Status Quaestio: Studien Zum Freiheitsprozess Im Klassischen Romischen Recht 9783428136032, 9783428536030, 9783428836031, 3428136039

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Status Quaestio: Studien Zum Freiheitsprozess Im Klassischen Romischen Recht
 9783428136032, 9783428536030, 9783428836031, 3428136039

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Gegenstand des Freiheitsprozesses
II. Quellenlage
Erster Teil: Freiheitsprozess und adsertor im griechischen Recht
I. Das attische Recht
II. Die Inschrift von Gortyn
III. Beeinflussung des römischen Rechts durch das griechische Recht
Zweiter Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht
Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit
A. Der Freiheitsprozess vor 17 v. Chr.
I. Die legis actio sacramento in rem vor den decemviri
II. Konkurrierende Zuständigkeit der centumviri
III. Civitas als zwingende Voraussetzung für libertas
IV. Weiterentwicklung zum Verfahren per sponsionem
V. Geltendmachung der Freiheit durch Nichtbürger
B. Die leges Iuliae iudiciorum privatorum et publicorum
C. Der Freiheitsprozess nach 17 v. Chr.
I. Zuständigkeit
1. Sachliche Zuständigkeit
a) Zuständigkeit der centumviri
aa) Paul. D. 42, 1, 36 (17 ad ed.)
bb) Paul. D. 42, 1, 38 pr. (17 ad ed.) und Hermog. D. 40, 1, 24 pr. (1 iur. epit.)
cc) Paul. D. 4, 8, 32, 7 (13 ad ed.)
dd) Iul. D. 40, 12, 30 (5 ex Minicio)
ee) Quintilian, inst. or. 5, 2, 1 und 11, 1, 78
ff) Fazit zur Zuständigkeit der centumviri
b) Zuständigkeit der recuperatores
aa) BGU 611
bb) Suet. Vesp. 3
cc) Suet. Dom. 8, 1
c) Zuständigkeit des iudex unus
aa) Ulp. D. 40, 12, 8, 1–2 (55 ad ed.)
bb) Gai. D. 40, 12, 9 pr. (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.)
cc) Paul. D. 40, 12, 23, 2 (50 ad ed.)
dd) Lab. D. 40, 12, 42 (4 post.)
ee) Alex. C. 7, 16, 4 (Jahr unbekannt)
ff) Ergebnis der Quellenauswertung
2. Örtliche Zuständigkeit
a) Verteilung der Parteirollen
aa) In libertate sine dolo malo
bb) Vorverfahren zur Bestimmung der Parteirollen
b) Wohnortzuständigkeit, abweichende Vereinbarungen
II. Verfahren
1. Der ordentliche Prozess
a) Der Freiheitsprozess als praeiudicium
aa) Kap. 84 Lex Irnitana
bb) Weitere Belege für das praeiudicium an liber sit
cc) Abschlussbemerkung
b) Form des Freiheitsprozesses
aa) Der Freiheitsprozess per formulam vindicatoriam
bb) Der Freiheitsprozess per sponsionem
c) Ergebnis: Das Verfahren im ordentlichen Prozess
2. Die cognitio extra ordinem
III. Der Freiheitsprozess außerhalb Roms
1. Baetica
a) Die Rechtsprechung der duumviri, Kap. 84 Lex Irnitana
aa) Grundsätzliche Zuständigkeitsverteilung und Prorogation
bb) Reichweite der Prorogation
cc) Redundanz von Textpassagen zum praeiudicium de capite libero
b) Fazit: Freiheitsprozesse in Irni
2. Italien
3. Ägpyten
4. Der Freiheitsprozess in weiteren Provinzen
5. Spätklassisches und nachklassisches Recht
6. Schlussbetrachtung
IV. Fazit zum klassischen Freiheitsprozess in Rom
Abschnitt 2: Die Prozessparteien
A. Eigentümer und Sklave als Parteien
B. Der adsertor libertatis
I. Handeln alieno nomine
II. Begründung für seine Existenz
III. Beschränkung der adsertio auf die vindicatio in libertatem
IV. Historische Entwicklung
1. Das Zwölftafelgesetz
2. Der Prozess der Verginia
a) Forschungsstand
b) Darstellungen des Prozesses
c) Sachverhalt
d) Zum adsertor in den Prozessberichten
aa) Die Darstellung von Pomponius
bb) Der adsertor in Livius’ Werk
3. Vindex und adsertor
V. Berechtigter Personenkreis
1. Paul. D. 3, 3, 54 pr. (50 ad ed.)
2. Das Auftreten gegen den Willen des vermeintlichen Sklaven
3. Die adsertio als Vorrecht des Gewalthabers
a) Der Verginia-Prozess als Freiheitsprozess
b) Bestehen einer Ausnahmeregelung
c) Icilius als suspecta persona
d) Schlussbemerkung
VI. Ausschlussgründe: Paul. D. 3, 3, 54 pr. (50 ad ed.) und Fr. Vat. § 324
1. Einordnung von Fr. Vat. § 324
2. Ob turpitudinem et famositatem prohibentur quidam cognituram suscipere
3. Adsertionem non nisi suspecti praetori
a) Regelungen zum suspectus procurator
b) Der procurator als Ersatz für den adsertor libertatis
c) Der cognitor als ursprünglicher Gegenstand von D. 3, 3, 25
d) Der adsertor libertatis als suspecta persona
4. Verhältnis der beiden Regelungen
C. Möglichkeiten zum Einsatz eines procurator
D. Pflichten und Risiken im Freiheitsprozess
I. Finanzielle Risiken im Freiheitsprozess als iudicium privatum
II. Extra ordinem verhängte Strafen
1. Allgemeines zu calumnia und tergiversatio
2. Anklägervergehen im Freiheitsprozess
III. Nachklassische Entwicklungen
Abschnitt 3: Das Verfahren bis zur litis contestatio
A. Editio actionis
B. Die endgültige Versagung des Prozesses
I. Selbstverkauf in die Sklaverei
1. Homines liberi se venum dari passi sunt
2. Paul. D. 40, 12, 23 pr. (50 ad ed.)
3. Rechtliche Folgen des Selbstverkaufs
a) Justinianisches Recht
b) Klassisches Recht
4. Si duo emerint
5. Selbstverkauf und fideikommissarische Freilassung
II. Verjährung
1. Ne de statu defunctorum post quinquennium quaeratur
2. Collusio
3. Prozessuale Reichweite der Verjährungsvorschriften
III. Marcell. D. 40, 13, 2 (24 dig.)
IV. Exceptio rei iudicatae
1. Legisaktionenverfahren
2. Formularprozess
a) Entscheidung pro libertate
b) Entscheidung pro servitute
C. Die vorübergehende Versagung des Prozesses: differre iudicium de libertate
I. Freiheitsprozess und Erbschaftsstreitigkeiten
II. Ermordung des Eigentümers
D. Die Einleitung des Rechtsstreits durch den Prätor
I. Die Ordnung des Rechtsstreits (litis ordinatio)
1. Definition litis ordinatio
2. Der Status des Sklaven
3. Möglichkeiten des vermeintlichen Sklaven
4. Grenzen der Freiheit
II. Die Streitbefestigung (litis contestatio)
Abschnitt 4: Prozessablauf apud iudicem/ beim Magistrat
A. Beweislast
B. Beweisverfahren und Beweismittel
C. Beweismittel im Freiheitsprozess
D. Das Urteil
I. Inhalt und Wirkung des Urteils
II. Wirkung gegenüber Dritten als Ausnahme
1. D. 40, 12, 9, 2 und D. 40, 12, 30: Klagende Miteigentümer
2. Bindungswirkung des Urteils im Freiheitsprozess bei Suspension
a) D. 40, 12, 24, 4 (51 ad ed.)
b) D. 40, 12, 23, 2
c) Fazit
III. Das Urteil bei Abwesenheit einer Partei
1. Abwesenheit des vermeintlichen Eigentümers
2. Ulp. D. 40, 12, 27, 2 (2 de off. cons.)
Dritter Teil: Der Freiheitsprozess nach der justinianischen Reform
A. Die Änderungen durch C. 7, 17, 1 (a. 528)
I. C. 7, 17, 1 pr.
1. Die Abschaffung des adsertor libertatis
a) adserere/adsertor
b) Proclamare in (ad) libertatem
2. Bestellung eines procurator
3. Abschaffung der mehrfachen Führung des Freiheitsprozesses
II. C. 7, 17, 1, 1: Die Sicherung von Sondergut und anderen Gegenständen
1. Die justinianischen Änderungen
2. Die vorjustinianischen Regelungen: C. 7, 18, 3 und C. Th. 4, 8, 6
a) Kautionsleistung und Sequestration
b) Zusammenfassung
3. Vergleich von C. 7, 18, 3 und C. 7, 17, 1, 1
III. C. 7, 17, 1, 2: Sicherheitsleistungen des Sklaven, Folgen des Nichterscheinens
IV. C. 7, 17, 1, 3: Gerichtsort und Sanktionen bei doppelter Klageerhebung
B. Ein kaufrechtliches Problem als Folge der Reform
I. Haftung des Verkäufers beim Tod des vermeintlichen Sklaven
II. Bedeutung der Abschaffung des adsertor
Fazit
Literaturverzeichnis
I. Quellen
II. Literatur
Quellenverzeichnis
I. Juristische Quellen
1. Vorjustinianische Quellen
2. Corpus iuris civilis
3. Byzantinische Quellen
4. Inschriften, Papyri, Urkunden
II. Nichtjuristische Quellen
Sachverzeichnis

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Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 64

Status quaestio Studien zum Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Von Miriam Indra

Duncker & Humblot · Berlin

MIRIAM INDRA

Status quaestio

Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.

Neue Folge · Band 64

Status quaestio Studien zum Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Von Miriam Indra

Duncker & Humblot  ·  Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. hat diese Arbeit im Sommersemester 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 25 Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6704 ISBN 978-3-428-13603-2 (Print) ISBN 978-3-428-53603-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-83603-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Bei vorliegender Schrift handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der AlbertLudwigs-Universität Freiburg im Breisgau im Sommersemester 2010 vor­ gelegt wurde. Ich möchte an dieser Stelle allen danken, ohne deren Hilfe die Erstellung der Arbeit nicht möglich gewesen wäre: Herrn Professor Dr. Wolfgang Kaiser, meinem Lehrer und Doktorvater, der meine Begeisterung für das römische Recht geweckt und das Thema angeregt hat. Besonders möchte ich mich für die hervorragende Betreuung bedanken, ohne die die Arbeit in dieser Form nicht hätte entstehen können. Herrn Professor Dr. Detlef Liebs für die Erstellung des Zweitgutachtens und die wertvollen Anregungen zur Überarbeitung der Dissertation. Meinem Mann Andreas Indra für das Korrekturlesen der ersten Rohfassung und dafür, dass er mich immer unterstützt und aufgebaut hat. Für Letzteres möchte ich auch meinen Schwiegereltern Gabi und Heiner Indra danken. Meiner Familie für die seelische und moralische Unterstützung, besonders meinem Vater Helmut Dietz für die finanzielle Unterstützung und das Korrekturlesen. Meiner Schwester Andrea Dietz und meinem Bruder Kevin Dietz sowie meinen Freundinnen Yvonne Biehringer, Susann Frech und Tina Schumacher für das Korrekturlesen der Arbeit in verschiedenen Stadien. Den Kollegen und Mitarbeitern am Institut für Rechtsgeschichte für die gute Zusammenarbeit und die schöne Zeit in Freiburg. Mein besonderer Dank gilt der Freiburger Rechtshistorischen Gesellschaft, die durch einen großzügigen Beitrag die Drucklegung unterstützt hat. Miriam Indra

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

15

I. Gegenstand des Freiheitsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Erster Teil



Freiheitsprozess und adsertor im griechischen Recht 

18

I. Das attische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Die Inschrift von Gortyn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Beeinflussung des römischen Rechts durch das griechische Recht . . . . . . . 29 Zweiter Teil



Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht



Verfahren und Zuständigkeit 

36

Abschnitt 1

A. Der I. II. III. IV. V. B. Die C. Der I.

Freiheitsprozess vor 17 v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die legis actio sacramento in rem vor den decemviri . . . . . . . . . . . . . Konkurrierende Zuständigkeit der centumviri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Civitas als zwingende Voraussetzung für libertas . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterentwicklung zum Verfahren per sponsionem . . . . . . . . . . . . . . . . Geltendmachung der Freiheit durch Nichtbürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . leges Iuliae iudiciorum privatorum et publicorum . . . . . . . . . . . . . . . . Freiheitsprozess nach 17 v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit der centumviri. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Paul. D.  42, 1, 36 (17 ad ed.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Paul. D.  42, 1, 38 pr. (17 ad ed.) und Hermog. D.  40, 1, 24 pr. (1 iur. epit.). . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Paul. D.  4, 8, 32, 7 (13 ad ed.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Iul. D.  40, 12, 30 (5 ex Minicio). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Quintilian, inst. or. 5, 2, 1 und 11, 1, 78. . . . . . . . . . . . . . . ff) Fazit zur Zuständigkeit der centumviri. . . . . . . . . . . . . . . . .

37 37 37 38 42 44 45 46 48 48 48 48 49 50 54 55 57 57

1

Inhaltsverzeichnis b) Zuständigkeit der recuperatores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 aa) BGU 611 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Suet. Vesp. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 cc) Suet. Dom. 8, 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 c) Zuständigkeit des iudex unus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Ulp. D.  40, 12, 8, 1–2 (55 ad ed.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Gai. D.  40, 12, 9 pr. (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.) . 64 cc) Paul. D.  40, 12, 23, 2 (50 ad ed.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 dd) Lab. D.  40, 12, 42 (4 post.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 ee) Alex. C.  7, 16, 4 (Jahr unbekannt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 ff) Ergebnis der Quellenauswertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Verteilung der Parteirollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 aa) In libertate sine dolo malo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 bb) Vorverfahren zur Bestimmung der Parteirollen. . . . . . . . . . 74 b) Wohnortzuständigkeit, abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . 76 II. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Der ordentliche Prozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Der Freiheitsprozess als praeiudicium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 aa) Kap.  84 Lex Irnitana. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 bb) Weitere Belege für das praeiudicium an liber sit. . . . . . . . 82 cc) Abschlussbemerkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Form des Freiheitsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Der Freiheitsprozess per formulam vindicatoriam. . . . . . . . 85 bb) Der Freiheitsprozess per sponsionem. . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 c) Ergebnis: Das Verfahren im ordentlichen Prozess . . . . . . . . . . . . 90 2. Die cognitio extra ordinem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 III. Der Freiheitsprozess außerhalb Roms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Baetica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Die Rechtsprechung der duumviri, Kap. 84 Lex Irnitana. . . . . . . 96 aa) Grundsätzliche Zuständigkeitsverteilung und Prorogation. . 98 bb) Reichweite der Prorogation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 cc) Redundanz von Textpassagen zum praeiudicium de capite libero . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Fazit: Freiheitsprozesse in Irni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Ägpyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4. Der Freiheitsprozess in weiteren Provinzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 5. Spätklassisches und nachklassisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 6. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 IV. Fazit zum klassischen Freiheitsprozess in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Inhaltsverzeichnis Abschnitt 2

Die Prozessparteien

122

A. Eigentümer und Sklave als Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 B. Der adsertor libertatis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 I. Handeln alieno nomine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Begründung für seine Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 III. Beschränkung der adsertio auf die vindicatio in libertatem . . . . . . . . . 129 IV. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Das Zwölftafelgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Der Prozess der Verginia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Forschungsstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Darstellungen des Prozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 d) Zum adsertor in den Prozessberichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Die Darstellung von Pomponius. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 bb) Der adsertor in Livius’ Werk. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3. Vindex und adsertor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 V. Berechtigter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Paul. D. 3, 3, 54 pr. (50 ad ed.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Das Auftreten gegen den Willen des vermeintlichen Sklaven . . . . . 142 3. Die adsertio als Vorrecht des Gewalthabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Der Verginia-Prozess als Freiheitsprozess  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Bestehen einer Ausnahmeregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Icilius als suspecta persona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 d) Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 VI. Ausschlussgründe: Paul. D. 3, 3, 54 pr. (50 ad ed.) und Fr. Vat. §  324 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Einordnung von Fr. Vat. §  324 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Ob turpitudinem et famositatem prohibentur quidam cognituram suscipere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Adsertionem non nisi suspecti praetori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Regelungen zum suspectus procurator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Der procurator als Ersatz für den adsertor libertatis . . . . . . . . . 159 c) Der cognitor als ursprünglicher Gegenstand von D. 3, 3, 25 . . . 160 d) Der adsertor libertatis als suspecta persona . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4. Verhältnis der beiden Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 C. Möglichkeiten zum Einsatz eines procurator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 D. Pflichten und Risiken im Freiheitsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 I. Finanzielle Risiken im Freiheitsprozess als iudicium privatum . . . . . . 167 II. Extra ordinem verhängte Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Allgemeines zu calumnia und tergiversatio  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Anklägervergehen im Freiheitsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 III. Nachklassische Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

1  Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis Abschnitt 3



Das Verfahren bis zur litis contestatio

178

A. Editio actionis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 B. Die endgültige Versagung des Prozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 I. Selbstverkauf in die Sklaverei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Homines liberi se venum dari passi sunt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Paul. D.  40, 12, 23 pr. (50 ad ed.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Rechtliche Folgen des Selbstverkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Justinianisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 b) Klassisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4. Si duo emerint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 5. Selbstverkauf und fideikommissarische Freilassung . . . . . . . . . . . . . 195 II. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Ne de statu defunctorum post quinquennium quaeratur . . . . . . . . . . 198 2. Collusio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3. Prozessuale Reichweite der Verjährungsvorschriften . . . . . . . . . . . . 203 III. Marcell. D.  40, 13, 2 (24 dig.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 IV. Exceptio rei iudicatae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Legisaktionenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Formularprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Entscheidung pro libertate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Entscheidung pro servitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 C. Die vorübergehende Versagung des Prozesses: differre iudicium de libertate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 I. Freiheitsprozess und Erbschaftsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 II. Ermordung des Eigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 D. Die Einleitung des Rechtsstreits durch den Prätor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 I. Die Ordnung des Rechtsstreits (litis ordinatio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Definition litis ordinatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Der Status des Sklaven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3. Möglichkeiten des vermeintlichen Sklaven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 4. Grenzen der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Die Streitbefestigung (litis contestatio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Abschnitt 4 A. B. C. D.

Prozessablauf apud iudicem / beim Magistrat 

232

Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Beweisverfahren und Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Beweismittel im Freiheitsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Das Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

Inhaltsverzeichnis

 Inhaltsverzeichnis

I. Inhalt und Wirkung des Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 II. Wirkung gegenüber Dritten als Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. D.  40, 12, 9, 2 und D.  40, 12, 30: Klagende Miteigentümer . . . . . 240 2. Bindungswirkung des Urteils im Freiheitsprozess bei Suspension . 244 a) D. 40, 12, 24, 4 (51 ad ed.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 b) D. 40, 12, 23, 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 III. Das Urteil bei Abwesenheit einer Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 1. Abwesenheit des vermeintlichen Eigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Ulp. D.  40, 12, 27, 2 (2 de off. cons.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Dritter Teil



Der Freiheitsprozess nach der justinianischen Reform

254

A. Die Änderungen durch C.  7, 17, 1 (a. 528) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 I. C.  7, 17, 1 pr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 1. Die Abschaffung des adsertor libertatis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) adserere / adsertor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 b) Proclamare in (ad) libertatem  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 2. Bestellung eines procurator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3. Abschaffung der mehrfachen Führung des Freiheitsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 II. C.  7, 17, 1, 1: Die Sicherung von Sondergut und anderen Gegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 1. Die justinianischen Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 2. Die vorjustinianischen Regelungen: C.  7, 18, 3 und C.  Th. 4, 8, 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 a) Kautionsleistung und Sequestration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 b) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 3. Vergleich von C.  7, 18, 3 und C.  7, 17, 1, 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 III. C.  7, 17, 1, 2: Sicherheitsleistungen des Sklaven, Folgen des Nicht­ erscheinens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 IV. C.  7, 17, 1, 3: Gerichtsort und Sanktionen bei doppelter Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 B. Ein kaufrechtliches Problem als Folge der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 I. Haftung des Verkäufers beim Tod des vermeintlichen Sklaven . . . . . . 272 II. Bedeutung der Abschaffung des adsertor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 I. Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 II. Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283



Inhaltsverzeichnis 

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 I. Juristische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 1. Vorjustitianische Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 2. Corpus iuris civilis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 3. Byzantinische Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 4. Inschriften, Papyri, Urkunden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 II. Nichtjuristische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

Einleitung I. Gegenstand des Freiheitsprozesses Sklaven sind in Rom von frühester Zeit1 an eine alltägliche Erscheinung. Zur Zeit des Prinzipats ist ihr Einsatzgebiet breit gefächert, es reicht vom Einsatz als Mühlen- oder Bergwerkssklaven über die Tätigkeit als Handwerker, Lehrer oder Geschäftsführer2 bis zur Tätigkeit in der kaiserlichen Verwaltung3. Trotz der häufig verantwortungsvollen Tätigkeiten sind Sklaven weder rechts- noch vermögensfähig. Sie stehen im Eigentum eines anderen freien Menschen. Εine Ehe unter Sklaven ist rechtlich nicht anerkannt und Sklavenkinder gehören dem Eigentümer4. Sklavenfamilien können ohne weiteres auseinandergerissen werden.  Doch welche Möglichkeiten hatte ein freier Mensch, der irrtümlich oder absichtlich von einem anderen als Sklave verkauft wurde oder als Sklave aufwuchs5, obwohl er keiner war? Um seinen Status zu klären, musste er gerichtliche Hilfe suchen: Er hatte die Möglichkeit einen Freiheitsprozess, eine causa liberalis6 zu führen. Im Zuge der richterlichen Untersuchung wurde geklärt, ob ein Mensch frei oder Sklave war. „Liber“ und damit rechtsfähig sind sowohl der Freigelassene (libertus) als auch der Freigeborene (ingenuus)7. Das prätorische Edikt trifft diese Unterscheidung bei der causa liberalis nicht, sondern verwendet lediglich den Oberbegriff liber. Will der vermeintliche Sklave seine Ingenuität feststellen lassen, dann ist er gezwungen einen Ingenuitätsprozess8 anzustrengen. Es geht in diesen Fällen nicht mehr allein um die Freiheit, sondern um die Qualität dieser 1  Flaig,

Weltgeschichte der Sklaverei, S.  56. Weltgeschichte der Sklaverei, S.  64. 3  Flaig, Weltgeschichte der Sklaverei, S.  65; Kaser, RP 1, §  67, S.  285. 4  Kaser, RP 1, §  67, S.  283–289. 5  Suet. Gramm. 21. 6  D.  40, 12 und C.  7, 16: de liberali causa. 7  Gai.  1,  10. 8  LRB 44, 2: Illi vero pulsato tertio deberi iudicia, et si voluntarius adsertor aut defensor ingenuitatis inveniri non potuerit, a iudice fide integra et moribus idoneus deputetur. Buckland, Slavery, S.  672–675; Krüger, St. Riccobono 2, S.  227–253. Anderer Ansicht ist Nicolau, Causa liberalis, S. 92, der auch Ingenuitäts- und Liber2  Flaig,

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Einleitung

Freiheit. Prozesse um ingenuitas und libertinitas fallen nicht unter den Freiheitsprozess im engeren Sinne9. Sie sind jünger als der Prozess um die libertas10, den vermutlich schon die Verfasser der Zwölftafeln kannten11, und werden vermutlich zunächst als selbständige Feststellungsklagen (praeiudicia) geführt12, später dann als Kognition13. In den Digesten14 und wahrscheinlich auch im prätorischen Edikt15 gab es für diese Prozesse einen eigenen Titel. Lebte derjenige als Sklave, der seine Ingenuität geltend macht, bedurfte er eines adsertor, der für ihn handelte16. Im Ingenuitätsprozess eines Freigelassenen war dagegen kein adsertor ingenuitatis nötig17. Das Gegenstück dazu ist der Libertinitätsprozess des vermeintlichen patronus. Die causa liberalis wird meist als vindicatio ex servitute in libertatem oder als vindicatio ex libertate in servitutem18 geführt, je nachdem ob der vermeintliche Sklave (bis zu Justinians Zeiten19 mit Hilfe eines adsertor libertatis) einen Anspruch auf die Freiheit erhob oder ob der vermeintliche Eigentümer einen anderen als Sklaven beanspruchte. Beide vindicationes tinitäsprozesse für Freiheitsprozesse hält. Er verwendet allerdings auch nur die Begriffe vindicatio ex servitute in libertatem und vindicatio ex libertate in servitutem. 9  Nicolau, Causa liberalis, S.  92. 10  Lenel, EP, §  141, S.  341 schließt aus Inst. 4, 6, 13, dass beide praeiudicia prätorischen Ursprungs sind, Krüger, St. Riccobono 2, S.  230 geht dagegen davon aus, dass der Ingenuitätsprozess kaiserrechtlichen Ursprungs ist und nur der Libertinitätsprozess im prätorischen Edikt enthalten ist. 11  Gai. 4, 14. 12  TH 13–29; Gai. D.  40, 16, 1 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.); Suet. Aug. 74; Vesp. 3; Tac. ann. 13, 27; Hackl, Praeiudicium, S. 228–235; Litewski, Archivum Iuridicum Cracoviense 5 (1972), 85–90; Lenel, EP, §  141, S.  341; Buckland, Slavery, S.  673. 13  Ulp. D.  22, 3, 14 (2 de off. cons.); Saturn. D.  40, 14, 2, 1 (1 de off. proc.); Paul. D.  40, 12, 32 (6 reg.); Pap. D.  40, 14, 4 (22 quaest.); Ulp. D.  40, 16, 2 (2 de off. cons.); Callistrat. D.  40, 16, 3 (4 de cognition.); Hackl, Praeiudicium, S.  228; Kaser, RP 1, §  70, S.  299 m. w. N. 14  D.  40,  14: Si ingenuus esse dicetur. 15  Lenel, EP, §  141, S.  341; so gab es wohl selbständige Feststellungsklagen (praeiudicia) zu der Frage, ob eine Person Freigelassener (an libertus sit) oder Freigeborener (an ingenuus sit) war. Gegen ein praeiudicium an ingenuus sit: Krüger, St. Riccobono 2, S.  230. Zum Streitstand s. Hackl, Praeiudicium, S.  228; Kaser / Hackl, RZ §  50, S.  327. 16  Suet. Aug. 74; Vesp. 3; Nicolau, Causa liberalis, S.  137; Puchta, Cursus 2, S.  126. 17  s. beispielsweise den Prozess der Iusta, TH 13–29; vgl. hierzu: Kaiser, Rechtsfälle, S.  29–44; Kaser, RP 1, §  70, S.  299; Puchta, Cursus 2, S.  126. 18  Auch Franciosi, Il processo, S.  52, geht von diesen zwei Formen aus. 19  Iust. C.  7, 17, 1 pr. (a. 528).



Einleitung

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standen nach Lenels Rekonstruktion im prätorischen Edikt20. Die Parteien haben daneben noch andere Möglichkeiten, die Freiheit prozessual geltend zu machen. Welche das sind, wird beim Verfahren21 ausführlich erläutert. II. Quellenlage Der klassische Freiheitsprozess bildet den Schwerpunkt der Arbeit. Während der Ablauf des Freiheitsprozesses im Legisaktionenverfahren gut erschlossen ist und es viele Belege für das nachklassische Kognitionsverfahren in den Codices Iustinianus und Theodosianus gibt, liegt das klassische Recht im Dunkeln. Verfahrensart und Zuständigkeiten sind schwer zu erschließen, weil Kaiser Justinian die Quellen systematisch an das geltende Recht anpassen ließ und auch die Abschaffung des adsertor libertatis zu Textveränderungen führte. Neben dem Zeitalter der klassischen Jurisprudenz von der frühen Kaiserzeit bis zum Ende der severischen Militärmonarchie (235 n. Chr.)22 wird auch die Jurisprudenz des späten dritten Jahrhunderts berücksichtigt. Rechtsordnung und Jurisprudenz sind noch nicht nachklassisch: Kaiser Diokletian knüpft in seiner ausgeprägten Reskriptpraxis an die klassische Überlieferung an23. Da die Juristen in seiner Kanzlei aber selbst nicht mehr publizieren, sondern lediglich Recht anwenden, kann diese Periode24 auch nicht mehr als klassisch bezeichnet werden. Wieacker25 bezeichnet diese Zeit deshalb als „epiklassisch“. Neben den Kaiserreskripten bis Diokletian, finden sich juristische Texte dieser Zeit hauptsächlich in den Digesten. Weitere juristische Quellen sind in den Institutionen des Gaius, den Sententiae Pauli und den sogenannten Fragmenta Vaticana enthalten. Anhand dieser Quellen werden im Folgenden Zuständigkeiten, Verfahren und Prozessablauf rekonstruiert. Vor der Darstellung des klassischen Freiheitsprozesses im Zweiten Teil wird zunächst der Prozess in Griechenland untersucht. Gegenstand des Dritten Teils ist der Freiheitsprozess nach den justinianischen Reformen26. 20  s. dazu die Rekonstruktion von Lenel, EP, §  178, S.  379: si ex servitute in libertatem petatur, §  179, S.  382: si ex libertate in servitutem petatur. 21  s. Zweiter Teil, Abschnitt 1 C. II. 22  Wieacker, Vom römischen Recht, S.  161. 23  Wieacker, RRG 2, S.  158. 24  Zur Periodenbildung s. Kaiser / McDougall, Art. „Klassisches römisches Recht“, ERG, S.  341–344. 25  Wieacker, RRG 2, S. 159: „Wir nennen sie getrost ‚epiklassisch‘: noch aus der klassischen Substanz lebend, aber ein Epilog, dem nur ein ganz neues Schauspiel folgen konnte.“ 26  Iust. C.  7, 17, 1 (a. 528); Iust. C.  7, 17, 2 (a. 531).

Erster Teil

Freiheitsprozess und adsertor im griechischen Recht Freiheitsprozess und adsertor libertatis sind für das römische Recht durch zahlreiche juristische und literarische Quellen belegt. Dieser Prozess war schon zur Zeit der Zwölftafeln bekannt1. Ist der adsertor libertatis auf den römischen Prozess beschränkt ist oder gibt es im griechischen Recht2 einen vergleichbaren „Freiheitsvertreter“? Ein einheitliches griechisches Recht3 gibt es nicht: Griechenland zerfällt in einzelne Stadtstaaten mit ähnlichen, aber nicht identischen Rechtsordnungen4. Ab dem späten siebten vorchristlichen Jahrhundert wurden aus heute unbekannten Gründen einzelne Rechtsvorschriften aufgezeichnet5. Attisches Recht und das auf Kreta geltende Recht sind durch literarische Texte und die Gesetze von Gortyn6 gut erschlossen. Die umfangreichste Inschrift enthält auch Aussagen zum Freiheitsprozess. Da es kaum Quellenbelege für andere griechische Rechtsordnungen gibt7, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf den Freiheitsprozess und seine Ausgestaltung im klassischen Athen und im Kreta des fünften Jahrhunderts v. Chr.8. Besonderes Augenmerk soll auf das dem adsertor libertatis entsprechende Eintreten eines Dritten für den Sklaven gelegt werden und auf die Frage, inwiefern das römische Recht durch das griechische Recht beeinflusst werden konnte. 1  Das

ergibt sich aus Gai. 4, 14. Causa liberalis, S.  201–304 und Maschke, Der Freiheitsprozess, S.  70–95 (Athen; delphische Freilassungsurkunden) und S.  96–109 (Gortyn) beschäftigen sich ebenfalls mit dem griechischen Recht. 3  Die Frage, ob es ein griechisches Recht gab, ist umstritten. Vgl. Thür, Dike 9 (2006), 23–62. Zum Streitstand s. Todd / Millett, Nomos, S.  7–11. 4  Todd / Millett, Nomos, S.  9; Maffi, Studi di epigrafia, S.  55; Zur Frage, ob es Rechtscorpora im archaischen Griechenland gibt, vgl. Thür, Kodifizierung und Legitimierung des Rechts, S.  9–27. 5  Thür, Kodifizierung und Legitimierung des Rechts, S.  14. 6  Thür, Dike 9 (2006), 28. 7  Zur Quellenlage, vgl. Thür, Dike 9 (2006), 25. 8  Zur Periodisierung und der klassischen Zeit in Griechenland (5. / 4. Jh. v. Chr.) s. Walter, Art. Periodisierung, DNP 9, Sp.  579. 2  Nicolau,

1. Teil: Freiheitsprozess und adsertor im griechischen Recht



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I. Das attische Recht Das attische Rechtsverständnis der Sklaverei ähnelt stark dem römischen: Sklaven (douloi, δοῦλοι) sind nicht sui iuris9, sie stehen im Eigentum eines anderen10. Sie können grundsätzlich11 weder als Kläger noch als Beklagte vor Gericht auftreten12, ein Zeugnis13 ist nur unter Folter verwertbar14. Der Eigentümer haftete immer für die Handlungen seines Sklaven15, außer dieser handelte eigenmächtig ohne entsprechende Anweisung16. Die wirtschaftliche Realität sieht auch in Athen anders aus17: Sklaven tragen häufig erhebliche Verantwortung18 und führen selbständig ihre

9  Hunter,

Law and Social Status in Classical Athens, S.  6. Athenian Law, S.  184; allerdings wird bei Verletzung oder Tötung eines Sklaven die graphē hubrēos (γραφή ὕβρεως) bzw. die dikē phonou (δίκη φόνου) zugelassen, während bei einer Sache die dikē blabēs (δίκη βλάβης) richtige Klage war; ders., S.  185. 11  Der Sklave kann jedoch wahrscheinlich ausnahmsweise gegen seinen Eigentümer gerichtlich vorgehen, wenn dieser ihn verletzt hat, eine solche Regelung trifft auch Col 2, Z.  7  f. der Inschrift von Gortyn, vgl. Morrow, Plato’s Law of Slavery, S.  75; eine weitere mögliche Ausnahme könnte gelten, wenn der Sklave selbständig die Geschäfte geführt hatte. Darauf weist zumindest Dem. 34, 5, 18, 46 (Gegen Phormion) hin, Harrison, Law of Athens 1, S. 167 Fn. 4, 175; Thür, Rechtskulturen, S.  227. 12  Thür, Demosthenes, S.  413 m. w. N.; Hunter, Law and Social Status in Classical Athens, S.  5; Todd, Athenian Law, S.  187: eine Ausnahme von diesem Grundsatz wurde nur gemacht, wenn Staatsinteressen gefährdet waren. So war der Sklave persönlich und ohne Folter zur Denunziation (mēnusis) berechtigt, wenn ein Rechtsstreit ernsthafte religiöse und / oder politische Konsequenzen hatte. Belohnt wurde er dafür mit der Freiheit; eine weitere Ausnahme könnte Dem. 34 (Gegen Phormion), sein: Der Sklave Lampis (34, 5: oiketēs) tritt als Zeuge auf (34, 18), es ist wahrscheinlich, dass er sogar der Kläger war; vgl. Todd, Athenian Law, S.  192; Harrison, Law of Athens 1, S.  167, Fn.  6; es ist aber nicht auszuschließen, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Sklave war, Todd, Athenian Law, S.  193. 13  Grundlegend zum Beweisrecht: Thür, Beweisführung vor den Schwurgerichtshöfen Athens – Die Proklesis zu Basanos, Wien 1977. 14  Thür Beweisführung, S.  25, 49; Law and Social Status in Classical Athens, S.  7, Todd, Athenian Law, S.  187. 15  Todd, Athenian Law, S. 187, 188 zum khōris oikōn (χωρίς οίκον), dem Sklaven mit der Erlaubnis eigenständig zu arbeiten. 16  Dem. 37, 51 (Gegen Pantaenetus), Dem. 55, 31 (Gegen Callicles); Todd, Athenian Law, S.  187 mit Fn.  35; Hunter, Law and Social Status in Classical Athens, S.  5. 17  Stolfi, Introduzione, S.  171. 18  Thür, Demosthenes, S.  422 führt Beispiele auf; Todd, Athenian Law, S.  186, 188: der Eigentümer haftete auch für die Schulden, die der Sklave angehäuft hatte. 10  Todd,

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1. Teil: Freiheitsprozess und adsertor im griechischen Recht

Geschäfte. Wie der Statusstreit in Athen aussieht19, zeigen die folgenden literarischen Quellen20: Lysias 23, Gegen Pankleon, 9–1021 Ἡμέραις τοίνυν μετὰ ταῦτα οὐ πολλαῖς ὕστερον ἰδὼν ἀγόμενον τουτονὶ Παγκλέωνα ὑπὸ ἐμαρτύρησεν αὐτοῦ δεσπότης εἶναι, προσῆλθον βουλόμενος εἰδέναι ὁποῖόν τι περὶ αὐτοῦ πραχθήσοιτο. τότε μὲν οὖν ἐπειδὴ ἐπαύσαντο μαχόμενοι, εἶπόν τινες τῶν τούτῳ παρόντων ὅτι εἴη αὐτῷ ἀδελφὸς ὃς ἐξαιρήσοιτο αὐτὸν εἰς ἐλευθερίαν· ἐπὶ τούτοις ἐγγυησάμενοι παρέξειν εἰς αὔριον ᾤχοντο ἀπιόντες. τῇ δ‘ ὑστεραίᾳ τῆς τε ἀντιγραφῆς ἕνεκα ταυτησὶ καὶ αὐτῆς τῆς δίκης ἔδοξέ μοι χρῆναι μάρτυρας λαβόντι παραγενέσθαι, ἵν‘ εἰδείην τόν τ‘ ἐξαιρησόμενον αὐτὸν καὶ ὅ τι λέγων ἀφαιρήσοιτο. ἐφ‘ οἷς μὲν οὖν ἐξηγγυήθη, οὔτε ἀδελφὸς οὔτε ἄλλος οὐδεὶς ἦλθε, γυνὴ δὲ φάσκουσα αὑτῆς αὐτὸν εἶναι δοῦλον, ἀμφισβητοῦσα τῷ Νικομήδει, καὶ οὐκ ἔφη ἐάσειν αὐτὸν ἄγειν. Νικομήδους, ὃς

Isaeus, Fr. 15, ed. Thalheim22 Ἄνδρες δικασταί, ἐγὼ καὶ πρότερον Εὐμάθει τουτῳὶ ἐγενόμην χρήσιμος δικαίως, καὶ νῦν, εἴ τι ἔστι κατ‘ ἐμέ, πειράσομαι συσσῴζειν αὐτὸν μεθ‘ ὑμῶν· μικρὰ δέ μου 19  Thür, Gesetzgebung, S. 79, vertritt, dass der Freiheitsprozess deliktischer Natur ist und lehnt die sogenannte „Eigentumsdiadikasie“, die Entscheidung über die relativ bessere Besitzposition, ab. 20  In Dem. 29 (Gegen Aphobus) wird kein Freiheitsprozess geschildert. Der Status des Milyas ist zwar unklar (vgl. hierzu Thür, Demosthenes, S. 403), es wird aber kein dementsprechender Prozess angestrengt. 21  Deutsche Übersetzung (nach Huber): 9 Wenige Tage später sah ich, wie Pankleon von Nikomedes – das ist der, der mir bezeugt hatte, sein Herr zu sein – abgeführt wurde. Ich trat hinzu, um zu erfahren, was er mit ihm machen würde. Als sie schließlich aufgehört hatten zu streiten, behaupteten einige der Anwesenden, die Pankleon beistehen wollten, dass er einen Bruder habe, der ihn auslösen werde. Nach dieser Erklärung verbürgten sie sich dafür, ihn am nächsten Tag wieder vorzuführen und gingen weg. 10 Am folgenden Tag entschloss ich mich, sowohl des jetzt verhandelten Einwands wegen als auch im Hinblick auf den Prozess selbst, mit Zeugen auf dem Markt zu erscheinen, um den Mann kennenzulernen, der ihn auslösen und mit welcher Begründung er dies tun würde. Es erschien aber weder ein Bruder noch ein anderer, der sich auf die verbürgten Bedingungen eingelassen hätte. Eine Frau aber behauptete, Pankleon sei ihr Sklave, und sie stritt sich mit Nikomedes. Sie sagte, dass sie nicht zulassen werde, dass dieser ihn abführe. 22  Übersetzung: Für Eumathes, zur Verteidigung der Freiheit eines Freigelassenen  /   Bei einer früheren Gelegenheit, Richter, erwies ich Eumathes hier einen Dienst, was nur richtig war, und bei der gegenwärtigen Gelegenheit habe ich vor, zu versuchen, ihn nach besten Kräften mit eurer Unterstützung zu retten. Ich bitte euch, eine kurze Erklärung von mir anzuhören, damit keiner von Euch annehmen mag, dass ich mich aus einem Anflug von Überstürztheit oder aus irgendeinem anderen ungerechten Beweggrund in seine Angelegenheiten eingemischt habe. Denn als ich Trierarch war, zu der Zeit des Archontats von Cephisodotus, und meinen Verwandten die Nachricht gebracht wurde, dass ich in einer Seeschlacht gefallen sei, schickte Eumathes hier, bei dem ich einige Gelder hinterlegt hatte, nach meinen Verwandten und Freunden und erklärte, dass das Geld mir gehöre, das in seinen



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ἀκούσατε, ἵνα μηδεὶς ὑπολάβῃ ὑμῶν ὡς ἐγὼ προπετείᾳ ἢ ἄλλῃ τινὶ ἀδικίᾳ πρὸς τὰ Εὐμάθους πράγματα προσῆλθον. Τριηραρχοῦντος γάρ μου ἐπὶ Κηφισοδότου ἄρχοντος καὶ λόγου ἀπαγγελθέντος πρὸς τοὺς οἰκείους ὡς ἄρα τετελευτηκὼς εἴην ἐν τῇ ναυμαχίᾳ, οὔσης μοι παρακαταθήκης παρ‘ Εὐμάθει τουτῳί, μεταπεμψάμενος τοὺς οἰκείους τε καὶ φίλους τοὺς ἐμοὺς Εὐμάθης ἐνεφάνισε τὰ χρήματα ἃ ἦν μοι παρ‘ αὐτῷ, καὶ ἀπέδωκε πάντα ὀρθῶς καὶ δικαίως. Ἀνθ‘ ὧν ἐγὼ σωθεὶς ἐχρώμην τε αὐτῷ ἔτι μᾶλλον καὶ κατασκευαζομένῳ τὴν τράπεζαν προσεισευπόρησα ἀργυρίου, καὶ μετὰ ταῦτα ἄγοντος αὐτὸν Διονυσίου ἐξειλόμην εἰς ἐλευθερίαν, εἰδὼς ἀφειμένον ἐν τῷ δικαστηρίῳ ὑπὸ Ἐπιγένους. Ἀλλὰ περὶ μὲν τούτων ἐπισχήσω.

Apollodoros, Gegen Neaira (Dem. 59), 40, 4523 πυθόμενος δὲ ὁ Φρυνίων ἐπιδημοῦσαν αὐτὴν καὶ οὖσαν παρὰ τούτῳ, παραλαβὼν νεανίσκους μεθ‘ ἑαυτοῦ καὶ ἐλθὼν ἐπὶ τὴν οἰκίαν τὴν τοῦ Στεφάνου ἦγεν αὐτήν. ἀφαιρουμένου δὲ τοῦ Στεφάνου κατὰ τὸν νόμον εἰς ἐλευθερίαν, κατηγγύησεν αὐτὴν πρὸς τῷ πολεμάρχῳ. καὶ ὡς ἀληθῆ λέγω, τούτων αὐτὸν μάρτυρα ὑμῖν τὸν τότε πολέμαρχον παρέξομαι. καί μοι κάλει Αἰήτην Κειριάδην.

Μαρτυρία Αἰήτης Κειριάδης μαρτυρεῖ πολεμαρχοῦντος αὑτοῦ κατεγγυηθῆναι Νέαιραν τὴν νυνὶ ἀγωνιζομένην ὑπὸ Φρυνίωνος τοῦ Δημοχάρους ἀδελφοῦ, καὶ ἐγγυητὰς Händen war, und händigte die gesamte Summe aus mit peinlich genauer Korrektheit und Ehrlichkeit. Als Folge dieses Verhaltens wurde ich noch vertrauter mit ihm, als ich sicher nach Hause zurückkehrte, und als er seine Bank gründete, stattete ich ihn mit Kapital aus und danach, als Dionysius versuchte, ihn zu versklaven, verteidigte ich seine Freiheit, wohl wissend, dass Epigenes ihn in öffentlicher Verhandlung freigelassen hatte. Aber davon werde ich nicht weiter berichten. Weißenberger, Art. Isaios, DNP 5, Sp.  1115; Nicolau, Causa liberalis, S.  296, und Maschke, Der Freiheitsprozess im klassischen Recht, S.  71, zitieren das Fragment als Fr.12 ohne eine Edition zu nennen. Überliefert ist dieses Fragment einer Rede von Isaeus nur durch Dion. Hal., De Isaeo 5, Weißenberger, Art Isaios, Sp.  1115. 23  Übersetzung (nach Brodersen): § 40: Sowie aber Phrynion erfuhr, dass sie hier anwesend sei und sich bei Stephanos aufhalte, drang er in Begleitung junger Leute in dessen Haus ein und wollte sie entführen. Als Stephanos sie gemäß dem Gesetz als eine freie Person in Schutz nahm, verlangte Phrynion für sie eine Bürgschaft beim polemarchos. Dafür, dass ich die Wahrheit sage, präsentiere ich euch den damaligen polemarchos als Zeugen. Rufe mir den Aiёtes aus Kairiadai.  /   Zeugenaussage  /  Aiёtes aus Keiriadai bezeugt, dass zu der Zeit, als er polemarchos war, für die Neaira, gegen die jetzt der Prozess (agon) geführt wird, von Phrynion, dem Bruder des Demochares, eine Bürgschaft verlangt worden ist und dass als Bürgen für Neaira Stephanos aus Eroiadai, Glauketes aus Kephisia und Aristokrates aus Phaleron wirkten. § 45 Nachdem er also von Phrynion durch eine Privatklage (dike) angeklagt worden war, weil er diese Neaira hier als eine freie Person in Schutz genommen habe, aber auch wegen der Entwendung von Sachen, die jene beim Fortgehen mitgenommen habe und die er sich habe übergeben lassen, luden die Vertrauten der beiden sie zusammen und bewogen sie, eine Schlichtung zuzulassen. Von Seiten des Phrynion trat Satyros aus Alopeke, der Bruder des Lakedaimonios, als Schlichter auf, von Seiten dieses Stephanos hier Saurias aus Lamptrai, und als gemeinsamer Schlichter wurde von ihnen Diogeton aus Acharnai hinzugezogen.

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γενέσθαι Νεαίρας Στέφανον Ἐροιάδην, Γλαυκέτην Κηφισιέα, Ἀριστοκράτην Φαληρέα.

Platon, de legibus, 11, 8.4 (914 e 3–915 a 2)24 Ἀγέτω τὸν ἑαυτοῦ δοῦλον ὁ βουλόμενος, ἐὰν ἔμφρων ᾖ, χρησόμενος ὅτι ἂν ἐθέλῃ τῶν ὁπόσα ὅσια· ἀγέτω δὲ καὶ ὑπὲρ ἄλλου τῶν οἰκείων ἢ φίλων τὸν ἀφεστῶτα ἐπὶ σωτηρίᾳ. ἐὰν δέ τις ἀφαιρῆταί τινα εἰς ἐλευθερίαν ὡς δοῦλον ἀγόμενον, μεθιέτω μὲν ὁ ἄγων, ὁ δὲ ἀφαιρούμενος ἐγγυητὰς τρεῖς ἀξιόχρεως καταστήσας, οὕτως ἀφαιρείσθω κατὰ ταῦτα, ἄλλως δὲ μή· ἐὰν δὲ παρὰ ταῦτά τις ἀφαιρῆται, τῶν βιαίων ἔνοχος ἔστω, καὶ ἁλοὺς τὴν διπλασίαν τοῦ ἐπιγραφέντος βλάβους τῷ ἀφαιρεθέντι τινέτω.

Bei den Schriften von Lysias25, Isaeus26 und Apollodorus27 handelt es sich um Gerichtsreden, die das in Athen geltende Recht zugrunde legen. Gegenstand von Platons Nomoi, seinem letzten Werk28, ist die ideale Gesetzgebung. Dennoch können Schlüsse auf das zu seiner Zeit geltende Recht gezogen werden29. Er beschreibt zwar die Gesetzgebung in einer idealen griechischen Stadt auf Kreta30 im vierten Jahrhundert v. Chr., weil die Gesetze aber realisierbar sein sollten, liegt es nahe, dass der Verfasser sich eng an der tatsächlichen Gesetzeslage orientierte31. 24  Übersetzung (nach Schöpsdau): 8.4 Behandlung von Sklaven und Freigelassenen  /   Seinen eigenen Sklaven soll jeder, der das will, sofern er bei Verstand ist, festnehmen dürfen, um mit ihm zu machen, was er will, soweit es das göttliche Recht erlaubt. Auch soll er im Namen eines anderen, eines Verwandten oder Freundes, einen flüchtigen Sklaven festnehmen dürfen, um ihn in Gewahrsam zu halten. Wenn aber jemand einen in Freiheit setzen will, der als Sklave abgeführt wird, so soll derjenige, der ihn abführt, ihn freigeben; derjenige aber, der ihn freisetzen will, muss drei zuverlässige Bürgen stellen, und nur unter diesen Bedingungen kann er ihn in Freiheit setzen, sonst aber nicht. Wenn aber jemand entgegen diesen Bedingungen einen Sklaven befreit, so soll er wegen gewaltsamen Raubes belangt werden können; und wenn er schuldig befunden wird, muss er das Doppelte des in der Klageschrift angegebenen Schadens an den Beraubten zahlen (…). 25  Attischer Logograph, der von 459 / 458 oder ca. 445 bis ca. 380 v. Chr. lebte. Weißenberger, Art. Lysias, DNP 7, Sp.  598. 26  Der attische Logograph Isaeus lebte etwa in der 1. Hälfte des 4. Jh. v. Chr, zehn seiner Reden sind vollständig erhalten, eine weitere unvollständig, ansonsten sind nur Fragmente überliefert. Weißenberger, Art. Isaios, DNP 5, Sp.  1115. 27  Apollodorus wurde wahrscheinlich 430 v. Chr. geboren, Trevett, Apollodoros, S. 1. Die irrtümlich Demosthenes (Dem. 59) zugeschriebene Rede gegen Neaira entstand zwischen 343 und 340 und ist das letzte überlieferte Zeugnis, Trevett, Apollodoros, S.  17; Kapparis, Apollodoros Against Neaira, S.  28. 28  Stalley, Introduction, S.  2: Platon starb 347 v. Chr., seine Nomoi waren ein Entwurf, den sein Schüler Philip zur Veröffentlichung brachte. 29  Nicolau, Causa liberalis, S.  295. 30  Stalley, Introduction, S.  90; Morrow, Plato’s Cretan City, S.  3. 31  Stalley, Introduction, S.  7; Morrow, Plato’s Law of Slavery, S.  13.



