teil (vor allem: an den entscheidenden Stellschrauben) nicht ohne Prognose und sonstige eigene Wertung des Rechtsanwenders aus. Dies ist in der Wirklichkeit beobachtbar; es gehört zum Phänomen des Preises und schlägt damit auf eine Norm, die hieran anknüpfend eine Aussage zum (wahrscheinlich) erzielbaren Preis im Falle einer unterstellten Veräußerung verlangt, durch. Wenn die (Preis-) Bandbreite als solche eine natürliche Erscheinung nahezu jeder Bewertung ist, dann wird sie zwangsläufig auch von jeder verkehrswertorientierten Bewertungsnorm vorausgesetzt werden müssen. Daraus wiederum folgt: Die Bandbreite spiegelt in vollem Umfang normkonforme Werte wider.795 Revisionsrechtlich folgerichtig ist es dann, wenn der Bundesfinanzhof in einem Fall zur verdeckten Gewinnausschüttung der Vorinstanz allein deshalb einen Rechtsfehler attes­ tierte, weil die Wertermittlung des Finanzgerichts „erkennbar von der Zielvorstellung getragen [wurde], den „einen“ angeblich richtigen Fremdvergleichspreis ermitteln zu müssen“. 796 Diese Aussage ist für alle Verkehrswerte verallgemeinerungsfähig. Unterschiede bestehen norm- bzw. bereichsspezifisch vielfach (nur) in Bezug auf die Intensität des normativen Eingriffs in diese Bandbreite. Es steht dem Gesetzgeber nämlich frei, die Bandbreite vorzusteuern: – Dies kann er zum Beispiel durch die Steuerung der Bandbreitenermittlung mittels der Vorgabe von Methodik (Verhaltensmuster) und/ oder Vorgaben zur Konkretisierung der Informationen bzw. der Vorgabe der Informationen selbst, die innerhalb der Methodik zu verarbeiten sind. Hierdurch steuert der Gesetzgeber letztlich die Bandbreite, 795 So für die verdeckte Gewinnausschüttung auch BFH v. 6.4.2005, I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; FG Sachsen-Anhalt v. 21.2.2008, 3 K 305/01, juris. 796 BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 15.9.2004, I R 7/02, BStBl. II 2005, 867; v. 6.4.2005, I R 22/04, BStBl. II 2007, 658.

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und zwar vor allem in Bezug auf ihre Quantität. Je weniger Spielraum dem Anwender belassen wird, umso enger wird die Bandbreite. Besonders deutlich wird dies bei der Grundbesitzbewertung nach den §§ 176 ff. BewG. Stellt man ihr beispielsweise die Unternehmensbewertung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG gegenüber, treten die Steuerungsmöglichkeiten des Gesetzgebers deutlich zu Tage: Die §§ 176 ff. BewG enthalten nicht nur konzeptionelle Vorgaben („Methoden“), sondern auch Vorgaben in Bezug auf die zu verarbeitenden Informationen und die gegebenenfalls anzustellenden Prognosen und sonstigen Wertungen. Aber auch eine solche Steuerung lässt Spielräume. Bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass es selbst bei der Bewertung unbebauter Grundstücke nahezu immer eine Wertbandbreite geben wird. Zur Erinnerung: Unbebaute Grundstücke werden durch einen mittelbaren Preisvergleich (Vergleichswertverfahren) auf der Basis der von den Gutachterausschüssen der Gemeinden nunmehr jährlich zu ermittelnden Bodenrichtwerte (§ 196 BauGB) bewertet. Beim Bodenrichtwert handelt es sich um den durchschnittlichen Lagewert des Grund und Bodens pro Quadratmeter der bebauten und unbebauten Grundstücksfläche in einem Gebiet mit im Wesentlichen gleichen Lage- und Nutzungsverhältnissen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen die Bodenrichtwerte so abgeleitet werden, dass der individuelle Bodenwert des einzelnen Grundstücks nur unerheblich von dem Richtwert der zugeordneten Bodenwertzone abweicht. Allerdings treten derartige Abweichungen in der Praxis nicht selten auf797. Deshalb nimmt die herrschende Meinung, ohne dass dies im BewG zum Ausdruck käme, am Bodenrichtwert Korrekturen vor, wenn das konkrete Grundstück sich seinem Typus nach vom Bodenrichtwertgrundstück unterscheidet. So wird der Bodenrichtwert beispielsweise bei einer abweichenden Geschossflächenzahl durch Anwendung von Umrechnungskoeffizienten der abweichenden rechtlichen Bebaubarkeit angepasst.798 Auch weitere wertbeeinflussende Merkmale wie zum Beispiel Ecklage, Zuschnitt, Beschaffenheit des Baugrundes müssen zu einer individuellen Anpassung führen.799 – Ein weiterer (sich mit dem vorgenannten Aspekt vielfach überschneidender) Steuerungsansatz ist die normative Vorgabe von Perspektiven und vor allem der Relevanz von preis(-mit-)bildenden Faktoren. In § 9 797 H. G. Christoffel, in: Gürsching/Stenger/derselbe, BewG, § 145 Rn. 56. 798 R B 179.2 Abs. 2 ErbStR 2012; zur alten Rechtslage BFH v. 12.7.2006, II R 1/04, BStBl. II 2006, 742, 743. 799 R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 15 Rn. 60 f.; andere Ansicht allerdings die Finanzverwaltung in R B 179.2 Abs. 8 ErbStR 2012.

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Wertbandbreite und Einwertigkeit d. Rechtsanwendungsergebnisses

Abs. 2 Satz 2 BewG ist beispielsweise vorgegeben, dass „ungewöhnliche Verhältnisse“ bei der Ermittlung des gemeinen Wertes nicht berücksichtigt werden dürfen. Ist hingegen der gemeine Wert für Zwecke der verdeckten Gewinnausschüttung zu ermitteln, geht es also um einen Fremdvergleich, der Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Veranlassung erlauben soll, findet keine solche Einschränkung statt (siehe bereits § 3 III. d. dd]). Oder: der gemeine Wert des § 9 BewG nimmt die Veräußerungsperspektive ein, also den Absatzmarkt, währe­nd der Teilwert die Erwerberperspektive pflegt (siehe bereits § 3 III. 2. b. einerseits und c. andererseits). – Des Weiteren kann der Gesetzgeber (natürlich auch kumulativ mit den vorgenannten Steuerungsansätzen) die Bandbreite durch eine pauschale Verengung steuern. Insoweit sei exemplarisch auf § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG hingewiesen: Sind mehrere eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte feststellbar, „ist die sich ergebende Bandbreite einzuengen“. Freilich gibt die Norm selbst nicht vor, wie dies zu geschehen hat. Diskutiert wird hier vor allem die inter­ quartile Methode. Ihr liegt die Vermutung zugrunde, dass für die Streuung der beobachtbaren Werte nicht beobachtbare Einflussfak­ toren ausschlaggebend waren und somit die den Extremwerten zugrunde liegenden Vergleichssachverhalte mit dem Ausgangssach­ verhalt nicht hinreichend vergleichbar sind. Als Reaktion hierauf werden pauschal 25 % der Werte mit der höchsten und 25 % der Werte mit der niedrigsten Merkmalsausprägung aussortiert.800 Es exis­ tieren durchaus auch noch andere Möglichkeiten der Bandbreiten­ engung; auf die Detailfragen kommt es an dieser Stelle jedoch nicht an. Entscheidend ist, dass die Norm vorgibt, dass nicht die gesamte, im ersten Schritt ermittelte Bandbreite wahrscheinlicher Preise für die nachfolgende Einwertigkeitsentscheidung Geltung beansprucht. Die normative Beeinflussung, Modifikation und Verdrängung der in Bezug auf die Preisbildung beobachtbaren Verhaltensmuster ist vielfältig denkbar. Die Steuerung durch den Gesetzgeber kann freilich sogar soweit reichen, dass er eine Bandbreite vollständig ausschließt. Ein solches Beisp­ iel stellt die Bewertung der Fahrtkosten bei Fahrten zwischen Wohnu­ng und Arbeitsstätte dar: Wenn man für jeden Kilometer lediglich 30 Cent in Ansatz bringen darf (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG), dann kann keine Bandbreite möglicher Werte entstehen. Der Gesetzgeber hat 800 C. Scholz/A. Krüger, RIW 2005, 34, 37 f.; U. Ziehr, Einkünftezurechnung im internationalen Einheitsunternehmen, S. 286.

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hier nicht nur eine Bewertungsnorm geschaffen. Er hat sogar die Bewertung abschließend selbst vorgenommen. Dies ist aber die Ausnahme. Der Grundsatz lautet vielmehr: Keine Bewertungsnorm geht von einem einzigen Wert aus. Vielmehr muss die Bewertungsnorm die Subjektivität, die über den Faktor Mensch unvermeidbar jede Bewertung beeinflusst, akzeptieren. Höchstmögliche Genauigkeit – im Sinne einer höchst möglichen Verengung der Bandbreite – ist in vielen Fällen noch nicht einmal theoretisch denkbar und die Norm setzt es konzeptionell auch gar nicht voraus. Dies gilt für alle Rechtswerte, deren Bezugspunkt soziale Preisbildungsverhaltensmuster sind, also vor allem den gemeinen Wert und den Teilwert. Für den Fremdvergleichswert gilt schon deshalb nichts anderes, weil er ohnehin vielfach nur eine vermittelnde Funktion ausübt und keine vom gemeinen Wert bzw. Teilwert abweichende Fragestellung bedingt. In Bezug auf das Bandbreitenphänomen bestehen hier also keine (kategorischen) Unterschiede, allenfalls von Bewertungsgegenstand zu Bewertungsgegenstand solche gradueller Natur, und zwar hinsichtlich der Intensität der Bandbreite.

II. Die (konstitutive) Konkretisierung des „einen (wahrschein­ lich erzielbaren) Preises“ aus der Bandbreite heraus Die Konkretisierung des „einen Preises“

Dass es das „Phänomen“ der Wertbandbreite gibt und dass jeder Wert innerhalb der Bandbreite von der abstrakt-generellen Norm gedeckt ist, kann in den meisten Fällen nur eine – wenn auch eine gewichtige – Zwischenerkenntnis sein. Denn die rechtsanwendende Bewertung im Steuerrecht kann sich nicht auf die Quantifizierung einer Bandbreite „zutreffender Werte“ beschränken. Als Rechtsanwendungsergebnis hervorzubringen ist vielmehr immer nur „ein einziger“ Wert. Der gesamte Steuerrechtssatz ist normativ auf eine im konkret individuellen Einzelfall Geltung beanspruchende Bewertung und eine hieran an­knüpfende Steuerschuld fixiert. So ist beispielsweise entweder ein konkreter Wert für einen bestimmten Gegenstand festzustellen (gesonderte Feststellung) oder zumindest als unselbständige Besteuerungsgrundlage anlässlich der Festsetzung der Steuer (Endrechtsanwendungsergebnis) zugrunde zu legen (zu dieser verfahrensrechtlichen Unterscheidung § 10 II. 1.). Es besteht immer ein „Einwertigkeitszwang“. Lediglich dort, wo Rechtswerte der Kontrolle dienen, kann es ausreichen, dass man den tatsächlich vereinbarten Preis mit der gesamten Bandbreite vergleicht. Dies gilt vor allem für die verdeckte Gewinnausschüttung: Wir haben es hier mit einem begrenzenden Kontrollinstrument zu tun, das nur eine negativ sichernde Funktion erfüllt und nicht positiv darauf gerichtet ist, jeweils „den“ an248

Die Konkretisierung des „einen Preises“

gemessenen Preis für eine Leistungsbeziehung festzulegen (§ 3 III. 2. d] aa]). Liegt der vereinbarte Preis allerdings außerhalb dieser Bandbreite und muss er deshalb korrigiert werden, so gilt aber auch hier wiederum der Einwertigkeitszwang. Es muss nämlich der bei der Kon­trolle „durchgefallene“ Preis auf der Rechtsfolgenseite durch einen angemessenen Wert ersetzt werden. Aufgrund dieses Einwertigkeitszwangs ist also aus der im ersten Schritt in Bezug auf ihre äußeren Grenzen zu fixierenden Bandbreite ein einwertiges Rechtsanwendungsergebnis heraus zu konkretisieren. Die vorstehenden Ausführungen zu den sich aus der Natur der Bewertung ergebenden Wertbandbreiten haben gezeigt, dass es dabei allerdings nicht um die Suche nach dem einzig als „richtig“ zu geltenden Rechtsanwendungsergebnis geht. Während viele andere Gesetze ungeachtet ihrer Steuerungsstärke bzw. –schwäche zumindest den Anspruch erheben (müssen), dass es nur eine Entscheidung geben kann, weil anderenfalls das Recht seine Befriedigungsfunktion nicht erfüllen kann (die einzig richtige Entscheidung als regulative Idee, dazu noch § 6 II. am Ende), so kann die Be­ wertungsnorm schon konzeptionell überhaupt nicht mit diesem Anspruch auftreten. Denn sie rezipiert die gesamte Bandbreite; sie akzeptiert alle Ergebnisse als gleichermaßen wahrscheinliche Tauschwerte. In diesem Lichte muss die Einwertigkeitsentscheidung gesehen werden: Es geht nicht darum, einen der Werte argumentativ über die übrigen Bandbreitenwerte zu heben – unter § 6 werden wir sogar noch sehen, dass dies mit rationaler Begründung auch gar nicht möglich ist und das Wesen der Einwertigkeit gerade das Willkürelement ist. Vielmehr ist die Einwertigkeit (allein) einer rechtstechnischen Notwendigkeit geschuldet: Eine Verkehrswertnorm akzeptiert die Bandbreite, aber aus rein rechtstechnischen Gründen kann das Steuergesetz auf der Grundlage mehrwertiger Rechtsanwendungsergebnisse keine Steuerschuld hervorbringen.801 Dies wirft eine Folgefrage auf: Wenn der Gesetzgeber die Einwertigkeitsentscheidung nicht steuert, wer trifft dann nach welcher Maßgabe die Einwertigkeitsentscheidung? Folgt man der normativen Ermächtigungslehre, wie sie sich bei der administrativen Letztentscheidungsbefugnis etabliert hat, so muss sich der Gesetzgeber dieser Frage jedenfalls dann annehmen, wenn er die Letztentscheidungskompetenz abweichend von

801 Siehe auch bereits W.-D. Hoffmann, DStR 2011, 88, 89: „Die Verlegenheitsgröße Bandbreite lässt sich buchhalterisch nicht darstellen“.

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dem „Regelmodell“ nicht beim Gericht verortet sehen will.802 Insoweit muss in Ansehung jeder Bewertungsnorm durch Auslegung der Norm geklärt werden, erstens, ob das Gesetz für die Herbeiführung der Einwertigkeit Maßstäbe bereit hält, und, zweitens, welchem Akteur (Steuerpflichtiger, Finanzbehörde, Gericht?) diese Entscheidung und insbesondere die hierbei notwendige Konkretisierung innerhalb der Maßstäbe mit Letztverbindlichkeit gegenüber den anderen beteiligten Akteuren zugewiesen ist. Hierauf wird in § 11 und § 12 dieser Arbeit eingehend eingegangen werden. An dieser Stelle ist erst einmal nur entscheidend, dass einer der Akteure aus der Bandbreite allesamt vertretbarer Werte heraus eine Entscheidung für einen einzigen Wert treffen muss. Für diese Einwertigkeitsentscheidung gilt sodann: Der zur Konkretisierung berufene Akteur muss sich innerhalb des Gesetzes halten, also innerhalb der vom Gesetz vorgesteuerten Bandbreite. Die Einwertigkeitsentscheidung selbst ist dann aber konstitutive Rechtsquelle für alle, denen gegenüber sie verbindlich ist.803 Sobald der kompetenzmäßig dazu berufene Akteur die ihm damit zugewiesene Kompetenz ausübt, entspricht nur noch die Verwaltungs-/Gerichtsentscheidung dem geltenden Recht, deren Tenor mit den dergestalt innerhalb der Bewertung konkretisierten Faktoren bzw. der Einwertigkeitsentscheidung in Bezug auf das Endergebnis übereinstimmt. Wir sehen also, dass letztlich maßgeblich für die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung nicht nur die Frage ist, ob das einwertige Rechtsanwendungsergebnis innerhalb der Bandbreite liegt (also von der Norm gedeckt ist), sondern auch davon abhängt, wem die Rechtsordnung die Kompetenz zuerkennt, unter den allesamt von der Norm als „richtig“ akzeptierten (Teil-) Entscheidungen die „maßgebliche“ auszuwählen.804 Diese Erkenntnis steht nicht im Widerspruch zu § 38 AO und den die Steuerentstehung in den Einzelsteuergesetzen bestimmenden Regelungen. Wenn es in § 38 AO heißt, dass „die Ansprüche aus dem Steuer-

802 Siehe zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Zuweisung einer administrativen Letztentscheidungsbefugnis erst einmal nur BVerwG v. 25.11.1993, 3 C 38/91, BVerwGE 94, 307, 309 f.; eingehend noch unter § 12 II. 2. 803 Überzeugend in einem vergleichbaren Umfeld eines unbestimmten Rechtsbegriffs G. Schwertfeger, Arbeitslosenversicherung und Arbeitskampf, S. 85 f.; ähnlich W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtssetzung, S. 142 f. 804 Siehe (allerdings ohne Bezug zur Bewertung im Besonderen) P. Badura, in: Festschrift f. Bachof, S. 169, 176; H. U. Erichsen, DVBl 1985, 22, 26; F. Ossenbühl, DVBl 1974, 309, 311; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtssetzung, S. 142 f.; G. Schwertfeger, Arbeitslosenversicherung und Arbeitskampf, S. 85 f.

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schuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“, so schwingt dort zwar die Vorstellung mit, dass mit Tatbestandsverwirklichung eine „konkrete Steuerschuld“ kraft Gesetzes entstanden ist, die es nur noch zu „finden gilt“. Dies suggeriert strenge Determination des Steuerrechts in dem Sinne, dass man „den geschuldeten Steuerbetrag“ aus dem Gesetz heraus ohne weiteres ablesen kann. In Teilbereichen mag dies auch so sein. Weil aber auch bei der Steuerrechtsanwendung viele Konkretisierungsspielräume bestehen, also das bereits genannte „schöpferische Element“ angesprochen wird, wird § 38 AO und damit zusammenhängend der schuld­ rechtliche Aspekt insgesamt jedoch zu Recht nicht überbetont.805 Zum Teil wird die Norm sogar als in Verbindung mit dem Verfahrensrecht zu würdigende Fiktion eingeordnet, die lediglich den Zeitpunkt bestimme, zu dem der durch die bestandskräftige Festsetzung konstitutiv gestaltete Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als entstanden gilt.806 Diese Frage muss hier freilich nicht entschieden werden. So „realitätsblind“ die Annahme eines strikten Normvollzugsmodells im Steuerrecht ist807, sowenig kann § 38 AO jedenfalls eine Aussage zu einer punktgenauen, einwertigen „richtigen“ (lediglich noch zu findenden) Steuerung entnommen werden. Die mathematische Exaktheit von Steuergesetzen ist eine Fehlvorstellung. Die Entscheidung bleibt wegen der Konkretisierungsspielräume häufig im Spielraum des Vertretbaren.808 Dies gilt im Allgemeinen, aber vor allem auch für die Bewertung im Besonderen. Es sind die Bewertungsnormen, die diese Erkenntnis maßgeblich „real“ untermauern, sie mit lebendem Anschauungsmaterial füllen. Angesichts dessen ist es dann auch nur noch ein kleiner Schritt zur normspezifischen Anerkennung einer Mehrzahl vertretbarer Bewertungsergebnisse. Wenn man akzeptiert, dass es eine Wertbandbreite gibt und die Bewertungsnorm hieran in einem ersten Schritt anknüpft, dann muss man auch steuerschuldrechtlich anerkennen, dass das Recht hier mit Verwirklichung des steuerrelevanten Lebenssachverhaltes noch keine abschließende (fixe) Steuerschuld hevorbringen kann, sondern diese ihre konkrete Gestalt erst erfährt, wenn die konstitutiv wirkende Einwertigkeitsentscheidung getroffen worden ist. Insoweit verhält es sich nicht

805 Vgl. M. Achatz, DStJG 27 (2004), S. 161, 171 ff.; K.-D. Drüen, FR 2011, 101, 107 f.; R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 169 f. 806 H.-P. Schmieszek, in: Beermann/Gosch, AO, § 38 Rn. 3. 807 P. Kirchhof, in: Festschrift für die Jurististische Fakultät Heidelberg, S. 9, 31; R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 170. 808 K.-D. Drüen, FR 2011, 101, 107.

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Normtheoretischer Ausgangsbefund

anders als bei steuerrechtlichen Wahlrechten: Auch mit der Ausübung des Wahlrechts wird – dort stets durch den Steuerpflichtigen, dem das Wahlrecht zugewiesen ist – der bereits abstrakt entstandene Steueran­ spruch rückwirkend beeinflusst.809 Die Wahlrechtsausübung nimmt hier keinen Einfluss auf die Verwirklichung des Steuertatbestandes, aber doch mittels des konstitutiv wirkenden Wahlrechts auf die Höhe des Steueranspruchs.810 Für die Einwertigkeitsentscheidung(en) gilt dies entsprechend.

809 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 38 Rn. 23; Schwarz, in: derselbe, AO, § 38 Rn. 28. 810 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 38 Rn. 23; R. Gluth, Der Einfluss von Wahlrechten auf die Entstehung des Steueranspruchs, S. 98 ff.; E. Ratschow, in: Klein, AO, § 38 Rn. 2, 12.

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§ 5 Bewertung als Rechtsanwendung I. Nochmals: Bewertung als quantifizierender Teil der Steuer­ rechtsanwendung Rechtsanwendung bedeutet die Prüfung, ob ein konkreter Lebenssachverhalt unter den abstrakten Gesetzestatbestand der Rechtsnorm subsumiert werden bzw. bei Typusbegriffen zugeordnet werden kann.811 In diesem Sinne im Einzelfall anzuwenden ist der Steuerrechtssatz und wenn die vorgelagerten Tatbestandsmerkmale erfüllt sind (Steuerbarkeit, keine Steuerfreiheit etc.), kommt auch die Bewertungsnorm zur Anwendung. In § 2 dieser Arbeit war deren rechtsfolgenkonkretisierende Auf­ gabe mit dem „Schlagen einer Brücke“ umschrieben worden, nämlich vom Steuergegenstand (erwirtschaftetes oder transferiertes „Einkommen“ etc.) zur Steuerlast. Auf diese Quantizierungsaufgabe ist der Fokus seit Teil 2 dieser Untersuchung gerichtet. Man denke zur Veranschaulichung nur an die Bereicherung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, die einkommensteuerrechtlich relevanten Anwendungsfälle in Gestalt von nicht in Geld bestehenden Einnahmen und Vermögenszuwächse, von Einbringungs-, Umwandlungs- und sonstigen Tauschsachverhalten sowie Ersatzrealisations- und Einlagevorgängen. Der quantifizierende Anwendungsschritt gehört innerhalb des Steuerrechtssatzes bereits zur Rechtsfolgenbestimmung, wo er selbst wiederum in Tatbestand und Rechtsfolge aufzugliedern sein kann (siehe auch schon § 2 II. 1.). Die Verkehrswertnorm ist auf die Bestimmung einer einzigen Zahl gerichtet. Gesucht ist als Tauschwert der Preis, der im hypothetischen Fall einer Veräußerung zu einem bestimmten Stichtag wahrscheinlich erzielt werden kann bzw. worden wäre (der Bewertungsstichtag liegt meistens in der Vergangenheit). Der gesuchte „Wert“ selbst stellt keine Tatsache dar.812 Anders verhält es sich mit seinem realen Bezugspunkt: (Beweisbare) Tatsache ist, dass Menschen einen Gegenstand nach bestimmen Verhaltensweisen in Geld bewerten, ihm also ein Tauschwert zukommt, und ebenso real sind auch die meisten Faktoren, die hierbei angesprochen werden, vor allem jene, die im Gegenstand selbst als Eigenschaften begründet liegen (zum Beispiel seine Größe, das Material, sein Alter und bei Sachgesamtheiten die einzelnen Gegen­ stände, die hierzu gehören). Der gesuchte „Wert“ ist hingegen nur eine 811 K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1591. 812 Andere Ansicht (wohl) K. Vogel, in: Festschrift f. Thieme, S. 605, 609 f.

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Bewertung als Rechtsanwendung

Schlussfolgerung und diese wiederum stellt regelmäßig eine Schätzung dar. Wir werden an späterer Stelle noch sehen, dass diese Schätzung ihre normative Grundlage nicht in § 162 AO findet, sondern in der Bewertungsnorm selbst (dazu § 12 I. u. II.). Diese Schätzung wirft sowohl Rechts- als auch Tatfragen auf.

II. Die Auslegung steuergesetzlicher Normen im Allgemeinen und der Bewertungsnorm im Besonderen Die Auslegung der Bewertungsnorm Jede Bewertungsnorm und jede sie im bewertungsrechtlichen Rahmen ergänzende Norm bedürfen der Auslegung, d.h. die aus Tatbestand und Rechtsfolge bestehende Sinneinheit muss verstanden werden.813 Die „Deutung der Norm“ folgt dem „klassischen“ Kanon der Auslegungsmethoden.814 Sie gelten auch im Steuerrecht; lediglich die besondere Teleologie des Steuerrechts bedingt gesonderten Erörterungsbedarf.815 Den Ausgangspunkt bildet der Wortlaut.816 Jeder in der Bewertungsnorm enthaltene Rechtswert kann inhaltlich von dem „natürlichen Begriff“, welcher in der sozialen Wirklichkeit Verwendung findet, abweichen (siehe bereits zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers § 3 I.). Deshalb ist jeder Rechtswert eines Bewertungsrechtssatzes ein Rechtsbegriff und seine Bestimmung damit wiederum eine Rechtsfrage.817 Bei (auch) normativen Rechtsbegriffen, wozu die verkehrswertorientierten Rechtswerte allesamt gehören, ist die Anknüpfung an den Wortlaut daher häufig wenig ergiebig. Insbesondere die teleologische Auslegung erfährt daher einen Bedeutungsgewinn. Allerdings ist dabei zuvörderst herauszustellen, dass die fiskalische Auswirkung einer Bewertung kein Auslegungskriterium ist – 813 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 216; J. Schapp, Methodenlehre und System des Rechts, S. 190. 814 F. C. von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band I, S. 212 ff.; R. v. Ihring, Der Zweck im Recht; P. Heck, Das Problem der Rechtsgewinnung, S. 27 ff.; siehe ferner BVerfG v. 25.1.2011, 1 BvR 918/10, NJW 2011, 836, 838 ff.; v. 19.3.2013, 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1062; aus der methodischen Literatur nur K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 251 ff.; F. Bydlinksi, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 436 ff.; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 312 ff. 815 K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1589. 816 Statt vieler BVerfG v. 19.3.2013, 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1062; GrS BGH v. 21.5.1974, GSZ 2/72, BGHZ 62, 340, 346 ff.; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 320, 343; R. Zippelius, in: Festschrift f. Larenz, S. 742 f. 817 Siehe allgemein zur Bestimmung von Rechtsbegriffen als Rechtsfrage H.-E. Henke, ZZP 81 (1968), S. 196, 199.

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Die Auslegung der Bewertungsnorm

weder ein teleologisches noch ein gegebenenfalls eigenständiges Auslegungskriterium. Es ist also nicht stets die Auslegung vorzugswürdig, die zu möglichst hohen Steuereinnahmen führt. Bewertungsnormen sind zwar Teil der Fiskalzwecknorm. Sie dienen dazu, dem Staat Mittel zu verschaffen, um seinen Finanzbedarf zu decken.818 Der Fiskalzweck ist jedoch nur Motiv.819 Er kann kein bei einer teleologischen Auslegung zu berücksichtigender Normzweck sein, kann er nämlich die Auslegung weder positiv steuern noch negativ begrenzen. Denn er trägt kein Maß in sich und aus ihm heraus kann nicht erklärt werden, warum eine Steuernorm so und nicht anders ausgestaltet ist.820 Diese Erkenntnis geht freilich über die Auslegung des Normtextes hinaus. Sie gilt für alle administrativen Letztentscheidungsbefugnisse und vor allem auch für die Ausfüllung der Wertungsspielräume, die eine Bewertungsnorm vorsieht. So ist beispielsweise bei mehreren normadäquaten Bewertungsmethoden nicht allein deshalb eine bestimmte Methode zu wählen, weil sie wegen eines höheren Wertes höhere Steuereinnahmen verspricht. Dies führt zu der Frage, ob und inwieweit sich dieser Grundsatz umkehren lässt – insbesondere unter freiheitsrechtlichen Aspekten: Ist die Auslegung vorzugswürdig, die zu einer möglichst niedrigen, „weniger belastenden“ Auslegung führt? Diese Frage wird vielfach verneint. Sowenig wie es einen Grundsatz einer profiskalischen Auslegung gibt, so gebe es auch keinen gegenteiligen Grunsatz zugunsten des Steuerpflichtigen. Insbesondere sollen eingriffsrechtliche Erwägungen nicht den Schluss erlauben, dass die Auslegung den Vorzug verdient, die den Steuerpflich­ tigen am meisten schont. Denn dies würde bedeuten, dass sich die Mehrdeutigkeit einer Norm zum Nachteil der übrigen Steuerpflichtigen auswirke.821 Im Ergebnis wird damit das Bild von der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen der eigenen Belastung und der jedes an­deren Steuerpflichtigen argumentativ fruchtbar gemacht. Es wird eine innere Abhängigkeit suggeriert, die letztlich bei der Auslegung einer Steuernorm in der „Zweischneidigkeit“822 derselben mündet. Das Problem dieser An818 K.-D. Drüen, in: Festschrift f. Kruse, S. 191, 192; K. Vogel, DStZ 1977, 5, 8; H.W. Kruse, DStJG 5 (1982), S. 71, 82. 819 K. D. Drüen, in: Festschrift f. Kruse, S. 191, 207 f. 820 G. Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, S. 128 f.; K.-D. Drüen, FR 2000, 177, 182 f.; derselbe, in: Festschrift f. Kruse, S. 191, 207 f.; W. Schön, DStJG 33 (2010), S. 48; R. Seer, FR 1997, 553, 559; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band, 3, S. 1617 ff.; K. Vogel, in: Festschrift f. Döllerer, S. 677, 687 ff. 821 H. Weber-Grellet, StuW 1993, 97, 102; L. Woerner, FR 1992, 226, 230. 822 H. Weber-Grellet, StuW 1993, 97, 102; ferner R. W. Walz, StuW 1984, 170, 172; L. Woerner, FR 1992, 226, 230.

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Bewertung als Rechtsanwendung

sicht ist, dass sie im Ausgangspunkt etwas unterstellt, dass allenfalls ein theoretisches Gedankenspiel ist, nämlich ein Rechtsanwendungsergebnis zugunsten eines Steuerpflichtigen, das zu einem kompensierenden Zugriff auf die übrigen Steuerpflichtigen führt. Dies lässt sich weder in einem unmittelbar kausalen 1:1-Verhältnis begründen, noch in der Anonymität von Gesamtwirkungen abstrakt (dazu insbesondere in verfassungsrechtlicher Hinsicht noch § 8 I. 1. c am Ende). Ungeachtet dessen versagt ihr Gedankengang jedenfalls dort, wo eine freiheitsschonende Auslegung keine Auswirkungen auf ein etwaiges gleichheitsrechtliches Gegenseitigkeitsverhältnis hat. Wir werden vor allem im Kontext der Bewertung sehen, dass es hier gerade um diese Beispiele geht, weil jeder Wert innerhalb der Bandbreite gleichheitskonform ist, also eine gleichmäßige Lastentragung garantiert (dazu eingehend § 7 I 2. a.). Gehen wir für die teleologische Auslegung eine Abstraktionsebene tiefer: Von dem allgemeinen Fiskalmotiv zu unterscheiden ist der konkrete Normzweck.823 So kann beispielsweise der „Vereinfachungszweck“, der mit einer Norm verfolgt wird, ein die teleologische Auslegung prägender konkreter Normzweck sein.824 Entsprechendes gilt für die Vermeidung bestimmter steuerlicher Gestaltungen und die Missbrauchsabwehr.825 Derart konkrete Normzwecke sind auch bei Bewertungen anzutreffen. Insbesondere sind Bewertungsnormen, die standar­disierte Bewertungsverfahren und feste Bewertungsdaten vorgeben, häufig im Lichte eines Vereinfachungszwecks zu sehen (siehe auch noch § 7 I. 4.). Die Ausprägung dieses eigenständigen Telos kann graduell sehr verschieden ausgeprägt sein. Nicht selten reduziert sich die teleologische Betrachtung aber auf ihre Brücken schlagende Funktion, weil ihr kein anderer Zweck zukommt, als zur Verwirklichung der Belastungsentscheidung zu einem Verkehrswert zu gelangen. Dies führt zu der problematischen Frage, ob sich die Bewertungsnorm auch darüber hinaus in ihrer Eigenschaft als Bestandteil des Verteilungsrechts, für das sie an der gleichmäßigen Verteilung der Lasten mitwirkt, teleologisch ansprechen lässt. Auf sehr allgemeiner Ebene formuliert: Kann die Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit die Auslegung strukturieren? Dies wird zum Teil angenommen. Sowohl im steuerrechtlichen Schrifttum als auch in der Rechtsprechung finden sich die 823 K.-D. Drüen, in: Festschrift f. Kruse, S. 191, 207; E. Höhn, in: Festschrift f. Tipke, S. 213, 221 ff.; W. Schön, DStJG 33 (2010), S. 48. 824 BFH v. 17.3.1988, IV R 82/87, BStBl. II 1988, 770; v. 4.11.1994, VI R 81/93, BStBl. II 1995, 338. 825 Vgl. K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 279 ff.

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Die Auslegung der Bewertungsnorm

Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und die folgerichtige Umsetzung der getroffenen Belastungsentscheidung als methodische (teleologische) Argumente.826 Gelegentlich wird – mit wohl im Wesentlichen sinngemäßiger Aussage – als Telos fruchbar gemacht, dass die Gesamtsteuerlast sachgerecht auf die Bürger zu verteilen ist.827 Die demgegenüber angebrachte Skepsis828 ist insoweit berechtigt, als verhindert werden muss, dass der Rechtsanwender „seine“ – vom Diktum des Gesetzesgebers losgelöste – Vorstellung von der „sachgerechten“ bzw. „folgerichtigen“ Umsetzung des Belastungsgrundes mittels der teleologischen Auslegung umsetzt. Wolfgang Schön hat zu Recht daran erinnert, dass sich das Gebot der Folgerichtigkeit an den Gesetzgeber richtet und er formuliert nicht ohne Grund die Sorge, dass die „Wahl des Leistungsfähigkeitsindikators Einkommen oder Umsatz [ansonsten] ausreichen [würde], bei der Auslegung und Anwendung der Einzelnorm mit dem breitem Schwamm über deren diffiziles Gefüge hinweg zu gleiten“.829 Ebenso überzeugend wird daher nur ein hinreichend vom Gesetzgeber vorgeprägter und indivualisierter Normzweck in Bezug auf die teleologische Auslegung der Einzelnorm für tauglich erachtet.830 Gleichwohl lässt sich bei der Bewertung die folgerichtige Umsetzung der Belastungsentscheidung im Bewertungsergebnis durchaus als ausreichend konkreter Normzweck identifizieren. Er darf lediglich keine spezielleren Vorgaben überspielen. Wenn es die Aufgabe des Auslegenden ist, den objektivierten Willen des Gesetzgebers zu erfassen, wie er sich auch aus dem Sinnzusammenhang und damit insbesondere der vom Gesetz­geber verfolgten Regelungskonzeption ergibt, und er letztere zur Geltung zu bringen hat, lassen sich der Belastungsgrund und seine Verwirklichung nicht ausblenden.831 Sie dürfen – innerhalb der Wortlautgrenzen – sogar nicht ausgeblendet werden. Die Bewertungsnorm ist daher durchaus im Lichte des Belastungsgrundes auszulegen; insbesondere ergeben sich hieraus wichtige Anforderungen an den zu ermittelnden Wert. Dies entspricht der vor allem im Gesellschaftsrecht einmütigen 826 BVerfG v. 10.11.1999, 2 BvR 1820/92, BStBl. II 2000, 158; BFH v. 14.11.2000, VI R 62/97, BStBl. II 2001, 491; v. 24.1.2008, IV R 37/06, BStBl. II 2011, 617; H.-J. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 3, 8; R. P. Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 406. 827 K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1618; K. Vogel, StuW 1977, 97 ff.; H. Weber-Grellet, StuW 1993, 97, 104. 828 M. Droege, StuW 2011, 105, 110 f.; K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 277; W. Schön, DStJG 33 (2008), S. 29, 49. 829 W. Schön, DStJG 33 (2008), S. 29, 49. 830 W. Schön, DStJG 33 (2008), S. 29, 48 f. im Anschluss an E. Höhn, in: Festschrift f. Tipke, S. 213, 234 ff. 831 BVerfG v. 19.3.2013, 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1062.

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Bewertung als Rechtsanwendung

Ansicht, wonach die „Bewertungsziele“ von der Rechtsnorm und der rechtlichen Sonderbeziehung, innerhalb derer der Bewertungsanlass auftritt, vorgegeben werden (Rechtsfrage) und jede Bewertungsnorm eine „norm­adäquate Bewertung“ erfordert, d.h. dass der normative Bewertungsanlass die Bewertungsperspektive und die Bewertungsprämissen vorgibt.832 Im Steuerrecht ist dies nicht anders. Die normativen Ausgangsvorgaben, in welche die steuerliche Bewertung eingebettet ist, sind lediglich andere. Während es im Zivilrecht um Teilhabe und Ausgleich unter Berücksichtigung der jeweiligen normspezifischen Wertungen des Familien-, Erb- oder Gesellschaftsrechts geht, steht hier der bereits eingangs genannte Funktionsbezug im Mittelpunkt. Für das Steuerrecht bedeutet dies, dass – sofern der Wortlaut sich hierzu nicht bereits ex- oder implizit äußert und damit für sich betrachtet schon einen nennens­ werten Anhaltspunkt liefert – die Normauslegung im Kontext der jeweils berührten Vergleichsfunktion des Rechtswertes beispielsweise die Frage beantworten können muss, ob ein Einzel- oder Gesamtwert, ein Verkehrs- oder ein sonstiger Wert, oder ein Vergangenheits- oder ein Zukunfts­erfolgswert zu ermitteln ist. Ferner sind aus der Vergleichsfunktion heraus die Fragen zu beantworten, welche Eigenschaften des Gegenstandes überhaupt bewertungsrelevant sind und welche Umweltfaktoren in die Bewertung einzubeziehen sind. Dabei kann es zu Überschneidungen mit systematischen Argumenten kommen: Wenn beispielsweise § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG auf der ersten Stufe seiner Hierachie auf zeitnahe Verkaufsprozesse und somit für die gesamte Einheit erzielte Preise abstellt, lassen sich sowohl teleologische als auch systematische Argumente dafür anführen, dass es sodann grundsätzlich auch auf den nachfolgenden Hierarchieebenen um die Ermittlung von Gesamtwerten geht. Ferner lässt sich der normativen Maßgeblichkeit sozialer Bewertungsverhaltensmuster ein weiteres teleologisches Argument entnehmen, welches ebenfalls auf die Vergleichsfunktion zuzurückzuführen ist, nämlich die Vergleichbarkeit der Aussagekraft der verschiedenen Vor­ gehensweisen bei der Ableitung von der Beobachtung hin zum wahrscheinlich erzielbaren Preis. Man kann dies als teleologisch zwingende Fehleridentität bezeichnen: Wenn beobachtbare Preise (gemessen an ökonomischen Modellprämissen) Rationalitätsmängel aufweisen, so muss dies auch für die wahrscheinlich erzielbaren Preise gelten – sei es, 832 Dazu statt vieler J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 5; B. Großfeld, JZ 1981, 641, 643; M. Lausterer, Unternehmensbewertung zwischen Betriebswirtschaftslehre und Rechtsprechung, S. 80 ff.; G. Mandl/K. Rabel, in: Festschrift f. Rückle, S. 45, 51; U. Ränsch, AG 1984, 202, 204.

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Die Auslegung der Bewertungsnorm

dass sie durch Preisübertragung oder durch Simulation des Preisbildungsvorgangs geschätzt werden. Deshalb wäre eine Auslegung der Verkehrswerte unter Loslösung von der sozialen Bewertungswirklichkeit teleologisch (und auch systematisch) widersprüchlich (siehe noch eingehend § 5 III.). Freilich kann der Gesetzgeber dieses teleologische Argument auch durch eine Gegennorm ausschließen (siehe zur [vom sozi­alen Verhaltensmuster abweichenden] Transparenzklausel bei § 1 AStG bereits § 3 III. 2. d. bb] [2]). Die teleologische Anknüpfung an die Vergleichsfunktion („vergleichbare Bewertung als Auslegungsziel[?]“) birgt aber immer auch die Gefahr, dass die Grenzen zwischen einer teleologischen, aus dem einfachen Recht entwickelten Auslegung und einer verfassungsorientierten bzw. verfassungskonformen Auslegung zu verschwimmen drohen. Dies ist deshalb ein Problem, weil die Vergleichsfunktion – dies wird später noch zu zeigen sein – gerade im Zeichen des Art. 3 Abs. 1 GG gesehen werden muss. Insoweit ist es zum Teil schwierig zu sagen, ob man es mit einem teleologischen Argument aus der einfachrechtlichen Bewertungsnorm heraus zu tun hat oder ob nicht vielmehr schon Art. 3 Abs. 1 GG die Auslegung prägt und man in die einfache Norm die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die sie erfüllen sollte bzw. muss, schon (unbewusst) hineingelesen hat. Dies betrifft insbesondere den Versuch, die „bewertungsrechtliche Vergleichbarkeit“ zwischen verschiedenen Steuerpflichtigen mit verschiedenen Bewertungsgegenständen herzustellen (Geld auf der einen Seite; ein Unternehmen auf der anderen Seite). Wer hier nicht durch eine explizite, vorrangige (auch im Wege der teleologischen Auslegung nicht zu überwindende) normative Aussage daran gehindert wird, den jeweils einschlägigen Bewertungsnormen „zu unterstellen“, dass sie eine wie auch immer definierte Leistungsfähigkeit gleich, insbesondere folgerichtig, erfassen wollen, wird kaum sagen können, was sein methodisches Argument konkret ist. Und selbst innerhalb der Auslegung, die ihre Rückkopplung mit der Verfassung sucht, lässt sich sogar noch zwisch­en verfassungsorientierter und verfassungskonformer Auslegung unterscheiden. Verfassungsorientierte Auslegung meint hier eine Aus­legung des einfachen Rechts, „die Bedeutung und Gewicht der grundgesetzlichen Prinzipien im Allgemeinen und der grundrechtlichen Gewährleistungen im Besonderen Rechnung trägt und deren Wirkungsgrad nach Möglichkeit erhöht.“833 Grundsätzlich sind aber alle konkurrierenden

833 H. Dreier, Die Verwaltung 36 (2003), S. 105, 112; sinngemäß K.-D. Drüen, StuW 2012, 269 ff.; R. Wendt, in: Festschrift f. Würtenberger, S. 123, 126 ff.

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Bewertung als Rechtsanwendung

Auslegungsergebnisse verfassungskonform.834 Hierin unterscheidet sich die verfassungsorientierte Auslegung von der verfassungskonformen Auslegung. Letztere schränkt die Entscheidung zwischen verschiedenen Auslegungsergebnissen ein. Denn von mehreren methodisch möglichen Deutungen, kommen letztlich nur diejenigen in Betracht, die zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führen.835 Auf welcher Seite man sich befindet, hängt also in jedem Einzelfall davon ab, wie intensiv die anderenfalls drohende Ungleichbehandlung ist, welche Gründe mit welchem Gewicht für sie angeführt werden und vor allem wie stark man den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einengt. Die Relevanz dieser Fragen wird insbesondere anlässlich der Auslegung der Verkehrswertnormen in § 11 und § 12 deutlich werden.

III. Rechtsanwendung und (betriebswirtschaftliche) „Bewertungs­methoden“ Rechtsanwendung und „Bewertungs­methoden“ 1. Die Rezeption sozialer Verhaltensmuster zwischen Tat- und Rechtsfra­ge Von dem unter II. gewürdigten Verstehen abzugrenzen ist grundsätzlich die Anwendung des Rechtssatzes auf den zu entscheidenden Fall und insbesondere die hierfür erforderliche Feststellung der für die Anwendung der Norm relevanten Tatsachen. Auch bei der Bewertung stellt sich die Abgrenzung von Rechts- und Tatfrage als Teil des problematischen Verhältnisses von Rechtsordnung und Wirklichkeit dar. Denn auch hier kann die Abgrenzung nicht im begrifflichen Wege durch die Gegenüberstellung eines „rechtlichen“ und eines „natürlichen“ (außerjuristischen) Begriffssystems gesucht werden.836 Die Tatsachen sind nach einer gängigen, ungeachtet etwaiger erkenntnistheoretischer Diskussionen zum Tatsachenbegriff auch hier zugrunde gelegten Definition alle äußeren und inneren Vorgänge, die sinnlich wahrgenommen werden können und aus denen das objektive Recht Rechtswirkungen herleitet, also vergangene oder gegenwärtige, vorwiegend in der Außenwelt sich abspielende Ereignisse oder Zustände.837 Eine scharfe Trennung zu den Rechtsfragen ist 834 H. Dreier, Die Verwaltung 36 (2003), S. 105, 110; K.-D. Drüen, StuW 2012, 269 ff.; R. Wendt, in: Festschrift f. Würtenberger, S. 123, 130. 835 BVerfG. v. 30.3.1993, 1 BvR 1045/89, BVerfGE 88, 145, 166; M. Desens, FR 2011, 745, 750; H. Dreier, Die Verwaltung 36 (2003), S. 105, 110; K.-D. Drüen, StuW 2012, 269 ff.; C. Seiler, Auslegung als Normkonkretisierung, S. 33; R. Wendt, in: Festschrift f. Würtenberger, S. 123, 126 ff. 836 Vgl. zur Abgrenzung im Allgemeinen H.-E. Henke, ZZP 81 (1968), S. 196, 199. 837 Definition nach R. Seer, in: Tipke/Kruse, FGO, § 81 Rn. 5.

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Rechtsanwendung und „Bewertungs­methoden“

bekanntlich nicht immer möglich, weil Norm und Wirklichkeit ineinander greifen.838 Auslegung, Sachverhaltsfeststellung und Subsumtion können allenfalls theoretisch, aber nicht praktisch getrennt werden. Denn so wie einerseits die Auswahl und das Verständnis der Norm durch den konkreten Fall gelenkt werden, so wird andererseits der Sachverhalt im Hinblick auf seine Rechtserheblichkeit festgestellt.839 Es ist das von Karl Engisch geprägte Bild des zwischen Norm und Wirklichkeit hin- und herwandernden Blicks840, welches trefflich beschreibt, wie der Bedeutungsumfang der Norm gerade im Hinblick auf den konkreten Sachverhalt zu erwägen und zu präzisieren ist.841 Ebenso bekannt ist aber auch die Notwendigkeit einer Abgrenzung: Dominiert wird die Diskussion dabei vor allem durch die Bestimmung der revisionsrechtlichen Kontrollkompetenz, die sich nur auf Rechtsfragen erstreckt. Die Abgrenzungsnotwendigkeit reicht allerdings darüber hinaus und zeitigt vor allem im hiesigen Kontext erhebliche Bedeutung, wo mit der Finanzbehörde ein Akteur vorhanden ist, der in Bezug auf die Tatsachen von Amts wegen zur Aufklärung verpflichtet ist (§ 88 AO). Nur insoweit kann sich die Frage nach dem Beweismaß, also dem Gewissheitsgrad bei der Sachverhaltsaufklärung, stellen und nur insoweit kann im Falle der Unaufklärbarkeit die Feststellungslast zu Lasten eines am Steuerrechtsverhältnis beteiligten Akteurs eingreifen; für die Auslegung und Anwendung des Rechtssatzes gilt dies hingegen nicht.842 Nach verbreiteter Auffassung können auch nur Tatsachen Gegenstand einer Schätzung sein (§ 162 AO)843, die letztlich nichts anderes als eine gesetzliche Beweismaßreduzierung auf die größtmögliche Wahrscheinlichkeit ist.844 Ferner kommt nach herrschender (freilich nicht unbestrittener) Auffassung auch eine tatsächliche Verständigung nur in Ansehung von Tatfragen in Betracht (dazu noch unter § 10 II. 3.), während umgekehrt eine verbindliche Auskunft grundsätzlich auf die Vorwegbeantwortung von Rechtsfra838 J. Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, S. 53 ff., 63 f.; K. Engisch, Logische Studien der Gesetzesanwendung, S. 39 ff. 839 J. Schapp, Methodenlehre und System des Rechts, S. 197 f.; C. Seiler, Auslegung als Normkonkretisierung, S. 41 f. 840 K. Engisch, Logische Studien der Gesetzesanwendung, S. 15, 39 ff. 841 R. Zippelius, Methodenlehre, S. 73 ff. 842 R. Seer, in: Tipke/Kruse, FGO, § 81 Rn. 10. 843 K. Buciek, in: Beermann/Gosch, AO, § 162 Rn. 15; R. Rüsken, in: Klein, AO, § 162 AO Rn. 10; R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 162 Rn. 2, 19, 29; siehe aber auch R. Seer, a.a.O: gelegentlich können Tat- und Rechtsfragen so eng miteinander verbunden sein, dass eine allein tatsachenorientierte Schätzung nicht möglich, aber gleichwohl zulässig ist. 844 R. Seer, in: Tipke/Kruse, FGO, § 96 Rn. 69.

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gen ausgerichtet ist (siehe allerdings zur entsprechenden Anwendung des § 89 Abs. 2 AO auf generelle Rechtstatsachen noch § 10 I. 1.). Rechtspraktisch ist die gesetzliche Bewertung bestimmter Gegenstände sehr stark methodenfixiert (siehe vor allem § 3 III. 2. b. cc] [3] für die Unternehmensbewertung und § 3 III. 2. b. dd] für die Grundstücksbewertung). In der Einleitung ist auch bereits angeklungen, dass diese Methodenfixierung gerade Ausdruck eines Konventionsbedürfnisses in Ansehung des Begründungsweges ist, wo das Ergebnis selbst nicht vollständig begründbar ist, und es wurde der Vergleich zur juristischen Methodik gezogen (Einleitung II.). Wie fügen sich diese „Denkwege“ einschließlich ihrer Konkretisierung und Ausfüllung aber in die Dichotomie von Tatund Rechtsfrage ein? Während es einhellige Meinung sein dürfte, dass das Bewertungsziel von der Rechtsnorm vorgegeben wird (zum Beispiel Einzel- oder Gesamtbewertung; Liquidations- oder Fortführungswert) und insoweit Rechtsfrage ist (siehe bereits zuvor unter § 5 II.), hat die Methodenfixierung auf dem Weg zur Erreichung dieses Ziels zu der (Streit-) Frage geführt, ob und inwieweit (auch) die Methodenfrage (selbst) Rechtsfrage ist, wobei dies sowohl die methodische Grundsatzentscheidung (Ertragswertverfahren etc.) als auch Detailfragen innerhalb der einmal gewählten Methodik betrifft. Die Kontroverse trägt sich vor allem im Zivilrecht zu: Der Bundesgerichtshof hat sich in seinen älteren Entscheidungen jedenfalls abstrakt gegen die Einordnung als Rechtsfrage gewandt.845 Ferner hat er teilweise Sympathie für die Ertragswertmethode bekundet, sie aber gleichwohl nicht als rechtlich zwingend erachtet und auch insoweit wiederum auf den Tatrichter verwiesen: „Die sachverhaltsspezifische Auswahl aus der Vielzahl der Methoden und deren Anwendung ist Aufga­be des sachverständig beratenen Tatrichters“.846 Es sei nicht die Aufgabe des Revisionsgerichts, „genaue Anweisungen für 845 BGH v. 13.3.1978, II ZR 142/76, NJW 1978, 1316, 1318 f.; v. 23.10.1985, IVb ZR 62/84, NJW-RR 1986, 226, 228 (für den Zugewinnausgleich); v. 24.10.1990, XII ZR 101/89, NJW 1991, 1547, 1548 (für den Zugewinnausgleich); v. 16.12.1991, II ZR 58/91, BGHZ 116, 359, 370 f. 846 Vgl. zum Beispiel BGH v. 30.9.1981, IVa ZR 127/80, NJW 1982, 575; v. 24.5.1993, II ZR 36/92, WM 1993, 1412, 1413; v. 6.2.2008, XII ZR 45/06, NJW 2008, 1221, 1223; v. 2.2.2011, XII ZR 185/08, NJW 2011, 2572, 2573. Auch BGH v. 9.11.1998, II ZR 190/97, BGHZ 140, 35, 38 kann keine Festlegung entnommen werden, auch wenn es dort heißt, dass der Barwert der zukünftigen Überschüsse den „theoretisch richtigen Wert“ darstelle. Den aktuellen Entwicklungsstand dürfte insoweit Karsten Schmidt treffend formuliert haben: „Die Rechtsprechung hat diese Methoden [Anm.: Ertragswertmethoden] gegen rechtliche Einwände abgesichert, [aber] noch nicht zur rechtlich allein maßgeblichen Methode erklärt“ (K. Schmidt, Handelsrecht, S. 72).

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das Berechnungsverfahren zu geben oder wirtschaftswissenschaftliche Methodenstreitfragen zu entscheiden“.847 Das Schrifttum folgt dem zum Teil.848 Allerdings ist auch anzumerken, dass sich der Bundesgerichtshof ungeachtet seiner abstrakten Aussage zur Abgrenzung von Tat- und Rechtsfrage dennoch im konkreten Fall nicht gehindert gefühlt hat, methodische Aspekte als revisible Rechtsfragen zu behandeln.849 Die (überwiegende) Literatur850 und viele Oberlandesgerichte851 gehen hingegen auch schon in ihrer abstrakten Aussage weitergehender von der Rechtsfragenqualität der methodischen Grundfragen aus und dies auch bei Detailfragen. Eine Antwort auf diese Abgrenzungsfrage ergibt sich immer nur aus der Bewertungsnorm selbst. Schon angesichts ihrer unterschiedlichen normativen (Detail-) Vorgaben und Steuerungsdichte sind damit Rechtsgebiet und Norm übergreifende Aussagen schwierig. Gleichwohl lassen sich für eine Bewertungsnorm, die soziale Verhaltensmuster rezipiert, zumindest einige und vor allem entscheidende Gemeinsamkeiten formulieren: Die Antwort wurzelt in ihrem realen Bezugspunkt und in der von ihr zu leistenden Vergleichsfunktion. Das im Lichte des Belastungsgrundes zu ermittelnde Bewertungsziel (Bewertungsmaßstab) ist eine Rechtsfrage. Dies ist die erste „normative Weichenstellung“, auf der Wertermittlungen beruhen.852 Wenn hiernach die Auslegung der Bewertungsnorm ergibt, dass als Ausdruck des Tauschwertes der Preis zu suchen ist, den jemand (wahrscheinlich) für den zu bewertenden Gegen847 BGH v. 30.9.1981, IVa ZR 127/80, NJW 1982, 575. 848 Siehe zum Beispiel J. P. Meincke, DStJG 7 (1984), S. 7, 8: Eine Frage, die unter Beobachtung wirtschaftlicher Daten entschieden werden muss (zum Beispiel Vergleich von Marktdaten), wendet sich an Ökonomen und ist aus Sicht des Juristen eine Tatfrage; vgl. ferner vgl. H. Fleischer, ZGR 26 (1997), S. 368, 374: über die zieladäquaten Bewertungsmethoden entscheidet die Betriebswirtschaftlehre aus eigenem Sachverstand. 849 Zu Recht der Hinweis auf die hiermit verbundene Relativierung seiner eigenen abstrakten Aussage M. Lausterer, Unternehmensbewertung zwischen Betriebswirtschaftslehre und Rechtsprechung, S. 92; J. Schulze-Osterloh, ZGR 15 (1986), S. 545, 562. 850 J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 5 ff.; W. Bayer, ZHR 163 (1999), S. 505, 533; C. Kuhner, WPg 2007, 825, 826; M. Lutter, ZGR 8 (1979), S. 416 f.; W. Meilicke, Die Barabfindung für den ausgeschlossenen oder ausscheidungsberechtigten Minderheitskapitalgesellschafter, S. 26 ff.; D. J. Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, S. 124; J. Schulze-Osterloh, ZGR 15 (1986), S. 545, 562 f. 851 OLG Düsseldorf v. 8.8.2013, 26 W 15/12, ZIP 2013, 1816; OLG Stuttgart v. 17.10.2011, 20 W 7/11, NZG 2011, 1346; v. 26.10.2006, 20 W 14/05, AG 2007, 128, 130. 852 B. Großfeld, JZ 1981, 641, 643.

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stand erzielen kann, dann ist es ferner eine Rechtsfrage, in welchem Verhältnis unmittelbar beobachtbare Preise und Preisbildungsverhaltensmuster zu einander stehen (zum Beispiel im Sinne eines verdrängenden Vorrang wie in § 11 Abs. 2, dazu § 3 III. 2. b.). Rechtsfrage ist ferner die Perspektive, also die Frage, ob der Beschaffungs- oder Absatzmarkt, ob die Käufer- oder die Verkäuferperspektive maßgeblich ist.853 Existieren (auf dem maßgeblichen Markt) keine beobachtbaren Preise, muss die weitere (Rechts-) Frage beantwortet werden, was stattdessen herangezogen wird. Dies führt nunmehr zu der am Ende von § 1 III. 3. c. bereits aufgezeigten Frage zurück, ob das beobachtbare (selbst unvernünftige) Verhaltensmuster Vorrang genießt vor dem Modell mit der Fiktion idealtypischer Bedingungen. Auch dies ist Rechtsfrage, weil sie sich nur aus dem normativen Konzept der Bewertungsnorm ableiten lässt und mit diesem in Übereinstimmung bleiben muss, nämlich der Maßgeblichkeit sozialer Verhaltensmuster als realen Bezugspunkt. Erkennt man dies an, muss dem tatsächlich beobachtbaren Verhaltensmuster der Vorrang vor präskriptiven Modellen gebühren. Dies folgt im Grunde bereits aus dem realen Bezugspunkt. Damit besteht normativer „Rezeptionsbedarf“ nicht in Bezug auf normative Theorie (präskriptive Modelle), sondern deskriptive Theorie und Empirie. Ferner ist es die auf eine folgerichtige Anwendung (Verwirklichung) der Vergleichsfunktion gerichten Auslegung (vgl. zu deren Legitimierung bereits § 5 II.), die dieses Ergebnis nicht nur stützt, sondern auch zwingend erscheinen lässt: Dies betrifft zum einen das Ziel, den „Tauschwert“ als Realitätsprodukt zu erfassen. Dazu muss man sich noch einmal ins Bewusstsein rufen, warum dem Preisbildungsvorgang überhaupt so viel Aufmerksamkeit zu schenken ist. Dies tut man deshalb, weil ein unmittelbar beobachtbarer Preis nicht existiert. Der Blick auf den Preisbildungsvorgang soll über dieses Dilemma hinweghelfen und gleichwohl eine Aussage zum wahrscheinlich realisierbaren Preis (im Sinne des Tauschwerts) erlauben. Der Preis ist das Ergebnis eines Wirkungszusammenhangs, welcher durch den Preisbildungsvorgang beschrieben und durch die von ihm vorgegebenen Daten sodann mit Leben gefüllt wird. Der Preisbildungsvorgang lässt sich also von seinem Ergebnis abstrahieren und mit „anderen Daten füttern“, also simulieren. Es gilt aber immer: Der Preisbildungsvorgang hat gegenüber dem unmittelbar beobachteten Preis immer nur eine Hilfsfunktion und er muss daher im Aussagewert mit dem tatsächlich beob853 M. Lutter, ZGR 8 (1979), S. 401, 417; J. Schulze-Osterloh, ZGR 15 (1986), S. 545, 551.

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achtbaren Preis übereinstimmen. Dies bedeutet, dass sich jeder preisbeeinflussende Faktor im Preisbildungsvorgang in jedem Preis widerspiegeln muss. Weil er dem Preisbildungsvorgang anhaftet, muss er auch jedem Preis, der nach Durchlaufen dieses Vorgangs – mit unterschiedlichen Daten – gefunden worden ist, ebenfalls anhaften. Dies ist gerade die Verbindung zwischen den tatsächlich beobachtbaren Preisen und dem gesuchten (wahrscheinlich erzielbaren) Preis, die den Rechtsverkehr überhaupt veranlasst, „hilfsweise“ den Blick der Preisbildungserwartung zuzuwenden. Angesichts dessen kommt der Rechtsanwender nicht umher, die in der Preisbildungsrealität anzutreffenden und daher auch von den beobachtbaren Preisen aufgenommenen Irrationalitäten und Marktinsuffizienzen auch auf der „Hilfsebene“ der Bewertung anzuerkennen. Dies gilt insbesondere für die bei realen Preisfindungsvorgängen zu beobachtenden Vereinfachungen und Pauschalierungen. Werden die Kaufpreise für bestimmte Unternehmen beispielsweise durch Umsatzverfahren geprägt (dazu bereits § 1 III. 3.), so muss gerade die hiermit verbundene Pauschalität (mit-) simuliert werden. Was real den beobachtbaren Preis beeinflusst, wird auch die Preisbildungserwartung real beeinflussen und dies muss die Verkehrswertbewertung erfassen.854 Je mehr ein Modell den Preisbildungsvorgang unter Idealbedingungen, die eben nicht die be­ obachtbaren Irrationalitäten und Marktinsuffizienzen aufnehmen, zu simulieren versucht, umso eher geht gerade dieser (rechtfertigende) Zusammenhang verloren. Die Vergleichsfunktion des Verkehrswertes kann nicht eingelöst werden, wenn der beobachtbare Preis und der Preisbildungsvorgang nicht ihre Rahmen- und Umweltbedingungen teilen. Es geht letztlich im ganz Grundsätzlichen um das Verhältnis von Staat, Privatautonomie und Markt: Wenn sich der Gesetzgeber bei tatsächlich vereinbarten Preisen kein Angemessenheitsurteil („kein Sollens-Urteil“) erlaubt (und es angesichts des Vorrangs individueller Preisfindungsfreiheit zwischen privatautonom, mit natürlichen Interessengegensatz handelnden Personen auch verfassungsrechtlich wohl nur sehr eingeschränkt dürfte), dann hat dies auch bei hypothetischen Preisableitungsvorgängen zu unterbleiben. Wenn der Staat bei realen Preisen nicht vorgeben kann, was „ökonomisch richtig“ bzw. „wünschenwert“ ist, dann widerspricht es der bereits benannten Hilfsfunktion, wenn er dies bei hypothetischen Vorgängen gleichwohl tut. Wenn der Staat hier auf „Sollens-Vorstellun854 W. Ballwieser/K. Küting/T. Schildbach, BFuP 56 (2004), S. 529, 536: Marktpreise spiegeln „Schnittpunkte geordneter Mengen von Wertvorstellungen der jeweiligen Güter auf Anbieter- und Nachfragerseite wider. Wert solche Preise schätzen oder durch Bereinigung anderer Preise gewinnen möchte, muss die Vielfalt der Wertvorstellungen und deren Abstimmung über den Markt simulieren“.

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gen“ im Sinne eines „ökonomisch richtigen“ oder aus seiner (fiskalischen [?]) Sicht „wünschenswerten“ Preis abstellen sollte, dann sind wir letztlich bei einer dem „gerechten Preis“ vergleichbaren Problemlage: Hier würde es zwar nicht darum gehen, zwischen zwei Vertragsparteien einen gerechten Ausgleich um der Beteiligten willen vorzugeben. Aber dem vergleichbar würde der Staat dem Bürger bei der Bemessung der staatlichen Teilhabe an seinem Erfolg einen nicht minder ethisch-normativ geprägten gerechten Preis diktieren. Lediglich die ethisch-normativen Maßstäbe wären andere, nämlich solche ökonomischer Rationalität855 (dies zeigt die präskriptive Unternehmensbewertungslehre, § 1 III. 3.). Zum anderen gilt dieser Aspekt auch für die Frage der („internen“) Folgerichtigkeit zwischen den verschiedenen Preisableitungsstufen. Wer sich „präskriptiven Preisen“ hingibt, anstelle den realen Preisbildungsvorgang zu erfassen, veursacht Wertungswidersprüche innerhalb der verschiedenen Ableitungsvorgänge: Man bedenke nur, dass bei der Preisübertragung auf beobachtbare Preise abzustellen ist (hier also das „Ist“ den Verkehrswert bestimmt). § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG erklärt dies sogar normativ für vorrangig. Wenn man in anderen Fällen hingegen auf Preisbildungsverhaltensmuster abstellt, die – anders als die beobachtbaren, zu übertragenden Preise – keinen Bezug zur sozialen Wirklichkeit mehr aufweisen, sondern vielmehr Ausdruck eines von Entscheidungsrationalität und damit letztlich von Ideologie geprägten „Sollens“ sind, durchtrennt man das hier den Vergleich rechtfertigende innere Band. Die Vergleichbarkeit der Bewertungsergebnisse (Preisübertragung anhand von Ist-Preisen einerseits und die Simulation des Preisbildungsprozesses andererseits) würde aus konzeptionellen Gründen aufgehoben; man würde Äpfel mit Birnen vergleichen. Führt man diese Argumente zusammen, ergibt sich folgendes Bild: Eine Aussage zum Preisbildungsvorgang muss vorrangig empirisch und nicht (nur) ökonomisch belastbar sein.856 Es geht darum, einen sozialen Vorgang zu erfassen, um ihn zur Grundlage einer realitätsnahen, realitätsgerechten Simulation zu machen. Dies – und nicht ein Schluss vom Sollen 855 Für die Forderung nach rationalem Verhalten als ethische Frage W.-R. Bretzke, Der Problembezug von Entscheidungsmodellen, S. 18. 856 Andere Ansicht wohl C. Kuhner, WPg 2007, 825, 827 (im nichtsteuerrechtlichen Kontext): Dass ökonomisch belastbare Aussagen bezüglich des Wertes eines Gegenstandes nur aufgrund von Modellen getroffen werden können, ist auf dem Opportunitätskalkül basieren, sofern ein unmittelbar beobachtbarer Preis nicht existiert, ist durch die Rechtsprechung zu akzeptieren. In diese Richtung ferner C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 113 ff. (dort insbesondere für den Teilwert).

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auf das Ist – ist das Anliegen des Ableitungsvorgangs. Der Bundesfinanzhof hat dies zumindest im theoretischen Ausgangspunkt mehrfach klarsichtig formuliert: „[Eine] Methode zur Berechnung des Wertes eines Betriebes im Rahmen der Gesellschaftssteuer [ist] nur dann und nur insoweit richtig, als ihr die Übung im Wirtschaftsleben folgt“.857 Konsequent zu Ende gedacht bedeutet dies, dass ein dergestalt im Rechtsverkehr als geübt zu beobachtendes Bewertungsverhalten selbst dann maßgeblich ist, wenn es theoretisch angreifbar ist („Denk- oder Kunstfehler“ enthält). Dies gilt in Bezug auf die grundsätzliche methodische Weichenstellung, eine etwaige vereinfachende Vorgehensweise und/oder auch die einzustellenden Faktoren. Ausgehend hiervon müssen daher vorrangig die für den jeweiligen Bewertungsgegenstand relevanten Verhaltensmuster ermittelt werden. Das Recht kennt auch sonst normative Rezeptionen von „Verkehrsanschauung“ (Durchschnittsmeinung verständiger Menschen), „Verkehrsauffassung“ (Standpunkt der beteiligten Wirtschaft) und vor allem der Verkehrssittte als die den Verkehr beherrschende tatsächliche Übung (dazu sogleich unter 2.).858 Da den Preisbildungsverhaltensmustern als Mehrheitsübung (vergleichbar der Verkehrssitte) eine faktische Komponente innewohnt, nämlich die Tatsache, dass ein bestimmtes Verhalten von einer Mehrheit vollzogen wird, sind sie dem Beweis zugänglich.859 § 81 Abs. 1 FGO zählt die Beweismittel nicht abschließend auf und deshalb können zum Beispiel auch wissenschaftliche Werke, die jeweils einschlägige Fachliteratur und ähnliches Material zu ihrer Feststellung heran­gezogen werden.860 Das Verhaltensmuster gehört aber insbesondere zu jenen Erfahrungssätzen, die sich der die Bewertung vornehmende Akteur mit Hilfe eines Sachverständigen verschafft und – wenn die vorge-

857 BFH v. 16.6.1970, II 95/64 u.a., BStBl. II 1970, 690, 694; ferner BFH v. 11.10.1960, I 229/59 U, BStBl. III 1960, 509, 510; ähnlich wirklichkeitsorientiert auch BFH v. 25.1.1979, IV R 56/75, BStBl. II 1979, 302, 303 f., wo auf die Methoden abgestellt wird, die „im kaufmännischen Verkehr […] angewendet“ werden; von „gebrauchen“ statt „anwenden“ spricht BFH v. 7.12.1989, IV R 79/88, BFH/NV 1991, 364; siehe ferner auch schon BFH v. 28.8.1968, III R 15/67, BStBl. II 1969, 2. 858 Zu den Definitionen K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 300 ff.; H.-W. Kruse, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, S. 55; P. Oestmann, JZ 2003, 285; H. J. Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, S. 67 ff. 859 Siehe auch BGH v. 1.12.1965, VIII R 271/63, NJW 1966, 502 für den Fall eines Handelsbrauchs, also die geübte und anerkannte Verkehrssitte des Handels: Die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein Handelsbrauch besteht, ist eine Tatfrage. 860 BFH v. 1.10.1964, V 89/61 U, BStBl. III 1964, 631; K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 302.

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nannten Quellen nicht ausreichend sind – auch verschaffen muss.861 Der Sachverständige muss also das in Bezug auf den Bewertungsgegenstand konkret einschlägige Verhaltensmuster identifizieren und dem zur Entscheidung im Einzelfall berufenen Menschen (Richter, Beamter, Steuerpflichtiger) mitteilen (dazu ferner noch unter § 5 IV. 2.). Wenn man dies anerkennt, beantwortet sich hieraus sodann auch die eingangs aufgeworfene Frage, ob und inwieweit Fragen der Unternehmensbewertungsmethode Rechts- oder Tatfrage sind: Wenn die Feststellung einer tatsäch­lich beobachtbaren Preisbildungsübung grundsätzlich keine Rechtsfrage ist, dann wird sie dies nicht allein deshalb, weil diese Preisbildungsübung in einem Modell abgebildet wird. Die entscheidenden Rechtsfragen sind nur: Ist ein (wahrscheinlicher) Preis zu ermitteln und (wann) darf ich dies durch die Simulation mithilfe von (mehr oder weniger) beobachtbaren Preisbildungsverhaltensmustern tun. Ist die letzte Frage positiv beantwortet, dann ist das herangezogene Modell entweder Ausdruck eines solchen beobachtbaren Verhaltensmusters oder nicht. Dies muss – um hier den Gerichtsprozess in den Fokus zu nehmen – der Richter als Tatfrage gegebenenfalls sachverständig beraten entscheiden (dazu sogleich auch noch unter § 5 IV. 2.).862 Für den besonderes relevanten Bereich der Unternehmensbewertung muss man nunmehr natürlich noch § 11 BewG als ergänzende Regelung zu § 9 BewG in den Blick nehmen. Das vorstehend gewonnene Ergebnis ändert sich hierdurch allerdings nicht. Die vorstehend als Rechtsfragen benannten Fragen werden hier nur weitaus deutlicher als solche bereits am Normtext selbst erkennbar. § 11 Abs. 1 BewG erklärt Börsenkurse als unmittelbar beobachtbare (wahrscheinlich realisierbare) Preise für vorrangig (siehe zu dieser Qualifikation des Börsenkurses bereits oben § 3 III. 2. b. cc] [1]). Satz 2 Einleitungssatz äußerst sich sodann dahingehend, dass dann, wenn keine Börsenkurse existieren, der gemeine Wert aus den Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten ist, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Ist dies nicht möglich, dann ist der gemeine Wert „unter 861 Siehe zum notwendigen Erfahrungswissen in Ansehung der „Verkehrsauffassung“ als Gegenstand des Sachverständigenbeweises nur BGH v. 2.10.2003, I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 254; R. Greger, in: Zöller, ZPO, § 286 Rn. 11; R. Seer, in: Tipke/ Kruse, FGO, § 81 Rn. 6. 862 Aus diesem Grunde ist es beispielsweise bedauerlich, wenn das LG Köln in einem Urteil vom 24.7.2009 behauptet, der objektivierte Unternehmenswert nach IdW S1 sei ein Bewertungsergebnis, das „höchstwahrscheinlich bei einer Veräußerung des Unternehmens als Ganzes nicht vereinbart würde“ (LG Köln v. 24.7.2009, 82 O 10/08, AG 2009, 835), aber nicht offenlegt, auf welcher empirischen Grundlage es dies beurteilt.

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Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode, zu ermitteln“. Mit anderen Worten: Nachdem das vorrangige Preisbildungsverhaltensmuster „(vergleichende) Ableitung aus tatsächlichen Preisen der letzten zwölf Monate“ nicht eingegriffen hat, befinden wir uns genau dort, wo wir uns auch bei einer isolierten Betrachtung des § 9 BewG befanden: § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG rekurriert insoweit auf beobachtbare Verhaltensmuster und die etwaigen Modelle können nur maßgeblich sein, sofern sie (abstrahierendes und vereinfachendes) Abbild dieser sozialen Vorgänge und Kausalitäten sind. Damit ist die Frage nach dem im konkreten Fall anzuwendenden sozialen Verhaltensmusters bzw. – aus dem (sprachlichen) Blickwinkel der überwiegenden Meinung – der maßgeblichen Bewertungsmethodik sowohl in Bezug auf das „Ob“ als auch das „Wie“ stets Tatfrage. Hierauf wird die Untersuchung im Folgenden aufbauen, was sich vor allem in Bezug auf das hier zu entwickelnde Kompetenzgefüge zwischen Verwaltung, Gericht und Steuerpflichtigen auswirken wird (dazu unter § 12). 2. Normative Rezeption und normative Filterung sozialer Verhaltens­ muster Weder die sozialen Verhaltensmuster noch die vielfach stellvertretend herangezogenen ökonomischen Bewertungsmethoden sind demokratisch legitimierte Sollensgebote. Soweit eine Bewertungsnorm aber auf sie Bezug nimmt, die sozialen Verhaltensmuster also zur Konkretisierung der verkehrswertorientierten Rechtswerte dienen, können sie zumindest mittelbar eine rechtsbildende Kraft erlangen. Insoweit entpuppt sich die Bewertungsnorm letztlich als „weiterverweisender Rechtssatz“.863 Dergleichen ist beispielsweise bei § 346 HGB mit seiner normativen Bezugnahme auf einen Handelsbrauch der Fall. Die herrschende Meinung erkennt den Handelsbrauch zwar nicht als Rechtsnorm an. Sie versagt ihm also die unmittelbare Rechtsgeltung.864 Über § 346 HGB kann der Handelsbrauch aber als soziale Rechtsnorm des täglichen Lebens mittelbar Rechtsverbindlichkeit erlangen.865 Insbesondere ist damit die Ansicht verbunden, dass solche Generalklauseln nicht durch eigene 863 P. Kirchhof, Festschrift für die Juristische Fakultät der Universität Heidelberg, S. 9, 34; derselbe, NJW 1986, 2275, 2277; K. F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 224. 864 Vgl. nur G. Bachmann, Private Ordnung, S. 341 ff.; K. Schmidt, in: Münchener Kommentar, HGB, § 346 Rn. 1 mit weiteren Nachweisen. 865 M. Rehbinder, Rechtssoziologie, § 2 Rn. 11 ff.; B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 98, 232 ff.; K. Schmidt, in: Münchener Kommentar, HGB, § 346 Rn. 1.

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ethisch-normative Wertungen zu konkretisieren sind866, sondern durch Empirie. Auch bei anderen Generalklauseln (Verkehrssitte, guten Sitten, etc.) wird eine ähnliche Verweisung auf soziale Fakten vertreten867 und selbst bei den „guten Sitten“ die Rezeption der tatsächlich bestehenden Vertrags-, Verkehrs- und Gesellschaftsmoral gefordert.868 Die genannten Beispiele (insbesondere § 346 HGB) unterscheiden sich in einem Aspekt von der Steuerrechtsanwendung. Die rezipierten sozialen Verhaltensmuster konkretisieren dort in der Regel das Rechtsverhältnis zwischen zwei Vertragspartnern. Die soziale Norm beansprucht also nunmehr Geltung zwischen ihnen und wird damit aus ihrem „sozialen Dasein“ herausgehoben. Darum geht es hier nicht. Die Rezeption ist auf die Konkretisierung der Bewertungsnorm gerichtet. Sie füllt die hypothetische Veräußerung mit Leben, gestaltet aber keine Rechtsbeziehung normativ und dies ungeachtet der Frage, ob sie als soziale Norm eine Sollensregelung ist oder lediglich im Sinne einer tatsächlichen Übung nur eine beobachtbare Seinsgesetzlichkeit. Gleichwohl verhält es sich bei den Preisbildungsverhaltensmustern als sozialen Verhaltensmustern nicht anders als bei den vorgenannten Beispielen auch. Die letztendliche Wirkungsweise ist nicht entscheidend, sondern vielmehr allein der Umstand, dass der Gesetzgeber die soziale Wirklichkeit insoweit für rechtserheblich erklärt hat; dies ist der gemeinsame Nenner der Rezeption. Die außerrechtlich zu beobachtende Verkehrs-/Handelssitte (soziale Norm) bzw. der Verkehrs-/Handelsbrauch (Übung, bloße deskriptiv beschreibare Seinsgesetzlichkeit) konkretisieren die staatliche Norm, geben ihr letztlich sogar ihren wesentlichen Inhalt, und bestimmen damit im Verhältnis zwischen Staat und Bürger, wie ein Gegenstand im Verhältnis zu anderen Gegenständen im Hinblick auf den Belastungsgrund vergleichbar zu machen ist.869 866 So aber C. Ott, in: Festschrift f. Raiser, S. 403, 413 ff., 419. 867 M. Rehbinder, Rechtssoziologie, § 2 Rn. 11 ff.; J. Limbach, in: Festschrift f. Hirsch, S. 77 ff.; K. F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 224 ff. 868 Dazu R. Damm, Rechtstheorie 7 (1976), S. 213, 245 f.; G. Teubner, Standards und Direktiven in Generalklauseln, S. 52 u. S. 116. 869 Solche Rezeptionsüberlegungen hat es früher auch einmal in Bezug auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung in § 5 EStG gegeben: In den Anfangsjahren des Bundesfinanzhofs ging man gelegentlich davon aus, dass diese als Tatsachen induktiv (empirisch) aus der Kaufmannsübung zu gewinnen sind (siehe nur BFH v. 12.5.1966, IV 472/60, BStBl. III 1966, 371; ferner E. Littmann, DStR 1962/1963, 651, 653; deduktiv aus den Bilanzzwecken allerdings auch schon damals BFH v. 14.1.1960, IV 108/58 U, BStBl. III 1960, 137; v. 9.10.1962, I 167/62 U, BStBl. III 1963, 7). Heute betrachtet man die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung als Rechtsnormen, die es aus dem Steuerrecht heraus auszulegen gilt; ihre Gewinnung ist also ein Vorgang auf der Normebene und keine Frage der Empirie (H.

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Hier zeigt sich gerade auch die besondere Sinnhaftigkeit solcher Verweisungen. Die Norm erweist sich dadurch gegenüber der sozialen Wirklichkeit als anpassungsfähig und lernbereit. Der semantische Spielraum ist kein Mangel der Norm, sondern ein bewusstes Mittel zur Umweltanpassung des Rechts.870 Gerade bei der Bewertung ist dies sinnvoll, weil es nämlich die „Meinung“ des Verkehrs ist, die den Wert erst hervorbringt bzw. die einen Gegenstand wertvoll macht. Diese „Meinung“ mag zum Teil in recht stabilen Mustern verlaufen, zum Teil ist sie aber auch wandelbar. Die Entwicklung der Unternehmensbewertung der letzten fünfzig Jahre dürfte hierüber ein beredetes Zeugnis ablegen. Dies bedeutet zugleich aber auch: Der Rechtsanwender darf sich nicht beständig auf vergangene Feststellungen zu den sozialen Verhaltensmustern berufen, sondern muss diese im Entscheidungsfall auf ihre fortwährende Berechtigung hinterfragen und von Zeit zu Zeit Neuerhebungen vornehmen.871 Mit § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG hat der Gesetzgeber daher eine Rezeptionsnorm geschaffen, die – jedenfalls auf der dritten Stufe ihrer Bewertungshierarchie – in der Lage ist, diese Wandelbarkeit der sozialen Wirklichkeit, also der maßgeblichen Preisbildungsverhaltensmuster, aufzunehmen. Bei § 1 AStG muss man hingegen fragen, ob der Gesetzgeber gut daran beraten war, bestimmte Methoden auf der ersten Stufe des tatsächlichen Fremdvergleichs bei uneingeschränkt vorhandenen Vergleichsdaten vorzugeben. Die drei Standardmethoden entsprachen zwar zum Zeitpunkt des Gesetzeserlasses der internationalen „Üblichkeit“ und gerade deshalb wurden sie auch vom Gesetzgeber übernommen.872 Innerhalb der OECD wird allerdings derzeit diskutiert, ob nicht noch gewinnorientierte Methoden ebenfalls als gleichrangig anzuerkennen sind.873 Ein offeneres Rezeptionsmodell wäre insoweit anpassungsfähiger gewesen. Allerdings verbleibt diese Kritik im rechtspolitischen Raum. Denn im Hinblick auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist die normative Fixierung auf diese drei Standardmethoden gewiss nicht zu beanstanden. Ist eine Rezeption sozialer Verhaltensmuster gegeben – wie zum Beispiel vor allem in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG und Beisse, BFuP 42 [1990], S. 499, 502 f.; M. Krumm, in: Blümich, EStG, § 5 Rn. 209 mit weiteren Nachweisen). 870 Vgl. B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 185 f.; G. Teubner, in: Hassemer/Hoffmann-Riem/Weiss, Generalklauseln als Gegenstand der Sozialwissenschaften, S. 13, 21; ähnlich R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, S. 182 ff. (für Typusbegriffe). 871 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 303 zur Verkehrsanschauung. 872 BT-Drucks. 16/4841, S. 85. 873 Nachweise bei A. Nientimp, in: Mössner/Fuhrmann, AStG, § 1 Rn. 152.

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Bewertung als Rechtsanwendung

§ 1 AStG – führt dies zu der weiteren Frage, wie weit die Rezeption reicht und welche Bedeutung insbesondere dem normativen Programm zukommt. Insoweit haben wir es mit dem Kernproblem im Verhältnis zwischen Rechts- und Sozialwissenschaft zu tun. Im Ausgangspunkt steht dabei die Erkenntnis, dass die Rechtswerte Rechtsbegriffe sind und dies auch dann, wenn sie an die soziale Wirklichkeit anknüpfen (siehe bereits § 3 I.). Ihre Konkretisierung ist daher erst einmal eine genuin juristische Aufgabe. Im Anschluss an die juristische Konkretisierung der Rechtswerte bedeutet dies zweierlei: Erstens, setzt bereits die Erhebung der sozialen Fakten eine normative Bewertung voraus, die gerade nicht sozialwissenschaftlich erfolgen darf, sondern es muss vielmehr aus der durch Auslegung konkretisierten Norm heraus die Frage beantwortet werden, welche Tatsachen zu welchem Zweck zu erheben, auszuwerten und zu bewerten sind.874 Insbesondere kann sich aus der Norm auch ergeben, inwieweit die soziale Wirklichkeit unter Vorgabe bestimmter Prämissionen zu erfassen ist (zum Beispiel die Sicht des Veräußerers oder des Erwerbers, Fortführung oder Liquidation etc.). Ist nach dieser Maßgabe eine Wirklichkeitsfeststellung getroffen, so bedeutet Rezeption, zweitens, nicht die „blinde“ Übernahme in die Rechtsanwendung.875 Die normative Bezugnahme auf die soziale Wirklichkeit (hier: die Preisbildungsverhaltensmuster) entbindet nicht davon, die Wirklichkeitsfeststellung einer normativen Filterung und Selektion zu unterziehen. Die festgestellten sozialen Verhaltensmuster sind infolge der Bezugnahme immer ein Element normativer Beurteilung und müssen als solches in Bezug auf die sie rezipierende Norm und deren Regelungszweck noch einmal kontrolliert und gegebenenfalls angepasst (normativer Selektionsprozess) werden.876 Bei Jörn Lüdemann findet sich dazu die Wiedergabe des – freilich überzeichnenden – Bildes von der Notwendigkeit eines Virenschutzes, um den Rechtscorpus vor sozialwissenschaftlichen Krankheitserregern abzuschirmen.877 Das Problem der Rezeption bei Nachbarwissenschaften – sei es bei den Sozialwissenschaften im Allgemeinen oder aber auch den 874 O. Lepsius, JZ 2005, 1, 12; ähnlich C. Möllers, VerwArch 93 (2002), S. 22, 42. 875 Anders wohl W. Birke, Richterliche Rechtsanwendung und gesellschaftliche Auffassung, S. 45 ff. 876 So im Ergebnis auch BFH v. 20.10.1978, III R 31/76, BStBl. II 1979, 34; siehe zur Notwendigkeit normativer Filterung und Selektion I. Augsberg, Der Staat 51 (2012), S. 117, 123; C. Gusy, JZ 1991, S. 213 ff.; J. Lüdemann, in: Boysen/u.a., Netzwerke, S. 266, 275 ff.; R. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, S. 161; ähnlich, aber noch differenzierter G. Teubner, in: Hassemer/Hoffmann-Riem/Weiss, Generalklauseln als Gegenstand der Sozialwissenschaften, S. 13 ff. 877 J. Lüdemann, in: Boysen/u.a., Netzwerke, S. 266, 275.

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Rechtsanwendung und „Bewertungs­methoden“

Ökonomen in Ansehung ihrer Bewertungslehre im Besonderen – wird hierdurch anschaulich zum Ausdruck gebracht. Beide Fragen (Was ist zu erfassen? Wie ist das Ergebnis zu filtern?) müssen für jede rezipierende Norm gesondert beantwortet werden. Die Notwendigkeit normativer Selektion und Filterung gilt dabei freilich nicht nur dann, wenn die Bewertungsnorm selbst soziale Verhaltensmuster rezipiert. Die vorgenannten Grundsätze gelten vielmehr auch dann, wenn eine typisierende Bewertungsnorm mit dem Bewertungsverhaltensmuster, wie es in der sozialen Wirklichkeit anzutreffen ist, „konkurriert“. Angesprochen sind hiermit die bei typisierenden Bewertungsvorschriften anzutreffenden „Öffnungsklauseln“, wonach die typisierte Bewertungsmethode im Einzelfall nicht gilt, wenn der Steuerpflichtige einen niedrigeren Wert nachweist. Anschauungsmaterial bietet hierfür vor allem die Grundstücksbewertung, die in § 146 Abs. 6 BewG und in § 198 BewG eine solche Möglichkeit vorsieht. Der Bundesfinanzhof878 hat in einem Urteil aus dem Jahre 2003 zu § 146 Abs. 7 BewG a.F. zutreffend herausgestellt, dass durch solche Nachweismöglichkeiten, die letztlich auf ein Sachverständigengutachten nach der ImmoWertVO oder auch die Heranziehung zeitnaher Kaufpreise hinauslaufen, die steuergesetzlichen Wertungen der typisierten Bewertungsmethode nicht unterlaufen werden dürfen. Er verlangt daher eine Vergleichbarkeit des nachgewiesenen Wertes mit dem typisiert ermittelten Steuerwert und führt aus: „Davon kann nur ausgegangen werden, soweit die Bewertungsmaßstäbe übereinstimmen, insbesondere die gleichen preis- bzw. wertbildenden Faktoren berücksichtigt werden. Auch wenn § 146 Abs. 7 BewG eine solche Einschränkung ausdrücklich nicht enthält, setzt das Gesetz erkennbar als selbstverständlich die Vergleichbarkeit des festzusetzenden niedrigeren Grundstückswertes nach § 146 Abs. 7 BewG mit den Steuerwerten voraus ([…]). Dies schließt es aus, solche den gemeinen Wert beeinflussenden wertmindernden Faktoren bei der Feststellung eines niedrigeren Grundstückswertes im Sinne von § 146 Abs. 7 BewG zu berücksichtigen, die im Rahmen der Feststellung der Regelwerte nach den Absätzen 2 bis 6 der Vorschrift unberücksichtigt bleiben.“ Im konkreten Fall ging es um die wertmindernde Berücksichtigung eines unentgeltlichen Nutzungsrechts. Wenn ein solches Nutzungsrecht vom Gesetzgeber bewusst bei der typisierten Wertermittlung nach den § 146 Abs. 2 bis Abs. 6 BewG für unbeachtlich erklärt worden ist, so darf es auch bei § 146 Abs. 7 BewG keine wertmindernde Bedeutung erlangen und – insoweit ist die zutreffende Ansicht des Bundesfinanzhofs zu er878 BFH v. 8.10.2003, II R 27/02, BStBl. II 2004, 179, 180.

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Bewertung als Rechtsanwendung

gänzen – dies selbst dann nicht, wenn eine wertmindernde Berücksichtigung der Bewertungsübung in der sozialen Wirklichkeit entspricht. Hier setzt sich also die normative Wertung durch. Der vom Bundesfinanzhof postulierte „Vergleich“ ist nichts anders als die Bestimmung der normativen Filtervorgaben. Das Ergebnis dieser Vorprägung für die Identifizierung und Konkretisierung des zu suchenden Verhaltensmusters sowie der nachgelagerten Filterung des „gefundenen“ Ergebnisses ist eine „spezifisch [bewertungs-] rechtliche Wirklichkeitskonstruktion“.879 Sie kann wegen ihres norma­ tiven Programms sowohl vom Alltagsverständnis als auch von wissenschaftlichen Theorien abweichen. Bei der Konstruktion dieser „rechts­ eigenen Wirklichkeit“880 ist der Gesetzgeber innerhalb der – noch darzustellenden – gleichheits- und freiheitsrechtlichen Rahmenbedingungen grundsätzlich frei. Bei der Bewertung aus Rechtsgründen gilt es nach alledem (vereinfacht) folgende Gedankenschritte zu durchlaufen: 1) Normauslegung und „Erkennen“ der normativen Bewertungsvorgaben sowohl in Bezug auf den Bewertungsgegenstand, das abstrakte Bewertungsziel sowie die konkreten Vorgaben in Bezug auf dessen Verwirklichung 2) Feststellung des Bewertungsgegenstandes und seiner preisbildungsrelevanten Eigenschaften nach Maßgabe von 1) 3) Identifizierung eines oder mehrerer Verhaltensmuster, die in Bezug auf die Bewertung eines solchen Gegenstandes mit den vorab festgestellten Merkmalen beobachtbar sind (die „üblich“ sind), nach Maßgabe von 1) 4) Normative Filterung und Entscheidung dahingehend, dass und inwieweit diese Verhaltensmuster auch für das konkret zu bewertende Objekt herangezogen werden können 5) Feststellung und Festlegung der Daten und Informationen, die zur Anwendung des Verhaltensmusters auf das konkret zu bewertende Objekt notwendig sind

879 Siehe G. Teubner, HRSP 68 (1982), S. 13, 56. 880 Auch der Begriff stammt von G. Teubner, HRSP 68 (1982), S. 13, 56 und zwar aus folgendem Kontext: „Um soziale Konflikte unter normativen Gesichtspunkten rechtsförmig entscheiden zu können, muss das Rechtssystem eine rechtseigene Wirklichkeit konstruieren.“

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Tatsachenfeststellung und wertende Festlegung

6) Anwendung des Verhaltensmusters mittels der festgestellten und festgelegten Daten und Informationen auf das konkret zu bewertende Objekt

IV. Tatsachenfeststellung und wertende Festlegung zur Ausfüllu­ng des als maßgeblich identifizierten Verhaltens­ musters 1. „Arbeitsteilige Bewertung“ und Feststellungslast Ist ein Verhaltensmuster identifiziert (dazu sogleich unter § 5 IV. 2.) und ist entschieden, dass es auch für das konkret zu bewertende Objekt herangezogen werden kann, so müssen die Tatsachen festgestellt bzw. festgelegt werden, die zur Anwendung des Verhaltensmuster auf das konkret zu bewertende Objekt notwendig sind. Hierbei geht es um Tatsachen, die (zumindest theoretisch) mit den verwaltungsverfahrens- und/oder prozessrechtlichen Mitteln dem Beweis zugänglich sind, wobei freilich auf die (natürlichen) Erkenntnisgrenzen des Menschen und das Problem der Sachverhaltskonstruktion/-abbildung bereits an anderer Stelle hingewiesen wurde. Trotz aller Selektionsprobleme und Konstruktionstheorien geht jedenfalls das Gesetz von der Existenz einer subjektunabhängigen Realität aus.881 Ob sie mit den Mittel des Verfahrens- und des Prozessrechts tatsächlich gefunden wird, ist eine davon zu unterscheidende Frage. Verwaltungsverfahrensrechtlich ist normativer Ausgangspunkt § 88 Abs. 1 AO. Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Freilich ist unbestritten, dass eine vollständige Tatsachenermittlung durch die Behörde nicht möglich ist. Auch rechtlich ist dies nicht geboten. Die Lücke, die zwischen dem, was die Verwaltung weiß, und dem, was der Steuerpflichtige oder sonst Betroffene wissen, klafft, schließt das Verwaltungsrecht im Allgemeinen und das Steuerrecht im Besonderen vielmehr durch die Heranziehung der primären Wissensträger, nämlich vorrangig des Steuerpflichtigen und subsidiär auch dritter Personen; es kommt zu einer Arbeitsteilung.882 Dies geschieht vor allem durch Erklärungspflichten (dazu noch § 10 II. 2.). Dementsprechend stellt 881 K. H. Gössel, Ermittlung oder Herstellung von Wahrheit im Strafprozess, S. 18; S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 63. 882 Siehe für das Steuerrecht im Besonderen statt vieler nur R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 21 Rn. 5 ff., 172 ff. und für das Verwaltungsrecht im Allgemeinen zum Beispiel C. Möllers, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 3 Rn. 34.

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Bewertung als Rechtsanwendung

sich der in § 88 Abs. 1 AO einfach-rechtlich verankerte Amtsermittlungsgrundsatz als ein Negativprinzip dar und besagt nur, dass die Finanzbehörde anlässlich dieses arbeitsteiligen Prozesses bei der Sachaufklärung an den Betroffenen- bzw. Beteiligtenvortrag nicht gebunden ist.883 Dabei bestimmt die Finanzbehörde die weitere Sachaufkärung nach ihrem Ermessen. Dieses „Verfahrensermessen“ trägt der notwendigen Flexibilität und Situationsgerechtigkeit Rechnung. Die Zweckmäßigkeit der Verfahrensgestaltung wäre durch Rechtssätze ohnehin nicht einzufangen.884 Gerade der Umgang mit Bewertungsvorschlägen des Steuerpflichtigen ist häufig sehr abhängig von der „Bewertungserfahrung“ des zuständigen Amtswalters. Intuition spielt hier einen bei der Verfahrensgestaltung gewiss nicht zu vernachlässigenden Faktor. Dies ist umso wichtiger, als es ohnehin nicht möglich ist, den Sachverhalt vollständig und bis zur Beseitigung des letzten Überzeugungszweifels einer Amtsprüfung zu unterziehen. Besonders deutlich wird dies bei der Unternehmensbewertung. Hier zeigt sich nicht selten folgende – hier nicht empirisch belegte, sondern aus eigenem Alltagswissen heraus beschriebene – Vollzugsrealität: Der Steuerpflichtige erfüllt in einem ersten Schritt seine steuerliche Erklärungspflicht. Dabei hat er auch seiner Erstbewertungspflicht zu genügen (dazu noch eingehend § 10 II. 2. a.). Dies wird er im Anwendungsbereich des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG häufig in Gestalt eines Bewertungsgutachtens tun. Dieses (Privat-) Gutachten ist bloße, aber substantiierte Beteiligtenbehauptung. Es handelt sich also nicht um ein Sachverständigengutachten im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinne.885 In der sich dergestalt an die Einleitung des Verwaltungsverfahrens anschließenden behördlichen Amtsermittlungsphase verifiziert die Behörde die Bewertung des Steuerpflichtigen. Dabei kommt ihr ein Ermittlungsermessen zu, das sie jeweils in Abhängigkeit vom konkreten Bewertungsgegenstand, den Erfahrungen mit dem Steuerpflichtigen und vor allem auch in Abhängigkeit davon, ob und inwieweit er fachkundig beraten ist, ausüben wird. Ferner wird hierbei auch eine Rolle spielen, welche Daten und Informationen ohnehin bindend zugrunde zu legen sind. Dies betrifft vor allem die Grundstücksbewertung.

883 C. Pestalozza, Festschrift für den Richard Boorberg Verlag, 1977, S. 185, 186. 884 H. Hill, DÖV 1987, 885, 891; F. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), S. 21, 36. 885 Vgl. allgemein R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 96 Rn. 3.

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Tatsachenfeststellung und wertende Festlegung

Bleiben wir zur Verdeutlichung der Arbeitsteilung aber bei der Bewertung von unternehmerischen Einheiten nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.E.: Das vormalige Stuttgarter Verfahren war von dem Bestreben getragen, dass es jeder Finanzbeamte anwenden konnte (dazu noch § 9 II. 2.). Ungeachtet seiner in der Praxis gewiss nicht unbedeutenden Zu- und Abschläge war es ein auf Vergangenheitsdaten aufbauendes, formalisiertes Verfahren. Es war nicht nur verständlich, es war auch „verifikationsfreundlich“. Wenn der Steuerpflichtige heute seine Bewertung mittels eines Bewertungsgutachtens substantiiert begründet, so führt dies praktisch nunmehr zu einer eingeschränkten Verifikation. Es wäre jedenfalls utopisch zu glauben, dass vor Erlass des Steuerbescheides der Sachverhalt in jeder Facette ausermittelt werden kann. Dies gilt für viele Veranlagungsbeispiele, für die Bewertung von Unternehmen gilt es aber im Besonderen. Gerade im Kontext von erbschaft- und schenkungsteuerlichen sowie umstrukturierungsbedingten (ertragsteuerlich relevanten) Übertragungen von unternehmerischen Einheiten erfolgen zwar nicht selten Betriebsprüfungen. Aber auch hier lässt sich nur eine begrenzte Prüfungskapazität konstatieren. Daher geht es in Bezug auf die bewertungsspezifischen „Objektrisiken“886 in der Vollzugswirklichkeit vor allem um eine se­lektive, nämlich an den steuermindernden Stellschrauben oder sonst als pflichtwidrigkeitstypisch bzw. als „steuerkritisch-/ riskant“ ausgemachten Teilaspekten ansetzende Kontrolle der Bewertungen der Steuerpflichtigen bzw. genauer: der von ihnen eingereichten, in der Regel von fachkundiger Seite (zum Beispiel durch Wirtschafts­ prüfer) erstellten Bewertungsgutachten. Praktikabilität und Effizienz dürfen das Verfahrensermessen auch durchaus in diese Richtung strukturieren.887 Entlastend und zugleich (selbst-) regulierend wirken hier nämlich sowohl die Sach- und Fachkundigkeit des Gutachters888 als auch 886 Zur Terminologie R. Seer, DStJG 31 (2008), S. 7, 29: Subjektrisiken sind Risiken, die eine höhere Prüfungsintensität aus Gründen nahelegen, die mit der Person des Steuerpflichtigen (insbesondere seinem vergangenen Verhalten) zusammenhängen. Objektrisiken hingegen sind Risiken, die einem steuerlich relevanten Sachverhalt seiner Eigenart wegen innewohnen. 887 Siehe zur Strukturierung des Ermessens durch Effizienzgesichtspunkte für das Steuerrecht im Besonderen R. Seer, DStJG 31 (2008), S. 7, 29 ff. mit weiteren Nachweisen. 888 Auch wenn es hier nicht zwingend um den Steuervollzugsbeitrag des Steuerberaters geht, sondern (auch) von Wirtschaftsprüfern (Unternehmensbewertung) oder sonstigen (vereidigten) Sachverständigen (Grundstücksbewertung, etc.) sei in Bezug auf den Gedanken der Selbstregulierung verwiesen auf R. Seer, in: Tipke, Steuerberatung und Rechtsstaat, S. 37 ff.; zum die Finanzverwaltung entlastenden Steuervollzugsbeitrag des Steuerberaters (im Anschluss an R. Seer, a.a.O.) ferner K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1448 ff.

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Bewertung als Rechtsanwendung

die – später noch zu konkretisierenden – Begründungslasten (dazu vor allem noch § 12 III.), denen der Bewertende genügen muss, um einen gesetzeskonformen Bewertungsvorschlag zu unterbreiten. Sowohl das (Steuer-) Verwaltungsverfahrensrecht als auch das Prozessrecht kennen keine subjektive Beweislast im Sinne einer Behauptungsund Beweisführungslast. Vielmehr ist der Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Hiervon zu unterscheiden ist die sog. Feststellungslast. Sie beantwortet die Frage, welchem der Beteiligten in einer Non-liquet-Situation das Risiko der Nichterweislichkeit einer Tatsache trifft, wenn also entscheidungserhebliche Umstände unter Ausschöpfung der zu Gebote stehenden Beweismittel nicht bis zu dem im Einzelfall erforderlichen Grad der Gewissheit aufgeklärt werden können.889 Im Ausgangspunkt greift die Rechtsprechung bei der Zuordnung dieses Risikos auf die sog. Normbegünstigungstheorie zurück. Vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Beweislastregel trägt für die steuerbegründenden Tatsachen der Steuergläubiger die Feststellungslast und für die steuerbefreienden oder -mindernden Tatsachen liegt sie beim Steuerpflichtigen.890 Ergänzt bzw. modifiziert wird sie durch eine vom Gedanken der Beweisnähe beeinflusste Sphärenbetrachtung, d.h. bedeutsam wird – vorbehaltlich besonderer Normen oder der Verletzung von Mitwirkungspflichten – (auch) die Antwort auf die Frage, in wessen Verwantwortungsbereich (sinngemäß Verantwortungssphäre, Einflusssphäre) sich ein Sachverhalt zugetragen hat.891 Wendet man diese Grundsätze auf den Bewertungsvorgang an, ist an erster Stelle noch einmal daran zu erinnern, dass der gesuchte Verkehrswert als solcher keine Tatsache darstellt; er ist lediglich eine Schlussfolgerung (siehe § 5 I.). Es trägt daher niemand die Feststellungslast für den Wert an sich.892 Festzustellende Tatsachen sind vielmehr ausschließlich die für die Anwendung der Bewertungsnorm notwendigen 889 BVerwG v. 31.8.1961, II C 117/58, BVerwGE 13, 36, 40; BFH v. 7.7.1983, VII R 43/80, BStBl. II 1983, 760 f.; dazu ferner mit weiteren Nachweisen R. Seer, in: Tipke/Kruse, FGO, § 96 Rn. 83 ff.; T. Stapperfend, in: Gräber, FGO, § 96 Rn. 50. 890 BFH v. 7.7.1983, VII R 43/80, BStBl. II 1983, 760 f.; v. 22.1.2003, X R 9/99, BStBl. II 2003, 596. 891 BFH v. 15.7.1986, VII R 145/85, BStBl. II 1986, 857; v. 9.7.1986, I B 36/86, BStBl. II 1987, 487; v. 15.2.1989, X R 16/86, BStBl. II 1989, 462, 463; v. 22.1.2003, X R 9/99, BStBl. II 2003, 596. 892 Anders (womöglich aber auch nur unglücklich formuliert) zum Beispiel FG Hamburg v. 28.4.2009, 3 K 43/09, EFG 2010, 103, 105, demzufolge das Finanzamt die Feststellungslast für den zu besteuernden Anteils- bzw. Unternehmenswert trage. An späterer Stelle wird dann aber hinsichtlich des Bezugspunktes richtig formuliert, dass der Steuerpflichtige die Feststellungslast für Tatsachen trage, die eine objektive Wertminderung am Stichtag begründen (FG Hamburg, a.a.O, 108).

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Tatsachenfeststellung und wertende Festlegung

Einzeltatsachen. Bei jeder einzelnen von ihnen setzt die Frage der Feststellungslast an. Zu denken ist beispielsweise an Vergleichswerte in Bezug auf andere Gegenstände, um deren Übertragung es in einem zweiten (wertenden) Schritt geht. Die festzustellende Tatsache ist hier also, dass und in welcher Höhe für bestimmte (andere) Gegenstände Preise tatsächlich bezahlt worden sind. Entsprechendes gilt für Einzelwerte innerhalb eines Verhaltensmusters (zum Beispiel die ortsübliche Miete etc.). Ferner gehören hierin Eigenschaften des Bewertungsobjektes und Zustände. Eine nicht einfach zu beantwortende und wohl auch nicht verallgemeinernd beantwortbare Frage ist in diesem Zusammenhang, wo bei der Bewertung die Sphäre des Erklärungs- und damit Bewertungspflichtigen endet. Damit sind zwei Problembereiche angesprochen: Zum einen sind die bewertungsrelevanten Daten und Informationen zu nennen, die verallgemeinerungsfähig und damit vom konkreten Bewertungsobjekt losgelöst sind. Dies betrifft zum Beispiel die Frage, ob ein bestimmtes Bewertungsverhaltensmuster in einer bestimmten Branche „als Regel“ real vollzogen wird und wie es konkret in Erscheinung tritt. Es handelt sich hierbei um Tatsachen, die eine deskriptive Aussage über den konkreten Entscheidungsfall hinaus betreffen und deshalb auch losgelöst von diesem zu beantworten sind. Sie kommen deshalb den in der Rechtstatsachenforschung als „Normtatsachen“ bzw. „generelle Rechtstatsachen“893 bezeichneten Tatsachen sehr nahe bzw. sind mit diesen identisch. Trotz ihres einzelfallübergreifenden Bezuges sind sie zwar dem „Normwissen“ sehr ähnlich (dazu vor allem noch im Kontext der verbindlichen Auskunft § 10 I. 2.). Aber aus Sicht des Verfahrens- und Prozessrechts reicht dies nicht aus, um ihre Kenntnis gleich der Kenntnis vom Rechtstext in der Behörde als Teil des Entscheidungswissens vorauszusetzen.894 Sie bleiben vielmehr Tatsachen, müssen durch Beobachtung festgestellt werden und sind damit auch einer Feststellungslastbetrachtung zugänglich. Gleichwohl kann die Eigenart dieser generellen Rechtstatsachen Auswirkungen auf die Feststellungslast haben, insbesondere kann sie sich – auch wenn es sich um eine dem Steuerpflichtigen günstige Tatsache handelt – zu Lasten der Finanzbehörde verschieben. Dies gilt dann, wenn die Finanzbehörde aufgrund der bei ihr vorhande893 Vgl. hierzu zum Beispiel E. Schmidt, in: Festschrift f. Wassermann, S. 807 ff.; R. Bender, in: Achterberg, Rechtsprechungslehre, S. 603 ff. 894 Zur Unterscheidung von dem Wissen, das von Fall zu Fall festgestellt werden muss, und dem Wissen, dass als in der Behörde vorhanden vorauszusetzen ist, zum Beispiel H. C. Röhl, Die Verwaltung, Beiheft 9, S. 65, 82; B. Wollenschläger, Wissensgenerierung durch Verfahren, S. 10 f.

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nen Daten und Informationen eine (anonymisierte) Aussage zu einem Bewertungsverhalten in einer bestimmten Branche für eine bestimmte Größenordnung von Unternehmen treffen kann. Wenn der Steuerpflichtige also beispielsweise mittels eines (privaten) Sachverständigengutachtens eines mit Bewertungsfragen erfahrenen Wirtschaftsprüfers die Einschlägigkeit einer bestimmten Bewertungsübung behauptet, wird man von der Finanzverwaltung verlangen müssen, dass sie dem durch Aktivierung ihres Daten- und Informationsbestandes substantiiert entgegentritt (siehe zur Wissensgenerierung in Ansehung solcher Tatsachen ferner noch nachfolgend 2. sowie § 7 II. 2. d.). Hierbei spielt auch eine Rolle, dass angesichts des erreichten Standes der Informations- und Kommunikationstechnik die Finanzverwaltung in der Lage ist, die ihr zur Kenntnis gelangten Daten und Informationen zu systematisieren und über den Anlassfall hinaus abrufbar zu halten. Von dem Steuerpflichtigen wird man hingegen nicht mehr verlangen können, als dass er den Berufsstand heranzieht, der sich (unter anderem) auf Bewertungsfragen spezialisiert hat, hiermit praktisch tagtäglich befasst ist und sich deshalb auch zum Verhaltensmuster äußern kann. Zum anderen gehört hierhin die insbesondere im Kontext der Verrechnungspreise relevante Frage, ob ein (Konzern-) Unternehmen auch verrechnungspreisrelevante Daten und Informationen beschaffen muss, die nur bei anderen, ihm aber „nahestehenden“ Personen vorhanden sind. Letzteres verlangt beispielsweise § 1 Abs. 3 GewAufzVO und fixiert damit – vorbehaltlich der Frage nach seiner Rechtmäßigkeit895 – normativ eine Verantwortungssphäre des Steuerpflichtigen. Aber wie sieht es mit Daten und Informationen in Bezug auf nicht konzernverbundene Unternehmen aus, insbesondere bezüglich notwendiger Vergleichsdaten? Hier wird man differenzieren müssen und zwar in mehrfacher Hinsicht: Wenn Daten unabhängiger Unternehmen zur Bildung der Verrechnungspreise tatsächlich genutzt wurden, dann sind sie der Sphäre des Steuerpflichtigen zuzuordnen. Es besteht aber keine Pflicht, Daten unabhängiger Unternehmen zu ermitteln, wenn sie nicht (frei) verfügbar sind.896 Bei der Grundstücksbewertung beispielsweise, wo solche Vergleichsdaten verfügbar sind (Gutachterausschüsse, Mietspiegel u.Ä.), wird man hingegen eine Beschaffungspflicht annehmen können. Eine solche freie Verfügbarkeit von Daten besteht auch immer dort, wo sie durch einfache Marktbe895 Siehe G. Frotscher, in: Festschrift f. Wassermeyer, S. 391, 397 f.; M. Werra, IStR 2005, 19, 20 jeweils zu der Frage, ob diese Regelung nach Maßgabe des Art. 80 GG von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist. 896 So für die Verrechnungspreisdokumentation G. Frotscher, in: Festschrift f. Wassermeyer, S. 391, 401.

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Tatsachenfeststellung und wertende Festlegung

obachtung erfasst werden können (zum Beispiel Beobachtung von Preisen auf einer bestimmten Handelsstufe für vergleichbare Produkte).897 In vielen Fällen weist die Tatsachenebene selbst noch einmal spezifische Rechtsprobleme auf, was anhand folgender Schwerpunktsetzungen verdeutlicht werden soll: der Erfassung der maßgeblichen Verhaltensmuster (dazu 2.), der selektierenden Vorbewertung (insbesondere bei bereits vorhandenen Daten-/Informationsbeständen, dazu 3.), der Prognose sowie der Notwendigkeit anderer Wertungen (dazu 4.). Die beiden letztgenannten Punkte haben bei genauem Hinsehen mit Tatsachenfeststellung im engeren Sinne (wahr/falsch-Aussage ist möglich) nichts gemein, werden hier von einem problemorientierten Ansatz aus allerdings mitbehandelt. Denn es geht auch dort um die für die Rechtsanwendung notwendigen Einzeldaten und -informationen. 2. Die Erfassung des Preisbildungsverhaltensmusters und seiner Einzelfragen zwischen Alltags- und Sachverständigenerfahrung, empirischer Sozialwissenschaft und ökonomischer Modellwelt Soweit eine Bewertungsnorm auf die sozialen Verhaltensmuster Bezug nimmt, sie also in einem ersten Schritt – d.h. vorbehaltlich einer etwaigen normativen Filterung – rezipiert (dazu bereits § 5 III. 3.), bedarf es der „Erfassung“ eben jener sozialen Wirklichkeit. Den (rein) juristischen Sachverstand droht dieser reale Bezugspunkt der Bewertungsnorm hinsichtlich seiner „tatsächlichen Feststellung“ für Zwecke der Entscheidung zu überfordern. In ihrem Lehrbuch zur „Allgemeinen Rechtslehre“ heißt es bei Klaus Friedrich Röhl und Hans Christian Röhl: „Es ist nicht möglich, jedem Juristen so viel Vernehmungspsychologie, Kriminalistik, medizinische, bau- und verkehrstechnische Kenntnisse zu vermitteln, dass mehr als Scheinwissen oder Dilettantismus herauskommt. Für den Durchschnittsjuristen muss es genügen, dass er sich von der Existenz einer wissenschaftlichen Beweislehre überzeugt, um bei Bedarf einen Sachverständigen heranzuziehen. […]. Es gibt so viel außerjuristisches Wissen, über das Juristen „eigentlich“ verfügen müssten – Wirtschaftswissenschaft, Bilanzkunde, Soziologie, Psychologie, Kriminologie, Informatik usw. – dass keiner alles beherrschen kann“898. Gerade dies 897 Siehe vor allem für § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG BFH v. 30.5.2011 VI R 123/00, BStBl. II 2002, 230, wo allerdings – im Hinblick auf die Indiestnahme des Arbeitgebers überzeugend – Einschränkungen einer solchen Marktbeobachtungspflicht unter dem Gesichtspunkt des Übermassverbotes formuliert werden (siehe auch bereits § 3 III. 2. e.). 898 K. F. Röhl/C. H. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 159.

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scheint auch hier das Problem. Denn – in den Worten Heinrich Wilhelm Kruses – „in Bewertungsfragen [hat] juristischer Sachverstand allein noch nie ausgereicht“.899 Dies dürfte sowohl in Wissenschaft als auch Rechtspraxis eine konsensfähige Behauptung sein. Richtig ist jedenfalls, dass sich Juristen nicht die empirische Ermittlungs- und Deutungshoheit über die soziale Wirklichkeit anmaßen sollten.900 Juristen haben keinen eigenen privilegierten Zugang zu der sie umgebenden (und von der Norm für maßgeblich erklärten) Rechtswirklichkeit901, sondern es kann vielmehr die originäre Kompetenz der Nachbarwissenschaften angesprochen sein. Bereits unter § 5 III. 1. wurde festgehalten, dass die Tatsache, ob ein bestimmtes Verhalten von einer Mehrheit vollzogen wird, dem Beweis zugänglich ist. Streng genommen müssten hierzu Repräsentativbefragungen durchgeführt werden.902 Soziale Verhaltensmuster zu erfassen und zu beschreiben, ist jedenfalls eine Aufgabe für die empirische Sozialund insbesondere Wirtschaftswissenschaft.903 Betrachten wir dazu wiederum vor allem die Bewertung unternehmerischer Einheiten. Dort findet man häufig Formulierungen dergestalt, dass die Wirtschaftswissenschaften den Rechtsanwender in Bezug auf das Normverständnis unterstützen, dass sie einen mehr oder minder konkreten Vorschlag zur Normkonkretisierung machen. Vor allem die Vertreter der Wirtschaftswissenschaften selbst sprechen beispielsweise ihren Erkenntnissen zur Unternehmensbewertung selbst eine „Gesetzesauslegungsfunktion“ zu.904 Demgegenüber ist freilich an die bereits gewonnenen Erkenntnisse zu erinnern: Ich habe unter § 5 III. 1. herausgestellt, dass und warum das beobachtbare Verhaltensmuster in Ansehung der Preisbildung grundsätzlich Vorrang genießt vor präskriptiven Modellen. Eine Aussage zum Preisbildungsvorgang muss vorrangig empirisch und nicht (lediglich) ökonomisch belastbar sein. Ein in der sozialen Wirklich899 H. W. Kruse, DStJG 7 (1984), S. 1, 5. 900 Siehe die berechtigte Warnung bei N. Petersen, Der Staat 49 (2010), S. 435, 451. 901 C. Gusy, JZ 1991, 213 f.; C. Möllers, VerwArch 93 (2002), S. 22, 40 ff.; N. Petersen, Der Staat 49 (2010), S. 435, 451; R. P. Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 103; A. Voßkuhle, VerwArch 85 (1994), S. 567. 902 Vgl. W. Birke, Richterliche Rechtsanwendung und gesellschaftliche Auffassungen, S. 47, 51 ff.; K. F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 88; B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 97; R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 14; R. Zippelius, Methodenlehre, S. 75. 903 Zu ihren Grundlagen und Methoden (eingehend) A. Dieckmann, Empirische Sozialforschung, insbes. S. 186 ff.; (im Überblick) K. F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 105 ff. 904 Zum Beispiel G. Brösel, BFuP 58 (2006), S. 128, 138; B. Peuthert/A. Hurlebaus/T. Hering, DB 2010, 2681, 82.

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keit geübtes Bewertungsverhalten ist auch dann maßgeblich, wenn es theoretisch angreifbar sein sollte – so die oben formulierte Erkenntnis. In Anbetracht dessen ist die These von der Gesetzesauslegungsfunktion (zumindest) undifferenziert. Für die meisten Fälle ist sie sogar unzutreffend. Auslegung ist die Sinnermittlung des Normtextes, das Verstehen der aus Tatbestand und Rechtsfolge bestehenden Sinneinheit.905 Darum geht es hier jedoch nicht. Die Identifizierung und Konkretisierung des einschlägigen Verhaltensmusters ist vielmehr eine Tatfrage. Daher können auch die ökonomischen Modelle allenfalls auf tatsächlicher Ebene eine Rolle spielen (siehe auch dazu bereits § 5 III. 1.). Dort wiederum darf man ihre Bedeutung sodann allerdings auch nicht unterschätzen. Die in Bewertungsmethoden ausgedrückten Erkenntnisse der Ökonomie können in der Tat hilfreich sein, nämlich in Ansehung der Identifikation und (deskriptiven) Darstellung eines von ihr beobachteten Preisbildungsverhaltensmusters sowie der hierfür relevanten Daten und Erfahrungswerte. Wenn sie diese deskriptive Anforderung erfüllen, dann haben die Bewertungsmethoden durchaus ihren Platz innerhalb der Rechtsanwendung. Auch wenn solchen Methoden der Betriebswirtschaft nicht die von ihren Vertretern beanspruchte „Auslegungskonkretisierungsfunktion“ zukommt, so leisten sie in diesem Fall auf der Tatsachenebene doch einen vergleichbaren Beitrag, nämlich zumindest eine Entlastungsfunktion bei der Feststellung des sozialen Verhaltensmusters. Auch wenn die Rechtsprechung nicht selten die „Übung des Wirtschaftslebens“ für maßgeblich erklärt, also im hier vertretenen Sinne eigentlich die normative Rezeption sozialer Verhaltensmuster anzuerkennen scheint, wird dies gleichwohl zum Teil in bedenklicher Weise umgesetzt: So wird entgegen des Bekenntnisses zur „tatsächlichen Übung“ vielfach methodenfixiert der erste Schritt, nämlich die empirische Ermittlung der Ist-Verhaltensmuster, übersprungen. Ohne dies selbst ausreichend empirisch zu belegen, wird zum Teil die Übereinstimmung von „Wirtschaftsübung“ (Ist) und dem von ihr bzw. von der Vorinstanz herangezogenen modellgestützten betriebswirtschaftlichen Bewertungsverfahren behauptet. Hier begegnet uns eine über die Bewertungsproblematik hinausreichende Beobachtung: Je mehr naturwissenschaftlichen Einschlag eine Tatfrage hat, desto eher wird die Erhebung und Bewertung delegiert, und je sozialwissenschaftlicher sie ist, desto eher fühlt sich ein Jurist zu ihrer Beantwortung eigenständig in der Lage.906 Die Übereinstimmung von sozialer Wirklichkeit und herangezogener Methode entspricht der 905 J. Schapp, Methodenlehre und System des Rechts, S. 190. 906 O. Lepsius, JZ 2005, 1, 2.

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Alltagserfahrung des Richters oder – was nicht immer den Tatbeständen der veröffentlichten Urteile zweifelfrei entnommen werden kann – dem Erfahrungswissen des Sachverständigen, welches der Richter übernimmt. Entscheidend ist: Es bleibt im Dunkeln, worauf diese Erfahrungen beruhen. Dies ist freilich nicht nur ein Problem der Bewertung im Besonderen, sondern wird zu Recht überhaupt hinsichtlich des Umgangs der Rechtsprechung mit tatsächlichen Übungen (Verkehrsgebräuchen) im Allgemeinen kritisiert.907 Es gibt aber auch Fälle, in denen die Rechtsprechung durchaus bemüht ist, den Beleg für die Übereinstimmung zu erbringen. Sie tut dies allerdings sodann durch die Verweisung auf Sekundärquellen. Somit wird zumin­dest die Quelle des richterlichen Erfahrungswissens offengelegt. So behauptet beispielsweise der I. Senat in einer Entscheidung vom 8.12.1976, dass eine bestimmte Mittelwertmethode im Wirtschaftsleben häufig angewandt werde und verweist auf das Wirtschaftsprüferhandbuch von 1973 und die weiteren ökonomischen Monographien von Schmalenbach/Bauer, Die Beteiligungsfinanzierung, S. 60 ff. und Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, S. 112.908 Dieser Zugriff auf das fachwissenschaftliche Schrifttum ist in der Tat naheliegend, solange man sich der Unterscheidung zwischen Sollen und Ist bewusst ist. Ebenso naheliegend ist mit nämlicher Einschränkung ferner der Rückgriff der Zivilrechtsprechung auf standesrechtliche Be­ wertungsempfehlungen (dazu bereits § 1 III. 3. a.). Auch in Bezug auf die Ertragswertmethodik finden wir ähnliche Bezugnahmen auf fachwissenschaftliche Stellungnahmen. Gerade dort lässt sich allerdings nicht immer erkennen, ob die vorgenannte Unterscheidung zwischen deskriptiver und präskriptiver Theorie beachtet wurde. Vor allem die Zivilrechtsprechung, aber auch das Bundesverfassungsgericht gehen davon aus, dass die Ertragswertmethode sich durchgesetzt habe bzw. vorherrschend sei, und verweisen dazu vornehmlich auf das Institut der Wirtschaftsprüfer und sonstige fachwissenschaftliche Literatur, die allerdings bei genauem Hinsehen vielfach nur Alltagserfahrung mitteilt bzw. im Falle von Erhebungen ihre Datengrundlagen nicht offenlegt oder wo sich das in Bezug 907 M. Rehbinder, Rechtssoziologie, § 2 Rn. 12: „Die Gerichte urteilen entweder aufgrund sog. Lebenserfahrung oder sie verstecken sich hinter den Feststellungen von Industrie- und Handelskammern und ähnlichen Organisationen, deren Entscheidungskriterien im Einzelfall ebenfalls in wohltuendes Dunkel gehüllt sind“; ferner R. P. Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 104 (Alltagstheorie beherrsche Dogmatik), vgl. auch noch J. Limbach, in: Festschrift f. Hirsch, S. 77 ff.; K. F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 91. 908 BFH v. 8.12.1976, I R 215/73, BStBl. II 1977, 409, 412.

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genommene Erfahrungswissen als eine Selbstbeobachtung der Rechtsprechung entpuppt.909 Insbesondere bei den Aussagen des Bundesverfassungsgerichts im Erbschaftsteuerbeschluss vom 7.11.2006 (Ertragswertverfahflow-Verfahren ren „dürfte vorherrschend sein“ und Discounted-Cash­ seien im „Vordringen“, siehe dazu bereits das Zitat unter § 1 III. 3. b.) ist dies nicht unproblematisch, weil sie nicht nach der Art des Unternehmens differenzieren und damit den Eindruck einer allgemeingültigen, für alle Unternehmensgrößen und Branchen geltenden Aussage erwecken.910 Im Ergebnis konkurrieren also die Alltagserfahrung des Bewertenden, das Erfahrungswissen des konkreten Sachverständigen bzw. der Fachliteratur und schließlich die ökonomische (abstrakte) Methodenvorformulierung um die Gunst des Bewertenden, insbesondere um die Gunst des Richters. Die eigentlich „vorrangige“ (richtige) empirische Sozialtatsachenerhebung durch Befragung des einschlägigen „Verkehrs“ findet hingegen – soweit ersichtlich – nicht statt. Dies ist gefährlich, weil umso mehr Alltagserfahrung bemüht wird, umso größer wird die Gefahr, dass der Rechtsanwender (unbewusst) seine Sollens-Vorstellungen einfließen lässt, also seine Vorstellung von einem „richtigen, üblichen (angemessenen) Preis“. Gleichwohl ist das Vorgehen der Rechtspraxis auch nachvollziehbar. Sie befindet sich in einem Dilemma. Sie droht, mit der vertieften Rezeption sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse in jedem Verwaltungs- und/oder Gerichtsverfahren anlässlich der Anwendung eines Rechtswertes auf einen konkreten Gegenstand überfordert zu werden. Dies ist ein allgemeines Problem der Rechtstatsachenforschung.911 Zwar kann auf rechtspraktisch beobacht909 Siehe exemplarisch HessFG v. 15.5.2001, 4 V 5281/00, EFG 2001, 1163 für die Bewertung einer Unternehmensbeteiligung für Zwecke der verdeckten Gewinnausschüttung: „Laut Piltz (Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 2. Aufl. 1989, S. 8, 127) hat sich bei der Bewertung von Unternehmen für Zwecke des Verkaufs in der Praxis im Grundsatz weitgehend das sog. Ertragswertverfahren durchgesetzt. Für den Streitfall ist es deshalb bei summarischer Prüfung das geeignete Bewertungsverfahren.“ Der in Bezug genommene Detlef Piltz wiederum wertet die zivilrechtliche Rechtsprechung aus, in der sich die Ertragswertverfahren durchgesetzt hatten. Freilich ist (relativierend) anzumerken, dass es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit nur summarischem Prüfungsmaßstab handelte. Vgl. ferner auch noch zur (etwaigen) „Selbstbeobachtung“ zum Beispiel OLG München v. 2.4.2008, 31 Wx 85/06, juris (dazu § 6 II.). 910 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 37. 911 Vgl. allgemein zu diesem Problem bei der Rezeption sozialer Fakten und der Notwendigkeit ihrer empirischen Feststellung anlässlich des Rechtsanwendungsvorgangs zum Beispiel J. Lüdemann, in: Boysen/u.a., Netzwerke, S. 266, 278; M. Rehbin­der, Rechtssoziologie, § 2 Rn. 22 ff; K. Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, passim; G. Teubner, HRSP 68 (1982), S. 13, 57.

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bare Beispiele verwiesen werden, in denen die empirische Sozialwissenschaft über den Sachverständigenbeweis von Gerichten bemüht wird. Dies betrifft im Zivilrecht insbesondere das Wettbewerbsrecht und auch das Bundesverfassungsgericht greift hierauf bei der Aufdeckung von Vollzugsdefiziten oder in Ansehung von Folgeabschätzungen zurück.912 Die Grenzen der Funktionsfähigkeit des Verwaltungsverfahrens sowie der (Instanz-) Rechtsprechung sind jedoch schnell erreicht. Auch für die Bewertung erscheint dies auf den ersten Blick sehr problematisch, wenn man sich die Vielfalt der sozialen Bewertungsübungen und ins­besondere ihrer unterschiedlichen Varianten vergegenwärtigt. Insbesondere muss man neben der Funktionsfähigkeit der genannten Verfahren auch die Perspektive des Steuerpflichtigen bedenken, den (jedenfalls) verfahrensrechtlich im Rahmen seiner Steuererklärungspflicht (auch) eine Erstbewertungspflicht trifft (dazu noch § 10 II. 2. a. im Allgemeinen sowie § 12 II. u. III. unter Berücksichtigung der noch zu konkretisierenden Kompetenzverteilung im Besonderen); diese muss natürlich auch praktisch erfüllbar bleiben. Dies alles steht indes der Maßgeblichkeit empirischer Sozialforschung nicht generell entgegen. Die praktischen Grenzen der Erforschung solcher verallgemeinerungsfähigen Rechtstatsachen wirken sich allerdings auf die Anforderungen an die praktische Umsetzung der Rezeption aus. Um arbeitsfähig zu bleiben, muss man daher in Bezug auf den juris­ tischen Zugriff auf die soziale Wirklichkeit eine rechtliche Selbstbeschränkung formulieren.913 Dabei gibt es genügend Stellschrauben, mittels derer eine „Verfahrens- und Prozesstauglichkeit“ der empirischen Feststellung solcher genereller Tatsachen gewährleistet werden kann: Erstens, ist die Rezeption sozialer Verhaltensmuster keine Anweisung zum „Detailfanatismus“, sondern trägt die eingangs genannte Selbstbeschränkung wegen der praktischen Schwierigkeiten bereits in sich. Die Frage muss daher immer darauf gerichtet sein, welches Maß an Genauigkeit erforderlich ist, um noch einen norm- und gleichheitskonformen Wert hervorzubringen. Insoweit kann es schon ausreichend sein, wenn man der Frage nachgeht, ob differenziert nach Branche, Größe und Eigentümerstruktur eine bestimmte Bewertungsübung existiert, und sodann das „dem Grunde nach“ identifizierte soziale Verhaltensmuster für Zwe912 Zuletzt beispielsweise in Bezug auf den sog. „Deal“ im Strafverfahren BVerfG v. 19.3.2013, 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058 ff.; siehe im Übrigen K. Röhl, Rechtssoziologie, S. 100 f. 913 G. Teubner, HRSP 68 (1982), S. 13, 57; ähnlich K. F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 100 f.

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cke der Rechtsanwendung auf ein erträgliches Maß an Komplexität reduziert. Insoweit treffen sich Sozial-/Wirtschaftswissenschaft einerseits und Rechtsanwendung andererseits ohnehin: (Auch) sozial-/wirtschaftswissenschaftliche Forschung muss zwangsläufig gezielt vereinfachen, weil die Realität in ihrer vollen Komplexität nur so bewältigt werden kann (siehe bereits § 1 III. 3.). Gerade deshalb können ökonomische Bewertungsmodelle wegen ihrer Abstraktion und Komplexitätsreduzierung einen wertvollen Beitrag zur Rechtsanwendung leisten. Freilich ist insoweit jedoch noch einmal an die Ausgangserkenntnis zu erinneren, die hierdurch nicht überspielt werden darf: Die vielfach nicht zu leugnende Notwendigkeit, ökonomische Methoden heranzuziehen, entbindet den Rechtsanwender nicht von der positiven Beantwortung der zuvorderst zu stellenden Frage, ob das von ihm herangezogene Modell den Anspruch hat, die soziale Wirklichkeit abzubilden, und diesen Anspruch auch einlösen kann. Der (praktische) Nachweis, dass der in Modellform ausgedrückte Preisfindungsweg auch tatsächlich auf reale Objekte angewendet wird und im konkreten Fall auch angewendet werden kann, muss also erbracht werden. Schließlich lässt sich auch ein abgesenktes Maß in Bezug auf die Repräsentativität formulieren. Die (wenigen) vorhandenen (veröffentlichten) empirischen Erhebungen über die Verwendung von Unternehmensbewertungsmethoden (siehe § 1 III. 3. a.) zeigen, dass es möglich ist, ein generalisierendes Bild der sozialen Wirklichkeit auch mit weniger repräsentativen Datenmengen zu beschreiben. Zweitens, geht es nicht darum, solche generellen Rechtstatsachen wie bestimmte Bewertungsübungen für Unternehmen bestimmter Branchen und ferner zum Beispiel differenziert nach Eigentümerstruktur und Größenmerkmalen immer und immer wieder in jedem Verwaltungs- und Gerichtsverfahren neu zu erheben. Solche sozialen Tatsachen erlauben angesichts ihres fallübergreifenden Bezuges eine gewisse „Speicherung“ über einen Anlassfall hinaus. Insbesondere diese Speichermöglichkeit bewirkt eine Entlastung des Rechtsanwenders. Damit sind zum einen die Akteure selbst angesprochen. Die Finanzverwaltung, die in allen Verwaltungsverfahren zwangsläufig beteiligt ist, kann hier fallübergreifend Wissen generieren und abrufbar halten. In bestimmten steuerlichen Bereichen geschieht dies bereits durch bundesweit verfügbare Datenbanken (siehe noch § 5 IV. 3. b., aus verfassungsrechtlicher Sicht ferner noch § 7 II. 2. d.). Dies tut die Finanzverwaltung zwischenzeitlich auch in Bezug auf branchenspezifische Bewertungsverfahren (siehe bereits Fußnote 541). Ferner ist die Anzahl der in streitigen Verfahren mit bewertungsspezifischen Fragen befassten Spruchkörper überschaubar. Und auch die regelmäßig mit der Bewertung bestimmter Gegenstände befassten Berufsstände (Wirt287

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schaftsprüfer und Steuerberater beispielsweise in Bezug auf die Unternehmensbewertung) sind hier zu nennen. Ungeachtet der persönlichen Erfahrungen der einzelnen Berufsträger, die es zu organisieren gilt, sind hier auch die empirischen Untersuchungen hervorzuheben, die beispielsweise von den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften betrieben werden, solange die notwendige Distanz gewahrt ist. Es dürfte ohnehin in der Regel nicht um den Zugriff auf eine einzige Erkenntnisquelle gehen, sondern vielmehr ergibt sich das für den Rechtsanwendungsvorgang ausreichende Bild häufig aus einer Mehrzahl von Quellen. Ungeachtet der beteiligten Akteure ist es zum anderen die Wissenschaft, die hier einen Beitrag leisten kann. Gerade hier zeigt sich der Wert von anlassloser, vorausdenkender und Distanz zu den Entscheidungszwängen wahrender (Rechtstatsachen-) Forschung, auf deren Ergebnisse jedermann frei zurückgreifen kann.914 Es ist letztlich die Idee eines „antizipierten Sachverständigengutachtens in Bezug auf fallübergreifendes Wissen“, die hier mitschwingt. Ungeachtet der Entlastungswirkung zugunsten von Verwaltung und Justiz kann empirische Forschung, die frei zugänglich ist, auch einen erheblichen Beitrag zur Rechtssicherheit leisten, weil die Erkenntnisse bereits im Vorfeld einer Disposition für den Steuerpflichtigen vorliegen. Ferner stärkt jedes dergestalt aufbereitete Wissen auch die (freiheitsrechtlich fundierte) verfahrensrechtliche Stellung des Steuerpflichtigen als Erstbewerter. Schließlich kommt („selbst“ bei präskriptiver Ausrichtung) den Wirtschaftswissenschaften eine „Reservefunktion“ zu. Dort, wo keine sozialen Verhaltensmuster zu beobachten sind oder wo sie „Lücken“ aufweisen, bietet das ökonomische Kalkül zumindest einen argumentativen Ansatzpunkt, der eine rationale Schließung dieses Leerraums ermöglicht. Denn der Tauschwert, den der zu bewertende Gegenstand ver­ mittelt, muss zumindest intersubjektiv an einem (anerkennenswerten) finanziellen Maßstab gemesen werden können. Je weniger sich Verhaltensmuster beobachten lassen bzw. ihre Übertragbarkeit auf den konkreten Fall problematisch ist, umso mehr muss man losgelöst von dem, was der Rechtsverkehr (eine Mehrheit, eine Vielzahl von Menschen) intersubjektiv für bewertungsrelevant hält, die Frage beantworten können, warum ein Gegenstand überhaupt einen Wert hat und was seinen Wert ausmacht (wenn es einen Markt geben würde). Die Marktbezogenheit der Frage engt den Blick zwar ein. So ist nämlich die Frage darauf beschränkt, was der Markt als preisbestimmenden Grund anerkennen könnte. Aber letztlich schlägt hier das subjektive Element, welches ei914 K. F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 102.