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Alle abgedruckten Texte beschäftigen sich mit demselben Verfahren, der aphairesis oder exairesis eis eleutherian (ἀφαίρεσις bzw. ἐξαίρεσις εἰς ἐλευθερίαν). Der vermeintliche Sklave kann dieses Verfahren nicht selbst durchführen, sondern er bedarf eines Dritten32. In der Rede des Lysias33 soll dies der Bruder des Pankleon sein. Isaeus tritt für den Freigelassenen Eumathes ein, der als Sklave beansprucht wird34. Grundsätzlich kann jeder attische Bürger die Freiheit eines anderen verteidigen. Für diese, dem adsertor libertatis vergleichbare Figur gibt es im attischen Recht keinen Fachbegriff35. Die Texte von Apollodorus36 und Platon zeigen, dass das Handeln des Dritten nicht auf den Prozess beschränkt war. Apollodorus schildert, wie Phrynion37 Neaira ergreifen will und Stephanos sie als freie Person in Schutz nimmt38. Vor dem Polemarch bürgen drei attische Bürger für Neaira. Das Festnahmerecht und die Stellung von drei Bürgen stellt auch Platon dar. Beide Texte beziehen sich auf ein Ergreifungsrecht des vermeintlichen Eigentümers, das mit der römischen manus inectio vergleichbar ist. Dieser konnte sich seines (vermeintlichen) Sklaven bemächtigen (ἄγειν εἰς δουλείαν). Der vermeintliche Sklave kann die Festnahme abwenden, wenn er einen attischen Bürger findet, der für ihn eintritt und drei Bürgen stellt. Die Bür32  Morrow, Plato’s Law of Slavery, S. 116, der allerdings offen lässt, ob es immer eines Dritten bedurfte. 33  Maschke, Der Freiheitsprozess, S. 74, schreibt die Rede nicht Lysias zu. 34  Dass hier eine dike apostasiou (δίκη ἀποστασίου) ausgeschlossen ist, eine Klage mit der der Freilasser gegen den undankbaren Freigelassenen vorgehen konnte, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass der Kläger Nikomedes nicht der Freilasser war (das war Epigenes). Zur dike apostasiou vgl. Harrison, Law of Athens 1, S.  189; 2, S.  11. 35  Harrison, Law of Athens 1, S.  221; der von Morrow, Plato’s Law of Slavery, S. 116, verwendete Begriff άφαιρούμεξος ist nicht wörtlich in den Quellen zu finden. Weitere Belege für den Freiheitsprozess sind Isokr. 17, 14 (Trapezitikus); Aischin. 1, 62 (Gegen Timarchus), Lys. 23, 13  f. (Gegen Agoratus). 36  Nicolau, Causa liberalis, S. 295; Maschke, Der Freiheitsprozess, S. 73; weitere Belege für das Festnahmerecht sind Lys. 23, 9 und 12 (Gegen Pankleon); Isokr. 17, 14 (Trapezitikus); zum Aufbau der Rede gegen Neaira s. Trevett, Apollodoros, S. 80. 37  Apollodoros wirft Neaira vor, als Fremde mit einem Bürger Athens verheiratet zu sein. Eine solche Ehe ist gesetzlich verboten, Kapparis, Apollodoros Against Neaira, S. 27, der Nichtbürger wird mit der Sklaverei bestraft, Kapparis, ebd., S. 31. Phrynion hatte Neaira geholfen, sich von Eukrates und Timanoridas freizukaufen (§  31) denen sie als Sklavin verkauft worden war (§  29). Da er sie schlecht behandelte (§  35), lief sie davon und traf Stephanos. Phrynion wollte seine Rechte an Neaira durch ihre Ergreifung bei Stephanos geltend machen. 38  Zur „Privatfehde“ zwischen Stephanos und Apollodoros und dem daraus resultierenden Prozess gegen Stephanos’ Ehefrau Neaira, vgl. Kapparis, Apollodoros Aganist Neaira, S.  29, Trevett, Apollodoros, S.  15–17.

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gen sichern das Erscheinen des Sklaven vor Gericht. Als Folge erlangt der Sklave für die Zeit bis zum Prozess die vorläufige Freiheit39. Bereits dieses Eintreten wird als aphairesis  /  exairesis eis eleutherian (ἀφαίρεσις  /  ἐξαίρεσις εἰς ἐλευθερίαν) bezeichnet40. Richtige Klage im Statusprozess ist die dike exaireseos (δίκη ἐξαιρέσεως) oder auch dike aphairesos (δίκη ἀφαιρέσεως), „eine Entreißungsklage“41, die immer vom (vermeintlichen) Herrn gegen den Dritten erhoben wird42. Zuständiger Magistrat ist der Polemarch43. Die Klage ist entweder Folge des Einschreitens des Dritten gegen die Ergreifung des vermeintlichen Sklaven, oder der Dritte kann sie herbeiführen, indem er sich symbolisch des Sklaven bemächtigt44 (ἀφαίρεσις εἰς ἐλευθερίαν). Der Freiheitsprozess ist somit immer die Folge einer Handlung des Freiheitsvertreters. Entweder entreißt er dem vermeintlichen Eigentümer das Prozessobjekt oder er tritt der Bemächtigung duch den vermeintlichen Eigentümer entgegen45. Letzerer strengt dann die dike aphairesos  /  exaireseos an. Das Verfahren vor Gericht war kontradiktorisch: Eine Partei, der Freiheitsvertreter, behauptete die Freiheit, die andere das Eigentum. Unterliegt der Dritte, der für die Freiheit des Sklaven eintritt, so muss er eine Strafe in Höhe des Wertes des Sklaven zahlen. Ob bei der Bemessung der Strafe Gutgläubigkeit oder Bösgläubigkeit eine Rolle spielten46, lässt sich 39  Nicolau,

Causa liberalis, S.  295. Law of Athens 1, S.  178, 221 mit weiteren Quellen; dieser Akt ist deshalb nicht mit der vindicatio in libertatem gleichzusetzen (so Maschke, Der Freiheitsprozess, S.  71). 41  Thür, Gesetzgebung, S.  79. 42  Dem. 58, 21 (Gegen Theokrines): καί μοι λέγε τόν τε νόμον, ὃς κελεύει τὸ ἥμισυ τοῦ τιμήματος ὀφείλειν τῷ δημοσίῳ ὃς ἂν δόξῃ μὴ δικαίως εἰς τὴν ἐλευθερίαν ἀφελέσθαι, καὶ τὴν τοῦ Κηφισοδώρου μαρτυρίαν. Übersetzung: (nach Murray) Lest bitte das Gesetz, das erklärt, dass jeder, der für schuldig befunden wurde, wider besseren Wissen die Freiheit eines Sklaven verteidigt zu haben, die Hälfte der Summe, auf die [der Sklave] geschätzt wurde, in den Staatsschatz zahlen soll, und lest dann auch die [eidliche] Aussage des Cephisodorus. Harrison, Law of Athens, 1, S.  221 (δίκη έξαιρέσεως) und S.  179 (δίκη αφαίρεσεως), die Terminologie war auch bei der Benennung der Klage uneinheitlich. 43  Harrison, Law of Athens 1, S.  179; dies belegt auch Apoll. Gegen Neaira, 40, ungeklärt ist, ob der Polemarch selbst entschied oder ob er den Fall an die Vierzig delegierte; anderer Ansicht ist Nicolau, Causa liberalis, S.  296: für die vindicatio in libertatem sei der Eponym, für die vindicatio in libertatem der Polemarch zuständig. 44  Harrison, Law of Athens 1, S.  178. 45  Thür, Gesetzgebung, S.  79. 46  Nicolau, Causa liberalis, S. 300, zieht aus Dem. 21, 43 (Gegen Meidias) diesen Schluss, hier geht es aber nur um allgemeines Schadensrecht. Die Folgen eines verlorenen Freiheitsprozesses bemessen sich jedoch nicht nur nach dem entstandenen Schaden, sondern der Verlust hat auch eine Strafzahlung zur Folge. 40  Harrison,

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anhand der literarischen Quellen nicht abschließend klären. Es ist gut möglich, dass das Gericht solche Überlegungen innerhalb seines Ermessens berücksichtigte47. Kann der Dritte den Sklaven nicht herausgeben, so muss er zusätzlich Schadensersatz an den obsiegenden Eigentümer zahlen. Auf die Frage, ob Schadensersatz und Herausgabe des Sklaven kumulativ möglich sind oder ob der Eigentümer ein Wahlrecht hat,48 geben die Quellen keine Antwort. Ein Text aus den Problemata des Aristoteles belegt eine Sonderregelung für den Freiheitsprozess: Arist. Problemata 29, 12, 915 b49 δεινὸν γὰρ καὶ τὸ tοῦ δούλου ὠς ἐλεύθερός ἐστι καταγνῶναι πολὺ δὲ δεινότερον, ὂταν τις τοῦ ἐλευθέρου ὠς δούλου καταψηφίσηται.

Sagt die gleiche Anzahl von Zeugen für und gegen die Freiheit aus, ist für die Freiheit zu entscheiden. Das Werk Problemata Physica des Aristoteles beschäftigte sich mit physikalischen, biologischen, medizinischen und moralischen Fragen. Das Werk orientiert sich dabei an der tatsächlichen Rechtslage in Athen50. II. Die Inschrift von Gortyn Die Gesetzesinschriften von Gortyn sind eine der Hauptquellen für kretisches Recht und die kretische Gesellschaft51. Alle erhaltenen Inschriften entstanden vom siebten Jahrhundert bis zur Mitte des vierten vorchristlichen Jahrhunderts. Die längste, die aus zwölf Spalten besteht, ist auch als „die Inschrift von Gortyn“ bekannt52. Eine exakte Datierung ist nicht möglich. Der Vergleich mit numismatischen Belegen zeigt, dass sie aus dem fünften Jahrhundert stammt53. Sie entstand in der gleichen Epoche wie die Zwölfta47  Harrison,

Law of Athens 1, S.  179. Streitstand vgl. Harrison, Law of Athens 1, S.  221. 49  Übersetzung (nach Hett): Denn es ist eine ernste Sache, in einem Fall zu entscheiden, dass ein Sklave frei ist. Aber es ist wesentlich ernster, einen freien Mann zur Sklaverei zu verurteilen. 50  Frede, Art. Aristoteles, DNP 1, Sp.  1134–1144; zur Unschuldsvermutung vgl. Nogrady, Römisches Strafrecht, S.  120. 51  Davies, Cambridge Companion, S.  305, mit ausführlichen Literaturhinweise in Fn.  1; zu weiterführender Literatur vgl. auch Maffi, Dike 6 (2003), 161–226. 52  Davies, Cambridge Companion, S.  307. 53  Willets, The Law code of Gortyn, S.  8; darauf deuten auch epigraphische Merkmale der Inschrift hin, Nicolau, Causa liberalis, S. 294; Koerner, Inschriftliche Gesetzestexte, S.  454; Davies, Cambridge Companion, S.  306, geht von der Mitte des 5. Jh. aus, Arnaoutoglou, Ancient Greek Laws, S.  28, vermutet, dass die Inschrift zwischen 480 und 460 entstanden ist. 48  Zum

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feln54, was sich durch Stil und Sprache bemerkbar macht55. In assoziativer Abfolge werden folgende Materien geregelt: Streit um das Eigentum an einem Sklaven und Freiheitsprozess, Vergewaltigung und Ehebruch, Aufteilung des Vermögens nach Ehescheidung, eheliche und uneheliche Kinder, Erbrecht, Veräußerung zu Lebzeiten, Loskauf eines in Gefangenschaft geratenen Mitbürgers, Ehe zwischen Freien und Sklaven, Kauf eines Sklaven, Erbrecht der ohne Brüder verstorbenen Tochter (Erbtochter), Bürgschaft und Geldschulden sowie die Adoption. Die Sprache ist knapp und juristisch prägnant56. Zuständig für die Rechtsprechung in Gortyn waren die dikastai (δικασταί)57. Col. 1 regelt den Prozess um Freie und Sklaven, darunter fallen Prozesse um den Status und um das Eigentum an Personen58:

Col. I59 Θιοί ὄς κ’ ἐλευθέροι ἒ δολοι μελλει ἀν-



πιμολὲν, πρὸ δίκας μὲ ἄγεν. αἰ δ-



έ κ’ ἄγει, καταδικακσάτο το ἐλευθέρ-

54  Nicolau, Causa liberalis, S.  294, spricht von einer „Gesetzgebungsbewegung“ (mouvement législatif). 55  Calero Secall, Las Leyes de Gortina, S.  14; Nicolau, Causa liberalis, S.  297. 56  Thür, Dike 5 (2002), 95; ders, Kodifizierung und Legitimierung des Rechts, S.  13. 57  Thür, Dike 9 (2006), 45; ders., Gesetzgebung, S.  82; ders., Kodifizierung und Legitimierung des Rechts, S.  16. Zu den Rechtsprechungsorganen vgl. Calero Secall, Las Leyes de Gortina, S.  118. 58  Z. 15–24, Koerner, Inschriftliche Gesetzestexte, S. 456; zur deliktischen Natur des Statusprozesses vgl. Thür, Gesetzgebung, S.  80; ders., Dike 5 (2002), 96, 100, zum Statusprozess als Eigentumsdiadikasie, vgl. Maffi, Symposion 1995, 18; ders., Studi di epigrafia, S.  76. Zum Prozess um Status und Eigentum: Thür, Dike 5 (2002), 95–109; Maffi, Symposion 1995, 17–25; Maffi, Studi di epigrafia, S. 51–77. 59  Der griechische Text entspricht der maßgeblichen Edition (vgl. Thür, Kodifizierung und Legitimierung des Rechts, S.  12 Fn.  11) von Willets, The Law Code of Gortyn, S.  39; Die neueste Edition stammt von I. Calero Secall, Las Leyes de Gortina, S.  160–192; Zu weiteren Editionen s. Koerner, Inschriftliche Gesetzestexte und Metzger, Haftungs- und Vermögensrecht, S.  7. Übersetzung von Col 1 (nach Koerner, Inschriftliche Gesetzestexte, S.  455–456 und Metzger Haftungs- und Vermögensrecht, S.  6–7, Trennstriche wurden von Bücheler / Zitelmann, Das Recht von Gortyn, S.  17 übernommen): 9 Götter! | Wer um einen Freien oder einen Sklaven einen Prozess austragen | will, soll ihn vor dem Gerichtsverfahren nicht wegführen. Wenn er ihn aber | wegführt, soll ihn (der Richter) verurteilen im Fall eines Freien | um 10 Stateren, im Fall eines Sklaven um 5 Stateren, || weil er wegführt, und soll urteilen, dass er ihn loslassen soll | binnen 3 Tagen. Wenn er aber | nicht losläßt, soll (der Richter) ihn im Fall eines | Freien um einen Stater, im Falle eines Sklaven um eine Drachme | für jeden Tag verurteilen, bis er ihn freiläßt. || über die Zeit aber soll der Richter | schwörend entscheiden. Wenn er aber abstreiten sollte |, dass er weggeführt habe, soll der Richter schwörend | entscheiden, wenn nicht ein Zeuge aussagt. | Wenn aber die eine (Partei) behauptet, dass er frei, || die andere aber, dass



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5

ο δέκα στατερανς, το δόλο πέντ-



ε οτι ἄγει καὶ δικακσάτο λαγάσαι



ἐν ταῖς τρισὶ ἀμέραις. αἰ [δέ] κα



μὲ [λαγ]άσει, καταδικαδδέτο το μὲν



ἐλευθέρο στατερα, το δόλο [δα]ρκν-

10

ὰν τᾶς ἀμέρας Fεκάστας, πρίν κα λα-



γάσει· το δὲ κρόνο τὸν δι[κ]αστ-



ὰν ὀμνύντα κρίνεν. palmula αἰ δ’ ἀννίοιτο



μὲ ἄγεν, τὸν δικαστὰν ὀμνύντ-



α κρ[ί]νεν αἰ μὲ ἀποπονίοι μαῖτυς.

15

αἰ δέ κα μολει ὀ μὲν ἐλεύθερον



ὀ δ[έ δ]ολον, κάρτονανς ἔμεν



[ὄτερο]ί κ’ ἐλεύθερον ἀποπονίον-



τι. αἰ δέ κ’ ἀνπὶ δόλοι μολίοντι



πονίοντες Fὸν Fεκάτερος ἔμ-

20

εν, αἰ μέν κα μαῖτυς ἀποπονει, κ-



ατὰ τὸν μαίτυρα δικάδδεν, αἰ



δὲ κ’ ἒ ἀνποτέροις ἀποπονίοντι



ἒ μεδατέροι, τὸν δικαστὰν ὀ-



μνύντα κρίνεν.

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Der in den Z.  15–24 geregelte gortynische Freiheitsprozess60 ist kontradiktorisch: Der Beanspruchung einer Person als Sklave (ἄγειν εἰς δουλείαν) durch einen (vermeintlichen) Eigentümer steht die Behauptung eines Dritten gegenüber, dass der vermeintliche Sklave frei sei (ἀφαίρεσις εἰς ἐλευθερίαν). Dies ergibt sich direkt aus den Z.  15–18, zumindest der erste Fall, wenn er Sklave sei, so sollen die stärker sein, | welche bezeugen, dass er ein Freier sei |. Wenn sie aber um einen Sklaven prozessieren, | indem jeder behauptet, dass er ihm gehöre, | so soll (der Richter), wenn ein Zeuge aussagt, || gemäß dem Zeugen verurteilen. Wenn | sie aber für beide aussagen | oder für keinen von beiden, so soll der Richter | schwörend entscheiden. Sobald aber der den Prozess verliert, | der ihn in Besitz hat, soll er den Freien los || lassen binnen 5 Tagen, den Sklaven | aber in die Hände (des rechtmäßigen Besitzers) übergeben. Wenn er aber | nicht losläßt oder zurückgibt, soll (der Richter) | urteilen, dass (die erfolgreiche Partei) gewinnt im Fall eines Freien | 50 Stateren und einen || Stater für jeden Tag, | bis er ihn losläßt, Im Fall eines Sklaven aber | 10 Stateren und eine Drachme | für jeden Tag, bis er ihn übergibt | in die Hände (des rechtmäßigen Besitzers) (…). 60  Thür, Gesetzgebung, S.  80.

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nicht beide61, sind auch in Z.  1 angesprochen62. Die Partei, die für die Freiheit eintritt, hat auch im Recht von Gortyn keinen bestimmten Namen. Die Bezeichnung des Prozessgegenstands mit ἐλεύθερον, δόλον zeigt aber, dass der Sklave Objekt des Prozesses war63, ein anderer grammatikalischer Bezug ist auszuschließen. Eine der Parteien macht damit, wie auch im attischen und im römischen Recht, die Freiheit des Prozessgegenstands geltend64, während die andere Partei ihn als Sklaven beansprucht. Der Wortlaut stellt klar, dass dies immer gilt, unabhängig davon, ob der vermeintliche Sklave vorher frei oder Sklave ist65. Kläger kann entweder der vermeintliche Eigentümer oder auch der Dritte sein, der für die Freiheit des Sklaven eintritt66. Dieser Unterschied zum attischen Recht ergibt sich daraus, dass es in Gortyn bis zur Entscheidung des Gerichts beim Status quo des (vermeintlichen) Sklaven bleibt. Status- und Eigentumsprozesse um Sklaven werden ohne die in Athen nötigen vorprozessualen Akte des formalen „Wegführens“ und „Entreißens“ mit Bürgenstellung geführt67. Ist die Person, um deren Status prozessiert wird, vor dem Prozess frei, so muss der vermeintliche Eigentümer Klage erheben. Lebt sie als Sklave (oder Sklavin), so ist es Sache des Dritten, das Gericht anzurufen. Im attischen Recht erlangt der vermeintliche Sklave dagegen schon durch das Einschreiten des Dritten gegen die Ergreifung die provisorische Freiheit68. In Gortyn ist es verboten, sich des (vermeintlichen) Sklaven vor dem Pro61  Nicolau, Causa liberalis, S.  297; Maschke, Der Freiheitsprozess, S.  101, Bücheler / Zitelmann, Das Recht von Gortyn, S.  79. 62  Metzger, Haftungs- und Vermögensrecht, S.  9. 63  Bücheler / Zitelmann, Das Recht von Gortyn, S.  79. 64  Koerner, Inschriftliche Gesetzestexte, S.  459; zur Frage nach der Notwendigkeit dieses Dritten vgl. Maffi, Studi di epigrafia, S.  29 m. w. N. 65  Bücheler / Zitelmann, Das Recht von Gortyn, S.  79; Metzger, Haftungs- und Vermögensrecht, S.  11, ist dagegen der Ansicht, dass derjenige, der bisher als Freier gelebt hat, selbst für seine Freiheit eintreten kann. Eine solche Differenzierung lässt sich aber aus Col I Z.  15–18 nicht entnehmen, es wird lediglich festgestellt, dass eine Partei für die Freiheit eintritt, die andere aber den Sklaven für sich beansprucht, Morrow, Plato’s Law of Slavery, S.  18. 66  Anderer Ansicht ist Thür, Dike 5 (2002), 101: Die Klägerrolle habe immer der assertor innegehabt, weil derjenige, der den Besitz des Sklaven beanspruchte, diesen „im Prozess“ ergriffen habe. 67  Thür, Dike 5 (2002), 99, 101: Ein „Entreißen“ (ἄγεν, agen) fand nach Thürs Ansicht aber im Prozess statt; Maffi, Symposion 1995, S.  19, meint dagegen, dass der Eigentümer eines entflohenen Sklaven schon vor dem Prozess ein „Ergreifungsrecht“ haben muss. 68  Platon, de leg. 11, 8.4 (914 E); Apoll. Neaira 40 (Dem. 59).

1. Teil: Freiheitsprozess und adsertor im griechischen Recht



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zess zu bemächtigen69 (vgl. Col. 1, Z.  1). Eigenmacht des vermeintlichen Eigentümers ist untersagt, der Streit um den Status einer Person muss grundsätzlich prozessual entschieden werden70. Ob den Dritten eine Pflicht zur Sicherheitsleistung71 trifft, ist ebenso unbekannt, wie etwaige Regelungen zu Strafzahlungen und Schadensersatz. Das Recht von Gortyn enthält dieselbe Besonderheit wie das attische Recht72: Sagt eine identische Anzahl von Zeugen für die Freiheit und gegen die Freiheit aus, dann wird zugunsten der Freiheit entschieden, eine Mehrheit von Zeugen für die Freiheit ist nicht erforderlich73. Dies stellt einen Sonderfall im kretischen Recht dar. Bei anderen Rechtsstreitigkeiten muss der Richter bei gleichwertigen entgegenstehenden Behauptungen unter Eidesleistung entscheiden74. Eine über sechs Jahrhunderte später niedergeschriebene Regelung im römischen Recht75 trifft dieselbe Wertung. III. Beeinflussung des römischen Rechts durch das griechische Recht Die Regelungen zum Freiheitsprozess im attischen Recht und in der Inschrift von Gortyn weisen eine starke Ähnlichkeit zum römischen Freiheitsprozess auf: Der Sklave, der in allen drei Rechtsordnungen als bloße Sache betrachtet wurde, konnte nicht selbst für sich eintreten, sondern bedurfte der Hilfe eines Dritten. Dieser Dritte musste Sicherheiten leisten und konnte auch schadensrechtlich belangt werden. Der Prozess war ein kontradiktorisches Verfahren: Es standen sich zwei widersprechende Behauptungen gegenüber. Während die eine Partei Eigentum beanspruchte, machte die andere die Freiheit geltend. Mit der manus iniectio kannten die Römer ein der attischen aphairesis eis eleutherian (ἀφαίρεσις εἰς ἐλευθερίαν) vergleichbares Ergreifungsrecht, das einen Eigentums- oder Freiheitsprozess zur Folge hatte. Ein vindex konnte für die ergriffene Person eintreten76, indem er selbst haftete. Die in Athen (und wahrscheinlich auch in anderen griechi69  Maffi,

Studi di epigrafia, S.  27. Inschriftliche Gesetzestexte, S.  456. 71  Nicolau, Causa liberalis, S.  297. 72  Arist. Problemata 29, 12, 915 b. 73  Koerner, Inschriftliche Gesetzestexte, S.  459; Bücheler / Zitelmann, Das Recht von Gortyn, S.  88; Metzger, Haftungs- und Vermögensrecht, S.  10. 74  Metzger, Haftungs- und Vermögensrecht, S.  10. 75  Hermog. D.  40, 1, 24, 1 (iur epit.). 76  XII Tab. 1, 4 (Gell. 16, 10, 5): Adsiduo vindex adsiduus esto. Proletario iam civi quis volet vindex esto. Zur manus iniectio und zum vindex vgl. Kaser / Hackl, RZ, §  10, S.  66. 70  Koerner,

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1. Teil: Freiheitsprozess und adsertor im griechischen Recht

schen Rechtsordnungen) geregelte provisorische Freiheit während des Prozesses war ebenfalls bekannt als vindiciae secundum libertatem77. Die Parallele bei der Wertung von Zeugenaussagen78 ist erst für das klassische Recht belegt. Angesichts der Überlieferungslage kann allerdings nicht mehr festgestellt werden, ob eine frühere Regelung im römischen Recht nicht mehr überliefert ist oder ob sie einem späteren griechischen Einfluss oder einer vom griechischen Recht unabhängigen römischen Entwicklung zuzuschreiben ist. Es könnte also durchaus sein, dass die römische Zwölftafelgesetzgebung hinsichtlich des Freiheitsprozesses vom griechischen Recht beeinflusst wurde79. Livius und Cicero berichten von einer römischen Gesandtschaft nach Athen80, mit dem Ziel, die Gesetze Solons zu studieren. Bei Dionysius81 sind neben Athen auch die griechischen Städte in Unteritalien82 das Ziel. Gegen die Gesandtschaft nach Athen spricht, dass die Römer dort auf das Athen des Perikles und damit auf modernere Gesetze als die solonischen gestoßen wären83. Zudem erwähnt die griechische Annalistik eine solche Gesandtschaft nicht84. Dass sich die Römer Rat bei den unteritalienischen Griechen holten, ist dagegen gut möglich. 77  Pomp. D.  1, 2, 2, 24 (lib. sing. ench.); Liv. 3, 44, 12; Wenger, Quellen, S.  366. 78  Inschrift von Gortyn, Z.  16–17; Arist. Problemata 29, 12, 915 b; Hermog. D.  40, 1, 24, 1 (1 iur. epit.). 79  Kolb, Rom, S.  118; Delz, MH 23 (1966), 77; Wieacker, RRG 1, §  13, S.  303; ders., Entretiens 13, S.  341; ders., RIDA 3 sér, 3 (1956), 470 belegt dorische Einflüsse aus dorischen Kolonisationen wie Lokroi Kroton und Syrakus. Für die Sepukralgesetze nimmt Bernhardt, Luxuskritik, S. 98, an, dass sie unter krotoniatischem Einfluss entstanden sind. Er vermutet eine indirekte Vermittlung durch die griechischen Städte an der Westküste Italien. 80  Liv. 3, 31, 8; 3, 33, 5; Cic. de leg. 3, 19, 44; Ducos, L’influence grecque, S.  14. 81  Dion. Hal. ant. 10, 51, 5; 10, 52, 4; 10, 57, 5. 82  Ob es eine solche Gesandtschaft gegeben hat, ist umstritten. Zusammenfassend: Crifò, ANRW I.2, S. 124; Wenger, Quellen, S. 365, geht von der Verläßlichkeit der Überlieferung aus. Kolb, Rom S. 118, und Wieacker, RIDA 3 sér. 3 (1965), 468, zweifeln die Berichte von Livius und Dionysius an. Delz, MH 23 (1966), 73 hält die Kommissionsreise nach Athen für eine späte Erfindung, s. dort auch Fn.  19 m. w. N. So auch Wieacker, St. Volterra 3, S.  767; ders., RRG 1, §  14, S.  287–304. 83  Kolb, Rom, S.  118; Crifò, ANRW I.2, S.  127; Liebs, Gesetzgebung, S.  88 m. w. N.; Ducos, L’influence grecque, S.  24, und Siewert, Chiron 8 (1978), 339, halten die Gesandtschaft nach Athen und die Konkretisierung auf Solon ebenfalls für späte ätiologische Sage. 84  Wieacker, RIDA 3 sér. 3 (1965), 468; Siewert, Chiron 8 (1978), 338–344, beschäftigt sich ausführlich mit der Entstehung der „Gesandtschaftslegende“.

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Die Zwölftafeln sind zwar ein einzigartiges spezifisch römisches Produkt85, dennoch ist es wenig wahrscheinlich, dass die Römer ihr Grund­ gesetz, das vom Ansatz her und inhaltlich sehr gut in die hellenische Welt des siebten bis fünften Jahrhunderts passt, ohne Anregungen von außen86 schufen87. Während Griechenland im fünften Jahrhundert v. Chr. seine Blütezeit erlebte, war Rom noch eine verhältnismäßig junge Gründung, die sich ganz am Anfang der rechtlichen Entwicklung befand88. Stil89 und Aufbau des Zwölftafelgesetzes erinnern an griechische Vorbilder: Neben den solonischen Gesetzen und dem Stadtrecht von Gortyn wird von weiteren Kodifikationen, beispielsweise von Zaleukos in Lokroi oder von Charondas in Katane berichtet90. Zudem lassen sich inhaltliche Parallelen zu Grundgedanken der griechischen Rechtsordnungen im Nachbarrecht, Vereinsrecht91 und bei den Beschränkungen des Gräberluxus92 feststellen93. Auch wenn nicht sicher auszuschließen ist, dass es sich hierbei um spätere Projektionen 85  Crifò,

ANRW I.2, S.  126. ist nicht auszuschließen, dass durch den Handel mit Phöniziern und Karthagern altorientalisches Recht in die Zwölftafeln einfloß, so Yaron, Daube Noster S. 343–357; Westbrook, SZ 105 (1988), 98. Aufgrund der Überlieferung und der gut belegten griechischen kulturellen Ausstrahlung ist der alleinige altorientalische Ursprung, (so Westbrook, SZ 105 (1988), 98) jedoch unwahrscheinlich, vgl. Bernhardt, Luxuskritik, S.  91 m. w. N. 87  Liebs, Gesetzgebung, S.  88; Delz, MH 23 (1966), 82, der stilistische Parallelen zu dem aus Kyrene überlieferten Heketidenstatut zieht, vgl. Solmsen-Fraenkel, Inscriptiones Graecae, Nr. 39 B. 88  Thür, Dike 9, S.  25 redet vom „dörflichen Rom“ dieser Zeit. Liebs, Gesetzgebung in antiken Gesellschaften, S.  88; Westbrook, SZ 105 (1988), S.  75: This all too obvious explanation, however, leads one to wonder, whether the elaborate machinery of the Decemvirs, etc., while eminently suitable for legislation of the classical period, is not also too sophisticated for such a primitive society?; Wieacker, St. Volterra 3, S.  763, bezeichnet Rom als „tiefste Provinz am Rande der hellenistischen Welt“. Delz, MH 23 (1966), 69. Ausführlich zum Streit um die Größe Roms zu dieser Zeit: Kolb, Rom, S.  115–139, der zum Ergebnis kommt, dass Rom eine Kleinstadt war. 89  Wieacker, Entretiens 13, S.  328; ders., St. Volterra 3, S.  758. 90  Liebs, Gesetzgebung, S.  88 m. w. N.; Ducos, L’influence grecque, S.  19; Delz, MH 23 (1966), 82 zieht zudem stilistische Parallele zu einem hochaltertümlichen Gesetz aus Kyrene. 91  Vereinsrecht: Gai. D.  47, 22, 4 (4 ad leg. duod. tab.); Ducos, L’influence grecque, S. 34; Nachbarrecht: Gai. D.  10, 1, 13 (4 ad leg. duod. tab.); Ducos, L’influence grecque, S.  31. 92  Cic. de leg. 2, 25, 64, vgl. dazu Bernhardt, Luxuskritik, S. 91–98; Ducos, L’influence grecque, S.  37; Siewert, Chiron 8 (1978), 333. 93  Wenger, Quellen, S. 366; Delz, MH 23 (1966), 79. Der direkte Bezug zu Solon ist wohl Produkt der späten Republik, als Parallelen der Zwölftafelgesetzgebung 86  Es

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handelt, spricht für einen möglichen griechischen Einfluss, dass es sich bei diesen Regelungen – ebenso wie beim Freiheitsprozess – nicht um weitverbreitete Rechtsgrundsätze (wie beispielsweise das Talionsprinzip94) handelt, sondern um ausgeklügelte juristische Regelungen95. Weshalb die Griechen einen solch großen Einfluss auf die römische Gesetzgebung nehmen konnten, zeigt die historische Entwicklung der griechischen Städte in Unteritalien einerseits und der Stadt Rom andererseits. Die Griechen besiedelten schon im achten Jahrhundert v. Chr. die Küstenebenen des Südens und Kampaniens96. Die früheste97 griechische und gleichzeitig die nördlichste Kolonie ist Kyme, auch Tarent und Neapel waren griechische Gründungen98. Pithekussai, eine vor Mitte des achten Jahrhunderts erfolgte chalkidische Gründung, 200  km Küstenlinie von der ­Tibermündung entfernt, war bereits vor 700 v. Chr. eine Stadt von an­ sehnlicher Größe und Bedeutung99. Erste griechische Gründungen auf Sizilien im Rahmen der Großen Kolonisation waren in der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts Naxos (Chalkidier aus Euboia) und Syrakusai (Korinther)100. Griechische Einflüsse im Bereich des Handwerks und des Handels lassen sich schon zu Beginn dieser Besiedung im achten Jahrhundert belegen101. Grabfunde von bemalten Gefäßen aus gereinigtem Ton, die aus der Mitte dieses Jahrhunderts stammen, weisen auf Neuerungen hin, die aus dem griechischen Unteritalien nach Latium und Rom eingedrungen sind102. Ein auf die Zeit um 770 v. Chr. datiertes Gefäß, auf dem ein Graffito aus fünf griechischen Buchstaben erhalten ist, legt die Vermutung nahe, dass die griechische zu den solonischen Gesetzen erkannt wurden, Wieacker, RIDA 3 sér 3 (1965), 469; ders., St.  Volterra 3, S.  781. 94  Delz, MH 23 (1966), 78. 95  Eine andere Regelung für den Statusprozess trifft das Stadtrecht von Gortyn Col 1, Z.  1, 15–24, indem das Ergreifungsrecht ausgeschlossen wurde und für die Zeit des Prozesses der vorherige Status quo darüber entschied, ob der vermeintliche Sklave frei war. Für den Prozesszeitraum gab es anders als in Rom und in Athen keine die Freiheit begünstigende Regelung. 96  Zur Großen Kolonisation vgl. Muggia, Magna Graecia, DNP 7, Sp.  685. 97  A. A. ist Muggia, Art. Magna Graecia, DNP 7, Sp.  685, die die Gründung von Pithekussai auf Ischia als Beginn der „Großen Kolonisation“ sieht. 98  Bringmann, Römische Geschichte, S.  7. 99  Müller-Karpe, Stadtwerdung, S.  62. 100  Kunz, Art. Sicilia, DNP 11, Sp.  509. 101  Kolb, Rom, S.  42, Müller-Karpe, Stadtwerdung, S.  62, vermutet, dass den Gründern Roms das griechische Stadtwesen bekannt gewesen sein und in die Stadtgründung und den Aufbau der Stadt eingeflossen sein könnte. 102  Bernhardt, Luxuskritik, S.  91 m. w. N.; Kolb, Rom, S.  37.



1. Teil: Freiheitsprozess und adsertor im griechischen Recht

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Schrift (euböisches Alphabet) in Latium ebenso früh eindringt wie in Etrurien103. Neben importierte Keramik (zunächst euböischen, dann korinthischen Ursprungs104) treten lokale Imitationen griechischer und einheimischer Handwerker. Inschriften mit gemischt etruskisch-latinisch-griechischen Namen bezeugen die Assimilation eingewanderter Griechen. Auch im Bauwesen lassen sich griechische Einflüsse erkennen105. Für das sechste Jahrhundert belegen Keramikfunde eine Intensivierung der Beziehungen Roms zur griechischen Welt106. In der nicht weit entfernten Hafenstadt Lavinium lassen sich in noch größerem Maße Anregungen beispielsweise anhand von Altären mit griechischen Formen oder Votivstatuetten griechischen Stils aus dem griechischen Kulturkreis feststellen107. Dies belegt, dass Rom neben etrurischen auch griechische Wurzeln hatte108. Erhaltene Bauwerke unterstützen diese These. So entspricht die Stufenanlage des römischen Comitiums unteritalienisch-griechischen Anlagen. Die Regia scheint eine der attischen Königshalle (Stoa Basileos) verwandte Funktion zu haben109. Speziell für das fünfte Jahrhundert sind weitere Kontakte Roms zu den unteritalienischen Griechen überliefert110. Es gab römische Abordnungen nach Unteritalien111, in Rom hielten sich griechische Künstler auf112. Zudem könnten die Römer versucht haben, Hungersnöte durch Getreideimporte aus Sizilien und Unteritalien zu lin103  Dehl,

Die korinthische Keramik, S.  155. St. Volterra, S.  764. Die frühesten korinthischen Importe in Italien lassen sich auf das Jahrzehnt 740 / 730 v. Chr. datieren, Dehl, Die korinthische Keramik, S.  153; Ducos, L’influence grecque, S.  45. 105  Kolb, Rom, S.  72. 106  Aus der präurbanen Phase Roms (2–3 Jahrhunderte) sind nur 28 Exemplare griechischer Keramik bekannt, für die frühetruskische Zeit dieser Stadt (bis etwa Mitte des 6.  Jahrhunderts) mehr als 100 aus Ionien, Lakonien, Korinth und Athen importierte Gefäße. Bis zur zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts hat die attische Keramik ein totales Übergewicht erlangt, was durch ca. 200 attische (schwarz- oder rotfigurige) Vasen belegt ist, vgl. Kolb, Rom, S. 103; Wieacker, St. Volterra, S. 764. Eine jähe Reduzierung dieser Importe lässt sich für Rom ab 525 feststellen, der vielleicht mit dem Peloponnesischen Krieg zusammenhing, vgl. Kolb, Rom S.  115. Wieacker, Entretiens 13, S.  314, sieht einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden der attischen Keramik und dem Luxusverbot. 107  Kolb, Rom, S.  106. 108  Westbrook, SZ 105 (1988), S.  98, weist neben griechischen und etruskischen Kulturelementen auch einen phönizisch-karthagischen Einfluss nach. Vgl. Bernhardt, Luxuskritik, S.  91 m. w. N. 109  Kolb, Rom, S.  106. 110  Zu den archäologischen Nachweisen vgl. Wieacker, St. Volterra 3, S.  759 m. w. N.; zum politischen und kommerziellen Vordringen des „Grossgriechentums“, ders., Entretiens 13, S.  335. 111  Delz, MH 23 (1966), 72. 112  Kolb, Rom. S.  107. 104  Wieacker,

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1. Teil: Freiheitsprozess und adsertor im griechischen Recht

dern113. Auch wenn Rom unter etruskischer Herrschaft stand, wurde den Römern die etruskische Kultur114 nicht aufgezwungen. Außerdem wurden Einflüsse aus dem griechischen Kulturbereich auch von den Etruskern aufgegriffen, wie beispielsweise Nekropolen in Caere und Volsinii (Orvieto) aus der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts zeigen, die stark an die Siedlungsgestalt griechischer Kolonien in Unteritalien und Sizilien erinnern115. Grichisches wirkt damit sowohl direkt als auch durch etruskische Vermittlung auf Rom116. Rom hatte dagegen keine große wirtschaftliche Bedeutung117. Für das siebte und sechste Jahrhundert v. Chr. zeigt dies der Vergleich mit anderen etruskischen Gemeinden und den griechischen Zentren Süditaliens. Für das fünfte Jahrhundert belegt das Zwölftafelgesetz ein Überwiegen der agrarischen Wirtschaftsgrundlage gegenüber gewerblichen Aktivitäten. Im Salzhandel118, der neben der Landwirtschaft Einkommensquelle war, stellte Rom nur eine Zwischenstation dar; Besitzerin der Salinen war wahrscheinlich Veji. Diese etruskische Stadt119 war auch deshalb bis 396 v. Chr. wesentlich wohlhabender als Rom120. Die geschilderten wirtschaftlichen Kontakte Roms zu den in Unteritalien lebenden Griechen könnten Grundlage für den griechischen Einfluss auf die Zwölftafeln gewesen sein121. In diesem Fall wären die Grundlagen somit nicht direkt aus einer griechischen Polis importiert worden122, sondern über die griechischen Städte in Unteritalien 113  Kolb, 114  Zum

S.  47.

Rom, S.  131, 135. Verhältnis von Latinern und Etruskern s. Müller-Karpe, Stadtwerdung,

Ganzen s. Kolb, Rom, S.  102–108. St. Volterra 3, S.  763; Delz, MH 23 (1966), 69. 117  Kolb, Rom, S.  104, anderer Ansicht ist Müller-Karpe, Stadtwerdung, S.  47, der für das achte Jahrhundert einen merklichen Aufschwung ausmachen will, der der Grund für die spätrepublikanischen Gelehrten war, die Gründung Roms in diese Zeit zu verlegen. Auch Mommsen, Römische Geschichte 1, S. 44, schreibt, das Rom früh eine hervorragende Stellung innerhalb Latiums innehatte. 118  Plin. nat. hist. 31, 89. 119  Dass Veji eine etruskische Stadt war, zeigen zahlreiche etruskische Inschriftenfunde, die bis in das 7. Jh. zurückreichen, Müller-Karpe, Stadtwerdung, S.  47. 120  Kolb, Rom, S.  86; Mommsen, Römische Geschichte 1, S.  46, ist dagegen der Ansicht, dass schon Romulus den Veientern die Salinen entriss. 121  Kolb, Rom, S. 118; Delz, MH 23 (1966), 77; Wieacker, RRG 1, § 13, S. 303; ders., Entretiens 13, S.  341; ders., RIDA 3 sér, 3 (1956), 470 belegt dorische Einflüsse aus dorischen Kolonisationen wie Lokroi Kroton und Syrakus. Für die Sepukralgesetze nimmt Bernhardt, Luxuskritik, S. 98, einen krotoniatischem Einfluss an. Er vermutet eine indirekte Vermittlung durch die griechischen Städte an der Westküste Italiens. 122  Wieacker, RIDA 3 sér, 3 (1956), 471, bezeichnet die Einflüsse als Rezeptionen aus Großgriechenland. 115  Zum

116  Wieacker,



1. Teil: Freiheitsprozess und adsertor im griechischen Recht

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und Sizilien nach Rom gelangt. Dann würde es sich nicht um attisches Recht, sondern um eine Art Grundkonsens der verschiedenen griechischen Rechtsordnungen handeln123. Archäologische Befunde weisen im Ergebnis ebenso wie die rechtlichen Parallelen darauf hin, dass der römische Freiheitsprozess seine Wurzeln im griechischen Recht hat. Dies könnte auch der Grund dafür sein, dass die Bezeichnung adsertor libertatis erst in der Republik gebräuchlich124 ist. Wie anhand des attischen und gortynischen Rechts dargestellt, hat dieser Dritte im griechischen Rechtsraum keinen besonderen Namen.

123  Ducos, L’influence grecque, S.  47; Wieacker, St. Volterra 3, S.  781, nennt sie „gemeingriechische, prima facie in allen Varianten auch in Großgriechenland verfügbare und zugängliche Gesetze“. 124  Die frühesten Belege für den adsertor finden sich bei Liv. 3, 44–48, und bei Festus, sv sertor (ed. Lindsay, S.  460); dessen Werk de verborum significatione ein Auszug aus dem Werk des Flaccus ist, einem Zeitgenosse von Livius, ThLL 2, sv assertor, Sp.  870.

Zweiter Teil

Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht Zuständigkeit und Verfahren gehören zu den schwierigsten Fragen des klassischen Freiheitsprozesses. Während das vorklassische Verfahren und die nachklassische Rechtslage bis zu Justinian gut dokumentiert sind, gibt es wenige, widersprüchliche Belege zum Verfahren in der Klassik. Dies hat mehrere Gründe: In justinianischer Zeit werden alle Prozesse, auch der Freiheitsprozess, als Kognitionsverfahren1 geführt. Dieses Verfahren entwickelte sich in der klassischen Zeit als cognitio extra ordinem. Extra ordinem deshalb, weil sie neben den ordentlichen Prozess per formulam trat. Für den klassischen Freiheitsprozess können beide Verfahren nachgewiesen werden. Da sich Gaius in seinen Institutionen nicht mit prozessualen Fragen des Freiheitsprozesses auseinandersetzt und die Texte in Digesten und Codex möglicherweise an das justinianische Recht angepasst sein könnten, gibt es wenige Belege für causae liberales im ordentlichen Verfahren. Deshalb ist die Entdeckung der Lex Irnitana für den Freiheitsprozess von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Dass das vorklassische (ordentliche) Verfahren nicht weitergeführt wurde, war eine Folge der augusteischen Reform. Mit den leges Iuliae iudiciorum privatorum et publicorum änderte Augustus 17 v. Chr. wesentliche Aspekte des bis dahin geltenden Prozessrechts. Um die Reichweite dieser Änderungen nachvollziehen zu können, wird zunächst der vorklassische Prozess dargestellt, gefolgt von einer ausführlichen Schilderung des klassischen Freiheitsprozesses in Rom und den Provinzen.

��  Buckland,

Slavery, S.  654.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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Abschnitt 1

Verfahren und Zuständigkeit A. Der Freiheitsprozess vor 17 v. Chr. I. Die legis actio sacramento in rem vor den decemviri Vor der augusteischen Reform findet der Freiheitsprozess vor den decemviri stlitibus iudicandis1 im Legisaktionenverfahren als legis actio sacramento in rem statt2. Dies ergibt sich mittelbar aus Gai. 4, 14, der sich mit der Höhe des sacramentum bei einem Streit um die Freiheit beschäftigt und ist auch für das Ende der Republik bezeugt3. In diesem Verfahren wird noch nicht zwischen Kläger und Beklagten4 unterschieden und somit auch nicht zwischen vindicatio in libertatem und vindicatio in servitutem5. 1  Cic. pro Caec. 33, 97; ders. dom. 29, 78; Kübler, Art. decemviri, RE 4, 2, Sp.  2256–2265; Voigt, St. Fadda, S.  147–164; La Rosa, Labeo 4 (1958), 15–54; Franciosi, Il processo, S.  14–51; ders., Sui „decemviri stlitibus iudicandis“, Labeo 9 (1963), 163–202; E. Ferenczy, SZ 89 (1972), 338–344. 2  Maschke, Der Freiheitsprozess, S.  6; Voigt, St. Fadda, S.  155; Buckland, Slavery, S.  653; Cuq, Les institutions 2, S.  141; ders., Manuel, S.  82; Lenel, EP, §  178, S.  381; Nicolau, Causa liberalis, S.  99; seine Begrenzung der Zuständigkeit auf die vindicationes ex libertatem in servitutem (S. 28) ist zu Recht nicht rezipiert worden, s. dazu auch Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  84; La Rosa, Labeo 4 (1958), 15; Franciosi, Il processo, S.  54, führt als zusätzliche Belege noch Pomp. D. 1, 2, 2, 29 (lib. sing. ench.) und Liv. 3, 44 (Verginia-Prozess) auf, streng genommen gehen aber beide Autoren nicht auf das Verfahren ein; ders., Labeo 7 (1961), 27; ders., Labeo 9 (1963), 174; Kaser, SZ 79 (1962), 391–398, 394; Kaser, RP 1, §  30, S.  115; Ferenczy, St. Donatuti 1, S.  390; Wolf, Libertas, S.  61–96, S.  69; Kaser / Hackl, RZ, §  14, S.  102. 3  Cic. pro Caec. 33, 97: (…) cum Arretinae mulieris libertatem defenderem et Cotta decemviris religionem iniecisset, non posse sacramentum nostrum iustum iudicari (…) prima actione non iudicaverunt; postea … sacramentum nostrum iustum iudicaverunt; Cic. de domo 29, 78: (…), si decemviri sacramentum in libertatem iniustum iudicassent, tamen quotienscunque vellet quis in hoc genere solo rem iudicatam referre posse voluerunt: (…). 4  Franciosi, Il processo, S.  60; Hackl, SZ 106 (1989), 157. 5  Hackl, Iurisprudentia universalis, S.  269; Franciosi, Il processo, S.  53, gegen Nicolau, Causa liberalis, S.  99; Kaser, SZ 79 (1962), 394, bezeichnet Francioisis Ansicht als bedeutenden Fortschritt, ders. unterscheidet allerdings in seinem Artikel „Relatives Eigentum“, SZ 102 (1985), 8, zwischen vindicatio in libertatem und vindicatio in servitutem. Letztendlich handelt es sich um eine terminologische Frage, selbst wenn man danach unterschieden haben sollte, ob der vermeintliche Sklave zuvor wie ein Freigeborener oder wie ein Sklave lebte, spielt das im Legisaktionenverfahren noch keine große Rolle. Erst wenn zwischen Kläger und Beklagtem unterschieden wird, ist diese Unterscheidung relevant für die Beweislast.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Im Sakramentsprozess werden zwei sich widersprechende Behauptungen aufgestellt, für die das sacramentum als Wetteinsatz eingesetzt wird. Jede Partei muss die aufgestellte Behauptung beweisen. Während sich im Eigentumsprozess zwei gleichlautende Behauptungen6 gegenüberstehen, ist dies im Freiheitsprozess nicht der Fall. Der Herr stellt die Eigentumsbehauptung „hunc ego hominem ex iure Quiritium meum esse aio“ auf, der adsertor libertatis hält „hunc ego hominem ex iure Quiritium liberum esse aio“ dagegen7. Recht bekommt derjenige, der seine Behauptung glaubhaft machen kann. Dessen sacramentum wird für iustum erklärt. Indirekt wird durch diesen Ausspruch entweder das Eigentum des einen Vindikanten oder die Freiheit des Prozessobjekts festgestellt. Der Richter musste immer eine Entscheidung treffen, er hatte keine Möglichkeit festzustellen, dass beide Parteien im Unrecht waren. Er entschied deshalb für denjenigen, der sein Recht vergleichsweise besser begründete8, unabhängig davon ob ein Dritter, der nicht Partei im Prozess war, besser berechtigt war. Dieser Dritte konnte sein Eigentum in einem erneuten Prozess geltend machen, aber nicht in den laufenden Prozess eingreifen9. Für die Prozessdauer regelte der Prätor den Zwischenbesitz (vindiciae) an der Sache. Im Freiheitsprozess wurden die vindiciae secundum libertatem erteilt10. Unabhängig vom vorherigen Rechtszustand war der vermeintliche Sklave für die Dauer des Prozesses als homo liber zu behandeln11. II. Konkurrierende Zuständigkeit der centumviri Von einem Teil der Literatur12 wird vertreten, dass nicht nur die decemviri stlitibus iudicandis zuständig waren, sondern auch die centumviri. Eine solche parallele Kompetenz beweisen angeblich Cic. orat. 1, 38, 17313 und der 6  Kaser, 7  Wolf,

SZ 102 (1985), 8. Libertas, S.  73; Kaser / Hackl, RZ, §  14, S.  102; Kaser, SZ 102

(1985), 8. 8  Franciosi, Il processo, S.  68; Hackl, SZ 106 (1989), 151– 179, bes. 157  f. setzt sich mit dem Streitstand ausführlich auseinander. 9  Hackl, SZ 106 (1989), 158. 10  Pomp. D.  1, 2, 2, 24 (lib. sing. ench.); Liv. 3, 44. 11  Paul. D.  40, 12, 24 pr. (51 ad ed.); Gai. D.  40, 12, 25, 2 (ad ed prat. urb. tit. de lib. caus.). 12  Wlassak, Art. centumviri, RE 3, 2, Sp.  1941; Martin, Le tribunal des centumvirs, S.  50 Fn.  2, mit einer Vielzahl von Belegen; Voigt, St. Fadda, S.  153. 13  Franciosi, Il processo, S.  32; Nicolau, Causa liberalis, S.  26.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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Mancinus-Fall14. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass weder diese Quellen noch andere Zeugnisse15 die Kompetenz der centumviri belegen können. Cic. orat. 1, 38, 173 Nam volitare in foro, haerere in iure ac praetorum tribunalibus, iudicia privata magnarum rerum obire, in quibus saepe non de facto, sed de aequitate ac iure certetur, iactare se in causis centumviralibus, in quibus usucapionum, tutelarum, gentilitatum, agnationum, adluvionum, circumluvionum, nexorum, mancipiorum, parietum, luminum, stillicidiorum, testamentorum ceterarumque rerum innumerabilium iura versentur, cum omnino, quid suum, quid alienum, quare denique civis aut peregrinus, servus aut liber quispiam sit, ignoret, insignis est impudentiae.

Cicero begründet, warum man sich als Gerichtsredner auch im Zivilrecht auskennen soll. Er spottet über diejenigen, die in iure vor das Tribunal des Prätors und die centumviri ziehen, ohne sich mit dem bürgerlichen Recht auseinandergesetzt zu haben. Er nennt zwar die Kompetenzen des Centumviralgerichts, diese Aufzählung endet aber mit „ceterarumque rerum innumerabilium“16. Der Freiheitsprozess wird nicht genannt. Cicero kritisiert weiter, dass Leute vor den centumviri Prozesse führen, ohne die Grundbegriffe des geltenden Rechts zu kennen. Erst an dieser Stelle geht es um die Frage, ob jemand Sklave oder ein freier Mensch ist. Sie dient als Beispiel für diese Grundbegriffe17. Die geschilderte Unwissenheit der Gerichtsredner bezieht Cicero nicht allein auf die Fälle, die vor den centumviri vertreten werden, sondern auf alle möglichen Gerichte und Richter. Cic. orat. 1, 38, 173 belegt daher nicht die Zuständigkeit der centumviri. Als weiterer (vermeintlicher) Beweis soll die Schilderung des Prozesses um das Bürgerrecht des Hostilius Mancinus dienen18. Cic. orat. 1, 40, 181 … Omitto iam plura exempla causarum amplissimarum, quae sunt innumerabilia: capitis nostri saepe potest accidere ut causae versentur in iure. Etenim si C. Mancinum, nobilissimum atque optimum virum atque consularem, (…) P. Rutilius, M. filius, tribunus plebi, iussit educi, quod eum civem negaret esse, (…). 14  Cic. orat. 1, 40, 181 und 1, 56, 238, Cic. pro Caec. 34, 98; Martin, Le tribunal  des centumvirs, S.  50 Fn.  2, und Nicolau, Causa liberalis, S.  37, mit weiteren Fundstellen zum Mancinus-Fall; Wlassak, Art. centumviri, RE, 3, 2, Sp.  1941; ­Kaser / Hackl, RZ, §  7, S.  54 Fn.  27. 15  Franciosi, Il processo, S.  33 schließt das ganz aus, Bongert, Recherches, S.  193 und Kaser, SZ 79 (1962), 394, halten eine Zuständigkeit der centumviri für nicht beweisbar. 16  Nicolau, Causa liberalis, S.  37; Franciosi, Il processo, S.  33. 17  Jobbé-Duval, NRH 28 (1904), 559; Bozza, Centumviri, S.  25 Fn.  1. 18  Cic. orat. 1, 40, 181; Nörr, Aspekte des römischen Völkerrechts, S.  79; Wlassak, Art. centumviri, RE 3, 2., Sp.  1941; ders., Iudikationsbefehl, S.  196 Fn.  28.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

C. Hostilius Mancinus wird wegen eines mißbilligten Friedensvertrages19 mit den Numantinern aufgrund eines Senatsbeschlusses an dieselben ausgeliefert. Weil die Numantiner ihn nicht aufnehmen, geht er nach Rom zurück und will an der Senatssitzung teilnehmen. Der Volkstribun P. Rutilius lässt C. Hostilius Mancinus daraufhin festnehmen, weil er der Ansicht ist, dass dieser aufgrund des seine Auslieferung vorsehenden Senatsbeschlusses nicht mehr in seine alte Rechtsstellung zurückgekehrt sei. An späterer Stelle legt Cicero nahe, dass diese controversia vor den centumviri verhandelt wurde: Cic. orat. 1, 56, 238 238: Nam quod maximas centumviralis causas in iure positas protulisti, quae tandem earum causa fuit, quae ab homine eloquenti iuris imperito non ornatissime potuerit dici? Quibus quidem in causis omnibus, sicut in ipsa M’. Curi, quae abs te nuper est dicta, et in C. Hostili Mancini controversia atque in eo puero, qui ex altera natus erat uxore, non remissio nuntio superiori, fuit inter peritissimos homines summa de iure dissensio:

Der Prozess um das Bürgerrecht wurde nach Ciceros Aussage vor den centumviri verhandelt. Vor den centumviri wurden causae wie die causa Curiana20 und controversiae, wie der Fall des Mancinus behandelt. Die centumviri waren zuständig für Rechtsstreitigkeiten von besonderem Gewicht21, wofür Rechtskenntnisse erforderlich waren. Dass sich die centumviri juristisch beraten ließen, zeigt das Auftreten des Q. Mucius Scaevola und des Redners L. Licinnius Crassus in der causa Curiana22. Die Zuständigkeit der centumviri für Freiheitsprozesse ist zweifelhaft23. In Cic. orat. 1, 40, 182 verbindet Cicero dann den Begriff der civitas mit der libertas: Quam possumus reperire ex omnibus rebus civilibus causam contentionemque maiorem quam de ordine, de civitate, de libertate, de capite hominis consularis, praesertim cum haec non in crimine aliquo, quod ille posset infitiari, sed in civili iure consisteret?

Dieser Ausspruch wird als Beleg dafür herangezogen, dass die centumviri neben den decemviri in der Republik für Freiheitsprozesse zuständig waren, zumindest dann, wenn der Prozess sich sowohl mit dem Bürgerrecht als auch mit der Freiheit24 beschäftigt. 19  Liebs,

Ars iuris, S.  315. orat. 1, 39, 180. 21  Kaser / Hackl, RZ, §  7, S.  53. 22  Kaser / Hackl, RZ, §  7, S.  55. 23  Kaser / Hackl, RZ, §  7, S.  54. 24  Wlassak, Art. centumviri, RE 3,2, Sp.  1941. 20  Cic.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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Bügerrecht und Freiheit hängen zwar eng zusammen25, zweifelhaft ist aber, ob die controversia um das Bürgerrecht des C. Hostilius Mancinus tatsächlich als Freiheitsprozess einzuordnen ist26. Im Freiheitsprozess geht es immer darum, ob ein Mensch servus oder liber ist. Mancinus wird nicht als Sklave und damit als Eigentum beansprucht27. Streitgegenstand ist die Frage, ob er mit seiner Rückehr wieder römischer Bürger wird, obwohl er an die Numantiner ausgeliefert wurde. Dass dieser Punkt als Vorfrage zu einer Erbschaftsstreitigkeit erörtert wird28, beispielsweise im Zusammenhang mit der Gültigkeit eines Testaments29, lässt sich nicht aus Ciceros Darstellung schließen. Es geht um die Wirksamkeit der Auslieferung (deditio30) und darum, ob eine Erneuerung der früheren Rechtsstellung (ius postliminium) möglich sein soll, wenn der Ausgelieferte nicht angenommen wird31. Über diese Frage stritten die klassischen Juristen32: Der hochangesehene Jurist M. Iunius Brutus33 verneinte den Verlust des Bürgerrechts und begründete dies damit, dass die deditio nicht zustande gekommen sei34, es fehle an der Annahme (acceptio), die für eine Schenkung notwendig sei35. Mucius Scavola sprach sich demgegenüber gegen das ius postliminii36 und für einen Verlust des Bürgerrechts aus. Die Ansicht des Mucius setzte sich durch: Mancinus verlor seinen Senatssitz. Das Bürgerrecht wurde ihm durch die lex37 „ut

25  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  90; grundlegend zum Verhältnis von libertas und civitas ist der Aufsatz von Levy, SZ 78 (1961), 142–172. 26  Kaser / Hackl, RZ §  7, S.  54 Fn.  27; Franciosi, Labeo 9 (1963), 192. 27  Franciosi, Il processo, S.  37; Nicolau, Causa liberalis, S.  37; Jobbé-Duval, NRH 28 (1904), 557. 28  Jobbé-Duval, NRH 28 (1904), 557; Marrone, Efficacia, S.  27. 29  Bozza, Centumviri, S.  37. 30  Franciosi, Il processo, S.  37; Nicolau, Causa liberalis, S.  38. 31  Liebs, Ars Iuris, S.  314. 32  Mod. D.  49, 15, 4 (3 reg.). 33  M. Iunius Brutus zählte noch im 2. Jh. nach Chr. zu den drei fundatores iuris civilis, Liebs, Ars Iuris, S.  314. 34  Cic. top. 8, 37: Quo genere etiam Mancini causa defendi potest postliminio redisse, deditum non esse, quoniam non sit receptus; nam neque deditionem neque donationem sine acceptione intellegi posse; Cic. pro Caec. 34, 98: Vt religione civitas solvatur civis Romanus deditur; qui cum est acceptus, est eorum quibus est deditus; si non accipiunt, ut Mancinum Numantini, retinet integram causam et ius civitatis. Liebs, Ars Iuris, S.  314. 35  Liebs, Ars Iuris, S.  314. 36  Pomp. D.  50, 7, 18 (37 ad Quint. Muc.); Mod. D.  49, 15, 4 (3 reg.). 37  Levy, SZ 78 (1961), 152.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

esset civis Romanus38“ wiedergegeben. Den Senatssitz gewann er durch die erneute Wahl zum Prätor zurück39. Die Rechtsfrage blieb weiterhin streitig40. Die Zuständigkeit der centumviri für die Zeit der Republik belegt der Fall des Mancinus jedenfalls nicht41. III. Civitas als zwingende Voraussetzung für libertas Neben der Frage nach der Freiheit des Einzelnen kann auch das Bürgerrecht eine Rolle spielen. Civitas und libertas werden oft vermischt42. Dies bedeutet aber nicht, dass libertas und civitas untrennbar miteinander verbunden sind43. Ein civis Romanus ist zwar immer gleichzeitig auch liber, der Stand der Freiheit kann aber auch ohne civitas erlangt werden44. Dies ist zum Beispiel der Fall bei Nichtbürgern, die keine Kriegsfeinde sind; ihre Freiheit erkennen die Römer zumindest faktisch an45. Libertas und civitas sind in Prozessen häufig verknüpft46. Beide Begriffe werden beispielsweise von Cicero aus rhetorischen Gründen in Cic. Pro. Caec. 33, 9647 miteinander verbunden. Cicero behauptet hier freilich, dass man das Bürgerrecht nicht verlieren könne, ohne auch seine Freiheit zu verlieren. Was er damit sagen will, wird aber im folgenden Satz deutlich: 38  Pomp. D.  50, 7, 18 (37 ad Quint. Muc.) in fine: Id autem maxime quaesitum est in Hostilio Mancino, quem Numantini sibi deditum non acceperunt: de quo ­tamen lex postea lata est, ut esset civis Romanus, et praeturam quoque gessisse dicitur. 39  Liebs, Ars Iuris, S.  314. 40  Cic. top. 8, 37; ders. pro. Caec. 34, 98; Nörr, Aspekte des römischen Völkerrechts, S.  79; Liebs, Ars Iuris, S.  313–316. 41  Franciosi, Il processo, S. 38; Nicolau, Causa liberalis, S. 41; Bongert, Recherches, S.  194. 42  Bongert, Recherches, S.  199; Nicolau, Causa liberalis, S.  90. 43  Franciosi, Il processo, S.  48 Fn.  122 m. w. N.; Levy, SZ 78 (1961), 147: Libertas und civitas sind außerhalb der Grenzen des ius civile selbst in den ältesten uns bekannten Periode nicht zusammengefallen. 44  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  90; Levy, SZ 78 (1961), 147: Libertas war die Voraussetzung für civitas, civitas eine Garantie der libertas. 45  Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, §  13, Rn. 5, S.  84. 46  Franciosi, Il processo, S.  49, nimmt das für alle adsertiones in libertatem an, so auch Nicolau, Causa liberalis, S.  53, der daraus die allerdings vereinzelt gebliebene Ansicht herleitet, dass in diesen Fällen immer die recuperatores zuständig gewesen seien. 47  Cic. pro Caec. 33, 96: (…) deinde nihil rationis adfers quam ob rem, si libertas adimi nullo modo possit, civitas possit. Nam et eodem modo de utraque re traditum nobis est, et si semel civitas adimi potest, retineri libertas non potest. Qui enim potest iure Quiritum liber esse is qui in numero Quiritium non est?



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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Hier geht es um die quiritische Freiheit, die nur dem quiritischen Bürger, der das römische Bürgerrecht hat, zusteht48. Selbst wenn man seine Aussage verallgemeinert, darf man nicht den Zweck dieser Ausführungen aus dem Auge verlieren: Cicero will hier ein Argument widerlegen und die Richter überzeugen. Das liegt ihm mehr am Herzen als sachliche Beweisführung49. Als Beispiel für den Verlust des Bürgerrechts ohne den Verlust der Freiheit dient der Fall des M. Hostilius Mancinus. Dieser verliert – zumindest nach einer Auffassung – aufgrund des Senatsbeschlusses sein Bügerrecht durch die deditio50, weil die Numantiner ihn aber nicht annehmen, behält er seine Freiheit51. Schon in der jüngeren Republik führt der Verlust der civitas damit nicht zu einer Beeinträchtigung der libertas52. Für das klassische Recht ist die Trennung beider Institutionen und die Fortwirkung der libertas bei Fortfall der civitas entweder ausdrücklich belegt oder wird als selbstverständlich vorausgesetzt53. Dies zeigt sich in den Digesten und in den Institutionen des Gaius. So wird bei der Erörterung des statuliber in D.  40, 7 die civitas überhaupt nicht erwähnt. Gaius behandelt Fragen, die die libertas54 betreffen, und solche die die civitas55 zum Gegenstand haben56, gesondert. Für die gerichtliche Geltendmachung der Freiheit kann das Bürgerrecht dagegen eine wichtige Rolle spielen. Die Rechtsinstitute des ius civile gelten nur für römische Bürger, Nichtrömer nehmen daran normalerweise nicht teil57. Nur cives Romani können daher einen Freiheitsprozess vor den decemviri stlitibus iudicandis anstrengen. Dies bestätigt eine Prozessschilderung 48  Schmidlin,

Das Rekuperatorenverfahren, S.  90. SZ 78 (1961), S.  152. 50  Zum Mancinus-Fall vgl. oben A. II. 51  Levy, SZ 78 (1961), 152. 52  Levy, SZ 78 (1961), 152. 53  Levy, SZ 78 (1961), 155  f.: Belege in den Institutionen des Gaius: 1, 90; 1, 128; 1, 160; 1, 161; 1, 162; 2, 147; Belege in den Digesten: Gai. D. 28, 1, 8, 1 und 2 (17 ed. prov.); Gai. D. 48, 19, 29 (1 ad leg. Iul. et Pap.); Paul. D. 4, 5, 5, pr. und 1 (11 ad ed.); Paul. D.  4, 5, 7, 2 und 3 (11 ad ed.); Paul. D.  4, 5, 11 (2 ad Sab.); Paul. D.  35, 1, 104 (14 resp.); Ulp. D.  1, 6, 7 (25 ad Sab.); Ulp. D.  2, 4, 10, 6 (5 ad ed.); Ulp. D.  32, 1, 2 (1 fideic.); Ulp. D.  48, 1, 5, 1 (8 disp.); Ulp. D.  48, 22, 6 pr.(9 off. proc.); Marcian D. 48, 19, 17 pr. und 1 (1 inst.); Ant. C. 3, 28, 11 (a. 224). 54  Gai. 1, 89, 91. 55  Gai. 1, 90, 92. 56  Levy, SZ 78 (1961), 157. 57  Kaser, RP 1, §  6, S.  35; Ausnahmen waren beispielsweise das commercium und das conubium; Levy, SZ 78 (1961), 147. 49  Levy,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Ciceros: Eine Frau aus Arretium58, einer etruskischen Stadt59, strengt mit Hilfe von Cicero einen Prozess vor den decemviri an. Nach der Darstellung des Gegenredners Cotta haben die Einwohner dieser Stadt ihr Bürgerrecht verloren. Wäre dies der Fall gewesen, hätten die decemviri das sacramentum von Cicero für iniustum erklären müssen. Nur weil der Streit vor den decemviri geführt wird, ist libertas ohne civitas nicht möglich. Cicero bestreitet erfolgreich die Aberkennung des Bürgerrechts und gewinnt damit den Prozess, sein sacramentum wird für iustum erklärt, er verteidigt erfolgreich die Freiheit. Levy60 geht zwar davon aus, dass es einen Rechtsschutz für Nichtbürger gegeben haben muss, der seinen Ursprung im Ermessen des Gerichtsherrn gehabt haben könnte. Dafür gibt es jedoch weder Quellenzeugnisse, noch belegt Levy die gegenteilige Behauptung, dass in der Frühzeit Roms ein Nichtbürger festgenommen und zum Sklaven gemacht werden konnte61, weil ihm die gerichtliche Verteidigung nicht möglich war. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass ein Römer einen Nichtrömer als Sklaven in Anspruch nahm, weil dieser ihm Geld schuldete, er geschäftliche Konkurrenz fürchtete oder weil er sonstige persönliche Motive hatte. Die Entwicklung des Rekuperatorenverfahrens als Verfahren62 zwischen Rom und benachbarten Gemeinden macht einen solchen Rechtsschutz ebenfalls wahrscheinlich. IV. Weiterentwicklung zum Verfahren per sponsionem Die weitere Entwicklung des Freiheitsprozesses im Legisaktionenverfahren liegt im Dunkeln. Die legis actio sacramentum in rem wird vermutlich später vom Verfahren per sponsionem abgelöst63. Hierbei fordert der Kläger den Beklagten mit einer sponsio praeiudicalis heraus, um die Frage des Eigentums oder des sonstigen Rechts zu klären64. Für den Freiheitsprozess 58  Cic. pro Caec. 33, 97: Cum Arretinae mulieris libertatem defenderem et Cotta Xviris religionem iniecisset non posse nostrum sacramentum iustum iudicari, quod Arretinis adempta civitas esset, et ego vehementius contendissem civitatem adimi non posse, Xviri prima actione non iudicaverunt; postea re quaesita et deliberata sacramentum nostrum iustum iudicaverunt. 59  Fuhrmann, Cicero, Bd.  1, Anmerkung Nr. 55 zu „Für Caecina“, S.  383. 60  Levy, SZ 78 (1961), 147. 61  Levy, SZ 78 (1961), 147; Franciosi, Il processo, S.  48; Nicolau, Causa liberalis, S.  53. 62  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  85. 63  Kaser / Hackl, RZ §  14, S.  105; allgemein zu dieser Entwicklung: Luzzatto, St. Albertario, S.  169–193. 64  Kaser / Hackl, RZ §  14, S.  105, zu den vindicationes vgl. Luzzatto, St. Albertario, S.  184.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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ist ein solcher Übergang zum Sponsionsverfahren zwar nicht überliefert. Es gibt aber auch keine Quellen, die gegen eine solche Entwicklung sprechen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die causa liberalis ebenso wie die restlichen actiones in rem65 per sponsionem geführt werden konnte66. V. Geltendmachung der Freiheit durch Nichtbürger Der Rechtszustand für Nichtbürger, dass ihnen kein Verfahren für die Geltendmachung ihrer Freiheit zur Verfügung stand, änderte sich jedenfalls mit der Herausbildung des ius gentium und der Einführung des praetor peregrinus67. Damit geht die Entwicklung des Formularprozesses68 einher. Es liegt nahe, dass Nichtrömer, die faktisch als frei anerkannt werden, sich auf diesem Wege gegen die Versklavung wehren können. Parallel zur Zuständigkeit der decemviri für innerrömische Freiheitsstreitigkeiten bildet sich eine Zuständigkeit der Rekuperatoren im Formularprozess69 aus, zunächst nur, wenn Nichtrömer beteiligt sind. Einen Beleg für diese Vermutung liefert Cicero in seiner Rede für Flaccus. Cic. pro Flacco 17, 40 Cum vero is quem nemo vestrum vidit umquam, nemo qui mortalis esset audivit, tantum dicit: „dedi“, dubitabitis, iudices, quin ab hoc ignotissimo Phryge nobilissimum civem vindicetis? Atque huic eidem nuper tres equites Romani honesti et graves, cum in causa liberali eum qui adserebatur cognatum suum esse diceret, non crediderunt.

Cicero nimmt in seiner Verteidigungsrede Bezug auf einen Freiheitsprozess, der vor tres equites Romani geführt wurde. Die decemviri können mit dieser Formulierung nicht gemeint sein, Cicero bezieht sich auf die recuperatores70. Der Prozess gegen Flaccus findet 59 v. Chr. in der Provinz Asia statt71, für diese Provinz belegt auch die lex Antonia de Termessibus72 die Existenz von recuperatores73. Die Zuständigkeit der recuperatores lässt sich zudem aus der Entstehungsgeschichte begründen: Die Rekuperatorengerichte entstanden als 65  Lenel,

EP §  178, S.  381. Sponsionsverfahren im klassischen Recht s. II. 1. b) bb). 67  Levy, SZ 78 (1961), 148. 68  Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, §  80, Rn. 14, S.  400. 69  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  85. 70  Nörr, HIA 3, S.  2109–2120; ders., HIA 3, S.  2183. 71  Nörr, HIA 3, S.  2183. 72  Crawford, Roman Statutes 1, Nr. 19; Fuenteseca, Scritti Impallomeni, S.  193. 73  Vgl. Nörr, HIA 3, S.  2181. 66  Zum

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Grenzverfahren zwischen Römern und Fremden. Es gab völkerrechtliche Verträge, die die Einsetzung der recuperatores regelten, daneben existierten Rechtshilfeverträge, die anordneten, dass recuperatores über Prozesse zwischen verschiedenen Gemeinwesen urteilten74. Solche durch Rechtshilfeverträge eingesetzte Richter entsprachen den städtischen Gerichten für Fremde, wie sie für Athen, aber auch für andere Teile Griechenlands belegt waren75. Aus diesem ursprünglich zwischenstaatlichen Verfahren wurde zur Wende vom dritten zum zweiten Jahrhundert v. Chr. eine innnerstaatliche Prozessform76. Dies lässt sich mit der Ausdehnung Roms zum Weltreich erklären: An Stelle der benachbarten Stämme und Stadtstaaten trat ein weitverzweigtes Netz von Foederati, Socii und Kolonien77. Das (nun) innerstaatliche Rekuperatorenverfahren ermöglichte es Nichtrömern, ihre Rechtsansprüche geltend zu machen und durchzusetzen. Auf diesem Wege konnte auch ein Nichtrömer seine Freiheit vor Gericht verteidigen. Nachdem der praetor peregrinus eine Formel erteilt und ein Rekuperatorengericht eingesetzt hatte, urteilten diese über die Statusfrage in einem Formularprozess. Schon vor der augusteischen Reform gab es somit zwei Verfahren für den Freiheitsprozess. Waren römische Bürger Parteien des Freiheitsprozesses, dann urteilten die decemviri stlitibus iudicandis im Legisaktionenverfahren. Die recuperatores78 entschieden im Formularprozess über Freiheit oder Sklavenstatus eines Nichtrömers.

B. Die leges Iuliae iudiciorum privatorum et publicorum Gai. 4, 30 Sed istae omnes legis actiones paulatim in odium venerunt. namque ex nimia subtilitate veterum, qui tunc iura condiderunt, eo res perducta est, ut vel qui minimum errasset, litem perderet; itaque per legem Aebutiam et duas Iulias sublatae sunt istae legis actiones, effectumque est, ut per concepta verba, id est per formulas, litigemus. 74  Festus sv reciperatio (ed. Lindsay, S.  342): Reciperatio est, ut ait Gallus Aelius, cum inter populum et reges nationesque et civitates peregrinas lex convenit, quomodo per reciperatores reddantur res reciperenturque, resque privatas inter se persequantur. Nörr, HIA 3, S.  2267; Fuenteseca, Scritti Impallomeni, S. 214. 75  Nörr, HIA 3, S. 2267. 76  Nörr, HIA 3, S.  2265 m. w. N. 77  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  19. 78  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  85.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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Augustus79 veranlasste 17 v. Chr.80 die leges Iuliae iudiciorum privatorum et publicorum81. Diese Prozessgesetze, Gaius nennt sie „duae Iuliae“82, enthalten für den Freiheitsprozess zwei wichtige Reformen: – Zum einen ersetzt der Formularprozess in fast allen Bereichen das Legisaktionenverfahren83, als legis actiones werden nur noch die actio damni infecti und die Fälle, die in die Kompetenz der centumviri fallen84, verhandelt. Die Wirkungen des Formularprozesses werden denen der legis actiones angepasst. Ein Urteil ist als iudicium legitimum nach ius civile wirksam, wenn das Gericht in Rom selbst oder der Umgebung bis zum ersten Meilenstein eingerichtet wird, sowohl Richter als auch Parteien römische Bürger sind85 und das Gericht aus einem Einzelrichter (nicht aus Rekuperatoren) besteht. – Zum anderen schafft Augustus die decemviri stlitibus iudicandis als eigenständiges Richterkollegium ab und weist ihnen den Vorsitz in den Ausschüssen der centumviri zu86. Die Zahl der centumviri wird von 105 auf 180 erhöht, diese werden in vier Tribunale zu je 45 Richtern eingeteilt, welche gleichzeitig tagen können87. Die Auswirkungen der augusteischen Reform auf den Freiheitsprozess sind Gegenstand der folgenden Ausführungen.

79  Bertoldi, La lex Iulia iudiciorum privatorum, S.  12–28, diskutiert ausführlich die Frage, ob die Leges Iuliae von Caesar oder von Augustus stammen und schreibt sie auf S.  28 Augustus zu. 80  Zur Datierung s. Rotondi, Leges publicae populi Romani, S.  448; Bertoldi, La lex Iulia iudiciorum privatorum, S.  28–32. 81  Zum „Prozessrecht der Lex Iulia“, s. Wlassak, PG 1, S.  173; Girard; SZ 34 (1913), 295–372. 82  Gai. 4, 30; welches das zweite Gesetz ist, ist umstritten, es könnte sich um eine Lex Iulia municipalis handeln, so Wlassak, PG 1, 190; ders., Judikationsbefehl, S. 274. Kap. 91 der Lex Irnitana unterstützt diese Ansicht, Gonzáles, JRS 76 (1986), 150. Bertoldi, La lex Iulia Iudiciorum privatorum, S. 6, ausführlich zu Kap. 91 ebd., S.  38–41. 83  Gai. 4, 30; Kaser / Hackl, RZ, §  4 S.  36, Girard, SZ 34 (1913), 367. 84  Gai. 4, 31; Girard, SZ 34 (1913), 367. 85  Gai. 4, 104; Bertoldi, La lex Iulia iudiciorum privatorum, S.  46; Fuenteseca, Scritti Impallomeni, S.  206; Kaser / Hackl, RZ §  22, S.  162 m. w. N. 86  Suet. Aug. 36: Auctor et aliarum rerum fuit, (…) ut centumuiralem hastam quam quaesturam functi consuerant cogere decemuiri cogerent; Girard, SZ 34 (1913), 367; Voigt, St. Fadda 1, S.  157; Kaser / Hackl, RZ, §  7, S.  56. 87  Voigt, St. Fadda 1, S.  157.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

C. Der Freiheitsprozess nach 17 v. Chr. Die Zuständigkeit der decemviri fand mit den leges Iuliae iudiciorum privatorum et publicorum ein Ende. Es stellt sich die Frage, ob Konsequenz der Reform die alleinige Zuständigkeit der recuperatores im ordentlichen Rechtsweg ist oder ob mit der Eingliederung der decemviri in das Kollegium der centumviri diesen auch die Zuständigkeit im Freiheitsprozess zufällt. Eine weitere Möglichkeit ist die Zuständigkeit des iudex für causae liberales. Neben der Zuständigkeit ist auch die Bestimmung des Verfahrens schwierig. Der Freiheitsprozess könnte entweder per sponsionem, per formulam petitoriam oder als praeiudicium verhandelt worden sein. Ebenso unklar ist das Verhältnis der außerordentlichen zur ordentlichen Gerichtsbarkeit: Die cognitio extra ordinem entwickelte sich schon unter Augustus neben dem Formularprozess88. Es ist denkbar, dass beide Verfahren nebeneinander89 existierten; möglicherweise wurde der Freiheitsprozess gar im Legisaktionenverfahren weitergeführt, bis er im dritten Jahrhundert mit dem Kognitionsverfahren verschmilzt90. Eng damit verknüpft ist die Zuständigkeitsfrage. Während im Formularprozess recuperatores oder iudex Recht sprachen, übten Magistrate die cognitio extraordinaria aus. Für den Freiheitsprozess sind die Konsuln und der praetor de liberalibus causis zuständig. In den Provinzen ist die Zuständigkeit des Statthalters für Freiheitsprozesse belegt. I. Zuständigkeit 1. Sachliche Zuständigkeit a) Zuständigkeit der centumviri Lange Zeit wurde angenommen, dass die Zuständigkeit der decemviri als Folge der leges Iuliae auf die centumviri überging91. Eine Zuständigkeit er centumviri besteht bei Rechtsstreitigkeiten von besonderer Bedeutung. Be88  Kaser / Hackl,

RZ, §  66, S.  438. Jörs, FS Jhering, S.  47. 90  Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, §  80, Rn. 23, S.  401. 91  So Wlassak, Art. centumviri, RE 3, 2, Sp.  1941; er nimmt sogar eine Zuständigkeit der centumviri für alle Vindikationen an; Martin, Le tribunal des centumvirs, S.  50; Voigt, St. Fadda, S.  153; Cuq, Institutions 2, S.  141; ders., Manuel, S.  83, geht davon aus, dass die centumviri in Rom, die recuperatores in den Provinzen zuständig waren; Nicolau, Causa liberalis, S.  50, nimmt eine Zuständigkeit der centumviri nur für vindicationes in libertatem an; Lenel, EP, S.  26, Fn.  4 hält eine Zuständigkeit der centumviri neben den recuperatores für möglich; zweifelnd Kaser / Hackl, RZ, §  7, S.  54 m. w. N. 89  So



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legt ist sie für die hereditatis petitio92, und die querella inofficiosi testamenti. Für die hereditatis petitio gilt in klassischer Zeit ein Mindeststreitwert von 100.000 Sesterzen, der vermutlich auch auf die querella inofficiosi testamenti angewendet wird93. Quellen, die Entscheidungen der centumviri im Freiheitsprozess überliefern, existieren dagegen nicht. In einigen Digestenstellen94 ist von einer Richtermehrheit die Rede. Da die Kompilatoren die centumviri ebenso wie die recuperatores95 aus den in die Digesten aufgenommenen Fragmenten tilgten, können sie nicht eindeutig den centumviri zugeordnet werden. Bongert96 und Francioisi97 zeigen in ausführlichen Exegesen98, dass ebenso die recuperatores gemeint sein könnten. Ihre Ergebnisse werden in der gebotenen Kürze dargestellt. aa) Paul. D.  42, 1, 36 (17 ad ed.) Pomponius libro trigensimo septimo ad edictum scribit, si uni ex pluribus iudicibus de liberali causa cognoscenti de re non liqueat, ceteri autem consentiant, si is iuraverit sibi non liquere, eo quiescente ceteros, qui consentiant, sententiam proferre, quia, etsi dissentiret, plurium sententia99 optineret.

Der Text stammt aus dem 17. Buch von Paulus’ Ediktskommentar, das sich mit Urteilen und ihren Wirkungen beschäftigt100. Er bezieht sich auf eine andere Stelle aus dem 37. Buch zum Edikt von Pomponius, das sich nach Lenels Ansicht ursprünglich mit der rei vindicatio beschäftigte101. Es 92  Cic. orat. 1, 176  f., 180 (causa Curiana); Pro. Caec. 18, 53; Kaser / Hackl, RZ, §  7, S.  53 mit Fn.  22. 93  Kaser / Hackl, RZ, §  7, S.  54 mit Fn.  24, verweist beispielsweise auf Quint. inst. or. 7, 4, 11; 9, 2, 9 / 33; Sen. mai. contr. 9, 5, 15. 94  Hermog. D.  40, 1, 24 pr. (1 iur. epit.); Paul. D.  42, 1, 36 (17 ad ed.); Paul. D.  42, 1, 38 pr. (17 ad ed.); Paul. D.  4, 8, 32, 7 (13 ad ed.); Iul. D.  40, 12, 30 (5 ex Minicio), s. dazu beispielsweise Wlassak, Art. centumviri, RE 3, 2, Sp.  1948, bezieht D.  40, 1, 24 pr. und D.  42, 1, 36 und 38 auf die centumviri; Martin, Le tribunal des centumvirs, S.  50 Fn.  2, und Fuenteseca, Scritti Impallomeni, S.  231, beziehen alle Texte auf die centumviri. 95  Fuenteseca, Scritti Impallomeni, S.  212; Nörr, HIA 3, S.  2241; Schmidlin, Rekuperatorenverfahren, S.  1; Marrone, Efficacia, S.  307. 96  Bongert, Recherches, S.  194, 195. 97  Franciosi, Il processo, S.  92–106. 98  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  87, verweist lediglich auf die bereits vorhandene Untersuchung. 99  Alternative Lesart ist sententiam, Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  714 Fn.  16; Mommsen, Digesta 2, S.  540 Anm. Z.  35. 100  Lenel, Pal 1, Sp.  994, Nr. 266, in den Digesten wurde der Text unter de re iudicata et de effectu sententiarum et de interlocutionbus eingeordnet. 101  Lenel, Pal 2, Sp.  27, Nr. 80.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

geht um die Frage der Enthaltung eines Richters im Freiheitsprozess. Schwört dieser einen Eid, dass ihm die Sache nicht bis zur Entscheidungsreife klar sei, so können die anderen ein Mehrheitsurteil fällen102. Da diese Regelung für alle Gerichtshöfe gilt103 und damit sowohl für centumviri als auch für recuperatores104, kann plures iudices nicht eindeutig auf die centumviri bezogen werden105. Es können damit ebenso die recuperatores gemeint sein106. Dass sich plures zwangsläufig auf drei recuperatores beziehen muss107, geht allerdings zu weit108. D. 42, 1, 36 trifft daher keine verbindliche Aussage zur Zuständigkeit der centumviri sondern regelt lediglich, dass sich ein Richter durch Eid seiner Pflicht, ein Urteil zu fällen, entziehen kann109. In engem inhaltlichen Zusammenhang zu diesem Text, steht ein weiteres Fragment von Paulus: bb) Paul. D.  42, 1, 38 pr. (17 ad ed.) und Hermog. D.  40, 1, 24 pr. (1 iur. epit.) Inter pares numero iudices110 si dissonae sententiae proferantur, in111 liberalibus quidem causis, secundum quod a divo Pio constitutum est, pro libertate statutum optinet, in aliis autem causis pro reo. quod et in iudiciis publicis optinere oportet.

D.  42, 1, 38 pr. stammt ebenso wie D.  40, 1, 36 aus dem 17. Buch des Ediktskommentars von Paulus. Bei Stimmengleichheit soll grundsätzlich zugunsten des Beklagten entschieden werden112. Eine Ausnahmeregelung gilt für den Freiheitsprozess, hier muss immer für die Freiheit entschieden wer102  Kaser / Hackl,

RZ, §  19, S. 121. RZ, §  19, S. 121. 104  Wlassak, Art. centumviri, RE 3, 2, Sp.  1948; Martin, Le tribunal des centumviri, S.  39 Fn.  1. 105  So aber: Wlassak, Iudikationsbefehl, S.  195; Martin, Le tribunal des centumvirs, S. 50 Fn. 2; Lenel, EP, S. 26 Fn. 4, in Pal. 1 Sp. 994 Fn. 2, schlägt er allerdings die recuperatores vor; eine andere, zu Recht vereinzelt gebliebene Ansicht, vertritt Bozza, Centumviri, S.  60: sie bezieht den Text auf die septemviri, es gibt aber keinerlei Quellen, die diese Zuständigkeit belegen. 106  Bongert, Recherches, S. 196; Marrone, Efficacia, S. 30; auch Kübler, Art. decemviri, RE 4, 2, Sp.  2264, geht davon aus, dass in D.  42, 1, 36 und 38 pr. mit iudices die recuperatores bezeichnet werden; Wenger, Art. reciperatio, RE 1 A, 1, Sp.  430. 107  Franciosi, Il processo, S.  97; Nicolau, Causa liberalis, S.  45. 108  Bongert, Recherches, S.  195. 109  Bongert, Recherches, S.  195. 110  Lenel, Pal. 1, Sp.  994 Fn.  3: recuperatores. 111  Der Florentinus liest in de, Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  715 Fn.  1; Mommsen, Digesta 2, Anm. Z.  39, S.  541. 112  Kaser / Hackl, RZ, §  19 S.  121. 103  Kaser / Hackl,



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den, unabhängig davon, ob der adsertor libertatis als Kläger oder als Beklagter auftritt. Ist der Fall so unklar, dass sich keine Mehrheit der Richter für Sklaverei oder Freiheit ausspricht, dann ist die Freiheit zu bevorzugen. Es handelt sich um einen weiteren Anwendungsfall des favor libertatis113. Gestützt wird diese Aussage auf eine kaiserliche Konstitution von Antoninus Pius. Dieselbe Aussage wird später von Hermogenian wiederholt114: Hermog. D.  40, 12, 24 pr. (1 iur epit.) Lege Iunia Petronia115, si dissonantes pares iudicum existant sententiae, pro libertate pronuntiari iussum.

In den Digesten ist der Text unter de manumissionibus zu finden ist. Lenel116 ordnet ihn dagegen bei den allgemeinen Statusfragen ein. Welche Richtermehrheit gemeint ist, lässt sich beiden Texten nicht entnehmen117. Der sichere Bezug zu den centumviri118 ist jedenfalls zu verneinen. Das Argument, dass nur bei den centumviri Stimmengleichheit auftreten könne119, weil diese nach der augusteischen Reform auf 180 Personen aufgestockt wurden120, lässt sich leicht entkräften. Jeder Richter, auch jedes Mitglied der Gerichtshöfe, kann sich der Entscheidung durch den Eid entziehen, dass ihm der Streifall nicht bis zur Entscheidungsreife klar geworden ist121. Dies gilt auch für Freiheitsprozesse122, wie sich in der folgenden Quelle zei113  Castello, St. Volterra 5, S. 835; Zum favor libertatis allgemein vgl. Huchthausen, Philologus 120, 1 (1976), 47–72. Es handelt sich nicht um einen juristischen Fachbegriff, sondern um ein Schlagwort, das auch in politischem Kontext zu finden ist, Huchthausen, ebd., S.  69; Castello, Sodalitas 5, S.  2175–2189; Ankum, Unfreie Arbeits- und Lebensverhältnisse, S.  82–100. Ders., Sklaverei und Freilassung, S.  1–17; ders., Liber amicorum Juan Miquel, S.  45–78. Der Gedanke, dass es schlimmer ist, einen freien Menschen zu versklaven als einen Sklaven zum Freien zu erklären ist als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch den Griechen bekannt: Arist. Problemata 29, 12, 915 b: δεινὸν γὰρ καὶ τὸ tοῦ δούλου ὠς ἐλεύθερός ἐστι καταγνῶναι πολὺ δὲ δεινότερον, ὂταν τις τοῦ ἐλευθέρου ὠς δούλου καταψηφίσηται. 114  Zur Rekonstruktion der Quellen Hermogenians: Liebs, Hermongenians iuris epitomae, S. 55, der zu dem Ergebnis kommt, dass nicht sicher geklärt werden kann, ob Paul. D.  42, 1, 38 pr. (17 ad ed.) Grundlage war. 115  Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  659 Fn.  10, Mommsen, Digesta 2, Anm. Z.  36, S.  424: Der Codex Florentinus liest patronia. 116  Lenel, Pal. 1, Sp.  166. 117  Castello, St. Volterra 5, S.  831. 118  Wlassak, Art. centumviri, RE 3, 2, Sp.  1948; ders., Judikationsbefehl, S.  199; Lenel, EP, S.  26 Fn. 4. 119  Franciosi, Il processo, S.  95. 120  Voigt, St. Fadda, S.  157. 121  Kaser / Hackl, RZ; §  19, S.  121. 122  Paul. D.  42, 1, 36 (17 ad ed.).

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

gen wird. Stimmengleichheit ist somit auch bei den recuperatores ohne weiteres möglich. Zudem entscheiden auch die centumviri nicht immer in gerader Zahl, sie sind in vier hastae unterteilt, die je 45 Mitglieder haben123. Wie bei den recuperatores ist deshalb bei vielen Entscheidungen nur dann Stimmengleichheit möglich, wenn sich ein Richter enthält124 (sibi non liquere). Hermogenian stützt diese Regelung auf die Lex Iunia Petronia, die wahrscheinlich 19 v. Chr.125 ergangen ist und nicht auf ein kaiserliches Reskript. Lenel126 ist deshalb der Ansicht, dass sich nicht beide Texte (D.  40, 1, 24 pr. und D.  42, 1, 38 pr.) auf die centumviri beziehen können, ein kaiser­ liches Reskript sei wegen der Lex Iunia überflüssig gewesen. Dieses Argument würde dann auch gegen die recuperatores als zuständiges Richtergremium in beiden Texten sprechen. Eine andere Erklärung hat Cuq127: Die Lex Iunia gelte nicht für die centumviri, weil sie die recuperatores als zuständige Richter ersetzen, für diese habe die Regelung zur Stimmgleichheit Anwendung gefunden. Kaiser Antoninus Pius habe diesen Anwendungsbereich auf die centumviri ausgedehnt, die neben den recuperatores ebenfalls für Freiheitsprozesse zuständig gewesen seien. Damit würde man die doppelte Regelung erklären, Voraussetzung wäre aber die Zuständigkeit der centumviri. Der Text kann eine solche nicht zugleich belegen. Den Beweis dieser Zuständigkeit bleibt Cuq128 schuldig. Ebenso gut wie eine kaiserliche Erweiterung der Lex Iunia ist aber möglich, dass Antoninus Pius als Antwort auf eine Einzelfallanfrage die Aussage der Lex Iunia Petronia wiederholt129, um dieser Lex zu mehr Durchsetzungskraft zu verhelfen130. Der Epiklassiker131 Hermogenian beruft sich dann wieder auf die Lex Iunia. Vielleicht kennt er das Reskript von Antoninus Pius nicht, vielleicht ist ihm die Lex Iunia Petronia auch vertrauter. Sein Werk, die iuris epito123  Plin.

ep. 6, 33, 2; Bozza, Centumviri, S. 62; Nörr, HIA 3, 2255 Fn. 87 m. w. N. Stimmenthaltung des Richters s. Nörr, Filellenismo e tradizionalismo a Roma nei primi due secoli dell imperio (Roma 27–28. Aprile 1995), S. 33–56. 125  Kaser / Hackl, RZ, §  19, S.  121 Fn.  7, Franciosi, Il processo, S.  94 m. w. N.; Cuq, Les Institutions 2, S.  141, Fn.  4 sowie Wlassak, Art. centumviri, RE 3, 2, Sp.  1948 gehen von 19 n. Chr. aus; vgl. Rotondi, Leges publicae populi romani, S.  464. 126  Lenel, EP, S.  26 Fn.  4. 127  Cuq, Les institutions 2, S.  141 Fn.  4. 128  Cuq, Les institutions 2, S.  141 Fn.  4, führt Quint. inst. or. 5, 2, 1; 11, 1, 78 an, vgl. dazu ff). 129  Marrone, Efficacia, S.  29 Fn.  20; Wlassak, Judikationsbefehl, S.  199, weist zu Recht darauf hin, dass es zweifelhaft ist, ob das rescriptum divi Pii und die Lex Iunia Petronia wirklich übereinstimmen. 130  Castello, St. Volterra 5, S.  835. 131  Liebs, Hermogenians Epitome Iuris, S.  21. 124  Zur



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mae besteht aus Auszügen des klassischen Rechts und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dass Leges bis zu Justinian Anwendung fanden, zeigt die Lex Iunia Norbana132, die für Freigelassene den Status der beschränkten Rechtsfähigkeit als Latini Iuniani festlegt. Diese Lex, die Justinian aufhebt133, wird in den justinianischen Institutionen und im Codex mehrfach erwähnt134. Dass die Aussage zum favor libertatis135 bei Stimmengleichheit sowohl durch eine Lex als auch durch ein kaiserliches Reskript getroffen wurde, kann die Zuständigkeit von zwei unterschiedlichen Richterkollegien nicht belegen. Der Text muss sich damit nicht zwangsläufig mit den centumviri136 befassen, genauso könnten die recuperatores137 das urteilende Gremium sein. Ein Indiz, das auf die recuperatores hinweist, führen Bongert138 und Nicolau139 an: Wie in D.  42, 1, 36 gehe es in D.  42, 1, 38 um eine sententia, ein Urteil. Deshalb könne es sich nur um die recuperatores als Richterkollegium handeln, eine condemnatio könnten nur diese vornehmen140. Fran­ ciosi141 hält dieses Argument nicht für plausibel, es gäbe keine Spur einer condemnatio. Richtig ist, dass die Vokabel condemnare in diesem Zusammenhang nicht auftaucht, um eine Verurteilung geht es aber trotzdem, schließlich ergeht in beiden Quellen eine sententia. Einen solchen Richterspruch konnten auch die centumviri erlassen, sie hatten zu entscheiden, wessen sacramentum für iustum erklärt werden sollte142. Eine Entscheidung pro libertate, wie sie in D. 42, 1, 38 pr. aufgeführt ist, konnte aber von den centumviri nicht direkt getroffen werden. In D. 42, 1, 38 urteilten daher die 132  Cuq, Les Institutions 2, S. 141 Fn.  4, sieht zwischen der Lex Iunia Petronia und der Lex Iunia Norbana einen engen Zusammenhang. Letztere sei zuerst ergangen und durch die Lex Iunia Petronia 19 n. Chr. ergänzt worden; wahrscheinlicher ist es, dass die Lex Iunia Petronia 19 v. Chr. erging, s. Rotondi, Leges publicae populi Romani, S.  464 und die Lex Iunia Norbana 19 n. Chr; s. dazu auch: Gai. 1, 23; 1, 167; 2, 275; 3, 57; 3, 70. 133  Just. C.  7, 6, 1, 1a; Just. C.  7, 6, 1, 12 a (a. 531), Inst. 3, 7, 4. 134  Inst. 1, 5, 3; Inst. 3, 7, 4. 135  Castello, St. Volterra 5, S.  835. 136  Lenel, EP, S.  26 Fn.  4; Martin, Le tribunal des centumvirs, S.  50 Fn.  2; Cuq, Les institutions 2, S.  141 Fn.  4. 137  Marrone, Efficacia, S.  30. 138  Bongert, Recherches, S.  196. 139  Nicolau, Causa liberalis, S.  45, zu Paul. D.  42, 1, 38 pr. (17 ad ed.). 140  Wlassak, Art. centumviri, RE 3, 2, Sp.  1949: „Das vom Vorsitzenden verkündigte Urteil, das bloß feststellt, niemals condemniert  …“ 141  Franciosi, Il processo, S.  98. 142  Anderer Ansicht ist Wlassak, Art. centumviri, RE 3, 2, Sp.  1949, seiner Meinung nach gehen die centumviri immer auf den eigentlichen Streitpunkt ein und treffen nur eine Nebenentscheidung über das sacramntum.

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recuperatores. Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs143, handelt wohl auch D.  42, 1, 36 von den recuperatores. D.  42, 1, 38 pr. behandelt gerade den von D.  42, 1, 36 geregelten Fall, dass ein Richter sich der Stimme durch Eid enthält und es deshalb zu Stimmengleichheit kommt. cc) Paul. D.  4, 8, 32, 7 (13 ad ed.) De liberali causa compromisso facto recte non compelletur arbiter sententiam dicere, quia favor libertatis est, ut maiores iudices144 habere debeat145. eadem dicenda sunt, sive de ingenuitate sive de libertinitate quaestio sit et si ex fideicommissi causa libertas deberi dicatur. idem dicendum est in populari actione.

Der Text von Paulus stammt aus dem 13. Buch des Ediktskommentars. Im ursprünglichen Werk146 sowie in den Digesten ist er im Titel über die Schiedsgerichtsbarkeit eingeordnet147. Es geht um die Frage, inwiefern ein Schiedsspruch zu ergehen hat. Die Verbindlichkeit eines solchen compromissum wird verneint, aufgrund des favor libertatis habe der vermeinliche Sklave das Recht, dass über die Sache von „maiores iudices“ entschieden werden solle. Dasselbe solle auch für Libertinitäts- und Ingenuitätsprozesse sowie für die fideikommissarische Freiheit und actiones populares gelten. Welches Richterkollegium ist aber mit maiores iudices gemeint? Im Kognitionsverfahren werden die Richter der zweiten Instanz so bezeichnet148. Paulus kommentiert an dieser Stelle aber das Edikt und damit den Formularprozess, in dem eine Berufung grundsätzlich nicht möglich ist. Zudem sind die maiores iudices dem arbiter ex compromisso gegenübergestellt, der von den Parteien bestimmt wurde149 und nur erstinstanzlich entscheidet. Es geht um die im Verhältnis zum Schiedsrichter höherstehenden Richter, gleichgültig ob Einzelrichter oder Richterkollegium150. Die Kompetenz in Freiheitssachen ist dem Schiedsrichter aufgrund der besonderen Bedeutung 143  Lenel,

Pal 1, Sp.  994, Nr. 266 und 267. Pal 1, Sp.  990, Fn.  3: maiores magistratus. 145  Franciosi, Il processo, S.  101, hält „quia … debeat“ für interpoliert; Nicolau, Causa liberalis, S.  44, hält den Teil für eine Glosse, die versehentlich in den Text geraten ist. Für die uns interessierende Frage, welche Richter mit maiores iudices gemeint sind, spielt dieser Punkt keine Rolle. 146  Lenel, Pal. 1, Sp.  990, Nr. 251. 147  D.  4, 8: De receptis: qui arbitrium receperint ut sententiam dicant. 148  So beispielsweise von Ulpian in D.  49, 1, 1, 3 (1 appellat.); Iust. C.  3, 1, 13, 3 (a. 530). 149  Wlassak, Art. arbiter, RE 2, 1, Sp.  408. 150  Marrone, Efficacia, S.  31. 144  Lenel,



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entzogen151. Er kann also nicht von den Parteien zu einer Entscheidung gezwungen werden. Mit maiores iudices könnten die centumviri152 als zuständiger Gerichtshof für Rechtsstreitigkeiten von großer Bedeutung gemeint sein oder die recuperatores153. Consules154, praesides provinciae155 oder allgemein die zuständigen Magistrate156 können dagegen nicht gemeint sein, weil der Text aus dem Ediktskommentar stammt und sich daher nicht mit der cognitio extra ordinem157 befasst. Entscheidet der arbiter trotzdem über die Statusfrage, dann können die Parteien den Prozess nochmals vor den zuständigen Richtern führen; der Schiedsspruch führt nicht dazu, dass sich die Parteien (im Freiheitsprozess: der obsiegende adsertor158) auf die res iudicata – Einrede berufen konnten159. Sonderregelungen für den Freiheitsprozess sind den überlieferten Quellen nicht zu entnehmen. dd) Iul. D.  40, 12, 30 (5 ex Minicio) Duobus petentibus hominem in servitutem pro parte dimidia separatim, si uno iudicio liber, altero servus iudicatus est, commodissimum est eo usque cogi iudices, donec consentiant: si id non continget, Sabinum refertur existimasse duci servum debere ab eo qui vicisset: cuius sententiae Cassius quoque est et ego sum. et sane ridiculum est arbitrari eum pro parte dimidia duci, pro parte libertatem eius tueri. commodius autem est favore libertatis liberum quidem eum esse, compelli autem pretii sui partem viri boni arbitratu victori suo praestare.