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gentlich den subjektiv-individuellen Wert kennzeichnet, wertprägend durch. Denn der Bewertende muss ohne Rückkopplung mit einem beobachtbaren Preisbildungsvorgang eine Wertschätzung formulieren. Gerade das ökonomische Verhaltensmodell des homo oeconomius mit der ihm zugrundeliegenden Annahme von Eigenständigkeit und Rationalität der Entscheidung (zu beiden Kriterien bereits § 1 III. 1. u. 3.) kann hier einen intersubjektiv nachvollziehbaren Anhaltspunkt liefern. Wenn man schon nicht feststellen kann, wie die Mehrzahl der Menschen etwas konkret bewertet, so ist es hilfsweise jedenfalls nicht fernliegend, die Frage zu stellen, wie es ein ökonomisch denkender Mensch idealerweise tun würde. Aber auch hier sei noch einmal angemerkt: Hiermit ist nur eine Reservefunktion gemeint. Wenn soziale Verhaltensmuster existieren, sind sie festzustellen und der Weg zum ökonomischen Ideal ist versperrt (sofern es nicht übereinstimmt mit der sozialen Wirklichkeit). 3. Die selektierende Vorbewertung a. Daten- und Informationsübernahme aus rechtlich determinierten „Eigen-Aufzeichnungen“ Daten sind Zeichen, die auf einem Datenträger verkörpert sind. Informationen wiederum sind Sinngehalte, die anknüpfend an Informationsgrundlagen (wie Daten oder Sinneseindrücke) in einem bestimmten sozialen Kontext gebildet werden. Sie sind das Produkt einer Eigenleistung des Beobachters, der sie interpretiert, und zwar insbesondere aus einem bestimmten Informationsinteresse heraus.915 Dieser Sprachgebrauch findet sich freilich im Steuerrecht nicht wieder. Die Abgabenordnung knüpft vielmehr an den traditionellen Sprachgebrauch des Handelsrechts an und spricht von „Büchern und Aufzeichnungen“. Der erste Unterabschnitt der Mitwirkungspflichten (§§ 140 ff. AO) ist so überschrieben und auch § 140 AO als die allgemeinste Vorschrift in diesem Unterabschnitt knüpft hieran an. Entsprechendes gilt für besondere Vorschriften wie § 90 Abs. 3 AO und die hierzu ergangene Gewinnaufzeichnungsverordnung. „Aufzeichnungen“ ist demnach der Oberbegriff916 und zwar nach einer in der Kommentarliteratur zu § 140 AO formulierten Definition als „dauerhaft verkörperte Erklärung über Geschäftsvorfälle in

915 Siehe nur M. Albers, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, § 22 Rn. 7 ff.; M. Bäcker, Der Staat 51 (2012), S. 91, 92 f.; W. Hoffmann-Riem, AöR 134 (2009), S. 513, 517 ff.; I. Spiecker genannt Döhmann, Rechtswissenschaft 1 (2010), S. 247, 250 ff. 916 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § Vor § 140 Rn. 9.

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Schriftform oder auf Medien mit Schriftsatzfunktion“.917 Sofern zum Teil auch der Begriff der Dokumentation verwendet wird – so insbesondere im Kontext des § 90 Abs. 3 AO918 – soll hiermit nach meinem Dafürhalten kein inhaltlicher Unterschied zum Ausdruck gebracht werden. Vielmehr wird lediglich die deutsche Gesetzessprache durch die international übliche Terminologie überlagert. Als Aufzeichnungen begreift das Gesetz sowohl die verkörperte Erklärung von Tatsachen als auch das Ergeb­nis eines hierauf bezogenen Rechtsanwendungsvorgangs und des zuge­ hörigen Ableitungszusammenhanges zwischen abstrakt-genereller Norm und Einzelfall. Dies folgt bereits aus den §§ 140 ff. AO, da jede Erfassung eines Lebenssachverhaltes in der Buchführung immer auch schon ein Stück Rechtsanwendung ist. Dies ist durch die immer zu beantwortenden Fragen bedingt, ob überhaupt ein aufzeichnungspflichtiger Vorgang vorliegt und bejahendenfalls wie die Einfügung dieses Lebenssachverhaltes in die systematische Ordnung der Buchhaltung zu erfolgen hat. Vor allem aber § 90 Abs. 3 Satz 2 AO bestätigt diesen weiten Aufzeichnungsbegriff. Während Satz 1 eine Aufzeichnung tatsächlicher Vorgänge verlangt, erweitert Satz 2 die Aufzeichnungspflicht auf die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit der nahestehenden Person (sog. Angemessenheitsdokumentation bzw. eigentlich: Angemessenheitsaufzeichnung).919 Das Gesetz begreift also auch die Offenlegung der Ableitungsbeziehung selbst, also nicht lediglich ihres Ergebnisses, als Gegenstand einer Aufzeichnung. Es lässt sich daher – ungeachtet der Frage, ob dies theoretisch überhaupt möglich ist – kein kategorialer Unterschied zwischen dem Festhalten von reinen Tatsachen einerseits und Ableitungsvorgängen und -ergebnissen andererseits begründen. Es handelt sich stets immer nur um einen graduellen Unterschied. Als begriffliche Vorklärung ist daher festzuhalten: Der Ge­setzesterminologie folgend wird hier einheitlich von Aufzeichnungen gesprochen und zwar sowohl in Bezug auf Tatsachen, das Ableitungsergebnis als auch den Ableitungsvorgang. Soweit 917 Nach K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § Vor § 140 Rn. 10. 918 Vgl. nur BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; W. W. Fischer/C. Looks/S. im Schlaa, BB 2007, 918, 919 ff.; R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 90 Rn. 41 f. 919 In diesem Sinne § 1 Abs. 1 GAufzV und die überwiegende Auffassung, siehe zum Beispiel S. A. Lindenthal, Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen und Folgen ihrer Verletzung, S. 81; R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 90 Rn. 42 jeweils mit weiteren Nachweisen; nach anderer Ansicht kommt die Angemessenheitsdokumentation im Wortlaut des § 90 Abs. 3 AO nicht ausreichend zum Ausdruck (so Schnorberger, DB 2003, 1241, 1244).

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notwendig wird der Umfang negativ oder positiv umschrieben, wenn es gerade darauf ankommt, ob einer der vorgenannten Aufzeichnungsgegenstände nicht erfasst sein soll. Unter § 1 I. sowie § 5 II. wurde bereits auf das allgemeine Erkenntnisproblem hingewiesen: Erstens, dass in jedem Rechtsfall eine vorverständnisbeeinflusste Tatsachenauswahl getroffen wird und deshalb der Rechtsfall ohnehin zur Konstruktion neigt. Zweitens, dass selbst in Bezug auf die für rechtserheblich bestimmten Tatsachen Kognitionsdefizite auftreten können. Zusätzlich (d.h. kumulativ zu den in diesem Sinne zu befürchtenden selbstreferenziellen Wirklichkeitswahrnehmungen) gilt es nunmehr auch noch zu erkennen, dass sich bei einigen Bewertungsgegenständen sehr komplexe Zusammenhänge zwischen verschiedenen Daten- und insbesondere Informationsebenen sowie weiteren Ableitungsvorgängen ergeben. Dies gilt für den weltweit tätigen Konzern ebenso wie für das fremdvermietete Mehrfamilienhaus: „Zahlen“ als solche haben keinen Aussagewert, wenn man nicht weiß, wie sie entstanden sind und welche Wertungen und Ableitungen „in einer Zahl“ stecken. Die Verdeutlichung dieser Komplexität und der wechselseitigen Abhängigkeiten geschieht am besten durch die Beschreibung des folgenden Stufenaufbaus, der insbesondere die Unternehmensbewertung betrifft: Den Ausgangspunkt bilden die einzelnen Lebenssachverhalte, wie sie in einem Unternehmen millionenfach vorkommen können. Handels- und Steuerrecht sprechen insoweit von Geschäftsvorfällen. Diese Lebenssachverhalte werden im Rechnungswesen erfasst. So ist jeder Kaufmann verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen (§ 238 Abs. 1 Satz 1 HGB). Dies muss er so tun, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. § 238 Abs. 2 HGB verpflichtet den Kaufmann, eine mit der Urschrift übereinstimmende Wiedergabe der abgesandten Handelsbriefe zurückzubehalten. § 140 AO erklärt diese handelsrechtlichen Verpflichtungen auch steuerrechtlich für maßgeblich. Ergibt sich eine Buchführungspflicht nicht bereits aus § 140 AO i.V.m. §§ 238 ff. HGB, so sieht § 141 AO für Gewerbetreibende und Landund Forstwirte im Falle des Überschreitens bestimmter Grenzwerte nn, Umsatz) eine originär steuerrechtliche Buchführungs- und (Gewi­ Aufzeichnungspflicht vor, die sich im Wesentlichen mit den handelsrechtlichen Pflichten deckt. Mit der nach dieser Maßgabe gesetzlich verpflichtenden buchhalterischen Erfassung jedes einzelnen Lebenssachver291

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haltes, der sich im relevanten Lebensbereich (z.B. „im Unternehmen“ oder mit sonstiger [rechtlicher] Relevanz dazu) vollzieht, geht die erste Vorbewertung einher und daher handelt es sich auch nicht um „nackte Daten“, sondern bereits um Informationen (vorgegeben von demjenigen, der die Vorbewertung vorgenommen hat). Es muss neben der (grundsätzlichen) Entscheidung für die rechtliche Relevanz und differenzierend zwischen Erfolgswirksamkeit und Erfolgsneutralität in Ansehung der systematischen Ordnung der Buchhaltung auch das „richtige“ Konto gefunden werden (z.B.: gewöhnlicher Umsatz, sonstige Einnahmen, Gewinn aus dem Abgang von Wirtschaftsgütern oder außerordentlicher Ertrag?). Auf den ersten Blick mag es gleichgültig sein, welchem dieser Konten ein Geschäftsvorfall zugerechnet wird, solange die Weichenstellung zwischen Erfolgs- und Bestandskonto nur richtig ist. Man muss sich jedoch vergegenwärtigen, dass gegebenenfalls andere Bewertungsvor­ gänge an diese formale systematische Ordnung von Geschäftsvorfällen anknüpfen. Ferner kann dies für die Hinzurechnungen und Kürzungen anlässlich des vereinfachten Ertragswertverfahrens gelten. Wenn zum Beispiel § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. b BewG den Abzug „außerordentlicher Erträge“ verlangt, so muss dies natürlich eigenständig und ohne Abhängigkeit von der buchhalterischen Erfassung gewürdigt werden. Aber die Gefahr besteht gleichwohl, dass allein die buchhalterische Erfassung von Geschäftsvorfällen auf dem Konto „außerordentliche Erträge“ hier eine gewisse präjudizielle Wirkung entfaltet und sich der Bewertende die Detailwürdigung aller Geschäftsvorfälle zur Identifizierung der Erträge im Sinne des § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. b BewG „spart“. Die praktische Relevanz solcher Vorbewertungen anlässlich der systematischen Zuordnung von Geschäftsvorfällen darf daher nicht unterschätzt werden. Besondere Bedeutung erlangen die materiellen Rechtsanwendungsentscheidungen innerhalb der Buchhaltung. Wegen ihres unmittelbaren Einflusses auf das Eigenkapital, dessen Veränderung selbst wiederum Daten-/Informationsbasis oder zumindest Plausibilisierungsgrundlage für weitergehende Bewertungsentscheidungen (Beispiel: Unternehmens- und Grundstücksbewertung) sein kann, muss beispielsweise die Frage beantwortet werden, wann Gewinnrealisation eingetreten ist. Dies ist eine gewiss nicht immer einfach zu beantwortende Frage. Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang auch überhaupt auf die Frage der zutreffenden Periodenabgrenzung von Aufwand und Ertrag hinzuweisen. Als weiteres Beispiel sei hier ferner auf die Herstellungskosten hingewiesen. Dort zeigt sich anschaulich, welche Bedeutung der Qualität des Rechnungswesens zukommt und wie dies wiederum mit Entscheidungsspielräumen zusammenwirkt. Wir hatten bereits an vorangegangener Stelle die 292

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Bedeutung der Einzel- und Gemeinkosten für die Herstellungskosten im Sinne von § 255 Abs. 2 HGB und deren Unterscheidung festgehalten, nämlich ihre „Nähe“ zu dem angeschafften oder hergestellten Gegenstand: Während sich die Einzelkosten aufgrund eines quantitativen Zusammenhangs unmittelbar zurechnen lassen, können die Gemeinkosten dem Kostenträger nicht unmittelbar, sondern nur über eine Schlüsselung oder Umlage zugerechnet werden. Die „Stellschrauben“ sind bereits auf dieser ersten Ebene mannigfaltig: Erstens, bilden sowohl Einzel- als auch Gemeinkosten Aufwand ab, d.h. Ausgaben in (rechtlich) periodisierter Form, was wiederum eine Bewertungsfrage ist; eine solche Vorfrage bilden insbesondere die Absetzungen für Abnutzungen für die Herstellungskosten. Sind die maßgeblichen Aufwendungen identifiziert, muss, zweitens, die Abgrenzung zwischen Einzel- und Gemeinkosten vollzogen werden. Hier bestimmt letztlich die Qualität des betrieblichen Rechnungswesens, ob und inwieweit überhaupt eine präzise Abgrenzung erfolgen kann (Stichwort: unechte Gemeinkosten, siehe bereits § 3 III. 3. a.). Sodann müssen, drittens, die als Gemeinkosten identifizierten Aufwendungen dem Angemessenheitsvorbehalt des § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB genügen und, viertens, muss schließlich ein Schlüssel gefunden werden, mit welchem diese Gemeinkosten den einzelnen Kostenträgern zugerechnet werden. Jeder dieser Schritte ist durch Entscheidungsspielräume gekennzeichnet. Auch sonst erfolgen bei den Abschlussbuchungen unzählige (rechtliche Vor-) Bewertungen. Es wird beispielsweise die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für die Abschreibung festgelegt, Forderungen und andere Wirtschaftsgüter werden wertberichtigt, Rückstellungen gebildet und bewertet und so weiter. Das Ergebnis ist der handelsbilanzielle Gewinn, der sodann gegebenenfalls – was wiederum Raum für Vorbewertungen lässt – zum steuerlichen Gewinn weiterzuentwickeln ist. Der steuerliche Gewinn mit seinen unzähligen Einzelbewertungen ist für sich betrachtet eine der zu erreichenden Zwischengrößen auf dem Weg zum zu versteuernden Einkommen (vgl. die weiteren Rechenschritte in § 2 Abs. 3 EStG). Zugleich ist er wiederum Ausgangspunkt für andere steuergesetzliche Bewertungen. Jede Bewertungsentscheidung innerhalb der steuerlichen Gewinnermittlung bzw. auch nur innerhalb der Buchhaltung beeinflusst daher zugleich auch die hieran anknüpfende Bewertung. Dies zeigt insbesondere das vereinfachte Ertragswertverfahren nach Maßgabe der §§ 199 ff. BewG (dazu § 3 III. 2. b. cc] [4]). Der Gewinn im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG ist dort die Ausgangsbasis für das nach Maßgabe des § 202 Abs. 1 BewG zu ermittelnde (unter anderem um „einmalige Veräußerungsgewinne- bzw. Verluste“ und „außerordentliche Erträge oder Aufwendungen“ bereinigte [siehe die erste Vorbewer293

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tung]) Betriebsergebnis, welches wiederum zu dem Durchschnittsertrag überleitet (§ 201 BewG), der sodann der Ertragswertermittlung zugrunde gelegt wird. Mit anderen Worten: Wer eine Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren „nachvollziehen“ will, müsste eigentlich die Verbuchung eines jeden einzelnen – zur Erinnerung: sich bei einem großen Unternehmen täglich millionenfach ereignenden – Geschäftsvorfalls kontrollieren. Der Rechtsanwender wird hier mit (aggregierten und saldierten) Zahlen konfrontiert und kann in den meisten Fällen jedenfalls nicht auf den ersten Blick erkennen, welcher Lebenssachverhalt bzw. welche Vielzahl an Lebenssachverhalten hier hinter steckt. In vielen Fällen übernimmt er lediglich ungeprüft die Informationen der jeweils vorangegangenen Ebene. Das vereinfachte Ertragswertverfahren bietet somit ein Beispiel dafür, dass das Gesetz für weitere Bewertungen von einer vergangenheitsorientierten Daten- bzw. Informationsüber­ nahme ausgeht. Aber auch dort, wo keine dem § 202 Abs. 1 BewG entsprechende vergangenheitsorientierte Daten-/Informationsverbindlichkeit besteht und vielmehr eine Prognose notwendig ist (dazu sogleich unter 3.), bilden „Buchhaltungszahlen“ des internen und externen Rechnungswesen regelmäßig die Prognose(-ausgangs-)grundlage. Die Erfolgswerte der Vergangenheit dienen als Indikator und zugleich Plausibili­ tätskontrolle für die Zukunftsprognose.920 Einer Prognose geht daher regelmäßig eine Analyse der Vergangenheitsdaten vorweg. Auch insoweit kann sich das vorstehend beschriebene Problem der (selektierenden) Vorbewertung und der (blinden) Übernahme von Informationen auswirken. Für das vorgenannte Beispiel der Unternehmensbewertung lässt sich die Mehrstufigkeit grob wie folgt darstellen: (1) Systematische Erfassung der Geschäftsvorfälle in der Buchhaltung (2) Bilanzielle Bewertungsentscheidungen, die auf den Daten bzw. Informationen der ersten Ebene aufbauen (3) Weiterentwicklung des Steuerbilanzgewinns (Ebene 2) zum Gewinn im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG (4) Ermittlung des Jahresertrages nach Maßgabe der §§ 201 f. BewG, d.h. unter Heranziehung des Ergebnisses der dritten Ebene als Ausgangspunkt und dessen Korrektur anhand der Daten bzw. Informationen der ersten und zweiten Ebene. 920 W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 17 ff.; A. Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, S. 97 ff.; T. Hering, Finanzwirtschaftliche Unternehmensbewertung, S. 29.

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Es existieren freilich auch noch andere Beispielsfälle, in denen sich ähnliche Daten- und Informationsstufen abbilden ließen: In kleinerem Umfang gilt dies beispielsweise auch für die Grundbesitzbewertung, wenn der Verkehrswert dort mittels des Ertragswertverfahrens zu ermitteln ist. Hier kommt sogar hinzu, dass teilweise auf Informationen zurückgegriffen werden muss, deren Entstehung der Steuerpflichtige nur bedingt selbst nachprüfen kann, weil sie vom Gutachterausschuss vorbearbeitet (vorgefiltert) worden sind (zu diesem eigenständigen Problemkreis noch unter § 5 IV. 3. c.). Schließlich ist auch die Verrechnungspreisermittlung zu nennen, wo eine Vielzahl wirtschaftlicher Daten und Informationen zu erfassen, zu systematisieren und zwangsläufig vorzubewerten sind. Die vorgenannten Beispiele zeigen, dass es sich streng genommen nur in Bezug auf jeden einer Verbuchung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt um eine Tatsache handelt. Greift man auf bereits „zu Zahlen verarbeitete“ und gegebenenfalls sogar schon „aggregierte“ Lebenssachverhalte zurück, so geht es bereits auch um die Verwendung von Schlussfolge­rungen. Eine Tatsache ist sodann allenfalls, dass eine konkrete Schlussfolgerung gezogen wurde und man hierdurch zu einem bestimmten zahlenmäßigen Ergebnis gelangt ist. Weil der Rechtsanwender jedenfalls auf den Folgestufen vielfach nicht mehr mit den „nackten“ Einzellebenssachverhalten konfrontiert wird, prägt die Qualität und Aufbereitung der vorbewerteten Daten- und Informationsgrundlage das Bewertungsergebnis in entscheidender Weise. Hier muss insbesondere eingestellt werden, dass durch eine selektive Dokumentation bereits eine „Vorbewertung“ stattfinden kann. Derjenige, der die Dokumentation bestimmt, prägt damit immer auch schon die hierauf aufbauende Bewertung. Gegebenenfalls steuert er sie hierdurch sogar. Dies ist letztlich hinzunehmen, weil es nicht vermeidbar ist. Man muss sich dieses Gesichtspunktes jedoch bewusst sein und darf sich nie dem Glauben an eine Objektivität von Zahlenwerken hingeben. Zugleich dürfte in diesem Kontext ohne weiteres einsichtig geworden sein, dass eine Bewertungsnorm eine auf sie zugeschnittene Aufzeichnungspflicht erfordert. Der im Steuerrecht unbestrittene Grundsatz, dass eine Besteuerung ohne Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Allgemeinen und Aufzeichnungspflichten im Besonderen nicht möglich ist, gilt auch und zwar mit spezifischen Anforderungen im Mikrokosmos der Bewertung (dazu noch § 7 II. 2. und § 12 III.).

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b. Daten- und Informationsübernahme aus „finanzverwaltungs­ internen“ (anonymisierten) Beständen Der steuerrechtlich relevante Sachverhalt muss in jedem konkret-individuellen Einzelfall ermittelt werden. Von dem erst durch Ermittlung zu schaffenden Sachverhaltswissen zu unterscheiden ist das Entscheidungswissen, das notwendig ist, um den Sachverhalt mit der abstrakt-gene­ rellen Norm hin zu einem Rechtsanwendungsergebnis verbinden zu können.921 Dieses für die Normanwendung im Einzelfall notwendige Entscheidungswissen wird grundsätzlich als in den staatlichen Organisationen vorhanden vorausgesetzt.922 Unter § 5 IV. 1 habe ich bereits herausgestellt, dass die generellen Rechtstatsachen (beobachtbare Bewertungsverhaltensmuster für bestimmte Gegenstände) nicht in diesem Sinne als bekannt vorauszusetzen sind. Aufgrund ihres fallübergreifenden Bezuges unterscheiden sich diese Tatsachen gleichwohl von dem einzelfallabhängigen Sachverhaltswissen. Es handelt sich eben um soziale Tatsachen, deren Eigenart es gerade ist, dass sie bezogen auf bestimmte Bewertungsgegenstände eine Aussage zum Verhalten von Menschen im Allgemeinen erlauben. Diese Unterscheidung äußert sich in einem realen Aspekt: Diese generellen Rechtstatsachen können anders als einzelfallbezogenes Sachverhaltswissen, das in seiner rechtlichen Relevanz immer erst mit der Tatbestandsverwirklichung als solches in Erscheinung tritt, unabhängig von einem konkreten Steuerrechtsverhältnis vorgehalten werden. Dieses Wissen ist in abstrakt-genereller Form speicherbar. Angesichts dessen lässt sich hier an eine außerhalb des Steuerrechts vor allem in Ansehung naturwissenschaftlicher Fakten formulierte Erwartung anknüpfen: Die Verwaltung muss „Lernen“923, d. h. ihr behördliches Wissen organisieren und auf diese Weise auch Informationsasymmetrien abbauen (helfen). Am Ende solcher Prozesse geht es um die Schaffung von Wissensspeichern, vor allem Datenbanken, aber auch Expertensystemen924, und angesichts der Fülle und Komplexität der Daten und Informa921 Zu dieser Unterscheidung nur B. Wollenschläger, Wissensgenerierung durch Verfahren, S. 10 f. 922 H. C. Röhl, Die Verwaltung, Beiheft 9, S. 65, 82; B. Wollenschläger, Wissensgenerierung durch Verfahren, S. 10 f. 923 Vgl. zum Beispiel aus der (allgemeinen) Verwaltungsrechtswissenschaft C. Fran­ zius, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 4 Rn. 100 ff.; C. Möllers, ebenda, § 3 Rn. 50; B. Wollenschläger, Wissensgenerierung durch Verfahren, passim. 924 Siehe zur Unterscheidung von Wissen und Speicherformen M. Albers, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, § 22 Rn. 17.

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tionen auch um die Frage, wie man dies wiederum für den konkreten Fall nutzbar macht. Hieran kann für die Bewertung aus steuergesetzlichem Anlass angeknüpft werden. In Ansehung der generellen (bewertungsrelevanten) Rechtstatsachen befindet sich die Finanzverwaltung in einer einzigartigen Position: Sie ist der primäre Träger einer Fülle einzelfallübergreifender Daten- und Informationen. Sie kann (vor allem) aus den Steuererklärungsdaten der Steuerpflichtigen sowie aus den anlässlich von Außenprüfungen gewonnenen Erkenntnissen Wissenspeicher aufbauen. Die Finanzverwaltung beschreitet diesen Weg der Wissensgenerierung auch durchaus. So ordnet beispielsweise die Betriebsprüfungsordnung 2000 (eine allgemeine Verwaltungsvorschrift925) in § 36 Abs. 1 BpO 2000 an: „Steuerliche, prüfungstechnische, branchentypische und allgemeine wirtschaftliche Erfahrungen sind den zuständigen vorgesetzten Finanzbehörden mitzuteilen. Diese sammeln die Erfahrungen und werten sie in einem Betriebsprüfungsarchiv aus“. Ferner bestimmt § 37 Satz 1 BpO für Kennzahlen: „Die zuständigen Finanzbehörden haben die nach den Ergebnissen von Außenprüfungen ermittelten branchenbezogenen Kennzahlen der jeweils zuständigen vorgesetzten Finanzbehörde zur Weiterleitung an das Bundeszentralamt für Steuern zur Aufnahme in eine zentrale Datenbank zu übermitteln.“ Die einzelnen Verwaltungsverfahren können daher einen Doppelzweck erfüllen: Sie sind zum einen auf die Hervorbringung bzw. die Prüfung einer konkret-individuellen Rechtserkenntnis gerichtet. Zum anderen können sie aber zugleich auch der fallübergreifenden Ermittlung von generellen Rechtstatsachen dienen. Bekannte Sammlungen bzw. Datenbanken, die aus dergestalt gewonnenen Daten bzw. Informationen erwachsen sind, sind zum Beispiel die Richtsatzsammlungen, in denen die Finanzverwaltung für eine Reihe von Gewerbezweigen die Besteuerungsgrundlagen betreffenden Kennziffern (Rohgewinnaufschlag auf Wareneinsatz, Rohgewinn-, Halbreingewinn, Reingewinnsatz) zusammenstellt,926 sowie Mietspiegel, die aus Steuererklärungs- und Betriebsprüfungsdaten-/informationen gewonnen werden und eine Aussage zur ortsüblichen Miete erlauben sollen (diese behördenseits erstellten Mietspiegel sind nicht zu verwechseln mit den Mietspiegeln im Sinne von §§ 558c f. BGB).927 Ferner existieren Datenbanken, in denen die Finanzverwaltung Vergleichsdaten für Verrechnungspreiskontrollen erfasst, und Datenbanken in Bezug auf branchenspe925 Zur Rechtsnatur statt vieler nur R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, Vor § 193 Rn. 37. 926 R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 162 Rn. 56. 927 Zu solchen finanzbehördlichen Mietspiegeln im Kontext der Einheitsbewertung zum Beispiel BFH v. 24.9.1976, III B 12/76, BStBl. II 1977, 196, 197 f.; v. 17.2.1999, II R 48/97, BFH/NV 1999, 1452; v. 4.3.1999, II R 69/97, BFH/NV 1999, 1454.

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zifische Unternehmensbewertungsverfahren in Ansehung der „Üblichkeit“ im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG (siehe bereits Fn 541). Ferner gehören hierin die durch Verwaltungsvorschrift bestimmten Pauschsätze, zum Beispiel für die Bewertung von Sachbezügen in bestimmten Branchen, die ebenfalls das Ergebnis zahlreicher Einzelbeobachtungen sind.928 Auch die sog. AfA-Tabellen wird man hier nennen können. Letztere geben das Erfahrungswissen der Finanzverwaltung in Bezug auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer von einzelnen Wirtschaftsgütern wieder.929 Bei diesen Verwaltungsvorschriften (Pauschsätze und AfA-Tabellen) besteht freilich die Besonderheit, dass es sich bei solchen Pauschsätzen nicht lediglich um empirische Feststellungen zur Verprobung und Argumentation handelt, sondern – anders als bei den vier zuvor genannten Sammlungen/Datenbanken – um bei der Rechtsanwendung ohne Einzelfallprüfung zugunsten des Steuerpflichtigen zugrunde zu legende Werte.930 An dieser Stelle ist jedoch erst einmal nur entscheidend, dass die Finanzverwaltung die im jeweiligen Einzelfall gewonnenen Informationen systematisch zu Erfahrungswissen verarbeitet. Freilich ist für den Außenstehenden nicht erkennbar, ob dieser Anspruch auch tatsächlich eingelöst wird oder ob es sich nicht um grobe Schätzungen handelt. Wenn die Finanzverwaltung Daten und Informationen systematisch verarbeitet, dann sind damit zwei Fragen verbunden: Erstens, die Frage, ob die Finanzverwaltung solche Datenbanken überhaupt aufbauen darf, und, zweitens, welcher „Beweiswert“ den – grundsätzlich: anonymisierten – Daten und Informationen in einem konkreten Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren zukommt. Die erste Frage ist eine solche des Gesetzesvorbehaltes und seiner Ausfüllung. Das Bundesverfassungsgericht hat unter dem Eindruck der Datenverarbeitungsmöglichkeiten das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu einem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung weiterentwickelt.931 Es schützt gegenüber der Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten. Freilich ist nicht jede Informationsverarbeitung grundrechtsrelevant. Wenngleich in der Abgrenzung noch vieles umstritten ist, lässt sich jedenfalls sagen, dass erst der Personenbe-

928 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 87. 929 BFH v. 26.7.1991, VI R 82/89, BStBl. II 1992, 1000; v. 8.11.1996, VI R 29/96, BFH/ NV 1997, 288. 930 Siehe dazu K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 87. 931 Grundlegend BVerfG v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, 43; ferner BVerfG v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03, BVerfGE 118, 168, 184 ff.; v. 27.2.2008, 1 BvR 370/07 u.a., BVerfGE 120, 274, 303.

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zug der Daten die Grundrechtsrelevanz begründet.932 Soweit also eine Zuordnung zu bestimmten Personen nicht möglich ist, ist die Informationsverarbeitung grundrechtsneutral. Handelt es sich hingegen um personenbezogene Informationen, wird der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt aktiviert. Dies gilt sowohl für die erstmalige Erhebung der Daten als auch für die Verarbeitung von Daten, die bereits erhoben worden sind. Ihre weitere Verarbeitung stellt einen eigenständigen (zusätzlichen) Eingriff dar. Die Erhebung von Daten rechtfertigt nämlich nicht bereits jede weitere Verarbeitung und die Verarbeitung ist auch nicht die bloße Fort­ setzung der Erhebung.933 Dies ist gerade in solchen Fällen wie den hier interessierenden Datenbanken für Vergleichszwecke relevant, weil die anlässlich der Steuerveranlagung (Steuererklärungsdaten, elektronische Bilanz) bzw. deren nachvollziehender Kontrolle anlässlich von Außenprüfungen gewonnenen Daten nämlich zu einem anderen Zweck verwendet werden als zu ihrem Erhebungszweck (Steuerfestsetzung gegenüber konkreten Steuerpflichtigen). Der Bundesfinanzhof erachtet es für zulässig, dass die Finanzverwaltung Datenbanken aufbaut und ver­ wendet, die nicht frei zugänglich sind, und dies gemessen an den vorgenannten Maßstäben zu Recht.934 Weitergehend wird man sogar davon ausgehen müssen, dass die Finanzverwaltung als Ausfluss ihres verfassungsrechtlichen Vollzugsauftrages verpflichtet ist, solche (Vergleichs-) Datenbanken aufzubauen. Dies folgt aus ihrer Verantwortung für die notwendige Fähigkeit, die Sachverhaltsangaben sowie die Wertungen und Prognosen des Steuerpflichtigen verifizieren bzw. auf ihre Plausibilität prüfen zu können (siehe hierzu noch § 7 II. 2. d.). Verstärkend wirkt dabei der Umstand, dass die Finanzverwaltung in vielen Fällen der einzige Akteur ist, der überhaupt in der Lage ist, die bewertungsrelevanten Daten zu identifizieren und zu systematisieren – sei es selbst oder zumindest als Grundlage für von Dritten durchgeführte empirische Untersuchungen.935 Existieren solche Vergleichsdaten, führt dies zur zweiten Frage, nämlich ihrer Verwendbarkeit im Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren und die hiermit verbundene Wirkung auf die Feststellungslast. Die Recht­ sprechung erachtet die Vorlage anonymisierter Daten über etwaige Ver-

932 C. Gusy, ZJS 2012, 155, 156. 933 C. Gusy, ZJS 2012, 155, 156. 934 BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 935 Neben der einfach-rechtlichen Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall gilt diese Erkenntnis auch für die Verfassungsrechtsebene, wo es um den Nachweis von Bewertungsungleichheiten geht (dazu noch eingehend § 8 I. 3.).

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gleichsbetriebe grundsätzlich für zulässig.936 Die Anonymisierung ist deshalb essentiell, weil nur so das Steuergeheimnis gegenüber den Vergleichsbetrieben gewahrt werden kann; sobald die Daten bzw. Informationen einen sicheren oder zumindest auf hoher Wahrscheinlichkeit beruhenden Rückschluss auf einen bestimmten Steuerpflichtigen erlauben, ist die Einführung in den Prozess verboten.937 Von der Einführung in den Prozess zu unterscheiden ist allerdings der Aspekt der Beweiskraft solcher Daten und Informationen. Denn aus Sicht des Steuerpflichtigen, der sich diesen Daten und Informationen gegenübersieht, muss Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung getragen werden. Hiernach muss jeder Beteiligte die Möglichkeit haben, sich sowohl im Verwaltungs- als auch Gerichtsverfahren hinsichtlich jedes einzelnen Tatbestandsmerkmals, welches den Eingriff in seine Rechtsstellung legitimiert, zu behaupten. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet eine vollständige richterliche Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.938 Wir erkennen hier also eine mehrpo­lige Interessenkollission zwischen der Finanzverwaltung, deren Handeln von dem in Art. 3 Abs. 1 GG fundierten Vollzugsgewährleistungsauftrag determiniert wird, dem klagenden Steuerpflichtigen an möglichst umfassender Prüfung aller vorgebrachten Vergleichsdaten sowie den Steuerpflichtigen, aus deren steuerrelevanten Daten und Informationen diese Vergleichsdaten gewonnen worden sind, in Bezug auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung ihrer informationellen Selbstbestimmung. Für die schonende Auflösung dieser Kollisionslage weist die Rechtsprechung einen gut nachvollziehbaren Weg: Dem Steuerpflichtigen sind alle Einzelheiten über herangezogene Vergleichsbetriebe mitzuteilen, soweit keine Rückschlüsse auf einzelne Steuerpflichtige möglich sind. An der Anonymisierung gegenüber dem Steuerpflichtigen wird also festgehalten.939 Voraussetzung für eine Verwertung der Vergleichsdaten 936 BFH v. 24.9.1976, III B 12/76, BStBl. II 1977, 196; v. 21.5.1982, III B 32/81, BStBl. II 1982, 604; v. 27.10.1993, I R 25/92, BStBl. II 1994, 210; v. 17. 10. 2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 937 BFH v. 18.12.1984, VIII R 195/82, BStBl. II 1986, 226, 229; K.-D. Drüen, in: Tipke/ Kruse, AO, § 30 Rn. 24; H.-D. Höppner, StuW 1969, 198. 938 BVerfG v. 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82, 111; v. 31.5.2011, 1 BvR 857/07, NVwZ 2011, 1062; BVerwG v. 25.11.1993, 3 C 38/91, BVerwGE 94, 307, 309; P. M. Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 Rn. 506. 939 Anschaulich BFH v. 24.9.1976, III B 12/76, BStBl. II 1977, 196, 197 f. für von den Finanzbehörden aus Steuererklärungsdaten aufgestellte Mietspiegel: Dem Steuerpflichtigen sind Art, Lage und Austattung der Vergleichsobjekte mitzuteilen. Einzelne Mieten dürfen jedoch keinem Grundstück individuell zugeordnet werden, sondern dem Steuerpflichtigen sind die erzielten Mieten nur insgesamt mitzueilen (zum Beispiel als aufsteigende Reihe oder als Durchschnittswert mit Streuungsbreite).

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ist aber, dass die im Einzelfall verwendete Datenbank Mindestanforderungen an die Qualität der Datenerfassung erfüllt. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs kann ein Finanzgericht (als Tatsacheninstanz) gehalten sein, „Rückfragen über die Zusammenstellung und Ableitung der anonymisierten Vergleichsdaten zu stellen. Sollten diese aus Gründen des Steuergeheimnisses oder aus anderen Gründen nicht beantwortet werden können, ginge dies zu Lasten des Beweiswertes der Vergleichsdaten“.940 Die Verletzung des Steuergeheimnisses, die wegen der notwendigen Individualisierung und Vervollständigung der Daten/Infor­ mationen droht, kann jedenfalls dadurch vermieden werden, dass nur das Gericht die Vergleichsdaten/-informationen prüft und insoweit das Akteneinsichtsrecht des klagenden Steuerpflichtigen ausschließt (sog. „in-camera-Verfahren“).941 Im Lichte des hier vertretenen Ansatzes, nämlich des Vorrangs der sozialen Wirklichkeit vor dem präskriptiven „Sollen“, ergibt sich damit ein zwiespältiges Bild. Unter § 5 III. 2. habe ich bereits konstatieren müssen, dass der juristische Zugriff auf die soziale Wirklichkeit einer Selbstbeschränkung unterzogen werden muss, wenn Verwaltung und Justiz arbeitsfähig bleiben wollen. Das „Dilemma der Rechtstatsachenforschung“ ist hier allgegenwärtig. Zugleich stellen die bei der Finanzverwaltung aus Steuererklärungen und Außenprüfungen zusammengeführten Daten und Informationen eine einzigartige Möglichkeit zur Generierung von (Erfahrungs-) Wissen dar und dies gilt nicht nur für bewertungsrelevante Vergleichsdaten, sondern gerade auch im Hinblick auf die soziale Bewertungswirklichkeit (Preisfindungsverhaltensmuster). Zumindest wäre es in vielen Fällen nur noch ein kleiner Schritt, die nötigen Bausteine (auch noch) abzufragen (zum Beispiel bei der Mitteilung von Unternehmensverkäufen die der Preisvereinbarung vorangegangenen Bewertungsüberlegungen). Allerdings müssen wir aber auch sehen, dass es sich um exekutivisches Wissen handelt. Die Qualität der Daten und Informationen selbst sowie die Entwicklung des Erfahrungswissens hieraus sind für einen Außenstehenden nicht einsehbar. Angesprochen sind hiermit vor allem die Problemkreise der internen Erfassung, Vorbewertung und Selektion sowie der Systematisierung der Daten und Informationen. Ge940 BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 für Verrechnungspreise; siehe allerdings auch noch BFH v. 17.2.1999, II R 48/97, BFH/NV 1999, 1452, der in Bezug auf den behördenseits erstellten Mietspiegel wohl eher nur eine Kontrolle in Ansehung der notwendigen Differenzierungskriterien vornimmt, aber die Herkunft und die Qualität der Daten selbst nicht würdigt. 941 BFH v. 18.12.1984, VIII R 195/82, BStBl. II 1986, 226, 229, zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit BVerfG v. 27.10.1999, 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106.

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rade hierin gründet wohl auch die Distanz der Finanzrechtsprechung, wenn es um die Beweiskraft anonymer Daten und Informationen geht. Es besteht nämlich immer die (kaum ausräumbare) Gefahr, dass sich Fehler einschleichen, (unbewusst) Vorbewertungen vorgenommen werden, das Erfahrungswissen mit fiskalischem Einschlag generiert wird oder dass es gar nicht auf einer Auswertung lege artis beruht, sondern das (in Bezug auf die soziale Wirklichkeit nicht repräsentative) Ergebnis eines Kompromisses zwischen Verwaltung und Verbänden darstellt.942 Was wäre ein Ausweg? Ich wage zu behaupten, dass verwertbares Erfahrungswissen im Zusammenwirken von Finanzverwaltung einerseits und der akademischen Rechts- und Sozialwissenschaft andererseits generiert werden kann. Es geht um empirische Sozialwissenschaft auf der Grundlage der finanzbehördlichen Daten und Informationen und notfalls auch um den Zugriff auf die Steuerpflichtigen als Daten- und Informationsträger, soweit Ergänzungsbedarf besteht. Derartige „Pilotuntersuchungen“ (zum Beispiel bei der „Suche“ nach und der „Entdeckung“ von Verhaltensmustern in Ansehung der Bewertung von Unternehmen) hätten meines Erachtens wegen der nicht lediglich finanzbehördlichen Mitwirkung und der von außen kommenden Professionalität einen erheblichen Beweiswert. Eine solche Zusammenführung des Daten-/Informationsbestandes der Finanzverwaltung mit distanzierter, professioneller empirischer Forschung würde in einem hohen Maße die bereits unter § 5 IV. 2. formulierte Idee eines „antizipierten Sachverständigengutachtens“ in Ansehung genereller Rechtstatsachen verwirklichen und zudem – die Veröffentlichung unterstellt – einen nennenswerten Beitrag nicht nur zur Entlastung der Rechtsanwendung, sondern aus Sicht der Steuerpflichtigen auch zur Rechtssicherheit und aus Sicht des Steuergläubigers auch zur Gewährleistung eines gleichmäßigen Steuervollzuges leisten (zur Bedeutung von Erfahrungswissen für einen auf Verifikation angelegten Steuervollzug siehe auch noch § 7 II. 2. d.). c. Daten- und Informationsübernahme aus „fremden“ (finanz­ verwaltungsexternen) Beständen Die vorstehend behandelten Daten- und Informationsgrundlagen entstammen den Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen. Sie ist das Ergebnis seiner Mitwirkungspflichten in Ansehung der Ermittlung des steuerrechtlichen Sachverhaltes, vollziehen sich demgemäß in seiner Sphäre und die Finanzbehörde macht sich dies zunutze. Es handelt sich dabei 942 Vgl. für normkonkretisierende Pauschbeträge K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 92.

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jedoch um originär in der Verantwortung der Finanzbehörde zusammengetragene Daten und Informationen. Daten bzw. Informationen, insbesondere Vergleichsdaten/-informationen, können aber auch einen anderen Ursprung haben. Sie können beispielsweise aus „fremden“ – selbst aus Sicht der Finanzverwaltung „externen“, weil nicht selbst von ihr ermittelten – Beständen herrühren. aa) Das eingängigste Beispiel für eine steuernormative Anknüpfung an in diesem Sinne externe (Vergleichs-) Daten-/Informationssammlungen und -verarbeitungen bietet die Grundbesitzbewertung. Hier werden die von den Gutachterausschüssen (§ 192 BauGB) aufgrund der Kaufpreissammlung festzustellenden Bodenrichtwerte (vgl. § 196 Abs. 1 BauGB) zum Bestandteil der typisierten steuerlichen Grundbesitzwertermittlung gemacht. Sie werden gesetzlich herangezogen im Rahmen der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Grunderwerbsteuer (vgl. zum Beispiel §§ 145, 179 BerG für die Bewertung unbebauter Grundstücke und §§ 184 Abs. 2, 189 Abs. 2 für die Ermittlung des Bodenwertanteils bebauter Grundstücke). Das zum 1.1.2009 neugeschaffene Grundstücksbewertungsrecht der §§ 178 ff. BewG nimmt den Gutachterausschuss als vorrangige „Bezugsquelle“ sogar noch weitergehend in Anspruch. Dies betrifft die Erfahrungssätze in Ansehung der gewöhnlichen Bewirtschaftungskosten (§ 187 Abs. 2 Satz 1 BewG), den örtlichen durchschnittlichen Liegenschaftszins (§ 188 Abs. 2 Satz 1 BewG) und die abgeleiteten Sachwertfaktoren (§ 191 Abs. 1 BewG). In anderen steuerrechtlichen Bereichen ist die Anwendung von Bodenrichtwerten zwar nicht gesetzlich angeordnet, die Praxis greift jedoch regelmäßig darauf zurück.943 Mit dem Gutachterausschuss tritt ein weiterer (hoheitlicher) Akteur auf. Die Gutachterausschüsse sind Behörden, die als außerhalb der Hierarchie des Staatsaufbaus angesiedeltes und mit fachlich kompetenten Mitgliedern besetztes Kollegialorgan ausgestaltet sind.944 Der Gutachter ist sachlich und persönlich unabhängig und nur an die formellen und materiellen Normen (insbesondere des BauGB und der Wertermittlungsverordnung) gebunden. Nach Auffassung der Rechtsprechung sind die Bodenrichtwerte für die am Steuerrechtsverhältnis Beteiligten verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich. Sie seien „von den Finanzbehörden und -gerichten ungeprüft und ohne eige943 Beispielsweise ertragsteuerlich für die Ermittlung von Teilwert und gemeinem Wert von Grundstücken, siehe M. Roscher, DStR 2012, 122 ff. 944 U. Battis/M. Krautzberger/R.-P. Löhr, BauGB, § 192 Rn. 1; Dietrich/Voß, in: Ernst/ Zinkhahn/Bielenberg, BauGB, § 192 Rn. 13 f.; P. Jacob, NVwZ 2011, 1419, 1420.

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nen Bewertungsspielraum der Ermittlung des Bedarfswerts zu Grunde zu legen“.945 Allerdings soll der Steuerpflichtige auch keine Möglichkeit haben, den Bodenrichtwert als solchen (vor den Verwaltungsgerichten) anzugreifen.946 Angesichts dessen droht also eine von einer Behörde (Gutachterausschuss) festgelegte Tatsache der Besteuerung zugrunde gelegt zu werden, die an überhaupt keiner Stelle einer (uneingeschränkten) gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Dies ist in Ansehung von Art. 19 Abs. 4 GG nicht unproblematisch. Hiernach muss jeder Beteiligte die Möglichkeit haben, sich sowohl im Verwaltungs- als auch Gerichtsverfahren hinsichtlich jedes einzelnen Tatbestandsmerkmals, welches den Eingriff in seine Rechtsstellung legitimiert, zu behaupten.947 Eine Ab­ weichung von diesem Grundsatz ist durchaus möglich, bedarf aber einer gesetzlichen Anordnung und ist rechtfertigungsbedürftig.948 Die Bezugnahme der steuergesetzlichen Bewertungsvorschriften auf die vom Gutachterausschuss festzustellenden Bewertungsfaktoren lassen sich als eine solche legislative Anordnung der Zurücknahme der gerichtlichen Prüfungskompetenz begreifen. Auch der notwendige sachliche Grund hierfür liegt vor. Dies ist hier die wertende Zusammenführung mehrerer Werte durch ein kollegiales Fachorgan mit dem Ziel einer Entscheidungskonzentration. Der Gesetzgeber strebt hier offenkundig eine Vereinheitlichung an, die nicht nur legitim ist, sondern auch gar nicht erreicht werden könnte, wenn jeder Entscheidungsträger diese Frage selbst beantworten müsste. Entlastend wirkt dabei in der Abwägung insbesondere auch, dass der Steuerpflichtige grundsätzlich die Möglichkeit eines (die Bindungswirkung vermeidenden) Gegenbeweises hat und hierdurch die typisierte Bewertung vermeiden kann (dazu nachfolgend unter bb]). bb) Dem Steuerpflichtigen steht es frei, ein Gutachten eines Sachverständigen vorzulegen, um einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen (§ 198 BewG, zu den Anforderungen hieran bereits unter § 3 III. 2. b. dd] [1]). Hier stellt sich sodann insbesondere bei der Verwendung des Vergleichswertverfahrens das Problem, dass dessen Aussage nur so gut sein kann, wie es auch die Vergleichswerte gerade in Bezug auf das konkret zu 945 BFH v. 18.8.2005, II R 62/03, BStBl. II 2006, 5, 6; ebenso BFH v. 11.5.2005, II R 21/02, BStBl. II 2005, 686. 946 P. Jacob, NVwZ 2011, 1419, 1421. 947 BVerfG v. 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82, 111; v. 31.5.2011, 1 BvR 857/07, NVwZ 2011, 1062; BVerwG v. 25.11.1993, 3 C 38/91, BVerwGE 94, 307, 309; P. M. Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 Rn. 506. 948 Vgl. BVerwG v. 25.11.1993, 3 C 38/91, BVerwGE 94, 307, 309 f.; P. M. Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 Rn. 508; F. Ossenbühl, in: Festschrift f. Redeker, S. 55, 64 ff.; H.-J. Papier, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 8, § 177 Rn. 11.

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bewertende Grundstück sind. § 195 Abs. 3 BauGB regelt jedenfalls grundsätzlich einen Auskunftsanspruch gegen den Gutachterausschuss in Ansehung der Kaufpreissammlung, der an ein „berechtigtes Interesse“ geknüpft ist. Im Übrigen ist § 195 Abs. 3 BauGB durch Landesrecht zu konkretisieren. Die Frage ist, wie weit dieser Auskunftsanspruch reicht. Denn im Einzelfall kann die Qualität einer Bewertung und vor allem auch die Einengung der Bandbreite gerade davon abhängig sein, dass die grundstücksbezogenen Daten zu den wertbildenden Faktoren der Vergleichsgrundstücke „parzellenscharf“ mitgeteilt werden. Da hiermit allerdings die Anonymität der anderen Eigentümer der Vergleichsgrundstücke aufgehoben wird, ist in der bewertungsrechtlichen Literatur sehr umstritten, wie weit der Auskunftsanspruch reicht.949 Beschränkt man den Anspruch, führt dies zwangsläufig dazu, dass der Vergleich mit anderen Grundstücken in Bezug auf die wertrelevanten Daten durch die dann unvermeidbare, nicht weiter hinterfragbare Durchschnittsbetrachtung ein Stück weit vergröbert wird. Dies ist durchaus hinzunehmen. Man muss sich dieses Aspektes jedoch bewusst sein, um auch hier das Vorliegen einer Bandbreite zu erkennen. cc) Als weiteres Beispiel für eine externe (rechtlich institutionalisierte) Daten-/Informationsquelle sind die Mietspiegel zu nennen. Betrachten wir dazu allerdings zuerst die zivilrechtliche Rechtslage, bevor der Blick auf die steuerrechtliche Relevanz gerichtet wird. Das Gesetz unterscheidet zwischen dem einfachen (§ 558c BGB) und dem qualifizierten Mietspiegel (§ 558d BGB).950 Der einfache Mietspiegel ist „eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, soweit die Übersicht von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist.“ Ein bestimmtes Verfahren zu seiner Erstellung ist nicht vorgeschrieben. Entsprechendes gilt für methodische Anforderungen.951 Der qualifizierte Mietspiegel muss diese Voraussetzungen ebenfalls erfüllen, jedoch tritt als weitere Voraussetzungen hinzu, dass er, erstens, nach wissenschaftlichen Grundsätzen in Bezug auf die Datenerhebung und Datenauswertung erstellt wurde und, 949 Zum Streitstand mit Nachweisen statt vieler P. Jacob, NVwZ 2011, 1419, 1424. 950 Ferner lässt § 558a BGB die Auskunft aus einer Mietdatenbank („eine zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete fortlaufend geführte Sammlung von Mieten, die von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und Mieter gemeinsam geführt oder anerkannt wird und aus der Auskünfte gegeben werden, die für einzelne Wohnungen einen Schluss auf die ortsübliche Vergleichsmiete zulassen“) als Begründungsmittel für ein Mieterhöhungsverlangen zu; nach V. Emmerich, in: Staudinger, BGB, § 558e Rn. 21 existiert eine solche bisher nur in Hannover. Sie wird hier daher vernachlässigt. 951 W. Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 558c Rn. 4.

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zweitens, dass der nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellte Mietspiegel von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt wurde (§ 558d Abs. 1 BGB). Der Gesetzgeber misst einem solchen Mietspiegel eine besondere Gewähr für die Richtigkeit und Aktualität der in ihm enthaltenen Daten und breite Akzeptanz zu.952 Hieran knüpfen sodann auch die zivilprozessualen Unterschiede im Mieterhöhungsprozess an. Der einfache Mietspiegel wird überwiegend als Parteigutachten eingeordnet, das wie der übrige Parteivortrag frei zu würdigen ist953, während der qualifizierte Mietspiegel als gesetzliche Vermutung für die von ihm als ortsüblich ausgewiesene Miete wirkt (§ 558d Abs. 3 BGB). Diese Vermutungswirkung kann von dem Prozessgegner nur unter Beweis des Gegenteils widerlegt werden (§ 292 ZPO).954 In der Rechtsprechungspraxis kommt allerdings auch dem einfachen Mietspiegel eine nicht zu unterschätzende Indizwirkung bei der richterlichen Überzeugungsbildung zu. Deren Reichweite hängt von der Qualität des Mietspiegels im Einzelfall ab.955 Angesichts dessen verwundert es nicht, dass die Mietspiegel im Sinne der §§ 558c f. BGB – freilich durchaus in Konkurrenz mit den behördeninternen Mietspiegeln (vgl. bereits § 5 IV. 3. b.) – auch für das Steuerrecht Bedeutung erlangen. Die Finanzverwaltung erachtet Mietspiegel im Sinne von §§ 558c f. BGB als taugliche Ableitungsbasis für die übliche Miete, wenn der Mietspiegel für den Bewertungsstichtag gilt.956 Dies gilt beispielsweise für die Grundbesitzbewertung nach dem Ertragswertverfahren: Für die Ermittlung des Rohertrages eines Grundstücks ist als Grundsatz die tatsächlich vereinbarte Miete anzusetzen (§ 186 Abs. 1 BewG). Davon abweichend ist gemäß § 186 Abs. 2 Satz 1 BewG die „übliche Miete“ anzusetzen, wenn das Grundstück eigengenutzt wird, ungenutzt, zu vorübergehenden Gebrauch oder unentgeltlich überlassen wird (Nr. 1) oder der Eigentümer dem Mieter das Grundstück zu einer um mehr als 20 Prozent von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat (Nr. 2). Diese übliche Miete ist in Anlehnung an die Miete zu schätzen, die für Räume gleicher und ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird (§ 186 Abs. 1 Satz 2 BewG). Eine Ablei952 Begründung der Bundesregierung vom 9.11.2000 zum Entwurf eines Mietrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 14/4553, S. 57. 953 M. Artz, in: Münchener Kommentar, BGB, § 558c Rn. 5; V. Emmerich, in: Staudinger, BGB, § 558c Rn. 5 f. jeweils mit Nachweisen. 954 BGH v. 21.11.2012, VIII ZR 46/12, NJW 2013, 775; W. Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 558d Rn. 6. 955 BGH v. 16.6.2010, VIII ZR 99/09, NJW 2010, 2946, 2947. 956 R B 186.5 Abs. 3 ErbStR 2011.

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tung – und keine Übernahme – wird bereits deshalb in der Regel erforderlich sein, weil die Mietspiegel im Sinne von §§ 558c f. BGB keine aktuelle (stichtagsbezogene) Marktmiete wiedergeben, sondern einen Durchschnittswert in Bezug auf die letzten vier Jahre, während § 186 Abs. 1, Abs. 2 BGB stichtagsbezogen die Sollmiete der nächsten zwölf Monate erfassen (will). Eine normative Bezugnahme auf die „ortsübliche Miete“ findet sich ferner in § 21 Abs. 2 EStG; dort – anders als im Bewertungsgesetz – jedoch als Kontrollwert (siehe bereits § 2 II. 2. a). Auch hier kann auf Mietspiegel im Sinne von §§ 558c f. BGB zurückgegriffen werden. Ferner wird zur Bestimmung der ortsüblichen Miete der Mietspiegel zugrunde gelegt, wenn der in der Überlassung einer Wohnung an den Arbeitnehmer liegende Vorteil als Sachbezug nach § 8 Abs. 2 EStG zu bewerten ist.957 Die Rechtsprechung trägt in allen genannten Anwendungsfällen stets dem Umstand Rechnung, dass sich die Mietspiegel aus einer Vielzahl verschiedener Werte speisen, damit immer nur Bandbreiten wiedergegeben werden und deshalb jeder Wert innerhalb der Bandbreite einen ortsüblichen Wert ausweist.958 Eine Bindungswirkung an den Mietspiegel besteht nicht. Die Rechtsprechung betrachtet sie lediglich als Hilfsmittel für die Schätzung.959 Dies ist richtig, weil es an einer gesetzlichen Anordnung einer solchen Bindungswirkung fehlt. Allein die Tatsache, dass der qualifizierte Mietspiegel wissenschaftlichen Erhebungs- und Auswertungsstandards genügt bzw. nach dem Gesetz genügen muss, kann nicht ausreichen. In jedem steuerlichen Verfahren muss daher auch ein qualifizierter Mietspiegel auf seine Aussagekraft „als Hilfsmittel“ hin überprüft werden (können). Dies folgt unmittelbar aus dem Gebot eines effektiven Verfahrens- und Rechtsschutzes. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit verneint jedenfalls (trotz der Vermutungs- bzw. Indizwirkung im Mietprozess) mangels Klagebefugnis den unmittelbaren Rechtsschutz gegen einfache und qualifizierte Mietspiegel.960 Ohne eine Inzidentprüfung der „Hilfsmittel957 BFH v. 17.8.2005, IX R 10/05, BStBl. II 2006, 71. 958 BFH v. 17.8.2005, IX R 10/05, BStBl. II 2006, 71, 72 für § 8 Abs. 2 EStG; B. Heuermann, in: Blümich, EStG, § 21 Rn. 543 für § 21 EStG. 959 So BFH v. 17.2.1999, II R 48/97, BFH/NV 1999, 1452, 1453 für einen von der Finanzbehörde aus Steuererklärungs- und Betriebsprüfungsdaten erstellten Mietspiegel. 960 Für den qualifizierten Mietzspiegel OVG NW v. 22.8.2006, 14 A 428/04, NVwZ-RR 2007, 78; für den einfachen Mietspiegel BVerwG v. 26.1.1996, 8 C 19/94, BVerwGE 100, 262; ungeachtet dessen kann ein Steuerpflichtiger bei Aufstellung des Mietspiegels auch noch gar nicht wissen, ob dieser jemals für ihn bewertungsrechtlich relevant wird. Allein schon deshalb wäre es auch widersinnig, von ihm Rechtsschutz hiergegen zu verlangen.

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eignung“ im finanzgerichtlichen Verfahren würde eine Bindungswirkung an die Ableitungsbasis drohen, ohne dass überhaupt je eine gerichtliche Überprüfung möglich gewesen wäre. Die Zivilrechtsprechung prüft daher die Aussagekraft des Mietspiegels inzident im Zivilprozess und betont dabei vor allem die Überprüfbarkeit für die betroffenen Parteien gerade im Hinblick auch auf die Frage, ob der Mietspiegel unter Anwendung anerkannter wissenschaftlicher Methoden erstellt wurde.961 Amtliche Autorität bzw. Anerkennung durch die Gemeinde und/oder Interessenvertreter machen diese Prüfung nicht entbehrlich.962 Nun geht es im Steuerrecht – wie eingangs bereits betont – nicht um eine Vermutungswirkung vergleichbar § 292 ZPO. Hier dient ein qualifizierter Mietspiegel nur als Hilfsmittel innerhalb eines Ableitungsvorgangs. Gleichwohl ist der Gedanke, von dem die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (offensichtlich) getragen ist, auch hier maßgeblich: Weil bei der Erstellung zwangsläufig Vorbewertungen vorgenommen werden und der Betroffene hier mit anonymisierten, aggregierten Daten konfrontiert wird, muss (zumindest) der Erstellungsvorgang nachvollziehbar und überprüfbar sein. Im Kern geht es darum, amtlichen Daten nicht allein wegen ihrer Herkunft eine Richtigkeitsvermutung zuzusprechen. dd) Das gemeinsame Problem sowohl der Grundbesitzinformationen, die von den Gutachterausschüssen festgestellt werden, als auch der Mietspiegel ist nach alledem, dass sie bereits das Ergebnis einer selektierenden Vorbewertung sind (zum Beispiel: Ist die Bandbreite bereits verengt worden und bejahendenfalls nach welchen Kriterien ist dies geschehen? Nach welchen Kriterien sind die Vergleichsgrundstücke bestimmt worden?). Zugleich sieht sich der Steuerpflichtige einem Verifikationsdefizit gegenüber. Es ist für ihn schwierig, die Daten und Informationen zu hinterfragen. Auf der anderen Seite muss allerdings auch (hier) der Vorteil solcher Daten- und Informationssammlungen gesehen werden. Die streitfallunabhängige Zusammenstellung empirischer Daten und deren Zugänglichkeit (wenn auch zum Teil kostenpflichtig) bewirken eine Entlastung des einzelnen Verwaltungs-/Gerichtsverfahren und letztlich auch des Steuerpflichtigen selbst. Er kann im Vorfeld einer Disposition bereits wesentliche Bewertungsdaten abschätzen und dies kostengünstig. Insbesondere in der nachvollziehenden verwaltungsverfahrens-/prozessrecht961 BGH v. 21.11.2012, VIII ZR 46/12, NJW 2013, 775, 776. 962 BGH v. 21.11.2012, VIII ZR 46/12, NJW 2013, 775, 776 verlangt im Falle eines substantiierten Bestreitens, dass das Gericht über die Einhaltung/Nichteinhaltung anerkannter wissenschaftlicher Grundsätze durch Sachverständigengutachten oder durch Befragung der an der Erstellung des Mietspiegels mitwirkenden Personen Beweis erhebt.

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lichen Phase ersparen die Daten- und Informationssammlungen dem Steuerpflichtigen Rechtsverfolgungskosten, da nicht in jedem Verfahren zwingend ein Gutachten eingeholt werden muss.963 Und wenn der Steuerpflichtige von den extern zusammengestellten Informationen abweichen will, dann bleibt immer noch die Möglichkeit, ein Sachverständigengutachten zu beauftragen. Dieses Zusammenspiel stellt insgesamt eine verfassungskonforme Rechtslage dar (siehe insbesondere zur Ver­ fassungsmäßigkeit der Erstbewertungspflicht einschließlich Kostentragungspflicht § 10 II. 2.). 4. Prognostische und wertende Elemente der Bewertung a. Die Prognose des künftigen Nutzens im Besonderen Die Anwendung einer verkehrswertorientierten Bewertungsrechtsnorm kommt vielfach nicht mit der Feststellung des vergangenen und gegenwärtigen Sachverhaltes aus. Das als (erste) Tatsachenfeststellung für den konkreten Bewertungsgegenstand als einschlägig identifizierte Verhaltensmuster erfordert unter Umständen einen Blick in die Zukunft, also eine Prognose. In der bereits unter § 5 II. diskutierten Abgrenzung zwischen Rechts- und Tatfrage ist sie als Aussage über „künftige Tatsachen“964 im Syllogismus dem Untersatz zuzuschlagen. Der Umstand, dass die Zukunft nicht in den Kategorien von „wahr“ oder „falsch“ gemessen werden kann, schadet insoweit nicht.965 Auf die damit verbundenen Besonderheiten wird jedoch einzugehen sein. Betrachten wir zuerst die mannigfaltigen Anwendungsfälle, welche die besondere Relevanz der Prognose für die Bewertung veranschaulichen: Eine Aussage über künftige Tatsachen verlangt eine Bewertungsnorm beispielsweise dort, wo der zukünftige Erfolg, der mittels des Be­ wertungsobjektes zu erzielen ist, die Bewertung prägt. Dies ist insbeson963 Hierauf hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Heranziehung von Mietspiegeln im Mieterhöhungsprozess zutreffend hingewiesen, BVerfG v. 3.4.1990, 1 BvR 268/90 u.a., NJW 1992, 1377; diese Überlegung zeigt sich auch bei BFH v. 17.8.2005, IX R 10/05, BStBl. II 2006, 71, 72 aus der Perspektive des Arbeitgebers, der den Sachbezug im Sinne von § 8 Abs. 2 EStG bewerten muss. 964 OLG Frankfurt v. 5.3.2012, 21 W 11/11, NZG 2012, 549, 550; OLG Stuttgart v. 19.1.2011, 20 W 3/09, AG 2011, 205 (beide für die Prognose der künftigen Erträge als Teil der Tatsachenfeststellung bei der Unternehmensbewertung); R. Hüttemann, StbJb 2000/2001, S. 385, 390; F. Ossenbühl, in: Festschrift für Menger, S. 731, 732; ähnlich R. Breuer, Der Staat 16 (1977), S. 21, 23 („Prognose beinhaltet kognitive Tatsachenerfassung“). 965 F. Ossenbühl, in: Festgabe 25 Jahre BVerfG, S. 458, 466; für die Unternehmensbewertung im Besonderen auch R. Hüttemann, StbJb 2000/2001, S. 385, 390.

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dere bei ertragbringenden bzw. vorteilsvermittelnden Bewertungsobjekten der Fall. Für das Unternehmen als ökonomisch-organisatorische Einheit haben wir dies bereits festgehalten (dazu bereits § 1 III. 3. a.): Die Ertragswertmethodik als eines der unter Umständen einschlägigen Verhaltensmuster knüpft für die Preisfindung an die Kapitalisierung der zukünf­tigen Überschüsse des Unternehmens an. Diese künftigen Überschüsse müssen prognostiziert werden. Man unterscheidet dabei regelmäßig zwischen einer näheren Phase (Detailplanungsphase) und einer ferneren, durch abnehmende Detaillierung gekennzeichneten, weil nämlich letztlich ins Unendliche gehenden, Phase („ewige Rente“)966. An anderer Stelle habe ich zudem bereits dargestellt, dass und warum hierbei nicht von einem einzigen Strom zukünftiger (verfügbarer) Zahlungsüberschüsse ausgegangen werden kann, sondern dass in Abhängigkeit bestimmter, sich zukünftig verändernder Umweltbedingungen eine Reihe von verschiedenen, alternativen Zahlungsströmen prognostiziert werd­en müssen und letztere wiederum überdies auch nur das Ergebnis mehrerer Teilprognosen sind, nämlich vor allem in Bezug auf die zahlungswirk­ samen Umsätze, die umsatzabhängigen Kosten und die umsatzunab­ hängigen Kosten. Hinzu tritt die weitere Teilprognose über die (gesellschaftsrechtliche) Verfügbarkeit des so ermittelten Saldos, also eine Prognose über das künftige Entnahme- bzw. Ausschüttungsverhalten (siehe § 4 I.). Ungeachtet dieser von dem konkret einschlägigen Verhaltensmuster vorgegebenen Prognosenotwendigkeiten existieren noch weitere Beispiele: Eine „Aussage zur Zukunft“ muss beispielsweise auch derjenige treffen, der anlässlich der einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlung dem Grunde und der Höhe nach (unter Beachtung der steuerlichen Sondervorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG und § 6a EStG) über eine Rückstellung befindet. Maßgeblich ist der Betrag, den der Schuldner zur Erfüllung der dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewissen Verpflichtung voraussichtlich aufbringen werden muss (dazu bereits § 3 III. 3 b. cc]). Das Steuerrecht ordnet in § 6 Abs. 1 Nr. 3a lit. f EStG zwar zwischenzeitlich an, dass für die Bewertung die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgeblich sind und künftige Preis- und Kostensteigerungen nicht berücksichtigt werden dürfen, was zur Folge hat, dass „ein“ Ungewissheitsfaktor verringert worden ist. Es bleibt aber nach wie vor dabei, dass hier nach „vernünftiger kaufmännischer Beurteilung“ (vgl. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) und – soweit möglich – „auf der 966 Siehe statt vieler nur C. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 200 ff. sowie ferner bereits das Beispiel unter § 1 III. 3. a.

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Grundlage der Erfahrungen in der Vergangenheit“ (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a lit. a EStG) ein Risiko quantifiziert werden muss.967 Gegebenenfalls ist sogar ein zweifacher Blick in die Zukunft erforderlich, wenn nämlich „künftige Vorteile, die mit der Erfüllung voraussichtlich verbunden sein werden“ nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3a lit. c EStG anlässlich der Rückstellungsbewertung zu berücksichtigen sind. Die Notwendigkeit einer „Vorwegnahme der Zukunft“968 ist keine spezifische Normstrukturfrage der steuerrechtlichen Bewertung. Das „Prognose-Phänomen“ taucht im gesamten Recht auf. Im Verwaltungsrecht ist die Prognose beispielsweise Element der in Bezug auf die sozial­ staatliche Daseinsvorsorge, die globale und sektorale Wirtschaftsteuerung sowie die infrastrukturelle Entwicklung planenden, lenkenden und inter­venierenden Tätigkeit der Verwaltung.969 Ferner sind die gewerberechtliche Zuverlässigkeitsprognose, die tatbestandsbezogene Frage einer polizeirechtlichen Gefahrenprognose in Ansehung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie immissionsschutzrechtliche Einzelbe­ urteilungen zu nennen.970 Entsprechendes gilt schließlich auch für die Ermessensbetätigung im Allgemeinen und die Verhältnismäßigkeit im Besonderen, erfordert nämlich die Prüfung von Geeig­netheit und Erforderlichkeit doch auch Aussagen über die erst in der Zuku­nft eintretende Wirkung der polizeilichen Maßnahme.971 Die vorgenannten Prognosebeispiele betreffen freilich vor allem die künftigen Folgen des staatlichen (Nicht-) Handelns. Es geht in den meisten Fällen um eine Aussage über eine erst in der Zukunft wirksam werdende Verwaltungsentscheidung bzw. die Zukunftswirkung eines Unterlassens. Das Prognoseurteil bestimmt also (mit) darüber, ob und inwieweit die Behörde handelt bzw. handeln darf. Um solche Fälle geht es bei der bewertungsspezifischen Steuerrechtsanwendung indes nicht. Die Finanzbehörde hat nicht das „Ob“ und „Wie“ einer eigenen zukunftswirkenden Entscheidung abzustecken. Vielmehr stehen allein sich beim Steuerpflichtigen verwirklichende Sachverhalte im Raum: Bei der Bewertung ertragbringender bzw. vorteilsvermittelnder Bewertungsobjekte müssen die Zukunftswirkungen der unternehmerischen Entscheidungen des Steuerpflichtigen in ihrer komplexen Wechselwirkung mit der gesamtwirtschaftlichen Lage und bei der Rückstellungspas­sivierung muss eine zukünftige Zahlungs967 Vgl. E. Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6 Rn. 472. 968 F. Ossenbühl, in: Festschrift f. Menger, S. 731, 732. 969 R. Breuer, Der Staat 16 (1977), S. 21. 970 F. Ossenbühl, DÖV 1976, 463 ff. 971 Siehe den Überblick über die vielfältigen administrativen Prognosenotwendigkeiten bei R. Breuer, Der Staat 16 (1977), S. 21 ff.; M. Nierhaus, DVBl. 1977, 19 ff.

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verpflichtung bestimmt werden, die sowohl vom Verhalten des Steuerpflichtigen als auch des etwaigen Gläubigers abhängt. Die Zukunft muss also nicht in Ansehung staatlichen (Nicht-) Handelns vorweggenommen werden. Gleichwohl sind die strukturellen Fragen vergleichbar, geht es nämlich doch in allen Fällen um den Umgang mit der Unsicherheit. Rechtstheoretisch ist nicht der ermittelte, feststehende, vergangene oder gegenwärtige Sachverhalt mit dem abstrakten Tatbestand des Gesetzes zu verknüpfen. Vielmehr handelt es sich bei den Aussagen über künftige Tatsachen um Wahrscheinlichkeitsurteile. Sie entziehen sich den Kategorien von richtig oder falsch, beweisbar oder nicht beweisbar.972 Verfahrens- bzw. prozessrechtlich spielt daher auch die Feststellungslast beim Prognoseschluss (Prognoseurteil) – anders bei der Ermittlung der Prognosebasis – keine Rolle. Die Prognose enthält wegen ihrer zukunftsbedingten Unsicherheit naturgemäß ein „non liquet“ und es geht nicht darum, dessen Folgen risikomäßig einem der Beteiligten zuzuweisen. Vielmehr geht es um die – später noch bewertungsspezifisch zu diskutierende – Frage, welchem der Akteure die Kompetenz zusteht, letztverbindlich die Zukunftseinschätzung mit Wirkung für die anderen Akteure vorzunehmen (dazu § 12). Es gibt daher bei der Prognose keine Wahrheits- oder Richtigkeitskriterien. Es geht vielmehr um subjektive Wahrscheinlichkeiten, die der Erfahrung standhalten müssen, und für die sich im Übrigen nur Sorgfaltsmaßstäbe formulieren lassen.973 Die Bewertungsnorm, die eine Prognose erfordert, muss daher zwangsläufig nicht nur eine Vertretbarkeitstoleranz akzeptieren, sondern gerade eben auch, dass der ex ante Blick in die Zukunft und die sodann tatsächlich eintretende Entwicklung nicht übereinstimmen.974 Eine Prognoseentscheidung kann nur bezogen auf das Datenmaterial zur Zeit ihrer Erstellung „richtig“ sein und grundsätzlich nicht durch die tatsächliche Entwicklung widerlegt werden.975 Dieser prognoseimmanente Grundsatz 972 W. Hoffmann-Riem, in: derselbe/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 10 Rn. 76; W. Hoppe, in: Festgabe BVerwG, S. 295 ff.; E. L. Nell, Wahrscheinlichkeitsurteile in juristischen Entscheidungen, S. 219 ff.; F. Ossenbühl, in: Festschrift für Menger, S. 731, 732 f. 973 W. Hoffmann-Riem, in: derselbe/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 10 Rn. 76 a. E.; F. Ossenbühl, in: Festschrift für Menger, S. 731, 732 f. 974 M. Nierhaus, DVBl. 1977, 19, 22; F. Ossenbühl, in: Festschrift für Menger, S. 731, 732 f.; P. J. Tettinger, DVBl. 1982, 424. 975 BVerwG v. 7.7.1978, 4 C 79/76, BVerwGE 56, 110, 121 f; Gerhardt, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, § 114 Rn. 42; andere Ansicht womöglich (vielleicht aber auch nur unglücklich formuliert) GrS BFH v. 31.1.2013, GrS 1/10, BStBl. II 2013,

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wird in den meisten Bewertungsrechtsregimen bestätigt bzw. flankiert durch das Stichtagsprinzip. Beide Gesichtspunkte verbieten grundsätzlich eine retrospektive Neubewertung oder gar eine Heranziehung der Ist-Zahlen, wenn die Prognose mit der tatsächlichen Entwicklung nicht übereinstimmt. Dies ist für die Unternehmensbewertung in allen Rechtsgebieten anerkannt976 und gilt über diesen Bewertungsgegenstand hinaus für jede bewertungsrelevante Prognose. Eine Berücksichtigung von Umständen, die nach dem Bewertungsstichtag eintreten, ist nur zulässig, wenn sie zu diesem Stichtag bereits im Ansatz geschaffen waren und später nur „aufgehellt“ wurden.977 Die allgemeinen Strukturerkenntnisse, die in Ansehung von Prognosen bereits im rechtswissenschaftlichen Schrifttum herausgearbeitet wurden, gelten gleichermaßen auch für die bewertungsrelevanten Prognosen. Die Prognose stellt den Schluss von den vorhandenen und bekannten Tatsachen (Prognosebasis) mittels anerkannter Erfahrungssätze auf den wahrscheinlichen Eintritt eines künftigen Sachverhaltes dar.978 Vorbehaltlich der noch bewertungsspezifisch in § 12 dieser Untersuchung zu erörternden Frage, wer die Prognoseentscheidung zu treffen hat, stehen bei der Prognostizierung des künftigen Sachverhaltes vor allem rationale Begründungsanforderungen im Vordergrund. Denn in dem Wissen dar317 anlässlich der Entscheidung zum subjektiven Fehlerbegriff, wo von der Möglichkeit einer „unzutreffenden Prognose“ trotz Beachtung aller Sorgfaltsanforderungen die Rede ist. 976 Statt vieler für die Prognose im Steuerrecht im Allgemeinen K. D. Drüen, AG 2006, 707, 712; für die Unternehmensbewertung im Besonderen BFH v. 26.6.1996, II R 64/93, BFH/NV 1997, 157, 158; R. Hüttemann, StbJb 2000/2001, S. 385, 392 f.; V. H. Peemöller, DStR 2001, 1401, 1402; für die zivilrechtliche Bewertung ferner BGH v. 9.11.1998, II ZR 190/97, BGHZ 140, 35, 38; BayObLG v. 11.7.2001, 3Z BR 153/00, AG 2002, 390, 391; OLG Stuttgart v. 26.10.2006, 20 W 14/05, AG 2007, 128, 131 (siehe ferner mit weiteren Nachweisen [auch zur Kritik] statt vieler M. Lausterer, Unternehmensbewertung zwischen Betriebswirtschaftslehre und Rechtsprechung, S. 134 ff.). Meines Erachtens daher unzutreffend BayObLG v. 11.12.1995, AG 1996, 127, demzufolge es zulässig sei, dass der Sachverständige bei der Schätzung des Zukunftserfolges die Ist-Daten der Schätzjahre zugrunde legt, sofern sich diese ohnehin in der Bandbreite vertretbarer Werte halten (dagegen zu Recht R. Hüttemann, StbJb 2000/2001, S. 385, 393). 977 Für die Bewertung im Steuerrecht BFH v. 26.6.1996, II R 64/93, BFH/NV 1997, 157, 158 (wenn Umstände „so hinreichend [am Bewertungsstichtag] konkretisiert sind, dass mit ihnen zu diesem Zeitpunkt objektiv als Tatsachen zu rechnen ist“); J. P. Meincke, ErbStG, § 11 Rn. 3; für die zivilrechtliche Bewertung zum Beispiel BGH v. 17.1.1973, IV ZR 142/70, NJW 1973, 509; v. 9.11.1998, II ZR 190/97, BGHZ 140, 35, 38. 978 W. Hoppe, in: Festgabe BVerwG, S. 295, 309; F. Ossenbühl, in: Festschrift f. Menger, S. 731, 744.

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um, dass die Zukunft eben ungewiss ist, der Blick dorthin mithin an einem Rationalitätsdefizit leidet979 und die Norm deshalb zwangsläufig eine Vielzahl künftiger, später nicht ex post in Frage stellbarer Entwicklungen tolerieren muss, kann es – wie bereits oben angedeutet wurde – immer nur um die Formulierung von Sorgfaltsanforderungen beim Prognosevorgang gehen. Die Prognosefrage muss richtig erfasst werden, die die Prognosebasis bildenden Rahmenannahmen und die Daten- und Informationsgrundlagen müssen zutreffend sein, die zugrunde gelegten Erfahrungen müssen in Bezug auf ihre Herkunft und Verlässlichkeit offen gelegt werden, es muss ein – sofern vorhanden – dem Zweck der Bewertungsnorm entsprechendes Prognoseverfahren verwendet werden und es bedarf soweit wie möglich einer rationalen Begründung der einzelnen Prognoseschritte.980 Im Übrigen muss akzeptiert werden, dass die Bezifferung künftiger Einnahmeüberschüsse immer nur auf subjektiven Wahrscheinlichkeiten beruht (siehe bereits § 4 I., unter dem Gesichhtspunkt der Grenzen rationaler Begründung auch noch § 6 II.). Die dafür notwendige Maßstabsbestimmung (Sorgfaltspflichten) ist Rechtsfrage. Ihre Anwendung im Einzelfall ist hingegen Tatfrage.981 Insbesondere die Transparenzproblematik darf nicht unterschätzt werden. Die Weiterentwicklung der Ist-Daten zu den künftigen Planzahlen setzt in der Regel Kenntnisse voraus, die gegebenenfalls nirgendwo dokumentiert sind. Typischerweise liegt eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen dem Steuerpflichtigen und den anderen Akteuren, insbesondere der Finanzverwaltung, vor.982 Nur der Unternehmer bzw. Unternehmensleiter verfügt über die für die Prognose notwendigen Kenntnisse der Vor- und Nachteile der Unternehmensstruktur, ihrer Auswirkungen auf das betriebliche Ergebnis und die Stellung des Unternehmens im Markt, die künftige Ausrichtung des Unternehmens, der bereits angestoßenen, aber noch nicht nach außen getretenen Prozesse, der beabsichtigten Prozesse und so weiter. Was hiervon stimmt, wie realistisch es ist, ob pessimistisch oder optimistisch gewertet wurde, wie welcher Faktor gewichtet wurde etc. lässt sich den bloßen Planzahlen nicht entnehmen. Sie lassen sich allenfalls mit den Ist-Zahlen verglei979 F. Ossenbühl, in: Festgabe 25 Jahre BVerfG, S. 458, 501. 980 Siehe zu den allgemeinen Anforderungen an das Prognoseverfahren mit weiteren Nachweisen nur F. Ossenbühl, in: Festschrift f. Menger, S. 731, 745; E. SchmidtAßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 200. 981 R. Hüttemann, StbJb 2000/2001, S. 385, 390 zur Prognose der künftigen Überschüsse. 982 C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung als Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 45.

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chen, was aber auch nicht mehr als eine Grobplausibilisierung erlaubt. Diese eingeschränkte Überprüfbarkeit muss aber hingenommen werden. Sie liegt in der Natur der Prognose. b. Die Notwendigkeit sonstiger Wertungen Neben den prognostischen Elementen existieren weitere Wertungsnotwendigkeiten; auch sie entziehen sich (zumindest teilweise) den Kategorien von richtig oder falsch.983 Der Begriff der Wertung ist freilich in mehrerlei Hinsicht besetzt. Häufig ist hiermit die von einem normativen (wertausfüllungsbedürftigen) Begriff herausgeforderte Ausfüllung durch den Rechtsanwender mit weltanschaulichen Elementen angesprochen.984 Dergleichen ist an dieser Stelle nicht mit Wertung gemeint. Hier geht es – freilich mit den gleichen strukturellen Problemen – vielmehr um einen gesetzlich nicht determinierten Eigenbeitrag des Rechtsanwenders im Bereich der bewertungsrelevanten Daten und Informationen, der vor allem eine ökonomische Wertung darstellt. Was damit angesprochen sein soll, zeigt beispielsweise die Methode der unmittelbaren Preisübertragung. Wir haben unter § 3 III. 2. b. cc) (1) bereits gesehen, dass auch beim Börsenkurs (eigentlich) eine Ableitung notwendig ist, weil nämlich vor allem auch gefragt werden müsste, wie sich die (unterstellte) Veräußerung der zu bewertenden Aktien auf den Börsenkurs auswirkt. Der­ artige „Anpassungsüberlegungen“ anlässlich der Ableitung des wahrscheinlich erzielbaren Preises aus beobachteten Preisen ist allen hierauf aufbauenden Vergleichsmethoden immanent. „Als Tatfrage lässt sich zumindest theoretisch klären, zu welchen Marktpreisen bestimmte Wirtschaftsgüter an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit gehandelt wurden oder welche Bewertungsmethode dort dem Handelsbrauch entspricht. Ob dieser Preis aber nun derjenige ist, den ein fiktiver Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen eines fiktiven Kaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, ist dem Beweis nicht zugänglich und bleibt letztlich eine subjektive Wertungsfrage“ (Roman Seer)985. Es ist vor allem die Individualität eines Bewertungsobjektes, die zu solchen Wertungen zwingt. Dies sehen wir beispielsweise bei der Grundstücksbewertung: Grundstücke sind in der Regel durch ein hohes Maß an Individualität gekennzeichnet (Lage, Größe, Zuschnitt, zulässige Art und Maß der baulichen Nutzung). Besondere Probleme 983 Siehe zur sprachlichen Trennung von prognostischen und wertenden Elementen und ihrer gemeinsamen Charakterisierung zum Beispiel BVerfG v. 8.12.2011, 1 BvR 1932/08, NVwZ 2012, 694, 697. 984 Dazu B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 183. 985 R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 14.

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werfen vor allem Grundstücke auf, die unternehmens- oder branchenspezifisch genutzt werden.986 Aber auch Wohngrundstücke sind in der Regel so individuell, dass es immer nur Marktpreise für ähnliche Grundstücke geben kann und somit Anpassungen notwendig werden. Bei diesen Anpassungen ist normativ nur das Ziel vorgegeben, nämlich einer hypothetischen Betrachtung in Bezug auf die Preisübereinkunft gerecht zu werden. Ansonsten – dies bringt das vorstehende Zitat mit der „subjektiven Wertungsfrage“ zum Ausdruck – entzieht sich die Anpassung einer gesetzlichen Vorgabe und überantwortet dies vielmehr an den Rechtsanwender. Dies kann von technischen Wertungen (Bauzustand und Ähnlichem) bis hin zu ästhetischen Wertungen (im engeren Sinne in Bezug auf das Bewertungsobjekt und die Vergleichsgrundstücke, aber auch im weitesten Sinne in Bezug auf die Qualität, Ansehen etc. der Wohngegend) reichen. Überhaupt schon die Entscheidung, ob man überhaupt eine Anpassung vornimmt, beruht auf einer Wertung. Neben diesen „wertenden“ Anpassungen des Beobachtbaren auf den hypothetischen Veräußerungsfall sind hier vor allem noch die Wertungen mit prognostischem Bezug zu nennen. Die Ausführungen zur Prognose des künftigen Nutzens (§ 5 IV. 4.) haben dies bereits für einen Teilbereich gezeigt. Der Blick in die Zukunft kommt nicht ohne eine wertende Vorstellung von internen Vorgängen, den äußeren Umweltbedingungen und vor allem deren wechselseitiger Beeinflussung aus. Betrachten wir dazu noch einmal die (unternehmensbewertungsrelevanten) Verhaltensmuster, die auf dem „Barwertkalkül“ aufbauen, wie es insbesondere der Ertragswertmethode zugrunde liegt: Bestimmt wird hier das Kapital, mit dem am Bewertungsstichtag die zukünftigen Überschüsse, die das Bewertungsobjekt (prognostiziert) stiften wird, abgelöst werden können; der Barwert ist also der auf die Gegenwart diskontierte Wert der zukünftigen Überschüsse. Die ökonomische Leitidee, die dem zugrunde liegt, wurde bereits mehrfach genannt: Für das Vergangene gibt der Kaufmann nichts (§ 1 III. 3. a.). Der Wert basiert mithin auf einer Zukunftserwartung; die künftigen Zahlungsströme müssen prognostiziert werden. Die Prognose wird also deshalb notwendig, weil das Gesetz einen Preisbildungsprozess (eine Tauschwertfindung) fingiert und diejenigen, deren Kauf- bzw. Verkaufsentscheidung fingiert wird, eine Investitions- und damit eine Bewertungsentscheidung unter Unsicherheit treffen.987 Die Ermittlung des Barwertes erfordert allerdings noch mehr als die bereits unter § 5 IV. 4. a. gewürdigte Prognose, nämlich noch einen Zinssatz, mit 986 W. Ballwieser/K. Küting/T. Schildbach, BFuP 56 (2004), S. 529, 539 f. 987 Vgl. J. Drukarczyk/A. Schüler, Unternehmensbewertung, S. 36.

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dem die prognostizierten Überschüsse diskontiert werden. Hierdurch wird der Wert zukünftiger Zahlungen auf einen Zeitpunkt bestimmt, der vor dieser Zahlung liegt. Eine Abweichung vom (später zufließenden) Nominalwert der Zahlung beruht auf der „Üblichkeit“ von Zinsen als Gegenleistung für eine Kapitalüberlassung. Bei der Bestimmung des Zinssatzes geht das Ertragswertverfahren von der Prämisse aus, dass ein Investor dem Unternehmen einen Wert immer nur in Relation zu einer alternativen Anlageform beimessen wird. Mit anderen Worten: Die Bemessung des Zinssatzes bemisst sich danach, welche Rendite künftig mit einer alternativen Kapitalanlage erzielt werden könnte. Der Zinssatz setzt sich dementsprechend zusammen aus einem Basiszinssatz (abgeleitet aus der Verzinsung einer nahezu risikolosen Alternativanlage, insbesondere öffentlichen [deutschen Bundes-] Anleihen) und einem Risikozuschlag. Schon der Basiszinssatz ist nicht unproblematisch und kann nicht „einfach“ irgendwo abgelesen werden. Auch ihm wohnt ein nennenswertes Wertungselement inne: Ausgehend von der unendlichen Lebensdauer des Unternehmens und dem vergleichenden Gedanken der Anlagealternativität muss der risikolose Basiszinssatz folgerichtig die Rendite einer sicheren, aber immer auch im Verhältnis zum zu bewertenden Unternehmen laufzeitäquivalenten Kapitalanlage abbilden. Deshalb kommt es nicht auf die aktuellen Zinssätze am Bewertungsstichtag an, die mehr oder weniger zufällig sind, sondern auf den aus Sicht des Stichtages von kurzfristigen Einflüssen bereinigten, künftig auf Dauer zu erzielenden Nominalzins.988 Dazu führt instruktiv das Oberlandesgericht Stuttgart aus: „Da die erforderliche Zukunftsprognose sich auf eine zu unterstellende unendliche Lebensdauer des zu bewertenden Unternehmens erstreckt und nach dem Grundsatz der Laufzeitäquivalenz (auf dem Markt nicht existierende) zeitlich unbegrenzte Anleihen der öffentlichen Hand heranzuziehen wären, kann der Basiszinssatz jedenfalls nicht mit dem aktuellen Zinssatz für die längstlaufenden öffentlichen Anleihen von zehn Jahren oder länger gleichgesetzt werden. […]. Damit die Zinsprognose allerdings nicht jeglicher Grundlage entbehrt, muss als Datenbasis für die demnach zu treffende Prognose auf die Zinsentwicklung in der Vergangenheit zurückgegriffen werden. Zwar lässt sich auch auf dieser Grundlage die künftige Zinsentwicklung umso weniger mit rationalen Erwägungen prognostizieren, je weiter der Prognosezeitraum in die Zukunft reichen muss. Indessen wirken sich aus finanzmathematischen Gründen tatsächliche Annahmen im Ergebnis umso we988 OLG Stuttgart v. 19.1.2011, 20 W 3/09, AG 2011, 205.

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niger aus, je weiter diese Annahmen in die Zukunft reichen. Umgekehrt gebietet es der langfristige Charakter der Prognose, die Vergangenheitsanalyse nicht zu stark auf kurzfristige Entwicklungen zu beschränken. Auch wenn nicht prognostizierbar ist, wie sich die für die Zinsentwicklung relevanten politischen und ökonomischen Gegebenheiten verändern, kann doch angenommen werden, dass sie sich jedenfalls beständig verändern und damit unterschiedlich lange und weit greifende Zyklen auslösen werden; ein dafür anzunehmender Durchschnittszinssatz lässt sich aber nicht mit Zahlenreihen aus zyklischen Veränderungen während nur ein oder zwei zurückliegender Jahrzehnte plausibilisieren. Deshalb ist auf einen längeren Zeitraum abzustellen, so dass der ab Mitte der 90er-Jahre zu verzeichnenden Niedrigzinsphase kein zu großes Gewicht zukommt, weil davor die Umlaufrenditen deutlich über 6,0% lagen (vgl. Zahlenreihen der Deutschen Bundesbank; Übersicht bei Ballwieser, in: Festschr. f. Drukarczyk, 2003, S. 19 [26], auch für Bundesanleihen mit Laufzeit bis 30 Jahre, die von 6,3% im Jahr 1997 auf 5,3% im Jahr 2002 zurückgegangen sind)“.989 Das Zitat zeigt meines Erachtens anschaulich die Wertungsproblematik in Ansehung des (auf den ersten Blick vielleicht als problemlos erscheinenden) Basiszinssatzes. Als in der Rechtsprechung „gesicherte Erkenntnis“ dürfte zwischenzeitlich zumindest gelten, dass bei der Ableitung des Basiszinssatzes – entsprechend der Praxis der Bundesbank – die sog. Svensson-Methode anzuwenden ist.990 Noch wertungsabhängiger ist sodann der Risikozuschlag auf den Zinssatz. Diesem Zuschlag liegt die Überlegung zugrunde, dass die Anlage von Kapital in Unternehmen oder andere Wirtschaftsgüter mit einem größeren Risiko verbunden ist als die Geldanlage in öffentliche (Bundes-) Anleihen und der Markt deshalb einen Zusatznutzen (Risikoprämie) erwartet, der dieses Risiko ausgleicht. Die hiermit angesprochene Risi­ koäquivalenz gliedert sich in zwei Aspekte, nämlich zum einen das opera­tive Risiko, das sich aus der Unsicherheit des geschäftlichen Erfolges ergibt, und das Kapitalstrukturrisiko, das durch die Fremdkapitalfi-

989 OLG Stuttgart v. 26.10.2006, 20 W 14/05, AG 2007, 128, 131 f.; dort findet sich ferner eine Übersicht zu den in der Rechtsprechung bis dahin verwendeten Basiszinssätzen. 990 OLG Düsseldorf v. 4.7.2012, 26 W 8/10, AG 2012, 797; ferner OLG Stuttgart v. 19.1.2011, 20 W 3/09, AG 2011, 205; sehr instruktiv zum Beispiel W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 85 ff.; J. Drukarczyk/A. Schüler, Unternehmensbewertung, S. 209 ff.; D. Hachmeister/J. Wiese, WPg 2009, 54, 55.

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nanzierung bedingt ist.991 Damit ist der Risikozuschlag abhängig von Fak­toren wie der Branche, dem Standort, der Kapitalstruktur, der Pro­ duktpalette und vielem mehr. Bei einem kleinen bis mittelständigen Unternehmen – hier unterstellt, dass man dort das Ertragswertverfahren als übliches Verhaltensmuster beobachten kann – ist es letztlich nur eine aus Erfahrung gewonnene, aber letztlich doch intuitive Entscheidung992, ob ein Risikozuschlag auf den (nahezu) risikolosen Zins nun 4,00 %, 4,20 % oder 4,50 % zu betragen hat. Eine rationale Letztbegründung gibt es nicht (dazu vor allem noch § 6 II.). Die Unterschiede sind hingegen enorm. Legt man den von der Deutschen Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten auf den 2.1.2012 errechneten Basiszins in Höhe von 2,44 %993 und einen einphasig (also sehr vereinfacht) geschätzten, zu kapitalisierenden Zukunftsertrag von 200.000 Euro zugrunde ergibt die Differenz von 0,50 % einen Bewertungsunterschied von bis 226.000 Euro.994 Dabei sei in diesem Kontext auch noch einmal an Folgendes erinnert: Unter § 1 III. 3. a. habe ich bereits darauf hingewiesen, dass dort, wo ein subjektiver Entscheidungswert für eine konkrete Person gesucht wird, die Ausfüllung dieser Wertung natürlich gerade mittels seiner indivi­ duellen Ziele, Alternativen, Prämission und Risikoaversion geschieht. Wenn es aber nicht um einen Entscheidungswert eines konkreten Subjektes geht, sondern vielmehr eine Unternehmensbewertung aus rechtlichem Anlass mit ihrer intersubjektiven Nachvollziehbarkeit im Raum steht, wird diese Wertung einem „Dritten“, nämlich dem Rechtsanwender ohne Rücksicht auf ein konkretes Bewertungssubjekt abverlangt. Hier ist – wir werden unter § 6 II. und § 12 noch sehen: zu Recht – in der Rechtsprechung zum Teil durchaus anerkannt, dass es sich um einen unvermeidbaren Wertungsspielraum handelt, der durch individuelle, subjektive Schätzungen auszufüllen ist.995 An vorangegangener Stelle haben wir allerdings auch schon festgestellt, dass vor allem der „objektivierte 991 OLG Stuttgart v. 19.1.2011, 20 W 2/07, AG 2011, 420; Baetge/Niemeyer/Kümmel/ Schulz, in: Peemöller, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, S. 386 ff.; A. Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 34 mit weiteren Nachweisen zur Diskussion. 992 Vgl. schon E. Schmalenbach, zfhf 12 (1917/1918), S. 1, 4 – wenn auch unter dem Eindruck der Kriegsjahre 1917 u. 1918: „Die Wahl des Zinsfußes ist namentlich in so unruhigen Zeiten, wie wir sie jetzt haben, mehr Gefühls- als Rechensache.“ 993 BMF v. 2.1.2012, BStBl. I 2012, 13 (Festlegung des Basiszinssatzes für Zwecke des vereinfachten Ertragswertverfahren, § 203 Abs. 2 BewG). 994 Einzelwerte: 2.880.000 Euro bei 4,50 %; 3.012.000 Euro bei 4,20 % und 3.106.000 Euro bei 4,00 %. 995 OLG Frankfurt v. 5.3.2012, 21 W 11/11, NZG 2012, 549, 550; OLG Stuttgart v. 17.3.2010, 20 W 9/08, AG 2010, 510; OLG Düsseldorf v. 13.3.2008, I-26 W 8/07, AG 2008, 498; OLG München v. 14.7.2009, 31 Wx 121/06, WM 2009, 1848.

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Unternehmenswert“ im Sinne des IdW S1 alternativ auf eine Marktrisikoprämienableitung mittels des CAPM abstellt (dazu § 1 III. 3. a.). Letztlich ergeben sich bei genauem Hinsehen allerdings auch bei der Anwendung des CAPM erhebliche Wertungsspielräume. Gerade dieser Aspekt wird nachfolgend noch unter dem Gesichtspunkt der „Scheingenauigkeit“ eingehend thematisiert werden und wird daher hier zurückgestellt. Hier ging es erst einmal nur darum, die wertungsrelevanten Problemfelder aufzuzeigen. Ihre Würdigung im Rechtsanwendungsvorgang ist § 6 vorbehalten.

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§ 6 Bewertung als die Suche nach der idealen Wertbandbreite I. Bewertung als methodisch geleitete, „nur“ auf Annäherung gerichtete Schätzung Bewertung als auf Annäherung gerichtete Schätzung Auch für die Bewertung gilt, dass sie ungeachtet schöpferischer Elemente immer Erkenntnisvorgang und Rechtsgewinnung auf der Grundlage der Bindung an Norminhalte ist. Betrachten wir das in seinen Einzelteilen in § 4 und § 5 dieser Arbeit vorbereitete Bild in der „Summe“: Soweit eine verkehrswertorientierte Bewertungsnorm ein Verhaltensmuster rezipiert, kann es sein, dass ein solches im ersten Schritt überhaupt erst einmal ermittelt und als einschlägig identifiziert werden muss. In einem nächsten Schritt wird dieses mit „Leben“ gefüllt. Ungeachtet der ohnehin bestehenden subjektiven Erkenntnisgrenzen verlangt die Norm hierzu je nach Verhaltensmuster eine Aussage zur Zukunft und fordert den Rechtsanwender zu einer wertenden Festlegung von Faktoren und Ableitungsaussagen auf und dies letztlich alles auf einer komplexen Datenbzw. Informationsgrundlage, die zum Teil selbst wiederum in Ansehung etwaiger Vorbewertungen durch die vorgenannten Aspekte gekennzeichnet ist. Die unvermeidbare Folge dessen lautet: Es gibt immer eine Bandbreite von (wahrscheinlich erzielbaren) Preisen. Knüpft der Rechtswert dergestalt an ein beobachtbares Verhaltensmuster in Ansehung der Preisfindung und dessen Übertragung auf den konkreten Bewertungsgegenstand an, akzeptiert er zugleich die damit zwangsläufig einhergehende Bandbreite möglicher Verkehrswerte, verlangt aber auch, dass aus dieser Bandbreite ein einwertiges Rechtsanwendungsergebnis herausbestimmt wird. Sowohl die Ermittlung der Bandbreite (Schritt 1) als auch die Fixierung des Entscheidungswertes (Schritt 2) sind der normativen Steuerung zugänglich. Bedenkt man die genannten Faktoren, die für die Fixierung der Bewertungsbandbreiten erheblich sind, so lässt sich die rechtlich gesteuerte Verkehrswertbewertung „nur“ als die Suche nach einem Bewertungs­ ideal verstehen. Weil es kein greifbares außerjuristisches „Naturgesetz der Bewertung“ gibt, sondern allenfalls mehr oder weniger erfass­bare Preisbildungsverhaltensmuster, existiert hier zwangsläufig eine Grenze dessen, was Recht leisten kann. Klaus-Dieter Drüen stellt treffend fest: „Man kann sich einem Wert nur von seinen äußeren Grenzen nähern,

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ohne ihn je konkret erfassen zu können“.996 Dieses Ideal bezieht sich bei der die soziale Wirklichkeit rezipierenden Verkehrswertbewertung allerdings nicht auf einen (einzigen) Wert, sondern auf eine Wertbandbreite. Je nachdem, wie streng man die Eigenständigkeitskriterien fasst, lässt sich das verkehrswertspezifische Ideal vielleicht sogar als eigenständiges Rechtskonkretisierungsmodell erfassen. Zwingend ist dies jedoch nicht. Entscheidend ist, dass man sich nicht nur von binären Vorstellungen löst, sondern auch anerkennt, dass es nur um Annäherung geht. Das Gesetz mag gelegentlich mit Begriffen wie „den Wert ermitteln“ (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG, ferner durchgängig auch in den §§ 182 ff. BewG und siehe schließlich in § 3 Abs. 2 FVerlVO für die Teilschritte [dort: Gewinnpotentiale] hin zum Rechtswert) zwar Exaktheit suggieren, aber letztlich kann es immer nur um ein „soweit wie möglich“ gehen; gesucht wird das „beste Denkbare“. Dass selbst dies mitunter schwierig sein kann, haben die bisherigen Ausführungen gezeigt. Denn die mit der Rezeption verbundene Entwicklungsoffenheit des Rechts verursacht eine beträchtliche Komplexitätssteigerung bei der Rechtsfindung. Dies bietet natürlich einerseits die Chance, neue Erkenntnisse, sozialen Wandel etc. zu verarbeiten. Andererseits ist die Wertfindung aufgrund der schwachen Steuerung nur schwer methodisch zu kontrollieren und zu kanalisieren. Entsprechendes gilt für viele bewer­tungsrelevante Daten und Informationen. Auf die hierbei bestehenden Wertungsnotwendigkeiten wurde zuletzt unter § 5 IV. 4. hingewiesen. Insgesamt ist deutlich geworden, dass anlässlich der Verkehrswertbewertung sowohl bei der Festlegung und Auswahl der bewertungsrelevanten Daten und Informationen als auch bei deren Zusammenführung gewertet, gewichtet und abgewogen wird. Je nach gesetzlicher Vorsteuerung und je nach Bewertungsgegenstand kann dies mal mehr oder weniger intensiv auftreten, aber es bleibt im Kern das entscheidende Merkmal des Rechtskonkre­ tisierungsvorgangs „Verkehrswertbewertung“. Er ist immer ein eine

996 K.-D. Drüen, AG 2006, 707, 712 f.; siehe in diesem Geiste auch das Kammergericht in einem Spruchverfahren: [In einem] Spruchverfahren [kann es] von vornherein nicht darum gehen, mit gleichsam naturwissenschaftlich-mathematischer Genauigkeit eine objektiv verifizierbare Berechnung vorzunehmen. Vielmehr genügt es, wenn das Gericht - erforderlichenfalls mit sachverständiger Unterstützung - zu der Überzeugung gelangt, dass eine bestimmte konkret vorgenommene Berechnung auf der Grundlage zutreffender Ausgangszahlen zu einem plausibel hergeleiteten Ergebnis führt (KG v. 19.5.2011, 2 W 154/08, juris; vgl. ferner BGH v. 12.3.2001, II ZB 15/00, NJW 2001, 2080; BayObLG v. 28.10.2005, 3Z BR 71/00, AG 2006, 41; OLG München v. 2.4.2008, 31 Wx 85/06 u.a., juris; OLG Stuttgart v. 19.1.2011, 20 W 3/09, AG 2011, 205; OLG Düsseldorf v. 4.7.2012, 26 W 8/10, AG 2012, 797).

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hypo­thetische Frage beantwortender Wertungsvorgang mit quantitativer Rechtsfolge. Strukturell stellt sich damit das Dilemma ein, dass auch für die Rechtskonkretisierungsvorgänge der Subsumtion häufig und – wenn man sie eigenständig überhaupt erfassen will – der Abwägung997 stets gilt; am besten vergleichbar sein dürfte die Bewertung aber vor allem mit der strafrechtlichen Strafzumessung oder dem immateriellen Schadensersatz: Man kann das Ergebnis kritisieren, diskutieren und gewiss auch einzelne Akzentuierungen anders vornehmen. Eine rationale, d.h. durch intersub­ jektive Vermittelbarkeit und durch Ausrichtung an einer Sachrichtigkeit angelegte, durch konsistente und kohärente Argumentation gekennzeichnete998 Begründung lässt sich in Bezug auf viele bewertungsrelevante Teilelemente und auch in Bezug auf die schlussfolgernde Zusammenführung dieser Teilelemente nicht vollständig gewährleisten. Emotionale und dezisionistische Entscheidungselemente sind (auch hier) nur schwer einhegbar. Vor allem die unvermeidbare Ungewissheit beim Blick in die Zukunft setzt jedem Rationalitätskonzept Grenzen.999 Es geht um das Problem der Intuition bei der Entscheidungsfindung und das sich hierbei äußernde, unvermeidbare schöpferische Element (siehe bereits § 4 I.). Losgelöst von Bewertungsfragen begnet uns in der Rechtstheorie eine „Rationalitätsdebatte“ in Ansehung der Frage, ob rationale (methodische) Argumentation den subjektive Momente aufdeckenden und Scheinbegründungen vermeidenden Weg zur (überzeugenden) Lösung leitet, also eine Rechtsfindungsmethode ist1000, oder ob sie nicht vielmehr im Sinne einer Begründungsmethode ein intuitiv gewonnenes Ergebnis nachträglich (im Nachvollzug) rationalisiert.1001 Jedenfalls bei der Bewer 997 Zur Rechtskonkretisierung durch Abwägung siehe nur C. Franzius, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 9 Rn. 4; T. Würtenberger, in: Festschrift f. Hollerbach, S. 223 ff. mit weiteren Nachweisen. 998 Siehe zu diesem Verständnis von Rationalität zum Beispiel G. Lienbacher, VVDStRL 71 (2012), S. 7, 10 f.; ähnlich F. Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 9 Rn. 4, beide jeweils auch mit Nachweisen zu anderen Bedeutungen von und Erwartungen an Rationalität. 999 C. Bumke, Der Staat 51 (2010), S. 77, 78 f.; A. Scherzberg, in: Festschrift f. Erichsen, S. 177, 204 f. 1000 Vgl. H.-J. Koch/M. Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 27 f.; M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 51 f., S. 65 u. S. 195; C. Seiler, Auslegung als Normkonkretisierung, S. 7 f. 1001 Siehe J. Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, S. 36; P. Gottwald, ZZP 98 (1985), S. 113, 117; M. Morlok/R. Kölbel/A. Launhardt, Rechtstheorie 31 (2000), S. 15, 18 ff.

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tung dürfte letztlich beides zutreffend sein. Es spricht vieles dafür, dass die methodische Anleitung zur „Findung“ des Werts (bzw. der Bandbreite) und seine Begründung untrennbar miteinander verbunden sind. Denn hier geht es nicht um die Suche nach einem binären Rechtsanwendungsergebnis, sondern immer um einen konkreten Wert, den man in Gestalt einer konkreten Zahl wohl nicht ohne weiteres „intuitiv“ (vorab-) erfassen kann. Man mag im Vorfeld bereits eine intuitive, richtungsleitende Vorstellung haben, aber ohne Bewältigung der einzelnen Bewertungsschritte bleibt dies eine vage, nicht bezifferbare Ahnung und mehr nicht. Erkennt man das schöpferische Element als solches an, so muss man dies hinnehmen. Man darf sich lediglich nicht der Illusion hingeben, dass immer alle subjektiven Momente im Rechtsanwendungsvorgang wirklich transparent aufgedeckt und für die anderen Akteure erkennbar gemacht worden sind. Insoweit ist es richtig, wenn gefordert wird, dass man sich angesichts der unvermeidbaren Konstruktivität der Rechtsgewinnung von einem überzogenen Rationalismus verabschieden müsse.1002 Diese Einsicht stellt allerdings nicht die fundamentale Bedeutung der Begründung – insbesondere im Sinne einer (auch) offenen Argumentation – der Bewertung in Frage. Die Begründung und insbesondere ein geordnetes Argumentieren bleiben stets unverzichtbar dafür, um das Ergebnis für Dritte intersubjektiv nachvollziehbar und vor allem akzeptabel zu machen.1003 Deshalb geht es auch bei der Verkehrswertbewertung vornehmlich darum, der Herleitung des Bewertungsergebnisses einen Eigenwert beizumessen. Man muss einsehen, dass sich die Steuerungskraft vieler verkehrswertorientierter Bewertungsnormen in der Heranführung des Rechtsanwenders an die maßgeblichen Bewertungs- und Entscheidungsfaktoren erschöpft und dies umso mehr, je mehr sie auf Rezeption der sozialen Bewertungswirklichkeit angelegt sind. Es geht aufgrund der 1002 So M. Morlok/R. Kölbel/A. Launhardt, Rechtstheorie 31 (2000), S. 15, 18, 46; siehe ferner R. Christensen/H. Kudlich, Theorien richterlicher Begründung, S. 362 ff.; H. H. Trute, in: derselbe/Groß/Röhl/Möllers, Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, S. 211, 215 f. 1003 Für die Unternehmensbewertung explizit B. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 20; DVFA Expert Group „Corporate Transactions and Valuation“, CFB 2012, 43, 44 f.; ähnlich BGH v. 4.3.1982, III ZR 156/80, NVwZ 1982, 395 für die Grundstückswerte nach dem BauGB; OLG Stuttgart v. 1.10.2003, 4 W 34/93, ZIP 2004, 712; OLG Düsseldorf v. 8.7.2003, 19 W 6/00, AG 2003, 688; KG v. 19.5.2011, 2 W 154/08, ZIP 2011, 2012 jeweils für Unternehmensbewertungen anlässlich von Spruchverfahren; für die juristische Methodik im Allgemeinen W. Hoffmann-Riem, ZfRS 22 (2001), S. 3, 12 f.; C. Meier, Zur Diskussion über das Rechtsgefühl, S. 112; U. Neumann, Rechtstheorie 32 (2001), S. 239 ff.; A. Scherzberg, in: Festschrift f. Erichsen, S. 177, 204 f.; T. Osterkamp, Juristische Gerechtigkeit, S. 71 f.

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Bewertung als auf Annäherung gerichtete Schätzung

Grenzen der Steuerbarkeit des Bewertungsergebnisses auch hier vornehmlich um die Strukturierung des Bewertungsvorgangs. Für den rechtsanwendenden Verwaltungsbeamten oder Richter ergibt sich eine solche Pflicht bereits aus der rechtsstaatsfundierten Notwendigkeit der Entscheidungsbegründung (vgl. § 121 Abs. 1 AO und § 105 FGO). Die mögliche Nachprüfbarkeit der Argumente durch alle Rechtsgenossen ist eine Funktionsbedingung der Justiz und der Rechtswissenschaft in einem demokratischen Verfassungsstaat.1004 Soweit das Gesetz dem Steuerpflichtigen Befugnisse (Prärogativen) in Ansehung der Bewertung zuweist, gilt dies jedoch nicht minder. Hier wirkt Art. 3 Abs. 1 GG; er macht für das eine Prärogative gewährende einfache Recht eine klare Vorgabe: Weil sich der Steuerpflichtige innerhalb einer gleichheitsrechtlich geprägten Beziehung zu den anderen Steuerpfichtigen bewegt, muss sich das Rechtsanwendungsergebnis, auch soweit es auf der Ausübung einer ihm zugewiesenen Prärogative beruht, gegenüber den anderen Steuerpflichtigen rechtfertigen lassen (siehe dazu auch noch § 12 III u. IV.). Gleich welchem der Akteure die letztverbindliche Entscheidungsmacht in Bezug auf die Bewertung und die Fixierung des schlussendlich maßgeblichen einwertigen Rechtsanwendungsergebnisses zusteht, muss eines immer möglich sein: Es muss die Möglichkeit einer Kontrolle der Entscheidung eröffnet sein.1005 Die Außengrenzen der Wertbandbreite sind also so zu konkretisieren, dass sie soweit wie möglich einer Kontrolle zugänglich sind. Dies ist insbesondere auch eine Frage der Transparenz1006 und zwar sowohl bezogen auf die Daten-/Informationsgrundlagen als auch die hieraus gezogenen Schlussfolgerungen. Es muss also offengelegt werden, dass und warum der Bewertende einem bestimmten Preisbildungsverhaltensmuster folgt bzw. warum er es nicht tut. Ferner muss erkennbar sein, woher die Vergleichsdaten kommen, ob sie selbst ermittelt, geprüft oder ungeprüft aus bestehenden Datenbeständen übernommen wurden. Wenn solche nicht existieren, muss offen gelegt werden, dass dies der Fall ist. Es muss des Weiteren erkennbar sein, dass und warum Bewertungsunterschiede bestehen können. Der Bewertende muss daher vor allem offenlegen, wo sich die Ableitung der strengen Determination entzieht und wo er kom1004 F. Müller/R. Christensen, Juristische Methodik, Band 1, Rn. 270; B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 191. 1005 Zu diesem Erfordernis aus Sicht staatlicher Entscheidungen allgemein P. Häberle, AöR 99 (1974), S. 423, 461; K. F. Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 611; B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 650. 1006 Diesen Aspekt (im Kontext der gesellschaftsrechtlich bedingten Unternehmensbewertung) zu Recht betonend A. Burger, NZG 2012, 281, 284.

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Bewertung als die Suche nach der idealen Wertbandbreite

plementär hierzu selbst rechtsschöpfend tätig geworden ist. Dies gilt auch für die Prognose. Intuition ist hier teilweise unvermeidbar, aber dann muss sich der Bewertende für die anderen Akteure erkennbar zum intuitiven Charakter der Entscheidung bekennen. Insbesondere in Ansehung der Einwertigkeitsentscheidung muss erkennbar sein, dass der Punktwert in Wahrheit ein „gewählter“ Wert aus einer Bandbreite allesamt möglicher Wertansätze ist. Es darf hier keine Genauigkeit suggeriert werden, die es nicht gibt.

II.

Die Grenzen rational begründbarer Wertfindung

Nach alledem ist (mit-) entscheidend, dass man erkennt und sich auch eingesteht, wo Begründungsgrenzen erreicht sind bzw. wo sie nach der Natur des jeweiligen Bewertungsgegenstandes typischerweise (auch wenn dies nicht offengelegt ist) erreicht sein werden. Wie begründe ich beispielsweise rational den Wert eines Kunstgegenstandes, zum Beispiel alter Meister? So führt das OLG Köln in einem Pflichtteilsrechtsstreit aus: [Der] Objektivierbarkeit der Bewertung von Kunstgegenständen [sind] Grenzen gesetzt […]. Der Verkehrswert einer Sache bestimmt sich danach, was ein potenzieller Käufer dafür zahlen würde. Das richtet sich bei einem Kunstgegenstand – anders als etwa bei einem Grundstück oder Gebrauchsgegenstand, bei denen objektive Gesichtspunkte wie Alter, Lage, Zustand, Material im Vordergrund stehen – nur ganz am Rande nach objektiven Kriterien. Das verwendete Material, etwa die Qualität der Leinwand und Farbe, das Alter und der Zustand eines Kunstgegenstands sind für die Frage, welchen Preis ein Käufer für den Kunstgegenstand zu zahlen bereit ist, nur von untergeordneter Bedeutung und desto weniger bedeutsam, je bekannter der Künstler ist, von dem das Werk stammt, bzw. je mehr man sich ein Bekanntwerden dieses Künstlers verspricht. Wichtiger schon sind der Inhalt der Darstellung und der Name des Künstlers. Diese sind aber nicht für sich genommen wertbestimmend, sondern nur zusammen mit anderen Umständen wie besonderen Vorlieben - des Einzelnen, der Fachkreise oder auch der Öffentlichkeit - für einen bestimmten Künstler, Modeerscheinungen, Hoffnungen auf Wertsteigerungen von Werken eines bestimmten Künstlers, Erwartungen an das Publikumsinteresse, die dem zeitlichen Wandel unterworfen, schwer vorhersehbar und schon deshalb kaum zu objektivieren sind“.1007 Die mit der Bestimmung des gemeinen Wertes 1007 OLG Köln v. 5.10.2005, 2 U 153/04, NJW 2006, 625, 626; siehe ferner OLG Oldenburg v. 23.6.1998, 5 U 19/18, NJW 1999, 1974, 1975.

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verbundenen Schwierigkeiten dürften dabei klar zu Tage treten, sofern nicht eine zeitnahe Veräußerung mit nicht zu beanstandender Preisbildung erfolgt ist. Ist das Kunstwerk versichert, wird man wohl zumindest noch auf den Versicherungswert abstellen können. Anlässlich der Bestimmung des Versicherungswertes durch die Versicherungsgesellschaft bzw. ihre Gutachter stellen sich zwar die gleichen Probleme ein, die auch für die steuerliche Bewertung gelten. Deshalb ließe sich durchaus einwenden, dass wir das Problem damit nur verschieben, aber nicht lösen. Gleichwohl meine ich, dass die Heranziehung des Versicherungswerts einen Rationalitätsgewinn bedeutet. Denn im Versicherungsfall (Be­ schädigung, Zerstörung oder Verlust) wird dem Kunsteigentümer dieser Betrag „garantiert“ und dies nicht einseitig festgesetzt, sondern als Ergebnis eines Konsens zwischen dem Kunsteigentümer und der Versicherungsgesellschaft. Dies kann die Einigung am Markt (Preis) nicht substituieren, bringt aber doch zum Ausdruck, welche Wertschätzung der Eigentümer seinem Werk beimisst und zumindest die Versicherungsgesellschaft hat dies für plausibel erachtet. Dies reicht auf der Suche nach der idealen Bandbreite eben aus, wenn mehr nicht leistbar ist; man muss sich dann aber offen zu dieser Unsicherheit bekennen. Ohne Versicherungswert existiert hingegen noch nicht einmal dieser Anknüpfungspunkt (aber selbst dann muss eine Bewertungsentscheidung getroffen werden, dazu sogleich). Der offene Umgang mit Begründungsgrenzen bedingt ferner, dass man über solche auch nicht mit „Methoden“ hinweggeht. Es ist nachvollziehbar, dass sich die Bewertungspraxis schon deshalb gerne an Methoden orientiert, weil deren Beachtung die Anerkennung bzw. zumindest Akzeptanz des hiernach ermittelten Wertes verheißt. Dies gilt für die Verrech­ nungspreisermittlung, die Unternehmensbewertung und jeden anderen Verkehrswert, für den methodengeleitete Vorgehensweisen herangezogen werden können. Es besteht aber immer die Gefahr, dass man das Problem letztlich nur verlagert, vielleicht verkompliziert und damit sogar verdeckt. Kommen wir zur Verdeutlichung dessen noch einmal zu dem bereits häufig bemühten Referenzbeispiel der Bewertung von Unternehmen und Unternehmensträgerbeteiligungen zurück. Bei den – hier vorerst für die weitere Untersuchung unterstellt: lediglich soziale Verhaltensmuster wiedergebenden – Methoden zur Unternehmensbewertung handelt es sich um Verfahren, die auf subjektiven Prognosen und Wertungen aufbauen und deshalb mit erheblicher Unsicherheit belastet sind. Nachvollziehbare formale Wege der Herleitung der notwendigen subjektiven Wahrscheinlichkeitsurteile aus gegebenen Informations-

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mengen sind bisher nicht bekannt1008; für den Kapitalisierungszinssatz gilt dies sinngemäß – vor allem, wenn er den Risikofaktor mit abbildet. Gerade Letzteres soll hier noch einmal Anlass für einen weitergehenden, vertiefenden Blick in die aktuelle Unternehmensbewertungsdiskussion sein, um die Gefahr von Scheinbegründungen und Scheingenauigkeiten zu benennen. Stein des Anstoßes ist die Frage, inwieweit man den Risikozuschlag als Teil des Kapitalisierungszinssatzes (siehe zur Bedeutung des Risikozuschlages § 5 IV. 4. b.) „theoretisch modellhaft“ gewinnnen kann. Die Festlegung des Risikozuschlags kann zum einen aufgrund von Erfahrungswerten erfolgen; insoweit ist er der Prototyp eines primär intuitiv gewonnenen Ergebnisses. Die Wirtschaftswissenschaften diskutieren zum anderen aber auch eine marktorientierte Ermittlung unter Anwendung des sog. Capital Asset Pricing Model (kurz: CAPM). Diese Vorgehensweise wird seit Ende der 1990er Jahre in der Bewertungs­ gutachtenpraxis anlässlich gerichtlicher Verfahren (wohl) immer ver­ breiteter.1009 Dazu mag insbesondere auch beigetragen haben, dass der Arbeits­ kreis Unternehmensbewertung beim IdW das Discounted-Cash-Flow-Verfahren bereits 1997 für zulässig erachtet hat und auch explizit das CAPM dann in die IdW S1 Fassung des Jahres 2000 Eingang gefunden hat.1010 Vorgestellt wurde das CAPM bereits unter § 1 III. 3., so dass hierauf im Detail Bezug genommen werden kann. Dieses Modell ist bereits wegen seiner realitätsfernen Annahmen grundsätzlicher Kritik ausgesetzt. In der Realität fehlt es vor allem an der unterstellten Informationseffizienz.1011 Ungeachtet dessen ist es vor allem aber auch die Frage nach seinem Anwendungsfeld, die kontrovers diskutiert wird. Dies be1008 J. Drukarzyk/A. Schüler, Unternehmensbewertung, S. 36 f. 1009 Siehe die empirische Auswertung von M. J. Munkert, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, S. 262 ff.; ferner J. Wüstemann, BB 2007, 2223 ff. 1010 IdW S1 2000, Tz. 98. 1011 J. Baetge/C. Krause, BFuP 56 (1994), S. 433 ff.; W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 95; H.-J. Böcking/K. Nowak, DB 1998, 685, 689 f.; D. Schneider, DB 1998, 1473, 1478: entsprechende Zweifel werden auch von Gerichten durchaus formuliert, siehe zum Beispiel OLG München v. 2.4.2008, 31 Wx 85/06, juris: Jedenfalls für den deutschen Markt sei bisher nicht belegt, dass das Nachsteuer-CAPM die Realität an den Kapitalmärkten hinreichend gut abbilde. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Kritik bei W. F. Fischer-Winkelmann, BFuP 61 (2009), S. 343, 356 f.: „Daran sind aber bestimmte Betriebswirte, die „verhinderte Mathematiker“ sind, nicht unschuldig, hatte man doch beispielsweise mit der TAX-CAPM „so ein fruchtbares“ Land gefunden, wo man erneut formale Brillanz auf syntaktischer Ebene demonstrieren kann, ohne sich um Semantik groß kümmern zu müssen oder um die Kritik. Man konstruierte einen TAX CAPM, ohne Rücksicht zu nehmen, dass das CAPM nie funktionieren kann, weil man die Modellgrundlagen ignoriert oder meint, den Abgrund zwischen

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ruht auf seinem Investorenbild: Das CAPM unterstellt einen Anleger, welcher uneingeschränkt der (präskriptiven) Portefeuilletheorie folgt, also einen passiven Investor mit perfekt vollständig diversifiziertem Portefeuille. Wer das CAPM zur Ableitung des Kapitalisierungszinssatzes bemüht, macht sich diesen Anlegertypen zu eigen.1012 Dies führt selbst bei börsennotierten Unternehmen zu der Frage, ob das CAPM dort überhaupt eine Aussage treffen kann, wo der Gesamtwert einer Unternehmung zu ermitteln ist.1013 Denn die „Vollinvestition“, die auf unternehmerischen Einfluss gerichtet ist, entspricht nicht dem Anlegertypen des CAPM. Ferner ist es die Aussagekraft für die Bewertung kleinerer und mittlerer Unternehmen, die (anknüpfend an das vorstehende Argument: erst recht) angezweifelt wird. Deren Inhaber verfügen nicht über ein wohldiversifiziertes Anlageportfolio, sondern haben zumeist ihr gesamtes Vermögen – inklusive ihres eigenen Humankapitals – in ihrem Unternehmen gebunden1014; sie sind typischerweise in ihrer Anlagestrategie wenig diversifiziert.1015 Deshalb gewinnt gerade bei solchen Unternehmen das individuelle Risiko an Bedeutung, welches bei den Discounted-Cashflow-Verfahren indes durch Diversifikation ausgeschlossen wird.1016 Ein weiteres Kritikfeld besteht in Bezug auf die bewertungsrelevanten Daten: Es gibt keine Wertpapiere, die einen Rückschluss auf eine Kapitalmarkteinschätzung des Risikos für ein kleineres und mittleres Unternehmen erlauben.1017 Viele dieser Kritikpunkte realisieren auch die Befürworter des CAPM, die dann allerdings (fatalistisch) konstatieren, dass es aber (noch) keinen besseren, überzeugenderen Ansatz gebe.1018 Aber letztlich kommt es auf die inhaltliche Berechtigung der Kritik am CAPM nur nachrangig an. Entscheidend für die Verwendbarkeit des CAPM bei der Bewertung eines Unternehmens nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG oder § 1 Abs. 3 AStG ist nach der hier vertretenen Modell und Realität in zwei Schritten überqueren zu können. Diese Modellplatonisten halten dies dennoch für möglich.“ 1012 J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 70. 1013 J. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 70. 1014 S. Behringer, DStR 2001, 719; H. Rehkugler, in: Festschrift f. Heinen, S. 404. 1015 H. Dirrigl, Unternehmensbewertung für Zwecke der Steuerbemessung im Spannungsfeld von Individualisierung und Kapitalmarkttheorie, S. 51; M. Hinz, BFuP 63 (2011), S. 304, 321 f.; H. Rehkugler, in: Festschrift f. Heinen, S. 404; M. Zieger/S. Schütte-Biastoch, FB 2008, 590, 595. 1016 S. Behringer, DStR 2001, 719. 1017 S. Behringer, DStR 2001, 719. 1018 M. Zieger/S. Schütte-Biastoch, FB 2008, 590, 595; in diese Richtung ferner OLG Stuttgart v. 26.10.2006, 20 W 14/05, AG 2007, 128, 133.

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„Ist-Betrachtung“ immer seine „Bestätigung“ in der sozialen Bewertungswirklichkeit und dies insbesondere auch in Bezug auf das konkret aus rechtlichem Anlass zu bewertende Objekt bzw. seine entsprechende kategoriale Einordnung (zum Beispiel [grob]: kapitalmarktorientierte Unternehmen, große Personengesellschaftskonzerne in Familienbesitz, kleinere und mittlere Unternehmen, freiberufliche Praxen). Damit ein solches Modell eine Relevanz bei der Anwendung steuergesetzlicher Normen erlangen kann, muss empirisch nachgewiesen werden, dass der Erwerber eines Unternehmens anlässlich der Formulierung seiner Kaufpreisvorstellung wie vom CAPM unterstellt „denkt“. Es mag sein, dass die CAPM-Vorgehensweise ein Abbild tatsächlich geübter Verhaltensmuster bei der Bewertung von kapitalmarktorientierten Unternehmen ist. Ich bin aber skeptisch, ob es empirisch nachweisbar ist, dass ein dem haltensmuster bei der Bewertung CAPM entsprechendes soziales Ver­ kleinerer und mittlerer Unternehmen anlässlich von Preisfindungsvorgängen geübt wird. 1019 Bleiben wir gleichwohl noch beim CAPM, um zum eigentlichen Problem dieses Abschnitts zurückzukehren. Man darf nicht übersehen, dass die vermeintliche Objektivität dieser zahlengeprägten Ableitung aus Kapitalmarktdaten nur eine scheinbare ist. Verlässt man seinen originären Anwendungsbereich (Kapitalmarktunternehmen), so kommt noch hinzu, dass die „Anpassung“ des CAPM an die „Besonderheiten“ kleinerer und mittlerer Unternehmen zwangsläufig noch weitergehende subjektive Ermessensspielräume etabliert. Dies alles führt geradeweges zu dem hier im Mittelpunkt stehenden Stichwort der „Grenzen rational begründbarer Wertfindung“. Wegen ihrer Klarsichtigkeit sei dazu eine Aussage des OLG München aus einem Beschluss vom 2.4.2008 wörtlich übernommen: „Die Ermittlung des Risikozuschlags unter Heranziehung des CAPM mag zwar zunächst besser nachvollziehbar erscheinen als die empirische Schätzung. [Dieses] Verfahren [ist] jedoch keineswegs völlig objektiv. Vielmehr wird bei näherer Betrachtung deutlich, dass auch hier das Ergebnis in hohem Maße von der subjektiven Einschätzung des Bewerters abhängt. Diese wird nur nicht unmittelbar durch die Schätzung des Risikozuschlags selbst ausgeübt, sondern mittelbar 1019 Dies hindert einige Autoren gleichwohl nicht, das CAPM dorthin zu übertragen, wenngleich auch modifiziert. Aber letztlich kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man versucht, das CAPM durch Modifikationen für etwas passend zu machen, für das es nicht konzipiert worden ist, siehe zum Beispiel A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Bewertungsme­ thoden im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 159 und S. 220 ff.; M. Zieger/S. Schütte-Biastoch, FB 2008, 590, 595 ff.

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durch die Auswahl der Parameter für die Berechnung von Marktrisikoprämie und Beta-Faktor. Die rechnerische Herleitung des Risikozuschlags täuscht darüber hinweg, dass aufgrund der Vielzahl von Annahmen, die für die Berechnung getroffen werden müssen, nur eine scheinbare Genauigkeit erreicht wird. Eine mathematisch exakte Bemessung des für die Investition in das konkrete Unternehmen angemessenen Risikozuschlags kann nach dieser Methode nicht gelingen (vgl. Großfeld, Das Recht der Unternehmensbewertung, S. 139). Schließlich werden sowohl Marktrisikoprämie als auch Beta-Faktor regelmäßig wie hier - aus Vergangenheitsdaten ermittelt, während die Unternehmensbewertung zukunftsbezogen zu erfolgen hat. Die Bedeutung der historischen Werte erschöpft sich folglich von vornherein darin, die Prognose der künftigen Entwicklung zu erleichtern ([…]). Diese Prognose unterliegt ebenso subjektiver Wertung wie die Auswahl der Parameter, die sowohl Marktrisikoprämie als auch Beta-Faktor entscheidend beeinflussen. […] Den Zweifeln daran, ob die in der Vergangenheit beobachteten Marktrisikoprämien auch in Zukunft erzielt werden können, soll durch einen (nicht näher begründeten) pauschalen Abschlag von 1–1,5% von der Nach-Steuer-Risikoprämie Rechnung getragen werden (vgl. Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, S. 257). […] Auch die Ermittlung des Beta-Faktors unterliegt, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, beträchtlichen Ermessensspielräumen. Denn er kann insbesondere durch die Wahl der Messperiode (z.B. 250 Tage, 52 Wochen, 60 Mo­ nate), des Intervalls zur Bestimmung der Rendite (Tages-, Wochen- oder Monatsrendite) und des Vergleichsindex in erheblichem Maße beeinflusst werden.“1020 Auch in der Literatur findet sich wegen der Ermessenspielräume1021 eine kritische Sicht in Ansehung der vermeintlichen Objektivität der mittels des CAPM gewonnenen Informationen.1022 Es ist 1020 OLG München v. 2.4.2008, 31 Wx 85/06, juris; siehe ferner BayObLG v. 28.10.2005, 3Z BR 71/00, AG 2006, 41: CAPM sei einer pauschalen Schätzung der Risikoprämie wegen der auch ihm zukommenden Ermessensspielräume nicht überlegen. 1021 Dazu eingehend J. Drukarczyk/A. Schüler, Unternehmensbewertung, S. 37 ff.; D. Hachmeister/F. Ruthardt/N. Lampenius, WPg 2011, 829 ff. 1022 J. Baetge/C. Krause, BFuP 56 (1994), S. 433 ff. (mit empirischer Untersuchung und der Erkenntnis: „[…] der Vorteil des CAPM, unternehmensindividuelle Risikozuschläge berechnen zu können und dadurch genauer zu sein, [wird] durch die Schätzprobleme bei der erwarteten Rendite des Marktportefeuilles und bei dem risikolosen Zinssatz sowie bei den damit verbundenen Ungenauigkeiten mehr als kompensiert“); H.-J. Böcking/K. Nowak, DB 1998, 685, 690; H. Dirrigl, Unternehmensbewertung für Zwecke der Steuerbemessung zwischen Individualisierung und Kapitalmarkttheorie, S. 47 f.; D. Schneider, DB 1998, 1473, 1477 (Pseudo-Rechtfertigung); siehe auch hier nochmals die Untersuchung von M. J.

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von einer Scheintypisierung die Rede.1023 Rechtspraktisch ist allerdings zu konstatieren, dass die meisten Oberlandesgerichte anlässlich der Bewertung börsennotierter Kapitalgesellschaften das CAPM ausdrücklich einer „freien Schätzung“ vorziehen oder dessen Heranziehung zumindest nicht beanstanden.1024 Begründet wird dies (zum Teil) damit, dass das CAPM gegenüber der freien Schätzung des Risikozuschlages wegen der Aufgliederung der Risikobetrachtung in das allgemeine Risiko von Anlagen in Aktien einerseits und das spezifische Risiko des zu bewertenden andererseits „methodisch transparenter“ sei.1025 Nach alledem kann es nur von Vorteil sein, wenn man sich hier ehrlich dazu bekennen würde, dass es sich um eine intuitive, von Erfahrungswerten, aber auch individueller Wertung geprägte Festlegung handelt, die nicht mathematisch begründbar ist. Diesen Weg geht sodann auch das OLG München in der Entscheidung, der vorstehendes Zitat entstammt. Es resümiert die in jüngeren Senatsentscheidungen für verschiedene Unternehmen zugrunde gelegten Risikozuschläge, setzt das im Streitfall zu würdigende Unternehmen dazu unter den Gesichtspunkten Branche, Marktstellung und Marktumfeld in Beziehung und nimmt zwischen den bekannten Polen eine Abwägung vor. Michael Hommel bemerkt in seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung zutreffend: „Mit dieser EntscheiMunkert, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, S. 269, der nach Auswertung von Bewertungsgutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass die „Berechnung des Risikozuschlages in den meisten Fällen wenig transparent“ und die „Berechnung des Betafaktors noch weniger nachvollziehbar“ sei. Dieser Vorwurf trifft freilich nicht nur das CAPM, sondern auch andere Bewertungsverfahren, die mit der Übertragung von Kapitalmarktdaten arbeiten und für sich „Objektivität“ in Anspruch nehmen, aber in Wirklichkeit nicht ohne subjektive Ermessensspielräume bei der Datenzusammenstellung und sodann deren Anpassung an das konkrete Bewertungsobjekt auskommen, siehe zum Beispiel M. Olbrich, BFuP 52 (2000), S. 454 ff. zu und gegen kursgestützte Bewertungsverfahren, die versuchen aus dem Börsenkurs von Vergleichsunternehmen den Wert eines anderen Unternehmens abzuleiten. 1023 H.-J. Böcking/K. Nowak, DB 1998, 685, 690; R. Kasperzak, BFuP 53 (2000), S. 468, 474. 1024 OLG Frankfurt v. 30.8.2012, 21 W 14/11, juris; OLG Düsseldorf v. 4.7.2012, 26 W 8/10, AG 2012, 797 („Die mittlerweile praktisch einhellige obergerichtliche Rechtsprechung orientiert sich am CAPM“); OLG Stuttgart v. 19.1.2011, 20 W 3/09, AG 2011, 205; v. 26.10.2006, 20 W 14/05, AG 2007, 128, 133; OLG Celle v. 19.4.2007, 9 W 53/06, AG 2007, 866. 1025 Siehe jüngst vor allem OLG Düsseldorf v. 4.7.2012, 26 W 8/10, AG 2012, 797; auch in der Literatur gibt man sich gerne dem Schein der Objektivierung hin, vgl. zum Beispiel A. Blum/S. Weber, GmbHR 2012, 322, 327: „Die Anwendung des [CAPM] beruht auf anerkannten wissenschaftlichen Methoden und führt zu einem objektivierten Ergebnis“; siehe ferner noch die Nachweise in Fn 293.