Der vorliegende Text stammt aus der Zusamenfassung des Schulbuchs von Minicius160. Im ursprünglichen Werk161 und in den Digesten findet sich das Fragment unter dem Titel de liberali causa. 151  Franciosi,

Il processo, S.  100. Le tribunal des centumvirs, S.  50 Fn.  2. 153  Franciosi, Il processo, S.  101. 154  Lenel; EP, S.  26 Fn.  4. 155  Buckland, Slavery, S.  657; Bongert, Recherches, S.  195; Nicolau, Causa liberalis, S.  44; sicher belegt ist die Zuständigkeit der Provinzstatthalter nach der dio­ kletianischen Reform: s. Diocl. / Maxim. C.  7, 14, 9, 1 (Jahr unbekannt); Diocl. /  Maxim. C.  7, 16, 11 (a. 293); Diocl. /  Maxim. C.  7, 16, 15 (a. 293). 156  So aber Lenel, Pal. 1, Sp.  990, Fn.  3: magistratus maiores. 157  So Franciosi, Il processo, S.  101, der allerdings auch die recuperatores zur cognitio extra ordinem rechnet. 158  Zu den Urteilswirkungen vgl. Zweiter Teil, Abschnitt 4, D. 159  Wlassak, Art. arbiter, Sp.  408. 160  Liebs, HLL 4, §  414, S.  103. 161  Lenel, Pal 1, Sp.  489, Nr. 875. 152  Martin,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Gegenstand des Textes ist die Frage, was geschehen soll, wenn zwei (vermeintliche) Miteigentümer das Eigentum an einem Sklaven geltend machen und widersprüchliche Entscheidungen ergehen. Da im römischen Recht ein Mensch nicht teils frei und teils Sklave sein kann162, ist eine Lösung dieses Problems erforderlich. Auch hier wird wieder von iudices gesprochen, ohne die Richter genauer zu benennen. Der ganze Text ist Gegenstand vieler Interpolationsvermutungen, so werden der Satzteil commodissium – continget163, sowie auch der letzte Absatz commodius – praestare als interpoliert verdächtigt164. Grund für die Interpolationsannahme ist die klassische Rechtslage im ordentlichen Rechtsweg: die Richter, ob iudex oder recuperatores, hören mit dem Urteil auf, Richter zu sein165. Nach dem geltenden Recht war es daher gar nicht denkbar, die Richter wieder zusammenzurufen, um ein einheit­ liches Urteil zu fällen. Zu Justinians Zeiten galt dagegen für alle Verfahren der Kognitionsprozess, es war ohne weiteres möglich, das bereits ergangene Urteil abzuändern166. Folgt man dieser Ansicht, dass der relevante Satzteil commodissimum est eo usque cogi iudices, donec consentiant: si id non continget interpoliert ist, so hätte der julianische Text für uns keinerlei Beweiskraft. Auch wenn man keine Textveränderungen animmt, hat der Text für die Frage nach dem zuständigen Kollegium keine Relevanz. Nach Ansicht einiger Autoren ist die Lösung, die Stelle als Beleg für die Kompetenz der centumviri167 zu deuten. Die centumviri sind im Gegensatz zu den iudices und recuperatores ein ständiger Gerichtshof. Ergingen in zwei Abteilungen (hastae) divergierende Entscheidungen, so sollen die unterschiedlichen Ansichten in Einklang gebracht werden. Dagegen spricht allerdings Ulp. D. 5, 2, 24168 (48 ad Sab.), der sich mit einer querella inofficiosi testamenti beschäftigt, einem Fall, der vor die centumviri gehört. In diesem Text geht es um widersprüchliche Entscheidungen zu ein und demselben Erbfall. Ulpian lässt offen, wie ein solcher Fall zu lösen ist. Er stellt nur fest, dass 162  Gai.

D.  40, 12, 9, 2 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.). Il processo, S. 103, vgl. Fn. 77 m. w. N.; Marrone, Efficacia, S. 314 Fn.  587; Nicolau, Causa liberalis, S.  47; vorsichtig: Buckland, Slavery, S.  671. 164  Franciosi, Il processo, S.  102, vgl. Fn.  73 m. w. N.; Marrone, Efficacia, S.  315; Nicolau, Causa liberalis, S.  46; Buckland, Slavery, S.  671; a. A. ist Lenel, Pal 1, Sp.  489 Fn.  1. 165  Für den iudex s. Ulp. D. 42, 1, 55 (51 ad Sab.); Franciosi, Il processo, S. 104, Marrone, Efficacia, S.  314 Fn.  587. 166  Franciosi, Il processo, S.  104. 167  Nicolau, Causa liberalis, S.  48; Martin, Le tribunal des centumvirs, S.  50 Fn.  2; Wlassak, Judikationsbefehl, S.  196, Fn.  28; Wlassak, Art. centumviri, RE 3, 2, Sp.  1949. 168  s. a. Marcell. D.  5, 2, 10 pr. (3 dig.). 163  Franciosi,



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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zwei Entscheidungen in der Welt sind, die einen widersprüchlichen Inhalt haben (…, pro parte testatus, pro parte intestatus decessisse videbitur). Wäre es in einem solchen Fall üblich gewesen, dass die Richter nochmals tagten, um ein einheitliches Urteil zu treffen, so hätte Ulpian das an dieser Stelle geschrieben. D. 40, 12, 30 ist deshalb kein Beweis für die Zuständigkeit der centumviri im Freiheitsprozess. Während es im ordentlichen Rechtsweg nicht möglich war, eine erneute Entscheidung zu fordern, waren die Urteile, die in der cognitio extra ordinem erlassen wurden, angreifbar. D.  40, 12, 30 könnte sich deshalb auch mit diesem Rechtsweg auseinandersetzen, in dem die Magistrate entschieden169. Zu Julians Zeit war das außerordentliche Kognitionsverfahren im Freiheitsprozess schon ausgeprägt, so dass es gut möglich scheint, dass er anfangs die geltende Meinung wiedergibt, dann auf die Meinung des Sabinus eingeht und diese nochmals kommentiert170. Unabhängig von einer justinianischen Textveränderung, lässt sich dem Text keine Aussage zum zuständigen Organ entnehmen. ee) Quintilian, inst. or. 5, 2, 1 und 11, 1, 78 Nicolau171 versucht die Zuständigkeit der centumviri mit zwei Texten Quintilians zu belegen, in denen es um eine secunda adsertio geht172. Beide Texte belegen aber nicht die Zuständigkeit der centumviri173, sondern es geht um ein erneutes Urteil in derselben Sache. Dies könne passieren, wenn es um die Freiheit ging (secunda adsertio) oder wenn zwei Kammern des Zentumviralgerichts damit befasst waren174. ff) Fazit zur Zuständigkeit der centumviri Abschließend lässt sich festhalten, dass keine der erörterten Digestentexte die Zuständigkeit der centumviri im klassischen Freiheitsprozess belegen 169  Franciosi, Il processo, S.  103: „La regola ivi enunciata, infatti, può riferirsi solo ai magitrati della cognitio extra ordinem.“; auf S.  104 sagt er allerdings, dass der Text nicht klassisch sein könne. 170  Ausführlich zu D.  40, 12, 30: Zweiter Teil, Abschnitt 4, D. II. 171  Nicolau, Causa liberalis, S.  48; s. Cuq, Les institutions 2, S.  141 Fn.  4. 172  Quint. inst. or. 5, 2, 1: (…) aut cum de eadem causa pronuntiatum est, ut in reis deportatis et adsertione secunda et partibus centumviralium, quae in duas hastas divisae sunt; Quint. inst. or. 11, 1, 78: etiam, si apud alios iudices agetur ut in secunda adsertione aut in centumviralibus iudiciis duplicibus. 173  So auch Franciosi, Il processo, S.  104. 174  Ablehnend auch Franciosi, Il processo, S.  105.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

kann. Auch literarische Quellen fehlen. Eine Zuständigkeit der centumviri im Freiheitsprozess ist daher abzulehnen. Die historische Entwicklung unterstützt dieses Ergebnis zusätzlich: Die decemviri stlitibus iudicandis werden von Augustus als selbständiger Gerichtshof abgeschafft und haben anstelle der Quästoren den Vorsitz in den Ausschüssen der centumviri inne. Es gibt keinen Grund dafür, dass sie weiterhin für Freiheitssachen zuständig waren, wenn sie ansonsten stark an Bedeutung verloren hatten. Es gibt weder Belege noch Gründe, warum neben den originär von den centumviri zu entscheidenen Sachen nun plötzlich der Freiheitsprozess in deren Kompetenz fallen soll. Naheliegender ist, dass der Freiheitsprozess, wie die meisten anderen Klagen, im moderneren Formularprozess verhandelt wurde. Die Zuständigkeit der recuperatores entwickelte sich im Honorarrecht175 für Prozesse unter Peregrinen176. Diesen Prozess nutzten verstärkt auch die cives Romani. Schon deshalb ist unwahrscheinlich, dass die centumviri je über Freiheitsprozesse urteilten. b) Zuständigkeit der recuperatores Nachdem die untersuchten Digestentexte teilweise177 auf eine Kompetenz der recuperatores im Freiheitsprozess hindeuten, diese aber nicht eindeutig beweisen, sollen literarische Quellen und eine Inschrift zur Frage der Zuständigkeit der recuperatores herangezogen werden. Ein Beleg könnte eine Rede des Kaisers Claudius178 sein, die eine Gerichtsreform zum Inhalt hat. Zudem berichtet Sueton179 von der Zuständigkeit der recuperatores im Freiheitsprozess180. aa) BGU 611181

Col I



grave videtur quinque decuriis iniungi.



[Illud] certe facite ut caueatis, ne quis 175  Kaser,

RP 1, §  67, S 289; Lenel, EP, S.  378. Zweiter Teil, Abschnitt 1, A. V. 177  Hermog. D.  40, 1, 24 pr.; Paul. D.  42, 1, 36 und 38 pr. (17 ad ed.). 178  BGU 611. 179  Suet. Vesp. 3, Dom. 8, 1. 180  Nörr, HIA 3, 2112; ders., HIA 3, S.  2180; ders., HIA 3, S.  2254. 181  Der Text entspricht Stroux, Eine Gerichtsreform, S.  86, alle nicht vollständig gesicherten Worte sind im Ganzen geklammert, auf S. 8 f. befindet sich der Text mit kritischem Apparat; Fliniaux, RHDFE 10 (1931), 509–519; von Woess, SZ 51 (1931), 336–368. 176  s. o.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit



[qui est] quattuor et uiginti annorum reciperator



[detur]. neque enim inicum est, ut puto, hos

5

[caussas] seruitutis libertatisque iudicare,



[qui ad] res suas agendas nihil legis Laetoriae



[utantur] auxilio



… puto, patres conscripti, saepe quidem et alias sed hoc



[maxime] tempore anima aduertisse me mirificas

10

[agentium] artes qui subscripto iudicium cum

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Die auf einem Papyrus leider nicht vollständig überlieferte Rede enthält Teile einer Gerichtsreform von Kaiser Claudius182, die die Provinz Ägpyten betrifft. Wann diese Rede gehalten wurde, ist nicht überliefert. Claudius handelt in seiner Eigenschaft als Konsul, der mögliche Entstehungszeitraum wird hierdurch auf die Jahre 42, 43183, und 47184 n. Chr. eingegrenzt. Insgesamt finden sich in den Fragmenten der Rede drei erkennbare Änderungvorschläge: Der erste, hier abgedruckte, beschäftigt sich mit der Herabsetzung des Mindestalters für recuperatores, der zweite dient der Verhinderung der Prozessverschleppung und bestraft die Richter, die eine solche zulassen, mit dem Verlust der Ferien und der dritte soll die Tyrannei der Ankläger brechen185. Der erste Vorschlag trifft indirekt eine Aussage zur Zuständigkeit der recuperatores im Freiheitsprozess. Claudius senkt das Mindestalter für die Zulassung zum Richteramt von 25 Jahren auf 24 Jahre186. Diesen Vorschlag schränkt er aber zugleich ein: Dies solle nicht für die recuperatores gelten, die bei Freiheitsprozessen Recht sprechen (caussas servitutis libertatisque 182  Zur Begründung, weshalb nur Claudius der Verfasser sein kann, s. von Woess, SZ 51 (1931), 343; Stroux, Eine Gerichtsreform, S.  80–84. 183  von Woess, SZ 51 (1931), 345 schwankt zwischen 42 und 43 n. Chr.; s. a. Fliniaux, RHDFE 10 (1931), 519. 184  Stroux, Eine Gerichtsreform, S. 39, weil 47 n. Chr. das Reformjahr des Kaisers war. 185  von Woess, SZ 51 (1931), 340. 186  von Woess, SZ 51 (1931), 340; Fliniaux, RHDFE 10 (1931) S.  513; Wenger, SZ 55 (1935), 427; Kaser / Hackl, RZ, §  26 S.  194, hält die Herabsetzung des Richteralters auf 24 Jahre dagegen für fragwürdig. Sicher belegt ist, dass Augustus das Mindestalter für Listenrichter von 30 Jahren auf 25 Jahre herabsetzte; s.dazu Col. 1, Z.  16 / 17 der Inschrift auf dem Marktplatz von Kyrene, s. Stroux / Wenger, Die Augustusinschrift auf dem Marktplatz von Kyrene, München 1928, S.  8: μηδεὒνα νεᾳὒτερον πεὒντε καιὒ εικοσι εῲτᾳνϑ μνὒτε ῏Ρᾳμαιϑον μηὒτε ΅υΕγγνα. Vgl. Stroux / Wenger, Die Augustusinschrift auf dem Marktplatz von Kyrene, S.  99–101 und Lex Irn. Kap.  86, Z.  51: non minores quam XXV annorum; Kaser / Hackl, RZ, §  26, S.  194 Fn.  19 m. w. N.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

iudicare). Als Begründung führt er an, dass diejenigen, die bis zum Alter von 25 Jahren187 unter die Lex Plaetoria (oder Laetoria)188 fallen und deshalb nicht zur Beurteilung eigener Angelegenheiten reif seien, nicht über die Freiheit urteilen dürfen189. Dass Claudius selbstverständlich von einer Zuständigkeit der recuperatores in beiden Fällen des Freiheitsprozesses ausgeht190, sowohl für die vindicatio in servitutem als auch die vindicatio in libertatem, belegt die Zuständigkeit der recuperatores für die Provinz Ägypten. Es stellt sich die Frage, inwiefern dieser Beleg Aussagekraft für den Freiheitsprozess in Rom hat. In Rom und den Provinzen galten nicht dieselben Regelungen für den Einsatz von recuperatores. Während in Rom den recuperatores bestimmte Verfahren vorbehalten waren und der iudex unus regelmäßig zuständig war, scheinen die recuperatores in den Provinzen häufiger zu urteilen191. Ob Einzelrichter oder Geschworene urteilen, liegt im Ermessen des Statthalters. Aus dem Text selbst ergibt sich nicht, ob Claudius stadtrömisches Recht zugrundelegt oder die örtlichen Gepflogenheiten. BGU 611 kann deshalb nur als Indiz für die Zuständigkeit der recuperatores im stadtrömischen Prozess herangezogen werden192. 187  Stroux,

Eine Gerichtsreform, S.  39. RP 1, §  65, S.  276. 189  von Woess, SZ 51 (1931), 340; Stroux, Eine Gerichtsreform, S.  33. 190  Anderer Ansicht ist La Rosa, Labeo 4 (1958), 22, sie ist der Ansicht, dass Claudius den recuperatores diese Zuständigkeit neu zuteilt. Auf S.  23 führt sie aus, dass vorher ein consilium bestehend aus quinque senatores et quinque equites (vgl. Gai. 1, 20) zuständig gewesen sei. Diese Ansicht ist aber mit Recht vereinzelt geblieben, kann sie doch nicht die Lücke zwischen der Beseitigung der decemviri durch die Lex Iulia iudicaria (17 v. Chr.) und der Einführung dieser zehn iudices durch die Lex Aelia Sentia (4. v. Chr.) erklären. S. dazu Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  89; Franciosi, Il processo, S.  111. 191  Kaser / Hackl, RZ, §  26, S.  200; Die Regelungen der Lex Irnitana legen nahe, dass sich zumindest in der Provinz Andalusia das Verhältnis zwischen recuperatores und iudex unus umkehrte; Kap.  89 enthält zwar nur die Wertgrenze in Höhe von 1000 Sesterzen und einen Verweis auf Rom: neque ea de qua, si Romae agitur, …, reciperatores dari opportet; bei der Frage nach der Einsetzung des iudex gibt aber Kap. 86 eine interessante Auskunft, ein iudex müsse immer dann eingesetzt werden, wenn „recuperatores dari non oportebit“. In den Fällen, in denen es sich nicht gehörte, recuperatores einzusetzen, solle man einen Einzelrichter bestimmen. Dies spricht dafür, dass die Verhandlung vor recuperatores eher die Regel als die Ausnahme bildete. S. dazu Rodger, JRS 81 (1991), 87. 192  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  86; Franciosi, Il processo, S.  92; Bongert, Recherches, S.  192; Wenger, SZ 55 (1935), 428; Nicolau, Causa liberalis, S.  59; Stroux, Eine Gerichtsreform, S.  33; Lenel, EP, S.  27. Anderer Ansicht ist Fuenteseca, Scritti Impallomeni, S.  230, der davon ausgeht, dass die recuperatores nur in den Provinzen zuständig waren. 188  Kaser,



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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bb) Suet. Vesp. 3 Inter haec Flaviam Domitillam duxit uxorem, Statili Capellae equitis R. Sabratensis ex Africa delicatam olim Latinaeque condicionis, sed mox ingenuam et civem Romanam reciperatorio iudicio pronuntiatam, patre asserente Flavio Liberale Ferenti genito nec quicquam amplius quam quaestorio scriba. (…).

Sueton schildert, wie Vespasian seine Frau, eine gebürtige Latinerin, einbürgert. Trotz der Verwendung des Partizips „asserente“ ist fraglich, ob diese Stelle eine Kompetenz der recuperatores im Freiheitsprozess193 belegen kann. Flavia Domitilla war schließlich keine Sklavin, die zur römischen Bürgerin erklärt wurde. Sie war eine Latinerin, die man zur freigeborenen Römerin machte. Grundsätzlich war für einen solchen Ingenuitätsprozess kein adsertor notwendig. Dass ihr Vater dennoch für ihre Ingenuität eintrat (patre asserente) lässt sich damit erklären, dass sie unter seiner potestas stand, weshalb er rechtlich für sie handeln musste194. Auch für den Fall der Gewaltfreiheit wäre ein Vertreter notwendig gewesen, weil sie als Frau regelmäßig nicht parteifähig war195. Für diesen Prozess gilt vom Zeitpunkt der Entstehung an das Honorarrecht, das genau für den Fall entwickelt wurde, dass Römer und Nichtrömer aufeinandertreffen196. Es handelt sich nicht um einen Freiheitsprozess, sondern um einen Ingenuitätsprozess197. Aufgrund der engen Verwandtschaft zwischen dem Freiheitsprozess einerseits und dem Libertinitäts- und Ingenuitätsprozess andererseits, kann diese Stelle zumindest als Indiz für die Zuständigkeit der recuperatores herangezogen werden. cc) Suet. Dom. 8, 1 Ius diligenter et industrie dixit, plerumque et in foro pro tribunali extra ordinem; ambitiosas centumvirorum sententias rescidit; reciperatores, ne se perfusoriis assertionibus accomodarent, identidem admonuit; nummarios iudices cum suo quemque consilio notavit. 193  So Franciosi, Il processo, S.  90; La Rosa, Labeo 4 (1958), 19; ablehnend: Fuenteseca, Scritti Impallomeni, S.  230. 194  Russo, St. Franciosi 4, S.  2375; Gai. 2, 96; Kaser, RP 1, §  82, S.  343; Kaser / Hackl, RZ, §  28, S.  205. 195  Ulp. D.  50, 17, 2 pr. (1 ad Sab.); Kaser / Hackl, §  28, S.  207. 196  Kaser, RP 1, §  67, S.  289. 197  Litewski, Archivum Iuridicium Cracoviense, S.  86; Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  90; Nicolau, Causa liberalis, S.  53: Er versucht zusätzlich mit dem Text zu belegen, dass sowohl bei einem Freiheitsprozess als auch bei Ingenuitäts- und Libertinitätsprozessen immer auch die civitas Gegenstand war.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Sueton beschreibt die Gerichtstätigkeit Domitians: Er hielt selbst außerordentliche Sitzungen ab und hob „ambitiosas sententias“ der centumviri auf. Zudem ermahnte er die recuperatores, dass sie assertiones, die unter Falschangaben eingereicht wurden, nicht annehmen sollen. Während das Verb adserere auch im Bezug auf Ingenuitäts- und Libertinitätsprozesse verwendet wird198, wird „adsertio“ bei den Statusprozessen ausschließlich für den Freiheitsprozess199 verwendet. In den Fällen, in denen „adsertio“ nicht mit dem Freiheitsprozess zusammenhängt, steht das Substantiv als Synonym für affirmatio, confirmatio, declaratio, defensio200. Da nur beim Freiheitsprozess die Unterstützung des vermeintlichen Sklaven durch den adsertor libertatis unabdingbare Voraussetzung ist, um den Prozess zu führen, muss es an dieser Stelle um die causa liberalis gehen. Domitian ermahnt also die recuperatores, sich nicht von den adsertores libertatis täuschen zu lassen, die irreführende Angaben machen, um einen Prozess zu erzwingen. Auch dieser Text belegt die regelmäßige Zuständigkeit201 der recuperatores im Freiheitsprozess202. Gleichzeitig weist er auf einen möglichen Missbrauch der causae liberales hin, der wohl den Zweck hat, die Schranken des Freilassungsrechts zu umgehen203. Im klassischen Rom urteilten recuperatores über den Freiheitsprozess. c) Zuständigkeit des iudex unus Neben den recuperatores gibt es im Formularprozess auch die Möglichkeit, einen Einzelrichter, den sogenannten iudex unus, einzusetzen. Wie die Zuständigkeiten der beiden Rechtsprechungsorgane voneinander abzugrenzen sind, ergibt sich nicht eindeutig aus den überlieferten Texten. Unklar ist deshalb auch, ob der iudex unus über causae liberales entschied. Bis zur augusteischen Reform war die Kompetenz im Freiheitsprozess zwischen decemviri stlitibus iudicandis und recuperatores aufgeteilt. Für eine Zuständigkeit des iudex unus gibt es keine Hinweise204. Für die klas198  Suet.

Aug. 74; Vesp. 3; Saturn. D.  40, 14, 2, 1 (1 de off. proc.). 2, sv assertio I., Sp.  868; Bongert, Recherches, S.  193. 200  THLL 2, sv assertio II., Sp.  869. 201  Lenel, EP, S.  26. 202  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  87; Franciosi, Il processo, S.  90; Bongert, Recherches, S.  193; Nicolau, Causa liberalis, S.  56. 203  Kaser, RP 1, §  67, S.  289; zur collusio s. Abschnitt 3, B. II. 2. 204  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  88; Franciosi, Labeo 9 (1963), S.  192; ders., Il processo, S.  38. 199  THLL



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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sische Zeit sollen einige Texte in den Digesten205 zeigen, dass nach der augusteischen Reform neben den recuperatores auch der iudex unus im Formularprozess für Freiheitsprozesse zuständig war. aa) Ulp. D.  40, 12, 8, 1–2 (55 ad ed.) 1  Si plures sibi dominium servi vindicant dicentes206 esse communem, ad eundem iudicem mittendi erunt: et ita senatus censuit. ceterum si unusquisque suum esse in solidum, non in partem dicat, cessat senatus consultum: neque enim timor est, ne varie iudicetur, cum unusquisque solidum dominium sibi vindicet. 2  Sed et si alter usum fructum totum207, alter proprietatem servi vindicet, item si alter dominium, alter pigneratum sibi dicat, idem iudex erit: et parvi refert, ab eodem an ab alio ei pigneri datus sit.

Der vorliegende Text stammt aus dem 55. Buch des Ediktskommentars von Ulpian. Dieses Buch behandelt den Freiheitsprozess, im vorliegenden Fragment geht es um die vindicatio in servitutem208. Dass es um einen Freiheitsprozess geht, ergibt sich aus D.  40, 12, 8 pr., der die cognitio de liberali causa erwähnt. Cognitio weist nicht zwingend auf das außerordentliche Verfahren hin. Cognitio209 bedeutet richterliche Untersuchung, Entscheidung bürgerlicher Rechtssachen durch den Magistrat oder den von ihm bestellten iudex210. Im engeren Sinn beschränkt es sich auf den Magistrat und bezeichnet die von ihm gefundene Enscheidung211. Grundsätzlich kann sich der Begriff daher auch auf den Formularprozess beziehen. Gegen die Annahme, dass es hier originär um die magistratische Kognition212 geht, spricht außerdem auch der Standort: In Ulpians Kommentar zum Edikt, geht es um das ordentliche Verfahren, Anmerkungen zum cognitio extra ordinem sind in diesem Werk nicht zu finden213. Dennoch ist der Text kein verlässlicher Beleg für die Zuständigkeit des iudex unus. Aufgrund der konsequenten Streichung der recuperatores in den 205  Ulp. D.  40, 12, 8, 1.2 (55 ad ed.); Gai. D.  40, 12, 9 pr. (ad ed praet. urb. tit. de lib. caus.); Paul. D.  40, 12, 23, 2 (50 ad ed.); Lab. D.  40, 12, 42 (4 post.). 206  Ein Korrektor verbessert im Codex Florentinus vindicant dicentes zu vindicent dicent, Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  685 Fn.  3; zu den Korrektoren vgl. Kaiser, SZ 118 (2001), 133–219. 207  Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  685 Fn.  4, und Mommsen, Digesta 2, S.  477 Fn.  1, schlagen alternativ tantum vor. 208  Lenel, Pal 2, Sp.  758, Nr. 1294. 209  s. z. B. Paul. D.  50, 17, 105 (1 ad ed.) zur cognitio des Prätor. 210  Wlassak, Art. cognitio, RE 4, 1, Sp.  206; Kaser / Hackl, RZ, §  25, S.  189. 211  Kaser / Hackl, RZ, §  25, S.  189. 212  Bongert, Recherches, S.  198; Nicolau, Causa liberalis, S.  58. 213  Franciosi, Il processo, S.  107.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

klassischen Texten, kann es durchaus sein, dass hier ursprünglich die recuperatores standen und im Originaltext statt eundem iudicem und idem iudex also ad eosdem recuperatores214 und idem recuperatores zu finden war. Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Begriff iudex hier nur als pars pro toto für das zuständige Gericht angeführt wird und nicht technisch verwendet wird. Schließlich liegt der Schwerpunkt des diskutierten Falls nicht beim zuständigen Richter, sondern bei der Frage, wie vorzugehen ist, wenn mehrere Kläger Rechte am Prozessobjekt, dem vermeintlichen Sklaven beanspruchen. Der Text kann deshalb die Zuständigkeit des iudex unus nicht sicher belegen. bb) Gai. D.  40, 12, 9 pr. (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.) Si pariter adversus eum, qui de libertate litigat215, consistant fructuarius et proprietarius, fieri potest, ut alteruter absit: quo casu an praesenti soli permissurus sit praetor adversus eum agere, dubitari potest, quia non debet alterius collusione aut inertia alteri216 ius corrumpi. sed rectius dicitur etiam alterutri eorum permittendum agere, ut alterius ius incorruptum maneat. quod si adhuc nondum finito iudicio supervenerit, ad eundem iudicem mittetur, nisi si iustam causam adferat, quare ad eum mitti non debeat, forte si eum iudicem inimicum sibi esse adfirmet.

Der vorliegenden Text stammt ebenfalls aus einem Kommentar zum ordentlichen Verfahren. Er wurde dem Kommentar des Gaius zum Edikt des Stadtprätors entnommen. Es geht um die Frage, wie sich der Prätor verhalten soll, wenn Nießbraucher und Eigentümer gegen den vermeintlichen Sklaven, beziehungsweise seinen adsertor libertatis, vorgehen, der einen Freiheitsprozess führt. Mit Lenel217 ist anzunehmen, dass der Textanfang verändert wurde und der Satzteil „qui de libertate litigat“ die adsertio ersetzt. Die Interpolation spiegelt die justinianische Rechtslage wieder, nach der der Sklave selbst den Prozess anstrengen kann218. Gaius diskutiert die Frage, was passiert, wenn nur einer der beiden Kläger vor dem Prätor auftritt. Es ist umstritten, wie dieser Fall zu behandeln ist. Zweifel bestehen an einem Alleingang des Anwesenden (an praesenti soli permissurus sit praetor adversus eum agere dubitari potest). Gaius bejaht einen solchen: Das Recht des Anwesenden dürfe durch die Abwesenheit des anderen Klägers nicht behindert werden. Wenn der andere Kläger 214  Franciosi,

Il processo, S.  107. Pal 1, Sp.  186 Fn.  5: in libertatem adserit. 216  Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  685 Fn.  5, und Mommsen, Digesta 2, S.  477 Fn.  2 verbessern alteri zu alterius. 217  Lenel, Pal 1, Sp.  186 Fn.  5: in libertatem adserit. 218  Just. C.  7, 17, 1 pr. (a. 528). 215  Lenel,



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sich noch entscheidet, dem Prozess beizutreten, dann wird er zum gleichen Richter geschickt, außer es besteht ein guter Grund, warum er zu diesem Richter nicht gehen kann. Aufgrund des Standorts ist ein Bezug zum außerordentlichen Verfahren auszuschließen219. Hier könnte ebenso wie in D.  40, 12, 8, 1 der iudex als Oberbegriff verwendet werden oder zu überlegen sein, dass hier ursprünglich die recuperatores standen. Dagegen spricht auch nicht, dass der zweite Kläger einen Richter bei Vorliegen einer iusta causa ablehnen kann. Für die Auswahl der recuperatores galten dieselben Grundsätze wie für die Auswahl des iudex unus220. Der Interpolationsverdacht kann aber auch an dieser Stelle nicht mit anderen Indizien untermauert werden. Die Zuständigkeit des iudex unus belegt der Text jedenfalls nicht. cc) Paul. D.  40, 12, 23, 2 (50 ad ed.) Si mater et filius de libertate litigant, aut coniungenda sunt utrorumque iudicia aut differenda est causa filii, donec de matre constet, sicut divus quoque Hadrianus decrevit. nam cum apud alium iudicem mater litigabat, apud alium autem filius, Augustus dixit ante de matre constare oportere, sic dein de filio cognosci.

Der Text stammt aus dem 50. Buch des Ediktskommentars und hat die vindicatio in libertatem zum Gegenstand221. Deshalb bezieht sich auch dieser Text auf das ordentliche Verfahren222 und es bleiben dieselben schon erläuterten Erklärungsversuche. Auch hier könnte der iudex für die recuperatores eingefügt worden sein oder iudex könnte untechnisch für die zuständigen Richter stehen. Für den Anfang des Textes ist eine Interpolation anzunehmen, weil zur Zeit von Paulus ein vermeintlicher Sklave nicht selbst vor Gericht um seine Freiheit streiten kann. Mutter und Sohn strengen mittels eines adsertor libertatis eine causa liberalis an. Liegt ein solcher Fall vor, so sind -wenn möglich- beide Prozesse zu verbinden. Sonst soll, nach einem Urteil von Kaiser Hadrian, zunächst über den Status der Mutter befunden werden. Wird nämlich entschieden, dass die Mutter eine Freigeborene war oder vor der Geburt des Sohnes freigelassen wurde, ist damit gleichzeitig der Status des Sohnes entschieden. Für eine Verwendung des iudex als Oberbegriff könnte hier die Wendung apud alium iudicem (…) alium sprechen, vielleicht erschien hier die Bezeichung der konkreten Richterbank als entbehrlich. 219  Franciosi,

Il processo, S.  108. RZ, §  26, S.  199. 221  Lenel, Pal 1, Sp.  1061, Nr. 642. 222  Marrone, L’Efficacia, S.  309, lässt offen, auf welchen Verfahrenstyp sich der Text bezieht. 220  Kaser / Hackl,

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dd) Lab. D.  40, 12, 42 (4 post.) Si servus quem223 emeras ad libertatem proclamavit et ab iudice perperam pro eo iudicatum est et dominus eius servi post rem contra te iudicatam te heredem fecit aut alio quo nomine is tuus esse coepisset, petere eum tuum esse poteris nec tibi obstabit224 rei iudicatae praescriptio225. Iavolenus: haec vera sunt.

Dieser Text wurde im Gegensatz zu den schon behandelten Fragmenten nicht für einen Ediktskommentar verfasst, sondern er stammt aus den nachgelassenen Schriften des Labeo226, die Iavolenus Priscus227 in Auszügen „ex posterioribus Labeonis“ in zehn Büchern veröffentlichte. Es wird folgender Fall diskutiert: Nach einem Sklavenkauf wird ein Freiheitsprozess fälschlich zugunsten des Sklaven entschieden. Der Käufer wird vom Voreigentümer zum Erben eingesetzt. Er darf den ehemaligen Sklaven als Eigentum beanspruchen, ohne dass ihm die Einrede der entschiedenen Sache entgegensteht (praescriptio rei iudicatae228). Aus diesem Text lässt sich der Grundsatz ableiten, dass zwischen denselben Parteien kein erneuter Freiheitsprozess statfinden darf, wenn für die Freiheit entschieden wird. Im vorliegenden Fall handelt der Kläger aber nicht mehr in seiner Person als Käufer, sondern anstelle des vorherigen Eigentümers. Mit dem Antritt des Erbes tritt er in dessen Rechte und Pflichten ein. Auch hier entscheidet ein iudex den Streit und es stellt sich die Frage, ob damit der iudex unus des ordentlichen Verfahrens gemeint ist. Da es sich hier nicht um ein Exzerpt aus einem Ediktskommentar handelt, besteht die Möglichkeit, dass es hier um die cognitio extra ordinem geht. Labeo zählt zwar zu den Frühklassikern, die Anfänge des außerordentlichen Verfahrens reichen aber bis auf Augustus zurück229. Einer solch frühen Einführung des Kognitionsverfahrens steht allerdings entgegen, dass der Freiheitsprozess schon ausreichend geregelt ist. Anders als bei den fideikommissarischen Freilassungen 223  Mommsen erwägt, nach quem bona fide zu ergänzen, obgleich Basiliken und Basilikenscholien den Text des Codex Florentinus bestätigen, vgl. Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  687 Fn.  22; Mommsen, Digesta 2, S.  483 Fn.  2. 224  Im Codex Florentinus heißt es obstavit anstelle von obstabit, Mommsen, Digesta 2, S.  483 Anm. Zeile 9. 225  Der Codex Florentinus liest proscriptio statt praescriptio, Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  688, Fn.  1; Mommsen, Digesta 2; S.  483 Anm. Z.  9. 226  Allgemein zum Werk des Javolenus Priscus: Di Paola, BIDR 49 / 50 (1948), S.  277–331. 227  Lenel, Pal 1, Sp.  535, verweist auf Sp.  309 Nr. 205. 228  Zur praescriptio rei iudicatae vgl. Abschnitt 3, B. IV. 229  Bongert, Recherches, S.  198, ist (ohne weitere Belege) der Ansicht, dass sich gerade auf dem Gebiet des Freiheitsprozesses die cognitio extra ordinem schnell entwickelte.



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bestand kein Bedarf, vorhandene Lücken zu schließen. Das Kognitionsverfahren tritt im Laufe der Zeit neben das ordentliche Verfahren230. Iudex steht deshalb vermutlich nicht für den zuständigen Magistraten, den Konsul. Auch in diesem Fall könnte iudex lediglich für das Verfahren in iure stehen. ee) Alex. C.  7, 16, 4 (Jahr unbekannt) Si is, quem in servitutem petebas, liber quamvis absente te causa cognita pronuntiatus est, secunda in servitutem petitio eius dari tibi non debet. Sed si, posteaquam cognovisti de sententia iudicis, appellasti, an iure lata sit, in auditorio quaeretur.

Der kaiserlichen Antwort liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Petent ist Eigentümer eines Sklaven, der einen Freiheitsprozess angestrengt hat. In Abwesenheit des Eigentümers wird der Prozess zugunsten des Sklaven entschieden, und er wird für frei erklärt. Der Eigentümer will wissen, ob er die Möglichkeit hat, erneut Klage zu erheben. Der Kaiser, beziehungsweise dessen Kanzlei, erteilt eine negative Antwort, eine erneute Klage sei nicht möglich. Wenn er aber Berufung eingelegt habe, würden das Urteil und dessen Richtigkeit untersucht werden. Schon der letzte Absatz zeigt, dass es hier um das Kognitionsverfahren geht. Im ordentlichen Verfahren gab es regelmäßig keine Möglichkeit, das Urteil anzugreifen. Die sententia iudicis kann damit nicht vom iudex unus stammen. Iudex ist hier der beauftragte Richter oder der Magistrat selbst. Zu Zeiten von Alexander Severus war das in Rom der praetor de liberalibus causis231. ff) Ergebnis der Quellenauswertung Die Quellenexegese führt damit zu keinem eindeutigen Ergebnis. Der Wortlaut der untersuchten Quellen spricht zwar für eine Zuständigkeit des iudex unus. Diese Texte lassen sich auch nicht mit einem pauschalen Hinweis auf Interpolationen oder der Anmerkung, hier ginge es um die cognitio extra ordinem232 entkräften233. Wlassak234 geht deshalb davon aus, dass 230  s. unten II. 2.; Franciosi, Causa liberalis, S.  124; Kaser / Hackl, RZ, §  66, S.  438. 231  Alex. C. 4, 56, 1 und 2 (a.223); CIL 10, 5398; Franciosi, Il processo, S. 107. 232  Bongert, Recherches, S.  198. 233  Nicolau, Causa liberalis, S.  58; auch Franciosi, Il processo, S.  106–110, hält die vorgenommene Exegese kurz; s. a. die Kritik von Kaser, SZ 79 (1962), 394. 234  Wlassak, Art. centumviri, RE 3, 2, Sp. 1942; anders noch ders., PG 1, S. 179, hier geht er davon aus, dass für die Kaiserepoche nur die Zuständigkeit von iudex und recuperatores in Freiheitssachen belegt ist.

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iudex unus, recuperatores einerseits und consules und der praetor de liberalibus causis nebeneinander zuständig waren und den Parteien ein Wahlrecht zustünde235. Eine alternative Zuständigkeit von iudex unus und recuperatores236 ist aber für keinen anderen Prozess belegt237. Zudem hat Lenel238 zu Recht dogmatische Bedenken: Zwar sei „kein Zweifel, dass statt der verheißenen Rekuperatoren unter Umständen ein iudex ernannt werden konnte, und umgekehrt statt des im Album genannten iudex Rekuperatoren.“ Dies soll aber nicht dem Wahlrecht der Parteien unterliegen und auch nicht willkürlich geschehen. Der Wille der Parteien war gebunden an die Verheißung im Edikt, auf die sich auch der Prätor festgelegt hat239. Als Begründung, warum beispielsweise vom Edikt abgewichen werden könne, führt Lenel240 die Beschleunigung des Verfahrens an. Diese Vermutung wird dem Rekuperatorenverfahren aber nicht gerecht. Schmidlin und vor ihm Bongert241 haben in ihren Monographien ausführlich dargestellt, dass das Rekuperatorenverfahren mehr war als nur ein beschleunigtes Zivilverfahren, das wahlweise neben dem Privatprozess mit Einzelrichter zum Einsatz kommt242. So sind die Rekuperatoren neben den Repetunden- und Multprozessen für eine Reihe privatrechtlicher Klagen zuständig, denen ein stärkeres öffentliches Interesse zugrundeliegt243. Warum der iudex unus zuständig sein soll, ist daher rätselhaft. Die klassischen Juristen beschäftigen sich in den überlieferten Digestenfragmenten nicht mit dieser Frage. Gegen die Zuständigkeit des iudex unus gibt es eine Reihe von Argumenten: Bis zur augusteischen Reform war die Kompetenz zwischen decemviri und Rekuperatoren aufgeteilt, eine Zuständigkeit des unus iudex ist für diese Zeit nicht belegt244. Es gibt keine stichhaltigen Argumente dafür, dass diese Aufteilung der Kompetenzen von Augustus aufgegeben wird245 und seine Reform eine parallele Zuständigkeit schafft. dazu auch Wenger, Art. reciperatio, RE 1 A, 1, Sp.  420. PG 2, S.  309, 310, 321. 237  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  141. 238  Lenel, EP, S.  28. 239  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  136. 240  Lenel, EP, S.  28. 241  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, Freiburg (Schweiz), 1963; Bongert, Recherches, S.  99–166. 242  Vgl. das Vorwort von Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren. 243  Kaser / Hackl, RZ, §  26, S.  199. 244  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  88; Kaser, SZ 79 (1962), 394. 245  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  88, geht sogar noch weiter: „Daß mit dieser Reform die klare Abgrenzung der Kompetenz verloren gegangen sei, ist 235  s.

236  Wlassak,



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Auch die Gerichtsrede des Claudius (BGU 611) spricht gegen eine solche Kompetenz. Diese enthält eine Herabsetzung des Richteralters von 25 auf 24 Jahre. Von dieser Änderung nimmt er die recuperatores aus, weil sie über Freiheitsprozesse entscheiden. Für den iudex unus ist eine solche Altersbeschränkung für Freiheitsprozese nicht überliefert246. Wäre er regelmäßig für Freiheitsprozesse zuständig, läge es nahe, dass sich Kaiser Claudius auch mit seinem Mindestalter beschäftigt247. Schließlich ist ein junger iudex unus nicht geeigneter einen Freiheitsprozess zu entscheiden, als ein recuperator gleichen Alters. Gegen die Zuständigkeit des iudex unus spricht zudem die Kompetenzverteilung. Mit der Reform des Augustus wurden die recuperatores unter Zuweisung bestimmter Kompetenzen in den innerstaatlichene Privatprozess eingegliedert. In allen anderen Fällen entscheidet der iudex unus248. In Rom besteht folglich ein Regel-Ausnahme-Verhältnis249: In der Regel war der iudex zuständig, wenn nicht ausnahmsweise die recuperatores entschieden. Die Zuständigkeit der recuperatores ist in den ediktalen Fällen wohl eine ausschließliche, es kann kein Einzelrichter anstelle der recuperatores erteilt werden250. Diese Aussage müsste auch für den Freiheitsprozess im ordentlichen Verfahren gelten, durch die erwiesene Zuständigkeit des recuperatores ist die Kompetenz des iudex unus auszuschließen251. bei der Aufmerksamkeit, die Augustus der Freilassung schenkte, von vornherein unglaubwürdig.“ 246  Franciosi, Il processo, S.  109; Nicolau, Causa liberalis, S.  59; Marrone, Efficacia, S. 107; Bongert, Recherches, S.  198. 247  Auch wenn die Rede und die Gerichtsreform in erster Linie für Ägypten zur Anwendung kommen sollten, lassen sich dennoch Rückschlüsse auf den römischen Prozess ziehen. s. o. b). 248  Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  133–145, erörtert ausführlich die Frage der Konkurrenz zwischen Rekuperatoren und unus iudex. 249  In den Provinzen erstreckte sich die Zuständigkeit der Rekuperatoren auf sonstige Verfahren, die wohl (neben dem iudex unus) auch gerne genutzt wurden, Kaser / Hackl, RZ, §  26 S.  200; Die Regelungen der Lex Irnitana legen nahe, dass sich zumindest in der Provinz Andalusia das Verhältnis zwischen recuperatores und iudex unus umkehrte; Kap.  89 enthält zwar nur die Wertgrenze in Höhe von 1000 Sesterzen und einen Verweis auf Rom: neque ea de qua, si Romae agitur, …, reciperatores dari opportet; bei der Frage nach der Einsetzung des iudex gibt aber Kap. 86 eine interessante Auskunft: Ein iudex müsse immer dann eingesetzt werden, wenn „recuperatores dari non oportebit“. In den Fällen, in denen es sich nicht gehörte, recuperatores einzusetzen, solle man einen Einzelrichter bestimmen. Dies spricht dafür, dass die Verhandlung vor recuperatores eher die Regel als die Ausnahme bildete, s. dazu Rodger, JRS 81 (1991), 87. 250  Kaser / Hackl, RZ, §  26, S.  200. 251  So auch Schmidlin, Das Rekuperatorenverfahren, S.  88; Franciosi, Il processo, S.  106; Bongert, Recherches, S.  198; Nicolau, Causa liberalis, S.  58.

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Das Argument von Marrone252, es seien weder ein Gesetz noch eine ediktale Vorschrift erhalten, die die ausschließliche Kompetenz der recuperatores anordnen, deshalb sei eine solche ausschließliche Zuständigkeit unwahrscheinlich, vermag nicht zu überzeugen253. Auch wenn eine solche Anordnung nicht überliefert ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine solche existierte254. Gerade auf diesem Gebiet sind zudem wegen der justinianischen Reform und der Änderungen im Prozessrecht Interpolationen255 nicht auszuschließen. In D.  40, 12, 8, 1 und 2, D.  40, 12, 9 pr. und D.  40, 12, 23, 2 sind vielleicht die recuperatores getilgt worden, in D.  40, 12, 42 könnte mit iudex auch der Magistrat im außerordentlichen Verfahren gemeint sein. Die Nennung des iudex lässt sich aber auch anders erklären. Alle Fragmente weisen eine Gemeinsamkeit auf: Die Zuständigkeit des iudex ist nicht Schwerpunkt der Texte, es geht immer um die Frage, wie vorzugehen ist, wenn inhaltlich verbundene Fälle vor verschiedenen Richter verhandelt werden sollen. In D.  40, 12, 42 geht es um die praescriptio rei iudicatae. Aufgrund dieser Gemeinsamkeit ist vorstellbar, dass iudex hier nicht für den iudex unus verwendet wird, sondern nur als Oberbegriff für den oder die entscheidenden Richter im Verfahrensabschnitt apud iudicem. Den Verfassern ist schließlich klar, dass die recuperatores zuständig sind. Vor diesem Hintergrund und angesichts der vielen Quellenbelege256 zur Kompetenz der recuperatores ist die Zuständigkeit des iudex unus in Freiheitsprozesse unwahrscheinlich. Ein sicherer Ausschluss257 ist aufgrund der Quellenlage allerdings nicht möglich, so dass die Zuständigkeit des iudex unus wohl tatsächlich bis auf Weiteres eine offene Frage bleibt258. 2. Örtliche Zuständigkeit Welches Gericht oder welcher Magistrat für den Freiheitsprozess zuständig ist, richtet sich sowohl im Formularprozess als auch im KognitionsproMarrone, Efficacia, S.  307. Il processo, S.  109. 254  Franciosi, Il processo, S. 109: „Non si puo trasformare una prova negativa in una prova positiva del contrario.“ 255  Marrone, Efficacia, S.  307: „Non è quindi arbitrario supporre che si riferisso originariamente al sistema formulare i testi, nei quali un iudex decide una causa liberalis, essendo pensabile che la menzione relativa sia stata sostituita da Giustiniano a quella dei recuperatores.“ 256  BGU 611; Suet. Dom. 8, 1; Hermog. D.  40, 1, 24 pr. (1 iur. epit.); Paul. D.  42, 1, 36 (17 ad ed.); Paul. D.  42, 1, 38 pr. (17 ad ed.); Paul. D.  4, 8, 32, 7 (13 ad ed.); Iul. D.  40, 12, 30 (5 ex Minucio). 257  Franciosi, Il processo, S.  106. 258  Kaser, SZ 79 (1962), 394. 252  So

253  Franciosi,



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zess nach denselben Regeln. Prätor und Magistrate sind auf ihren Amtsbezirk beschränkt, der Statthalter auf seine Provinz259. An welches Gericht sich der Kläger wenden muss, bestimmt in Rom und in den Provinzen der Wohnort (domicilium) des Beklagten260 (actor rei ­forum sequi debet261). Schon in diesem frühen Stadium des Prozesses muss über die Parteirollen im Freiheitsprozess entschieden werden, um die ört­ liche Zuständigkeit bejahen oder verneinen zu können262. Während im Sponsionsverfahren und beim praeiudicium an liber sit immer derjenige Kläger ist, der die Klage einreicht, gelten für den Prozess per formulas besondere Regeln. a) Verteilung der Parteirollen Ulp. D.  40, 12, 7, 5 (54 ad ed.) Si quis ex servitute in libertatem proclamat, petitoris partes sustinet: si vero ex libertate in servitutem petatur, is partes actoris sustinet qui servum suum dicit. igitur cum de hoc incertum est, ut possit iudicium ordinem accipere, hoc ante apud eum, qui de libertate cogniturus est, disceptatur, utrum ex libertate in servitutem aut contra agatur. et si forte apparuerit eum, qui de libertate sua litigat, in libertate sine dolo malo fuisse, is qui se dominum dicit actoris partes sustinebit et263 necesse habebit servum suum probare: quod si pronuntiatum fuerit eo tempore, quo lis praeparabatur, in libertate eum non fuisse aut dolo malo fuisse, ipse qui de sua libertate litigat debet se liberum probare.

aa) In libertate sine dolo malo Wird eine vindicatio in servitutem angestrengt, so ist der vermeintliche Eigentümer Kläger. Beklagter ist er, wenn ein adsertor eine vindicatio in 259  Kaser / Hackl, RZ, §  33, S.  243; Domingo, Estudios 2, S.  26; zum Statthalter vgl. Lex Irnitana Kap.  84 Z.  2. 260  Kaser / Hackl, RZ, §  33, S.  246 (Formularprozess); §  68, S.  483 (außerordentliches Kognitionsverfahren); Nörr, TR 31 (1963), 530 = HIA 1, 312; Franciosi, Il processo, S.  85 Fn.  4; Nicolau, Causa liberalis, S.  76. 261  Diokl. Fr. Vat. §§ 325, 326; Diokl. / Maxim. C. 3, 13, 2 (a. 293); für den Freiheitsprozess: C. 3, 22 (ubi causa status agi debeat) besonders: Diokl. /  Maxim. C. 3, 22, 3 (a. 293); diese Regelung galt schon im klassischen Recht. Alex. C.  3, 22, 1 (a. 231) legt sie seiner Konstitution zugrunde; Ulp. D. 5, 1, 65 (34 ad ed., zur dos); Ulp. D.  5, 2, 29, 4 (5 opinion.), zum inofficiosium testamentum). 262  Franciosi, Il processo, S.  85, Fn.  4. 263  Et fehlt im Codex Florentinus von erster Hand, Mommsen, Digesta 2, S.  477, Anm. Z.  21.

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libertatem erhebt264. Welche vindicatio vorliegt, richtet sich nicht danach, wer die actio einreicht, sondern nach dem faktischen Status des Streitobjekts. Derjenige, der diesen ändern will, ist immer Beklagter265. Lebt der vermeintliche Sklave ohne Arglist als freie Person, dann ist der vermeintliche dominus Kläger. Der adsertor libertatis hat die Klägerrolle (und die daraus resultierende Beweislast) inne266, wenn dem vermeintlichen Sklaven Arglist (dolus malus) zur Last fällt. Maßgeblicher Zeitpunkt für den faktischen Zustand ist die Einleitung des Rechtsstreits267. Der vermeintliche Sklave muss nicht die Freiheit beweisen, weil das dem eigentlichen Freiheitsprozess vorgegriffen hätte, ihm obliegt es, den Besitz der Freiheit ohne Arglist (possessio libertatis268) nachzuweisen269. Dies bestätigt auch der folgende Text: Ulp. D.  40, 12, 12 pr. (54 ad ed.) Igitur sciendum est et liberum posse dolo malo in libertate esse et servum posse sine dolo malo in libertate esse.

Da es nur auf den faktischen Besitz der Freiheit ankommt, kann auch einem eigentlich freien Menschen Arglist vorgeworfen werden und ein Sklave arglos sein und als frei betrachtet werden270. Ulpian illustriert diese Aussage mit Beispielen: Wächst ein freier Mensch als Sklave auf und flüchtet er in Unkenntnis seines wahren Status, dann handelt er arglistig271. Verlässt sich dagegen ein Sklave auf die Wirksamkeit einer testamentarischen Freilassung, so wird er trotz festgestellter Unwirksamkeit des Testa264  Ulp. D.  40, 12, 7, 5 (54 ad ed.); Franciosi, Il processo, S.  84; Lenel, Pal 2, Sp.  757, Fn.  6, ersetzt am Textanfang proclamat durch adserit. Eine Textänderung als Folge der Abschaffung des adsertor libertatis (Just. C. 7, 17, 1 pr, a. 528) ist an dieser Stelle allerdings nicht zwingend. Die verwendete Formulierung schließt das Handeln eines Dritten nicht aus. 265  Alex. C.  7, 16, 5, 2 (Jahr unbekannt); Franciosi, Il processo, S.  132; Ant. C.  2, 1, 4 (a. 212). 266  Mit der Formulierung de libertate sua litigat wird der abgeschaffte adsertor (Just. C. 7, 17, 1 pr., a. 528) ersetzt, weil der Sklave seine Freiheit nicht verteidigen durfte, Lenel, Pal 2, Sp.  758 Fn.  1, schlägt cuius de libertate litigatur anstelle von de sua libertate litigat vor (vgl. D.  40, 12, 7, 5 Z.  5 im abgedruckten Text). Den letzten Halbsatz ipse qui …. probare ersetzt er duch adsertori incumbere probationem. Pal. 2, Sp.  758 Fn.  2. 267  Ulp. D.  40, 12, 12, 4 (55 ad ed.). 268  Franciosi, il processo, S.  72, 88. 269  Ulp. D.  40, 12, 12, 3 (55 ad ed.) verwendet alternativ die Formulierung commodum libertatis; Ulp. D.  40, 12, 10 (55 ad ed.). 270  Quint. decl. min. 340, 4. 271  Ulp. D.  40, 12, 12, 1 (54 ad ed.).