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dung stärkt das OLG München die Selbstverantwortung des Bewerters und rückt dessen unternehmensspezifisches (subjektives) Wissen wieder explizit in den Mittelpunkt der Wertfindung. Der Bewerter muss sich nicht vor der gerichtlichen Überprüfung seines Unternehmenswertes fürchten, nur weil er diesen nicht anhand hoch komplexer mathematischer Modelle ermittelte“.1026 Kritisch anzumerken ist allerdings, dass hier der Eindruck entsteht, dass sich das Oberlandesgericht München lediglich selbst beobachtet. Ob und inwieweit die eigenen Erfahrungswerte auf der Beobachtung der sozialen Wirklichkeit beruhen, offenbart es nicht. Jedenfalls darf es durch solche rein selbstreferentiellen Erfahrungsbeobachtungen nicht zu einer (richterlichen) Parallelwirklichkeit kommen. Was ist aus diesem sehr spezifischen Beispiel der Erkenntnisgewinn? Es geht hier, wie bereits gesagt, nicht um eine theoretische Kritik am CAPM. Wenn sich die Bewertungsübung entsprechend beobachten lassen sollte, dann wäre dem nach hier vertretener Ansicht selbst dann Folge zu leisten, wenn man dies selbst als Irrweg ansehen würde. Mir geht es hier vielmehr um etwas anderes, nämlich ein Plädoyer gegen ver­ deckende Scheinbegründungen. Man muss sich die Frage stellen, ob die Heranziehung des CAPM für die Rechtsanwendung wirklich etwas leisten kann. „Richtigkeit“ kann es nicht verheißen; das behauptet auch niemand. Kann das CAPM aber ein Mehr an Rationalität leisten? Erhöht es im Hinblick auf die bestehenden Wertungsspielräume die Akzeptanz der Entscheidung? Beides muss man meines Erachtens verneinen. Es verschleiert vielmehr nur die bestehenden Begründungsgrenzen. Dort, wo Begründungen möglich sind, muss auch rational begründet werden. Dort, wo aber schlicht weg keine rationale Herleitung des Wertes möglich ist, muss der Rechtsanwender dies offen legen und dem Adressaten der Entscheidung offenbaren, dass und warum es sich um eine subjektive, rational nur bedingt erklärbare, aber gleichwohl von ihm hinzunehmende Wertfindung handelt. Offenzulegen ist letztlich, dass, warum und in welchem Umfang sich derjenige, der die Entscheidung trifft, von beobachtbaren Verhaltensmustern entfernt und stattdessen sein individueller Wert die Entscheidung prägt. Denn gerade letzteres ist der untrennbare Zusammenhang: Je mehr die rationale Ableitbarkeit schwindet, umso mehr dringt der – vom gesuchten Preis eigentlich zu unterscheidende, hiervon aber auch wiederum nicht ganz zu trennende – subjektiv-individuelle Wert des Entscheiders durch; der individuelle Wert wird zum „Ersatz“ dafür, was man nicht durch Beobachtung erklären kann (siehe auch 1026 M. Hommel, BB 2008, 1056.

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bereits § 5 IV. 2. am Ende). Jeder Begründungsversuch, der dies ignoriert, kann nur eine Scheinbegründung sein, die in der Sache keinen Rationalitätsgewinn herbeiführen kann und deshalb unterbleiben muss.1027 Die Aufgabe der Rechtsanwendung besteht hier gerade auch darin, die Komplexität gegebenenfalls zu reduzieren.1028 Dies wurde auch bereits für die Rezeption sozialer Verhaltensmuster unter § 5 IV. 2. ausgeführt. Ich habe dort die Notwendigkeit einer Selbstbeschränkung konstatiert, um den Rechtsanwendungsprozess nicht zu überfordern. Gleich ob man das CAPM im Besonderen oder die sozialen Verhaltensmuster im Allgemeinen betrachtet, so geht es für die Rechtsanwendung im konkret-individuellen Einzelfall immer um dasselbe Problem. Die mangelnde Genauigkeit oder umgekehrt die Ungewissheit wegen der Bewertungsbandbreiten sind als solches kein Defizit des Rechts. Es muss nicht für alles eine naturgesetzgleiche „Letztbegründung“ geben.1029 Man muss sich nur dazu bekennen. 1027 Zutreffend zum Beispiel BayObLG v. 28.10.2005, 3Z BR 71/10, AG 2006, 41 für die Prognose bei der Unternehmensbewertung, nachdem der Sachverständige seine Prognose „plausibel“ erläutert hatte: „Ein weiterer Erkenntnisgewinn durch zusätzliche betriebswirtschaftliche Untersuchungen [Anm.: eines weiteren Sachverständigen] ist angesichts der starkt subjektiv geprägten Prognosentscheidungen […] zweifelhaft.“ Vielmehr müssen die Beteiligten die Ungewissheit mit ihren Bandbreiten hinnehmen. Auch das OLG Köln hat dies in dem zu Beginn dieses Abschnitts berichteten Rechtsstreit zutreffend erkannt, wobei dort allerdings auch die prozessuale Situation zu berücksichtigen war: Der Beklagte war von dem Pflichtteilsgläubiger auf Wertfeststellung in Ansehung einer Kunstsammlung in Anspruch genommen worden und es wurde (erst einmal nur) darüber gestritten, ob der Beklagte diesen Anspruch durch Vorlage zweier Wertschätzungen von Auktionshäusern erfüllt hat. Insoweit kam es dem OLG Köln maßgeblich darauf an, dass der Kläger durch ein (weiteres) Sachverständigengutachten, was nach aller Wahrscheinlichkeit einen dritten Schätzwert hervorgebracht hätte, sein Prozessrisiko wegen der mangelnden Objektivierbarkeit der Kunstbewertung in Ansehung der Bezifferung des Pflichtteilsanspruchs nicht hätte reduzieren können (OLG Köln v. 5.10.2005, 2 U 153/04, NJW 2006, 625, 626 f.). 1028 So auch schon die Mahnung bei B. Großfeld, in: Festschrift f. Beuthien, S. 155, 164 gegenüber dem CAPM: „Deshalb fragt sich, wieviel Komplexität verhältnismäßig und wieviel wir gemäß § 287 Abs. 2 ZPO akzeptieren dürfen. Danach entscheidet das Gericht als Träger des öffentlichen Vertrauens. Das steht für ein Ethos, der Komplexität nicht zu erliegen. Es verlangt plausible Vereinfachungen, die den Parteien und der weiteren Öffentlichkeit einsichtig sind.“ 1029 Vgl. demgegenüber C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, passim, der mit unbestimmten Rechtsbe­ griffen operiernde Bewertungsnormen, insbesondere den gemeinen Wert, gerade deshalb kritisiert und letztlich für untauglich hält, weil er so viele Entscheidungsnotwendigkeiten beinhaltet, für deren Bewältigung keine theoretisch fundierten Verfahren zur Verfügung stehen.

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Daher gilt immer: Jeder „Bewertungsfall“ ist justiziabel – vom Unternehmenswert über die Verrechnungspreise bis hin zur einmaligen Kunstsammlung. Das Recht hält mit der Rezeption sozialer Bewertungsübungen nicht nur die Maßstäbe dafür bereit, sondern auch die Mittel, um diese in einem auf Rechtserkenntnis im konkret-individuellen Einzelfall angelegten Verfahren handhabbar zu halten bzw. zu machen.1030 Neben dem bereits genannten Sachverständigenbeweis sei an dieser Stelle insbesondere (wenn auch vorerst nur) auf die § 287 ZPO und § 162 AO (i.V.m. § 96 FGO) hingewiesen. Wir werden später sogar festhalten können, dass jeder Bewertungsnorm selbst schon eine Schätzungsbefugnis in Ansehung der Wertfindung immanent ist und § 162 AO nicht einschlägig ist (dazu eingehend § 12 II.). Entscheidend ist hier erst einmal nur, dass auch bei Unsicherheit entschieden werden darf und letztlich auch muss. Insoweit gilt – in Wiedergabe von Bernhard Großfeld – die Erkenntnis: „Schätzen ist mehr als ein Dürfen, es ist auch ein Sollen: Wir müssen Komplexität handhabbar halten“.1031 Hierzu muss man sich bekennen und darf sich nicht wertungsmäßig in nicht ausschlaggebenden Details oder einer mathematischen Scheingenauigkeit verlieren. Es ist gleichgültig, ob ein Jahresgewinn von 745.179 Euro mit 5,67 % kapitalisiert wird, was zu einem Ertragswert von 13.142.483,00 Euro führt oder ob man unter leichter „Korrektur“ der Zahlen auf „glatt“ 13 Mio Euro erkennt. Denn diese Unterschiede entziehen sich einer rationalen Begründung und dies wird durch mathematische Formeln verdeckt. In einer solchen Situation muss den Beteiligten offengelegt werden, dass und warum hier eine genaue Bestimmung nicht möglich ist und dass derjenige, der einen Entscheidungsvorschlag unterbreiten darf bzw. muss oder sogar zur letztverbindlichen Entscheidung mit Wirkung gegenüber den anderen Akteuren berufen ist, aus bestimmten Gründen, mit bestimmten Annahmen einen Rahmen von x bis y für vertretbar hält (Bandbreite) und hieraus – gegebenenfalls nach einer Vorzugsregel oder, wenn eine solche nicht vorhanden, ist nach eigenem Ermessen – folgenden Wert z ausgewählt hat (Einwertigkeitsentscheidung).

1030 Andere Ansicht K. A. Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 107 f. mit seiner Generalkritik am Fremdvergleich, die er maßgeblich darauf stützt, dass die marktwirtschaftliche Ordnung keinen justiziablen Maßstab bereit halte und auch die Richter nicht befugt seien, ihre Vorstellung an die Stelle gesetzlicher Maßstäbe zu setzen. 1031 B. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 22; derselbe, in: Festschrift f. Beuthien, S. 155, 164; ferner J. Schulze-Osterloh, ZGR 15 (1986), S. 545, 555 f., 561 f.

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Insbesondere Letzteres ist wichtig. Es gibt Fälle, in denen niemand rational begründen kann, dass ein Wert vorzugswürdig im Verhältnis zu einem anderen Wert innerhalb der Bandbreite ist. Dies können weder eine mathematische Wahrscheinlichkeitsrechnung noch die Alltagserfahrung. Gerade Letzteres wird zwar durchaus behauptet. Insbesondere im Kontext der Fremdvergleichspreise wird gelegentlich geltend gemacht, die oberen und unteren Bandbreitenrandwerte repräsentierten „unwahrscheinliche“ Werte, weil die Erfahrung zeige, dass die Einigung auf einen Preis sich in der Regel nicht an den beiden Rändern vollziehe, sondern irgendwo dazwischen. Aus dem „irgendwo dazwischen“ wird dann gefolgert, dass immer der Mittelwert maßgeblich sein müsse.1032 Diese Autoren übersehen dabei allerdings, dass es im Wesen der im ersten Schritt ermittelten Bandbreite liegt, dass jeder Wert innerhalb der Bandbreite ein wahrscheinlich erzielbarer Preis sein muss.1033 Es gibt weder einen richtigen, einen zu hohen oder zu niedrigen Wert (innerhalb) der Bandbreite.1034 Jeder Wert ist gleichermaßen rational begründbar bzw. jeder Wert leidet an den gleichen Rationalitätsdefiziten. Deshalb ist ein Rangverhältnis innerhalb der Bandbreite nicht erklärbar. Dies hat auch die Rechtsprechung zur marktüblichen Miete und vor allem zur verdeckten Gewinnausschüttung zutreffend erkannt.1035 Es existiert auch keine Möglichkeit, mit rationalen Gründen den Wert mit einer größeren oder der größten Wahrscheinlichkeit zu bestimmen.1036 Dies gilt zum einen für die Bestimmung der Grenzpreise bzw. beim objektivierten Unternehmenswert des gutachterlichen Wertes. Bei der Prognose der künftigen Erträge und der anderen (wertend gewonnenen) Faktoren (insbesondere Zins) muss den bereits unter § 5 IV. formulierten „Sorgfaltsanforderungen“ genügt werden und wenn dies der Fall ist, bleibt es bei der Maßgeblichkeit der subjektiven Wahrscheinlichkeit. Es gilt zum anderen aber insbesondere auch in Ansehung des Einigungsverhaltens der gedachten 1032 So im steuerrechtlichen Kontext R. Hambitzer, StBp 2003, 295, 299; im aktienrechtlichen Zusammenhang ferner zuvor schon Uecker, Der Vorteils-Nachteils-Ausgleich im Abhängigkeitsbericht, S. 131 ff. 1033 S. A. Lindenthal, Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen und Folgen ihrer Verletzung, S. 72 (für Verrechnungspreise); K. Brezig, AG 1975, 225, 228. 1034 H.-U. Viskorf, ZEV 2009, 591. 1035 BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 15.9.2004, I R 7/02, BStBl. II 2005, 867. 1036 K. Brezig, AG 1975, 225, 228; G. Frotscher, in: Festschrift f. Wassermeyer, S. 391, 405 ff.; S. A. Lindenthal, Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen und Folgen ihrer Verletzung, S. 72; S. Rasch, Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, S. 143; R. Seer, DStJG 36 (2013), S. 337, 345; H.-U. Viskorf, ZEV 2009, 591 (für gemeine Werte im Kontext des § 11 Abs. 2 BewG).

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Die Grenzen rational begründbarer Wertfindung

Parteien. Wie sich Vertragspartner innerhalb einer Bandbreite tatsächlich auf einen Preis einigen würden, ist letztlich genauso unbekannt wie der tatsächliche Preis selbst. Wer versucht, die Teilungsregel in Bezug auf den Einigungsbereich normativ zu erfassen, verschiebt das Problem nur, ohne es aber zu lösen.1037 Deshalb führt auch Wahrscheinlichkeitsmathematik nicht weiter. Eine klassische Wahrscheinlichkeitsbetrachtung (Bernoulli-Prinzip) versagt, weil sich keine gleich wahrscheinlichen Elementarereignisse bestimmen lassen. Auch statistische Wahrscheinlichkeiten lassen sich nicht begründen. Dies setzt nämlich Testreihen voraus, mit der relative Häufigkeiten, mit denen ein bestimmtes Ereignis in einem Kollektiv von tatsächlichen Ereignissen auftritt, beobachtet werden können.1038 Solche Testreihen sind angesichts der Individualität der Bewertungsgegenstände und vor allem aber auch wegen der ständig wechselnden (Umwelt-) Rahmenbedingungen nicht möglich. Aus Sicht der objektiven Wahrscheinlichkeitsmethoden scheidet damit eine Reihung aus und es bleibt nur die Annahme gleicher Wahrscheinlichkeitsverteiligungen. Aber auch subjektive Wahrscheinlichkeitsaussagen, die hier allenfalls übrig blieben, enthalten keinen Ansatz von Begründungsrationaliät und dies sogar noch weniger, als dies bei subjektiven Wahrscheinlichkeiten anlässlich der bewertungsimmanenten Prognose der Fall ist. Diese haben mit der Prognose­basis zumindest noch einen Ansatzpunkt für eine Vertretbarkeits- und Sorgfaltsanforderungskontrolle (vgl. § 5 IV. 4.). In Ansehung einer Wahrscheinlichkeitsaussage zur Einigung fehlt dafür hingegen jeglicher Anknüpfungspunkt. Schließlich ist auch mit einem Mittelwert weder ein Rationalitätsgewinn noch – darauf wird später noch einzugehen sein (§ 7 I. 2. und § 8 I. 4.) – ein Gerechtigkeitsgewinn verbunden. Eine Mittelwertbetrachtung ist letztlich deshalb willkürlich, weil sie eine von der Norm akzeptierte Wertvielfalt und die ebenfalls akzeptierte Unsicherheit einer jeden hypothetischen Betrachtung negiert, ohne dies begründen zu können.

1037 Zutreffend K. Henselmann, BFuP 58 (2005), S. 144, 149 sowie C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 53 u. S. 222 ff. für den Aufteilungsmaßstab, wenn ein Arbitriumswert ermittelt werden soll; siehe auch W. Ballwieser/R. Leuthier, DStR 1986, 545, 549 f. und A. Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, S. 17 ff. die auf ein Mittelwert-/Mittelungsprinzips zurückgreifen, weil es keinen praktikableren Weg gebe. Dies ist eine Verlegenheitslösung, aber keine aus sich heraus begründbare Lösung. 1038 Siehe zu diesen beiden objektiven Methoden statt vieler nur G. Bamberg/A. G. Coenenberg/M. Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, S. 69 ff.; H. Laux/R. M. Gillenkirch/H. Y. Schenk-Maths, Entscheidungstheorie, S. 90 ff.

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Bewertung als die Suche nach der idealen Wertbandbreite

Rechtstheoretisch führt dies freilich zu einer problematischen Situation, bedenkt man, dass an eine behördliche bzw. gerichtliche Einzelfallentscheidung zu Recht der Anspruch gestellt wird, zu begründen, dass und warum gerade einer bestimmten Alternative der Vorzug gegeben worden ist1039 – sei es in Bezug auf eine Auslegung, sei es in Bezug auf eine Tatsachenfeststellung, sei es in Bezug auf die Subsumtion. Dies gilt für den behördlichen Rechtserkenntnisakt ebenso wie für das gerichtliche Urteil. Aus dieser Perspektive begegnet uns mit gutem Grund auch wieder die „Idee der einzig richtigen Entscheidung“ und zwar „als regulative Idee“ (siehe bereits § 4 I.): Richter dürfen nicht irgendwie entscheiden. Sie müssen ihre Urteile vielmehr als die richtige Entscheidung rechtfertigen und zwar auch dann, wenn mehrere vertretbare Möglichkeiten bestehen.1040 Würde man von einer Entscheidung nur verlangen, dass sie sich im Rahmen des Vertretbaren hielte, so verfehlte man ihren rechtsfriedenstiftenden (sozialen) Sinn. Der unterlegene Verfahrens- bzw. Prozess­beteiligte müsste zur Kenntnis nehmen, dass auch eine andere Entscheidung, die genau die gleiche Richtigkeitsgewähr hat wie die getroffene Entscheidung, möglich gewesen wäre.1041 Die Entscheidung erscheint „zufällig“ und damit – aus der eingangs genannten theoretischen Perspektive – als „illegitim“.1042 Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die Bewertung diesen Anspruch nicht immer einlösen kann. Überall dort, wo eine Bandbreite existiert (sei es bei einzelnen Faktoren [man denke nur an die Zinssätze bei der Unternehmensbewertung oder an die Vergleichsmiete im Rahmen des Ertragswertverfahrens für Grundstücke] oder sei es in Gestalt der Ergebniswertbandbreite), wo also nach dem Vorgesagten auch Wahrscheinlichkeiten nicht weiterhelfen und schließlich auch der Gesetzgeber keinen normativen Maßstab vorgibt (vgl. als Gegenbeispiel die Mittelwertvorgabe des § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG), bleibt nichts anderes übrig, als sich dem Zufall, letztlich der „Willkür“ – sei es objektiv im Sinne des Losentscheides oder subjektiv im Sinne der 1039 T. Osterkamp, Juristische Gerechtigkeit, S. 71 f. 1040 Für das Steuerrecht vor allem schon K. Vogel, in: Festschrift f. Döllerer, S. 677, 688 f.; im Allgemeinen für die „einzig richtigen Entscheidung als regulative Idee“ ferner T. Herbst, JZ 2012, 891, 899; U. Neumann, Rechtstheorie 32 (2001), S. 239, 245 ff.; T. Osterkamp, Juristische Gerechtigkeit, S. 66 ff.; F. Schoch, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers, Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, S. 543, 551; kritisch bis ablehend demgegenüber zum Beispiel W. Hoffmann-Riem, in: derselbe/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 10 Rn. 64; M. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 9. 1041 T. Herbst, JZ 2012, 891, 899; ähnlich A. v. Arnauld, in: derselbe, Recht und Spielregeln, S. 171, 185. 1042 T. Herbst, JZ 2012, 891, 899.

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Zum Gefährdungspotential „der zahlengeprägten Modelle“

persönlichen Dezision eines insoweit zur verbindlichen Entscheidung berufenen Menschen – hinzugeben. Denn kein Ergebnis weist eine höhere Richtigkeitsgewähr, keinen höheren Rationalitätsanspruch auf als ein anderes. In einer solchen Situation wird „trotz“ des eingangs formulierten Anspruchs an einen Rechtserkenntnisakt anerkannt, dass das Willkürelement innerhalb der Entscheidung hinzunehmen sein kann, wenn „jede inhaltliche Entscheidungsoption aus tatsächlichen Gründen gleichwertig ist; der rationalgelenkte Entscheidungsprozess also keine Maßstäbe vorfindet, an die er anknüpfen und an denen er sich orientieren könnte“.1043 Exakt diese Situation kann – dies haben die bisherigen Erkenntnisse zur Bandbreite, ihren Ursachen sowie zur Einwertigkeitsentscheidung vor Augen geführt – bei der Bewertung eintreten. Sie wird sogar als Regelfall anzutreffen sein. Es liegt in der Natur der Bewertung, dass zu einem wesentlichen Teil eine willkürliche Entscheidung zu treffen ist. Die Berechenbarkeit der Rechtsfolge leidet hierunter natürlich. Der (objektive) Losentscheid kann freilich keine ernst gemeinte Option sein. Es geht daher immer nur um „subjektive Willkür“ vermittelt über den Entscheider. Die damit verbundenen Folgefragen, die uns insbesondere im Verfassungsrecht noch beschäftigen werden, werden damit bereits angedeutet: Wer entscheidet, warum kommt ihm diese Kompetenz zu und vor allem wie können die anderen Akteure die Entscheidung vorhersehen?

III. Zum Gefährdungspotential „der zahlengeprägten Modelle“ für das Recht Wir haben vorstehend festgehalten, dass ökonomische Modelle, wenn sie den „Realitätstest“ bestehen, durchaus ihre „Anwendungsberechtigung“ haben. So wie auch die Einhaltung der Regeln juristischer Methodik weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für die Richtigkeit einer Erkenntnis ist, so ist allerdings auch die Einhaltung der außerjuristisch entwickelten Modellregeln weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für die Vertretbarkeit des ermittelten Wertes. Sowohl juristische als auch außerjuristische (insbesondere: betriebswirtschaftliche) Methodik können hier nur die Aufgabe haben, im Zusammenspiel das zum Teil auch intuitiv gewonnene Ergebnis sowohl zu finden als auch zu begründen, es also durch eine methodisch angeleitete Ergebniskontrolle zu komplementieren und es damit für Dritte nachvoll1043 A. v. Arnauld, in: derselbe, Recht und Spielregeln, S. 171, 187 ff.; O. Depenheuer, JZ 1993, 171, 176.

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Bewertung als die Suche nach der idealen Wertbandbreite

ziehbar und vor allem akzeptabel zu machen (siehe bereits § 6 I. und II.). Dabei können allerdings die abstrakt (vor-) formulierten Bewertungsmethoden nicht die Maßstäbe, die an juristische Begründungen anzulegen sind, ersetzen. Dies gilt insbesondere für die verbale Argumentation.1044 Die in der Ökonomie beschriebenen, den Realitätstest bestehenden Bewertungsmethoden lockern lediglich die Realitätsverprobung und erlauben Komplexitätsreduzierungen, mehr aber nicht. Insbesondere bei der Unternehmensbewertung ist aber zu beobachten, dass sie immer technisierter und mathematischer wird. Sie wird von ihrem präskriptiven Anspruch her theoretisch immer genauer. Je weniger man dies in Sprache artikuliert und vor allem je weniger man seine Anwendungsschritte begründet, umso größer wird die Gefahr, dass die subjektiven Modell­ annahmen und die subjektiv festgelegten Anwendungsdaten verdeckt bleiben. Dies muss sich der Rechtsanwender immer kritisch vergegenwärtigen. Bernhard Großfeld formuliert pointiert: „Zahlen vermitteln den Eindruck von Objektivierung („safety in numbers“); sie können einen „Zeichenvorsprung“ begründen und subjektive Wertungen „verdecken“ („Psychologie der Zahlen“). Leicht bleibt unklar, wo Mathematik aufhört und Meinung anfängt. Entscheidend sind die Prämissen, die zuerst auf Tatsachen beruhen sollten, nicht auf Modellen. Eine Kontrolle von außen muss möglich bleiben; sonst läuft Recht leer“.1045 Die Gefahr besteht vor allem darin, dass die „mathematisch korrekt“ ermittelte Zahl eine Genauigkeit suggeriert, die es überhaupt nicht gibt, dass also darüber hinweggetäuscht wird, dass sie aus einer Bandbreite allesamt denkbarer Ergebnisse stammt.1046 Unter diesem Aspekt hätte man gewiss die Ausführungen zum CAPM (dazu bereits § 6 II.) zugleich auch hier bringen können. Es bietet für die Gefährlichkeit von mathematischen Modellen anlässlich juristischer Entscheidungen ein hervorragendes Anschauungsmaterial. Weder das Fachwissen um außerjuristische Denkmodelle und ihre mathematische Beherrschung noch die persönliche Expertise des Sachver1044 J. Lüdemann, in: Boysen/u.a., Netzwerke, S. 283 Fn. 67. 1045 B. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 16; ähnlich J. Hennrichs, AG 2006, 698, 699 (zur Bilanzierung von Rückstellungen): „die Zahlenwelt der Mathematik suggeriert eine Genauigkeit, die tatsächlich nicht gegeben ist“; ferner W. Bayer, ZHR 163 (1999), S. 505, 533; W. F. Fischer-Winkelmann, BFuP 61 (2009), S. 343, 357. 1046 Zu dieser „Gefahr“ W. Ballwieser/K. Küting/T. Schildbach, BFuP 2004, S. 529, 541; K.-D. Drüen, GmbHR 2013, 505, 508 („Bilanzen handeln von Zahlen, aber nur vermeintlich sicheren Größen“); J. Hennrichs, AG 2006, 698, 699, insbesondere enthält eindimensionales „Rechnen“ bereits eine Vorbewertung, siehe W. F. Fischer-Winkelmann, BFuP 61 (2009), S. 343, 357 (siehe bereits § 5 IV. 3.).

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Zum Gefährdungspotential „der zahlengeprägten Modelle“

ständigen (man denke nur an den renommierten Hochschullehrer) sind ein Ersatz für die juristischen Begründungsanforderungen1047, die gerade dort umso wichtiger werden, wo eine gesetzliche Steuerungszurück­ haltung anzutreffen ist (zu dieser Wechselwirkung vor allem noch § 7 II.). Auch bei komplexen Bewertungsfragen muss die Ableitungsbeziehung zwischen Gesetz und Einzelfallentscheidung sprachlich (und an den entscheidenden Stellen nicht allein mathematisch) artikuliert, rational begründet und offengelegt werden und dies muss durch denjenigen geschehen, der zur Entscheidung berufen ist. Auf die Bedeutung der „Begründung“ wurde bereits hingewiesen (§ 6 I. und II.). Insbesondere muss diese Person – soweit die Norm dies vorsieht – ihren rechtsschöpfenden Beitrag leisten (Prognose und offene Wertungen bei der Bandbreitenermittlung und schließlich die Vornahme der Einwertigkeitskonkretisierung) und die hierbei bestehenden Spielräume erkennen und eigenbestimmt konkretisieren. Gerade bei der Unternehmensbewertung ist jedoch die Gefahr groß, dass man sich unter dem Eindruck einer außerjuristischen wissenschaftlichen Meinungsvielfalt und unangreifbar wirkender Algorithmen in einer Fremdbestimmtheit einrichtet. Der Rückgriff auf Fachwissen kann sich als Rückzug von der Pflicht, die Entscheidung nachvollziehbar (selbst) zu begründen, darstellen und somit Erkenntnis- und Begründungsdefizite bei der letztverbindlich entscheidenden Person kaschieren.1048 Eine ungeprüfte bzw. unverständige Übernahme des sachverständig geschätzten Wertes ist jedoch unzulässig. Im Prozessrecht ist daher anerkannt, dass die unreflektierte Übernahme von Sachverständigengutachten ein Verfahrensverstoß ist, wenn der Richter nicht selbständig und eigenverantwortlich prüft, ob er dem Gutachten eines Sachverständigen folgen kann und weshalb er das tut.1049 Dies setzt im ersten Schritt adressiert an die Fachwissenschaft im Allgemeinen und den konkreten Sachverständigen im Besonderen allerdings immer voraus, dass „nachbarwissenschaftliche Erkenntnisse […] sprachlich in einer Art und Weise [in die Rechtsanwendung eingeführt werden], die niemanden von der Diskussion ausschließen“.1050 Dies ist eine Selbstverständlichkeit, an die gleichwohl erinnert werden muss: Recht lebt von Sprache. Jede „Formel“, muss sprachlich erklärt werden. Dies 1047 D. J. Piltz/E. Wissmann, NJW 1985, 2673, 2674. 1048 Vgl. zu diesem Gefahrenpotential bei der Einschaltung Sachverständiger allgemein A. Nußberger, AöR 129 (2004), S. 282, 297. 1049 KG v. 15.12.1970, 1 W 2982/69, OLGZ 1971, 260; BayObLG v. 19.10.1995, 3 Z BR 17/90, AG 1996, 128; M. Lausterer, Unternehmensbewertung zwischen Betriebswirtschaftslehre und Rechtsprechung, S. 23; D. J. Piltz/E. Wissmann, NJW 1985, 2673, 2674. 1050 J. Lüdemann, in: Boysen/u.a., Netzwerke, S. 283 Fn. 67.

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Bewertung als die Suche nach der idealen Wertbandbreite

ist die Grundbedingung dafür, dass der Jurist den Rezeptionsanforderungen gerecht wird. Überhaupt ist Sprache als Begründungsvermittler eine der rechtsstaatlichen Grundanforderungen für den staatlichen Vollzug von Recht überhaupt.1051 Das Streben nach Objektivität vermittelnden Modellen und Formeln ist verständlich. Gerade im Steuerrecht kommt hierin vor allem die Sehnsucht nach einer klar determinierten und damit Rechtssicherheit suggerierenden Bewertung zum Ausdruck. Die Wertfindung im realen Leben ist jedoch vielfältig und vielgestaltig. Ungeachtet der Gefahr, schon durch (verdeckte) präskriptive Aussagen die soziale Wirklichkeit zu verfehlen, ist es vor allem die natürliche Grenze der Modellierbarkeit und der intersubjektiven Nachprüfbarkeit, die es zu erkennen gilt. Die vorstehenden Ausführungen sollten gezeigt haben, was die Eigenart und damit auch das spezifische Problem einer durch die normative Rezeption von beobachtbaren Preisbildungsverhaltensmustern an der sozialen Wirklichkeit orientierten Bewertung ist. Es geht so gut wie nie darum, das „eine“ richtige Ergebnis hervorzubringen, sondern vielmehr darum, bestimmte Ergebnisse mit ausreichender Sicherheit auszuschließen und zwar nicht als falsch, sondern als nicht mehr ausreichend plausibel, als nicht mehr ausreichend wahrscheinlich. Schlussendlich muss man auch die Eigenwertung des Bewertenden akzeptieren, die dem Ganzen an bedeutsamen Stellschrauben ein Stück weit subjektive Willkür verleiht. Wir haben es hier mit dem eingangs der Untersuchung als „Natur der Sache“ bezeichneten „Wertphänomen“ mit all seinen durch die verschiedensten, zusammenwirkenden Faktoren bewirkten Spielräumen und Rationalitätsdefiziten zu tun, die das Recht hinnehmen muss. Im folgenden dritten Teil werden wir diese Erkenntnis im Lichte des Verfassungsrechts reflektieren und es werden hieraus die gebotenen verfassungsrechtlichen Schlussfolgerungen gezogen werden.

1051 Eindringlich zur Bindung des Rechtsstaates an die Sprache P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 2, § 20 Rn. 23; dazu ferner E. Schmidt-Aßmann, in: Festschrift f. P. Kirchhof, S. 237, 239 f.

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Teil 3: Die verfassungsrechtliche Ebene: Gleichheit, Freiheit und parlamen­tarische Steuerung im Lichte der sozialen Bewertungs­wirklichkeit Nachdem die Verkehrswerte begrifflich fixiert, ihre Anwendungsbereiche dargestellt und vor allem ihr realer Bezugspunkt mit allen seinen Schwierigkeiten analyisiert wurde, ist der Boden für die verfassungsrechtlichen Fragen bereitet. Anknüpfend an die rechtstheoretischen und steuersystematischen Erkenntnisse des zweiten Teils wird die Verfassungsebene gewürdigt und zwar aus der für die Bewertung relevanten steuerrechtsspezifischen Perspektive. Hier werden die aus den Grundrechten, den Staatsstrukturprinzipien und der Kompetenzordnung des Grundgesetzes abzuleitenden Maßstäbe formuliert, an die der Gesetzgeber bei Schaffung des abstrakt-generellen Bewertungsrechtsrahmens (materielles Recht einschließlich seiner verfahrens- und kompetenzrechtlichen Bezüge) und die Finanzverwaltung sowie die Gerichte bei der Konkretisierung eben jener Vorgaben auf den Einzelfall gebunden sind. Das Verfassungsrecht bildet hier in materieller Hinsicht einerseits das „Pflichtprogramm“, ist vor allem vermittelt über den Gleichheitssatz Antrieb staatlichen – gleich ob legislativen oder administrativen – Handelns, markiert und strukturiert andererseits aber auch die Grenze staatlicher Eingriffe. Die Kapitel § 7 und § 8 müssen dabei immer als Symbiose gesehen werden: Gleichheit und Freiheit stehen nicht beziehungslos nebeneinander; insbesondere bei der Bewertung ergibt sich eine Wechselwirkung, die schon mehrfach angeklungen ist: Je weniger der Gesetzgeber einen Verkehrswert vorsteuert, je mehr er sich also auf die Rezeption sozialer Verhaltensmuster verlässt und damit der Vielfältigkeit der Lebenswirklichkeit gerecht zu werden versucht, umso schwieriger wird es aber natürlich für den Steuerpflichtigen, das Rechtsanwendungsergebnis im Vorfeld seiner Disposition (im Wesentlichen) vorhersehen zu können. Umgekehrt formuliert: Je mehr der Gesetzgeber durch Formalisierung die Lebens­ vielfalt verdrängt, umso berechenbarer wird das Gesetz. Die Verkehrs­werte selbst mögen zum Teil erhebliche Unterschiede aufweisen – dies zum Teil sogar innerhalb ein und desselben Rechtswertes, wenn bestimmte Gegenstände eine Sonderregelung erfahren. Der gemeinsame Nenner ihrer verfassungsrechtlichen, spezifisch bewertungsrechtlichen Probleme kreist jedoch stets um die vorstehend bereits angesprochenen Problemfelder. 343

Die verfassungsrechtliche Ebene

In Kapitel § 9 erfährt die verfassungsrechtliche Perspektive sodann eine Veränderung. In den Mittelpunkt rückt die Grenzziehung zwischen den staatlichen Gewalten. Neben der grundrechtlichen Fundierung dieser Kompetenzfrage ist es dabei vor allem das Demokratieprinzip, aus dem hier die bewertungsspezifisch zu formulierende Frage beantwortet werden muss, was der Gesetzgeber mittels eines Parlamentsgesetzes vorsteuern muss und inwieweit sich Räume für Eigenkonkretisierungen der Exekutive dabei ergeben können und vor allem: wo sie sich ob des gesetzlichen Plans nicht ergeben können.

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§ 7 Gleichheit und Vielfalt I. Das verfassungsrechtlich geforderte Bewertungsgleichmaß 1. Die Gleichheit im Belastungserfolg Das Steuerrecht ist nicht lediglich Ausdruck einer Gegensatzlage zwischen Staat und Steuerpflichtigem. „Die Steuer ist eine Gemeinlast, die alle Inländer je nach ihrem Einkommen, Vermögen und ihrer Nachfragekraft zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben heranzieht. Der steuerliche Eingriff in die Vermögens- und Rechtsphäre des Einzelnen gewinnt seine Rechtfertigung auch und gerade aus der Gleichheit dieser Lastenzuteilung.“1052 Verfassungsrechtliche Fundamentalnorm für das Steuerrecht ist daher der Gleichheitssatz. Gleichheit ist ein Relationsbegriff.1053 Das Zitat deutet es bereits an: Gleichheit gibt es nicht isoliert, sondern immer nur im Verhältnis zu anderen Mitbürgern, den anderen Steuerpflichtigen.1054 Das demnach relative Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln1055, bedarf eines diese Relativität operabel machenden Vergleichsmaßstabes.1056 Der Einnahmezweck der Steuer kann dies allerdings nicht leisten.1057 Über den Vergleichsmaßstab wird nach überzeugender Ansicht vielmehr mit Hilfe von Wertungen entschieden, die außerhalb des allgemeinen Gleichheitssatzes liegen.1058 Im Steuerrecht hat sich hierbei für das Gros der materiellen Steuerpflichten das Leistungsfähigkeitsprinzip als Ausdruck eines sachgerechten, ethisch fundierten Kriteriums etabliert.1059 Es wird daher auch hier als Vergleichsmaßstab zugrunde gelegt 1052 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 134. 1053 S. Huster, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 3 Rn. 25. 1054 K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, S. 268. 1055 BVerfG v. 16.3.2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268, 279; v. 21.6.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, 180; v. 9.12.2008, 2 BvL 1/08 u.a., BVerfGE 122, 210, 230. 1056 L. Osterloh, in: Festschrift f. P. Kirchhof, S. 217, 218. 1057 Stellvertretend nur BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 134. 1058 Dazu insbesondere J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 82 ff.; ferner R. Mellinghoff, in: Festschrift f. Bareis, S. 171, 173; L. Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 5; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 1, S. 319 ff. 1059 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 134; v. 6.3.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE, 105, 73, 125; v. 21.6.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, 180; D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernorm, S. 155 ff.; K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 3 Rn. 43, 50a; J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 82 ff.; J. Lang, in: Festschrift f. Kruse,

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Gleichheit und Vielfalt

und verleiht dem Gleichheitssatz das notwendige, vom „konturenarmen“ Besteuerungszweck als solchem nicht leistbare Vergleichsziel und lässt damit überhaupt erst erkennen, welche Differenzierungen mit dem Gleichheitssatz in Konflikt geraten.1060 Auf höchster Abstraktionsebene sagt das Leistungsfähigkeitsprinzip allerdings nur aus, dass „Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern bzw. Steuerpflichtige bei unterschiedlicher Leistungsfähigkeit auch unter­ schiedlich zu besteuern [sind]“.1061 Ersteres wird gemeinhin als horizon­tale Steuergerechtigkeit und Letzteres als vertikale Steuergerechtigkeit bezeichnet. Konkrete Fragen lassen sich mittels des Leistungsfähigkeitsprinzips freilich nicht beantworten. Dies gelingt erst dann, wenn es gesetzlich konkretisiert und entfaltet wird. Operabel wird der Gleichheitssatz daher erst im Hinblick auf diese, in den Verantwortungsbereich des einfachen Gesetzgebers fallenden Konkretisierungen und Entfaltungen (nebst ihren Folgewertungen) auf den unteren Ebenen.1062 Die weiteren Konkretisierungen des Leistungsfähigkeitsprinzips werden sich regelmäßig zu einem bereichsspezifischen „Ordnungsprinzip“ verdichten. Es ist einfach-rechtlich konkretisiert und damit Ausdruck des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers, aber gleichwohl entfaltet es als Vergleichsmaßstab eine gleichheitsrechtlich wirkende Folgebindung. Das Bundesverfassungsgericht bringt dies mit dem Gebot der Folgerichtigkeit zum Ausdruck. Angeknüpft wird an die anlässlich der Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips vom Gesetzgeber selbst gesetzten Wertungen. Die einmal getroffene Belastungsentscheidung muss der Gesetzgeber bei der (weiteren) Ausgestaltung der Steuernorm folgerichtig durchhalten.1063 Hiermit ist keine umfassende Systembindung geS. 313, 336 f.; R. Mellinghoff, in: Festschrift f. Bareis, S. 171, 173; R. Seer, StuW 1996, 323, 332; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 1, S. 319 ff. sowie Band 3, S. 1250 ff. 1060 J. Englisch, in: Festschrift f. Lang, S. 167, 176 f.; S. Huster, JZ 1994, 541, 545; P. Kirchhof, in: Festschrift f. Vogel, S. 27, 43. 1061 BVerfG v. 21.6.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164; v. 9.12.2008, 2 BvL 1/08 u.a., BVerfGE 122, 210. 1062 D. Birk, in: Festschrift f. P. Kirchhof, S. 1591, 1593; J. Englisch, in: Festschrift f. Lang, S. 167, 176 f.; J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 41; S. Huster, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 3 Rn. 136. 1063 BVerfG v. 4.12.2002, 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27, 45; v. 21.6.2006, 2 BvL/99, BVerfGE 116, 164, 180; v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 30; v. 9.12.2008, 2 BvL 1/08 u.a., BVerfGE 122, 210, 230 f.; v. 6.7.2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, 278; siehe dazu vor allem K.-D. Drüen, in: Festschrift f. Spindler, S. 28, 35 ff.; J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 119 ff.; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1265 ff.; zum Wertungssystem als Ausgangspunkt der Folgerichtigkeit bereits K. Tipke, in: Fest-

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Das verfassungsrechtlich geforderte Bewertungsgleichmaß

meint. Die Folgerichtigkeit stellt sich vielmehr als ein formales Gebot dar, welches den materiellen Vergleichsmaßstab nicht hinterfragt.1064 Es verlängert lediglich den materiellen Gehalt der Grundwertung.1065 Dies zeigt sich insbesondere auch bei der Fixierung des Kontrollmaßstabes, den eine gleichheitsrechtliche Folgerichtigkeitsprüfung zwangsläufig erfor­dert: Er muss sich unmittelbar aus dem auf der ersten Stufe iden­ tifizierten und konkretisierten Vergleichsmaßstab ergeben. Dieser Kon­ trollmaßstab wird vom Bundesverfassungsgericht ausgemacht im Be­ lastungserfolg, den die Anwendung der Steuergesetze beim einzelnen Steuerpflichtigen bewirkt.1066 In diesem Belastungserfolg muss sich das Gleichmaß verwirklichen. Damit schließt sich der Kreis zu der bisher ohne verfassungsrechtlichen Bezug herausgearbeiteten Vergleichsfunktion der Rechtswerte. Die Vergleichsfunktion des Wertmaßstabes (Rechtswertes) steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit der folgerichtig umzusetzenden Be­ lastungsgleichheit. Die Bewertung erfüllt niemals einen Selbstzweck, sondern befindet sich immer in einer Abhängigkeit vom gesetzgeberisch gesetzten Belastungsgrund. „Bewertungsgleichheit“ oder „Bewertungsgleichmaß“ sind damit immer nur relative Begriffe, die man nur in ihrer jeweiligen Bezugnahme auf einen Belastungsgrund konkretisieren kann.1067 So wie die Bewertungsnorm die Brücke schlägt vom Belastungsgrund zur steuersatzfähigen Bemessungsgrundlage, so verwirklicht sie diesen mittels des Rechtswertes auch. Entscheidend ist die Herstellung von „Relationsgleichheit“. Die Konkre­tisierung dieser Erkenntnis findet sich sehr anschaulich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaft- und Schenkungsteuer: Der Besteuerung von Erwerben von Todes wegen und von freigebigen Zuwendungen zu Lebzeiten liegt das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfäschrift f. Wacke, S. 211, 214; grundlegend C.-W. Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 12, 16 ff., 46 ff., 125 ff. und dessen Erkenntnisse in Bezug auf die Rechtsprechung reflektierend wiederum K.-D. Drüen, a.a.O, S. 31 ff. 1064 D. Birk, in: Festschrift f. P. Kirchhof, S. 1591, 1597; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1267. 1065 K.-D. Drüen, in: Festschrift f. Spindler, S. 28, 44. 1066 BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 268; v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 134; M. Jachmann, DStJG 23 (2000), S. 9, 14 Fn. 14. 1067 J. Hey, JZ 2007, 564, 565; R. Hofmann, DStJG 12 (1989), S. 145 ff.; M. Jachmann, DStJG 23 (2000), S. 9, 55; P. Kirchhof, DStR 1984, 575, 577; L. Osterloh, DStJG 22 (1999), S. 177, 179; M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 68 ff.; R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 15 Rn. 54 ff.; K. Vogel, DStZ 1979, 28, 32 ff.

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higkeit zugrunde. Die Maßgröße steuerlicher Leistungsfähigkeit beim Empfänger ist der transferierte Vermögensbestand. Das hieran anknüpfende Bereicherungsprinzip beruht dabei auf dem Einkommensbegriff der Reinvermögenszugangstheorie (zum Charakter der Erbschaft- und Schenkungsteuer bereits § 2 I. 2.). Soll mithin der Zugang an Reinvermögen erfasst werden, erlangen Gesichtspunkte der Liquidität, des Erfüllens oder des Einforderns keine Relevanz. Dieser bereichernde Zugang an Reinvermögen muss daher in Geld umgerechnet werden, wenn nicht (Buch-) Geld bereits Bereicherungsgegenstand war. Wenn die Erbschaftsteuer dergestalt nach der Erfassung eines „realen Vermögenszuwachses“ im Sinne einer Leistungsfähigkeitssteigerung strebt, gibt dies zugleich die gleichheitsrechtliche Perspektive vor. In den Einheitswertbeschlüssen vom 22.6.19951068, aber vor allem in der Entscheidung vom 7.11.20061069 hat das Bundesverfassungsgericht das Gebot der realitätsgerechten Wertrelation postuliert: Das gebotene Gleichmaß verwirklicht sich im Belastungserfolg und eine gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen setzt voraus, dass für alle Wirtschaftsgüter Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer Relation zueinander realitätsgerecht abbilden.1070 Dogmatisch ist es der Grundsatz der Folgerichtigkeit, der hier den Gesetzgeber in ein einmal gewähltes – freilich wohl alternativloses – Bewertungsziel, also in den selbst gesetzten Vergleichsmaßstab, zwingt und darin festhält. So heißt es beim Bundesverfassungsgericht: „Die gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen hängt davon ab, dass für die einzelnen zu einer Erbschaft gehörenden wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsgüter Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden. Eine diesem Gebot genügende Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung ist wegen der beschriebenen Belastungsentscheidung des Gesetzgebers nur dann gewährleistet, wenn sich das Gesetz auf der Bewertungsebene am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel orientiert. Denn die durch den Vermögenszuwachs beim Erwerber entstandene finanzielle Leistungsfähigkeit besteht darin, dass er aufgrund des Vermögenstransfers über Geld oder Wirtschaftsgüter mit einem Geldwert verfügt. […].“1071 An späterer Stelle führt das Gericht fort: „In 1068 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121; v. 22.6.1995, 2 BvL 552/91, BVerfGE 93, 165. 1069 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1. 1070 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 30 f. 1071 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 33 f.; sinngemäß bereits BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 136; v. 22.6.1995, 2 BvL 552/91, BVerfGE 93, 165, 173.

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der Wahl der Wertermittlungsmethode, derer er sich zur Bestimmung des gemeinen Werts von Vermögensgegenständen bedient, ist der Gesetzgeber hingegen grundsätzlich frei. Inwieweit die praktische Umsetzung einer gleichheitsgerechten, am Verkehrswert orientierten Bewertung auch bei Zugrundelegung verschiedener Wertermittlungsmethoden für einzelne Gruppen von Vermögensgegenständen möglich ist, ist zunächst keine verfassungsrechtliche Frage, sondern ein im Gesetzgebungsverfahren zu lösendes steuertechnisches Problem. […]. Die Methodik der Bewertung im Erbschaftsteuerrecht wird allerdings dann den Anforderungen an Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr gerecht, wenn sie dazu führt, dass nicht alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden.“1072 Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist es (folgerichtig) der Verkehrswert als Ausdruck des Tauschwertes, wie er durch den wahrscheinlich erzielbaren Preis des Wirtschaftsgutes verkörpert wird, der das Bewertungsgleichmaß prägt.1073 Wegen des Bereicherungsgedankens kann hier Geld immer nur in seiner Wertspeicherfunktion angesprochen werden; es vermittelt die Fähigkeit, es gegen Sachgegenstände einzutauschen. Für Geld ist deshalb außer sein­em Nennwert kein anderer Rechtswert denkbar (siehe auch bereits § 1 III. 1.). Diesen Umstand kann der Gesetzgeber nicht verändern, muss sich deshalb gleichheitsrechtlich dieser Geldfunktion beugen und andere Gegenstände so bewerten, dass sie ihre Übergangsfähigkeit in Geld und damit letztlich in Gestalt des wahrscheinlich erzielbaren Preises relativ (!) genau den Tauschwert widerspiegeln, den auch das Geld verkörpert (also ihren Eintausch in einen Wertspeicher). Während die Einheitswertbeschlüsse noch andeuteten, dass Bewertungsungleichheiten in Bezug auf verschiedene Arten von Vermögensgegenständen unter Umständen durch unterschiedliche Steuersätze kompensiert werden könnten1074, verneint das Bundesverfassungsgericht dies in der Entscheidung vom 7.11.2006 (zu Recht) ausdrücklich und trennt zwischen Bewertungsebene einerseits und Verschonungsebene andererseits (dazu noch § 7 I. 5.). Diese gleichheitsrechtlichen Vorgaben sind in ihrer abstrakten Aussage auf alle Steuern übertragbar, wenn sie sich Rechtswerten bedienen, die Bestandteil einer in Ansehung ihres Belastungsgrundes gleichheitsrechtlich gebundenen Lastenausteilungsnorm sind (zum Bewertungsnormsatz als Teil der Besteuerungsnorm § 2 II. 1.). Da der dogmatische Anknüpfungspunkt die Folgerichtigkeit der einmal gewählten Belastungsent1072 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 36. 1073 Siehe bereits die Nachweise in Fn. 383. 1074 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 552/91, BVerfGE 93, 165, 175.

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scheidung ist, muss in einem ersten Schritt allerdings für jede Steuerart deren konkrete Ausgestaltung und die hierin zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertungsentscheidung in Bezug auf den Vergleichsmaßstab ermittelt werden. Dass dies schon nicht unproblematisch sein kann, verdeutlicht gerade der Einheitswertbeschluss zur Vermögensteuer: Die Senatsmehrheit entnahm der Verfassung den maßgeblichen Vergleichsmaßstab und formulierte als solchen den Sollertragswert des Vermögens1075; auf die berechtigte Kritik Ernst-Wolfgang Böckenfördes1076 an dieser verfassungsrechtlichen Ableitung des Vergleichsmaßstabes wurde an anderer Stelle bereits hingewiesen (§ 2 I. 4.). Ungeachtet dessen war es aber eben nicht der Sollertragswert, den das Bewertungsrecht als Maßstab vorsah, sondern der Verkehrswert. Dies erkannte auch der 2. Senat und erklärte diesen „unter bestimmten Voraussetzungen“ auch bei Anlegung eines Sollertragsmaßstabes zum tauglichen Vergleichsmaßstab, sofern man (zumindest) über den Steuersatz ausreichend berücksichtige, dass es eben nur um die Ertragsfähigkeit des Vermögensgegenstandes gehe und hierdurch Substanzsteuereffekte vermieden würden.1077 Letzteres ist ein freiheitsrechtliches Problem, was uns erst später beschäftigen wird. Hier ist erst einmal die gleichheitsrechtliche Perspektive entscheidend und diese wird allein dadurch geprägt, dass sich der Gesetzgeber für den Verkehrswert als Bewertungsmaßstab entschieden hatte: Deshalb war er über den Folgerichtigkeitsgrundsatz in seinem eigenen Bewertungskonzept gleichheitsrechtlich verhaftet. Die Vermögensteuer als solches ist hier nicht Gegenstand der Untersuchung, aber gleichwohl kommt man wegen der Bedeutung für die Wertmaßstabsproblematik nicht an der Frage vorbei, ob der Gesetzgeber überhaupt einen anderen Weg hätte gehen können. Meines Erachtens befindet er sich hier in einem Dilemma. Klaus Tipke hat überzeugend darlegt, dass und warum sich eine Soll-Leistungsfähigkeit nicht gleichmäßig erfassen lässt.1078 Nicht die Realität bestimmt das Verhältnis zwischen den Steuerpflichtigen, sondern ein fiktiver und damit von (Mehrheits-) Vorstellungen hinsichtlich einer „vernünftigen“, im Verhältnis zu den anderen Steuerpflichtigen als „gerecht“ anzusehenden Eigentumsnutzung geprägter Maßstab. Eine Soll-Leistungsfähigkeit ist aus sich heraus untauglich, eine Maßgröße vorzugeben und damit eine Vergleichsfunktion operabel zu machen. Wie soll die Soll-Ertragsfähigkeit verschiedener, je1075 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 140. 1076 E.-W. Böckenförde, BVerfGE 93, 121, 152 ff. 1077 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 140. 1078 K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 2, S. 924 ff.; ferner J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 61.

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weils eigene – wenn überhaupt – Ertragspotentiale aufweisender Vermögensgegenstände im Verhältnis zueinander relationsgerecht abgebildet werden? Denn dies wäre die Anforderung, die Art. 3 Abs. 1 GG hier an die Bewertung stellt.1079 Nicht ohne Grund hat der Gesetzgeber diesen unmittelbaren, theoretisch richtigen Weg bisher nie in der gesamten Breite beschritten. Gerade deshalb wurde der Verkehrswert bemüht. Wer hier jedoch dem Verkehrswertansatz eine Typisierungstauglichkeit in Ansehung der Soll-Ertragsfähigkeit attestiert – wie es offenbar dem Bundesverfassungsgericht vorschwebt(e)1080 –, der muss nicht nur erklären können, was diesen Typisierungszusammenhang im Allgemeinen rechtfertigt, sondern auch in Bezug auf die einzelnen Vermögensgegenstände und die insoweit speziell auf sie zugeschnitten formulierten Konkretisierungen des Verkehrswerts im Besonderen. Betrach­tet man beispielsweise die jüngsten Überlegungen zur Wiederbelebung einer Vermögensteuer (siehe § 2 I. 4.), die wiederum auf einem Verkehrswertansatz aufbaut und dieses Mal infolge der Verweisung auf das gegenwärtige BewG den Verkehrswertanspruch auch erreichen dürfte, dann zeigt dies zweierlei: Erstens offenbart sich hier wiederum der verfehlte Ansatz von vor die Klammer gezogenen Universalwerten. Zweitens entlarvt dies die Konzept- und Vergleichslosigkeit einer solchen Typisierung, weil nämlich die einzelnen Verkehrswertkonkretisierungen als Spiegel der sozialen Bewertungswirklichkeit zum Teil auf unterschiedlichen Prämissen aufbauen, die ebenso unterschiedliche Rückschlüsse auf einen etwaigen Sollertrag erlauben – falls überhaupt. Der Ertrag als bewertungsrelevanter Aspekt, wie er in die Unternehmensbewertung einfließt, ist nicht vergleichbar mit dem Ertrag, wie er bei der Grundstücksbewertung berücksichtigt wird. Wenn zum Beispiel die Verkehrswertbewertung eines Unternehmens (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG) und eines Grundstücks (§§ 176 ff. BewG) lege artis zum selben Verkehrswert führen, heißt dies mitnichten, dass beide auch für Zwecke der Vermögensteuer eine vergleichbare SollErtrag­ fähigkeit aufweisen und damit Ausdruck derselben Leistungs­ fähigkeit sind. Viel schlimmer wiegt sogar noch, dass das „kapitalisierte Endprodukt eines investitionstheoretisch ermittelten (Ertrags-) Verkehrswert“ wegen der Bewertungsgegenstand abhängigen Risikoeinflüsse in konzeptionellem Widerspruch zur relativen Erfassung von Sollerträgen steht, die für solche Risikogesichtspunkte ihrer eigenen Logik 1079 H. Kube, Beihefter zu DStR 26/2013, S. 37, 46; N. Vieten, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Wiedereinführung einer Vermögensteuer, S. 215. 1080 Für die Zulässigkeit einer solchen – freilich ihrer Ansicht nach die Grenzen erreichenden – Typisierung M. Jachmann, StuW 1996, 97, 102 gegen die im Sondervotum von E.-W. Böckenförde (BVerfGE 93, 121, 152 ff.) formulierte Kritik.

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nach nicht zugänglich sind. Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber, der für eine Sollertragsteuer an investitionstheoretisch ermittelte (Ertrags-) Verkehrswerte anknüpft, übersieht, dass bei beiden Steuern die Kapi­ talisierung unterschiedliche Funktionen erfüllt (dazu bereits eingehend § 3 III. 4.). Die notwendige Relativität in Bezug auf die Sollertragsfähigkeit lässt sich auch rechtstechnisch nicht herstellen; insbesondere unterschiedliche Steuersätze können dies nicht, weil sie gar nicht differenziert auf die in den Verkehrswert jeweils eingeflossene Risikoeinschätzung reagieren können. Dies schließt einen typisierenden Rückgriff auf Verkehrswerte bei einer Sollertragsteuerkonzeption kategorisch aus. Es ist damit nicht nur (rechtspolitisch) ehrlicher, sondern auch dem Gleichheitssatz geschuldet, entweder einen Ist-Ertragswert zu formulieren und gegebenenfalls das ertraglose Vermögen auszuklammern, oder aber sich zu einer echten Vermögenssubstanzbesteuerung zu bekennen und den Verkehrswert zugrunde zu legen.1081 Letzteres wiederum stößt allerdings an die bereits angekündigten freiheitsrechtlichen Grenzen, weil eine Verkehrswertbewertung – natürlich immer in Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung, insbesondere der Höhe des Steuertarifs – in besonderem Maße die Gefahr einer Substanzbesteuerung in sich trägt (§ 8 I. 2. a.). Betrachten wir schließlich die Ertragsteuern im Lichte des aus Verfassungsgründen folgerichtig auszugestaltenden Bewertungsgleichmaßes. Anders als bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, wo der Vergleich in Ansehung der Bereicherung gegenstandsbezogen zu vollziehen ist, ist die Einkommensteuer auf eine (je nach Einkunftsart mal mehr, mal weniger) handlungsbezogene Erfolgserfassung ausgerichtet.1082 Angesichts dessen fokussiert sich die gleichheitsrechtliche Betrachtung vor allem auf das Ergebnis vergleichbarer wirtschaftlicher Sachverhalte und deren Auswirkung auf die Steuerbelastung. So wie sich das Gesetz in Bezug auf die die Leistungsfähigkeit indizierenden Faktoren verhält und vor allem differenziert, so zwangsläufig bedingt dies sodann auch eine differenzierte, an den – für sich betrachtet verfassungsrechtlich zulässigen – gesetzgeberischen Grundwertungen orientierte bewertungsspezifische Würdigung unter Folgerichtigkeitsaspekten. Es muss also gewürdigt werden, wie der Gesetzgeber das Leistungsfähigkeitsprinzip im einfachen Recht entfaltet hat und welche Bewertungsnotwendigkeiten sich gerade hieraus ergeben. Für einen Teilaspekt ist dies recht offenkundig: Wenn das Einkom1081 Vgl. A. Musil, DB 2013, 1994, 1997, der aus seiner Warte (Vermögensteuer ist eine Substanzsteuer) folgerichtig den Verkehrswertansatz befürwortet. 1082 M. Jachmann, DStJG 23 (2000), S. 9, 15; R. Seer, StuW 1997, 283, 286.

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mensteuerrecht das am Markt erwirtschaftete Einkommen erfassen will und dementsprechend dem Grunde nach folgerichtig sowohl Geld- als auch Sacheinnahmen, die als „Erfolg“ dieses Wirtschaftens anzusehen sind, zur einkommensrelevanten Größe (innerhalb seines Nettoprinzips) erklärt, dann müssen die insoweit mit den Geldeinnahmen konkurrierenden Sachbezüge mit ersteren vergleichbar gemacht werden. Hier geht es um die folgerichtige Erfassung der jeweiligen Leistungsfähigkeits­ steigerung und zwar als reale (in Geld ausdrückbare) Vermögensver­ mehrung.1083 Belastungsgleichheit kann in dieser Konkurrenzsituation nur mit einer verkehrswertorientierten Bewertung eingelöst werden. Denn für Geld ist außer dem Nennwert kein anderer Rechtswert sinnvollerweise denkbar, was sodann wiederum den entsprechenden gleichheitsrechtlichen Bewertungsdruck für alle anderen, mit Geld konkur­ rierenden Gegenstände auslöst. Die Ausführungen zur Erbschaft- und Schenkungsteuer gelten insoweit entsprechend. In vielen Fällen ist die Ausgangslage im Ertragsteuerrecht jedoch weitaus komplexer und lässt sich nicht auf eine Konkurrenz zwischen Geld und anderen Gegenständen reduzieren. Eine pauschale Aussage dahingehend, dass Belastungsgleichheit eine verkehrswertorientierte Bewertung erfordert, verbietet sich hier nämlich deshalb, weil sich gerade eine Aussage dazu, was als Einkommen erfasst werden soll, nicht einfach auf die Stromgröße Geld als (gleichheitsrechtlichen Druck ausübenden) Faktor beschränkt. Eingangs der einkommensteuerrechtlichen Bewertungsanlässe wurde bereits festgehalten, dass die Einkommensteuer bei den Gewinneinkünften in ihrer heutigen Ausgestaltung dem Gedanken eines Vermögensvergleichs folgt (siehe § 2 I. 3.). Die Maßgröße „Einkommen“ wird also nicht ausschließlich an dem Saldo von zugeflossenen Einnahmen und abgeflossenen Ausgaben festgemacht. Für diejenigen Steuerpflichtigen, die sog. Überschusseinkünfte erzielen, ist dies zwar weitestgehend der Fall, wenn man von einigen (wenigen) Aufwandselementen in ihrer Überschussrechnung einmal absieht (zum Beispiel die Absetzungen für Abnutzung, die auch bei den Überschusseinkünften gelten, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG). Auch für die Gewinneinkünfteerzieler, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, gilt im Grunde eine Zahlungs­stromrechnung, allerdings sind hier durchaus gewichtige Abweichungen in Richtung bestands- und wertverzehrorientierte Ge­ winnermittlung zu verzeichnen (vgl. § 4 Abs. 3 Sätze 3 f. EStG). Betrachtet man aber die Gewinnermittlung außerhalb des § 4 Abs. 3 EStG, so sehen wir ein von verschiedenen (einfach-rechtlichen) Prinzipien gepräg1083 M. Jachmann, DStJG 23 (2000), S. 9, 15.

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tes Einkommens­verständnis, das auf einem Bestandsvergleich und nicht Stromgrößen beruht. Es ist die Veränderung eines nach bestimmten sachlichen Kriterien definierten Vermögens (Betriebsvermögen), die als Leistungsfähigkeitsveränderung einkommensteuerrechtlich erfasst werden soll. Im Ausgangspunkt orientiert sich der Einkommensbegriff mithin an der Reinvermögenszugangstheorie, die jedoch auf eine markteinkommenstheoretische Maßgröße zurückgeschnitten worden ist: Steuergegenstand ist nur das realisierte, am Markt bestätigte Einkommen (siehe bereits § 2 I. 3.). Beim Betriebsvermögensvergleich wird das Vermögen daher nicht zu jedem Stichtag mit Verkehrswerten an­gesetzt. Anderenfalls wären bis dahin noch nicht „erwirtschaftete“ (weil nicht „realisierte“) Wertsteigerungen zwischen den Bilanzstichtagen als Gewinn auszuweisen. Das hiermit ange­sprochene Realisationsprinzip ist systemtragend und gibt einfach-rechtlich vor, inwieweit bestimmte Lebenssachverhalte und deren wirtschaftliche Auswirkungen Leistungsfähigkeit indizieren. Hieran zeigt sich anschaulich, dass und warum die Folgerichtigkeit in Bezug auf das Belastungsergebnis immer nur systemimmanent be­ antwortet werden kann. Für die Bewertung anlässlich der steuerlichen Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich bedeutet dies, dass sie im Dienste des dergestalt konkretisierten Steuergegenstandes (= nur realisierte Vermögensmehrungen stellen Einkommen dar) steht. Ungeachtet der Frage, ob das Realisationsprinzip selbst wiederum verfassungsrechtlich zwingend ist (dazu § 8 I. 2. a.), ist es jedenfalls gleichheitsrechtlich anzuerkennen. In diesem Lichte sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten gleichheitsrechtlich zu sehen: Die Grundentscheidungen für eine Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs sowie für einen Nichtausweis unrealisierter Wertsteigerungen bedingen, dass die Anschaffungs- und Herstellungskosten in keiner Beziehung zur „Verkehrswertrealität“ stehen und selbst für vergleichbare Wirtschaftsgüter verschiedener Steuerpflichtiger oder sogar des gleichen Steuerpflichtigen nicht identisch sein müssen.1084 Dies liegt in der Natur der Abhängigkeit der Anschaffungskosten von den tatsächlichen Aufwendungen und gilt umso mehr, als es – vorbehaltlich der Angemessenheitsvoraussetzung in § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB – unerheblich ist, wenn sich überhöhte Aufwendungen durch unrationelle Betriebsorganisation oder überteuerte Anschaffung von Materialien ergeben.1085 Damit taugen die Anschaffungsund Herstellungskosten – anders als die Verkehrswerte beispielsweise 1084 W. Mathiak, DStJG 7 (1984), S. 97, 110; T. Stobbe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 283; J. Werndl, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 A 12. 1085 BFH v. 15.2.1966, I 103/63, BStBl. III 1966, 468, 470 zu den Herstellungskosten.

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bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer – nicht für einen Vergleich, der die Steuerpflichtigen untereinander in Bezug auf die in der realen Mehrung ihres Vermögens liegende Leistungsfähigkeitssteigerung erfasst. Dies sollen sie aber auch nicht. Sie müssen „nur“ die Erfolgsneutralität des Anschaffungs-/Herstellungsvorgangs gewährleisten und binden gemeinsam mit dem Realisationsprinzip den Gewinnausweis an den Umsatzakt. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt hier aber, dass der mit diesem Rechtswert verfolgte Neutralitätsansatz gleichermaßen für alle Steuerpflichtigen gilt und folgerichtig umgesetzt wird. Belastungsgleichheit ist in Bezug auf die Bewertung also eine Frage der Binnengerechtigkeit, weil die zu vergleichenden Werte zumindest nach gleichen Maßstäben zu ermitteln sind. Entsprechendes gilt schließlich auch in Bezug auf die Sicherstellungsfunktion der Entnahmevorschriften: Wir haben anlässlich der kurzen Einführung in die einkommensteuerrechtlichen Bewertungsanlässe festgehalten, dass ein solches markteinkommenorientiertes, auf Umsatzakte am Markt abstellendes Reinvermögenszugangskonzept entsprechender Sicherungsmechanismen bedarf, damit die bisher verschonten stillen Reserven gleichwohl noch (an der subjektiv richtigen Stelle) erfasst werden können. Auch hier prägt diese Systementscheidung sodann die bewertungsspezifische Folgerichtigkeitsperspektive: Wenn zwei Steuerpflichtige eine Entnahme verwirklichen, geht es um die folgerichtige Ausgestaltung der Belastungsgleichheit sowohl zwischen demjenigen, der Geld entnimmt und dem Steuerpflichtigen, der eine Sachentnahme verwirklicht, als auch zwischen zwei Steuerpflichtigen, die jeweils Sachentnahmen tätigen. Die Ersatzrealisation ersetzt den Umsatzakt am Markt und dem muss der jeweilige Rechtswert, der auf die (Sach-) Entnahme anzuwenden ist, aus gleichheitsrechtlichen Gründen Rechnung tragen. Dies tut das Gesetz auch, indem es mit dem Teilwert einen Verkehrswert für maßgeblich erklärt (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG). Hier zeigt sich im Übrigen auch der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers: Er hätte bei der Entnahmebewertung durchaus auch mit dem gemeinen Wert auf die Veräußerungsperspektive abstellen können. Er kann sich aber ebenso gut mit dem Teilwert – wie hier geschehen – für die (Unternehmens-)Erwerberperspektive entscheiden (siehe zu den konzep­tionellen Unterschieden § 3 III. 2. c. aa]). Beide Rechtswerte stellen die notwendige Relationsgleichheit her. Problematisch wird die Rechtswertwahl allerdings, wenn der Gesetzgeber innerhalb eines Regelungssystems den gemeinen Wert und den Teilwert alternativ verwendet. Er muss dann erklären können, warum er in einem vergleichbaren Fall mal den Teilwert und mal den gemeinen Wert für maßgeblich er355

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klärt. Allerdings ergibt sich die Vergleichbarkeit unter Umständen auch erst aus dem gesetzgeberischen Konzept und insoweit ist zu beachten, dass der Gesetzgeber auch Subsysteme schaffen kann. So verhält es sich beispielsweise bei der Entstrickungsentnahme nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, die abweichend von dem allgemeinen Grundsatz der Entnahmebewertung nicht mit dem Teilwert, sondern mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG). Der Gesetzgeber verfolgt mit der grenzüberschreitenden Entstrickungsbesteuerung zwar ein der regulären Entnahmebesteuerung vergleichbares Anliegen. Dies hindert ihn aber (jedenfalls gleichheitsrechtlich) nicht daran, die Besteuerung der in Deutschland erwirtschafteten stillen Reser­ ven bei Verlust des deutschen Besteuerungsrechts anders auszugestalten und für die grenzüberschreitenden Fälle eine eigenständige Bewertungsentscheidung zu treffen.1085a Dies wiederum hat der Gesetzgeber auch (binnen-) folgerichtig getan. Denn die vergleichbaren Tatbestände des § 12 KStG und des § 6 AStG stellen ebenfalls auf den gemeinen Wert ab und auch die Funktionsverlagerung mit ihrer Bewertungsvorgabe in § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG fügt sich in dieses Konzept ein (vgl. § 3 III. 2. d. cc]). Innerhalb der Entstrickungstatbestände ist die Relationsgleichheit mithin gewahrt. 2. Die bewertungsspezifische Bandbreite wahrscheinlich realisierbarer Preise im Lichte des Gleichheitssatzes a. Materielle Gleichheit als Ausdruck der Anerkennung der Lebens­ wirklichkeit Ausgangspunkt für die weiteren gleichheitsrechtlichen Überlegungen ist das vorstehend dargestellte Gleichheitsverständnis des Bundesverfassungsgerichts: Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfähigkeit müssen im Ergebnis gleich hoch belastet werden. Unterstellen wir an dieser Stelle in Konkretisierung dessen, dass der Gleichheitssatz die relationelle Abbildung der Verkehrswerte verschiedener Gegenstände zueinander verlangt. Das den Vergleich in Ansehung der Weichenstellung zwischen „Gleichem“ und „Ungleichem“ leitende Merkmal ist damit der Verkehrswertansatz, also die Abbildung des Tauschwerts, wie er im wahrscheinlich erzielbaren Preis und dies jeweils unter Berücksichtigung der 1085a Siehe dazu die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des SEStEG v. 25.9.2006, BT-Drucks. 16/2710, S. 28: Der gemeine Wert wurde bewusst als Rechtswert gewählt. Der Gesetzgeber versprach sich hiervon offenbar, dass Sachgesamtheiten als solche bewertet werden und dass bei Einzelwirtschaftsgütern ein Gewinnaufschlag erfasst wird.

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Eigenarten des jeweiligen Verkehrswertes (Perspektive, Bewertungsgegenstand etc.) zum Ausdruck kommt. Jeder Gegenstand, für den ein solcher Verkehrswert theoretisch bestimmbar ist, ist somit vergleichbar. Hierfür spielt es keine Rolle, ob und inwieweit ein Gegenstand einfach oder schwierig zu veräußern ist, ob es für ihn einen organisierten Markt gibt oder nicht und ob es sich um Geld handelt oder um einen individuellen, ruhenden Sachgegenstand. Entscheidend ist allein, dass jemand im Falle der Veräußerung bereit ist, hierfür einen Preis zu bezahlen bzw. Geld als Zahlungsmittel mit seinem Nennwert als generelles Tauschmittel hierfür zu akzeptieren. Der Tauschwert mag keine Eigenschaft der Gegenstände sein, er ist aber eine soziale Tatsache, die – abstrakte Verkehrsfähigkeit vorausgesetzt – immer durch sie vermittelt wird und damit auch ein tauglicher Anknüpfungspunkt für einen Vergleich ist (§ 1 III. 1. und 2.). Nunmehr weisen die verschiedenen Gegenstände allerdings wegen der hypothetischen Betrachtung, die hier anzustellen ist, einen verkehrswertimmanenten Unterschied auf, nämlich hinsichtlich des Gewissheitsgrades seiner Vorhersage. Wie wirkt sich dies auf die Belastungsgleichheit aus, die ja auch messbar sein muss, damit sie überhaupt als weichenstellender Vergleichsmaßstab fungieren kann? Versteckt sich deshalb in einem generellen Verkehrswertansatz unter Außerachtlassung dessen eine Gleichbehandlung von Ungleichem? Dies klingt im steuerwissenschaftlichen Schrifttum durchaus an. Wir sehen dies beispielsweise dort, wo anlässlich der einkommensteuerrechtlichen Erfolgserfassung die Frage aufgeworfen wird, wann eine Leistungsfähigkeitssteigerung bereits „so sicher“ ist, dass ihre Erfassung als Gewinn gerechtfertigt ist. Diese Frage betrifft zwar originär nicht die Bewertung, sondern schon die (bilanzsteuerrechtlich) vorgelagerte Frage der Erfassung dem Grunde nach (Realisationszeitpunkt). Sie kann aber letztlich nur verstanden werden vor dem Hintergrund der Bewertung: Würde – in Abweichung vom derzeit geltenden Realisationsprinzip – eine Verkehrswertbewertung erfolgen und die Differenz zwischen Einstands-/Buchwert und diesem Verkehrswert steuerbares Einkommen ausweisen, so tut sich die steuerrechtliche Literatur nicht nur freiheitsrechtlich (dazu unter § 8 I. 2. a]), sondern auch gleichheitsrechtlich schwer damit, auf dieser „unsicheren“ Basis eine gegenwärtige Leistungsfähigkeitssteigerung zu erkennen.1086 So dürften einer

1086 Vgl. zum Beispiel J. Schulze-Osterloh, DStJG 23 (2000), S. 67, 71.

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leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung keine „unsicheren Werte“ zugrunde gelegt werden.1087 Der Beantwortung dieser Frage muss freilich eine andere Frage vorgeschaltet werden: Die Frage danach, welche „Messgenauigkeit“ im Belastungserfolg von Art. 3 Abs. 1 GG überhaupt verlangt wird. Den Ausgangspunkt bildet die Erkenntnis, dass auch die Verfassungskonkretisierung nicht umher kommt, sich mit der sozialen Wirklichkeit zu beschäftigen. Das Recht kann das „Wertphänomen“ nicht ignorieren und dazu gehört auch, dass und warum es keine naturgesetzliche Wertrealität gibt, dass es in Ansehung von Verkehrswerten eine Vielzahl wahrscheinlich erzielbarer Preise gibt und dass keine Möglichkeit existiert, mit rationalen Gründen den Wert mit einer größeren oder der größten Wahrscheinlichkeit zu bestimmen (siehe bereits § 6 II.). Dies gründet in der selbst gesetzten „Ursache“ für diesen sozialen Befund. Es wäre ein Widerspruch innerhalb der Verfassungsrechtsordnung, wenn das Grundgesetz einerseits marktwirtschaftliche Freiheit garantiert, hiermit die entscheidende (rechtliche) Bedingung für die Vielfalt der beobachtbaren Preisbildungsverhaltensmuster und auch ihre vielfältige, von unzähligen individu­ ellen Faktoren (selbst gesetzte Prämissen und Interessengewichtigungen, Informationen bzw. Informationsmöglichkeiten, Geschick, Verhandlungsstärke etc.) beeinflusste Ausfüllung im konkreten Einzelfall setzt und fassungs-/ordletztlich die Bandbreite allesamt denkbarer Preise ver­ nungspolitisch „zu verantworten“ hat, das Grundgesetz diesen frei­ heitsrechtlichen Befund aber sodann andererseits gleichheitsrechtlich verleugnen würde. Alle Unsicherheit bei hypothetischen Veräußerungsbetrachtungen ist immer nur die Kehrseite ausgeübter Freiheit (siehe bereits § 4 I.). Gleich­heitsrechtliche, auf den relativen Vergleich mehrerer Steuerpflichtiger insbesondere in Bezug auf Erfolg und Bereicherung als Leistungsfähigkeitsindikatoren gerichtete Vorgaben müssen sich daher an dem freiheitsrechtlichen Ordnungsrahmen orientieren, in dem sich seine vergleichsrelevanten Lebenssachverhalte vollziehen, d.h. wo sie durch die in Ausübung ihrer Freiheit tätigen Akteure gelebt und geübt werden. Die Schlussfolgerung hieraus kann nur eine einzige sein: So wenig wie es den einen Verkehrswert gibt, so wenig gibt es eine exakt messbare und mathematisch sichtbar zu machende Leistungsfähigkeit. Denn wenn mit 1087 M. Jachmann, DStJG 23 (2000), S. 9, 55, ähnlich J. Hennrichs, DStJG 24 (2001), S. 311, 316; H.-J. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 3, 33. Freilich lässt sich den Ausführungen nicht immer entnehmen, ob spezifisch freiheitsrechtlich oder „auch“ gleichheitsrechtlich argumentiert wird.

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Nennwerten vergleichbar zu machende Steigerungen an Leistungsfähigkeit nur mittels einer hypothethischen Betrachtung geschätzt werden können und sich wegen der Vielfalt der dabei maßgeblichen sozialen Wirklichkeit keine in der Eindeutigkeit mit dem Nennwert vergleichbare Aussage treffen lässt, dann wirkt dies auf die Leistungsfähigkeit als Vergleichsmaßstab ein bzw. „zurück“. Dort, wo wir eine Vielgestaltigkeit des Lebens – hier im Sinne eines Wertepluralismus, einer Bandbreite – beobachten können, widerspricht es dem Gleichheitssatz sogar geradezu, dies zu ignorieren. Das Recht – auch das Verfassungsrecht – muss einen Ausschnitt des Lebens erfassen; Wirklichkeit und Recht stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sie sind wechselbezüglich aufeinander bezogen.1088 Die soziale Wirklichkeit kann daher bei Konkretisierung des Rechts nicht ausgeblendet werden; Normen sind immer nur in Bezug auf die von ihnen geordneten Lebenssachverhalte zu verstehen. Dieser Grundsatz, der bereits eingangs zu dieser Untersuchung herausgestellt worden ist (§ 1 I.), gilt auch für die Grundrechte.1089 Die Grundrechte können die von ihnen selbst nicht erzeugte, sondern vorgefundene soziale Wirklichkeit nur insoweit erreichen, als das von ihnen formulierte Gebot auch tatsächlich erreichbar ist. Sie müssen auf der sozialen Wirklichkeit aufbauen.1090 Der Interpret des Art. 3 Abs. 1 GG kommt hier daher – in Anlehnung an das berühmte Bild von Karl Engisch – nicht umher, den Blick zwischen Wirklichkeit und Norm immer wieder hin und her wechseln zu lassen1091 und den Bedeutungsumfang des Gleichheitssatzes im Hinblick auf die vorhandene Lebenswirklichkeit zu konkretisieren. An vorangegangener Stelle wurde bereits die Sympathie für eine Verfassungskonkretisierung kundgetan, welche die soziale Wirklichkeit deshalb mit in den Blick nimmt, damit es nicht zu einer theoretischen, bei der konkreten (realen) Anwendung nicht einlösbaren Überhöhung des Gleichheitsverständnisses und der zu seiner Konkretisierung bemühten Leistungsfähigkeit kommt (siehe bereits § 1 I.). Es geht um eine realitätsabhängige Verfassungskonkretisierung.1092 Auf dieser Konkretisie1088 K. Hesse, Die normative Kraft der Verfassung, passim, für die Aussage hier vor allem S. 22; J. Isensee, in: derselbe/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 2, § 15 Rn. 180; F. Müller, Normstruktur und Normativität, S. 185 f.; S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 119 ff.; C. Starck, JZ 1972, 609, 614. 1089 Vgl. F. Müller/R. Christiansen, Juristische Methodik, Rn. 230 ff.; 248 ff.; S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 119 ff.; C. Starck, JZ 1972, 609, 614; R. Zippelius, Methodenlehre, S. 73, 80; siehe ferner auch noch die Nachweise unter § 1 I. 1090 P. Kirchhof, in: Isensee/derselbe, Handbuch des Staatsrechts, Band 2, § 21 Rn. 33. 1091 K. Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, S. 15. 1092 F. Müller, Normstruktur und Normativität, S. 117 ff. u. S. 184 ff.

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rungsgrundlage kann der Gleichheitssatz sodann keine „mathematische“ Gleichheit verlangen, soweit sie schon in der sozialen Wirklichkeit nicht existiert. Wer gleichwohl eine solche Forderung formuliert, der lässt Wirklichkeit und Recht auseinanderfallen. Dies gilt sowohl für die Bewertung unterschiedlicher Vermögensarten im Vergleich zueinander1093, als auch für die Bewertung innerhalb einer Vermögensart. Selbst auf ein und demselben Markt können für ein und dasselbe Produkt unterschiedliche Preise beobachtbar sein. Man muss sich gleichheitsrechtlich damit abfinden, dass verschiedene Gegenstände, aber sogar auch dieselben Gegenstände aus der Natur der Sache heraus nicht mathematisch genau bewertet werden können und dass der Gleichheitssatz deshalb auch nicht an einem Punktwert ansetzen kann, den es schlicht nicht gibt. Diese Erkenntnis prägt sodann auch den Blick auf das gesetzgeberische Unterfangen, die Bewertung normativ zu erfassen: Wenn die Bewertungsnorm die soziale Bewertungswirklichkeit rezipiert, dann eröffnet es keine Spielräume, sondern diese folgen vielmehr aus der Natur der Sache und das Gesetz muss die Frage beantworten, wie mit ihnen umzugehen ist und insbesondere ob und inwieweit sie eingehegt werden sollen.1094 Das Bundesverfassungsgericht deutet dies zumindest an, spricht es nach meinem Dafürhalten aber nicht deutlich genug aus. So heißt es im Beschluss vom 7.11.2006 für das Grundvermögen, dass es keinen absoluten und sicher realisierbaren Marktwert gebe, sondern allenfalls ein Marktwertniveau, auf dem sich mehr oder weniger große Abweichungen vertretbarer Verkehrswerte bilden. Das Bundesverfassungsgericht unterstellt dabei eine „Streubreite von plus/minus 20 % der Verkaufspreise für ein und dasselbe Objekt“.1095 An anderer Stelle ist von einem Annäherungswert die Rede.1096 Hiermit wird der richtige Weg gewiesen, wenngleich die in den Formulierungen noch zum Ausdruck kommende Zurückhaltung nicht angebracht ist. Missverständlich ist überdies, dass in der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Streubreite wohl die 1093 Vgl. auch J. Lang, StuW 2008, 189, 193: gleiche Bewertung aller Vermögensarten ist eine Utopie; ebenso A. Raupach, in: Festschrift f. Lang, S. 845, 847. 1094 So bereits W.-D. Hoffmann, DStR 2011, 88, 90 f. im bilanz(-steuer-)rechtlichen Kontext. 1095 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 45 f. 1096 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 52; ähnlich bereits BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 147 („annähernd gleiche Ausgangswerte“); die Zurücknahme der Erwartungen auf einen „Annährungswert“ findet sich ferner bereits bei W. Jakob, Möglichkeiten einer Vereinfachung der Bewertung des Grundbesitzes sowie Untersuchung einer befristeten Anwendung von differenzierten Zuschlägen zu den Einheitswerten, S. 126 und S. 168; R. Jüptner, StuW 2005, 126, 130; K. Vogel, in: Festschrift f. Thieme, S. 605, 610.

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Idee eines Ausgangspunktwertes, an dem die Abweichung gemessen werden kann, mitschwingt. Einen solchen gibt es allerdings ja gerade nicht. Es gibt von vornherein nur die Bandbreite und insoweit kann es allenfalls hiervon streuende Abweichungen geben. Gleichheit bedeutet jedenfalls, dass man die Vielgestaltigkeit und die hieraus fließende Unsicherheit und damit letztlich die Schwäche in Ansehung der Vergleichbarkeit akzeptiert. Hierfür hat Joachim Lang in Bezug auf die Grundstücksbewertung einen durchaus verallgemeinerungsfähigen Begriff geprägt: Es geht bei der steuergesetzlichen Bewertung immer (nur) um „Streubreitengleichheit“.1097 Hier soll im Folgenden von einer verkehrswertspezifischen Bandbreitengleichheit gesprochen werden. Wenn es für jeden Gegenstand regelmäßig nur eine Bandbreite allesamt denkbarer Preise gibt, wird man sodann auf der gleichheitsrechtlichen Ebene nicht um die Feststellung umher kommen, dass jeder dieser Werte im Lichte des „Gebotes einer realitätsgerechten Wertrelation“ zur Gleichheit im Belastungserfolg führt und somit auch nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG in Konflikt geraten kann. Jeder Wert aus der Bandbreite verwirklicht die gesetzgeberische Lastenausteilungsentscheidung. Kurzum: Es fehlt insoweit bereits an einer Ungleichbehandlung.1098 Die nachgelagerte Frage nach der Rechtfertigung einer solchen stellt sich nicht. Bei einer diese reale Ausgangslage achtenden Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 GG ist es gleichheitsrechtlich unbedenklich, wenn sich die Bewertung nur als Suche nach einer idealen Bandbreite darstellt (siehe § 6). Hier kann Art. 3 Abs. 1 GG – neben der noch zu erörternden Verfahrensperspektive – lediglich eine äußere Grenze ziehen. Die Grenzbestimmung ist im Lichte der Realität naturgemäß ebenfalls schwierig, darf sie nämlich nicht die vorstehende Erkenntnis konterkarieren. Insoweit ergibt sich ein gleichheitsrechtliches Dilemma: Einerseits verlangt die Konkretisierung des Gleichheitssatzes nach Respekt vor der Vielgestaltigkeit des Lebens und damit die Anerkennung der Wertbandbreite. An1097 J. Lang, StuW 2008, 189, 195; ebenso T. Blum, Bewertungsgleichmaß und Verschonungsregelungen, S. 164; R. Seer, GmbHR 2009, 225, 227. 1098 Anders womöglich J. Hey, in: Steuerrecht, Tipke/Lang, § 3 Rn. 64, wenn sie formuliert, dass eine„Besteuerung, die nicht […] an unmittelbar durch das Marktgeschehen bestätigte Stromgrößen, realisierte Werte, sondern an ruhende Sachwerte anknüpft, a priori auf Ungleichheit, ungleiche Bemessung steuerlicher Leistungsfähigkeit angelegt ist.“; ähnlich C. Flämig, Betriebsbedingte Bewertung und Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 173 und wohl auch M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 88, wenn er die bloße Annäherungsmöglichkeit zwar als „Zwangsläufigkeit“ akzeptiert, aber trotzdem von Gleichheitsdefiziten ausgeht.

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dererseits ergibt die steuerrechtsspezifische Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 GG aber zugleich, dass gerade die hiermit angesprochene Unsicherheit nicht in eine willkürliche, unkontrollierte Handhabung umschlagen darf (zu diesem an den Gesetzgeber und Exekutive gerichteten Sicherungsauftrag noch unter § 7 II.). In diesem Sinne hat Art. 3 Abs. 1 GG eine negativ begrenzende Wirkung zu entfalten. Solche Grenzziehungen sind möglich, auch wenn sie am Ende nur auf eine Vertret­ barkeitskontrolle der äußeren Grenzen hinauslaufen. Selbst wenn keine Verhaltensmuster in Ansehung des Preisbildungsvorgangs zu beobachten sein sollten, so ist es für eine rationale, gleichheitskonforme Kontrolle der Bandbreitengrenzen ausreichend, wenn man diese zumindest auf das ein Mindestmaß an Orientierung gewährende ökonomische Kalkül argumentativ stützen kann (zur Reservefunktion dieses Ansatzes § 5 IV. 2. am Ende). Mehr verlangt der Gleichheitssatz hier nicht. Und mehr kann er auch nicht verlangen. Dabei ist es auch hinzunehmen, dass es Fälle gibt, in denen selbst die Standards der rationalen Argumentation (also selbst das ökonomische Kalkül als Reserve) keinen Kontrollmaßstab mehr bilden können. Erinnert sei hier vor allem an die einmalige Kunstsammlung (siehe § 6 II.). Denn hierbei handelt es sich gemessen am Gros der Lebenssachverhalte um Ausnahmefälle. b. Konkretisierung der Ungleichbehandlung durch Bewertung Bisher ist nur gesagt, wann bei einer Verkehrwertbewertung keine mit Art. 3 Abs. 1 GG in Konflikt geratende Ungleichbehandlung vorliegt. Die Frage ist nunmehr umzudrehen: Wann liegt eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung durch Bewertung vor? aa) Gesetzliche Tatbestände beinhalten immer eine Komplexitätsreduzierung in Ansehung der geregelten Lebensverhältnisse.1099 Dies gilt auch für die Bewertung. Selbst eine weitgehende Anerkennung der sozialen Wirklichkeit muss durch eine Norm eingefangen werden und dies führt zwangsläufig zu einer verallgemeinernden, jeder Rechtsnorm immanenten Betrachtung, bei der aus der Fülle der verschiedenen, in der Realität beobachtbaren Umstände dann doch eine bestimmte Menge von Merkmalen als maßgeblich herausgehoben wird.1100 Streng genommen, be1099 N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 141 ff.; W. Rüfner, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 3 Rn. 111; C. Starck, JZ 1972, 609 ff. 1100 Zur Abgrenzung und zum Verhältnis von Schematisierung und Typisierung S. Huster, Rechte und Ziele, S. 257 ff.; ferner – dazu teilweise abweichend – J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 161, insbesondere Fn. 398.

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ginnt hier schon eine Abstraktion von der real gegebenen Vielfalt und dies trotz grundsätzlicher Anerkennung der mit der Vielfalt verbundenen realen Ungleichheit. Es ist daher bereits schwierig, genau zu bestimmen, wo die normative Anerkennung der materiellen Gleichheit bereits Züge formaler Gleichheit in sich trägt. Wo endet die bloße Konkretisierung der sozialen Bewertungsübung und wo beginnt eine bewusste Abweichung hiervon? Der Gesetzgeber kann die soziale Bewertungswirklichkeit nicht ändern. Er kann sie auch nicht ignorieren. Aber gerade an den durch Graubereiche und besondere Ungewissheit gekennzeichneten äußeren Grenzen geht es doch vielfach auch gerade darum, sie erst einmal zu konkretisieren. Ungeachtet der hiermit angesprochenen Gleichbehandlung von Ungleichen allein wegen der Anwendungstauglichkeit einer allgemeinen, soziale Verhaltensmuster rezipierenden Norm ist es an dieser Stelle aber nunmehr allein die bewusste legislative Steuerung der Bewertung, die nachfolgend in den Mittelpunkt gerückt werden soll. Der Gesetzgeber setzt in einem solchen Fall das Gesetz nicht nur zur Verwirklichung der Belastungsentscheidung ein (zum Beispiel durch den Verkehrswertansatz), sondern auch als Steuerungsmittel in Ansehung der konkreten Bewertungsentscheidung (zum Beispiel Vorgabe eines Verfahrens zur Ermittlung des Verkehrswertes, Vorgaben in Bezug auf die bewertungsrelevanten Daten und Informationen, Vorgabe bestimmter Maßstäbe für die Einengung der Bandbreite, siehe zu den Steuerungsmöglichkeiten bereits unter § 5 II.). Für eine legislative Steuerung der Bewertung gibt es durchaus beachtliche Gründe: Dies können das Streben nach Vollzugsvereinfachung in Bezug auf die Komplexität der Materie und/oder im Sinne einer Vollzugs­ ökonomisierung sowohl in Bezug auf den behördlichen Ressourceneinsatz als auch die Befolgungskosten auf Seiten des Steuerpflichtigen sein. Sie kann ferner auch gerade der Sicherung der Gleichheit dienen.1101 Denn angesichts begrenzter Verwaltungsressourcen kann weitestgehende Einzelfallgerechtigkeit – gerade bei so komplexen Rechtsanwendungsfällen wie der Bewertung – zu immer größerer Steuerungerechtigkeit führen. So kann sich eine individuell gerechte Steuernorm wegen ihrer aufwendigen Handhabung und Ressourcenbindung in ihr Gegenteil verkehren.1102 Hinzuweisen ist ferner auf die fehlerpräventive Wirkung einer gesteuerten Bewertung.1103 Schließlich kann die gesetzgeberische Steuerung dem Anspruch des Steuerpflichtigen auf Planungs- und Dispositionsschutz 1101 Siehe eingehend und differenziert mit umfangreichen Nachweisen nur J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 162 ff. 1102 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 3 Rn. 51. 1103 Siehe H.-J. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 10.

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Rechnung tragen. Wir werden später noch sehen, dass ein Spannungsverhältnis zwischen der materiellen Gleichheit auf der einen Seite und diesem freiheitsrechtlichen Anliegen auf der anderen Seite entstehen kann (§ 8 II.). Ungeachtet der jeweiligen Motivationslage für die legislative Steuerung der Bewertung gilt jedenfalls: Je enger die Vorsteuerung ist, desto mehr wird die Bewertung formalisiert. So entsteht formale Gleichheit, die jedoch mit der von Art. 3 Abs. 1 GG vorrangig geforderten materiellen Gleichheit nichts gemein haben muss. Eine solche formale Gleichheit kann nicht nur die Wertepluralität in Bezug auf verschiedene Sachverhalte betreffen (alle Gegenstände einer bestimmten Art werden auf eine bestimmte vorgegebene Weise mit vorgegebenen Prämissen bewertet), sondern auch in Bezug auf ein und denselben Sachverhalt (für einen bestimmten Gegenstand kann es nach dem Gesetz keine Bandbreite, sondern nur ein Bewertungsergebnis geben). Je mehr der Gesetzgeber den Wertfindungsprozess formalisiert, umso mehr entzieht er ihn jedenfalls dem Vor­verständnis, Erfahrungswissen und der Intuition des bewertenden Mensch­en. In seiner Entscheidung vom 7.11.2006 weist das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber diesen Weg sogar ausdrücklich auf: Eine Ausgestaltung der Wertermittlungsregelungen unter Berücksichtigung der Erfordernisse eines praktikablen Steuererhebungsverfahrens sowie der gesetzessystematisch notwendigen Typisierungen und Pauschalierungen sei möglich.1104 Dies führt zur eingangs aufgeworfenen Frage zurück. Ihre Beantwortung folgt zum Teil ohne Weiteres aus dem Vorgesagten zur Wertbandbreitengleichheit: Eine Ungleichbehandlung liegt vor, wenn die äußeren Grenzen der Wertbandbreite nicht mehr gewahrt sind, wenn also der Gesetzgeber einen Wert ansteuert, der gemessen an der sozialen Wirklichkeit keine Aussage zu einem wahrscheinlich erzielbaren Preis erlaubt und somit – anders als vom Belastungsgrund als folgerichtig gefordert – nicht den Tauschwert abbildet. Dies kann offen, aber auch versteckt erfolgen. Für Ersteres sind hier als legislativ eingestandene Beispiele die Ertragswertverfahren zu nennen, mit denen früher Grundbesitzwerte ermittelt wurden (siehe bereits § 3 III. 4. und vor allem sogleich noch § 7 I. 3. a.). Eine versteckte Verfehlung der Bandbreite kann zum Beispiel durch die 1104 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 36. Das Bundesverfassungsgericht scheint Pauschalierungen und Typisierungen zu unterscheiden. Nach F. Kirchhof, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band 3, § 59 Rn. 34 meint Pauschalierung die Vereinheitlichung von Bewertungsgrößen und Typisierung die Verallgemeinerung von Sachverhalten. Es handelt sich also nicht um Gegensätze, sondern letztlich nur um die Umschreibung von Erscheinungsformen, die sich durchaus überschneiden.

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„Mehrfachberücksichtigung“ von bestimmten wertrelevanten Faktoren geschehen. Denkbar ist auch, dass Umstände für wertrelevant erklärt werden, die der Markt in Wirklichkeit nicht für wertrelevant erachtet. Hinzuweisen ist diesbezüglich insbesondere auf die „Sozialpflichtigkeit“ von unternehmerischem Vermögen. Gemeint sind damit die Restrik­ tionen, denen Unternehmen im Interesse anderer Invidual- oder Kollektivrechtsgüter unterliegen (zum Beispiel Kündigungsschutz, kollektives Arbeitsrecht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Umweltrecht etc.).1105 Soweit die im Rechtsverkehr zu beobachtende Preisfindungsübung die Sozialpflichtigkeit bereits einpreist, darf sie sich bei der Bewertung nicht noch einmal niederschlagen.1106 Dort, wo die Sozialbindung keinen Einfluss auf die Preisbildung nimmt, darf das Gesetz sie nicht gleichwohl für erheblich erklären. Tut es dies doch, kommt es zu einer Ungleichbehandlung. Für Grundstücke gilt dies gleichermaßen: Wenn die Preisbildung am Markt der eingeschränkten Fungibilität bereits Rechnung trägt, führt jeder steuergesetzliche Abschlag vom Verkehrswert, der dies berücksichtigen will, zu einer Ungleichbehandlung. Entsprechendes gilt für die beim Grundeigentum infolge des Mietrechts (z.B. Kündigungsschutz, eingeschränkte Mieterhöhungsmöglichkeiten) ebenfalls zu konstatierende Sozialbindung. Wenn beispielsweise die Miete nur eingeschränkt erhöht werden darf, dann wird dies bei einer Preisbemessung durch den Markt im Rahmen der Bestimmung des künftigen Nutzens (Ertragswert) regelmäßig bereits berücksichtigt sein. Jede erneute Berücksichtigung dieses Umstandes bei der steuergesetzlichen Bewertung stellt sodann zwangsläufig eine Abweichung von der sozialen Wirklichkeit dar. bb) Von den vorgenannten Fällen, die dadurch gekennzeichnet waren, dass der Gesetzgeber mit seiner Steuernorm einen Verkehrswert verfehlt, ist der Fall zu unterscheiden, dass der Gesetzgeber ein Ergebnis normativ vorsteuert, das sich innerhalb der Wertrealität (beobachtbare Preisbildungsverhaltensmuster), also innerhalb der Bandbreite materieller Gleichheit, hält und somit einen (wahrscheinlichen) Verkehrswert (von vielen) abbildet. Nimmt man die Vielgestaltigkeit der Bewertung, wie sie mit der Wertbandbreite gleichermaßen wahrscheinlicher Verkehrswerte ihren Ausdruck findet, als gleichheitsrechtlichen Ausgangs1105 Zur grundsätzlichen Anerkennung dieser als Sozialbindung umschriebenen Faktoren BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, 175 f. 1106 Dies dürfte in der Regel der Fall sein, so auch P. Bareis, DB 1996, 1153, 1157; M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG, S. 133, 174 f.; D. J. Piltz, DStR 2013, 228, 229; M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 77; B. Spitzbart, Das Betriebsvermögen in der Erbschaftsteuer, S. 145.

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punkt, so ist zumindest erst einmal zu konstatieren: Verschiedene Gegenstände werden gleich behandelt, obwohl sie verschieden sind, weil nämlich ihre Individualität und damit ihre Breite an Wahrscheinlichkeiten vernachlässigt wird. Sie weisen also das für das Feld der Typisierung bekannte Differenzierungsdefizite auf.1107 Die Frage ist allerdings: Folgt aus diesem Differenzierungsdefizit – wie es bei der Typisierung normalerweise der Fall ist – auch bei der Verkehrswertbewertung eine Ungleichbehandlung? Da gleichheitsrechtlich nur Bandbreitengleichheit geschuldet ist, kann sich ein zur Ungleichheit führendes Differenzierungsdefizit grundsätzlich nur außerhalb der Bandbreite einstellen. Immerhin ist mit der Beachtung der Bandbreite ge­ messen am Vergleichsmaßstab „Verkehrswert“ Gleichheit gewahrt. Eine weitergehende Gerechtigkeitsaussage in Ansehung der Lastenverteilung ist auch nicht möglich. Jeder Wert tritt in Bezug auf das gesuchte Er­ gebnis, nämlich das fiktive Geschehen einer Kaufpreisverhandlung zu simulieren, mit dem gleichen Wahrscheinlichkeitsanspruch auf. Ich sehe daher innerhalb der Bandbreite kein gleichheitsrechtliches Problem, sondern – dies wird an späterer Stelle noch vertieft werden – eine freiheitsrechtliche Verteilungsfrage. Es ist die Eigentumsgarantie, die hier aktiviert wird; die freiheitsrechtliche Abwehrspektive fordert in Ansehung des Bewertungsziels (gleichheitskonformer Belastungserfolg) und der Bewertungsnorm als Mittel zur Erreichung dieses Ziels Zweckrationalität ein und begrenzt damit den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers innerhalb der Bandbreite: Alle Werte sind gleichheitskonform, aber die Werte belasten den Steuerpflichtigen unterschiedlich. In einer solchen Situation lenken die Freiheitsrechte den Gesetzgeber dann zum „milderen, weniger belastenden Mittel“, solange es ebenso effektiv ist, hier also eine ebenso gleichheitskonforme Lastentragung vermittelt. Zwar ließe sich überlegen, auch den gleichheitsrechtlichen Vergleichsmaßstab für die Lastenverteilung mittels dieser, im nachfolgenden Kapitel (§ 8 I. 2. d.) noch im Einzelnen zu gewinnenden freiheitsrechtlichen Wertung (noch weitergehend) zu konkretisieren und damit auch der Einwertigkeitsentscheidung aus der Bandbreite heraus eine allgemeine – in Abgrenzung zu der nachfolgend noch zu behandelnden Sonderproblematik des Mischsystems – gleichheitsrechtliche Relevanz zuzusprechen. Dabei würde aber übersehen, dass sich das verfassungsrechtliche Problem nicht mehr als ein solches der Lastenverteilung darstellt, sondern es sich bei der Auswahl unter mehreren Verkehrswerten unter Hinnahme des gleichheits1107 Zum Differenzierungsdefizit als Typisierungsmerkmal S. Huster, Rechte und Ziele, S. 247 f.

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rechtlichen Maßstabes um eine Folgefrage handelt, die aus einem spezifisch freiheitsrechtlichen Blickwinkel heraus zu beantworten ist: Es geht nämlich um die Frage, ob der Steuerpflichtige das Risiko tragen muss, zu viel Vermögen und damit Freiheitsgewährleistung aufzugeben, obwohl die Gleichheit im Belastungserfolg auch mit weniger Vermögenseinbuße erreichbar ist. Aus diesem Grunde erachte ich die Auswahl eines Verkehrswertes aus der Bandbreite heraus nur als eine freiheitsrechtliche Frage, die nicht zugleich noch am Gleichheitssatz festzumachen ist. Art. 3 Abs. 1 GG beschränkt sich also auf Wertbandbreitengleichheit und gleichheitsrechtlich kann die Lastenausteilungsentscheidung als folgerichtig umzusetzender Vergleichsmaßstab nicht noch weitergehend, also auch innerhalb der Bandbreite wirkend, konkretisiert werden. Legt man dies zugrunde, so tut sich nicht zwingend ein gleichheitsrechtliches Problem auf, wenn das Gesetz das Bewertungsergebnis innerhalb der Bandbreite maßstäblich steuert oder sogar strikt vorgibt. Stellen wir uns beispielsweise vor, dass eine Bewertungsnorm im Ausgangspunkt die Wertbandbreite akzeptiert, aber die Anordnung trifft, dass aus der Bandbreite immer der Mittel- oder sogar Höchstwert zu nehmen ist. Dies erinnert an § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG, der allerdings nicht mit einer zwingenden Vorgabe arbeitet, sondern – wenngleich praktisch wohl nicht durchführbar – die Glaubhaftmachung eines wahrscheinlicheren Wertes ermöglicht (siehe auch noch § 11 I.). Ich sehe hier kein gleichheitsrechtliches Problem, weil der Wert infolge seiner Bandbreitenzugehörigkeit gleichheitskonform ist und wegen der sowohl identischen Ausgangsbasis (Bandbreite) als auch Anknüpfung (Mittel- oder Höchstwert in Bezug auf diese Bandbreite) im Übrigen auch die Relationsgleichheit gewahrt ist.1108. Die Verkehrwertbewertung mag sich ihrer Natur nach grundsätzlich als formalisierungsfeindlich gerieren, weil eine formale Gleichheit die im konkreten Bewertungseinzelfall vorzufindende Individualität des 1108 Andere Ansicht gegebenenfalls G. Frotscher, in: Festschrift f. Wassermeyer, S. 391, 404 ff., der § 162 Abs. 3 Satz 2 AO (Befugnis zur Schätzung am oberen Rand, wenn der Steuerpflichtige seine Dokumentationspflichten verletzt hat) einen Verstoß gegen die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit attestiert: Der Verstoß gegen die formale Dokumentationspflicht habe keine Erhöhung der materiellen Leistungsfähigkeit zur Folge. Sollte er dergestalt verstanden werden wollen, dass die Schätzungssteuerung als solches eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung darstellt, dann wäre dies ein Widerspruch zur hiesigen Position (da sie sich noch innerhalb der Bandbreite hält). Sollte er hingegen dergestalt zu verstehen sein, dass sich die Ungleichbehandlung daraus ergibt, dass nicht alle Steuerpflichtigen sich einer solchen Schätzungssteuerung gegenübersehen, sondern nur bestimmte Steuerpflichtige, dann würde sich nicht zwangsläufig ein Widerspruch zu der hier vertretenen Position ergeben.

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Wertes und der hieraus fließenden Wertbandbreite vernachlässigt bzw. sogar bewusst ignoriert. Entscheidend ist aber allein die Relationsgleichheit und die Relation wird durch die strikte Vorgabe eines Mittelwertes oder eines anderen Wertes nicht verändert; sie wird vielmehr gewahrt. Die Vorgabe eines solchen Einwertigkeitsmaßstabes bei Anerkennung der Bandbreite dürfte allerdings der einzige Anwendungsfall sein, wo sich bei einer Typisierung die Relationsgleichheit (noch) gewährleisten lässt. Allenfalls theoretisch mag es denkbar sein, dass beispielsweise identische oder vergleichbare Gegenstände immer nach einer konkret vom Gesetz vorgegebenen typisierenden Methode zu bewerten sind und somit die verschiedenen Steuerpflichtigen auch in der Relation gleich behandelt werden. In der Besteuerungsrealität sind solche Fälle freilich nicht zu finden. Das Steuerrecht greift nämlich nicht auf ein einheitliches „Bewertungssystem“ zurück. Es sieht vielmehr innerhalb einer einzigen Steuerart in der Regel differenziert nach (vergleichbaren) Bewertungsgegenständen mal die materielle Gleichheit, mal die formale Gleichheit und letztere ferner in unterschiedlichen Ausprägungen vor. Zum Teil bestehen auch Wahlrechte. Wir haben es also mit einem bewertungsrechtlichen „Mischsystem“ zu tun. Dies gilt insbesondere für das geltende Bewertungsrecht für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer: Der gemeine Wert als Ausdruck materieller Gleichheit bildet die Regel, Grundbesitz und unternehmerischen Einheiten werden jedoch – freilich in ganz verschiedener Weise und vor allem Intensität – im Sinne formaler Gleichheit vorgesteuert. Weniger intensiv ist die Vorsteuerung beispielsweise bei unternehmerischen Einheite nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 2 a.E. BewG (weitgehende Rezeption sozialer Verhaltensmuster). Besonders formal ist sie hingegen bei der Grundstücksbewertung. Hier tut sich das gleichheitsrechtlich relevante Differenzierungsdefizit auf. Es erfolgt eine Ungleichbehandlung zwischen den verschiedenen Gegenständen. Obwohl für alle Gegenstände ein Verkehrswert angesteuert wird (alle Rechtsanwendungsergebnisse liegen innerhalb der Bandbreite), ist die gleichheitsrechtlich verlangte Relation (!) in Bezug auf die Bandbreitengleichheit nicht mehr gewahrt. Dies führt zur gleichheitsrechtlichen Rechtfertigungsbedürftigkeit eines solchen Mischsystems. c. Schlussfolgerungen aus dem materiellen Gleichheitsverständnis als normativem Ausgangspunkt (insbesondere für § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG) Wenn für die Konkretisierung des gleichheitsrechtlichen Maßes die vorgefundene soziale Lebenswirklichkeit entscheidend ist, dann relativiert dies die gleichheitsrechtliche Relevanz der Unsicherheit erheblich. Die 368

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gleichheitsrechtliche Perspektive fokussiert sich auf die Randbereiche: Gleichheitsrechtlich ist es „nur“ relevant, diese soziale Wirklichkeit in ihrer Vielgestaltigkeit und insoweit vor allem als Bandbreite „einzufangen“, sie insbesondere abzugrenzen von Wertfindungen, die dort nicht mehr oder nicht ausreichend repräsentativ zu beobachten sind, die also außerhalb dieser Bandbreite liegen. Dass es die Bandbreite gibt und dass hieraus ein Wert bestimmt werden muss, ist hingegen kein gleichheitsrechtliches Probelm. Es ist sogar Ausfluss eines wirklichkeitsorientierten Gleichheitsverständnisses. Dies sehen wir vor allem an § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG, der auf der letzten Stufe seiner Bewertungshierarchie auf die beobachtbaren Verhaltensmuster in Ansehung der Bewertung von Unternehmen mit allen Un­ sicherheiten und Unwägbarkeiten rekurriert (siehe bereits ausführlich § 3 III. 2. b.). Wenn tatsächlich eine Verhaltensmusterpluralität zu beobachten ist, dann wird sie hingenommen. Die Bandbreite entsteht also nicht nur wegen der Unsicherheiten und Wertungsnotwendigkeiten bei Anwendung des Verhaltensmusters, sondern gerade auch deshalb, weil unter Umständen nicht nur ein Verhaltensmuster zu beobachten ist. Gleichheitsrechtlich gibt es hiergegen nichts zu erinnern. Diese normative Steuerungszurückhaltung („Offenheit“) des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG bedeutet mit ihrer Hinwendung zur sozialen Wirklichkeit im Lichte der materiellen Gleichheit sogar vielmehr den verfassungsnormativen Ausgangspunkt. Nach dem eingangs Gesagten geht es in Bezug auf § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG nur noch darum, diese soziale Wirklichkeit in einem ausreichend verlässlichen Maße in einer Bandbreite denkbarer Preise „einzufangen“. Ich sehe daher keinen Anlass, wegen dieser „wirklichkeitsoffenen“ Bewertungsvorgabe an der Gleichheitskonformität des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG oder anderer verkehrswertorientierter Bewertungsnormen, die ohne weitergehende Steuerung auskommen, zu zweifeln. Wenn man anerkennt, dass jeder Wert innerhalb der nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ermittelten Bandbreite „einen“ wahrscheinlich erzielbaren Preis abbildet und deshalb jeder Wert innerhalb dieser Bandbreite einen mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbaren Wert darstellt, dann muss es aus gleichheitsrechtlichen Gründen gleichgültig sein, welcher dieser Werte der Besteuerung zugrunde gelegt wird.1109 Die gleichheits1109 Aus diesem Grunde ist es auch (sowohl inhaltlich als auch verfassungsrechtsmethodisch) unrichtig, wenn zum Beispiel Annette Heilmann eine „Sollkonzeption zur verfassungskonformen Abbildung der erbschaftsteuerlichen Bereicherung“ entwickelt, dabei der Frage nachgeht, welche betriebswirtschaftliche Bewertungsmethode zur Erreichung des gemeinen Wertes geeignet ist und dazu unter anderem die verschiedenen Methoden gegeneinander abwägt, als Ergebnis die Er-

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rechtliche Vergleichsfunktion erfüllt jeder dieser denkbaren Preise. Es besteht deshalb auch insbesondere aus Gleichheitsgründen kein Anlass für eine der Vielfalt entgegenwirkende „Regel“. Dies ist freilich nicht unbestritten. Den Wert und damit die Höhe der Steuerschuld ein Stück weit dem Zufall zu überlassen und dies vor allem graduell bewusst noch weitergehender als dies bei der Anwendung des abstrakt-generellen Gesetzes auf den Einzelfall immer der Fall ist, ruft auch Skepsis bis Ablehnung hervor. So erkennt beispielsweise Hermann-Ulrich Viskorf zwar an, dass jeder Wert innerhalb der von § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG vorgesteuerten Bandbreite (wahrscheinlich erzielbarer Preise) den gemeinen Wert abbildet, erachtet es aber gleichwohl als gleichheitswidrig, wenn aus dieser Bandbreite heraus der dem Steuerpflichtigen günstigste Wert der Besteuerung zugrunde zu legen wäre. Ein solches ungebundenes Wahlrecht, so Hermann-Ulrich Viskorf, käme einer Besteuerung „auf Antrag des Steuerpflichtigen“ gleich und würde die Rollenverteilung zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigen auf den Kopf stellen. Es sei mit dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Be­ steuerung nicht zu vereinbaren.1110 Hieraus folgert er in verfassungskonformer Auslegung, dass unternehmerische Einheiten im Sinne einer Gleichbehandlung stets nur nach Maßgabe des vereinfachten Ertragswertverfahrens als Regelverfahren bewertet werden dürfen. Dies läuft auf ein Gleichheitsverständnis hinaus, was zum Ausgangspunkt die formelle Gleichheit im Sinne eines einzigen Verfahrens für alle (verschiedenen) Sachverhalte erklärt.1111 Hermann-Ulrich Viskorf argumentiert auf den tragswertmethode als die geeignete Methode herausstellt und diese Sollkon­ zeption schließlich mit § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG verprobt (A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Bewertungsmethoden im Erbschaftund Schenkungsteuerrecht, passim, insbesondere S. 164 ff.). Nicht nur, dass sie den maßgeblichen deskriptiven Ansatz (soziale Verhaltensmuster) übersieht, weil sie nicht der Frage nachgeht, was überhaupt den Preis in der Realität ausmacht, so ist es vor allem auch bereits die Fragestellung selbst, die in Ansehung der einfach-rechtlichen Ausgangslage, aber auch im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG unzutreffend ist. Sie trägt letztlich die Sollvorstellung in den Art. 3 Abs. 1 GG hinein, anstelle aus Art. 3 Abs. 1 GG die Frage heraus zu beantworten, was dieser bewertungsspezifisch überhaupt in Ansehung der Gleichheit aussagt und welche Grenzen er dem einfachen Recht zieht. 1110 H.-U. Viskorf, ZEV 2009, 591, 594 f. 1111 Dieses gleichheitsrechtliche Verständnis tritt ferner noch bei L. Hölzer, Die Bewertung von Anteilen an nicht notierten Kapitalgesellschaften nach § 11 Bewertungsgesetz, S. 160 zu Tage, der davon auszugehen scheint, dass der Methodenpluralismus und insbesondere auch Unterschiede selbst innerhalb einer Methode zu einer Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG führen. Jedenfalls postuliert er die gleichheitsrechtliche Forderung, dass ein „einheitliches, für alle Fälle dem Grunde nach gleich funktionierendes Verfahren festzulegen“ sei.

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ersten Blick „nur“ gegen ein „Meistbegünstigungsprinzip“ (dazu auch noch eingehend und vor allem mit wörtlicher Wiedergabe des hier nur indirekt wiedergegebenen Beitrages unter § 11 dieser Arbeit). Bei genauem Hinsehen rückt er jedoch die Wertvielfalt bzw. die damit verbundenen Spielräume in das Licht der Verfassungswidrigkeit. Letztlich begegnen uns hier nur aus neuem Anlass die tradierten Argumente, mit denen über Jahrzehnte das Stuttgarter Verfahren gegenüber betriebswirtschaftlichen Bewertungsgutachten verteidigt worden war.1112 Diesem Verständnis und der hieran anknüpfenden Argumentation ist jedoch mit der eingangs herausgestellten Erkenntnis, dass jeder Wert gleichheitskonform ist und es deshalb gleichgültig ist, welcher dieser Werte der Besteuerung zugrunde gelegt wird, zu widersprechen. Zu erinnern ist daran, dass nicht das Gesetz Spielräume eröffnet, sondern der Gesetzgeber eine entsprechende soziale Bewertungswirklichkeit vorfindet (siehe § 7 I. 2. a.). Entgegen Hermann-Ulrich Viskorf und den tendenziell ebenfalls in diese Richtung denkenden Autoren muss man anerkennen, dass die Offenheit von § 9 Abs. 1 BewG im Allgemeinen und § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG im Be­sonderen gerade ihre Stärken sind. Sie erlauben nämlich damit auf die Besonderheiten des konkreten Falls einzugehen, ohne jedoch damit den für die Vielzahl der Einzelfälle als gemeinsamen Nenner notwendigen Maßstab aufzugeben. Anstelle Ungleiches wider seiner Natur gleich zu formen, sollte man vielmehr die Chance erkennen, die darin liegt, aus dem Einzigartigen selbst wiederum einzelfallangemessene Regelbildung zu betreiben. Natürlich kommt die Rechtsanwendung nicht ohne Komplexitätsreduzierung aus. Auf dieses Dilemma jeder die soziale Wirklichkeit rezipierenden Bewertungsnorm wurde bereits hingewiesen (siehe § 5 IV. 2.). Aber sie muss einzelfallangemessen erfolgen und gerade dies ermöglichen die vorgenannten Normen. Entscheidet sich der Gesetzgeber für eine materielle Bewertungsgleichheit im vorgenannten Sinne, wirft dies allerdings eine (andere) staats1112 Zum Beispiel BFH v. 18.12.1968, III R 135/67, BStBl. II 1969, 370, 372. Der Bundesfinanzhof schien der „engen Steuerung“ des Stuttgarter Verfahrens vor allem deshalb anzuhängen, weil er sich hiervon gleichheitskonforme Ergebnisse versprach („Betriebswirtschaftliche Gutachten zur Unternehmensbewertung bieten [gegenüber dem Stuttgarter Verfahren] keine sicherere Grundlage für eine einheitliche Wertermittlung, da die Methoden der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung oft erheblich voneinander abweichen und zu großen Wertunterschieden führen können. Das Stuttgarter Verfahren ist zwar ein grobes, aber dafür für alle Unternehmen gleiches Schätzungsverfahren, […]“); in diesem Geiste ferner C. Jahndorf, StuW 1999, 271, 276; J. Werndl, DStJG 7 (1984), S. 399, 414; siehe zu der „gleichheitsrechtlichen Verteidigungsargumentation“ des Bundesfinanzhofs im Übrigen noch eingehender unter § 9 II. 2.

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rechtliche Folgefrage auf, nämlich in Bezug auf die Freiheitsrechte des Steuerpflichtigen: Unter § 5 I. ist bereits darauf hingewiesen worden, dass aus der normtheoretischen Erkenntnis, dass es eine Bandbreite vertretbarer Werte gibt, noch keine staatsrechtlichen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Entscheidungskompetenz gezogen werden können. Wenn der Gesetzgeber die bandbreitenrelevanten Entscheidungen und die Einwer­tigkeitsentscheidung nicht selbst trifft, dann verlangt die materielle Gleichheit zwangsläufig nach einer Regelung, die einem der Ak­ teure (Steuerpflichtiger, Gericht, Behörde) für diese (Wertungs-/Wahl-) Entschei­dungen die Letztentscheidungskompetenz zuweist. Mit der materiellen Gleichheit im Sinne der normativen Anerkennung und Maßgeblichkeit sozialer Bewertungsverhaltensmuster geht also ein Kompetenzproblem einher.1113 Ohne eine entsprechende Entscheidungskompetenz kann eine materielle Bewertungsgleichheit wegen der zwingenden Herauskonkretisierung eines einwertigen Rechtsanwendungsergebnisses zum Zweck der Quantifizierung einer konkreten Steuerschuld nicht funktionieren. Auf diese Frage wird im Rahmen der Freiheitsrechte zurückzukommen sein. Hier reicht erst einmal der Hinweis auf die innere Verbindung, die zwangsläufig zwischen Gleichheit und Freiheit entsteht und die letztlich einer Ausgestaltung bedarf. 3. Das rechtspraktische Problem: Die Feststellung von Bewertungs­ ungleichheit im Lichte der Bewertungsvielfalt a. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 und vom 7.11.2006 Das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – sei es konkretisiert durch erwirtschaftetes Einkommen oder durch transferiertes Einkommen, durch Konsum oder durch einen Vermögensbestand – verlangt nach alldem „nur“ Bandbreitengleichheit und mehr nicht. Wie deckt man aber bei einem solchen Ausgangspunkt ein Gerechtigkeitsdefizit auf? Es dürfte auf der Hand liegen, dass der Nachweis schwierig ist, wenn es keine naturgesetzliche Realität gibt, an die man anknüpfen kann, sondern anlässlich einer hypothetischen Veräußerung nur der Vergleich mit beobachtbaren Preisen oder – zum Teil mehreren einschlägigen – Verhaltensmustern in Ansehung der Preisbildung mög1113 Siehe für den vergleichbaren Kontext der unbestimmten Rechtsbegriffe auch BVerwG v. 2.4.2008, 6 C 15/07, BVerwGE 131, 41, 47 f.; H.-U. Erichsen, VerwArch 63 (1972), S. 337; K.-E. Hain, in: Festschrift f. Starck, S. 35, 42; F. Ossenbühl, DVBl. 1974, 309, 310; F. E. Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn. 39.

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lich ist. Deshalb ist es rechtspraktisch bisweilen sehr schwierig, eine Aussage darüber zu treffen, ob eine formale Steuerung der Bewertung zu einem Ergebnis führt, das innerhalb oder außerhalb der Bandbreite liegt, und dies deshalb, weil es gerade so schwierig ist, die Grenzen eben jener Bandbreite zu bestimmen. Gleichwohl finden wir – gerade bei Juristen – immer wieder klare Aussagen dahin gehend, dass ein bestimmtes Verfahren zu „zutreffenden“ Ergebnissen kommt bzw. umgekehrt, dass dies nicht der Fall sei. Dies gilt zum Beispiel für die Grundstücksbewertung, wo sich für die zwischenzeitlich überholte Rechtslage regelrechte Einmütigkeit zeigte bei der Aussage, dass die Grundbesitzwerte die realen Werte verfehlen.1114 Handelt es sich hierbei um Alltagswissen und Erfahrungen oder um empirisch belastbare Aussagen? Betrachten wir dazu zunächst die Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts sowohl im Einheitswertbeschluss zur Vermögensteuer vom 22.6.1995 als auch dem Erbschaftsteuerbeschluss vom 7.11.2006: In der Entscheidung des 2. Senats vom 22.6.1995 zur Einheitsbewertung anlässlich der Vermögensbesteuerung1115 stand die steuergesetzliche Wertermittlung für Grundbesitz im Mittelpunkt. Die Vermögensteuer wurde zwar konzeptionell als Sollertragsteuer erachtet, aber sie knüpfte an den Verkehrswert als Regelbewertungsmaßstab an (siehe bereits § 2 I. 4. und § 3 III. 4.). Für wirtschaftliche Einheiten, für die ein Einheitswert festzustellen war, waren diese festgesetzten Einheitswerte anzusetzen. Der Einheitswert des Grundbesitzes wurde dabei entweder nach dem Ertragswertverfahren oder dem Sachwertverfahren ermittelt. Der Ertragswert basierte auf der Vervielfältigung einer auf den 1.1.1964 zu ermittelnden Jahresrohmiete. Für das Sachwertverfahren war ein Gebäudewert zu ermitteln, dessen Grundlage die Herstellungskosten des Jahres 1958 waren, und der so ermittelte Gebäudewert war sodann auf die Baupreisverhältnisse zum 1.1.1964 umzurechnen. Die dergestalt auf den 1.1.1964 ermittelten Einheitswerte des Grundbesitzes waren den Vermögensteuerveranlagungen seit 1974 zugrunde zu legen. Danach erfolgten keine Feststellungen mehr. Der Gesetzgeber hielt zwar an dem Konzept weiterer (zeitnaher) Feststellungen fest, behielt aber den genauen Zeitpunkt einem besonderen Gesetz vor, welches allerdings nie erlassen wurde. Anstelle einer aktualisierten Wertfeststellung arbeitete das Gesetz vielmehr mit einem prozentualen Aufschlag auf den zum 1.1.1964 festgestellten Wert. So ordnete der mit dem Vermögensteuerreformgesetz vom 17.4.19741116 eingeführte § 121a BewG an, dass (unter anderem) der 1114 Nachweise sogleich im Text. 1115 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 1116 BGBl. I 1974, S. 949.

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Einheitswert des Grundbesitzes mit 140 v.H. des Einheitswertes zum 1.1.1964 anzusetzen ist. Andere Vermögensgegenstände wurden hingegen nicht dergestalt vergangenheitsorientiert bewertet, sondern unter Berücksichtigung gegenwartsorientierter Verkehrswerte. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bestünden erhebliche Wertverzerrungen zwischen den Grundstückswerten und diesen gegenwartsorientiert ermittelten Verkehrswerten für andere Vermögensgegenstände. Dies führe zu Belastungsungleichheiten. Es verweist dazu (unter anderem) auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesfinanzministerium von Februar 1989.1117 Dort wird zum einen bezogen auf das Jahr 1986 bemängelt, dass die Einheitswerte bei Grundstücken erheblich unter den Verkehrswerten lägen. Das Gutachten verweist hierzu auf eine Untersuchung des Bundesfinanzministeriums, die auf rund 50.000 Grundstückstransaktionen aus dem Jahre 1986 beruht.1118 Bei unbebauten Grundstücken soll die Untersuchung ergeben haben, dass die unbebauten Grundstücke (Einheitswert 1.1.1964 zuzüglich 40 %) lediglich 20 % des tatsächlich gezahlten Kaufpreises ausmachten. Für nach dem Ertragswertverfahren bewertete Grundstücke sollen die Einheitswerte im Durchschnitt weniger als 25 % des Kaufpreises und bei im Sachwertverfahren bewerteten Grundstücken weniger als 50 % des Kaufpreises ausgemacht haben. Bedauerlicherweise äußert sich das Gutachten nicht weitergehend zu der in Bezug genommenen Untersuchung, also insbesondere zum methodischen Vorgehen und den verwendeten Daten. Da mit Durchschnittswerten gearbeitet wurde, wäre es natürlich auch interessant zu wissen, wie die Einzelwerte ausgefallen und nach welcher Methode hieraus die Durchschnittswerte abgeleitet worden sind. Sollte die Finanzverwaltung jede Grundstückstransaktion zum Anlass genommen haben, den Transaktionsgegenstand nach Maßgabe der damit geltenden Vorschriften des BewG zu bewerten und diesen sodann mit dem vereinbarten Kaufpreis zu vergleichen, dann dürften sich durchaus empirisch belastbare Daten ergeben haben. Allerdings muss auch gesehen werden, dass der tatsächliche Kaufpreis nur einer von mehreren (denkbaren) Kaufpreisen (aus der Bandbreite) ist. Angesichts der Er­heblichkeit der Abweichung (freilich: nur) in Bezug auf die Durchschnittswerte dürfte dieser Aspekt hier aber zu vernachlässigen sein. Man wird aus der Abweichung wohl in der Tat auch auf die strukturelle Untauglichkeit und damit selbst unter Anerkennung einer Bandbreite auf die Gleichheitswidrigkeit des steuergesetzlichen Bewertungsverfahrens selbst schließen 1117 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 146. 1118 BMF, Die Einheitsbewertung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 13; siehe auch noch die Wiedergabe von Daten bei H. W. Kruse, BB 1989, 1349, 1351.

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dürfen. Freilich hätte man auch das „Warum“ zum Gegenstand einer empirischen Untersuchung machen können, was allerdings gewiss aufwendiger gewesen wäre. Der Bezugspunkt wäre aber korrekter gewesen, weil es hier unmittelbar um die Untauglichkeit des gesetzlich vorgegebenen Wertfindungsvorgangs geht: Hätte man die Vertragsparteien tatsächlicher Transaktionsvorgänge dahingehend befragt, wie der zwischen ihnen vereinbarte Preis zustande gekommen ist, wie also jeweils Käufer und Verkäufer ihre Grenzpreise gebildet haben, dann wäre bei lebensnaher Betrachtung bestimmt herausgekommen, dass niemand vergangenheitsorientiert auf den 1.1.1964 ermittelte, mit einem Aufschlag von 40 % versehene Werte zugrunde legt. Die strukturelle Untauglichkeit der damaligen Bewertungsvorschriften zur Abbildung eines Verkehrswertes wäre also unmittelbar dadurch aufgedeckt worden, dass sie das für Grundstücke im Allgemeinen bzw. die jeweilige Grundstücks­art im Besonderen tatsächlich beobachtbare Verhaltensmuster in Ansehung der Preisbildung noch nicht einmal im Ansatz abbildeten. Kommen wir zum Erbschaftsteuer-Beschluss vom 7.11.2006: Auch dort attestierte das Bundesverfassungsgericht wiederum der Grundstücksbewertung gleichheitsrechtliche Defizite.1119 Die Bewertungsrechtslage hatte sich im Verhältnis zum Beschluss vom 22.6.1995 allerdings zwischenzeitlich geändert. Mit Gesetz vom 20.12.19961120 war ein neuer vierter Abschnitt (§§ 138 bis 150 BewG) in das Bewertungsgesetz eingefügt worden. Betrachten wir dazu jedoch nur die bebauten Grundstücke: § 146 BewG sah hierfür ein vereinfachtes Ertragsverfahren dahingehend vor, dass die in den letzten drei Jahren vor dem Besteuerungszeitpunkt durchschnittlich erzielte Jahresmiete bzw. im Fall der Selbstnutzung die übliche Miete mit einem Einheitsvervielfältiger von 12,5 multipliziert wurde. Ferner sah das Gesetz eine Alterswertminderung (0,5 % für jedes Jahr, aber höchstens 25 %, § 146 Abs. 4 BewG) sowie einen Zuschlag für Ein- und Zweifamilienhäuser vor (20 %, § 146 Abs. 5 BewG), so dass sich (wohl) rechnerisch eine Vervielfältiger-Bandbreite von 9,375 bis 15 ergab.1121 Als Mindestwert galt das Produkt von Bodenrichtwert und Grundstücksfläche. Schließlich sah § 147 Abs. 7 BewG eine Öffnungsklausel vor: Ein niedrigerer Wert war festzustellen, wenn der Steuerpflichtige nachwies, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger als der nach den § 147 Abs. 2 bis 6 BewG ermittelte Wert ist.

1119 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 45 ff. 1120 BGBl. I 1996, 2049. 1121 N. Weinmann, ZEV 1997, 41, 46 f.

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Das Bundesverfassungsgericht erkennt an, dass es „keinen absoluten und sicher realisierbaren Marktwert, sondern allenfalls ein Marktwertniveau, auf dem sich mit mehr oder weniger großen Abweichungen vertretbare Verkehrswerte bilden, [gibt]“. Dabei geht der Senat von einer Streubreite von plus/minus 20 % der Verkaufspreise für ein und dasselbe Objekt aus. Die Begründung, dass und warum dieser Rahmen überwiegend verfehlt wird – das Bundesverfassungsgericht konstatiert, dass „die Einzelergebnisse auch in erheblicher Anzahl zwischen weniger als 20 % und 100 % des gemeinen Wertes [differieren]“ –, erfolgt mittels mehrerer Anknüpfungspunkte: Dass bebaute Grundstücke in großer Zahl unter dem gemeinen Wert bewertet werden, sei bereits ohne empirische Untersuchungen bei einem Vergleich mit den Verfahren zur Ermittlung des Verkehrswertes offenkundig. Diese Aussage kann durchaus als Bezugnahme auf die in der sozialen Wirklichkeit geübten Verhaltensmuster verstanden werden, wenn das Bundesverfassungsgericht sowohl die (sehr vereinfachende) Maklermethode als auch die sehr differenzierte Bewertungsmethode nach der (damaligen) Wertermittlungsverordnung heranzieht. Hieran anknüpfend würdigt das Bundesverfassungsgericht zum einen die Streuwirkung der herangezogenen Vervielfältiger (die letztlich die Kapitalverzinsung zum Ausdruck bringen) vergleichend. Zum anderen zeigt es vergleichend insbesondere aber auch auf, dass ein wichtiger Wertaspekt der real geübten Bewertungsmethoden die differenzierte Betrachtung nach Art des Grundstücks und nach regionaler Marktlage ist. Dieser Methoden vergleichende Ansatz des Bundesverfassungsgerichts stellt im Ausgangspunkt letztlich nichts anderes dar als der hier vertretene Verhaltensmuster vergleichende Ansatz; Ungleichheit wird damit durch strukturelle „Übungs-/Denkabweichungen“ begründbar. Die Anwendung dieses im Grunde zutreffenden Gedankens durch das Bundesverfassungsgericht weist selbst indes wenig empirische Absicherung auf. Er wird aber zumindest noch mittels empirischer Vergleichsuntersuchungen in Bezug auf die gesetzlichen Wertfindungsergebnisse mit beobachtbaren Kaufpreisen abgesichert. Mit anderen Worten: Empirisch werden nicht die Preisbildungsverhaltensmuster abgesichert, sondern die mit ihnen erzielten Ergebnisse. Hierbei stützt sich das Bundesverfassungsgericht vor allem auf eine Kaufpreisuntersuchung, bei der das Verhältnis von erbschaftsteuerlichem Grundbesitzwert und tatsächlich bezahltem Kaufpreis mit durchschnittlich 51 % ausgewiesen wird.1122 1122 Vergleichend („vgl.“) wird hierfür auf Moench, in: derselbe, ErbStG, § 12 Abschn. I Rn. 7a, Drosdzol, DStZ 2001, 689, 691 und einen Bericht der vom Bundesfinanzministerium eingesetzten Sachverständigenkommission Vermögensbesteuerung vom 29.5.2000 hingewiesen.