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ments als frei betrachtet272. Als frei gilt er auch, wenn er sich mit dem Willen des vermeintlichen Eigentümers in Freiheit befindet273. Dabei kommt es auch auf das Verhalten nach der Flucht an: Ulp. D.  40, 12, 10 (55 ad ed.) Quod autem diximus ‚in libertate fuisse‘, sic est accipiendum, non ut se liberum doceat is, qui liberale iudicium patitur, sed in possessione libertatis sine dolo malo fuisse. quid sit autem ‚sine dolo malo fuisse‘, videamus. nam Iulianus ait omnes, qui se liberos putant, sine dolo malo in libertate fuisse, si modo se pro liberis gerant, quamvis servi sint. Varus274 autem scribit eum, qui se liberum sciat, dum in fuga sit, non videri sine dolo malo in libertate esse: sed simul atque desierit quasi fugitivus se celare et pro libero agere, tunc incipere sine dolo malo in libertate esse: etenim ait eum, qui scit se liberum, deinde pro fugitivo agit, hoc ipso, quod in fuga sit275, pro servo agere,

Gai. D.  40, 12, 11 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.) licet fugae tempore pro libero se gesserit: dicemus enim eum in eadem causa esse.

Ausschlaggebend ist, dass sich der vermeintliche Sklave auch wie eine freie Person verhält. Flüchtet jemand, der eigentlich frei ist, und versteckt sich, dann kann er nicht arglos in Freiheit sein276; die Flucht als solches weist auf Sklavenverhalten hin277. Benimmt er sich dagegen nach seiner Flucht wie ein freier Mann278, fällt die Arglist nachträglich weg. Das bedeutet, dass er seine Flucht beendet haben muss, wie der Text von Gaius zeigt. 272  Ulp.

D.  40, 12, 12, 2 (54 ad ed.). decl. min. 340, 4: tanta rerum differentia est in causa libertatis. In libertate est igitur quisquis caret forma servitutis. Id, iudices, ex hac ipsa lege adhuc manifestum est. Non enim legum lator putavit etiam eos qui a dominis fuga abessent esse in libertate? Quid colligo scripto eius: ‚qui voluntate domini in libertate fuerit’: apparet aliquos et non voluntate domini in libertate esse; quod si verum est, potest in libertate esse etiam qui liber non est. Pomp. D. 40, 12, 28 (12 ad Quint. Muc.). Außerhalb des Freiheitsprozesses konnte das sogar zur Freiheit des Sklaven führen, weil darin eine informelle Freilassung gesehen wurde; Quint. decl. min. 340, 1–3; 342, vgl. dazu Wycisk, Quidquid in foro, S.  53–58. Zu D.  40, 12, 28 s. Wlassak, SZ 26 (1905), 397–401. 274  Schreiber verwendet verus anstelle von Varus, Mommsen, Digesta 2, S.  478 Anm. Z.  9. 275  Schreiber verwendete fugit und korrigiert sich dann, Mommsen, Digesta 2, S.  478 Anm. Z.  13; Zu den Schreibern vgl. Kaiser, SZ 118 (2001), 133–219. 276  Vgl. Ulp. D.  40, 12, 12, 2 (54 ad ed.). 277  Quint. decl. min. 340, 4. Eine Ausnahme dazu nennt Jul. D.  22, 3, 20 (43 dig.): War die Flucht des vermeintlichen Sklaven der Versuch sich aus der unrechtmäßigen Gewalt des prozessierenden Eigentümers zu befreien, dann wies sie nicht auf den Sklavenstatus hin. 278  Dies führte auch dazu, dass er, wenn er bereit war, sich auf einen Frei­ heitsprozess einzulassen, nicht mehr als Besitz des vermeintlichen Eigentümers 273  Quint.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Der vermeintliche Eigentümer kann den faktischen Zustand des Prozessobjekts nicht dadurch beeinflussen, dass er ihn mit Gewalt festhält279. In diesen Fällen gereicht ihm der Besitz nicht zum Vorteil, der vermeintliche Sklave wird für die Bestimmung der Parteirollen als frei betrachtet. bb) Vorverfahren zur Bestimmung der Parteirollen Ulpian schreibt, dass es eine Untersuchung geben müsse, wenn der faktische Zustand des Sklaven und damit die Parteirollen nicht klar waren: igitur cum de hoc incertum est, ut possit iudicium ordinem accipere, hoc ante apud eum, qui de libertate cogniturus est, disceptatur, utrum ex libertate in servitutem aut contra agatur. Zuständigkeit und Form dieses Vorverfahrens sind nicht dargestellt. Aus der Formulierung qui de libertate cogniturus est wird teilweise geschlossen, dass sich der Text nur auf den Magistrat im Kognitionsverfahren beziehen kann280. Dazu passt die Ausdrucksweise gut: Entweder musste der Magistrat (zunächst die consules, dann der praetor de liberalibus causis) sowohl die Vorfrage als auch den Freiheitsprozess entscheiden oder er delegierte beides an denselben Richter281. Fraglich ist, ob sich der Text auch auf den ordentlichen Prozess beziehen kann. Cogniturus bezieht sich nicht nur auf den Magistrat der cognitio extra ordinem282, wie folgendes Fragment aus dem Ediktskommentar des Paulus zeigt: Paul. D. 50, 17, 105 (1 ad ed.) Ubicumque causae cognitio est, ibi praetor desideratur.

Cognoscere und cognitio sind weit gefasste Begrifflichkeiten für jede Prüfung und Entscheidung einer rechtserheblichen Frage283. Auch der Prätor kann deshalb per cognitionem Vorfragen entscheiden284. betrachtet wurde, Paul. D.  41, 2, 3, 10 (54 ad ed.); Paul. D.  41, 3, 15, 1 (15 ad Plaut.). 279  Jul. D.  22, 3, 20 (43 dig.); Diokl. / Maxim. C.  4, 19, 15 (a. 293). 280  Kaser, Rec. Franciosi, S.  395; Nicolau, Causa liberalis, S.  224; Wlassak, SZ 26 (1905), 395 Fn.  1; Lenel, EP, §  180, S.  385. 281  Hackl, Praeiudicium, S.  292. 282  Hackl, Praeiudicium, S.  291, Wlassak, PG 1, S.  179 Fn.  12. 283  Wlassak, Art. cognitio, RE 4, 1, Sp.  206; Kaser / Hackl, RZ, §  25, S.  189. 284  Neben dem iudicium dare trifft der Prätor auf diesem Weg Feststellungen zur Testamentseröffnung, Ulp. D.  29, 3, 2, 4 (50 ad ed.) oder Anordnung zur inspectio ventris, Ulp. D.  25, 4, 1, 10 (24 ad ed.). Kaser / Hackl, RZ, §  25, S.  190; Wlassak, Art. cognitio, RE 4, 1, Sp 208–215, mit weiteren Beispielen.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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Das Fragment stammt zudem aus Ulpians Ediktskommentar, der den Formularprozess zum Gegenstand hat. Das Zitat „si controversia erit, utrum ex servitute in libertatem petatur, an ex libertate in servitutem“ als Ediktstitel285 in einer diokletianischen Konstitution (C.  7, 16, 21, a. 293) zeigt, dass diese Frage im Formularprozess ebenfalls behandelt wird. Auch wenn eine cognitio des Prätor daher grundsätzlich möglich war, spricht der unpräzise286 Wortlaut dagegen: Dieser entscheidet schließlich nicht über den Freiheitsprozess. Hackl287 erklärt die Ungenauigkeit damit, dass zu Ulpians Zeit die cognitio extra ordinem schon sehr weit verbreitet ist und er alle möglichen Prozesse und zuständigen Magistrate erfassen will. Dies ist eine mögliche Erklärung. Selbst wenn sich Ulpian ausschließlich auf den Kognitionsprozess beziehen sollte, zeigen Herkunft des Fragments und das Zitat in C. 7, 16, 21, dass sich auch der Prätor im Formularprozess mit dieser Frage auseinandersetzte. Er kann entweder selbst entscheiden oder die Vorfrage an ein gesondertes Gericht weitergeben. Im Kognitionsverfahren beurteilt der zuständige Magistrat288 die Vorfrage. In welcher Form die Entscheidung ergeht, ist ebenfalls unklar. Die Entscheidung der Magistrate, gleichgültig ob Prätor im Formularverfahren oder consules und praetor de liberalibus causis im Kognitionsverfahren, ergeht als decretum289. Ob es sich bei dieser Entscheidung um ein praeiudicium handelt290, ist nicht überliefert. Das in Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 21 genannten praeiudicium beschäftigt sich jedenfalls nicht mit der Rollenverteilung291. Andere Quellen, die ein solches praeiudicium bestätigen, gibt es nicht. Wurde das Verfahren an ein gesondertes Gericht delegiert oder war der Magistrat der Ansicht, dass sich die Frage nicht ohne weiteres klären ließ, dann wurde über die Frage des faktischen Status des vermeintlichen Sklaven Beweis erhoben. Den Anfang machte die Aussage des vermeintlichen Sklaven292. 285  Lenel,

EP, §  180, S.  384. Praeiudicium, S.  291. 287  Hackl, Praeiudicium, S.  291. 288  So auch Hackl, Praeiudicium, S.  292. 289  Kaser / Hackl, RZ, §  25, S.  191. 290  Marrone, Iura 13 (1962), 262; Franciosi, Il processo, S.  85, Fn.  5, der allerdings die Zuständigkeit des Magistrats annimmt. Das praeiudicium gehört aber zum Formularprozess, vgl. Marrone, ebd.; Hackl, Praeiudicium, S. 212; Lenel, EP, § 180, S.  386. 291  Hackl, Praeiudicium, S.  205; C.  7, 16, 21 wird im Zusammenhang mit dem Verfahren ausführlich behandelt, vgl. II. 1. a). 292  Paul. D.  40, 12, 41 pr. (de artic. lib. caus.). 286  Hackl,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

b) Wohnortzuständigkeit, abweichende Vereinbarungen Gerichtsort für die Klage des adsertor libertatis ist das domicilium des vermeintlichen Herrn293. Ist der vermeintliche dominus Kläger, dann muss er sich zum zuständigen Magistrat am Wohnort des vermeintlichen Sklaven begeben294. Der Beklagte kann mehrere Wohnsitze haben, wenn er beispielsweise Bürger einer Gemeinde ist, aber in einer anderen wohnt. In diesen Fällen hat der Kläger ein Wahlrecht295. Der örtlichen Zuständigkeit konnte sich der vermeintliche Sklave nicht durch Flucht entziehen296. Er und sein adsertor durften nur vor dem Statthalter der Provinz gehört werden, in der er diente. Auch für Kläger von senatorischem Rang wurde keine Ausnahme gemacht297. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmmung des Wohnorts und damit der örtlichen Zuständigkeit ist in Rom die in ius vocatio, in den Provinzen die litis contestatio. Ein Wohnsitzwechsel nach diesem Zeitpunkt ändert den Gerichtsstand nicht mehr298. Wird ein Verfahren vor einem unzuständigen Gericht durchgeführt, ist es nichtig. Der Beklagte kann ungestraft den Gehorsam verweigern299. Dies gilt allerdings nicht für die Ladung. Der Beklagte muss dieser folgen, damit über die Jurisdiktion dieses Gerichts entschieden werden kann300. Die Parteien haben die Möglichkeit ein örtlich an sich unzuständiges Gericht durch Vereinbarung für zuständig erklären301. Erforderlich ist, dass beide Parteien die Unzuständigkeit kennen und das angerufene Gericht sachlich C.  3, 22, 4 (a. 294); Nicolau, Causa liberalis, S.  76. C.  3, 22, 3 (a. 293). 295  Gai. D.  50, 1, 29 (1 ad ed. prov.); Nörr, TR 31 (1963), 530, 577 = HIA 1, 312, 359. 296  Alex. C.  3, 22, 1 (a. 231). 297  Diokl. / Maxim. C.  3, 22, 3 (a. 293); Nicolau, Causa liberalis, S.  76; anderer Ansicht ist Jörs, FS Jhering, S.  16. Er meint, dass die vorliegende Konstitution die Rechtslage änderte, dies lässt sich allerdings aus dem Text nicht schließen. Der Wortlaut weist auf bestehende Regelungen hin. 298  Kaser / Hackl, RZ, §  33, S.  246. 299  Paul. D. 2, 1, 20 (1 ad ed.): Extra territorium ius dicenti impune non paretur. idem est et si supra iurisdictionem suam velit ius dicere. Domingo, Estudios 2, S.  26; Kaser / Hackl, RZ, §  51, S 350. 300  Ulp. D.  5, 1, 5 (5 ad ed.); Paul. D.  2, 5, 2 pr. (1 ad ed.); diese Regel galt im Kognitionsprozess nicht mehr: Herm. D.  42, 1, 53, 3 (1 iur. ep.). 301  Ulp. D.  5, 1, 1 (2 ad ed.); Ulp. D.  5, 1, 2 pr. (3 ad ed.); Paul. D.  50, 1, 28 (1 ad ed.); Lex Irnitana Kap.  69; Domingo, Estudios, S.  69–74. 293  Diokl. / Maxim. 294  Diokl. / Maxim.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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zuständig ist302. Eine Zustimmung des Jurisdiktionsmagistrats ist nicht ­notwendig303. II. Verfahren 1. Der ordentliche Prozess Das Prozessrecht zur Zeit des Prinzipats unterlag einem tiefgreifenden Wandel. Das als zu starr empfundene Legisaktionenverfahren wurde weitgehend durch den flexibleren Formularprozess ersetzt. Daneben entwickelte sich, zunächst um Lücken zu füllen304, das außerordentliche Verfahren. Die von Magistraten durchgeführte cognitio extra ordinem räumte dem Richter einen weitaus größeren Ermessenspielraum ein. Dass der Freiheitsprozess nicht mehr als Legisaktionenverfahren geführt wurde, ergibt sich aus den Zuständigkeiten: Die decemviri stlitibus iudicandis sind sicher nicht mehr zuständig, für eine Kompetenz der centumviri gibt es keinerlei Belege305. Der ordentliche Freiheitsprozess muss damit als Formularverfahren geführt worden sein. Im Formularverfahren konnte per formulam oder per sponsionem geklagt werden. Daneben gab es auch die Möglichkeit eine Frage im selbständigen Feststellungsverfahren als praeiudicium zu klären. Eine weitere Schwierigkeit stellen mögliche Interpolationen dar: Zu Justinians Zeit wurden alle Prozesse als (nachklassisches) Kognitionsverfahren geführt. Deshalb veränderten die Kompilatoren die klassischen Texte, soweit sie ein anderes Verfahren zugrundelegten. a) Der Freiheitsprozess als praeiudicium Praeiudicia sind selbständige Feststellungsklagen, die häufig auf eine Vorentscheidung oder die Vorbereitung eines weiteren Prozesses gerichtet sind306. Die Formel besteht nur aus einer intentio, das Urteil gibt auf die in dieser intentio gestellten Frage eine rechtsverbindliche Antwort307. Das praD.  5, 2, 1 pr. (3 ad ed.); Kaser / Hackl, RZ, §  33, S.  247. D.  5, 1, 2, 1 (3 ad ed.), Domingo Estudios 2, S.  72, nimmt an, dass abweichende Vereinbarungen sowohl bezüglich der örtlichen als auch der sachlichen Zuständigkeit vorgenommen werden können. 304  Kaser / Hackl, RZ, §  66, S.  438. 305  s. o. C. I. 1. a). 306  Kaser / Hackl, RZ, § 50, S. 347. Grundlegend zum praeiudicium: Hackl, Praeiudicium im klassischen römischen Recht, Salzburg 1976. 307  Gai. 4, 44. 302  Ulp. 303  Ulp.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

eiudicium wird in iure erhoben308. Beispiele für solche praeiudicia gibt es einige: Ob eine Person liberta bzw. libertus eines anderen ist, das praeiudicium an ingenuus sit309, ob die väterliche Gewalt besteht und ob eine Person eine eheliche Abstammung vorweisen kann310. Praeiudicia konnten genutzt werden, um ein bestimmtes Rechtsverhältnis zu klären oder eine bestimmte Tatsache festzustellen311. Für den Freiheitsprozess kommen die folgenden praeiudicia in Betracht: Das praeiudicium an servus sit und das praeiudicium an liber sit. Ein praeiudicium an servus sit ist in keiner Quelle überliefert312. Gegen seine Existenz sprechen zudem Zeugnisse, die eine condemnatio des adsertor belegen313. Überdies ist schwer vorstellbar, welchen Zweck ein solches praeiudicium verfolgen sollte. Normalerweise diente ein praeiudicium der Klärung einer Vorfrage, das Urteil entfaltete Bindungswirkung für die Richter eines darauf folgenden Prozesses. Der vermeintliche Eigentümer wollte aber keineswegs nur den Status seines vermeintlichen Sklaven klären, um einen weiteren Prozess vorzubereiten, sondern sein Ziel war die Geltendmachung seines Eigentums. Eine Feststellung lediglich der Unfreiheit würde ihm dabei nicht nutzen. Die petitio in servitutem musste deshalb eine Leistungsklage sein, in der der vermeintliche Herr, wie bei einer rei vindicatio, das Eigentum an einem Sklaven geltend machte. Das praeidicium an liber sit ist dagegen in den Institutionen Justinians bezeugt314. Die Frage, ob es schon im klassischen Recht existierte, könnte die Lex Irnitana beantworten. aa) Kap.  84 Lex Irnitana Im Jahr 1981 entdeckte man nicht weit von Sevilla315 sechs Bronze­ tafeln, die große Teile einer lex municipalis enthalten. Es handelt sich dabei um das Stadtrecht einer bisher unbekannten Gemeinde latinischen Rechts, des Municipium Flavium Irnitanum, aus dem Jahr 91 n. Chr.316. Die 308  Kaser / Hackl,

RZ, §  50, S.  348. ist umstritten, vgl. Hackl, Praeiudicium, S.  228. 310  Vgl. Kaser / Hackl, RZ, §  50, S.  347, mit weiteren Beispielen. 311  Hackl, Praeiudicium, S.  194; Siber, FS Wenger 1, S.  70. 312  Lenel, EP, §  179, S.  382, so auch Hackl, Praeiudicium, S.  213. 313  So beispielsweise D. 42, 1, 36 (Paul. 17 ad ed.); Hackl, Praeiudicium, S. 214; Pissard, Quéstions préjudicielles, S.  208; Lenel, EP, §  179, S.  384. 314  Inst. 4, 6, 13. 315  Zum genauen Fundort s. Lamberti, Tabulae Irnitanae, S.  2. 316  Metzger, Civil Trial, S.  1. 309  Dieses



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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Lex Irnitana317 war ursprünglich auf zehn Bronzetafeln niedergeschrieben318. Aufgrund der Übereinstimmungen mit anderen südspanischen leges municipales wie der Lex Salpensana und der Lex Malacitana ist anzunehmen, dass ein einheitlicher Text, ein allen gemeinsames flavisches Modell einer lex municipalis, Grundlage dieser einzelnen Stadtrechte war319, es handelte sich damit um römisches Recht, wie es in den Provinzen Anwendung fand. Auch wenn die Lex Irnitana keiner strikten systematischen Ordnung folgt, lassen sich mehrere Regelungskomplexe ausmachen: Munizipalmagistrate, ordo der Dekurionen, Volksversammlung, Munizipalverwaltung und munizipale Gerichtsbarkeit320. Juristisch interessant sind die Kapitel 84 bis 93, die vollständige Bestimmungen zur Zivilgerichtsbarkeit321 enthalten. Sie können in drei Regelungskomplexe unterteilt werden, die die duumviri bei der Ausübung ihrer Jurisdiktion zu beachten haben322: Während sich Kapitel 84 und 85 mit der sachlichen Zuständigkeit der Munizipalmagistrate befassen, regeln die Kapitel 86 bis 92 die Richterbestellung, die Überweisung des Verfahrens nach Prozessbegründung und die Gerichtsferien. Kapitel 93 enthält eine Generalklausel für in der Lex Irnitana nicht geregelte Materien323. Mit dem praeiudicium an liber sit könnte sich Kap.  84 beschäftigen:

317  Dem lateinischen Text wird die Edition von Gonzáles, JRS 76 (1986), 149– 181 zugrundegelegt. Wie bei Gonzáles wird das Leidener Klammersystem verwendet (vgl. S.  152: [] für nicht erhaltene Buchstaben; {} für vom Graveur fälschlich eingefügte Buchstaben; für Buchstaben, die fäschlicherweise vom Graveur ausgelassen wurden; ┌ ┐ für Buchstaben, die falsch gravierte Buchstaben ersetzen; () für Abkürzungsauflösungen; [[]] für gelöschte Buchstaben.). Berücksichtigt werden die Ergänzungen von Lamberti, Tabulae Irnitanae, S. 265– 373. Weitere Editionen finden sich bei Metzger, Civil Trial, S.  3, und F. Lamberti, Minima Epigraphica et Papyrologica III, 2004 / 4, 237; allgemein zur Lex Irnitana s. Lamberti, Tabulae Irnitanae, S. 1–83; D’Ors, AHDE 53 (1983), 5–15; ders., SDHI 49 (1983), 18–50. 318  Simshäuser, SZ 109 (1992), 163. 319  Simshäuser, SZ 109 (1992), 163. 320  Simshäuser; SZ 109 (1992), 164. 321  Nörr, Lex Irnitana c. 84 IX B 8–10, SZ 124 (2007), 1 Fn. 7, gibt einen guten Überblick über die Literatur; Zum Verfahrensrecht sei auf folgende Werke hingewiesen: Nörr, Interdiktenverfahren, S.  75–177; Metzger, Civil Trial, Oxford 1997; Hackl, SZ 114 (1997), 141–159; Simshäuser, SZ 109 (1992), 163–208; Rodger, JRS 81 (1991), 74–90; ders., ZPE 84 (1990), 147–161; Birks, CLJ 47 (1988), 36–60. 322  Hackl, SZ 114 (1997), 148. 323  Hackl, SZ 114 (1997), 149; Zur Frage, ob diese Generalklausel nur auf das Verfahren und auf das gesamte ius civile verweist, s. ebd. m. w. N.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

R(ubrica). Quarum rerum et ad quantam pecuniam in eo municipio i(uris) d(ictio) sit. IXB [Qu]i eiu┌s┐ municipi municipes incolaeve erunt, q(ua) d(e) r(e) ii inter se suo alte[r]ive nom┌i┐n qui municeps incolave sit privatim intra fines eius [m]unicipi agere petere persequi volent, quae res HS (sestertium) ∞ (mille) minorisve [eri]t, neque ea res dividua quo fraus huic legi fieret facta sit fiatve aut de capite libero deve maiore pecunia quam HS (sestertiis) ∞ (mille) praeiudicium futurum erit sponsiove {[s]ponsioneve} facta futurave erit, neque ea res agetur qua in re v┌i┐ factum sit quod non324 ex interdicto decretove iussuve eius qui iure dicundo praerit factum sit, neque de libertate, neque pro socio aut fiduciae aut mandati quod d(olo) m(alo) factum esse dicatur, aut depositi, aut tutelae cum quo qui{s} suo nomine [q]uid earum rerum fecisse dicatur, aut lege Laetoria, aut d[e spo]nsione quae in probrum facta esse dic┌a┐tur, aut d(e) d(olo) m(alo) et [fraud]e, aut furto cum homine libero liberave, aut cum serv[o dum i]d325 ad dominum dominamve pertinebit, aut iniur[iaru]m cum homine libero libera{m}ve agetur, eave de re [aliquid326] praeiudicium futurum sit de capite libero, de is re[bus etia]m, si uterque inter quos ambig{er}etur volet, de ceteris quo[que o]mnibus de quibus privatim agetur neque in iis prae[iudici]um de capite libero futurum erit, et omnium rerum [dumtaxa]t de vadimonio promittendo in eum [locum in] quo is erit qui [e]i provinciae praerit futurusve esse videbitur eo die in quem ut vadimonium promittatur postulabitur, IIvir(i), qui ibi i(ure) d(icundo) praeerit, iuris dictio, iudicis arbitri recuperatorum, ex is qui ibi propositi erunt, iudico datio addictio, it[e]m eadem condicione, de eo quod HS (sestertium)∞(mille) minorisve erit, aedilis qui ibi erit iuris dictio iudicis arbitri reciperatorum ex eodem genere iudicique datio addictioq(ue) esto.

324  Lamberti,

Tabulae Irnitanae, S.  348, ergänzt eius. Tabulae Irnitanae, S.  348, ergänzt furtum. 326  Lebek, ZPE 97 (1993), 167, ersetzt aliquid durch qua in re, so auch Rodger, ZPE 84 (1990), S.  147; Lamberti, Tabulae Irnitanae, ergänzt stattdessen nullum. 325  Lamberti,



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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In Z. 5 ist das praeiudicium de capite libero von der Rechtsprechung der duumviri ausgenommen327. Damit könnte das praeiudicium an liber sit328 gemeint sein, für das sonst keine klassischen Belege zu finden sind. Eine ausschließlich strafrechtliche329 Bedeutung dieses praeiudicium ist abzulehnen330, Kap.  84 beschäftigt sich ausschließlich mit privatrechtlichen Streitigkeiten. De Bernardi331 schließt einen Bezug zum praeiudicium an liber sit aus, caput liber beziehe sich zwar auf einen Statusprozess, es gehe jedoch nicht um die Freiheit einer Person, sondern um die Qualität dieser Freiheit. Deshalb seien mit dieser Wendung Libertinitäts- und Ingenuitätsprozesse gemeint. Zur Frage, ob es ein praeiudicium an liber sit gegeben habe, mache der Text keine Aussage. Wie De Bernardi richtig feststellt, wird caput auch in der Bedeutung „Person“332 verwendet. Es geht also um das praeiudicium „über die freie Person“, die Freiheit einer Person war aber gerade Gegenstand des Freiheitsprozesses. Liber war sowohl der ingenuus als auch der libertus. Ingenuitäts- und Libertinitätsprozesse waren zwar ebenfalls der Rechtsprechungsgewalt des Munizipalmagistrats entzogen333, die Formulierung caput liber zeigt jedoch, dass nur der Freiheitsprozess gemeint sein kann. Dieses Ergebnis stützen systematische Erwägungen: Causae liberales, also vindicationes in libertatem oder in servitutem sind ebenfalls von der Zuständigkeit der Lokalmagistrate ausgeschlossen. Es liegt deshalb nahe, auch das entsprechende praeiudicium auszuschließen. Die Bronzetafel IX B belegt somit nicht nur, dass es ein praeiudicium an liber sit im klassischen römischen Recht vor Einführung der außerordent­ lichen Kognition und lange vor Justinian gab, sondern zeigt auch, dass formula vindicatoria und praeiudicium nebeneinander existieren. Zumindest das praeiudicium an liber sit ist schon im ersten Jahrhundert nach Chr. ein selbständiges Feststellungsverfahren334, das nicht nur der Klärung einer Vorfrage dient. Dies zeigt Z.  5 der Lex Irnitana, die das praeiudicium im 327  Zum

Freiheitsprozess in den Provinzen, s. u. III. Tabulae Irnitanae, S.  149; Rodger, ZPE 84 (1990), 150. 329  D’Ors, La Ley Flavia Municipal (Texto y comentario), S.  171; ders., Lex Irnitana (texto bilinguë), S.  66. 330  Wolf, SDHI 66 (2000), 39 Fn. 74 m. w. N., spricht von einem „kapitalen Missverständnis“. Lamberti, Tabulae Irnitanae, S.  149, Fn.  34, bezeichnet die Ansicht von d’Ors als „peculiare interpretazione“. 331  De Bernardi, Testimonium Amicitiae, S.  121. 332  ThLL 3, sv caput, Sp.  404; VIR 1, sv caput, II. A. Sp.  625. 333  Dies zeigt der in TH 13–29 überlieferte „Prozess der Iusta“, vgl. III. 2. 334  Zum Streit s. Hackl, Praeiudicium, S.  293; Kaser / Hackl, RZ, S.  347 Fn.  27. 328  Lamberti,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Gegensatz zu Z.  16 und 19 als unabhängiges Feststellungsverfahren neben der sponsio aufführt. Die Lex Irnitana liefert damit den lange gesuchten Beweis für die Existenz des praeiudicium an liber sit335. Ein solches praeiudicium muss auch in Rom existiert haben. Das Stadtrecht folgte dem Provinzialedikt des Statthalters336, das sich wiederum stark am prätorischen Edikt in Rom orientierte337. Es ist wenig wahrscheinlich dass ein Stadtrecht einen Rechtsbehelf enthielt, der dem Prätor in Rom unbekannt war. bb) Weitere Belege für das praeiudicium an liber sit Inst. 4, 6, 13 Praeiudiciales actiones in rem esse videntur, quales sunt, per quas quaeritur, an aliquis liber vel an libertus sit, vel de partu agnoscendo. Ex quibus fere una illa legitimam causam habet, per quam quaeritur, an aliquis liber sit: ceterae ex ­ipsius praetoris iurisdictione substantiam capiunt.

Inst. 4, 6, 13 beschäftigt sich ausdrücklich mit den praeiudiciales actiones in rem und unterscheidet diese nach dem Ursprung. Während das praeiudicium an liber sit eine gesetzliche Grundlage habe (legitimam causam habet), seien alle anderen praeiudicia prätorischen Ursprungs (praetoris iurisdictione). Die klassische Quelle für diesen Abschnitt ist uns nicht erhalten, die Formulierungen deuten darauf hin, dass sie aus Gaius’ Res Cottidianae stammen könnten338. Theophilus 4, 6, 13 erläutert zusätzlich noch den Begriff der praeiudicales actiones. Sowohl Justinian als auch Theophilus führen für dieses praeiudicium als Ursprung ius civile an. Vermutlich geht es auf Kaiserrecht zurück, das ebenfalls zum ius civile zählt339 und auch für den Formularprozess gilt340. 335  Schon Hackl, Praeiudicium, S.  204–214, hatte sich nach ausführlicher Auseinandersetzung mit dieser Frage und der dazu ergangenen Literatur für seine Existenz im klassischen römischen Recht ausgesprochen, ebenso Triantaphyllopoulos, Labeo 8 (1962), S. 225; Siber, FS Wenger 1, S. 70; für eine Einführung im Kognitionsverfahren: Kaser, SZ 79 (1962), 396 Fn. 19. Verneinend: Franciosi, Il processo, S. 116, 120; Nicolau, Causa liberalis, S.  159; Buckland, Slavery, S. 653; Lenel, EP, §  178, S.  380–381; Pissard, Quéstions préjudicielles, S.  208. 336  Zum ius edicendi: Gai. 1, 6. 337  Hackl, SZ 114 (1997), 156. 338  Zocca-Rosa, Inst. Pal. Bd.  2, §  13, S.  307. 339  Wieacker, RRG 2, §  50, S.  79. 340  Für einen Bezug zur magistratischen Kognition: Franciosi, Il processo, S.  117; Nicolau, Causa liberalis, S.  156; Lenel, EP, §  178, S.  380; Buckland, Slavery, S.  653. Zu weiteren Argumenten gegen ein praeiudicium im klassischen Recht: Lenel, EP §  178, S.  381; Franciosi, Il processo, S.  114.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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Ein weiterer Beleg für das praeiudicium an liber sit ist folgende diokletianische Konstitution: Diokl. / Maxim., C.  7, 16, 21 (a. 293) Eam, quae in possessione libertatis non sine dolo malo reperitur, in servitutem constitutae simile habere praeiudicium edicto perpetuo „si controversia erit, utrum ex servitute in libertatem petatur an ex libertate in servitutem” sui conceptione manifeste probatur, nec quicquam ancillae dolus proprii iuris dominis aufert.

Die kaiserliche Konstitution beschäftigt sich mit einem praeiudicium, das auf das prätorische Edikt zurückgeht. Durch die Nennung des Titels „si controversia erit, utrum ex servitute in libertatem petatur an ex libertate in servitutem341“ scheint sich der Verfasser der Konstitution auf ein praeiudicium zur Entscheidung der Parteirollen beziehen342. In diesem Vorverfahren ging es darum, wer Kläger und wer Beklagter im darauf folgenden Freiheitsprozess sein sollte343. Hier befindet sich die (vermeintliche) Sklavin aber arglistig in Freiheit. Ein praeiudicium zur Klärung der Parteirollen ist deshalb nicht notwendig. Mit praeiudicium kann deshalb nur das praeiudicium an liber sit gemeint sein344. Diokl. C.  7, 16, 21 belegt somit den zivilrechtlichen Ursprung des praeiudicium an liber sit345. cc) Abschlussbemerkung Auch wenn die Existenz des praeiudicium, an liber / servus sit damit für die klassische Zeit belegt ist, bleibt die Frage, warum Gaius dieses Beispiel nicht aufführt. Gai. 4, 44 Non tamen istae omnes partes simul inveniuntur; sed quaedam inveniuntur, quaedam non inveniuntur. certe intentio aliquando sola invenitur, sicut in praeiudicialibus formulis, qualis est qua quaeritur, aliquis libertus sit, vel quanta dos sit, et aliae complures; demonstratio autem et adiudicatio et condemnatio numquam solae inveniuntur; nihil enim omnino demonstratio sine intentione vel condemnatione valet; item condemnatio sine demonstratione vel intentione, vel adiudicatio sine demonstratione nullas vires habet, et ob id numquam solae inveniuntur.

Darauf gibt es eine systematische Antwort. Lenel346 merkt an, dass die Frage nach der Freiheit viel bedeutender gewesen sei als die Frage, ob eine 341  Lenel,

EP, §  180, S.  384–386. Il processo, S.  117. 343  Ulp. D.  40, 12, 7, 5 (54 ad ed.); s. o. I. 2. a). 344  Hackl, Praeiudicium, S.  205–214, so auch schon Lenel, EP, §  178, S.  380; Pissard, Quéstions préjudicielles, S.  203. 345  Nicolau, Causa liberalis, S.  157. 346  Lenel, EP, §  178, S.  380. 342  Franciosi,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Person Freigelassene bzw. Freigelassener war, eine Begründung dafür gibt er allerdings nicht347. Auch wenn der Verlust der Freiheit für einen Menschen viel weitreichendere Folgen hat als die Feststellung der Libertinität, muss dies nicht bedeuten, dass auch das praeiudicium an liber sit häufiger vorkam als das praeiudicium an libertus sit. Der Freigelassene ist eine freie Person; die Frage, ob er libertus oder ingenuus ist, interessiert ihn nur dann, wenn davon irgendwelche Rechte oder Pflichten abhängen. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass diese actio praeiudicalis große Bedeutung hat. Der vermeintliche Sklave hingegen hat immer ein Anliegen, dass die Frage um seine Freiheit geklärt wird, es geht ihm nicht nur um seine Interessen in einem Folgeprozess. Der Status war damit sehr häufig Hauptfrage in einem Verfahren und nicht nur Vorfrage. Der vermeintliche Herr, der sein Eigentum an einem anderen, der als Freigeborener lebte, geltend machen wollte, ging wohl ebenfalls mit einer actio in rem vor. Wie dann verhandelt wurde, ist ebenfalls umstritten, in Betracht kommen die Verfahren per formulam petitoriam und per sponsionem348. Abschließend soll noch ein inhaltliches Argument stützen, warum Gaius dieses praeiudicium nicht aufführte: In Gai. 4, 44 geht es um den Aufbau der Prozessformel, während sich Justinian in Inst. 4, 6, 13 gerade mit den praeiudiciales actiones beschäftigt. Gaius nennt das praeiudicium lediglich als Beispiel für eine Formel, die nur aus einer intentio besteht. Deshalb führt er auch nur zwei Beispiele auf und fasst alle weiteren Beispiele als aliae complures zusammen. Warum Gaius gerade diese Auswahl getroffen hat, ist unbekannt349. Plausibel erscheint, dass Gaius ein praeiudicium zur Feststellung eines Rechtsverhältnisses und eines zur Feststellung einer Tatsache aufführte. Aufgrund des Zusammenhangs mit der Prozessformel kann diese Auslassung aber nicht zu dem Schluss führen, dass es ein praeiudicium an liber sit nicht gab350. b) Form des Freiheitsprozesses Neben dem vor der Entdeckung der Lex Irnitana nicht belegten praeiudicium an liber sit war auch umstritten, in welcher weiteren Form der Frei347  Hackl,

Praeiudicium, S.  206, Fn.  8. EP, §  179, S.  383. 349  Hackl, Praeiudicium, S.  206. 350  Lenel, EP, §  178, S.  281: „Es kann mir selbstverständlich nicht beifallen zu behaupten, durch obige Erwägungen sei die Nichtexistenz des praeiudicium de libertate in klassischer Zeit erwiesen.“; Pissard, Quéstions préjudicielles, S.  208: „Conclusons que l’existence du praejudicium an liber sit est très douteuse à l’époque classique, mais que son inexistence est loin d’être démontrée.“ 348  Lenel,



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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heitsprozess geführt wurde. Belege dafür, dass er auch Hauptsache eines Prozesses sein konnte, gibt es351. Unstrittig ist, dass der Prozess als Formularprozess geführt wurde352. Dies wurde schon bei der Untersuchung der Zuständigkeiten festgestellt. Ein Beleg für den Freiheitsprozess im Formularverfahren ist Lab. D.  40, 12, 42 (4 post.): hier geht es um die praescriptio rei iudicatae, die zu Labeos Zeiten Bestandteil des Formularprozesses gewesen sein muss353. Zusätzlich könnte der Freiheitsprozess per sponsionem geführt worden sein. Zunächst ist zwischen den zwei möglichen Formen des Freiheitsprozesses zu unterscheiden, der vindicatio in servitutem einerseits und der vindicatio in libertatem andererseits354. Diese Unterscheidung findet sich nicht nur im Ediktstitel „si controversia erit, utrum ex servitute in libertatem petatur an ex libertate in servitutem“ wieder355, sondern auch in einer Vielzahl von Digestenstellen356. Die Entscheidung darüber, ob eine vindicatio in libertatem oder in servitutem vorliegt, bestimmt über dieVerteilung der Beweislast357. aa) Der Freiheitsprozess per formulam vindicatoriam Für die vindicatio in servitutem nimmt schon Lenel358 an, dass sie per formulam vindicatoriam verhandelt wird, weil es sich um eine gegen den adsertor gerichtete actio in rem handele. Die Formel entspricht der formula petitoria der rei vindicatio359, das vindicare / petere in servitutem findet sich auch in den Digesten360. Da zu Justinians Zeiten der Freiheitsprozess als praeiudicium verhandelt wird, sind diese Belege nicht interpolationsver351  Buckland,

Slavery, S.  654. Sodalitas 6, S.  2947. 353  Marrone, Sodalitas 6, S.  2947; zu dieser Einrede vgl. Abschnitt 3, B. IV. 2., S.  208  ff. 354  Marrone, Sodalitas 6, S.  2950. 355  Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 21 (a.293); Lenel, EP, §  180, S.  384. 356  Ulp. D.  3, 3, 39, 5 (9 ad ed.); Ulp. D.  40, 12, 7, 5 (54 ad ed.); Ulp. D.  38, 2, 16 pr. (45 ad ed.); Ulp. D.  43, 16, 1, 21 (69 ad ed.); Venul. D.  46, 8, 8, 2 (15 stip.); Ulp. D.  49, 16, 8 (8 disp.); vgl. Marrone, Sodalitas 6, S.  2950, Fn.  16 und 19. 357  Ulp. D.  40, 12, 7, 5 (54 ad ed.). 358  Lenel, EP, §  179, S.  382; so auch Hackl, Praeiudicium, S.  214. 359  Hackl, Iurisprudentia universalis, S.  269. 360  s. dazu beispielsweise Ulp. D. 8, 5, 2, 1 (17 ad ed.); Ulp. D.  38, 2, 16 (45 ad ed.); Jul. D. 39, 1, 14 (49 dig.); Ulp. D. 40, 12, 7, 5 (54 ad ed.); Ulp. D. 40, 12, 8, 1 (55 ad ed.); Gai. D. 40, 12, 26 (20 ad ed. prov.); Pap. D. 40, 12, 36 (12 resp.); 352  Marrone,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

dächtig. Warum sollte er ein Verfahren einfügen, dass zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr durchgeführt wird? Die Prozessform bei der vindicatio in libertatem ist dagegen umstritten: Lenel befürwortet das Verfahren per sponsionem361, andere sprechen sich für eine formula petitoria in Form der rei vindicatio362 aus, nach einer dritten Meinung ist das praeiudicium das richtige Verfahren363. Die Bedenken gegen die vindicatio in libertatem als formula petitoria sind dogmatischer Natur: Es ginge um den Status des Menschen und nicht um eine Sache, so dass die rei vindicatio nicht die richtige Klage sei364. Dieses Argument lässt sich leicht entkräften: Der Status ist erst zu Justinians Zeiten Gegenstand des Freiheitsprozesses, weil der Sklave selbst auftreten kann365. Im klassischen Prozess ist der Sklave dagegen Prozessobjekt. Prozesspartei ist der adsertor libertatis, dem vermeintlichen Herrn geht es gerade darum, sein Eigentum geltend zu machen366. Die vindicatio in libertatem wird von Trajan in einem Brief an Plinius367 erwähnt und auch in den Digesten gibt es zahlreiche Quellen, die petere / vindicare in libertatem368 als Fachbegriff verwenden. Kap.  84 Z.  9 der Lex Irnitana gibt Aufschluss über eine den Freiheitsprozess betreffende Klagformel. Die causae liberales werden mit anderen Prozessen aufgeführt, die grundsätzlich nicht vor den duumviri verhandelt werden durften. Alle diese Prozesse haben gemeinsam, dass für sie Klageformeln existieren. Das Sponsionsverfahren kann an dieser Stelle nicht gemeint sein, nicht nur wegen des Kontextes, sondern auch aus systematischen Gründen. Die sponsio wird an anderer Stelle behandelt und explizit von der Jurisdiktionsbefugnis der duumviri ausgenommen. Neben dem praeiudicium de capite libero besteht folglich eine andere prozessuale Möglichkeit. Da nicht zwischen der Jul. D.  40, 12, 30 (5 ex Minicio); Ulp. D.  40, 12, 31 (1 resp.); Ulp. D.  43, 16, 1, 21 (69 ad ed.); Venul. D.  46, 8, 8, 2 (15 stip.); Ulp. D.  49, 16, 8 (8 disp.). 361  Lenel, EP, §  178, S.  381. 362  Kaser, rec. Franciosi, SZ 79 (1962), 395; Franciosi, Il processo, S.  118 und 121; Nicolau, Causa liberalis, S.  147. 363  Hackl, Praeiudicium, S.  214; Triantaphyllopoulos, Labeo 8 (1962), 224. 364  Bufnoir, Praeiudicia de statu, S.  49. 365  Iust. C.  7, 17, 1 pr. (a. 528), zu dieser Reform s. Dritter Teil. 366  Franciosi, Il processo, S.  118. 367  Plin. ep. 10, 66, 2: (…) et ideo nec adsertionem denegandam iis qui ex eius modi causa in libertatem vindicabuntur puto, neque ipsam libertatem redimendam pretio alimentorum. 368  Vindicare in libertatem: Paul. D. 10, 4, 12 pr. (26 ad ed.); Paul. D. 26, 2, 32, 2 (9 resp.); Paul. D. 29, 1, 40, 1 (11 resp.); Ulp. D. 36, 1, 23, 1 (5 disp.); Scaev. D. 40, 4, 59, 2 (23 dig.); Ulp. D. 40, 12, 3 pr. (54 ad ed.); petere in libertatem: Ulp. D. 38, 2, 16 pr. (45 ad ed.); Ulp. D.  40, 5, 24, 3 (5 fideicomm.); Ulp. D.  43, 16, 1, 21 (69 ad ed.); Venul. D. 46, 8, 8, 2 (15 stip.); Paul. D. 48, 19, 38, 4 (5 sent.) = PS 5, 22, 6.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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vindicatio in libertatem und der vindicatio in servitutem unterschieden wird, belegt der Text zusätzlich, dass für beide Formen eine Formel existierte. Die Quellentexte zeigen somit eindeutig, dass der Freiheitsprozess auch mittels einer rei vindicatio geführt werden kann. Trotz dieser Belege wird das Bestehen einer vindicatio in libertatem verneint. Als weiteres Gegenargument wird angeführt, dass für einen freien Menschen keine litis aestimatio vorgenommen werden könne. Der Grundsatz der condemnatio pecuniaria widerspreche dem Begehren des Klägers. Durch die Zahlung der litis aestimatio könne ein freier Mensch zum Sklaven gemacht werden und umgekehrt369. Aus juristischen Texten ergibt sich, dass ein freier Mensch keinen Schätzwert haben darf370. Ein Argument für das Bestehen dieser Formel schildert Marrone371. Er führt einen Text an, der die Anwendbarkeit der actio ad exhibendum bei einem Freiheitsprozess bejaht: Paul. D. 10, 4, 12 pr. (26 ad ed.) De eo exhibendo, quem quis in libertatem vindicare velit, huic actioni locus esse potest.

Paulus lässt ausdrücklich eine actio ad exhibendum zu, bei der die condemnatio pecuniaria ebenfalls möglich war. Entschloss sich der Besitzer, die litis aestimatio zu zahlen, so hatte er einen Menschen in seinem Besitz, der sich für frei hielt. D. 10, 4, 12 pr. belegt damit, dass die Tatsache, dass sich die actio in diesem Fall gegen den Besitzer eines freien Menschen richtet, kein Hindernis für die Zulässigkeit der actio ad exhibendum ist. Dasselbe lässt sich für das interdictum de homine libero exhibendo sagen: Ulp. D. 43, 29, 3, 13 (71 ad ed.) zeigt, dass auch in diesem Fall die litis aestimatio gezahlt werden konnte, wenn der Besitzer den vermeintlichen Sklaven nicht herausgeben wollte. Für den klassischen Juristen ist die Konsequenz, dass ein freier Mann durch die condemnatio pecuniaria zumindest bis zur Klärung der Streitfrage Besitz eines anderen ist, juristisch möglich372. Dennoch scheint ein Widerspruch zu der Regel zu bestehen, dass ein freier Mensch nicht geschätzt werden darf. Bei der actio ad exhibendum und beim interdictum de homine libero exhibendo wird aber lediglich das Interesse des Antragstellers an der Herausgabe des streitgegenständlichen vermeintlichen Sklaven bewertet, nicht der vermeintlich freie Mensch selbst373. 369  Franciosi, Il processo, S.  121; dies hält Marrone, Sodalitas 6, S.  2951, allerdings für unmöglich. 370  Gai. D. 9, 1, 3 (7 ad ed. prov.); Ulp. D. 9, 3, 1, 5 (23 ad ed.); Gai. D. 9, 3, 7 (6 ad ed. prov.); Paul. D.  14, 2, 2, 2 (34 ad ed.). 371  Marrone, Sodalitas 6, S.  2952. 372  Marrone, Sodalitas 6, S.  2953. 373  Marrone, Sodalitas 6, S.  2954.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Eine weitere Besonderheit des Freiheitsprozess schützt den vermeint­ lichen Sklaven: Während der Prozessdauer lebt er wie eine freie Person374. Wird endgültig pro libertate entschieden, so kann es bei beiden Klagen zu keiner Restitution kommen375, die Zahlung der litis aestimatio ist unter diesen Umständen sinnlos376. Obsiegt also der adsertor libertatis, so kommt er gar nicht erst in die Lage, anstelle der Freiheit des Sklaven den Schätzwert zu verlangen. Ist dagegen der dominus siegreich und wird ihm das Prozessobjekt zugesprochen, so gilt eine weitere Sonderregel: Er kann nicht gezwungen werden, an Stelle des Sklaven die litis aestimatio zu akzeptieren377. Entscheidet er sich für Restitution, so muss neben dem Sklaven wahrscheinlich auch der Arbeitsausfall während der Prozessdauer ersetzt werden378. Im Umkehrschluss hat er aber auch die Möglichkeit, den Schätzwert zu wählen. Dann stellt sich die Frage, wie der Streitwert geschätzt wurde, wenn ein freier Mensch – als solcher wurde der vermeintliche Sklave während der Prozessdauer angesehen – nicht geschätzt werden durfte. Vielleicht erfolgte die Schätzung erst nach Prozessende, wenn feststand, dass es sich um einen Sklaven handelt. Quellen, die sich mit der Streitwertschätzung befassen, sind nicht überliefert. Entscheidet sich der dominus dafür, die litis aestimatio zu akzeptieren, so wird das zum Sklaven erklärte Prozessobjekt nicht frei, sondern zum servus sine domino. Theoretisch besteht in diesem Fall die Möglichkeit für den adsertor, das Eigentum an dem Sklaven durch occupatio zu erlangen und diesen dann freizulassen379. Im klassischen Prozessrecht gibt es somit zwei der rei vindicatio entsprechende Klageformeln mit Restitutionsklausel und condemnatio pecuniaria, um die Freiheit oder die Sklavenstellung einer umstrittenen Person feststellen zu lassen380. 374  Paul.

D.  40, 12, 24 pr. (51 ad ed.). Iurisprudentia universalis, S.  268. 376  Marrone, Sodalitas 6, S.  2954. 377  Pap. D.  40, 12, 36 (12 resp.); eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht Jul. D.  40, 12, 30 (5 ex Minicio), wenn mehrere um einen Sklaven streiten. Der Schluss ist allerdings interpolationsverdächtig, weil er dem vorher Gesagten zu widersprechen scheint, s. dazu Franciosi, Il processo, S.  123; zur Ansicht Franciosis, im Freiheitsprozess habe es eine adiudicatio gegeben, s. nur die zutreffende Kritik von Marrone, Sodalitas 6, S.  2948 Fn.  11 m. w. N. 378  Marrone, Sodalitas 6, S.  2955; Nicolau, Causa liberalis, S.  150. 379  Franciosi, Il processo, S.  121. 380  Hackl, Iurisprudentia universalis, 268; Marrone, Sodalitas 6, S.  2951; ders. Labeo 24 (1978), 84 m. Anm. 40; Franciosi, Il processo, S.  118. 375  Hackl,



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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bb) Der Freiheitsprozess per sponsionem Neben den Verfahren per formulas petitorias gab es die Möglichkeit des agere per sponsionem381. Bei diesem Verfahren ließ sich der Kläger vom besitzenden Beklagten eine Summe von 25 oder 125 Sesterzen für den Fall versprechen382, dass der Sklave frei ist; über das geltend gemacht Recht wurde mittelbar entschieden. Die sponsio ist praeiudicalis und nicht poenalis, was bedeutet, dass die versprochene Summe weder geleistet noch ihretwegen vollstreckt wird383. Die versprochene Sponsionssumme konnte später beliebig festgelegt werden. Ob die vindicatio in libertatem auf diesem Wege geführt wurde, ist sehr umstritten. Lenel384 hält eine solche Entwicklung für sehr wahrscheinlich. Die schon im Legisaktionenverfahren begonnene Verlagerung der actiones in rem auf das Verfahren per sponsionem wird mit der endgültigen Festschreibung des Formularprozesses als vorrangige Prozessform nicht verhindert385. Das Sponsionsverfahren konnte auch im Formularprozess eingesetzt werden und war nicht auf Fälle beschränkt, die vor den centumviri im Legisaktionenverfahren verhandelt wurden386. Dass um die Freiheit auch per sponsionem gestritten werden konnte387, war aber bis zum Fund der Lex Irnitana nicht durch Quellen belegt. Für das Verfahren per sponsionem spricht, dass sich das praeiudicium wahrscheinlich aus diesem Verfahren entwickelte388. Kap. 84 Z. 5 / 6 der Lex Irnitana räumt die letzten Zweifel aus389: neque (…) aut de capite libero deve maiore pecunia quam HS (sestertiis) ∞ (mille) praeiudicium futurum erit sponsiove {[s]ponsioneve} facta futurave erit.