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Ich halte die Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts für geeignet, selbst unter Berücksichtigung von Bandbreiten gleichheitsrechtlich relevante Bewertungsungleichheiten aufzudecken. Es ist zwar vorzugswürdig, die Ungleichbehandlung mittels des empirischen Nachweises von Übungs-/Denkabweichungen und damit in Bezug auf den Bewertungsweg zu begründen. Aber hier taugt ausnahmsweise auch der Ergebnisvergleich. Begünstigt wurde dies durch die ohnehin vorhandenen Kaufpreissammlungen. Grundstücke mögen keine marktgängige Ware sein, aber es erfolgt zumindest eine nahezu umfassende Dokumentation der Kaufpreise und deshalb dürfte auch die Vermutung gerechtfertigt sein, dass die beurkundeten Preise den tatsächlich gezahlten Preisen entsprechen. Die maßgebliche soziale Wirklichkeit konnte daher zumindest mit dem Preis-Ergebnis verprobt und sodann zum Gegenstand eines Vergleichs auf Ergebnisebene gemacht werden. Anders sieht dies bei unternehmerischen Einheiten aus – gleich welcher Rechtsform, wenn man von börsennotierten Aktiengesellschaften einmal absieht. Kaufpreise sind hier typischerweise nicht dokumentiert. Auch bei diesem Bewertungsgegenstand erkannte das Bundesverfassungsgericht Defizite; so vor allem beim Betriebsvermögen1123: Dort fehle es an einer folgerichtigen Umsetzung der Belastungsentscheidung, weil die Übernahme der Steuerbilanzwerte eine Annäherung an den gemeinen Wert verhindere. Argumentativ setzt das Bundesverfassungsgericht die Behauptung an den Anfang, dass der gemeine Wert von Betriebsvermögen nach verschiedenen Methoden ermittelt werden könne und verweist dazu auf die Ertragswertmethode und die Discounted-Cashflow-Methoden. Dem stellt es § 109 Abs. 1 BewG mit der Übernahme der Steuerbilanzwerte und seinem Grundsatz der Einzelbewertung gegenüber. Es weist darauf hin, dass das nach den steuerlichen Vorschriften ermittelte Betriebsvermögen Ansatzwahlrechte (zum Beispiel gewill­ kürtes Betriebsvermögen) vorsehe, Aktivierungsverbote (selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter) enthalte und auch bei der Bewertung vielfach Wahlrechte (insbesondere: Sonderabschreibungen) gewähre. Dieser einzelwertorientierte Buchwertansatz habe regelmäßig zur Folge, dass der Steuerwert von ertragstarken Unternehmen „weit hinter dem gemeinen Wert zurückbleibt, weil der den Wert bestimmende Faktor des Ertrages keine Berücksichtigung findet (vgl. Spitzbart, [Das Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht, 2000], S. 79)“. Dies wirke überdies auch in die umgekehrte Richtung. So würde dies bei unrentablen Unternehmen zu einem höheren Wert als dem gemeinen Wert führen. 1123 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 38 ff.

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Hierbei wird wiederum auf die Untersuchung von Britta Spitzbart verwiesen. Sodann heißt es: „Die Unterschiede können eine große Spannbreite erreichen (vgl. z.B. Spitzbart, [Das Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht, 2000], S. 82, Rödder, DB 1993, 2137, 2139). Konkrete Feststellungen zu deren genauem Ausmaß sind dem Senat nach den Stellungnahmen der Beteiligten des Ausgangsverfahrens, der Äußerungsberechtigten und der sachkundigen Dritten sowie der Auswertung des Schrifttums zwar nicht möglich. Doch auch ohne empirisch ermittelte Datenbasis lässt sich der Umstand, dass die Bewertung mit Steuerbilanzwerten zu völlig uneinheitlichen Abweichungen der Steuerwerte vom gemeinen Wert führen muss, bereits aus den in der Systematik angelegten, je nach den Besonderheiten des einzelnen Betriebs und seiner Bilanzierung alternierenden Auswirkungen des Steuerbilanzwertes mit der erforderlichen Verlässlichkeit ableiten […]). Wir sehen hier eine andere Qualität der vergleichenden Argumentation als beim Grundbesitz. Dies ist der eingangs genannten Tatsache geschuldet, dass nicht auf bereits vorhandene, reale Transaktionspreise zurückgegriffen werden kann. Wenn das Bundesverfassungsgericht damit beginnt, dass das „Ertragswertverfahren unter Berücksichtigung des Substanzwertes (vor allem des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, […])“ den gemeinen Wert abbilde und hierzu auf die Rechtsprechung der Zivilgerichte verweist, so konzentriert es sich zwar zutreffend auf das Preisbildungsverhaltensmuster als Ausgangspunkt für einen Vergleich zur gesetzlichen Bewertung. Es fehlt aber die empirische Absicherung. Freilich schadet dies im konkreten Fall letztendlich nicht, weil das Ergebnis doch sehr eindeutig ist: Es durfte wohl zu Recht als gerichtsbekannt gelten, dass kein Mensch, der ein Unternehmen kaufen will, dieses wie beschrieben mit den Steuerbilanzwerten bewerten würde. Selbst derjenige, der den Substanzwert mehr betont als den Ertragswert, wäre gegenüber steuer­ lichen Buchwerten mehr als nur skeptisch, die wegen ihrer zum Teil lenkungs­ orientierten Ausrichtung noch nicht einmal theoretisch den Anspruch erheben, eine realitätsnahe Wertaussage für das Einzelwirtschaftsgut zu treffen (siehe zur Aussagekraft von Buchwerten bereits § 3 III. 3. b. ee]). In dem Tenor, den die Würdigung der Betriebsvermögensbewertung prägt, fährt das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Bewertung von nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften fort.1124 § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F. verlangte eine Bewertung unter Berücksichtigung von Ertrag und Substanz und die Finanzverwaltung konkretisierte dies mit1124 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 59 ff.

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tels des sog. Stuttgarter Verfahrens (siehe bereits § 1 III. 3. a. und dann noch weiterführend § 9 II. 2.). Als Übergewinnmethode ermittelte es den Unternehmenswert ausgehend von seinem Vermögenswert und addierte den im Ertragsanteil zum Ausdruck kommenden Mehrwert, der darauf beruht, dass das zu bewertende Unternehmen Gewinne über den Normalgewinn hinaus erwirtschaftet (sog. Übergewinne), hinzu. Da der Vermögenswert für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.1993 mittels Übernahme der Steuerbilanzwerte ermittelt wurde (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG a.F.), sah sich das Bundesverfassungsgericht in der Lage, seine Ungleichheitsargumentation zum Betriebsvermögen auf die Bewertung von Kapitalgesellschaften zu übertragen – dies insbesondere gerade auch deshalb, weil es den Einfluss des Ertragswertes auf den Gesamtwert als gering eingestuft hat und somit der Steuerbilanzansatz auch hier als prägend angesehen worden war. Es schließt mit der Aussage, dass diese Erkenntnis in der Literatur unbestritten sei. Blicken wir schließlich auf die Bewertung von land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls gleichheitswidrig gewesen sein soll.1125 Nach § 141 Abs. 1 BewG a.F. umfasste der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft den Betriebsteil, die Betriebswohnungen und den Wohnteil; die Summe ihrer Werte bildete den land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzwert (§ 144 BewG a.F.). Da für die Betriebswohnungen und den Wohnteil wegen seiner Verweisung auf die Bewertung des Grundvermögens die dort bereits konstatierten Mängel ebenfalls gelten mussten, galt die verfassungsrechtliche Betrachtung nunmehr im Wesentlichen der Bewertung des Betriebsteils. § 142 BewG a.F. ordnete insoweit eine Bewertung mit einem Ertragswert an. Da dieser Ertragswert schon strukturell nicht auf die Ermittlung eines Verkehrswerts angelegt war (also bewusst an der Bandbreite „vorbeisteuerte“), erkannte das Bundesverfassungsgericht schon in seiner Verwendung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit. Ungeachtet dessen monierte es aber auch, dass der land- und forstwirtschaftliche Grundbesitzwert im Durchschnitt lediglich 10 % des Verkehrswertes erreicht. In rechtstatsächlicher Hinsicht heißt es dazu: „Diese Verhältniszahl hat das Bundesministerium der Finanzen in der mündlichen Verhandlung vor dem vorlegenden Gericht bestätigt und in seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht anhand der im argarpolitischen Bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2001 dargestellten Erhebungen untermauert. Auch in der Literatur wird – soweit ersichtlich einhellig – von ihr ausgegangen (vgl. 1125 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 64 ff.

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Moench/Weinmann, ErbStG, § 13a Rn. 30; Engel, DStZ 2003, 75; derselbe, in: Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Kap. 96 Rn. 11).1126“ Hinzu kommt, dass die mit dem Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden hingegen zum vollen Erfüllungsbetrag in Abzug gebracht werden konnten, d.h. keine entsprechende Kürzung stattfand. Dies führte zu einem „überproportionalen Verrechnungs- und Begünstigungseffekt, durch den der Nettowert des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens im Vergleich zu dem mit dem gemeinen Wert bewerteten Vermögen weiter abgesenkt [wurde]“; durch einen Schuldenübergang konnnte sogar ein negativer Saldo entstehen, obwohl sich – es folgt wiederum eine rechtstatsächliche Behauptung – „bei Betrachtung der Verkehrswerte von Betrieb und Schulden ein positiver Saldo ergibt (vgl. Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Ernährungs- und agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2003, S. 127 Tabelle 38, wonach die Geldschulden durchschnittlich rund 16 % des aktiven Bilanzvermögens der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe betragen)“.1127 Für die Bewertung dieses Vorgehens gilt das bereits an anderer Stelle Gesagte sinngemäß: Der Ausgangspunkt für die Feststellung der Verfehlung des Verkehrswertes hätte auch hier die Frage sein müssen, ob der Rechtsverkehr bei der Bewertung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben so vorgeht, wie das Gesetz es tut, und zwar sowohl methodisch (Ertragswertmethode) als auch in Bezug auf die gesetzlich vorgegeben bewertungsrelevanten Daten und Informationen. Auch hier wäre die Frage im Anschluss an entsprechende empirische Erhebungen zum bewertungsrelevanten Verhaltensmuster für land- und forstwirtschaftliche Betriebe wohl zu verneinen gewesen. Das Bundesverfassungsgericht unternimmt (im Wesentlichen) keinen Vergleich der Denkwege, sondern der Ergebnisse, ohne allerdings in rechtstatsächlicher Hinsicht offen zu legen, wie seine Ergebnisse zustande gekommen sind. Die beiden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zeigen anschaulich die Schwierigkeiten in Bezug auf die Feststellung von Rechtstatsachen, derer es bedarf, um eine Verletzung des Bewertungsgleichmaßes nachzuweisen. Die Entscheidung vom 7.11.2006 hatte es dabei durchaus noch mit einer dankenswerten Ausgangssituation zu tun: Für Grundstücke existierten zumindest Kaufpreissammlungen und in Bezug auf Betriebsvermögen sowie Kapitalgesellschaftsanteile war der Steuerbilanz­ ansatz letztlich derart offenkundig realitätsfern, dass es wohl in der Tat 1126 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 65. 1127 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 66.

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keiner (weitergehenden) empirischen Absicherung bedurfte. Letztlich handelte es sich aber um eine theoretisch juristische, aus eigener Erfahrungsanschauung gewonnene Begründung. Es wäre im Lichte des Begründungsmusters des Bundesverfassungsgerichts, wonach eingangs der gemeine Wert mit den Ertragswertverfahren als Gesamtbewertungsmethoden in Verbindung gebracht und sodann der trotz Ertragsanteilkomponente die Bewertung prägende Steuerbilanzeinzelwert als strukturell ungeeignet entlarvt wird, sehr interessant gewesen, zu erfaren, wie es argumentiert und vor allem sich in Ansehung von empirischen Feststellungsmöglichkeiten verhalten hätte, wenn das Stuttgarter Verfahren in seiner Teilwertalternative zur Entscheidung gestanden hätte. Eine empirische Datenbasis sowohl in Bezug auf die Bewertungsübung als auch die hierbei in Abhängigkeit zu bestimmten Faktoren erzielten Kaufpreise wäre meines Erachtens (spätestens) dann unverzichtbar gewesen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein bewertungsspezifisches Gerechtigkeitsdefizit nur „theoretisch“ begründen lässt. Hier hätte die von der Norm (strukturell) zu verantwortende Verfehlung der Bandbreite denkbarer Preise nur dadurch begründet werden können, dass man den Nachweis erbringt, dass die Norm ein Bewertungsverhalten unterstellt/abbildet, das in der sozialen Wirklichkeit nicht zu beobachten ist – sei es in der grundsätzlichen Methodik (so der Ansatz zum Beispiel bei der Betriebsvermögensbewertung, wie sie der Entscheidung vom 7.11.2006 zugrunde lag: Es ist nicht zu beobachten, dass Menschen Steuerbilanzwerte zugrunde legen) oder in Bezug auf die Einzelaspekte (so der Ansatz bei der Bewertung bebauter Grundstücke: es ist nicht zu beobachten, dass Menschen starr einen Vervielfältiger von 12,5 zugrunde legen). Ob dieser Nachweis für das Stuttgarter Verfahren auf Teilwertbasis verallgemeinerungsfähig für alle Unternehmen gelungen wäre, bezweifele ich. Hier wäre wohl vielmehr eine differenzierte Betrachtung nach Art und Größe des Unternehmens angezeigt.1128 Daraus folgt zugleich: Unter der seit dem 1.1.2009 geltenden Rechtslage verschiebt sich die Verfassungsfrage zwangsläufig. Wenn das Gesetz in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG auf der letzten Stufe seiner Hierarchie die beobachtbaren Preisbildungsverhaltensmuster rezipiert, dann kann die materielle Norm selbst nicht mehr Grund und Anlass für eine Ungleichbehandlung in Ansehung der Bewertung und damit des Belastungserfolges sein. Für die Norm ist allein der Vergleich der Denkwege entscheidend und dies ist wegen der Verweisung insoweit gleichheitsrechtlich unan1128 Von einer Vereinbarkeit des Stuttgarter Verfahrens auf Teilwertbasis mit Art. 3 Abs. 1 GG geht auch R. Seer, ZRP 2007, 116, 118 aus.

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greifbar ausgestaltet worden. In dieser Situation darf man sodann auch keine Ergebnisse mehr vergleichen. Vor allem aber darf man die nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ermittelten Werte nicht mit Börsenkursen vergleichen (dazu nachfolgend noch b.). Der Fokus liegt daher bei Normen wie § 9 Abs. 1 BewG im Allgemeinen und § 11 Abs. 2 Satz 2 a.E. BewG im Besonderen gleichheitsrechtlich allein auf der Rechtsanwendungsebene. Die eingangs dieses Absatzes genannte Verschiebung äußert sich darin, dass der Rechtsanwendungsvorgang einen erheblichen Bedeutungszuwachs erlangt hat. Während das Stuttgarter Verfahren „anwenderfreundlich“ wenig Vollzugsprobleme aufwarf, muss das Verwaltungsverfahren auf dem Weg zur konkret-individuellen Rechtserkenntnis nunmehr einen gleichheitskonformen Umgang mit der realen Bewertungswirklichkeit gewährleisten (dazu vor allem § 7 II.). b. Vergleichsberechnungen in der betriebswirtschaftlichen und juristisch­en Literatur Das Bundesverfassungsgericht beruft sich vor allem auf das Schrifttum, wo vergleichende Bewertungsuntersuchungen in der Tat anzutreffen sind. Dies gilt insbesondere für die Bewertung von Unternehmen und dort vor allem im Hinblick auf das Stuttgarter Verfahren einerseits und andere „Werte“ und „Wertermittlungen“ andererseits. Seit dem 1.1.2009 ist der vergleichende Blick zum vereinfachten Ertragswertverfahren gewandert und es wird der Frage nachgegangen, ob und inwieweit seine Ergebnisse mit anderen „Werten“ übereinstimmen. Betrachten wir erst einmal beispielhaft und vorerst unkommentiert die nachfolgenden Bekundungen bzw. quantitativen Untersuchungen: Soweit ersichtlich, findet sich eine erste (verwaltungsnahe) Bekundung zu vergleichenden Bewertungen bei Max Troll, damals Ministerialrat im Bundesfinanzministerium. Er berichtet von im Jahr 1976 von verschiedenen Finanzämtern durchgeführten Probeberechnungen, bei denen in rund 200 Fällen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen, für die ein Börsenkurs oder ein Kaufpreis bekannt war, zugleich nach dem Stuttgarter Verfahren bewertet wurden.1129 Nach der Bekundung von Max Troll lagen in ca. der Hälfte der Fälle (52 %) der Kaufpreis bzw. Börsenkurs bis zu 50 % über oder unter dem Richtlinienwert. In 23 % der Fälle sollen Kaufpreis bzw. Börsenkurs zu 50 % bis 100 % über dem Richtlinienwert gelegen haben; in 11 % der Fälle mit derselben Abweichung unter dem Richtlinienwert. In 14 % der Fälle ergab sich eine Abweichung von mehr als 100 %. Eine 1129 Siehe M. Troll, Bewertung der GmbH-Anteile für die Vermögensteuer, S. 24.

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Trennung von Börsenkurs und außerbörslich vereinbartem Kaufpreis findet nicht statt; lediglich ergänzend bemerkte Max Troll, dass die Abweichungen insoweit „relativ gering“ gewesen seien.1130 Während Max Troll auf verwaltungsinterne Informationen zurückgreifen konnte, haben es verwaltungsexterne Untersuchungen naturgemäß schwer, die notwendigen Informationen zu beschaffen – sei es die notwendigen Informationen für das Stuttgarter Verfahren (die Teilwerte ergeben sich nicht aus frei zugänglichen Quellen), sei es die Kaufpreise für nicht börsennotierte Unternehmen. Hierin liegt auch der Grund für die zum Teil starke Fokussierung auf börsennotierte Unternehmen. In diesem Sinne verhält es sich beispielsweise mit der im Jahr 1984 veröffentlichten Untersuchung von Armin Schoenfeld, der für 60 börsennotierte Unternehmen den Börsenkurswert mit dem nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelten Wert vergleicht und dies für mehrere Stichtage.1131 Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Börsenkurswert regelmäßig über dem Wert nach dem Stuttgarter Verfahren liege. Im Durchschnitt übersteige der Börsenkurswert den Wert nach dem Stuttgarter Verfahren um ca. 50 %, wobei die Untersuchung allerdings nennenswerte Abweichungen zwischen Handelsunternehmen einerseits (Abweichung zwischen 1977 und 1981 in einer Spannbreite von 23 % bis 43 %) und Produktionsunternehmen (Abweichung im selben Zeitraum in einer Spannbreite von 70 % bis 115 %) andererseits konstatiert; hier dürfte sich die starke Betonung des Vermögenswertes auswirken. Armin Schoenfeld kommt letztlich zu dem Ergebnis, dass „der Hilfswert des Stuttgarter Verfahrens kein geeigneter Ansatz ist, den gemeinen Wert zu repräsentieren“.1132 Es folgen weitere Untersuchungen, deren Darstellung jedoch vorwegzuschicken ist, dass in Bezug auf ihre Vergleichbarkeit der Übergang vom Teilwertansatz zum Ansatz von Steuerbilanzwerten mit Wirkung zum 1.1.1993 (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes v. 25.2.19921133) zu bedenken ist. Da es mir an dieser Stelle indes nicht um die quantitativen Erkenntnisse geht, sondern die verschiedenen Untersuchungen vorrangig in Bezug auf ihre Vorgehensweise vorgestellt und später kritisch hinterfragt werden sollen, spielt dieser Aspekt praktisch keine Rolle. 1130 M. Troll, Bewertung der GmbH-Anteile für die Vermögensteuer, S. 24. 1131 A. Schoenfeld, WPg 1984, 425 ff.; nach seiner damals maßgeblichen Methodik sah das Stuttgarter Verfahren die Zugrundelegung des Vermögenswertes mit Teilwertansätzen vor; diese Teilwerte kann Armin Schönfeld nur durch Zuschläge zum Handelsbilanzwert schätzen. 1132 A. Schoenfeld, WPg 1984, 430. 1133 BGBl. I 1992, S. 297.

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Hierher gehört beispielsweise die Untersuchung von Kurt Göllert und Wilfried Ringling, die sie vor dem Hintergrund anstellen, dass nicht wenige gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln auf das Stuttgarter Verfahren verwiesen haben.1134 Sie vergleichen in mehreren Modellrechnungen, die sich in der Maßgröße „Substanz“, dem gewählten Kalku­ lationszinssatz und dem Einfluss von Wachstum unterscheiden, das Bewertungs­ ergebnis nach dem Stuttgarter Verfahren mit dem Bewertungsergebnis nach der Discounted-Cash-Flow-Methode. In Bezug auf letzteres ist insbesondere anzumerken, dass die Autoren abweichend von anderen Untersuchungen die Berücksichtigung der künftigen Erträge auf 15 Jahre deckeln.1135 Sie kommen zu dem Ergebnis, dass das Stuttgarter Verfahren je nach Szenario zwischen 1 % und 200 % des nach der Discoun­ted-Cashflow-Methode ermittelten Unternehmenswertes abbilde.1136 Das vorgenannte methodische Vergleichspaar liegt auch der – soweit ersichtlich – insoweit jüngsten Untersuchung von Jens Müller zugrunde. In einem 2007 veröffentlichten Aufsatz und später übernommen in seiner 2008 erschienenen Dissertation definiert er sechs Modellunternehmen und bewertet diese einerseits nach dem Stuttgarter Verfahren und andererseits nach dem Discounted-Cashflow-Verfahren.1137 Seine Modellunternehmen sind schlagwortartig wie folgt gekennzeichnet: 1. kleines Handwerksunternehmen, Kfz-Gewerbe mit fünf bis zehn Angestellten, 2. mittelgroßes Handwerksunternehmen, Metallbau mit zehn bis 20 Angestellten, 3. kleines Handwerksunternehmen, Feinmechanik mit fünf bis zehn Angestellten, 4. mittleres Unternehmen des verarbeitenden Gewer­bes mit einem Umsatz von unter 2,5 Mio. Euro, 5. mittleres Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor mit einem Umsatz von unter 2,5 Mio. Euro, 6. mittleres Unternehmen aus dem Maschinenbau mit einem Umsatz von unter 2,5 Mio. Euro. Die bewertungsrelevanten Daten entstammen jeweils allgemein zugänglichen Veröffentlichungen. Jens Müller gelangt bei seinem Vergleich zu einer durchgängigen „Unterbewertung“ durch das Stuttgarter Verfahren. Das Verhältnis dieses Wertansatzes zum mittels Discounted-Cashflow-Verfahren ermittelten Marktwert betrage bei den meisten Modellunternehmen zwischen 31 % 1134 K. Göllert/W. Ringling, DB 1999, 516 ff. 1135 K. Göllert/W. Ringling, DB 1999, 516, 517. 1136 K. Göllert/W. Ringling, DB 1999, 516, 517 f. 1137 J. Müller, FB 2007, 415 ff; derselbe, Unternehmensbewertung für substanzsteuerliche Zwecke, S. 36 ff.; das Discounted-Cashflow-Verfahren wird mit der Behauptung gewählt, dass es sich in Theorie und Praxis etabliert habe (J. Müller, a.a.O., 415, 418; derselbe, a.a.O., S. 33, dazu auch bereits § 1 III. 3. a.).

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und 42 %; lediglich bei dem Modellunternehmen „kleines Handwerksunternehmen, Feinmechanik mit fünf bis zehn Angestellten“ errechnet er ein Verhältnis von ca. 92 %.1138 Einleitend wurde bereits angedeutet, dass mit der Erbschaftsteuerreform zum 1.1.2009 das Interesse am Stuttgarter Verfahren – vor allem in seiner Steuerbilanzvariante – naturgemäß zurückgegangen ist. In den Fokus rückt nunmehr das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG). In einer 2011 gemeinsam veröffentlichten Untersuchung verfolgen Caren Sureth und Jens Müller1139 das Anliegen, die Frage zu beantworten, „inwieweit der Gesetzgeber mit [diesem Verfahren] eine Bewertung zum Marktwert erreicht“1140. In ihrer in Bezug auf das ausgewertete Datenmaterial (frei zugängliche Unternehmensdaten) beeindruckenden Untersuchung vergleichen sie hierzu drei Werte: den Steuerwert entsprechend dem Stuttgarter Verfahren, den Steuerwert nach Maßgabe der §§ 199 ff. BewG und einen „geeigneten Marktwert“. Dem bei der Anwendung der §§ 199 ff. BewG zu berücksichtigenden Mindestwert wird mangels konkreter Angaben über die stillen Reserven bei den von ihnen ausgewerteten Unternehmensdaten durch den Ansatz des bilanziellen Eigenkapitals Rechnung getragen. In einem ersten Schritt widmen sich Caren Sureth und Jens Müller börsennotierten Kapitalgesellschaften und vergleichen deren Steuerwerte mit deren Marktwert (= Börsenkurswert), um in Bezug auf diese Unternehmensgruppe Bewertungsunterschiede und -strukturen zu erkennen.1141 Die Motivation für diesen ersten Schritt liegt darin begründet, dass für diese Unternehmen ein „steuerlich akzeptierter“ Marktwert bekannt sei.1142 Als Ergebnis konstatieren sie eine „Fehlbewertung“. Die Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren führe zwar zu höheren Werten als nach dem alten Stuttgarter Verfahren. Die Fehlbewertung sei aber auch beim vereinfachten Ertrags1138 J. Müller, FB 2007, 415, 426; derselbe, Unternehmensbewertung für substanzsteuerliche Zwecke, S. 49. 1139 J. Müller/C. Sureth, zfbf Sonderheft 63/2011, S. 45 ff. Hinzuweisen ist ferner noch auf die Untersuchung von Gregor Dorfleitner, Franziska Ilmberger und Carmen Meyer-Scharenberg, die den nach Maßgabe der §§ 199 ff. BewG berechneten Unternehmenswerten abstrakt das Bewertungsergebnis, das nach einer Discounted-Cash-Flow-Variante ermittelt wird, gegenüberstellen (G. Drofleitner/F. Ilmberger/C. Meyer-Scharenberg, DBW 7 [2010], S. 1 ff.). 1140 J. Müller/C. Sureth, zfbf Sonderheft 63/2011, S. 45, 48. 1141 J. Müller/C. Sureth, zfbf Sonderheft 63/2011, S. 45, 53 ff., insbesondere S. 58 ff. 1142 Welche Aussagekraft dieser Börsenkurs hat, lassen die Autoren bewusst offen (J. Müller/C. Sureth, zfbf Sonderheft 63/2011, S. 45, 54 Fn. 37). Warum sie bei dieser steuerlichen Maßgeblichkeit des Marktwertes trotz § 11 Abs. 3 BewG den Wert des Unternehmens mit der Summe der Werte aller Aktien gleichstellen, erschließt sich allerdings nicht (dazu bereits § 3 III. 2. b. cc] [1]).

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wertverfahren nennenswert. Die Abweichung zur Marktbewertung (Börsenkurs) geben sie im Einzelnen wie folgt an: Eine Abweichung von maximal 20 % in Bezug auf den Marktwert1143 weisen lediglich 18,8 % der Fälle auf. Der Median der Unterbewertung liege bei 40 %.1144 Zudem weisen die Autoren auf eine erhöhte Streuung bei den Ergebnissen des vereinfachten Ertragswertverfahrens im Verhältnis zum alten Recht („größe­ re Ausreißer“) hin.1145 Die Ergebnisse ihrer Analyse für die börsennotierten Unternehmen bilden sodann die Basis für den zweiten Schritt: Sie übertragen – und dies ist im Vergleich zu allen vorangegangenen Unter­ suchungen neu – die in Schritt 1 gewonnen Erkenntnisse auf nicht börsennotierte Unternehmen.1146 Sie gehen davon aus, dass Ausmaß und Streuung der Fehlbewertung, die auf der Grundlage der Daten für börsennotierte Unternehmen erkannt wurden, erste Indizien für die Fehlbewertung nicht börsennotierter Unternehmen liefern.1147 Dies bedingt allerdings, dass sich die (bewertungsrelevanten) ökonomischen Merkmale der nicht börsennotierten Unternehmen und diejenigen der börsennotierten Unternehmen entsprechen. Mittels „Matching“ versuchen sie daher, in ihrem Datensatz börsennotierte und nicht börsennotierte Unternehmen zu identifizieren, die diesbezüglich vergleichbar sein sollen (hier Branche, Größe gemessen an Bilanzsumme und Umsatz und Abweichungen von beiden). Soweit ihnen dies gelingt, gelangen sie zu dem Ergebnis, dass die „mittlere Unterbewertung der nicht börsennotierten Unternehmen […] zwischen 5 und 15 Prozentpunkten über der vergleichbarer börsennotierter Unternehmen liegt“; zwischen Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen soll es im Mittel keine entscheidenden Unterschiede geben, aber bei letzteren sei die Streuung höher. Schlussendlich stellen sie fest, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren keine wesentliche Verbesserung im Verhältnis zum Stuttgarter Verfahren gebracht habe.1148

1143 Die 20 %-Fallgruppe ist angelehnt an die Äußerung des Bundesverfassungsgerichts zu den Grundstückswerten (BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 46). 1144 J. Müller/C. Sureth, zfbf Sonderheft 63/2011, S. 45, 79. 1145 J. Müller/C. Sureth, zfbf Sonderheft 63/2011, S. 45, 60. 1146 J. Müller/C. Sureth, zfbf Sonderheft 63/2011, S. 45, 66 ff. 1147 J. Müller/C. Sureth, zfbf Sonderheft 63/2011, S. 45, 66. 1148 J. Müller/C. Sureth, zfbf Sonderheft 63/2011, S. 45, 79 (auch für die vorstehende prozentuale Ergebnisangabe).

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Fassen wir nach alledem zusammen: – Die Erkenntnisse der vorgenannten Untersuchungen laufen jedenfalls für das Stuttgarter Verfahren auf eine gängige These hinaus, nämlich seine Neigung zur teilweise deutlichen Unterbewertung und zwar dort, wo ein Unternehmen über wenig Substanz, aber hohe Ertragspotentiale verfügt.1149 – Dem vereinfachten Ertragswertverfahren wird ebenfalls eine (strukturelle) „Fehlbewertung“ attestiert. Die Frage ist jedoch, ob die vorgenannten quantitativen Aussagen sowohl rechtlich als auch rechtstatsächlich geeignet sind, eine gleichheitsrechtlich relevante Fehlbewertung zu begründen. Dazu muss meines Erachtens differenziert werden: Der Vergleich mit den Börsenkursen ist schon aus normativen Gründen ungeeignet für den rechtspraktischen Nachweis einer Bewertungsungleichheit im Verhältnis von börsennotierten und nichtbörsennotierten Unternehmen. Diese Ungeeignetheit lässt sich jedenfalls bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer letztlich auf den Belastungsgrund selbst zurückführen, der nämlich den die Bereicherung ausmachenden Tauschwert als Leistungsfähigkeitssteigerung erfassen will. Diejenigen, die den Börsenkurs als „richtigen“ Wert betrachten und ihn (deshalb) mit den methodisch ermittelten Werten vergleichen, übersehen, dass der Börsenkurs für die Konkretisierung des gemeinen Wertes deshalb (zumindest als Wertuntergrenze) maßgeblich ist, weil er eine berechtigte und mit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit versehene Realisierungserwartung verkörpert. Auf diesen Aspekt habe ich bereits unter § 3 III. 2. b. cc) (1) hingewiesen. Dort habe ich ebenso auch schon festgestellt, dass es wegen der berechtigten Erlöserwartung überhaupt nicht darauf ankommt, ob der Börsenwert die „Wertwirklichkeit trifft“, wie sie durch die soziale Bewertungswirklichkeit repräsentiert wird. Dass der Börsenkurs dies tut, wird man sogar bezweifeln müssen. Er existiert als gesicherte Vermögensrealisierungschance und dies allein ist entscheidend. Wenn man den Börsenkurs für einen Vergleich zur Aussagekraft der Wert­ ermittlungsmethoden bemüht, vergleicht man daher Äpfel mit Birnen (auf der einen Seite [in etwa] garantierter Mindestverkaufspreis [Börsenkurs] und auf der anderen Seite soziale Preisfindungsverhaltensmuster). 1149 Dies behaupten auch andere Autoren, wenngleich nur die wenigsten ihre quantitativen Daten offenlegen, so dass eine Prüfung nicht möglich ist (siehe zum Beispiel M. K. Binz/M. H. Sorg, BB 1987, 1996, 1997; N. Herzig/R. M. Ebeling, AG 1989, 222).

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Man kann einer Wertermittlungsmethode daher nicht wegen des mit ihr ermittelten Ergebnisses eine Fehlbewertung im Verhältnis zu Börsenkursen mit gleichheitsrechtlicher Relevanz attestieren. Schon aus diesem Grunde kann ich daher vor allem der Untersuchung von Caren Sureth und Jens Müller keinen Erkenntnisgewinn in Bezug auf die verfassungsrechtlich notwendige Rechtstatsachenforschung entnehmen. Anders verhält es sich insoweit mit den Untersuchungen, die dem Stuttgarter Verfahren bzw. dem vereinfachten Ertragswertverfahren eine andere modellgestützte Bewertung gegenüberstellen. Ihnen kann gewiss nicht von vornherein ein gleichheitsrechtlich unzutreffender Ansatz attestiert werden. Ihr Problem liegt nicht auf dem normativen, sondern dem empirischen Feld. Wer zwei Verfahren miteinander vergleicht und einem Verfahren die Eigenschaft zuspricht, dass es einen (modellgestützt abgeleiteten) wahrscheinlich erzielbaren Preis abbildet, muss meines Erachtens zuerst begründen, dass die jeweils zum Vergleich gewählte modellgestützte Bewertung in dem unter § 5 III. 1. beschriebenen (Mindest-) Maße die soziale Wirklichkeit abbildet.1150 Betrachtet man die von Jens Müller in seiner Untersuchung aus den Jahren 2007/2008 definierten Modellunternehmen, ist ein solcher empirischer Nachweis dringend geboten. Denn es kann mitnichten als empirisch gesichert zugrunde gelegt werden, dass die beiden kleinen Handwerksunternehmen (5-10 Angestellte), aber auch das mittelgroße Handwerksunternehmen (10-20 Angestellte) in der sozialen Wirklichkeit von etwaigen Erwerbern und Verkäufern mittels der Discounted-Cashflow-Methode unter Zugrundelegung einer unendlichen Erfolgsbetrachtung bewertet werden. Bereits in der Einleitung zu dieser Untersuchung habe ich betont, dass ich nicht über gegenteiliges empirisches Datenmaterial verfüge und es auch nicht das Ziel dieser Arbeit ist, die empirische Grundlagenarbeit zu leisten. Gleichwohl dürfte sich die Nachweisnotwendigkeit aufdrängen. Es sind nämlich gerade solche Unternehmen, bei denen es wegen der starken Inhaberprägung nicht als selbstverständlich gelten kann, dass die Substanz keine Rolle bei der Kaufpreisfindung spielt und eine Vergütung in die Unendlichkeit oder zumindest auf 15 Jahre1151 projizierter künftiger Ge1150 Deshalb greift auch die Kritik von C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 151 u. S. 311 an dem Vorgehen von Jens Müller zu kurz, wenn Christoph Löffler allein bemängelt, dass hier die Ergebnisse eines Schätzverfahren mit den Ergebnissen eines anderen Schätzverfahren verglichen werden. Wenn das Vergleichsschätzverfahren der tatsächlichen Übung entsprechen sollte, so bringt es einen Wert hervor, der als Verkehrswert und damit als gleichheitskonform anzusehen ist. Allein darauf kommt es an. 1151 So die Prämisse bei der Anwendung des Discounted-Cashflow-Verfahren bei K. Göllert/W. Ringling, DB 1999, 516, 517.

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winne erfolgt (siehe auch bereits § 1 III. a. und c.). Überhaupt stellen die Untersuchungen wegen ihrer starken Fixierung auf einen Vergleich mit einem ertragsorientierten Verfahren nicht die Frage, ob in der sozialen Wirklichkeit gegebenenfalls ein (wie auch immer verstandener) Sub­ stanzwert für etwaige Erwerber und Veräußerer einen Mindestwert des Unternehmens verkörpert und es bis zu diesem Mindestwert beispielsweise unter dem erbschaft- und schenkungsteuerlichen Bereicherungs­ aspekt des „Tauschwerts“ gleichgültig ist, welche Aussage sich aus den künftigen Erträgen ableiten lässt. Die vorstehenden Überlegungen können auf den ersten Blick wenig Konstruktives beitragen. Sie sind insoweit destruktiv geprägt, als lediglich begründet wird, wie Bewertungsungleichheit rechtspraktisch nicht festgestellt werden kann bzw. welche Rechtstatsachen fehlen, um zu einer belastbaren Aussage zu gelangen. Konstruktiv ist die Kritik jedoch insoweit, als sie im Anschluss an die Ausführungen unter § 5 III. 1. und § 5 IV. 2 zeigt, wie dringend erforderlich die Erhebung von Rechtstatsachen in Bezug auf das reale Bewertungsverhalten von Menschen ist. Solange die empirische Absicherung dahingehend fehlt, wie sich Verkäufer und Erwerber bei ihrer Preisfindung auch wirklich verhalten, ist der Vergleich aussagelos. Die Untersuchung von Caren Sureth und Jens Müller zeigt anschaulich das Dilemma einer solchen Rechtstatsachenforschung: Außer Börsenkursen und handelsbilanziellen Kennzahlen sind kaum Daten und Informationen in breiter und verlässlicher Masse verfügbar. An anderer Stelle ist dies bereits angeklungen und hier kann es nur noch einmal betont werden: Diese empirische Grundlagenarbeit kann letztlich nur unter Rückgriff auf die bei der Finanzverwaltung vorhandenen Daten und Informationen geleistet werden. Sie ist die einzige Institution, die überhaupt in der Lage ist, bei Unternehmenstransaktionen ausgehandelte Kaufpreise systematisch zu erfassen. Hieran sollte ein empirisches (Rechtstatsachen-) Forschungsprojekt anknüpfen (siehe § 5 IV. 2. sowie ferner noch § 7 II. 2. d.). 4. Zulässigkeit und Grenzen formaler Bewertungsgleichheit a. Typisierende Bewertung Unter § 7 I 2. b. wurde bereits auf die im Bereich der Bewertung häufig anzutreffende Typisierung hingewiesen. Die mit der formalen Gleichheit einhergehende Vernachlässigung der im konkreten Einzelfall vorzufindenden Individualität stellt, sobald sie die Grenzen der Schematisierung überschreitet, nach zutreffender, hier auch ohne weitere Diskussion zu389

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grunde gelegter Ansicht eine Ungleichbehandlung dar1152 und wird damit zu einer Rechtfertigungsfrage. Für die Bewertung gilt dies indes nicht uneingeschränkt. Auch hier erfolgen Typisierungen. Dies geschieht bei der Bewertung vor allem durch die Vorgabe bestimmter Bewertungsmodelle (Denkwege) und die Standardisierung von Bewertungsparametern. Gleichwohl muss im Anschluss an die Konkretisierung der Ungleich­ behandlung unter § 7 I. 2. b. für die weitere gleichheitsrechtliche Wür­ digung differenziert werden: Erstens, kann der Gesetzgeber ein Er­gebnis normativ vorsteuern, das sich innerhalb der Wertrealität (beobachtbare Preisbildungsverhaltensmuster), also innerhalb der Verkehrswertbandbreite hält. Hiermit ist eine Ungleichbehandlung nur dann verbunden, wenn für andere Gegenstände keine oder eine andere Steuerung erfol­gt (bewertungsrechtliches Mischsystem). Zweitens, kann der Gesetzgeber für bestimmte Gegenstände ein Ergebnis normativ vorsteuern, das sich außerhalb der Bandbreite materieller Gleichheit befindet. Der Gesetzgeber steuert mit der Bewertungsnorm also einen Wert an, der kein Abbild der sozialen Wirklichkeit ist, während andere Gegenstände allerdings mit eben jenem Tauschwert eine Bewertung erfahren. In beiden Fällen ist die Relation zu anderen Gegenständen nicht gewahrt und es kommt zu einer Ungleichbehandlung, die es zu rechtfertigen gilt. Insoweit unterscheiden sie sich nicht. Bei der konkreten Rechtsgüterabwägung kann diese Unterscheidung jedoch relevant werden. Denn die rechtfertigungsbedürftige Differenzierung innerhalb der Verkehrswertbandbreite hat nicht die gleiche gleichheitsrechtliche Qualität wie die Ungleichbehandlung, die mit einem Wertansatz außerhalb dieser Bandbreite einhergeht. Die Rahmenbedingungen für Typisierungen sind in Rechtsprechung und Literatur bereits hinreichend abgesteckt worden1153: Der bei der Rechtfertigung der typisierungsbedingten Ungleichbehandlung anzulegende Prüfungsmaßstab ist bereits angeklungen. Es ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Schutzgut, auf welches diese Prüfung zu beziehen ist, ist dabei der Gerechtigkeitsgehalt und verfassungsfeste Eigenwert einer gleichmäßig sachgerechten Lastenverteilung. Eine unsachgerechte oder inkonsistente Regelung ist nur hinzunehmen, wenn dies zur Verwirkli-

1152 Siehe zur Diskussion statt vieler J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 159 ff.; S. Huster, Rechte und Ziele, S. 257 ff. mit Nachweisen auch zur Gegenauffassung. 1153 Statt vieler R. Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, S. 75 ff.; J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 159 ff.; S. Huster, Rechte und Ziele, S. 245 ff.; L. Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze, S. 39 ff.

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chung anderer Rechtsprinzipien erforderlich und angemessen ist.1154 Das Bundesverfassungsgericht bringt diese Anforderungen für die Typisierung regelmäßig wie folgt zum Ausdruck: Die gesetzliche Typisierung darf nicht an einem atypischen, nicht realitätsgerechten Fall als Leitbild ausgerichtet sein. Ferner müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen.1155 Die gängigen, allesamt zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen legitimen – sich teilweise inhaltlich überschneidenden – Typisierungszwecke wurden bereits genannt: Vollzugsvereinfachung, Praktikabilität unter besonderer Berücksichtigung des Massenvollzugs, Ressourcenschonung, Rechtssicherheit, präventive Fehlervermeidung. Alle diese Zwecke sind selbst wiederum verfassungsrechtlich fundiert. Keinen legitimen Zweck stellt hingegen der bloße Fiskalzweck im Sinne einer Steigerung staatlicher Einnahmen dar. Er muss außen vorbleiben.1156 Für die übrigen Prüfungsstufen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist es angesichts der Vielgestaltigkeit, mit der formale Gleichheit normativ in Erscheinung tritt, schwierig, allgemeine und vor allem sowohl Verkehrswert als auch Steuerarten übergreifende Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Grenzen einer Bewertungstypisierung zu machen. Gleichwohl dürften hier folgende Aspekte zu nennen sein: Relevant ist das Ausmaß der Ungleichbehandlung. Dies betrifft zum einen das sachliche Ausmaß (Intensität) und läuft damit auf die Frage hinaus, ob die formale Gleichheit ein Ergebnis innerhalb oder außerhalb der Bandbreite ansteuert und wenn Letzteres der Fall ist, wie die Abweichung quantitativ zu beurteilen ist. Zum anderen würdi­gt das Bundesverfassungsgericht das Ausmaß auch in persönlicher Hinsicht, wenn es danach fragt, ob „nur“ vereinzelt, in besonders gelagerten Fällen, (relativ) selten, gelegentlich etc. eine Ungleichbehandlung auftritt.1157 Das Zusammenwirken von sachlicher und persönlicher Auswirkung der Ungleichbehandlung mündet letztlich in der vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Orientierung an der Durchschnittswirklichkeit, am „typischen Fall“. 1154 Siehe zur Verhältnismäßigkeit als Prüfungsmaßstab bei Ungleichbehandlungen J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 82 ff.; derselbe, in: Festschrift f. Lang, S. 167, 196 ff.; S. Huster, Rechte und Ziele, S. 369 ff,. insbesondere S. 382 ff.; U. Kischel, AöR 124 (1999), S. 174, 189 ff.; L. Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 18 ff. jeweils mit Nachweisen zur Diskussion. 1155 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 31; v. 21.6.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, 182 f.; v. 15.1.2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, 30. 1156 BVerfG v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210. 1157 Die Begriffe variieren, siehe dazu mit Nachweisen S. Huster, Rechte und Ziele, S. 275 f.

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Sachliches und persönliches Ausmaß stehen dabei in einer beweglichen Wechselbeziehung. Je größer die Abweichung von der Bandbreite ist, umso geringere Anforderungen werden an die persönliche Breitenwirkung gestellt werden. Umgekehrt können kleinere Abweichungen die Abwägung nicht bestehen, wenn sie auf breiter Front auftreten.1158 Weitere Differenzierungen, die ebenfalls hierzu wechselbezüglich sind, lassen sich in Bezug auf das praktische Auftreten der Bewertungsfragen anstellen: Ist die Bewertung Teil eines Massengeschäfts (zum Beispiel Sachzuwendungen als Arbeitslohn) oder muss sie vielmehr in Bezug auf singuläre Ereignisse (Erbschaften und Schenkungen …) und hiermit eng verbunden auf die Art des Bewertungsgegenstandes (… von unternehmerischen Einheiten) gesehen werden? Schließlich wird die Verhältnismäßigkeit stark dadurch beeinflusst, ob und inwieweit sich der Steuerpflichtige der formalen Gleichheit entziehen kann. Angesprochen ist damit die Existenz eines „Ventils“. Als allgemeines Ventil in diesem Sinne fungiert vor allem die grundsätzliche (wenngleich gegebenenfalls an bestimmte Anforderungen gebundene) Möglichkeit – je nach rechtstechnischer Ausgestaltung – aus der Typisierung heraus oder in sie hinein zu optieren.1159 Schließlich ist ein verfassungsrechtlich relevanter Punkt die Anpassung bzw. Anpassungsfähigkeit in Bezug auf den abzubildenden „typischen Fall“. Bedient sich der Gesetzgeber typisierender, formaler Gleichheit und gestaltet er sie in Bezug auf die Entwicklung der Lebenswirklichkeit nicht „dynamisch“ aus, muss er seine Typisierungsvorgaben „unter Kontrolle“ halten. Der Gesetzgeber hat eine Beobachtungs- und Anpassungspflicht in Bezug auf die Gleichheitskonformität seiner gesetzlichen Bewer­tungsvorgaben. In den Einheitswertbeschlüssen spricht das Bundesverfassungsgericht deutlich aus, dass der Gesetzgeber es nicht auf sich beruhen lassen darf, wenn sich die steuererheblichen Bewertungsergebnisse bedingt durch die Vorgaben der Bewertungsnorm auseinander 1158 Siehe hierzu und zu dem Vorstehenden exemplarisch BVerfG v. 9.2.1982, 1 BvL 6/78 u.a., BVerfGE 60, 16, 50 f.; BVerfG v. 15.10.1985, 2 BvL 4/83, BVerf­GE 71, 39, 50; BVerfG v. 20.3.2001, 1 BvR 491/96, BVerfGE 103, 173, 194. 1159 Siehe vor allem auch BFH v. 5.5.2004, II R 45/01, BStBl. II 2004, 1036, 1038: Für die Erbbrauchrechtsbewertung hat der II. Senat § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG a.F. i.V.m. § 146 Abs. 7 BewG entsprechend angewendet (d.h. Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes, obwohl das Gesetz dies für Erbbaurechte nicht vorsah), um zu verhindern, dass der sich nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG ergebende Wert des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks gegen das Übermaßverbot verstößt (im Streitfall lag der nach § 148 Abs. 1 BewG ermittelte Wert um das dreifache über dem Verkehrswert). Ob das Übermaßverbot hier freiheitsrechtlich aktiviert oder ob es hier in Bezug auf die gleichheitsrechtlichen Grenzen der Typisierung bemüht wird, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen.

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entwickeln und hiernach das Bewertungsgleichmaß nicht mehr erreicht wird.1160 Dies zeigen beide der vorgenannten Beispiele anschaulich: Sowohl der Kapitalisierungszinssatz als auch die sonstigen beobachtbaren Bewertungsdaten (zum Beispiel bei der Grundstücksbewertung) müssen regelmäßig beobachtet und stichtagsnah angepasst werden. b. Gleichheitsrechtliche Würdigung des sog. vereinfachten Ertragswert­ verfahrens (§§ 199 ff. BewG) Betrachten wir im Anschluss an die allgemeinen Ausführungen exem­ plarisch das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG): In seiner Grundkonzeption nimmt der Gesetzgeber mit diesem Verfahren die Entwicklung in der Zivilrechtsprechung auf, die in den letzten vierzig Jahren zunehmend das investitionstheoretische Barwertkalkül für die Bewertung von Unternehmen herangezogen hat; auch der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts im Erbschaftsteuerbeschluss dürfte sich hier ausgewirkt haben (siehe bereits § 1 III. 3.). Der hier verfolgte legitime Zweck steht nicht außer Zweifel: „[Das vereinfachte Ertragswertfahren] soll“, so die Begründung des Finanzausschusses, „die Möglichkeit bieten, ohne hohen Ermittlungsaufwand oder Kosten für einen Gutachter einen objektivierten Unternehmens- bzw. Anteilswert auf der Grundlage der Ertragsaussichten zu ermitteln“.1161 Die Typisierung erfolgt in den §§ 199 ff. BewG nicht nur in methodischer Hinsicht (also in Bezug auf das Verhaltensmuster), sondern auch in Bezug auf Detailfragen und vor allem die bewertungsrelevanten Daten/Informationen. So wird beispielsweise der zu kapitalisierende Ertrag aus Vergangenheitswerten entwickelt. Diese dienen hier also nicht nur der Plausibilisierung einer Prognose, sondern werden unmittelbar zur Ausgangsbasis eines Wertes, der eine Aussage über die Zukunft enthalten soll (müsste). Dieser Vergangenheitserfolg ist zudem nicht unter dem Gesichtspunkt finan­zieller Verfügbarkeit definiert worden, sondern bildet eine – um bestimmte außerordentliche Einflüsse berei­nigte – (Betriebs-) Vermögensver­ änderung im handels-/steuerbilanziellen Sinne ab. Der Ertragsteueraufwand wird hierbei typisiert berücksichtigt. Ferner werden die Zinssätze typisiert vorgegeben. Der Basiszins ist aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abzuleiten, wobei auf den Zinssatz abzu1160 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 136; zur Beobachtungsund Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers im Allgemeinen ferner BVerfG v. 18.12.1968, 1 BvL 12/6, BVerfGE 25, 1, 12 f.; v. 8.8.1978, 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, 130; v. 16.3.2004, 1 BvR 1778/01, BVerfGE 110, 141, 158. 1161 Bericht des Finanzausschusses v. 26.11.2008, BT-Drucks. 16/11107, S. 22.

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stellen ist, den die Deutsche Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten jeweils auf den ersten Börsentag des Jahres errechnet (§ 203 Abs. 2 Sätze 1 f. BewG). Dem dergestalt ermittelten Basiszinssatz ist ein Risikozuschlag hinzuzurechnen (§ 203 Abs. 1 BewG). Er wird vom Gesetz fix mit 4,5 % vorgegeben. Bevor das Leitbild mit der sozialen Wirklichkeit verglichen werden kann, muss die Ausgangsfrage sein: Wie sieht der „typische Fall“ aus, den der Gesetzgeber mit den §§ 199 ff. BewG erfassen will? Die Gesetzesbegründung schweigt hierzu. Zum Anhaltspunkt könnte man das gewählte ertragswertorientierte Barwertkalkül nehmen, also zum typischen Fall denjenigen erklären, der in der sozialen Wirklichkeit auch mit dieser Methodik identifiziert wird. Dies scheint auf den ersten Blick insoweit stimmig, als die §§ 199 ff. BewG überhaupt nur zur Anwendung kommen können, wenn eine ertragswertorientierte Bewertung nach dem Barwertkalkül in der sozialen Wirklichkeit bezogen auf das konkrete Bewertungsobjekt seine Bestätigung findet (zu dieser Anwendungsvoraussetzung bereits § 3 III. 2. c. cc] [4]). Allerdings muss man sich dann fragen, welche Unternehmen für die Vereinfachung verbleiben. Zum einen ist an die bereits unter § 3 III 2. c. cc) (4) gewonnene Erkenntnis zu erinnern, dass die §§ 199 ff. BewG nicht anwendbar sind, wenn die soziale Bewertungswirklichkeit für bestimmte Unternehmen die künftigen Erträge zeitlich (gleich auf welche methodische Weise dies verwirklicht wird1162) nur beschränkt vergütet und auch Substanzwertgesichtspunkte berücksichtigt werden. Sollte sich dies empirisch nachweisen lassen, fallen viele kleinere, aber auch nicht wenige mittlere Unternehmen bereits aus dem Anwendungsbereich heraus. Zum anderen ist zu berücksichtigen, inwieweit die §§ 199 ff. BewG bei Konzernstrukturen Anwendung finden können. Unter § 3 III 2. c. cc) (4) habe ich bereits angemerkt, dass der Gesetzgeber diesbezüglich erheblich vom beobachtbaren Verhaltensmuster (auch) konzeptionell abweicht, weil er nämlich bei Konzernstrukturen eine Einzelbewertung jeder selbständigen Einheit anordnet (obwohl Anlass für die Bewertung der Erwerb der Anteile an der Konzernmutter ist) und es deshalb aus konzeptionellen Gründen zu einer Verfeh1162 Siehe auch nochmals zum unendlichen Rentenmodell bei § 1 III. 3. a.: Der Nichtvergütung künftiger Erträge ab einem bestimmten Zeitpunkt (zum Beispiel ab dem sechsten Jahr) kann zum einen durch die Befristung des Ertragswertmodells erfolgen, kann aber auch im Modell der unendlichen Rente abgebildet werden, wenn nur der Kapitalisierungszinssatz hoch genug angesetzt wird – sei es insgesamt oder zumindest für die unendliche Phase. Das Problem der §§ 199 ff. BewG ist also letztlich die Kombination von unendlicher Rente und einem – bei derzeitigem Kapitalmarktniveau – zu niedrigen Einheitszins mit der Folge, dass die unendliche Phase im Ergebnis ein (zu) starkes Gewicht erlangt.

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lung des Gesamtbewertungsziels kommen kann. Sollte sich herausstellen, dass gerade deshalb die größeren, in der Regel vom Betriebsinhaber unabhängigen und damit für das unendliche Rentenmodell empfänglicheren Unternehmen wegen der dort häufiger als bei kleineren Unternehmen anzutreffenden Konzernstrukturen überhaupt nicht nach den §§ 199 ff. BewG bewertet werden dürfen (siehe auch diesbezüglich bereits § 3 III 2. c. cc] [4]), so reduziert dies die „Unternehmenstypen“, für die §§ 199 ff. BewG nicht zu einem „offensichtlich unzutreffenden Ergebnis“ kommt, noch weitergehend. Hier ist natürlich vieles im Konjunktiv formuliert und die Beantwortung dieser Fragen kann letztlich nur durch eine empirische Untersuchung herbeigeführt werden. Die Problematik dürfte aber deutlich geworden sein: Es ist bereits schwierig, den „typischen Fall“, dessen Anwendung im Einzelfall die §§ 199 ff. BewG „vereinfachen“ wollen und der damit zur Maßgröße wird, zu identifizieren. Unterstellen wir nachfolgend, dass es Unternehmen gibt, für die eine Ertragswertbewertung und das unendliche Rentenmodell mit einem Zinssatz, der eine Vergütung auch von mittel- bis längerfristigen Zukunftserträgen unterstellt, „typisch“ sind und dass diese Unternehmen auch diejenigen sind, für die eine Anwendung der §§ 199 ff. BewG möglich ist. Dies führt zu einem weiteren, unter dem Aspekt des „typischen Falls“ gemessen an der sozialen Wirklichkeit kritisch zu würdigenden Punkt, nämlich die wohl zu starke Orientierung an einem investitionstheoretischen Ansatz. Zur Beobachtung sozialer Verhaltensmuster gehört nämlich auch, wie sich Umwelt-, insbesondere Finanzbedingungen auf Unternehmenswerte auswirken. Die Frage ist also, ob es für ein Unternehmen, wie das konkret zur Bewertung anstehende, tatsächlich beobachtbar ist, dass Menschen anlässlich der Preisfindung einem Unternehmen mehr oder weniger Wert beimessen, je nachdem wie sich die Alternativrendite für (nahezu) risikolose Anlagen entwickelt. Diese Überlegung ist vor dem Hintergrund der Entwicklung des Basiszinssatzes zu sehen, wobei nachfolgend die jeweils zum Jahresbeginn von der Deutschen Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten ermittelten langfristig erzielbaren Renditen aus öffentlichen Anleihen zugrunde gelegt werden1163:

1163 Siehe ergänzend noch M. Hinz, BFuP 63 (2011), S. 304, 310 ff., der die Ergebnisschwankungen auch noch nach Maßgabe der tagesaktuellen (und nicht lediglich auf Stichtag des § 203 Abs. 2 Sätze 1 f. BewG) berechnet.

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4.1.2010 = 3,98 %1164 3.1.2011 = 3,43 %1165 2.1.2012 = 2,44 %1166 2.1.2013 = 2,04 %1167 Für das unter § 3 III 2. c cc) (4) bereits definierte Bewertungsbeispiel würde dies bedeuten, dass sich zu den genannten Stichtagen folgende Unternehmenswerte (nach Maßgabe der §§ 199 ff. BewG) ergeben bzw. ergeben hätten: 4.1.2010 = 3.499.272 Euro (Kapitalisierungsfaktor = 11,79) 3.1.2011 = 3.742.648 Euro (Kapitalisierungsfaktor = 12,61) 2.1.2012 = 4.276.888 Euro (Kapitalisierungsfaktor = 14,41) 2.1.2013 = 4.538.072 Euro (Kapitalisierungsfaktor = 15,29) So richtig diese Vorgehensweise aus investitionstheoretischer Sicht auch sein mag, so sehr bezweifele ich, dass eine nennenswerte Anzahl von Unternehmenserwerbern bei der Preisfindung solche investitionstheoretischen Erwägungen anstellt; vor allem bei einem kleineren oder mittleren Unternehmen dürfte die These, dass es aufgrund einer Veränderung des Zinsniveaus im beschriebenen Sinne nunmehr „wertvoller“ geworden ist, nicht viel Zuspruch finden. Dies gilt insbesondere in Ansehung der noch (2013) unsicheren Wirtschaftslage in Europa und auch der übrigen Welt. Man muss sich vor Augen führen, dass in Rezessionsphasen die Unternehmen wegen der Referenzgrößen (Basiszinsatz) aus außersteuerlichen Gründen antizyklisch höher bewertet werden.1168 Die Preissteigerung von 2010 auf 2013 soll in meinem Beispiel (theoretisch) immerhin bei 1.038.800 Euro liegen. Dies entspricht fast 30 %. Es dürfte sich letztlich nicht empirisch nachweisen lassen, dass Zinsstrukturdaten in diesem Ausmaß Einfluss auf die Preisfindung haben. Erst dort, wo ein Unternehmen ein reines Investitionsobjekt ist und der Investor über alternative Anlagen reflektiert, wird das Konzept stimmig und hat zu-

1164 BMF v. 5.1.2010, BStBl. I 2010, 14. 1165 BMF v. 5.1.2011, BStBl. I 2011, 5. 1166 BMF v. 2.1.2012, BStBl. I 2012, 13. 1167 BMF v. 2.1.2013, BStBl. I 2013, 19. 1168 B. Welling/M. Wünnemann, Beilage zu FR 11/2009, 1, 10; ebenfalls kritisch M. Jülicher, in: Troll/Gebel/derselbe, ErbStG, § 12 Rn. 261; T. Kohl/J. König, BB 2012, 607.

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Das verfassungsrechtlich geforderte Bewertungsgleichmaß

mindest insoweit die Chance auf eine Deckung mit der sozialen Wirklichkeit. Bleiben wir aber im Folgenden in dem investitionstheoretischen Modell verhaftet: Die Vorgehensweise des Gesetzgebers ist in Bezug auf den einmal eingeschlagenen Weg zumindest insoweit nachvollziehbar, soweit es die Ableitung des Basinszinsatzes betrifft: Wenn man unterstellt, dass dem aus 15-jährigen Anleihen abgeleiteten Zins über diesen Zeitraum hinaus (zur Erinnerung: den §§ 199 ff. BewG liegt kein auf 15 Jahre befristetes Kalkül, sondern das ewige Rentenmodell zugrunde) eine typisierende Aussagekraft innewohnt, dann lässt sich zumindest eine vertretbare Typisierung in Ansehung der Laufzeitäquivalenz annehmen.1169 Warum dieser Zinssatz sodann aber für das gesamte Jahr festgeschrieben wird, obwohl er börsentäglich verfügbar ist, erschließt sich nicht und vor allem auch nicht unter Berücksichtigung des Vollzugs-/Vereinfachungszwecks.1170 Beim Basiszinssatz besteht allerdings zumindest noch „Vereinheitlichungspotential“. Anders sieht dies beim Risikozuschlag aus. Gleich, welche Risiken man dort abbilden will, so lässt sich eine gewisse Individualität naturgemäß nicht wegdefinieren. Selbst die Befürworter des CAPM müssen ihre marktorientiert gewonnenen Zwischenergebnisse mittels eines Betafaktors noch anpassen und sei es auch nur „branchenorientiert“. Insoweit verwundert es nicht, dass die Risikokomponente nur sehr eingeschränkt für typisierungsfähig gehalten wird und dies jedenfalls nicht (kumulativ) Rechtsform, Größen, Struktur und Branchen übergreifend.1171 Nach alledem lässt sich ohne empirische Absicherung keine abschließende Aussage dazu treffen, ob sich das vereinfachte Ertragswertverfahren in das Gesamtkonzept einer Bewertung nach dem Verkehrswert als Ausdruck der sozialen Bewertungswirklichkeit noch vertretbar einfügt. Ob das nach Maßgabe der §§ 199 ff. BewG ermittelte Ergebnis einen solchen Verkehrswert abbildet oder – dies dürfte die realitätsnähere Fragestellung sein – ob es sich zumindest noch in vertretbarer Nähe zu solchen Preisen befindet, wie sie sich unter realen Bedingungen in der 1169 M. Hinz, BFuP 63 (2011), S. 304, 311. 1170 Zu Recht kritisch W. Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 218; C. Gerber/J. König, BB 2010, 349; M. Hinz, BFuP 63 (2011), S. 304, 310 ff.; K.-D. Koschmieder/N. Herrmann, in: Festschrift f. Spindler, S. 661, 673 f.; M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 93 f. 1171 R. Landsittel, ZErb 2009, 11, 13; W. Schulte, FR 2008, 341, 346; R. Seer, Ubg 2012, 376, 379; siehe auch schon die Kritik des Bundesrates in seiner Stellungnahme v. 15.2.2008, BT-Drucks. 16/8547, S. 6.

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sozialen Wirklichkeit bilden, kann hier deshalb nicht beantwortet werden. Hier geht es (wiederum) nur darum, aufzuzeigen, anhand welcher Kriterien diese Würdigung vorzunehmen ist und diesbezüglich kann an die bereits unter § 7 I. 3. herausgestellte Erkenntnis angeknüpft werden: Wenn – wie hier – die Diskrepanz zur sozialen Bewertungswirklichkeit relevant ist, weil § 11 Abs. 2 BewG diese als gleichheitsrechtlichen Bewertungsausgangspunkt vorgibt, dann ist nicht auf einen Wertergebnisvergleich abzustellen, sondern es sind vielmehr die „Denkwege“ vergleichend zu würdigen. Erforderlich ist ein konzeptioneller Vergleich zwischen den das „Typische“ abbildenden realen Verhaltnsmustern einerseits und der normativen Methodik mit ihren Prämissen nebst ihrer bewertungsrelevanten Daten andererseits. Insoweit wurden vorstehend Ansatzpunkte genannt, die kritisch durch empirische (deskritpive) Untersuchungen gewürdigt werden müssen. Unterstellt man – vorbehaltlich der empirischen Absicherung –, dass die Typisierungskritik am vereinfachten Verfahren berechtigt ist und die §§ 199 ff. BewG wegen ihrer Starrheit die Gefahr in sich tragen, die soziale Wirklichkeit zu verfehlen, so erlangt der Aspekt seiner Anwendbarkeit und vor allem seiner Vermeidbarkeit besondere verfassungsrechtliche Relevanz. Insoweit ist zu differenzieren: Die Vermeidbarkeit betrifft die Perspektive des Steuerpflichtigen. Sie wird vor allem dadurch geprägt, dass der Zugang zum vereinfachten Ertragswertverfahren als Option ausgestaltet ist (so die herrschende und auch hier vertretene Ansicht, siehe § 3 III 2. c. cc] [4]), wobei die Option freilich voraussetzt, dass auch die reale Bewertungsübung im konkreten Fall durch ein ertragswertorientiertes Verhaltensmuster gekennzeichnet ist; anderenfalls kommen die §§ 199 ff. BewG schon überhaupt nicht zur Anwendung und die Frage nach einer Option aus den §§ 199 ff. BewG heraus stellt sich schon gar nicht. Erinnert sei aber noch einmal an die Ansicht von Hermann-Ulrich Viskorf, demzufolge das vereinfachte Ertrags­wertverfahren wegen der ansonsten bestehenden Spielräume aus rechtsstaatlichen/gleichheitsrechtlichen Gründen die Regel sein müsse (§ 7 I. 2. b.). Seine Ansicht eliminiert immerhin eines der beiden verfassungsrechtlich notwendigen Ventile. Damit verbliebe lediglich die Negativ-Anwendungsvoraussetzung des „nicht offensichtlich unzutreffenden Ergebnisses“ als weiteres – freilich nicht als Wahlreht ausgestaltetes, aber doch zumindest vom vereinfachten Ertragswertverfahren ipso iure „befreiendes“ – Ventil. Bei § 3 III. 2. b. cc) (4) habe ich festgehalten, dass hierfür keine quantitative, in prozentualer Abweichung zum Ausdruck kommende Betrachtung maßgeblich ist, sondern eine strukturelle. Not398

Das verfassungsrechtlich geforderte Bewertungsgleichmaß

wendig ist die Feststellung einer Abweichung des vereinfachten Ertragswertverfahrens von sozialen Verhaltensmustern, die ihrer Logik nach (im Allgemeinen) zu einer Verfehlung des Bewertungsziels führen muss. Nur wenn man dieses Korrektiv im Spiegel der sozialen Bewertungswirklichkeit handhabt, kann es verfassungsrechtlich ausreichend sein. Die hier vertretene Auslegung ist dann nicht nur gemessen am Regelungskonzept des Gesetzgebers stimmig, sondern wäre überdies dann auch verfassungsrechtlich zwingend. Mit Blick auf die oben angestellten Vergleichsberechnungen sei hier allerdings am Rande angemerkt, dass dieses Korrektiv („offensichtlich unzutreffendes“ Ergebnis) damit eine erhebliche „Breitenwirkung“ entfalten kann. Betrachten wir dazu – vorbehaltlich des als Mindestwert natürlich immer maßgeblichen Substanzwertes – beispielsweise die zuvor beschriebene Wechselwirkung zwischen allgemeinem Zinsniveau und Unternehmenswert: In Niedrigzinsphasen steigt der vereinfachte Ertragswert und sofern die soziale Bewertungswirklichkeit nicht eine entsprechende „Wertbewegung“ ebenfalls abbildet, müsste man wohl zu dem Ergebnis kommen, dass dann das vereinfachte Ertragswertverfahren ab einer bestimmten – abstrakt natürlich nicht quantifizierbaren – Diskrepanz droht, aus strukturellen Gründen im Regelfall zu „offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen“ zu führen, und somit praktisch unanwendbar zu werden. Verfassungsrechtlich ist dieses Ergebnis hinnehmbar, wird dadurch ja gerade dem Art. 3 Abs. 1 GG genügt: Der Steuerpflichtige fällt im Regelungssystem des Gesetzgebers zurück auf die dritte Stufe des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG und damit auf eine unmittelbar an der sozialen Wirklichkeit orientierte Bewertung. In rechtspolitischer Hinsicht offenbart es jedoch die gerade wegen ihrer Diskrepanz zur sozialen Wirklichkeit mangelnde Durchdachtheit des vereinfachten Ertragswertverfahrens bzw. genau genommen: seiner Zinskomponente. Nicht weniger gewichtig ist die gleichheitsrechtliche Perspektive aus Sicht der übrigen Steuerpflichtigen. Die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, zur Vermeidung einer „zu hohen“ nicht realitätsgerechten Bewertung den Weg des individuellen Bewertungsgutachtens nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG zu gehen, ist die eine Seite der Medaille. Dies führt auf der anderen Seite zu der Frage, ob und inwieweit es hingenommen werden kann, dass die §§ 199 ff. BewG zu einer wertmäßig nach unten vom in § 11 Abs. 2 BewG konkretisierten Maßstab abweichenden Wertermittlung gelangen. Die vorstehenden Ausführungen gelten insoweit entsprechend. Die Auslegung des „offensichtlich unzutreffenden Ergebnisses“ im Sinne eines „Denkwegvergleichs“ schützt auch hier die §§ 199 ff. BewG vor einer zu großen Verfehlung der sozialen Bewertungs399

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wirklichkeit. Das Korrektiv des „offensichtlich unzutreffenden Ergebnisses“ würde nach hier vertretener Auslegung auch in diese Richtung eine strukturelle Verfehlung der sozialen Wirklichkeit verhinderen und damit in einen für Art. 3 Abs. 1 GG in der Gesamtwürdigung ausreichenden Rahmen an das „Typische“ zurückgeführt werden. Damit ist festzuhalten: Es existiert mit den §§ 11 Abs. 2, 199 ff. BewG ein vertretbar ausgestaltes Bewertungsregime. Es steuert im Ausgangspunkt verhaltensmusternah, setzt dabei nachvollziehbar zuvorderst auf den Börsenkurs und die Ableitung aus Verkäufen und im Übrigen auf materielle Gleichheit durch die Rezeption des realen Bewertungsverhaltens und flankiert dies mit einem stark formalisierten Ertragswertverfahren, um die Bewertungskosten abzufangen, die anderenfalls mit der Verwirklichung der materiellen Gleichheit (Bewertungsgutachten) einhergehen würden. Das vereinfachte Ertragswertverfahren hat zwar erheb­ liche Konstruktionsschwächen und es trägt deshalb in nicht zu vernachlässigendem Maße die Gefahr in sich, die soziale Bewertungswirklichkeit übermäßig zu verfehlen. Aus Sicht des Steuerpflichtigen ist dies jedoch unbeachtlich, weil er aus den §§ 199 ff. BewG ohne weiteres herausoptieren kann. Aber auch aus der Perspektive einer „zu niedrigen Bewertung“ enthält das Gesetz einen Sicherungsmechanismus, wenn man das offensichtlich unzutreffende Ergebnis anhand eines Denkwegvergleichs konkretisiert und die §§ 199 ff. BewG immer dann für unanwendbar hält, wenn insoweit keine ausreichende Deckung mit der sozialen Bewertungswirklichkeit mehr gegeben ist. Dies betrifft insbesondere die anhand des Beispiels aufgezeigte Wechselwirkung zwischen Basiszins und Unternehmenswert. 5. Lenkung durch verschonende Bewertung Art. 3 Abs. 1 GG verlangt Belastungsgleichheit. Hierzu steht es im Widerspruch wenn beispielsweise bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer einzelne Vermögensgegenstände von der Besteuerung (teilweise) ausgenommen werden – sei es durch (teilweise) sachliche Steuerbefreiungen, einen abweichenden Steuersatz oder (bzw. bei kumulativen Ansätzen wie bei §§ 13a, 19 ErbStG a. F.: und) einer bewußten Verkehrswertunterbewertung, also einer Bewertung, welche die äußeren Grenzen der Wertbandbreite (hier: nach unten hin) nicht mehr wahrt (siehe bereits § 7 I. 2. b. bb]). Zu nennen sind ferner Stundungsvorschriften, die angesichts ihrer wirtschaftlichen Zins- und damit Entlastungswirkung ebenfalls eine Abweichung von dem Vergleichsmaßstab bedeuten. Von der verschonenden Unterbewertung zu unterscheiden ist die („lediglich“) vorsichtige 400

Das verfassungsrechtlich geforderte Bewertungsgleichmaß

Bewertung innerhalb der Verkehrswertbandbreite. Die Grenzen sind freilich fließend und schwierig zu fixieren. Unterstellen wir für die folgende Betrachtung eine Bewertungsnorm, die einen Wert außerhalb der Verkehrswertbandbreite ansteuert, die also nicht lediglich „vorsichtig“ konkretisiert, sondern bewußt verschont. Nicht anders als bei der Typisierung gilt auch hier, dass Ungleichbehandlungen nicht ausgeschlossen, aber rechtfertigungsbedürftig sind. Zwar suggeriert das Bundesverfassungsgericht gelegentlich einen großzügigen Prüfungsmaßstab.1172 Anlässlich der Rechtfertigungsprüfung lässt es in den meisten Fällen sodann aber gleichwohl nicht allein das Vorliegen eines sachlichen Grundes ausreichen. Vielmehr formuliert es als Anforderung, dass bei steuerlichen Lenkungsnormen insbesondere die Lenkungszwecke von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen, der Kreis der Begünstigten sachgerecht abgegrenzt und die Lenkungszwecke gleichheitskonform ausgestaltet sein müssen. Erforderlich sei deshalb, dass die Begünstigungswirkung ausreichend zielgenau und innerhalb des Begünstigtenkreises möglichst gleichmäßig eintrete.1173 Im Grunde läuft dies auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus und das auch zu Recht. Denn eine sachgerechte Lastenverteilung ist ein Wert an sich und sollte im Konflikt mit einem anderen verfassungsrechtlichen Interesse nicht allein dessen Sachgerechtigkeit weichen müssen.1174 Konzentriert man sich auf eine „verschonende Bewertung“, so findet man zumindest in Bezug auf die Anerkennung des die Verschonung tragenden Sachgrundes einen weitgehenden Konsens vor: So werden die Ausführungen in Kapitel § 8 noch zeigen, dass sich die (Ver-) Schonung illiquiden, häufig zugleich einer bestimmten Sozialbindung unterliegenden Sachvermögens durchaus freiheitsrechtlich fundieren lässt. Mit der Sozialpflichtigkeit ist darüber hinaus auch ein nicht allein auf die freiheitsrechtliche Perspektive fokussierbarer Belang genannt. So lassen sich für die Verschonung von Betrieben durchaus auch vom grundrechtsberechtigten Inhaber losgelöste volkswirtschaftliche Gründe anführen (Arbeitsplatzerhalt und Ähnliches). Damit ist ein Verschonungsanliegen 1172 Vgl. BVerfG v. 20.4.2004, 1 BvR 1748/99 u.a., BVerfGE 110, 274, 293; v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 31 ff., 69 f. 1173 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 31 f. 1174 D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernorm, S. 239 f.; J. Englisch, in: Festschrift f. Lang, S. 167, 206; J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 19 Rn. 76; S. Huster, Rechte und Ziele, S. 370 ff.; W. Schön, in: Festschrift f. Spindler, S. 189, 198; R. Seer, Ubg 2012, 376, 380; R. Wendt, NVwZ 1988, 778, 785; R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 219 ff., 244 ff.

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benannt, das selbst bei Anlegung strenger Kriterien einen legitimen Sachgrund bildet.1175 Erkennt man dies an und nimmt man sodann die Bewertungsebene als rechtstechnischen Ansatzpunkt für die Verschonung in den Blick, so führt dies zum bundesverfassungsgerichtlichen Postulat der „Zielgenauigkeit“. Diese Anforderung wird nicht selten als Frage der Geeignetheit verstanden1176 und dies dürfte auch dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts entsprechen, wenn man die Begründung betrachtet, mit der es in seiner Entscheidung zur Erbschaftsteuer vom 7.11.2006 dem Gesetzgeber den Weg zu „einer Verschonung durch Bewertung“ versperrt hat: „Stellt der Gesetzgeber […] schon bei der Bewertung als der notwendigen Verdeutlichung der nicht als Geldbetrag vorliegenden Gegenstände in einem Geldwert auf andere Bewertungsmaßstäbe ab, so löst er sich von seiner Belastungsgrundentscheidung und legt damit strukturelle Brüche und Wertungswidersprüche des gesamten Regelungssystems an. Es ist nicht erkennbar, dass diese notwendigerweise mit dem Gleichheitssatz kollidierenden Verwerfungen auf der Bewertungsebene in den weiteren Schritten zur Festlegung der Steuerbelastung korrigiert werden könnten. Sowohl Verschonungsregelungen wie beispielsweise Bewertungsabschläge oder Freibeträge auf der zweiten Ebene der Ermittlung der Bemessungsgrundlage als auch Regulierungen über den Steuersatz bauen auf der Bewertungsebene auf und schreiben einen dort angelegten Verstoß gegen das Erfordernis, die Werte in ihrer Relation realitätsgerecht zu ermitteln, fort. Zur Verfolgung außerfiskalischer Förderungs- und Lenkungsziele im Erbschaftsteuerrecht ist die Bewertungsebene daher aus verfassungsrechtlichen Gründen bereits vom Ansatz her ungeeignet. Ein regulierendes Eingreifen des Gesetzgebers mittels Differenzierungen beim Bewertungsmaßstab für bestimmte Vermögensgegenstände scheidet als gleichheitswidrig aus. Denn es ist nicht mit dem Erfordernis der gleichheitsgerechten Ausgestaltung des Lenkungszwecks ([…]) vereinbar. Der Versuch einer Lenkung auf der Bewertungsebene führt zu uneinheitlich vom gemeinen Wert abweichenden Bewertungsergebnissen und damit dazu, dass schon 1175 Statt vieler erst einmal nur BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1. Damit kommt es hier auch nicht auf die Frage an, ob der Sachgrund eine bestimmte „Wertigkeit“ aufweisen muss, dazu zum Beispiel einerseits D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernorm, S. 245 ff.: selbe Dignität wie das Leistungsfähigkeitsprinzip; dagegen andererseits H. Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 238 f.: nicht justiziabel und zu allgemein. 1176 So zum Beispiel M. Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG, S. 146 f.; M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 59; R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 245 ff.

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beim ersten Schritt der Ermittlung der Steuerbelastung darauf verzichtet wird, die Begünstigungswirkung den Begünstigungsadressaten möglichst gleichmäßig zugute kommen zu lassen. Dadurch werden zufällig und willkürlich eintretende Entlastungen bereits strukturell angelegt.“1177 Sollte man diese (überzeugende) Erkenntnis wirklich im Grundsatz der Geeignetheit verorten wollen, so würde man diesen Grundsatz hier allerdings weitaus strenger handhaben als im Übrigen und dies ohne Not. Meines Erachtens lässt sich der Gedanke der Zielgenauigkeit jedenfalls für den hier interessierenden Teilaspekt sachgerechter mit dem Anliegen der Erforderlichkeit verbinden. Die Frage nach der Zielgenauigkeit beinhaltet nämlich auch die Frage, ob es nicht ein Mittel gibt, dass das Ziel mit weniger Ungleichbehandlung ebenso erreichen kann1178 und diese Frage wird in einem vergleichbaren Kontext auch durchaus gestellt.1179 Dem liegt bereichsspezifisch für das Steuerrecht der überzeugende Gedanke zugrunde, dass eine Abweichung vom sachgerechten Prinzip leistungsfähigkeitsorientierter Lastenverteilung umso schwerer wiegt, wenn Handlungsalternativen mit geringerer Verwerfungswirkung bestehen und dies gilt insbesondere „intern“, also bezogen auf die Ausgestaltungsalternativen zur Erreichung des Verschonungsziels innerhalb des Einzelsteuergesetzes.1180 Deshalb ist bei der Erforderlichkeitsprüfung – na­ türlich unter Achtung der Prärogative des Gesetzgebers – einzustellen, dass der Verschonungszweck auch durch die bereits genannten „Lösungsansätze“, nämlich insbesondere objektive Steuerbefreiungen und 1177 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 40; anders noch BVerfG v. 22.6.1995, BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 136; dagegen aber schon damals K. Tipke, GmbHR 1996, 8, 10, R. Seer, StuW 1997, 283, 286, die die Messfunktion der Bemessungsgrundlage von der Belastungsfunktion des Steuertarifs unterscheiden und daran zweifelten, ob sich eine fehlerhafte und ungleiche Bemessungsgrundlage durch unterschiedliche Steuersätze korrekt ausgleichen läst. 1178 Siehe zur gleichheitsrechtlichen Erforderlichkeit mit diesem Prüfungsprogramm im Allgemeinen M. Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, S. 63; ob und inwieweit eine Erforderlichkeitsprüfung innerhab des Art. 3 Abs. 1 GG überhaupt möglich ist, ist freilich nicht unbestritten (hierfür statt vieler nur v. Arnim, VVDStRL 39 [1981], S. 286, 328 f.; J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 19 Rn. 76; M. Kloepfer, a. a. O.; R. Wendt, NVwZ 1988, 778, 785). 1179 Zum Beispiel wenn ein Vorrang der Direktsubvention vor der steuerlichen Verschonung angenommen wird (siehe zum Beispiel J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 113; B. Spitzbart, Das Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht, S. 205); vgl. auch H. Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 245, der überzeugend ausführt, dass und warum die steuerliche Lenkung (umgekehrt) kein milderes Mittel im Verhältnis zur direkten Subvention ist. 1180 D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernorm, S. 241.

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auch steuerschuldrechtliche Ansätze (vor allem: Stundungsregelungen) verwirklicht werden kann. Diesen Gedankengang kann man meines Erachtens auch in dem vorstehenden Zitat aus der Entscheidung vom 7.11.2006 erkennen: Es existierten rechtstechnische Mittel, die keine bei den weiteren Rechtsanwendungsschritten nicht mehr beherrschbaren strukturellen Verwerfungen verursachen, also „milder“ sind in Ansehung der Ungleichbehandlung, aber in Bezug auf den (legitimen) Verschonungszweck gleich wirksam bzw. im Zweifel wegen der höheren Zielgenauigkeit sogar noch wirksamer sind. Als weitere verfassungsrechtliche Vorgabe ist bei einer steuerlichen Verschonung auf der Bewertungsebene das Gebot der Folgerichtigkeit zu berücksichtigen, das hier innerhalb des Binnenbereichs der Verschonung wirkt. So muss sich nämlich auch das Verschonungsregime als gleichmäßig entsprechend den ihm adäquaten Zuteilungskriterien darstellen.1181 Auch hierfür ist die Rechtslage bis zum 31.12.2008 ein anschaulicher Beleg. Denn gerade daran mangelte es angesichts der Heranziehung von Steuerbilanzwerten: Die bewertungsrechtliche Verschonung stand mit keinem Verschonungskriterium (zum Beispiel Bedürfnis wegen Sozialpflichtigkeit, wegen Illiquidität) in einem inneren Zusammenhang und war überdies intransparent, so dass überhaupt nicht erkennbar war, wer in welcher Höhe eine Verschonung erfuhr.1182 Die steuerlichen Buchwerte können hierzu keine Aussage treffen – jedenfalls nicht relational im Verhältnis der Steuerpflichtigen untereinander. Nach alledem ist die Bewertung bei einer Bereicherungssteuer wie der Erbschaft- und Schenkungsteuer stets ein nicht erforderlicher bzw. in der Regel die Binnen-Folgerichtigkeit verfehlender Ansatzpunkt für eine Verschonung. Bei anderen Steuern kann dies jedoch anders sein. Dies hängt damit zusammen, dass die Frage nie vom Belas­tungsgrund und seiner Konkretisierungswirkung für den Vergleichsmaßstab gelöst werden kann. So fällt beispielsweise bei der Einkommensteuer und dort insbesondere im Bilanzsteuerrecht die gleichheitsrechtliche Würdigung anders aus. Dies betrifft vor allem die nicht realisierten Vermögenszuwächse: Der Gesetzgeber hält hier zwar einen vorhandenen Vermögenszuwachs rechtstechnisch (auch) durch Bewertung „verdeckt“, nämlich durch das 1181 J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 113; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 1, S. 343; M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 60; R. Seer, Ubg 2012, 376, 380. 1182 BVerfG v. 7.11.2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 40; bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in diesem Sinne B. Spitzbart, Das Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht, S. 173.

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Zusammenspiel von Anschaffungs-/Herstellungskostenprinzip und Realisationsprinzip (§ 2 I. 3.). Bei der Einkommensteuer hat sich der Ge­ setzgeber aber konzeptionell für eine am realisierten Markteinkommen ausgerichtete Reinvermögenszugangsbetrachtung entschieden. Dieses Konzept ist folgerichtig umzusetzen und dies geschieht mit den genannten Prinzipien in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung auch. Aus diesem Grunde gerät der Gesetzgeber hier gleichheitsrechtlich nicht unter Druck und kann zulässigerweise auf die Bewertung als rechtstechnisches Vehikel für eine freiheitsschonende (Nicht-) Besteuerung noch nicht am Markt realisierter Wertsteigerungen zurückgreifen.

II. Das gleichheitsrechtliche Sicherstellungsgebot in Bezug auf die Vollziehbarkeit der Bewertungsnorm Gleichheitsrechtliche Vollzugsgewährleistung

1. Gleichheitsspezifische Bestimmtheitsanforderungen und der kompen­sierende Verfahrensgedanke Belastungsgleichheit setzt die Vorgabe eines Maßstabes voraus. Er muss selbst bei Anerkennung eines produktiven Eigenanteils des Rechtsanwenders gewährleisten, dass sich die abstrakt-generelle Vorgabe des Gesetzgebers regelmäßig in vergleichbaren Bewertungsergebnissen konkretisiert. Die Bewertungsnorm muss sich also selbst dagegen schützen können, dass ihre Anwendung zu Ergebnissen führt, welche die von ihr angestrebte, gleichheitsrechtlich anzuerkennende Wertbandbreite verfehlen. Dies ist vor allem eine Frage der Normbestimmtheit. Hergeleitet wird dieses Erfordernis häufig aus dem Rechtsstaatsprinzip.1183 Im hiesigen Kontext liegt allerdings eine gleichheitsrechtliche Herleitung mindestens ebenso nahe1184 und zwar sowohl aus der Perspektive des Steuerpflichtigen, in dessen Steuerrechtsfall eine Bewertung notwendig ist, als auch aus der Perspektive der Gesamtheit der Steuerpflichtigen. Denn je bestimmter die Norm ist, umso geringer ist die Gefahr, dass sie den Belastungserfolg verfehlt – sei es zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen. Es liegt gerade im Wesen der Unbestimmtheit, dass sie unkalkulierbar (unvorhersehbar) in beide Richtungen ausschlagen kann, weil sie den Rechtsanwender zu wenig in Bezug auf die Bewertung im Besonderen und den Belastungserfolg im Allgemeinen steuert. Hier geht 1183 BVerfG v. 14.12.1965, 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, 253, 267; v. 12.10.1978, 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343, 362. 1184 Siehe zur Herleitung des Bestimmtheitsgebotes aus dem betroffenen Grundrecht selbst H.-J. Papier/J. Möller, AöR 122 (1997), S. 177, 179 ff.; B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Rn. 312; M. Krumm, Steuervollzug und formelle Insolvenz, S. 198.

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es also weniger um Bestimmtheit im Sinne einer Vorhersehbarkeit des gesetzlichen Eingriffs (dazu sogleich unter freiheitsrechtlichen Gesichtspunkten, § 8 II. 1.), als vielmehr um spezifisch gleichheitsrechtliche Bestimmtheit zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Gesetzesanwendung. Es geht darum, den Eigenanteil des Rechtsanwenders möglichst gering zu halten und somit um die Formulierung von Mindestanforderungen an die gesetzgeberische Steuerung. Eine derart gleichheitsrechtlich fundierte Bestimmtheit weist zwangsläufig Überschneidungen zur allgemeinen Mindeststeuerungspflicht des Gesetzgebers als Ausfluss sowohl der Freiheitsrechte als auch des Demokratieprinzips auf. Normbestimmtheit ist nämlich auch dort von verfassungsrechtlicher Bedeutung, wo die Exekutive mit gewissen Spielräumen zu bestimmten Maßnahmen ermächtigt wird. Nur ein bestimmtes Gesetz kann die Macht der Exekutive in den notwendigen Grenzen halten und zudem einen gerichtlichen Kontrollmaßstab vorgeben.1185 Auf den hiermit (auch) angesprochenen Steuerungsaspekt in seiner kompetenzzuweisenden Funktion im gewaltengeteilten Staat soll an dieser Stelle jedoch noch nicht eingegangen werden. Hier geht es vorerst nicht (auch) um die Frage, welche Entscheidungen deshalb im parlamen­ tarischen Gesetz getroffen werden müssen, weil wegen ihrer Legitima­ tionsbedürftigkeit eine Delegation insbesondere an die Exekutive zur weitergehenden, eigengesteuerten abstrakt-generellen Konkretisierung ausscheidet (dazu § 9). Es wird an dieser Stelle nur der Anspruch verfolgt, den Bestimmtheitsaspekt und seine Steuerungsbezüge unter gleichheitsrechtlichen Aspekten auf das Verhältnis von Gesetzgeber und Rechtsanwender zu reduzieren. Insoweit tut sich auf den ersten Blick ein Dilemma auf. Einerseits wird durch die Akzeptanz der Preisbildungsvielfalt der sozialen Wirklichkeit Rechnung getragen und dies vor allem auch aus der Binnenperspektive der verschiedenen Steuerpflichtigen. Andererseits ist es aber gerade diese Vielfalt, die im Hinblick auf diese Binnenperspektive zu einer nicht unproblematischen Offenheit der Normkonkretisierung führt. Dieses Problem wird jedoch bei genauem Hinsehen durch zwei sich wechselseitig beeinflussende Aspekte relativiert: Zum einen meint Bestimmtheit immer nur Bestimmbarkeit in Abhängigkeit vom jeweiligen Regelungskontext. So betont das Bundesverfassungsgericht immer wieder, dass das Bestimmtheitsgebot es nicht aus1185 BayVerfGH v. 28.6.2013, Vf. 10-VII-12 u.a., NVwZ 2014, 141, 142; W. Heun, Die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, S. 49.

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schließe, „wertausfüllungsbedürftige Begriffe bis hin zur Generalklausel“ zu verwenden, da der Gesetzgeber in der Lage sein müsse, der „Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden“.1186 Die Anforderungen an eine Norm können nicht allgemein und einheitlich umschrieben werden. Vielmehr ergibt sich das Mindestmaß an Bestimmbarkeit erst unter Berücksichtigung der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhaltes.1187 Die Frage ist immer, inwieweit dieser in Ansehung des zu erreichenden Normzwecks überhaupt einer genauen begrifflichen Erfassung und Konkretisierung zugänglich ist.1188 Wenn das verfassungsrechtliche Mindestmaß an Bestimmtheit dergestalt mit der Regelungsfähigkeit korrespondiert, dann leitet dies zur bereits herausgestellten „Natur der Sache“ über. Wir hatten bereits eingangs dieser Untersuchung festgehalten, dass der Gesetzgeber darüber befinden kann, ob und inwieweit er die soziale Wirklichkeit für rechtserheblich erklärt, und dass dann, wenn er dies tut, er sie in ihrer Existenz und Erscheinung nicht ignorieren kann. Die sodann zur Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 GG im Verkehrswertkontext formulierte Erkenntnis, dass der Gleichheitssatz in Bezug auf die soziale Wirklichkeit nicht blind ist und die dort anzutreffende Vielfalt akzeptiert, gilt hier nicht weniger. Die mit der Normoffenheit korrespondierede Eigenleistung des Rechtsanwenders betrifft nämlich insbesondere die Feststellung der maßgeblichen sozialen Wirklichkeit sowie der vielen, anlässlich der Simulation des Verhaltensmusters notwendigen (unter anderem prognostischen und wertenden) Einzeldaten. Und genau an diesem Punkt setzt das Argument aus der Natur der Sache ein: Die Bestimmbarkeit korrespondiert mit der Beobachtbarkeit der sozialen Verhaltensmuster und hierzu gehört eben auch ihre Wertungsabhängigkeit. Zum anderen kann ein geringer Grad an gesetzgeberischer Steuerung durch andere Steuerungsmittel kompensiert werden. Diese Kompensation ist durch einen gleichheitsrechtlichen Perspektivenwechsel bzw. eine Perspektivenmodifikation gekennzeichnet: Das Ziel der materiellen Gleichheit im Belastungsergebnis ist vor allem durch eine verfahrenssichernde Gleichheit im Wertfindungsvorgang zu sichern. Wir sehen eine Rückkopplung zwischen dem materiellen Recht und dem Verfahrensrecht. Mit abnehmender Steuerung durch das materielle Recht erfährt 1186 BVerfG v. 23.6.2010, 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 195; v. 20.6.2012, 2 BvR 1048/11, NJW 2012, 3357. 1187 BVerfG v. 27.1.1976, 1 BvR 2325/73, BVerfGE 41, 251, 265 f.; v. 19.4.1978, 2 BvL 2/75, BVerfGE 48, 210, 221 f.; v. 30.11.1988, 1 BvR 1301/84, BVerfGE 79, 174, 195; v. 20.6.2012, 2 BvR 1048/11, NJW 2012, 3357. 1188 BVerfG v. 18.5.1988, 2 BvR 579/84, BVerfGE 78, 205, 212; R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 334.

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das Verfahrensrecht einen Bedeutungszuwachs1189 und dies verfassungsrechtlich fundiert: So wie man den Freiheitsrechten eine Funktion „Grundrechtsschutz durch Verfahren und Organisation“ entnehmen kann1190, gilt dies auch für den Gleichheitssatz, wenn er sich im Rechtsanwendungsergebnis nur bedingt entfalten kann.1191 So liegt der Fall hier: Art. 3 Abs. 1 GG verlangt die Beachtung der Bandbreitengrenzen, aber deren Bestimmung ist naturgemäß schwierig. In dieser Situation wird der Gleichheitssatz in seiner Schutzgewährfunktion angesprochen und dies führt vor allem zum Verfahrensgedanken.1192 Sowohl aus der Perspektive des einzelnen Steuerpflichtigen, den die Entscheidung konkret angeht, als auch aus Sicht der übrigen Steuerpflichtigen besteht wegen der Unschärfe der Bandbreite in den Randbereichen (Vertretbarkeitsgrenzen) nämlich ein gleichheitsrechtliches Gefährdungspotential. Gleichheitsrechtlich ist der Gesetzgeber daher nicht nur aufgefordert, die bereits im rechtstheoretischen Teil beschriebenen Ungewissheitsbedingungen anzunehmen, sondern auch „begleitend“ den Wertfindungsprozess als solchen und vor allem die vor- und nachgelagerten Fragen ordnungsstiftend zu strukturieren, soweit dies zur Abwehr einer Gleichheitsgefährdung (egal in welche Richtung) notwendig ist. Dies zeigt, dass und warum der Prozess, in dem sich die Bewertung vollzieht, so wichtig ist. Er ist der maßgebliche Anknüpfungspunkt für eine verfahrensgeprägte Gleichheitssicherung. Den bewertungsspezifischen Besonderheiten Rechnung tragend ist der Wertfindungsprozess nicht auf die Findung eines streng deter­minierten Ergebnisses, sondern einer idealen Beandbreite angelegt (zur idealen Bandbreite bereits § 6 I.). Dies darf freilich nicht dahingehend missverstanden werden, dass hier eine Verfahrensrichtigkeit die Sachrichtigkeit substituieren können soll. Es geht lediglich um Kompen1189 Zu diesem grundlegenden Gedanken einer Kompensation der schwachen Ergebniskontrolle durch die stärkere Betonung der Verfahrens- und Argumentationskontrolle hier erst einmal nur E. Gurlit, VVDStRL 71 (2011), S. 227, 238 f.; W. Hoffmann-Riem, in: derselbe/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 10 Rn. 78, 100 f. mit weiteren Nachweisen und siehe dann sogleich § 7 II. 2. b. und vor allem auch noch unter § 11 III. 1190 Siehe BVerfG v. 20.12.1979, 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30, 57; P. Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43, 86 ff. u. 121 ff. sowie zum Diskussionsstand mit weiteren Nachweisen zum Beispiel C. Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 9, § 200 Rn. 40 ff.; W. Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 ff. 1191 Vgl. auch R. Eckhoff Rechtsanwendungsgleichheit, S. 200 f.; R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 395. 1192 Die Herleitung ist freilich nicht unumstritten, vgl. BVerfG v. 20.12.1979, 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30, 57 bringt den Verfahrensgedanken mit der grundrechtlichen Schutzgewährverpflichtung des Staates in Verbindung; siehe hingegen zur abwehrrechtlichen Begründung R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 387 ff.

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sation.1193 Es geht nicht um die (naive) Vorstellung, dass ein „schönes Verfahren“ automatisch zum „richtigen Ergebnis“ führt.1194 Die Sachentscheidung gemessen am Gesetz (allerdings unter Anerkennung der Bandbreiten) steht nach wie vor im Mittelpunkt. Aber dort, wo die Ergebniskontrolle – hier: Bandbreitenkontrolle – schwierig ist, steigt die Bedeutung des Ergeb­nisfindungsvorgangs. Die bewertunsspezifischen Grau-/Grenzbereiche müssen insbesondere durch „offene, auf intersubjektive Überzeugung angelegte Argumentation“ in einem darauf zugeschnittenen, strukturieren Verfahren abgesichert werden. Die verfahrensgeprägte Gleichheitssicherung setzt daher Gewährleistungssicherung in Bezug auf den Rechtserkenntnisprozess „Bewertung“ voraus. Der Verfahrengedanke erfasst also zweierlei: Zum einen den realen Rechtserkenntnisvorgang selbst und zum anderen den formalen Rahmen, in dem er sich bis zur verbindlichen Entscheidung vollzieht. Dieser dergestalt kompensierende Verfahrensgedanke soll nachfolgend unter vier Aspekten verdeutlicht werden, die zwar auch ohne bewertungsrechtliche Besonderheiten jeweils gleichheitsrelevant sind, hier aber gerade unter diesem speziellen Blickwinkel gewürdigt werden sollen, nämlich das Verfikationsprinzip (dazu 2. a.), die Begründungslast (dazu 2. b.), der konsensuale Steuervollzug (dazu 2. c.) sowie die Generierung von exekutiven Erfahrungswissen (dazu 2. d.). 2. Verfassungsrechtlich gebotene Absicherung des Erkenntnisprozesses a. Absicherung durch Mitwirkungspflichten und Verifikationsprinzip Betrachten wir zuerst die Vollzugssicherung, wie sie vor allem dem Gesetzgeber bei der Schaffung der positiv-rechtlichen Rahmenbedingungen obliegt. Er trägt (auch) die Verantwortung für das „Vollzugsrecht“, in das terielle Steuernorm eingebettet ist. Die normative Gleichheit die ma­ muss der strukturellen Gleichheit beim Vollzug der Steuer entsprechen und dies muss der Gesetzgeber durch einen funktionsfähigen Rechtsrahmen sicherstellen.1195 Diese (normative) „Rückkopplung zwischen Rechtsanwendungs- und Rechtssetzungsgleichheit“1196 beschreibt das Bundesverfassungsgericht wie folgt: „Die Form der Steuererhebung und – in Ergänzung des Deklarationsprinzips – das behördliche Kontrollin­ 1193 F. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), S. 21, 28; R. Scholz, VVDStRL 34 (1976), S. 145, 215 für das Verwaltungsrecht im Allgemeinen. 1194 Formulierung nach F. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), S. 21, 28. 1195 BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 271; v. 9.3.3004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, 115. 1196 R. Seer, DStJG 31 (2008), S. 7, 8.

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strumentarium haben somit der materiellen Steuernorm regelmäßig so zu entsprechen, dass deren gleichheitsgerechter Vollzug im Massen­ verfahren der Veranlagung möglich ist, ohne unverhältnismäßige Mit­ wirkungsbeiträge der Steuerpflichtigen oder übermäßigen Ermittlungsaufwand der Finanzbehörden zu fordern“.1197 Es geht also um das Verifikationsprinzip als Strukturprinzip eines gleichheitskonformen Gesetzesvollzuges. Hierbei sind freilich zwei „Phasen“ zu trennen: Erste Phase: Ein vollzugssicherndes Verifikationsprinzip setzt nicht erst bei der Kontrolle durch den Finanzbeamten und die dies legitimierenden rechtlichen Rahmenbedingungen an. Wir werden zwar noch sehen, dass das Sicherstellungsgebot ebenso auch Handlungsmaxime für die Verwaltung selbst ist. Der Gesetzgeber trägt aber für die Existenz und die praktische Effektivität der „rechtlichen Strukturbausteine“, die eine Verifikation ermöglichen, die alleinige Verantwortung; es besteht hier eine Wechselwirkung zwischen dem legislativen Anteil an der Verwirklichung des gleichheitsrechtlichen Sicherstellungsgebotes auf der einen Seite und dem freiheitsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes auf der anderen Seite. Letzteres verlangt gesetzliche Anordnungen (auch) für die gleichheitsrechtlich notwendigen Verifikationsbedingungen, die bereits weit vor der eigentlichen Verifikation ansetzen. Dies leitet über zu der bereits als eigenständige Funktionsbedingung angedeuteten Notwendigkeit einer bestimmten Qualität, Aufbereitung und Verifi­zierbarkeit der auf einen konkreten Bewertungsanlass zugeschnittenen Daten- und Informationsgrundlage. Damit eine Verifikation im Ansatz überhaupt möglich ist, sind (jedenfalls) den Steuertatbestand absichernde, sanktionsbewehrte Aufzeichnungs- und Vorlagepflichten unerlässlich.1198 Ohne sie ist es der Finanzbehörde überhaupt nicht möglich, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Da die Finanzverwaltung strukturell eine Verifikationsverwaltung ist, kann das Fehlen solcher Pflichten sogar ein Ermittlungshindernis von solchem Gewicht bewirken, dass dies als strukturelles Vollzugsdefizit auf die materielle Norm durchschlägt.1199 Von Verfassungs wegen sind daher gesetzlich angeordnete Aufzeichnungspflichten, die mit den Anforderungen der Bewertungsnorm korrespondieren (mit ihr „harmonisieren“), unerlässlich (zur Erfüllung dieser Vorgabe § 12 III.).

1197 BVerfG v. 9.3.3004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, 115. 1198 K. D. Drüen, in: Festschrift f. Kruse, S. 189, 205; K. Tipke, in: Festschrift f. Kruse, S. 215, 227. 1199 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 141 Rn. 7a; R. Seer, StuW 2003, 40, 45.

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Zweite Phase: Die zweite Phase bildet sodann den eigentlichen verwaltungsverfahrensrechtlichen Rechtskonkretisierungsvorgang ab, nämlich den Weg von der Einleitung des Verfahrens bis zur behördlichen Entscheidung. Im Steuerrecht wird man zu dieser Phase auch noch die „Nachprüfung“ (§§ 193 ff. AO) rechnen müssen. Hier setzt nunmehr das Verifikationsprinzip an. Es wäre mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn die besteuerungsrelevanten Tatsachen keiner Überprüfung unterliegen würden bzw. könnten. Insbesondere dann, wenn die Festsetzung einer Steuer von der Erklärung des Steuerpflichtigen abhängt, bedarf es einer Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip.1200 Das Bundesverfassungsgericht begründete dies in seinem Beschluss vom 27.6.1991 zu den Kapitaleinkünften vor allem mit der Gefahr der Steuer­ unehrlichkeit, wenn der Steuerpflichtige mangels Verifikationsmöglichkeiten um die Gefahrlosigkeit der Falschdeklaration wisse.1201 Dessen ungeachtet wird man das Verifikationsprinzip aber auch – und dies dürfte im hiesigen Kontext relevanter sein – in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Komplexität eines Steuertatbestandes sehen müssen. Es geht auch darum, dass angesichts einer erhöhten Fehleranfälligkeit Mängel im Bewertungsvorgang und deren Quellen entdeckt werden können. Selbst der gutwilligste Steuerpflichtige kann gerade bei komplexen Bewertungsentscheidungen überfordert sein. Verifikation bedeutet dabei nicht lediglich Tatsachenverifikation, sondern gerade auch Rechtskontrolle. Das Gesetz trägt diesem Verifikationsgebot im Allgemeinen in ausreichender Weise Rechnung: Die Finanzbehörde hat den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und sie allein hat die rechtliche Würdigung zu verantworten. Das Gesetz zieht jedoch den Steuerpflichtigen und andere Dritte als Wissensträger heran (siehe bereits § 5 IV. 1.). Dies geschieht vor allem durch Steuererklärungspflichten. Die Erklärungsvordrucke verlangen in der Regel mehr als reine Tatsachenangaben. Das Steuererklärungsformular fragt das gesamte Gesetzesprogramm ab1202 und damit zwangsläufig auch das Rechtsanwendungsergebnis in Ansehung einer steuerlichen Bewertungsnorm („Bewertungsvorschlag“).

1200 Grundlegend BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 275; ferner BVerfG v. 5.12.1995, 1 BvR 1463/89, HFR 1996, 153; v. 9.3.2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, 113; zuvor auch schon J. Martens, Verwaltungsvorschriften zur Beschränkung der Sachverhaltsermittlung, S. 137 ff.; H.-J. Papier, DVBl 1980, 787, 796. 1201 BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 275. 1202 B. Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Vor § 149 Rn. 6; R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, Vor § 149 Rn. 2.

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Allerdings muss man sich eines den gleichmäßigen Steuervollzug gefährdenden Problems bewusst sein: Die Deklarationspflicht ändert nichts daran, dass Werte und insbesondere der Wertfindungsprozess in einem für sich betrachtet nichtssagenden und insbesondere Vollzugsrisiken verdeckenden Saldo „untergehen“. Die Wertfindung vollzieht sich – wie die gesamte Steuerrechtsanwendung in den meisten anderen Fällen auch – außerhalb der Deklarationspflicht („im Verborgenen“). Die zu erklärende Zahl kann daher unerläutert und damit auch der Denkweg, den der Steuerpflichtige beschritten hat, im Dunkeln bleiben. Vielfach lässt sich der Erklärung noch nicht einmal entnehmen, was im Einzelnen aus welchem Grund nach welcher Regelung bewertet wurde. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn nicht nach dem Wert eines Gegenstandes unmittelbar gefragt wird, sondern dieser in einer aggregierten Zahl aufgeht. Gerade bei der Gewinnermittlung durch Bilanzierung wird dies besonders deutlich: Der Betriebsvermögensvergleich verlangt dem Steuerpflichtigen eine eigene Rechtsanwendung zu unzähligen Bewertungsfragen ab – sei es nur in Gestalt der Zugangsbewertung, der Folgebewertung im Sinne fortgeführter Buchwerte oder sei es in Bezug auf steuerliche Vorgänge, die eine Bewertung zum gemeinen Wert oder zum Teilwert erfordern. Die Steuererklärung verhält sich jedoch zu keinem einzelnen Wirtschaftsgut, das in den Betriebsvermögensvergleich als Aktiva oder Passiva eingeflossen ist, und erst recht nicht zu seiner Bewertung. Allenfalls die beizufügenden Unterlagen des betrieblichen Rechnungswesens lassen Rückschlüsse hierauf zu. Entsprechendes mag unter Umständen für die Pflichtangaben im – freilich nicht für alle Steuerpflichtigen handelsrechtlich verpflichtenden – Anhang gelten. In der Regel werden die Bewertungsmethoden im Anhang jedoch nur abstrakt erläutert und bezüglich einzelner Wirtschaftsgüter fehlen regelmäßig konkrete Berechnungen und Erläuterungen. Die vorstehend beschriebene Gefährdungslage ist natürlich jeder Steuerrechtsanwendung immanent und im Grunde kein bewertungsspezifisches Problem. Gleichwohl besteht hier eine besondere Gefährdungslage, weil nämlich das binäre Denken in „richtig“ oder „falsch“ einer Quantifizierung in den Kategorien von „vertretbar und nicht vertretbar“ weicht, wo die Grenzen zudem fließend sein können. Die „gesteigerte Begründungslast“, die diesen Vorgang einer intersubjektiv nachvollziehbaren Strukturierung zugänglich macht (siehe vor allem sogleich zur Absicherung durch Begründungslasten § 7 II. b. und § 12 III.), gilt zwar für jeden Bewertungsanlass und zwar ungeachtet der Frage, ob und inwieweit Wertfindungsvorgang und Begründung offen zu legen sind. Gerade in solchen Situationen zeigt sich aber, dass die Gefahr einer „steueropti412

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malen Grenzüberschreitung“ sehr hoch ist, wenn „Spielräume“ bestehen. Es wird Steuerpflichtige geben, die in einem sicheren Korridor bewerten werden. Es wird aber auch Steuerpflichtige geben, die versucht sein werden, innerhalb des Vertretbarkeitsspielraums den ihnen maximal günstigen Wert zu treffen und angesichts solcher Grenzbewertungen Gefahr laufen, den vorgenannten Spielraum zu überreizen. Die Rechts­ praxis zeigt auch ausreichend Lebenssachverhalte, wo sich die Notwendigkeit einer Bewertung erst nach der Verwirklichung eines nicht mehr rückgängig zu machenden Sachverhaltes zeigt (zum Beispiel bei „Gestaltungsunfällen“). Gerade in solchen Situationen steht Grenzbewertung nicht selten im Zeichen von „Schadensreduzierung“. Die Bandbreite kann also zum psychologischen Problem werden: Die Unschärfe der Bandbreite, ihre fließenden Grenzen und der Umstand, dass die Bewertung in der Regel nicht offengelegt werden muss, lassen den Steuerpflichtigen unter Umständen in dem Glauben, er bewege sich immer noch im (später gegebenenfalls mit einem Betriebsprüfer) subjektiv diskutierbaren Rahmen und damit außerhalb eines strafbewehrten Pflichtwidrigkeitsrisikos. Weil Bewertungsentscheidungen keine klare ja/nein-Antwort verlangen, können sie daher verführerisch sein. Zumindest vom Verfahrens- und Handlungsrechtsrahmen her kann die Finanzbehörde dieser Gefährdungslage ausreichend begegnen. Es ist dem einzelnen Veranlagungsbeamten unbenommen, nach Eingang der Steuererklärung weitere Angaben und Unterlagen zu Bewertungsvorgängen anzufordern. Auch Dritte sind – wenngleich nur subsidiär – zur Auskunft und Herausgabe von Unterlagen verpflichtet (§§ 90 ff. AO). Effektiv nutzen lassen sich diese Instrumte freilich nur, wenn der weitergehende Auskunfts- und Erläuterungsbedarf erkannt wird. Letzteres dürfte bei Erbschafts- und Schenkungsteuererklärungen und damit zusammenhängenden Feststellungserklärungen häufig der Fall sein. Bei den laufenden Ertragsteuern ist es jedoch in der Regel lebensfremd, dass anlässlich der Veranlagung ein konkreter Bewertungsvorgang erkannt und zum Anlass für Rückfragen genommen wird. Allenfalls bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen wie zum Beispiel Umstrukturierungen mag es so sein, dass schon unmittelbar aus der Erklärung oder den übersandten Unterlagen bewertungsspezifischer Kontrollbedarf erkannt wird. Von besonderer Bedeutung ist daher die Nachkontrolle. Dazu existiert die Möglichkeit der Außenprüfung nach Maßgabe der §§ 193 ff. AO im Allgemeinen und einiger bewertungsspezifischer Normen im Besonderen. Dies ist auf abstrakt-genereller Ebene ausreichend, allerdings auch notwendig. Letzteres gilt insbesondere für die bewertungsspezifischen Ermächtigungen, mittels derer das Bewertungsobjekt selbst zur Duldung einer Außenprüfung 413

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verpflichtet wird (so §§ 152, 153 BewG). Insoweit folgt die verfahrensrechtliche Mitwirkungspflichtigkeit der bewertungsrelevanten Datenund Informationsherrschaft (dazu noch eingehend § 10 II 2. b.). Ob von dieser Möglichkeit tatsächlich in einem für Vollzugsgewährleistung ausreichendem Maße Gebrauch gemacht wird, ist keine an den Gesetzgeber adressierte (Verfassungs-) Rechtsfrage des Ordnungsrahmens, sondern eine solche, die sich als Teil der Rechtsanwendungsgleichheit an die Finanzverwaltung, die innerhalb und mittels dieses Ordnungsrahmens handelt, richtet. b. Absicherung durch Begründungslasten anlässlich der Anwendung auf den Einzelfall Ein weiterer Kompensationsansatzpunkt ist der Rechtserkenntnisvorgang als solcher. Wir haben gesehen, dass die von einigen Bewertungsnormen übernommenen Spielräume Ausdruck einer Steuerungszurückhaltung sind und somit einen gesteigerten Eigenanteil des Rechtsanwenders herausfordern. Es existieren nur ideale Wertbandbreiten. Herausgestellt wurde ferner bereits, dass hiermit durchaus ein gleichheitsrechtliches Gefährdungspotential einhergeht (vorstehend § 7 II. 1.) und dass deshalb die Strukturierung des Bewertungsvorgangs für eine gleichheitskonforme Bewertung so wichtig ist. Um gleichwohl das Rechtsanwendungsergebnis (das Bewertungsergebnis) in dem Korridor vertretbarer und damit gleichheitsrechtlich hinzunehmender Verkehrswerte zu halten und vor allem dies auch kontrollieren zu können, geht als Kehrseite dieses Spielraums eine gesteigerte Begründungslast einher. Soweit eine Entscheidung unmittelbar auf dem Diktum des Gesetzgebers beruht, ist ihre Verwirklichung im konkret-individuellen Anwendungsfall nicht bis kaum begründungsbedürftig. Je mehr der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Entscheidung „des Wesentlichen“ aber dadurch nachkommt, dass er nur einen „Rahmen absteckt“, je schwächer also die Steuerungskraft des Gesetzes ist, umso begründungsbedürftiger wird die Einzelfallanwendung, umso stärker ist der „Zwang zur Begründung“.1203 Hierin äußert sich letztlich nur der allgemeine, bereits am Ende von § 7 II. 1. angesprochene Gedanke einer Kompensation schwieriger Ergebniskontrolle durch eine auf Verfahrenskontrolle angelegte Argumentationslast.

1203 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 397; W. Hoffmann-Riem, in: derselbe/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 10 Rn. 100 f.; A. Pahlke, Beihefter zu DStR 17/2011, 68; N. Petersen, AöR 138 (2013), S. 108, 114.

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Dies gilt auch für die Bewertung. Soweit der Gesetzgeber die Steuerung zurücknimmt – man denke vor allem an § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.E., § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG, § 8 Abs. 2 EStG und § 1 Abs. 3 AStG –, kann das Gesetz nicht begründungsentlastend wirken. Vielmehr muss der Rechtsanwender begründen, dass und warum er sich innerhalb der vom Gesetz „lediglich“ vorgesteuerten Wertbandbreite hält. Die Bewertung darf nicht „ins Blaue“ hinein erfolgen. Wer bewertet, muss sich der Spielräume bewusst sein und soweit eben möglich einer rationalen Anleitung folgen. Das gilt umso mehr, wenn der Gesetzgeber von der „Normalkompetenzordnung“ zwischen Verwaltung, Steuerpflichtigen und Gericht ferner noch dergestalt abweicht, dass er die gerichtliche Kontrolle zum Teil zurücknimmt, wie dies – soviel muss hier vorweggenommen werden – zum Beispiel in Ansehung der wertenden und prognostischen Rechtsanwendungsbeiträge geschieht (dazu noch unter § 12). Art. 3 Abs. 1 GG wird bei der (nur schwach gesteuerten) Bewertung somit bereits, aber auch zugleich nur (!) dadurch genügt, dass ein Bewertungsergebnis herauskommt, das nach einem rationalen und transparenten Ableitungsvorgang als vertretbar anzusehen ist, das also einen Wert abbildet, den der Rechtsverkehr als durchaus möglich erachtet. Hierfür muss „wegen“ seiner Begründung eine ausreichende Gewähr bestehen. Ein Gleichheit im Belastungserfolg sichernder Erkenntnisprozess muss daher den bereits unter § 6 formulierten Anforderungen an eine rationale Ableitung des Wertes und der intersubjektiven Nachprüfbarkeit genügen. Natürlich kann dies alles nicht darüber hinweghelfen, dass es zum Teil überhaupt nicht die Möglichkeit einer rationalen, intersubjektiv nachprüfbaren Begründung gibt. Gleichheitsrechtlich ist dies hinzunehmen. Der Gesetzgeber gewährt hier nicht von sich aus Spielräume, sondern bildet hierdurch lediglich die soziale Wirklichkeit ab (§ 7 II. 2. a.). Man kann nichts verlangen, was nicht möglich ist. Solche – bei der Bewertung nicht selten anzutreffenden – Defizite oder zumindest Grenzen rationaler Begründung muss der Rechtsanwender sodann jedoch zusammen mit seinem deshalb notwendigen produktiven Eigenbeitrag offenlegen. Letztlich stiftet nicht der Wert als Rechtsanwendungsergebnis, sondern seine soweit eben möglich rationale Begründung den gleichheitsrechtlichen Rechtsfrieden zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde als Repräsentantin der übrigen Steuerpflichtigen. Mit einem dergestalt begründeten Wert erfüllt der Steuerpflichtige den „Anspruch“ der übrigen Steuerpflichtigen auf Gleichheit im Belastungserfolg.

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c. Die Verständigung über den „Wert“ als Element einer gleichheits­ konformen Wertfindung Ein volles Verfikationsprogramm und erst recht eine Verifikation im Sinne einer vollen Überzeugungsbildung kann die Finanzbehörde nicht leisten. Der Vollzug stößt immer an Grenzen. Dies gilt für steuerliche Massenanwendungsfälle, es gilt aber auch für steuerlich relevante Ereignisse, die typischerweise einer Prüfung unterzogen werden. Das Ziel eines 100 %-ig gleichmäßigen Steuervollzuges ist schon theoretisch nicht erreichbar.1204 Ungeachtet der verfassungsrechtlichen Fundierung des Verifikationsprinzips schadet dies grundsätzlich nicht. Es wird überzeugend darauf hingewiesen, dass das Sicherungsstellungsgebot dem administrativen Gesamtvollzug gilt und nicht jedem Einzelfall.1205 Gerade diesbezüglich gilt es eben auch zu erkennen, dass es Art. 3 Abs. 1 GG in Ansehung des Gesamtvollzuges mehr schaden würde, als dass es ihm nützt, wenn die Verwaltung nach der 100 %-Doktrin handeln würde. Ein Vollzug unter behördlicher Letztverantwortung mit voller Verifikation und voller Überzeugungsbildung um jeden Preis ist eben nicht das Postulat des Art. 3 Abs. 1 GG; die verfassungsrechtliche Maßstabsformulierung nimmt die Notwendigkeit einer Ausrichtung des Einzelvollzuges an der praktischen Realisierbarkeit des Gesamtvollzuges zwangsläufig in sich auf.1206 Letztlich erkennen wir auch hier wiederum nur eine Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 GG im Lichte der sozialen Wirklichkeit. Die Bewertung ist eines der Referenzbeispiele dafür, dass und warum eine 100%-Doktrin den Gleichheitssatz uneinlösbar theoretisch überhöhen würde. Dies haben die rechtstheoretischen Ausführungen im zweiten Teil dieser Untersuchung gezeigt: Es herrscht naturgemäß Unsicherheit, es existiert eine Bandbreite vertretbarer Werte und die Bandbreite selbst ist in ihren äußeren Grenzen schwierig zu bestimmen. Dies vorweggeschickt rückt die Kooperation zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen als Kompensationsmittel für das Defizit an Ergebniskontrolle in den Blickpunkt. Der kooperative Gesetzesvollzug ist vielgestaltig1207 und reicht im Steuerrecht von der informellen Ab1204 Siehe vor allem R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 85 Rn. 19 ff.; § 88 Rn. 190 ff.; ebenso K.-D. Drüen, FR 2011, 101 ff.; S. Haunhorst, DStR 2010, 2105, 2107; S. Nagel/T. Waza, DStZ 2008, 321, 322. 1205 Vgl. dazu H. W. Arndt, Praktikabilität und Effizienz, S. 83; ferner H. H. Lohmann, AöR 100 (1975), S. 415, 426 f.; R. Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 151, 157. 1206 R. Seer, DStJG 31 (2008), S. 7, 11. 1207 Statt vieler H. Schulze-Fielitz, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 12 Rn. 68 mit weiteren Nachweisen.

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sprache bis hin zur sog. tatsächlichen Verständigung. Ihre rechtspraktische Bedeutung ist immens. Wie häufig über den steuerlich relevanten Wert eines Gegenstandes eine tatsächliche Verständigung abgeschlossen wird, kann hier empirisch nicht belegt werden. Es dürfte jedoch nicht von ungefähr kommen, dass eine Verständigung in Ansehung einer (Verkehrs-) Wertfrage regelmäßig als Beispiel für den „typischen Anwendungsbereich“ genannt wird1208 und sich auch in der Rechtsprechung nennenswerte Beispiele hierzu finden1209. Die eigene Erfahrung und auch die Bekundungen vieler Praktiker bestätigen dies. Aus (verfassungs-) rechtlicher Perspektive begegnet uns hier allerdings zuvörderst eine grundsätzliche „Zulässigkeitsdiskussion“ in Bezug auf die tatsächliche Verständigung als solche. Die Ressentiments gegenüber solchen Verhandlungslösungen sind durchaus beachtenswert. An dieser Stelle wird nicht bestritten, dass die in vielen Fällen wegen der Komplexität und Ungewissheit letztlich unvermeidbaren Verhandlungen zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigen eine Eigendynamik erreichen können. Es geht um die Gefahr, dass die verhandelnde Verwaltung objektiv-rechtliche Bindungen nicht beachtet, weil sie einen ohnehin nicht genau feststellbaren, weniger Arbeit verursachenden und zudem Streit vermeidenden „Konsenswert“ als wichtiger erachtet als den Nutzen einer an ihren gesetzlichen Bindungen orientierten Interessenverfolgung.1210 Insbesondere die hohe Komplexität, die Notwendigkeit außerjuristischen (kostenpflichtigen) Fachwissens und das Unsicherheitspotential erhöhen die Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft. Allerdings muss man erkennen, dass die Gefahr eines gesetzesabweichenden Verhaltens auch im streng hoheitlich geprägten Vollzug besteht. Klaus-Dieter Drüen hat dies trefflich auf den Punkt gebracht, wenn er formuliert, dass „die Hoffnung auf die Gesetzmäßigkeit, die an den Verwaltungsakt

1208 Zum Beispiel D. Rückle, in: Festschrift f. Schlager, S. 59, 80; G. Frotscher, in: Festschrift f. Wassermeyer, S. 391 (Verrechnungspreise); R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 13. 1209 Siehe beispielsweise BFH v. 13.8.1997, I R 12/97, BFH/NV 1998, 498, 499; v. 1.2.2001, IV R 3/00, BStBl. II 2001, 520, 524; v. 8.10.2008, I R 63/07, BStBl. II 2009, 121, 123 (alle drei: Verständigung über den Fremdvergleich); v. 12.12.2012, I R 28/11, DStR 2013, 575, 580 (Verständigung über den Barwert einer Verpflichtung); FG Hamburg v. 2.5.1994, VII 8/92, EFG 1994, 1038 (Verständigung über den Verkehrswert eines Wirtschaftsgutes); FG Köln v. 24.8.2000, 7 K 2853/04, EFG 2000, 1247 (Verständigung über den Wert eines Sachbezuges). 1210 Allgemein zum Gefährdungspotential einer verhandelnden Verwaltung A. Benz, Kooperative Verwaltung, S. 73 ff., 104 ff.; E. Schmidt-Aßmann, in: Festschrift f. Brohm, S. 547, 555 ff.; S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 225 ff.

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als obligatorische Handlungsform geknüpft wird, [erstaunt]“1211. Ungeachtet dessen lässt sich gegen sog. tatsächliche Verständigungen, die nach zutreffender Ansicht nichts anderes sind als öffentlich-rechtliche Verträge1212, in (verfassungs-) rechtlicher Hinsicht nichts erinnern, wenn man richtigerweise die Frage von Form und Inhalt trennt.1213 An dieser Stelle kann die Diskussion um die Zulässigkeit von tatsächlichen Verständigungen (Verträgen) im Steuerrecht nicht in allen ihren Details nachgezeichnet werden. Die Argumente sind ausgetauscht und es vollzieht sich zunehmend und überzeugend ein Wandel hin zur grundsätzlichen Anerkennung. Ein generelles Vertragsformverbot ist jedenfalls abzulehnen. In vielen Fällen wird es durchaus so sein, dass die Verständigung den abschließenden Rechtskonkretisierungsakt, nämlich den Steuer­ verwaltungsakt, nicht ersetzen darf (so zum Beispiel bei Steuer- und Feststel­lungsbescheiden). Dies steht aber einer vorbereitenden (vorgeschalteten) und für diesen Rechtserkenntnisakt eine Rechtsgrundfunktion erfüllenden Verständigung nicht entgegen. Eine solche tatsächliche Verständigung ist allein an ihrem Inhalt zu messen.1214 Die Detailfragen zur tatsächlichen Verständigung im Kontext der Bewertung sollen den verfahrensrechtlichen Ausführungen im vierten Teil dieser Untersuchung vorbehalten bleiben, wenngleich es sich hier nicht immer vermeiden lässt, dass die Grenze zwischen verfassungs- und einfachrechtlichen Fragen verwischt wird. An dieser Stelle ist insoweit vorwegzunehmen, dass eine Verständigung sowohl über die tatsächlichen Elemente des Wertfindungsvorgangs (also zum Beispiel über die Frage, welcher Denkweg im Hinblick auf die soziale Wirklichkeit „anzuwen1211 K.-D. Drüen, FR 2011, 104, 107; zuvor eingehend R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 128 ff., insbesondere auch S. 166 f. zur Handlungsformunabhängigkeit der Gefährdungspotentials von Verhandlungen. 1212 Grundlegend R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 80 ff., 98 ff., 128 ff.; ferner M. Achatz, DStJG 27 (2004), S. 161, 176 f.; J. Englisch, Bindende „tatsächliche“ und „rechtliche“ Verständigungen zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigen, S. 31 ff. jeweils mit umfangreichen Nachweisen. 1213 So K.-D. Drüen, FR 2011, 101, 107; E. Gurlit, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 5; A. Leisner-Egensperger, DÖV 2005, 399 f.; R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 167 ff.; andere Ansicht hingegen S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 187 ff., der von einer Wechselbezüglichkeit von Form und Inhalt in Ansehung der Zulässigkeitsfrage ausgeht. 1214 Zur Diskussion (und auch vielen Einzelfragen) statt vieler R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, passim, insbesondere S. 123 ff. und S. 167 ff sowie derselbe, in: Tipke/Kruse, AO, Vor § 118 Rn. 40 ff.; siehe ferner dazu S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 135 ff., 186 ff. (dort auch mit weiteren Nachweisen) und hiergegen wiederum R. Seer, DStJG 31 (2008), S. 7 ff.; K.-D. Drüen, FR 2011, 101 ff.; A. Leisner-Egensberger, DÖV 2005, 399 f.

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den“ ist und über die zur Tatsachenebene gehörenden Anwendungsdaten) als auch über den Wert als Rechtsanwendungsergebnis zulässig ist (§ 10 II. 3.). Dies führt zum entscheidenden Punkt an dieser verfassungsrechtlichen Schnittstelle zwischen Bewertung und Verständigung, nämlich zur „dienenden“ Wirkung der letzteren in Bezug auf die Bewertung. Richtig ist, dass nicht Akzeptanz der Maßstab für die Richtigkeit einer Verwaltungsentscheidung sein kann1215; der Maßstab bleibt das Gesetz. Wenn man aber anerkennt, dass es eine Bandbreite von Werten gibt, die allesamt gleichheitskonform sind mit der Folge, dass jeder dieser Werte jedenfalls aus gleichheitsrechtlichen Gründen der Besteuerung zugrunde gelegt werden darf, so relativiert sich bereits das eingangs beschriebene Gefährdungspotential von Verhandlungslösungen erheblich. Gerade dort, wo Unsicherheit herrscht und Rationalitätsdefizite unvermeidbar sind, kompensiert eine konsentierte und im Vertragswege verbindlich konkretisierte Verständigung letztlich das, was eine (ansonsten Akzeptanz fördernde) rationale Begründung hier eben nicht leisten kann.1216 Es gibt nun einmal Fälle, in denen niemand weiß, wo genau der gleichheitskonforme Wert beginnt und wo er aufhört. Die Bandbreitengrenzen sind das Problem; nicht die Werte innerhalb der Bandbreiten. Zudem stellt sich mit einer tatsächlichen Verständigung in einer solchen Situation gerade deshalb sogar ein gleichheitssichernder Effekt ein. Denn dem Verständigungsvorgang ist es eigen, dass er in einem kommunikativen und vor allem argumentativen Prozess verläuft. Hier müssen beide Seiten ihre Denkwege offen legen, weil ansonsten eine argumentative Auseinandersetzung mit dem Gegenüber nicht möglich ist. Ein kommunikativer Prozess fördert nicht nur die bereits genannte Akzeptanz, sondern verkörpert gerade das der Bewertung eigene Suchen nach einem „annähernd stimmigen Ergebnis“ (hier vor allem in Gestalt der Bandbreitengrenze). Der Mehrwert liegt darin, dass diese Suche nicht einseitig geschieht, sondern dialektisch. Dies alles ist im Sinne einer gleichmäßigen Bewertung, die ohnehin nur die Suche nach einer idealen Bandbreite strukturiert und die Begründung des Ergebnisses stärker betonen muss als die Ergebniskontrolle selbst. Daher kann man nicht um die Einsicht umherkommen, dass materielle Bewertungsgleichheit Verständigungen nicht nur befördert. Vielmehr setzt sie die Verständigung sogar als Hilfsmittel bei der Suche nach der idealen Wertbandbreite voraus und dies vor allem auch ungeachtet der noch unter § 12 II. zu diskutierenden Frage,

1215 F. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), S. 21, 31. 1216 Vgl. auch bereits K.-D. Drüen, FR 2011, 101, 108.

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welche der Unsicherheitsfragen schon durch eine Letztentscheidungskompetenz des Steuerpflichtigen bewältigt werden.1217 Schließlich darf die Förderlichkeit des kooperativen Gesetzesvollzugs auch nicht auf seine Bedeutung für den konkret-individuellen Fall reduziert werden. Eine „offene Bewertungskommunikation“ dürfte der Finanzverwaltung auch die notwendige Wissensgenerierung über den Einzelfall hinaus erleichtern. Besonders deutlich wird dies, wenn man auch noch die vor der Dispositionsausübung angesiedelten Instrumente des kooperativen Vollzugs mit in den Blick nimmt, namentlich die verbindliche Auskunft und die Advancend Pricing Agreements (dazu § 10 I.). Wenn der Steuerpflichtige hier sogar bereits im Vorfeld seiner Disposition seine Gedankengänge offenlegen muss, so wird damit nicht nur das fixiert, woran er sich später messen lassen muss, sondern damit wird die Behörde zugleich auch in die Lage versetzt, Wissen zu generieren, „zu lernen“ (siehe bereits § 5 IV. 3. b. und sogleich unter d.), und zwar zeitnah und nicht erst im Nachvollzug. d. Generierung von Erfahrungswissen durch die Finanzverwaltung und selektive Prüfung der Bewertungsvorschläge der Steuerpflichtigen Unter § 5 IV. 3. b. wurde bereits herausgestellt, dass Entscheidungswissen als in den staatlichen Organisationen vorhanden vorausgesetzt wird. Dies gilt nicht nur für das Wissen, welche Rechtsgrundlagen vorhanden sind und wie sie auszulegen sind (Normwissen), sondern auch für das in vielen Teilen der öffentlichen (Fach-) Verwaltung notwendige Fachwissen. Es geht um spezifisches Sonderwissen und zwar sowohl in Gestalt der Wissensbasis und der hieran anknüpfenden Erfahrung als auch deren Organisation.1218 Im Mittelpunkt steht insbesondere die Fähigkeit der Verwaltung, Wissen fallübergreifend zu speichern und zu verarbeiten. Für die Bewertung aus steuergesetzlichen Anlass lässt sich hieran an1217 Grundlegend andere Ansicht M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 90, der die schwache Steuerung des § 11 BewG für gleichheitswidrig erachtet, weil es praktisch wegen seiner Unbestimmtheit stets auf den Einigungswert zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigen hinauslaufe. Hier fehlt letztlich eine Reflektion über die Bandbreite. Denn ein gleichheitsrechtliches Problem kann sich selbst bei einer im Verhandlungswege gewonnenen Bewertung nicht einstellen, solange sich der Wert innerhalb der Bandbreite bewegt. 1218 Dazu mit umfangreichen Nachweisen A. Voßkuhle, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers, Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, S. 637, 643 ff.; die Unterscheidung zwischen dem Experten und dem Spezialisten wird hier allerdings nachfolgend vernachlässigt.

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knüpfen. Denn vor allem die sozialen Bewertungsverhaltensmuster, aber auch andere Tatsachen mit einem einzelfallübergreifenden Bezug, sind einer solchen Wissensgenerierung zugänglich. Dass die Finanzverwaltung dies zum Teil auch tut, wurde bereits berichtet (siehe § 5 IV. 3. b.). Sie führt die (insbesondere) aus den Steuererklärungen der Steuerpflichtigen stammenden sowie anlässlich von Außenprüfungen erlangten Daten und Informationen zusammen und generiert somit ein Amtswalter übergreifendes Wissen in Ansehung von Erfahrungen und generellen Rechtstatsachen innerhalb der Verwaltung. Dort, wo sie es nicht tut, könnte sie es jedenfalls generieren (siehe bereits § 5 IV. 2. und 3. b.). An dieser Stelle geht es nunmehr nicht mehr um diesen realen Befund als solchen und die bei der Verwendung solcher Daten auftretenden Rechtsfragen, sondern darum, ob und inwieweit die Finanzverwaltung gegebenenfalls verpflichtet ist, bewertungsspezifisches Wissen zu generieren, also insbesondere die fallübergreifenden generellen Rechtstatsachen wie zum Beispiel branchen-/größenbezogene Bewertungsübungen. Da es hier vor allem um die Fähigkeit zu einem gleichheitsrechtlichen Vollzug auch komplexer Normanwendungsprozesse (Bewertungen) geht, ist dies natürlich nicht nur eine Frage des behördlichen Erfahrungswissens, sondern zugleich auch der Expertise des jeweiligen Sachwalters. Diesbezüglich besteht eine Wechselbezüglichkeit. Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass Bewertungsfragen in besonderem Maße von Fach- und Erfahrungswissen abhängig sind. Sie sind komplex und schwierig. Es besteht angesichts dessen die Gefahr, dass das Behördenmodell an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit stoßen kann. Neben der Frage des notwendigen Sachverstandes und der hiermit einhergehenden inhaltlichen Qualität der Steuerveranlagungsarbeit geht es dabei ferner auch um die damit eng verbundene Frage, ob die Behörde die notwendigen Rechtsanwendungsvorgänge in angemessener Zeit abwickeln und fachlich verantworten kann. Wir sehen einerseits, dass Gerichte für die Bewertung von Unternehmen nicht ohne Grund regelmäßig Sachverständige heranziehen. Andererseits ist dies aber auch einer der wesentlichen Gründe für die sehr lange Dauer von Gerichtsverfahren mit Unternehmensbewertungsnotwendigkeiten. Wie sieht es im Verwaltungsverfahren aus? Natürlich besteht auch hier die Möglichkeit, dass die Finanzbehörde Sachverständige beauftragt (§ 96 AO) – dies freilich auf ihre Kosten (vgl. § 107 AO). Dass die Finanzbehörde in eine derartige (kostenpflichtige) Abhängigkeit von (externen) Sachverständigen gerät, obwohl jedenfalls Unternehmens- und Grundstücksbewertungen vor allem für die Erbschaft- und Schenkungsteuer vollzugstypisch sind und sie überdies auch bei den Ertragsteuern keine atypischen Vorgänge darstel421

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len, dürfte indes nicht die Lösung sein. Praktisch verfährt die Finanzverwaltung – soweit (bisher) ersichtlich – auch nicht so. Bevor wir uns der hierin wurzelnden verfassungsrechtlichen Frage widmen, soll zuerst noch einmal die unter § 5 IV. 1. beschriebene Vollzugswirklichkeit unter besonderer Berücksichtigung der gutachterlichen nehmensbewertung in Erinnerung gerufen werden: Der SteuerUnter­ pflichtige erfüllt – wenn es um die Schätzung eines Unternehmenswertes nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG geht – seine Erstbewertungspflicht häufig mittels eines Bewertungsgutachtens (dazu auch noch unter § 10 II. 2. a.). Die (verifizierende) Ermittlungstätigkeit der Finanzbehörde ist sodann auf eine selektive, nämlich an den steuermindernden Stellschrauben oder sonst als pflichtwidrigkeitstypisch bzw. als „steuerkritisch-/riskant“ ausgemachten Teilaspekten ansetzende Kontrolle der gutachterlichen Bewertung des Steuerpflichtigen gerichtet. Die Strukturierung des Verfahrensermessens in diesem Sinne ist zulässig (auch dazu bereits § 5 IV. 1.). Insbesondere gibt es verfassungsrechtlich hiergegen auch nichts zu erinnern. Wenn eine Zurücknahme der Verifikation ganzer Sachverhalte zulässig ist, solange der Gesamtvollzug gewährleistet wird1219, dann muss es erst Recht möglich sein, die Bewertungsvorschläge des Steuerpflichtigen nur partiell, aber risikoorientiert zu prüfen. Eine solche „reduzierte Gutachtenkontrolle“ mit sich gegebenenfalls anschließender, zeitlich erheblich nachgelagerter Nachprüfung bestimmter Besteuerungsgrundlagen1220 knüpft allerdings immer an zwei sich wechselseitig beeinflussende Grundbedingungen an: Es bedarf des Wissens, das (zumindest) die Plausibilitätskontrolle erlaubt, und es bedarf fachkundiger Amtswalter, die es anzuwenden wissen. Wie bereits mehrfach angeklungen ist, verfügt die Finanzbehörde über die Möglichkeiten zur Generierung eines solchen rechtsanwendungs-/verifikationsrelevanten Erfahrungswissens. Aus ihren Daten und Informationen kann sie zwar immer nur ein Durchschnittswissen generieren, dessen Aussagekraft natürlich stark von seiner systematischen und vor allem differenzierten Erfassung und Auswertung abhängt. Dies mag für eine Erstkonkretisierung im konkret-individuellen Fall nur sehr eingeschränkt brauchbar sein. Für eine Verifikation und vor allem Schlüssigkeitsprüfung in Anse-

1219 Dazu eingehend R. Seer, DStJG 31 (2008), S. 7, 9 ff. 1220 Gerade bei Erbschaften und Schenkungen ist die Außenprüfung deshalb zeitlich zum Teil erheblich nachgelagert, weil zugleich die Einhaltung der fünf bzw. sieben Jahre lang zu befolgenden Kautelen der Verschonung für unternehmerisches Vermögen (§§ 13a f. ErbStG) mitgeprüft werden.

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hung der Angaben des Steuerpflichtigen reicht dies jedoch.1221 Ferner muss dieses Wissen auch angewendet werden können. Andreas Voßkuhle formuliert prägnant, dass „es […] wenig Sinn [macht], mit dem Bürger in den Dialog zu treten, ihm umfangreiche Informationspflichten aufzuerlegen und auf externe Expertise zurückzugreifen, wenn die dadurch erlangten Daten und Informationen auf Seiten der Verwaltung aufgrund mangelnder eigener Expertise weder verstanden noch produktiv verarbeitet werden können“.1222 Dieses Zitat wird man im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Erkenntnisinteresse in diesem Teil der Untersuchung dahingehend ergänzen müssen, dass es nicht nur „wenig Sinn“ macht, sondern dass hiermit auch der verfassungskonforme Steuervollzug steht und fällt. Die Finanzbehörde ist von Verfassungs wegen gehalten den notwendigen Sachverstand zu gewährleisten. Diese Verpflichtung folgt, erstens, aus dem aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Gebot einer funktionsgerechten Organisation der Verwaltung, was auch eine Pflicht zur Herstellung von Sachverstand beinhaltet.1223 Dieses objektiv-rechtliche Gebot stellt zugleich auch ein subjektives Recht des Einzelnen dar. Die Herstellung ausreichenden Sachverstandes, um sich sachgerecht mit dem Bewertungsvorschlag des Steuerpflichtigen überhaupt befassen zu können, ist Ausfluss des Grundrechtsschutzes durch Verfahren.1224 Diese vornehmlich im Kontext der Freiheitsrechte entwickelte Grundrechtsfunktion gilt auch für den Gleichheitssatz und zwar sowohl aus der Perspektive des einzelnen Steuerpflichtigen, den die Entscheidung konkret angeht, als auch aus Sicht der übrigen Steuerpflichtigen (siehe bereits § 7 II. 1.). Ungeachtet dieser grundrechtlichen Herleitung ist hier noch, zweitens, auf die von Martin Burgi im Zusammenhang mit privaten Wirkungsbeiträgen bei staatlichen Entscheidungen geprägte und aus dem Erfordernis demokratischer Legitimation heraus fundierte Strukturschaffungspflicht hinzuweisen.1225 Gegenwärtigt man sich die Vollzugswirklichkeit, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der vom Steuerpflichtigen anlässlich 1221 Zur Wissensgenerierung und -organisation im Verwaltungsrecht allgemein A. Voßkuhle, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers, Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, S. 637, 638 Fn. 10 u. 11.; B. Wollenschläger, Wissensgenerierung durch Verfahren, passim. 1222 A. Voßkuhle, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers, Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, S. 637, 655 f. 1223 U. Di Fabio, VerwArch 81 (1990), S. 193, 210. 1224 A. Nußberger, AöR 129 (2004), S. 282, 284; vgl. auch BVerwG v. 16.3.1994, 6 C 1/93, BVerwGE 95, 237, 243 f.: Gebot sachgerechter Leistungsbewertung als Ausfluss von Art. 12 GG. 1225 M. Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), S. 183, insbesondere S. 200 ff.

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seiner Pflichterfüllung gelieferte Subsumtionsvorschlag (siehe zur Erstbewertungspflicht des Steuerpflichtigen noch eingehend § 10 II. 2. a.) den wesentlichen Beitrag auf dem Weg zur verwaltungsbehördlichen Rechtserkenntnis darstellt, wird offenbar, dass dies der Situation einer Mitwirkung privater an staatlichen Entscheidungen von ihrem Gefährdungspotential und vor allem der Frage nach der staatlichen Letztverantwortlichkeit, wie sie das Demokratieprinzip fordert1226, gar nicht so unähnlich ist. Es geht auch hier darum, dass die Defizite inhaltlicher Entscheidungsbeherrschung, die sich bei der Bewertung einstellen können, ausgeglichen werden müssen. Würde die Finanzbehörde den Bewertungsvorschlag des Steuerpflichtigen schon aus strukturellen Gründen nicht prüfen können, so drohte die persönliche demokratische Legitimation der Entscheidung verloren zu gehen.1227 Der Begriff der Strukturschaffungspflicht bringt jedenfalls auch hier anschaulich zum Ausdruck, worum es – gleich ob aus gleichheitsrechtlichen oder mit dem Demokratieprinzip staatsprinzipiellen Gründen – geht: Staatliche Letztverantwortung für die Verwaltungsentscheidung ist das eine, bei steigender Relevanz der Mitwirkungsbeiträge des selbstbetroffenen Steuerpflichtigen ihre Wirksamkeit aber das andere.1228 Eine Kompensation allein durch Argumentationslasten auf Seiten des Steuerpflichtigen kann die Wirksamkeit nicht gewährleisten. Denn ohne zur Überprüfung von Erstbewertungen der Steuerpflichtigen notwendiges Erfahrungs- oder (zumindest) Plausbilitätswissen und ohne dies anwendenden persönlichen Sachverstand würde das Verifikationsprinzip ins Leere laufen. Der Bewertungsvorschlag des Steuerpflichtigen würde stets die behördliche Rechtserkenntnis determinieren. Es ist zwar grundsätzlich nicht vorgegeben, ob und inwieweit die Finanzbehörde selbst den Sachverstand vorhalten muss oder ob sie auf außenstehenden Sachverstand zurückgreifen darf. Entscheidend ist allein, dass der Staat die Strukturen dafür schafft. Bereits oben habe ich die These vertreten, dass 1226 BVerfG v. 24.5.1995, 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37, 66 f.; BVerwG v. 5.12.1986, 4 C 13/85, BVerwGE 75, 214, 231; V. Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 103 ff.; E. Schmidt-Aßmann, in: Festschrift f. Brohm, S. 547, 557; W. Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 179 ff.; K.-P. Sommermann, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 76 jeweils mit weiteren Nachweisen (auch zur Diskussion). 1227 Zur Erfüllung der Strukturschaffungspflicht insbesondere durch Sachverstand C. Franzius, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 4 Rn. 58; A. Voßkuhle, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers, Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, S. 637, 655 f. 1228 H. H. Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 6 Rn. 91, 100.

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die flächendeckende (!) Heranziehung von Sachverständigen im Steuerrecht jedoch keine Lösung sein kann. Vielmehr wird man verlangen müssen, dass die Finanzverwaltung wegen ihrer Herrschaft über die Daten und Informationen, aus denen sich das notwendige Erfahrungswissen – gegebenenfalls Mithilfe von wissenschaftlichen externen Sachverstand (siehe bereits § 5 IV. 2. und 3. b.) – generieren lässt, und angesichts der Regelmäßigkeit solcher Fragestellungen diese Strukturen sowohl in sachlicher als auch persönlicher Hinsicht intern schafft.

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§ 8 Freiheit und Vielfalt I. Freiheitsrechtliche Dimension einer bewertungsabhängigen Besteuerung Freiheitsrechtliche Dimension der Besteuerung 1. Zur eigentumsrechtlichen Relevanz der Besteuerung Einen für die Untersuchung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Eckpfeiler stellen ferner die Freiheitsrechte dar. Die freiheitsrechtliche Dimension der Bewertung ist vor allem eine solche der abwehrrechtlichen Grundrechtsfunktion. Um diese im hiesigen Kontext zu erschließen, müssen wir den Blick vom Steuerzugriff im Allgemeinen weiterentwickeln zur Bewertungsnorm im Besonderen: Die Besteuerung als solche hat zweifelsohne die Qualität eines Eingriffs in freiheitsrechtliche Positionen. Sie legt dem Steuerpflichtigen eine Geldsummenschuld auf und enthält die gesetzliche Anordnung, diese Schuld gegenüber dem Staat zu erfüllen. Streitig ist allein, ob es die Eigentumsgarantie ist, die vor der Auferlegung gegenleistungsloser Geldleistungspflichten zur Finanzierung des Gemeinwesens schützt, oder ob dies Art. 2 Abs. 1 GG ist. Rechtsprechung und Literatur taten und tun sich bis heute deshalb mit dieser Frage schwer, weil die Geldsummenschuld letztlich auf dem Vermögen als solchem lastet und eine gegenleistungslose Zahlungsverpflichtung sich überdies auch (vermeintlich) nicht so recht in die Dogmatik des Art. 14 Abs. 1 GG einzufügen scheint. Beginnend mit der Entscheidung zur Investitionshilfe, wo es noch apodiktisch hieß, dass Art. 14 GG das Vermögen nicht gegenüber Eingriffen durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten schütze1229, dem sodann schrittweisen Ausbau der eigentumsrechtlichen Relevanz des Steuerzugriffs1230 und schließlich den Höhepunkten in den letzten 20 Jahren in Gestalt des Existenzminimum-Beschlusses1231 und vor allem der Einheitswert-Beschlüsse1232 dürfte sich die Entwicklung dem Ende neigen und zwar zugunsten des Art. 14 Abs. 1 GG.1233 Meines Erachtens ist diese 1229 BVerfG v. 20.7.1954, 1 BvR 45952, BVerfGE 4, 7, 17; siehe ferner zum Beispiel BVerfG v. 21.3.1957, 1 BvR 65/54, BVerfGE 6, 290, 298; v. 24.7.1962, 2 BvL 16/61, BVerfGE 14, 221, 241; v. 19.10.1983, 2 BvR 298/81, BVerfGE 65, 196, 209. 1230 Siehe die Nachzeichnung der Entwicklung bei K. H. Friauf, DStJG 12 (1989), S. 3, 19 ff. sowie R. Seer, DStJG 23 (2000), S. 87, 94 ff. 1231 BVerfG v. 25.9.1992, 2 BvL 5/91 u.a., BVerfGE 87, 153, 169. 1232 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 137. 1233 In der Literatur dürfte die Ansicht, wonach die Auferlegung von Steuerpflichten den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG berührt, überwiegen K. H. Friauf,

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Ansicht zutreffend und dies ungeachtet der Frage, ob der Steuerzugriff tatbestandlich an das Innehaben von vermögenswerten Rechtspositionen anknüpft oder nicht.1234 Bei Lastenausteilungsnormen eröffnet allein die Belastungswirkung der Steuer den Schutzbereich des Art. 14 GG.1235 Es mag richtig sein, dass Art. 14 GG zwischen Eigentum und Vermögen differenziert und der Steuerpflichtige frei darin ist, welchen Vermögensgegenstand er zur Begleichung der abstrakten Steuerschuld verwendet. Wenn aber dem Grundrechtsträger mit Art. 14 Abs. 1 GG ein Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich erhalten werden soll1236 und der Gewährleistungsgehalt demzufolge folgerichtig auch durch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers gekennzeichnet ist1237, greift diese formale Betrachtung zu kurz. Entscheidend muss sein, dass die abstrakt auferlegte Geldleistungspflicht zur Aufgabe einer konkreten und damit von Art. 14 Abs. 1 GG als Eigentum geschützten Rechtsposition zwingt. Und weil der Steuerpflichtige eine geschützte Eigentumsposition aufgeben muss, wird ihm zugleich auch die Freiheit genommen, über die Verwendung und Verfügung aller seiner Eigentumspositionen frei zu verfügen. Gerade diese Freiheit will Art. 14 Abs. 1 GG aber gewährleisten.1238 Dies spricht für eine grundsätzliche Eigentumsrelevanz der Besteuerung. Die Streitfrage soll hier nicht weiter vertieft werden. Es sei hier daher auf die Untersuchungen verwiesen, die sich dieser Frage eingehend widmen.1239 DStJG 12 (1989), S. 3, 23 f.; M. Jachmann, StuW 1996, 97, 98 ff.; P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 213, 237; F. Kirchhof, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band 3, § 57 Rn. 49; R. Seer, DStJG 23 (2000), S. 87, 98 ff.; K. Vogel, in: Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, S. 527, 534 ff.; R. Wendt, NJW 1980, 2111, 2113; andere Ansicht zum Beispiel D. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernorm, S. 180 ff.; W. Heun, Die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, S. 247; H. J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 483, 488. 1234 Mit dieser Differenzierung BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 110 f.; die Frage, ob Art. 14 Abs. 1 GG das Vermögen als Ganzes und damit vor jeglichen Steuerzugriff schützt, ließ das Bundesverfassungsgericht hingegen offen; vgl. auch schon BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 136 ff. 1235 Siehe noch zur grundrechtlichen Relevanz von Lenkungsnormen in Ansehung ihrer Gestaltungswirkung F. Kirchhof, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band 3, § 57 Rn. 37 ff.; M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 98 ff.; R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, passim. 1236 BVerfG v. 9.1.1991, 1 BvR 929/90, BVerfGE 83, 201, 208. 1237 BVerfG v. 22.5.2001, 1 BvR 1512/97 u.a., BVerfGE 104, 1, 8. 1238 Mit diesem überzeugenden Begründungsduktus statt vieler F. Kirchhof, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 57 Rn. 49. 1239 Zum Beispiel J. Englisch, StuW 2003, 237 ff.; F. Kirchhof, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band 3, § 57 Rn. 41 ff.; M. Rodi, Die Rechtfertigung

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Erachtet man demnach den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG gegenüber der Besteuerung als eröffnet, stellt sich letztere als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar.1240 Denn eine konkrete Eigentumsposition wird von staatlicher Seite gerade nicht entzogen. Problematisch ist allerdings, welche inhaltlichen Schranken die Eigentumsfreiheit hier aufbauen kann. Im Folgenden wird das Augenmerk auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerichtet. 2. Die Grenzziehungskraft des Übermaßverbotes a. Übermaßverbot und steuerschuldrechtliche Belastungswirkung Als Inhalts- und Schrankenbestimmung ist die Steuernorm an Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG zu messen. Bei eigentumsregelnden Eingriffen muss der Gesetzgeber die grundlegende Wertentscheidung zugunsten des Privateigentums achten. Dabei muss er vor allem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.1241 Letzterer verlangt, dass der Staat ein legitimes Ziel mit einem geeigneten und erforderlichen Mittel verfolgt, wobei das Mittel keine Grundrechtsbeeinträchtigung bewirken darf, deren Intensität gänzlich außer Verhältnis zum erstrebten Zweck steht.1242 Mit Blick auf Art. 14 Abs. 2 GG verpflichtet dies den Gesetzgeber insbesondere dazu, das Bestands-, Nutzungs- und Verfügungsinteresse des Eigentümers auf der einen und die Sozialbindung des Eigentums auf der anderen Seite in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.1243 Hier offenbart sich jedoch eine Schwäche der Freiheitsrechte gegenüber dem staatlichen Besteuerungszugriff (als solchem). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist relational strukturiert.1244 Es gibt keine Verhältnismäßigkeit oder Unverhältnismäßigkeit eines Verhaltens an sich. Als unvervon Steuern als Verfassungsproblem, S. 85 ff.; R. Seer, DStJG 23 (2000), S. 87, 98 ff.; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 1, S. 449 ff. zum Teil mit differenzierten Ansichten und jeweils unter Darstellung des Diskussionsstandes. 1240 J. Englisch, StuW 2003, 237 ff.; P. Kirchhof, in: derselbe/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 157. 1241 Zur grundsätzlichen Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf die Steuernorm BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 114 f. 1242 Hierzu statt vieler R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 325; P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 19 ff.; L. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 50 ff. 1243 BVerfG v. 23.11.1999, 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239, 259; v. 7.12.2004, 1 BvR 1804/03, BVerfGE 112, 93, 109. 1244 L. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 50 ff.; E.-W. Böckenförde, Der Staat 29 (1990), S. 1, 20.

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Freiheitsrechtliche Dimension der Besteuerung

hältnismäßig kann sich ein Verhalten nur zu einem bestimmten Zweck erweisen.1245 In Ansehung der Auferlegung einer gegenleistungslosen Geldzahlungsverpflichtung muss die Zweck-Mittel-Prüfung damit als Eingriffsbegrenzung im Wesentlichen ins Leere laufen. Der – nicht mit dem Zweck im Sinne der teleologischen Auslegung zu verwechselnde (siehe bereits § 5 II.) – Zweck steuergesetzlicher Lastenausteilungsnormen ist, Mittel für den allgemeinen Finanzbedarf aufzubringen und die Lasten unter den Steuerpflichtigen zu verteilen.1246 Die Ausgabenseite, d.h. die Verwendung der Steuern, bleibt hingegen außer Betracht. Zwischen Erhebung und Verausgabung schiebt sich die Budgethoheit des Parlamentes1247, so dass sich die Betrachtung auf den Einnahmeerzielungszweck reduziert. Dieser wiederum ist einer relationalen Betrachtung nicht zugänglich. „Jede Steuerbelastung eines einzelnen, gleich welcher Höhe, ist zur anteiligen Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs geeignet und – bis zur vollen Sättigung des Staatsbedarfs – auch erforderlich, und jedenfalls bis zur Grenze der Erdrosselung, ist sie auch verhältnismäßig“.1248 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann daher gegenüber der staatlichen Besteuerungsgewalt als solcher keine nennenswerten Eingriffsschranken errichten. Von einer freiheitsrechtlichen Begrenzung des Steuerzugriffs in Ansehung des Existenzminiums abgesehen1249, kann „nach oben“ hin lediglich in Extremfällen über die Freiheitsrechte ein verfassungsrechtlicher Schutz effektuiert werden und der Besteuerungsgewalt unter dem Aspekt von Unzumutbarkeit bzw. Verhältnis­mäßigkeit im engeren Sinne eine Grenze gezogen werden.1250 Die Freiheitsrechte 1245 R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 326. 1246 K.-D. Drüen, in: Festschrift f. Kruse, S. 191, 200; H.-J. Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 76 ff.; M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 51 f.; K. Vogel, in: Festschrift f. Döllerer, S. 677, 684. 1247 S. Huster, Rechte und Ziele, S. 357; F. Kirchhof, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band 3, § 59 Rn. 33; H. J. Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 77. 1248 So stellvertretend für viele K. Vogel, in: Festschrift f. Döllerer, S. 677, 684; siehe im Übrigen jeweils auch mit weiteren Nachweisen nur K.-D. Drüen, in: Festschrift f. Kruse, S. 191, 200; J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 99; S. Huster, Rechts und Ziele, S. 357 f.; J. Isensee, in: Festschrift f. H. P. Ipsen, S. 409, 434; H.-J. Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 76 ff; R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 383 ff. 1249 Vgl. BVerfG v. 29.5.1990, 1 BvL 20/84, BVerfGE 82, 60, 85; zur Begründung dieser Einschränkung sowohl aus den Freiheitsrechten als auch der Menschenwürde sowie dem Sozialstaatsgebot eingehend K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 2, S. 420 ff. 1250 So BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 115.

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werden hier nur als Belastungsobergrenze gegenüber „Belastungsexzessen“ angesprochen.1251 Auch wenn es eine solche theoretisch gewiss gibt, so lässt sich eine justiziable Grenze der Steuerlastquote – gleich ob Steuerarten übergreifend oder ob bezogen auf den Steuerzugriff durch eine bestimmte Steuer –, bei der die Partizipation des Staates in Konfiskation umschlägt, nicht konkret benennen.1252 Dementsprechend offen formulierte auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 18.1.2006: „Trotz mangelnder konkreter Verwaltungszwecke, die in ein Verhältnis zur Steuerbelastung gesetzt und bewertet werden könnten, bleibt die Möglichkeit, in Situationen zunehmender Steuerbelastung der Gesamtheit oder doch einer Mehrheit der Steuerpflichtigen, insbesondere etwa dann, wenn eine solche Belastung auch im internationalen Vergleich als bedrohliche Sonderentwicklung gekennzeichnet werden kann, vom Gesetzgeber die Darlegung besonderer rechtfertigender Gründe zu fordern, nach denen die Steuerlast trotz ungewöhnlicher Höhe noch als zumutbar gelten dürfte.“ 1253 Wenngleich der Einnahmerzielungszweck in vielen Fällen eine Steuerbelastung als verhältnismäßig erscheinen lassen wird, so setzt die Eigentumsgarantie dem Steuergesetzgeber gleichwohl Grenzen. Bei einer laufenden Besteuerung mögen diese Grenzen schwierig zu quantifizieren sein. Dies hat die Diskussion um den Halbteilungsgrundsatz gezeigt.1254 Aber gleichwohl hatte der Versuch des Bundesverfassungsgerichts, den Eigentumsschutz im Sinne einer Belastungsgrenze zu effektuieren, ein berechtiges Anliegen. Es geht um die Wertung des Grundgesetzes, die es mit Art. 14 GG zum Ausdruck bringt: Die Privatnützigkeit des Eigentums.1255 Sie würde auf eine unbedeutende Hülse reduziert, wenn der undifferenzierte Hinweis auf den staatlichen Finanzbedarf vermittels der 1251 K. Tipke, in: Festschrift f. Vogel, S. 561, 571; J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 99 (erst, wenn im Kern entwertet); ähnlich BVerfG v. 22.3.1983, 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, 368 mit seinem Hinweis auf die einer Minderheit von der Mehrheit zugemuteten unmäßigen Lasten und eine von Art. 14 GG insoweit gesetzte „äußerste Grenze“. 1252 BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 114 f.; H.-J. Papier, KritV 1987, S. 140, 145; W. Rüfner, DVBl. 1970, 881, 882 (eine Grenze sei „rational kaum zu erfassen“); K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 1, S. 452 ff. 1253 BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 116. 1254 Siehe zum sog. Halbteilungsgrundsatz BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 ff.; siehe zudem zu vorangegangenen Ansätzen einer zahlenmäßigen Begrenzung des Steuerzugriffs aus den Freiheitsrechten heraus zum Beispiel P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 213 ff.; K. H. Friauf, DStJG 12 (1989), S. 3, 8 f.; K.-G. Loritz, Beihefter zu DStR 8/1995, 6. 1255 Siehe vor allem im steuerlichen Kontext P. Kirchhof, in: derselbe/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 156 ff.; derselbe, VVDStRL 39 (1981), S. 213 ff.

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Zweck-Mittel-Struktur des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dazu führen würde, dass Eigentum nur insoweit in Händen des Privaten bleiben muss, wenn ihm anderenfalls überhaupt nichts bzw. so gut wie nichts mehr verbleiben würde. Der Rechtsgüterausgleich innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung muss daher wertend der Entscheidung für die Privatnützigkeit Rechnung tragen. Es muss schon „früher“ steuerliche Zugriffssituationen auf das Eigentum geben, wo der Gesetzgeber sich nicht mehr einfach auf seinen allgemeinen Finanzbedarf zurückziehen kann, wo er vielmehr gewichtige Argumente braucht, um sich gegen diese Grundentscheidung durchsetzen zu können. Wie bereits gesagt: In Bezug auf eine konkrete Steuersatzhöhe kann man nur eine Grenze behaupten, aber kaum begründen. Um sie geht es hier jedoch nicht. Betrachten wir vielmehr die Bedeutung dieser (zweifellos) wertenden Grenzziehung unter besonderer Berücksichtigung der Bewertung als Ausgestaltungsvorgabe in einem besonders sensiblen Bereich, nämlich dort, wo die Besteuerung Substanzrelevanz hat bzw. erlangt: Zum einen verbietet Art. 14 Abs. 1 GG nach vielfach vertretener Ansicht grundsätzlich (d. h. vor allem vorbehaltlich einer Ausnahmelage wie beispielsweise nach den beiden Weltkriegen) eine „Substanzbesteuerung“.1256 Die damit verbundene eigentumsrechtliche Grundsatzdiskussion kann hier nicht nachgezeichnet werden. Für ein grundsätzliches Substanzbesteuerungsverbot für an das Vermögen anknüpfende Steuern sprechen aber gute verfassungsrechtliche Argumente. Nach überzeugender Ansicht ist der zutreffende dogmatische Ansatzpunkt dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit1257, weshalb das „Substanzbesteuerungsverbot“ in den hiesigen Kontext gehört. Der Steuerzugriff mag nur Inhalts- und Schrankenbestimmung sein. Bei einer Substanzbesteuerung ist er aber einer Enteinung wirkungsgleich, was bei der Güterabwägung durch die Anlegung ähnlich strenger Maßstäbe zu berücksichtigen ist 1256 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121; H.-W. Arndt/A. Schumacher, NJW 1995, 2603 ff.; J. Englisch, StuW 2003, 237, 244; J. Hey, Beilage zu DB 47/2012, S. 43, 44; P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 213 ff.; H. Kube, Beihefter zu DStR 26/2013, S. 37, 43 f.; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 172; N. Vieten, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Wiedereinführung einer Vermögensteuer, S. 94 ff.; andere Ansicht zum Beispiel E. W. Böckenförde in seinem Sondervotum, BVerfGE 93, 121, 153 ff.; D. Birk, DStJG 22 (1999), S. 3, 16; P. Helbig, Der steuerverfassungsrechtliche Halbteilungsgrundsatz, S. 64 ff. Zu weiteren Nachweisen und insbesondere den verschiedenen Argumentationslinien siehe nur N. Vieten, a.a.O, S. 80 ff. 1257 J. Englisch, StuW 2003, 237, 245; J. Hey, Beilage zu DB 47/2012, S. 43, 44; H. Kube, Beihefter zu DStR 26/2013, S. 37, 44; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 172.

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und – von der Notlagenausnahme in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgesehen – selbst unter Berücksichtigung der Maß­ losigkeit des Einnahmeerzielungszwecks zur Unverhältnismäßigkeit führt. Denn eine Entschädigung als allenfalls Verhältnismäßigkeit wahrendes Ventil ist bei der Besteuerung unsinnig.1258 Natürlich muss man bei dieser Sichtweise auch begründen können, warum dies beim Zugriff auf das erwirtschaftete (Einkommensteuer) oder transferierte (Erbschaftsund Schenkungsteuer) Einkommen anders ist. So manifestiert sich die am Markt erwirtschaftete Vermögensmehrung immerhin auch in Eigentum (zum Beispiel am Geld oder in Gestalt eines Forderungsrechts), geht in ein „Gesamtvermögen“ über und wird diesem Gesamtvermögen sodann durch die Ertragsbesteuerung entzogen. Für das ererbte und geschenkte Vermögen gilt dies nicht weniger. Eine differenzierte Begründung ist aber möglich und geboten. Das am Markt erworbene Einkommen ist von Anfang an mit dem staatlichen Steuerzugriff belastet. Das ruhende Vermögen hingegen, das einer periodischen Substanzbesteuerung unterliegt, wird der Logik einer nicht befristeten Steuer folgend mit der Zeit aufgezerrt. Der Steuerzugriff hat hier eine ganz andere Qualität, weil er nicht auf Teilhabe unter Fortbestand eines Einkommensanteils zur Lebens­führung und zum weiteren Vermögensaufbau gerichtet ist, sondern umge­kehrt gerade auf Vermögensabbau. Dies macht im Lichte der grundsätz­lichen Entscheidung für die Privatnützigkeit des Eigentums wertungsmäßig den entscheidenden Unterschied zwischen einer laufenden Ertragsbesteuerung auf der einen Seite und einer Vermögenssubstanzbesteuerung auf der anderen Seite und zwingt zu Abstufungen.1259 Auch in Ansehung der Erbschaftsteuer, wo der Substanzsteuereffekt „planmäßig intendiert“ eintritt1260, trifft diese wertungsmäßige Unterscheidung zu. Ungeachtet der Tatsache, dass hier die Erbrechts- und nicht die Eigentumsgarantie einschlägig ist1261, muss gesehen werden, dass Steuersubjekt der Erwerber ist. Besteuert wird transferiertes Ein-

1258 Überzeugend jüngst J. Hey, Beilage zu DB 47/2012, S. 43, 44; ähnlich bereits K.- G. Loritz, Beihefter zu DStR 8/1995, 3, 10. 1259 Vgl. insbesondere die gestufte Sozialpflichtigkeit bei P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 213 ff. 1260 R. Seer, StuW 1997, 283, 285 u. 287. 1261 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, 174; siehe demgegenüber allerdings W. Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftbesteuerung, S. 36 ff., 89 ff. mit seiner These vom Verbot des Zwangsverkaufs und ferner K.-G. Loritz, Beihefter zu DStR 8/1995, 3, 12 ff.

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kommen (siehe bereits § 2 I. 2.). Die Situation ist also nicht anders als bei der laufenden Ertragbesteuerung auch.1262 Ein Substanzbesteuerungsverbot betrifft namentlich die Vermögensteuer. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 22.6.1995 darf deshalb eine Vermögensteuer nur so bemessen sein, dass sie in ihrem Zusammenwirken mit den sonstigen Steuerbelastungen die Substanz des Vermögens (den Vermögensstamm) unberührt lässt. Verfassungsrechtlich zulässig kann insoweit daher nur eine (Soll-) Ertragskonzeption sein.1263 Verfassungsrechtlich ist damit ein Bewertungssystem vorgeben, das eine zuverlässige Feststellung der Erträge oder zumindest der typischerweise erzielbaren Erträge ermöglichen muss.1264 Folgerichtig würde dies bedeuten, dass das Verfassungsrecht auch den Rechtswert determiniert: den Ertragswert. Aber gerade die vorgenannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 belehrt darüber, dass ein Verkehrswertansatz gleichwohl verfassungsrechtlich hinzunehmen sei, solange der Steuersatz garantiert, dass die Substanz (typischerweise) unangetastet bleibt. Die Argumentation ist letztlich auf Typisierung ausgerichtet: Der Verkehrswert einer Vermögensgesamtheit wird als Indikator für den auf Basis eines solchen Vermögens typischerweise zu erzielenden Sollertrages betrachtet1265 und der Steuersatz vervollständigt diese Typisierung dergestalt, dass er den Verkehrswert – der ja nicht zwingend nach der Ertragsfähigkeit eines Gegenstandes fragt – zumindest belastungsmäßig auf ein Sollertragsniveau zurückführt. Dies ist derart „um die Ecke gedacht“, dass wir es freilich nicht mit einer Typisierung zu tun haben, sondern schlicht mit einem Ettiketenschwindel. Aber gleichwohl ist dies meines Erachtens nur bedingt freiheitsrechtlich relevant, wenn man – dies tut das Bundesverfassungsgericht nach meinem Dafürhalten zu Recht – auf das Ergebnis abstellt, also bei niedrigem Steuersatz regelmäßig in der Tat keine Substanzbesteuerung feststellen können wird. Die verfassungsrechtliche Schwachstelle einer solchen Vermögensteuerkonzeption liegt vielmehr im Bereich des Gleichheitssatzes (dazu bereits § 7 I.)

1262 J. Hey, JZ 2007, 564, 565; M. Schubert, Die Verfassungswidrigkeit der Erbschaftund Schenkungsteuer und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Neuregelung, S. 213; R. Seer, StuW 1997, 283, 287. 1263 BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 137 f. 1264 K.-G. Loritz, Beihefter zu DStR 8/1995, 3, 15 – freilich vor der Entscheidung BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 ff. 1265 So M. Jachmann, StuW 1996, 97, 102 gegen die im Sondervotum von E. W. Böcken­förde formulierte Kritik.

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Zum anderen wird in der Literatur der Gedanke einer „eigentumsschonenden Besteuerung“ zugunsten des (ertragsteuerlichen) Realisisationsprinzips fruchtbar gemacht.1266 Letzteres garantiert im derzeit geltenden Ertragsteuerecht als Grundsatz, dass Wertsteigerungen von steuerverstrickten Vermögen (Betriebsvermögen allgemein und Privatvermögen im Fall der §§ 17, 20 Abs. 2, 23 EStG) erst dann zu steuerbaren Einkommen führen, wenn die Wertsteigerung durch einen Umsatzakt realisiert ist. Die auf Erfassung der unrealisierten Wertsteigerung gerichteten Ersatztatbestände (zum Beispiel Entnahmetatbestände und § 6 AStG) stellen lediglich Ausnahmen von diesem Grundsatz dar (siehe bereits § 2 I. 3.). Das Zuwarten auf den Realisationszeitpunkt erfolgt dabei nicht deshalb, weil erst im Veräußerungszeitpunkt der Wertzuwachs entsteht, sondern obwohl er bereits vorher beim Steuerpflichtigen entstanden war.1267 Nach vielfach vertretener Ansicht ist diese Schonung des Steuerpflichtigen eigentumsrechtlich rechtfertigbar, wenn nicht sogar eigentumsrechtlich zwingend. Mit diesem Mechanismus werde ein steuerlicher Zugriff auf nicht realisierte Vermögenswerte, auf die Substanz, ausgeschlossen und die Gefahr einer übermäßigen Besteuerung vermieden.1268 Es wird die Sorge artikuliert, dass die Entrichtung der auf die unrealisierten Wertsteigerungen entfallenden Steuer nicht aus der Leistungsfähigkeitssteigerung selbst heraus geleistet werden kann. Damit ist der Bogen zur Liquidität gespannt: Sie wird zu einer die Verhältnismäßigkeit wahrenden Bedingung der in Geld zu leistenden Steuerzahlungspflicht erklärt. Neben der Frage der Liquidität taucht dabei häufig ein weiteres (flankierendes) Argument auf und dieses ist uns bereits aus dem gleichheitsrechtlichen Kontext bekannt (siehe § 7 I. 2. a.), nämlich die „Unsicherheit der Wertsteigerung“ und damit letztlich die Unsicherheit des Wertes selbst.1269 In Abgrenzung zu einem an anderer Stelle noch her1266 Insbesondere J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 161 (Realisationsprinzip als „unverzichtbarer Bestandteil eigentumsschonender Besteuerung“) u. S. 344 ff.; ihm folgend C. Bauer, Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als Grundlage der Gewinnermittlungsarten im Einkommensteuerrecht, S. 281 f.; J. Englisch, in: Festschrift f. Lang, S. 167, 182; J. Hennrichs, DStJG 24 (2001), S. 311, 314; M. Jachmann, DStJG 23 (2000), S. 9, 56; R. Seer, DStJG 22 (1999), S. 191, 200 ff.; ferner wohl auch M. Wendt, in: Festschrift f. P. Kirchhof, S. 1961, 1967 f. 1267 Siehe nur BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1, 24. 1268 So im Wesentlichen wörtlich H.-J. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 3, 22; ferner C. Bauer, Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als Grundlage der Gewinnermittlungsarten im Einkommensteuerrecht, S. 281; K. Vogel, StuW 1974, S. 193, 199 ff. 1269 C. Bauer, Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als Grundlage der Gewinnermittlungsarten im Einkommensteuerrecht, S. 282; M. Jachmann,

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vorzuhebenden Unsicherheitsaspekt geht es hier allerdings um die Unsicherheit in Bezug auf die Frage, ob und zu welchem Preis überhaupt jemals eine Realisation erfolgen wird. Im Mittelpunkt steht also die Flüchtigkeit einer Verkehrsbewertung, die zu einem bestimmten Stichtag vorgenommen werden muss, die aber die Wertentwicklung der Zukunft und insbesondere das irgendwann einmal tatsächliche vereinbarte Entgelt nicht antizipieren kann. Joachim Lang formuliert den „verfassungsrechtlichen Inhalt des Realisationsprinzips“ zu einer Anweisung an den Gesetzgeber, „die Besteuerung auf möglichst sichere Werte abzustellen und dabei nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von mehreren möglichen Werten einen hinreichend sicheren Wert auszuwählen“ und dies führe zu „einem Vorrang der Realisationswerte, die durch einen Umsatzakt ausgewiesen werden“.1270 Das Realisationsprinzip verwirklicht hiernach eine vorsichtige, eigentums(-substanz-)schonende Bewertung.1271 Die eigentumsrechtliche Argumentation ist hier komplexer als bei dem Substanzbesteuerungsverbot, wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 22.6.1995 formuliert hat, wenngleich uns hier im Kern dieselbe eigentumsrechtliche Fundierung begegnet. Wer Art. 14 Abs. 1 GG mit vorstehend referrierter Begründung unter dem Gesichtspunkt eines Substanzschutzes in Stellung bringt, dem geht es im Ausgangspunkt zwar nicht um das Problem eines konfiskatorischen, weil nämlich endgültigen Zugriffs auf das ruhende Vermögen mit der Folge einer Vermögensverminderung. Anknüpfungspunkt bleibt vielmehr nach Maßgabe der bereits oben gemachten Unterscheidung zwischen ruhenden Vermögen und dem erwirtschafteten Einkommen letzteres. Diese Vermögensmehrung besteht eben nur nicht in (unmittelbar) Liquidität vermittelndem Geld. Vergegenwärtigen muss man sich auch den Faktor Zeit. Die Besteuerung unrealisierter Wertsteigerungen ist eine Vorabbesteuerung, wenn man unterstellt, dass irgendwann einmal die Veräußerung erfolgt. Diese Unterstellung wirkt auf den ersten Blick theoretisch, weil gerade bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens oder bei mit vergleichbarer Langzeitperspektive angeschafften privaten WirtschaftsgüDStJG 23 (2000), S. 9, 56; J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 161 u. S. 344 ff.; D. Schneider, BB 1978, 1577, 1580; R. Seer, DStJG 22 (1999), S. 191, 200 ff.; M. Wendt, in: Festschrift f. P. Kirchhof, S. 1961, 1968; zurückhaltender, aber in dieselbe Richtung J. Hennrichs, DStJG 24 (2001), S. 311, 314: „Der Steuerzugriff sollte an möglichst sichere Werte anknüpfen“ sowie S. 316: „An unverlässliche Wertschätzungen sollte die Besteuerung nicht ohne Not anknüpfen“. 1270 J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 344. 1271 H.-J. Pezzer, DStJG 14 (1991), S. 3, 22.

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tern ja nicht absehbar ist, ob überhaupt und bejahendenfalls wann eine Realisierung der Wertsteigerung erfolgt. Allerdings lässt sich auch nicht konstatieren, dass die Nichtveräußerung der Regelfall ist. Daher passt der Gedanke einer Vorabbesteuerung durchaus. Man muss lediglich die Ungewissheit der realisationsbedingten Endabrechnung „mitdenken“. Jedenfalls geht es nicht um (unzulässigen) Vermögensabbau durch Besteuerung (wie bei der periodischen Vermögensteuer mit Substanzbesteuerungswirkung). Sondern es geht vielmehr um eine Wertsteigerung, deren Erfassung als Leistungsfähigkeitssteigerung trotz bisher nicht erfolgter Marktbestätigung des aktuellen Verkehrswertes durchaus nicht unplausibel wäre. Das eigentumsrechtliche Schutzbedürfnis tritt vielmehr deshalb auf, weil ein dergestalt definiertes Einkommen noch (!) keine unmittelbare Steuerzahlungsfähigkeit vermittelt. Gleichwohl macht dies nicht den entscheidenden Unterschied aus. Wenn ein Steuerpflichtiger wegen einer Besteuerung unrealisierter Wertsteigerungen einen (nicht in Geld bestehenden) Vermögensgegenstand aufgeben muss, um Ertragsteuern bezahlen zu können, hat dies nämlich eine andere Qualität als beim Zugriff auf zugeflossene Geld- und Sachzuwendungen. Es wird formal auf rechtliche Verfügbarkeit abgestellt, aber nicht auf die wirtschaftliche Komponente dieser Verfügbarkeit. In einer solchen Situation gehört es in der Tat zum Eigentumsschutz, dass in der Rechtsgüterabwägung besondere Gründe dafür streiten müssen, dass trotz erheblicher Freiheitseinschränkung „gerade jetzt“ der Steuerzugriff gleichwohl notwendig ist. Diese besonderen Gründe sind aber regelmäßig nicht gegeben. Für den Steuerpflichtigen streitet nämlich der bereits genannte Faktor Zeit. Der Staat verzichtet hier nicht endgültig auf eine Besteuerung. Es geht lediglich darum, sie auf einen Zeitpunkt der Realisation der Wertsteigerung hinauszuschieben. Es wird also letztlich nicht gegen das staatliche Finanzierungsinteresse dem Grunde nach abgewogen, sondern lediglich in der Zeit. Schließlich ist in der Abwägung auch der Aspekt der Bewertungslast zu berücksichtigen (siehe zur Berücksichtigung von Bewertungslasten im Rahmen der Verhältnismäßigkeit des Steuerzugriff eingehend sogleich unter § 8 I. 2. b.). Die Verkehrswert-Neubewertung zu jedem (Bilanz-) Stichtag würde mit einem er­heblichen Aufwand einhergehen. Gerade Letzteres ist zugleich auch das entscheidende Argument in rechts­ technischer Hinsicht, zeigt es nämlich, warum andere Schonungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Stundungsregelungen etc. keine tauglichen (Primär-) Ansätze sind. Sie entbinden nicht nur nicht von der Bewertungslast, sie würden sogar zu einer Bewertung zwingen, die wegen der Stundung in der Regel nicht steuererheblich wird. Dies wäre bei einer 436

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einmaligen Bewertung noch hinzunehmen bzw. gleichheitsrechtlich unter Umständen sogar der vorrangige Ansatz; dies vor allem dann, wenn die Verschonung nicht zu 100 % erfolgt (siehe auch bereits § 7 I. 5.). Eine regelmäßige Bewertung hingegen, die sich mit jedem Stichtag überholt, sich aufgrund der Stundung nicht ausgewirkt hat und wertlos wird, sieht sich jedoch in einem anderen Rechtfertigungsumfeld und kann keine erforderliche Verschonungslösung sein. Betrachtet man diese Argumente in der Summe, ist eine Konzeptionierung der Einkommensteuer dahingehend, dass auch nichtrealisierte Wert­steigerungen zwischen zwei Stichtagen erfasst werden, grundsätzlich unverhältnismäßig, sofern nicht besondere Sachgründe für die vorzeitige Erfassung der stillen Reserven streiten. Solche Sachgründe gibt es und in diesen Fällen muss der Steuerpflichtige auch die Besteuerung nicht realisierter Wertsteigerungen eigentumsrechtlich dulden. Dies sind die Fälle, in denen bei weiterem Zuwarten anderenfalls eine end­gültige Nicht(-mehr-)erfassung der bisher unrealisierten Wertsteigerung droht.1272 Das Ergebnis stimmt nach alledem mit demjenigen der zuerst dargestellten Ansicht überein. Es ist das Ergebnis einer Abwägung unter besonderer Berücksichtigung der Zeitraumbezogenheit der Einkommensteuer. Gerade dieser Zeitaspekt im Zusammenwirken mit der regelmäßigen Bewertungslast prägt diese Abwägung. Die Unsicherheit der Bewertung selbst beeinflusst die Abwägung entgegen der vorgenannten Ansicht hingegen nicht nennenswert. Die Ausführungen zu Art. 3 Abs. 1 GG haben gezeigt, dass es immer eine Bandbreite vertretbarer Werte gibt. Bei Art. 14 GG kann der Genauigkeitsanspruch der Bewertung nicht hinter der gleichheitsrechtlichen Erkenntnis zurückbleiben. Die Frage ist vielmehr, ob und inwieweit Art. 14 GG nicht innerhalb der Bandbreite seine Schutzwirkung entfaltet und dem Gesetzgeber bewertungsspezifische Grenzen setzt; dies wird uns allerding erst unter § 8 I. 2. d. beschäftigen. Hier ist jedenfalls erst eimal festzuhalten, dass bei der Frage, ob überhaupt eine Leistungsfähigkeitssteigerung durch Verkehrswertbewertung erfasst werden darf, anlässlich der hier anzustellenden Abwägung die Unsicherheit der Bewertung für sich betrachtet keinen tragenden Abwägungsbelang darstellt. Die Unsicherheit und vor allem die Wertveränderung zwischen den Stichtagen spiegeln sich lediglich in dem abwägungsgewichtigen Bewertungsaufwand wider; dies ist natürlich eine Folge der Bewertungsunsicherheit, aber mit ihr gleichwohl nicht identisch.

1272 J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 162; siehe ferner § 2 I. 3. d.

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Damit ist zugleich auch der Weg zur Erbschaft- und Schenkungsteuer geebnet. Die Abwägung muss dort aus den genannten Gründen nämlich anders ausfallen. Es handelt sich um eine stichtagsbezoge Bereicherungssteuer und damit ist ein Aufschub, ein Zuwarten auf den „Realisationswert“ im Sinne eines tatsächlich am Markt bestätigten Verkehrswertes konzeptionell nicht möglich. Stichtagsinkongruente Verkaufspreise (spätere Realisation) können allenfalls als Ableitungs- oder Kontrollbasis dienen, deren Aussagekraft mit zunehmendem Abstand zum Stichtag allerdings auch abnimmt. Art. 14 GG setzt also einer stichtagsbezogenen Verkehrswertbewertung „dem Grunde nach“ (in Abgrenzung zu seiner Relevanz innerhalb der Verkehrswertbandbreite, dazu sogleich § 8 I. 1. d.) keine Grenzen. b. Übermaßverbot und Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen durch materielle Steuerpflicht nebst bewertungsspezifischer Mitwirkungs­ pflichten aa) Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes blieb bisher auf die Steuerbelastung im Sinne einer reinen Geldzahlungspflicht beschränkt. Die Belastungswirkungen beschränken sich jedoch nicht auf die Entziehung von Geld zugunsten der Staatskasse. Erweitern wir daher die freiheitsrechtliche Perspektive und betrachten die materielle Steuerpflicht mit ihrer schuldrechtlichen Steuerzahlungsverpflichtung kumulativ mit den weiteren Belastungswirkungen, die zum Beispiel in Gestalt von Mitwirkungspflichten verbunden sind. Zu nennen sind hier vor allem die Steuererklärungspflicht einschließlich der damit verbundenen Pflicht zur „Erstbewertung“ und die ihr vorgelagerten bzw. mit ihr einhergehenden Aufzeichnungspflichten. Hinzutreten noch weitere Mitwirkungspflichten, wie zum Beispiel die Pflicht zur Auskunftserteilung und Vorlage von Unterlagen. Ferner ist die Pflicht zur Duldung von Außenprüfung zu nennen. Es werden also verschiedene Pflichtenstellungen begründet, die von derjenigen der materiell-rechtlichen Steuerbelastung zu unterscheiden sind. Die Belastung mit jeder einzelnen dieser Mitwirkungspflichten begründet jeweils einen eigenständigen Eingriff in die Freiheitsrechte des Mitwirkungsverpflichteten.1273 Für die Rechtfertigung dieses Eingriffs ist entscheidend, dass die Mitwirkungspflichten in einer dienenden Funk­ 1273 K.-D. Drüen, FR 2004, 1134, 1148; F. Kirchhof, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band 3, § 57 Rn. 19; P. Kirchhof, AöR 128 (2003), S. 1, 6; F. W. Sidow, Die Vereinbarkeit der steuerlichen Mitwirkungspflichten mit dem Grundgesetz, S. 66 u. 123 ff.

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tion zur materiellem Steuerpflicht stehen, kann diese nämlich ohne Sachaufklärung nicht verwirklicht werden. Die Legitimität des mit ihnen verfolgten Zwecks ergibt sich daher unmittelbar aus Art. 3 Abs. 1 GG und der Funktionsfähigkeit des Staates selbst.1274 Bei Anlegung der vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geforderten Zweckrationalität und Abgewogenheit1275 muss sodann entschieden werden, ob die jeweilige Mitwirkungspflicht zur Gewährleistung einer gesetzmäßigen Besteuerung geeignet und erforderlich ist und ob sie mit dem freiheitsrechtlichen Interesse des Steuerpflichtigen in einen vertretbaren Ausgleich gebracht worden ist. Eine solche Zweck-Mittel-Prüfung ist möglich, weil der Zweck der Mitwirkungspflichten nicht die Einnahmerzielung, sondern die Sachaufklärung zur Verwirklichung der bereits abschließend im Gesetz getroffenen materiellen Lastenausteilungsentscheidung ist.1276 Anlässlich der verfassungsrechtlichen Würdigung der Mitwirkungspflichten muss dabei – was gerne übersehen wird, weil der Steuer­ pflichtige zuvörderst nur die Belastung spürt – insbesondere auch der Freiheitsgewinn vergegenwärtigt werden, der mit vielen Mitwirkungs-, insbesondere Erklärungspflichten einhergeht. Jedes Verfahrensrecht, das den Steuerpflichtigen in die Sachaufklärung einbindet, verwirklicht das freiheitsrechtliche Anliegen, von einer regelmäßig belastenderen „behördlichen Inquisation“ verschont zu werden.1277 Es schont zum einen die Privatssphäre des Steuerpflichtigen. Zum anderen ermöglicht es eine frühzeitige Beteiligung des Steuerpflichtigen und damit auch eine Interessenwahrnehmung.1278 An dieser Stelle geht es nicht um die isolierte verfassungsrechtliche Würdigung der einzelnen Mitwirkungspflichten, sondern darum, ob und inwieweit eine solche Pflichtenbelastung auf die freiheitsrechtliche Würdigung des Steuerzugriffs (also der Auferlegung der Steuerlast durch das materielle Steuergesetz) als solchen durchschlagen kann. Die grundrechtsdogmatische Frage mit besonderem Blick auf die Bewertung ist also, ob und inwieweit hier die (materielle) Steuer- und die (verfahrensrechtliche) Mitwirkungspflichtbelastung verbunden werden können, sie also addiert und damit gesamtbetrachtet einer Verfassungsrechtsprüfung 1274 R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 290. 1275 BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 113; L. Osterloh, in: Festschrift f. P. Kirchhof, S. 217, 220 dazu auch noch unter § 8 I. 2. d. 1276 R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 291. 1277 K.-D. Drüen, FR 2004, 1134, 1148; R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 275 f. u. S. 293 f.; derselbe, DStJG 31 (2008), S. 7, 15 ff. 1278 Zur „Schutzfunktion“ einer (frühzeitigen) Verfahrensbeteiligung M. Fehling, VVDStRL 71 (2011), S. 278, 307; P. Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43, 86 ff.; F. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), S. 21, 25 f.; F. Ossenbühl, NVwZ 1982, 465.

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unterzogen werden dürfen bzw. müssen. Im steuerlichen Schrifttum finden sich durchaus Ansätze einer solchen „Gesamtbetrachtung“. Für die Erbschaft- und Schenkungbesteuerung in der seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung geschieht dies beispielsweise bei Joachim Lang. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit (im engeren Sinne) in Ansehung der materiellen Steuerpflicht berücksichtigt er auch den Vollzugsaufwand sowohl auf Seiten der Behörde als auch beim Steuerpflichtigen. Die verfahrensrechtliche „Bewertungslast“ wird bei ihm zum Abwägungsbestandteil anlässlich der freiheitsrechtlichen Rechtfertigung des Steuerzugriffs als solchen.1279 Ferner will er in dieser Abwägung auch die fiskalische Eignung der Steuer berücksichtigen.1280 Entsprechend ist jüngst auch in Ansehung (einer „Wiederbelebung“) der Vermögenssteuer (vgl. § 2 I. 4. am Ende) von Hanno Kube verfahren worden; auch er hat die Bewertungslast und die Ergiebigkeit in die Abwägung einbezogen.1281 Auf das Argument der Unergiebigkeit wird gesondert unter c. eingegangen. Betrachten wir daher hier nur die Einbeziehung der Bewertungslast: Ein solches verbindendes, gesamtwürdigendes Vorgehen in Ansehung der Verfassungsprüfung des materiellen Steuergesetzes mit den Mitwirkungspflichten führt zur allgemeinen Diskussion um die ganzheitliche Erfassung von Grundrechtseingriffen. Die Aktivierung eines Freiheitsrechtes erfolgt in der Regel gegenüber einem (!) staatlichen Akt. Damit ist aber noch nicht viel gesagt. Zu Recht wird vielfach davon ausgegangen, dass trotz der Fixierung auf einen staatlichen Akt keine punktuelle Prüfung einer einzigen staatlichen Maßnahme unter vollkommener Ausblendung anderer, mit dem geprüften Eingriff in einem (zu konkretisierenden) Zusammenhang stehender Belastungen erfolgt.1282 Die Frage ist jedoch, was der Ansatzpunkt für eine derart „additive Betrachtung“ ist.1283 Werden die verschiedenen staatlichen Maßnahmen zu einem einzigen Eingriff addiert oder bleibt es bei der punktellen Eingriffsanknüpfung, aber der Blick wird anlässlich der Verhältnismäßigkeitsprüfung gewei­tet? Für ersteres wird man verlangen müssen, dass mehrere Einzelmaßnahmen nicht trennbar sind und eine isolierte Würdigung sinnvol1279 J. Lang, StuW 2008, 189, 203 f. 1280 J. Lang, StuW 2008, 189, 203 f. 1281 H. Kube, Beihefter zu DStR 26/2013, 37, 46; ähnlich ferner G. Kirchhof, StuW 2011, 189, 199; in diesem Sinne im Grunde auch schon F. Helmert, Der Wert im Vermögensteuerrecht, S. 143; M. Jachmann, StuW 1996, 97, 99. 1282 Anschaulich BVerfG v. 12.4.2005, 2 BvR 581/01, NJW 2005, 1338; siehe ferner F. Hufen, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 278 ff.; G. Kirchhof, NJW 2006, 732 ff.; J. Lücke, DVBl 2001, 1469 ff. 1283 Begriff nach J. Lücke, DVBl 2001, 1469 ff.; er wird später auch von BVerfG v. 12.4.2005, 2 BvR 581/01, NJW 2005, 1338 verwendet.

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lerweise nicht erfolgen kann. Dies dürfte die Ausnahme sein. Im Übrigen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der richtige Ort für Gesamtbelastungsbetrachtungen und so verhält es sich auch hier.1284 Die Grenzen einer solchen Gesamtbetrachtung müssen an dieser Stelle nicht aufgezeigt werden.1285 Jedenfalls das hier in den Blick genommene Zusammenwirken von materieller Steuerpflicht und verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten überschreitet diese Grenzen nicht. Die Mitwirkungspflichten haben eine dienende Funktion gegenüber dem materiellen Steuerrecht. Ohne die materielle Steuerpflicht würde es sie nicht geben. Sie treten zwangsläufig zusammen auf. Eine Gesamtwürdigung anlässlich der Verhältnismäßigkeitsprüfung des materiellen Steuergesetzes ist daher nicht nur möglich, sondern angesichts dieses dienenden Zusammenhangs sogar geboten. Für die Mitwirkungspflichten selbst läuft dies darauf hinaus, dass sie einer eigenständigen Prüfung zugänglich sind, aber ihre Belastungswirkung zugleich auch im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit des materiellen Steuergesetzes Relevanz erlangt. Hier interessiert Letzteres. Bei aller gebotenen Gesamtbetrachtung darf allerdings nicht übersehen werden, dass es im gewaltengeteilten Verfassungsstaat Aufgabe des Gesetzgebers ist, darüber zu entscheiden, auf welche Weise er einer Ku­ mulation von materieller Steuerpflicht und verfahrensrechtlichen Mitwirkungs­pflichten abhilft, um den gesamten Regelungskomplex verfassungsgemäß auszugestalten.1286 Eine Zusammenfassung mehrerer Grundrechtseingriffe führt hier letztlich zu einer Situation, die auch bei Art. 3 Abs. 1 GG auftritt, wenn es um die Frage geht, wie eine Ungleichbehandlung zu beseitigen ist. Es lässt sich jedenfalls nicht sagen, dass „erst“ die Belastung durch verfahrensrechtliche Mitwirkungspflichten – um ein anschauliches Bild zu benutzen – das Fass im Sinne einer Verfas1284 I. Augsberg/S. Augsberg, AöR 132 (2007), S. 539, 566; C. Hillgruber, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 9, § 200 Rn. 100; F. Hufen, NJW 1994, 2913, 2916; wohl auch BVerfG v. 12.4.2005, 2 BvR 581/01, NJW 2005, 1338 (so [auch] die Deutung bei G. Kirchhof, NJW 2006, 732 f.); M. Kloepfer, VerwArch 74 (1983), S. 201, 213 f.; andere Ansicht bei Identität der verfolgten legislativen Zwecke hingegen J. Lücke, DVBl 2001, 1469 ff.: „aus einzelnen Grundrechtsbeeinträchtigungen zusammengesetzter mehrteiliger (Gesamt-) Eingriff“ (so wörtlich S. 1473). 1285 Dazu jeweils mit unterschiedlichen Ansätzen zur Eingrenzung des Addierbaren bzw. Kumulierbaren zum Beispiel G. Kirchhof, NJW 2006, 732 ff.; J. Lücke, DVBl 2001, 1469 ff. 1286 Hierauf weist G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitsgebers im Lohnsteuerverfahren, S. 141 zum Beispiel in Bezug auf die Vielzahl der lohnsteuerlichen Mitwirkungspflichten des Arbeitsgebers hin.

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sungswidrigkeit des materiellen Steuergesetzes zum Überlaufen bringt. Noch deutlicher wird dies, wenn es mehrere verfahrensrechtliche Pflichten gibt. Dies alles hindert jedoch nicht die Gesamtbetrachtung, sondern ist ein Problem des Rechtsfolgenausspruchs. Sollte einmal der Fall eintreten, dass eine materielle Steuernorm mit den zu ihrer Verwirklichung angeordneten Mitwirkungspflichten einen unverhältnismäßigen Eingriff bewirkt, so hat das Bundesverfassungsgericht lediglich die Unvereinbarkeit mit der Verfassung zu erklären.1287 So wird die Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers in Bezug auf die Frage, wie er einen verfassungsmäßigen Gesamtzustand herbeiführen will, gewahrt. Allenfalls dann, wenn die Mitwirkungspflicht derart in der Natur des Besteuerungsgegenstandes liegt, dass sie in der vom Gesetzgeber gewählten Ausgestaltung unvermeidbar ist, er also hinter ihr nicht zurückbleiben kann, könnte man über die Alternativlosigkeit der Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuerpflicht nachdenken. bb) Kommen wir damit zur Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Erweiterung der Belastungsperspektive hat freilich als Kehrseite zur Folge, dass der Einnahmeerzielungszweck durch das dienende und sichernde staat­ liche Interesse an den Mitwirkungspflichten, das selbst wiederum gleichheits­rechtlich und kumulativ aus der Funktionsfähigkeit des Steuerstaates selbst heraus fundiert ist, flankiert wird. Wenn ein gleichheitskonformer Besteuerungserfolg nur oder zumindest unter intensiv belastender Heranziehung des Steuerpflichtigen sichergestellt werden kann, erhöht dies angesichts der Hochwertigkeit beider Rechtsgüter freiheitsrechtlich die Zumutbarkeitsgrenzen. Insoweit muss hier an die gleichheitsrechtlich bereits herausgearbeitete These angeknüpft werden, dass allein wegen der Bewertungsschwierigkeiten keine Steuer als solche verfassungswidrig ist. Diese Aussage muss hier für die notwendigerweise zur gleichheitsrechtlichen Flankierung normierten Mitwirkungspflichten für die Bestimmung des freiheitsrechtlich Zumutbaren fortgeführt werden. Natürlich existiert diese Wechselwirkung auch in die umgekehrte Richtung. Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht relativierungsfeindlich. Wir haben bereits festgehalten, dass formale Gleichheit durchaus verfassungsrechtlich rechtfertigbar ist. Gleichheitsrechtliche Abstriche sind dabei gerade zur Abmilderung freiheitsrechtlicher Beeinträchtigungen durch umfangreiche und kostenintensive Mitwirkungspflichten denkbar. Insoweit kann die Einbuße an materieller Gleichheit das in Bezug 1287 So auch C. Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 9, § 200 Rn. 101; ferner G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 733 für kumulative Belastungen durch verschiedene Maßnahmen im Allgemeinen.

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auf die anderenfalls unvermeidbare Mitwirkungspflichtbelastung freiheitsrechtlich notwendige „Ventil“ sein. Letztlich gilt es aber immer, den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu achten: Wenn er sich für ein System materieller Gleichheit entscheidet, dann darf er dies auch weitestgehend unter Inkaufnahme von (belastenden) Bewertungspflichten verwirklichen und muss sich bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit nicht auf Elemente formeller Gleichheit als Kompromisslösung verweisen lassen. Wendet man nach alledem die gebotene Gesamtbetrachtung auf eine konkrete Steuer mit ihren spezifischen bewertungsrechtlichen Mitwirkungspflichten an, so muss man an erster Stelle die Vielgestaltigkeit der von einer Steuer erfassten Lebenssachverhalte berücksichtigen. Dies sind in dem von Joachim Lang gewürdigten Beispiel in Bezug auf die Erbschaftsteuer die Vielzahl der denkbaren Gegenstände, die beim Erwerber zu einer steuerbaren Bereicherung führen: Es wird viele Geld­ zuwendungen geben, die isoliert betrachtet die Frage nach der Unver­ hältnismäßigkeit nicht aufwerfen. Die Problemfälle sind mithin die Sachwerte und hier allen voran die unternehmerischen Einheiten und – allerdings weitaus geringer – die Grundstücke. Insbesondere bei den Unternehmen werden die bewertungsspezifischen Pflichterfüllungskosten auf beiden Seiten gewiss nicht unerheblich sein. Entscheidend ist hier aber der gleichheitsrechtliche Gesamtzusammenhang: Eine Bewertung ist notwendig, um den Vergleich mit den anderen Gegenständen zu bewerkstelligen. Sie dient also gerade der verfassungsrechtlichen Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, weil die Steuer nur so überhaupt gerechtfertigt werden kann und dies trägt für sich betrachtet bereits eine Rechtfertigung der pflichtenmäßigen Mehrbelastung in Bezug auf einzelne Gegenstände in sich. Dabei muss insbesondere auch berücksichtigt werden, dass beide Vermögensarten (Unternehmen, Grundbesitz) typischerweise einen erheblichen Wert verkörpern, und gerade dies wiederum beeinflusst auch die Verhältnismäßigkeit (im engeren Sinne), erhöht es nämlich die Zumutbarkeitsschwelle. Betrachtet man dies vorweggeschickt für Grundstücke, die zwar komplexen, aber wegen der starken Formalisierung der Datengrundlagen (Feststellung durch Gutachterausschüsse bzw. Reservedaten in den Anlagen zum Gesetz selbst) in ihrer Handhabung nicht schwierigen Bewertungsverfahren nach den §§ 157 ff. BewG folgen, so ist die Zumutbarkeitsschwelle für den Regelfall der Grundstücke noch nicht einmal annähernd in Sicht. Dies gilt ferner für die Unternehmensbewertung. Hinzuweisen ist zuvörderst auf das vereinfachte Ertragswertverfahren nach Maßgabe der §§ 199 ff. BewG, das gerade Ausdruck des gesetzgeberischen Anliegens ist, einen Ausgleich 443

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zwischen belastender Bewertungspflicht und gleichmäßiger Besteuerung zu finden. Es ist nicht nur methodisch überschaubar, sondern stellt auch noch im Wesentlichen auf Daten und Informationen ab, die für einkommensteuerrechtliche Zwecke bereits existieren müssen. Und selbst wenn dieses vereinfachte Verfahren nach hier vertretener Auslegung aufgrund seiner Anwendungsvoraussetzungen unter bestimmten Bedingungen seine praktische Relevanz auf breiter Front einbüßt und seine Ventilfunktion somit nicht mehr erfüllen kann (siehe § 7 I. 4. b.), bleibt die Zumutbarkeit gewahrt. Der Rückfall auf § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG als Regelbewertungsnorm bedeutet die Maßgeblichkeit der sozialen Bewertungswirklichkeit und diese schützt sich gegen unverhältnismäßige Bewertungen selbst. Dort, wo umfangreiche Bewertungsgutachten auch außerhalb des Steuerrechts in keinem Verhältnis zum Wert des Unternehmens stehen, werden sie in der Regel auch praktisch nicht geübt. Die Bewertungspraxis hat sich in Ansehung der kleineren und mittleren Unternehmen gerade deshalb mit ihren „Praktikerverfahren“ kostengünstige einfache Verfahren bewahrt, weil das Kostenproblem auch ungeachtet steuerlicher Bewertungsanlässe beherrschbar gehalten werden muss (vgl. auch schon § 1 III. 3. a.). Wenn § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG dies rezipiert, trägt er daher immer auch schon eine Verhältnismäßigkeit der Bewertungspflicht in sich. Sollte sich aber gleichwohl (ausnahmsweise) einmal ein Fall einstellen, in welchem die Erfüllung der Mitwirkungspflichten isoliert betrachtet in keinem Verhältnis zum Besteuerungsanlass steht (Beispiel: Die Bewertung eines Gegenstandes kostet mehr, als man durch seine Veräußerung erzielen könnte), so macht dies eine Steuer und die mit ihr zusammenwirkende Verfahrenspflicht nicht insgesamt oder (was bereits ausreichend sein dürfte) typischerweise unverhältnismäßig. Man muss sich davor hüten, mit Einzelfällen die Unverhältnismäßigkeit der Gesamtbelastung insgesamt oder zumindest für eine bestimmte Gruppe von Gegenständen zu begründen. Findet man „unverhältnismäßige Gesamtbelastungen“ vor, so muss zuerst die Frage beantwortet werden, ob und inwieweit es eben nur ein Einzelfall ist, den der Gesetzgeber in der abstrakt-generellen Ausgestaltung nicht sehen konnte bzw. den er bewusst den Instrumenten einer billigen Lösung im Einzelfall überantwortet hat und der deshalb kein Strukturproblem der abstrakt-generellen Ebene ist. Gerade an diesem Punkt werden die derzeit geltenden Steuergesetze die Gesamtwürdigung durchweg bestehen. Dort, wo die Grenze der Zumutbarkeit ausnahmsweise überschritten sein sollte, kann dies immer nur Anlass sein, die Bewertung im Einzelfall, d.h. im konkreten Steuerrechtsverhältnis, unter freiheitsrechtlichen Aspekten kritisch zu prüfen, 444

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insbesondere dahingehend, ob nicht doch irgendwo ein dispensierendes oder zumindest bewertungsvereinfachendes Ventil besteht. Die Finanzverwaltung hat hier viele Möglichkeiten, eine übermäßige Pflichtenbelastung zu vermeiden, zum Beispiel durch die Entbindung von der Pflicht zur Abgabe einer Feststellungserklärung (und damit auch von einer Bewertung), wenn offensichtlich Freibeträge eingreifen, oder wenn evident ist, dass wegen einer sachlichen Steuerbefreiung keine Steuer anfallen wird. Zu diesen „Ventilen“ gehört ferner die Verständigung über einen Wert oder über schwer ermittelbare Tatsachen (dazu bereits § 7 II. 2. c. sowie noch § 10 II. 3.). Die Verständigung wirkt nicht nur in gleichheitsrechtlicher Hinsicht bei der Bewertung „sichernd“, sondern auch in Ansehung der Belastungswirkung der steuerlichen Bewertungspflicht freiheitsrechtlich, nämlich die Verhältnismäßigkeit wahrend.1288 Es geht jeweils gerade um das Augenmaß, das der Finanzbehörde als „Feinabstimmung“ des abstrakt-generellen Gesetzes mit dem Einzelfall durch die Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf Rechtsanwendungsebene abverlangt wird.1289 Lässt sie dieses Vermissen, ist nicht das Gesetz verfassungswidrig, sondern seine Anwendung im Einzelfall. c. Die fiskalische Ungeeignetheit einer bewertungsabhängigen Steuer als Problem des Übermaßverbotes Anlässlich des Hinweises auf die Untersuchung von Joachim Lang zur Erbschaft- und Schenkungsteuer ist ein weiteres Argument im Kontext bewertungsabhängiger Steuern bereits angeklungen: Ihre fiskalische Unergiebigkeit bzw. Ungeeignetheit; auch bei der Vermögensteuer sind entsprechende Überlegungen schon vorher und jüngst anlässlich der Diskussion zu ihrer Wiedereinführung auch danach wieder angeklungen (siehe die Nachweise unter § 8 I. 2. b.). Dies verwundert nicht, bedenkt man den Vollzugsaufwand, der mit Bewertungen realistischerweise einhergehen dürfte. Dies gilt insbesondere für die Steuern, die auf eine periodische Erhebung angelegt sind. Aus Sicht einer normativ-ethischen Finanzwissenschaft dürfte das Postulat einer (gewissen) Ergiebigkeit der Steuer insbesondere unter Berücksichtigung des Erhebungsaufwandes (gleich, ob auf Seiten des Staates oder der Steuerpflichtigen) nicht in Zweifel zu ziehen sein. Die klassische Nationalökonomie formulierte es mit der „Wohlfeilheit der Besteuerung“ bereits als eine ihrer Steuermaximen und hatte dabei namentlich auch die staatlichen Erhebungskosten 1288 Siehe zur „Verständigung als Instrument zur Vermeidung eines Übermaßes“ eingehend R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 303 ff. 1289 Vgl. D. Merten, in: derselbe/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band 3, § 68 Rn. 3 f.

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im Blick (Adam Smith)1290 – ein Postulat, das an seiner finanzwissenschaftlichen Überzeugungskraft bis heute nichts eingebüßt hat.1291 Die verfassungsrechtliche Relevanz solcher, auf rationales staatliches Steuerhandeln angelegter Postulate ist hingegen sehr begrenzt. Betrachten wir dazu die Erkenntnis zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Ansehung der Belastungswirkungen einer Steuer (dazu a.), so tritt als Anknüpfungspunkt der „Einnahmeerzielungszweck“ der Steuer hervor und dies wiederum führt zur Geeignetheit der Steuer: Wann kann eine Steuer gemessen an ihrem Einnahmeerzielungszweck nicht mehr als geeignet gelten? Dies erfordert zuerst eine Antwort auf die Frage, woran die Eignung der Einnahmerzielung zu messen ist. Es muss erst einmal klargestellt werden, dass und warum nicht isoliert die Einnahmen zu würdigen sind, sondern vielmehr eine saldierte Betrachtung mit dem dadurch ausgelösten Verwaltungsaufwand geboten ist. Letzteres ist deshalb richtig, weil dem – zumindest dem rein fiskalischen, d.h. unter Vernachlässigung von Lenkungszwecken zu würdigenden – Einnahmeerzielungszweck eine finanzielle Erfolgsbetrachtung zugrunde liegt. Es geht um vereinnahmen, um über den allgemeinen Staatshaushalt wieder verausgaben zu können. Eine rein isolierte Betrachtung der Einnahmenseite ohne Berücksichtigung der Verwaltungskosten ist unsinnig. Die saldierende Betrachtung, der damit der Weg gewiesen ist, zwingt sodann dazu, sich zu einem nicht mehr geeigneten Verhältnis beider Rechengrößen zueinander zu bekennen. Abstrakte Quantifizierungen sind hier kaum möglich. Ein Verhältnis von Verwaltungsaufwand und Ertrag von rund 30 % gerade noch als akzeptabel zu bezeichnen – so Monika Jachmann –, wird dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum meines Erachtens nicht gerecht.1292 Die Eignung wird man vielmehr erst dann verneinen können, wenn es überhaupt nicht mehr um Einnahmeerzielung geht, also die staatlichen Vollzugskosten die Steuereinnahmen erreichen.1293 Ungeachtet der vielen Detailfragen, die bei einer solchen Berechnung geklä­rt werden müssten (insbesondere: 1290 A. Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, S. 854 f. 1291 Statt vieler nur F. Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, S. 372; J. Lang, StuW 2011, 144, 152 f. 1292 M. Jachmann, StuW 1996, 97, 99. 1293 R. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 11, ferner S. 385, ungeachtet der Verortung dieser Frage im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist die Unergiebigkeit der Steuer ferner ein finanzverfassungsrechtliches Problem, wirft es nämlich die Frage auf, ob es sich dann überhaupt noch um eine Steuer handelt (R. Wernsmann, a.a.O., S. 384); siehe ferner H.-J. Papier, KritV 1987, 140, 147 gegenüber dem Reproduktivitätgedanken bei K. Vogel, Der Staat

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Welche Kosten sind zum Beispiel nur der Erbschaftsteuer zuzurechnen? Wie werden Gemeinkosten geschlüsselt?), und ohne empirisch belastbare Daten zur Hand zu haben, denke ich nicht, dass eine der bewertungsrelevanten Steuern derzeit unter diesem Aspekt auch nur in die Nähe der Verfassungswidrigkeit kommt. d. Aktivierbarkeit des Übermaßverbotes gegenüber der Bewertungs­ norm aa) Mit dem Vorgesagten (insbesondere a]) ist bisher nur die Erkenntnis verbunden, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei Anlegung einer freiheitsrechtlichen Perspektive dem Gesetzgeber kaum Schranken setzt, wenn der Anknüpfungspunkt für die Zweck-Mittel-Prüfung der Steuerzugriff als solcher mit seinem Einnahmeerzielungszweck ist. Zu den Subebenen innerhalb der Steuernorm ist damit noch keine Aussage getroffen. Die Frage ist allerdings, ob dort überhaupt ein eigenständiger freiheitsrechtlicher Bezugspunkt für eine Zweck-Mittel-Prüfung existiert oder ob nicht der Besteuerungszugriff als Ganzes, also die in einem Geldbetrag bemessene Steuerbelastung als Rechtsanwendungsprodukt der gesamten Steuernorm, immer der einzige Ansatzpunkt bleibt. Denn immerhin ist die Bewertungsnorm integraler Bestandteil der (Gesamt-) Steuernorm (siehe bereits § 2 II. 1.). So ließe sich durchaus überlegen, ob es aus der freiheitsrechtlichen Perspektive einen Unterschied macht, ob der Gesetzgeber einen Gegenstand mit dem Wert = 1 bewertet und eine Steuer von 80 % anordnet, oder ob er durch eine gezielte Überbewertung zu einem Wert = 2 gelangt, der also doppelt so hoch ist wie der Wert = 1, und eine Steuer von 40 % vorsieht. Das Belastungsergebnis ist identisch. Dies könnte dazu verleiten, in Bezug auf den materiellen Inhalt der Bewertungsnorm (in Abgrenzung zum Norminhalt in Bezug auf etwaige bewertungsspezifische Mitwirkungspflichten) einen eigenständigen freiheitsrechtlichen Ansatzpunkt zu verneinen und stattdessen immer nur die Gesamtsteuerlast – sei es als Nominalbetrag oder als Steuerquote – in den Blick zu nehmen. Betrachten wir zuerst Rechtsprechung und Literatur, wo sich bereits Ansätze einer freiheitsrechtlich fundierten Dimension der Bewertung finden. Beispielsweise wurden die im Verhältnis zum gemeinen Wert niedrigeren Ertragswerte des Grundvermögens gerade unter Hinweis auf Art. 14 Abs. 1 GG gerechtfertigt.1294 Ferner liefert insbesondere die steuerliche 25 (1986), S. 481, 497 ff., insbesondere S. 516 ff.: aus solchen Postulaten kann keine justiziable Limitierung der Steuergewalt hergeleitet werden. 1294 K.-G. Loritz, Beihefter zu DStR 8/1995, 3, 7.

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Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung hier beredetes Zeugnis: So übte sich der Bundesfinanzhof beispielsweise bis zur Erbschaftsteuerrefom in besonderer Zurückhaltung bei der Unternehmensbewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke. Dies zeigt die Rechtsprechung zur Bewertung von nicht börsennotierten Kapitelgesellschaften und ihre Konkretisierung durch das Stuttgarter Verfahren. Dem Bundesfinanzhof war in den Jahrzehnten seiner Rechtsprechung bewusst, dass die von der Finanzverwaltung und von ihm geübte Bewertungsmethode wegen ihrer starken Betonung der Vermögenskomponente und der zurückhaltenden Berücksichtigung der Ertragskomponente im Verhältnis zur Ertragswertmethode, wie sie sich in den siebziger Jahren in der Betriebswirtschaftslehre durchsetzte und später auch in der Zivilrechtsprechung rezipiert wurde, zu niedrigeren Werten führte (eingehend § 9 II. 2.; siehe ferner das Rechenbeispiel bei § 1 III. 3. a.). Dies hatte jedoch nichts mit „Uneinsichtigkeit“ oder „Belehrungsresistenz“ des höchsten deutschen Steuergerichts zu tun. Es war vielmehr eine bewusste Entscheidung in Ansehung der Bewertungsunsicherheiten. So hieß es wiederholt: „Das Stuttgarter Verfahren ist […] Ausdruck einer vorsichtigen Bewertung, die angesichts der Schwierigkeiten und Unsicherheiten der Unternehmensbewertung im Einklang mit den Schätzungsgrundsätzen […] des § 162 AO steht.“1295 Aber nicht nur in Ansehung der Methodik als solcher finden wir diese Einstellung, sondern auch innerhalb ihrer Anwendung. Anschaulich belegt wird dies durch den von der Finanzverwaltung innerhalb des Stuttgarter Verfahrens anlässlich der Ermittlung des Ertragshundertsatzes stets vorgesehenen (pauschalen) 30 %-igen Abschlag bei den voraussichtlichen Erträgen.1296 Auch dies hat die Rechtsprechung als „vorsichtige Bewertung“ mitgetragen unter Hinweis auf die Schwierigkeiten und Unsicherheiten der Unternehmensbewertung.1297 Soweit ersichtlich vermied der Bundesfinanzhof eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Freiheitsrechte, aber er dürfte gleichwohl dahingehend zu verstehen sein. Das Bewertungsrecht in der Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes kennt solche Abschläge nicht mehr. Im Anschluss hieran wurde in der Literatur neben der gleichheitsrechtlichen Fundierung der Bewertung im 1295 BFH v. 12.3.1980, II R 143/76, BStBl. II 1980, 463, 464; ferner die Einwände von BFH v. 29.1.1992, X R 193/87, BStBl. II 1992, 465 gegen die Ertragswertmethode; in diese Richtung geht auch die Argumentaton von FG Hamburg v. 28.4.2009, 3 K 43/09, EFG 2010, 103, 105, wenn es mit Hinweis auf die Feststellungslast des Finanzamtes eine vorsichtige Bewertung postuliert. 1296 Zuerst Ziff. 2b Abs. 7 der Richtlinien vom 14.2.1955, BStBl. I 1955, 97, später Abschnitt 78 Abs. 3 VStR 1966 bzw. Abschnitt 78 Abs. 5 VStR 1977. 1297 BFH v. 12.3.1980, II R 143/76, BStBl. II 1980, 463, 464; v. 4.5.1984, III R 61/83, BStBl. II 1984, 657, 658; v. 8.2.1989, II R 53/86, BStBl. II 1989, 349, 351.

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Besonderen auch die freiheitsrechtliche Dimension der Bewertung erneut betont: „Auf der Ebene der Bemessungsgrundlage kann er [Anm.: Art 14 Abs. 1 GG] nur vor einer Überbewertung schützen. Das Gebot der realitätsgerechten Wertrelation besitzt damit nicht nur eine gleichheitsrechtliche, sondern auch eine freiheitsrechtliche Dimension. Es verlangt nach Schutz vor Scheinwert-Ansätzen“ (Roman Seer).1298 Hier wird freiheitsrechtlich fundiert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Stellung gebracht und zwar gegenüber der Bewertung im Besonderen. Die vorstehenden Äußerungen weisen ein freiheitsrechtlich überzeugendes Ergebnis. Sie sparen allerdings die Beantwortung der eingangs auf­ geworfen Frage aus. Das Verhältnis von Bewertungsnorm und Gesamtsteuernorm legt es angesichts der Vorwirkung der Bewertung auf die Belastungswirkung der Steuer auf den ersten Blick nahe, von einer am Einnahmeerzielungszweck zu messenden Einheit auszugehen. Denn die Bewertungsnorm kann von dem Einnahmeerzielungsmotiv der Gesamtsteuernorm nicht gelöst werden. Würde man es hierbei belassen, bliebe die Eigentumsgarantie so ineffektiv, wie sie es auch gegenüber dem Steuerzugriff als solchem ist. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Bewertungsnorm anlässlich ihrer dienenden Funktion immer einen eigenständigen „Binnenzweck“ verfolgt: Bei Steuern, für die der Verkehrswertansatz folgerichtig ist, beantwortet sie auch die Frage, wie der Gesetzgeber in seinem Regelungssystem mit dem real existierenden Bandbreitenphänomen umgeht. Sie trifft im Bewertungsbereich somit eigenständige – freilich immer in Abhängigkeit zum Belastungsgrund stehende und letztlich auf die Steuerlast fortwirkende – gesetzgeberische Entscheidungen. Tut sie dies im Sinne materieller Gleichheit, erkennt sie also die Verkehrswertvielfalt in der sozialen Bewertungswirklichkeit an, so schafft der Gesetzgeber mit der Bewertungsnorm eine eigentumsrechtlich relevante Gefährdungslage, deren Grundrechtsrelevanz nicht im Gesamtsteuerzugriff zur Einnahmeerzielung aufgeht. Es geht um die Gefahr, dass die Steuerpflichtigen, deren Bewertungsgegenstände von dem Bandbreitenphänomen betroffen sind, einen Beitrag leisten müssen, der gemessen am Lastenausteilungsmaßstab höher ausfällt, als er zur Verwirklichung eben jenes Maßstabes hätte ausfallen müssen. Da niemand weiß, welcher der  allesamt wahrscheinlichen Verkehrswerte wirklich realisiert würde, 1298 R. Seer, GmbHR 2009, 225, 227; dem folgend zum Beispiel T. Blum, Bewertungsgleichmaß und Verschonungsregelungen, S. 134; ferner zuvor schon J. Lang, StuW 2008, 189, 195; ähnlich – allerdings weniger verfassungsrechtlich fundiert als die juristischen Autoren zuvor – H. Dirrigl, Unternehmensbewertung für Zwecke der Steuerbemessung im Spannungsfeld von Individualisierung und Kapitalmarkttheorie, S. 58 f.

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wenn tatsächlich eine Veräußerung erfolgte, findet die Lastenzuweisung an den Steuerpflichtigen unter Ungewissheit statt. Gewiss ist nur, dass jeder der Bandbreitenverkehrswerte eine gleichmäßige Besteuerung verwirklicht. Deshalb ist auch das einleitend genannte Beispiel zu kurz gedacht: Die dort behaupteten Werte 1 und 2 suggerieren Eindeutigkeit, die es hier aber gerade nicht gibt. Mit dieser Ungewissheit korrespondiert die legislative Regelungsfähigkeit der Risikozuweisung. Mit der Verkehrswertbandbreite geht also – eben anders als zum Beispiel beim Nennbetrag von Geld – auch ein eigenständiger Regelungsspielraum des Gesetzgebers einher. Wir haben es also mit einer Steuerbelastung unter Ungewissheit zu tun und zwar einer Ungewissheit innerhalb der Lastenausteilungsscheidung: Es ist ungewiss, welcher der allesamt denkbaren Bandbreitenwerte hätte realisiert werden können. Diese Ungewissheit ist kein gleichheitsrechtliches Problem, weil die Lastenverteilung trotz Ungewissheit nach einem sachgerechten Maßstab erfolgt (siehe bereits § 7 I. 2. a.). Berührt ist vielmehr (vorrangig) das abwehrrechtliche Grundanliegen der Freiheitsrechte, nämlich der Anspruch des Bürgers darauf, anlässlich der Verwirklichung eines staatlich definierten Ziels (Lastenaus­teilungsentscheidung) nur soweit auf individuelle Freiheit verzichten zu müssen, wie dies zur Erreichung eben jenes Ziels erforderlich ist. Es kommt zu einer freiheitsrechtlichen Kollisionslage: Das eigentumsrechtliche Interesse des Steuerpflichtigen kollidiert mit dem staatlichen Interesse an der Verwirklichung der Lastenausteilungsentscheidung. Angesprochen ist damit nicht mehr ein relational wirkendes, sondern nunmehr mit dem Regel-Ausnahme-Verhältnis der Freiheitsrechte ein primär „freiheitsrechtliches“ Verteilungsproblem im Verhältnis zwischen Staat und Steuerpflichtigen.1299 Dass die Frage, welcher „Preis“ bei tatsächlicher Veräußerung realisiert worden wäre, infolge der Ungewissheit niemals stichtagsbezogen und selbst bei Hinnahme gewisser zeitlicher Abweichungen hiervon auch regelmäßig nicht beantwortet werden wird (dies würde insbesondere eine zeitnahe Veräußerung voraussetzen) und auch nicht kann, ist dabei irrelevant. Denn es ist ja gerade die Ungewissheit selbst, die hier das Verteilungsproblem auslöst.1300

1299 Zum freiheitsrechtlichen Regel-Ausnahme-Verhältnis als „rechtsstaatliches Verteilungsprinzip“ H. Bethge, VVDStRL 57 (1998), S. 7, 11; H. Dreier, in: derselbe, GG, Vor Art. 1 Rn. 70; W. Kahl, AöR 131 (2006), S. 579, 612. 1300 Siehe im Zusammenhang mit der Anwendung des Eingriffsbegriff anlässlich der Auferlegung von Beeinträchtigungsrisiken allgemein D. Murswiek, in: Festschrift f. P. Kirchhof, S. 205, 213 f. sowie im Kontext staatlicher Warnungen für

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Bezugspunkt des Eingriffs bleibt die Gesamtsteuerbelastung, aber die die Perspektive verändert sich. Es geht beim Grundrechtsschutz im Allgemeinem darum, sowohl formal-gesetzliche Entscheidung (Gesetzesvorbehalt) als auch insbesondere in Gestalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Zweckrationalität und Abgewogenheit dort einzufordern, wo im Lichte der Grundrechtsgewährleistung ein Bedarf an Rechtsgüterausgleich besteht. Es geht dabei mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz um den grundrechtlich fundierten Anspruch auf ein „hinreichendes Maß an Rationalität (Eignung und Erforderlichkeit der Beeinträchtigung) und an Abgewogenheit beim Ausgleich zwischen den beteiligten individuellen Belangen und denen der Allgemeinheit“1301 und dies durch den Gesetzgeber selbst. Gerade dies ist die Situation, die sich in Ansehung der Verkehrswertbandbreite einstellen kann: Es muss eine gesetzliche Entscheidung über die freiheitsrechtliche Verteilung unter Unsicherheit getroffen werden. Dabei muss der Bürger auch die den Staat begrenzende Rationalität einfordern können und dies auch gerade deshalb, weil das Bedürfnis nach rechtsstaatlicher Rationalität umso größer ist, je mehr sie auf der höheren Ebene – hier wegen der Maßlosigkeit des staatlichen Finanzmittelbedarfs – leerläuft. Mit anderen Worten: Die Belastungswirkung als Ausdruck der Lastenausteilungsentscheidung ist als solche in den bereits unter § 8 I. 2. a. formulierten Grenzen freiheitsrechtlich hinzunehmen, aber sie ist gleichwohl auf den Subebenen (hier der Bewertung) weiter eigentumsspezifisch zu rationalisieren. Das bewertungsspezifische, eigentumsrelevante Bedürfnis nach legislativen, zweckrationalen und ausgleichendem Rechtsgüterausgleich weist also den Weg zur Isolierbarkeit einer hiernach rechtfertigungsbedürftigen gesetzgeberischen Entscheidung aus der Gesamtsteuernorm heraus. Denn wenn es zur Freiheit des Eigentümers gehört, nur auf so viel Eigentum verzichten zu müssen, wie dies zur Erreichung der gesetzlich konkretisierten Lastentragungsgleichheit notwendig ist, dann muss sich der grundrechtliche Eigentumsschutz infolge eines eigenständigen Ausgleichsbedürfnisses auch dort aktualisieren, wo es um die Zuweisung des für die Beantwortung dieser freiheitsrechtlichen Verteilungsfrage relevanten Bewertungsrisikos geht. Art. 14 Abs. 1 GG setzt dann auf einer niedrigeren Ebene an und vermittelt Eigentumsschutz zumindest bei der Ausgestaltbarkeit der im Übrigen freiheitsrechtlich hinzunehmenden Lastenverteilungsentscheidung. Dies gilt sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht, d.h. der Umgang mit dieser Ungewissheit muss sich die Ungewissheit darüber, ob die zugrunde liegenden Informationen richtig oder falsch sind, derselbe, NVwZ 2003, 1, 8. 1301 BVerfG v. 18.1.2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97, 113.

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also aus dem Gesetz selbst ergeben und dieser gesetzlichen Regelung gegenüber wirken die materiellen grundrechtlichen Schranken der Inhaltsund Schrankenregelungsbefugnis. bb) Nach alledem kann die Bewertung als Einzelschritt auf dem Weg zur Gesamtsteuerlast in Bezug auf ihre materiell-rechtlichen (steuerbelastenden) Wirkungen eigenständig freiheitsrechtlich gewürdigt werden. Dies führt zum verfassungsrechtlichen Prüfungsprogramm und insoweit zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Sein logischer Anwendungsbereich ist eröffnet, weil eine Kollisionslage vorliegt (Eigentum einerseits, Verwirklichung der Lastenverteilungsentscheidung andererseits). Es besteht auch die notwendige Kausalbeziehung1302: Der Punktzugriff irgendwo innerhalb der Bandbreite ist der Grund für die Gefahr eines erhöhten Freiheitsverlustes in Ansehung des Eigentums. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung findet nunmehr allerdings unter veränderten Vorzeichen statt. Die Zweck-Mittel-Betrachtung ist hier anhand eines von der allgemeinen Einnahmeerzielungsabsicht verschiedenen konkreten Bewertungszwecks vorzunehmen. Es geht hier also nicht darum, die interpersonelle Relation der Lastenzuteilung zu hinterfragen; dies kann Art. 14 GG angesichts der Maßlosigkeit des staatlichen Finanzbedarfs nicht leisten.1303 Es geht vielmehr um eine Folgefrage. Die Lastenzuteilungsentscheidung wird als abschließend hingenommen. Es geht allein darum, den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Bewertungsrisikos, das sich Verkehrswert spezifisch stellen kann, an seiner Lastenzuteilungsentscheidung zu messen und insoweit von ihm Zweckrationalität und Ausgewogenheit einzufordern. Wegen dieser Anknüpfung an die Lastenverteilungsentscheidung können schließlich auch rein fiskalische Gründe (im Sinne einer höheren Steuerbelastung) diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Der reine Fiskalzweck ist mit der Lastenausteilungsentscheidung freiheitsrechtlich erschöpft. Vielmehr bedarf es bewertungsbezogener Sachgründe. Da der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz also innerhalb eines einmal normativ vorgegebenen Besteuerungssystems (also auf dem Weg zum Steuersatz) angewendet wird, erfährt der ihm zugrundeliegende Gedanke eines Interessenausgleichs seine Aktualisierung dabei durch die (internen) Zwecke, die der Gesetzgeber der Norm innerhalb des Gesamtsteuerrechtssatzes zugewiesen hat. Diese Zwecke ergeben sich entweder 1302 Siehe zum logischen und verfassungsrechtlichen Anwendungsbereich der Verhältnismäßigkeitsprüfung diesbezüglich nur S. Huster, Rechte und Ziele, S. 107 ff. 1303 J. Englisch, Wettbewerbsgleichheit bei grenzüberschreitenden Handel, S. 94 ff., insbesondere S. 97 f., der allerdings nicht allgemein von Art. 14 GG ausgeht, sondern eine differenzierte Betrachtung vertritt.

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über die Vergleichsfunktion und sind damit unmittelbar auf die Verwirklichung der Lastenverteilungsentscheidung gerichtet oder aber bei Setzung eines davon abweichenden Vereinfachungszwecks (auch) aus eben jenem.1304 Dies effektuiert die Eigentumsgarantie, verleiht die Vergleichsfunktion des jeweiligen Rechtswertes der Zweck-Mittel-Prüfung damit nämlich eine Kontur, die sie in Bezug auf die Steuerbelastung als solche bisher nicht hatte, und schafft damit einen freiheitsrechtlichen Ausgleich zur mangelnden Grenzziehungskraft gegenüber der Lastenzuteilungsentscheidung selbst. Betrachten wir dabei eine als reine Fiskalzwecknorm einzuordnende Bewertungs­norm und blenden wir vorerst etwaige Vereinfachungs­ zwecke1305 aus. Mittels des Rechtswertes und seiner Konkretisierung soll anlässlich der Einnahmeererzielung ein Belastungsgleichheit vermittelnder Wertmaßstab verwirklicht werden. Aus der freiheitsrechtlichen Perspek­tive des Steuerpflichtigen muss die Bewertungsnorm daher in Ansehung der Herstellung der vom Gesetzgeber konkretisierten Belastungsgleichheit geeignet und erforderlich sein. Unterwirft man die Bewertungsnorm mit ihrer Vergleichsfunktion dergestalt dem Gebot der Verhältnismäßigkeit, wird die Geeignetheit keine Probleme aufwerfen. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Erforderlichkeit. Sie ist gegeben, wenn es keinen anderen Zustand gibt, den der Staat ohne großen Aufwand ebenfalls schaffen kann, der für den Bürger weniger belastend ist und der mit dem Zustand, in dem der verfolgte Zweck als verwirklicht zu betrachten ist, ebenfalls in einem durch bewährte Hypothesen über die Wirklichkeit vermittelten Zusammenhang steht.1306 Hier zeigt sich die grundrechtliche Fundierung1307 und insbesondere das abwehrrechtli1304 Zur im steuerverfassungsrechtlichen Kontext etablierten Unterscheidung zwischen Fiskal-, Vereinfachungs- und Lenkungszwecknormen statt vieler J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 19 ff. 1305 Lenkungszwecke bleiben in der abwehrrechtlichen Perspektive des Steuerpflichtigen hier vollständig außen vor, da solche in Bezug auf eine „Höher-Bewertung“ praktisch unwahrscheinlich sind. Der Gesetzgeber wird bestimmte Gegenstände nicht deshalb höher bewerten, weil er deren Erwerb oder deren Innehabung entgegenlenken will. 1306 So stellvertretend für viele die gängige Definition bei B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Rn. 295, die letztlich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe über die Zeit hinweg zum Beispiel v. 14.12.1965, 1 BvL 4/60, BVerfGE 19, 330, 337; v. 18.12.1968, 1 BvL 5/64, BVerfGE 25, 1, 17 f.; v. 9.3.1994, 2 BvL 43/92 u.a., BVerfGE 90, 145, 172; v. 18.11.2003, 1 BvR 302/96, BVerfGE 109, 64, 86) prägnant zusammenfasst. 1307 Zur Herleitung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes statt vieler nur A. v. Arnauld, JZ 2000, 276 ff.; S .Huster, Rechte und Ziele, S. 97 f.; P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 354; D. Merten, in: derselbe/Papier, Handbuch der Grundrechte,

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che Anliegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Es geht um den „allgemeinen Freiheitsanspruch des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur so weit beschränkt werden zu dürfen, wie es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist“.1308 Dass sich die Freiheitsrechte im Verhältnis zu ihren Schranken in einem Regel-Ausnahmeverhältnis befinden, tritt hier deutlich hervor. Im Abwehrfall bedeutet dies – freilich immer unter Beachtung des Prognose- und Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers in Ansehung der Zwecktauglichkeit des eingesetzten und etwaiger alternativer Mittel1309 – ein „nicht mehr als nötig“1310. Ein „überschießender Anteil“ erfolgt grundlos1311 und muss vom Grundrechtsberechtigten nicht hingenommen werden. Hierbei tritt zugleich hervor, was das Bundesverfassungsgericht bei seiner Beschreibung des grundrechtlichen Gewährleistungsgehalts der Verhältnismäßigkeit als „hinreichendes Maß an Rationalität“ bezeichnet hat1312: Für den die Wertbandbreite steuernden und/oder einengenden Gesetzgeber bedeutet dies, dass er erklären können muss, wenn er einem für den Steuerpflichtigen ungünstigeren (in der Regel: höheren) Wert den Vorrang einräumt vor einem gleichermaßen gleichheitskonformen Wert aus der Wertbandbreite, der den Steuerpflichtigen weniger belasten würde (in der Regel: weil er niedriger ist und deshalb zu einer niedrigeren Steuerbelastung führt). Er muss also begründen können, warum es gemessen an dem Ziel der von ihm konkret vorgesehenen Bewertung „erforderlich“ ist, dass der Steuerpflichtige zu einer Gesamtsteuerlast herangezogen wird, die höher ist als eine Gesamtsteuerlast, die sich bei Anwendung eines anderen – aber genauso gleichheitskonformen – Bewertungsergebnisses ergeben würde. Hier wird auch noch einmal sehr deutlich, warum es nicht um die Hinterfragung der Lastenzuteilungsentscheidung als solcher geht. Dieses eigentumsrechtliche Verständnis verhält sich zur bereichsspezifischen Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG komplementär, wobei Überschneidungen allerdings auch denkbar sind: Der Gleichheitssatz verlangt, konkretisiert durch den Grundsatz der Belastungsgleichheit, dass Band 3, § 68 Rn. 24 ff. jeweils mit Nachweisen (auch zur Herleitung aus dem Rechtsstaatsprinzip). 1308 BVerfG v. 15.12.1965, 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, 342, 349; v. 15.8.1980, 2 BvR 495/80, BVerfGE 55, 28, 30 f.; v. 12.5.1987, 2 BvR 1226/83, BVerfGE 76, 1, 50 f. 1309 BVerfG v. 28.5.1993, 2 BvF 2/90 u.a., BVerfGE 88, 203, 262; v. 19.7.2000, 1 BvR 539/96, BVerfGE 102, 197, 218; v. 5.2.2002, 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, 17, 34. 1310 A. v. Arnauld, JZ 2000, 276, 279. 1311 S. Huster, Rechte und Ziele, S. 110 f.; R. Wendt, AöR 104 (1979), S. 414, 451. 1312 L. Osterloh, in: Festschrift f. P. Kirchhof, S. 217, 220; R. Wendt, AöR 104 (1979), S. 414, 455.

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die Wirtschaftsgüter dergestalt bewertet werden, dass ihre Verkehrswerte in ihrer Relation zueinander realitätsgerecht abgebildet werden, was jedoch im Hinblick auf die Natur der Bewertung immer nur eine Bandbreitenbewertung ist. Er schützt den Steuerpflichtigen dabei sowohl gegen Verfehlungen der Bandbreite als auch innerhalb der Bandbreite gegen unterschiedliche Handhabungen der Bandbreitenproblematik (Mischsystem, siehe § 7 I. 2. b.). Von letzterem Aspekt abgesehen, können dem Gleichheitssatz aber keine Aussagen dazu entnommen werden, wie sich der Gesetzgeber innerhalb der Bandbreite zu verhalten hat. Denn jedes Ergebnis führt zu „Gleichheit“ im Belastungserfolg. Hier entfaltet nunmehr Art. 14 Abs. 1 GG aus freiheitsrechtlicher Perspektive seine Wirkung. Er schützt vor einer Bewertung, die über das für eine gleichheitskonforme Lastentragung notwendige Maß hinaus geht und formuliert damit eine verfassungsrechtliche Vorgabe innerhalb der Bandbreite allesamt gleichermaßen gleichheitskonformer Bewertungsergebnisse. Dies ist der von Roman Seer formulierte freiheitsrechtliche Schutz vor Überbewertung (siehe bereits aa]); (sprachlich) ergänzen will ich lediglich noch, dass es in vielen Fällen (auch und gerade) um den Schutz vor dem Risiko (!) der Überbewertung geht. Diese grundsätzliche Komplementärwirkung des Art. 14 Abs. 1 GG kann sogar zu Überschneidungen mit Art. 3 Abs. 1 GG führen, nämlich dort, wo sich der Gesetzgeber eines Bewertungsmischsystems bedient: Dort kann die je nach Vermögensgegenstand unterschiedliche (Nicht-) Steuerung der Bandbreite wegen ihrer Binnenwirkung sowohl gleichheits- als auch freiheitsrechtlich relevant sein. cc) Ausgeblendet wurde bisher, dass die Bewertungsnorm nicht nur Fiskalzwecknorm zu sein braucht. Ihr kann durchaus auch ein als legitim anzuerkennender Vereinfachungszweck zukommen. Die Abgrenzung ist allerdings ebenso schwierig wie beim Gleichheitssatz: Wo endet die bloße Konkretisierung der sozialen Bewertungsübung und wo beginnt eine bewusste Abweichung hiervon? Auch die bloße Konkretisierung kann im Zeichen der Vereinfachung stehen, muss es aber nicht. Sowohl die Konkretisierungs- als auch die Vereinfachungsbemühungen des Gesetzgebers sind letztlich legitim und deshalb kommt es freiheitsrechtlich auf die Abgrenzungsfrage nicht an. Der Unterschied ist in Bezug auf die Rechtfertigungsebene kein grundsätzlicher. Freiheitsrechtlich zählen am Ende die Zweckrationalität sowie die Gewichtung der jeweiligen Belange und diese werden nicht präjudiziert durch eine entsprechende Kategorisierung. Die Beispiele für freiheitsrechtlich relevante Bandbreitenverengungen hin zu formaler Gleichheit finden sich vor allem bei den formalisierten Bewertungsverfahren. Dies betrifft sowohl ihre Methodik als 455

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auch die bewertungsrelevanten Daten (für Grundstücke die §§ 157 ff. BewG und für die Unternehmensbewertung das vereinfachte Ertragswertverfahren nach Maßgabe der §§ 199 ff. BewG). Es sind die Einfachheit, Verständlichkeit und auch Kostengünstigkeit bzw. ressourcenscho­ nendere Verwaltungsvollzugstauglichkeit solcher Verfahren, die dem Gesetzgeber innerhalb der Bandbreite materieller Gleichheit einen weitgehen­den, seiner Einschätzungsprärogative überantworteten Gestaltungsspielraum gewähren. Neben dem Vereinfachungszweck im traditionellen Sinne, wie er mit den vorstehenden Beispielen angesprochen worden ist, ist es ein ebenso legitimer Zweck, wenn der Gesetzgeber in den Graubereichen bewertungsspezifische Unsicherheiten beseitigen will. Wie schwierig freilich die Abgrenzung zu (nicht legitimen) fiskalischen Zwecksetzungen (dazu bereits bb.) ist, zeigt die Mittelwertbetrachtung des § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG. Zur Erinne­rung: Bei einer Funktionsverlagerung ist ein Einigungsbereich zu bestimmen, den der Gesetzgeber nicht vorsteuert. Für den ersten Be­ wertungsschritt gilt also die Maßgeblichkeit des üblichen Bewertungsverhaltens bei der Veräußerung solcher Funktionen und damit letztlich eine Bewertung nach dem Barwertkalkül (siehe zur Bewertung des Transferpaketes bei einer Funktionsverlagerung bereits § 3 III. 2. d. cc]). Sodann bestimmt Satz 7 für den zweiten Schritt (Einwertigkeitsentscheidung): „Es ist der Preis im Einigungsbereich der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zugrunde zu legen“. Praktisch dürfte dies auf den Mittelwert hinauslaufen (siehe § 11 I.). Die verfassungsrechtliche Zweck-Mittel-Prüfung kann sinnvollerweise nur erfolgen, wenn der Zweck des § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG klar ist.1313 Ungeachtet der Frage, ob und inwieweit man den Gesetzgeber an seinen subjektiven Zweck festhalten will oder ob man dem Gesetz auch einen objektiven Zweck (zu seiner Rettung) unterschieben kann1314, löst beides in Bezug auf § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG das Problem indes nicht. Betrachten wir die Gesetzesbegründung: „Sind keine besonderen Anhaltspunkte für einen bestimmten Wert ersichtlich und werden unter Berücksichtigung der 1313 Begründung der Fraktionen CDU/CSU und SPD vom 27.3.2007, BT-Drucks. 16/4841, S. 85. 1314 Siehe einerseits BVerfG v. 22.6.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 147 ff.; v. 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 296 f.; andererseits BVerfG v. 31.3.1998, 1 BvR 2167/93, NJW 1998, 1776, 1777; zur Problematik unter Außeinandersetzung mit den vorgenannten Entscheidungen vor allem R. Wernsmann, NVwZ 2000, 1360 ff.

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konkreten Umstände des Falles keine tragenden Gründe für einen bestimmten Wert glaubhaft gemacht, wird vermutet, dass sich die beiden ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter auf den Mittelwert des Einigungsbereichs einigen würden. Die Vermutung für den Mittelwert simuliert das Ergebnis fiktiver Preisverhandlungen zwischen voneinander unabhängigen Dritten“.1315 Hat die Norm eine konkretisierende, vereinfachende oder vielleicht doch versteckt fiskalische Intention? Eine bloße Konkretisierung der sozialen Wirklichkeit kann die Norm nicht für sich in Anspruch nehmen. Konkretisieren kann man nur die soziale Bewertungswirklichkeit und die bewertungsrelevanten Daten, aber nicht die fiktive Einigung zwischen zwei Parteien. Letztlich ist eine gesetzliche Mittelwertvorgabe so willkürlich, wie es auch jede Entscheidung für einen Wert aus der Bandbreite heraus in jedem Einzelfall ist (siehe bereits § 6 II.); mit Konkretisierung hat dies nichts zu tun. Auch ein Vereinfachungszweck wird zu verneinen sein. Denn welche Vereinfachung kann eine solche Norm für sich in Anspruch nehmen, wenn die eigentliche Schwierigkeit bei der Bestimmung der Bandbreite liegt und hier von § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG gerade keine Vereinfachung bewirkt wird; denn im ersten Schritt muss die Bandbreite nach wie vor mit allen Schwierigkeiten ermittelt werden. Es geht hier daher nicht um die Grenzziehung in Bezug auf die bewertungsspezifischen Graubereiche. Betrachtet man die Regelung in § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG schließlich im Kontext mit der Entscheidung des I. Senats des Bundesfinanzhofs vom 17.10.2001 und mit den diese Entscheidung inhaltlich bestätigenden Folgeentscheidungen1316, mit denen der I. Senat ein Günstigerprinzip zugunsten des Steuerpflichtigen formuliert hatte, so drängt sich der Verdacht auf, dass es im Grunde um eine Verhinderung eben dieser Rechtsprechung bzw. des Günstigerprinzips geht und dies unter Berufung auf eine Vermutung, für die es in der vom Gesetzgeber ansonsten rezipierten sozialen Wirklichkeit keine Stütze gibt. Nach alledem halte ich die Norm für eine versteckte Fiskalzweckregelung, die sich freiheitsrechtlich nicht rechtfertigen lässt.

1315 Begründung der Fraktionen CDU/CSU und SPD vom 27.3.2007, BT-Drucks. 16/4841, S. 85. 1316 BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 15.9.2004, I R 7/02, BStBl. II 2005, 867; v. 6.4.2005, I R 22/04, BStBl. II 2007, 658, siehe hierzu auch bereits § 4 I.

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II. Zur freiheitsrechtlichen Relevanz der Dispositions­ entscheidung unter (Wertfindungs-) Risiko 1. Bewertung und freiheitsrechtlicher Dispositionsschutz In Kapitel § 7 (dort II. 1.) wurde bereits auf die (auch) gleichheitsrechtliche Fundierung der Bestimmtheitsanforderungen, die an eine Steuernorm zu stellen sind, eingegangen. Lag der Fokus dort allerdings noch auf dem Gedanken der normativen, in der materiellen Norm selbst anzulegenden Sicherstellung eines gleichmäßigen Steuervollzuges im Einzelfall, rückt nunmehr unter dem Topos der Bestimmtheit vor allem der Gesichtspunkt der Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit des Rechtsanwendungsergebnisses aus der freiheitsrechtlichen Perspektive des Steuerpflichtigen in den Mittelpunkt. Von besonderer verfassungsrechtlicher Relevanz ist dabei die freiheitsrechtliche Einordnung der Entscheidung unter Risiko, also der Disposition des Steuerpflichtigen unter dem Eindruck des Rechtsanwendungs- und insbesondere Bewertungsrisikos. Es ist eine „Risikoentscheidung“, weil die Anwendung des abstrakt-generellen Gesetzes auf den Einzelfall im Steuerrecht grundsätzlich erst im Steuerfestsetzungs- bzw. –feststellungsverfahren stattfindet und damit erst zu einem Zeitpunkt, in welchem der Steuerpflichtige seine steuerrelevanten Dispositionen bereits getätigt hat. Zu diesem Zeitpunkt kann er seine Disposition grundsätzlich nicht mehr rückgängig, nicht mehr „ungeschehen“ machen. Zudem findet die tatsächliche Veranlagung in der Regel auch immer mit einer zeitlichen Verzögerung statt, so dass der Steuerpflichtige bis dahin über die zur Steuerzahlung gegebenenfalls notwendigen Finanzmittel schon weitere Dispositionen getroffen hat. Diese beiden „Dispositionsperspektiven“ werden nachfolgend noch eingehender umschrieben. An dieser Stelle ist jedenfalls festzuhalten, dass der Steuerpflichtige das Auslegungs- und Subsumtionsrisiko trägt1317 und somit auch das Bewertungsrisiko. Er muss mit der Verwirklichung eines Lebenssachverhaltes den ersten Schritt gehen und muss hoffen, dass die Finanzbehörde, die im zweiten Schritt diesen Sachverhalt steuerrechtlich zu würdigen hat, seine Bewertung, auf deren Grundlage er seine Dis­ positionen getroffen hat, teilt. Gewissheit darüber, ob sein „Plan“ aufgeht, ob er „richtig“ disponiert hat, erfährt der Steuerpflichtige erst mit der Steuerfestsetzung oder gar erst mit der Entscheidung des Finanzgerichts.1318 1317 D. Birk, in: Festschrift f. Pöllath und Partners, S. 161, 163. 1318 J. Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, S. 133; vgl. auch C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, passim, hier vor allem S. 29 aus interaktions-theoretischer Sicht mit Blick auf

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Dieses Risiko muss der Steuerpflichtige jedoch nicht uneingeschränkt tragen. Sowohl die Freiheitsrechte (vor allem Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG) als auch das Rechtsstaatsprinzip verlangen eine Begrenzung dieses Risikos.1319 Sie verlangen Planungs- und Entscheidungssicherheit und zwar durch das Gesetz selbst. Verwirklicht wird diese Risikobegrenzung verfassungsrechtlich insbesondere durch die Grundsätze der Normenbestimmtheit und Normenklarheit.1320 Danach sind gesetzliche Tatbestände so zu fassen, dass die Steuerpflichtigen die Rechtslage erkennen können. Das Gesetz muss es aus sich heraus dem Steuerpflichtigen ermöglichen, seine Rechtsposition zu bestimmen, ein Handeln der Finanzbehörde vorauszusehen und sich auf die abstrakt-generell vorgegebene Rechtslage mit seinem Handeln einzurichten.1321 Für steuerliche Geldleistungspflichten gilt dabei, dass abgabenbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, dass der Abgabenpflichtige die auf ihn entfallende Abgabe in gewissem Umfang vorausberechnen kann („Gebot der Belastungsvorhersehbarkeit“).1322 Die Steuer muss eine „voraussehbare Kalkulationsgröße“ sein.1323 Natürlich geht es nicht darum, Anforderungen an die Bestimmtheit zu formulieren, wonach selbst jeder steuerliche Laie ein Steuergesetz auf Anhieb verstehen und seine Steuer im Voraus berechnen kann. Dies wird nicht verlangt und es könnte theoretisch auch gar nicht geleistet werden.1324 Man muss die „Vorausberechenbarkeitsanforderungen“ realistisch betrachten. Für die Bewertung bedeutet dies, dass es dem fachkundigen Rechtsanwender zumindest möglich sein muss, einen Annäherungswert zu schätzen. Wird ein Steuergesetz diesen Anforderungen gerecht, ist der Verweis auf das der Disposition nachgelagerte Verwaltungsverfahren und die hiermit verbundene Zuweisung der risikobehafteten Auslegungs- und Subsumtionsvorleistung an den Steudie hierdurch bewirkte „Konfliktlage“ zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung. 1319 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung von Planungs- und Entscheidungssicherheit statt vieler J. Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, S. 133 ff.; F. Kirchhof, in: Festschrift f. Spindler, S. 463, 469 f.; R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 305 ff.; H. Flick, in: Festschrift f. Offerhaus, S. 849, 853. 1320 Zur Herleitung BVerfG v. 14.12.1965, 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, 253, 267 (Rechtsstaatsprinzip); v. 20.3.2002, 2 BvR 794/95, BVerfGE 105. 135, 153 („freiheitsgewährleistende Funktion“); M. Sachs, in: derselbe, GG Art. 20 Rn. 122. 1321 Siehe nur BVerfG v. 17.7.2003, 2 BvL 1/99 u.a., BVerfGE 108, 186, 235; v. 18.5.2004, 2 BvL 4/80, BVerfGE 110, 370, 396 f. 1322 BVerfG v. 5.3.2013, 1 BvR 2457/08, NVwZ 2013, 1004; BVerwG v. 27.6.2012, 9 C 7/11, BVerwGE 143, 222. 1323 R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 89 Rn. 23; derselbe, DStJG 36 (2013), S. 337, 344. 1324 H.-J. Pezzer, StuW 2007, 101, 103.

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erpflichtigen verfassungsrechtlich hinzunehmen.1325 Mehr als Bestimmbarkeit durch juristische Methodik verlangt das Grundgesetz dem Gesetzgeber nicht ab.1326 Freilich müssen wir auch sehen, dass es hier nicht allein – wenn nicht sogar kaum – das Verstehen des Gesetzestextes ist, das die Vorhersehbarkeitsfrage aufwirft. Dem Rechtsanwender begegnet vor allem eine Unsicherheit auf der tatsächlichen Ebene, nämlich bei der Tatsachenfeststellung und bei der Subsumtion. Seine eigenen Erkenntnismöglich­keiten sind insbesondere in Ansehung genereller Rechtstatsachen sehr beschränkt. Bei den Einzeltatsachen stechen vor allem die Prognose abhängigen Daten mit ihrer Unsicherheit heraus. Gleichwohl muss der Steuerpflichtige, der die Steuerwirkungen seiner Disposition abschätzen will, sowohl wissen, welches soziale Verhaltensmuster in seinem Fall einschlägig sein wird, als auch vorhersagen können, mit welchen bewertungsrelevanten Daten es auf seinen Fall anzuwenden ist. Hier zeigt sich, wie die Berechenbarkeit des Rechts naturgemäß unter dessen Entwicklungsoffenheit, die hier bei einigen (wichtigen) Bewertungsnormen mit der Rezeption sozialer Verhaltensmuster einhergeht, leidet. Nicht nur, dass es – gerade für den Steuerpflichtigen – schon für sich betrachtet schwierig ist, diese soziale Wirklichkeit zu erfassen. Vielmehr finden auch Veränderungen der sozialen Bewertungsübung, und seien es auch nur Detailfragen, ohne Zutun des Gesetzgebers außerhalb des Normtextes statt.1327 In Ansehung der Bewertung von Gegenständen ist die Anwendung der im vorstehenden Absatz referierten Grundsätze daher ein sehr problembehaftetes Feld. „Soweit Steuern von der Bewertung von Vermögen abhängig sind“, so Klaus Tipke, „wird – das liegt in der Natur der Bewertung – die Rechtssicherheit […] strapaziert“1328. Denn je mehr „Spielraum bedingte“ Unsicherheit der Bewertung innewohnt, je größer also insbesondere die Bandbreite gleichheits- und gesetzeskonformer Rechtsanwendungsergebnisse ist, desto drängender wird die Frage, wie der Steuerpflichtige verlässlich planen kann, wie er also insbesondere im Vorfeld mit einem relativ konkreten Wert kalkulieren kann. Die Steuer als bestimmbare Kalkulationsgröße wird dabei aus den bereits angedeuteten „Dispositionsperspektiven“ angesprochen: 1325 M. Krumm, DStR 2012, 2429, 2433. 1326 BVerfG v. 30.11.1955, 1 BvL 120/53, BVerfGE 4, 352, 357 f.; v. 22.6.1960, 2 BvR 125/60, BVerfGE 11, 234, 237, F. Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 9 Rn. 63 ff.; F. E. Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn. 39. 1327 Vgl. R. P. Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 89. 1328 K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, S. 894.

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Es geht darum, die Steuerwirkungen einer Dispositionsentscheidung verlässlich in künftigen Zahlungsströmen abbilden zu können. Denn fi­ nanzielle Mittel sind begrenzt und der Steuerpflichtige muss deshalb Verwendungsentscheidungen treffen. Er muss wissen, ob er finanzielle Mittel investieren (damit binden), verbrauchen (also sogar aufgeben), für die Steuerzahlung zurücklegen oder seine Vorauszahlungen entsprechend anpassen muss. Viele zukunftsgerichtete Entscheidungen des Steuerpflichtigen stehen wegen der Höhe des derzeitigen Steuerbelastungsniveaus in einem untrennbaren Zusammenhang mit steuerlichen Parametern.1329 Insbesondere im unternehmerischen Bereich tritt diese Frage als drängend hervor, wo die Bewertungsfragen in ihrer gesamten Facette auftreten, nämlich anlässlich der Übertragung einzelner Gegenstände bis zu einer Vielzahl von Geschäftsvorfällen innerhalb von Unternehmensverbünden (Verrechnungspreise). Die Steuerbelastung nimmt hier unmittelbaren Einfluss auf die Preisbildung des Steuerpflichtigen. Er will Steuern ein­preisen und kalkuliert (sinnvoller Weise) als Zielgröße mit einem Nachsteuerergebnis. Ferner lebt die Wertschöpfung gerade vom „richtigen Einsatz“ der finanziellen Mittel. Im privaten Bereich gilt nichts anderes, wenn dort langfristige Finanzmittelbindungen auftreten (man denke nur an den Erwerb einer Immobilie). Diese Vorhersehbarkeit der steuerlichen Inanspruchnahme ist ein freiheitsrechtlich relevanter Aspekt dispositionsschützender Zielgenauigkeit. Angesichts der Schnelllebigkeit des Wirtschaftslebens braucht der Steuerpflichtige bereits vor der Ausführung seiner Dispositionsentscheidung, aber spätestens zeitnah im Anschluss hieran Dispositionsschutz. Letzteres kann ihm das Veranlagungsverfahren hingegen selten bieten. Selbst einige Monate können im unternehmerischen Bereich „lang“ sein und die Erfahrung lehrt, dass mittels § 164 AO die endgültige Gewissheit sogar teilweise erst nach Jahren eintritt. Gerade hier tritt der freiheitsrechtliche Aspekt der Rechtssicherheit deutlich hevor: Ohne einen Dispositionsschutz im Vorfeld der Tatbestandsverwirklichung oder zumindest einen zeitnahen („Anschluss-“) Dispositionsschutz im Nachgang zur Tatbestandsverwirklichung und bis zur das Veranlagungsverfahren abschließenden Rechtskonkretisierung (materiell bestandskräftige Festsetzung der Steuerschuld) ist die Ausübung von Freiheit risikobehaftet und sie wird damit unter Umständen gehemmt. Neben dieser allgemeinen „Kalkulationsproblematik“ in Ansehung der Finanzmittelabflüsse, die Steuerzahlungen bewirken (können), kann zu1329 Dazu und zu dem Folgenden R. Seer, in Verständigungen in Steuerverfahren, S. 310 f.; K. Tipke, in: Festschrift f. Rose, S. 91, 100 ff.

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dem noch ein besonderes Planungsbedürfnis hinzutreten bzw. die vorstehend beschriebene Problematik noch dringlicher machen. Wenn die Rechtsordnung bestimmte Grenzwerte in Ansehung des Eintritts bzw. Nichteintritts bestimmter Rechtsfolgen vorsieht, dann ist es legitim, wenn der Steuerpflichtige solche Gestaltungen anstrebt, für die es wegen solcher Grenzwerte gerade auf die „grenzgenaue“ Bewertung von Gegenständen mit dem gemeinen Wert oder dem Teilwert ankommt. Hierfür enthalten die Steuergesetze genügend Anwendungsbeispiele: Es geht um die Ausschöpfung von Freibeträgen (zum Beispiel bei Schenkungen, vgl. § 16 ErbStG, oder bei teilentgeltlichen Übertragungen in Ansehung von § 16 Abs. 3 EStG) oder eine möglichst ideale Ausnutzung der unschädlichen Verwaltungsvermögensquote bei der Übertragung unternehmerischer Einheiten (siehe § 13b Abs. 2 ErbStG). Der Steuerpflichtige muss in diesen Fällen im Vorfeld seiner Disposition absehen können, ob seine Disposition „zielgenau“ ist. An dieser freiheitsrechtlich fundierten „Vorhersehbarkeit der Steuer als Kalkulationsgröße“ sowohl vor als auch nach der Tatbestandsverwirklichung muss sich eine Steuernorm messen lassen. Vergegenwärtigt man sich jedoch, dass es einen zielgenauen Wert nicht gibt und gerade bei den wirklichkeitsabbildenden Rechtswerten, die eine Zukunftsperspektive anlegen und normausfüllende Wertungen verlangen, eine erhebliche Bandbreite an denkbaren Werten existiert, führt dies wiederum zu dem bereits anlässlich der gleichheitsrechtlichen Perspektive ausgemachten Dilemma: Freiheitssichernde Normbestimmtheit und materielle Bewertungsgleichheit scheinen sich nur in einem sehr geringen Grad gemeinsam optimieren zu lassen und sich im Übrigen konträr gegenüber zu stehen. Weitergehender, ausgesteuerter und sodann natürlich auch nach Bewertungsgegenständen differenzierender Normformulierung mag ein Freiheitsgewinn gegenüberstehen, jedoch immer zugunsten nur formaler und nicht materieller Gleichheit. Neben der Schwierigkeit, die für die Abbildung der „Wirklichkeitswerte“ maßgeblichen Verhaltensmuster zu erfassen, schlägt hier vor allem auch die bei vielen Gegenständen schnell erreichte Grenze rationaler Begründung in Bezug auf die Bewertung durch. Der Gesetzgeber muss diesem Dilemma Rechnung tragen. Er muss eines der beiden Prinzipien zur Leitidee seines Bewertungsregimes machen und dies unter möglichster Schonung des Regelungsanspruchs des damit zwangsläufig zurückgedrängten Prinzips. Dabei steht es dem Gesetzgeber frei, diesen schonenden Ausgleich für verschiedene Gegenstände unterschiedlich zu handhaben. Insoweit können nur Grenzen formuliert werden, die der Gesetzgeber selbst unter Beachtung seiner Einschätzungsprärogative und seines Gestaltungsspielraums verfassungs462

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rechtlich nicht überschreiten darf: Die gleichheitsrechtlichen Grenzen wurden unter § 7 I. 2. u. 4. herausgearbeitet; die freiheitsrechtliche Grenzziehung erfolgte bei § 8 I. Entscheidet sich der Gesetzgeber für eine einzelfalloffene, materielle Gleichheit, was im Sinne der hiesigen Ausführungen immer nur eine materielle Bandbreitengleichheit sein kann, muss er dem freiheitsrechtlich Rechnung tragen. Dies lässt sich als eine spezifisch freiheitsrecht­ liche konzeptionelle Vollständigkeitsforderung formulieren: Die mate­ rielle Gleichheit, wie sie durch die Anerkennung und Maßgeblichkeit der Vielfalt sozialer Bewertungsverhaltensmuster bewirkt wird, kommt normtheoretisch nicht ohne offene Begriffe aus. Die inhaltliche Steuerung ist naturgemäß schwach. „Offenheit“ und „Steuerungsschwäche“ und damit folglich auch die schwierige Vorhersehbarkeit des aus der abstrakt generellen Norm im Einzelfall zu gewinnenden Rechtsanwendungsergebnisses sind als notwendige Kehrseite billigend in Kauf genommen („geplant“). Dieser Plan kann jedoch unter freiheitsrechtlichen Gesichtspunkten nur „vollständig“ sein, wenn er zugleich eine Antwort in Ansehung der Planungssicherheit vorsieht. Die Anforderungen, die hier zu formulieren sind, hängen immer ab von der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhaltes und dem Zweck der betreffenden Norm sowie den jeweiligen Grundrechtsauswirkungen und der Art und Intensität des zugelassenen behördlichen Eingriffs.1330 Entscheidend bleibt aber immer, dass die möglichen Rechtsanwendungsergebnisse, soll die Norm den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügen, für den Steuerpflichtigen kalkulierbar sind. Die Unsicherheit dahingehend, welcher Wert innerhalb der Bandbreite seiner Besteuerung zugrunde gelegt wird, darf nicht derart am Steuerpflichtigen hängen bleiben, dass er letztlich nur noch ins Blaue hinein steuerrelevante Sachverhalte verwirklichen kann und es mehr oder weniger vom Zufall abhängt, welcher Steuerbetrag am Ende verbindlich festgesetzt und gegebenenfalls nach Durchlaufen eines Rechtsschutzverfahrens von einem Gericht bestätigt wird. Grundsätzlich gilt, dass ein Gesetz, das solche Spielräume übernimmt, wie sie bei weitgehender Rezeption der sozialen Bewertungswirklichkeit unvermeidbar sind, zwingend einen „steuernden“ Gedanken zugunsten des Dispositionsschutzes beinhalten muss. Je weniger das Gesetz also das Bewertungsergebnis steuert, umso mehr verlagert sich die freiheitsrechtliche Bestimmtheitsfrage von der Sachsteuerung hin zur Kompensation der sachlichen Steuerungsschwäche. 1330 BVerfG v. 17.3.2003, 2 BvL 1/99 u.a., BVerfGE 108, 186, 235; v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, 375.

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Das Problem wird derzeit besonders virulent bei der Unternehmensbewertung. Maßgeblich ist der gemeine Wert. In Ansehung der Bewertung einer unternehmerischen Einheit deutet der Gesetzgeber auf der letzten Stufe der Hierarchie des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG „nur“ eine Methodenvielfalt an, womit er im Sinne eines Strebens nach möglichst weitgehender materieller Gleichheit die Pluralität und Vielgestaltigkeit der außerjuristischen Verhaltensmuster anerkennt, und überlässt im Übrigen dem Anwender im Einzelfall die Identifikation der zur Anwendung notwendigen Verhaltensmuster (siehe § 3 III. 2. b. cc] [3]). Entsprechendes gilt für die bewertungsrelevanten Daten und Informationen anlässlich der Anwendung auf das konkrete Unternehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Steuerpflichtige in seiner Planungs- und Entscheidungsphase zu einem Unternehmenswert gelangt, zu dem auch später der Finanzbeamte oder noch später ein sachverständig beratener Richter annähernd gelangen, dürfte wegen der unzähligen subjektiven Einflüsse auf die Rechtsanwendung verschwindend gering sein.1331 Ungeachtet der bereits in Ansehung der beobachtbaren Verhaltensmuster und den hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen für den methodischen Ansatz denkbaren subjektiven Divergenzen sind es vor allem die Stellschrauben „Prognose“ und „Kapitalisierungszins“ (dazu bereits § 4 I. sowie § 6 II.), deren Konkretisierung jeder Akteur hier anders vornehmen kann und dies trotz aller Divergenzen jeder für sich, ohne etwas „falsch“ zu machen. Diese bewertungsspezifische Normzurückhaltung ist kein (verfassungsrechtlich relevanter) Gesetzgebungsmangel. Sie stellt eine legitime, nämlich die materielle Gleichheit verwirklichende Situations- und Entwicklungsoffenheit des Rechtssatzes dar. Freiheitsrechtlich rechtfertigen lässt sich dies aber eben nur, wenn das gleichheitsrechtlich bedingte Wertfindungsrisiko für den Steuerpflichtigen auf ein erträgliches Maß reduziert wird oder sich zumindest reduzieren lässt, nämlich auf das Niveau des gewöhnlichen Rechtsanwendungsrisikos, welches bei der Auslegung, Tatsachenfeststellung und Subsumtion immer besteht und freiheitsrechtlich hinzunehmen ist. Das Beispiel der Unternehmensbewertung zeigt anschaulich, dass dieser Zustand der „Erträglichkeit“ nicht durch den Rechtswert selbst erreicht werden kann. Der Steuerpflichtige kann das Rechtsanwendungsergebnis der Finanzbehörde oder des Richters nicht vorhersehen. Ließe man § 11 1331 Ohne Problembewusstsein hingegen A. Heilmann, Die Anwendbarkeit betriebswirtschaftlicher Bewertungsmethoden im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, S. 48, wenn sie recht lapidar behauptet, dass § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG so hinreichend genau bestimmt sei, dass die Steuerlast für den Steuerpflichtigen berechenbar sei.

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Abs. 2 Satz 2 BewG so isoliert stehen, wäre den Freiheitsrechten nicht genügt. Will der Gesetzgeber daher an der materiellen Gleichheit festhalten, gilt das vorstehend bereits als Ausfluss eines „konzeptionellen Vollständigkeitsgebots“ formulierte Postulat nach „Ausgleichsmechanismen“1332: Je weniger der Gesetzgeber mittels des Rechtswertes steuert, je schwieriger die Steuerrechtsfolge aufgrund des gewählten Bewertungskonzepts also kalkulierbar ist, umso mehr muss er dem freiheitsrechtlichen Interesse des Steuerpflichtigen auf andere Weise als durch den Rechtswert selbst Rechnung tragen. Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber wird materielle Gleichheit durch Rechtssicherheit vermittelnde, die materielle Gleichheit freiheitsrechtlich kompensierende Mechanismen „erkaufen müssen“; er muss „Ausgleichsmechanismen“ mobilisieren. Erst sie machen das Konzept vollständig und letztlich auch (insgesamt) verfassungsgemäß. Solche „Mechanismen“ existieren durchaus. Ohne dies bereits an dieser Stelle in seinen Einzelheiten am geltenden Recht zu würdigen, soll hier vorerst nur hingewiesen werden auf die verfahrensrechtlichen Kompensationsmöglichkeiten durch verbindliche Auskünfte oder den materiell-rechtlichen Ansatz einer – zumindest auf die vorgenannten Problemfaktoren begrenzten – Bewertungsprärogative des Steuerpflichtigen (dazu eingehend noch unter § 12). Letzteres reduziert das Bewertungsrisiko nämlich deshalb, weil ein und derselbe Akteur die Bewertung ex ante und im Nachvollzug vornimmt. Sowohl die Bestimmung der Bandbreite als auch die Konkretisierung innerhalb derselben sind für den Steuerpflichtigen damit ausreichend antizipierbar. Hier ist es im Sinne der bereits aufgezeigten konzeptionellen Vollständigkeitsforderung also vor allem die Kompetenzfrage, die damit zum zwangsläufig mitzubeurteilenden Plan einer die soziale Wirklichkeit rezipierenden Bewertung („materielle Gleichheit“) wird. 2. Bewertung und Pflichtwidrigkeitsrisiko als verfassungsrechtliches Problem Ungeachtet der Dispositionsperspektive ist die Pflichtwidrigkeitsdimension der Bewertung noch in die Betrachtung einzustellen. Das öffentliche Interesse am rechtzeitigen und vollständigen Aufkommen der Steuern wird strafrechtlich (vor allem) durch die Strafbarkeit der Steuerhinterzie-

1332 Begriff nach F. Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 9 Rn. 67; es ließe sich freilich ebenso gut von Kompensation sprechen (A. Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, S. 50, dort auch zur Rechtfertigungsfunktion solcher Kompensationen bzw. Ausgleichsmechanismen).

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hung geschützt.1333 Es handelt sich bei § 370 AO nach herrschendem Verständnis um einen sog. Blankettstraftatbestand1334, weil sich straftatbestandliche Fragen der Steuerverkürzung bzw. des ungerechtfertigten Steuervorteils nach den Vorschriften des materiellen Steuerrechts richten. Jedes Rechtsanwendungsrisiko trägt somit zwangsläufig auch ein Pflichtwidrigkeits- und damit ein Strafbarkeitsrisiko in sich. Dieser Zusammenhang zwischen Steuernorm und Straftatbestand aktiviert die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Art. 103 Abs. 2 GG. Hiernach kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Diese Norm enthält für die Gesetzgebung ein striktes Bestimmtheitsgebot.1335 Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen.1336 Bei Blankettstrafgesetzen unterliegen neben der Strafnorm auch die sie ausfüllenden Vorschriften den sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen1337 und dies gilt somit auch für § 370 AO, der durch die Vorschriften der Abgabenordnung und der Einzelsteuergesetze ausgefüllt wird. Daher ist auch die Auslegung und Anwendung der ausfüllenden steuerrechtlichen Vorschriften am Maßstab des Art. 103 Abs. 2 GG zu messen.1338 Die Bewertung muss also (auch) deshalb durch das Gesetz ausreichend vorgesteuert sein, weil der Steuerpflichtige im Vorhinein die an ihn gestellten Anforderungen erkennen können muss.1339 Dabei geht es freilich nicht „bloß“ darum, dass der Steuerpflichtige mit seiner Pflichtigkeit 1333 Zum Steueranspruch als Schutzgut des § 370 AO statt vieler nur BGH v. 1.2.1989, 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100, 102; v. 2.12.2008, 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 ff. 1334 BVerfG v. 26.6.2008, 2 BvR 2067/07, NJW 2008, 3346; v. 16.6.2011, 2 BvR 542/09, NJW 2011, 3778 f.; BGH v. 7.11.2001, 5 StR 395/01, BGHSt 47, 138, 140 f.; v. 20.11.2008, 1 StR 354/08, BGHSt 53, 45, 53; dazu ferner E. Samson DStJG 6 (1983), S. 99, 105 ff.; C. Dannecker, in: Festschrift f. Samson, S. 257, 264. 1335 BVerfG v. 3.7.1962, 2 BvR 15/62, BVerfGE 14, 174, 185; v. 16.6.2011, 2 BvR 542/09, NJW 2011, 3778 f. 1336 BVerfG v. 20.3.2002, 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, 153; v. 26.6.2008, 2 BvR 2067/07, NJW 2008, 3346. 1337 BVerfG v. 8.5.1994, 2 BvR 636/72, BVerfGE 37, 201, 208 f., v. 6.5.1987, 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 342, 344 ff. v. 16.6.2011, 2 BvR 542/09, NJW 2011, 3778 f. 1338 BVerfG v. 26.6.2008, 2 BvR 2067/07, NJW 2008, 3346; v. 16.6.2011, 2 BvR 542/09, NJW 2011, 3778 f. 1339 Vgl. BVerfG v. 10.11.1998, 2 BvR 1057/91 u.a., BVerfGE 99, 216, 243; P. Kirchhof, AöR 128 (2003), S. 1, 39.