Sponsio ist mit –ve angeschlossen, weshalb sich die vorhergehende Zeile auch auf dieses Verfahren bezieht390. Das Sponsionsverfahren ist damit 381  Zum agere per sponsionem s. De Bernardi, Testimonium Amicitiae, S.  101, Fn.  13 m. w. N. 382  Gai. 4, 93; Kaser / Hackl, RZ, §  50, S.  346; Hackl, Praeiudicium, S.  190. 383  Gai. 4, 94; s. a. Hackl, Praeiuidicium, S.  191. 384  Lenel, EP, §  178, S.  381; vor ihm Bufnoir, Praeiudicia de statu, S.  31. 385  Kaser / Hackl, RZ, §  47, S.  333 mit Fn.  40. 386  Gai. 4, 93 und 95. 387  Kaser / Hackl, RZ, §  50, S.  346. 388  Siber, FS Wenger 1, S.  69; die Argumentation von Franciosi, Il processo, S.  113, gegen das Sponsionsverfahren kann mit Kap.  84 der Lex Irnitana widerlegt werden. 389  Lamberti, Tabulae Irnitanae, S.  151. 390  s. a. De Bernardi, Testimonium Amicitiae, S.  121; Kaser / Hackl, RZ, §  50, S.  348 Fn.  35.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

ausgeschlossen, wenn die versprochene Summe über 1000 Sesterzen liegt oder wenn es sich um eine sponsio de capite libero handelt. Eine andere Deutung wäre, dass alle sponsiones von der Rechtsprechungsgewalt des Magistrats ausgeschlossen sein sollten. Dagegen spricht jedoch die Systematik der Lex Irnitana: Klagen, die generell ausgeschlossen sind, werden erst später angeführt, nach praeiuidicum und sponsio fängt ein neuer Abschnitt an, der mit neque (Z.  6 i.f.) eingeleitet wird. Doch wie geht der Magistrat damit um, dass die Parteien die Sponsionssumme festlegen? Schließlich könnten sie durch Bestimmung der Summe den zuständigen Magistrat wählen. De Bernardi391 erwägt die Anwendung von Z.  4: neque ea res dividua quo fraus huic legi fieret facta sit fiatve, verwirft diesen Gedanken aber zu Recht wieder. Der Wortlaut dieser Regelung passt nicht für den Fall einer zu niedrigen Summe. Die Lex Irnitana liefert keine Antwort auf diese Frage. Die Systematik der Lex Irnitana weist aber daraufhin, dass bei Sponsionsverfahren, die sich nicht mit der Freiheit beschäftigen, den Parteien ein großer Spielraum eingeräumt wurde. Versuchten die Parteien die Grenzen der Rechtsprechungsgewalt des Lokalmagistraten zu umgehen, dann lag es in dessen Ermessen, die Klage an den Statthalter weiterzuverweisen. Die Lex Irnitana belegt damit, dass im ersten Jahrhundert n. Chr. Freiheitsprozesse vor dem Statthalter nicht nur als praeiudicium, sondern auch per formulam petitoriam oder per sponsionem geführt werden konnten. Dies bestätigt auch die Entwicklung des Sponsionsverfahrens aus dem Legisak­ tionenverfahren392. Mangels sicherer Quellenbelege kann nicht festgestellt werden, ob das einfachere Sponsionsverfahren später vom praeiudicium an liber sit abgelöst wurde393 oder ob beide Verfahren nebeneinander fortbestanden. c) Ergebnis: Das Verfahren im ordentlichen Prozess Dem Kläger eines Freiheitsprozesses stehen im odentlichen Verfahren vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, sein Recht durchzusetzen: Agere per sponsionem, per formulam petitoriam und das praeiudicium an liber sit schließen sich gegenseitig nicht aus394: Der adsertor kann mit einem praeiudicium an liber sit die Freiheit eines anderen einklagen. Daneben hat er 391  De

Bernardi, Testimonium Amicitiae, S.  123. dazu Luzzatto, St. Albertario, S.  169–193. 393  Siber, FS Wenger 1, S. 71. Zu dieser Frage vgl. Hackl, Praeiudicium, S. 293– 297. 394  Marrone, Sodalitas 6, S.  2949; ein weiteres Beispiel für eine solche Parallelität nennt Hackl, Iurisprudentia universalis, S.  269 Fn.  57: Das Herrschaftsrecht 392  s.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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die Möglichkeit, ein Verfahren per sponsionem oder per formulam vindicatoriam anzustellen. Während er bei den ersten beiden Verfahren automatisch Kläger ist, weil er den Prozess einleitet, entscheidet der Prätor beim Formularverfahren nach genau festgelegten Regeln, ob er Kläger einer vindicatio in libertatem oder Beklagter einer vindicatio in servitutem ist395. Dieselben Grundsätze gelten, wenn der vermeintliche Eigentümer ein Verfahren per formulam petitoriam einleitete. Daneben steht ihm das Sponsionsverfahren offen. Ein praeiudicium an servus sit, gab es dagegen nicht. Die Parallelität396 von vindicatio rei und praeiudicium an liber sit besteht aller Wahrscheinlichkeit nach bis zum Ausgang der Klassik. Wie lange das agere per sponsionem Bestand hatte, lässt sich in Anbetracht der spärlichen Quellenbelege indessen nicht klären. Von welchen Faktoren bestimmt wird, welches Verfahren die Parteien anstrengen, ist nicht überliefert. Das Sponsionsverfahren hatte den Vorteil, dass die Parteien die Sponsionssumme frei wählen konnten. Dadurch könnte auch die dem adsertor obliegende Kaution für das Erscheinen des vermeintlichen Sklaven vor Gericht relativ niedrig gewesen sein. Ein Nachteil des Sponsionsverfahrens war, dass nur indirekt über die Freiheit entschieden wurde. Wenn eine andere Sponsionssumme festgelegt wurde, war grundsätzlich ein neuer Prozess möglich. Wollte der Eigentümer sein Eigentum geltend machen, so war die rei vindicatio vorzugswürdig. Diese hatte zum Ergebnis, dass der Sklave zu seinem Eigentum erklärt wurde. Das praeiudicium an liber sit hatte dagegen den Vorteil, dass es für einen Folgeprozess zwischen denselben Parteien bindend war und zudem in keinem anderen Verfahren mehr eine Vorfrage bilden konnte397. Dass Gai. 4, 44 das praeiudicium an libertus sit anstelle des praeiudicium an liber sit aufführt, spricht dafür, dass das praeiudicium an liber sit seltener war.

über den Haussohn konnte nach Ulp. D. 6, 1, 1, 2 (16 ad ed.) entweder in einem praeiudicium oder in einer vindicatio adiecta causa durchgeführt werden. 395  Ulp. D.  40, 12, 7, 5 (54 ad ed.); Lenel, EP, §  180, S.  384; s. o. I. 2. a). 396  Marrone, Sodalitas 6, S.  2956; Hackl, Iurisprudentia universalis, S.  269, bejaht diese Parallelität nur für die Spätklassik, dies wird durch Kap.  84 Lex Irnitana widerlegt. 397  Ulp. D. 2, 4, 8, 1 (5 ad ed.); Ulp. D.  1, 5, 25 (1 ad leg. Iul. et Pap.); Liebs, SZ 94 (1977), 469; Kaser / Hackl, RZ, §  50, S.  349; Hackl, Praeiudicium, S.  298– 313. Zur Rechtskraft des Urteils s. Abschnitt 3, B. IV.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

2. Die cognitio extra ordinem Neben das ordentliche Verfahren tritt die cognitio extra ordinem398 als außerordentliches Verfahren. Daraus, dass bei Statusprozessen häufig auch über das Bürgerrecht entschieden wurde und damit auch öffentliche Interessen berührt waren399, wird geschlossen, dass sich in diesem Bereich die cognitio extra ordinem schnell entwickelte400. Quellenbelege stützen diese These allerdings nicht. Dass Prozesse über die fideicommissaria libertas401 als cognitio extra ordinaria geführt wurden, hat keine Bedeutung für sonstige Freiheitsprozesse. Es handelte sich um einen Sonderfall: Der Erblasser ließ den Sklaven nicht selbst frei, sondern vertraute die Freilassung einem anderen per fideicommissum an. Der Sklave wurde erst mit der Freilassung frei und hatte deshalb ohne adsertor keine rechtliche Handhabe402. Um ihm die gerichtliche Geltendmachung der Freiheit zu ermöglichen und ihn damit zu privilegieren, wurde ihm schon unter Augustus, die Möglichkeit gegeben, im Kognitionsverfahren gegen seinen fideikommissarischen Eigentümer vorzugehen. Zunächst waren die consules zuständig, später der praetor fideicommissarius403. Für die übrigen Prozesse, in denen die Freiheit gerichtlich geltend gemacht wurde, war weiterhin ein adsertor erforderlich. Wahrscheinlich wurden diese Freiheitsprozesse erst als Kognitionsverfahren geführt, als diese Prozessform neben den Formularprozess trat404. Zuständig für die Entscheidung des außerordentlichen Freiheitsprozesses sind zunächst die consules. Dies zeigen spätklassische Texte von Papinian und Ulpian405. Pap. D.  40, 14, 4 (22 quaest.), der häufig als Quellenbeleg angeführt wird406, beschäftigt sich freilich nicht mit dem Freiheitsprozess: Pap. D.  40, 14, 4 (22 quaest.) Oratio, quae prohibet apud consules aut praesides provinciarum post quinquennium a die manumissionis in ingenuitatem407 proclamare, nullam causam aut personam excipit. 398  Kaser / Hackl,

RZ, §  68, S.  457; Kaser, St. Sanfilippo 2, S.  242. RZ, §  68, S.  451, 457. 400  Franciosi, Il processo, S.  124; Bongert, Recherches, S.  198. 401  Inst. 2, 23, 1; Quint. inst. or. 3, 6, 70; Gai. 2, 278; zur Parteifähigkeit des Sklaven vgl. Abschnitt 2, A. 402  Kaser / Hackl, RZ, §  68, S.  452 m. w. N.; Kaser, RP 1, §  69, S.  295. 403  Kaser / Hackl, RZ, §  68, S.  453. 404  Kaser / Hackl, RZ, §  66, S.  438. 405  Ulp. D.  40, 12, 27, 1 (2 off. cons.). 406  Franciosi, Il processo, S.  124. 407  Der Florentinus liest ingenuitate, Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  688 Fn.  21; Mommsen, Digesta 2, S.  485 Anm. Z.  8. 399  Kaser / Hackl,



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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In diesem Fragment geht es um den Ingenuitätsprozess, was der Bezug zum Tag der manumissio deutlich macht. Ein Freigelassener oder eine Freigelassene wollen in dem der quaestio zugrunde liegenden Fall ihre ingenuitas geltend machen. Ulp. D.  40, 12, 27, 1 (2 de off. cons.) ist dagegen ein eindeutiger Beleg: Si ea persona desit cognitioni, quae alicui status controversiam faciebat, in eadem causa est qui de libertate sua litigat, qua fuit, priusquam de libertate controversiam patiatur: sane hoc lucratur, quod is qui eam status controversiam faciebat amittit suam causam. nec ea res ingenuum facit eum qui non fuit: nec enim penuria adversarii ingenuitatem solet tribuere. recte atque ordine iudices408 puto facturos, si hanc formam fuerint consecuti409, ut, ubi deest is qui in servitutem petit, electionem adversario deferant, utrum malit cognitionem circumduci an audita causa sententiam proferri. et410 si cognoverint, pronuntiare debebunt servum illius non videri: neque haec res captionem ullam habet, cum non ingenuus pronuntietur, sed servus non videri. quod si ex servitute in ingenuitatem se allegat411, melius fecerint, si cognitionem circumduxerint, ne sine adversario pronuntient ingenuum videri, nisi magna causa suadeat et evidentes probationes suggerant secundum libertatem pronuntiandum: ut etiam rescripto Hadriani continetur.

Der Text stammt aus dem zweiten Buch der Schrift zum Amt des Konsuls. Dieses beschäftigt sich mit Statusstreitigkeiten412. Iudices sind deshalb die consules. Ob Ulpian im ursprünglichen Text consules413 schrieb oder ob er iudices als Oberbegriff für die zuständigen Richter verwendete, die aufgrund des Standorts nur die Konsuln sein können, kann dahingestellt bleiben. Franciosi414 ist der Ansicht, dass die Zuständigkeit der consules schon unter Antoninus Pius besteht415 und belegt das mit D. 35, 1, 50. Ulp. D. 35, 1, 50 (1 de off. cons.) Si cui libertas data sit directo sub hac condicione ‚si rationes reddidisset‘, arbitrum a consulibus divus Pius dari permisit his verbis: ‚aditi a vobis amplissimi consules arbitrum dabunt, qui excussis rationibus non tantum quae reliqua sunt Epaphroditi constituent, verum etiam quas rationes quaeque instrumenta tradere 408  Gradenwitz hält iudices für eine Interpolation für die consules, Krüger / Mommsen, Corpus iuris civilis, Bd.  1, S.  687 Fn.  1; ihm folgt Lenel, Pal 2, Sp.  953 Fn.  3: consules. 409  Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  687 Fn.  2, und Mommsen, Digesta 2, S.  481 Fn.  2, ändern consecuti zu secuti. 410  Mommsen streicht et, Krüger / Mommsen, CIC.  1, S.  687 Fn.  3; Mommsen, Digesta 2, S.  481 Fn.  3. 411  Lenel hält „si allegat“ für justinianisch; Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  687 Fn.  4. 412  Lenel, Pal 2, Sp.  952, Nr. 2059. 413  Lenel, EP, S.  26; ders., Pal. 2, Sp.  953 Fn.  3; Franciosi, Il processo, S.  124. 414  Franciosi, Il processo, S.  124. 415  D.  35, 1, 50; Bonfante, Corso, 1.156.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

aut exhibere dominis suis debeat: cuius sententiae cum fuerit satisfactum, non impedietur Epaphroditi libertas‘.

Der Text stammt ebenfalls aus Ulpians Schrift zum Amt des Konsuls, er befindet sich aber nicht bei den Statusstreitigkeiten im zweiten Buch416. Das erste Buch beschäftigt sich mit prozessualen Fragen wie der Bestimmung von arbiter und iudex und der Aufschiebung von Fristen (de dilationibus)417. Der vorliegende Text ist in den ersten Teil des ersten Buchs einzuordnen418, es geht um ein Reskript von Antoninus Pius, der die Bestimmung eines arbiter durch die Konsuln behandelt. Diesem Reskript liegt folgender Sachverhalt zugrunde419: Dem Sklaven Epaphroditus wird von seinem Herrn testamentarisch unter der Bedingung der Rechnungslegung420 die Freiheit gewährt. Da die Erben mit der Rechnungslegung nicht zufrieden sind, sehen sie die Bedingung als nicht erfüllt an. Die consules können zur Klärung der Frage, ob die Abrechnung richtig vorgenommen wurde, einen arbiter bestellen. Zur Entscheidung des Freiheitsprozesses sind aber die consules berufen. Da die Freiheit des Sklaven Gegenstand des Prozesses ist, handelt es sich hier um einen Freiheitsprozess421. Der vorliegende Text kann somit die Zuständigkeit der consules schon zur Zeit des Antoninus Pius beweisen. Es ist davon auszugehen, dass schon Anfang des zweiten Jahrhunderts n. Chr. in dieser Form über die Freiheit verhandelt wurde. Durch Ulpians Schrift lässt sich sicher sagen, dass sie bis Caracalla zuständig sind. Nach Diokletian ist ihre Zuständigkeit nicht mehr nachweisbar422. Zu dieser Zeit ist der praetor de liberalibus causis zuständig. Wann diese Sonderprätur423 begründet wurde, ist unklar. Die Ansätze schwanken zwischen dem Zeitalter der Antoninen und dem der Severer, teilweise wird sogar angenommen, dass sie schon unter Hadrian existier416  Lenel,

Pal 2, Sp.  952. Pal 2, Sp.  951; Franciosi, Il processo, S.  125, geht fälschlicherweise davon aus, dass sich das erste Buch mit der tutela beschäftigt und verweist auf Nicolau, Causa liberalis, S.  63, dieser Verweis geht allerdings ins Leere. 418  Lenel, Pal 2, Sp.  951, Nr. 2051. 419  Jörs, FS Jhering, S.  13. 420  In den Digesten ist dieser Text unter dem Titel: De condicionibus et demonstrationibus eingeordnet. 421  Es besteht kein Zusammenhang zur libertas fideicommissaria, so Mommsen, CIC Bd.  1, S.  544 Fn.  2, der auf D.  47, 4, 1, 7, verweist, vgl. Franciosi, Il processo, S.  215; Jörs, FS Jhering, S.  14. 422  Jörs, Gerichtsverfassung, FS Jhering, S.  15. 423  Zu den Sonderpräturen s. Kaser / Hackl, RZ, §  69, S.  463; zum praetor de liberalibus causis, s. Jörs, FS Jhering, S.  43. 417  Lenel,



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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te424. Der praetor de liberalibus causis findet sich im Codex Iustinianus425 und ist inschriftlich belegt426. Alex. C. 4, 56, 1 (a. 223) Praefectus urbis amicus noster eam, quae ita venit, ut, si prostituta fuisset, abducendi potestas esset ei, cui secundum constitutionem divi Hadriani id competit, abducendi faciet facultatem: quod si eum patientiam accommodasse contra legem quam ipse dixerat, ut in turpi quaestu mulier haberetur, animadverterit, libertate competente secundum interpretationem eiusdem principis perduci eam ad praetorem, cuius de liberali causa iurisdictio est, ut lis ordinetur, iubebit. nec enim tenor legis, quam semel comprehendit, intermittitur, quod dominium per plures emptorum personas ad primum qui prostituit sine lege simili pervenit.

Im vorliegenden Fall geht es um eine Sklavin, die mit der Auflage verkauft worden ist, dass der Käufer sie nicht prostituiert. Wird gegen diese Klausel verstossen, darf der Verkäufer die Sklavin wieder zurücknehmen. Hat der Verkäufer und Ersteigentümer die Prostitution durch den Käufer geduldet, so kann die Sklavin ad praetorem, cuius de liberali causa iurisdictio est ihre Freiheit geltend machen. Der praetor de liberalibus causis urteilte somit sicher zur Zeit von Kaiser Alexander Severus. Aus dieser Konstitution kann aber nicht geschlossen werden, dass diese Prätur schon zu Zeiten Hadrians existierte, denn die dort zitierte Konstitution Hadrians äußerte sich nicht zur Zuständigkeit im Freiheitsprozess. Möglich ist auch, dass der Relativsatz cuius … est hinter ad praetorem von den Kompilatoren eingefügt wurde427. Die inschriftlichen Belege weisen diese Prätur schon vor Alexander Severus nach428. CIL 10, 5398 ehrt C. Octavius Appius Suetrius Sabinus429, der unter anderem praetor de liberalibus causis war. Da belegt ist, dass Sabinus im Jahre 214 Konsul war, muss er um das Jahr 206 Prätor gewesen sein, obwohl acht Ämter zwischen Prätur und Konsulat liegen430. In den Digesten kommt der praetor de liberalibus causis nicht vor. In zwei Texten von Ulpian431 soll er nachträglich entfernt worden sein. Da diese Texte aber dessen Ediktskommentar entnommen wurden, kann es sich nur um den praetor urbanus handeln432. Streitstand vgl. Franciosi, Il processo, S.  126 m. w. N. C. 4, 56, 1 (a. 223); Constant. C. 1, 39, 1 (a. 359) = CTh. 6, 4, 16; vgl. auch Constant. C.  7, 1, 4 (a. 319–323). 426  CIL 10, 5398 = ILS 1159 = AE 1982, 121; CIL 8, 22721 = ILS 8978 (a. 220). 427  Franciosi, Il processo, S.  127. 428  Mommsen, Staatsrecht 2, 226. 429  Thomasson, Art. Octavius 40, RE Suppl. 9, 463–465; Eck, Art. Octavius 40, RE Suppl. 14, 290; Johne, PIR V 3 (1987), 415–418 = Nr. 25. 430  Jörs, FS Jhering, S.  43. 431  Ulp. D.  40, 12, 5, 1 (54 ad ed.); Ulp. D.  40, 12, 7, 5 (54 ad ed.). 432  Franciosi, Il processo, S.  129. 424  Zum

425  Alex.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Das vorhandene Quellenmaterial lässt auf eine parallele Zuständigkeit433 von consules und praetor de liberalibus causis zum Anfang des dritten Jahrhunderts schließen. Für die nachklassische Zeit ist nur noch der praetor de liberalibus causis belegt434, die Kompetenz der consules wird spätestens durch die diokletianische Umgestaltung der Verfassung beseitigt435. Anders als der Stadtprätor überdauerte diese Sonderprätur die diokletianische Reform436. In der nachklassischen Zeit, als das Christentum einen entscheidenden Einfluss gewonnen hatte, trat neben die Kompetenz der weltlichen Magistraten eine konkurrierende Zuständigkeit der Bischöfe437 für Fälle, in denen eine Sklavin prostituiert wurde438. III. Der Freiheitsprozess außerhalb Roms Die Lex Irnitana gibt tiefe Einblicke in den provinzialen Prozess und damit auch in den Freiheitsprozess. Weitere Statusprozesse sind für Italien und Ägpyten bezeugt, literarische Quellen lassen Rückschlüsse auf den Freiheitsprozess in der Provinz Asia und in Bithynien zu. Die folgende Darstellung konzentriert sich auf den Freiheitsprozess in der Provinz Baetica, Italien und in Ägypten und die Rückschlüsse, die allgemein für den provinzialen Freiheitsprozess gezogen werden können. 1. Baetica a) Die Rechtsprechung der duumviri, Kap.  84 Lex Irnitana



R(ubrica). Quarum rerum et ad quantam pecuniam in eo municipio i(uris) d(ictio) sit.



IXB



[Qu]i eiu┌s┐ municipi municipes incolaeve erunt, q(ua) d(e) r(e) ii inter se suo alte-

Ansicht ist Franciosi, Il processo, S. 132. CTh. 6, 4, 16 (a. 359) = C.  1, 39, 1. 435  Jörs, FS Jhering, S.  48. 436  Mommsen, Staatsrecht 2, S.  226. 437  Nicolau, Causa liberalis, S.  68 Fn.  114, 81. 438  Konst. C.  Th. 15, 8, 1; Theod. / Valent. C.  1, 4, 12 (a. 428); Leo C.  1, 4, 14 (Jahr unbekannt); Zur abredewidrigen Prostitution einer Sklavin vgl. Alex. C.  4, 56, 1 (a. 223), die Zuständigkeit der Bischöfe war der Abschluss einer schon unter Vespasian begonnenen Entwicklung (D.  37, 14, 8 pr.) des Schutzes von Sklavinnen; vgl. Nicolau, Causa liberalis, S. 81, 68, Fn.  114. 433  Anderer

434  Constant.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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[r]ive nom┌i┐n qui municeps incolave sit privatim intra fines eius



[m]unicipi agere petere persequi volent, quae res HS (sestertium)∞(mille) minorisve



[eri]t, neque ea res dividua quo fraus huic legi fieret facta sit fiatve

5

aut de capite libero deve maiore pecunia quam HS (sestertiis)∞(mille) praeiudicium



futurum erit sponsiove {[s]ponsioneve} facta futurave erit, neque



ea res agetur qua in re v┌i┐ factum sit quod non439 ex interdicto



decretove iussuve eius qui iure dicundo praerit factum sit, ne-



que de libertate, neque pro socio aut fiduciae aut mandati qu-

10

od d(olo) m(alo) factum esse dicatur, aut depositi, aut tutelae cum quo



qui{s} suo nomine [q]uid earum rerum fecisse dicatur, aut lege



Laetoria, aut d[e spo]nsione quae in probrum facta esse dic┌a┐-



tur, aut d(e) d(olo) m(alo) et [fraud]e, aut furto cum homine libero libera-



ve, aut cum serv[o dum i]d440 ad dominum dominamve perti-

15

nebit, aut iniur[iaru]m cum homine libero libera{m}ve



agetur, eave de re [aliquid441] praeiudicium futurum sit de ca-



pite libero, de is re[bus etia]m, si uterque inter quos ambig{er}etur



volet, de ceteris quo[que o]mnibus de quibus privatim age-



tur neque in iis prae[iudici]um de capite libero futurum

20

erit, et omnium rerum [dumtaxa]t de vadimonio promittendo in eum



[locum in] quo is erit qui [e]i provinciae praerit futurusve esse vi-



debitur eo die in quem ut vadimonium promittatur postula-



bitur, IIvir(i), qui ibi i(ure) d(icundo) praeerit, iuris dictio, iudicis arbitri



recuperatorum, ex is qui ibi propositi erunt, iudico datio

25

addictio, it[e]m eadem condicione, de eo quod HS (sestertium)∞(mille) mi­ noris-



ve erit, aedilis qui ibi erit iuris dictio iudicis arbitri re-



ciperatorum ex eodem genere iudicique datio addictioq(ue)



esto. 439  Lamberti,

Tabulae Irnitanae, S.  348, ergänzt eius. Tabulae Irnitanae, S.  348, ergänzt furtum. 441  Lebek, ZPE 97 (1993), 167, ersetzt aliquid durch qua in re, so auch Rodger, ZPE 84 (1990), S.  147; Lamberti, Tabulae Irnitanae, ergänzt stattdessen nullum. 440  Lamberti,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

aa) Grundsätzliche Zuständigkeitsverteilung und Prorogation Das municipium Irni befindet sich in der senatorischen Provinz442 Baetiund untersteht einem proconsul als Statthalter. Provinzhauptstadt ist Corduba (Cordóba). Die Lex Irnitana ist die Munizipialverfassung von Irni, ihr liegt das Edikt des Provinzialstatthalters zugrunde444. Kap.  84 regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der duumviri, diese sind neben den aediles445 als lokale Magistrate für die Rechtsprechung zuständig446 und zwar immer dann, wenn Bewohner der Stadt Irni innerhalb der Grenzen des Stadtgebietes klagen (Z.  1–3)447. ca443

Die sachliche Zuständigkeit wird durch den Streitwert in Höhe von 1000 Sesterzen begrenzt448 (vgl. Z.  3). Sie gilt auch für die Erhebung eines praeiudicium und für das Sponsionsverfahren (Z.  5 deve maiore pecunia quam (sestertiis) (mille) praeiudicium futurum erit; Z.  6: futurum erit sponsiove) und darf nicht durch Teilung und Erhebung mehrerer Klagen umgangen werden (Z.  4: neque ea res dividua quo fraus huic legi fierte facta sit). In Z.  6–16 werden Klagen aufgezählt, die die duumviri grundsätzlich nicht entscheiden dürfen. Für den Freiheitsprozess gibt es, ebenso wie im römischen Formularprozess, drei unterschiedliche Verfahrensformen: das praeiudicium de capite libero449, der Prozess per sponsionem und das Verfahren per formulam petitoriam450. Alle drei Verfahrensarten fallen grundsätzlich nicht in die Kompetenz der duumviri (vgl. Z.  5 / 6 und 9). Eine abweichende Vereinbarung der sachlichen Zuständigkeit ist möglich, die Parteien können sich auf die Zuständigkeit der duumviri einigen. Dies ergibt sich aus Z.  16 und 17: de is rebus etiam, si uterque, inter quos ambigetur, volet. 442  Burton, Promise of Vadimonium, Cl.Qu., 46 No 1 (1996), 219; Mentxaka, El senado municipal, S.  33. 443  Augustus teilt die iberische Insel in drei neue Provinzen auf: Tarraconensis, Lusitania und Baetica, s. Wolf, Mapping the Law, S, 443; Mentxaka, El senado municipal, S.  32, mit exakten geographischen Daten. Vespasian erteilt dann ganz Spanien das ius Latinum; Plin. nat. hist. 3, 30; Wolf, Mapping the Law, S.  444; Die Entwicklung im Detail schildert Mentxaka, El senado municipal, S.  35–37. 444  Gai. 1, 6; Kaser / Hackl, RZ, §  33, S.  243. 445  Zu den aediles, s. Wolf, SDHI 66 (2000), 54; Rodger, ZPE 84 (1990), 151. 446  Rodger, ZPE 84 (1990), 147. 447  Vgl. Wolf, SDHI 66 (2000), 31. 448  Zu den Beschränkungen der Munzipalgerichtsbarkeit, vgl. Kaser / Hackl, RZ, §  24, S.  177. 449  Vgl. C. II. 1. a). 450  Nörr, Interdiktenverfahren, Iuris vincula, S.  82.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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bb) Reichweite der Prorogation Unklar ist, wie weit die Prorogationsklausel reicht. Bezieht man die Klausel aus Z.  16 auf das gesamte Kap.  84, dann könnte die Kompetenz der duumviri für alle Klagen vereinbart werden, die den Wert von 1000 Sesterzen überschreiten oder wegen ihres Inhalts von der Zuständigkeit der duumviri ausgenommen sind451. Nur das in Z.  19 nochmals aufgeführte praeiudicium de capite libero452 könnte dann niemals vor den lokalen Magistraten entschieden werden. Die Zuständigkeit des Statthalters wäre damit nur eine grundsätzliche, es läge allein in der Hand des Beklagten, ob in Irni verhandelt wird oder ob der Kläger sein Recht vor dem Statthaltergericht einfordern muss. Ob das den Interessen der Verfasser der Lex Irnitana entsprochen hätte, ist stark zu bezweifeln. Die Beschränkungen der Zuständigkeit der Magistrate haben nicht nur den Zweck, den Beklagten zu schützen, sondern behalten gewisse Prozesse dem Statthalter vor. Schließlich sind auch in Rom für die Freiheitsprozesse mit dem Prätor einerseits und Konsuln und praetor de liberalibus causis andererseits die höchsten Magistrate zuständig. Eine andere Interpretation ergibt sich aus der grammatikalischen Struktur, wie folgende Gliederung zeigt453: Qui eius municipi municipes incolaeve erunt qua de re ii inter se suo alteriusve nomine, qui municeps incolave sit, privatim intra fines eius municipi agere petere persequi volent, quae res HS ∞ minorisve erit, neque ea res dividua, quo fraus huic legi fieret, facta sit fiatve aut de capite libero deve maiore pecunia quam HS ∞ praeiudicium futurum erit sponsiove facta futurave erit, neque ea res agetur qua in re vi factum sit quod454 non ex interdicto decretove iussuve eius, qui iure dicundo praerit, factum sit, neque de libertate, neque pro socio aut fiduciae 451  So z. B. Metzger, Civil Trial, S.  68; Kaser / Hackl, RZ, §  24, S.  183; Lamberti, Tabulae Irnitanae, S.  67, 148; Lebek, La lex lati, ZPE 97 (1993), 165; Rodger, ZPE 84 (1990), 149; vgl. Wolf, SDHI 66 (2000), 32 Fn. 27 m. w. N. sowie 33 Fn. 38. 452  Vgl. Z.  16; Rodger, ZPE 84 (1990), 149. 453  Wolf, SDHI 66 (2000), 32  f. 454  Wolf, SDHI 66 (2000), 32, fügt eius ein.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht aut mandati quod dolo malo factum esse dicatur, aut depositi, aut tutelae cum quo qui suo nomine quid earum rerum fecisse dicatur, aut lege Laetoria, aut de sponsione quae in probrum facta esse dicatur, aut de dolo malo et fraude, aut furto cum homine libero liberave, aut cum servo dum id ad dominum dominamve pertinebit, aut iniuriarum cum homine libero liberave agetur, eave de re [in qua455] praeiudicium futurum sit de capite libero456 de is rebus etiam, si uterque, inter quos ambigetur, volet, de ceteris quo[que o]mnibus de quibus privatim agetur neque in iis prae[iudici]um de capite libero futurum erit, et omnium rerum de vadimonio promittendo in eum locum in quo is erit, qui ei provinciae praerit futurusue esse videbitur eo die in quem, ut vadimonium promittatur postulabitur, IIviri, qui ibi iure dicundo praeerit,

iuris dictio, iudicis arbitri recuperatorum, ex is qui ibi propositi erunt, iudico datio addictio item eadem condicione de eo, quod HS ∞ minorisve erit, aedilis, qui ibi erit, iuris dictio iudicis arbitri reciperatorum ex eodem genere iudicique datio addictioque esto.

Grammatikalisch kann sich die Prorogationsklausel nicht auf die Streitwertgrenze beziehen457. Die Wertgrenze wird positiv festgelegt, während alle anderen Ausnahmen mit neque eingeleitet werden. Eine weitere strikte Wertgrenze ist in Kap.  89 zu finden: In dieser Regelung zur Richterbestellung wird ebenfalls eine fixe Grenze in Höhe von 1000 Sesterzen angeordnet458. Wertgrenzen sind auch in anderen Gerichtsordnungen überliefert. Für die spätrepublikanische Gerichtsordnung Italiens belegt das Fragmentum Ates455  Wolf,

qua.

SDHI 66 (2000), 32, folgt Rodger, ZPE 84 (1990), 147, und ergänzt in

456  Diesen Teil betrachtet Wolf, SDHI 66 (2000), S.  32 Fn.  28, als einer anderen Textschicht zugehörig. 457  Wolf, SDHI 66 (2000), 35, 45; Hackl, SZ 114 (1997), 151; anderer Ansicht sind beispielsweise Lamberti, Tabulae Irnitanae, S.  148; Rodger, ZPE 84 (1990), 149. 458  Wolf, SDHI 66 (2000), 37.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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tinum459 eine Streitwertgrenze von 10.000 Sesterzen. Die lokale Gerichtsbarkeit in der Provinz Gallia Cisalpina schränkt eine allgemeine Streitwertgrenze von 15.000 Sesterzen ein, wie die Capp. 21 und 22 der Lex de Gallia Cisalpina460 (auch als Lex Rubria bekannt) zeigen461. Diese Wertgrenzen waren allerdings, anders als in Irni, disponibel462. Nach den Regeln der Lex Irnitana hat der Kläger bis zu einem Streitwert von 1000 Sesterzen bei privaten Rechtsstreitigkeiten einen Anspruch darauf, vor dem lokalen Magistrat gehört zu werden463. Bei allen Zivilprozessen mit einem höheren Streitwert sind die duumviri lediglich für die Entgegennahme eines Verweisungvadimoniums zuständig464. Es ist allerdings gut vorstellbar, dass die duumviri in der Praxis dennoch über Streitigkeiten mit einem höheren Streitwert in Irni verhandeln, wenn beide Parteien sich darauf verständigen. 459  Fr. Atest. Z.  1–9 (ed. Crawford, Roman Statutes 1, S.  319): mandati aut t­ utelae, suo nomine quodve ipse earum rerum / quid gessisse dicetur, addicetur aut quod furti quod ad ho- / minem liberum liberamve pertinere deicatur, aut iniuri- / arum agetur, sei is, a quo petetur quomve quo agetur, / de ea re in eo municipio colonia prafectura iudicio certa- / re volet et si ea res sestertium decem milium minorisve erit, quo minus ibei de ea re / iudex arbiterve addicatur detur quove minus ibei de ea re / iudicium ita feiat, utei de ieis rebus, quibus ex hac lege iudicia / data erunt, iudicium fierei exerceri oportebit, ex hac lege nihilum rogatur. Vgl. Wolf, SDHI 66 (2000), 48; Ziegler, FS Kaser, S.  559. 460  Wolf, SDHI 66 (2000), 49; Kap. 21 (ed. Crawford, Roman Statutes 1, S. 465) a quocumque pecunia certa credita  …  petetur, quae res non pluris HS XV erit, sei is eam pecuniam in iure  …  dare oportere debereve se cofessus erit (…). Kap.  22 a quo quid praeter pecuniam certam creditam (…) petetur, … quae res non pluris HS XV erit, et sei ea res erit, de qua re omnei pecunia ibei ius deicei iudiciave darei ex hac lege oportet oportebit, sei is eam rem … in iure … dare facere praestare restituereve oportere aut se debere … confessus erit … 461  Zu den Streitwertgrenzen in der Lex Irnitana und der Lex Rubria vgl. Rodger, ZPE 110 (1996), 189–206; Zur Frage, ob das Fr. Atest. Teil der Lex Rubria war, vgl.  Crawford, Roman Statutes 1, S.  314–317; Lintott, Imperium Romanum, S.  69; Simshäuser, Iuridici, S.  194. 462  Simshäuser, Iuridici, S.  190, ist der Ansicht, dass diese Streitwertgrenzen lediglich die ausschließliche Zuständigkeit der Munizipalgerichte für Klagen mit einem niedrigeren Streitwert anordnen. Wird eine Klage mit einem höheren Streitwert erhoben, so kann der Magistrat selbst seine Unzuständigkeit nicht erklären. Es liegt in der Hand des Beklagten, ob die Klage nach Rom weiterverwiesen oder vor Ort verhandelt wird. Schließlich ist es nicht zumutbar, die Parteien bei allen Klagen mit einem höheren Streitwert zu zwingen, vor den Prätor nach Rom zu ziehen. Die Grenze hat den Sinn, die Parteien in Prozessen um Bagatellbeträge vom Gang nach Rom abzuhalten. Dies könnte für die italischen Provinzen gegolten haben, in denen immer der Prätor zuständig ist, wenn die Lokalmagistrate es nicht sind; vgl. Wlassak¸ PG 1, 197. Dies wird auch durch Paul. D.  50, 1, 28 (1 ad ed.) belegt; Rodger, ZPE 84 (1990), 149; Simshäuser, Iuridici, S.  190. 463  Lamberti, Tabulae Irnitanae, S.  153; Rodger, ZPE 84 (1990), 150. 464  Zu vadimonium und in ius vocatio, s. Fuenteseca, Scritti Impallomeni, S. 235.

102

2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Neben der Streitwertgrenze schränken inhaltliche Gesichtspunkte die Rechtsprechung der duumviri ein465. Die Klagen, die solchermaßen ausgenommen sind, lassen sich in vier Gruppen unterteilen, die jeweils mit neque eingeleitet werden466. In der ersten Gruppe werden praeiudicia und sponsiones mit einem 1000 Sesterzen übersteigenden Streitwert ausgeschlossen und solche de capite libero. Letztere sollen die duumviri auch wenn sie einen Wert unter 1000 Sesterzen haben, nicht verhandeln dürfen. Die Parteien legten die Sponsionssumme selbst fest und es ist wahrscheinlich, dass sie auch den Wert des praeiudicium bezifferten. Wollten die Beteiligten vor den lokalen Magistraten verhandeln, so lag das ganz in ihrer Hand. Freiheitsprozesse sollten aber nie unter die Zuständigkeit der duumviri fallen. Für die formulae petitoriae ergibt sich das aus dem dritten neque-Satz467. In die zweite Gruppe fallen alle Streitsachen, deren Tatbestand Gewaltanwendung voraussetzt468. Die dritte Gruppe umfasst lediglich die causae liberales. Grund für die Zuständigkeit des Statthalters in den Fällen der zweiten und dritten Gruppe ist vermutlich das öffentliche Interesse469. Verurteilungen aus Klagen, um die es im vierten neque-Satz geht (vgl. Z.  7–15), haben die Infamie zur Folge470. Bei den ersten fünf Klagen (pro socio, fiduciae, mandati, depositi, tutelae) haftet auch der Erbe471. Da dieser aber nicht infam wird, kann gegen ihn vor den duumviri geklagt werden. Diese Einschränkung ist bei den passiv unvererblichen Klagen ex lege (P) Laetoria, de dolo malo, de furti und inuriarum472 nicht notwendig473. Bei der sponsio in probrum facta handelt es sich weder um eine Strafklage noch hat sie infamierende Wirkung. Es ist wahrscheinlich, dass sie eine vergleichbare ausführlich: Lamberti, Tabulae Irnitanae, S.  153–167. SDHI 66 (2000), 33. 467  Wolf, SDHI 66 (2000), 40. 468  Nörr, Interdiktenverfahren, Iuris vincula 6, S.  76; Wolf, SDHI 66 (2000), 40. 469  Wolf, SDHI 66 (2000), 45: „Bei Gewaltanwendung forderte das Friedensgebot die Zuständigkeit des Statthalters, in Statusfragen die Ordnung des Gemeinwesens.“ 470  Nörr, SZ 124, 4; Lamberti, Tabulae Irnitanae, S.  154; D’Ors, La Ley Flavia Municipal (Texto y comentario), S.  171; D’Ors, Sodalitas 6, S.  2581; auch das Frg. Atest. und die Lex Rubria kannten einen Ausschluss von infamierenden Klagen, vgl. Wolf, SDHI 66 (2000), 48 (Frg. Atest.) und 50 (Lex Rubria); Isid. orig. 15, 2, 10 deutet darauf hin, dass infamierende Klagen und Freiheitsprozesse bis in die Spät­ antike von der lokalen Gerichtsbarkeit ausgeschlossen waren, vgl. dazu Abschnitt 1, C. III. 471  Wolf, SDHI 66 (2000), 44. 472  Mit Konstellationen der actio furti und inuriarum beschäftigt sich Rodger, ZPE 84 (1990), 151–161. 473  Wolf, SHDI 66 (2000), 44. 465  s. dazu

466  Wolf,



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

103

Belastung für den sponsor darstellte, weil sie seine Reputation zum Gegenstand hatte und deshalb in die Zuständigkeit des Statthalters fiel474. Die Prorogationsklausel „de is rebus etiam, si uterque, inter quos ambigetur, volet“ (Z.  16 / 17) könnte sich grammatikalisch entweder auf alle vier Gruppen beziehen oder nur auf die letzte Gruppe475. Gegen einen Bezug der Prorogationsklausel auf die erste Gruppe spricht, dass die Streitwertgrenze nicht zur Disposition der Parteien steht. Es wäre widersprüchlich, wenn bei sponsiones oder praeiudicia etwas anderes galt. Dann könnte jeder Rechtsstreit, der einen höheren Wert als 1000 Sesterzen hat, mit Einverständnis des Beklagten als sponsio geltend gemacht werden. Der absolute Ausschluss muss daher auch für die Klagen gelten, die geeignet sind, die Streitwertgrenze zu umgehen. Aus diesem Grund können die Parteien nur für die Klagen der vierten Gruppe eine abweichende Vereinbarung treffen476. Anders als Gewalttaten oder Freiheitsprozesse477 liegen diese Klagen im privaten Interesse der Parteien, die deshalb auch die Hoheit über den entscheidenden Magistrat haben sollen. cc) Redundanz von Textpassagen zum praeiudicium de capite libero Die unter bb) erläuterte Auslegung von Kap.  84 ist schlüssig. Problematisch ist jedoch, dass dann drei Textpassagen redundant zu sein scheinen. Bezieht man die Prorogationsklausel nur auf die infamierenden Klagen der vierten Gruppe, so stellt sich die Frage, warum das praeiudicium de capite libero mehrmals wiederholt wird. Wolf478 ist der Ansicht, dass die mehrfache Nennung überflüssig sei und es sich deshalb um Überlieferungsfehler handle. Während es bei der ersten Wiederholung in Z.  16 durchaus möglich ist, dass die Klausel einer anderen Textschicht angehört479 und später der Vorlage hinzugefügt wurde, vermag das Argument, die zweite Wiederholung in Z. 19 sei „unlogisch und gehe sozusagen ins Leere“480 nicht zu überzeugen. Zudem soll Z.  18  f: de ceteris quoque omnibus de quibus privatim agetur Wolf, SDHI 66 (2000), 44. SDHI 66 (2000), 45. 476  Zur Prorogationsmöglichkeit bei infamierenden Klagen im Fr. Atest. und der Lex Rubria, vgl. Wolf, SDHI 66 (2000), 48–50. 477  Wolf, SDHI 66 (2000), 46; zur Gegenansicht vgl. Fn.  119; so auch Kaser / Hackl, RZ, §  24, S.  178 Fn.  46. 478  Wolf, SDHI 66 (2000), 32 und 52. 479  Wolf, SDHI 66 (2000), 32 Fn.  28. 480  Wolf, SDHI 66 (2000), 52. 474  So

475  Wolf,

104

2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

redundant481 sein. Wenn es für eine Theorie notwendig ist, Teile des Textes für überflüssig zu halten, ist äußerste Vorsicht geboten482. Daher ist nach anderen Erklärungen zu suchen. In Z.  16 und 17 heisst es im Anschluss an die Injurienklage eave de re aliquid praeiudicium futurum sit. „Über diese Sache“ soll also ein praeiudicium de capite libero ergehen können. Ea res bezieht sich auf die vorher aufgeführte actio iniuriarum. Es geht um eine bestimmte Art der iniuria, wenn eine Person eine andere fälschlich als Sklave bezeichnet hat483. In diesen Fällen muss zunächst der Status des Klägers festgestellt werden, um zu entscheiden, ob die Injurienklage begründet ist. Dazu bedarf es eines Hilfsprozesses, der sich genau mit dieser Vorfrage beschäftigt und sie bindend für den Hauptprozess entscheidet484. Dabei handelt es sich um ein praeiudicium de capite libero485. Dass ein solches praeiudicium de capite libero an dieser Stelle aufgeführt ist, erklärt sich folgendermaßen486: Nach den Regelungen der Lex Irnitana sind alle Prozesse von der Zuständigkeit der duumviri (auch bei einem Streitwert von bis zu 1000 Sesterzen) ausgeschlossen, die sich mit der iniuria an einem freien Mensch befassen. Ist jedoch der Sklavenstatus des Klägers Gegenstand der inuria, kann der Beklagte auf der Zuständigkeit der lokalen Magistrate beharren. Schließlich baut seine ganze Verteidigung darauf auf, dass es sich beim Kläger um einen Sklaven handelt. Ohne den eave-Satz müssten die duumviri inzident über den Status entscheiden. Da Statusprozesse nie vor dem örtlichen Magistrat gehört werden sollen, muss das praeiudicium de capite libero im Zusammenhang mit der actio iniuriarum explizit genannt werden, um eine Entscheidung der duumviri zu verhindern. In diesem Fall ist das praeiudicium anders als in Z. 5 kein selbständiges Feststellungsverfahren487, sondern es ist auf eine Vorentscheidung gerichtet488. Wolf, SDHI 66 (2000), 51; Gonzáles, JRS 76 (1986), 229. ZPE 84 (1990), 149: „We should be very wary of a conclusion that part of the text is redundant.“ 483  Ulp. D.  47, 10, 11, 9 (57 ad ed.); Gai. D.  47, 10, 12 (22 ad. ed. prov.); Rodger, ZPE 84 (1990), 156. 484  Kaser / Hackl, RZ, §  50, S.  348; ausführlich zur Bindungswirkung von praeiudicia: Hackl, Praeiudicium, S.  298–318; kritisch dazu Liebs, SZ 94 (1977), 467– 470. 485  Rodger, ZPE 84 (1990), 157. 486  Rodger, ZPE 84 (1990), 157. 487  Zum Einsatz des praeiudicia als selbständiges Feststellungsverfahren: bejahend Hackl, Praeiudicium, S. 293, zum Streitstand vgl. Kaser / Hackl, § 50, S. 347 Fn. 27. 488  Kaser / Hackl, RZ, §  50, S.  347: „Daneben gibt es selbständige Feststellungsklagen, die praeiudicia heißen, weil sie häufig nur auf Vorentscheidungen oder auf Vorbereitung eines weiteren Prozesses gerichtet sind.“ 481  So

482  Rodger,



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

105

Für die Wiederholung des praeiuidicum in Z.  19 könnte es eine ähnliche Erklärung geben. Für den Kontext ist der Abschnitt Z.  17–20 wichtig: (…) de is rebus etiam, si uterque inter quos ambigeretur volet de ceteris quoque omnibus de quibus privatim agetur neque in iis praeiudicium de capite ­libero futurum erit. Die duumviri haben, wie ausgeführt, in dieser letzten Gruppe die Rechtsprechungsgewalt bis 1000 Sesterzen, wenn sich die Parteien darauf einigen. Der folgende Satz widerlegt keinesfalls die vorher getroffenen differenzierten Regelungen, sondern verweist auf alle übrigen Streitigkeiten, also auf das weite Feld der Zivilprozesse, die ohne Absprache der Parteien in die Kompetenz der duumviri fallen. Darunter fällt jede Klage bis 1000 Sesterzen, die nicht zu den ausgenommenen Klagen gehört. Diese Klagen können immer von den lokalen Magistraten entschieden werden werden, wenn mit ihnen keine Statusfrage verbunden ist. Sobald der Status in Frage steht, ist der Statthalter zuständig. Gleichgültig, welchen Inhalt eine Klage hat und ob sich die Parteien auf die Zuständigkeit der duumviri verständigen: Ist eine Vorentscheidung über die Freiheit, ein praeiudicium de capite libero, damit verbunden, so dürfen die duumviri nicht entscheiden. Immer dann, wenn eine Partei im Prozess den Status der anderen Partei in Frage stellt, muss der Statusstreit an den proconsul in Corduba weiterverwiesen werden. Die Erwähnung des praeiudicium de capite libero ist damit keineswegs überflüssig, sondern not­ wendig, um die Zuständigkeit des Statthalters für diese Prozesse sicherzustellen. b) Fazit: Freiheitsprozesse in Irni Freiheitsprozesse in Irni können niemals vor den duumviri verhandelt werden, gleichgültig, ob sie als selbständiges praeiudicium de capite libero (Z.  5), per sponsionem (Z.  6), per formulam petitoriam (Z.  9) oder als Vorfrage zu einem anderen Rechtsstreit (Z.  16 und 19) geführt werden. Wird der Beklagte mittels einer in ius vocatio vor den lokalen Magistrat gerufen, so musste er dennoch dieser Aufforderung folgen489. Die duumviri sind in diesem Fall jedoch ausschließlich für die Annahme von Verweisungsvadimonien490 mit dem Inhalt zuständig, dass sich die Parteien vor dem Statthalter zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort einfinden (vgl. Z.  20–23). 489  Wolf,

SDHI 66 (2000), 53. Litigation, S.  10; Fuenteseca, Scritti Impallomeni, S.  235.

490  Metzger,

106

2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Der Statthalter hält regelmäßig in der Provinzhauptstadt Corduba Gericht, es wird aber auch in den Konventshauptstädten Recht gesprochen491. Die conventus sind Cordubensis, Hispalensis, Astigitanus, Gaditanus mit den jeweiligen Hauptstädten Corduba (Cordóba), Hispalis (Sevilla), Astigi (Ecija), Gades (Cádiz)492. Deshalb regelt die Lex Irnitana für den Inhalt des vadimonium in Z.  20–23: in eum locum in quo is erit, qui ei provinciae praerit, futurusve videbitur. Der Statthalter verfügt kein weiteres vadimonium Romam493, sondern es wird vor Ort im Wege des Formularprozesses494 entschieden. Der Prokonsul setzt ein Kollegium von recuperatores ein. Dies ergibt sich aus Kap. 89 der Lex Irnitana, in dem für die Bestellung von recuperatores auf die Praxis in Rom verwiesen wird495. Der Wortlaut erweckt den Anschein, dass die Einsetzung von recuperatores in der Provinz Baetica eher die Regel als die Ausnahme ist496. Nörr497 erklärt diese Bevorzugung des Rekuperatorengerichts mit dem Beschleunigungsgrundsatz und damit, dass vermutlich keine listenfremden Richter eingesetzt werden. Grundsätzlich liegt der Auswahl der recuperatores wahrscheinlich die lex Iulia de iudiciis privatis zugrunde, doch können Regelungen in anderen Gesetzen nicht ausgeschlossen werden498. 2. Italien Für Italien ist weder ein Freiheitsprozess noch ein der Lex Irnitana vergleichbares Stadtrecht überliefert. Mit dem Prozess der Iusta sind aber Teile eines Ingenuitätsprozesses erhalten. Auch wenn Freiheitsprozess und Ingenuitätsprozess nicht immer denselben Regeln folgen, – so ist bei Letzterem beispielsweise kein adsertor notwendig – lassen sich aus diesem Prozess doch Rückschlüsse auf Verfahren und Zuständigkeit schließen. 491  Mentxaka,

El senado municipal, S.  33; Kaser / Hackl, §  70, S.  471. El senado municipal, S.  34 Fn.  114. 493  Wolf, SDHI 66 (2000), 53; Burton, Cl.Qu. 46 No. 1 (1996), 220; Rodger, SZ 114 (1997), 191; anderer Ansicht noch ders., ZPE 84 (1990), 150, 157; Johnston, JRS 77 (1987), 65; Ein vadimonium Romam ist in Italien notwendig, weil der Prätor dort die Rechtsprechung innehat, vgl. Burton, Cl.Qu. 46 No 1 (1996), 219; Lintott, Imperium Romanum, S.  67; Simshäuser, Iuridici, S.  190. 494  Hackl, SZ 114 (1997), 155. 495  Rodger, JRS 81 (1991), 87; Kap. 88 regelt, dass die recuperatores aus derselben Richterliste ausgewählt werden wie die iudices; s. dazu Fuenteseca, Scritti Impallomeni, S.  241. 496  Kaser / Hackl, RZ, §  26, S.  200. 497  Nörr, HIA 3, 2183. 498  Nörr, HIA 3, 2243, 2255. 492  Mentxaka,



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

107

Schließlich sind auch in Rom dieselben Magistrate für Freiheitsprozesse und Ingenuitätsprozesse zuständig. TH 14499 (scriptura interior) pag. 2

Vadimonium factum Cala-



toriae Themidi in III Non.