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auch daran anknüpfende Strafbarkeitsrisiken erkennen kann. Vor allem dann, wenn der Gesetzgeber sich für eine (weitestgehende) materielle Gleichheit entscheidet und bedingt hierdurch mit der Bewertungsbandbreite eine Bewertungsunsicherheit korrespondiert, ist es bereits freiheitsrechtlich relevant, dass man den Steuerpflichtigen überhaupt einem solchen Risiko aussetzt. Joachim Lang nennt hier reale (Strafrechts-) Fälle, von denen schon einer allein das Problem deutlich vor Augen führt1340: Eine Sammlung mittelalterlicher Handschriften wurde in den Vermögensteuererklärungen vom Steuerpflichtigen mit ihren Anschaffungswerten von 1,8 Mio. DM bewertet. Nachdem das Paul-Getty-Museum hierfür 110 Mio DM zahlte, führte dies zu einem Steuerstrafverfahren gegen den Steuerpflichtigen. Dieser soll letztlich frei gesprochen worden sein. Woher hätte er auch bei der Vermögensteuererklärung wissen sollen, dass später ein Museum bereit sein würde, einen solchen Preis zu zahlen? Das vorgenannte Beispiel zeigt eines sehr anschaulich: Es ist zum Teil nicht nur schwierig, sich bei der Bewertung derart einzigartiger Gegenstände in einer vertretbaren Bandbreite zu bewegen und sich somit bei der Erfüllung der Steuererklärungspflicht normkonform zu verhalten. Es ist mindestens ebenso schwierig, sich im Nachhinein gegen den Vorwurf eines pflichtwidrigen Verhaltens effektiv zu verteidigen. Denn wie soll dies möglich sein, wenn auf der einen Seite ein die Vorstellung von Finanz- und Strafverfolgungsbehörde prägender, aber nicht rational erklärbarer (nicht stichtagskongruenter) Kaufpreis steht und auf der anderen Seite der Gesetzgeber für die steuerliche Bewertung ein Konzept materieller Gleichheit verfolgt, das selbst auch Rationalitätsdefizite aufweist und sich die gleichheitsrechtlichen Anforderungen deshalb auf die Rationalität des Ableitungsvorgangs beschränken. Wenn dergestalt „rationales Argumentieren“ nicht möglich ist, wenn also vor allem die (scheinbare) Sicherheit von Tatsachenfeststellung und rechtlicher Schlussfolgerung nicht gegeben ist, dann muss das Steuerstrafrecht anerkennen, dass es hier „nur“ um die Strafbewertheit von Sorgfaltsanforderungen im (zu dokumentierenden, gegebenenfalls auch offenzulegenden) Begründungsvorgang geht (zu den bewertungsspezifischen Begründungslasten unter § 7 II. 2. b.) und selbst dabei muss man in Bezug auf den Vorsatzvorwurf Zurückhaltung walten lassen. Es ist dem Steuerpflichtigen jedenfalls nicht zumutbar, dass er sich einem Strafverfahren einer Bewertungsargumentation gegenübersieht, die sich zum Teil rationalen Letztbegründungen entzieht und von ihm nicht antizipiert werden konnte. 1340 J. Lang, StuW 2008, 189, 193.

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Festzuhalten ist daher: Eine Steuerstrafbarkeit kann allenfalls dort beginnen, wo der Steuerpflichtige die Bandbreite allesamt wahrscheinlicher Werte verfehlt (zur Erinnerung: jeder Wert innerhalb der Bandbreite ist normkonform und damit schon per se strafrechtlich irrelevant). Aber dies allein kann für eine Strafbarkeit nicht ausreichend sein. Vielmehr muss der Steuerpflichtige vorsätzlich unzutreffende Einzeldaten/-informationen zugrunde gelegt bzw. vorsätzlich die bei der Konkretisierung der Bandbreite zu beachtenden Sorgfaltsanforderungen missachtet haben.

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§ 9 Die Selbstentscheidungs- und Steuerungsverantwortung des Parlaments Selbstentscheidungsverantwortung des Parlaments

I. Zum verfassungsrechtlichen Mindestmaß an gesetzlicher Determination der Bewertung Zum Mindestmaß an gesetzl. Determination Unter § 7 II. 1. ist die Bewertungsnorm unter spezifisch gleichheitsrechtlichen Bestimmtheitsgesichtspunkten gewürdigt worden. Es ging darum, dem Eigenanteil des Rechtsanwenders auf dem Weg vom abstrakt-generellen Gesetz zum konkreten Bewertungsergebnis Grenzen zu ziehen. Die Bestimmtheit stand dort als Garant für eine Gleichheit im Belastungserfolg im Vordergrund. Nunmehr rückt die dort bereits angedeutete kompetenzabgrenzende Perspektive in den Mittelpunkt. Bewertungsregelungen, die die soziale Bewertungswirklichkeit rezipieren, übernehmen auch die dort existierenden Spielräume und sind daher als Teil einer Legitimationsordnung in den Blick zu nehmen, die Vorgaben des Gesetzgebers, eigenständige Anteile der Verwaltung und des Steuerpflichtigen sowie die Kontrolle der Gerichte zu einander ordnen muss. Die verschiedenen Gewalten und der Steuerpflichtige sind hier Akteure, die von der abstrakt-generellen Ausformung der Bewertungsvorgaben bis hin zur konkret-individuellen Entscheidungsfindung eigenbestimmt mitwirken. Dabei geht es um die Frage, wie viel materielle Bewertungsvorgaben bzw. Mitwirkungspflichten die Exekutive mit Verbindlichkeit gegenüber dem Steuerpflichtigen konkretisieren kann und darf. Komplementär dazu geht es um die Frage, wieviel legislative Steuerung zwingend ist. Der Vorstellung, die öffentliche Verwaltung könne möglichst lückenlos vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgesteuert werden, gibt sich niemand hin. Gleichwohl obliegt es dem Gesetzgeber, zumindest ein Mindestmaß an eigener Steuerung zu gewährleisten. Die damit notwendige Grenzziehung ist, erstens, eine Frage des grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts. So verlangt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber nicht nur überhaupt eine gesetzliche Regelung ab (Formvorbehalt), sondern auch eine inhaltliche Mindeststeuerung (Sachvorbehalt). Soweit diese Mindeststeuerung reicht, gilt eine „Selbstentscheidungspflicht des parlamentarischen Gesetzgebers“1341. Ungeachtet der gleichheits- und freiheits1341 M. Nierhaus, in: Festschrift f. Stern, S. 717, 720; aus der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung statt vieler BVerfG v. 18.7.1972, 1 BvL 32/70 u.a., BVerfGE 33, 303, 345 f.; v. 16.6.1981, 1 BvL 89/78, BVerfGE 57, 295, 327; v. 29.10.1987, 2 BvR 624/83 u.a., BVerfGE 77, 170, 230 f.

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rechtlichen Ableitung des Sachvorbehalts findet er, zweitens, seine zwingende Vorgabe ferner im Demokratieprinzip und ist Ausdruck des Steueranspruchs des Gesetzes im gewaltengeteilten Staat.1342 Eine Entscheidung benötigt umso mehr demokratische Legitimation, je wichtiger sie für die Gesellschaft und den Einzelnen ist.1343 Sowohl die grundrechtliche als auch die kompetenzrechtliche Perspektive münden mithin in der Frage, was vom Gesetzgeber selbst gesteuert werden muss und was er delegieren darf.1344 Das Bundesverfassungsgericht versucht, die Grenzziehung mittels der sog. Wesentlichkeitstheorie zu konkretisieren: Das Parlament hat „in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Re­gelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen“.1345 Es geht um Mindestanforderungen an den Regelungsumfang und die Regelungsdichte der Ermächtigungsgrundlage.1346 Das „Wesentliche“ ist „delegationsfeindlich“.1347 Insoweit wird zur weitergehenden Konkretisierung formuliert, dass sich aus der Norm selbst ableiten lassen müsse, welche Fälle der Gesetzgeber von ihr erfasst sehen will, mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden soll und welchen Inhalt die getroffene Entscheidung im Einzelfall haben kann.1348 Entscheidend sei insbesondere, dass die Grenzen des gewährten Spielraums erkennbar sind.1349 Freilich ist es auch nach diesen Konkretisierungsversuchen schwierig, eine verallgemeinerungsfähige Aussage dazu zu formulieren, was „wesentlich“ ist. Dies beruht unter anderem auch gerade darauf, dass jeder Regelungsbereich eigene Sachstrukturen aufweist und nicht jede Materie ihrer Natur nach gleichermaßen überhaupt geeignet ist, verrechtlicht zu werden. Zum Teil kann die Verrechtlichung 1342 Vgl. BVerfG v. 26.6.2002, 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, 279; U. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 235, 237; K. F. Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 220 ff.; E. Schmidt-Aßmann, in: Festschrift f. Brohm, S. 547, 548. 1343 W. Heun, Die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, S. 46; W. Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 109 ff.; für das Steuerrecht im Besonderen H.-J. Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 169. 1344 Siehe nur W. Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 109. 1345 BVerfG v. 2.3.1993, 1 BvR 1213/85, BVerfGE 88, 103, 116; ferner J. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 239 ff. 1346 BVerfG v. 18.07.1972, 1 BvL 32/70 u.a., BVerfGE 33, 303, 345 f.; v. 16.6.1981, 1 BvL 89/78, BVerfGE 57, 295, 327; v. 29.10.1987, 2 BvR 624/83 u.a., BVerfGE 77, 170, 230 f. 1347 W. Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 109. 1348 BVerfG v. 30.1.1968, 2 BvL 15/65, BVerfGE 23, 62, 72. 1349 BVerfG v 12.11.1958, 2 BvL 4/56 u.a., BVerfGE 8, 274, 325; 5.8.1966, 1 BvF 1/61, BVerfGE 20, 150, 158.

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der Sache selbst sogar schaden.1350 In diesem Problemfeld bewegt sich auch die Verkehrswertbewertung. Gleichwohl lässt sich im bewertungsspezifischen Kontext jedenfalls ein Regelungsaspekt relativ eindeutig dem „Wesentlichen“ zuordnen. Bemüht man an dieser Stelle noch einmal das Bild vom Brückenschlag zwischen Belastungsentscheidung und Steuerbetrag, so wird erkennbar, dass die Bewertung in untrennbarer Verbindung mit der Belastungsentscheidung steht und letztere ist allein vom Gesetzgeber zu treffen. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Frage, „was“ besteuert werden soll, als auch für die Ausgestaltung der Besteuerung, also des Systems, in das sich die Bewertungsnorm folgerichtig einfügen muss. Erinnert sei hier noch einmal an die Vergleichsfunktion der Rechtswerte im Allgemeinen und der Verkehrswerte im Besonderen (dazu § 2 I.). Weil im Bewertungsmaßstab der Belastungsgrund folgerichtig zu verwirklichen ist, ist der Maßstab wegen der ihm zukommenden Gerechtigkeitsdimension „wesentlich“ im Sinne des Gesetzesvorbehaltes und muss durch den Gesetzgeber vorgesteuert werden. Auf den ersten Blick scheint sich materielle Gleichheit im Sinne einer Anerkennung der Bewertungsvielfalt in der sozialen Wirklichkeit durch normative Rezeption mit dieser Vorgabe schwer zu tun. Es bestehen große Entscheidungsspielräume, die dem kompetenzmäßig dazu berufenen Akteur sehr viel Raum für Eigenwertungen lassen und die es wegen der schwachen Steuerung zugleich schwierig machen, sie an der gesetzgeberischen Vorgabe zu messen. Die Grenzziehung durch die Norm selbst ist auf Rand- und Graubereiche beschränkt. Dies wiederum bleibt nicht ohne Einfluss auf die Grundrechtsverwirklichung des Steuerpflichtigen, gehört zu dieser nämlich auch die Vorhersehbarkeit der Steuerlast (siehe bereits § 8 II. 1.). Angesichts dessen ließe sich argumentieren, dass die von Natur aus gegebene Ungleichheit in Bezug auf die Bewertung gerade den gestaltenden Gesetzgeber in besonderem Maße herausfordert, ihn letztlich sogar zur konkretisierenden Regelung verpflichtet. Diese Sichtweise würde aber der gleichheitsrechtlichen Perspektive nicht gerecht. Art. 3 I GG beeinflusst hier vielmehr die Konkretisierung des „Wesentlichen“: Wenn materielle Gleichheit ein verfassungsrechtlich fundiertes legitimes Anliegen ist und wenn der Gesetzgeber in Ansehung der Verkehrswerte die in der sozialen Wirklichkeit vorgefundene Vielfalt in Bezug auf die Bestimmung des wahrscheinlich erzielbaren Preises anerkennt, dann ist allein dies die Grundentscheidung, die ihm zur weiteren 1350 P. Lerche, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band 3, § 62 Rn. 65 f.

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Konkretisierung des Belastungsgrundes und seiner Verwirklichung abverlangt wird. Die Wesentlichkeit orientiert sich also an der natürlichen und zugleich auf den Gleichheitssatz einwirkenden (dazu bereits § 7 I. 2. a.) Sachstruktur des Regelungsbereichs „Verkehrswertbewertung“.1351 Bereits anlässlich der gleichheits- und freiheitsrechtlichen Ausführungen konnte konstatiert werden, dass eine bewertungsspezifische Steuerungszurückhaltung kein Gesetzgebungsmangel ist. Vielmehr hält sich das Gesetz bewusst offen für die Vielfalt der sozialen Wirklichkeit und dies auch nicht konservierend auf einen bestimmten Stichtag, sondern zugleich auch entwicklungsoffen in Bezug auf etwaige Einsichts- und Übungsveränderungen. Diese Situations- und Entwicklungsoffenheit steht immer in einem zwiespältigen Verhältnis zur Steuergerechtigkeit, nämlich sowohl gefährdend als auch bewahrend. Unternehmen wir an dieser Stelle den Seitenblick zum steuerrechtlichen Typusbegriff: Auch hier treffen wir auf unbestimmte Rechtsbegriffe, die durch (Entwicklungs-) Offenheit gekennzeichnet sind1352 und die das Zuordnungsergebnis gerade in den problematischen Randbereichen weitgehend ungesteuert in die Hand des Rechtsanwenders legen. Der Gesetzgeber bedient sich nicht eines tatbestandlich scharf kontrollierbaren Begriffs, der auf eine einfache Subsumtion hoffen ließe, sondern beschreibt einen in der sozialen Wirklichkeit idealtypisch als Normal- und Durchschnittsfall auftretenden Typus. Dies tut er, um eine „lebensnahe, einzelfalladäquate Entscheidung“ zu ermöglichen.1353 Die Zuordnung zu einem Typus im konkret-individuellen Anwendungsfall beinhaltet daher sowohl eine mit Blick auf die soziale Wirklichkeit wertende Feststellung in Bezug auf die Fixierung des „typischen Bildes“ als auch eine wertende Abwä­gung bei der Gewichtung der dieses Bild kennzeichnenden Typusmerk­male.1354 Das Bundesverfassungericht erachtet dies verfassungsrechtlich für zulässig, weil es die Notwendigkeit der Flexibilität erkennt.1355 Der Typusbegriff wird hier als legitimer – wenn nicht sogar unverzichtbarer – Bestandteil einer effektiven, auf Vielgestaltigkeit der sozialen Wirklichkeit reagierenden Rechtsordnung angesehen. 1351 Zur Maßgeblichkeit der Sachstruktur der betroffenen Materie für die Konkretisierung der Wesentlichkeit siehe nur P. Lerche, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band 3, § 62 Rn. 65 f. 1352 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 395; B. Heuermann, DStJG 30 (2006), S. 150. 1353 J. Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 77. 1354 Siehe nur K.-D. Drüen, StuW 1997, 263 ff.; K. Engisch, Die Idee der Konkretisierung in Recht und Wissenschaft, S. 237 ff.; M. Strahl, Die typisierende Betrachtungsweise im Steuerrecht, S. 198 ff.; K. Vogel, StuW 1971, 313 ff. 1355 BVerfG v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, NJW 1996, 2644.

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Zum Mindestmaß an gesetzl. Determination

Für die Verkehrswert-Bewertungsnorm, die soziale Verhaltensmuster rezipiert, gilt nichts anderes. Sie „kämpft“ im Interesse der Einzelfallangemessenheit der Lösung ebenfalls mit den gewollten Unschärfen. Dies hat freilich auch eine Kehrseite und beeinflusst die Konkretisierung des „(Grundrechts-) Wesentlichen“ auf andere Weise, nämlich in Bezug auf die im freiheitsrechtlichen Kontext bereits angesprochene Kompensation des aus der Sicht des Steuerpflichtigen bestehenden Vorhersehbarkeitsdefizits. Je mehr die Bewertungsnorm gerade wegen der Rezeption der sozialen Bewertungsverhaltensmuster bewusst solche Spielräume übernimmt, umso stärker aktiviert und effektuiert dies die freiheitsrechtliche Vollständigkeit des Regelungskonzepts, wie sie bereits unter § 8 II. herausgestellt worden ist. Der Gesetzgeber muss seinen „Plan“ freiheitsrechtlich zu Ende denken. In diesem Sinne gehört zu den grundrechtswesentlichen Fragen, erstens, die Frage, wie die Ungewissheit trotz der materiellen Gleichheit für den Steuerpflichtigen beherrschbar gemacht werden kann, sowie, zweitens, die Frage, dass und warum eine bestimmte Belastung innerhalb der Bandbreite erforderlich und angemessen ist (zur freiheitsrechtlichen Relevanz der Belastungsentscheidung innerhalb der Bandbreite bereits § 8 I. 3. d.). Dies hat nicht erst durch die Verwaltung zu erfolgen, sondern muss vom Gesetzgeber selbst vor­gesteuert werden: Er muss entscheiden, wie er mit den sich aus der materi­ellen Gleichheit ergebenden Spielräumen umgeht und wie er Risiken verringert bzw. zuweist. Will er beispielsweise die ansonsten nicht ausreichende Vorhersehbarkeit eines Bewertungsergebnisses durch die Zuweisung einer Bewertungsprärogative an den Steuerpflichtigen kompensieren, so muss sich dies grundsätzlich aus dem Gesetz ergeben. Entsprechendes gilt für die Konkretisierung des Einwertigkeitsergebnisses aus der Bandbreite heraus. Es mag insoweit zwar ein freiheitsrechtliches Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des günstigsten Wertes geben, aber auch dieses muss über das einfache Recht an den Steuerpflichtigen vermittelt werden. Ein unmittelbarer Rückgriff auf das Verfassungsrecht, der das einfache Recht überspringt, ist nicht möglich. Aus dem Verfassungsrecht heraus kann man die wesentlichen freiheitsrechtlichen Folgefragen nicht beantworten. Dies bedeutet, dass, wenn der Gesetzgeber keine ausreichenden Kompensationsmechanismen für seine materielle Gleichheit vorsieht, der gesamten Bewertungsnorm aus freiheitsrechtlichen Gründen das Schicksal der Verfassungswidrigkeit droht. Diese „Wesentlichkeitsüberlegungen“ lassen sich im Lichte des einmal vom Gesetzgeber eingeschlagenen konzeptionellen Weges noch weitergehend konkretisieren: Methoden-Detail-Fragen und auch Typisierungen müssen sich nach alledem nicht aus dem Gesetz ergeben. Aber umge473

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kehrt muss sich aus dem Gesetz ergeben, ob solche zulässig sind (Stichwort: verbotene Gegensteuerung, dazu später noch bei den Verwaltungsvorschriften unter § 9 II. 2.). Denn eine (exekutive) Entscheidung für eine Typisierung ist zugleich eine Entscheidung gegen die (legislative) materielle Gleichheit und deshalb „wesentlich“. Wenn also „Erfahrungswissen“ der Finanzverwaltung normativ zur Konkretisierung eines Rechtswertes (zum Beispiel des gemeinen Wertes) verbindlich sein soll, dann müssen Voraussetzungen und Reichweite einer solchen Bindung durch das Gesetz angeordnet werden. Dies bedeutet freilich nicht, dass, wenn der Gesetzgeber die Grundentscheidung für eine Typisierung selbst getroffen hat, auch die Typisierungen selbst von ihm vorgesteuert werden müssen. Dies kann er zum Teil auch gar nicht, wenngleich hier auch zuzugeben ist, dass insbesondere die Anlagen zum Bewertungsgesetz sehr wohl in Teilbereichen eine solche Handlungsfähigkeit des Gesetzgebers dokumentieren. Ungeachtet dieser praktischen Beispiele für formell-gesetzliche Typisierungen ist dies nach meinem Dafürhalten jedoch von Verfassungswegen nicht erforderlich gewesen. Eine gesetzliche Typisierungsbefugnis zugunsten der Exekutive wäre ebenfalls zulässig. Wenn der Gesetzgeber ein Konzept materieller Gleichheit verfolgen darf und ihm nicht mehr abverlangt wird, als den „gemeinen Wert“ mit seiner Rezeption der sozialen Wirklichkeit und einem normativen, Belastungsgrund orientierten Filter als Grundentscheidung zu normieren, so kann man ihn (im umgekehrten Fall) bei einem Streben nach formeller Gleichheit nicht weitergehend in die Pflicht nehmen. Es muss daher möglich sein, am Bewertungsziel auszurichtende Konkretisierungen der Wertermittlung zu delegieren. Entgegen einer im Schrifttum geäußerter Ansicht waren daher verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber dem anlässlich der Erbschaftsteuerreform diskutierten, aber letztlich nicht Gesetz gewordenen § 11 Abs. 4 BewG-E nicht veranlasst. Diese Vorschrift sah eine Ermächtigung an die Bundesregierung vor, den bei der Ertragswertermittlung anzuwendenden Ka­ pitalisierungszinssatz und „Einzelheiten für ein Ertragswertverfahren zu regeln“.1356 Das sog. vereinfachte Ertragswertverfahren, welches der Gesetzgeber im Grunde schon im Kontext des § 11 Abs. 4 BewG-E im Blick hatte, ist im Gesetzgebungsprozess letztendlich auf die formelle Ge­ setzesebene gehoben worden (siehe nunmehr §§ 199 ff. BewG), womit sich die Frage erübrigt hat.1357 Ein Beispiel de lege lata bildet derzeit aller1356 Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 28.1.2008, BT-Drucks. 16/7918, S. 13. 1357 Siehe zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber § 11 Abs. 4 BewG-E H. D. Fumi, in: Brandt, Fünfter Deutscher Finanzgerichtstag, S. 99, 110; L. Petrak,

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dings noch im Bereich der Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen die auf § 1 Abs. 3 Satz 13 AStG gestützte sog. Funktionsverlagerungsverordnung. Bei Anlegung der vorgenannten Maßstäbe ist diese Delegation an die Exekutive verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

II. Exekutive (abstrakt-generelle) Detailsteuerung durch Verwaltungs­vorschriften Exekutive Detailsteuerung durch Verwaltungs­vorschriften 1. Verwaltungsvorschriften im System der Rechtsquellen unter besonde­rer Berücksichtigung der Bewertung Rechtsquellen (im engeren Sinne) sind verbindliche Rechtssätze. Sie beantworten die Frage, was Recht und Gesetz gebieten.1358 Sog. Verwaltungsvorschriften gehören nicht hierzu. Es handelt sich um Rechtssätze mit abstrakt-generellem Inhalt, die von einer Behörde kraft ihrer Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt gegenüber nachgeordneten Behörden oder Bediensteten erlassen werden.1359 Sie enthalten die Auffassung der Finanzverwaltung zur Auslegung und Anwendung des gesetzten Rechts, setzen aber kein Recht.1360 Das finanzverwaltungsseitige, nichtrechtssatzförmige Handlungsarsenal ist vielfältig1361, weshalb es an dieser Stelle zuerst eines kurzen Überblicks bedarf: Gemäß Art. 108 Abs. 7 GG kann die Bundesregierung (als Kollegialorgan) allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, und zwar mit Zustimmung des Bundesrates, soweit die Verwaltung den Landesfinanzbehörden oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) obliegt. Ferner treffen die obersten Finanzbehörden der Länder Weisungen durch Erlasse gegenüber ihren nachgeordneten Behörden. Dies tun sie im Interesse einer bundeseinheitlichen Vollzugsverwirklichung vielfach mehrseitig konsensual in Abstimmung untereinander und mit dem Bundesfinanzminister. Die als Ergebnis dieser Abstimmung veröffentlichten sog. Schreiben des Bundesfinanzministers sind allerdings nicht bindend; dies ist erst der

WPg 2008, 1032, 1036 f. (dort vor allem zur Delegation des Kapitalisierungszinssatzes). 1358 B. Rüthers/C. Fischer/A. Birk, Rechtstheorie, Rn. 217 f. 1359 F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 181; R. Seer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 108 Rn. 116; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1434. 1360 J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 31; F. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 35 Rn. 49; M. Möstl, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 4. 1361 Eingehend R. Seer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 108 Rn. 117 ff.

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Erlass der obersten Landesfinanzbehörde, der den Inhalt transformiert.1362 Das entscheidende Rechtsproblem ist allen diesen Arten von Verwaltungsvorschriften gemeinsam, nämlich die Frage nach einer außerhalb der Finanzverwaltung eintretenden Bindungswirkung.1363 Hier besteht weder Anlass noch Gelegenheit, die Generaldiskussion um die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften um eine weitere Stellungnahme zu ergänzen oder gar zu erweitern. Vielmehr wird an den aktuellen Stand der Diskussion angeknüpft.1364 Unter Außerachtlassung von Verwaltungsvorschriften, die Aufbau und Organisation von Behörden, Geschäftsverteilung und Geschäftsgang (sog. Organisationsverwaltungs­vorschriften1365) regeln, kann zwischen sog. norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften, sog. ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften, sog. normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften sowie sog. Verwaltungsvorschriften betreffend die Sachverhaltsermittlung unterschieden werden: – Einigkeit dürfte insoweit bestehen, dass eine Verwaltungsvorschrift, die sich zur Auslegung einer Norm äußert, die also Rechtsfragen aus Sicht der Verwaltung beantwortet, keine Bindung der Gerichte bewirkt (sog. norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften).1366 Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die (Rechts-) Ansicht der Finanzverwaltung methodisch vertretbar ist oder nicht. So wie in jedem Einzelfall auch gilt allein die Letztauslegungskompetenz des Gerichts.1367 Trotz der fehlenden Bindungswirkung ist die Bedeutung dieser norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften immens: Die 1362 K. Schöck, StuW 1977, 22, 29; R. Seer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 108 Rn. 121. 1363 Die verwaltungsinterne Bindungswirkung ist unbestritten, statt vieler J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 28; K. Vogel, in: Festschrift f. Thieme, S. 605, 607. 1364 Siehe aus jüngerer Zeit statt vieler nur M. Ruffert, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 17 Rn. 67 ff.; K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 80 ff.; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1431 ff. 1365 Dazu nur M. Ruffert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 17 Rn. 73; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1439. 1366 BVerfG v. 31.5.1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214, 227; BVerwG v. 28.10.1998, 8 C 16/96, BVerwGE 107, 338, 340; BFH v. 23.10.2003, V R 49/01, BFH/NV 2004, 673, 675; K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 84; J. Englisch, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 34; H.-U. Erichsen, in: Festschrift f. Kruse, S. 39, 43; M. Ruffert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 17 Rn. 74; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1438 u. 1443 f. 1367 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 84; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1438. Siehe ferner für den Einzelfall noch die Nachweise in Fn. 1594.

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Finanzbehörde stellt hierdurch sicher, dass die Sachbearbeiter im konkreten Fall nach einem standardisierten Normverständnis handeln, und hierdurch wird eine Grundbedingung zur einheitlichen Rechtsanwendung geschaffen wird.1368 Damit machen norminterpretierende Verwaltungsvorschriften aus der Perspektive des Steuerpflichtigen das Handeln der Finanzbehörde berechenbar(er) und erhöh­ en damit die Steuerplanungssicherheit.1369 Hinzu tritt ein „Schutzaspekt“ zugunsten der Finanzverwaltung. Denn wenn die Finanzbehörde ihre Rechtsauffassung kundtut, dürfte damit für den Steuerpflichtigen die Notwendigkeit korrespondieren, eine hiervon abweichende Rechtsauffassung ebenfalls offenzulegen.1370 – Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften vereinheitlichen die Kriterien für die Ausübung von Ermessensermächtigungen.1371 Sie spielen bei der Bewertung keine nennenswerte Rolle. – Eine dritte Kategorie bilden die Verwaltungsvorschriften, die auf abstrakt genereller Ebene das Pendant zur Ausfüllung administrativer Entscheidungsspielräume durch den Einzelakt darstellen.1372 Die Eigenständigkeit dieser Kategorie folgt letztlich der Dichotomie zwischen Ermessen (auf Rechtsfolgenseite) und sonstigen administrativen Spielräumen (auf Tatbestandsseite).1373 In Abgrenzung zu den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften spricht man bei dieser Kategorie in der Regel von sog. normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften. Sie widmen sich außerhalb des Steuerrechts regelmäßig naturwissenschaftlich-technischen Fragen und werden diesbezüglich zum Teil als für die Gerichte bindend angesehen.1374 Sie können auch 1368 H. U. Erichsen, in: Festschrift f. Kruse, S. 39, 43; S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 442; R. Seer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 108 Rn. 177. 1369 J. Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, S. 27 ff.; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1432. 1370 Vgl. BGH v. 10.11.1999, 5 StR 221/99, NStZ 2000, 203, wo allerdings die Frage nach einer allgemeinen Offenbarungspflicht bei abweichender Rechtsauffassung offen gelassen wird. 1371 Siehe R. Seer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 108 Rn. 183. 1372 M. Ruffert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 17 Rn. 76; R. Wahl, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 571, 578. 1373 Vgl. zur Diskussion einerseits M. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 27 ff. und andererseits R. Poscher, in: Festschrift f. Wahl, S. 527, 537 f.; F. Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 3, § 50 Rn. 252. 1374 BVerwG v. 19.12.1985, 7 C 65/82, BVerwGE 72, 300, 320 f.; v. 29.8.2007, 4 C 2/07, BVerwGE 129, 209, 212; dazu im Übrigen noch H. Hill, NVwZ 1989, S. 401 ff.; F. Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 5, § 104 Rn. 61.

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im hiesigen Kontext relevant werden. Sollte der Bewertungsnorm im Wege der Auslegung ein administrativer Entscheidungsspielraum der Finanzbehörde entnommen werden können, so ließe sich dieser mittels Verwaltungsvorschriften auf abstrakt-genereller Ebene „normkonkretisierend“ ausfüllen. Dies hat vor allem Bedeutung für die Kompetenzfrage im Verhältnis zum Gericht. Die eingeschränkte Überprüfbarkeit wurde bereits genannt und würde dann auch für die Teilaspekte der Bewertung gelten, die von einer solchen administrativen Letztentscheidungsbefugnis erfasst wären. – Als ein Unterfall eben jener normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften wird häufig noch eine vierte Kategorie herausgehoben, nämlich Verwaltungsvorschriften in Bezug auf die Sachverhaltsermittlung.1375 Gegebenenfalls mag man hiervon auch noch sog. typisierende Verwaltungsvorschriften abschichten.1376 Das Kernanliegen ist freilich dasselbe: Diese Verwaltungsvorschriften sehen vor, dass die Voraussetzungen eines gesetzlichen Tatbestandes in tatsächlicher Hinsicht als gegeben anzusehen sind, wenn bestimmte andere tatsächliche Voraussetzungen festgestellt werden können und der Sachverhalt, der als gegeben zu unterstellen ist, orientiert sich wiederum häufig an dem bzw. einem „typischen“ Sachverhalt.1377 Diese Verwaltungsvorschriften sollen also den Finanzbeamten im konkreten Steuerrechtsanwendungsfall von einer (weitergehenden) Sachverhaltsermittlung entbinden.1378 In Bezug auf diese Verwaltungsvorschriften wird eine Diskussion um eine etwaige Bindungswirkung im Außenverhältnis geführt. Die Rechtsprechung nimmt dies mit unterschiedlichen Begründungen zum Teil (faktisch) durchaus an; hierauf wird anlässlich von § 9 II. 2. noch einzugehen sein. Die Diskussion in Bezug auf bewertungsspezifische Verwaltungsvorschriften (Stuttgarter Verfahren, AfA-Sätze, Bewertungspauschalen beim Sachlohn, 30-Cent-Kilometer-Pauschale für berufliche Fahrten) zeigt, wie schwierig deren Einordnung in diese Kategorien ist. Sie werden vielfach den Verwaltungsvorschriften betreffend die Sachverhaltsermittlung 1375 Vgl. nur J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 28; M. Ruffert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 17 Rn. 76; R. Seer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 108 Rn. 187; K. Vogel, in: Festschrift f. Thieme, S. 605, 609 ff. 1376 Siehe BFH v. 15.3.2011, VI B 145/10, BFH/NV 2011, 983; K.-D. Drüen, in: Tipke/ Kruse, AO, § 4 Rn. 87 ff.; F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 343 ff.; K. Vogel, in: Festschrift f. Thieme, S. 605, 609 ff. 1377 Dazu K. Vogel, in: Festschrift f. Thieme, S. 605, 609 ff. 1378 K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1441.

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zugeordnet.1379 Zum Teil erfolgt eine Qualifizierung als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften.1380 In der jeweiligen Einordnung spiegelt sich partiell auch (unausgesprochen) eine Stellungnahme zur bereits unter § 5 III. 1. behandelten Abgrenzung von Tat- und Rechtsfrage wieder.1381 Entsprechendes gilt für die der Einordnung vorgelagerte Frage, ob eine Bewertungsnorm der Finanzbehörde einen administrativen Letztkonkretisierungsspielraum zuordnet.1382 Letztlich ist es kaum möglich, eine abstrakte Einordnung mit Gültigkeit für alle Bewertungsfragen vorzunehmen. Es bedarf vielmehr stets des Blickes auf die konkret zu würdigende Regelung der Verwaltungsvorschrift. In den meisten Fällen wird man dann feststellen, dass eine trennscharfe Abgrenzung überhaupt nicht möglich ist, da die Verwaltungsvorschriften von ihrem eigenen Anspruch her häufig sowohl eine Aussage zu einer bewertungsspezifischen Rechts- als auch einer Tatfrage enthalten.1383 Verwaltungsvorschriften stehen im bewertungsspezifischen Zusammenhang fast ausnahmslos im Zeichen der verwaltungsseitigen Typisierung (zur Typisierung durch den Gesetzgeber bereits § 7 I. 4.). Dies führt zu der Frage, ob und inwieweit die Finanzverwaltung durch Verwaltungsanweisung bestimmen kann, dass von einer bestimmten Tatsache ohne Prüfung des Sachverhaltes im Einzelfall auszugehen ist, wenn eine andere 1379 Vgl. zum Beispiel BFH v. 25.10.1985, VI R 15/81, BStBl. II 1986, 200; v. 2.4.2008, II R 59/06, BStBl. II 2009, 983 (Denkmalerlass); v. 15.3.2011, VI B 145/10, BFH/ NV 2011, 983 (Kilometer-Pauschale = typisieriende Verwaltungsvorschrift); J. Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 31; J. Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 15 f. u. S. 58 ff.; H.-W. Kruse, DStJG 18 (1995), S. 115, 117; F. Schleithoff, Die Unternehmensbewertung im deutschen Steuerrecht, S. 133. 1380 So S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 447; siehe ferner C. Lamprecht, DStJG 12 (1989), S. 79, 109, der überhaupt jeder Verwaltungsvorschrift betreffend die Sachverhaltsermittlung einen (auch) norminterpretierenden Charakter beimisst. 1381 Siehe zum Beispiel S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 447: „denn auch [den Bewertungsrichtlinien] geht es darum, den inhaltlichen Gehalt des jeweiligen Wertbegriffs zu bestimmen. Fixieren sie zusätzlich die Folgerungen, die sich hieraus für die Sachverhaltsermittlung ergeben, so handelt es sich auch hierbei um Norminterpretation. Es geht um das Entwickeln von Hilfsnormen, die auf dem Weg der Konkretisierung der Norm hin zur Entscheidung in der Sache benötigt werden, wie dies methodisch bei jeder Rechtsanwendung zu geschehen hat.“ 1382 Siehe zum Beispiel die Einordnung als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften bei M. Jachmann, StuW 1994, 347, 348 f.; L. Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung von Steuergesetzen, S. 54 ff., wohl auch R. P. Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 369 (i.V.m. S. 117 Fn. 150 f.). 1383 So bereits R. Seer, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 108 Rn. 187.

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(der Vereinfachungslogik folgend: einfacher festzustellendere) Tatsache feststeht. Die eigentlich normrelevante Tatsache wird nämlich dann prüfungslos zugrunde gelegt. Mittels solcher „Anweisungen“ gelangt man in Bezug auf Tatsachen nicht zu dem, was im konkreten Fall ist, sondern was im Durchschnittsfall ist.1384 Dort, wo keine Übereinstimmung gegeben ist, bedeutet dies die Fiktion eines nicht gegebenen Sachverhaltes für Zwecke der Besteuerung.1385 Die Literatur unterscheidet dabei eine sog. materielle Typisierung von einer sog. formellen Typisierung. Erstere ist dadurch gekennzeichnet, dass der typisierte Sachverhalt der Besteuerung zugrunde gelegt wird, ohne dass diesbezüglich ein Gegenbeweis zulässig ist. Die formelle Typisierung hingegen statuiert eine Vermutung zugunsten des „typischen Sachverhaltes“ und lässt den Gegenbeweis zu.1386 Das Ziel solcher Verwaltungsvorschriften ist die Vereinfachung der Sachverhaltsermittlung.1387 So wie der Steuerpflichtige beispielsweise bei Pauschsätzen bis zu einem bestimmten Betrag keine Belege sammeln muss, so wenig muss der Finanzbeamte dies in jedem Einzelfall bei der Veranlagung prüfen. Die Typisierung betrifft dabei – bleiben wir insoweit bei dem Beispiel des Pauschsatzes – notwendigerweise zweierlei: Erstens die Frage, ob überhaupt Erwerbsaufwendungen dem Grunde nach vorliegen, und zweitens – und damit ist der Bogen zur hiesigen Thematik gespannt – in welcher Höhe solche Erwerbsaufwendungen anfallen. Beides fällt in der Regel bei der Pauschalierung untrennbar zusammen. Die Anwendungsfälle solcher Typisierungen gehen allerdings über solche ergebnisorientierten Pauschsätze hinaus. Es wird zum Teil auch nur ein Datum auf dem Weg zu einem einzelnen Bewertungsergebnis typisiert. Dies kann einzeln, aber auch in einem Zusammenspiel mit mehreren Typisierungen geschehen. Gerade die Typisierung einer Bewertungsmethodik einschließlich anwendungsrelevanter Daten gehört hierher (zum Beispiel das Stuttgarter Verfahren: Es wird unterstellt, dass typischerweise der Substanzwert ausschlagebend ist, der gegebenenfalls noch um einen Übergewinn zu erhöhen ist, und es wird ferner als Datum ein typischer Zins von 9 % unterstellt). Dem ist der nachfolgende Gliederungspunkt gewidmet.

1384 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 388. 1385 M. Jachmann, Die Fiktion im Öffentlichen Recht, S. 219. 1386 H. B. Brockmeyer, in: Festschrift f. Offerhaus, S. 13, 15 f.; K.-D. Drüen, in: Tipke/ Kruse, AO, § 4 Rn. 388; L. Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze, S. 51 ff. 1387 BFH v. 31.1.1956, I 111/54 U, BStBl. III 1956, 86; v. 20.5.1980, VI R 54/77, BStBl. II 1980, 580; v. 25.10.1985, VI R 15/81, BStBl. II 1986, 200, 205.

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Zuvor ist der Blick jedoch auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen zu richten und dies mit dem Fokus auf die vornehmlich kompetenzabgrenzende Fragestellung dieses Kapitels. Dies führt zuerst zur Frage nach der Gesetzeskonformität solcher Verwaltungsvorschriften.1388 Zu Recht wird (heute) überwiegend eine gesetzliche Ermächtigung für den Erlass von typisierenden Verwaltungsvorschriften verlangt.1389 Dies folgt ohne weiteres aus der Grundrechtsrelevanz: Gleichheitsrechtlich bedeutet die Typisierung eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung (§ 7 I. 2. und 4.); freiheitsrechtlich kann sie zu einem Wertansatz führen, der für den Steuerpflichtigen ungünstiger ist als ein ebenfalls von der Norm gedeckter Wertansatz und somit auch aus diesem Blickwinkel rechtfertigungsbedürftig sein (§ 8 I. 1. c.). Für die typisierenden Verwaltungsvorschriften bedeutet dies, dass sie nur zulässig sein können, wenn und soweit die konkrete Norm eine Typisierung erlaubt oder diese gar einfordert. Nur in diesem Fall stellt sich überhaupt die Folgefrage, ob und inwieweit ein Gericht an die Verwaltungsvorschrift gebunden sein kann. Wird diese Folgefrage aktuell, so muss die zur Typisierung ermächtigende Norm in einem zweiten Schritt darauf hin gewürdigt werden, ob sie die gerichtliche Prüfungsdichte zurückfährt und einen Eigenbereich der Finanzverwaltung anerkennt. Ergibt die Auslegung der Bewertungsnorm, dass keine Typisierungsbefugnis der Verwaltung besteht, ist allein das materielle Recht der Maßstab des Verwaltungshandelns. Ein Eigenbereich besteht nicht. Die Maßgeblichkeit des gesetzlichen Programms bedeutet vor allem auch, dass die Finanzverwaltung die Bewertungsnorm nicht dergestalt durch Verwaltungsvorschriften abstrakt-generell konkretisieren darf, dass dieses Programm konterkariert wird. Wenn also der Bewertungsnorm die le­ gislative Anerkennung der Vielfalt sozialer Bewertungsübungen und der damit verbundenen Bandbreite allesamt gleichermaßen gleichheitskonformer Bewertungsergebnisse zugrunde liegt, darf die Finanzverwaltung (erst recht) nicht „gegensteuern“ und dies insbesondere auch nicht mit Hinweis auf die Verfassung („zum Zwecke der Gleichmäßigkeit der 1388 W. G. Leisner, StuW 2007, 241, 242 ff.; K. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, S. 1434 ff. 1389 BVerfG v. 31.5.1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 sowie v. 4.2.2005, 2 BvR 1572/01, BVerfGK 5, 71: Finanzgerichte sind zur Typisierung nur befugt, sofern es sich dabei um Gesetzesauslegung handelt; aus der Literatur K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn. 91; H. U. Erichsen, in: Festschrift f. Kruse, S. 39, 54; H.-W. Kruse, DStJG 18 (1995), S. 115, 119; W. G. Leisner, StuW 2007, 241, 248 ff.; siehe ferner noch L. Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze; J. Isensee, Die typisierende Verwaltung.

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Besteu­erung“, dazu nunmehr im Kontext des Stuttgarter Verfahrens unter 2.). 2. Richtliniengesteuerte „Bewertungsverfahren“ (insbesondere das vormalige Stuttgarter Verfahren) Ein sehr gutes Anschauungsbeispiel für die Legitimations- und die damit zugleich verbundene Außenwirkungsproblematik bilden die historisch gewachsenen, mehreren Wandlungen bzw. Anpassungen unterlegenen, allerdings für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2009 nicht mehr anwendbaren Verwaltungsvorschriften, mit denen die Finanzverwaltung Anwendungsvorgaben für § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F. konkretisierte. Die Norm lautete in der alten Fassung wie folgt: „Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, so ist er unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen“. Zuerst konkretisierte die Finanzverwaltung diese Vorgabe durch das sog. Berliner Verfahren, welches seinen Niederschlag in den Vermögensteuerrichtlinien 1940 fand.1390 Es war als Mittelwertverfahren ausgestaltet und kombinierte Substanzund Ertragswertgesichtspunkte. Es führte angesichts der starken Betonung der Ertragskomponente aus Sicht der zeitgenössischen Literatur und Rechtsanwender zu (zu) hohen Unternehmenswerten1391 und wurde 1955 durch das sog. Stuttgarter Verfahren ersetzt. Auch insoweit bediente sich die Exekutive der Handlungsform der Verwaltungsvorschrift und veröffentlichte es als Verwaltungsanordnung „Richtlinien zur Bewertung nichtnotierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften“.1392 Ursprünglich für die Vermögensteuer konzipiert fand es vor allem für die Erbschaft- und Schenkungsteuer Anwendung, aber auch in ertragsteuerlichen Fällen wurde es herangezogen.1393 Seine letzte Fassung als Ver­ waltungsanweisung fand es in den Abschnitten R 96 ff. ErbStR 2003.1394 Konzeptionell beruht das Stuttgarter Verfahren auf einer Übergewinnmethode (siehe bereits das Berechnungsbeispiel unter § 1 III. 3. a.). Diese versteht den Unternehmenswert als Summe des Vermögenswertes (Teilreproduktionswert) und des Mehrwertes, der darauf beruht, dass das zu 1390 Abschn. 42–44 VStR v. 10.2.1940, RStBl. 1940, 201 i.d.F. der Ergänzung v. 20.8.1940, RStBl. 1940, 777. 1391 Vgl. nur die Kritik von O. Bühler, NJW 1953, 1121, 1122. 1392 BStBl. I 1955, S. 97. 1393 Siehe zum Beispiel BFH 18.10.1967, I 262/63, BStBl. II 1968, 105, 107; v. 7.12.1989, IV R 79/88, BFH/NV 1991, 364; v. 21.1.1993, XI R 33/92, BFH/NV 1994, 12. 1394 BStBl. I 2003, Sondernummer 2.

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bewertende Unternehmen Gewinne über den Normgewinn hinaus, sog. Übergewinne, erwirtschaftet.1395 Neben der kurzen Ertragsperspektive (fünf Jahre) war das Kennzeichen des Stuttgarter Verfahrens insbesondere sein vermögensorientierter Ausgangspunkt. Insoweit sah man sich dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F. verpflichtet, der zwar keine Gewichtung vorgab, aber die Vermögenskomponente erwähnte und damit einer reinen Ertragswertbetrachtung entgegengestanden haben soll.1396 Der Vermögenswert wurde aufgrund einer Vermögensaufstellung ermittelt, die sich bis zum 31.12.1992 an Teilwerten orientierte. Für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.1993 erklärte § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG1397 sodann die ertragsteuerlichen Bilanzansätze (Buchwerte) für maßgeblich. Mit dem Jahressteuergesetz 19971398 wurden die § 11 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 BewG zwar wieder im Sinne der alten Rechtslage gefasst, jedoch blieb es für die Anteilsbewertung aus erbschaft- und schenkungsteuerlichem Anlass wegen § 12 Abs. 2 ErbStG a.F. auch weiterhin bei der Maßgeblichkeit der steuerbilanziellen Wertansätze. Umstritten war seit jeher die Bindungswirkung des Stuttgarter Verfahrens für die Gerichte und damit letztlich auch in Bezug für den Steuerpflichtigen; es ging also um die Letztkonkretisierungskompetenz. Der Bundesfinanzhof hat das Stuttgarter Verfahren seiner Rechtsprechung im Großen und Ganzen zugrunde gelegt. Zum Teil hat er die Verwaltungsauffassung auch korrigiert und die Verwaltung hat dies sodann ihrerseits wieder in die Verwaltungsanweisung eingearbeitet. In seinem Kern waren das Verfahren und insbesondere seine Prämissen aber doch immer eine von exekutiv-prärogativem Verständnis gepflegte Entwicklung der Verwaltung. Eine eigenständige normative Bindung der Gerichte an die Verwaltungsanweisung hat das Gericht so nicht ausgesprochen, aber ihr doch mittelbar über das Argument einer Einheitlichkeit und damit Gleichheit der Bewertung eine erhebliche Bedeutung bei der durch das

1395 Siehe nur BFH v. 20.12.1978, III R 31/76, BStBl. II 1979, 34, 35; M. Rid, in: Festschrift f. Flick, S. 531, 533. 1396 Vgl. BFH v. 19.12.1960, III 396/58, BStBl. III 1961, 92, 93; v. 28.2.1975, III R 19/74, BStBl. II 1975, 654, 656; v. 20.10.1978, III R 31/76, BStBl. II 1979, 34; v. 11.10.1989, I R 148/85, BStBl. II 1990, 335, 336; dem folgend zum Beispiel C. Jahndorf, StuW 1999, 271, 272; R. Wendt, StuW 1987, 18, 20; J. Werndl, DStJG 7 (1984), S. 399, 407; siehe allerdings auch F. Schleithoff, Die Unternehmensbewertung im deutschen Steuerrecht, demzufolge auch schon § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F. mit seiner bloßen „Berücksichtigungsanordnung“ eine Ertragswertbewertung erlaubt hätte; dazu noch sogleich. 1397 In der Fassung des Steueränderungsgesetzes v. 25.2.1992, BGBl. I 1992, S. 297. 1398 Gesetz v. 20.12.1996, BGBl. I 1996, S. 2049.

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Gericht vorzunehmenden Bewertung zugewiesen.1399 Trotz aller Kritik an dieser faktisch auf eine Bindungswirkung hinausgelaufenen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof diesen Weg nie aufgegeben und ihn auch in anderen Zusammenhängen beschritten, so zum Beispiel zuletzt im Kontext des § 10 BewG-DDR, der ebenfalls den gemeinen Wert zum Bewertungsmaßstab erklärte. So ging es in dem Entscheidungsfall zu § 10 BewG-DDR um die Bewertung eines Wasserschlosses. Die Verwaltung hatte sich hierbei an dem Erlass des Landes Thüringen orientiert (sog. Denkmalerlass). Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs soll es sich bei dem Denkmalerlass um eine Verwaltungsvorschrift handeln, die den von § 10 Abs. 1 BewG DDR erteilten „generellen Schätzungsauftrag“ umsetzt: „Für den Erlass einer solchen Verwaltungsvorschrift, die den in § 10 BewG­-DDR ver­wendeten unbestimmten Rechtsbegriff im Interesse der Einheitlichkeit und Praktikabilität ausfüllt, bedarf die Finanzverwaltung keiner ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung.“ Eine Abweichung von den im Denkmalerlass getroffenen Regelungen komme nur unter engen Vo­raussetzungen in Betracht. „Dies folgt aus der einer bewertungsrechtlichen Verwaltungsvorschrift zukommenden Bedeutung, eine möglichst gleichmäßige Besteuerung sowie Rechtssicherheit zu gewährleisten und die – sowohl im Interesse der Finanzverwaltung als auch in dem der Steuerpflichtigen gebotene – Praktikabilität des Bewertungsverfahrens sicherzustellen“.1400 Damit ist zugleich auch das argumentative Bild in Ansehung des Stuttgarter Verfahrens repräsenativ wiedergegeben. Es ist natürlich denkbar und (verfassungsrechtlich) zulässig, dass eine Bewertungsnorm eine Ermächtigung zur administrativen, abstrakt-generellen Konkretisierung von Bewertungsfragen beinhaltet. Dies ist zum Beispiel denkbar in Bezug auf das maßgebliche soziale Verhaltensmuster, seine Konkretisierung oder die zu seiner Anwendung notwendigen Erfahrungswerte und sonstigen Wertungsfaktoren (also in Abgrenzung zur Auslegung). Dies muss sodann allerdings auch ausdrücklich gesetzlich angeordnet werden (§ 9 I. und II. 1.). Insoweit kann an die im Zusammenhang mit dem Beurteilungsspielraum vom Bundesverwaltungsgericht 1399 Siehe zum Beispiel BFH v. 19.12.1960, III 396/58, BStBl. III 1961, 92: „wertvolles und für die Einheitlichkeit der Bewertung geeignetes Verfahren“; BFH v. 4.5.1984, III R 61/83, BStBl. II 1984, 657: das Stuttgarter Verfahren diene dem Interesse an einer „möglichst gleichmäßigen und praktikablen Schätzung“; es entspreche dem Gesetz und sei „ein wertvolles Hilfsmittel, um die Einheitlichkeit der Bewertung zu gewährleisten“. 1400 BFH v. 2.4.2008, II R 59/06, BStBl. II 2009, 983; ebenso schon zu den vergleichbaren Erlassen für die Ermittlung von Einheitswerten BFH v. 28.10.1998, II R 37/97, BStBl. II 1999, 51; v. 24.5.2005, II R 2/03, BFH/NV 2006, 29.

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formulierte normative Ermächtigungslehre angeknüpft werden: Ihr liegt die Vorstellung eines Regel-Modells des Inhalts zugrunde, dass die behördliche Rechtsanwendung stets gerichtlich voll überprüfbar ist, gesteht dem Gesetz­geber aber die Schaffung von administrativen Letztentscheidungsräumen zu, die sich dann allerdings aus dem Gesetz ergeben müssen und als Abwei­chung von dem Regel-Modell verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sind. Wenn der Gesetzgeber also der Ansicht ist, die letztverbindliche Konkretisierung seiner Tatbestandsmerkmale sollte in den Händen der Verwaltung liegen, so muss er dies im Normtext der einschlägigen Fachgesetze hinreichend klar zum Ausdruck bringen (dazu eingehend § 12 II. 2.). Dabei sind im allgemeinen Verwaltungsrecht bestimmte Sachgründe herausgearbeitet worden, die bei wenig erkenntnisreichem Normtext gleichwohl für eine Letztentscheidungsbefugnis der Behörde sprechen können. Es geht dort vor allem um normativ nicht fassbare Richtigkeitsmaßstäbe. Im Mittelpunkt steht die Erkenntnis, dass die gerichtliche Kontrolle die Erstkonkretisierung wegen der spezifischen Eigenheiten des jeweiligen Sachbereichs bzw. Regelungskonzepts nicht substituieren kann. An diese Erkenntnis anknüpfend werden wir später noch sehen, dass im Lichte dessen den Verkehrswertnormen durchaus eine vom Regelmodell abweichende Kompetenzverteilung entnommen werden kann und zwar für die Prognose, andere Wertungen und die Einwertigkeitsentscheidungen (siehe eingehend § 12 II. 2.). Für die Konkretisierung der hier betroffenen Bewertungsmethodik gilt dies aber nicht. Denn die Frage nach dem einschlägigen Bewertungsverhaltensmuster ist durch Beobachtung beantwortbar (zur Einordnung als Tatfrage § 5 III. 1. und IV. 2.). Es handelt sich um generelle Rechtstatsachen, die vom Gericht (jedenfalls) durch Beweiserhebung ebenso gut festgestellt werden können wie von der Finanzbehörde auch. Wir haben es also mit einer Situation zu tun, die mit den bewertungsspezifischen Prognosen, den anderen Wertungen und vor allem der Einwertigkeitsentscheidungen nicht vergleichbar ist. Wenn aber kein Sachgrund erkennbar ist, der die Erstkonkretisierung bei funktionaler Betrachtung als etwas anderes erscheinen lässt als die gerichtliche Kontrollentscheidung, dann müsste sich schon deutlich aus dem Wortlaut des bereits zitierten § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F. eine Ermächtigung zugunsten der Finanzbehörde zur Konkretisierung des Schätzungsverfahrens entnehmen lassen. Die Norm gab dies allerdings nicht her. Allein die Tatsache, dass überhaupt eine Schätzung erfolgen muss, sagt nichts darüber aus, wer dies letztverbindlich zu tun befugt ist.1401 Für die Annahme einer solchen Ermächtigung 1401 Gleichwohl gingen Teile der Literatur davon aus, dass § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a. F. der Finanzbehörde einen gerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbaren Eigen-

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kann auch nicht mit Erfolg angeführt werden, dass der Gesetzgeber mehrfach in historischen Materialien1402 auf das Stuttgarter Verfahren Bezug genommen und dieses offenkundig anerkannt hat.1403 Denn im Normtext hat sich diese „Anerkennung“ nicht niedergeschlagen. Kurzum: § 11 Abs. 2 BewG a.F. enthielt keine administrative Letztentscheidungsbefugnis in Ansehung der Bewertungsübung und damit auch keine Befugnis zur abstrakt-generellen Konkretisierung einer Bewertungsmethode. Schließlich muss auch dem Ansatz widersprochen werden, demzufolge das Stuttgarter Verfahren die Einheitlichkeit der Bewertung gewährleistete1404 und deshalb (unter anderem) über den Gleichheitssatz vermittelt Abweichungen gesondert rechtfertigungsbedürftig seien.1405 Dem Bundesfinanzhof ging es erkennbar um die „Einheitlichkeit der Bewertung“ mit dem Ziel, Schätzungsfälle „gleichmäßig“ bzw. „gleich“ würdigen zu können. Dies sind jedenfalls die argumentativen Schlüsselworte der einschlägigen Entscheidungen.1406 „Betriebswirtschaftliche Gutachten zur Unternehmensbewertung“, so der III. Senat in einer Entscheidung vom 18.12.1968, „bieten [gegenüber dem Stuttgarter Verfahren] keine sicherere Grundlage für eine einheitliche Wertermittlung, da die Methoden der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung oft erheblich voneinander abweichen und zu großen Wertunterschieden führen können. Das Stuttgarter Verfahren ist zwar ein grobes, aber dafür für alle Unternehmen gleiches Schätzungsverfahren, […]“.1407 Kurz darauf heißt raum gewährte und sich daraus eine Bindung der Finanzgerichte an das Stuttgarter-Verfahren ergab (siehe zum Beispiel C. Jahndorf, StuW 1999, 271, 277; L. Hölzer, Die Bewertung von Anteilen an nicht notierten Kapitalgesellschaften nach § 11 Bewertungsgesetz, S. 79 ff.; R. P. Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 369 i.V.m. S. 117 Fn. 150 f.). 1402 Vgl. zum Beispiel Begründung vom 4.5.1972 zum Entwurf eines Zweiten Steuerreformgesetzes, BT-Drucks. 6/3418, S. 98, sowie Begründung zum Steuerrechts­ änderungsgesetz 1992 vom 28.2.1992, BT-Drucks. 12/1108, S. 73. 1403 Gleiche Ansicht S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 438; andere Ansicht L. Hölzer, Die Bewertung von Anteilen an nicht notierten Kapitalgesellschaften nach § 11 Bewertungsgesetz, S. 130 ff.; wohl auch A. Uelner, in: Festschrift f. Flick, S. 601, 606 f. 1404 In diesem Sinne zum Beispiel A. Uelner, in: Festschrift f. Flick, S. 601, 607 f. 1405 Vgl. C. Jahndorf, StuW 1999, 271, 276: Außenwirkung über den Gleichheitssatz; K. Vogel, StuW 1991, 254: die notwendige Schätzung sei einer Ermessensbetätigung vergleichbar, weshalb Art. 3 Abs. 1 GG eine Bindung herbeiführe. 1406 BFH v. 24.1.1975, III R 4/73, BStBl. II 1975, 374, 375; v. 12.3.1980, II R 143/76, BStBl. II 1980, 463, 464; v. 30.3.1994, II R 101/90, BStBl. II 1994, 503, 504; v. 26.1.2000, II R 15/97, BStBl. II 2000, 251, 253. 1407 BFH v. 18.12.1968, III R 135/67, BStBl. II 1969, 370, 372, siehe später auch noch BFH v. 6.2.1991, II R 77/88, BStBl. II 1991, 459, 460 f. und v. 15.7.1998, II B

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es: „Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung wäre nicht mehr gewährleistet, wenn das Finanzamt sich – wie der Steuerpflichtige meint – bei der Bewertung von GmbH-Anteilen generell oder im Einzelfall nach Gutachten und Auskünften von Banken und Finanzmaklern richten würde, zumal die Betriebswirtschaft zur Ermittlung des Wertes von GmbH-Anteilen unterschiedliche Methoden entwickelt hat“.1408 Diesen Aussagen liegt ein Verständnis des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde, das hier als formale Gleichheit bezeichnet worden ist und das letztlich die Anerkennung des Wertepluralismus als gleichheitsrechtlich problematisch, wenn nicht sogar unzulässig ansehen muss. Ein solches Verständnis wird jedoch dem Art. 3 Abs. 1 GG nicht gerecht. Anlässlich der gleichheitsrechtlichen Ausführungen habe ich bereits herausgestellt, dass Art. 3 Abs. 1 GG die Vielfalt der Lebenswirklichkeit nicht verleugnet und daher nur im Sinne einer Bandbreitengleichheit konkretisiert werden kann (siehe § 7 I. 2.). Daher verlangt Art. 3 Abs. 1 GG gerade nicht nach einem „einheitlichen Bewertungsverfahren“ für gleiche bzw. allenfalls vergleichbare Gegenstände, insbesondere auch nicht bei der Unternehmensbewertung (um im Kontext des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG zu bleiben). Das Stuttgarter Verfahren war – ungeachtet der auch dort für den Einzelfall vorgesehenen Stellschrauben und Korrekturmöglichkeiten (vgl. zum Beispiel R 103 ff. ErbStR 2003) – Ausdruck eben jener formalen Gleichheit, die verfassungsrechtlich nicht zwingend vorgegeben wird, für die sich der Gesetzgeber sogar ausdrücklich hätte entscheiden müssen. Eine solche legislative Entscheidung für eine formale Gleichheit gab § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG indes bis zum 31.12.1992 a.F. überhaupt nicht her. Sie kann insbesondere auch nicht der Wendung, dass „unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen“ ist, entnommen werden. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG a.F. in seiner bis zum 31.12.1992 geltenden Fassung war vielmehr Ausdruck einer normativen Rezeption außerjuristischer Preisbildungsverhaltensmuster (siehe vor allem bereits § 3 III. 2. b. und insbesondere die dort bereits zitierte [überzeugende] Passage des Urteils des Reichsfinanzhofs vom 9.2.19261409).1410 Im Normtext sind lediglich zwei (verkehrs-)typi129/97, BFH/NV 1999, 158, 159. 1408 BFH v. 22.5.1970, III R 80/67, BStBl. II 1970, 610, 612. 1409 RFH v. 9.2.1926, I A 142/25, RFHE 18, 338, 340. 1410 Erst mit der normativen Vorgabe des Ansatzes von Steuerbilanzwerten unter Außer­achtlassung von Geschäfts- und Firmenwert sowie firmenwertähnlichen Wirtschaftsgütern (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 3 ErbStG a.F.) stellte sich eine im Kern formale – die Verkehrswertbandbreite verfehlende – Gleichheit ein; vgl. auch C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen

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sche Anhaltspunkte für die Kaufpreisfindung normiert worden (nämlich Vermögen und Ertrag). In diesem Lichte betrachtet muss man konstatieren, dass die Finanzverwaltung mit dem Stuttgarter Verfahren eigenmächtig von der Zielvorgabe der materiellen Gleichheit und des sie konkretisierenden gemeinen Wertes abgewichen ist. Vielmehr galt auch damals schon: Wenn Vergleichspreise fehlen, sind – sofern eben keine anderweitige gesetzliche Regelung vorhanden ist – beobachtbare soziale Bewertungsverhaltensmuster maßgeblich. Auch unter der alten Rechtslage wäre eine Methodenvielfalt hinzunehmen gewesen. Es ließe sich allenfalls überlegen, ob der Gesetzgeber nicht durch den Hinweis auf das Zusammenspiel von Vermögen und Ertragsaussichten bestimmte Methoden ausschließen wollte, aber ansonsten die hieran anknüpfende Methodenvielfalt akzeptiert hat. Denn man muss sich vergegenwärtigen, dass die Norm aus einer Zeit stammt, als die Bewertungslehre noch substanzorientiert dachte und in Ansehung der künftigen Ertragsaussichten lediglich deren Berücksichtigung als eine von zwei Komponenten anerkannte (Mischverfahren, siehe § 1 III. 3.). Dies dürfte die Vorstellung des historischen Gesetzgebers von der rezipierten sozialen Wirklichkeit beeinflusst haben. Die Diskussion um das Stuttgarter Verfahren mag auf den ersten Blick der Vergangenheit angehören. Für ihren damaligen normspezifischen Kontext ist dies auch richtig. Aber gleichwohl lässt sich aus der vor­ stehenden Erkenntnis eine wichtige Aussage für die heutige Rechtslage formulieren: Soweit sich der Gesetzgeber (gleichheitsrechtlich unbedenklich, siehe § 7 I. 2. a. und c.) für ein bewertungsrechtliches Regelungssystem materieller Bewertungsgleichheit entscheidet und damit die in der sozialen Wirklichkeit zu beobachtenden Verhaltensmuster in ihrer Vielfalt, schwierigen Fassbarkeit und auch in Bezug auf ihre Spielraumneigung sowohl hinsichtlich der Vorgehensweise („Denkweg“) als den hierbei zugrunde zu legenden Daten/Annahmen akzeptiert, dann ist dies eine Wertungsentscheidung, die im gewaltengeteilten Staat Verwaltung und insbesondere die Rechtsprechung zu respektieren haben. Wenn der Gesetzgeber materielle Gleichheit vorgibt, dann ist dies eine klare Steuerungsvorgabe und jede (verwaltungsseitige) Formalisierung ist eine unzulässige „Gegensteuerung“. Dies zieht insbesondere der verfassungskonformen Auslegung die entscheidende Grenze. Sie ist durch die Situation gekennzeichnet, dass Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik Steuerlehre, S. 155 f., der – für die Frage, ob das Ertragswertverfahren entgegen der Rechtsprechung unter Geltung des § 11 Abs. 2 BewG a.F. (bereits) zulässig gewesen ist – wohl auch eine Zäser mit dem 1.1.1993 anzunehmen scheint.

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und Telos mehrere Deutungen zulassen, aber nur eine von ihnen verfassungskonform ist und daher diese Deutung geboten ist.1411 Sie bewirkt letztlich eine verfassungsbedingte telelogische Reduktion der Gesetzesnorm1412 und droht damit den legislativen Gestaltungsspielraum zu gefährden.1413 Genauso verhält es sich hier. Es ist genau diese Gefährdungslage, die sich realisieren würde, wenn man unter dem Deckmantel des Art. 3 Abs. 1 GG den vom Gesetzgeber für die Bewertung gewählten (materiellen) Bezugspunkt wiederum einschränkt oder sogar aushebelt. Sowenig eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend zulässig ist, allein das vereinfachte Ertragswertverfahren für zulässig zu erklären (siehe demgegenüber die Gegenauffassung von Hermann-Ulrich Viskorf bei § 7 I. 2. c]), sowenig ist es zulässig unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber auf andere Weise eine nicht gewollte formelle Gleichheit unterzuschieben, zum Beispiel durch „verbindliche“ Vorgaben in Bezug auf die (schematische) Methodik und/oder einzelne Parameter. Sofern der Bundesfinanzhof das Gesetz wegen der materiellen Gleichheitskonzeption nicht für gleichheitsgemäß erachten sollte, muss er dies dem Bundesverfassungsgericht vorlegen, darf aber nicht die gesetzgeberische Entscheidung „konterkarieren“.1414

1411 BVerfG. v. 30.3.1993, 1 BvR 1045/89, BVerfGE 88, 145, 166; siehe im Übrigen bereits § 5 II. 1412 H. Dreier, Die Verwaltung 36 (2003), S. 105, 111. 1413 Siehe eingehend A. Voßkuhle, AöR 125 (2000), S. 177, 195, 185 ff. 1414 Siehe mit guten Gründen für eine Zurückhaltung der Fachgerichte in Bezug auf eine verfassungskonforme Auslegung und vielmehr einer vorrangigen Heranziehung des Bundesverfassungsgerichts vor allem A. Voßkuhle, AöR 125 (2000), S. 177, 195, 199 f.

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Teil 4: Die einfach-rechtliche Ebene: Richtungs- und Kompetenzfra­gen als verkehrswertübergreifende Bewertungs­rechtsfragen Die Erkenntnisse von Teil zwei und Teil drei haben gezeigt, welchen Herausforderungen sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Bewertungsnorm stellen muss. Je mehr er sich für die Anerkennung der Bewertungsvielfalt entscheidet, umso mehr muss er sich freiheitsrechtlichen Grenzen stellen und zugleich auch die vollzugsmäßige Bewältigung der materiellen Gleichheit im Blick behalten. Letztlich zeigen sich seit dem PreußErgStG 1893 aus Sicht der abstrakt-generellen Steuerungsebene der Bewertung immer wieder ähnliche Kernfragen, die entschieden und vor allem bewältigt werden müssen. Die eingangs dieser Untersuchung zitierte Aussage von Albert Hensel (siehe die Einleitung) hat bezüglich der von ihr angesprochenen Fragestellungen auch rund 80 Jahre nach ihrer letztmaligen Veröffentlichung ungebrochene Aktualität. Teil vier widmet sich nunmehr der einfach-rechtlichen Ebene und den dort (heute) auszumachenden Steuerarten übergreifenden Verkehrswert(-rechts-)fragen. Dies sind die Frage des Maßstabes, nach dem Spielräume auszufüllen sind, und die Frage nach der Person, die dies mit Wirkung für und gegen die übrigen Akteure tun darf bzw. tun muss (§ 11 und § 12). Bevor jedoch die materiellen Fragen in den Blick genommen werden, gebührt die Aufmerksamkeit zuerst dem Verfahrensrecht (§ 10). Nachgezeichnet wird die konkret-individuelle Bewertungsebene beginnend mit der grundsätzlich erst einmal nur in der Sphäre des Steuerpflichtigen stattfindenden Planungs- und Dispositionsphase, an die sich sodann das Verwaltungsverfahren anschließt. Mit diesen verfahrensrechtlichen Ausführungen wird der Boden bereitet für die weiteren materiellen Ausführungen – dies zum einen deshalb, weil sich einige materielle Fragestellungen erst im Spiegel des Verfahrensrechts darstellen lassen, zum anderen aber auch deshalb, weil sich die diesbezüglich zu formulierenden Antworten auch hieran messen lassen müssen.

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§ 10 Die verfahrensrechtliche Erstbewertungspflicht des Steuerpflichtigen I. Von der Planung über die Entscheidungsfindung bis zur Dispositionsbetätigung durch den Steuerpflichtigen

Planung, Entscheidungsfindung und Dispositionsbetätigung

1. Dispositionsschutz unter Unsicherheit: Zuweisung und Bewältigung des Wertfindungsrisikos Die Bewertungsnorm verlangt eine konkretisierende Anwendung auf den Einzelfall. Nach einer in der Verwaltungsrechtslehre gängigen Formulierung ist das Verwaltungsverfahren der „Verwirklichungsmodus“ für die Überbrückung der abstrakt-generellen Anordnung auf den Einzelfall. 1415 Es ebnet dem materiellen Recht den Weg1416 und wird – nunmehr bereichsspezifisch formuliert – damit zu einem der Garanten für die Entfaltung der tatsächlichen Wirksamkeit der Belastungsentscheidung.1417 An seinem Ablauf soll sich daher im Wesentlichen auch der Gang der weiteren Untersuchung orientieren. Allerdings würde es regelmäßig zu kurz greifen, wenn man auf der konkret-individuellen Ebene erst mit dem einzelfallbezogenen Auftreten des hoheitlichen Akteurs beginnen würde. In den meisten Fällen beginnt der bewertungsrelevante Lebenssachverhalt mit der Planungsphase, die sich erst einmal nur innerhalb der Sphäre des Steuerpflichtigen vollzieht. Der Steuerpflichtige steht vor der Frage, ob und auf welchem Wege er ein bestimmtes Ziel erreichen will. Zu seiner Dispositionsentscheidung wird regelmäßig eine Steuerplanung gehören, also eine Einschätzung zu der Frage, ob er mit einer Handlungsvariante einen Steuertatbestand verwirklicht und bejahendenfalls wie die hieran anknüpfenden unmittelbaren und mittelbaren Steuerfolgen zu quantifizieren sind. Es geht hier also um das bereits herausgestellte Rechtsanwendungsrisiko, das einer jeden steuerlich relevanten Disposition innewohnt, und dies unter besonderer Berücksichtigung der bisherigen Erkenntnisse zur Bewertung: Der Steuerpflichtige muss mit der Verwirklichung eines Lebenssachverhaltes und der anlässlich dessen getroffenen Ersteinschätzung den ersten – grundsätzlich steuerlich 1415 R. Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 151, 153 f.; S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 19; F. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), S. 21, 24. 1416 Siehe A. Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 313. 1417 K.-D. Drüen, in: Festschrift f. Kruse, S. 191, 205; S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 19; R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 227; J. Thiel, StuW 1986, 1, 2.

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Planung, Entscheidungsfindung und Dispositionsbetätigung

unum­kehrbaren – Schritt gehen. Der Steuerpflichtige erhält die Gewissheit darüber, ob sein „Plan aufgeht“, erst mit der Steuerfest­setzung.1418 Die verfassungsrechtliche Fundierung der hiermit ange­sprochenen steuerlichen Planungssicherheit wurde bereits unter § 8 II. gewürdigt. Entsprechendes gilt für die freiheitsrechtlich nicht minder gewichtige Phase nach der Tatbestandsverwirklichung. Der Steuerpflichtige braucht Dispositionsschutz, den er nur erhält, wenn die Steuer, die er für die Steuerzahlung bereithalten muss, eine kalkulierbare Größe darstellt. Dabei kann sich der Steuerpflichtige immer nur am Gesetz orientieren. Dieses muss ihm einen verlässlichen Anhaltspunkt für die Abschätzung der Steuerfolgen bieten. Angesichts des Berechenbarkeitsverlustes, der mit der Rezeption der sozialen Bewertungswirklichkeit und deren normativer Filterung einhergeht, ist dies sehr problematisch. An anderer Stelle wurden bereits einige Instrumente genannt, mittels derer der Gesetzgeber diesen Realbefund begegnen und ihn verfassungsrechtlich absichern kann: Neben materiellen Ansätzen (Bewertungsprärogative, dazu noch § 12) kann freiheitswahrender Dispositionsschutz durch verfahrensrechtliche Instrumente gewährleistet werden. Allerdings führt der Blick auf die verfahrensrechtlichen Normen insoweit zu einer gewissen Ernüchterung. „Beratungspflichten“ im Vorfeld der Tatbestansverwirklichung sieht das Gesetz nicht vor.1419 Derzeit gibt es auf konkret-individueller Ebene nur zwei verfahrensrechtliche Instrumente, die geeignet sind, (vorab) Dispo­ sitionsschutz zu gewähren, nämlich die verbindliche Auskunft (dazu nachfolgend § 10 I. 2. a.) sowie die Advance Pricing Agreements (dazu § 10 2. b.). 2. Bewältigung des Wertfindungsrisikos durch individuelle, „vorab geschaffene“ Vertrauensschutztatbestände a. Die verbindliche Auskunft im Lichte der Bewertung Das Rechtsanwendungsrisiko lässt sich in entscheidendem Maße reduzieren, wenn die Finanzbehörde dazu bewegt werden kann, sich im Vorfeld der Disposition mit Verbindlichkeit zur künftigen Rechtsanwendung zu äußern. Dies tat und tut die Finanzbehörde auch. Schon lange vor einer gesetzlichen Regelung dieses Themenkomplexes erteilte sie sog. verbindliche Auskünfte. Die Rechtsprechung leitete ihre Bindungs1418 J. Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, S. 42. 1419 § 89 Abs. 1 AO gilt erst nach Tatbestandsverwirklichung, siehe nur H. Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 89 Rn. 71.

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wirkung für das nachfolgende Festsetzungs- oder Feststellungsverfahren aus Treu und Glauben ab1420 und die Finanzverwaltung selbst wiederum konkretisierte Verfahren und Anforderungen.1421 Zwischenzeitlich hat sich der Gesetzgeber dieser Frage angenommen und mit dem Förderalismusreform-Begleitgesetz vom 5.9.20061422 § 89 Abs. 2 AO eingefügt: Die Finanzbehörden können auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirk­ lichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht; § 89 Abs. 3 AO1423 ergänzt die Regelung um eine Gebührenpflicht. Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen das von § 89 Abs. 2 AO vorgesehene Entschließungsermessen („Ob“) auf Null reduziert ist1424 und ob die Norm der Finanzbehörde einen administrativen Entscheidungsspielraum in Ansehung der Beantwortung der Rechtsfrage einräumt, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist.1425 Die verbindliche Auskunft bindet die Finanzbehörde (§ 2 Abs. 1 S. 1 StAuskVO i.V.m. § 89 Abs. 2 S. 4 AO). Sie begründet also die Rechtsfolge, dass im Steuerfestsetzungs- bzw. Feststellungsverfahren der Sachverhalt, der Gegenstand der verbindlichen Auskunft war, nicht zulasten des Steuerpflichtigen rechtlich anders gewürdigt werden darf als „zugesagt“. Sie ist Verwaltungsakt1426 und schafft kraft ihrer Regelung für die nachfolgenden Festsetzungs- bzw. Feststellungsbescheide eine formelle Rechtslage, die gegenüber dem materiellen Recht Vorrang genießt.1427 Sie bildet mithin den Rechtsgrund für die Steuerverwaltungsakte, die das der Sachverhaltsverwirklichung nachgelagerte Steuerfestsetzungs- bzw. Steuerfeststellungsverfahren abschließen.1428 Ein Verwaltungsakt (Festsetzungs- oder Feststellungsbescheid), welcher der verbindlichen Auskunft zulasten des Steuerpflichtigen widerspricht, ist daher rechtswid1420 Vgl. zum Beispiel BFH v. 13.12.1989, X R 208/87, BStBl. II 1990, 274. 1421 Zuletzt vor allem BMF v. 29.12.2003, BStBl. I 2003, 742. 1422 BGBl. I 2006, S. 2098. 1423 Angefügt mit Jahressteuergesetz 1997 vom 13.12.2006 (BGBl. I 2006, S. 2878). 1424 Dazu statt vieler nur R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 89 Rn. 40 ff.; B. Spilker, StuW 2013, 19, 21 ff., die beide mit überzeugenden Gründen darlegen, dass sich unter bestimmten Voraussetzungen das Ermessen der Finanzbehörde auf null reduzieren kann. 1425 Siehe hierzu nur FG München v. 8.2.2011, 13 K 2769/10, EFG 2011, 1034; dagegen M. Krumm, DStR 2011, 2429 ff. und hiergegen wiederum BFH v. 29.2.2012, IX R 11/11, BStBl. II 2012, 651. 1426 FG München v. 8.2.2011, 13 K 2769/10, EFG 2011, 1034; R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 89 Rn. 24 ff. mit weiteren Nachweisen. 1427 R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 89 Rn. 52. 1428 Statt vieler R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 398 ff.; 468 ff.

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rig.1429 Ihr Spezifikum besteht darin, dass sie nicht zugunsten der Finanzbehörde wirkt (vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 StAuskVO). Vielmehr erhält der Steuerpflichtige eine Option: Er kann sich auf die materielle Rechtslage oder auf die verbindliche Auskunft berufen. Gegenstand einer verbindlichen Auskunft ist die „steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten“ (§ 89 Abs. 2 Satz 1 AO). Einmütigkeit besteht dahingehend, dass zur Beseitigung einer „rechtlichen Ungewissheit“ die „rechtliche Behandlung“ des Sachverhaltes verbindlich zugesagt werden kann. Zusagefähig sind also jedenfalls Rechtsfragen.1430 Kann aber auch die Zusage verlangt werden, dass für einen bestimmten Gegenstand eine bestimmte Bewertungsmethode das in der sozialen Wirklichkeit zu beobachtende Verhaltensmuster abbildet? Oder konkreter: Darf die Zusage erteilt werden, dass ein kleiner, inhabergeführter Handwerksbetrieb einer bestimmten Branche nach der Teilwert-Variante des Stuttgarter-Verfahrens oder einer anderen Übergewinnmethodik bewertet werden darf (oder sogar muss)? Dies wird zum Teil bejaht, wobei dabei allerdings die Bewertungsmethode als Rechtsfrage eingeordnet wird.1431 Richtig daran ist, dass in der Frage in der Tat auch eine Rechtsfrage steckt, nämlich im vorgenannten Beispiel die nach der – hier bejahten – Normkonformität des Stuttgarter Verfahrens auf Teilwertbasis mit § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG (siehe § 7 I. 3. a. am Ende). Der entscheidende Teil der Frage ist allerdings auf tatsächlichem Gebiet angesiedelt. Jedenfalls nach hier vertretener Ansicht ist die Frage nach dem im konkreten Fall anzuwendenden so­zialen Verhaltensmuster (Bewertungsmethodik) sowohl in Bezug auf das „Ob“ als auch das „Wie“ Tatfrage (§ 5 III. u. IV. 2.). Nach meinem Dafürhalten kann die Existenz und Einschlägigkeit eines bestimmten Bewertungsverfahrens aber gleichwohl zugesagt werden. Denn die sozialen Bewertungsverhaltensmuster sind als generelle Rechtstatsachen den Rechtsfragen ähnlich (siehe auch bereits § 5 IV. 1. u. 4. b.). Es wird eine Aussage über den Entscheidungsfall hinaus getroffen und zudem weisen diese generellen Rechtstatsachen eine gewisse Beständigkeit auf. Dies unterscheidet sie von dem einzelfallabhängigen Wissen. Es handelt sich um soziale Tatsachen, deren Eigenart es gerade ist, dass sie bezogen auf bestimmte Bewertungsgegenstände eine Aussage zum Verhalten von Menschen im Allgemeinen erlauben. Diese Tatsachen weisen also eine gewisse Abstraktheit 1429 R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 89 Rn. 52. 1430 R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 89 Rn. 48. 1431 Siehe zum Beispiel R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 89 Rn. 48: „Zusagefähige Rechtsfragen können auch Bewertungsfragen (insbesondere über die Bewertungsmethode) sein, […]“.

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auf. Deshalb ist es möglich, den später verwirklichten Sachverhalt einem logischen Schlussverfahren ähnlich an ihnen zu messen. Dies beruht letztlich auf der Rezeptionstechnik: Das Gesetz wird erst durch die ver­ allgemeinerungsfähigen Aussagen zur sozialen Be­wertungswirklichkeit vervollständigt. Wenn der Gesetzgeber dergestalt Norm­ ergänzung be­ treibt, dann stellt er die generellen Rechtstatsachen jedenfalls unter dem Aspekt der Vorhersehbarkeit der Rechtsanwendung dem Normtext gleich. Die Rezeption sozialer Verhaltensmuster erlangt daher auch nicht ohne Grund unmittelbare Bedeutung für die Bestimmtheit der Bewer­ tungsnorm (siehe § 7 I. 2. und § 8 II. 1.). Dies muss sich sodann bei der Auslegung des § 89 Abs. 2 AO widerspiegeln. Auch die „Wandelbarkeit“ ist kein Argument gegen eine Zusagefähig­ keit genereller Rechtstatsachen. Zwar können sich soziale Bewertungs­ übungen verändern und im Zeitpunkt der Zusageerteilung, weiß niemand, ob sie im Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung noch Verkehrsgel­ tung beanspruchen. Wenn man generelle Rechtstatsachen im Bereich des § 89 Abs. 2 AO wie Rechtsnormen behandelt, dann wird man allerdings auch § 2 Abs. 2 StAuskVO entsprechend anwenden müssen. Hiernach verliert die verbindliche Auskunft ihre Wirkung ipso iure, wenn die sich für die Auskunft relevanten Rechtsnormen ändern. Für den Steuerpflich­ tigen ist dies natürlich nicht unproblematisch, weil er anders als eine Rechts­änderung die reale Änderung einer sozialen Übung keinem Gesetz entnehmen kann und gerade eine „Änderung“ auch ein langwieriger Weg sein kann, bei dem sich nur schwer sagen lässt, wann eine Verkehrsaner­ kennung entfällt bzw. eintritt. Dieses Risiko bleibt allerdings weit hinter dem ansonsten ohne verbindliche Auskunft bestehenden Rechtsanwen­ dungsrisiko zurück und kann daher kein Argument gegen die Einbe­ ziehung genereller Rechtstatsachen in § 89 Abs. 2 AO sein. Gegenüber der somit grundsätzlich anzuerkennenden Zusagefähigkeit genereller Rechtstatsachen ist lediglich eine Einschränkung zu formulieren: Wäh­ rend die Finanzverwaltung eine Auslegungsfrage immer beantworten können muss – ob sie es tut, unterliegt freilich ihrem pflichtgemäß aus­ zuübenden Ermessen1432 –, gilt dies in Ansehung genereller Tatsachen nur, soweit sie dies auch kann. Die generellen Rechtstatsachen gehören eben nicht zu dem Entscheidungswissen, das wie das Normwissen als in der Behörde vorhanden vorauszusetzen ist (dazu bereits § 5 IV. 1. u. 4. b.). Gehen wir mit der Fragestellung einen Schritt weiter und rufen wir uns in Erinnerung, dass der Wert keine Tatsache ist, sondern das Ergebnis 1432 Siehe bereits Fn. 1424.

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einer Schlussfolgerung (siehe § 5 I.). Kann diese Schlussfolgerung, also der Wert als Rechtsanwendungsergebnis selbst, Gegenstand einer verbindlichen Auskunft sein? Die Frage ist zu verneinen.1433 Die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft tritt nur ein, wenn sich der später verwirklichte Sachverhalt mit dem in der Zusage zugrunde gelegten Sachverhalt deckt (notwendige Sachverhaltsidentität, siehe § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV). Bedenkt man die unzähligen einzelfall-spezifischen Bewertungsfaktoren in tatsächlicher Hinsicht – also jene, die keine generellen Rechtstatsachen sind – dürfte es unmöglich sein, in der verbindlichen Auskunft einen Sachverhalt zu fixieren, der im Nachgang zur einige Wochen in Anspruch nehmenden Zusageerteilung noch mit dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt übereinstimmt (zum Beispiel weil sich Prognosen, Zinssätze oder die Zusammensetzung der wirtschaftlichen Einheit verändert haben). Insbesondere methodisch nach Maßgabe der § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ermittelte Unternehmenswerte unterliegen (jedenfalls aus normativer Sicht) einer ständigen Anpassung.1434 Letztlich kann sich die Zusage, wenn sie den gesamten Bewertungsvorgang auf der Grundlage des fixierten Sachverhaltes „vorwegvollzieht“, aus Sicht der späteren Disposition damit immer nur auf einen Vergangenheitswert beziehen. Dies ist entscheidend. Wenn man den vollständigen Rechtsanwendungsvorgang einschließlich des Rechtsanwendungsergebnisses vorab verbindlich machen würde, liefe dies also darauf hinaus, einen Sachverhalt der Besteuerung zugrunde zu legen, der zum Stichtag nicht mehr gegeben war. Die dafür notwendige normative Ermächtigung ist in § 89 Abs. 2 AO nicht erkennbar. Es entspricht auch nicht dem Regelungsanliegen des § 89 Abs. 2 AO: Reduziert werden sollen Risiken, die durch die abstrakte Formulierung von Gesetzestexten und deren unter­ schiedliche Deutungsmöglichkeiten entstehen (können). Das Rechtsinstitut der verbindlichen Auskunft will dem Steuerpflichtigen aber nicht das Tatsachenfeststellungs- und Subsumtionsrisiko im konkret-individuellen Einzelfall abnehmen. Hierfür ist der Gesetzgeber, auch nicht verantwortlich. Dieses Risiko beruht nämlich nicht auf der Abstraktheit des Gesetzes selbst oder – so bei den generellen Rechtstatsachen – seiner Rezeptionstechnik. Eine verbindliche Auskunft über einen bestimmten Verkehrswert, also ein quantitatives Rechtsanwendungsergebnis, ist nach alledem nicht in § 89 Abs. 2 AO vorgesehen. 1433 In diesem Sinne wohl auch R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 89 Rn. 48. 1434 Bei den vergangenheitsorientiert, stark formalisiert zu ermittelnden Werten (zum Beispiel vereinfachtes Ertragswertverfahren) ist dies natürlich anders, aber gerade hier besteht regelmäßig kein Bedarf nach einer verbindlichen Auskunft – jedenfalls nicht in Bezug auf den Wert als solchen.

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b. Advance Pricing Agreements Einen weiteren Dispositionsschutz gewährenden Baustein im Einzelfall stellen die – nunmehr von § 178a AO auch normativ vorausgesetzten und durch Verwaltungsanweisung1435 konkretisierten – Vorabverständigungen über Verrechnungspreise dar. Diese sog. Advance Pricing Agreements (APAs), die nach überzeugender Ansicht als öffentlich-rechtliche Verträge zu qualifizieren sind1436, dienen dazu, Meinungsverschiedenheiten zwischen Steuerverwaltungen verschiedener Staaten sowie dem Steuerpflichtigen über die Verrechnungspreise soweit wie möglich im Voraus einvernehmlich zu vermeiden. Sie dienen – vergleichbar der verbindlichen Auskunft – vor allem der dispositionsschützenden Reduzierung des Wertfindungsrisikos.1437 Gegenstand einer solchen Vereinbarung ist freilich aber nicht ein bestimmter Verrechnungspreis. Eine Verständigung erfolgt vielmehr nur über die Verrechnungspreisstruktur und -methode sowie über die konkreten Kalkulationsgrundlagen (zum Beispiel Kosten als unternehmensinterne Größe oder Konkurrentenpreise und Marktdaten wie Zinssätze, Wechselkurse und Entwicklung von Preisindizies als unternehmensexterne Faktoren).1438 Dies beruht auf der Zukunftsbezogenheit der Verrechnungspreisvereinbarung1439; insoweit treffen wir hier auf die gleiche Problematik mit gleichem Ergebnis wie bei der verbindlichen Auskunft, wo die Zusage eines bestimmten Wertes ebenfalls nicht möglich ist (siehe zuvor a.).

1435 Von der Verwaltung konkretisiert vor allem in BMF v. 5.10.2006, BStBl. I 2006, 594. 1436 U. Bär, Verständigungen über Verrechnungspreise verbundener Unternehmen im deutschen Steuerrecht, S. 153 ff.; I. Rodemer, Advance Pricing Agreements im US-amerikanischen und im deutschen Steuerrecht, S. 202 ff.; R. Seer, in: Tipke/ Kruse, AO, § 178a Rn. 2; andere Ansicht A. Loh/H. M. Peters, RIW 2007, 116, 117 f.; C. Pohl, in: Blümich, AStG, § 1 Rn. 24: verbindliche Auskunft. 1437 S. Grotherr, BB 2005, 855, 856; R. Seer, FR 2012, 1000, 1007. 1438 U. Bär, Verständigungen über Verrechnungspreise verbundener Unternehmen im deutschen Steuerrecht, S. 77 ff.; S. Grotherr, BB 2005, 855, 856; C. Pohl, in: Blümich, AStG, § 1 Rn. 24. 1439 S. Eilers/H.-G. Wienand, IStR 1995, 311; S. Grotherr, BB 2005, 855, 856.

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II. Einleitung und Durchführung des Steuerfestsetzungs- oder Feststellungsverfahrens Einleitung und Durchführung des Steuerfestsetzungsverfahrens 1. Das Bewertungsergebnis als (un-) selbständiger Teil der Verwaltungs­ entscheidung Mit der Verwirklichung eines Steuertatbestandes tritt der bewertungsrelevante Vorgang aus der Sphäre des Steuerpflichtigen heraus. Es schließt sich das Verwaltungsverfahren an. Als Realvorgang wird es normativ konstruiert durch die in der Abgabenordnung und den Fachgesetzen getroffenen Regelungen. Ihnen liegt eine Ordnungsidee voraus, die den Besonderheiten der vollziehenden Gewalt als spezifisches Entscheidungssystem im Allgemeinen Rechnung trägt1440, die aber zugleich auch von der notwendigerweise hohen Abstraktionsebene auf das besondere Problem Wertfindung Antworten bereit halten muss. Bevor jedoch der verwaltungsverfahrensrechtliche Ablauf in den Blick genommen wird, soll an erster Stelle die Weichenstellung in Bezug auf den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und seine Bedeutung für die Bewertung eines bestimmten Gegenstandes aufgezeigt werden: Es gilt der Grundsatz, dass eine Steuer auf der Grundlage eines einheitlichen Besteuerungsverfahrens in einer einzigen Entscheidung festgesetzt wird. Die Regelung eines Steuerbescheides beschränkt sich auf die Feststellung eines bestimmten Steuerbetrages, den der Steuerschuldner für einen bestimmten Veranlagungszeitraum schuldet. Soweit für die Berechnung der Steuer ein Gegenstand zu bewerten ist, ist die Bewertung immer nur Teil der Begründung des Verwaltungsaktes. Sie gehört zu den sog. unselbständigen Besteuerungsgrundlagen, die anders als der Steuerbetrag nicht an der Bestandskraft des Verwaltungsaktes teilnehmen.1441 Von diesem Grundsatz, der sich im Steuerrecht in § 157 Abs. 2 AO findet, sieht das Gesetz indes Ausnahmen vor. Es spaltet abweichend von dem vorgenannten Grundsatz der „kanalisierten Abschlussentscheidung“ den Erkenntnisprozess auf, indem es (unselbständige) Teilentscheidungen aus dem konzentrierten Verfahren ausgliedert, sie verselbständigt und für den weiteren Verfahrensgang verbindlich macht.1442 Werden die Besteuerungsgrundlagen hiernach gesondert und gegebenenfalls auch einheitlich durch Feststellungsbescheid festgestellt, sind sie (ausnahmsweise) selbst 1440 E. Schmidt-Aßmann, in: Lerche/Schmitt Glaeser/derselbe, Verfahren als staatsund verwaltungsrechtliche Kategorie, S. 1, 6 ff.; F. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), S. 21, 24. 1441 Zur Unselbständigkeit der Begründung statt vieler F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 43 Rn. 33; H. Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 179 Rn. 6. 1442 Vgl. nur W. Schick, StuW 1992, 197, 199.

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der verfügende Teil dieses Verwaltungsaktes. Es entsteht ein steuerverfahrensrechtlich spezifisches Grundlagen-Folgebescheid-Verhältnis. Der Feststellungsbescheid (= Grundlagenbescheid) ist für den Folgebescheid bindend (§ 182 Abs. 1 AO) und präjudiziert (vgl. § 351 Abs. 2 AO). Ferner wird die Bindungswirkung durch einen Korrekturautomatismus abgesichert (§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO). Mittels dieser verfahrensrechtlichen Verselbständigung arbeitet beispielsweise die Einheitsbewertung. Relevant ist sie derzeit (noch) für die Grundsteuer. Vor allem aber ist es das reformierte Erbschaftsteuerrecht, das sich in Ansehung der Bewertung bestimmter Erwerbsgegenstände dieser verfahrensrechtlichen Verselbständigung bedient. Gemäß § 151 Abs. 1 BewG sind für Zwecke der Erbschaftsteuer zum Beispiel Grundbesitzwerte, der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen und der Wert von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gesondert festzustellen. Der Gesetzgeber hat diese Verselbständigung in jüngerer Zeit sogar noch weitergehend ausgebaut. Festgestellt werden gemäß § 13b Abs. 2a ErbStG nunmehr auch die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens (vgl. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 5) und des jungen Verwaltungsvermögens (vgl. § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG). Im Ertragsteuerrecht finden sich verselbständigte „Bewertungsrechtserkenntnisse“ hingegen nicht. Jedes Bewertungsergebnis ist dort Teil der unselbständigen Besteuerungsgrundlagen. Selbst bei „außergewöhnlichen“ Geschäftsvorfällen wie Umwandlungsvorgängen findet keine selbständige Bewertungsentscheidung statt. Vielmehr behandelt das Ertragsteuerrecht solche Ereignisse als laufende Vorgänge und es gelten somit keine Besonderheiten. 2. Steuer- und Feststellungserklärungspflichten a. Erstbewertungspflicht und Erstbewertungsrecht des Steuerpflichtigen in eigener Angelegenheit Verwaltungsverfahrensrechtlich ist normativer Ausgangspunkt § 88 Abs. 1 AO: Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen und sie allein hat die rechtliche Würdigung zu verantworten. Unter § 7 II. 2. a. wurde bereits festgehalten, dass dem nicht das Ideal einer vollständigen Tatsachenerhebung durch die Finanzbehörde zugrunde liegt, sondern eine Arbeitsteilung zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen. Dabei besagt § 88 Abs. 1 AO vor allem, dass die Finanzbehörde bei der Sachaufklärung nicht an den Betroffenen- bzw. Beteiligtenvortrag gebunden ist, wenn das Gesetz den Steuerpflichtigen oder einen Dritten als primäre Wissensträger heranzieht. Seine Grundle500

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gung findet diese Arbeitsteilung vor allem in den Erklärungspflichten: Die konkrete Disposition (zum Beispiel bei Schenkungen in Bezug auf die Schenkungsteuer) oder der Ablauf eines Zeitraums (zum Beispiel bei den Ertragsteuern, die jährlich mit Ablauf des 31.12. entstehen) aktiviert mit der hieran anknüpfenden – gegebenenfalls erst durch eine finanzbehördliche Aufforderung konkretisierten (vgl. zum Beispiel § 31 ErbStG und § 153 BewG) – Steuererklärungspflicht eine der wesentlichen Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen in seiner eigenen Angelegenheit (zur Indienstnahme für fremde Angelegenheiten erst unter 2.). Die Steuererklärung enthält in der Regel eine umfassende formalisierte Auskunft.1443 Die Vordrucke verlangen dabei nicht nur reine Tatsachenangaben. Das Steuererklärungsformular fragt vielmehr das gesamte Gesetzes­programm ab1444 („Subsumtionsvorschlag in Vordruckform“1445) und damit zwangsläufig auch das Rechtsanwendungsergebnis in An­ sehung einer steuerlichen Bewertungsnorm („Bewertungsvorschlag“). Die letztlich erklärte „Zahl“ ist in vielen Fällen das Ergebnis einer Vielzahl von Tat- und Rechtswürdigungen. Angesichts dessen passt das im Verwaltungsrecht häufig bemühte Bild von der Verwaltung als „Erstinterpretin“ und „Erstkonkretisiererin“1446 zumindest im Steuerrecht nur sehr bedingt. Der Finanzbehörde kommt (allenfalls) die hoheitliche (!) Erstkonkretisierung zu, aber die erstmalige Verbindung vom abstrakt-generellen Gesetz zum konkreten Einzelfall muss in der Regel der Steuerpflichtige als Erstkonkretisierer und damit vor allem auch als Erstbewerter herstellen. Selbst die hoheitliche Erstkonkretisierung durch die Finanzbehörde kann aber mitnichten als „Regel“ bezeichnet werden, wenn man nämlich die Steueranmeldungen mit in den Blick nimmt. Hier führt der Steuerpflichtige über § 168 AO sogar selbst den Rechtserkenntnisakt herbei. Aus Sicht des Steuerpflichtigen ist diese Pflicht zur Erstkon­ kretsierung nebst Erstbewertung einerseits eine Belastung. Andererseits beinhalten Steuererklärungspflichten immer auch einen Freiheitsgewinn.1447 Es wird nicht jede einzelne Tatsache inquisitorisch beim Steu1443 BFH v. 14.1.1998, X R 84/95, BStBl. II 1999, 203, 204. 1444 K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, S. 130; B. Heuermann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Vor § 149 Rn. 6; R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, Vor § 149 Rn. 2. 1445 So K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, S. 130. 1446 Vgl. zum Beispiel P. Kirchhof, in: Festschrift für die Jurististische Fakultät Heidelberg, S. 9, 20 ff.; F. Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 209 f.; C. Möllers, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 3 Rn. 24. 1447 R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 275 f. u. S. 293 f.

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erpflichtigen ermittelt. Der Steuerpflichtige hat vielmehr den „ersten Aufschlag“ und die Finanzbehörde ist auf den Nachvollzug ausgerichtet, was in der heutigen Massenverwaltung faktisch auf eine reine Plausi­ bilitätskontrolle hinausläuft. Der Steuerpflichtige ist, so heißt es bei Klaus-Dieter Drüen, „gerade im Zeitalter faktischer Selbstveranlagung […] der Primärakteur bei der steuerlichen Rechtsanwendung. Die Finanzverwaltung ist dagegen Erstkontrolleur, und Steuerverwaltung ist de facto eine Verifikationsverwaltung. Sie prüft die vom Steuerpflichtigen und seinen Beratern in der Steuererklärung unterbreiteten – durchaus interessengeleiteten – Subsumtionsvorschläge“.1448 Die Erstbewertungspflicht beinhaltet also stets auch das Erstbewertungsrecht. Gerade dieser Aspekt muss im Lichte der bestehenden Spielräume gesehen werden. Aus dieser Perspektive erkennt man ferner, dass die Pflichtigkeit – insbesondere soweit die Erstkonkretisierungsbefugnis der Behörde und die Letztentscheidungsbefugnis des Gerichts gelten – zugleich Ausdruck eines frühzeitigen Rechts- und Interessenschutzes ist.1449 Die Erklärungspflichten sind in Bezug auf „Werte“ ziemlich unterschiedlich ausgestaltet. In Bezug auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer werden die meisten Wertfindungsergebnisse innerhalb der bilanziellen Gewinnermittlung verarbeitet, die Steuererklärung fordert jedoch nur das Gesamtergebnis an. Bei Körperschaften sind verdeckte Gewinnausschüttungen, verdeckte Einlagen und Korrekturbeträge nach § 1 AStG zumindest ein gesonderter Additions-/Subtraktionspunkt innerhalb der Körperschaftsteuererklärung, dort aber auch nur als zusammenfassender Saldo. Bedeutsam sind hier ferner die zur Einkommen- oder Körperschaftsteuererklärung beizufügenden Bilanzunterlagen (Jahresabschluss, Gewinn- und Verlustrechnung und – falls aufzustellen – Anhang). Sie haben eine „vordruckergänzende Funktion“1450, ergeben sich aus ihnen nämlich weitere „Werte“, insbesondere die einzelnen Bilanzpositionen. Zu nennen sind ferner eine etwaige Überleitungsrechnung vom Handelszum Steuerbilanzgewinn sowie schließlich andere außerhalb der Bilanz zu korrigierende Größen. Bei der Schenkung- und Erbschaftsteuer ist hingegen entsprechend der verfahrensrechtlichen Behandlung zu unterscheiden: Die gesonderten Wertfeststellungen in Ansehung von unternehmerischen Einheiten und Grundstücken werden durch formalisierte Erklärungsvordrucke eingeleitet, die durch die Aufspaltung verschiede1448 K.-D. Drüen, AG 2006, 707, 711. 1449 Vgl. im Allgemeinen für das Verwaltungsverfahrensrecht P. Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43, 86 ff.; F. Schoch, Die Verwaltung 25 (1992), S. 21, 25 f.; F. Ossenbühl, NVwZ 1982, 465. 1450 So W. Schick, StuW 1988, 301, 311.

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ner Bewertungsschritte und die Anforderung bewertungsrelevanter Einzeldaten/-informationen zugleich auch eine nicht unerhebliche Offenlegung des Wertfindungsvorgangs einfordern. So verlangt beispielsweise die „Anlage Grundstück“ zur „Erklärung der Feststellung des Bedarfs­ wertes“ die Angabe grundstücksbezogener Daten (Grundstücksfläche, Raumfläche, Miete, Alter etc.) und schlüsselt hieran anknüpfend die Ertrags- bzw. Sachwertbewertung in Einzelrechenschritte auf. Ähnlich verhält es sich mit der „Anlage Betriebsvermögen“, die explizit an erster Stelle nach Verkaufsfällen in den letzten zwölf Monaten vor dem Übertragungsstichtag fragt. Sofern der Steuerpflichtige keine gutachterliche Bewertung nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG vornimmt (wobei er in der Erklärung offenlegen muss, ob nach Maßgabe der Ertragsaussichten oder nach einer anderen üblichen Methode bewertet worden ist), weist ihm das Formular jeden Einzelschritt durch das vereinfachte Ertragswertverfahren nach Maßgabe der §§ 199 ff. BewG. Allen Steuererklärungspflichten ist eines gemeinsam: Der Steuerpflichtige kann sich nicht darauf beschränken, der Finanzbehörde einzelne Tatsachen, die für eine Wertermittlung relevant sind bzw. sein könnten, mitzuteilen. Ihm wird vielmehr auch ein Subsumtionsvorschlag abverlangt; er muss die „Erstbewertung“ bzw. bei der Bewertung eines Unternehmens gegebenenfalls sogar die Erstbewertungen (Wert nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG und zur Kontrolle der Mindestwert des § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG1451) vornehmen. In Wahrnehmung der ihm zugewiesenen Pflicht muss er dabei entscheiden, welches Bewertungsverfahren mit welchen Prämissen maßgeblich ist, er muss die Prognosen formulieren und die gegebenenfalls notwendigen Wertungen vornehmen, die von der Bewertungsnorm verlangt werden. Bei mangelnder Sach- und Rechtskunde ist der Steuerpflichtige gehalten, von Externen bereitgestellte Daten abzurufen und/oder externen Sachverstand (Sachverständiger) heranzuziehen. Eigene Unkenntnis entlastet ihn also nicht. Die hierfür anfallenden Kosten muss er tragen. Im Ertragsteuerrecht wird dies – soweit ersichtlich – nicht in Zweifel gezogen. Lediglich im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht ist die Frage nicht unumstritten1452, aber letztlich 1451 Zur doppelten Bewertungspflicht D. Eisele, in: Rössler/Troll, BewG, § 11 Rn. 44. 1452 Für eine Kostentragungspflicht des Steuererklärungspflichtigen S. Neumann, StbJb 2000/2001, S. 425, 438; ferner R. Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 151 Rn. 36; J. Schothöfer, GmbHR 2011, 1139, 1140 für etwaige Kosten einer sachverständigen Bewertung im Zusammenhang mit der Abgabe von Feststellungserklärungen für die gesonderte Feststellung von bestimmten Steuerwerten; dagegen in Bezug auf die allgemeine erbschaft- und schenkungsteuerliche Erklärungspflicht nach § 31 ErbStG zum Beispiel M. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher,

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ebenso zu entscheiden. Denn mit der Pflicht, eine Bewertung vorzunehmen und der Finanzbehörde das – aus seiner Sicht – „fertige, richtige“ Ergebnis zu präsentieren, korrespondiert zugleich immer die Kostentragungspflicht des Steuerpflichtigen. Es ist die verfahrensrechtliche Dimension der Grundpflicht zur Steuerzahlung, die dem Steuerpflichtigen nicht nur zumutet, überhaupt mit Pflichten belastet zu werden1453, sondern auch mit den Kosten für deren Erfüllung – dies gilt jedenfalls für die Pflichten in eigener Angelegenheit (zur Indienstnahme noch sogleich unter b.). Ist eine steuerliche Handlungspflicht angeordnet, vollzieht sie sich daher auch kostenmäßig immer in der Sphäre des Verpflichteten und dies auch dann, wenn diese Handlungspflicht in wesentlichen Teilen nicht nur die Sachverhaltsermittlung, sondern auch den gesamten Rechtsanwendungsvorgang auf den Normadressaten verlagert.1454 b. Die Erweiterung der Erstbewertungspflicht auf Dritte in fremder Angelegenheit aa) Ist der Steuerpflichtige in eigenen Angelegenheiten verpflichtet, eine Steuererklärung einzureichen und die hierfür notwendigen Bewertungen vorzunehmen, beschränkt sich das Bild von der Verantwortungsgemeinschaft in subjektiver Hinsicht auf den Steuerpflichtigen als denjenigen, der den steuerlichen Tatbestand verwirklicht hat und deshalb die Steuer schuldet, einerseits und die Finanzbehörde andererseits. Das Steuerrecht kennt jedoch verschiedene Konstellationen, in denen ein „Dritter“ ebenfalls „verpflichtet“ wird. Auf der einfachsten Stufe umfasst dies nur die Pflicht zur (subsidiären) Erteilung von Auskünften (vgl. § 93 AO). Die Qualität der Einbindung kann jedoch auch weiter reichen und zwar soweit, dass der Dritte in einer aus seiner Sicht fremden Steuerangelegenheit Erklärungspflichten erfüllen und in diesem Zusammenhang auch Bewertungen vornehmen (lassen) muss. Hierfür hat sich im Anschluss an Hans Peter Ipsen der Begriff der „Indienstnahme Privater“ etabliert.1455 ErbStG, § 31 Rn. 12; J.-P. Meincke, ErbStG, § 31 Rn. 7; A. Pahlke, in: Fischer/ Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 31 Rn. 13. 1453 Zu den steuerlichen Verfahrenspflichten als Grundpflichten zum Beispiel D. Birk, StuW 2004, 277; K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, S. 264 ff.; S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 301. 1454 J. Martens, StuW 1970, 310, 322. Siehe allgemein zur fehlenden Kostenerstattungspflicht von Privatgutachten, selbst wenn sie in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht beauftragt und von der Behörde auch verwendet werden BayVGH v. 23.11.1998, 20 A 93/40082 u.a., NVwZ-RR 1999, 614, 615; W. Clausen, in: Knack, VwVfG, § 26 Rn. 43. 1455 H. P. Ipsen, Festgabe für E. Kaufmann, S. 141 ff.

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Hierbei „wird einem nicht-staatlichen Subjekt ohne dessen Willen einseitig durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes im öffentlichen Interesse ein Pflichtenstatus auferlegt, der Naturalleistungspflichten (einschließlich Verfahrensleistungen) zum Inhalt hat und dessen Erfüllung nicht allein eigene Angelegenheiten des Pflichtenträgers betrifft“ (Klaus-Dieter Drüen)1456. Die Beispiele hierfür sind mannigfaltig: So gehören hierzu die lohnsteuerrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers nach den §§ 38 ff. EStG. Unter dem bewertungsspezifischen Blickwinkel ist insoweit an Sachzuwendungen zu denken, die vom Arbeitgeber nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 EStG mit einem Verkehrswert („um übliche Preisnachlässe geminderter üblicher Endpreis am Abgabeort“) bewertet werden müssen, damit er seinen lohnsteuerrechtlichen Anmeldepflichten nachkommen kann (siehe bereits § 3 III. 2. e.). Angesichts der wissenschaftlichen Aufarbeitung, die die lohnsteuerrechtliche Indienstnahme bereits erfahren hat, soll sie hier nicht mehr aufgegriffen werden. Verwiesen sei hier vielmehr auf die Arbeiten von Klaus-Dieter Drüen und Gregor Kirchhof.1457 Konzentrieren wir uns stattdessen unter dem Gesichtspunkt einer bewertungsspezifischen Daten- und Informationsherrschaft vielmehr auf ein anderes Beispiel, welches mit der Erbschaftsteuerreform zum 1.1.2009 einherging und bisher wenig Beachtung erfahren hat, nämlich die Bewertung von Unternehmensträgerbeteiligungen – sei es, dass das Unternehmen in der Rechtsform einer Personen- oder einer Kapitalgesellschaft betrieben wird. Hier unterliegen der (durch Verwaltungsakt jeweils zu konkretisierenden) Feststellungserklärungspflicht die Personenvereinigungen als Bewertungsobjekte selbst. Die in Bezug auf sie normierte Pflichtigkeit betrifft nicht nur die Abgabe der Feststellungserklärung als solche. Vielmehr umfasst sie auch die Ermittlung der hierfür notwendigen Besteuerungsgrundlagen und damit letztlich eine (Selbst-) Bewertungspflicht. Das Gesetz differenziert allerdings zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften in Bezug auf die „Exklusivität“ der Indienstnahme: – Ist der Gegenstand der Feststellung der Anteil an einem Betriebsvermögen (Mitunternehmeranteil), kann das Finanzamt auch, d.h. neben dem Gesellschafter, von der Personengesellschaft die Abgabe einer Feststellungserklärung verlangen (§ 153 Abs. 2 Satz 2 BewG). Die Entscheidung hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen (§ 5 AO). 1456 K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, S. 49 ff., insbesondere S. 95. 1457 K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen; G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitsgebers im Lohnsteuerverfahren.

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Leitmotiv für die Ausübung des Ermessens ist vor allem die effektive, d.h. einerseits sachgerechte und andererseits auch zeitnahe Erfüllbarkeit der Erklärungspflicht, wozu gerade auch die Bewertung gehört. Das Inanspruchnahmewahlrecht bei Personengesellschaften muss dabei vor dem Hintergrund gesehen werden, dass auf der Bewertungsebene der Grundsatz der Bestandsidentität zwischen dem Betriebsvermögen für ertragsteuerliche und dem für erbschaftsteuerliche Zwecke gilt. Zur wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens gehört daher auch das Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers. Es ist bei der Ermittlung des gemeinen Wertes mit in die Feststellungserklärung aufzunehmen. Dies folgt aus § 12 Abs. 5 ErbStG und der dortigen Bezugnahme auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG i.V.m. § 97 BewG.1458 Dies kann eine Arbeitsteilung unabdingbar machen. So verfügt die Gesellschaft naturgemäß über die bewertungsrelevanten Daten und Informationen betreffend das Gesellschaftsvermögen und des hiermit betriebenen operativen Geschäfts. Der Gesellschafter wiederum ist „näher dran“ an seinem Sonderbetriebsvermögen. Angaben hierzu können der Gesellschaft ebenso schwer fallen wie umgekehrt einem Gesellschafter hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens. – Ist eine Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft Eigentümerin eines Vermögensgegenständes, dessen Wert gesondert festzustellen ist, kann das Finanzamt von der Gesellschaft die Abgabe der Feststellungserklärung verlangen (§ 153 Abs. 2 Satz 1 BewG). Dies betrifft vor allem die vermögensverwaltenden Grundstücksgesellschaften, wenn also beispielsweise eine Personengesellschaft lediglich Grundbesitz oder Kapitalgesellschaftsanteile hält (und deshalb kein Anteil an einem Betriebsvermögen im Sinne des vorstehenden Aufzählungspunktes vorliegt). – Ist Gegenstand der Feststellung eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung, ordnet § 153 Abs. 3 BewG – anders als die Regelung für Personengesellschaften – die alleinige steuerliche Pflichtigkeit der Kapitalgesellschaft an. Das Gesetz sieht hier kein Auswahlermessen vor, so dass ein Zugriff auf den Gesellschafter nicht möglich ist.1459 Rechtspolitisch erschließt sich diese alleinige Pflichtigkeit der Kapi­talgesellschaft nicht auf den ersten Blick. Eine Vermutung dahingehend, dass ein Gesellschafter einer Personengesellschaft eher in der Lage ist, die Pflichten zu erfüllen, als der Gesellschafter einer Kapi­talgesellschaft 1458 W. Hartmann, in: Gürsching/Stenger, BewG, § 153 Rn. 57. 1459 So auch schon A. Höhne/I. Krause, ZEV 2010, 179, 180.

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ist jedenfalls nicht berechtigt. In der Wirklichkeit gibt es viele Kapi­ talgesellschaften, die personalisiert strukturiert sind, und bei denen die Gesellschafter weitaus mehr Einblick in die Verhältnisse der Gesellschaft und vor allem Zugriff auf die bewertungsrelevanten Daten haben als so manch ein (Publikums-) Kommanditist. Man wird diese verfahrensrechtliche Unterscheidung zwischen Personen- und Kapi­ talgesellschaften daher allenfalls mit den bewertungsspezifischen Besonderheiten von Mitunternehmerschaften erklären können, nämlich der dort zu berücksichtigenden Bestandsidentität der Betriebsvermögen mit der Folge, dass über das Gesamthandsvermögen hinaus auch Sonderbetriebsvermögen entsprechend der insoweit gegebenen Informationsherrschaft des Gesellschafters mitwirkungsrechtlich erfasst werden muss (siehe zuvor), während eine vergleichbare Lage bei der Kapitalgesellschaft (regelmäßig) nicht existiert. Denn entsprechende Nutzungsüberlassungen des Kapitalgesellschaftsgesellschafters an die Kapitalgesellschaft führen unter den Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung zu einer „neuen wirtschaftlichen Einheit“ Betriebs­ vermögen (mit eigenständiger Erklärungspflicht) und wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, bleibt es beim Bestehen zweier selbständiger wirtschaftlicher Einheiten, also der Kapitalgesellschaft einerseits und des zur Nutzung überlassenen Gegenstandes andererseits. Schließlich sei bei dieser Gelegenheit noch auf § 153 Abs. 2 Satz 3 BewG hingewiesen: Ist ein Erbbaurecht zu bewerten, kann das Finanzamt sowohl vom Erwerber des Erbbaurechts (Erbbaurechtsberechtigten) als auch vom Erbbaurechtsverpflichteten – letzterer insoweit in fremder Angelegenheit – die Abgabe einer Feststellungserklärung verlangen. bb) Die Indienstnahme der vorstehend genannten Dritten geht weit über das hinaus, was man noch als allgemeine staatsbürgerliche Zeugnispflicht annehmen könnte (wie zum Beispiel für Dritte in Bezug auf Auskunft und Vorlage von Unterlagen). Mit der Erklärungspflicht ist auch die Verpflichtung zur Bewertung verbunden. Es geht hier also nicht um eine einfach und ohne größeren Aufwand zu erfüllende Auskunftspflicht. Überdies erstreckt sich der Pflichtenkreis auch noch auf die Duldung einer Außenprüfung (§ 156 BewG). Hervorzuheben ist schließlich, dass die Erklärungs- und damit auch Bewertungspflichtigkeit mit einer entsprechenden Kostenlast verbunden sind – jedenfalls im Außenverhältnis

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zur Finanzverwaltung, d.h., in diese Richtung besteht kein Kostenerstattungsanspruch (dazu sogleich unter cc]).1460 Eine solche Indienstnahme (vor allem) des Bewertungsobjektes für die Sachaufklärung einschließlich der Bewertung ist verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftig. Je nach Einzelfall wird mit der Auferlegung der Verfahrenspflicht regelmäßg in Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen und wenn nicht, dann zumindest in Art. 2 Abs. 1 GG.1461 Anders als die verfahrensmäßige Mitwirkungsinanspruchnahme des Steuerpflichtigen in eigener Sache lässt sich hier die Pflichtigkeit nicht allein aus der verfahrensrechtlichen Dimension der Steuerzahlungspflicht als Grundpflicht selbst begründen. Dies schließt freilich nicht aus, dass der den Weg leitende legitime Zweck hiermit in einem engen (dienenden) Zusammenhang steht. Gerade das mit der Indienstnahme der Dritten verfolgte staatliche Interesse wurzelt ebenso in Art. 3 Abs. 1 GG wie auch die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen in eigener Angelegenheit selbst. Es ist das „steuerstaatliche Bedürfnis nach administrativer Informationsversorgung“1462, was (auch) hier als Oberbegriff den Kern des mit dieser Indienstnahme verfolgten Zwecks prägnant beschreibt. Bricht man dies von seiner hohen Abstraktionsebene herunter auf die Anwendungsfälle des § 153 Abs. 2, Abs. 3 BewG, zeigt vor allem die Indienstnahme der Personen- und Kapitalgesellschaften, um welches Anliegen es hier konkret geht: Durch die mit ihnen bewirkte Ausdehnung der steuerlichen Pflichtigkeit (Personengesellschaften) bzw. sogar ihre den eigentlichen Steuerschuldner ausschließende Verlagerung (Kapitalgesellschaften) soll der „Erklärungsnot“ des Steuerschuldners, der Anteile an einer solchen Personenvereinigung erworben hat, abgeholfen werden.1463 Für die Indienstnahme des Erbbaurechtsverpflichteten (§ 153 Abs. 2 Satz 3) gilt dies alles sinngemäß. Mitwirkungspflichten, die hingegen allein dazu dienen, dass staatlicher Aufwand zu privatem Aufwand gemacht wird, verfolgen hingegen keinen legitimen Zweck.1464 Hier ist jedoch nicht er-

1460 R. Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 153 Rn. 14 zu § 153 Abs. 2 BewG: Kapitalgesellschaft muss auch die Erklärungskosten tragen. 1461 Siehe statt vieler nur K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, S. 100 ff.; F. Kirchhof, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band 3, § 57 Rn. 22; G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitsgebers im Lohnsteuerverfahren, S. 131 ff. 1462 K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, S. 271 ff. 1463 W. Hartmann, in: Gürsching/Stenger, BewG, § 153 Rn. 55. 1464 K.-D. Drüen, in: Seer, Bochumer Lohnsteuertag, S. 59, 78; G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitsgebers im Lohnsteuerverfahren, S. 140.

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kennbar, dass der Gesetzgeber dieses Ziel (weder offen noch verdeckt) verfolgt. Dieser Zweck der Informationsbeschaffung allein kann freilich nicht ausreichen. Es bedarf vielmehr neben diesem „Indienstnahmeziel“ noch eines Sachgrundes, der gerade erklären und damit legitimieren kann, warum hier jemand in Anspruch genommen wird, der eigentlich nicht Teil des in materieller Hinsicht betroffenen Steuerrechtsverhältnisses ist. Diesen zugleich legitimierenden und grenzziehenden Sachverantwortungsgrund für eine „Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen“ – um nichts anderes geht es hier – hat Klaus-Dieter Drüen überzeugend dahingehend formuliert, dass der „Pflichtenträger […] dem gesetzgeberischen Indienstnahmeziel persönlich und sachlich nahe stehen [muss].“1465 Das Bundesverfassungsgericht formuliert dies im Wesentlichen sinngemäß als die Notwendigkeit einer „hinreichenden Sachund Verantwortungsnähe“.1466 Knüpfen wir zur Konkretisierung dessen im Falle der §§ 151 ff. BewG noch einmal an die bereits genannte „Gefahr“ einer Erklärungsnot an. Dies führt zu der aus Art. 3 Abs. 1 GG fundierbaren Erkenntnis, dass der bewertungsrechtliche Ordnungsrahmen auch gewährleisten muss, dass derjenige, für dessen Besteuerung eine Bewertung relevant ist, auch in der Lage sein muss, seinen steuerlichen Pflichten zu genügen. Ihm darf aufgrund eines (unverschuldeten) Informationsdefizites kein Nachteil erwachsen. Insoweit stellt die Indienstnahme ledig­ lich die Kehrseite der rechtlichen Anerkennung dieser Personen­vereinigungen dar. Wenn die Rechtsordnung es erlaubt, dass sich Ver­mögen – sei es auch nur gesamthänderisch gebunden – rechtlich und organisa­torisch verselbständigen kann und es deshalb zu einem Auseinanderfallen in Bezug auf die Verfügungsmacht über die bewertungsrelevanten Daten und Informationen kommen kann, so muss eine dies für steuerliche Zwecke kompensierende Indienstnahme der Personenver­ einigung hingenommen werden. Denn: Warum sollte sich der Staat, der hier für Zwecke der unternehmerischen Entfaltung entsprechende Rechtsregime für die jeweiligen Personenvereinigungen zur Verfügung stellt, auf das Risiko einlassen müssen, dass es im Verhältnis zwischen Steuersubjekt und Personenvereinigung (Bewertungsobjekt) zu Informationsproblemen, -hemmnissen und/oder -defiziten kommt? Die Indienstnahme ist hier also die „Gegenleistung“, die von den Gesellschaftern in Kauf genommene Kehrseite der unternehmerischen Verselbständigungs1465 K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, S. 201 ff.; sinngemäß ferner R. Seer, FR 2012, 1000, 1003. 1466 BVerfG v. 2.3.2010, 1 BvR 256/08, BVerfGE 125, 260, 362.

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möglichkeit. Ähnlich verhält es sich beim Erbbaurecht. Auch hier ermöglicht die staatliche Rechtsordnung eine Aufspaltung des Eigentums und deshalb muss der Staat (etwaige) hieraus folgende Informationsdivergenzen zwischen den Herrschaftsphären Grundstück einerseits und Erbbaurecht andererseits nicht hinnehmen. Kommen wir damit zur Zweck-Mittel-Prüfung. Während das Übermaßverbot gegenüber der steuerlichen Lastenausteilungsentscheidung als solche keine nennenswerten Eingriffsschranken zu errichten vermochte – jedenfalls von Extremfällen einmal abgesehen (dazu bereits § 8 I. 2.) –, ist dies in Bezug auf die, diese Besteuerungsgewalt flankierenden Mitwirkungspflichten anders. Die Indienstnahme kann nicht „einfach“ am Fiskalzweck der Einnahmeerzielung gemessen werden. Vielmehr erfüllt sie einen eigenständigen Zweck. Es existiert also vor allem ein Bezugspunkt lt für eine Zweck-Mittel-Prüfung und auch die Abwägungsebene erhä­ hierdurch Kontur. Freilich gilt auch hier immer: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kontrolliert eine politisch zu verantwortende Entscheidung lediglich auf ihre verfassungsrechtliche Rationalität.1467 Zugunsten der Verhältnismäßigkeit dieser Indienstnahme wirken mindestens zwei Regelungsaspekte „entlastend“: Erstens – dies wird allerdings erst nachfolgend unter cc) begründet werden – kann die Gesellschaft von dem Steuerschuldner, in dessen steuerlichen Angelegenheiten die Bewertung zu erfolgen hat, vorbehaltlich anderslautender Vereinbarungen die Bewertungs(-mehr-)kosten ersetzt verlangen. Diese Kostenerstattungsmöglichkeit ist ein umso zentralerer Rechtfertigungsaspekt einer Indienstnahme in fremder Steuersache, je kostenintensiver die Pflichterfüllung ist und je weniger sie anlässlich anderer Abläufe „miterledigt“ werden kann bzw. je „ferner sie dem Eigeninteresse des Indienstgenommenen steht“.1468 Zwar wird gelegentlich geltend gemacht, dass die freiheitsrechtliche Abwehrfunktion nicht ef1467 R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 329. 1468 K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, S. 205. Unter diesem Aspekt wird beispielsweise die Lohnsteuerabzugsverpflichtung des Arbeitgebers zum Teil nur dann für verfassungsgemäß gehalten, wenn der Arbeitgeber hierfür ein Entgelt erhält (G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitsgebers im Lohnsteuerverfahren, S. 178 ff.; K. Offerhaus, in: Festschrift f. P. Kirchhof, S. 1985, 1987; C. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 38 Rn. A 96; dagegen zum Beispiel B. Heuermann, FR 2013, 354, 359; die Rechtsprechung geht ohne weitere Erörterung von einer Verfassungsmäßigkeit der Unentgeltlichkeit aus, zum Beispiel BFH v. 24.10.1975, VI R 82/73, BStBl. II 1976, 104 und vgl. ferner auch BVerfG v. 17.2.1977, 1 BvR 33/76, BVerfGE 44, 103 ff.).

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fektiv wahrgenommen werden könne, wenn die „Entgeltung“ der in ein Freiheitsrecht eingreifenden Verpflichtung die Verhältnismäßigkeit derselben bewirken könne.1469 So wird formuliert, dass sich der Grundrechtsberechtigte seine Freiheit grundsätzlich nicht abkaufen lassen könne.1470 An der freiheitsrechtlichen Berechtigung dieser These soll hier nicht gezweifelt werden. Doch sie ist nicht in dieser Universalität und vor allem nicht für die Indienstnahme durch Mitwirkungspflichten berechtigt. Sie passt uneingeschränkt beispielsweise auf das Ordnungsrecht, wenn man sich den Fall des Schlagstockeinsatzes vor Augen führt: Er wird nicht allein dadurch verhältnismäßig, dass dem Störer eine Leistung zur Kompensation für die erlittenen Blessuren geleistet wird.1471 Nach meinem Dafürhalten ist von Gregor Kirchhof im Kontext des Lohnsteuerrechts aber zutreffend dargelegt worden, dass ein die Verhältnismäßigkeit wahrendes Entgelt dann anzuerkennen ist, wenn die besondere Intensität der Indienstnahme in der Regel gerade in der Notwendigkeit liegt, selbst entgeltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.1472 Genauso verhält es sich bei der bewertungsspezifischen Indienstnahme. Es entstehen Kosten durch eigenes Personal oder durch die Beauftragung sachverständiger Dritter. Festzuhalten ist also: Ein finanzieller Ausgleich kann die Verhältnismäßigkeit in Indienstnahmefällen wahren. Und dies dürfte hier auch notwendig sein: Denn wir haben es bei der Indienstnahme des Bewertungsobjektes mit einem Pflichtentransfer zu tun. Dass die im Verhältnis zur Finanzbehörde gerechtfertigte Pflichtigkeit zu einer Belastung der Gesellschaft auch im Verhältnis zum Gesellschafter führen soll, in dessen Sonderinteresse die Gesellschaft hier tätig wird, kann der den Pflichtentransfer legitimierende Sachgrund (Verbindung der Erklärungspflicht mit der Daten- und Informationsherrschaft) nicht begründen. Dies bedeutet zwar nicht, dass das Verfassungsrecht einen Kostener­ stattungsanspruch gegen den Staat verlangt. Aber zumindest eine Abwälzbarkeit auf den Begünstigten wird man aus verfassungsrechtlicher Sicht zur Vermeidung einer Unverhältnismäßigkeit verlangen müssen. Ein dergestalt die Verhältnismäßigkeit wahrendes Entgelt (in Gestalt einer Erstattungsmöglichkeit beim Begünstigten) muss sich sodann allerdings auch aus dem geschriebenen Recht ergeben; eine Entgeltregelung 1469 F. Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137, 181; J. Hey, AöR 128 (2003), S. 226, 230 f.; M. Burgi, GewArch 1999, 393, 396 ff.; R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 393 f. 1470 F. Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137, 181. 1471 R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 393 f.; A. Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, S. 282 ff. 1472 G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitsgebers im Lohnsteuerverfahren, S. 180 f.

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kann – vergleichbar der Rechtslage bei der Enteignung – nicht allein im Wege verfassungskonformer Auslegung oder Rechtsfortbildung „konstruiert“ werden.1473 Hier sind es letztlich die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, die diesen Anforderungen allesamt genügen und damit einen wichtigen Beitrag zur Verhältnismäßigkeit der Bewertungsindienstnahme der betroffenen Bewertungsobjekte leisten (dazu cc]). Zweitens, ist hier auf die Basiswertregelung des § 151 Abs. 3 BewG hinzuweisen: „Gesondert festgestellte Werte […] sind einer innerhalb einer Jahresfrist folgenden Feststellung für dieselbe wirtschaftliche Einheit unverändert zu Grunde zu legen, wenn sich die für die erste Bewertung maßgeblichen Stichtagsverhältnisse nicht wesentlich geändert haben“. Der Erklärungspflichtige wiederum kann allerdings gleichwohl jederzeit eine stichtagsbezogene Wertfeststellung beantragen. Ihn trifft dann allerdings auch wieder die Erstbewertungspflicht (zur Basiswertregelung ferner § 10 III. 2.). § 151 Abs. 3 BewG beinhaltet in Ansehung des Übermaßverbotes ein „Ventil“, weil es den „Dauerbewertungsdruck“ (nebst Kosten) von dem Erklärungspflichtigen nimmt, wenn innerhalb der Jahresfrist mehrere Sachverhalte mit Bewertungsnotwendigkeit verwirklicht werden. Man denke nur an den – hier durch den Diskussionsbeitrag eines („betroffenen“) Konzernsteuerleiters anlässlich einer Podiumsdiskus­ sion inspirierten – Beispielsfall eines weltweit agierenden Großunternehmen mit komplexen Konzernstrukturen und Niederlassungen und Beteiligungen auf der gesamten Welt, der aber nach wie vor eine Familien-Kommanditgesellschaft ist und wo es über die Jahrzehnte hinweg zur Bildung von Stämmen gekommen ist, die ihrerseits wieder zahllose Verästelungen und Zersplitterungen erfahren haben. Hier kann es mehrmals jährlich durch Schenkungen und Erbfälle zur Bewertung von „Mini-Kommanditanteilen“ kommen. An diesem Beispiel zeigt sich anschaulich, dass eine uneingeschränkte Bewertungspflicht zu jedem Stichtag mehrmals im Jahr die verfassungsrechtlichen Grenzen der Indienstnahmemöglichkeit zu überschreiten droht. Die Regelung des § 151 Abs. 3 BewG reduziert diese Pflichtigkeit im Idealfall – sie steht immer unter dem Vorbehalt der „nicht wesentlichen Veränderung“ der Verhältnisse – auf eine Bewertung pro Jahr. cc) Betrachten wir schließlich die – im Ergebnis vorstehend freilich bereits vorweggenommene – Kostenseite im Detail. Die Kosten der Perso1473 So BVerfG v. 15.9.2011, 1 BvR 2232/10, NVwZ 2012, 429 für die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 GG.

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nenvereinigung werden hier in der Regel aus zwei Komponenten bestehen: den internen Kosten für die Aufbereitung des Datenmaterials und – in der Regel – den Kosten für externen Sachverstand in Bezug auf die Bewertung als solche. Für das Außenverhältnis der pflichtigen Personenvereinigung zum Staat gilt die Erkenntnis zu § 10 II. 2. a.: Mit der Pflicht korrespondiert die Kostentragungspflicht, sofern die pflichtenbegründende Norm nicht einen Kostenersatz zugunsten der in Dienst genommenen Person regelt. Die §§ 151 ff. BewG tun dies jedenfalls nicht. Die Personenvereinigung hat somit keine Möglichkeit, die Kosten auf den Staat abzuwälzen.1474 In der Sache ist dies auch gerechtfertigt, wenn man den legitimerenden Sachgrund für die Indienstnahme der Personenvereinigungen betrachtet: Würde die Rechtsordnung nicht das Privileg der rechtlichen Verselbständigung solcher Personenvereinigungen gewähren, würde dies unvermittelt zur ohne Kostenersatz zu erfüllenden Grundpflicht des Steuerpflichtigen (zurück-) führen. So wie die Verselbständigung mittels der Personenvereinigungen also keine Einschränkung des staatlichen Sachaufklärungszugangs erlaubt, sondern vielmehr legitimiert, dass die Mitwirkungspflicht der Informationsherrschaft folgt, so folgt daraus zugleich, dass mit dieser durch Verselbständigung bedingten Verlagerung der Mitwirkungspflicht die Kostenfrage aus Sicht des Staates nicht anders zu beurteilen ist. Mit anderen Worten: Auch die „Kostenlosigkeit“ gegenüber dem Staat gehört zur angesprochenen Kehrseite der rechtlichen Verselbständigung. Aus Sicht der Personenvereinigung verbleibt für die Liquidation ihrer Kosten nur das Innenverhältnis zum Gesellschafter. Dieses unterliegt dem Zivilrecht, vorrangig vor allem einer etwaigen gesellschaftsvertraglichen Regelung zur Kostentragung. Sofern eine solche fehlt, kommt als Grundlage für einen Kostenerstattungsanspruch nur das zivilrechtliche Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht (§§ 670, 677, 683 BGB).1475 Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht soll es sich bei der Feststellungspflicht um ein – von der Zivilrechtsprechung rechtsdogmatisch im Kontext der §§ 677 ff. BGB durchaus anerkanntes – „auch-fremdes-Geschäft“ handeln; die eigene gesetzliche Pflicht der Per1474 Gleiche Ansicht J. Schothöfer, GmbHR 2011, 1139, 1140. 1475 Wobei hier für den Fall des § 152 Abs. 2 BewG im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zur Mehrheit von Störern davon ausgegangen wird, dass mehrere nach öffentlichem Recht pflichtige Personen keine Gesamtschuldner sind (siehe zuletzt BGH v. 18.2.2010, III ZR 295/09, BGHZ 184, 288; zur Diskussion mit weiteren Nachweisen M. Krumm, Die Verwaltung 46 [2013], S. 59 ff.). Bei Kapitalgesellschaftsbeteiligungen als Bewertungsobjekt stellt sich die Frage ohnehin nicht, weil hier nur die Gesellschaft pflichtig ist.