Decembr. prim. (vacat)



R[o]mae in foro Augustus, ante

5

tribunal praetoris urbani



hora secun[n]da HS M dari



stipulata es[t] ea q[uae] se



Petroniam [Sp.  f. Iustam]



esse dicat, s[po]po[ndit]

10

Calatoria [Them]is t. a. C.



Petronio Tel[e]sph[o]ro.



V. f. [C. Petronio Telesphoro]

pag. 3

[in eum diem locum horam HS M]



dari s[tipulata est Petro]-



nia [Iusta spopondit]



C. [Pe]tronius [Telesphorus].

5

Act. VII [Idus Sept.]



C. Pomponi[o------]



L. Man[lio] Patr[uino] c[os.]

TH 14 gehört zu einem Urkundenfund aus Herculaneum und Puteoli. 18 (TH 13–29500) der dort gefundenen Wachstäfelchen (Tabulae Herculanenses, abgekürzt TH) lassen sich einem bestimmten Rechtsstreit zuordnen, dem Prozess der Iusta501. TH 14 enthält ein vadimonium Romam502 von Calatoria Themis, und ihrem Vormund C. Petronius Telesphorus. Der Prozess hat folgenden Vorgeschichte: Iusta lebte in den siebziger Jahren des ersten Jahrhunderts n. Chr. in Herculaneum. Ihre Mutter Vitalis Arangio-Ruiz, BIDR 1 (1959), 226-7. Pugliese Caratelli / Arangio-Ruiz, La parola del passato 3 (1948), S.  165–184; zu revidierten Lesungen vgl. die Hinweise bei Kaiser, Rechtsfälle, S.  30, Fn.  5. 501  Zum Prozess der Iusta vgl. W. Kaiser, Rechtsfälle, S. 28–44; N. Donadio, FHI 3, S.  1542–1576; Metzger, RIDA 3. sér., 47 (2000), 151–165; ders., Litigation, S.  155–163. 502  Burton, Cl.Qu. 46 No 1 (1996), 219 Fn.  14 m. w. N. 499  Ed.

500  Erstedition:

108

2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

war Sklavin von Gaius Petronius Stephanus und Calatoria Themis. Vitalis wurde zu einem nicht mehr bestimmbaren Zeitpunkt freigelassen. Ihre Tochter Iusta war zum Zeitpunkt des Prozesses unstreitig eine Freie. Gestritten wird um den Zeitpunkt ihrer Geburt und damit über die Qualität dieser Freiheit. Fand die Freilassung ihrer Mutter vor ihrer Geburt statt, so ist sie ingenua. Lag ihre Geburt vor der Freilassung, so war Iusta zunächst Sklavin503 und wurde erst durch eine spätere Freilassung eine liberta, die ihrem Freilasser oder ihrer Freilasserin zu Diensten verpflichtet war504. Iusta macht ihre freie Geburt geltend, während Calatoria Themis behauptet, sie sei ihre Freigelassene. Verfahrensart für den Prozess ist wohl ein Feststellungsverfahren in Form eines praeiudicium (an ingenuus sit bzw. an libertus sit505), möglicherweise könnte es sich aber auch um eine Präjudizialsponsion handeln506. Da Iusta in jedem der vadimonia die Versprechensempfängerin ist, nimmt sie vermutlich die Rolle der Klägerin ein und strengt ein praeiudicium an ingenua sit an507. Das auf Tafel 14 erhaltene vadimonium508 vom 7.  September 74 n. Chr. könnte zeigen, dass der Prozess nicht mehr in die Kompetenz der lokalen Magistrate fällt. Dann müsste er vom Prätor in Rom entschieden werden. Die erhaltenen vadimonia müssten dann Verweisungsvadimonien509 sein. Ein solches war üblich, wenn der Lokalmagistrat nicht zuständig ist und die Parteien auf das Gericht des Prätors in Rom oder in den Provinzen auf das Statthaltergericht verwiesen werden. In diesen Fällen sagt der Beklagte mittels eines vadimonium zu, sich an einem bestimmten Tag, zu einer be503  Marc.

D.  1, 5, 5, 1 (1 inst.). den Einzelheiten s. Kaiser, Rechtsfälle, S.  31. 505  Zum praeiudicium an ingenuus sit, vgl. Hackl, Praeiudicium, §  31, S.  228– 235; an libertus sit, §  30, S.  215–227. 506  Hackl, Praeiudicium, S.  230, und Litewski, Archivum Iuridicum Cracoviense 5 (1972), 88 lassen die Verfahrensart ebenfalls offen. Eine endgültige Klärung anhand der vorhandenen Quellen ist nicht möglich. 507  Kaiser, Rechtsfälle, S.  43; Metzger, Litigation, S.  158; anderer Ansicht ist Crook, Law and Life of Rome, S.  48. 508  Ein weiteres vadimonium ist auf TH 15 erhalten; umstritten ist, wie ein auf TH 13 erhaltenes vadimonium zu bewerten ist, das mit TH 14 identisch ist: Kaiser, Rechtsfälle, S.  41 Fn.  76, geht insgesamt von zwei vadimonia aus, auf TH 13 sei nur eine zweite Ausfertigung des ersten vadimonium erhalten, s. Arangio-Ruiz, BIDR 1 (1959), 226; anderer Ansicht ist Metzger, RIDA 3. sér. 47 (2000), 164, der ein drittes vadimonium für möglich hält. Alternativ hält er es für möglich, dass TH  13 das Datum von TH 14 korrigieren sollte, weil der 3.  Dezember ein gerichtsfreier Tag war; Donadio, FHI 3, S.  1553. Das Datum des auf TH 13 erhaltenen vadimonium ist nicht mehr enthalten. 509  Donadio, FHI 3, S. 1548 Fn. 16, 1565; Metzger, RIDA 3. sér. 47 (2000), 162; ders., Litigation, S. 155, begründet, warum es sich um kein außergerichtliches vadimonium handelt. 504  Zu



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

109

stimmten Stunde unweit der Gerichtsstätte einzufinden510. Calatoria Themis verspricht, sich am 3.  Dezember 74 zwischen acht und neun Uhr morgens auf dem Augustusforum vor dem Tribunal des Prätors einzufinden. Es handelt sich folglich um ein Verweisungsvadimonium. Wurde der Streit an diesem vereinbarten Termin nicht gütlich beigelegt, so konnte der Kläger mit der ius vocatio den Streit einleiten, die Gerichtsstätte war ja in nächster Nähe und der Gerichtsmagistrat war verfügbar511. Der Charakter des zweiten vadimonium, das auf TH 15 überliefert ist, bleibt unklar. Es wird von Marcus Calatorius Speudon abgegeben, der wahrscheinlich der cognitor der Calatoria Themis ist. Die Parteien sollen sich ein Jahr (!) später am 12. März 76 auf dem Augustusforum vor dem Tempel des Mars Ultor zur gleichen Zeit in Rom treffen. Warum das Treffen erst ein Jahr später stattfinden soll und ob sich die Parteien am 3. Dezember schon in Rom getroffen hatten und vielleicht unverrichteter Dinge512 wieder gehen mussten, lässt sich den Urkunden nicht entnehmen. Ebensowenig lässt sich mit Sicherheit sagen, ob das spätere vadimonium ein weiteres Verweisungsvadimonium ist oder ob es es sich um ein Vertagungsvadimonium513 handelt, nachdem die Parteien schon vor dem Prätor erschienen sind. Die Zuständigkeit des Prätors in Rom für Streitigkeiten, die nicht mehr in den Jurisdiktionsbereich der lokalen Magistrate fallen, ist auch an anderer Stelle belegt: Die Bruchstücke der Lex Rubria für die Provinz Gallia Cisalpina und das Fragmentum Atestinum zeigen, dass es schon in der späten Republik Bestimmungen für die Munizipalgerichtsbarkeit in Italien gibt. Die Gerichtsbarkeit, die in den sonstigen Provinzen seit Sulla bei den Statthaltern liegt514, obliegt in den römischen Munizipien und Kolonien in Italien dem Prätor515. Herculaneum hatte wie die übrigen italienischen Städte den Status eines municipium und verwaltete sich selbst. Zuständig waren die quattuorviri, von denen zwei die Rechtsprechung inne hatten (iure dicundo). Später wurden diese duoviri genannt516. Bestimmte Ansprüche waren der Rechtsprechung der Munizipalmagistrate entzogen, deshalb gab es ein vadimonium Romae517. Ein 510  Metzger,

Litigation, S.  10; Wolf, Satura Feenstra, S.  63. Satura Feenstra, S.  65. 512  Der 3. Dezember war ein gerichtsfreier Tag, Metzger, Litigation, S. 160; ders. RIDA 3. sér. 47 (2000), 164. 513  Donadio, FHI 3, S.  1565, Metzger, RIDA 3. sér. 47 (2000), 163. 514  Kaser / Hackl, RZ, §  24, S.  180. 515  Kaser / Hackl, RZ, §  24, S.  175. 516  Kaser / Hackl, RZ, §  24, S.  177. 517  Rodger, SZ 114 (1997), 161; Burton¸ Cl.Qu., 46, No. 1 (1996), 219; Lintott, Imperium Romanum, S. 67; Domingo, Estudios 2, S. 54–64; zur abweichenden Ver511  Wolf,

110

2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

solches vadimonium Romam ist für die Provinz Gallia Cisalpina in Kap. 21, Z.  21-4 der Lex Rubria (41 v. Chr.) überliefert, das Fragmentum Atestinum, Z.  17 bezieht sich vermutlich mit der Formulierung revocatio Romae ebenfalls auf ein durch eine Lex Roscia geregeltes vadimonium Romam518. Wie der Prozess der Iusta zeigt, war für Statusfragen der Prätor in Rom zuständig. Dieser delegierte den Prozess dann an recuperatores. Strengten die Parteien einen Freiheitsprozess an, dann mussten sie vor dem Munizipalmagistrat Gestellungsversprechen abgeben, in der sie ihr Erscheinen vor dem Prätor in Rom zu einem bestimmten Zeitpunkt zusagten. 3. Ägpyten Ulp. D. 1, 17, 1 (15 ad ed.) Praefectus Aegypti non prius deponit praefecturam et imperium, quod ad similitudinem proconsulis lege sub Augusto ei datum est, quam Alexandriam ingressus sit successor eius, licet in provinciam venerit: et ita mandatis eius continetur.

Äpypten spielt eine Sonderrolle unter den Provinzen: Der Statthalter, der einem Prokonsul gleichzustellen ist, heißt praefectus Aegypti.  Augustus schuf dieses Amt um 30 v. Chr.519. Der Formularprozess etablierte sich niemals520, alle Prozesse werden daher im Wege der magistratischen Kognition geführt521. Aus Ägypten ist ein Papyrus522 erhalten, der wahrscheinlich einen Statusprozess zum Gegenstand hat523. Die wenigen lesbaren Fragmente weisen darauf hin, dass der Status einer Frau (an liberta sit, an libera sit524) Streitgegenstand war. Der einbarung der Zuständigkeit, s. Ulp. D.  5, 1, 1 (2 ad ed.); Paul. D.  50, 1, 28 (1 ad ed.); D.  2, 1, 20 (1 ad ed.); Ziegler, FS Kaser, S.  560; Wieacker, RRG 1, §  27, S.  481; Kaser / Hackl, RZ, §  24, S.  177. 518  Frg. Atest. Col. 1, Z. 17 (ed. Crawford, Roman Statutes 1, S. 319): quo magis privato Romae revocatio sit. Kaser / Hackl, RZ, §  24, S.  177. 519  Ankum, Annales 18 (1970), 357; Jones, Roman government and law, S.  122; Reinmuth, Art. Praefectus Aegypti, RE 22, 2, Sp.  2353; Wolff, Griechische Papyri 1, S.  104; Kupiszewski, FS Oertel, S.  72; Allgemein zur Präfektur: O. Licandro, St. Nicosia 4, S.  387–475. 520  Wlassak, Provinzialprozess, S.  5; Kaser / Hackl, RZ, §  66, S.  440 m. w. N. 521  Kaser / Hackl, RZ, §  70, S.  468; §  66, S.  440. 522  P. Oxy. 42, 3016, ed. Parsons, S.  60. 523  Nörr, HIA 3, 2253; Biscardi, FS Seidl, S. 22; Parsons, P. Oxy. 42 S. 58, lässt offen, ob es um ihren Status oder um das Eigentum geht. Dies schließt sich aber nicht aus: In einem Freiheitsprozess macht der (an dieser Stelle nicht belegte) adsertor die Freiheit geltend, der vermeintliche Eigentümer aber den Status. 524  Der Text ist schwer zu entziffern, es könnte sich um ein Präjudizialverfahren handeln, Nörr, HIA 3, 2253 mit Fn.  78.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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Prozess findet vor dem praefectus Aegypti M. Petronius Honoratus525 am 28.  Mai 148 in Alexandria statt526. Das Datum spricht für Alexandria, weil die Konvente zu anderer Zeit stattfinden527. Es handelt sich um eine Abschrift aus den commentarii dieses Statthalters. Ihr Zweck ist unsicher: Vielleicht soll sie einen Präzedenfall für den folgenden conventus528 bezeugen oder als Beweis für den festgestellten Status dienen529. Rechtsgrundlage für den Freiheitsprozess ist der entsprechende Titel im Provinzialedikt530, falls es ein solches edictum provinciale in Ägypten gibt531. Auch wenn die autonome Gerichtsbarkeit in Ägypten von den Römern nicht beseitigt wurde, ist wahrscheinlich, dass zumindest die Lücken durch römisches Recht geschlossen wurden532. Wer diese Frau war, ist ebenso unbekannt wie der Prozessausgang. Sicher ist, dass 15 Xenokriten533, das griechische Pendant zu den recuperatores534, ein Urteil (apophaseis) fällten535. Die Xenokriten sind alle römische Bürger536 mit provinziellem Hintergrund. Dass in einem Statusprozess in Ägypten 15 recuperatores entschieden, ist unter zwei Aspekten bemerkenswert. Zum einen wurde ein Richterkollegium, das eng mit dem Formularverfahren verbunden schien, im Kognitionsverfahren tätig, zum anderen ist die Zahl 15 bisher nur für den römischen Multprozess bezeugt537. Die Zahl der entscheidenden Richter könnte wiederum eine ägyptische Besonderheit sein. 525  Reinmuth, Art. Praefectus Aegypti, RE 22, 2, Sp.  2373, mit epigraphischen Belegen: M. Petronius Honoratus war vom 28. August 147 bis zum 11.  November 148 praefectus Aegypti. 526  Parsons, P. Oxy. 42, S.  58. 527  Nörr, HIA 3, S.  2253; Foti Talamanca, Processo nell’Egitto greco-romano 2, S.  41. 528  Biscardi, FS Seidl, S.  18. 529  Nörr, HIA 3, S.  2180; ders., HIA 3, S.  2253. 530  Nörr, HIA 3, S.  2256. 531  Bejahend Ankum, Annales, S.  357–364; ders., Anamnesis, S.  63–69; Reinmuth, Art. Praefectus Aegypti, RE 22, 2, Sp.  2359. Zum Streitstand s. Wolff, Griechische Papyri 1, S. 108, der das Quellenmaterial nicht für ausreichend hält, um die Frage zu entscheiden, ebd., S.  109. 532  Nörr, HIA 3, S. 2256; die Frage, inwieweit auf Nichtrömer greko-ägyptisches Recht angewendet wurde, behandelt H. Ankum, RIDA 3. sér. 18 (1971), 367–379. 533  Nörr, SZ 115 (1998), 88 = HIA 3, 2207. 534  Nörr, HIA 3, 2112; ders., HIA 3, S.  2175, 2180; zu den recuperatores in Ägpten vgl. auch den in BGU 611 editierten ägyptischen Papyrus. 535  Nörr, HIA 3, 2253. 536  Parsons, P. Oxy. 42, S. 59; Nörr, HIA 3, S. 2112; ders., HIA 3, S. 2180; Foti Talamanca, Processo nell’egitto greco-romano, S.  41; Biscardi, FS Seidl, S.  18. 537  Nörr, SZ 115 (1998), 88 = HIA 3, 2207.

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Auch in Ägypten ist der Statthalter538, der praefectus Aegypti, für Status­ prozesse zuständig. Nachdem er die Zulässigkeit des Prozesses geprüft hatte, delegierte er die Entscheidung an ein Kollegium von recuperatores539. Ob regelmäßig 15 recuperatores entschieden, lässt sich nicht sicher klären, weil weitere Quellen fehlen. 4. Der Freiheitsprozess in weiteren Provinzen Neben den besprochenene Fällen gibt es vereinzelte Quellen, die Rückschlüsse auf das Verfahren und den zuständigen Magistrat in weiteren Provinzen zulassen. Neben der Lex Irnitana für Spanien belegt das Archiv der Babatha die Kenntnis des Formularverfahrens in der Provinz Arabia540. Obwohl Arabia zu den jüngeren Provinzen zählt, wurde dort eine komplette Formel für eine actio tutelae gefunden. Es liegt nahe, dass auch der Freiheitsprozess im Formularverfahren entschieden und ebenso wie in Ägypten und Baetica die Entscheidung an recuperatores delegiert wurde. Für die Provinz Asia bezeugt Cicero die Entscheidung eines Formularprozesses541 durch recuperatores in zwei Prozessen. Im ersten Prozess geht es um eine actio mandati (contraria)542, über die der Statthalter Flaccus zu entscheiden hatte. Die Parteien waren Bürger aus Temnos. Der Statthalter delegierte das Verfahren an recuperatores. Kurz vor der Schilderung dieses Verfahrens, verweist Cicero auf einen Freiheitsprozess: Cic. pro Flacco 17, 40 Cum vero is quem nemo vestrum vidit umquam, nemo qui mortalis esset audivit, tantum dicit: „dedi“, dubitabitis, iudices, quin ab hoc ignotissimo Phryge nobilissimum civem vindicetis? Atque huic eidem nuper tres equites Romani honesti et graves, cum in causa liberali eum qui adserebatur cognatum suum esse diceret, non crediderunt.

Cicero versucht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu erschüttern, dessen Aussage in einem vorangegangenen Freiheitsprozess als nicht vertrauens538  Nörr, SZ 115 (1998), 88 = HIA 3, 2207; Wolff, Griechische Papyri 1, S.  104. Zu den weiteren Befugnissen des Statthalters, s. Jones, Roman government and law, S.  121. 539  Die Zuständigkeit der recuperatores ist auch durch die oratio Claudii (BGU 611) belegt. s. dazu C.  1. b) aa). 540  Nörr, SZ 115 (1998), 86 = HIA 3, 2205; Hackl, Provinzen, S.  156. 541  Nörr, HIA 3, 2183: Dies zeigt auch der „Hauptprozess“, in dem es um eine actio mandati (contraria) geht (der Freiheitsprozess wird nur am Rande erwähnt). Nörr geht hier auch auf die Frage ein, warum die recuperatores im Provinzialprozess bevorzugt wurden. 542  Nörr, HIA 3, S.  2272.



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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würdig erachtet wurde. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass dieser Prozess ebenfalls in der Provinz entschieden wurde und zwar von drei römischen Rittern. Der Ausschnitt aus der Rede von Cicero bestätigt, dass auch Freiheitsprozesse vom Statthalter an recuperatores delegiert werden. Der folgende Text scheint sich mit der (unüblichen) Entscheidung eines Freiheitsprozesses durch den Statthalter Plinius in Bithynien zu beschäftigen543: Plin. ep. 10, 66, 2 Epistulae sane sunt Domitiani ad Avidium Nigrinum et Armenium Brocchum, quae fortasse debeant observari: sed inter eas provincias, de quibus rescripsit, non est Bithynia; et ideo nec adsertionem denegandam iis qui ex eius modi causa in libertatem vindicabuntur puto, neque ipsam libertatem redimendam pretio alimentorum.

Der vorliegende Brief enthält die Antwort Kaiser Trajans auf eine Anfrage von Plinius544, als dieser legatus Augusti in Bithynien und Pontus ist. Es geht hier zwar um einen Freiheitsprozess, der als vindicatio in libertatem geführt wird, der Statthalter Plinius fragt aber um Rat, ob die Klage wegen entgegenstehenden Kaiserrechts in der Form von zwei epistulae Domitians abzuweisen sei (denegatio actionis). Grund für die Abweisung könnte in diesem Fall das Vorliegen einer collusio sein. Zumindest gibt es ein Senatusconsultum aus der Zeit Domitians, das diesen Sachverhalt regelt545. Weitere Gründe für die denegatio adsertionis konnte die Verjährung sein oder das Vorliegen eines Selbstverkaufs mit dem Zweck der Teilhabe am Kaufpreis546. Trajan antwortet jedenfalls, dass die genannten epistulae keine rechtliche Wirkung für Bithynien entfalten. Er verwendet den spezielleren Begriff denegatio adsertionis, weil Kläger der adsertor ist. Im stadtrömischen Prozess kann der Prätor die Klage in iure denegieren, wenn das Rechtsschutzbedürfnis verneint wird547. In den Provinzen führt der Statthalter diese Voruntersuchung durch. Dies kann aber nicht belegen, dass er im Freiheitsprozess entscheidet. Nach der Antwort Trajans wird Plinius den Prozess vermutlich an recuperatores übertragen haben. 543  Nörr, HIA 3, S. 2112 mit Fn. 81. Der Statthalter delegierte die meisten Prozesse, nur bedeutende Entscheidungen, wie z. B. die Vergabe des Freigeborenenstatus an einen Freigelassenen (restitutio natalium) übernahm er selbst, s. Suet. Aug. 74. 544  Zu Plinius dem Jüngeren vgl. Krasser, Art. P. Caecilius Secundus, C. (der Jüngere), DNP 9, Sp.  1142–1144; Beutel, Zu Buch X vgl. Ludolph, Epistolographie und Selbstdarstellung, S.  49–56. 545  Gai. D.  40, 16, 1 (2 ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.); vgl. Abschnitt 3, B. II. 2. 546  Vgl. Abschnitt 3, B. 547  Zu den Gründen der denegatio actionis s. Abschnitt 3, B.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Auch in anderen Provinzen sind Freiheitsprozesse folglich dem Statthalter vorbehalten548, der die Entscheidung des Verfahrens an recuperatores delegiert. 5. Spätklassisches und nachklassisches Recht Während Struktur, Zugehörigkeit zu den kaiserlichen oder senatorischen Provinzen und die zuständigen Lokalmagistrate sich verändern, ist, den erhaltenen Texten nach zu urteilen, in den Provinzen immer der Statthalter549 für Freiheitsprozesse zuständig, die er dann bei Zulässigkeit delegiert. Im Laufe der Zeit setzt sich immer mehr das Kognitionsverfahren durch, das letztendlich unter Diokletian das allein herrschende Verfahren ist. Die von Nicolau und Bongert550 vertretene Ansicht, die ausschließliche Zuständigkeit des praeses provinciae für Statusprozesse habe erst Diokletian begründet, ist abzulehnen. Zum einen besteht diese exklusive Kompetenz schon Jahrhunderte vorher wie die Lex Irnitana, der aus Ägypten überlieferte Prozess und die Texte von Cicero551 und Plinius552 zeigen. Zum anderen sind sowohl aus der Spätklassik als auch aus der Zeit Diokletians weitere Quellen erhalten, die diese Behauptung widerlegen. Die als Beweis angeführte diokletianische Konstitution553 steht in einem anderen Kontext und kann die Theorie von einer solchen Reform nicht stützen. Diokl. / Maxim. C. 3, 3, 2 (a. 294) Placet nobis praesides de his causis, in quibus, quod ipsi non possent cognoscere, antehac pedaneos iudices dabant, notionis suae examen adhibere, ita tamen ut, si vel per occupationes publicas vel propter causarum multitudinem omnia huiusmodi negotia non potuerint cognoscere, iudices dandi habeant potestatem. 1 Quod non ita accipi convenit, ut etiam in his causis, in quibus solebant ex officio suo cognoscere, dandi iudices licentia permissa credatur: quod usque adeo 548  Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um kaiserliche oder um senatorische Provinzen handelt. Legati Augusti einerseits und proconsules andererseits haben dieselben Rechtsprechungsbefugnisse. Der Oberbegriff ist praeses, Macer. D.  1, 18, 1 (de off. praes.). Dieser wird auch in der Lex Irnitana verwendet: Kap.  84 Z.  21: qui ei provinciae praeerit; Hackl, SZ 114 (1997), 145, zu der Gerichtsgewalt der Statthalter vgl. Wlassak, Provinzialprozess, S.  13. 549  Franciosi, Il processo, S.  131; Buckland, Slavery, S.  657; der procurator Caesaris hatte diese Kompetenz nicht: Decius C.  3, 22, 2 (a. 250). 550  Bongert, Recherches, S.  194; Nicolau, Causa liberalis, S.  44, belegt die Reform mit C.  3, 3, 2, auf S.  74 widerspricht er sich aber selbst, indem er ausführt, dass es sich gerade nicht um eine Reform zur Zuständigkeit der praesides proviniciae handelt! 551  Cic. pro Flacco, 17, 40. 552  Plin. ep. 10, 66, 2. 553  Nicolau, Causa liberalis, S.  44.



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in praesidum cognitione retinendum est, ut eorum iudicia non deminuta videantur: dum tamen de ingenuitate, super qua poterant et ante cognoscere, et de libertinitate praesides ipsi diiudicent.

Die Konstitution, die am 18. August 294 erging, war an keinen bestimmten Adressaten gerichtet, es handelt sich damit um ein allgemeines Gesetz (lex / constitutio generalis)554. In der Inskription heißt es lediglich Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. dicunt. Die Konstitution trifft keine Aussage zum Freiheitsprozess, sondern hat Ingenuitäts- und Libertinitätsprozesse zum Gegenstand. In §  1 wird angeordnet, dass die praesides über Ingenuität und Libertinität selbst entscheiden sollen. Aus C. 3, 3, 2 pr. ergibt sich aber, dass es nicht um die Zuweisung einer Zuständigkeit geht. Die Konstitution befasst sich mit der Übertragung des Prozesses an einen iudex pedaneus. Eine solche sollte nicht mehr möglich sein555. C. 3, 3, 2 belegt damit eine diokletianische Reform556, die Ingenuitäts- und Libertinitätsprozesse aufwertete557, indem sie diese Prozesse der exklusiven Kompetenz der praesides provinciae unterstellte. Zum Freiheitsprozess wird keine Aussage getroffen. Dass auch Ingenuitäts- und Libertinitätsprozesse immer vor dem Statthalter einer Provinz geführt wurden, belegt außerdem Pap. D.  40, 14, 4 (22 quaest.): Pap. D.  40, 14, 4 (22 quaest.) Oratio, quae prohibet apud consules aut praesides provinciarum post quinquennium a die manumissionis in ingenuitatem proclamare, nullam causam aut personam excipit.

Der Text aus Papinians Quaestionen handelt von einem kaiserlichen Antrag vor dem Senat. Fünf Jahre nach der Freilassung soll eine Entscheidung über die Ingenuität verboten sein. Neben der Zuständigkeit der Konsuln belegt das Fragment die Zuständigkeit des Statthalters für den Ingenuitätsprozess558. Der Statthalter war demnach schon lange vor Diokletian für Fragen der Ingenuität zuständig. Von einigen Autoren wird diese Stelle auch als Beweis für die Zuständigkeit des Statthalters im Freiheitsprozess angesehen559. Dagegen spricht allerdings der Inhalt: Es geht um einen (Schein-) Sklaven, der freigelassen wurde und dann seine Ingenuität geltend macht. Bezugspunkt für die Fünfjahresfrist ist der Tag der Freilassung. Für die 554  Dölger / Karayannopulos,

Byzantinische Urkundenlehre, S.  71. Causa liberalis, S.  75. 556  Falletti, Évolution, S.  140. 557  Falletti, Évolution, S.  143. 558  Zur Fünfjahresfrist und D.  40, 14, 4 vgl. Falletti, Évolution, S.  160. 559  Franciosi, Il processo, S.  132; Nicolau, Causa liberalis, S.  75. 555  Nicolau,

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Zuständigkeit des Statthalters im Freiheitsprozess gibt es für die Spätklassik und die Nachklassik aber eine Reihe weiterer Belege. Saturninus behandelt in seinem Buch de officio proconsulis Fragen des Freiheits- und des Ingenuitätsprozesses, für die der proconsul als Statthalter einer senatorischen Provinz zuständig war: Saturn. D. 40, 14, 2 (1 de off. proc.) Qui se venire passus esset maiorem, scilicet ut pretium ad ipsum perveniret, prohibendum de libertate contendere divus Hadrianus constituit: sed interdum ita contendendum permisit, si pretium suum reddidisset. 1  Qui se ex libertinitate ingenuitati adserant, non ultra quinquennium, quam manumissi fuissent, audientur. 2  Qui post quinquennium repperisse instrumenta ingenuitatis suae adseverant, de ea re ipsos principes adire oportere cognituros.

In D. 40, 14, 2560 stellt der Jurist fest, dass eine Konstitution des Kaisers Hadrian einen Freiheitsprozess verbietet, wenn der vermeintliche Sklave älter als 25 Jahre ist und Anteil am Kaufpreis hatte561: Etwas anderes sollte nur gelten, wenn der Kaufpreis zurückgegeben wurde. Ging es um einen Ingenuitätsprozess, so war die Fünfjahresfrist zu beachten (§ 1), in Ausnahmefällen konnte nach Ablauf dieser Frist ein Prozess vor dem Kaiser angestrengt werden (§  2). Im Codex Iustinianus sind für die Spätklassik beispielsweise eine Konstitution von Severus und Caracalla aus dem Jahre 205, sowie zwei Konstitutionen von Kaiser Alexander Severus überliefert. Sev. / Ant. C. 8, 25, 1562 (a. 205) Si te manumissum et in libertate moratum sciente ea, cui pignoris nomine obligatus diceris, praesidi probaveris, ex consensu creditricis remissam pignoris obligationem apparebit, et per hoc iure te manumissum nec ab herede debitricis563 in servitutem peti posse certum est.

Der am 21.  Mai 205 ergangenen Konstitution liegt die Anfrage des Freigelassenen Proculus zugrunde. Dieser wurde, als er noch Sklave war, von seiner Eigentümerin verpfändet. Die Erben der Verpfänderin wollen ihn deshalb in die Sklaverei zurückfordern. Zuständig für diesen Freiheitsprozess ist der praeses, der eine Entscheidung zugunsten des Freigelassenen trifft, wenn die Verpflichtung aus dem Pfand mit Zustimmung der Pfandgläubigerin aufgehoben wird. Nicolau, Causa liberalis, S.  77. Selbstverkauf in die Sklaverei, s. Abschnitt 3, B. I. 562  Der erste Teil der Konstitution ist in C.  7, 8, 1 überliefert. 563  In manchen Handschriften findet sich alternativ creditricis, Krüger, CIC 2, S.  345 Fn.  11. 560  Vgl.

561  Zum



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Während sich diese Konstitution mit Fragen des Pfandrechts beschäftigte, setzen sich die zwei Konstitutionen des Kaisers Alexander Severus mit dem Verhältnis von Freiheitsprozess und Strafprozess auseinander: Alex. C.  7, 19, 1 (a. 223) Cum et ipse confessus es status controversiam pati, qua ratione postulas, priusquam de condicione constaret tua, accusandi tibi tribui potestatem contra eum, qui te servum esse contendit? Cum igitur, sicut adlegas, statu564 generis fretus es, iuxta ius ordinarium praesidem pete, qui cognita prius liberali causa ex eventu iudicii, quid de crimine statuere debeat, non dubitabit.

Alex. C.  7, 19, 3 (a. 223) Si crimen aliquod inferatur ei, quam ingenuam esse dicis, ante liberalis causa suo ordine agi debet, cognitionem suam praeside praebente, quoniam necesse est ante sciri, si delictum probatum fuerit, ut in liberam et ingenuam an ut in ancillam constitui oportet.

Beide Konstitutionen stammen aus dem Jahren 223. C.  7, 19, 1 kann nicht genauer datiert werden, C.  7, 19, 3 erging am 20.  November. In beiden Texten geht es um die Zuständigkeit des praeses provinciae, die Empfänger wohnen in Provinzen. C.  7, 19, 1 liegt die Anfrage von Vitalius zugrunde, dessen Status als freier Mensch in einem Freiheitsprozess bestritten wird. Er fragt, ob er, obwohl Streit über seinen Status besteht, dennoch gegen den Vindikanten strafrechtlich vorgehen kann. Dies wird verneint, zunächst sei die Status­ frage zu klären. Hierüber habe der praeses zu entscheiden, bevor Vitalius strafrechtlich vorgehen könne. Welche Position Valerianus in der in C.  7, 19, 3 beschiedenen Anfrage hat, ist nicht so einfach zu klären: Gegenstand der Anfrage ist ein Verbrechen, das eine Frau begangen hat, die nach Valerianus’ Ansicht eine Freigeborene ist. Es könnte sein, dass er Anzeige wegen dieses Verbrechens erstatten will. Aus der Antwort der kaiserlichen Kanzlei ergibt sich, dass der Status der Frau nicht abschließend geklärt ist. Es ist offen, ob sie eine libera et ingenua oder eine ancilla ist. Zunächst muss der praeses die Statusfrage klären, bevor ein Strafprozess stattfinden kann. Beide Texte zeigen, dass der Statthalter für die Entscheidung im Freiheitsprozess zuständig ist. Daneben gibt es eine Reihe von Konstitutionen aus der kaiserlichen Kanzlei von Diokletian und Maximinian565, die belegen, dass die Zuständigkeit des Statthalters auch im nachklassischen Kognitionsverfahren weiterbe564  Krüger, CIC 2, S.  303 Fn.  20: Nach einer Handschrift ist tui hinter statu einzufügen. 565  C.  3, 22, 5 (a. 294); C.  7, 16, 11 (a. 293); C.  7, 16, 15 (a. 293); C.  7, 19, 5 (a. 293); C.  7, 19, 6 (a. 293); C.  7, 21, 7 (Jahr unbekannt).

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steht. Dass Justinian die Rechtslage nicht änderte, zeigt eine Konstitution vom 11. August aus dem Jahre 528 oder 529. Just. C. 3, 22, 6 (528 / 529) In litibus, in quibus utrum ingenuus an libertinus sit aliquis quaeritur, quinquennii divisionem, post quod divino auditorio opus esse veteres leges praecipiebant, in posterum cessare sancimus et huiusmodi lites etiam post memoratum tempus ad exemplum ceterarum vel in provinciis apud earum moderatores vel in hac alma urbe apud competentia maxima iudicia examinari. Quod etiam, si clarissima persona super tali condicione vel etiam servili quaestionem patiatur, tenere censemus.

Die Konstitution beschäftigt sich zwar nicht mit dem Freiheitsprozess, sondern mit der Frage nach Ingenuität oder Libertinität. Diese Streitigkeiten soll der Statthalter auch nach Ablauf von fünf Jahren (in provinciis apud earum moderatores) untersuchen können. Damit gestaltete Justinian die Rechtslage insofern um, dass es nicht mehr dem Kaiser vorbehalten war, nach Ablauf von 5 Jahren zu entscheiden566, die Kompetenzen sollen jedoch dieselben bleiben. Eine Text von Isidorus von Sevilla deutet darauf hin, dass Justinian auch die Zuständigkeit für Freiheitsprozesse nicht änderte. Isid. orig. 15, 2, 10 Municipium est quo manente statu civitatis ius aliquod minoris aut maioris officii a principe inpetrat. Dictum autem municipium a muniis, id est officiis, quod tantum munia, id est tributa debita vel munera, reddant. Nam liberales et famosissimae causae, et quae ex principe profiscuntur, ibi non aguntur. Haec enim ad dignitatem civitatum pertinent.

Isidorus von Sevilla, der von ca. 560 bis 636 n. Chr. lebte567, schreibt in seiner etymologia (vulgo origines), dass Freiheitsprozesse und Prozesse, die die Infamie mit sich bringen, nicht von den Munizipalgerichten entschieden werden dürfen. Bei den origines handelt es sich allerdings nicht um eine juristische Quelle, sondern um eine Enzyklopädie. In Buch 15 geht es um Stadt und Land568. Diese Enzyklopädie beschreibt nur zu einem Teil die Welt zur Zeit des Isidorus, da er Quellen wörtlich abschreibt und nichts auf eigener Anschauung des Isidorus beruht569. Isid. orig. 15, 2, 10 hat deshalb lediglich Indizwirkung. 566  Die Kompilatoren haben die alte Rechtslage zum Ingenuitätsprozess wahrscheinlich versehentlich in Saturn. D.  40, 14, 2, 2 (1 de off. procons.) erhalten. 567  Brunhölzl, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters 1, S.  74–91, 520; Schmitt-Pantel, Art. Isidorus [9], DNP 5, Sp.  1122–1124; Philipp, Art. Isidorus von Sevilla, RE, Bd. 9, 2, Sp. 2069–2080; zu Orig. 15, 2, 10 vgl. Falletti, Évolu­tion, S.  159. 568  Schmitt-Pantel, Art. Isidorus [9], DNP 5, Sp.  1123; Brunhölzl, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters 1, S.  75. 569  Brunhölzl, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters 1, S.  78.



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Die von Jörs570 angeführte Kaiserkonstitution vom 19.  November 203 widerspricht der weiteren Zuständigkeit des Statthalters nicht: Sev. / Ant. C. 3, 8, 1 (a. 203) Adite praesidem provinciae et ruptum esse testamentum Fabii Praesentis agna­ tione filii docete. Neque enim impedit notionem eius, quod status quaestio in cognitione vertitur, etsi super causa status cognoscere non possit: pertinet enim ad officium iudicis qui de hereditate cognoscit universam incidentem quaestionem quae in iudicium devocatur examinare, quoniam non de ea, sed de hereditate pronuntiat.

Die Konstitution beschäftigt sich mit einer Erbschaftsstreitigkeit, die ebenso wie der Status des Erblassers, Fabius Praesens, Gegenstand einer richterlichen Untersuchung ist. Durch die Geburt eines Sohns nach dem Tod des Vaters wird das bisher gültige Testament umgestoßen571. Die Adressatin Marcellina könnte die Mutter des nachgeborenen Sohnes (postumus) sein. Die Untersuchung und Entscheidung des Statthalters, die notio, führt zur Feststellung, dass tatsächlich ein postumus geboren wurde, den der Erblasser hätte berücksichtigt müssen. Dies ist der Fall, wenn die Mutter und der Verstorbene eine wirksame Ehe geschlossen hatten. Dann folgt der Status des Kindes dem Vater572. Die Untersuchung beschränkt sich aber auf diese Feststellung. Der Status des Verstorbenen, der für den Status des Kindes entscheidend sein kann, soll nicht vom Statthalter untersucht werden. Die Untersuchung des Status von Verstorbenen war grundsätzlich nur innerhalb einer Frist von 5 Jahren, die mit dem Tod beginnt, möglich573. Es stellt sich die Frage, warum der Statthalter nicht über den Status erkennen darf, wenn diese Frage sonst in seine Zuständigkeit fällt. Jörs574 schließt daraus, dass der Statthalter nicht über alle Statusstreitigkeiten entscheiden darf. Damit reißt er aber die Aussage des Reskriptverfassers aus dem Zusammenhang. Schließlich führt er aus, dass die Statusfrage zum Amt des Richters gehöre. Die Aussage zur Zuständigkeit des Statthalters lässt sich folgendermaßen erklären: Im Prozess über die Erbschaft wird vor dem iudex gleichzeitig die Frage nach dem Status gestellt. Wäre der Erblasser ein Sklave gewesen, dann hätte er kein Vermögen haben können. Um die Erbschaftsstreitigkeit zu klären, muss also inzident über den Status entschieden werden. Um das Ergebnis des Richters nicht zu beeinflussen, entscheidet der Statthalter in dieser Gelegenheit nicht, so lange der Erbschaftsstreit 570  Jörs,

FS Jhering, S.  15. 2, 131, 146. 572  Kaser, RP 1, §  64, S.  273. 573  Callistrat. D.  40, 15, 4 (1 de iure fisci). 574  Jörs, FS Jhering, S.  16. 571  Gai.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

noch nicht entschieden ist. Der Schluss, dass der Statthalter für manche Statusfragen nicht zuständig ist, geht zu weit575. 6. Schlussbetrachtung Aus den erhaltenen Quellen zu der Provinz Baetica und Ägypten576 sowie vereinzelten Zeugnissen aus anderen Provinzen577 lassen sich folgende vorsichtige Schlüsse ziehen: Streiten die Einwohner einer Provinz über den Status578, so ist über die Jahrhunderte hinweg vom frühen Prinzipats bis zur Spätantike immer der Provinzstatthalter zuständig. Dieser delegiert die Entscheidung an recuperatores579. Munizipalmagistrate sind niemals für die Entscheidung im Freiheitsprozess zuständig580, es können auch keine abweichenden Vereinbarungen getroffen werden. In Italien findet das Verfahren in iure vor dem Prätor in Rom statt. Als der Formularprozess verdrängt wird, sind Magistrate wie die Konsuln oder der praetor de liberalibus causis zuständig. Da die Stadtrechte häufig das Provinzialedikt abbilden, das sich wiederum am prätorischen Edikt orientiert, ist der ordentliche Prozess in vielen Provinzen im ersten Jahrhundert. n. Chr. die Regel581. In Ägypten werden die recuperatores im Rahmen der magistratischen Kognition tätig. Ob sich der Formularprozess vor dem Statthaltergericht vom stadtrömischen Prozess unterschied, und sich aufgrund der „doppelten“ Zuständigkeit des Statthalters außerordentliches und ordentliches Verfahren anglichen und vermischten582, lässt sich mit dem vorhandenen Quellenmateral nicht klären. 170 n. Chr. ist noch ein Formularprozess583 aus den Provinzen überliefert. Der Einsatz von recuperatores im Kognitionsverfahren in Ägypten, spricht dafür, dass Formularprozess und Kognitionsverfahren bei weitem nicht so streng getrennt sind wie in Rom. auch Nicolau, Causa liberalis, S.  78. Irnitana, Kap.  84; TH 13–30; P. Oxy 42, 3016. 577  Cic. pro Flacco 17, 42 (Asia); Plin. ep. 10, 66, 2 (Bithynien). 578  Franciosi, Il processo, S.  132; Nicolau, Causa liberalis, S.  76. 579  Cic. pro Flacco 17, 40; P. Oxy 42, 3016; BGU 611. 580  Lex Irnitana, Kap. 84; Isid. orig. 15, 2, 10; Paul. D. 4, 8, 32, 7 (13 ad ed.) Auszug: De liberali causa compromisso facto recte non compelletur arbiter sententiam dicere, quia favor libertatis est, ut maiores iudices habere debeat. Paulus bezieht sich mit maiores iudices nicht auf die Berufung (wie z. B. Ulp. D. 49, 1, 1, 3; 1 de appellat.), eine solche war im Formularverfahren, auf das der Ediktskommentar Bezug nimmt, regelmäßig nicht möglich. Zudem wurden Schiedsrichter erstinstanzlich tätig. 581  Hackl, SZ 114 (1997), 155. 582  Simshäuser, Iuridici, S.  17, 20. 583  Ulp. D.  48, 19, 5 (7 de off. procons.). 575  So

576  Lex



Abschnitt 1: Verfahren und Zuständigkeit

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IV. Fazit zum klassischen Freiheitsprozess in Rom Während in vorklassischer Zeit die Zuständigkeit im Freiheitsprozess zwischen zwei Richterkollegien aufgeteilt war, den decemviri stlitibus iudicandis, wenn Römer betroffen waren und den recuperatores, wenn ein peregrinus beteiligt war oder der Prozess in den Provinzen stattfand, ergaben sich im klassischen Recht grundlegende Änderungen. Das nach und nach an die Stelle des Legisaktionenverfahrens getretene Sponsionsverfahren wurde beibehalten und vor recuperatores verhandelt. Vor den recuperatores konnte aber ebenso per formulam petitoriam geklagt werden: die vindicatio in servitutem und in libertatem hatten dieselbe Gestalt wie die rei vindicatio. Sollte nur der Status des vermeintlichen Sklaven geklärt werden oder ein Folgeprozess angestrengt werden, konnte auch ein praeiudicium an liber sit erhoben werden. Dieselben rechtlichen Möglichkeiten hatte ein adsertor, der in einer Provinz vor dem Statthalter klagte. Auch diese Prozesse wurden an recuperatores überwiesen. Neben das ordentliche Verfahren trat Anfang des zweiten Jahrhunderts nach Chr. verstärkt die cognitio extra ordinem, zunächst vor den Konsuln, dann vor dem praetor de liberalibus causis. Dass der Spätklassiker Ulpian sowohl die außerordentliche Kognitition vor den consules als auch den ordentlichen Prozess vor dem Prätor und den recuperatores kommentierte, zeigt das Nebeneinander584 deutlich. Es ist wahrscheinlich, dass sich die cognitio extra ordinaria nach und nach durchsetzte. Dies zeigt sich auch daran, dass Anfang des dritten Jahrhunderts eine Sonderprätur geschaffen wurde585. Die außerordentliche Kognition schloß den ordentlichen Prozess aber niemals aus586. Für den vermeintlichen dominus hatte das Kognitionsverfahren den Vorteil, dass ihm die Berufung587 gegen ein ungünstiges Urteil offen stand588. Ein weiterer Vorteil für beide Parteien war die Flexibilität diesen Verfahren. So lag es beispielsweise im Ermessen des Magistrats später beigebrachte Beweismittel zuzulassen589.

584  Kaser / Hackl,

RZ, §  68, S.  457; Jörs, FS Jhering, S.  47. C. II. 2. 586  Jörs, FS Jhering, S.  48. 587  Alex. C.  7, 16, 4 (Jahr unbekannt). 588  Eine Berufung war zwar seit Claudius auch gegen Urteile im ordentlichen Verfahren möglich. Paulus, Art. appellatio, DNP 1, Sp. 901; Kaser / Hackl, RZ, § 75, S.  503. Anders als im Kognitionsverfahren ist sie aber nicht regelmäßiger Rechtsbehelf. 589  Kaser / Hackl, RZ, §  73, S.  491. 585  s. o.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Abschnitt 2

Die Prozessparteien Prozessparteien im klassischen Freiheitsprozess sind der (vermeintliche) Eigentümer und der adsertor libertatis. Während der (vermeintliche) dominus seine eigenen Interessen vertritt, macht der adsertor die Freiheit eines anderen, des vermeintlichen Sklaven, geltend.

A. Eigentümer und Sklave als Parteien Für den Vindikanten gelten folgende Einschränkungen: Fungiert er als Tutor oder Curator, darf er die Freiheit des Mündels nicht in Frage stellen1. Der Ehemann darf dagegen die Freiheit seiner Frau anzweifeln2. Wird ein Sklave freigelassen, dann ist den Erben des Freilassers verboten, diesen in die Sklaverei zu fordern3. Machen mehrere Eigentümer das gemeinsame Eigentum geltend, so werden sie zum gleichen Richter geschickt4. Der Sklave kann im ordentlichen Prozess niemals Prozesspartei sei5. Etwas anderes gilt für das außerordentliche Verfahren. Marcian. D.  48, 10, 7 (2 inst.) Nullo modo servi cum dominis suis consistere possunt, cum ne quidem omnino iure civili neque iure praetorio neque extra ordinem computantur: praeterquam quod favorabiliter divi Marcus et Commodus rescripserunt, cum servus quereretur, quod tabulae testamenti, quibus ei data erat libertas, subprimerentur, admittendum ad suppressi testamenti accusationem.

Beruft sich ein Sklave auf die Unterdrückung des Testaments6, das ihm die Freiheit schenkt, so darf er selbst gerichtliche Hilfe suchen. Für die Geltendmachung der fideicommissaria libertas führte schon Augustus ein Klagerecht des Sklaven ein7. Es handelt sich dabei um eine indirekte 1  Paul.

D.  40, 12, 39, 2 (5 sent.). D.  40, 12, 39, 3 (5 sent.). 3  Ulp. D.  40, 12, 31 (1 resp.). 4  Gai. D.  40, 12, 9 pr; Ulp. D.  40, 12, 8, 1 (55 ad ed.); §  2 trifft dieselbe Regelung für Eigentümer und Nießbraucher. 5  Gai. D. 50, 17, 107 (1 ad ed. prov.); Ulp. D. 2, 7, 3 pr. (5 ad ed.) Kaser / Hackl, RZ, §  28, S.  205. 6  Hermog. D.  5, 1, 53 (1 iur. epit.). 7  Inst. 2, 31, 1; Pomp. D.  40, 5, 44 (7 ad Sab.); Gai. 2, 263–266; Kaser / Hackl, RZ, §  68, S.  452. Zuständig sind zunächst die consules, dann der praetor fideicommissarius: Paul. D.  40, 13, 4 (12 quaest.); Ulp. D.  35, 1, 92 (5 fideicomm.); Maec. 2  Paul.



Abschnitt 2: Die Prozessparteien

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Freilassungsform: Der Erblasser kann einem anderen die Freilassung eines Sklaven anvertrauen. Der Freilasser wird dann, anders als bei einer testamentarischen Freilassung, der Patron des Freigelassenen8. Ein weiterer Ausnahmefall ist die redemptio suis nummis9. Dabei handelt es sich um besondere, im Rahmen der cognitio extra ordinem geschaffene Rechtsbehelfe, die den Sklaven in Ausnahmefällen zur Freiheit verhelfen sollen.

B. Der adsertor libertatis Für die späte Republik ist nur die Verwendung des Verbs adserere belegt. Cicero spricht in seiner Rede Pro Flacco 17, 40 von cum in causa liberali eum qui adserebatur. Auch Plautus verwendet das Verb adserere in verschiedenen Komödien10. Der Begriff adsertor wird von Livius verwendet11. Die erste erhaltene Definition für den adsertor stammt von Festus12 (Auszug): Sertorem quidam putant dictum a prendendo, quia cum cuipiam adserat manum, educendi eius gratia ex servitute in libertatem, vocetur adsertor;

Die Realenzyklopädie de verborum significatione ist eine Verkürzung des gleichnamigen Werks des spätaugusteischen Antiquars Verrius Flaccus, der von 60 v. Chr. lebte und nach 14 n. Chr13 starb. Das Werk des Flaccus umfasste etwa 80 Bände, die auf 20 verkürzt wurden14. Die Belege von Livius und Flaccus (überliefert von Festus) sind die frühesten. D.  40, 5, 36, 2 (16 fideicomm.); Pap. D.  38, 2, 41 (12 quaest.); Nicolau, Causa liberalis, S.  71–72. 8  Kaser, RP 1, §  69, S.  295. 9  Marcian. D.  40, 1, 5 pr. (2 inst.); vgl. hierzu Finkenauer, FS Knütel, S.  345– 357. 10  Im Gegensatz zu Cicero schreibt Plautus immer manu adserere; Plaut. Curc. 4, 1, 490-1: si quisquam hanc liberali / caussa manu adsereret; Poen. 4, 2, 905-6: manu eas adserat, / suas popularis, liberali caussa; 5, 1, 964, eas liberali iam adseres caussa manu, 5, 2, 1102-3; manu liberali caussa ambas adseras / quasi filiae tuae sint ambae; 5, 7, 1391-2: iam pridem equidem istas esse sciui liberas / et exspectabam si qui eas adsereret manu, Rud. 4, 3, 973: nec manu adseruntur. Zur Verwendung von adserere manum, s. Nicolau, Causa liberalis, S.  122. 11  Liv. 3, 44, 8; 3, 45, 3; 3, 46, 7; 3, 47, 8; ThLL 2, sv assertor, Sp.  870; Nicolau, Causa liberalis, S.  125; Noailles, Fas et Ius, S.  203. 12  Festus, sv sertor (ed. Lindsay, S.  460); Nicolau, Causa liberalis, S.  122. 13  Schmidt, Art. [6] Sex. Pompeius F., DNP 4, Sp.  495. 14  Schmidt, Art. [6] Sex. Pompeius F., DNP 4, Sp.  495; Wieacker, RRG 1, §  5, S.  102.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Festus schreibt, dass derjenige adsertor ist, der einen anderen in die Freiheit führt. Er verwendet zur etymologischen Herleitung manu adserere, ebenso wie Donatus in seinem Kommentar zu den Komödien von Terentius Afer: Donat. ad Ter. Ad. 199 (Adelph. II, 1, 40) Nam ego liberali illam ordo est: liberali causa manu adsero. et sunt iuris verba, a quibus etiam adsertores dicuntur vindices alienae libertatis, ut et causa ipsa liberalis dicitur, quae actionem in se continet libertatis.