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sonenvereinigung soll nicht schaden. Ob die Übernahme des Geschäftes dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht, sei nicht relevant, da die § 683 Satz 2 BGB i.V.m. § 679 BGB einschlägig seien. Hiernach ist ein (etwaiger) entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn irrelevant, wenn eine im öffentlichen Interesse liegende Pflicht ansonsten nicht rechtzeitig erfüllt wird. Auf der Rechtsfolgenseite sei jedoch sodann eine differenzierte Betrachtung geboten: Je nach Fall könne die Feststellungspflicht der Personenvereinigung nämlich auch in deren eigenen Interesse liegen (Stichwort: Geheimhaltung). In solchen Fällen könne es sein, dass die Kosten, soweit sie abgrenzbar sind, nach dem Maß der Verantwortlichkeit und dem Gewicht der jeweiligen Interessen zwischen Geschäftsherrn und Geschäftsführer aufzuteilen sind. Dabei ist eine Tendenz dahin gehend auszumachen, insbesondere das Interesse eines nur kapitalmäßig beteiligten Gesellschafters überwiegen zu lassen mit der Folge, dass die Gesellschaft die Kosten alleine tragen soll.1476 In Ansehung der Anspruchsbegründung dem Grunde nach ist dieser Ansicht zuzustimmen. Auf der Rechtsfolgenseite kann der differenzierten Sicht jedoch nicht gefolgt werden. Vielmehr kann die Gesellschaft ihre (Zusatz-) Kosten uneingeschränkt beim Gesellschafter liquidieren. Dies folgt aus dem bereits unter bb) Gesagten: Wir haben es mit einem Pflichtentransfer zwischen Privaten zu tun, der jedenfalls nach der Intention des Gesetzgebers allein der Effektivität der Pflichten­erfüllung geschuldet ist. Die Erklärungs- und Bewertungspflicht folgt letztlich der Daten- und Informationsherrschaft und ist die Kehrseite der rechtlichen Verselbständigungsmöglichkeit. Dies legitimiert die Indienstnahme der Personenvereinigung und gibt auch zugleich die entscheidende Wertung für das Innenverhältnis vor. Eine Legitimation der Belastung der Gesellschaft mit den Kosten, die letztlich im Sonderinteresse eines einzelnen Ge­ sellschafters entstehen, ist nicht erkennbar. Die Datenherrschaft taugt hierfür jedenfalls nicht. Einschränkend ist lediglich hinzuzufügen: Die internen Kosten, die auch bei Erfüllung der gesellschaftsrechtlichen Informationspflichten der Gesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter angefallen wären, kann die Gesellschaft natürlich nicht ersetzt verlangen. Ersatzfähig sind lediglich die Kosten, die darüber hinausgehen, also insbesondere die Kosten für die Bewertung selbst und für die Erstellung der Feststellungserklärung.

1476 J. Schothöfer, GmbHR 2011, 1039, 1040 ff.

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3. Wertverständigungen Anlässlich der gleichheitsrechtlichen Kompensations-Diskussion des realen und rechtlichen Wertfindungsvorgangs und seiner Rahmenbedingungen ist die „Verständigung“ zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung bereits angesprochen worden (§ 7 II. 2. c.). Die Bewertung ist ein typisches Anwendungsfeld für solche Verständigungen1477: Die generellen Rechtstatsachen sind nicht einfach zu ermitteln und die vielen bewertungsrelevanten Einzeltatsachen sind angesichts ihrer prognostischen Elemente mit erheblicher Unsicherheit belastet. Beides wirkt auf die Bestimmbarkeit der Wertbandbreite zurück. Es gibt Fälle, in denen niemand weiß, wo genau der gleichheitskonforme Wert beginnt und wo er aufhört. Die Bandbreite ist in ihren Rändern zwangsläufig durch die Grauzonen gekennzeichnet, die das besondere Bedürfnis nach Rechtsfrieden stiftenden Vereinbarungen hervorrufen. Wo Unsicherheit herrscht und Rationalitätsdefizite unvermeidbar sind, kompensiert eine konsentierte und im Vertragswege verbindlich konkretisierte Verständigung letztlich das, was eine (ansonsten Akzeptanz fördernde) rationale Begründung hier eben nicht leisten kann (siehe bereits § 7 II. 2. c.). Schon der Reichsfinanzhof hat 1925 als (vermeintliches) soziales Faktum herausgestellt, dass Finanzbehörden, „um in der Veranlagung voranzukommen, in vielen Fällen genötigt [sind], sich mit dem Steuerpflichtigen über einen bestimmten steuerlichen Tatbestand, insbesondere eine bestimmte Schätzung des Wertes des Gegenstandes der Besteuerung, zu verständigen, der als Grundlage für die Steuerfestsetzung angenommen werden soll.“1478 Eine Bindungswirkung lehnte der Reichsfinanzhof freilich ab. Der Bundesfinanzhof knüpfte hieran an, übernahm den Begriff der tatsächlichen Verständigung und entwickelte diese zu einem unter bestimmten Voraussetzungen mit Bindungswirkung aus Treu und Glauben heraus versehenen Rechtsinstitut weiter. Repräsentativ ist insoweit eine Passage aus dem viel beachteten Urteil des VIII. Senats vom 11.12.1984: „Die Besteuerung knüpft - stärker als zur Zeit der Entscheidung des RFH - vielfach an Sachverhalte an, die erst in der Zukunft abgeschlossen sind; Werte sind nur annäherungsweise zu ermitteln; Beweisschwierigkeiten erlauben keine genauen Feststellungen. In diesen Fällen erschwerter Sachverhaltsermittlung dient es der Effektivität der Besteuerung und allgemein dem Rechtsfrieden, wenn sich die Bet. über 1477 Zum Beispiel D. Rückle, in: Festschrift f. Schlager, S. 59, 80; G. Frotscher, in: Festschrift f. Wassermeyer, S. 391 (Verrechnungspreise); R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, Vor § 118 Rn 10. 1478 RFH v. 20.10.1925, II A 453/25, RFHE 18, 92, 94 f.

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die Annahme eines bestimmten Sachverhalts und über eine bestimmte Sachbehandlung einigen können. Solche Einigungen wirken sich zwar auch auf den Steueranspruch aus. Es handelt sich jedoch nicht um einen Vergleich über das anzuwendende Recht. Das Recht wird vielmehr erst auf einen einverständlich angenommenen Sachverhalt angewandt.“1479 Es ist der nur erschwert oder nur unter erheblichem und unangemessenem Aufwand ermittelbare Sachverhalt, der bis heute in der Rechtsprechung über die Anerkennung einer solchen tatsächlichen Verständigung entscheidet.1480 Die Rechtsprechung ist also vor allem auf tatsächliche Ermittlungsschwierigkeiten fokussiert. Dort, wo Sachverhalt und Rechtsfrage sinnvollerweise nicht isoliert gewürdigt werden können, lässt die Rechtsprechung allerdings auch eine Verständigung über das Rechtsanwendungsergebnis als solches zu. Lediglich in Bezug auf isolierte („reine“) Rechtsfragen verneint die Rechtsprechung nach wie vor eine Verständigungsfähigkeit.1481 Die Steuerrechtswissenschaft ist nicht bei der sachverhaltsbezogenen Treu- und Glauben-Konstruktion stehen gelieben. So wurde zwischenzeitlich begründet, dass und warum es sich bei der tatsächlichen Verständigung um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt und es des von der Rechtsprechung für die Bindungswirkung bemühten Grundsatzes von Treu und Glauben nicht bedarf (siehe § 7 II. 2. c. mit Nachweisen). Dass ein nachfolgender Verwaltungsakt allein an ihr und nicht am materiellen Recht zu messen ist, beruht also auf der vertraglichen Bindung.1482 Ferner ist überzeugend begründet worden, dass die Finanzbehörde und der Steuerpflichtige auch bei unklarer Rechtslage diese Unklarheit durch eine beide Seiten bindende Vereinbarung beseitigen können.1483 Wenn man die Gefahr einer gesetzesabweichenden Vereinbarung akzeptiert und sie nicht als generelles Hindernis für eine vertragliche Vereinbarung ansieht, dann kann es auf der Ebene des Vertragsinhaltes keinen Unter-

1479 BFH v. 11.12.1984, VIII R 131/76, BStBl. II 1985, 354. 1480 BFH v. 24.1.2002, III R 49/00, BStBl. II 2002, 408, 410; v. 7.7.2004, X R 24/03, BStBl. II 2004, 975, 977; v. 8.10.2008, I R 63/07, BStBl. II 2009, 121, 122 f. 1481 BFH v. 1.2.2001, IV R 3/00, BStBl. II 2001, 520, 524; v. 3.4.2008, IV R 54/04, BStBl. II 2008, 742, 747; v. 8.10.2008, I R 63/07, BStBl. II 2009, 121, 122 f. 1482 Grundlegend R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 398 ff. 1483 Grundlegend (und auch mit weiteren, hier nicht genannten Argumenten) R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 213 f.; ferner M. Achatz, DStJG 27 (2004), S. 161, 171 ff.; R. Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 327 ff.; R. Rüsken, in: Beermann/Gosch, § 78 Rn. 60.3; J. N. Stolterfoht, DStJG 21 (1998), S. 233, 253 f.; K. Vogel, in: Festschrift f. Döllerer, S. 677 ff.; siehe im Übrigen zum Streitstand auch noch R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, Vor § 118 Rn. 13.

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schied machen, ob es sich um Tat- oder Rechtsfragen handelt.1484 Zudem zeigt § 89 Abs. 2 AO, dass sich die Finanzbehörde bei Unklarheit an eine bestimmte Gesetzesauslegung binden kann; hierin kommt eine beachtenswerte gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, die handlungs­ formunabhängig ist. Wenn die Rechtslage unklar ist, bietet die von der Finanzbehörde durch Verwaltungsakt zugesagte Rechtsauffassung jedenfalls keine größere Gewähr für deren „Richtigkeit“ als eine im Wege der Verständigung konsentierte Rechtsauffassung.1485 Bestehen demnach keine Bedenken – das notwendige Maß an Ungewissheit vorausgesetzt – sowohl Tat- als auch Rechtsfragen zum Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung zu machen, ergeben sich auch im bewertungsspezifischen Kontext in Bezug auf den Vertragsgegenstand keine Verständigungsbeschränkungen. Die Rechtspraxis ist jedenfalls von einer erheblichen Vielfalt von bewertungsspezifischen Verständigungen geprägt. So gibt es Verständigungen über einzelne tatsächliche Elemente des Wertfindungsvorgangs (zum Beispiel zugrunde zu legendes Bewertungsverhaltensmuster, bestimmte Anwendungsdaten etc.). Sieht man von den Advance Pricing Agreements ab (siehe dazu bereits § 10 I. 2. b.), so tritt die tatsächliche Verständigung allerdings stets im Nachvollzug auf; es geht mithin um eine vergangenheitsorientierte Bewältigung der Bewertung. Aus dieser nachvollziehenden Perspektive, in welcher der Sachverhalt also bereits verwirklicht ist, bestehen dann allerdings auch keine Bedenken gegen eine Verständigung über den Wert als solchen, also gegen eine „Wertverständigung“. Das Zukunftsproblem, das einer Vorwegbindung über den Wert als solchen entgegensteht (siehe § 10 I. 2. a. und b.), tritt hier nicht auf und auch im Übrigen ist die Verständigung über das Rechtsanwendungsergebnis sachgerecht. Denn die zu beseitigende Ungewissheit besteht häufig nicht nur in der Methodik oder in Bezug auf isolierbare Einzeltatsachen. Vielmehr kann es gerade die Zusammenführung der Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren mit deren Wechselwirkungen zueinander sein, die das Verständigungsbedürfnis aktiviert. Im Ergebnis spiegelt sich diese Erkenntnis auch in der Rechtsprechung wider. Sie erkennt sowohl Verständigungen über den Wert von Wirtschaftsgütern an1486 als auch über den Vergleichsrahmen bei der Angemessenheit einer Geschäftsführer-Vergütung (ver1484 R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 213. 1485 R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, S. 213. 1486 BFH v. 12.12.2012, I R 28/11, DStR 2013, 575, 580; FG Hamburg v. 2.5.1994, VII 8/92, EFG 1994, 1038 zur Verständigung über den Wert eines Wirtschaftsgutes und FG Köln v. 24.8.2000, 7 K 2853/04, EFG 2000, 1247 zur Verständigung über den Wert eines einmaligen Gemäldes als Sachbezug.

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deckte Gewinnausschüttung).1487 Eine inhaltliche Grenze bildet hier lediglich das von der Rechtsprechung formulierte Negativkriterium, wonach die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen darf.1488

III. Abschluss des Steuerfestsetzungs- und Feststellungs­ verfahrens durch finanzbehördliche Entscheidung

Abschluss des Steuerfestsetzungs­verfahrens

1. Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Verwaltungsakt und der Maßstab seiner Rechtmäßigkeit Das Steuerfestsetzungs- oder Feststellungsverfahren wird im Steuerrecht ausnahmslos von einem (zumindest nach § 168 AO fingierten) Verwaltungsakt abgeschlossen. Mit seiner Wirksamkeit tritt zwischen der Behörde und dem Adressaten die mit der materiellen Bestandskraft verbundene Verbindlichkeit ein. Lautet der Tenor auf eine Steuerschuld, ist im Sinne eines Abweichungsverbotes zwischen Behörde und Hauptschuldner die Existenz und Höhe dieser Steuerschuld verbindlich geklärt. Entsprechendes gilt, wenn der Verwaltungsakt Besteuerungsgrundlagen, insbesondere (auch) den Wert eines Gegenstandes, feststellt. In diesem Fall ist der festgestellte Wert selbst verbindlich. Es ist den Beteiligten ohne Rücksicht auf die materielle Rechtslage im Verhältnis zueinander verwehrt, die Steuerschuld oder die Feststellung in Abrede zu stellen.1489 Wirksam bleibt dieser Verwaltungsakt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben wird oder er sich durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt (§ 121 AO). Konstituierendes Merkmal des Verwaltungsaktes ist damit seine fehlerunabhängige Rechtswirksamkeit. Diese dient zum einen der Effektivität des Verwaltungshandelns. Zum anderen dient sie auch dem Interesse des Adressaten, dessen Rechte und Pflichten im Einzelfall präzise bestimmt und abgegrenzt werden.1490 Der Verwaltungsakt erlangt eine nicht ohne Weiteres entziehbare Verbindlichkeit und bildet damit zugleich auch eine Grundlage für etwaige weitere Dispositionen.

1487 Vgl. nur BFH v. 13.8.1997, I R 12/97, BFH/NV 1998, 498, 499; v. 1.2.2001, IV R 3/00, BStBl. II 2001, 520, 524; v. 8.10.2008, I R 63/07, BStBl. II 2009, 121, 123. 1488 BFH v. 8.10.2008, I R 63/07, BStBl. II 2009, 121, 123. 1489 M. Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22 Rn. 24. 1490 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 40.

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Rechtmäßig ist ein solcher Steuer- bzw. Feststellungsbescheid, wenn er mit dem geltenden Recht im Einklang steht. Hieran kann es fehlen, wenn die Finanzbehörde das geltende Recht falsch ausgelegt oder angewandt hat, bei der Entscheidung von einem tatsächlich nicht vorliegenden Sachverhalt ausgegangen ist, administrative Letztentscheidungskompetenzen rechtsfehlerhaft ausgeübt oder eine bereits bindende Entscheidung (hier vor allem: Grundlagenbescheid) nicht berücksichtigt hat.1491 Der Maßstab ist das Gesetz. Diese selbstverständliche Aussage bedarf für die Bewertung freilich der weitergehenden Präzisierung: Die Bewertungsnorm steuert vielfach nur eine Wertbandbreite allesamt mit der Norm in Übereinstimmung stehender Bewertungsergebnisse vor. Im ersten Schritt sind sie alle rechtmäßig. Es ist jedoch erforderlich, dass diese Bandbreite in ein einwertiges Rechtsanwendungsergebnis überführt wird und somit die Steuerschuld ihre konkrete Gestalt erfährt. Unter § 4 II. habe ich ausgeführt, dass die von einem der Akteure zu treffende Einwertigkeitsentscheidung (zur Kompetenzzuweisung freilich noch unter § 12) konstitutiv wirkt. Damit ergibt sich der Maßstab, an dem der eine Bewertungsentscheidung verarbeitende oder sogar im Tenor formulierende Verwaltungsakt zu messen ist, erst aus dem Zusammenwirken von Gesetz und Einwertigkeitsentscheidung. Wenn also einem der Akteure die Kompetenz zugewiesen ist, mit Letztverbindlichkeit gegenüber den anderen Akteuren den schlussendlich für die Veranlagung zugrunde zulegenden Wert aus der Bandbreite heraus zu bestimmen, dann gehört die Beachtung dieser Letztentscheidungsmacht zu den Rechtmäßigkeitsanforderungen an den Verwaltungsakt. Dort, wo das Gesetz administrative Letztentscheidungsspielräume gewährt, ist dies anerkannt. Dieser Grundsatz ist aber darüber hinaus verallgemeinerungsfähig. Würde man also beispielsweise annehmen, dass für die Einwertigkeitsentscheidung innerhalb der Bandbreite der Steuerpflichtige eine Bewertungsprärogative innehat (dazu noch § 12), so mögen alle Werte innerhalb der Bandbreite mit dem Gesetz übereinstimmen, rechtmäßig wäre aber immer nur der Verwaltungsakt, dem die mit der Ausübung der Bewertungsprärogative verbundenen Konkretisierungen des Steuerpflichtigen zugrunde liegen.

1491 F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 48 Rn. 53.

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2. Sachliche Verbindlichkeitsgrenzen der finanzbehördlichen Entscheidu­ng (trotz Mehrfachrelevanz des steuerlichen Wertes) Die Stabilisierungsfunktion kann der Steuerfestsetzungs- bzw. Feststellungsbescheid grundsätzlich nur innerhalb seiner sachlichen und subjektiven Bestandskraftwirkung entfalten, d.h. nur zwischen der erlassenden Behörde und den Inhaltsadressaten und dies auch nur in Bezug auf eine konkrete Steuer für einen bestimmten Veranlagungszeitraum oder einen bestimmten Besteuerungsanlass. Überträgt beispielsweise der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft jeweils die Hälfte seiner Beteiligung zum selben Stichtag an zwei Beschenkte, so bindet der Feststellungsbescheid, mit dem der gemeine Wert einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung gegenüber einem Beschenkten festgestellt worden ist, nicht den anderen Beschenkten. Der Schenker wird, wenn ihm der Bescheid ebenfalls bekanntgegeben wird, zwar an diesen Wert gebunden, aber auch nur in Bezug auf diesen einen steuerbaren Vorgang, also nicht in Bezug auf beide Schenkungen. Hier sind vielmehr zwei Feststellungen erforderlich, die auch jeweils unterschiedliche rechtliche Wege einschlagen können.1492 Anders ist dies nur, wenn das Gesetz (auch) eine einheitliche Feststellung vorsieht (dazu noch § 13 III.). Ferner existiert auch keine verfahrensrechtliche Verknüpfung zwischen verschiedenen Steuerarten. Werden beispielsweise durch die Verschenkung eines steuerverhafteten Kapi­ talgesellschaftsanteils an einen Steuerausländer durch ein und denselben Lebensvorgang stichpunktidentisch (allenfalls über eine juristische Sekunde Unterschied könnte man nachdenken) sowohl ein schenkungsteuerlicher Tatbestand als auch § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG i.V.m. § 17 EStG verwirklicht, ist sowohl für die Ermittlung der schenkungsteuerlichen Bereicherung als auch für die Ermittlung des einkommensteuerrechtlichen (fiktiven) Veräußerungsgewinns der gemeine Wert der Kapitalgesellschaftsbeteiligung maßgeblich. Der für schenkungsteuerliche Zwecke nach § 151 Abs. 1 Nr. 3 BewG festgestellte gemeine Wert der Kapitalgesellschaftsbeteiligung entfaltet jedoch im einkommensteuerrechtlichen Veranlagungsverfahren keine Bindungswirkung. Lediglich in Bezug auf den Stichtagsaspekt sieht das Gesetz innerhalb der persönlichen Bindungsgrenzen und für dieselbe Steuerart im Falle der 1492 Anders als bei einem Erbfall, bei dem zwei Personen einen Gegenstand zur gesamten Hand erwerben, dessen Wert gesondert festzustellen ist, ist jede Schenkung (auch) feststellungsrechtlich isoliert zu würdigen; es findet also keine einheitliche Feststellung statt, BFH v. 18.8.2004, II 22/04, BStBl. II 2005, 19; v. 24.5.2005, II R 57/03, BFH/NV 2005, 1982; R. Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 151 Rn. 38; siehe dazu ferner auch noch § 13 III. 3.

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gesonderten Feststellung eine Ausnahme vor, nämlich in Gestalt der bereits erwähnten – bis zum 31.12.2006 freilich nur als Verwaltungsvorschrift existenten1493, für Stichtage nach dem 1.1.2007 erst einmal nur für Grundbesitz normierte1494 und sodann mit dem Erbschaftsteuerreform­ gesetz auch auf unternehmerische Einheiten ausgedehnten1495 – Basiswert­ regelung des § 151 Abs. 3 BewG (siehe § 10 II. 2. b.): Hiernach kommt den nach Maßgabe der § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BewG gesondert festgestellten gemeinen Werten von Grundbesitz, von Betriebsvermögen, von Anteilen an Betriebsvermögen und von Kapitalgesellschafts­ beteiligungen eine „einjährige Dauerwirkung“1496 auch für nach dem Bewertungsstichtag liegende steuerbare Vorgänge zu, wenn sich die für die erste Bewertung maßgeblichen Stichtagsverhältnisse nicht wesentlich verändert haben und wenn der Steuerpflichtige nicht eine neue Feststellung beantragt. Dann ist der festgestellte Wert auch späteren Steuerfällen „unverändert zugrunde zu legen“. Dies bedeutet in rechtlicher Hinsicht zweierlei: Zum einen dispensiert die Existenz einer als Basiswert dienenden Feststel­ lung von der anderenfalls bestehenden Erklärungs- und Bewertungspflicht in Bezug auf den nachfolgenden Stichtag. Zum anderen modifiziert § 151 Abs. 3 BewG den Regelungsgehalt des Feststellungsverwaltungsaktes dahin gehend, dass er über seinen steuer-, sachverhalts- und stichtagsbezogenen Feststellungsanlass (dies alles begrenzt und konkretisiert zugleich seine feststellende Regelung) hinaus als Grundlagenbescheid Bindungswirkung für weitere Folgebescheide entfalten kann und zwar unter dem Vorbehalt einer stichtagsgenauen (erneuten) Feststellung (§ 151 Abs. 3 Satz 2 BewG, zu diesem Vorbehalt noch sogleich). Die Regelung des Verwaltungsaktes wird also kraft Gesetzes verändert, damit die Feststellung ihre Grundlagenbescheidfunkti1493 Vormals R 124 Abs. 5 ErbStR 2003; siehe ferner die Erweiterung auf Grundstücksgesellschaften durch die gleichlautenden Ländererlasse v. 24.9.2004, BStBl. I 2004, 916; soweit ersichtlich ist die Gesetzeskonformität dieser Vereinfachungsverwaltungsvorschrift nie hinterfragt worden – immerhin suspendierte die Exekutive von einer durch Gesetz angeordneten Wertfeststellung –, stattdessen spricht beispielsweise H. G. Christoffel, in: Gürsching/Stenger, BewG, § 151 Rn. 35 sogar von einem „Institut des Basiswertes für vermögensverwaltende Grundstücksgesellschaften“ und suggeriert damit eine weitgehende Anerkennung durch die Rechtspraxis und Rechtswissenschaft. 1494 Eingefügt mit dem Jahressteuergesetz 2007 v. 13.12.2006 (BGBl. I 2006, S. 2878). 1495 Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 v. 1.11.2011 (BGBl. I 2011, 2131) wurde die Basiswertregelung sodann nochmals erweitert und zwar auf die Fälle des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG, in denen Werte von anderen als in den Nrn. 1 bis 3 genannten Vermögensgegenständen und von Schulden, die mehreren Personen zustehen, festzustellen sind. 1496 R. Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 151 Rn. 53.

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on auch gegenüber solchen Folgebescheiden erfüllen kann, die anderenfalls mit seiner Regelung inkompatibel gewesen wären. Die Regelung dient auf Seiten des Steuerpflichtigen der Reduzierung des Erklärungs- und vor allem des Bewertungsaufwandes und auf Seiten der Verwaltung der Reduzierung des Verwaltungsaufwandes. An dieser Stelle sei noch einmal auf das Beispiel der (operativ tätigen) Familien-Kommanditgesellschaft mit dem stark gestreuten Kommanditistenkreis hingewiesen (siehe § 10 II. 2. b.). Dieser Vereinfachungszweck steht freilich in einem Spannungsfeld zur Rechtsrichtigkeit, als deren Maßstab hier vor allem das Stichtagsprinzip zu Tage tritt. Im Lichte dessen müssen die beiden Vorbehalte, unter denen die von § 151 Abs. 3 Satz 1 BewG angeordnete Bindungswirkung formuliert worden ist, gesehen werden: Erstens ist Voraussetzung für den Eintritt der Bindungswirkung, dass sich für dieselbe wirtschaftliche Einheit die für die erste Bewertung (sog. Basiswert) maßgeblichen Stichtagsverhältnisse nicht wesentlich verändert haben. Zweitens steht die Bindungswirkung insoweit zur „Wahl“ des Feststellungserklärungspflichtigen, als er durch die Einreichung einer vom Basiswert abweichenden Feststellungserklärung eine auf den für die Besteuerung tatsächlich maßgeblichen Stichtag bezogene Wertfeststellung herbeiführen kann (§ 153 Abs. 3 Satz 2 BewG). Dies wird der Steuerpflichtige in der Regel nur dann tun, wenn er sich hiervon einen niedrigeren Wert als den bereits festgestellten Basiswert verspricht. Warum sich ein im Verhältnis zum Basiswert niedrigerer gemeiner Wert ergibt, ist dabei irrelevant. Dies kann sowohl auf einer tatsächlich eingetretenen Wertminderung be­ruhen. Es kann aber ebenso gut auch nur um die Berichtigung eines (Bewertungs-) Fehlers gehen, der anlässlich der dem Basiswert zugrunde liegenden Feststellung unterlaufen ist und infolge der Bestandskraft nicht mehr in Bezug auf die Basiswertfeststellung korrigiert werden kann.1497 Schließlich kann sich ein niedrigerer Wertansatz deshalb ergeben, weil der Steuerpflichtige seine Bewertungsprärogative (dazu noch § 12) nunmehr anders ausübt. 3. Verhinderung bzw. Durchbrechung der Stabilisierungsfunktion Inwieweit das mit einer finanzbehördlichen Entscheidung, die das Feststellungs- oder Steuerfestsetzungsverfahren abschließt, einhergehende Abweichungsverbot „durchbrechbar“ ist, ist eine aus der Sicht des Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde zum Teil differenziert zu beant­ 1497 Allgemeine Ansicht: H. G. Christoffel, in: Gürsching/Stenger, BewG, § 151 Rn. 39; R. Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 151 Rn. 53; M. Schaffner, in: Kreutzinger/Schaffner/Stephany, BewG, § 151 Rn. 12.

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wortende Frage. Der Steuerpflichtige kann durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs die formelle Bestandskraft, die ansonsten mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eintreten würde, hindern, und – die Rechtswidrigkeit des Bescheides unterstellt – so dessen Aufhebung erzwingen. Die Finanzbehörde hingegen bedarf stets einer Aufhebungs-/Änderungsermächtigung, wenn sie von dem Tenor des einmal wirksamen Verwaltungsaktes abweichen will.1498 Für den Steuerpflichtigen gilt dies spiegelbildlich entsprechend, wenn der Verwaltungsakt formell bestandskräftig geworden ist; die Perspektive wandelt sich lediglich von der Eingriffsermächtigung zur Anspruchsgrundlage und einem subjektiven Recht des Steuerpflichtigen auf Aufhebung/Änderung oder zumindest ermessensfehlerfreie Entscheidung. Gleich welche Perspektive man im Anschluss an die formelle Bestandskraft anlegt, ist es die im Grundsatz der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens wurzelnde Stabilisierungsfunktion des Verwaltungsaktes, die hier zum Tragen kommt. Seine Rechtfrieden stiftende Stabilisierungsfunktion erfüllt der Steuer- oder Feststellungsbescheid grundsätzlich ungeachtet der Frage, ob der Wert nur Teil der Begründung ist oder ob der Wert sogar selbst die Regelung bildet. Den hohen Stellenwert, den der Rechtsfrieden in Bezug auf die Bewertung genießt, darf man nicht unterschätzen. Denn Bewertungen sind in einem besonderen Maße geeignet, Unfrieden zu stiften. Es wirken zum Teil unzählige Faktoren zusammen und viele dieser Faktoren selbst wiederum weisen Spielräume auf. An jeder Stelle kann sich ein Irrtum einstellen. Es gibt jedenfalls eine Vielzahl von Ansatzpunkten, die ein Bewertungsergebnis im Nachhinein als teilweise falsch da stehen lassen können. Besonders deutlich zeigt sich die Schwierigkeit bei einer Unternehmensbewertung hinsichtlich der Prognose der künftigen Zinsentwicklung oder der künftigen Überschüsse. Dass sich die tatsächliche Entwicklung ex post anders darstellt als ex ante prognostiziert führt allerdings noch nicht zu einem „Fehler“ der Unternehmensbewertung. Vielmehr ist und bleibt dann auch die ex ante-Perspektive maßgeblich, sofern den an anderer Stelle bereits formulierten Sorgfaltsanforderungen bei der Prognose genügt worden ist (siehe § 5 IV. 4. a.). Aber wann leidet die in tatsächlicher Hinsicht aus Vergangen­heits- und Gegenwartsinformationen zusammengetragene Prognosebasis an einem Fehler? Entsprechendes gilt für den Prognoseschluss. Ab wann hätte man beispielsweise zwingend die Folgen der Finanzkrise berücksichtigen müssen? Wir werden an späterer Stelle noch sehen, dass diese Problematik jedenfalls im Bereich der Prognose zu einem erheblichen Teil dadurch entschärft wird, 1498 Siehe nur M. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn. 19.

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dass hier einem der Akteure eine Prärogative zugestanden wird, d.h. seine Prognose wird nur im negativen Sinne einer Vertretbarkeitskontrolle unterworfen und im Übrigen bindet er die übrigen Akteure an seine (vertretbare) Einschätzung der Zukunft (§ 12 dieser Untersuchung). Es gibt aber gleichwohl gerade in Bezug auf die unzähligen Daten und Informationen, die bei einer Bewertung verarbeitet werden müssen, immer noch ausreichendes Unsicherheitspotential. Dieses Unsicherheitspotential wiederum beinhaltet ein zum Teil nicht unerhebliches Potential der Steuerbelastungsveränderung: Natürlich führt in den meisten Fällen ein höherer Wertansatz „nur“ zu einer entsprechend höheren Steuer. Zum Teil entscheidet der Wertansatz aber auch über Steuerbefreiungen im Sinne eines Ganz-oder-gar-nicht-Prinzips. Zu nennen sind beispielsweise Freigrenzen oder bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Verwaltungsvermögenstest. Gerade das letztgenannte Beispiel zeigt anschaulich, dass bei einer so komplexen Bewertung wie derjenigen von unternehmerischen Einheiten die Un­ gewissheit nicht nur die Bemessungsgrundlage der Höhe nach betrifft, sondern auch die Frage, ob der Unternehmenserwerber die Verschonung der §§ 13a f. ErbStG erreicht. Die Bestandskraft verwirklicht mithin Rechtsfrieden und stabilisiert mit diesem Ziel insbesondere auch das Wertfindungsergebnis. Allerdings kennt das Steuerrecht mit § 164 AO eine Norm, die es der Finanzbehörde im Wesentlichen ohne nennenswerte Voraussetzungen ermöglicht, den Eintritt der materiellen Bestandskraft des Steuer- bzw. des Feststellungsbescheides zu verhindern. Ein gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassener Verwaltungsakt kann bis zur Grenze der Festsetzungsverjährung ohne weitere Voraussetzungen jederzeit sowohl wegen rechtlicher – insoweit allerdings vorbehaltlich des § 176 AO – als auch tatsächlicher Fehler geändert werden.1499 Derzeit scheint die Finanzverwaltung insbesondere bei gesonderten Feststellungen von Unternehmenswerten für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke weitestgehend von der Möglichkeit des § 164 Abs. 1 AO Gebrauch zu machen. Dies ist insoweit verständlich, als angesichts der Komplexität der Tatsachenbasis Nachprüfungsbedarf besteht. Auf der anderen Seite erhält der Steuerpflichtige aber auch keine Rechtssicherheit und muss über Jahre damit rechnen, dass der von ihm ermittelte und der Besteuerung zugrunde gelegte gemeine Wert keinen Bestand hat.

1499 R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 164 Rn. 35 ff.

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Zu beachten ist aber immer, dass materielle Voraussetzung (auch) einer Änderung nach § 164 Abs. 2 AO die Rechtswidrigkeit des zu ändernden Verwaltungsaktes ist; die Änderung muss immer auf eine Anpassung an die materielle Rechtslage gerichtet sein.1500 Dies ist insbesondere dann zu beachten, wenn der Bewertungsnorm das Stichtagsprinzip zugrunde liegt. Oben hatte ich bereits ausgeführt, dass es aus materiell-rechtlichen Gründen irrelevant ist, wenn sich die ex ante unter Beachtung der Prognosesorgfaltsanforderungen getroffene Prognose im Vergleich mit dem späteren Geschehensablauf als „fehlprognostiziert“ erweist. Eine unmittelbare ex-post-Zugrundelegung des tatsächlich verwirklichten Sachverhaltes (in der Regel: Erträge im Rahmen des Ertragswertverfahrens) ist unzulässig. Dies darf insbesondere auch nicht (versteckt) dadurch bewirkt werden, dass der tatsächliche Geschehensablauf zur (maßgeblichen) indiziellen Begründung einer unzutreffenden Prognosebasis oder einer Missachtung der bei einer Prognose anzustellenden Sorgfaltsanforderungen herangezogen wird. Es ist dem Unsicherheitsmoment immanent, dass Prognose und tatsächlicher Geschehensverlauf in der Regel nicht übereinstimmen werden und dafür kann es derart viele interne und externe Gründe geben, dass die Diskrepanz keinen Rückschluss auf solche Haupttatsachen erlaubt. Ist aus den vorgenannten Gründen die Prognose aus der anzulegenden ex ante Sicht nicht zu beanstanden, dann ist der Verwaltungsakt daher noch nicht einmal rechtswidrig. Denn die Wertbandbreite ist unter Beachtung des Stichtagsprinzips zutreffend bestimmt worden und dementsprechend sind auch der dort herauskonkretisierte Entscheidungswert und damit auch der Tenor der Wertfeststellung gesetzeskonform. Dort, wo der Wert nur unselbständiger Teil der Begründung ist, gilt dies sinngemäß. Die vorbehaltslose Steuerfestsetzung bzw. eine vorbehaltlose Feststellung können hingegen nur noch dann aufgehoben oder geändert werden, wenn das Gesetz dies unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht. Das Steuerrecht sieht für diese Verwaltungsakte ein von dem Konzept der §§ 48 f. VwVfG bzw. §§ 130 f. AO abweichendes Korrektursystem vor, das besonders auf die Eigenart des Steuerveranlagungsverfahrens zugeschnitten ist. Besonderes Augenmerk verdient im Kontext der Bewertung dabei § 173 AO. Hiernach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden. Zugunsten des Steuerpflichtigen gilt die Korrekturpflicht allerdings nur, wenn ihn kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Die Norm legiti1500 R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 164 Rn. 33.

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Die verfahrensrechtliche Erstbewertungspflicht

miert also eine Änderung oder Aufhebung lediglich wegen neuer Tatsachen, aber gerade nicht bei Rechtsanwendungsfehlern.1501 Tatsache ist nach einer gängigen Formulierung des Bundesfinanzhofs alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestandes sein kann, beispielsweise Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller und immaterieller Art.1502 Angesichts der sich hier erneut auftuenden Dichotomie von Tat- und Rechtsfrage führt dies im bewertungspezifischen Kontext zurück zu den Erkenntnissen von § 5 dieser Untersuchung: Der Wert selbst ist keine Tatsache – weder im rechtstheoretischen Sinne noch im Sinne von § 173 AO.1503 Er ist eine für § 173 AO irrelevante Schlussfolgerung. Davon zu unterscheiden ist aber die Tatsache eines bestimmten Kaufpreises, der für einen zu bewertenden Gegenstand tatsächlich durch Veräußerung realisiert worden ist.1504 Hier geht es nämlich nicht um die Schlussfolgerung selbst. Der erzielte Preis ist vielmehr die Tatsache und sie ist zum Beispiel rechtserheblich für § 11 Abs. 2 Satz 2 Einleitungssatz BewG und für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes, wenn dieser durch tatsächlich zeitnah erzielte Veräußerungserlöse erbracht werden kann.1505 Tatsache im vorstehend für Zwecke des § 173 AO definierten Sinne sind ferner alle wertbegründenden oder wertbildenden Merkmale des Bewertungsgegenstandes. Dies sind insbesondere die tatsächlichen oder rechtlichen Eigenschaften einer Sache, wenn die jeweilige Bewertungsnorm selbst oder die von ihr rezipierte Bewertungsübung sie für bewertungsrelevant erklären bzw. erachten.1506

1501 Allg. Meinung, siehe statt vieler nur M. Loose, in: Tipke/Kruse, AO, § 173 Rn 2. 1502 BFH v. 18.12.1996, XI R 36/96, BStBl. II 1997, 264. 1503 Für § 173 AO BFH v. 18.5.2006, IV R 9/04, BStBl. II 2006, 581, 583: M. Loose, in: Tipke/Kruse, AO, § 173 Rn. 9; R. Rüsken, in: Klein, AO, § 173 Rn. 22. 1504 Zutreffend FG Berlin-Brandenburg v. 24.3.2010, 3 K 3258/06, EFG 2010, 1097, 1098 f. 1505 Letzteres war der Fall bei FG Berlin-Brandenburg v. 24.3.2010, 3 K 3258/06, EFG 2010, 1097, 1098 f. 1506 BFH v. 18.8.2005, IV R 9/04, BStBl. II 2006, 581, 583: Bei einer Grundstückswert­ ermittlung, deren Ergebnis einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung zugrunde gelegt worden war, war nicht berücksichtigt worden, dass das Grundstück bereits Bauerwartungsland gewesen ist.

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§ 11 Die „Richtungsfrage“: Der Günstigergrundsatz I. Einführung in die Problematik: Die Bandbreitenreduzierung als (Verfassungs-) Rechtsfrage Mit der Darstellung des verfahrensrechtlichen Rahmens, in welchem sich die Bewertung im konkret-individuellen Anwendungsfall zu vollziehen hat, ist die Grundlage für die materiell-rechtliche Betrachtung gelegt. Angeknüpft wird dabei an die in den vorherigen Teilen gewonnene und konkretisierte Erkenntnis, dass es nahezu immer eine – mal größere, mal kleinere – Bandbreite von vertretbaren und damit allesamt von der Norm gedeckten Werten gibt, die Rechtsanwendung aber notwendigerweise ein einwertiges Ergebnis hervorbringen muss. Jeder Wert innerhalb der Bandbreite ist geeignet, Besteuerungsgleichheit zu gewährleisten. Da es den „einen“ Wert nicht gibt und er – dies ist ja die Ausgangsproblematik – auch nicht bestimmt werden kann, ist auch eine Aussage zur Gerechtigkeitsqualität der einzelnen Werte, die alle innerhalb der Bandbreite liegen, nicht möglich. D.h. jeder vertretbare Wert vermittelt das gleiche Maß an Besteuerungsgerechtigkeit; es gibt keine weniger oder mehr gerechten Werte (siehe eingehend § 6 II. und § 7 I. 2. a. und b.). Dies führt in Ansehung jeder einzelnen Bewertungsnorm zu zwei übergreifenden Auslegungsfragen: Erstens, nach welcher Maßgabe wird die Bandbreite vertretbarer Werte auf einen Wert kanalisiert? Zweitens, welchem der Akteure kommt die Kompetenz zu, diese Kanalisierung auf den einen Wert vorzunehmen? Die Ausführungen in Kapitel § 11 widmen sich der ersten Frage, bevor im Kapitel § 12 der Folgefrage nachgegangen wird. In begrifflicher Hinsicht ist dabei vorweg klarzustellen, dass mit „Kanalisierung des Einwertigkeitsergebnisses“ nicht lediglich die „End­ entscheidung aus der fertigen Bandbreite“ heraus gemeint ist, sondern auch die Ausfüllung der in den vorgelagerten Anwendungsschritten bestehenden Spielräume bei den bewertungsrelevanten Daten und Informationen (zum Beispiel die Frage, welcher Zins aus einer Bandbreite vertretbarer Zinssätze oder welche ortsübliche Miete aus der Bandbreite beobachteter Mieten gewählt wird). Die Richtungsfrage gilt insoweit umfassend für jeden Spielraum, gleich in welchem Anwendungsschritt er sich auftut. Beide Schritte (Bestimmung der Bandbreite, Einwertigkeitsentscheidung) hängen ohnehin zwangsläufig zusammen; es geht – dies wurde bereits unter § 4 I., II. sowie § 6 II. herausgestellt – immer nur um den transparenten Umgang mit der Bandbreitenproblematik: Wer (um das Zinsbeispiel noch einmal aufzugreifen) mehrdimensional mit 527

Die „Richtungsfrage“

allen zulässigen Zinssätzen rechnet, wird eine größere Bandbreite erhalten. Wer sich für einen Zinssatz entscheidet, wird eine kleinere Bandbreite erhalten. Am Ende ist die Einwertigkeitsentscheidung immer eine Entscheidung, die alle Spielräume (in der Summe) erfasst. Die Frage, wie mit der Bandbreite auf dem Weg zu einem einwertigen Rechtsanwendungsergebnis umzugehen ist, muss sich aus der Norm heraus beantworten lassen. Dies gehört zum „Wesentlichen“, was der Gesetzgeber selbst entscheiden muss. Denn diese Frage ist von erheblicher Grundrechtsrelevanz und dies umso mehr als die Bewertungsnorm gerade wegen der Rezeption der sozialen Bewertungsverhaltensmuster bewusst diese Spielräume „in Kauf nimmt“ und damit Art. 14 Abs. 1 GG in Ansehung der damit verbundenen Gefährdungslage aktiviert wird (siehe bereits § 8 II. und ferner § 9 I. im Kontext der Wesentlichkeitslehre). Der Gesetzgeber muss hier also eine Entscheidung treffen. Dies kann geschehen durch die Vorgabe eines (steuernden) Entscheidungsmaßstabes oder im Falle der Einräumung eines nicht determinierten (Letztentscheidungs-) Spielraums durch die Zuweisung einer Konkretisierungskompetenz. Freilich kann der Gesetzgeber auch beides in Teilbereichen kombinieren. Eine solche (Maßstabs- und/oder Kompetenz-) Vorgabe gehört zu dem „Wesentlichen“, das der Gesetzgeber selbst im Gesetz verantworten und vorsteuern muss. Dabei reicht eine Gewinnbarkeit durch Auslegung, insbesondere unter teleologisch funktionalen Gesichtspunkten, aus. Dies zeigt die normative Ermächtigungslehre in Ansehung von Beurteilungsspielraum, Regulierungsermessen etc. und dies werden auch die nachfolgenden Ausführungen zeigen (siehe § 11 III. für die Richtungsfrage und vor allem § 12 II. 2. für die Kompetenzfrage). Da viele Bewertungsnormen sich der Richtungs- bzw. Kompetenzfrage nicht ausdrücklich widmen, zeigt unter Umständen erst dieser Weg die gesetzgeberische Entscheidung auf. Freilich existiert beispielsweise mit § 1 Abs. 3 AStG bezüglich der Einkünftekorrektur bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen durchaus eine Norm, die sich zumindest für einen Teilaspekt dieser Frage widmet und sie auch beantwortet: Wir haben im Normkontext des § 1 Abs. 3 AStG festgehalten, dass in der Regel auch hier die verkehrswerttypische Bandbreite einer Vielzahl vertretbarer Fremdvergleichswerte existiert. Hieran anknüpfend – dies letztlich als Faktum voraussetzend – hat der Gesetzgeber positiv-rechtlich Vorsorge in Bezug auf die Ermittlung des notwendigerweise einwertigen Fremdvergleichswertes getroffen. Wir haben an vorangegangener Stelle bereits die Unterscheidung zwischen tatsächlichen und hypothetischen Fremd528

Die Bandbreitenreduzierung als (Verfassungs-) Rechtsfrage

vergleichswerten beleuchtet (§ 2 I. und § 3 III. 2. d. bb] [2]). Hieran soll angeknüpft werden: – Lässt sich eine Bandbreite uneingeschränkt vergleichbarer tatsächlicher Fremdvergleichswerte feststellen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 AStG, „erste Stufe“, siehe zum Stufenverhältnis bereits § 3 III. 2. d. bb] [1]) und bewegt sich der vereinbarte Verrechnungspreis innerhalb dieser Bandbreite, ist der Verrechnungspreis steuerlich zu akzeptieren (arg. ex. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG1507). Der Steuerpflichtige darf also (auch) den für ihn vorteilhaftesten Wert aus der gesamten Bandbreite zu Grunde legen, ohne eine Einkünftekorrektur fürchten zu müssen.1508 Sind nur eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichspreise beobachtbar (§ 1 Abs. 3 Satz 2 AStG, „zweite Stufe“), ordnet das Gesetz hingegen eine Einengung der Bandbreite an. Es wird also anders als bei Satz 1 nicht die gesamte Bandbreite akzeptiert. Die Gesetzesbegründung verweist darauf, dass die Bandbreite bei nur eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerten in der Regel größer sei als bei uneingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerten.1509 Zur Konkretisierung der „Einengungsvorgabe“ nimmt sie beispielhaft auf die von der Finanzverwaltung bereits vor der Gesetzesergänzung geübte interquartile Methode Bezug.1510 Ihr liegt die Vermutung zugrunde, dass für die Streuung der beobachtbaren Werte nicht beobachtbare Einflussfaktoren ausschlaggebend waren und somit die den Extremwerten zugrunde liegenden Vergleichssachverhalte mit dem Ausgangssachverhalt nicht hinreichend vergleichbar sind. Als Reaktion hierauf werden pauschal 25 % der Werte mit der höchsten und 25 % der Werte mit der niedrigsten Merkmalsausprägung aussortiert.1511 Innerhalb der dergestalt (mittels statistischer Verfahren) eingeengten Bandbreite werden sodann allerdings auch – wie auf der ersten Stufe – alle Werte als angemessen erach­tet. Liegt der tatsächlich vereinbarte Preis 1507 H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rn. 18.128; F. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, AStG, § 1 Rn. V 26. 1508 H. Baumhoff/X. Ditz/M. Greinert, DStR 2007, 1461; A. Nientimp, in: Mössner/ Fuhrmann, AStG, § 1 Rn. 187. 1509 BT-Drucks. 16/4841, S. 85. 1510 BT-Drucks. 16/4841, S. 85. 1511 Kritisch M. Werra, IStR 2005, 19, 21: Es spreche nichts dafür, dass die Margen bzw. Ergebnisse von Unternehmen einer symmetrischen Verteilung im Sinne einer Gauß‘schen Normalverteilung folgen; ferner kritisch C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 225 („willkürlich“); A. Nientimp, in: Mössner/Fuhrmann, AStG, § 1 Rn. 188 (pauschale Einengung, für die eine sachliche Begründung fehlt); F. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, AStG, § 1 V Rn. 42.

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Die „Richtungsfrage“

zugunsten des Steuerpflich­tigen außerhalb der Bandbreite, gilt sowohl für den Fremdvergleich auf der Grundlage uneingeschränkt (Satz 1) als auch eingeschränkt (Satz 2) vergleichbarer Daten die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 AStG und die Einkünfte sind zu korrigieren. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG erklärt insoweit den Median für maßgeblich. Der Median ist ein statistischer Begriff. Er ist durch die Eigenschaft definiert, dass mindestens 50 % aller Merkmalswerte kleiner oder gleich und mindestens 50 % aller Merkmalswerte auch größer oder gleich diesem Wert sind; er ist also weder ein Durchschnittsnoch ein Mittelwert.1512 Der Gesetzgeber gibt auf diese Weise vor, wie innerhalb der Bandbreite vertretbarer Werte der die Rechtsfolge einwertig ausfüllende Wert bestimmt werden soll. – Können weder uneingeschränkt noch eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte festgestellt werden, ist ein hypothetischer Fremdvergleich durchzuführen (§ 1 Abs. 3 Satz 5 AStG). Hat der Steuerpflichtige mittels eines simulierten Preisbildungsprozesses eine Bandbreite (fiktiver Einigungsbereich) ermittelt (§ 3 III. 2. d. bb]), ordnet § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG an, dass schon nur ein einziger Wert tatbestandlicher Kontrollmaßstab ist: Es ist der Preis im Einigungsbereich der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des gungsbereichs zugrunde zu legen. Der tatsächliche VerrechEini­ nungspreis ist also grundsätzlich nicht schon dann für die Besteuerung maßgeblich, wenn er sich innerhalb der ermittelten Bandbreite bewegt. Vielmehr hat eine Einkünftekorrektur zu erfolgen, wenn der tatsächlich vereinbarte Verrechnungspreis von dem so ermittelten Wert, also dem glaubhaft gemachten höchst wahrscheinlichsten Wert oder dem im Zweifel geltenden Mittelwert des Einigungsbereichs, abweicht.1513 Der Mittelwertansatz dürfte letztlich praktisch die Regel werden. Denn wie soll ein Wert mit der höchsten Wahrscheinlichkeit überhaupt geltend gemacht werden? Die hierfür notwendigen Beobachtungen liegen beim hypothetischen Fremdvergleich ja gerade nicht vor.1514 Beim genauen Hinsehen zeigt sich freilich, dass die Steuerung in § 1 Abs. 3 AStG nur partiell erfolgt. Wenngleich seine Sätze 1 bis 7 eine gesetzgeberische Vorgabe in Bezug auf die Bandbreitenkonkretisierung hin auf 1512 R. Klapdor, StuW 2008, 83, 87; C. Pohl, in: Blümich, AStG, § 1 Rn. 111. 1513 H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Rn. 18.133. 1514 Zu Recht die rechtspraktische Vermutung bei H. Luckhaupt, DStR 2012, 1571, 1572.

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Das Meinungsbild zu Teilaspekten der Diskussion

einen einzigen Entscheidungswert enthalten, ist auch hier nach wie vor in einem ersten Schritt überhaupt erst einmal die Bandbreite zu ermitteln und dies mit allen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten, die ihr Wesensmerkmal sind. Jedenfalls enthält § 1 Abs. 3 AStG aber eine für die hiesige Thematik gewichtige legislative Aussage: Der Gesetzgeber erkennt die Bandbreite letztlich an. Er setzt sie als real existierendes Phänomen voraus. Dieses Beispiel ist freilich nicht repräsentativ für die Fülle der Bewertungsnormen und -anlässe. § 1 Abs. 3 AStG hat hinsichtlich der Aussagekraft seines Normtextes ein Alleinstellungsmerkmal unter den Bewertungsnormen inne. Dies führt zu der Frage, wie es sich hinsichtlich der hier als „Richtungsfrage“ bezeichneten Fragestellung bei allen übrigen Bewertungsnormen verhält.

II. Das Meinungsbild zu Teilaspekten der Diskussion 1. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu verschiedenen Bewertungs­normen Bandbreiten bestehen sowohl in Bezug auf das „Endprodukt“ als auch hinsichtlich einzelner bewertungsrelevanter Daten bzw. Informationen, die selbst wiederum einer der maßgeblichen Gründe dafür sind, dass auch das Endprodukt selbst nur als Bandbreite existiert (siehe bereits einleitend zu § 11 I.). Auf allen Ebenen ist die Existenz von Bandbreiten anerkannt, dies insbesondere auch durch die Rechtsprechung (eingehend § 4 I.). Deren Anerkennung hat zwangsläufig zur Folge, dass Rechtsprechung und Rechtswissenschaft sich auch zu der Frage positionieren müssen, wie mit dieser Bandbreite umzugehen ist, wenn ein einwertiges Ergebnis gesucht wird. Greifen wir insoweit zuerst die Rechtsprechung des I. Senats des Bundesfinanzhofs zu den Fremdvergleichswerten anlässlich der verdeckten Gewinnausschüttung bzw. des § 1 AStG a. F. heraus und dabei die grundlegende Entscheidung vom 17.10.2001: „Geht man auch für den Streitfall von einer auf der Basis der Wiederverkaufspreismethode ermittelten und anschließend eingeschränkten Bandbreite angemessener Verrechnungspreise aus, so stellt sich die letztlich entscheidende Folgefrage, ob sich eine Schätzung an der Unter- oder an der Obergrenze dieser Bandbreite orientieren muss oder ob ein sog. Mittelwert angesetzt werden kann. Insoweit gilt als Grundsatz, dass für die Anwendung einer Mittelwertmethode im deutschen Steuerrecht eine Rechtsgrundlage fehlt. Das 531

Die „Richtungsfrage“

deutsche Steuerrecht kennt keine Straf- oder Verdachtsschätzung. Ein Mittelwert kann deshalb nur dann angesetzt werden, wenn er aus Fremdvergleichen abgeleitet werden kann. Vorbehaltlich einer anderen Beweisrisikoverteilung muss sich eine Schätzung an dem für den Stpfl. günstigeren Ober- oder Unterwert der Bandbreite von Fremdvergleichs­ preisen orientieren. Dies entspricht der Überlegung, dass innerhalb der letztlich maßgebenden Bandbreite jeder Preis dem Fremdvergleich entspricht und eine Rechtsgrundlage für eine Gewinnkorrektur nur insoweit besteht, als eine Abweichung vom Fremdvergleichspreis festgestellt werden kann. Da die Ermittlung des Fremdvergleichspreises (Bandbreiten) regelmäßig nicht die Sache des Stpfl. ist, können Unsicherheiten bei seiner Ermittlung weder zu seinen Lasten gehen noch eine Reduzierung des Beweismaßes auslösen. Allerdings kann das FA bzw. das FG eine zunächst festgestellte Bandbreite an Preisen durch anderweitige Überlegungen (Verprobungsmethoden) einzuengen versuchen.“1515 Was hier formuliert wird, ist letztlich ein – die Rechtsfolgenseite des Fremdvergleichswertes betreffendes – Günstigerprinzip zugunsten des Steuerpflichtigen. Die Finanzbehörde kann also nur versuchen, die Bandbreite argumentativ einzuengen, um hierdurch zu einem „höheren“ Wert zu gelangen. In der Literatur hat diese Rechtsprechung überwiegend Zustimmung gefunden1516 und dies auch zu Recht. Denn der Steuerpflichtige verhält sich bei jedem Preis, der innerhalb der Bandbreite liegt, wie ein unabhängiger Dritter.1517 Sind nämlich die zur Bandbreite führenden Daten und Annahmen jeweils für sich ausreichend wahrscheinlich, gilt dies auch für ihr Zusammenwirken und den hieraus hervorgebrachten Preis (siehe bereits § 6 II.). Es ist daher ausreichend wahrscheinlich, dass es mindestens einen fremden Dritten gibt, mit dem man sich auf einen Preis am unteren Ende der Bandbreite geeinigt hätte. Im gleichheitsrechtlichen Kontext habe ich hieran anknüpfend bereits herausgestellt, dass jeder Wert innerhalb der Bandbreite deshalb gleichheitskonform ist. Gegen diese Rechtsprechung können daher auch keine verfassungsrechtlichen Einwände erhoben werden. Der Gesetzgeber hat sie allerdings für grenzüberschreitende Beziehungen zum Anlass für die „korrigierende“ 1515 BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171, 176; ferner BFH v. 15.9.2004, I R 7/02, BStBl. II 2005, 867; FG Sachsen-Anhalt v. 21.2.2008, 3 K 305/11, juris. 1516 Zum Beispiel G. Frotscher, in: Festschrift f. Wassermeyer, S. 391, 405; S. A. Lindenthal, Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen und Folgen ihrer Verletzung, S. 72; R. Seer, in: Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung. S. 35, 49; derselbe, DStJG 36 (2013), S. 337, 345 f. jeweils mit weiteren Nachweisen. 1517 G. Frotscher, in: Festschrift f. Wassermeyer, S. 391, 405; zuvor auch schon K. Brezing, AG 1975, 225, 228 für die aktienrechtlichen Parallelproblematik.

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Das Meinungsbild zu Teilaspekten der Diskussion

Sonderregelung des § 1 Abs. 3 AStG genommen. Für verdeckte Gewinnausschüttungen nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG gilt diese Rechtsprechung jedoch fort.1518 Ein Günstigerprinzip, wie es vorstehend in der Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung zum Ausdruck kommt, gilt auch für andere Verkehrsrechtswerte. So finden wir eine entsprechende Rechtsprechung beim IX. Senat des Bundesfinanzhofs für die „ortsübliche Miete“ im Sinne von § 21 Abs. 1 EStG, die vergleichbar dem Fremdvergleichswert der Kontrolle und Zwecksicherung dient. Bereits unter § 4 I. wurde insoweit schon festgehalten, dass die Rechtsprechung auch hier eine Bandbreite anerkennt: Selbst „für in jeder Hinsicht vergleichbare Wohnungen [ist] örtlich eine gewisse Bandbreite von zu zahlenden Mieten typisch“1519. Folgerichtig heißt es in späteren Entscheidungen sodann, dass dabei „denkgesetzlich jeder der Mietwerte – nicht nur der Mittelwert – als ortsüblich anzusehen [ist], den der Mietspiegel im Rahmen einer Spanne zwischen mehreren Mietwerten für vergleichbare Wohnungen ausweist“1520. An diese Rechtsprechung knüpft wiederum der VI. Senat des Bundesfinanzhofs für die Anwendung des § 8 Abs. 2 EStG an. Dieser erfasst zum Beispiel bei Leistungsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rabatte des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitsnehmers erst dann und nur in der Höhe als geldwerten Vorteil (steuerbarer Lohn), wenn der Preis unterschritten wird, der für das gleiche Produkt am Markt von fremden Dritten zu entrichten ist. Dazu führt der

1518 Der Klarstellung halber bedarf es freilich noch einer Abgrenzung zur (älteren) Rechtsprechung in Bezug auf den Fremdvergleich bei Zinsen: Der I. Senat unterstellte, dass sich Darlehensgeber und Darlehensnehmer die Spanne zwischen banküblichen Haben- und Sollzinsen im Zweifel teilen würden (siehe BFH v. 19.1.1994, I R 93/93, BStBl. II 1994, 725, 727; v. 28.2.1990, I R 83/87, BStBl. II 1990, 649). Dies mag faktisch auf einen Mittelwert hinauslaufen. Thematisch hat dies aber nichts mit der hier interessierenden Einwertigkeitsentscheidung zu tun. Vielmehr wird aufgrund dieser – nach meinem Dafürhalten nicht abwegigen – Vermutung bereits die Bandbreite selbst eingeengt, d.h. man befindet sich noch im ersten Schritt (in diesem Sinne wohl auch H. Baumhoff, IStR 2001, 751, 752). Heute steht man dieser Rechtsprechung ohnehin ablehnend gegenüber, weshalb fraglich ist, ob der I. Senat an dieser Bandbreiten einengenden Vermutung festhalten wird (zum Beispiel D. Gosch, in: derselbe, KStG, § 8 Rn. 693, FG Sachsen-Anhalt v. 21.2.2008, 3 K 305/11, juris). 1519 BFH v. 17.8.2005, IX R 10/05, BStBl. II 2006, 71, 72 für § 8 Abs. 2 EStG, v. 11.9.2007, IX B 4/07, BFH/NV 2007, 2291 für § 21 Abs. 2 EStG. 1520 So wörtlich BFH v. 27.12.2010, IX B 107/10, juris unter Bezugnahme vor allem auf BFH v. 17.8.2005, IX R 10/05, BStBl. II 2006, 71, 72; ferner BFH v. 11.9.2007, IX B 4/07, BFH/NV 2007, 2291; B. Heuermann, in: Blümich, EStG, § 21 Rn. 543 jeweils für § 21 EStG.

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Die „Richtungsfrage“

VI. Senat aus: „Vergleichspreis ist dabei grundsätzlich der günstigste Preis am Markt.“1521 Schließlich findet sich eine vergleichbare Rechtsprechung auch in Bezug auf die bewertungsrelevanten Daten bzw. Informationen bei der Bedarfsbewertung von Grundbesitz. Zu nennen ist hier beispielsweise die Rechtsprechung des II. Senats des Bundesfinanzhofs zu nur in Bandbreiten verfügbaren Bodenrichtwerten: Zwar konstatiert der II. Senat zuerst, dass eine Richtwertkarte des Gutachterausschusses, die eine Preisspanne vorgibt, für Zwecke der steuerlichen Bewertung des Grundbesitzes ungeeignet sei und nicht dem § 145 Abs. 3 BewG entspreche. Dies rechtfertige aber keine eigene Schätzung des Finanzgerichts. Vielmehr könne dann „bei der Ermittlung des Grundbesitzwerts […] nur der unterste Wert der angegebenen Wertspanne übernommen werden“.1522 Entsprechendes gilt nach Ansicht der Finanzverwaltung zum Teil auch für das Vergleichswertverfahren nach Maßgabe des § 183 BewG. Hierbei sind Kaufpreise von Grundstücken heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen. Grundlage sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Vergleichspreise (§ 183 Abs. 1 Sätze 2, 3 BewG). Anstelle von Vergleichspreisen können zur Ermittlung des Vergleichswerts auch Vergleichsfaktoren herangezogen werden, die vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte für geeignete Bezugseinheiten, zum Beispiel die Wohnfläche (Gebäudefaktor) oder den erzielbaren jährlichen Ertrag (Ertragsfaktor), ermittelt und mitgeteilt werden. Der Vergleichswert ergibt sich dann durch Vervielfachung der Bezugseinheit mit dem Vergleichsfaktor. Dies konkretisiert sodann H B 183 Abs. 3 Sätze 1 u. 2 ErbStH 2011: „Hat der örtliche Gutachterausschuss Vergleichsfaktoren in Spannen veröffentlicht und dabei Differenzierungsmerkmale ausgewiesen, ist der entsprechend differenzierte Wert aus der Spanne zugrunde zu legen. Andernfalls ist regelmäßig nicht der Mittelwert, sondern 1521 BFH v. 26.7.2012, VI R 30/09, BFHE 238, 371 ebenfalls (unter anderem) unter Verweis auf BFH v. 17.8.2005, IX R 10/05, BStBl. II 2006, 71; ähnlich schon BFH v. 4.5.2006, VI R 28/05, BStBl. II 2006, 78, 782 für eine Darlehensgewährung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer: Das Finanzgericht habe zu Recht auf die Untergrenze der in der Bundesbankstatistik vorzufindenden Steuerbreite der statistisch erhobenen Zinssätze abgestellt. Dieser an der Untergrenze liegende Zinssatz sei der übliche im Sine von § 8 Abs. 2 EStG. „Denn üblicherweise nimmt der ein Darlehen nachfragende Kreditnehmer das günstigste Angebot an“. 1522 BFH v. 18.8.2005, II R 62/03, BStBl. II 2006, 5, 7; allerdings hat der erkennende Senat die Sache zurückverwiesen, damit dem Finanzamt Gelegenheit gegeben werden konnte, beim Gutachterausschuss auf die Erarbeitung einer für Zwecke der steuerlichen Bewertung geeigneten Richtwertkarte hinzuwirken.

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Das Meinungsbild zu Teilaspekten der Diskussion

der unterste Wert der Spanne anzusetzen.“1523 Wenn also beispielsweise Quadratmeterpreise in Preisspannen angegeben werden, dann darf nicht der Spitzenpreis und auch nicht der Mittelpreis genommen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige im Zweifel nur den niedrigsten Wert sicher erzielen könnte.1524 Des Weiteren geht die bewertungsrechtliche Literatur für die „üblichen Miete“ im Sinne von § 186 Abs. 2 BewG von nämlichen Günstigergrundsätzen aus: Um im Rahmen der Ertragswertbewertung eines Mietgrundstücks den Rohertrag des Grundstücks bestimmen zu können, muss auf die „übliche Miete“ zurückgegriffen werden, wenn das Gebäude eigengenutzt oder unentgeltlich überlassen ist (Nr. 1). Wenn hierbei auf einen Mietspiegel zurückgegriffen wird, der eine Mietspanne ausweist, so ist auf den niedrigsten Wert abzustellen.1525 Die vorgenannten Beispiele erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es geht allein darum, zu zeigen, dass ein Günstigerprinzip zugunsten des Steuerpflichtigen den Umgang mit den verschiedensten Bandbreiten prägt. Ein solcher Grundsatz wird in den Entscheidungen mal mehr, mal weniger begründet. Die Begründungen sind für sich betrachtet auch nicht universell und scheinen jeweils auf den konkreten Bewertungsanlass zugeschnitten. In vielen Fällen drängt sich freilich der verallgemeinerungsfähige Gedanke auf, dass die Rechtsprechung das Bandbreitenproblem als eine Frage der Feststellungslast ansieht. Jedenfalls lässt sich das Günstigerprinzip zumindest im Ergebnis als der verbindende rote Faden identifizieren. Der vorstehende Überblick hat insbesondere auch gezeigt, dass es keinen Unterschied macht, ob es in der Sache um einen quantifizierenden Rechtswert oder einen der Kontrolle und Zwecksicherung dienenden Rechtswert geht.

1523 Siehe allerdings auch noch B 183 Abs. 3 Sätze 3 f. ErbStH 2011: Kein Vergleichsfaktor in Spannen liegt vor, wenn der Gutachterausschuss den Vergleichsfaktor als festen Wert vorgibt und zusätzlich nach oben und nach unten eine Standardabweichung benennt. In diesem Fall sei als Vergleichsfaktor der vorgegebene Wert anzusetzen. 1524 R. Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 198 Rn. 27. 1525 R. Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 188 Rn. 15; für den Fall, dass der Eigentümer dem Mieter das Grundstück zu einer um mehr als 20 Prozent von der üblichen Miete abweichende tatsächlichen Miete überlassen hat, gilt dies entsprechend: Zu vergleichen ist dann die tatsächliche Miete mit dem jeweils untersten oder dem jeweils obersten Wert der Mietspanne, d.h. eine Miete, die mehr als 20 % niedriger ist als der unterste Wert der Spanne oder die mehr als 20 % höher ist als der Wert der obersten Spanne, kann nicht mehr als ortsüblich angesehen werden (R. Halaczinsky, a.a.O.).

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Die „Richtungsfrage“

2. Hermann-Ulrich Viskorf: Die Gleichheitswidrigkeit eines sogenannten­Meistbegünstigungsgrundsatzes und eines Wahlrechts im Kontext des § 11 Abs. 2 Sätze 2, 4 BewG In seinem Beitrag „Das Rechtsstaatsprinzip und der Wettstreit um den richtigen gemeinen Wert beim Betriebsvermögen“1526 untersucht Hermann-Ulrich Viskorf § 11 Abs. 2 Sätze 2, 4 BewG. Im Mittelpunkt seines Beitrages steht das „Wahlrecht“, das die Norm nach überwiegender Ansicht gewähren soll, nämlich zwischen einer Bewertung nach der Ertragswertmethode oder einer anderen anerkannten Methode einerseits und dem vereinfachten Ertragswertverfahren nach Maßgabe der §§ 199 ff. BewG andererseits. Nach seiner Ansicht ist ein solches Wahlrecht dem Gesetz nicht zu entnehmen. Erst recht gebe es keine Regelung, wie der Steuerpflichtige (oder auch das Finanzamt) das Wahlrecht auszuüben habe und welcher Wert schließlich der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Insbesondere sei dem Gesetz eine Bestimmung, wonach derjenige Wert für die Besteuerung maßgebend ist, der dem Steuerpflichtigen am ehesten entgegenkommt (Meistbegünstigung) und den er anzusetzen bean­tragt, dem Gesetz nicht zu entnehmen. Ungeachtet dessen sei ein solches „ungebundenes Wahlrecht, das einer Besteuerung auf Antrag des Steuerpflichtigen gleichkäme und die Rollenverteilung zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigen auf den Kopf stellte“, mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht zu vereinbaren. Zudem führt er freiheitsrechtliche Einwände an, weil § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG die notwendige Bestimmtheit fehle und die Grundsätze der Normklarheit und Justiziabilität nicht beachtet wären. Ein freies und ungebundenes Wahlrecht zu Gunsten des Finanzamtes sei willkürlich und deshalb verfassungsrechtlich nicht haltbar, wenn sich aus dem Gesetz nicht ergäbe, nach welchen Grundsätzen dieses auszuüben ist.1527 Im Anschluss an diese gleichheitsrechtlichen und freiheitsrechtlichen Anknüpfungspunkte führt Hermann-Ulrich Viskorf sodann fort: Das Gesetz ordnet den Ansatz des gemeinen Werts an. Dieser kann nur im Schätzungswege ermittelt werden. Dabei ergibt sich – wie oben bereits dargelegt – zwangsläufig eine erhebliche Streubreite, so dass alle Werte, die sich innerhalb dieser Schätzungsstreubreite befinden, als gemeine Werte anzusehen und grundsätzlich als Stichtagswert anzusetzen sind, ohne dass empirisch nachweisbar und damit justiziabel wäre, welch­er der auf den konkreten Stichtag zu ermittelnde Wert der „richtige“ Wert ist. Innerhalb der Schätzungs1526 H.-U. Viskorf, ZEV 2009, 591 ff. 1527 H.-U. Viskorf, ZEV 2009, 591, 594.

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Das Meinungsbild zu Teilaspekten der Diskussion

streubreite gibt es weder einen „richtigen” noch einen „zu hohen“ oder „zu niedrigen“ Wert. Selbst die Grenzen der möglichen Schätzungsstreubreite sind fließend und nur schwer fassbar. Die Jagd nach dem „richtigen” Wert führt zwangsläufig in eine Endlosschleife und kann nicht zu einem befriedigenden und rechtsstaatlichen Ansprüchen entsprechenden Ergebnis führen. Dasselbe gilt auch für die Auffassung, das FA habe zu prüfen, ob der sich aus einem vom Steuerpflichtigen beigebrachten Gutachten ergebende Wert den gemeinen Wert zutreffender abbilde. Auch hier wird vom FA Unmögliches verlangt. Denn dies erforderte, den gemeinen Wert auf einen bestimmten Stichtag zu kennen. Dieser ist aber gerade unbekannt und soll im Schätzungswege erst ermittelt werden. Angesichts dieses Befundes darf der Gesetzgeber die Auswahl der Schätzungsmethode weder dem Finanzamt noch dem Steuerpflichtigen nach freiem Ermessen überlassen. Dies würde auf Seiten des Finanzamt der Willkür Tür und Tor öffnen und es den Steuerpflichtigen ermöglichen, das ihren Interessen am ehesten entsprechende Schätzungsergebnis und damit die maßgebliche Höhe der Besteuerungsgrundlagen vorzugeben. Hängt die Höhe der Steuerbelastung letztlich davon ab, welchen ideellen oder finanziellen Einsatz der Steuerpflichtige in den Nachweis eines für ihn günstigen Werts für das Betriebsvermögen zu erbringen bereit oder gar in der Lage ist, kann von rechtsstaatlichen Verhältnissen eigentlich nicht mehr gesprochen werden. Eine Gesetzesinterpretation, wonach die Bestimmung der Wertermittlungsmethode, die unmittelbar auf die Höhe der Steuerbemessungsgrundlage und damit auch auf die Steuerbelastung durchschlägt, den Beteiligten obliegt, ist mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar.1528 Dies sind Worte, aus denen letztlich nicht unerhebliches Misstrauen gegenüber den beiden anderen Akteuren spricht. Ihr Urheber differen­ziert freilich nicht immer zwischen der Meistbegünstigung im Sinne einer abstrakten Maßstabsvorgabe, wonach immer der dem Steuerpflichtigen günstigste Wert der Besteuerung zugrunde zu legen ist, einerseits und der davon streng zu unterscheidenden Kompetenzfrage, nämlich der Frage, welcher der Akteure die auf dem Weg zur Bandbreite bestehenden Spielräume auszuüben berechtigt ist und welcher der Akteure aus der Bandbreite heraus bestimmt, welches der Bandbreitenergebnisse als „das günstigste Ergebnis“ gilt, andererseits. Man wird ihn aber so verstehen 1528 H.-U. Viskorf, ZEV 2009, 591, 594 f.

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Die „Richtungsfrage“

müssen, dass er letztlich beides verfassungsrechtlich für unzulässig erachtet, d.h. sowohl die Meistbegünstigung an sich als auch überhaupt die Existenz von Spielräumen – gleich wer sie auszuüben hat. Die Schlussfolgerung, die Hermann-Ulrich Viskorf im Anschluss an diesen verfassungsrechtlichen Befund für die Auslegung zieht, ist uns bereits unter § 7 I. 2. c. begegnet: Die Formulierung des § 11 Abs. 2 Satz 4 BewG, wonach die §§ 199 ff. BewG „zu berücksichtigen [sind]“ müsse dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, dass sie eine verbindliche Anweisung an das Finanzamt enthalte, das vereinfachte Ertragswertverfahren als Regelbewertungsverfahren grundsätzlich anzuwenden, soweit nicht ein anderes Verfahren verbindlich vorgeschrieben ist (z.B. § 11 Abs. 1 BewG) und es nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.1529 Die These und ihre verfassungsrechtliche Herleitung zielen zwar direkt nur auf § 11 Abs. 2 BewG ab. Sie müssen aber angesichts ihrer Begründung für jeglichen Verkehrswert gelten.

III. Eigene Position: Der Günstigergrundsatz als Regelerkenntnis vorbehaltlich normspezifi­scher Besonderheiten Eigene Position: Günstigergrundsatz als

Regelerkenntnis

Die Antwort auf die eingangs aufgeworfene Frage kann immer nur jede Bewertungsnorm für sich geben. Bevor wir uns der Auslegung der materiellen Bewertungsnorm widmen, ist in Erinnerung zu rufen, dass allein der Gesetzgeber dazu befugt ist, anzuordnen – und dann auch zu rechtfertigen –, warum der Bewertende einen Wert aus der Bandbreite gegen sich gelten lassen muss, der höher ist als ein Wert, der für eine gerechte Lasten­tragung bereits ausreichend ist (§ 8 I. 2. d.). Insoweit gehen die bisherigen Erkenntnisse zumindest in einem Punkt mit Hermann-Ulrich Viskorf konform: Die Frage, wie die Bandbreite mit ihren allesamt „rechtmäßigen“ Einzelwerten zu einem einwertigen Rechtsanwendungsergebnis gebracht wird, ist durch den Gesetzgeber zu regeln. Mit der Aktivierung der Freiheitsrechte gegenüber der Bewertung verschiebt sich allerdings das Regel-Ausnahme-Verhältnis: Es geht hier nicht um eine Normierung als Abweichung von Art. 3 Abs. 1 GG (denn alle Werte sind gleichheitskonform), sondern um eine Normierung wegen der freiheitsrechtlichen Grundrechtswesentlichkeit dieser Frage gegenüber dem bewertenden Steuerpflichtigen.

1529 H.-U. Viskorf, ZEV 2009, 591, 595.

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Eigene Position: Günstigergrundsatz als Regelerkenntnis

Unter Beachtung dieser Regel-Ausnahme-Akzentuierung muss die Bewertungsnorm die Richtungsfrage beantworten. Ausgangspunkt ist dabei jeweils die konkrete Bewertungsnorm. Dies schränkt auf den ersten Blick verallgemeinerungsfähige Aussagen ein; jedenfalls muss unter diesem Vorbehalt jeder norm- und rechtswertübergreifende Ansatz zwangsläufig stehen. Betrachtet man die unter § 3 III. bereits dargestellten Bewertungsnormen, so zeigt sich allerdings schnell, dass dieser Vorbehalt hier kaum eine Bedeutung erlangt. Denn es lässt sich weitestgehend konstatieren, dass der Wortlaut der Bewertungsnormen – wenn man von § 1 Abs. 3 AStG absieht (dazu § 11 I.)  – keine Anweisungen enthalten, die einer übergreifenden Betrachtung entgegenstehen, und auch die Regelungskonzepte und -zusammenhänge weitgehend identisch sind. Dies gilt insbesondere für die allgemeinen Normen des § 9 BewG (gemeiner Wert) und § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG (Teilwert). Damit rückt das Regelungskonzept, in das die Bewertungsnorm eingebettet ist, in den Mittelpunkt. Der Einnahmezweck der Gesamtsteuernorm bleibt dabei außen vor. Er ist Motiv aber nicht die Rechtsanwendung leitender Telos (siehe bereits § 5 II.). Dies bedeutet, dass die Bewertungsnorm nicht allein wegen der fiskalischen Auswirkung dahingehend ausgelegt werden darf, dass aus der Bandbreite immer der Wert mit der höchsten Steuerfolge zugrunde zu legen ist. Ein norm- und rechtswertübergreifender Ansatz muss vielmehr den von der Einnahmeerzielung zu unterscheidenden „konkreten Zweck“ in den Blick nehmen. Etwaigen Bedenken wegen einer teleologischen Überhöhung ab­ strakter Prinzipien bei der Auslegung des einfachen Rechts wurde bereits unter § 5 II. die zustimmende Anerkennung gezollt. Gleichwohl wurde dort auch festgehalten, dass mit der Vergleichsfunktion der Bewertungsnorm ein ausreichend vom Gesetzgeber vorgeprägter und individualisierter Normzweck vorhanden ist: Verkehrswerte sollen zu einem Rechtsanwendungsergebnis führen, für das eine ausreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne eines hypothetischen Preises spricht, und dies deshalb, weil hierin der Tauschwert zum Ausdruck kommt, welcher den Vergleich verschiedener Bewertungsgegenstände im Lichte des jeweils einschlägigen Belastungsgrundes erlaubt. Zu vergegenwärtigen gilt es dabei noch einmal, dass dieser Zweck durch jeden Wert, der innerhalb der im ersten Schritt gewonnenen Bandbreite liegt, erfüllt wird. Setzt man diese Erkenntnis in Beziehung zu ihrer gleichheitsrechtlichen Fundierung, führt dies zu dem bereits an anderer Stelle bemühten Bild von den Steuerpflichtigen als eine Art gleichheitsrechtliche Gegenseitigkeitsgemein-

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Die „Richtungsfrage“

schaft1530 und damit zur Reduzierung auf eine entscheidende Frage: Wie viel Lastentragung schulden sich die Steuerpflichtigen im Lichte des Belas­tungsgrundes gegenseitig, wenn das Steuerrecht die sich aus der Natur der Verkehrswertbewertung ergebenden Spielräume aufnimmt (siehe § 7 I. 2. a.)? Die Antwort kann im Lichte der Vergleichsfunktion nur lauten: So viel wie nötig ist, um „Gleichheit“ in Bezug auf die Lastentragung herzustellen, aber auch nicht mehr. Da sich nie „mathematisch exakt“ bestimmen lässt, was in diesem Sinne gleich bzw. vergleichbar ist, kann sich die vergemeinschaftete Gegenseitigkeit nur auf eine intersubjektiv nachvollziehbare Bewertung innerhalb der gesetzlichen Grenzen richten – auf mehr nicht, aber auch nicht auf weniger. Die anderen Steuerpflichtigen („die Gemeinschaft“) können somit keine mit einem (aus Sicht des konkreten Steuerpflichtigen) ungünstigeren Wert einhergehende höhere Belastung verlangen, weil ihr Anspruch auf Belastungsgleichheit mit jedem intersubjektiv nachvollziehbar begründeten Bandbreitenwert gleichermaßen erfüllt werden kann. Auch durch den Ansatz des für den konkreten Steuerpflichtigen günstigsten (aber als Teil der Bandbreite normkonformen) Wertansatzes erfüllt dieser den ihm vom Gesetz im Verhältnis zu anderen Steuerpflichtigen auferlegten Beitrag an die Gemeinschaft.1531 Festzuhalten ist also: Sofern sich aus der Bewertungsnorm nicht etwas anderes ergibt, ist sie grundsätzlich so auszulegen, dass der für den Steuerpflichtigen günstigste der vertretbaren Werte in Ansatz zu bringen ist. Das Günstigkeitsprinzip lässt sich somit als Regelerkenntnis der teleologischen Auslegung formulieren; es folgt aus 1530 Vgl. K.-D. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, S. 271; R. Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, S. 44 f. u. S. 309 ff.; H. Weber-Grellet, StuW 1993, 97; K. Tipke, in: Festschrift f. Wallis, S. 133. 1531 An dieser Stelle zeigt sich anschaulich die Relativität der Frage, wie mit der Bandbreite umzugehen ist: Wenn aus gesellschaftsrechtlichem Anlass der Frage nachgegangen wird, wie die allein schon wegen des Entscheidungsfeldes bestehende Bandbreite aufzuteilen ist, so sind dort andere, spezifisch aus der jeweiligen Sonderverbindung oder den Wertungen des Gesellschaftsrecht abzuleitende Aufteilungskriterien zu suchen; dort geht es zum Beispiel um die Frage, ob und inwieweit der ausscheidende Gesellschafter an einem „gemeinsamen Gewinn“ verstanden als Teil der Differenz aus seinem Grenzpreis und dem Grenzpreis eines gedachten Erwerbers partizipiert (vgl. zum Beispiel G. Mandl/K. Rabel, in: Festschrift f. Rückle, S. 45, 59 f.; U. Ränsch, AG 1984, 202, 206). Der hier für das Steuerrecht herausgearbeitete Begründungsansatz kann dorthin nicht übertragen werden, lebt er nämlich einerseits von der Belastungsgleichheit und andererseits von der freiheitsrechtlich effektuierten Verhältnismäßigkeit. Hier äußert sich sowohl das Spezifikum des steuerlichen Bewertungsanlasses im Besonderen, aber auch das des Staat-Bürger-Verhältnisses, in welchem er stattfindet, im Allgemeinen.

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Eigene Position: Günstigergrundsatz als Regelerkenntnis

einer den Sinn und Zweck der Vergleichsfunktion verwirklichenden Auslegung. Hiervon kann der Gesetzgeber natürlich abweichen. Dies kann er aber nicht uneingeschränkt (siehe § 8 I. 2. d. am Ende, dort insbesondere auch zur Mittelwertentscheidung des § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG). Angesichts des bereits einleitend betonten Regel-Ausnahme-Verhältnisses streitet hierfür neben den (einfachen) teleologischen Gesichtspunkten auch unmittelbar der freiheitsrechtliche Bezug der Bewertung und zwar im Sinne einer verfassungsorientierten Auslegung.1532 Es geht um die Akzentuierung der freiheitsrechtlichen Erkenntnis, dass Art. 14 GG auch davor schützt, in einer Ungewissheitssituation mit mehreren Belastungsalternativen nicht das Risiko tragen zu müssen, mehr als die für eine gleichmäßige Lastentragung notwendige Eigentumsfreiheit einzubüßen. Sofern der Gesetzgeber innerhalb der ihm verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen nichts anderes gesetzlich bestimmt hat, wirkt die freiheitsrechtliche Gewährleistung auch bei der Auslegung des einfachen Rechts (steuernd) und beansprucht damit vermittelt über das einfache Recht ihre Geltung auch unmittelbar gegenüber Verwaltung und Gerichtsbarkeit als staatliche Rechtskonkretisierer im konkret-individuellen Einzelfall. Die an den Gesetzgeber adressierte Rechtfertigungsbedürftigkeit eines „Mehrzugriffs“ (Vorrang eines Wertes der zu einer höheren Steuerbelastung führt) trotz Erreichbarkeit des legislativ gesetzten Ziels (Ermittlung eines im Verhältnis zu anderen Steuerpflichtigen gleiche Leistungsfähigkeit vermittelnden Wertes) durch ein milderes Mittel (niedrigerer Wert, der sich ebenfalls in der Bandbreite vertretbarer Werte hält) wird damit zu einer strikten Rechtsanwendungsvorgabe. Sowohl der (einfachen) teleologischen Auslegung als auch der verfassungsorientierten Auslegung kann auch nicht der bereits im allgemeinen Teil angesprochene Grundsatz der Zweischneidigkeit entgegengehalten werden (§ 5 II.). Es mag theoretisch denkbar sein, dass die für einen Steuerpflichtigen unter Hinweis auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „günstigste“ Rechtsanwendung „auf Kosten“ der übrigen Steuerpflichtigen erfolgt, weil der nunmehr weniger aufgebrachte Betrag durch alle aufzubringen ist. Hier wird letztlich eine Konfliktsituation behauptet, die man als Nullsummenkonflikt bezeichnet: Der Gewinn des einen 1532 Dazu bereits § 5 II. sowie zur Abgrenzung von der verfassungskonformen Auslegung im Übrigen M. Desens, FR 2011, 745, 750; H. Dreier, Die Verwaltung 36 (2003), S. 105, 110; C. Seiler, Auslegung als Normkonkretisierung, S. 33; R. Wendt, in: Festschrift f. Würtenberger, S. 123 ff.; da die Bewertungsnorm durchaus – in den unter § 7 I. 4. dargelegten Grenzen – eine für den Steuerpflichtigen weniger günstige Konkretisierungsentscheidung verfassungskonform vorsteuern könnte, geht es nicht um eine verfassungskonforme Auslegung.

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Die „Richtungsfrage“

Spielers entspricht dem Verlust des anderen Spielers. Was der eine gewinnt, muss der andere herausgeben.1533 Dabei ist freilich schon fraglich, was aus einer solchen „Wirkungsbetrachtung“ für den Gleichheitssatz überhaupt abgeleitet werden kann. Die Frage darf nicht sein, ob eine ano­ nyme Masse der Steuerpflichtigen betragsmäßig (mehr-) belastet wird. Sie muss lauten, ob das freiheitsrechtlich schonendere Ergebnis gleichheitskonform ist. Das ist nicht dasselbe. Dies zeigt insbesondere die Bewertung, wo es eben nicht „das eine gleichheitskonforme Ergebnis“ gibt. Der „Anspruch“ der anderen Steuerpflichtigen auf Belastungsgleichheit wird auch mit dem für den Steuerpflichtigen, dessen Vermögen für Steuerzwecke zu bewerten und dessen gesetzlich konkretisierte Leistungsfähigkeit mit derjenigen der anderen Steuerpflichtigen vergleichbar zu machen ist, günstigsten, ihn also am geringsten belastenden Wert erfüllt. Gerade dies ist die Kernaussage und zugleich das Kernanliegen des Erforderlichkeitsgedankens, wie er der freiheitsrechtlichen Effektuierung innerhalb der Lastenausteilungsentscheidung zugrunde liegt (§ 8 I. 2. d.). Festzuhalten ist somit: Die für den Steuerpflichtigen günstigste (Bewertungs-)Rechtsanwendung geht nicht zu Lasten der übrigen Steuerpflichtigen; der Gedanke der Zweischneidigkeit ist (jedenfalls) im hiesigen Verkehrswertkontext ohne Aussagekraft. Ist das Auslegungsergebnis damit abgesichert, so ist der Blick noch einmal der Klarstellung wegen auf die Verorterung des Günstigerprinzips zu richten: Ergibt die Auslegung der jeweils einschlägigen Bewertungsnorm nach den vorstehenden Grundsätzen, dass der für den Steuerpflichtigen günstigste Wertansatz aus der Bandbreite heraus zu konkretisieren ist, so handelt es sich hierbei um ein materielles Anwendungsprinzip. Das Günstigerprinzip ist keine Frage der Feststellungslast. Es kommt gar nicht erst zu einem non-liquet.

IV. Die Konkretisierung der freiheitsschonenden Einwertigkeits­ entscheidung im Sinne ihrer Steuerwirkung? Konkretisierung der Einwertigkeits­entscheidung

Eine derart an der Perspektive des Steuerpflichtigen orientierte Wertbestimmung führt zu der Frage, welcher Wert begünstigend wirkt. Hat der Steuerpflichtige die Wahl innerhalb der gesamten Bandbreite mit der Folge, dass er seine Steuerplanung sogar mit dem vertretbaren Höchstwert umsetzen kann? Auf den ersten Blick mag die Frage irritierend wirken, da man grundsätzlich erwartet, dass sich der Steuerpflichtige im Sinne eines „natürlichen, steuersparenden Bestrebens“ immer für einen mög1533 K. F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 456.

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Konkretisierung der Einwertigkeits­entscheidung

lichst niedrigen Wert entscheiden wird. Dies ist jedoch wegen der Gesamtzusammenhänge, in die einzelne Werte mit Wechselwirkung eingebunden sind, nicht immer der Fall. Zu nennen sind hier die Fälle (letztmaliger) Verlustverrechnungen bei Umstrukturierungen: Verluste von Kapitalgesellschaften gehen bei Umstrukturierungsmaßnahmen, bei denen die Kapitalgesellschaft übertragender Rechtsträger ist, regelmäßig unter (vgl. nur § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Deshalb ist es zulässig und im Regelfall auch sinnvoll, diesen Verlust in der letzten juristischen Sekunde der Kapitalgesellschaft noch mit einem Übertragungsgewinn, der aus der Aufdeckung der im Vermögen dieser Kapitalgesellschaft ruhenden stillen Reserven stammt, zu verrechnen und damit faktisch den Verlust in Gestalt des „Abschreibungspotentials“ – soweit abnutzbare Wirtschaftsgüter übergehen – (doch) auf den übernehmenden Rechtsträger zu übertragen.1534 Diese letztmalige Verlustverrechnung setzt eine Aufdeckung stiller Reserven und damit eine hohe, möglichst präzise zwischen Zwischenwert und gemeinem Wert zu konkretisierende Bewertung voraus. Auch die neuere Rechtsprechung zur Nichtvererblichkeit von Verlustvorträgen beim Tod eines Menschen löst solche Bewertungsinteressen aus.1535 Ein weiteres sehr relevantes Beispiel ist mit der Erbschaftsteuerreform einhergegangen und beruht auf der Ausgestaltung des sogenannten Verwal­ tungsvermögenstestes. Die Verschonung für unternehmerische Einheiten im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG wird nicht gewährt (Allesoder-nichts-Prinzip), wenn deren Vermögen zu mehr als 50 % (Regelverschonung) oder mehr als 10 % (Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG) aus Verwaltungsvermögen besteht. Für diesen sogenannten Verwaltungsvermögenstest ist die Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens in das Verhältnis zum gemeinen Wert des Betriebes zu setzen (§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Dies führt zu dem (kuriosen) Ergebnis, dass ein hoher Unternehmenswert die Unterschreitung der schädlichen Verwaltungsvermögensgrenze von 50 % bzw. 10 % gegebenenfalls erst ermöglicht oder zumindest umso sicherer macht. Mit anderen Worten: Höhere Unternehmenswerte können zu einer niedrigeren Steuerbelastung führen.1536 Betrachtet man ferner noch die Verwaltungsvermögens-Sonderregelung für Zahlungsmittel und vergleichbare Wirtschaftsgüter in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG, die einen 20 %-igen Freibetrag vorsieht, der ebenfalls an den gemeinen 1534 Statt vieler D. Klingberg, in: Blümich, UmwStG, § 12 Rn. 42. 1535 Dazu D. Piltz, ZEV 2008, 376 ff.; E. Wälzholz, DStR 2008, 1769 ff. 1536 Dazu H. Hübner, Ubg 2009, 1, 8 f.; G. Scholten/L. Korezkij, DStR 2009, 147, 148.

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Die „Richtungsfrage“

Wert der wirtschaftlichen Einheit anknüpft, dann wir dieses Paradoxon sogar noch einmal verstärkt. Der Unternehmenswert hat im Verwaltungsvermögenstest eine „doppelte Relevanz“, was eine Hebelwirkung zur Folge haben kann.1537 Die Antwort auf die eingangs formulierte Frage ist bereits in der Begründung des Günstigerprinzips enthalten: Wenn sich die Steuerpflichtigen bei normativer Anerkennung von Wertbandbreiten nur so viel Gleichheit wie nötig schulden und diese „Schuld“ durch jeden intersubjektiv nachvollziehbar begründeten Bandbreitenwert gleichermaßen „gerecht“ erfüllt werden kann, dann ist es nur folgerichtig, das Günstigerprinzip dahingehend zu verstehen, dass immer der Wert zu wählen ist, der für den Steuerpflichtigen aus seiner subjektiven Zielsetzung heraus am günstigsten ist. Dies kann dann eben auch der „Höchstwert“ sein, wenn der Steuerpflichtige sich hiervon – insbesondere durch die normative vanz dieses Wertes bedingt (siehe die vorstehenden Beispiele) – Rele­ aus seiner subjektiven Perspektive die von ihm angestrebte Gesamtsteuerrechtsfolge verspricht. Die Tatsache, dass dies einem Besteuerungswahl­ recht gleichkommen kann, was gerade der Verwaltungsvermögenstest anschaulich zeigt, ist dabei unschädlich. Denn dieser Mechanismus (höherer Wert führt zu einer niedrigeren bzw. überhaupt keiner Besteuerung) ist im Gesetz angelegt und kann daher auf der Bewertungsebene kein Gegenargument sein. Er gehört zur gesetzgeberischen Lastenausteilungsentscheidung und muss (jedenfalls) einfach-rechtlich hingenommen werden.

1537 F. Hannes, DStR 2013, 1417, 1418.

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§ 12 Die „Kompetenzfrage“: Zur Bewertungsprärogative bei wertenden und prognostischen Rechtsanwendungs­ beiträgen sowie der Einwertigkeitsentscheidung I. Das Dogma der Wertschätzung nach § 162 AO (i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) Wenn es nach alledem mehrere Bewertungsergebnisse gibt, die allesamt die Vergleichsfunktion in ihrem jeweiligen Bewertungsumfeld erfüllen und damit letztlich auch den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügen, und aus der Bandbreite zulässiger Werte der für den Steuerpflichtigen günstigste Wert heraus zu konkretisieren ist, führt dies zu der Folgefrage, die sich immer dann stellt, wenn derartiger Konkretisierungsbedarf auf eine Vielzahl von Akteuren trifft, nämlich zur Kompetenzfrage1538: Welchem der Akteure (Verwaltung, Gericht, Steuerpflichtiger, unabhängiger Dritter) ist von Seiten des Gesetzgebers die Verantwortung bzw. die Befugnis zur Konkretisierung übertragen worden? Oder auf die im Verwaltungsrecht am Ende maßgebliche entscheidungsorientierte Zweiteilung zwischen Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit des die Bewertung verarbeitenden Rechtserkenntnisaktes bezogen: Bestehen mehrere vertretbare Rechtsanwendungsergebnisse, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung darauf an, wem die Rechtsordnung die Kompetenz zuerkennt, unter den in Betracht kommenden Bandbreitenwerten den als „einzig richtig“ zu geltenden Verkehrswert auszuwählen1539 (dazu auch bereits § 4 I.). Die Verbindung zu § 12 ist eng: Wer darf bestimmen, was für den Steuerpflichtigen bezogen auf seinen „Plan“ oder sein sonstiges „Interesse“ als „günstig“ gilt? Bei der Bewertung präjudiziert sich die Rechtsprechung insoweit durch die von ihr herangezogene Norm. Sie ordnet die Bewertung seit jeher der Schätzungsbefugnis des § 162 Abs. 1 AO zu.1540 Hierin kommt die klassi1538 Zum inneren Zusammenhang zwischen der gesetzlichen Programmierung und der Kompetenzfrage vor allem BVerwG v. 2.4.2008, 6 C 15/07, BVerwGE 131, 41, 47 f.; H.-U. Erichsen, VerwArch 63 (1972), S. 337; E. Gurlit, VVDStRL 71 (2011), S. 227, 239; K.-E. Hain, in: Festschrift f. Starck, S. 35, 42; W. Hoffmann-Riem, in: derselbe/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Band 1, § 10 Rn. 13, 16 ff., 56 ff., 70 ff.; F. Ossenbühl, DVBl. 1974, 309, 310; F. E. Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn. 39. 1539 In Anlehnung an eine Formulierung von H.-U. Erichsen, DVBl 1985, 22, 26. 1540 Für die Bewertung unternehmerischer Einheiten zum Beispiel BFH v. 16.6.1970, II 95/64 u.a., BStBl. II 1970, 690, 694 (noch zu § 217 RAO); v. 6.2.1991, II R 87/88,

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Die „Kompetenzfrage“

sche steuerverwaltungsrechtliche Kompetenzverteilung zum Ausdruck, nämlich die Konzeptionierung vom behördlichen Vollzug her1541: Die Behörde hat in Erfüllung ihrer Amtsermittlungspflicht den Wert eines Gegenstandes hoheitlich zu ermitteln und dies letztlich im Wege der Schätzung. Ohne den Steuerpflichtigen kann die Behörde diese Aufgabe freilich nicht erfüllen. Aus Sicht derer, die den Gesetzesvollzug allein als hoheitliches Modell begreifen, erscheint der Steuerpflichtige hier lediglich als Aufklärungs- und Beweismittel in eigener Sache.1542 An der Vollzugsrealität geht dies freilich vorbei. Infolge der Steuererklärungspflichten ist es in zeitlicher und sachlicher Hinsicht der Steuerpflichtige, der zuerst das Gesetz anzuwenden hat. Er hat einen Erstbewertungsvorschlag abzugeben, der von der Finanzbehörde (lediglich) geprüft wird (§ 10 II. 2. a., siehe auch bereits § 5 IV. 1.). Dieser rechtsrealen Erkenntnis ungeachtet ist allerdings gleichwohl festzuhalten, dass es die Behörde ist, die – von den Steueranmeldungsfällen abgesehen – das Rechtsanwendungsergebnis „hoheitlich erstkonkretisiert“. Sie ist letztlich diejenige, die im Verhältnis zum Bürger eine Entscheidung zu treffen hat, die diesem gegenüber verbindlich ist, und dies tut sie im klassischen behördlichen Vollzugsmodell ohne Bindung an den Erstbewertungsvorschlag des Steuerpflichtigen. Der Reichsfinanzhof hat hieran in einer Entscheidung zum Teilwert keinen Zweifel gelassen: „Das Finanzamt ist berechtigt und verpflichtet, in freier Würdigung der gesamten Tatumstände die vom Pflichtigen angesetzten Werte zu prüfen und über ihre Ordnungsmäßigkeit zu entscheiden. Hierbei hat es die Auffassung des Pflichtigen, der seine eigenen Verhältnisse am besten zu überblicken vermag, zu berücksichtigen. Sie bildet für das Finanzamt jedoch keine irgendwie geartete rechtliche Bindung, sondern ausschließlich Beweisunterlage, einen Gesichtspunkt im Rahmen der Tatbestandswürdigung“.1543

BStBl. II 1991, 459 f.; v. 1.2.2007, II R 19/05, BStBl. II 2007, 635; FG Rheinland-Pfalz v. 24.4.2009, 4 K 1274/05, EFG 2009, 1272; FG Hamburg v. 28.4.2009, 3 K 43/09, EFG 2010, 103, 105 sowie für den angemessenen Fremdvergleichswert bei der verdeckten Gewinnausschüttung zum Beispiel BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 2.4.2008, II R 59/06, BFH/NV 2008, 1124; v. 17.2.2010, I R 79/08, BFH/NV 2010, 1307, 1308 (angemessenes Gehalt eines Gesellschafter-Geschäftsführers); FG Sachsen-Anhalt v. 21.2.2008, 3 K 305/01, juris (angemessener Zinssatz für ein Gesellschafterdarlehen). Die Zivilrechtsprechung schätzt auf der Grundlage von § 287 ZPO (siehe nur BGH v. 12.3.2001, II ZB 15/00, NJW 2011, 2080; KG v. 19.5.2011, 2 W 154/08, NZG 2011, 1302; OLG München v. 2.4.2008, 31 Wx 85/06 u.a., juris; OLG Stuttgart v. 17.10.2011, 20 W 7/11, juris). 1541 C. Trzaskalik, DStJG 12 (1989), S. 157, 159. 1542 Vor allem S. Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, S. 135 ff., 146, 166, 236. 1543 RFH v. 7.12.1938, VI 715/38, RFHE 46, 7, 9.

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Das Dogma der Wertschätzung nach § 162 AO

Die finanzbehördliche Entscheidung verkörpert allerdings nicht das letzte Wort in Ansehung der Bewertungsfrage. Dieses ist vielmehr den Finanzgerichten zugewiesen. Die Schätzung gemäß § 162 AO ist insbesondere keine Ermessenscheidung. Zwar ist auch die Ermessensermächtigung dadurch gekennzeichnet, dass sie eine „Bandbreite der Entscheidungsmöglichkeiten“ eröffnen kann, die das Recht sodann in gleicher Weise als vertretbar und damit rechtmäßig ansieht.1544 Bei § 162 AO fehlt es indes bereits an einem ermittelten Sachverhalt in Ansehung dessen die Behörde Schlussfolgerungen ziehen kann. Vielmehr geht es gerade darum, unter Zugrundelegung eines reduzierten Beweismaßes und unter Meidung einer ansonsten notwendigen Beweislastentscheidung den Sachverhalt erst festzustellen. Die Schätzung ist im Prozess der Rechtsanwendung daher grundsätzlich der Sachverhaltsfeststellung zuzurechnen.1545 Sie ist mithin strukturell ein aliud zum Ermessen und damit gilt insbesondere auch § 102 FGO nicht. Vielmehr sieht § 96 Abs. 1 Halbssatz 2 FGO die Befugnis und gegebenenfalls auch Verpflichtung des Finanzgerichts zu einer eigenen Schätzung vor.1546 Dieser Pflicht kann das Finanzgericht freilich auch durch eine selbst geprüfte und sodann übernommene Schätzung des Finanzamtes nachkommen1547 mit der Folge, dass das Finanzgericht häufig nur den substantiierten Einwendungen des Steuerpflichtigen gegen die Schätzung der Finanzbehörde nachgehen muss. Ebenso gut kann das Finanzgericht aber auch losgelöst von bis dahin vorliegenden Bewertungen den Wert (sachverständig beraten) schätzen. Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Heranziehung des § 162 AO zu einer uneingeschränkten Letztentscheidungsbefugnis des Tatrichters in Bezug auf alle tatsächlichen, prognostischen und rechtlichen Aspekte einer Bewertung führt.

1544 BVerwG v. 16.12.1971, 1 C 31/68, BVerwGE 39, 197, 203; K. Buciek, in: Beermann/Gosch, AO, § 162 Rn. 16; K. Redeker, DÖV 1971, 757, 762. 1545 K. Buciek, in: Beermann/Gosch, AO, § 162 Rn. 15; M. Jachmann, Die Fiktion im Öffentlichen Recht, S. 184; R. Rüsken, in: Klein, AO, § 162 Rn. 1; R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 162 Rn. 2, 29 mit weiteren Nachweisen. 1546 BFH v. 16.6.1970, II 95/64 u.a., BStBl. II 1970, 690, 694 (noch zu § 217 RAO); R. Seer, in: Tipke/Kruse, FGO, § 162 Rn. 9. 1547 BFH v. 6.2.1991, II R 87/88, BStBl. II 1991, 459; v. 12.10.2005, VIII B 241/04, BFH/ NV 2006, 326.

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Die „Kompetenzfrage“

II. Eigene Position: Hoheitliches Vollzugsmodell mit teilweiser Letztkonkretisierungsbefugnis durch den Steuerpflichtigen Eigene Position: Teilweise Letztkonkretisierungsbefugnis des Steuerpflichtigen

1. Die Bandbreitenproblematik als normspezifische Frage der Bewertungs­norm Dieses „Dogma der Wertschätzung nach Maßgabe des § 162 AO“ wird zu Recht abgelehnt. Insoweit kann an die im steuerrechtlichen Schrifttum bereits vertretene Auffassung angeknüpft werden, wonach die Wertermittlung ein normspezifisches Rechtsanwendungsproblem jeder einzelnen Bewertungsnorm ist.1548 Zur Begründung wird angeführt, dass die Befugnis, auf einer unsicheren bzw. nicht abschließend wahrnehmbaren, gegebenenfalls dem Rechtsanwender zur Konkretisierung überlassenen Tatsachengrundlage zu entscheiden, bereits in der Bewertungsrechtsnorm selbst angelegt sei. Die Bewertungsnorm selbst ermächtige also bereits zur Schätzung. Die komplexen Tat- und auch Rechtsfragen würden also anders als bei § 162 AO gerade nicht im Wege der Schätzung „übersprungen“. Vielmehr gehöre der Unsicherheitsfaktor zu den durch die Bewertungsnorm unmittelbar vorgegebenen, also gesetzlich legitimierten Eigenheiten jeder konkreten Bestimmung des Wertes.1549 Das Ergebnis verdient Zustimmung und auch die Begründung weist einen überzeugenden Weg. Denn es ist nun einmal die Eigenart der Bewertung, dass die komplexen Tat- und Rechtsfragen und die Schlussfolgerung im Lichte der natürlichen Bewertungsunsicherheit auf einen einzigen Punktwert als geschätztes Rechtsanwendungsergebnis zu bringen sind. Insoweit ist es auch folgerichtig, wenn einzelne Bewertungsnormen sogar in Bezug auf einzelne Daten und Informationen ausdrücklich von einer Schätzung sprechen (so zum Beispiel bei der Grundstücksbewertung: Schätzung der ortsüblichen Miete in § 186 Abs. 2 Satz 2). Diese Beispiele bringen letztlich nur das zum Ausdruck, was für jede Verkehrswertbewertungsnorm gilt und zwar ungeachtet der Frage, ob im Normtext von „schätzen“ die Rede ist: Sie beinhaltet eine von § 162 Abs. 1 AO unabhängige, eigenständige bewertungsspezifische Schätzungsbefugnis.

1548 So vor allem L. Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung von Steuergesetzen, S. 251 ff.; zustimmend I. Gombert, Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO, S. 74; R. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, § 162 Rn. 12; derselbe, DStJG 36 (2013), S. 337, 341. 1549 L. Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung von Steuergesetzen, S. 253.

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Eigene Position: Teilweise Letztkonkretisierungsbefugnis des Steuerpflichtigen

2. Die Bewertungsprärogative des Steuerpflichtigen in Ansehung von Prognose, offener Wertung und Konkretisierung des einwertigen Rechtsanwendungsergebnisses Dem Grundgesetz liegt mit Art. 19 Abs. 4 GG eine „Regelkompetenzverteilung“ zugrunde: Der Judikative ist die Kontrolle der Verwaltungsentscheidung sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht zugewiesen. Dies bedeutet eine Kompetenzentscheidung zugunsten des Letztentscheidungsrechts des Richters über die Rechtmäßigkeit eines Aktes öffentlicher Gewalt.1550 Eine hiervon abweichende Regelung stellt eine durchaus mögliche, aber rechtfertigungsbedürftige Kompetenzdurchbrechung dar.1551 Auf diesem Regel-Ausnahme-Verständnis baut vor allem die sog. normative Ermächtigungslehre auf1552 und es wird auch hier den Ausgangspunkt bilden, um die Kompetenzfrage im Anschluss an die Erkenntnis zu 1. nunmehr ohne Rückkopplung zu dem Modell des § 162 AO (i.V.m. § 96 Abs. 1 FGO) als normspezifische Frage der jeweiligen Bewertungsnorm neu aufzuwerfen: Die hier interessierende Kompetenzfrage weist große Ähnlichkeiten zu der Diskussion um administrative Letztentscheidungsbefugnisse auf. Es geht um die Frage, ob die Erstrechtsanwendung und ihre Kontrolle sich unterscheiden können und dürfen: Kann der Erstrechtsanwendung ein Eigenwert zukommen, der den hierzu berufenen Akteur nicht lediglich als vorbereitenden Rechtsanwender unter umfassendem gerichtlichen Kontrollvorbehalt erscheinen lässt? Betrachtet man diese Frage allein unter dem Gesichtspunkt des Maßstabes, an dem sich Erst- und kontrollierende Zweitrechtsanwendung vollziehen, so besteht grundsätzlich kein Anlass dazu, zwischen Erst- und Zweitrechtsanwendung zu unterscheiden. Maßstab ist das Gesetz und das Diktum des Gesetzgebers leitet Erst- und Zweitrechtsanwender im Rahmen der juristischen Methodik gleichermaßen. Aber dort, wo das Gesetz dem Rechtsanwender – gleich 1550 H.-J. Papier, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 8, § 177 Rn. 69. 1551 Vgl. BVerwG v. 25.11.1993, 3 C 38/91, BVerwGE 94, 307, 309 f.; P. M. Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 Rn. 508 ff.; F. Ossenbühl, in: Festschrift f. Redeker, S. 55, 64 ff.; B. Wollenschläger, Wissensgenerierung im Verfahren, S. 203 ff. mit weiteren Nachweisen. 1552 BVerfG v. 31.5.2011, 1 BvR 857/07, NVwZ 2011, 1062; BVerwG v. 25.11.1993, 3 C 38/91, BVerwGE 94, 307, 309 f.; v. 2.4.2008, 6 C 15/07, BVerwGE 131, 41, 47 f.; eingehend mit Nachweisen und (teils kritischer) Diskussion M. Jestaedt, in: Erich­sen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 34 ff. R. Poscher, in: Festschrift f. Wahl, S. 527 ff.; F. Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ kuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 3, § 50 Rn. 286 ff.; E. Voß­ Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 Rn. 57 ff.

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ob Erst- oder Zweitanwender – keinen bzw. nur einen sehr zurückhaltenden Maßstab an die Hand gibt und der Gesetzgeber den Rechtsanwendern mithin eine wertende, von ihm nicht bzw. kaum vorgesteuerte Eigenleistung abverlangt, da zeigt sich die Berechtigung der eingangs aufgeworfenen Frage. Denn soweit das Gesetz keine rechtlichen Entscheidungsmaßstäbe vorsieht, kann es keine Ergebniskontrolle geben1553; kontrolliert werden kann hier anhand des Maßstabes „Gesetz“ in der Regel nur noch der Entscheidungsvorgang. Mit der Stärkung des Ver­ fahrensgedankens bei Rücknahme inhaltlicher Entscheidungsmaßstäbe (siehe bereits § 7 II.) korrespondiert dann also eine Verschiebung der Kontrollperspektive auf die bei der Entscheidungsfindung zu beachtenden Sorgfaltsmaßstäbe. Dort, wo keine (Entscheidungs-)Maßstäbe existieren, kontrolliert das Gericht nicht, sondern trifft eine eigene Entscheidung, es formuliert die notwendige Eigenwertung selbst und zwar anstelle des Erstrechtsanwenders.1554 Hieran anknüpfend wird sodann die Frage aufgeworfen, ob dies dann funktionell noch Rechtsprechung ist und ob die Gerichtsentscheidung dadurch nicht eine Qualität erfährt, die hinter gen der Erstanwenderentscheidung zurückbleibt. Insbesondere: derjeni­ Kommt der Erstkonkretisierung eine besondere Leistung zu, die der Kontrolleur nicht vollständig substituieren kann?1555 Letztlich geht es abseits der gesetzlichen Steuerung um die Anerkennung anderer „Qualitäten“ als Maßstab. Die Diskussion um die adminstrativen Letztentscheidungskompetenz lehrt, dass es solche Fälle geben kann. Genannt werden hier neben dem hohen Wertungsanteil bei der Entscheidung ferner – mit Überschneidungen – Erkenntnisdefizite prinzipieller Art, der Ausgleich und die Abwägung mehrpoliger Interessenlagen, die fehlende Eignung des gerichtlichen Verfahrens zu fallübergreifender, zeit- und sachrichtiger Konkretisierung sowie schließlich die Sachnähe des Erstrechtsanwenders.1556 Das verbindende Element ist vielfach der Gedanke, dass eine 1553 BVerfG v. 16.12.1992, 1 BvR 167/87, BVerfGE 88, 40, 61 („gerichtliche Kontrolle kann nicht stattfinden, soweit das materielle Recht Entscheidungen verlangt, ohne dafür Vorgaben [Entscheidungsprogramme] zu enthalten“); v. 20.2.2001, 2 BvR 1444/00, BVerfGE 103, 142, 156 („gerichtliche Überprüfung kann nicht weiterreichen als die materiell-rechtliche Bindung“). 1554 C. Franzius, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 4 Rn. 20. 1555 Siehe (teils mit unterschiedlichen Akzentuierungen) C. Franzius, AöR 138 (2013), S. 204, 247; P. Kirchhof, Festschrift RFH/BFH, S. 285, 301; C. Möllers, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 3 Rn. 29; W. Schulz, Rechtswissenschaft 3 (2012), S. 330, 333; B. Wollenschläger, Wissensgenerierung im Verfahren, S. 203 ff. 1556 Siehe mit weiteren Nachweisen vor allem die Auflistungen bei W. Hoffmann-Riem, in: derselbe/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwal-

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bestimmte Funktion von einem anderen Organ als dem Gericht besser, nämlich funktionsadäquater wahrgenommen werden kann.1557 Auf der Grundlage dieser zutreffenden, eigentlich rollenneutralen Erkenntnis wird das Problem aber in der Regel auf das Verhältnis zwischen Verwaltung und Gericht reduziert. Hier macht sich vor allem bemerkbar, dass die Behörde als Erstrechtsanwender wahrgenommen wird. Beginnt man die Betrachtung an dieser Stelle, so erscheint bei Fortdenken des Verfahrens unter Rechtsschutzaspekten natürlich nur noch das Gericht als weiterer, zur Kontrolle gegenüber eben jenem behördlichen Erstrechtsanwender berufener Akteur. Dass dies mit Blick auf das steuerliche Vollzugsmodell zu kurz gedacht ist, ist bereits unter § 10 II. 2. a. angeklungen. Der Steuerpflichtige ist in der Regel der Erstrechtsanwender und dies nach der gesetzlichen Konzeption als Ausfluss einer verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflicht. Angesichts dessen darf man den Blick nicht verengen: Die Betrachtung beginnt nicht erst mit der Verwaltungsentscheidung. Es handelt sich bei diesem (staatsrechtlichen) Problemkreis deshalb auch eben nicht nur um eine Kompetenzabgrenzung zwischen Gericht und Verwaltung. Vielmehr geht es auch um eine Kompetenzabgrenzung im Verhältnis zu dem dritten Akteur, nämlich dem Steuerpflichtigen. So wie es im Verhältnis zwischen Gericht und Behörde gute Gründe geben kann, warum die gerichtliche Nachkontrolle einer Entscheidung dem Norm- und Regelungszusammenhang, in dem sie steht, sowie ihren (gegebenenfalls aus der Natur der Sache folgenden) Besonderheiten nicht gerecht wird, so kann eine solche Situation auch zu einer veränderten, nämlich den Steuerpflichtigen als Erst- und zugleich Letztkonkretisierer einbeziehenden Perspektive führen. Daher sollte insoweit kein prinzipiell ablehnendes Dogma gegenüber einem Eigenwert bestimmter Rechtsanwendungsbeiträge des Steuerpflichtigen formuliert, sondern gerade dem jeweiligen Sach- und Regelungskomplex im Detail das Augenmerk gewidmet werden. Betrachten wir dies vorweggeschickt im Folgenden die Bewertungsnorm. Soweit eine Verkehrswertbewertungsnorm die gesamte Bandbreite gleichsam wahrscheinlicher (Teil-) Ergebnisse akzeptiert, ist es nicht möglich, einen der innerhalb dieser Bandbreite liegenden Werte argumentativ über die übrigen Bandbreitenwerte zu heben. Auch hier mag es um die Suche tungsrechts, Band 1, § 10 Rn. 91 f.; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 187. 1557 W. Schulz, Rechtswissenschaft 3 (2012), S. 330, 334; R. Wahl, VBlBW 1988, 387, 388, vgl. zum „Funktionsvorbehalt“ auch BVerwG v. 2.4.2008, 6 C 15/07, BVerwGE 131, 41, 47 f., v. 22.3.2012, 7 C 1/11, NVwZ 2012, 750, 753 f.

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nach der einzig verbindlichen Entscheidung gehen, aber – dies wurde unter § 4 und § 6 herausgestellt – der Richtigkeitsanspruch des Bewertungsergebnis beschränkt sich darauf, dass es innerhalb der Bandbreite liegt. Im Übrigen ist eine bewusst konstitutive Entscheidung zu treffen, die den rechtstechnischen (steuerschuldrechtlichen) Gegegebenheiten Rechnung trägt (siehe § 4 II. und § 10 III. 1.). Bei der Prognose kann es zumindest noch eine Kontrolle der hierbei zu beachtenden Sorgfaltspflichten geben, was aber nicht ausschließt, dass es immer mehrere Prognoseschlüsse gibt, die diesen Anforderungen genügen. Am Ende von § 6 II. stand schließlich die Erkenntnis, dass wir es vor allem bei den Einwertigkeitsentscheidungen aus den Bandbreiten heraus (sei es als Teilrechtsanwendungsschritt oder sei es aus der konkretisierten Endbandbreite) sogar mit einer Willkürentscheidung zu tun haben. Mit anderen Worten: Insoweit (!) fehlen also die Maßstäbe, anhand derer eine Ergebniskontrolle erfolgen könnte. Der Nachweis solcher „Spielräume“ des Rechtsanwenders beinhaltet indes nicht zugleich auch den Nachweis für die Zuweisung einer vom Regelmodell abweichenden Entscheidungskompetenz mit abschließender, die anderen Akteure bindender Wirkung.1558 Denn es kann gleichwohl sinnvoll sein, eine wegen der vorgenannten Gründe problematische Entscheidung durch eine nicht minder problematische Entscheidung eines anderen Akteurs zu ersetzen. Die Distanz des Richters zum Fall kann nämlich durchaus einen eigenständigen Rationalitätsgewinn bedeuten.1559 Damit rückt die Bewertungsnorm wieder in den Mittelpunkt. Ihr muss eine Aussage dazu entnommen werden können, welchem Akteuer die Spielraumausfüllung in Gestalt der Prognose, Wertung und Einwertigkeitsentscheidung zugewiesen ist (wohl gemerkt: Um die Rechtsfragen und auch die Tatfragen, die dem Beweis zugängliche Umstände betreffen, geht es hier nicht). Wie bereits mehrfach angeklungen ist, führt die Wortlautauslegung der Verkehrswert­normen nicht weiter. Der Blick ruht daher auf dem normativen Gesamtkonzept. Denn Entscheidungsspielräume sind im Lichte ihrer realen Anwendungsbedingungen in der Regel Teil eines Regelungskonzepts; sie sind Teil seiner Verwirklichung 1558 BVerfG v. 31.5.2011, 1 BvR 857/07, NVwZ 2011, 1062, 1065; M. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 34; F. Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 3, § 50 Rn. 287. 1559 R. Poscher, in: Festschrift f. Wahl, S. 527; R. P. Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 367; E. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/derselbe/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 5 Rn. 85; R. Wahl, NVwZ 1991, 409, 414.

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und müssen daher unter Berücksichtigung desselben interpretiert werden.1560 Aus dieser (gesamt-) konzeptionellen Perspektive muss man Folgendes erkennen, das abstrakt für jede Verkehrswertbewertungsnorm gilt und daher – vorbehaltlich einer anderslautenden Regelung – normübergreifend die Auslegung bestimmt: Soweit das Gesetz keinen Entscheidungsmaßstab zur Verfügung stellt, lässt sich nicht begründen, dass die Entscheidung der Finanzbehörde oder des Gerichts eine höhere „Richtigkeitsgewähr“ aufweist, als wenn der Steuerpflichtige in eigener Sache tätig wird. Besonders deutlich wird dies in Ansehung der Einwertigkeitsentscheidung. Es lässt sich nicht begründen, warum der eine Wert aus der Bandbreite wahrscheinlicher ist als der andere; normtheoretisch ist eine willkürliche Entscheidung zu treffen (siehe § 6 II.), die lediglich durch das Günstigerprinzip gesteuert sein kann (siehe § 11), was allerdings immer noch eine freie Definition der „Günstigkeit für den Steuerpflichtigen“ erfordert. Dieses Dilemma gilt für jeden Akteuer gleichermaßen. Deshalb geht hier auch der bereits genannte eigenständige Rationalitätsgewinn, den man mit der Distanz des Entscheiders verbinden kann, verloren. Man mag regelmäßig mit dem Richter als Entscheider persönliche Zuverlässigkeit, Neutralität und Objektivität verbinden1561; auch für den Finanzbeamten geht zumindest das Gesetz von dieser Konzeption aus.1562 Hier bringt dies aber alles keinen Mehrwert, keinen Rationalitätsgewinn und mangels Maßstäben schon gar keine höhere Richtigkeitsgewähr. Aber auch dort, wo die inhaltliche Vorsteuerung aus der Natur der Sache heraus (nur) zurückgenommen ist und sich hin zu einer prozeduralen Formulierung von Sorgfaltspflichten verschiebt, gilt nichts anderes. Angesprochen ist hiermit vor allem der Blick in die Zukunft. Die Obergerichte, die in Spruchverfahren mit Unternehmensbewertungen befasst sind, haben dies für die Bewertungsverfahren auf Grundlage des Barwertkalküls überzeugend erkannt. Die Prognose steht nämlich hier immer in Abhängigkeit von der Unternehmenspolitik und externen Einflüssen: „Bei der Tatsachenfeststellung zur Unternehmensbewertung sind die in die Zukunft ge1560 Siehe zu diesem gesamtkonzeptionellen (teleologischen) Ansatz zur Begründung einer administrativne Letztentscheidungskompetenz vor allem BVerwG v. 26.3.1981, 3 C 134/79, BVerwGE 62, 86, 98; vgl. ferner BVerfGE v. 16.12.1992, 1 BvR 167/87, BVerfGE 88, 40, 57 ff.; E. Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Einl. 186 ff.; W. Schulz, Rechtswissenschaft 3 (2012), S. 330, 338. 1561 M. Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), S. 183, 191; R. Dreier, in: derselbe, GG, Art. 20 Demokratie Rn. 113 ff., 124 ff.; J. Isensee, in: derselbe/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 4, § 71 Rn. 133 f. 1562 BFH v. 31.8.1994, X R 170/93, BFH/NV 1995, 299; Schuster, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO, § 96 Rn. 45.

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richteten Planungen der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen ihrer Erträge nur eingeschränkt überprüfbar. Planungen und Prognosen sind in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere – letztlich ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts ersetzt werden“ (OLG Frankfurt).1563 Mit anderen Worten: Sie unterliegen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle.1564 Das OLG Stuttgart bringt dies – vergleichbar der hiesigen Untersuchung – mit der Natur der Sache in Verbindung.1565 Letztlich erkennen (vor allem) die Oberlandesgerichte hier zutreffend nicht nur ihre eigenen Erkenntnisfähigkeiten in Bezug auf die von unzähligen Faktoren ab­hängige Zukunft, sondern auch in Bezug auf den nicht erreichbaren Rationalitäts- und Intersubjektivitätsgewinn einer eigenen Prognose. Die Ungewissheit lässt sich nicht ausräumen; sie produziert lediglich divergierende Expertenmeinungen zur Zukunft.1566 Und dabei verspricht auch hier die Distanz eines Akteuers, insbesondere des Richters, keinen Mehrwert. Denn „der Richter ist im Zweifel nicht der bessere Kaufmann“1567 und für den Finanzbeamten sowie für einen Sachverständigen, der das Unternehmen auch nicht besser kennt, gilt dies entsprechend. Die Schätzung durch den Beamten oder den Richter ist daher nicht hochwertiger oder zumindest aus anderen Gründen vorzugswürdiger. Es kann nur um Kontrolle gehen. Gesucht wird nicht die ideale Unternehmensführung aus Sicht des Richters, sondern es sind nur solche Werte als nicht mehr vertretbar auszuscheiden, die nicht mehr dem objektivierenden Verständnis einer Vergleichsfunktion gerecht werden. Das vorgenannte Zitat aus der obergerichtlichen Rechtsprechung betraf nur die künftigen Überschüsse. Für die übrigen Wertungen, die anlässlich der Rechtsanwendung vorzunehmen sind (siehe zu diesen 1563 OLG Frankfurt v. 5.3.2012, 21 W 11/11, NZG 2012, 549, 550; in diesem Sinne ferner OLG Stuttgart v. 17.3.2010, 20 W 9/08, AG 2010, 510; OLG Düsseldorf v. 13.3.2008, I-26 W 8/07, AG 2008, 498; OLG München v. 14.7.2009, 31 Wx 121/06, WM 2009, 1848. 1564 OLG Frankfurt v. 5.3.2012, 21 W 11/11, NZG 2012, 549, 550; zuvor sinngemäß auch schon OLG Stuttgart v. 19.1.2011, 20 W 3/09, AG 2011, 205. 1565 OLG Stuttgart v. 19.1.2011, 20 W 3/09, AG 2011, 205. 1566 R. Poscher, in: Festschrift f. Wahl, S. 527, 543 zum Prognoseproblem bei Verwaltungsentscheidungen im Allgemeinen. 1567 C. Meinert, DB 2011, 2397, 2400.

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wertenden Elementen § 5 IV. 4 b.), gilt dies aller­dings sinngemäß. Man denke in Bezug auf die vorstehend bereits angesprochene Unternehmensbewertung nur an die Festlegung von Basiszinssatz, Risikozuschlag und den Wachstumsabschlag. Aber auch für die Verhaltensmuster, die mit Preisübertragungen und dabei notwendigerweise mit Ableitungsüberlegungen arbeiten, gilt dies in anschaulicher Weise: Erinnert sei insoweit nur an den Vergleich verschiedener Grundstücke und die Anpassung der beobachtbaren Daten und Informationen im Hinblick auf das konkrete Bewertungsgrundstück. Diese Erkenntnis ist essentiell, leitet sie nämlich sodann zu der Frage über, welche Qualität gemessen an welchem Maßstab die Bewertung innerhalb des normativen Gesamtgefüges der Verkehrswertbewertung aufweisen muss, wenn es nach dem Vorgesagten nicht die Gewähr der Rechtsrichtigkeit, also der Normkonformität ist. Behält man das normative Gesamtkonzept im Blick, so geht es letztlich um eine stimmige Bewältigung des Wertfindungsrisikos, soweit es gemessen am normalen Rechtsfindungsrisiko überschießend ist. Einem Gesetzgeber, der die Wertevielfalt mit der ihr eigenen Bandbreite an allesamt gleichheits­ konformen Werten akzeptiert, kann unterstellt werden, dass er seine Rege­lung (freiheitsrechtlich) zu Ende gedacht hat, dass er also in die einfach-rechtliche Regelung bereits die freiheitsrechtlich sichernd wirkenden Ausgleichsmechanismen implementiert hat. Das freiheitsrechtlich fundierte Dispositionsinteresse des Steuerpflichtigen bei der Verwirklichung einer auf materielle Gleichheit angelegten Bewertung (siehe § 8 II.) begegnet uns hier nunmehr als funktionales Auslegungsargument auf einfach-rechtlicher Ebene. Aus dieser Perspektive weist eine nachkon­ trollierende Entscheidung von Verwaltungsbehörde oder Gericht im Regelungskonzept einer die soziale Bewertungswirklichkeit weitgehend rezipierenden Norm nicht die Qualität auf, die der Ersterkenntnis zukommt. In diesem Regelungskonzept liegt die besondere, letztlich als Kehrseite dieses Konzepts sogar notwendige freiheitsrechtliche Qualität einer staatlichen (steuerrechtlichen) Bewertungsentscheidung darin, dass sie aus Sicht des Steuerpflichtigen die Unsicherheitspotentiale beherrschbar macht und das Bewertungsrisiko auf das allgemeine Subsumtions- und Rechtsanwendungsrisiko zurückführt. Diese Qualitätseinbuße gilt dabei natürlich nicht nur gegenüber dem Gericht, sondern auch im Verhältnis zur lediglich im Anschluss an die getätigte, bewertungsrelevante Disposition nachvollziehenden Finanzbehörde. Wenn im vorherigen Absatz bereits angemerkt wurde, dass eine Zuweisung der hier relevanten Spielräume an den Beamten oder den Richter mit keiner höheren Richtigkeitsgewähr verbunden ist, so muss man sogar sagen: Es würde die Qualität 555

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des Rechtserkenntnisprozesses und des ihn abschließenden Aktes sogar beeinträchtigen. Es würde dem Bewertungssystem, das auf materielle Gleichheit ausgerichtet ist, schaden; es würde sein Anliegen an einem freiheitsrechtlich neuralgischen Punkt konterkarieren. Würde man die Ausfüllung der wertenden und prognostischen Elemente in der Bewertungsnorm und die Auswahl des Wertes aus der so geschaffenen Bandbreite vertretbarer Werte dem Finanzbeamten oder dem Richter überlassen, liefe dies aus Sicht des Steuerpflichtigen auf ein von seiner Seite überhaupt nicht beeinflussbares Lotteriespiel hinaus – und dies bei grundsätzlicher Unumkehrbarkeit seiner Disposition. Der Steuerpflichtige kann im Vorfeld nicht wissen, welche Wertungen der Finanzbeamte oder im Streitfall letztlich der Richter treffen werden, welche Prognosen sie anstellen und wie sie die Bandbreite konkretisieren werden.1568 Der Steuerpflichtige hätte aus (kompetenz-) strukturellen Gründen noch nicht einmal eine annährend realistische Chance, den für seine Disposition maßgeblichen „Wert“ selbst im Vorfeld zu berechnen. Die Steuer wäre keine voraussehbare Kalkulations- und Planungsgröße (mehr). Jede seiner (Vorfeld-) Berechnungen, anlässlich derer er selbst zwangsläufig Wertungen und Prognosen vorgenommen haben muss, wäre ein Schuss ins Blaue. Ob er trifft – und ob sich auch seine Beratungskosten insoweit gelohnt haben –, würde der Steuerpflichtige immer erst dann erfahren, wenn er seine Disposition bereits getätigt hat. Eine solche Lotterie wäre ein Zustand unerträglicher Rechtsunsicherheit. Und dies alles, obwohl die (gesetzeskonforme) Erstbewertung des Steuerpflichtigen der (gleichheitsrechtlich fundierten) Vergleichsfunktion des Rechtswertes gerecht wird und damit der „Anspruch“ der übrigen Steuerpflichtigen auf Gleichbehandlung in seiner bewertungsspezifischen Ausprägung untereinander erfüllt wird. Führt man all diese Argumente zusammen, gibt es ungeachtet der normspezifischen Betrachtung, die für jede Norm gesondert anzustellen ist, letztlich nur eine Auslegung, die dem Regelungssystem des Gesetzgebers gerecht wird, nämlich die Annahme einer (partiellen) Bewertungsprärogative des Inhalts, dass sowohl die prognostischen und (bewertungsspezifisch) wertenden Rechtsanwendungsbeiträge als auch die Einwertigkeits1568 Vgl. zum Beispiel R. Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 151 Rn. 36: „Für die Steuerplanung unentgeltlicher Vermögensübertragungen […] ist es unvermeidbar, im Vorfeld selbst den wahrscheinlichen Steuerwert zu ermitteln. […] Bei umfangreichen Betriebsvermögen/Beteiligungen erfordert die Wertermittlung erheblichen Aufwand, mit dem nur annähernd der Steuerwert geschätzt werden kann“; der Autor scheint an diesem Dilemma allerdings keinen (verfassungsrechtlichen oder zumindest rechtspolitischen) Anstoß zu nehmen.

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entscheidung(en) kompetenzrechtlich dem Steuerpflichtigen zugewiesen sind.1569 Der dem Rechtswert im Steuerrechtssatz zugewiesenen Vergleichsfunktion wird genüge getan und zugleich wird das Konzept einer weitestgehenden Rezeption der sozialen Wirklichkeit folgerichtig – weil nämlich unter Berücksichtigung der Anwendungsbedingungen handhabbar – verwirklicht.1570 Damit ist zugleich auch die Frage beantwortet, dass und warum es umgekehrt keine administrative Letztentscheidungsbefugnis der Finanzbehörde in Ansehung solcher bewertungsrelevanten Rechtsanwendungselemente geben kann. Diejenigen, die dies (im Ergebnis) klarsichtig erkennen und auch formulieren, sind vor allem die Bilanz(-steuer-)rechtler. Insbesondere in Ansehung der Rückstellungsbildung und –bewertung dürfte sich die These von einer Einschätzungsprärogative des Steuerpflichtigen aufgrund der dort notwendigerweise anzustellenden Prognosen heute etabliert haben und dies nach dem Vorgesagten zu Recht. Die Entscheidung des Großen Senats zum subjektiven Fehlerbegriff hat dies noch einmal deutlich zu Tage gefördert. Zwar konnte sich der Große Senat auf eine Aussage zur Einschätzungsprärogative – um nichts anderes geht es im Grunde beim subjektiven Fehlerbegriff – bei Rechtsfragen beschränken und er hat sich bewusst bei prognostischen und wertenden Elementen nicht festge1569 Gleiche Ansicht R. Seer, DStJG 36 (2013), S. 337, 341 (im Kontext der Verrechnungspreise, allerdings mit darüber hinausgehendem Aussageanspruch). Dies hat auch der historische Gesetzgeber der Reichsabgabenordnung vom 13.12.1919 bereits zutreffend erkannt. Er hat den gemeinen Wert in der Tradition der damaligen Rechtsprechung als Verkaufswert normiert (§ 138 RAO 1919, dazu bereits § 3 III. 3. b. aa]) und in der Begründung der Verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung hierzu heißt es: „Die Erfahrung lehrt täglich, wie viel für solche immate­riellen Werte bei Veräußerung eines Geschäfts gezahlt wird; deshalb müssen sie auch steuerrechtlich, zum Beispiel bei der Besitzsteuer oder Erbschaftsteuer, berücksichtigt werden. Eine wesentlich andere Frage ist, inwieweit man in der Praxis hierin gehen will. Es wird geboten sein, nur das, was erzielt werden kann, als gemeinen Wert anzusetzen. Dabei wird dem Ermessen des Steuerpflichtigen ein weiter Spielraum zu lassen sein, und das Finanzamt wird davon nur abgehen dürfen, wenn es sich auf das sachverständige Urteil erfahrener Berufsgenossen stützen kann“ (Begründung zum Entwurf einer Reichsabgabenordnung vom 6.9.1919, Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, Drucksache 759, S. 589). 1570 Trefflich insoweit im städtebaulich relevanten Grundstücksbewertungskontext BVerwG v. 24.11.1978, 4 C 56/76, BVerwGE 57, 87, 95, das zuerst die typischen Ungewissheitspotentiale einer Verkehrswertbewertung herausstellt, um dann fortzufahren: „Wenn der Gesetzgeber den Begriff des Verkehrswertes […] verwendet […], kann er an den im Vorangegangenen hervorgehobenen Ungewißheiten nicht vorbeigehen. Er muss vielmehr – ob nun ausdrücklich oder durch den Sinn der getroffenen Regelung – irgend etwas tun, was die Ungewißheiten „bewältigt“ oder ihnen Rechnung trägt.“

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legt.1571 Aber die Literatur wurde im Vorfeld sowie im Nachgang zu dieser Entscheidung nicht Müde, (jedenfalls) für Prognosen, subjektive Wertungen und überhaupt für Schätzungen die Notwendigkeit eines subjektiven Fehlerbegriffs und damit letztlich für eine Bindung der Finanzverwaltung an „nachvollziehbare Annahmen“ des Steuerpflichtigen zu betonen.1572 Und dies zu Recht: Es folgt aus der Natur der Sache und dem konzeptionellen (freiheitsrechtlichen) Zu-Ende-Denken eines die Bandbreitengleichheit akzeptierenden Steuerbilanzrechts.1573 Dies ist der spezifisch steuerrechtliche Grund für die Anerkennung der Prärogative (wie sie im Steuerbilanzrecht im subjektiven Fehlerbegriff in Ansehung von Bewertungsfragen zum Ausdruck kommt).1574 Auch zur Teilwertbewertung finden sich vereinzelt Aussagen dahin gehend, dass eine schlüssige Schätzung des Teilwertes durch den Steuerpflichtigen die Finanzbehörde binde.1575 Außerhalb des Steuerbilanzrechts finden sich zur Verkehrswertbewertung hingegen wenige verallgemeinerungsfähige Aussagen zu einer Bewertungsprärogative des Steuerpflichtigen. Lediglich für die Unternehmensbewertung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG wurde eine Einschätzungsprärogative bereits von Detlef Jürgen Piltz in der Sache recht deutlich benannt: „Im Rahmen der Ertragswertmethode mit ihrem Fo1571 GrS BFH v. 31.1.2013, GrS 1/10, BStBl. II 2013, 317, dort allerdings mit einer meines Erachtens unglücklichen Formulierung, die den Eindruck erweckt, dass eine Prognose unzutreffend sein kann, obwohl die Sorgfaltsanforderungen beachtet wurden; zutreffenderweise kann eine Prognose bei Beachtung der Sorgfaltsanforderungen nicht im Nachhinein unzutreffend werden (siehe bereits § 5 IV. 4. a.). 1572 Für eine (so häufig nicht genannte, aber in der Sache doch anerkannte) Prärogative des Steuerpflichtigen im Bilanzsteuerrecht statt vieler (teilweise mit unterschiedlichen Akzentuierungen in Bezug auf die Reichweite) H.-J. v. Beckerath, FR 2011, 349, 355 ff. (dort insbesondere auch mit rechtswertübergreifender Argumentation und Hinweis auf § 1 Abs. 3 AStG); K.-D. Drüen, GmbHR 2013, 505, 512; W.-D. Hoffmann, DStR 2011, 88 ff.; U. Prinz, StbJb 2011/2012, S. 241, 254; J. Schulze-Osterloh, BB 2013, 1131, 1133; T. Stapperfend, DStR 2010, 2161, 2166. 1573 Vgl auch schon K.-D. Drüen, GmbHR 2013, 505, 512: „Bei der Bilanzierung sind in erheblichem Umfang Prognosen erforderlich. Für diese muss es einen Bestandsschutz geben. Denn jeder Versuch der Zukunftsprojektion ist mit der Gefahr der Verfehlung verbunden.“ Dies bedeutet im Ergebnis nichts anderes als eine freiheitsrechtliche Vervollständigung eines die Bandbreitengleichheit akzeptierenden Bilanzsteuerrechts. 1574 Genauso mag es womöglich auch spezifisch handels- und gesellschaftsrechtliche Gründe für eine solche Prärogative geben, vgl. C.-C. Knobbe, Der Grundsatz der subjektiven Richtigkeit im Handels- und Steuerbilanzrecht, S. 41 ff. 1575 Siehe J. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 A 327; vielleicht auch BFH v. 26.10.1995, I B 20/95, BFH/NV 1996, 378, wenn dort ausgeführt wird, dass das Finanzgericht nur eine Plausbilitätsprüfung vorzunehmen habe; allerdings ist nicht ausgeführt, wessen Schätzung (Steuerpflichtiger, Finanzbehörde) dergestalt zu überprüfen ist.

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Eigene Position: Teilweise Letztkonkretisierungsbefugnis des Steuerpflichtigen

kus auf Zukunftserträge und Beurteilungsspielräumen beim Kapitalisierungszinssatz hat [der Steuerpflichtige] einen gewissen (legalen) Spielraum für das Bewertungsergebnis.“1576 Hier klingt freilich Zurückhaltung an („gewisse“), die nicht angezeigt ist. Fassen wir die Bewertungsprärogative in einer verallgemeinerungsfähigen Aussage zusammen: Die Verwaltung trifft nach wie vor die Pflicht zur hoheitlichen Ersterkenntnis im konkreten Steuerfall. Dabei besteht jedoch eine (partielle) Bewertungsprärogative zugunsten des Steuerpflichtigen des Inhalts, dass sowohl die prognostischen und (bewertungsspezifisch) wertenden Rechtsanwendungsbeiträge als auch die Konkretisierung(en) innerhalb der Wertbandbreite(n) kompetenzrechtlich ihm zugewiesen sind. Er ist insoweit Erstadressat der in einer solchen Bewertungsnorm enthaltenen Konkretisierungskompetenz. Er wird damit zugleich aufgefordert, einen Beitrag zur Rechtsanwendung zu leisten. Das Zusammenwirken von Günstigerprinzip und Bewertungsprärogative konkretisiert also die bei § 4 II. noch offengelassenen Fragen, nämlich nach welchen Maßstäben die Einwertigkeit herbeizuführen ist und welchem Akteur diese Entscheidung und insbesondere die hierbei notwendige Konkretisierung innerhalb der Maßstäbe mit Letztverbindlichkeit gegenüber den anderen beteiligten Akteuren zugewiesen ist. Die infolge der Ausübung der Bewertungsprärogative hervorgebrachten (künftigen, wertenden) Tatsachen sind dann konstitutive Rechtsquelle (siehe bereits § 4 II.). Weder die Finanzbehörde noch das Gericht dürfen insoweit eine ihnen als sachgerecht oder angemessene erscheinende Lösung entwickeln. Sie dürfen die von dem gesetzlichen Erstadressaten (Steuerpflichtiger) entwickelte Lösung nur in Bezug auf die Normauslegung und die nicht von der Prärogative erfassten Tatsachen inhaltlich nachprüfen. Soweit die Prärogative reicht, geht es hingegen nur um eine Prüfung der Vertretbarkeitsgrenzen. Markiert werden diese Grenzen durch den Anspruch der Verkehrswertnormen, einen wahrscheinlich erzielbaren Preis hervorzubringen, und damit letztlich durch das „Übliche“, wie es jeder Verkehrswert für sich konkretisiert. Der Steuerpflichtige formuliert hier also keinen subjektiven Entscheidungswert, sondern er muss sich wie ein neutraler, im Marktgeschehen agierender „Durchschnitts-Verkehrs­ teilnehmer“ verhalten. Tut er dies und erfüllt er auch die nachfolgend noch darzustellenden Begründungserfordernisse, so werden Finanzbehörde und Gericht an den Rechtskonkretisierungsbeitrag des Steuerpflichtigen gebunden und müssen diesen im Rechtserkenntnisakt umsetzen. 1576 D. J. Piltz, Ubg 2009, 13, 18; in diese Richtung auch bereits B. Breidenbach, StbJb 1998/1999, S. 245, 261.

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Die „Kompetenzfrage“

Im Anschluss an die verfahrensrechtlichen Erkenntnisse (§ 10 II. 2.) zeigt sich hier eine Wechselwirkung zwischen der Verfahrenspflicht zur Erstbewertung und der von der Bewertungsnorm gewährten Bewertungsprärogative zugunsten des Steuerpflichtigen. Beide sind Ausdruck von grundrechtlicher Freiheitssicherung. Die verfahrensrechtliche Erstbewertungspflicht verwirklicht an entscheidender Stelle freiheitssichernde Interessenwahrnehmung; die materielle Bewertungsprärogative verwirklicht freiheitssichernde Vorhersehbarkeit der Steuerbelastung und insoweit insbesondere Dispositionsschutz. In der Zusammenschau machen Verfahrens- und Bewertungsrecht den gegenleistungslosen Steuerzugriff des Staates „beherrschbar“ und damit freiheitsrechtlich erträglich. Gleichwohl sind verfahrensrechtliche Erstbewertungspflicht und materielle Bewertungsprärogative nicht identisch. Beide sind lediglich insoweit miteinander verbunden, als der Steuerpflichtige bei der Befolgung der Ersteren von seiner Bewertungsprärogative Gebrauch machen kann und in der Regel auch wird. Der Steuerpflichtige übt also anlässlich der Erfüllung seiner Steuererklärungspflicht seine Bewertungsprärogative aus. Deshalb handelt es sich bei dem von ihm erklärten Wert auch nur insoweit um einen „Subsumtionsvorschlag“, wie die Kontrollbefugnis der Behörde reicht, d.h., soweit der erklärte Wert als Rechtsanwendungsvorgang also einer positiven Kontrolle unterliegt. In Bezug auf die seiner Bewertungsprärogative unterliegenden Rechtsanwendungsbeiträge unterbreitet er hingegen nicht bloß einen Vorschlag, sondern präsentiert konstitutiv seinen Beitrag zur Rechtsanwendung. Insoweit greift nur eine negative Kontrolle. Nimmt der Steuerpflichtige die Bewertungsprärogative, die ihm die materielle Bewertungsnorm einräumt, an und genügt er den hieran zu stellenden Anforderungen (siehe sogleich § 12 III.), investiert er letztlich in seine Planungssicherheit. Die notwendige Unterscheidung zwischen verfahrensrechtlicher Erstbewertungspflicht und materiell-rechtlicher Bewertungsprärogative zeigt sich vor allem dann, wenn der Steuerpflichtige seine Bewertungsprärogative nicht annimmt: Von seiner Pflicht zur verfahrensrechtlichen Erstbewertung entbindet ihn dies nicht. Er muss nach wie vor einen Subsumtionsvorschlag unterbreiten und wenn er dies nicht tut, handelt er insoweit pflichtwidrig. Freilich lässt sich das Auslegungs- und in Bezug auf die wertungs- und prognoseunabhängigen Tatsachen das Subsumtionsrisiko nicht immer ausschalten oder verringern (zum Beispiel wenn eine Rechtsfrage bisher streitig diskutiert wird und die Finanzbehörde bisher ihre Meinung noch nicht in einer Verwaltungsvorschrift kundgetan hat und zudem auch die Er­teilung einer verbindlichen Auskunft verweigert). Dies ist aber hinzu560

Eigene Position: Teilweise Letztkonkretisierungsbefugnis des Steuerpflichtigen

nehmen. Entscheidend ist die durch das Zusammenspiel von Rechts­ anwendungskompetenz der Behörde und Bewertungsprärogative des Steuerpflichtigen bewirkte Rückführung des Rechtsanwendungsrisikos des Steuerpflichtigen auf ein verfassungsrechtlich vertretbares, letztlich „normales“ Maß. Nur durch die Bewertungsprärogative kann das Gesetz auch bei einer die soziale Bewertungswirklichkeit rezipierenden Verkehrswertbewertung seine Rechtssicherheitsfunktion erfüllen. Ob der Steuerpflichtige die mit der hier vertretenen Bewertungsprärogative erzielbare Planungs- und Rechtssicherheit erlangt, liegt dabei in seinen Händen: Im Sinne einer Selbstregulierung kann derjenige Steuerpflichtige, der keine „Grenzgestaltungen“ unternimmt, sondern vielmehr verantwortungsvoll den Vertretbarkeitsrahmen ausschöpft, das Rechtsanwendungsrisiko in einem entscheidenden Punkt reduzieren. Orientiert er sich zudem in Ansehung von Rechtsfragen und generellen Rechtstatsachen an Verwaltungsverlautbarungen kann dieses Risiko gegebenenfalls sogar noch weitergehend gemindert werden.1577 Je mehr der Steuerpflichtige hingegen im Grenzbereich der Vertretbarkeit operiert, also den Vertretbarkeitsrahmen „ausreizt“, umso weniger Rechtssicherheit erlangt er natürlich. Der Steuerpflichtige hat es auf diese Art und Weise letztlich selbst in der Hand, wie viel Stabilität er seinem Bewertungsergebnis verschaffen will. Dies ist besonders relevant dort, wo die Bewertung selbst wiederum in einem komplexen Gesamtgefüge steht. Dies betrifft zum Beispiel den erbschaftsteuerlichen Verwaltungsvermögenstest (dazu § 11 IV.). Eine solche Bewertungsprärogative, die es dem Steuerpflichtigen ermöglicht, den aus seiner Sicht steueroptimalen, aber wohlgemerkt: immer gleichheitskonformen, Wert zu konkretisieren, ist den alternativen (vormals geübten) Bestrebungen in Gestalt exekutiv bzw. judikativ bewirkter formeller Gleichheit (pauschalierte Methoden, pauschale Unsicherheitsabschläge, letztlich: Stuttgarter Verfahren) überlegen1578 und dies insbe1577 Ob Verwaltungsvorschriften Vertrauensschutz gewährleisten können, wird allerdings von der Rechtsprechung (zum Teil) in grundsätzlicher Weise bestritten. Erforderlich sei eine besondere Vertrauenssituation zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt, die jedoch grundsätzlich nur durch die Erteilung einer verbindlichen Auskunft geschaffen werden könne und nicht durch allgemeine Verwaltungsrichtlinien, siehe BFH v. 31.10.1990, I R 3/86, BStBl. II 1991, 610; v. 5.5.1999, XI R 1/97, BStBl. II 1999, 653, 656; v. 23.10.2003, V R 24/00, BStBl. II 2004, 89, dazu und dezidiert für eine Anwendung des Vertrauensschutzprinzips mit guten Gründen hingegen J. Hey, DStR 2004, 1897, 1902 f. 1578 Vgl. auch noch C. Löffler, Steuerrechtliche Wertfindung aus Sicht der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, S. 64 ff., S. 267 ff., der Wertfindung (unter anderem) als ein Interaktions- und Konfliktproblem versteht und dessen Lösung letztlich

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Die „Kompetenzfrage“

sondere auch gemessen am Konzept des Gesetzgebers, wie es vor allem mit § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG verfolgt wird. Mit der Bewertungsprärogative erfolgt eben keine exekutive Detail-/Typisierungssteuerung gegen das Gesetz, sondern vielmehr wird der Plan des Gesetzgebers unter Beachtung der Wertvielfalt handhabbar gemacht. Die Rechtfertigungsbemühungen der Rechtsprechung in Ansehung des Stuttgarter Verfahrens haben gezeigt, dass „vorsichtige“ Bewertung auch schnell in Privilegierung und damit Ungleichheit umschlagen kann. Die Bewertungsprärogative hingegen ist transparenter und ehrlicher in Bezug auf die vielfach artikulierte Sorge vor einer Übermaßbesteuerung. Mittels ihrer wird nicht nur der Gefahr einer Übermaßbesteuerung Rechnung getragen, sondern zugleich werden – und dies vor allem ohne die Krücke formeller Gleichheit – der Wert und damit die Auswirkungen einer Disposition für den Steuerpflichtigen vorhersehbar.

III. Die „Erfüllung“ der Erstbewertungspflicht durch den Steuer­ pflichtigen Die Kehrseite der Bewertungsprärogative ist angesichts der reduzierten Kontrolldichte bereits in § 12 II. immer wieder angeklungen: Der Erstbewertungsvorschlag des Steuerpflichtigen muss einer inneren wie äußeren Plausibilitätskontrolle zugänglich sein. Damit dies möglich ist, muss der Bewertungsvorgang den bereits an anderer Stelle formulierten (siehe § 6 II. u. III.) Anforderungen an eine (soweit wie möglich) rationale Bewertung genügen. Dies ist vor allem eine Frage der Begründung und deren Dokumentation. Dies gilt für den gesamten Bewertungsvorgang, weil eine isolierte Betrachtung der von der Prärogative erfassten Gesichtspunkte ohne Aussage bliebe (also für: Rechtsverständnis, herangezogene Tatsachen, leitende Gedanken zur Konkretisierung von Wertungen und Prognosen und schließlich die methodengeleitete, für einen Dritten nachvollziehbare Zusammenführung der vorgenannten Wertfindungselemente). Dieser innere Zusammenhang zwischen einer Letztkonkretisierungsbefugnis eines Akteurs gegenüber den anderen Akteuren sowie den dabei zu beachtenden Anforderungen in Bezug auf den Konkretisierungsvorgang ist sowohl im Verwaltungsrecht als auch in der Spruchverfahrenspraxis der Zivilgerichte erkennbar. So führt beispielsweise das Bundesverwaltungsgericht zum Funktionsvorbehalt der Exekutive insoweit überzeugend aus: Die Anerkennung eines gerichtlich nur eingein weitgehender Regelungsdichte sucht. Die Bewertungsprärogative zeigt hingegen, dass es auch einen anderen Weg gibt.

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Die „Erfüllung“ der Erstbewertungspflicht

schränkt überprüfbaren Funktionsvorbehaltes geht in der Regel mit „gesteiger­ ten behördlichen Pflichten zur nachvollziehbaren Sachverhaltsermittlung, zur Beteiligung qualifizierten Sachverstandes und zur validen Dokumentation der herangezogenen Daten sowie zur Begründung der Entscheidung einher“.1579 Hierin kommt der allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, dass dort, wo Maßstäbe für die inhaltliche Rich­ tigkeit der Entscheidung fehlen, die Entscheidungsfindung stärkere Beachtung findet und dort Transparenz- und Begründungspflichten kompensierend wirken. Die Konkretisierung von Spielräumen setzt den hierzu berufenen Akteur daher unter den Druck, die Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit seiner Entscheidung erklären, letztlich rechtfertigen zu können, soweit dies eben möglich ist.1580 Die hierin zum Ausdruck kommende Begründungslogik trifft auch auf das Steuerschuldverhältnis zu. Allerdings ist aus Sicht des Steuerpflichtigen als Grundrechtsträger eine solche Begründungslast eine Frage des grundrechtlichen Gesetzesvorbehaltes und angesichts der hier als Rechtsgrundlage bemühten materiellen Bewertungsnorm vor allem eine Frage der Normbestimmtheit.1581 Das Gesetz muss erkennen lassen, unter welchen Voraussetzungen es vom Steuerpflichtigen was verlangt. Der Gesetzgeber ist zur klaren, verständlichen und bestimmten Tatbestandsnormierung und Grenzziehung verpflichtet.1582 Dies gilt umso mehr, wenn die Mitwirkungspflichten nicht erst noch durch eine behördliche Entscheidung aktualisiert und/oder konkretisiert werden, sondern der Steuerpflichtige selbst erkennen muss, dass er wegen des Eintritts der Tatbestandsvoraussetzungen bereits im Vorfeld eines konkreten Steuerverwaltungsverfahrens zur Mitwirkung verpflichtet ist (zum Beispiel zur 1579 BVerwG v. 22.3.2012, 7 C 1/11, NVwZ 2012, 750, 753 unter Bezugnahme auf U. Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 289; dieser Gedanke findet sich überdies auch bei OLG Stuttgart v. 24.6.2010, 20 W 2/09, ZIP 2010 1641 für die Rechtfertigung einer (nur) Plausibilitätskontrolle in Bezug auf die Prognosen der Gesellschaft in einem aktienrechtlichen Spruchverfahren. 1580 Zu diesem die abgeschwächte Inhaltskontrolle kompensierenden Gedanken mit Nachweisen bereits § 7 II. 1. und 2. b. 1581 Zur Herleitung aus dem Rechtsstaatsprinzip BVerfG v. 12.4.2005, 2 BvR 581/01, BVerfGE 112, 304, 315; zur Herleitung (auch) aus den Grundrechten H. J. Papier/J. Möller, AöR 122 (1997), S. 177, 178 ff. Ob es daneben angezeigt ist, von dem Grundsatz der Bestimmtheit noch einen solchen der Normenklarheit abzugrenzen, der Anforderungen an die Durchsichtigkeit des Zusammenspiels einer Norm mit anderen Normen stellen soll (so T. Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 178 ff.), halte ich für zweifelhaft, aber vor allem auch nicht zielführend. Die Unklarheit einer Norm wird immer auch zur Unbestimmtheit führen (so auch K.-D. Drüen, Ubg 2009, 549, 550). 1582 K.-D. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO, § 147a Rn. 6.

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Die „Kompetenzfrage“

Aufzeichnung und zur Führung von Büchern) und die Nichterfüllung sanktionsbewehrt (vor allem: Strafbarkeit, Ordnungswidrigkeit, Strafzuschläge) oder sonst mit Nachteilen (zum Beispiel Verlust einer Bewertungsprärogative, Aktivierung nachteiliger Vermutungsregeln) verbunden ist.1583 Betrachten wir dazu die Rechtsprechung des I. Senats des Bundesfinanzhofs zur Dokumentationspflicht bei Verrechnungspreisen und dabei seine grundlegende Entscheidung vom 17.10.2001: Der I. Senat differenziert zwischen den allgemeinen Mitwirkungspflichten einerseits und besonderen Dokumentationspflichten andererseits mit der Folge, dass den Steuerpflichtigen keine Pflicht treffe, bei Konzernbeziehungen eine Angemessenheitsdokumentation zu erstellen und vielmehr die Finanzbehörde die Feststellungslast für einen angemessenen Verrechnungspreis treffe.1584 Die Prüfung, ob der tatsächlich vereinbarte Preis mit dem Fremdvergleichspreis übereinstimmt, sei im Verwaltungsverfahren allein Sache der Finanzbehörde. Sie habe zu diesem Zweck sowohl die maßgeblichen Vergleichspreise zu ermitteln als auch den Vergleich als solchen durchzuführen. Sehe sich das Finanzamt zu dieser Prüfung nicht in der Lage, trage es die objektive Beweislast. Die zentrale Aussage lautet sodann: „[…] neben §§ 140 ff. AO und §§ 238 ff. HGB [bestehen] nach deutschem Steuerrecht für vGA keine speziellen Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten […]. Die [Klägerin] war nicht verpflichtet, für die den vGA zugrunde liegenden Sachverhalte spezielle Bücher und Aufzeichnungen zu führen bzw. Dokumentationen zu erstellen.“1585 Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung zwischenzeitlich mit § 90 Abs. 3 AO für grenzüberschreitende Sachverhalte korrigiert. Auf den ersten Blick scheint die Entscheidung der hier vertretenen Begründungslast eine starke Akzentuierung des Gesetzesvorbehaltes gegen­ über zustellen. Allerdings sind verfahrensrechtliche Pflichten einerseits und die materiellen Anforderungen an die Ausübung der Bewertungsprärogative andererseits streng zu trennen (siehe bereits § 12 II. 2.). Deshalb ist auch zuvorderst ein wesentlicher Unterschied zu betonen: Die Frage einer Bewertungsprärogative wurde in der Entscheidung nicht thematisiert. Man wird aus dem Urteil sogar schließen müssen, dass – selbst wenn der I. Senat eine solche für den Fremdvergleichswert im Einklang mit der hier vertretenen Ansicht anerkannt hätte – der Steuerpflichtige dieser Bewertungsprärogative durch sein Verhalten verlustig geworden 1583 Dezidiert K.-D. Drüen, Ubg 2009, 549 ff. 1584 BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 1585 BFH v. 17.10.2001, I R 103/00, BStBl. II 2004, 171.

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Die „Erfüllung“ der Erstbewertungspflicht

sein dürfte. Aus diesem Grunde stand nur eine verfahrensrechtliche Pflicht im Raum, die unabhängig von einer etwaigen (materiellen) Bewertungsprärogative zu erfüllen gewesen wäre. Unterscheidet man dementsprechend die eigenständige verfahrensrechtliche Pflicht von dem in der materiellen Norm enthaltenen „Prärogativrecht“, so zeigt sich deutlich, dass es bei der Begründungslast – anders als es die Wortwahl suggeriert („Last“) – nicht um eine eigenständige Belastung handelt, sondern schlicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung. Die Bewertungsprärogative wird schon nicht einschränkungslos gewährt, sondern ist mit dieser Begründungspflicht von Anfang an belastet. Dies gibt die Bewertungsnorm auch in ausreichend bestimmter Weise her, folgt dies nämlich aus ihrer eigenen, gleichheitsrechtlich begrenzten Logik heraus: Eine Prärogative kann schon denknotwendig nicht durch eine Behauptung ins Blaue ausgeübt werden. Dies gilt dann erst recht, wenn ihre Ausübung zugleich mit einer Verbind­lichkeitswirkung gegenüber den anderen Akteuren verbunden ist und insoweit die Ausnahme vom ansonsten geltenden Kompetenzmodell des Verwaltungs(-prozess-)rechts darstellt. Der Anspruch intersubjektiver Nachprüfbarkeit gilt – soweit einlösbar – auch gegenüber dem Steuerpflichtigen. Eine Prärogative, die er voraussetzungslos und unprüfbar ausüben könnte, würde gegenüber dem in Art. 3 Abs. 1 GG fundierten Sicherstellungsgebot für einen gleichheitskonformen Gesetzesvollzug (§ 7 II. 2. b.) nicht bestehen können. Daher ist jeder materiellen Bewertungsnorm, soweit sie eine Bewertungsprärogative normiert, immer so viel Begründungs- und entsprechende Dokumentationslast immanent, wie es zur wirksamen Ausübung der Kompetenzzuweisung notwendig ist. Es handelt sich aus materiell-rechtlicher Sicht letztlich um eine Voraussetzung der wirksamen Ausübung der Bewertungsprärogative1586; man mag vielleicht von einer Obliegenheit sprechen. Der Steuerpflichtige kann seine Bewertungsprärogative also nur wirksam wahrnehmen, wenn er der Begründungslast genügt. Tut er dies nicht oder entspricht sein Bemühen hierum nicht den nachfolgend noch zu formulierenden Anforderungen, tritt die mit der Bewertungsprärogative verbundene Sperrwirkung gegenüber der hoheitlichen Konkretisierungskompetenz nicht ein, d.h., die bewertungsspezifische Konkretisierungskompetenz fällt an die Finanzbehörde bzw. das Finanzgericht zurück (dazu noch § 12 IV.). Die Verfahrenspflicht zur Erstbewertung bleibt natürlich unabhängig davon bestehen. Sie wird aber – und insoweit überzeugt auch die Entscheidung des I. Senats – nicht von (gesetz-

1586 So auch R. Seer, DStJG 36 (2013), S. 337, 347 („Kehrseite“ der Bewertungsprärogative).

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Die „Kompetenzfrage“

lich nicht normierten) Begründungs- bzw. Dokumentationsanforderungen begleitet.1587 Als weitere Erkenntnis ist hier damit festzuhalten: Mit der Bewertungsprärogative geht als Kehrseite eine besondere Begründungslast einher. Der Steuerpflichtige muss seinen Bewertungsvorgang begründen und dies auch dokumentieren. Konkrete Vorgaben lassen sich hier nicht formulieren, aber den tragenden Rechtsgedanken, der in jedem Einzelfall zu effektuieren ist, wird man § 145 AO entnehmen können: Die Dokumentation des Steuerpflichtigen muss so beschaffen sein, dass ein sachverständiger Dritter sie in angemessener Zeit verstehen kann. Dies bedingt die Offenlegung seines Rechtsverständnisses, der herangezogenen Tatsachen, der ihn leitenden Gedanken zur Konkretisierung von Wertungen und Prognosen und schließlich die nachvollziehbare, methodengerechte Zusammenführung der vorgenannten Wertfindungselemente. Er muss auch angeben, worauf seine tatsächlichen Annahmen beruhen – sei es in Bezug auf die generellen Rechtstatsachen (einschlägige Bewertungsübung) oder die bewertungsrelevanten Einzeltatsachen (Eigenschaften des Bewertungsgegenstandes, Prognosen etc.). Gerade hier zeigt sich, welche Bedeutung sachverständige Bewertungsgutachten für die Anwendung von Verkehrswertnormen erlangen. Der Steuerpflichtige wird in vielen Fällen gar nicht in der Lage sein, diesen Anforderungen zu genügen. Es ist vielmehr die Erfahrung und auch Expertise der für den konkreten Bewertungsgegenstand jeweils berufenen Sachverständigen, deren Heranziehung unerlässlich ist. Für Unternehmensbewertungen sind es vor allem die Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, die hiermit angesprochen sind. Zugleich folgen hieraus auch die Grenzen der Begründungslast. Was selbst diese Personen in tatsächlicher Hinsicht nicht leisten können, kann man auch dem Steuerpflichtigen nicht als Begründungslast auferlegen. Dies wurde bereits im Kontext der Sachaufklärung und dort insbesondere anlässlich der Frage der Feststellungslast angesprochen. Insbesondere in Ansehung des einschlägigen Bewertungsverhaltensmuster dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Hier kann der Steuerpflichtige praktisch nur auf das Erfahrungswissen der 1587 Der Unterschied gilt insbesondere auch für § 90 Abs. 3 AO: Die von ihm angeordnete verfahrensrechtliche Pflicht ist nicht identisch mit der Obliegenheit anlässlich der Ausübung der Bewertungsprärogative. Freilich wird es einen Gleichlauf geben. Wer den Anforderungen des § 90 Abs. 3 AO gerecht geworden ist, wird auch den an die Ausübung der Bewertungsrogative zu stellenden Begründungsanforderungen genügt haben; § 90 Abs. 3 AO und die zu seiner Konkretisierung ergangenen Verwaltungsanweisungen leisten mithin auch insoweit Orientierungshilfe und schaffen Vertrauensschutz.

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Verfassungsrechtliche Anerkennung

vorgenannten Berufsstände zurückgreifen. Tritt die Finanzverwaltung dem substantiiert entgegen (siehe zu dieser Anforderung § 5 IV. 1.) und wird hierdurch die einschlägige Bewertungsübung noch weitergehend oder teilweise auch abweichend bekannt, so hat der Steuerpflichtige seine Begründung anzupassen. Des Prärogativrechts wird er aber dadurch nicht verlustig. Die erstmalige Einreichung eines Bewertungsvorschlages wirkt also nicht als Zäsur.

IV. Verfassungsrechtliche Anerkennung und (klarstellende) Grenzziehung Die hier vorrangig einfach-rechtlich aus dem Gesamtregelungszusammenhang begründete und in ihrer verfahrensrechtlichen Wechselbezüglichkeit dargestellte Bewertungsprärogative bedarf (auch) der verfassungs­ rechtlichen Absicherung. Sie beinhaltet nämlich eine Akzentverschiebung und zwar weg von dem im Lichte der staatlichen Gewährleistungsverantwortung für das Steuerrecht als Gegenseitigkeitsge­meinschaft und den hieran anknüpfend grundsätzlich hoheitlich von Amtsermittlung geprägten Steuervollzug (mit richterlicher Letztentscheidungsmacht) hin zu einem nur eingeschränkt kontrollierbaren Rechtsanwendungseigenanteil des (selbst betroffenen) Steuerpflichtigen. Die staatsrechtliche Problematik der Letztentscheidungsmacht der Verwaltung wird vor allem vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG geführt. Die Rechtsprechung erkennt administrative Letztentscheidungskompetenzen durchaus an, sofern sie sich aus dem Gesetz ergeben und sie durch hinreichend gewichtige Sachgründe gerechtfertigt sind.1588 Für die Bewertungsprärogative des Steuerpflichtigen, die für einen Teilbereich auf dem Weg zum behördlichen Rechtserkenntnisakt ebenfalls eine Letztentscheidungskompetenz gegenüber den anderen Akteuren bedeutet, gilt nichts anderes, nur dass hier nicht Art. 19 Abs. 4 GG, sondern Art. 3 Abs. 1 GG die einschlägige, eine Rechtfertigung bedingende und Grenzen ziehende Verfassungsnorm ist. Was dem Staat im Verhältnis zum Bürger einen effektiven Rechtsschutz abverlangt, ist aus der Perspektive der steuerlichen Gegenseitigkeitsgemeinschaft die aus Art. 3 Abs. 1 GG entspringende staatliche Pflicht zur Feststellung des steuerlich relevanten Sachverhaltes und sei es auch nur durch Verifikation. Aber auch für Art. 3 Abs. 1 GG gilt – wie für Art. 19 Abs. 4 GG –, dass vom Regelvollzugsmodell 1588 BVerfG v. 31.5.2011, 1 BvR 857/07, NVwZ 2011, 1062, 1065; R. Poscher, in: Festschrift f. Wahl, S. 527, 537 ff.; F. Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 3, § 50 Rn. 286 ff. jeweils zur Diskussion und mit weiteren Nachweisen.

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Die „Kompetenzfrage“

abweichende gesetzliche Konkretisierungen nicht von vornherein verfassungsrechtlich unzulässig sind. Entscheidend ist daher, ob sich ein Sachgrund für eine Abweichung von dem Regelkompetenzmodell finden lässt, der so gewichtig ist, dass er geeignet ist, hier gegen Art. 3 Abs. 1 GG und seine strenge bereichsspezifische Konkretisierung ins Feld geführt zu werden. Diesbezüglich ist an die bereits unter § 12 II. 2. herausgestellte Eigenart einer die soziale Wirklichkeit rezipierenden Verkehrswertbewertung anzuknüpfen: Soweit die Wertfindung von prognostischen, wertenden und schlussendlich sogar willkürlichen Ele­menten geprägt ist, fehlen die rechtlichen Maßstäbe und es geht um die Herstellung eines verfassungsrechtlich ausreichenden Maßes an Rechtssicherheit für den Steuerpflichtigen. Der besondere Sachgrund ist also gegeben und die Verfassungsrechtsfrage konzentriert sich sodann auf den Ausgleich der kollidierenden Güter: Etwaige Bedenken gegen eine Einschätzungsprärogative dürften sich vor allem auf einen Aspekt reduzieren lassen: Es ist die Sorge vor der Beliebigkeit individueller Bewertung durch den von Steuervermeidungsbestrebungen getriebenen Steuerpflichtigen. Von Beraterseite wird dies – jedenfalls vordergründig und sehr pauschal – zum Teil noch bestätigt1589, damit letztlich auch befeuert. Hierdurch gerät das Bewertungsrecht schnell in den Verdacht einer Besteuerung nach Wahl, von etwas Gestaltbaren, letztlich sogar etwa Willkürlichem, was sich zur Steuerersparnis einsetzen lässt. Die durchaus anzuerkennenden Bedenken in Bezug auf die „Beliebigkeit individueller Bewertung durch den Steuerpflichtigen“ sind jedoch keine Frage des grundsätzlichen „Ob“. Sie sind vielmehr eine Frage der jeweiligen Kontrolle einer solchen Prärogative und dies auch nur in Bezug auf ihre äußeren Grenzen. Denn innerhalb der Bandbreite vertretbarer Preise kann die finanzbehördliche Entscheidung schon definitionsgemäß keine höhere Richtigkeitsgewähr für sich in Anspruch nehmen, weil jeder Wert gemessen am Gesetz rechtsrichtig ist. Dies vorweggeschickt, sind folgende Punkte klarzustellen:

1589 Vgl. zum Beispiel T. Blum, Bewertungsgleichmaß und Verschonungsregelungen, S. 170: § 11 Abs. 2 BewG schaffe für die Unternehmensbewertung grundsätzlich erhebliches Gestaltungspotential. Wörtlich sodann: „Nichten selten läuft eine Vorbesprechung zwischen Beratern und Mandanten anlässlich einer Unternehmensbewertung nämlich so ab, dass der Berater den Mandanten fragt, welches Ergebnis denn genehm sei“. Bezeichnenderweise fehlt jede Aussage dazu, ob die dazu eingesetzten Methoden und Daten sich im Bereich des intersubjektiv nachvollziehbar Vertretbaren halten, oder ob Thomas Blum hier auch die (unzulässige) Verwendung von nicht mehr vertretbaren „Wunschdaten“ meint.

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Verfassungsrechtliche Anerkennung

Erstens, sei an die Kompetenzverteilung „im Übrigen“, d.h. in Bezug auf die nicht von der Bewertungsprärogative erfassten Rechtsanwendungsbeiträge, erinnert. Die Finanzbehörde oder das Gericht werden insoweit nicht an den Vortrag des Steuerpflichtigen gebunden. Hierfür besteht die hoheitliche Vollzugsverantwortung uneingeschränkt fort. Dies gilt zum einen für die Rechtsfragen. Insoweit wäre es auch zweifelhaft, ob dem Gericht überhaupt die Letztauslegungskompetenz einfach-rechtlich genommen werden könnte. Die (heute) überwiegende Meinung lehnt dies im Kontext der administrativen Letzt­entscheidungsbefugnisse zu Recht ab.1590 Steuerrechtlich gilt für die hiesige Fragestellung nichts anderes. Dass es keine Prärogative des Steuerpflichtigen in Ansehung vertretbarer Rechtsauffassungen gibt, hat der Große des Senat des Bundesfinanzhofs jüngst unter Hinweis auf die Gleichmäßigkeit und die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung für die Bilanzberechtigung nach § 4 Abs. 2 EStG verallgemeinerungsfähig und überzeugend begründet.1591 Zum anderen gilt dies auch nach wie vor für viele bewertungsrelevante Tatfragen, nämlich vor allem diejenigen, die auch der Feststellung mittels der verfahrensund prozessrechtlichen Erkenntnismittel zugänglich sind. Dabei ist hier noch einmal darauf hinzuweisen, dass insbesondere die Identifikation des „richtigen“ sozialen Verhaltensmusters „Tatfrage“ ist. Umgekehrt formuliert: Nur soweit Prognosen oder sonstigen offene subjektive Wertungen erforderlich sind, geht es also um eine negative behördliche/finanzgerichtliche Kontrolle in Bezug auf einen Teil des Rechtsanwendungsvorgangs, d.h. es geht noch nicht einmal um einen kontrollfreien Raum, sondern lediglich um eine reduzierte Kontrolldichte, die nämlich auf die Voraussetzungen und Grenzen der Prärogative gerichtet ist. Im Übrigen – soweit also die Prärogative nicht eingreift – bleibt es immer bei dem Regelmodell einer positiven behördlichen/gerichtlichen Tatsachenund Rechtskontrolle.1592 1590 O. Bachof, JZ 1955, 97, 98; M. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 54; M. Krumm, DStR 2011, 2429 ff.; H. J. Papier, DÖV 1986, 621, 624; M. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 227; R. Poscher, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 8 Rn. 61; R. Schenke, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 543; R. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 82; für eine Auslegungsprärogative hingegen noch D. Jesch, AöR 82 (1957), S. 163, 178. 1591 GrS BFH v. 31.1.2013, GrS 1/10, BStBl. II 2013, 317 (Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffs in Ansehung von Rechtsauffassungen; offen gelassen hingegen für Tatfragen); zustimmend J. Schulze-Osterloh, BB 2013, 1131, 1132; H. Weber-Grellet, DStR 2013, 729, 731 ff.; zuvor auch schon T. Stapperfend, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, § 4 Rn. 411. 1592 Zu dem Begriffspaar der negativen und positiven Kontrolle zum Beispiel R. Breuer, Der Staat 16 (1977), S. 21, 49.

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Die „Kompetenzfrage“

Zweitens, ist damit zugleich eine ausreichende demokratische Legitimation der Verwaltungsentscheidung gesichert. An anderer Stelle wurde bereits auf das Legitimationserfordernis und insbesondere die bei Mitwirkungsbeiträgen Privater immer notwendige Letztentscheidungsbefugnis hingewiesen (§ 7 II. d. am Ende). Diese verbleibt auch hier bei der Finanzbehörde. Die Bewertungsprärogative des Steuerpflichtigen ist letztlich aus demokratieprinzipieller Sicht ebenso unproblematisch, wie es beispielsweise auch steuerrechtliche Wahlrechte sind. Drittens, kann auch der Vorwurf der „Gestaltbarkeit“ oder die Sorge vor einer vom Eigeninteresse geleiteten Wertfindung in eigener Sache nicht überzeugen. Es ist schon im Ausgangspunkt nicht berechtigt, mit einer Prärogative des Steuerpflichtigen einen „Freibrief“ für Schätzungen ins Blaue hinein zu assoziieren. Man mag hier das Wort „Gestaltungspotential“ benutzen1593, aber hierdurch darf nicht überspielt werden, dass jede – der vorstehenden Wortwahl folgend – „Gestaltungsvariante“, d.h. jeder der verschiedenen Werte, gleichheitskonform ist. Insbesondere ist (nochmals) zu betonen, dass auch unterschiedliche (subjektive) Konkretisierungen durch verschiedene Steuerpflichtige kein Gegenargument sind, sondern innerhalb der Grenzen der Vertretbarkeit gerade Abbild der einzufangenden sozialen Bewertungswirklichkeit. Ungeachtet dessen betrifft dieses subjektiv-individuelle Element jede Schätzung, so dass auch verschiedene Finanzbeamte im Zweifel zu unterschiedlichen Werten kommen würden.1594 Bereits unter § 12 II. 2. habe ich die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung betont: Nicht die Prärogative ist das Problem, sondern der Umgang mit ihr anlässlich des konkreten Rechtsanwendungsvorgangs. Die Grenzen der Präro­gative müssen kontrollierbar bleiben. Angesprochen sind damit die verfahrens­mäßige Kompensation der Steuerungsschwäche durch Begründungs- und Argumentationsnotwendigkeiten, wie sie bereits anlässlich der gleichheitsrechtlichen Ausführungen (siehe § 7 II.) herausgestellt worden sind. Entscheidend für die (wirksame) Ausübung einer nur eingeschränkt von den übrigen Akteu­ren kontrollierbaren Erstkonkretisierungskompetenz ist, dass der Erstbewertungsvorschlag des Steuerpflichtigen einer inneren wie äußeren Plausibilitätskontrolle zugänglich ist. Dies leitet, viertens, zum nächsten Punkt über: Materielle Gleichheit, maßvolle Besteuerung und Rechtssicherheit kriegt der Steuerpflichtige 1593 Zum Beispiel T. Blum, Bewertungsgleichmaß und Verschonungsregelungen, S. 170. 1594 So auch die treffende Erkenntnis von RFH v. 2.1.1922, I A 79/21, RFHE 8, 68, 71 zur Schätzung im Allgemeinen.

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Verfassungsrechtliche Anerkennung

freilich nicht „umsonst“. Das freiheitsschonende Erstbewertungsrecht, das stets unabhängig von der Bewertungsprärogative gesehen werden muss, ist aus Sicht des Steuerpflichtigen eine zweischneidige Angelegenheit, korrespondiert hiermit nämlich auch eine Erstbewertungspflicht. Wenn der Steuerpflichtige die für eine Bewertung notwendige Rechtsund Sachkunde nicht hat, muss er auf seine Kosten externe Daten oder externen Sachverstand heranziehen. Kommt er dem nach, erfüllt er in der Regel zugleich die Voraussetzungen für eine wirksame Ausübung der Bewertungsprärogative und erhält Planungs- und Dispositionssicherheit. Wegen der Kontrollerwartung, die letztlich über die Funktionsfähigkeit einer solchen Selbstregulierung entscheidet, darf dies nicht gering geschätzt werden. Sie wird den Steuerpflichtigen zu einer nachvollziehbaren und sich der Beurteilungsspielräume bewusst machenden Entscheidung anhalten.1595 Dies gilt umso mehr, als die Erfüllung dieser Anforderungen über das „Ob“ der Prärogative entscheidet. Schließlich wird, fünftens, auch im so definierten Kompetenzbereich des Steuerpflichtigen die Hoheitsreserve vorgehalten. Wenn der Steuerpflichtige die Bewertungsprärogative nicht ausübt – sei es, weil er von seinem Erstbewertungsrecht überhaupt keinen Gebrauch macht, weil er nicht ordnungsgemäß begründet/dokumentiert oder weil er seine Kompetenzgrenzen überschritten hat – und er somit seinen Beitrag zur Rechtsanwendung nicht leistet, dann gilt § 162 Abs. 1 AO.1596 Die Bewertungsprärogative ist zwar keine echte Pflicht, die der Steuerpflichtige verletzten könnte; deshalb gilt nicht Absatz 2 der vorgenannten Vorschrift. Das Ausbleiben des für die Rechtsanwendung notwendigen Beitrages des Steuerpflichtigen lässt aber die Abschirmwirkung der materiellen Bewertungsnorm entfallen und ebnet den allgemeinen Vorschriften den Weg. Es findet mithin ein „Umschwung“ statt, nämlich vom freiheitsschonenden Selbstkonkretisierungsgrundsatz (Bewertungsprärogative) hin zum weitgehenden Freiheitsverlust (Aktivierung der Schätzungsbefugnis der Finanzbehörde). Während bei pflichtkonformem Verhalten der Steuerpflichtige die Konkretisierungskompetenz in Bezug auf Prognose und offene Wertungsaspekte innehatte, ist es nunmehr die Finanzbehörde, die hier – ersatzvornahmeähnlich – die Prognose anstellen und offene Wertungen vornehmen muss. Denn sie sind Besteuerungsgrundlagen im Sinne des § 162 AO und nehmen daher an der Ermächtigung zur Beweis1595 Siehe zur Steuerung einer inhaltlich schwach determinierten Entscheidung durch die Erwartung behördlicher und gerichtlicher Kontrolle zum Beispiel C. Möllers, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 3 Rn. 27. 1596 Gleiche Ansicht R. Seer, DStJG 36 (2013), S. 337, 347 f.

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Die „Kompetenzfrage“

reduzierung teil. Die verfassungsrechtlich fundierte Rechtsposition des Steuerpflichtigen beschränkt sich sodann nur noch darauf, dass er anstelle der Schätzung durch die Finanzbehörde eine solche durch das Gericht verlangen kann (vgl. § 96 FGO), die allerdings nach selbiger Maßgabe zu erfolgen hat. Das Aufklärungsermessen wird dabei vor allem durch die dem Steuerpflichtigen auferlegte Mitwirkung beeinflusst. Wenn der Steuerpflichtige beispielsweise keine – in seiner Sphäre vorhandenen – stichtagsbezogenen Unternehmensunterlagen vorlegt bzw. keine Unternehmensdaten/-informationen mitteilt, reduziert dies natürlich zugleich wiederum die Aufklärungpflicht der Finanzbehörde.1597 Freilich gilt auch hier das Günstigerprinzip. Es darf mithin nicht innerhalb der – zulässigerweise unter schätzungsbedingten Unsicherheitszuschlägen konkretisierten – Bandbreite wegen der Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen der für ihn steuerlich nachteiligste Wert „gewählt“ werden. Etwas anderes gilt nur im Anwendungsbereich des § 162 Abs. 3 AO, der – als explizit Abweichendes regelnde Spezialvorschrift – im Falle der Verletzung der Verrechnungspreisdokumentationspflichten eine Schätzung am oberen Rand vorsieht.

1597 Vgl. FG Hamburg v. 28.4.2009, 3 K 43/09, EFG 2010, 103, 105; FG Rheinland-Pfalz v. 24.4.2009, 4 K 1274/05, EFG 2009, 1272 jeweils für die Unternehmensbewertung.

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§ 13 Bewältigung der Bewertung in Mehrpersonenkonstellationen Bewältigung von Mehrpersonenkonstellationen

I. Mehrpersonenkonstellationen zwischen materieller Bewertungs­prärogative und formellem Verfahrensrecht

Mehrpersonenkonstellationen zw. Bewertungs­prärogative u. Verfahrensrecht

Bisher haben wir vernachlässigt, dass die Bewertung eines Gegenstandes zugleich mehrere Personen betreffen kann. Dies wird nunmehr nachgeholt. Das Augenmerk wird der Bewältigung – insbesondere ihrer konzeptionellen Ordnung – mehrpoliger Bewertungsanlässe gewidmet und dies vornehmlich unter dem (zugleich verprobenden) Aspekt der unter § 12 dieser Untersuchung in materieller Hinsicht begründeten Bewertungsprärogative des Steuerpflichtigen. Hiermit sind zwei Problemlagen angesprochen: Zum einen geht es um die bereits unter § 10 II. 2. b. angesprochene Indienstnahme Dritter. Ein Mehrpersonenverhältnis entsteht hier deshalb, weil dieser Dritte verfahrensrechtlich zur Mitwirkung verpflichtet wird und seine Pflichterfüllung unmittelbar auf das Steuerschuldverhältnis des eigentlichen Steuerschuldners einwirkt. Hier geht es einerseits um die Frage, ob die Bewertungsprärogative dem erklärungspflichtigen (in fremder Sache tätigen, aber „sich selbst“ am besten kennenden) Dritten (Personenvereinigung) oder dem letztlich davon in eigener Sache betroffenen Steuerschuldner zukommt. Zum anderen treffen wir hier auf die Konstellationen, in denen mehrere Personen von einer Bewertung in eigener Angelegenheit betroffen sind. Wenn ein Wert dergestalt in materieller Hinsicht mehrere Personen betrifft, dann führt die These von der Bewertungsprärogative zwangsläufig zu der (Folge-) Frage, ob jeder Steuerpflichtige für seine eigene Festsetzung oder Feststellung einen vertretbaren Wert wählen darf und zwar unabhängig von den anderen, mit ihm steuerlich und insbesondere bewertungsrechtlich verbundenen Steuerpflichtigen. Man denke vorerst nur an (mindestens) zwei Erben, die ein Grundstück zur gesamten Hand erworben haben, für das die §§ 151 Abs. 1 Nr. 1, 153 Abs. 2 BewG i.V.m. § 179 AO nicht nur eine gesonderte, sondern auch eine einheitliche Wertfeststellung vorschreiben.

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Bewältigung von Mehrpersonenkonstellationen

II. Bewertungspflicht des Indienstgenommenen mit Wirkung für und gegen den Steuerschuldner 1. Zuweisung der Bewertungsprärogative an den Indienstgenommenen mit ausschließender Wirkung gegenüber dem Steuerschuldner Eine Identität zwischen Steuerschuldnerschaft (insoweit: materieller Betroffenheit) und verfahrensrechtlicher, bewertungsspezifischer Pflichtigkeit muss nicht bestehen. Die Einbindung eines Dritten durch seine Indienstnahme kann dabei sogar soweit gehen, dass er allein zum Pflichtigen erklärt wird und dies vor allem mit ausschließender Wirkung gegenüber demjenigen, für den die Wertfeststellung unmittelbare Wirkung entfaltet. Das im erbschaft- und schenkungsteuerlichen Kontext den Prototyp hierfür bildende Beispiel wurde bereits bei § 10 II. 2. b. genannt: Ist Gegenstand eines erbschaft- oder schenkungsteuerrelevanten Erwerbs eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung und ist für diese gemäß § 11 Abs. 2 BewG der gemeine Wert zu ermitteln, ordnet § 151 Abs. 1 Nr. 3 BewG eine gesonderte Wertfeststellung an. Die Feststellungs- und damit auch Bewertungspflicht trifft ausschließlich die Kapitalgesellschaft (§ 153 Abs. 3 BewG). Der Steuerschuldner hat verfahrensrechtlich nicht das Recht, eine eigene Feststellungserklärung nebst eigenem Bewertungsvorschlag einzureichen. Ein weiteres Beispiel bildet die Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), bei welcher der bewertungsrelevante Gegenstand mehreren Personen zuzurechnen ist. In Bezug auf die wegen der transparenten Besteuerung insoweit relevanten Personenmehrheiten und insbesondere die Personengesellschaften wird die Thematik dabei von der zwischenzeitlich anerkannten partiellen Steuerrechtsfähigkeit der Personengesellschaft begleitet.1598 Insoweit ist es konsequent, wenn der Gesetzgeber trotz des Transparenzprinzips die anlässlich der Einkünfteermittlung praktisch relevantesten Bewertungsfragen auf der Ebene der Gesamthand aufhängt (zum Beispiel Anschaffungs- und Herstellungskosten oder Teilwert/gemeiner Wert für Wirtschaftsgüter des betrieblichen Gesamthandsvermögens oder die Bewertung einer Rückstellung auf Gesamthandsebene) und nicht auf der Ebene eines jeden Mitunternehmers. Verfahrensrechtlich gelten die §§ 179 ff. AO. Weil die Einkünfte mehreren Personen zuzurechnen sind, sind die Besteuerungs­grundlagen durch das Betriebsstätten-Finanzamt einheitlich und gesondert festzustellen. Die Bewertung betrifft also unmittelbar die Mitunternehmer, weil ihnen

1598 Dazu nur J. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 10 Rn. 10 ff.

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Bewertungspflicht des Indienstgenommenen

die Einkünfte aus der gewerblichen Mitunternehmerschaft unmittelbar zuzurechnen sind, erklärungspflichtig ist aber die Gesellschaft. Beide Beispiele zeichnen sich dadurch aus, dass die steuerliche Mitwirkungspflicht von den Gesellschaftern auf die Gesellschaft verlagert wird und dies vor allem mit absolut verdrängender Wirkung. Eine derge­stalt verdrängende Erklärungspflicht beinhaltet zugleich die Kompetenzzuweisung zugunsten des Erklärungspflichtigen in Ansehung der Bewertungsprärogative. Nur diese Sichtweise ist mit dem Kanalisierungsbestreben der verfahrensrechtlichen Verantwortungszuweisung vereinbar. Ein Auseinanderfallen von Verfahrensrecht und Bewertungsprärogative für das Außenverhältnis zwischen Erklärungspflichtigem (Indienstgenommenem) und Finanzbehörde wäre auch praktisch nicht umsetzbar. Auf dieses Außenverhältnis ist die Bewertungsprärogative dann allerdings von Seiten des Steuerrechts auch beschränkt. Das Innenverhältnis zwischen Erklärungspflichtigem und dem von der Bewertung als Steuerschuldner Betroffenem regelt sie nicht. Die steuerverfahrensrechtlichen Regelungen haben nur das Ziel, das Steuerverwaltungsverfahren zu vereinfachen. Für die Finanzbehörde ist also nur wichtig, dass bei ihr – gleich wie viele Personen beteiligt sind – nur „ein“ Wert als wie auch immer zwischen den Beteiligten abgestimmtes und schließlich kanalisiertes Ergebnis ankommt. Das Innenverhältnis bleibt daher vielmehr dem Rechtsregime überlassen, in dem es wurzelt. Bei den eingangs genannten Anwendungsfällen ist dies das Gesellschaftsrecht. Dieses muss die Frage beantworten, ob und inwieweit die Gesellschaft sich bei der Erfüllung ihrer Erklärungs- und Bewertungspflicht mit den betroffenen Gesellschaftern abstimmen und gegebenenfalls auch inhaltlich auf sie Rücksicht nehmen muss. Dort, wo hingegen keine verdrängende, sondern nur eine konkurrierende Erklärungs- und Bewertungspflicht besteht, können die vorgenannten Grundsätze hingegen nicht gelten. Denn ohne „Verdrängungsentscheidung“ fehlt es zwangsläufig auch an einer Kompetenzzuweisung für das Außenverhältnis. Für diese Fälle gelten vielmehr die nachfolgenden Ausführungen zu III. 2. Verfahrensrechtliche Teilhabe des Steuerschuldners sowie seine Rechtsschutzmöglichkeiten im Verhältnis zur Finanzbehörde Von der Zuweisung der Bewertungsprärogative an den Indienstgenommenen zu unterscheiden ist die verfahrensrechtliche Stellung des Steuerschuldners sowie die hieraus folgenden subjektiven Rechte. Der In­ dienstgenommene ist Verfahrensbeteiligter, weil er erklärungs- und 575

Bewältigung von Mehrpersonenkonstellationen

bewertungspflichtig ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Verwaltungsverfahren unter Außerachtlassung des Steuerschuldners allein mit dem Indienstgenommenen und der Finanzbehörde als Beteiligte stattfindet. Dies folgt bereits daraus, dass der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt auch gegenüber den von ihm letztendlich betroffenen Personen Wirkung entfalten können muss. Er muss ihnen daher bekanntgegeben werden. Für die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung bei Einkünften aus einer gewerblichen Mitunternehmerschaft folgt dies unmittelbar aus den §§ 179 ff. AO. Inhaltsadressaten des Feststellungsbescheides sind die Mitunternehmer als Feststellungsbeteiligte. Demgemäß muss grundsätzlich jedem Feststellungsbeteiligten eine gesonderte Ausfertigung des Feststellungsbescheids zugehen.1599 Erst dann können seine Wirkungen eintreten: Er ist dann als Feststellungsbescheid (= Grundlagenbescheid) für die Einkommensteuerbescheide der Mitunternehmer (= Folgebescheide) bindend (§ 182 Abs. 1 AO) und präjudiziert (vgl. § 351 Abs. 2 AO). Abweichungen von dem grundsätzlichen Erfordernis, dass der Feststellungsbescheid jedem Feststellungsbeteiligten gesondert bekannt gegeben werden muss, um ihm gegenüber Wirksamkeit und Verbindlichkeit zu erlangen, bedürfen einer gesetzlichen Regelung, wie sie etwa mit § 183 AO bezüglich der Empfangsbevollmächtigten existiert.1600 Im Anwendungsbereich der §§ 151 ff. BewG im Allgemeinen und damit auch für die Fälle der Erklärungspflicht der Kapitalgesellschaft nach § 153 Abs. 3 BewG im Besonderen ist diese verfahrensrechtliche Stellung des Steuerschuldners zwischenzeitlich ebenfalls klargestellt worden. Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1.11.20111601 ist § 154 Abs. 1 BewG um eine Nr. 3 ergänzt worden, wonach Feststellungsbeteiligte (auch) „diejenigen sind, die eine Steuer schulden, für deren Festsetzung die Feststellung von Bedeutung ist“. (Nur) Klarstellend ist diese Regelung deshalb, weil der Bundesfinanzhof bereits zuvor dieses Ergebnis aus dem Gesamtkontext der §§ 151 ff. BewG heraus (überzeugend) begründet hatt­e.1602 Der Steuerschuldner hat – ungeachtet seiner Einwirkungsmöglichkeiten kraft des gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnisses zur Kapital­gesellschaft – somit Verfahrensrechte inne. Er ist vor Erlass des Feststellungsbescheides anzuhören (§ 91 AO). Er hat die Möglichkeit, 1599 BFH v. 25.11.1987, II R 227/84, BStBl. II 1988, 410; v. 20.6.1989, VIII R 366/83, BFH/NV 1990, 208. 1600 BFH v. 6.7.2011, II R 44/10, BStBl. II 2012, 5. 1601 BGBl. I 2011, S. 2131. 1602 BFH v. 6.7.2011, II R 44/10, BStBl. II 2012, 5; siehe zuvor auch schon A. Höhne/I. Krause, ZEV 2010, 298, 302.

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Bewertungspflicht des Indienstgenommenen

seine Auffassung zu Rechtsfragen mitzuteilen und in tatsächlicher Hinsicht Angaben zu machen. Nur dies ist auch mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar. Es würde ansonsten zu einer Fremdbestimmtheit des Steuerschuldners kommen. Es genügt der Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls nicht, dass hier die Kapitalgesellschaft entsprechende Einbringungen für den Steuerschuldner vornehmen kann.1603 Gleichwohl bleibt es aber bei der verfahrensrechtlichen Zuweisung der materiellen Bewertungsprärogative an den Indienstgenommenen, hier an die Kapitalgesellschaft. Im Verwaltungsverfahren geltend machen kann der Steuerschuldner daher nur, was nicht von der Bewertungsprärogative umfasst wird (also Rechtsfragen, Tatfragen, soweit nicht von der Bewertungsprärogative betroffen, und insbesondere die Einhaltung der Voraussetzungen für die Ausübung der Prärogative). Soweit hingegen die mit der Bewertungsprärogative verbundene Ausfüllung der bewertungsspezifischen Spielräume betroffen ist, ist er allein auf das Innenverhältnis zur Kapitalgesellschaft verwiesen. Mit Art. 19 Abs. 4 GG ist dies deshalb zu vereinbaren, weil jeder innerhalb der Wertbandbreite liegende Wertansatz normkonform ist. Diese Differenzierung setzt sich auf der Rechtsschutzebene fort.1604 Ist der Feststellungsbescheid sowohl der erklärungspflichtigen Kapitalgesellschaft als auch jedem von der Feststellung betroffenen Steuerschuldner bekannt zu geben, so eröffnet dies jedem Adressaten die Möglichkeit einer Anfechtung. Jeder Adressat ist durch die Feststellung beschwert.1605 Nach dem Vorgesagten kann der Steuerschuldner jedoch nicht mittels des steuerrechtlichen Rechtsbehelfsverfahrens die Ausübung der Bewer1603 BFH v. 6.7.2011, II R 44/10, BStBl. II 2012, 5. 1604 Zu undifferenziert daher die pauschale Behauptung, dass der Steuerschuldner mit etwaigen Einwendungen gegen die Bewertung auf den Zivilrechtsweg gegen die Gesellschaft verwiesen sei, so zum Beispiel explizit für die ausschließliche Erklärungspflicht der Kapitalgesellschaft W. Hartmann, in: Gürsching/Stenger, BewG, § 153 Rn. 76. 1605 Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs kann ein Feststellungsbeteiligter einen Feststellungsbescheid bereits dann anfechten, wenn der Bescheid zwar noch nicht ihm, aber einem anderen Beteiligten bekannt gegeben wurde (BFH v. 7.8.1990, VIII R 257/84, BStBl. II 1988, 855). Dies wirkt sich insbesondere dann aus, wenn einem Feststellungsbeteiligten der Feststellungsbescheid überhaupt nicht bekannt gegeben wird: Wenngleich gegenüber den anderen Feststellungsbeteiligten bereits Bestandskraft eingetreten sein mag, so könne er gleichwohl den Bescheid grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkung anfechten (BFH v. 27.4.1993, VIII R 27/92, BStBl. II 1994, 3). Hier sollte allerdings erwogen werden, ob nicht der Gedanke einer zeitlichen Begrenzung, wie er mit der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO auch der baurechtlichen Rechtsprechung zugrunde liegt (BVerwG v. 28.8.1987, 4 N 3/86, BVerwGE 78, 85), ebenfalls zur Geltung zu bringen ist.

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Bewältigung von Mehrpersonenkonstellationen

tungsprärogative durch die Kapitalgesellschaft angreifen. Seine Angriffsmöglichkeiten beschränken sich auf das Prüfungsprogramm der Behörde (also: Rechtsfragen, nicht von der Bewertungsprärogative erfasste Tatsachen und wirksame Ausübung der Prärogative). Gesetzlich kann unter Umständen eine (weitergehende) Einschränkung der Rechtsbehelfsbefugnis angeordnet sein. Dies ist insbesondere durch die § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO und § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO erfolgt. Sie sind namentlich bei der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bei einer Mitunternehmerschaft zu berücksichtigen. Es wird bei einer Mitunternehmerschaft also nicht nur die Erklärungs- und Bewertungspflicht auf Gesellschaftsebene angesiedelt. Vorbehaltlich der Ausnahmen in § 352 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 AO bzw. § 48 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 FGO wird die Gesellschaft auf Rechtsschutzebene mit verdrängender Wirkung als Prozessstandschafterin der Inhaltsadressaten des Feststellungsbescheides tätig.1606 Ihr ist also im Rechtsschutzverfahren die Wahrnehmung der – aus ihrer Sicht – fremden, materiellen Rechte der Gesellschafter zugewiesen. Dies beruht letztlich auf der Überlegung, dass Gesellschafter (Mitunternehmer), die gegebenenfalls laut Gesellschaftsvertrag nur eingeschränkte Kontrollrechte haben, aus finanzgerichtlichem Anlass ansonsten weitergehende Einsicht in Gesellschaftsvorgänge erhalten würden.1607 Dort, wo eine solche Einschränkung der (eigenen) Rechtsbehelfsbefugnis jedoch nicht gesetzlich vorgesehen ist, bleibt es bei dem Grundsatz, dass jeder Feststellungsbeteiligte gegen den Feststellungsbescheid Einspruch und sodann Anfechtungsklage erheben kann. So verhält es sich auch im Anwendungsbereich des § 153 Abs. 3 BewG für die Feststellung des gemeinen Wertes einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung. Seit der Ergänzung des § 154 Abs. 1 durch das Gesetz vom 1.11.20111608 ergibt sich dies unmissverständlich aus dem Gesetz. So nimmt § 155 BewG (nunmehr) mit der Zuweisung der Rechtsbehelfsbefugnis gegen Wertfeststellungen ausdrücklich auf die Beteiligteneigenschaft Bezug.1609 Der Telos des § 352 AO bzw. des § 48 FGO, nämlich den Schutz der Gesellschaft vor weitergehenden Einblicken des Gesellschafters in die Geschäftsunterlagen als 1606 R. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 22 Rn. 131. 1607 Zum Telos P. Brandis, in: Tipke/Kruse, FGO, § 48 Rn. 1 f. mit weiteren Nachweisen. 1608 BGBl. I 2011, S. 2131. 1609 Aber auch zuvor galt dies bereits aufgrund der vom Bundesfinanzhof zutreffend begründeten Beteiligteneigenschaft des Steuerschuldners, an die sich ohne ausdrücklich Gegenteiliges anordnende Normen auch eine Rechtsbehelfsbefugnis anschließen musste, BFH v. 6.7.2011, II R 44/10, BStBl. II 2012, 5; ungeachtet dessen weist der II. Senat des Bundesfinanzhofs ebenso überzeugend auf den Umkehrschluss aus § 155 Satz 2 BewG hin.

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Mehrfache materielle Bewertungsbetroffenheit

dies nach Gesellschaftsrecht geschuldet wird, mag zwar auch hier in einigen Fällen einschlägig sein. Eine Erstreckung dieses Gedankens auch auf die Fälle des § 153 Abs. 2 BewG hätte jedoch vom Gesetzgeber explizit angeordnet werden müssen.

III. Mehrpersonenkonstellationen wegen mehrfacher materieller Bewertungsbetroffenheit Mehrfache materielle Bewertungsbetroffenheit 1. Problemstellung und Abschichtung der Fragestellungen Die Problemlage wurde bereits einleitend unter § 13 I. aufgezeigt: Wer darf die sich gegebenenfalls bei der Bewertung zugunsten mehrerer Steuerpflichtiger ergebenden Spielräume konkretisieren und dies gegebenenfalls auch mit Wirkung für und gegen die anderen Beteiligten? Diese Mehrpersonenkonstellationen mit bewertungsrechtlicher Relevanz sind mannigfaltig denkbar: – Mehrere Erben erwerben eine Unternehmensträgerbeteiligung zur gesamten Hand oder eine solche Beteiligung ist Gegenstand eines Vermächtnisses, weshalb ihr Wert sowohl beim Erben bereicherungsmindernd als auch beim Vermächtnisnehmer als Erwerb von Todes wegen Relevanz erlangt. – Auch zwischen Schenker und Beschenktem, die beide Steuerschuldner sind (§ 20 Abs. 1 ErbStG), besteht ein solches Mehrpersonenverhältnis. – Bei konzerninternen Leistungsbeziehungen sind von ein und demselben als angemessen anzusetzenden Korrekturwerten sowohl die leistende als auch die leistungsempfangende Gesellschaft betroffen; bei Leistungsbeziehungen zwischen Schwesterkapitalgesellschaften kann sich hieraus sogar ein Drei-Personenverhältnis ergeben, wenn auf die verdeckte Gewinnausschüttung noch eine verdeckte Einlage folgt. Freilich muss in einem ersten Schritt überhaupt erst einmal die Frage beantwortet werden, wo überhaupt Korrekturbedarf besteht. Denn es ist nicht zwingend, dass eine Abweichung vom Fremdvergleich eine Korrektur auf beiden Seiten der Leistungsbeziehung auslöst. So muss einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht zwingend eine verdeckte Einlage folgen und insbesondere § 1 AStG gilt nur zulasten des Steuerpflichtigen. Erst dann, wenn tatbestandlich auf beiden Seiten der Leistungsbeziehung überhaupt eine Korrektur in Betracht kommt, stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Korrekturen der Höhe nach miteinander korrespondieren müssen. 579

Bewältigung von Mehrpersonenkonstellationen

– Schließlich sei hier noch auf die Wertverknüpfung bei Maßnahmen nach dem UmwStG hingewiesen, wie zum Beispiel bei Einbringungen nach §§ 20, 21 UmwStG: Derjenige, der einen Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil oder eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung nach Maßgabe dieser Vorschriften in eine Kapitalgesellschaft einbringt, muss seiner Besteuerung den Wertansatz zugrunde legen, welchen die übernehmende Kapitalgesellschaft gewählt hat. Alle diese Konstellationen sind durch die eingangs formulierte Fragestellung geprägt. Die gesetzlichen Lösungen sind sehr verschieden, beruhen aber im Wesentlichen auf demselben Grundgedanken, nämlich der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen und Schonung der Verwaltungs- und Gerichtsressourcen. Materielle Bewertungsnorm und Verfahrensrecht dürfen insoweit zwar nicht vermengt werden und insbesondere ist mit Schlussfolgerungen von dem einen auf das andere Vorsicht geboten. Freilich kommt es zu Wechselwirkungen und vor allem Beschränkungen des materiellen Rechts durch das Verfahrensrecht. Um dieses Problemfeld weiter zu erschließen, sind folgende Fragen bzw. Denkschritte gesondert zu würdigen: 1. In Bezug auf welche Personen liegt in Ansehung des zu bewertenden Gegenstandes ein Mehrpersonenverhältnis vor (dazu unter 2.)? 2. Ordnet das Gesetz eine einheitliche, personenübergreifend wirkende Entscheidung in Bezug auf die Bewertung an (dazu unter 3.)? 3. Wenn Ziffer 2 positiv beantwortet wird: Wem innerhalb der Personenmehrheit kommt diese Entscheidung zu (Kompetenzfrage) bzw. wie ist die Entscheidung im Kollektiv zu treffen (dazu unter 4.)? 2. Konkretisierung der Mehrpersonenkonstellation Zuerst muss die Frage beantwortet werden, inwieweit überhaupt eine Mehrpersonenkonstellation vorliegt, d.h. ob mehrere Personen in Bezug auf einen steuerrechtlich einheitlichen, sich irgendwie gegenseitig bedingenden Sachverhalt miteinander verbunden sind – sei es, weil der derselbe Gegenstand auf zwei Seiten einer Leistungsbeziehung auftaucht, oder sei es, weil mehrere Personen ein und denselben Gegenstand als Personenmehrheit erwerben bzw. so zu behandeln sind.1610 So ist bei1610 Letzteres betrifft meines Erachtens die im Wege der Sonderrechtsnachfolge erworbenen Personengesellschaftsbeteiligungen. Sie fallen nicht in die Erbengemeinschaft, sondern der Erbe rückt – gesellschaftsrechtliche bzw. gesellschaftsvertragliche Zulässigkeit unterstellt – direkt in die Gesellschafterstellung des Erblassers ein und bei mehreren Erben spaltet sich die Gesellschaftsbeteiligung

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spielsweise eine Mehrpersonenkonstellation schon im Ausgangspunkt zu verneinen, wenn mehreren Personen ein zu bewertender Gegenstand (zum Beispiel Unternehmensträgerbeteiligung) freigebig zugewendet wird. Anders als bei einem Erwerb von Todes wegen ist jede Schenkung für sich zu würdigen. Weil die Beschenkten unabhängig voneinander erwerben, gibt es keine verfahrensrechtliche Verknüpfung, d.h. es findet keine einheitliche Feststellung statt.1611 Es handelt sich also jeweils um eigenständige Feststellungsverfahren.1612 Die praktische Relevanz dieser verfahrensrechtlichen Eigenständigkeit zeigt sich vor allem bei der Fortführung des vorgenannten Schenkungs-Beispiels: Nach (wohl) herrschender, meines Erachtens überzeugender Ansicht können mehrere Erwerber von der Verschonungsmöglichkeit für unternehmerisches Vermögen nach Maßgabe der §§ 13a, 13b ErbStG unterschiedlich Gebrauch machen.1613 Damit ergeben sich unter Umständen auch unterschiedliche Bewertungsinteressen. Der Beschenkte, der die 100 %-Verschonung (§ 13a Abs. 8 ErbStG) in Anspruch nimmt, wird regelmäßig Interesse an einem höheren Wert haben als der Beschenkte, der sich mit der 85 %-Regel-Verschonung „nur“ an der 50 %-Grenze des § 13b Abs. 2 ErbStG messen lassen muss, der aber auch – ein Nichteingreifen des Abzugsbetrages und von Freibeträgen unterstellt – 15 % des Erwerbs versteuern muss. Materiell-rechtlich ist das Ergebnis folgerichtig, da die Schenkungsteuer die Bereicherung eines jeden einzelnen Erwerbers erfassen soll. Daher bestehen keine Bedenken dagegen, dass die erklärungs- und bewertungspflichtige Kapitalgesellschaft jeweils „angepasst“ an die Interessen des jeweiligen Erwer­bers zwei verschiedene, aber natürlich beide innerhalb der normkonformen Bandbreite liegende Unternehmenswerte erklärt. Die Kapi­talgesellschaft befindet sich nämlich in zwei voneinander zu trennenden, eigenständigen Verwaltungsverfahren: Auch wenn die Kapitalgesellschaftsbeteiligung in derselben juristischen Sekunde an zwei Personen übertragen worden sein sollte, so ist doch für jede dieser beiden Personen ein gesondertes Feststellungsverfahren nach Maßgabe der §§ 151 Abs. 1 Nr. 3, 153 Abs. 3 BewG durchzuführen. In jedem dieser Verfahren ist der Kapitalgesellschaft mit der Erstbewertungspflicht auch die Bewertungsprärogative entsprechend auf (zur Sondererbfolge zum Beispiel BGH v. 14.5.1986, IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431). 1611 BFH v. 18.8.2004, II 22/04, BStBl. II 2005, 19; v. 24.5.2005, II R 57/03, BFH/NV 2005, 1982; R. Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 151 Rn. 13 8. 1612 BFH v. 9.4.2008, II R 24/06, BStBl. II 2008, 951. 1613 Überzeugend G. Crezelius, ZEV 2009, 1, 3; ihm folgend M. Söffing, in: Wilms/ Jochum, ErbStG, § 13a Rn. 288.

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zugewiesen und in jedem Verfahren hat sie diese ohne Bindungswirkung an das andere Verfahren eigenständig auszuüben. 3. Anordnung einer personenübergreifend wirkenden Bewertungs­ entscheidung Ist eine Personenmehrheit zu würdigen, die in Bezug auf einen konkret zu bewertenden Gegenstand eine „verfahrens- oder materiell-rechtliche Bewertungsgemeinschaft“ bildet, muss die Frage beantwortet werden, ob das Gesetz eine personenübergreifende Entscheidung anordnet: Dies kann zum einen in Gestalt einer materiellen Wertverknüpfung geschehen. So ist dies beispielsweise geschehen bei der Einbringung eines Betriebes, Teilbetriebes, Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft nach Maßgabe des § 20 UmwStG oder im Falle eines qualifizierten Anteilstausches auch bei der Einbringung von Kapitalgesellschaftsanteilen in eine Kapitalgesellschaft gemäß § 21 UmwStG. Hier hat die aufnehmende Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen die Wahl, ob das eingebrachte – aus ihrer Sicht: aufgenommene – Vermögen mit dem Buchwert, einem Zwischenwert oder dem gemeinen Wert bewertet wird. Gemäß §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3 UmwStG ist der von der aufnehmenden Gesellschaft gewählte Wert auch für den Einbringenden maßgeblich. Es kommt zu einer (materiell-rechtlichen) „Wertverknüpfung“1614, die beim Einbringenden sowohl Bedeutung für die Höhe seines Veräußerungsgewinns als auch für die Höhe seiner Anschaffungskosten in Ansehung der Anteile am übernehmenden Rechtsträger hat. Diese Wertverknüpfung hat dabei nicht nur zur Folge, dass der Einbringende an die Entscheidung gebunden wird, ob überhaupt der gemeine Wert angesetzt wird. Er wird sogar an den konkreten Wertansatz gebunden. Diese Bindungswirkung ist materiell-rechtlicher Natur, d. h., sie erfolgt nicht über eine gesonderte und dann zugleich auch einheitliche Feststellung.1615 Dies wirkt sich insbesondere auf den Rechtsschutz des Einbringenden aus: Macht dieser geltend, dass die Voraussetzungen für den gewählten Wertansatz (Buchwert, Zwischenwert) oder ausnahmsweise für eine Bindungswirkung1616 1614 BFH v. 8.6.2011, I R 79/10, BStBl. II 2012, 422; D. Nitzschke, in: Blümich, EStG, § 20 Rn. 96; S. Widmann, in: Widmann/Mayer, UmwStG, § 20 Rn. 400. 1615 De lege ferenda ist jüngst die Forderung formuliert worden, dass die Wertverknüpfung sinnvollerweise über eine einheitliche und gesonderte Feststellung des Wertes bewirkt werden sollte (D. Gosch, StbJb 2012/2013, S. 3, 11; M. Heidrich, DStR 2013, 2670, 2674). 1616 So wird in der Literatur die Bindung beispielsweise dann verneint, wenn sich der vom aufnehmenden Rechtsträger bestimmte Wert nicht mehr innerhalb der gesetzlichen Bewertungsgrenzen bewegt (so A. Herlinghaus, in: Rödder/derselbe/

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nicht vorliegen, so kann es sein, dass er zwar nicht seinen eigenen Steuerbescheid1617, aber wegen Art. 19 Abs. 4 GG den Steuerbescheid des aufnehmenden Rechtsträgers (dritt-) anfechten kann.1618 Zum anderen kann diese „Vergemeinschaftung“ aus einer verfahrensrechtlichen Verbindung herrühren. Die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, die hierfür den maßgeblichen Anwendungsfall bildet, kann nämlich auch „nur“ als Vergemeinschaftung auftreten, d.h. in Abgrenzung zu den unter II. behandelten Fällen geht es nicht um eine ausschließliche Kompetenzzuweisung. Angesprochen sind damit insbesondere die Fälle, in denen es an einer zentral institutionalisierten (teilrechtsfähigen) Einheit mit Leitungspersonen fehlt. Man denke an die Erbengemeinschaft. Erwerben mehrere Erben einen zu bewertenden Gegenstand zur gesamten Hand, ist dessen gemeiner Wert gesondert festzustellen (§ 179 Abs. 2 Sätze 1 u. 2 AO i.V.m. § 151 BewG). Es kommt also zu einer verfahrensrechtlichen Vergemeinschaftung der Bewertungsfrage. Da der Wert einheitlich festzustellen ist, scheidet aus verfahrensrechtlichen Gründen eine jeweils eigenständige Ausübung der Bewertungsprärogative durch die jeweiligen Feststellungsbeteiligten aus. Problematisch ist dies für die Mehrpersonenkonstellation, die in Ansehung von Schenker und Beschenktem besteht. Der II. Senat des Bundesfinanzhofs hatte mit Urteil vom 6.7.2011 noch überzeugend begründet, dass und warum Beschenkter und Schenker regelmäßig beide Beteiligte des auf eine gesonderte Wertfeststellung gerichteten Verwaltungsverfahrens sind und somit der Wert nicht nur gesondert, sondern auch einheitlich festzustellen ist.1619 Die mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 eingefügten § 154 Abs. 1 Nr. 3 Sätze 2 u. 3. BewG differenzieren aber nunmehr: Wird eine Steuer für eine Schenkung unter Lebenden geschuldet, ist der Erwerber beteiligt, es sei denn, der Schenker hat die Steuer selbst übernommen (§ 10 Abs. 2 ErbStG) oder soll als Schuldner der Steu-

van Lishaut, UmwStG, § 20 Rn. 188; J. Schmitt, in: derselbe/Hörtnagl/Stratz, UmwStG, § 20 Rn. 372) oder (zurückhaltender), wenn ein offenkundig willkürlich hoher Wert angesetzt wird (dies zieht D. Gosch, StbJb 2012/2013, S. 3, 9 in Erwägung). 1617 BFH v. 19.12.2007, I R 111/05, BStBl. II 2008, 536; v. 20.4.2011, I R 97/10, BStBl. II 2011, 815. 1618 BFH v. 8.6.2011, I R 79/10, BStBl. II, 2012, 421; v. 25.4.2012, I R 2/11, BFH/NV 2012, 1649; vgl. aber auch BFH v. 19.2.2012, I R 5/12, BFH/NV 2013, 743 u. BFH v. 6.6.2013, I R 36/12, juris; siehe dazu ferner die Rechtsprechungsanalyse bei M. Heidrich, DStR 2013, 2670 ff. 1619 BFH v. 6.7.2011, II R 44/10, BStBl. II 2012, 5.

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er in Anspruch genommen werden.1620 Dem Satz fehlt sprachlich zwar das entscheidende Wort, nämlich das „nur“ vor dem Erwerber. Aber gleichwohl lässt sich vor allem aus der Entstehungsgeschichte der Norm erschließen, dass der Gesetzgeber die Beteiligteneigenschaft grundsätzlich auf den Erwerber beschränkt sehen will.1621 Angeführt werden hierfür Zweckmäßigkeitserwägungen. In den meisten Fällen zahle der Erwerber die Schenkungsteuer und es sei vermeidbarer bürokratischer Aufwand, bei dieser empirischen Sachlage auch jeweils den Schenker einzubinden. Erst wenn der Beschenkte die Schenkungsteuer nicht zahle und das Finanzamt deshalb den Schenker in Anspruch nehmen möchte, sei es angebracht, den Schenker nachträglich als Beteiligten des Feststellungsverfahrens anzusehen und ihm den Feststellungsbescheid nachträglich bekannt zu geben.1622 Es hat also (erst einmal) die einheitliche Feststellung zu unterbleiben und ohne eine solche fehlt es an einer personenübergreifend wirkenden Bewertungsentscheidung. Die sich hieran anschließende Rechtsfrage ist, ob mit der „nachträglichen Bekanntgabe“ (so die Formulierung der Gesetzesbegründung) auch nachträglich noch eine Mehrpersonenkonstellation entsteht, ob es also bei einem einheitlichen Verwaltungsverfahren bleibt und der Schenker in diesem Verfahren Beteiligter wird. Alternativ ließe sich auch überlegen, ob später nicht ein eigenständiges Feststellungsverfahren ohne jede Verbindung zum ersten Feststellungsverfahren zu betreiben ist, also die Idee der einheitlichen Feststellung insgesamt aufgegeben wird. Die Frage ist für die Ausübung der Bewertungsprärogative erheblich: Die letztgenannte Deutung würde keine Probleme aufwerfen. Jeder Beteiligte wäre in seinem Verwaltungsverfahren befugt, diese eigenständig auszuüben. Eine verfahrensrechtliche Vergemeinschaftung bestünde nicht. Im anderen Fall würde eine solche Vergemeinschaftung hingegen nachträglich entstehen und der Schenker könnte die Prärogative nur noch in Abstimmung mit dem Beschenkten ausüben. Sofern die Feststellung gegenüber dem Beschenkten noch nicht bestandskräftig ist (zum Beispiel wegen § 164 AO), würde dies nachträglich auch für diese Feststellung gelten. Der Wortlaut ist insoweit nicht eindeutig, aber die entstehungsgeschichtliche Auslegung spricht für das nachträgliche Entstehen einer Mehrpersonenkonstellation mit den unter 4. noch darzustellenden Folgen. Umgekehrt gilt: Dort, wo weder eine materielle noch eine verfahrensrechtliche (auch nicht durch die prozessrechtlich mögliche Hinzuzie1620 Eingefügt mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 v. 1.11.2011, BGBl. I 2011, S. 2131. 1621 Siehe die Gesetzesbegründung v. 21.3.2011, BT-Drucks. 17/5125, S. 54. 1622 Siehe die Gesetzesbegründung v. 21.3.2011, BT-Drucks. 17/5125, S. 54.

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hung [§ 360 AO für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren] oder Beiladung [§ 60 FGO für das gerichtliche Verfahren] im Einzelfall bewirkte) Entscheidungsverknüpfung existiert, kann es schon im Ausgangspunkt keine Bindung und damit auch kein Entscheidungskompetenzproblem geben. 4. Zuweisung der Bewertungskompetenz innerhalb der Personen­ mehrheit für das Außenverhältnis zur Finanzbehörde Angenommen, es gibt eine materielle Wertverknüpfung oder verfahrensrechtliche Verbindung, dann muss dem Gesetz die Frage entnommen werden können, ob, unter welchen Voraussetzungen und mit welcher Reichweite einer der beteiligten Personen hier die Entscheidungskompetenz zugewiesen ist, d.h., ob und inwieweit diese Person durch die von ihr ausgeübte Bewertungsprärogative auch eine Bindung gegenüber den anderen Personen bewirkt. Für ein (eindeutiges) Beispiel lässt sich diesbezüglich an die materielle Wertverknüpfung des § 20 UmwStG anschließen, der nämlich zugleich auch eine Kompetenzzuweisung enthält: Wenn hier die aufnehmende Gesellschaft mit materieller Bindungswirkung gegenüber dem Einbringenden die Wahl hat, ob das eingebrachte – aus ihrer Sicht: aufgenommene – Vermögen mit dem Buchwert, einem Zwischenwert oder dem gemeinen Wert bewertet wird, dann impliziert dies auch die Zuweisung der Bewertungsprärogative in Bezug auf den gemeinen Wert als Höchstwert. Die verfahrensrechtliche Verbindung der Beteiligten ist hingegen schwieriger zu erfassen, wenngleich es auch hier durchaus (verfahrensrechtliche) Entscheidungen des Gesetzgebers gibt, die zwangsläufig auf die Ausübung etwaiger Spielräume zurückwirken müssen. Betrachten wir dazu die Personenmehrheit bei erbschaft- und schenkungsteuerlichen Fällen. Auf die verfahrensrechtliche Verbindung von Schenker und Beschenktem wurde bereits unter 3. hingewiesen. Auf die damit seit der jüngsten Änderung des § 154 BewG verbundenen Probleme ebenfalls. Auch die zwei Erben, die zur gesamten Hand einen zu bewertenden Gegenstand erwerben, sind bereits genannt worden. Dieses Beispiel soll hier weiter im Blick behalten werden: Ist der Wert des zur gesamten Hand erworbenen Gegenstandes gesondert festzustellen, hat die Feststellung zugleich einheitlich zu erfolgen (§ 179 Abs. 2 Sätze 1 u. 2 AO i.V.m. § 151 BewG). Das Gesetz enthält hier keine (vorrangige) Kompetenzzuweisung in Bezug auf einzelne Verfahrensbeteiligte. Jeder Betroffene ist gleichermaßen berechtigt (gegebenenfalls nach Aufforderung auch verpflichtet) eine Feststellungserklärung nebst (ordnungsge585

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mäßen) Erstbewertungsvorschlag einzureichen. Zwar befreit die Abgabe der Steuererklärung durch einen Pflichtigen die anderen Personen von ihrer Erklärungspflicht (§ 153 Abs. 4 Satz 2 BewG), d.h. sie dürfen nicht (weiter) angehalten werden, eine eigene Erklärung abzugeben.1623 Dies nimmt ihnen jedoch nicht das Recht, gleichwohl eine eigene Fest­ stellungserklärung mit eigenem Bewertungsvorschlag einzureichen. Der steuerlichen Pflichterfüllung ist damit zwangsläufig ein Abstimmungsund Willenbildungsprozess zwischen den Beteiligten vorgelagert. Rechtlich strukturiert wird er allein durch das Innenverhältnis, das die beteiligten Steuerpflichtigen verbindet. Er findet also außerhalb steuerrechtlicher Vorgaben und Wertungen statt. Maßgeblich ist allein das Zivilrecht, sei es in Gestalt des Gesellschaftsrechts oder des Organisationsrechts der Erbengemeinschaft. In einer solchen Situation verändert sich aus Sicht des Steuerverfahrensrechts (Außenverhältnis) die Fragestellung: Wenn die Bewertungsprärogative dergestalt im Innenverhältnis „vergemeinschaftet“ ist, muss die Frage beantwortet werden, wie eine etwaige Uneinigkeit der Steuerpflichtigen im Innenverhältnis auf das Verwaltungsverfahren durchschlägt. Die mit der verfahrensrechtlichen Bündelung der Bewertung einhergehende Vergemeinschaftung der Bewertungsprärogative erlaubt dabei nur eine Antwort: Es besteht eine Konsenspflicht innerhalb der Personenmehrheit. Wenn sich die Steuerpflichtigen nicht einig werden und divergierende Bewertungen vorlegen, haben sie die Bewertungsprärogative nicht wirksam wahrgenommen und die Bewertungskom­ petenz fällt dann in Bezug auf die Spielräume zurück an die Finanz­ verwaltung (siehe bereits § 12 III. u. IV. zur Reservekompetenz der Finanzbehörde und § 162 Abs. 1 AO).

1623 A. Höhne/I. Krause, ZEV 2010, 179, 181.

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Zusammenfassung Teil 1 I.

Der Untersuchung lag ein spezifisch steuerrechtliches Erkenntnisinteresse zugrunde. Der Blick war von Anfang an auf die Messung steuerlicher Leistungsfähigkeit gerichtet und damit auf die Bewertung von Gegenständen mit dem Ziel, sie in einer einheitlichen Bemessungsgrundlage vergleichbar zu machen. Die Leitwirkung dieses Erkenntnisinteresses hat sich bereits in Teil 1 bemerkbar gemacht. Nachdem in die außerjuristische Diskussion um den Wert einer Sache als solchen eingeführt und dort mit der Erkenntnis geschlossen wurde, dass kein Gegenstand einen Wert an sich hat, sondern vielmehr Menschen den Gegenständen individuelle Werte zuweisen, konzentrierte sich die Untersuchung auf den vom Wert zu unterscheidenden Preis. Solange Tauschverkehr stattfindet und Geld als Tauschmittel akzeptiert wird, lässt sich die These aufstellen, dass jeder Gegenstand eine in Geld ausdrückbare Tauschwertigkeit vermittelt. Ich habe diese ökonomische Wertigkeit, die ein Gegenstand verkörpert, als Tauschwert, den jedermann realisieren kann, bezeichnet. Hiermit wird im Sinne einer Arbeitsdefinition im Hinblick auf das steuerjuristische Erkenntnisinteresse das Phänomen umschrieben, dass jeder Gegenstand eine in Geld messbare Tauscheignung in sich trägt. An diesen Tauschwert und die hiermit einhergehende Vergleichbarkeit kann eine Steuernorm anknüpfen und tut dies auch häufig. In vielen Fällen fehlt es allerdings an einer tatsächlichen bzw. einer anzuerkennenden Preisbildung und dann lautet die Frage: Welcher Preis hätte sich gebildet, wenn der Gegenstand zu einem bestimmten Stichtag veräußert worden wäre? Dies ist die hypothetische Fragestellung, die der gemeinsame Nenner aller Verkehrswerte ist und die die Untersuchung als roter Faden durchzogen hat. Dies führte zu der Frage, wie sich Preise bilden, und mündete in der Erkenntnis, dass dies nach gewissen Regelmäßigkeiten geschieht. Es existieren alltägliche Verhaltensmuster. Sie reichen von der Übertragung von beobachtbaren Preisen (insbesondere bei marktgängigen Gegenständen) bis hin zur Übertragung von beobachtbaren Denkwegen (so vielfach bei unternehmerischen Einheiten). Entscheidend ist, dass man beobachten kann, wie andere Menschen etwas bewerten, und dass man mittels eines Ableitungsvorgangs diese Erkenntnis auf ein anderes Bewertungsobjekt zu übertragen versucht. Insbesondere auf dem Referenzfeld der Unter587

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nehmensbewertung, die anlässlich der Untersuchung immer wieder in den Mittelpunkt gerückt wurde, muss man dabei allerdings die präskriptiven Denkwege unterscheiden von den deskriptiven Realitätsbeschreibungen. Wenn von Seiten der Ökonomie entscheidungstheoretisch formuliert wird, wie etwas unter Zugrundelegung des ökonomischen Prinzips zu bewerten ist („Soll“), so muss dies nicht mit der sozialen Wirklichkeit und der dort zu beobachtenden tatsächlichen Bewertungsübung des Rechtsverkehrs übereinstimmen.

II. Die steuerlichen Verkehrswerte verbindet ihr realer Bezugspunkt. Sie knüpfen an das beobachtbare Verhalten von Menschen bei der Formulierung von Preisvorstellungen und deren Verhandlung an. Ich habe begründet, dass dies für alle Verkehrswerte gleichermaßen gilt, und dabei den Nachweis im jeweiligen normativen Umfeld des gemeinen Wertes, des Teilwertes und des Fremdvergleichspreises geführt. Dieses verhaltensmusterorientierte Verständnis der Verkehrswerte bildet die Grundlage für teleologische Auslegungsargumente und leitet beispielsweise den vielfältigen einfach-rechtlichen Anwendungsfragen zu § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG einen stimmigen Weg. Die Intensität des Verhältnisses von Norm und Bewertungswirklichkeit ist allerdings ganz unterschiedlich ausgestaltet. Einige Bewertungsnormen weisen eine enge gesetzliche Steuerung auf. Das bewertungsspezifische Verhaltensmuster liegt der Norm erkennbar konzeptionell zugrunde, aber die Norm konkretisiert es abschließend. So verhält es sich beispielsweise bei der Maßgeblichkeit des Börsenkurses (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BewG). Andere Bewertungsnormen hingegen sind steuerungsschwächer. Ihnen liegt nicht nur konzeptionell eine Verhaltensmusterorientierung zugrunde, sondern sie gehen sogar so weit, dass sie unmittelbar an die soziale Wirklichkeit anknüpfen. Ihnen liegt also ein Rezeptionskonzept zugrunde, das je nach normativer Steuerung mehr oder weniger auf die in der sozialen Wirklichkeit zu beobachtenden Bewertungsverhaltensmuster anlässlich der Formulierung von Preisvorstellungen verweist. Entgegen einer verbreiteten Meinung sind steuergesetzliche Bewertungsnormen daher nicht durch präskriptive Modelle zu konkretisieren. Vielmehr erfordert das Rezeptionskonzept der Verkehrswerte die empirische Feststellung des tatsächlichen Bewertungsverhaltens. Dieses ist maßgeblich, auch wenn es – aus Sicht der ökonomischen Theorie – von Irrationalitäten geprägt sein sollte.

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Teil 2 I. Soweit eine steuergesetzliche Norm die soziale Bewertungsübung rezipiert und keine anderslautende normative Steuerung aufweist, akzeptiert sie (unter anderem), dass, erstens, diese soziale Wirklichkeit selten als eindeutig zu beobachten ist, dass, zweitens, das identifizierte Preisbildungsverhaltensmuster unter Umständen von prognostischen und wertenden Elementen (Teilentscheidungen) geprägt ist, und dass, drittens, Gegenstand der hypothetischen Betrachtung immer auch noch die Einigung zweier gedachter Parteien sein muss. Ich habe am Beispiel der Grundstücks- und der Unternehmensbewertung aufgezeigt, dass und warum in Bezug auf den wahrscheinlich erzielbaren Preis deshalb in der Regel nur Aussagen in Form von Bandbreiten möglich sind. Die steuerliche Bewertungsnorm hingegen verlangt nach einem Punktwert. Damit stellt sich die Verkehrswertfindung immer als ein zweiaktiger Vorgang dar: Auf die Bestimmung der Bandbreite folgt die konstitutive Einwertigkeitsentscheidung.

II. Das Rezeptionskonzept der steuerlichen Bewertungsnormen wirft spezifische Rechtsanwendungsfragen auf. Als eine der wesentlichen Erkenntnisse ist unter anderem festzuhalten, dass eine die soziale Bewertungsübung rezipierende Norm das Bewertungsziel als Rechtsfrage vorgibt, aber der Denkweg in Gestalt des einschlägigen Verhaltensmusters eine Tatfrage ist. Gleichwohl weisen diese generellen Rechtstatsachen Unterschiede im Verhältnis zu den einzelfallbezogenen Tatsachen auf. Sie haben einen fallübergreifenden Bezug. Ihr Wissen kann zwar in der Behörde nicht als Vorhanden vorausgesetzt werden, aber gleichwohl ist zum Beispiel eine Beeinflussung der Feststellungslast möglich. Ihr fallübergreifender Bezug erlaubt es zum Beispiel ferner, sie zum Gegenstand einer verbindlichen Auskunft zu machen. Die Tatsachenebene wurde anhand der Unternehmensbewertung vertieft. Rechtspraktisch ist dieses Referenzgebiet sehr methodenfixiert. Ausgehend von der These, dass es um die Rezeption sozialer Bewertungsverhaltensmuster geht, habe ich herausgearbeitet, dass und warum Rezeptionsbedarf nach deskriptiver Theorie und nicht nach präskriptiver Theorie besteht. Letztere kann in einem konsequenten Rezeptionsmodell lediglich eine Rerservefunktion erfüllen. Wenngleich auch das prak589

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tische Dilemma der Rechtspraxis gesehen werden muss, das gerade in diesen Fällen mit der Rezeption solcher fallübergreifenden generellen Rechtstatsachen einhergeht, dürfen die Probleme empirischer Rechtstatsachenforschung allerdings auch nicht überbetont werden. Es geht zum einen nicht um empirischen Detailfanatismus, sondern um Komplexitätsreduzierung. Zum anderen sind es gerade die generellen Rechtstat­ sachen, die einer Speicherung für eine verfahrensmäßige Mehrfachverwendung zugänglich gemacht werden können. Die Untersuchung hat insbesondere gezeigt, welche zentrale Bedeutung insoweit der Finanzverwaltung zukommt. Sie verfügt grundsätzlich über die Daten/Informationen, die für eine entsprechende Wissensgenerierung und -speicherung notwendig sind. Wenn außerrechtlich zu beobachtende Verkehrs-/Handelssitten bzw. Verkehrs-/Handelsbräuche dergestalt die steuergesetzliche Norm konkretisieren und ihr letztlich sogar den wesentlichen Inhalt geben, führt dies zu der Frage, wie weit die Rezeption reicht und welche Bedeutung insbesondere dem normativen Programm zukommt. Diesbezüglich habe ich im Anschluss an die allgemeinen Erkenntnisse der Rezeptionstheorie dargelegt, dass und inwieweit die Bewertungsnorm zum einen die Erfassung der sozialen Wirklichkeit steuert. Zum anderen sind die nach dieser Maßgabe festgestellten sozialen Verhaltensmuster immer ein Element normativer Beurteilung und müssen als solches in Bezug auf die sie rezipierende Norm und deren Regelungszweck noch einmal kontrolliert und gegebenenfalls angepasst (normativer Selektionsprozess) werden. Diese Fragen sind für jede Verkehrswertnorm gesondert zu würdigen. Gerade an dieser „Vorgaben- und Filterstelle“ äußern sich die spezifischen Unterschiede der einzelnen Verkehrswerte anlässlich der sie im Übrigen verbindenen Fragestellung.

III. Soweit eine steuerliche Norm eine soziale Bewertungsübung rezipiert, wird die Rechtsanwendung zur Suche nach einer idealen Bandbreite. Bewertung heißt immer nur, soweit tatsächlich möglich die äußeren Grenzen der Bandbreite abzustecken. Da das Bewertungsergebnis vom Gesetz nur schwach determiniert ist, rückt somit seine intersubjektiv nachvollziehbare Begründung in den Mittelpunkt. Mehr kann der Rechtsanwender hier nicht leisten. Er muss Sorgfaltsanforderungen beachten (insbesondere bei der Prognose) und sich im Übrigen offen zu Eigenwertungen bekennen, wo ihm diese abverlangt werden. Dabei geht es vor allem auch 590

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darum, sich nicht in komplizierten theoretischen Ableitungsbegründungen zu verlieren, die am Ende keinen Rationalitätsgewinn verheißen und ob ihrer schwierigen Vermittelbarkeit sogar die Akzeptanz der Rechtserkenntnis schmälern (Stichwort: Capital Asset Pricing Model). Ich habe am Beispiel der Unternehmensbewertung zugleich auch aufgezeigt, wo die Möglichkeiten der rationalen Begründbarkeit enden und dass es insbesondere nicht erklärbar ist, warum ein Wert aus der Bandbreite allesamt wahrscheinlich erzielbarer Preise anderen Werten unter Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten gegenüber vorzugswürdig ist. Alle Werte sind grundsätzlich gleichermaßen wahrscheinlich und damit normkonform. Objektive Wahrscheinlichkeitstheorien können keine Einengung leisten und auch subjektiven Wahrscheinlichkeiten fehlt ein zur Überlegenheit eines Wertes führender Anknüpfungspunkt. Es kommt mithin zu der ansonsten im Recht grundsätzlich zu vermeidenden Situation, dass eine Entscheidung zwischen mehreren rechtmäßigen Entscheidungen getroffen werden muss und es keine friedensstiftende Begründung hierfür gibt. Es liegt in der Natur der Bewertung, dass eine willkürliche Entscheidung zu treffen ist.

Teil 3 I. Bereichsspezifischer Vergleichsmaßstab für die Anwendung materieller Steuergesetze ist gemeinhin das Leistungsfähigkeitsprinzip. Hat der Gesetzgeber eine Belastungsentscheidung getroffen, muss er sie folgerichtig umsetzen. Gemessen wird dies am Belastungserfolg. Es geht dabei um Relationsgleichheit in Bezug auf die Bewertung. Ausgehend von diesem gleichheitsrechtlichen Zusammenhang zwischen Belastungsentscheidung und Bewertungsnorm muss allerdings zuvörderst die – in der ver­ fassungsrechtlichen Diskussion bisher vielfach ausgesparte – Frage beantwortet werden, was im Lichte der hier bereits normtheoretisch begründeten Bandbreitenproblematik überhaupt an Gleichheit verlangt wird. Die Erkenntis dieser Untersuchung lässt sich dahin gehend zusammenfassen, dass es immer nur um Wertbandbreitengleichheit geht. Es gibt keine exakt messbare und mathematisch sichtbar zu machende Leistungsfähigkeit. Art. 3 Abs. 1 GG darf nicht theoretisch überhöht werden, sondern muss gerade im Lichte der im ersten Teil als „Natur der Bewertung“ herausgearbeiteten Wirklichkeitserkenntnis konkretisiert werden. Ein solches Gleichheitsverständnis bedeutet zum einen, dass ein gesetzliches Bewertungskonzept, dass die soziale Bewertungswirklich591

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keit mit ihrer Vielfalt rezipiert, nicht schon deshalb rechtsfertigungsbedürftig ist, sondern gerade im Zeichen des Art. 3 Abs. 1 GG steht. Es bedeutet zum anderen, dass es immer mehrere Bewertungsergebnisse gibt, die allesamt gleichheitskonform sind. Aufgrund der schwierigen Fassbarkeit der äußeren Grenzen der Wertbandbreite verschiebt sich damit die Perspektive des Art. 3 Abs. 1 GG: Es geht vornehmlich um eine sichernde Grenzziehung. Wenn der Gesetzgeber soziale Verhaltensmuster rezipiert und es deshalb immer nur um die Suche nach der idealen Bandbreite geht, dann muss zumindest der auf die Fixierung dieser Bandbreite gerichtete Weg gestaltet werden. Hier zeigt die Untersuchung sowohl die Gefahrenpotentiale („verdeckte Bewertungsvorgänge“, nicht binäre Rechtsanwendungsergebnisse) als auch die verfahrens- und organisationsrechtlichen Bausteine zu ihrer Begegnung auf: Neben den Mitwirkungspflichten sind dies Begründungslasten, Wertverständigungen, das Vorhalten von bewertungspezifischem Sachverstand und die Generierung von Erfahrungswissen. Eine Ungleichbehandlung kann in zwei Konstellationen auftreten. Dies ist zum einen der Fall, wenn der Gesetzgeber für einen bestimmten Gegenstand zwar ein Bewertungsergebnis ansteuert, das innerhalb der Bandbreite liegt, das also durchaus einen Verkehrswert darstellt, er aber für andere Gegenstände einem anderen Konzept folgt – sei es in Gestalt materieller Gleichheit oder einer anders ausgestalteten formalen Gleichheit. In einem solchen bewertungsrechtlichen Mischsystem wird in der Regel die gleichheitsrechtlich verlangte Relation in Bezug auf die Bandbreitengleichheit nicht gegeben sein. Dass alle Gegenstände mit einem möglichen Verkehrswert bewertet werden, ist dabei irrelevant. Zum anderen liegt eine Ungleichbehandlung vor, wenn der Gesetzgeber ein Bewertungsergebnis normativ ansteuert, das selbst unter Anerkennung einer Bandbreite nicht die soziale Wirklichkeit widerspiegelt und es deshalb zu einer relationalen Verzerrung im Verhältnis zu anderen (verkehrswertorientiert bewerteten) Gegenständen kommt. Ich habe durch die Auswertung der bundesverfassungsgerichtlichen Argumentation sowie verschiedener anderer Untersuchungen gezeigt, wie schwierig es allerdings rechtspraktisch sein kann, die letztgenannte Ungleichbehandlung nachzuweisen. Dabei habe ich zugleich herausgestellt, warum bestimmte Vorgehensweisen schon im Ansatzpunkt dem normativen Konzept nicht gerecht werden (Vergleich von Börsenkursen mit me­ thodisch ermittelten Unternehmenswerten) und warum andere Vor­ gehensweisen zumindest keine brauchbare Aussage für die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG hervorbringen können (Vergleich der gesetzlichen Metho­dik mit einer präskriptiven Unternehmensbewertungsmethode). 592

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Vielmehr weist auch hier wieder eine verhaltensmusterorientierte Betrachtung den Weg: Eine Ungleichbehandlung lässt sich rechtspraktisch nur nachweisen, wenn man die Denkwege der Norm auf der einen Seite und der sozialen Bewertungswirklichkeit auf deren Seite vergleicht. Die Rechtfertigung einer dergestalt nachgewiesenen Ungleichbehandlung ist möglich. Maßstab hierfür ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Untersuchung hat sich insoweit zum einen der vereinfachenden („typisierenden“) Bewertung gewidmet, allgemeine (vor allem) abwägungsrelevante Gesichtspunkte aufgezeigt und im Besonderen das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG) gewürdigt. Man wird es als verfassungskonforme Typisierung ansehen können, allerdings geht seine Verfassungskonformität zu Lasten seines Anwendungsbereichs und es hat sich gezeigt, wie undurchdacht seine Prämissen letztlich sind. Zum anderen wurde die Ungleichbehandlung mit dem Ziel der Verschonung untersucht. Als Erkenntnis konnte insoweit festgehalten werden, dass die jeweilige Konkretisierung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit die Weichen dahin gehend stellt, ob eine Verschonung auf der Bewertungsebene zulässig ist. Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist eine bewertende Verschonung regelmäßig nicht erforderlich und damit verfassungswidrig. Bei der Einkommensteuer hingegen ist der be­ wertungsspezifische Ansatz des Realisationsprinzips umgekehrt der vorzugswürdige Ansatzpunkt.

II. Freiheitsrechtlich folgt die Arbeit der Ansicht, dass die Belastungswirkung, die mit der Auferlegung einer gegenleistungslosen Geldleistungspflicht einhergeht, einen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG darstellt. Die Vielzahl der eigentumsspezifischen Verfassungsrechtsfragen, die sich im Kontext des Steuerzugriffs stellen, konnten anlässlich dieser Unter­ suchung nicht umfassend gewürdigt werden. Stattdessen habe ich eine bewertungsspezifische Perspektive eingeschlagen und insoweit die eigentumsrechtlichen Rechtfertigungsnotwendigkeiten sowie die Grenzziehungskraft des Übermaßverbotes in Bezug auf die legislative Zugriffs- und Ausgestaltungsbefugnis aufgezeigt. Allerdings kann eigentumsrechtlich die Lastenausteilungsentscheidung einer bewertungsabhängigen Steuer nicht hinterfragt werden. Es war ferner festzuhalten, dass sich Art. 14 Abs. 1 GG nicht unter dem Aspekt der „Unsicherheit der Wertschätzung“ gegen eine Verkehrswertbewertung als solche effektuieren lässt. Auch das Zusammenwirken von Steuerbelastung und bewertungsspezi593

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fischen Mitwirkungspflichten wird nur in (kaum denkbaren) Ausnahmefällen zu einer Verfassungswidrigkeit führen. An einer Stelle hat die Eigentumsgarantie jedoch eine gewichtige bewertungsspezifische Relevanz erlangt, nämlich in Ansehung der Unsicherheit innerhalb der Bandbreite allesamt wahrscheinlicher Werte. Wenn die Bewertungsnorm eine solche Bandbreite akzeptiert, dann geht es aus Sicht des Steuerpflichtigen eigentumsrechtlich um eine Risikozuweisung: Wer muss das Risiko tragen, dass ein Wert zugrunde gelegt wird, der zu einer höheren Steuerlast führt, als dies zur Verwirklichung der Lastenausteilungsentscheidung notwendig ist? Diese Ungewissheit ist kein gleichheitsrechtliches Problem, weil die Lastenverteilung trotz Ungewissheit nach einem sachgerechten Maßstab erfolgt. Berührt ist vielmehr (vorrangig) das abwehrrechtliche Grundanliegen der Eigentumsgarantie, nämlich der Anspruch des Steuerpflichtigen darauf, anlässlich der Verwirklichung eines staatlich definierten Ziels (Lastenausteilungsentscheidung) nur soweit auf individuelle Freiheit verzichten zu müssen, wie dies zur Erreichung eben jenes Ziels erforderlich ist. Der Einnahmeerzielungszweck erlangt an dieser Stelle keine Bedeutung. Es geht vielmehr um eigentumsrechtliche Rationalität und Ausgewogenheit innerhalb der als solcher hingenommenen Lastenausteilungsentscheidung. Dies hat zur Folge, dass der Gesetzgeber rechtfertigen können muss, warum ein bestimmter Wert aus der Bandbreite der Besteuerung zugrunde zu legen ist, wenn es einen weniger Steuerlast auslösenden, aber ebenso gleichheitskonformen Wert gibt. Reine Fiskalzwecke müssen hier außen vor bleiben. Die Vereinfachung kann ein solcher Sachgrund sein, aber der als Beispiel herangezogene § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG zeigt anschaulich, wie schwierig es sein kann, eine – selbst unter Beachtung der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative – anzuerkennende Vereinfachung vorzufinden. Einen weiteren Schwerpunkt unter dem Topos von „Freiheit und Vielfalt“ nahm die Planungs- und Dispositionssicherheit ein. Ich habe insbesondere die Situation des Steuerpflichtigen dargestellt: Er plant seine Disposition, geht den ersten Schritt und erfährt grundsätzlich erst nach der Disposition im nachvollziehenden Verwaltungsverfahren, ob sein Plan aufgegangen ist. Dies ist einerseits freiheitsrechtlich relevant in Bezug auf diese Disposition selbst. Es ist aber ebenso freiheitsrechtlich von Bedeutung, dass der Steuerpflichtige auch nach der Verwirklichung eines steuerbaren Tatbestandes weitere Dispositionen tätigen will. Es geht stets darum, dass die Steuer eine zumindest schätzbare Kalkulationsgröße darstellen muss und dass es verfassungsrechtlich nicht zumutbar ist, 594

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wenn der Steuerpflichtige erst Monate oder gar Jahre nach der Verwirklichung des Tatbestandes den maßgeblichen Wert erfährt. Dass steuerliche Tatbestandsverwirklichung in ihren quantitativen Auswirkungen vorsehbar und kalkulierbar bleibt, führt natürlich zum Konflitk mit einem bewertungsrechtlichen Rezeptionsmodell, dessen Charakteristikum und Vorzüge gerade die zulasten der Berechenbarkeit gehende einzelfallorientierte Anpassungsfähigkeit sind. Hier zeigt sich die untrennbare bewertungsspezifische Wechselwirkung zwischen Gleichheit und Freiheit: Wenn der Gesetzgeber ein Regelungskonzept materieller Gleichheit unter weitgehender Rezeption der sozialen Bewertungsübung verfolgt, trägt er damit zwar einer wirklichkeitsorientierten Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung. Er muss aber als Kehrseite dessen die damit zwangsläufig verbundene Gefahr der Unberechenbarkeit steuerlicher Rechtsfolgen aus der Perspektive des Steuerpflichtigen beachten. Die freiheitsrechtlich fundierten Anliegen steuerlicher Planungs- und Dispositionssicherheit zwingen den Gesetzgeber daher zu einem freiheitsrechtlichen „Zu-Ende-Denken“ eines solchen rezipierenden Bewertungskonzepts (konzeptionelles Vollständigkeitsgebot). Dies kann geschehen durch verfahrensrechtliche Sicherungen, aber vor allem durch die materielle Ausgleichsmechanismen, wie insbesondere die Zuweisung einer partiellen Bewertungsprärogative an den Steuerpflichtigen.

III. Verfassungsrechtlich gewürdigt wurde ferner das Verhältnis von Legislative und Exekutive. Das „Wesentliche“, was unter die Selbstentscheidungspflicht des Gesetzgebers fällt, ist der Bewertungsmaßstab. Er verwirklicht den Belastungsgrund und kann daher insoweit hinter diesem nicht zurückstehen. Die weitergehende Konkretisierung des Rechtswertes kann der Gesetzgeber hingegen der Exekutive überlassen. Am Beispiel des vormaligen Stuttgarter Verfahrens habe ich die Bedeutung des legislativen Regelungskonzepts für das Verwaltungshandeln aufzeigt. Nach meiner Ansicht war die Verwaltungs- und Gerichtspraxis bis zum 31.12.1992 rechtswidrig, weil dem Gesetz ein Konzept materieller Gleichheit unter Anerkennung der sozialen Bewertungswirklichkeit zugrunde lag und das Stuttgarter Verfahren mit seiner formalen Gleichheit eine unzulässige „Gegensteuerung“ darstellte. Hieran ist in Ansehung der seit dem 1.1.2009 geltenden Rechtslage mit Nachdruck zu erinnern.

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Teil 4 I. Liegen regelmäßig mehrere Bewertungsergebnisse vor, die gleichermaßen wahrscheinlich und damit allesamt normkonform sind, muss der Gesetzgeber bestimmen, nach welchem Maßstab ein Ergebnis aus der Bandbreite herauszukonkretisieren ist. Diese „Richtungsfrage“ ist normspezifisch zu beantworten. Die Auslegung der jeweiligen Bewertungsnorm wird allerdings in verallgemeinerungsfähiger Weise durch ihre Vergleichsfunktion in Ansehung der Lastenausteilungsentscheidung geprägt und dies erlaubt die Formulierung normübergreifender Auslegungsargumente: Wenn die Lastenausteilungsentscheidung schon mit dem für den konkreten Steuerpflichtigen günstigsten Wert erfüllt wird und er somit einen gleichheitskonformen Beitrag an die Gemeinschaft leistet, dann erfüllt sie bereits hierdurch ihren Zweck und einer weitergehenden Belastung des Steuerpflichtigen bedarf es nicht. Vorbehaltlich einer anderslautenden gesetzlichen Anordnung (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG) führt dies zu einem bewertungsspezifischen Günstigerprinzip, in dem sich insbesondere auch das freiheitsrechtlich herausgearbeitete Regel-Ausnahme-Verhältnis widerspiegelt. Die dem Steuerpflichtigen günstigste Einwertigkeitsentscheidung muss dabei nicht zwingend der niedrigste Wert sein. Entscheidend ist vielmehr die Steuerwirkung. Ein solches Günstigerprinzip ist ein materieller Entscheidungsmaßstab. Es handelt sich daher nicht (lediglich) um eine Frage der Feststellungslast.

II. Von der Frage nach dem Maßstab zu unterscheiden ist die Frage nach der Kompetenzzuweisung: Welcher der Akteure trifft mit Wirkung für und gegen die anderen Akteure die nicht gesetzlich determinierten Entscheidungen (wertende und prognostische Elemente, Einwertigkeit)? Auch dies ist eine normspezifisch zu beantwortende Frage. Das Dogma einer Wertschätzung nach § 162 AO mit der ihm eigenen Kompetenzverteilung habe ich verworfen und die Frage vielmehr in der jeweiligen Norm verortet. Mit dem dergestalt auf die Bewertungsnorm gerichteten Blick habe ich verallgemeinerungsfähige Gründe aufgezeigt, die bei der Aus­ legung der verschiedenen Bewertungsnormen zu berücksichtigen sind, und habe dabei den argumentativen Boden für einen eigenbestimmten Rechtsanwendungsanteil des Steuerpflichtigen bereitet: Rezipiert die Bewertungsnorm die soziale Bewertungswirklichkeit und ist sie damit 596

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Ausdruck materieller Gleichheit, so wird die Auslegung der Verkehrswertnorm – vorbehaltich entgegenstehender Anordnungen – in der Regel ergeben, dass sowohl die prognostischen und (bewertungsspezifisch) wertenden Rechtsanwendungsbeiträge als auch die Konkretisierung der einwertigen Ergebnisse aus den Bandbreiten heraus kompetenzrechtlich dem Steuerpflichtigen zugewiesen sind. Dies ist das Ergebnis einer gesamtteleologischen Betrachtung des Bewertungskonzepts. Ungeachtet dessen wäre die Auslegung aber auch verfassungsrechtlich zwingend, weil sich anderenfalls für den Steuerpflichtigen eine nicht mehr zumutbare Ungewissheitssituation im Vorfeld und im Nachgang der Verwirklichung eines steuerrelevanten Sachverhaltes einstellen würde. Die Verwaltung trifft zwar nach wie vor die Pflicht zur Ersterkenntnis. Soweit die Bewertungsprärogative reicht, leistet der Steuerpflichtige aber einen nur eingeschränkt kontrollierbaren Rechtsanwendungseigenanteil. Insoweit findet nur eine Vertretbarkeitskontrolle statt. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Steuerpflichtige die Bewertungsprärogative annimmt und die hiermit verbundenen Begründungslasten erfüllt. Tut er dies, erhält er insoweit Dispositionssicherheit und weder die Finanzbehörde noch das Gericht dürfen in Bezug auf die von der Bewertungsprärogative erfassten Entscheidungen eine ihnen als sachgerecht oder angemessen erscheinende Lösung entwickeln. Sie müssen die Konkretisierung des Steuerpflichtigen vielmehr ihrer Entscheidung zugrunde legen. Im Übrigen bleibt es bei der üblichen Kompetenzverteilung. Die Prärogative erstreckt sich nicht auf Rechtsfragen und auch nicht auf die Tatsachen, die der Beobachtung zugänglich sind. Insbesondere die Frage, ob ein Preisbildungsverhaltensmuster im konkreten Fall einschlägig ist, unterfällt als eine solche Tatfrage nicht der Bewertungsprärogative.

III. Sowohl Günstigerprinzip als auch Bewertungsprärogative werfen in Mehrpersonenkonstellationen spezifische Fragen auf. Dies gilt zum einen für die exklusive Indienstnahme eines Dritten (zum Beispiel die [Selbst-] Bewer­tungspflicht von Kapitalgesellschaften). Nach hier vertretener Ansic­ht ist dem Indienstgenommenen die Bewertungsprärogative zugewiesen. Zum anderen existieren Mehrpersonenverhältnisse, die durch eine Mehrzahl selbst betroffener Steuerschuldner gekennzeichnet sind. Die Regelungszusammenhänge sind insoweit sehr verschieden. Ich habe daher zuerst aufgezeigt, wann überhaupt mehrere Personen über das materielle Recht oder über das Verfahrensrecht zu einer „bewer597

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tungsspezifischen Schicksalsgemeinschaft“ verbunden werden. Zwingend sind solche Verbindungen nicht. Das Recht nimmt durchaus in Kauf, dass trotz mehrfacher Relevanz in den verschiedenen Steuerrechtsverhältnissen unterschiedliche Bewertungsergebnisse gelten können. Existiert hingegen eine zu einem einheitlichen Bewertungsergebnis zwingende Verbindung zwischen mehreren Steuerpflichtigen, dann führt dies zu der Frage nach der Kompetenzzuweisung innerhalb der Personenmehrheit. Solche Zuweisungen finden sich zum Teil. Wo eine solche Kompetenzzuweisung hingegen fehlt, ist die Ausübung der Bewertungsprärogative vergemeinschaftet und ihre wirksame Ausübung setzt ein im Verhältnis zur Finanzbehörde einheitliches Handeln voraus. Geschieht dies nicht, entfällt die Bewertungsprärogative und es wird die Reservekompetenz der Finanzbehörde aktiviert.

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Stichwortverzeichnis Advance Pricing Agreements, 498 ff. Anschaffungskosten – Funktion, 110, 208 f., 212 f. – realer Bezugspunkt, 208 ff. Aufzeichnungspflichten, siehe Bewertung Ausgleichsmechanismen, siehe Kompensationsgebot Bandbreite (an allesamt wahrscheinlichen Preisen), 155 f., 234 ff., 322 ff., 356 ff., 389 ff., 450 ff., 527 ff. Basiswert, siehe Bewertungsentscheidung Begründung/Begründungslasten, siehe Bewertung und Bewertungsprärogative Belastungsgleichheit, siehe Bewertung und Gleichheitssatz Betriebsvermögensvergleich, 109 ff. Bewertung, siehe auch noch Rechtswert und Verkehrswert – Aufzeichnungs-/Dokumen­ tationspflichten (bewertungsspezifische), siehe Mitwirkungspflichten – Bandbreite, siehe dort – Begründung, siehe Nachprüfbarkeit – Belastungsgleichheit, 345 ff. – Bewertungsentscheidung, siehe dort – Bewertungsgutachten, 276 f., 279 ff., 304 f., 339 ff. – Bewertungsprärogative, siehe dort – Daten(-banken), 289 ff., 302 ff.

– Einwertigkeitsentscheidung, siehe Bewertungsentscheidung – Entscheidungs-/Erfahrungswissen, 279 ff., 420 ff. – Feststellungslast, 275 ff., 542 – generelle Rechtstatsachen, 279 ff., 287 ff., 302 ff., 496 f. – gleichheitsrechtliche Anforderungen, siehe gleichheitsrechtliche Dimension – Gutachterausschuss, 302 ff. – Informationen, siehe Daten – Kaufpreissammlung, siehe Daten – Kompetenzordnung, siehe Bewertungsprärogative – Kontrollbewertung, 127 ff. – Maßstab für die Bewertung, siehe Rechtswert – Mehrpersonenverhältnisse, siehe Bewertungsentscheidung – Mietspiegel, 305 ff. – Mitwirkungspflichten, 275 ff., 289 ff., 409 ff., 438 ff., 500 ff., 562 ff. – Nachprüfbarkeit (intersubjektive), 145 ff., 155, 321 ff., 414 ff., 416 ff., 562 ff. – Objektivität/Objektivierung, siehe Rechtswert – Prognose, siehe wertende Rechtsanwendungsbeiträge – als Rechtsanwendung, 125 ff., 253 ff., 275 ff., 321 ff. – Rechtsfragen, 254 ff., 260 ff., 492 ff. – Rezeption von Bewertungsverhaltensmustern, 147, 148 ff., 238 ff., 262 ff., 279 ff. 659

Stichwortverzeichnis

– als sozialer Vorgang, siehe soziale Wirklichkeit – Steuerungsschwäche, siehe Verfahrensgedanke – Suche nach der idealen Bandbreite, siehe Bandbreite – Tatfragen, 260 ff., 480 f., 492 ff. – Typisierung, siehe gleichheitsrechtliche Dimension der Bewertung – Verfahrensgedanke und Steuerungsschwäche, 405 ff. – Verschonung durch Bewertung, siehe gleichheitsrechtliche Dimension der Bewertung – Ungewissheit innerhalb der Bandbreite als Verfassungs­ problem, 450 ff. – wertende Rechtsanwendungsbeiträge, 70 ff., 241 ff., 315 ff., 326 ff., 549 ff. – Wertfindungsrisiko, siehe freiheitsrechtliche Dimension der Bewertung – als (teilweiser) Willkürakt, 338 f. – Wissensgenerierung, 287 f., 298 ff. Bewertungsentscheidung – Basiswertregelung, 512, 520 ff. – Einwertigkeitsentscheidung (aus der Bandbreite heraus), 234 ff., 248 ff., 336 ff., 527 ff. – gesonderte Feststellung, 499 f., 504 ff., 520 ff. – Indienstnahme, siehe dort – Maßstab für die Rechtmäßigkeit, 234 ff., 248 ff., 336 ff., 518 ff. – Mehrpersonenverhältnisse, 573 ff. – verfahrensrechtliche Bewältigung, 492 ff. – Verwaltungsakt, 499 f. 660

Bewertungsgegenstand, 137 ff. Bewertungsprärogative – Herleitung, 549 ff. – Indienstnahme, 574 ff. – Mehrpersonenkonstellation, 573 ff., 579 ff. – Mitwirkungspflichten, 562 ff. – Richtungsfrage (Günstigergrundsatz), 527 ff., 538 ff., 543 f. – Selbstregulierung, 561, 571 – subjektiver Fehlerbegriff, 557 f. – Umfang (Reichweite), 567 ff. – Verfassungsmäßigkeit, 567 ff. – Voraussetzung, 562 ff. Börsenkurs, 59, 157 ff., 386 ff. Buchwert, 220 f. CAPM, 76 f., 101, 327 ff. Datenbanken, siehe Bewertung Discounted-Cashflow-Verfahren, siehe auch Ertragswertmethode – CAPM, siehe CAPM – kapitalmarktorientierter Hintergrund, 75 ff. – rechtliche Relevanz, 164, 283 ff. Dispositionsschutz, siehe freiheitsrechtliche Dimension der Bewertung Dokumentationspflichten, siehe Bewertung Einkommensteuer – Bewertungsanlässe, 108 ff. – freiheitsrechtliche Anforderungen an die Bewertung, 434 ff. – gleichheitsrechtliche Anforderungen an die Bewertung, 352 ff., 356 ff. Einzelkosten, 209 Entscheidungswissen, siehe Bewertung

Stichwortverzeichnis

Erbschaftsteuer – Bewertungsanlässe, 106 f. – fiskalische Eignung, siehe dort – freiheitsrechtliche Anforde­ rungen an die Bewertung, 431, 440 – gleichheitsrechtliche Anforde­ rungen an die Bewertung, 347 ff., 356 ff. Erfüllungswert, 216 f. Ertragswert – investitionstheoretischer Er­ tragswert, siehe Ertragswertme­ thode – eigenständiger (Soll-)Ertrags­ wert, 118 f., 152 f., 222 ff., 433 Ertragswertmethode – Abgrenzung zum eigenständi­ gen (Soll-)Ertragswert, 226 ff. – Ertragswertbetrachtung als soziale Übung, 62 – IdW S1, 78 f. – investitionstheoretischer Hin­ tergrund, 66 ff. – Kapitalisierungszinsatz, 70 ff., 241 ff., 315 ff. – Prognose der finanziellen Über­ schüsse/Wertungen, 70 ff., 241 ff., 309 ff., 315 ff., 326 ff., 549 ff. – Verbreitung, 83, 85 ff., 377 ff. – vereinfachtes Ertragswertver­ fahren, siehe dort – Verhältnis zur Multiplikatoren­ methode, 103

– Dispositionsschutz, 458 ff., 492 ff., 522 ff., 555 ff., 567 ff. – Eigentumsfreiheit und Steuer­ belastung, 426 ff. – fiskalische Eignung, siehe dort – Kompensationsgedanke (Wech­ selwirkung zum Gleichheits­ satz), 463 ff., 549 ff., 567 ff. – Mitwirkungspflichten, 438 ff. – Strafbarkeitsrisiko, siehe dort – Substanzbesteuerungsverbot, 432 ff. – Typisierung, 455 ff. – Ungewissheit als Verfassungs­ problem, 450 ff., 538 ff. – Vertrauensschutz, siehe Dispo­ sitionsschutz – Wertfindungsrisiko, 458 ff. Fremdvergleichspreis – Fremdvergleich (doppelter), 188 – Funktionsverlagerung, siehe dort – hypothetischer Fremdvergleich, 191 ff. – Kontrollfunktion, 188 f. – Standardmethoden, 190 ff. – systematische Einordnung, 116, 187 ff. – tatsächlicher Fremdvergleich, 191 ff. – Transparenzklausel, 196 f. – verdeckte Gewinnausschüt­ tung, siehe dort – Vergleichsfunktion, 189, 258 ff. Funktionsverlagerung, 117, 198 ff.

Fiskalische Eignung einer bewer­ tungsrelevanten Steuer, 445 ff. Freiheitsrechtliche Dimension der Bewertung, siehe auch Bewer­ tung, Verkehrswert und die einzelnen Steuerarten

Gebrauchswert (Aristoteles), S. 27 ff. Geld – (allgemeine) Funktionen, S. 46 – Wertmessfunktion, S. 47, 105 ff. gemeiner Wert, 151 ff. 661

Stichwortverzeichnis

Gemeinkosten, 209 gerechter Preis, siehe Preis Gleichheitsrechtliche Dimension der Bewertung, siehe auch Bewertung, Verkehrswert und die einzelnen Steuerarten – Bandbreitengleichheit, 356 ff., 487 ff. – Belastungsgleichheit, 345 ff. – Feststellung von Ungleichbehandlungen, 372 ff. – Kompensationsgebot (Wechselwirkung mit den Freiheitsrechten), 463 ff., 549 ff., 567 ff. – Sicherstellungsgebot (Bewertungsprozess, Verfahrensgedanke), 405 ff., 508 f. – Strukturschaffungspflicht, 420 ff. – Typisierung, 362 ff., 389 ff., 455 ff., 474, 480 f., 487 ff. – Verschonung durch Bewertung, 222 ff., 400 ff. Grunderwerbsteuer, 123 f. Grundsteuer, 121 Grundstücksbewertung, 176 ff., 262 ff., 296 ff, 315 f., 372 ff. Gutachterausschuss, siehe Bewertung Herstellungskosten – Einzel-/Gemeinkosten, siehe dort – Funktion, 110, 208 f., 212 f. – realer Bezugspunkt, 208 ff. Indienstnahme – Anwendungsfälle bei der Bewertung, 504 ff. – Bewertungsprärogative, siehe dort – Kostentragung, 513 ff. – Verfassungsmäßigkeit, 507 ff. 662

Kombinationsverfahren, siehe Stuttgarter Verfahren Kompensationsgebot (Wechselwirkung Gleichheitssatz/Freiheitsrechte), 463 ff., 549 ff., 567 ff. Körperschaftsteuer, siehe Einkommensteuer Kunst(-sammlung), 139 f., 326 ff. Marktpreis, 156 Mietspiegel, siehe Bewertung Mindestwert, 175 f. Mitwirkungspflichten, siehe Bewertung Multiplikatormethode – Grundgedanke, 79 f. – rechtliche Relevanz, 164 – als soziale Übung, 99 Nationalökonomie – Arbeitswertthese, 40 f. – Gleichgewichtspreis, 43 – Grenznutzentheorie, 41 f. Nominalwert, 216 f. Preis – Einigung (als Freiheitsausübung), 56, 265 f., 356 ff. – gerechter Preis, 27 ff. – Preisbildungserwartung/-verhaltensmuster, siehe soziale Wirklichkeit – Verhältnis zum Wert, 63 Realisationsprinzip – freiheitsrechtliche Fundierung, 434 ff. – Verwirklichung durch Bewertung, 110 ff. – Wirkungszusammenhang, 110 ff., 354 ff. Realität, siehe soziale Wirklichkeit

Stichwortverzeichnis

Rechtssicherheit – siehe freiheitsrechtliche Dimension der Bewertung Rechtstatsachen (generelle), siehe Bewertung Rechtswert – Bewertung, siehe dort – Definitions- und Kreationsfreiheit des Gesetzgebers, 131 ff. – (kein) Einheitsrechtswert, 133 ff. – Fremdvergleichspreis, siehe dort – Funktionsbegriff, 105 ff. – gemeiner Wert, siehe dort – gleichheitsrechtliche Grenzen, siehe gleichheitsrechtliche Dimension – Objektivierung, 142 ff., 155, 342 – realer Bezugspunkt, 135 f., 142 ff. – Teilwert, siehe dort – Vergleichsfunktion (innerhalb des Steuerrechtssatzes), 125 ff., 153, 258 ff., 471 ff., 549 ff. Schenkungsteuer, siehe Erbschaftsteuer Selbstregulierung, siehe Bewertungsprärogative Soziale Wirklichkeit – Abgrenzung zu präskriptiven Aussagen, 85 ff., 98 ff., 260 ff. – Bewertungsübung als Teil der sozialen Wirklichkeit, 47 ff., 52, 53 ff., 148 ff., 238 ff., 281 ff. – Erfassung, 281 ff. – Relevanz für Gesetzgebung und Rechtsanwendung, 19 ff., 131 ff., 148 ff., 356 ff., 389 ff., 406 ff., 444

– Reservefunktion präskriptiver Modelle, 288 Subjektiver Fehlerbegriff, siehe dort Substanzwert, 65 f., 167, 175 f. Strafbarkeitsrisiko, 488 ff. Stuttgarter Verfahren – Grundgedanke, 80 ff. – (gleichheits-)rechtliche Relevanz, 164, 377 ff., 384 ff., 482 ff. – Vereinfachungsanliegen, 100, 482 ff. Tatsächliche Verständigung, siehe Verständigung Tauschwert – Aristoteles, 27 ff. – Smith, 40 ff. – Tauschwerteignung und steuerliche Bemessungsgrundlage, 46 ff., 105 f. Teilwert, 179 ff., 237 f. Üblicher Endpreis am Abgabeort, 206 ff. Umsatzsteuer, 121 ff. Umsatzmethode, siehe Multiplikatormethode Unternehmensbewertung – Bewertungsgutachten, 276 ff. – Bewertungsprärogative, siehe dort – Discounted-Cashflow-Methode, siehe dort – Ertragswertmethode, siehe dort – Gesetzliche Bewertung (§ 11 Abs. 2 BewG), 164 ff., 368 ff. – Methodenvielfalt in der sozialen Wirklichkeit, 83, 262 ff., 268, 281 ff. – Multiplikatorenmethode, siehe dort 663

Stichwortverzeichnis

– Preisbildung, 84 – Reservefunktion präskriptiver Modelle, 288 – Stuttgarter Verfahren, siehe dort – Substanzwert, siehe dort Verbindliche Auskunft, 493 ff. Verdeckte Gewinnausschüttung – Fremdvergleichspreis, siehe dort – systematische Einordnung, 115 ff., 201 ff. Vereinfachtes Ertragswertverfahren, 169 ff., 385 ff., 393 ff. Verkehrswert, siehe auch Bewertung und soziale Wirklichkeit – Bandbreite, siehe dort – Einwertigkeitsentscheidung, siehe Bewertungsentscheidung – freiheitsrechtliche Anforderungen, 426 ff., 447 ff. – Fremdvergleichspreis, siehe dort – gemeiner Wert, siehe dort – genus proximum für gemeiner Wert, Teilwert etc., 148 ff. – gleichheitsrechtliche Anforderungen, 345 ff., 356 ff. – normative Filterung, 269 ff. – Rechtswert, siehe dort – Rezeption von Bewertungsverhaltensmustern, 147, 148 ff., 238 ff. – steuerschuldrechtliche Bezüge, 250 ff. – Teilwert, siehe dort – Typisierung, siehe gleichheitsrechtliche Dimension der Bewertung

664

– üblicher Endpreis am Abgabeort, siehe dort Vermögensteuer – Bewertungsanlässe, 118 f. – Ertragswert, siehe dort – fiskalische Eignung, siehe dort – freiheitsrechtliche Anforderungen an die Bewertung, 433, 440 – gleichheitsrechtliche Anforderungen an die Bewertung, 350 ff., 356 ff. Verständigung, 416 ff., 498, 515 ff. Vertrauensschutz, siehe freiheitsrechtliche Dimension der Bewertung Verwaltungsvorschriften – Bewertungssteuerung, 474, 475 ff. – Bindungswirkung, 476 ff. – Kategorisierung, 476 ff. – Stuttgarter Verfahren, siehe dort Wert – innerer, tatsächlicher, wahrer, wirklicher Wert, 24 f. – natürlicher Wert, 27 ff. – Rechtswert, siehe dort – subjektives Moment, 41 ff., 44 ff., 143 ff. – Verhältnis zum Preis, 46 ff. – Verkehrswert, siehe dort – Verständnismöglichkeiten, 1 f. Wertfindungsrisiko, siehe freiheitsrechtliche Dimension der Bewertung Wissensgenerierung, siehe Bewertung