Für die Kaiserzeit gibt es zahlreiche Quellen15; die Institutionen des Gaius16, Texte von Plinius maior (Iulium Vindicem adsertorem illum17), Quintilian (Itaque habuit puer adsertorem, adsertor sponsorem18 und evicit adsertor19), und Martial (si de servitio gravi queruntur, adsertor venias satisque praestes20) seien als Beispiele genannt. Der adsertor libertatis hat im Freiheitsprozess folgende Funktion: Ein vermeintlicher Sklave, gleichgültig, ob er vorher als Freigeborener oder als Sklave lebt, kann sich ohne einen solchen „Freiheitsvertreter“ nicht gegen eine vindicatio in libertatem oder in servitutem wehren. Der adsertor vertritt die Freiheit des vermeintlichen Sklaven, sowohl im ordentlichen als auch im außerordentlichen Prozess. Erst Justinian schafft den adsertor libertatis ab21. Die justinianischen Quellen wurden systematisch interpoliert, um sie dem geltenden Recht anzupassen. Es finden sich nur noch wenige Spuren der adsertio und des adsertor. Neben den Institutionen des Gaius und der justinianischen Konstitution „De adsertione tollenda“ lassen lediglich Texte byzantinischer Rechtslehrer erahnen, was Sinn und Zweck dieses Rechts­ instituts ist. Literarische Quellen gehen von seiner Existenz aus, beschäftigen sich aber nicht mit juristischen Aspekten. Anhand der genannten juristischen Quellen soll mit Hilfe der literarischen Quellen versucht werden, Grundlagen und Ausprägungen dieser Rechtsfigur zu erschließen.

15  So beispielsweise in PS 5, 1, 5; PS 5, 33, 7; Gai. 4, 14; Gai. 4, 175; Plin. hist. nat. 20, 160; Quint. decl. min. 388, 7; Quint. decl. min. 388, 11, vgl. hierzu Wycisk, Quidquid in foro, S.  48, 53; Martial epigr. I, 52; ThLL 2, sv assertor, Sp.  870. 16  Gai. 4, 14 und 4, 175: adversus adsertorem tertiae partis est. 17  Plin. hist. nat. 20, 160. 18  Quint. decl. min. 388, 7, Wycisk, Quidquid in Foro, S.  48. 19  Quint. decl. min. 388, 11, Wycisk, Quidquid in Foro, S.  53. 20  Martial epigr. 1, 52. 21  Iust. C.  7, 17, 1 pr. (a. 528). Vgl. Dritter Teil, A. I. 1. a).



Abschnitt 2: Die Prozessparteien

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I. Handeln alieno nomine Buckland22 führt die adsertio als einen der wenigen Fälle an, in denen alieno nomine gehandelt werden kann und stellt den adsertor in eine Reihe mit dem cognitor und dem procurator. Zu diesen Rechtsinstituten gibt es allerdings wesentliche Unterschiede: Der adsertor braucht weder im Innen- noch im Außenverhältnis eine Ermächtigung. Zudem macht der adsertor zwar die Freiheit eines anderen geltend, der „Vertretene“ könnte aber gar nicht selbst handeln. Unterliegt der adsertor im Prozess (wird festgestellt, dass das Prozessobjekt ein Sklave ist), dann wird das Urteil durch die Inbesitznahme des Sklaven vollstreckt. Das Prozessergebnis ist bindend und zwar für das „Objekt“. Der adsertor wird lediglich dann verpflichtet, wenn der vermeintliche Sklave vor Beendigung des Prozesses flieht. Setzt man dagegen einen cognitor oder procurator ein, so tritt die Bindungswirkung nicht automatisch für den Vertretenen ein23. Nach dem modernen juristischen Verständnis fällt es daher schwer, den adsertor in eine Reihe mit cognitor und procurator zu stellen und von einem Handeln in fremdem Namen zu sprechen. Einige Autoren gehen deshalb von einer Rechtsfigur eigener Art aus24. Ausschlaggebend muss jedoch sein, wie die römischen Juristen die adsertio einordnen. Zur Zeit Justinians wird das Handeln des adsertor als ein Handeln alieno nomine agere angesehen. Dies ergibt sich aus Inst. 4, 10 pr.: Inst. 4, 10 pr. (Auszug) Nunc admonendi sumus agere posse quemlibet aut suo nomine aut alieno. Alieno veluti procuratorio tutorio curatorio, cum olim in usu fuisset alterius nomine agere non posse nisi pro populo, pro libertate, pro tutela. (…).

Justinian erläutert, dass in eigenem und in fremdem Namen geklagt werden könne. Als Beispiele für ein Handeln in fremdem Namen führt er die Rechtsfiguren procurator, tutor, curator an. Er gibt außerdem noch einen Überblick über die zu seiner Zeit (sehr) veraltete Rechtslage: Einst (olim) war es nur möglich im Namen eines anderen pro populo, pro libertate oder pro tutela zu handeln. Das Handeln für die Freiheit eines anderen ist folglich für Justinian ein Handeln in fremdem Namen. Damit ist aber noch nicht geklärt, ob schon im klassischen römischen Recht das Handeln des adsertor als ein Handeln in fremdem Namen angesehen wird. 22  Buckland,

Slavery, S.  655. RZ, §  29, S.  210. 24  Kaser / Hackl, RZ, §  29, S.  218. 23  Kaser / Hackl,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Eine Antwort auf diese Frage könnte sich in den Institutionen des Gaius finden, die zu großen Teilen Grundlage für die justinianischen Institutionen sind. Die Inst. 4, 10 zugrunde liegende Passage25 ist bei Gaius kürzer: Gai. 4, 82 Nunc admonendi sumus agere nos aut nostro nomine aut alieno, veluti cognitorio, procuratorio, tutorio, curatorio, cum olim, quo tempore legis actiones in usu fuissent, alieno nomine agere non liceret, praeterquam ex certis causis.

Der Wortlaut des Textes von Gaius ist beinahe identisch mit den justinianischen Institutionen. Zur Frage, wann innerhalb des Legisaktionenverfahrens das Handeln für einen anderen zulässig ist, äußert sich Gaius knapper als der Verfasser von Inst. 4, 10. Er schreibt lediglich, dass „ex certis causis“ in fremdem Namen gehandelt werden könne. Daraus schließt Nicolau26, die Ausnahme pro libertate zum Verbot in fremdem Namen zu handeln, sei eine reine Erfindung Justinians. Als weiteren Beleg für diese Theorie zieht er folgendes Fragment heran27: Fr. Vat. §  32428 Ob turpitudinem et famositatem prohibentur quidam cognituram suscipere, adsertionem non nisi suspecti praetori.

Fr. Vat. §  324 steht im Zusammenhang mit anderen Texten zur Prozessvertretung unter dem Titel De cognitoribus et procuratoribus und behandelt Gründe für den Prozessausschluss von cognitores und adsertores. Bei den Prozessvertretern darf weder turpitudo noch famositas vorliegen, beim adsertor kommt es nur darauf an, dass er dem Prätor nicht verdächtig erscheint. Nicolau29 folgert daraus, dass Ulpian zwischen den Prozessvertretern (cognitor) einerseits und dem adsertor andererseits unterscheidet und der adsertor deshalb nicht in fremdem Namen handelt. Diese Schlussfolgerung ist abzulehnen: Fr. Vat. §  324 differenziert nicht zwischen dem Handeln im fremden Namen und dem Handeln als adsertor, sondern unterscheidet lediglich für die Frage des Ausschlusses vom Prozess zwischen cognitor und adsertor30. Für beide Formen des Handelns im fremden Namen werden 25  Zocco-Rosa,

Inst. Pal. 2, S.  346. Causa liberalis, S.  135. 27  Nicolau, Causa liberalis, S.  134. Zu den Fragmenta Vaticana, s. Liebs, Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, S.  151; Voß, Art. Fragmenta Vaticana, DNP 4, Sp.  626 datiert die Kompilation auf einen Zeitpunkt vor 325 n. Chr. Felgenträger, Romanistische Studien, S.  27–42. 28  Ausführlicher zu Fr. Vat. §  324, s. u. VI. 29  Nicolau, Causa liberalis, S.  135. 30  Franciosi, Il processo, S.  154. 26  Nicolau,



Abschnitt 2: Die Prozessparteien

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Ausschlussgründe aufgeführt. Der Standort des Textes im Abschnitt über die Prozessvertretung liefert ein weiteres Argument gegen die Ansicht Nicolaus. Dieser kann belegen, dass schon die klassischen Juristen cognitor und adsertor als verwandte Institute ansehen und die adsertio infolgedessen als ein Handeln im fremden Namen begreifen. Dem widerspricht auch nicht die Abweichung des justinianischen Institu­ tionentextes von den Institutionen des Gaius. Zum einen wurden neben den Institutionen des Gaius weitere, teilweise nachklassische Institutionenwerke verwendet31. Zum anderen gilt das Legisaktionenverfahren zur Zeit Justinians schon seit Jahrhunderten nicht mehr. Mit den leges Iuliae iudiciorum privatorum und publicorum (17  v. Chr.) wurden die legis actiones nahezu vollständig abgeschafft. Zur Zeit des Gaius kommt das Legisaktionenverfahren nur noch vor dem Centumviralgericht zur Anwendung32, es ist damals aber noch geltendes Recht. Der Text wurde folglich nicht von den justinianischen Juristen geändert, sondern lediglich ergänzt, vielleicht auch unter Zuhilfenahme eines weiteren spätklassischen oder nachklassischen Werks. Die Institutionenparaphrase des Theophilos zu Inst. 4, 10 unterstützt diese Erklärung33: Theophilos, einer der Verfasser der Institutionen34, verbindet die gaianische Formulierung ex certis causis mit der justinianischen Erklärung. Es scheint kein Widerspruch zu sein, dass das Prozessobjekt vertreten wird35. Inst. 4, 10 pr. stellt daher nicht nur die justinianische Rechtslage dar, sondern belegt auch, dass das Handeln des adsertor schon von den klassischen Juristen als Handeln im fremden Namen angesehen wurde. II. Begründung für seine Existenz Eine weitere Frage, die sich stellt, ist, warum im hochentwickelten klassischen römischen Recht diese Rechtsfigur notwendig war. Warum konnte der Sklave nicht selbst handeln? Dies erscheint insbesondere bei der vindicatio in servitutem als unbillige Härte: Eine Person, die bislang als Freigeborener lebte, konnte ohne weiteres zum Sklaven erklärt werden, wenn es ihr nicht gelang, einen adsertor libertatis zu finden. Auch die Tatsache, dass der Prozess jederzeit erneut eingeleitet werden konnte, mildert dieses Ergebnis kaum: Ist man erst einmal Sklave, wird das Auffinden eines adsertor 31  Kruse,

Art. Corpus Iuris Civilis, ERG, S.  18. RZ, §  4, S.  36. 33  Theophilus, paraphasis graeca ad Inst. 4, 10. 34  Iust. Const. Imperatoriam, 3; Iust. Const. Omnem 2; Kübler, Art. Theophilus, RE Bd. 5A, 2, Sp. 2139: „Auch an der Bearbeitung der Institutionen war Theophilus beteiligt, und zwar in hervorragendem Maße.“ 35  Anderer Ansicht ist Franciosi, Il processo, S.  151. 32  Kaser / Hackl,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

noch schwieriger. Schließlich fühlt sich der römische Bürger einem Sklaven weniger verbunden36 als einem freigeborenen, römischen Bürger. In den klassischen Quellen gibt es auf diese Fragen keine Antwort, für die damaligen Juristen war die Existenz des adsertor zu selbstverständlich. Erst in der byzantinischen Jurisprudenz versucht Theophilos37 den Rechtszustand zu erklären, weil er sich vom geltenden justinianischen Recht unterscheidet: Zumindest für den Fall der vindicatio in libertatem, wenn der Kläger bis zum Prozess Sklave ist, soll er nicht gezwungen sein, selbst gegen seinen (vermeintlichen) Herren vorzugehen. Schließlich besteht die Möglichkeit, dass er im Prozess unterliegt. Denselben Grund führt auch Thalelaeus38 an: In der Anmerkung zum prozessualen Handeln des Sklaven39 spricht er vom δοῦλος δικαζόμενος (servus litigans40), er bezieht sich ebenfalls nur auf die vindicatio in libertatem. Nicolau41 und auch Noailles42 stellen richtigerweise fest, dass das wohl nicht der historische Grund ist, sondern vielmehr eine über die Zeit tradierte Ansicht darstellt, dass sich der unterlegene Sklave nicht in der Situation befinden soll, gegen seinen Herrn geklagt zu haben. Das Verhältnis zwischen Herrn und Sklaven war auch dann gestört, wenn der Sklave einen adsertor einschaltete. Handelte dieser mit dem Einverständnis des vermeintlichen Sklaven, so führte das genauso zu Unfrieden, so dass diese Erklärung nur für die Fälle trägt, in denen der adsertor gegen den Willen des vermeintlichen Sklaven handelte. Der Grund für das Erfordernis des adsertor libertatis dürfte ein rechtlicher sein: Da es gerade darum geht, ob der Streitgegenstand Person oder Sache ist, steht die Parteifähigkeit vor Entscheidung des Rechtsstreits nicht fest. Der vermeintliche Sklave wird im Prozess wie eine Sache vindiziert; er ist das Prozessobjekt. Im römischen Recht war es deshalb unmöglich, dass er selbst als Prozesspartei auftritt. Um den Förmlichkeiten des Eigentumsstreits zu genügen43, bedurfte es des adsertor, ebenso wie in den griechischen Rechten. Auch dort war die Beteiligung eines Dritten notwendig44. 36  Kaser / Hackl, §  29, S.  218, benennen als Grund für das Eintreten für die Freiheit eines anderen mit einer sittlichen Anstandspflicht. 37  Theophilus, paraphasis graeca ad Inst. 4, 10. 38  Thalelaios, Bas, 48, 21, 1, ed. Scheltema / Holwerda, B 7, S.  3007, 4. 39  Thalelaios, Bas, 48, 21, 1, ed. Heimbach, S.  783: Anmerkung zu kαί αντὸν δἰ εαυτοῡ – ἀποκςίνεoθαι (et ipsum per se – respondere). 40  Thalelaios, Bas. 48, 21, 1, ed. Heimbach, S.  783: servus litigans. 41  Nicolau, Causa liberalis, S.  121. 42  Noailles, Droit sacré, S.  185. 43  Vgl. im Einzelnen: Leonhard, Art. adsertor, RE 1, 1, Sp.  422. 44  s. o. Erster Teil: Freiheitsprozess und adsertor im griechischen Recht, S.  16  ff.



Abschnitt 2: Die Prozessparteien

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III. Beschränkung der adsertio auf die vindicatio in libertatem Der Anwendungsbereich der adsertio in der Zeit der klassischen Jurisprudenz wurde Ende des 19. und Anfang des 20.  Jahrhunderts kontrovers diskutiert. Voigt45 stellte die These auf, dass bis zu einer Konstitution Konstantins 322 n. Chr. eine adsertio nur für die Fälle der vindicatio in libertatem notwendig gewesen sei. In vorkonstantinischen Quellen sei nicht belegt, dass ein adsertor auch für denjenigen auftreten müsse, der bis zum Prozess in Freiheit gelebt habe. Diese These wird von Cuq46 aufgegriffen, der zusätzlich als Begründung anführt, der Beklagte sei in possessione libertatis, also im Besitz der Freiheit, und bedürfe deshalb keines Dritten, der für ihn die Prozessführung übernimmt. Doch belegt diese Konstitution wirklich, dass nur der klagende, vermeintliche Sklave einen adsertor libertatis benötigt? Const. C.  Th. 4, 8, 547 (a. 322) Si quis libertate utentes eiusque conpotes inopinatos in discrimen ingenuitatis adducat, si eos forte adsertio defecerit, circumductio praebeatur, assertorem quaeri titulo per litteras indicante; ne causa per silentium ignoretur vel absurde etiam proclametur, ut, qui comperissent, vellent adserere, vel cunctantes etiam cogerentur, ne, si adsertor defuerit, vincti, multis eos scientibus liberos, a dominis ducantur. 1  Ideoque sancimus, si quis, adsertoris inops atque ignotus, circumlustratis provinciae populis desertus tradatur ei, qui servum dixerit, non infracta, sed dilata libertate; adsertore invento vires recolligat et suis renovatis defensionibus resistat in iudicio, possessoris iure privilegiisque subnixus, quamquam de domo illius processerit. Neque enim illa possessio est in tempus accepti, sed exspectatio assertoris in tempore non reperti; ita ut, si instaurata lite restitutisque in sua iura partibus, pro libertate fuerit lata sententia, iniuriae impudentiaeque causa adversarius pari numero servorum mulctetur, quotquot erunt, qui in servitutem petiti sunt: iis vero non condemnatur, qui in ipsa fuerint lite progeniti.

Die Ausfertigung der Konstitution an den Stadtpräfekten Maximus48 vom 20.  Juli 322 ist im Codex Theodosianus überliefert. Für die Frage, ob erst Konstantin für die vindicatio in servitutem das Erfordernis des adsertor libertatis einführt, sind C.  Th. 4, 8, 5 pr. und §  1 relevant. Es geht um die Frage, wie man Freigeborene, die überraschend mit einem Prozess überzogen werden und keinen adsertor finden, davor schützen 45  Voigt,

Die XII Tafeln 2, S.  120. Les Institutions 2, S.  140, ders., Manuel, S.  82. 47  In der Edition von Krüger findet sich diese Konstitution unter C.  Th. 4, 9, 5. 48  Martindale, PLRE 1, S.  590 Maximus 48. Valerius Maximus Basilius war von 319 bis 322 praefectus urbis Romae, er war pagan und wahrscheinlich Nachkomme von L. Valerius Publicola Balbinus Maximus (cos. II a. 256). 46  Cuq,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

kann, versklavt zu werden. C.  Th. 4, 8, 5 pr., 1 ermöglichen das folgende Vorgehen: Zunächst soll dem vermeintlichen Sklaven das Auffinden eines adsertor durch die circumductio (Umherführung) erleichtert werden (C.  Th. 4, 8, 5 pr.): Der vermeintliche Sklave wurde mit einem Schild, dass die adsertorSuche anzeigte, durch die Provinz geführt. Freunde oder Bekannte konnten sich dann des Prozesses annehmen. Zögerten diese, konnten sie sogar gezwungen werden. Wie dieser Zwang aussehen soll, wird nicht weiter ausgeführt. War die circumductio nicht erfolgreich, trat aber später ein adsertor auf, so enthält C. Th. 4, 8, 5, 1 eine weitere Privilegierung: Findet sich nach der Versklavung doch noch ein adsertor libertatis, so wird der vermeintliche Sklave im Prozess so behandelt, als ob er vorher als Freigeborener gelebt hätte. Diese Regelung bedeutet eine Beweislastumkehr: Der klagende vermeintliche dominus trägt die Beweislast für seine Behauptung, während es nach dem allgemeinen Grundsatz immer auf den Rechtszustand des vermeintlichen Sklaven ankommt (sine dolo malo in libertatem oder in servitute)49. Die Interpretation von Voigt und Cuq wird durch die konstantinische Konstitution nicht gestützt50, sondern sogar widerlegt. Schon der Wortlaut des ersten Satzes „libertate utentes eiusque conpotes“ zeigt, dass es darum geht, diejenigen zu schützen und ihnen beim Auffinden eines adsertor zu helfen, die bisher über jeden Verdacht erhaben als Freigeborene gelebt haben und unvermutet (inopinatos) mit einem Prozess überzogen werden. Der letzte Satz von C. Th. 4, 8, 5 pr. enthält zudem noch eine Erklärung für die Einführung der circumductio: Keiner solle als Sklave abgeführt werden, wenn es Leute gibt, die das Gegenteil bezeugen können (ne, si adsertor defuerit, vincti, multis eos scientibus liberos, a dominis ducantur). Würde erst mit dieser Konstitution die adsertio in servitutem eingeführt, dann wäre diese Begründung unpassend, weil die Führung eines Freiheitprozesses erschwert würde. Ein weiteres Indiz, das gegen die Einführung der adsertio in servitutem spricht, ist die sehr knappe Einleitung. Die Verfasser der Konstitution hätten wohl kaum eine solch gravierende Änderung für den Freiheitsprozess vorgenommen, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Schließlich würde das 49  Vgl. nur Ulp. D.  40, 12, 7, 5 (54 ad ed.); Ulp. 40, 12, 10 (55 ad ed.) zu den Beweisanforderungen bezüglich des tatsächlichen Zustands; Paul. D. 41, 2, 3, 10 (54 ad ed.); Paul. D.  41, 3, 15, 1 (15 ad Plaut.). 50  Vgl. auch Lenel, EP, § 179, S. 383; Nicolau, Causa liberalis, S. 136; Fran­ciosi, Il processo, S.  138.



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Handeln eines Dritten in einem Fall zwingend vorgeschrieben, in dem der Betroffene vorher selbst handeln konnte. Man lese nur die in C. 7, 17, 1 pr. überlieferte Konstitution, in der Justinian nicht nur explizit die adsertio aufhebt, sondern diesen Schritt auch noch ausführlich begründet. Diese letzte Schlussfolgerung ist allerdings nicht zwingend, weil der Codex Theodosianus nur einen Ausschnitt aus der Konstitution überliefert und die Einleitung fehlt. Es wäre also durchaus möglich, dass eine solche Begründung einmal existierte. Aber auch aus juristischer Sicht gibt es keinen überzeugenden Grund für die These, dass die adsertio in servitutem erst von Konstantin eingeführt wurde. Cuq51 führt als Begründung an, dass der Freigeborene, der im Freiheitsprozess als Sklave beansprucht wird, im Besitz der Freiheit sei. Dieses Argument ist nicht überzeugend, weil der Sklave nach Einleitung des Prozesses (mit einigen Einschränkungen) immer wie ein Freier behandelt wird52. Dies gilt unabhängig vom vorprozessualen Rechtszustand und ist Folge des favor libertatis. Davon zu trennen ist die prozessuale Rolle des Sklaven: Der vermeint­ liche Sklave ist immer Prozessobjekt der vindicatio, unabhängig davon, ob er vorher als Sklave lebt oder als Freigeborener. Nach dem Rechtsverständnis der klassischen Juristen ist nicht der Status Gegenstand der Vindikation, sondern das Eigentum an einer Sache, dem Sklaven. Eine Prozessführung seinerseits war daher ausgeschlossen. Die These, ein adsertor libertatis sei bei der klassischen vindicatio in servitutem nicht erforderlich gewesen, lässt sich damit weder mit der konstantinischen Konstitution noch aus juristischen Gesichtspunkten begründen. Wahrscheinlicher ist, dass es sich um den Beginn einer Entwicklung handelte, die letztendlich in der Abschaffung des adsertor libertatis durch Justinian mündete. Dafür spricht auch eine Konstitution der Kaiser Valentinian, Theodosius und Arcadius, die siebzig Jahre später erlassen erlassen wurde53 und in C. Th. 4, 8, 9 (a. 393) überliefert ist. In dieser Konstitution wird das Erfordernis des adsertor aufgehoben, wenn der vermeintliche Sklave ein öffentliches Amt ausübt.

51  Cuq,

Les Institutions 2, S.  140; ders., Manuel, S.  82. D. 40, 12, 24 pr. (51 ad ed.): Ordinata liberali causa liberi loco habetur is, qui de statu suo litigat, (…); Gai. D.  40, 12, 25, 2 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.): Licet vulgo dicatur post ordinatum liberale iudicium hominem, cuius de statu controversia est, liberi loco esse,(…). 53  Lenel, EP, §  179, S.  383 mit Fn.  15. 52  Paul.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

IV. Historische Entwicklung Bevor die juristische Seite der adsertio untersucht wird, soll zunächst ein kurzer Überblick über die historische Entwicklung dieser Rechtsfigur gegeben werden und eine Antwort auf die Frage gesucht werden, wann sie das erste Mal juristisch in Erscheinung trat. 1. Das Zwölftafelgesetz Ein Rechtssatz im Zwölftafelgesetz54 (um 450 v. Chr.), der den adsertor erwähnte, ist nicht direkt belegt, weil das Zwölftafelgesetz nicht erhalten ist. Gai. 4, 14 verweist jedoch auf eine Bestimmung dieses Gesetzes, die sich mit dem sacramentum beim Legisaktionenverfahren beschäftigt und das niedrige sacramentum bei einem Rechtsstreit um die Freiheit erklärt: Poena autem sacramenti aut quingenaria erat aut quinquagenaria. Nam de rebus mille aeris plurisve quingentis assibus, de minoris vero quinquaginta assibus sacramento contendebatur: nam ita lege XII tabularum cautum erat. At si de libertate hominis controversia erat, etiamsi pretiosissimus homo esset, tamen ut L assibus sacramento contenderetur, eadem lege cautum est favore scilicet libertatis, ne onerarentur adsertores55.

In den älteren Editionen56 wird diese Bestimmung zum sacramentum der zweiten Tafel zugeordnet, die den Prozess in Zivilsachen behandelt. Die neueren Editionen57 setzen sie an das Ende der ersten Tafel, die Rechtssätze zur Einleitung des Legisaktionenverfahrens58 enthält. Das niedrigere sacramentum im Freiheitsprozess, die Summe von 50 As, wird von Varro59 und Festus60 bestätigt. Dass die Begründung (ne onerarenEntstehung der Zwölftafeln vgl. Wieacker, RRG 1, §  14, S.  287–309. Text ist in allen Editionen (ed. Manthe, S. 324; ed. Kübler, S. 195; David, ed. S.  120) identisch. 56  Ed. Schoell, Tab. 2, 1, S.  120; FIRA 1, Tab. 2, 1 a, S.  30; ed. Düll, Tab. 2, 1, S.  30. 57  Ed. Flach, S.  47; ed. Crawford, S.  578. 58  Crawford, Roman Statutes 2, S.  564. 59  Varro ling. lat. 5, 180: si is ea pecunia, quae in iudicium venit in litibus, sacramentum a sacro; qui[s] petebat et qui infitiabatur, de aliis rebus uterque quingenios aeris ad pontem deponebant, de aliis rebus item certo alio legitimo numero assum. 60  Festus, sv sacramentum, (ed. Lindsay, S.  468): sacramentum aes significat, quod poenae nomine penditur, sive eo quis interrogatur, sive contendit{ur}. id in aliis rebus quinquaginta assium est, in alis rebus quingentorum inter eos, qui iudic(ium) inter se contenderent (…) sacrame nti autem nomine id aes dici coeptum est, quod et propter aerari inopiam et sacrorum publicorum multitudinem consumebatur id in rebus divinis. 54  Zur

55  Der



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tur adsertores) ebenfalls in den Zwölftafeln festgeschrieben wurde, ist unwahrscheinlich. Die Editionen der Zwölftafeln kommen an dieser Stelle zu unterschiedlichen Ergebnissen61. Die Formulierung deutet eher darauf hin, dass Gaius seinen Lesern die veraltete Rechtslage erklärt. Zum knappen prägnanten Stil der Zwölftafeln passt eine solche Erläuterung nicht. Die Verfasser mussten davon ausgehen, dass den Adressaten der Grund für das geringere sacramentum bekannt war. Crawford62 rekonstruiert die Bestimmung unter Tab. 1, 11 wie folgt: …?in diem tertium? (…)? in perendinum?… si in iure manu conserunt, 63

Diese Rekonstruktion entfernt sich allerdings in beträchtlichem Maße von den überlieferten Quellen. Insbesondere ist nicht überzeugend, weshalb die Bestimmung mit der Frage nach dem Tag beginnen sollte. Weitere Quellen, die belegen könnten, dass der adsertor schon in den Zwölftafeln namentlich erwähnt wurde, gibt es nicht. Es ist zwar nicht mit letzter Gewissheit auszuschließen, dass der adsertor in den nicht überlieferten Teilen des Zwölftafelgesetzes enthalten war. Dagegen spricht aber folgende Überlegung: Der Freiheitsprozess hatte seine Wurzeln im griechischen Recht64: In Athen und Gortyn trat ein Dritter, für den kein Terminus technicus überliefert ist, für den vermeintlichen Sklaven auf. Es könnte sein, dass die Römer dies zunächst übernahmen und ihn erst später als adsertor bezeichneten. 2. Der Prozess der Verginia a) Forschungsstand Der Prozess der Verginia ist der einzige überlieferte Freiheitsprozess und damit eine Hauptquelle für die Erkenntnisse zum Freiheitsprozess im römischen Recht65. Er soll kurz nach der Entstehung des Zwölftafelgesetzes um 61  Schoell, Tab. 2, 1, S.  120, und Flach, Tab. 2, 11a, S.  47, nehmen den GaiusText vollständig auf; Düll, Tab. 2, 1a, S. 30 und FIRA 1, Tab. 2, 1 a, S. 30, brechen nach „cautum est“ ab. 62  Crawford, Roman Statutes 2, S.  578 I, 11, er geht damit auf der Grundlage von Gaius 4, 14 (vgl. S.  597) davon aus, dass das Verb adserere im ursprünglichen Text enthalten war. 63  Der Text in wurde ergänzt, Crawford, Roman Statutes 2, S.  557. 64  s. Erster Teil, III. 65  Noailles, Le procès de Virginie, Fas et Jus, S.  187. Eine kleine Literaturauswahl: R. Maschke, Der Freiheitsprozess, S.  6–79, 168–186; Appleton, RHDFE 3

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

449 v. Chr. stattgefunden und zum Sturz der tyrannischen Dezemvirn geführt haben. Juristische Quellen, die in diesem Umfang einen Freiheitsprozess zum Gegenstand haben, gibt es nicht66. Da an dieser Stelle die Stellung des adsertor im klassischen Freiheitsprozess untersucht wird, spielen viel diskutierte Fragen zum Gang des Legisaktionenverfahrens keine Rolle. Es wird auf die bereits vorhandene breit gefächerte Literatur verwiesen. Im Folgenden soll untersucht werden, ob die Prozessdarstellungen den adsertor erwähnen und inwiefern das ein Beleg für die römische Frühzeit ist. b) Darstellungen des Prozesses Den Prozess der Verginia schildern Titus Livius67, Diodorus Siculus68 und Dionysius von Halikarnassos69. Eine sehr verkürzte Darstellung gibt Pomponius in D. 1, 2, 2, 24 (libr. sing. enchiridii). c) Sachverhalt Im Mittelpunkt steht die junge Frau Verginia, die von einem der Dezemvirn, Appius Claudius, begehrt wird. Als sie ihn abweist, greift er zu einer List: er beauftragt Marcus Claudius, einen seiner clientes70, damit, Verginia in einem Freiheitsprozess als seine Sklavin zu beanspruchen und zu behaupten, dass ihr Vater Verginius sie als Säugling geraubt habe. Für die Entscheidung dieses Prozesses ist der Dezemvir Appius Claudius zuständig. Der Vater Verginius, der als einziger die Freiheit der Verginia verteidigen kann, ist zu diesem Zeitpunkt nicht in Rom. Appius Claudius stimmt zu, mit der Entscheidung des Prozesses auf Verginius zu warten, will aber dem (1924), 592–670; Noailles, Fas et Jus, Paris 1948; ders., Droit sacré, S.  177–185, 192–195; Franciosi, Labeo 7 (1961), 20–35; nicht mehr an den Quellen orientiert, sondern eine Untersuchung der Bedeutung der Ermordung Verginias für die Entstehung des Rechts: Fögen, FS Schott, S. 215–222; dies., Römische Rechtsgeschichten, S.  61–112; dies., Geschichte und ihre Geschichten, S.  67–87. 66  Noailles, Fas et Jus, S.  187: „Cette cause célèbre est une source principale, à défaut d’autres plus juridiques, de notre connaissances des procès de liberté.“; van Oven, TR 18 (1950), 160, schreibt: „Les sources juridiques sur la causa liberalis sont, on le sait, très rares et fort défectueuses.“ 67  Liv. 3, 44–48. 68  Diod. Sic. 12, 24; vgl. Meister, Art. D. Siculus, DNP 3, Sp.  592. 69  Dion. Hal. ant. 11, 28–37; vgl. Fonaro, Art. D. von Halikarnassos, DNP 3, Sp.  635. 70  s. Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, §  16, Rn. 12, S.  98.



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Kläger den Zwischenbesitz zusprechen. Als Verginias Verlobter Icilius mit Unterstützung ihres Großvaters Widerstand androht und auch den eigenen Tod in Kauf nimmt, darf Verginia bis zum Erscheinen des Vaters frei bleiben. Auch die Teilnahme des Verginius an der zweiten Verhandlung kann nicht verhindern, dass sie plangemäß dem Marcus Claudius als Sklavin zugesprochen wird. Um sie vor der Entehrung zu bewahren, ersticht Verginius seine Tochter. Diese Tat und vor allem das zugrunde liegende Unrecht führen zu einem Aufruhr, der erst beendet wird als die Dezemvirn ihr Amt niederlegen71. Appius Claudius nimmt sich in Gefangenschaft das Leben. d) Zum adsertor in den Prozessberichten Auf die Frage, ob der adsertor als Rechtsfigur wörtlich in den Prozessberichten erwähnt wird, geben die griechischen Berichte keine Antwort. In den griechischen Rechtsordnungen gibt es zwar eine, dem adsertor vergleichbare Rechtsfigur, diese hat aber keinen besonderen Namen72. Die Schilderung von Diodorus ist zudem zu knapp, um auf prozessuale Feinheiten einzugehen; es wird nur das Ergebnis festgestellt73. Der wesentlich ausführlichere Bericht von Dionysius geht zwar an zwei Stellen auf den adsertor ein, er benennt ihn aber nicht mit einem Fachbegriff, sondern umschreibt ihn das eine Mal74 und verwendet an der zweiten Stelle den all­ gemeinen Begriff „Verteidiger“75. aa) Die Darstellung von Pomponius Im Bericht des Pomponius kommt der Begriff adsertor nicht vor. Der enchiridii liber singularis ist ein Einführungswerk in die Rechtwissenschaft, das römische Rechtsgeschichte, Verfassungsgeschichte und die Geschichte der Jurisprudenz darstellt. Aufgrund der sprachlichen Mängel und vieler sachlicher Fehler, ist davon auszugehen, dass es sich um eine Vorlesungsmitschrift handelt, die um 130 n. Chr. entstanden ist76. Die Kompilatoren ordneten diesen Text dem rechtsgeschichtlichen Teil der Digesten zu77, es geht nicht um juristische Feinheiten, sondern um die Tyrannei der decem­ viri, besonders des Appius Claudius und deren Sturz als Folge des Un71  Liv.

3, 49–54. Erster Teil, I. und II., S.  17  ff. zum Recht in Athen und in Gortyn. 73  Diod. Sic. 12, 24, 3 i.f. 74  Dion. Hal. ant. 11, 30, 3 i.f. 75  Dion. Hal. ant. 11, 35, 4. 76  Liebs, HLL 4, §  422, S.  146. 77  D.  1, 2: De origine iuris et omnium magistratuum et successione prudentium. 72  Vgl.

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rechtsprozesses78. Die Nichterwähnung des adsertor libertatis hat deshalb keine große Relevanz. bb) Der adsertor in Livius’ Werk Der Begriff adsertor kommt in Livius Werk mehrmals vor: adsertor nihil opus esse multitudine concitata ait79; interea iuris sui iacturam adsertorem non facere80; cum instaret adsertor puellae, ut vindicaret sponsoresque daret81; cum repelleretur adsertor virginis82, M. Claudius adsertor Verginiae. Livius ist neben Flaccus83 der erste Autor, der den Begriff adsertor in Verbindung mit dem Freiheitsprozess verwendet84. Da er sein Werk erst Jahrhunderte nach der Entstehung der Zwölftafeln verfasst, kann der Bericht nicht als Beleg für die Zeit der Zwölftafeln dienen, sondern nur für das erste Jahrhundert v. Chr. Auffallend ist, dass Livius nicht Icilius und Verginius als adsertores bezeichnet, sondern den Vindikanten Marcus Claudius. Noailles und Franciosi85 benutzen deshalb den Begriff adsertor servitutis als Gegenstück zum adsertor libertatis. Dieser Begriff ist in keiner weiteren Quelle86 belegt. Auch Livius sieht im adsertor servitutis nicht das Gegenstück zum adsertor libertatis, weil er weder Verginius noch Icilius als adsertor bezeichnet. Eine Erklärung für die rechtlich falsche Terminologie könnte sein, dass Livius den adsertor nicht als Fachbegriff, sondern umgangssprachlich verwendete87. Schließlich stützt er sich auf ältere Berichte88, die teilweise griechischen Ursprungs sind, in denen der adsertor nicht vorkommt. Möglich ist auch, dass er den Begriff im Zusammenhang mit dem Freiheitsprozess kennt. Da er jedoch kein Jurist ist, ordnet er den Terminus technicus der 78  Pomp. D.  1, 2, 2, 24 (libr. sing. enchiridii): (…) initium fuisse secessionis ­ icitur Verginius quidam, qui cum animadvertisset Appium Claudium contra ius, d quod ipse ex vetere iure in duodecim tabulas transtulerat, vindicias filiae suae a se abdixisse et secundum eum, qui in servitutem ab eo suppositus petierat, dixisse captumque amore virginis omne fas ac nefas miscuisse. 79  Liv. 3, 44, 8. 80  Liv. 3, 45, 3. 81  Liv. 3, 46, 7. 82  Liv. 3, 47, 8. 83  Überliefert bei Festus, sv sertor (ed. Lindsay, S.  460). 84  ThLL 2, sv assertor, Sp.  870; Nicolau, Causa liberalis, S.  125; Noailles, Fas et Ius, S.  203. 85  Noailles, Fas et Ius, S.  204; Franciosi, Labeo 7 (1961), 24. 86  ThLL 2, sv assertor, Sp.  870. 87  ThLL2, sv assero, Sp.  863, B. latiore sensu: adiungere, liberare. 88  Fuhrmann / Schmitt, Art. T. Livius, DNP 7, Sp.  377.



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falschen Partei zu. Das Verb „adserere“ verwendet er dagegen einmal in der rechtlich richtigen Bedeutung (in iis enim, qui adserantur in libertatem89). Vielleicht kommt es in einer der von Livius verwendeten Quellen vor oder wird häufiger gebraucht um die Tätigkeit des adsertor auszudrücken. Die Verwendung der präzisen juristischen Terminologie ist auch nicht Livius’ Anliegen. Er will einen historischen Bericht geben, der seine Mitbürger fesselt und ihnen die Frühzeit Roms näher bringt. Wie auch Pomponius geht es ihm darum, das Unrecht des Claudius in Worte zu fassen und die Tat des Verginius sowie die weiteren historischen Entwicklungen zu erklären. Mit dem Bericht des Livius lässt sich belegen, dass der Begriff adsertor vermutlich zu seiner Zeit schon benutzt wird. Über die Verwendung in der Frühzeit Roms kann das Werk keine Auskunft geben. 3. Vindex und adsertor Teilweise wird das späte Auftauchen des adsertor als Rechtsfigur damit begründet, dass er in der Frühzeit Roms mit dem vindex identisch90 war. Der vindex ist Bürge im römischen Prozessrecht91. Er spielt sowohl bei der Ladung als auch bei der Vollstreckung eine Rolle im Zusammenhang mit der manus iniectio (persönlichen Vorführung). Der vindex übernimmt die Haftung dafür, dass der Beklagte vor dem Magistrat erscheint92. Im Sonderfall des Freiheitsprozesses soll dieser vindex als adsertor libertatis bezeichnet worden sein93. In den wenigen erhaltenen juristischen Quellen findet sich aber kein Beleg für diese Entwicklung. Als Beweis für diese Theorie wird dennoch folgender Zwölftafelsatz94 herangezogen95: Tab. 1, 496 Adsiduo vindex adsiduus esto, proletario iam?civi? quis volet vindex esto. 89  Liv.

3, 45, 2. Droit sacré, S.  177: „Ce rôle se rapproche beaucoup de celui du vindex et souvent l’adsertor est appelé vindex.“ 91  Paulus, Art. vindex, DNP 12, 2, Sp.  228. 92  Kaser / Hackl, RZ, §  10, S.  66; Paulus, Art. vindex, DNP 12, 2, Sp.  229. 93  Nicolau, Causa liberalis, S.  123, Noailles, Fas et Jus, S.  197: „S’il s’agit d’un esclave, ce vindex prend las figure d’un adsertor libertatis.“ 94  Zur Entstehung der Zwölftafeln vgl. Wieacker, RRG 1, §  14, S.  287–309. 95  Nicolau, Causa liberalis, S.  125: Dieser führt zwar Tab. 1, 3 an, es ist aber wohl Tab. 1, 4 gemeint, im Quellenverzeichnis wird nur Tab. 1, 3 aufgeführt und auf S.  125 verwiesen, auf S.  191 bezieht er den in Tab. 1, 4 genannten Rechtssatz selbstverständlich auf den adsertor; Noailles, Fas et Ius, S.  205. 96  Bei der Einordnung dieses Grundsatzes sind sich alle Editionen einig: Schoell, S.  116; Düll, S.  28, FIRA 1, S.  27, Flach, S.  41; Crawford, Roman Statutes 2, 90  Noailles,

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Gellius, Cicero und Nonius97 überliefern diese Bestimmung unabhängig voneinander. Es geht um die Stellung eines Bürgen, wenn man sich nicht sofort auf einen Gerichtsstreit einlassen will. Tab. 1, 4 besagt, dass für einen Grundbesitzer nur ein anderer Grundbesitzer auftreten kann. Grund für die Regelung ist der Gläubigerschutz. Der vindex kann die manus iniectio abwehren, der Schuldner wird nicht vor Gericht gezogen und kann sich der gerichtlichen Geltendmachung entziehen. Deshalb ist es wichtig, dass die Besitzverhältnisse des vindex und des Schuldners vergleichbar sind. Sonst wäre die Bürgschaft für den Gläubiger wertlos, weil er seine Ansprüche nicht beim vindex befriedigen kann. Ein Freiheitsprozess kann aber nicht ohne einen adsertor geführt werden, weil der vermeintliche Sklave Prozess­ objekt ist. Es geht nicht um Haftungsfragen, sondern darum, ob der Prozess überhaupt stattfindet. Tab. 1,4 kann nicht bestätigen dass der adsertor libertatis zunächst als vindex bezeichnet wird. Als weiterer Beleg wird der Bericht des Livius herangezogen, in dem er für Verginius den Begriff vindex verwendet98. Dies allein kann kein überzeugendes Argument sein. In Livius’ Bericht kommen sowohl der adsertor als auch der vindex vor. Da ihm die juristische Bedeutung von adsertor nicht klar ist und er damit den Kläger bezeichnet99, muss er für denjenigen, der Verginia verteidigen soll, einen anderen Begriff benutzen. Vindex wird auch in der Bedeutung Beschützer, Befreier, Verteidiger100 verwendet. Livius verwendete diesen Begriff untechnisch für denjenigen, der die Freiheit der Verginia verteidigt. Auch mehrere Münzprägungen belegen nichts anderes: Ein Cistophor101, der 28 v. Chr. in Ephesus102 in Kleinasien geprägt wurde103, trägt die Aufschrift „Libertatis p.r. vindex“ und hat einen unmittelbaren Bezug zum Tatenbericht des Augustus, in dem er sich rühmt, den Staat S. 589. Mit Tab. 1, 4 beschäftigt sich ausführlich Trisciuoglio, St. Nicosia 8, S. 285– 304. 97  Gell. 16, 10, 2–6; Cic. top. 10; Non. 1, 67 (Mercerus), ed. Lindsay, S. 93; vgl. Crawford, Roman Statutes 2, S.  588. 98  Scheer, Gymnasium 28 (1971), 183. 99  Liv. 3, 44, 8; 3, 45, 3; 3, 46, 7; 3, 47, 8. 100  Vgl. Heumann / Seckel, Handlexikon, sv vindex, S.  625. 101  Mlasowsky, Art. Cistophoren, DNP 2, Sp.  1222: Silbermünze (12,75g), die zunächst von Eumenes II. zw. 175–160 v. Chr. ausgegeben wurde. Dies wurde von den römischen Provinzialstatthaltern wie Cicero übernommen, unter Augustus (11,71 g), Claudius, Vespasian bis Hadrian (10,8–9,95 g) und zuletzt unter Septimius Severus und Caracalla werden die Cistophoren als Äquivalent zu drei Denaren mit Kaiserbild geprägt. 102  Watson, Studies, S.  59. 103  Scheer, Gymnasium 28 (1971), 182.



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befreit zu haben104: Rem publicam  …  in libertatem vindicavi. In seinem Tatenbericht verwendet Augustus die korrekte juristische Terminologie. Auf der im Auftrag des Provinzstatthalters geprägten Silbermünze mit Kaiserbild105 wird untechnisch die Bezeichung vindex verwendet, die die Befreiung des Staates betonen soll. Gegen eine unbeabsichtigte Ungenauigkeit und für eine Entwicklung vom vindex zum adsertor könnte eine weitere Münze (sestertius) sprechen, die Vespasian 71 n. Chr. in Rom prägen ließ. Sie trägt die Aufschrift: SPQR adsertor libertatis publicae. Man könnte also vermuten, dass die richtige Bezeichnung zu Zeiten des Augustus vindex ist, knapp 100 Jahre später ist es adsertor. Watson106 widerlegt diese These überzeugend: Zu Zeiten des Augustus sei es kein Problem gewesen, den untechnischen Begriff vindex in diesem Sinne zu verwenden. Es liege nahe, dass hier nur eine Ungenauigkeit vorliegt, schließlich verwendet Augustus in seinem Tatenbericht die juristisch präzise Terminologie107. Vindex stünde für Verteidiger oder Befreier108. Zu Zeiten Vespasians sei die Verwendung des Wortes nicht mehr angebracht. Den Bürgerkrieg und die Zeit der Anarchie, die Vespasian beendet, wird von einem Mann angezettelt, der Vindex heißt und gegen Nero rebelliert. Die Verwendung des Ausdrucks sei deshalb nicht mehr angeraten. Außerdem wolle Vespasian seine Berechtigung zur Befreiung Roms ausdrücken, schließlich könne jeder freie, römische Bürger adsertor sein. Möglicherweise wollte Vespasian, der aus einer Familie stammte, die keine hohen Ämter inne hatte109, seinen Herrschaftsanspruch unterstreichen. Nicolau110 führt einige weitere literarische Quellen an, die belegen sollen, dass adsertor und vindex als Synonyme verwendet werden. Bei Plinius111 geht es um die vorher schon erwähnte historische Gestalt Iulius Vindex. Der Begriff adsertor libertatis wird an dieser Stelle nicht technisch verwendet. Es geht nicht um den Freiheitsprozess und um den Status eines oder mehrerer Sklaven, sondern um die Freiheit des ganzen römischen Volkes. Der Begriff adsertor kann auch in diesem Zusammenhang verwendet werden, 104  Aug.

res gestae 1. Art. Cistophoren, DNP 2, Sp.  1222. 106  Watson, Studies, S.  59. 107  Zu diesem Schluss kommt auch Watson, Studies, S.  60. 108  Watson, Studies, S.  60. 109  Vgl. Suet. Vesp. 1: „(…) suscepit firmavitque tandem gens Flavia, obscura illa quidem ac sine ullis maiorum imaginibus, sed tamen rei publicae paenitenda (…).“ 110  Nicolau, Causa liberalis, S.  124. 111  Plin. hist. nat. 20, 160: Ita certe ferunt Porci Latronis clari inter magistros dicendi adsectatores similitudinem coloris studiis contracti imitatos, et paulo ante Iulium Vindicem adsertorem illum a Nerone libertatis captationi testamenti sic lenocinatum. (…). 105  Mlasowsky,

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bezieht sich aber wohl in einem bildlichen Sinne auf den Freiheitsprozess und die Sklaverei. Seneca maior112 und Donatus113 sprechen ebenfalls nicht vom vindex im engeren Sinne. Aelius Donatus (geboren um 310 n. Chr.114) äußert sich zu einer Zeile aus der Komödie Adelphoe des Terenz115, in der es um einen Freiheitsprozess geht. Er will „adsertores“ umschreiben und bedient sich in diesem Zusammenhang wieder des Begriffes vindex in der Bedeutung Verteidiger oder auch Beschützer. Die Kontroverse des Seneca beschäftigt sich ebenfalls nicht mit Fragen des Freiheitsprozesses, sondern es geht um Ehebruch und eine Klage wegen Undankbarkeit. Das Geschehen ist in Griechenland im fünften Jahrhundert v. Chr. angesiedelt. In seiner ersten Kontroverse des neunten Buchs geht es um Miltiades116, der siegreich gegen die Perser war und damit die Athener befreite. Deshalb wird er als vindex Persicae potentiae und libertatis publicae adsertor bezeichnet. Iulius Valerius117 übersetzte den Alexanderroman118 vom Griechischen ins Lateinische. Auch hier fehlt jegliche Verbindung zur präzisen juristischen Terminologie der Römer, es geht weder um einen Freiheitsprozess noch um römisches Recht. Die literarischen Quellen sind daher nicht geeignet, eine juristische Entwicklung nachzuzeichnen. Das Wort vindex war in einem allgemeineren Sinne zumindest in Republik und Prinzipat weit verbreitet und wurde deshalb auch gerne untechnisch verwendet. Diese Terminologie lässt sich aber weder den juristischen Quellen entnehmen noch auf sie übertragen119. Dort 112  Sen. mai. contr. 9, 1, 4: Alligatus iacebat Persicae potentiae vindex, libertatis publicae adsertor, alligatus iacebat crimen ingratae civitatis. 113  Donat. ad Ter. Ad. 199 (Adelph. II, 1, 40): Nam ego liberali illam ordo est: liberali causa manu adsero. et sunt iuris uerba, a quibus etiam adsertores dicuntur vindices alienae libertatis, ut et causa ipsa liberalis dicitur, quae actionem in se continet libertatis. 114  Gatti, Art. Donatus [3], Aelius D., DNP 3, Sp.  775; Schmidt, HLL 5, §  527, S.  144. 115  Blänsdorf, Art. [III 1] T. Afer, P., DNP 12, 1, Sp.  149. 116  Zu Miltiades vgl. Kinzl, Art. Miltiades [2] d. J., DNP 8, Sp.  192–193. 117  Iul. Val. 1, 18: … qui non eius (= matris) modo adsertor esset, sed vindex quoque patris foret futurus; Schmidt, Art. I. Valerius Alexander Polemius, DNP 6, Sp.  54. Iulius Valerius war Verfasser einer dem Kaiser Constantius II. gewidmeten Übersetzung des griechischen Alexanderromans. 118  Die griechische Fassung ist nicht erhalten, es ist unklar, wann sie entstanden ist, unter dem lateinischen Alexanderroman werden die beiden lateinischen Versionen des Pseudo-Kallisthenes bezeichnet, sowie inhaltlich verwandte Schriften. Vgl. Harich, Art. Alexanderroman, DNP 1, Sp.  457–460; Fusillo, DNP 6, Sp.  513. 119  Zu diesem Ergebnis kommt auch Franciosi, Il processo, S.  11: „Il fatto che in qualche testo letterario l’adsertor sia definito vindex, non può avere alcuna rilevanza di fronte alla rigoroso terminologia adoperata dalle fonti tecniche.“



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waren vindex und adsertor unterschiedliche Rechtsinstitute, die eine voneinander unabhängige Bedeutung hatten. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den griechischen Wurzeln schließen. Derjenige, der für die Freiheit eintritt, wird im attischen Recht vom Bürgen120 unterschieden. Während der adsertor 533 n. Chr. erst von Justinian abgeschafft wurde, trat schon in der Nachklassik im Libellprozess die cautio iudicio sisti an die Stelle des vindex121. V. Berechtigter Personenkreis Nach der Untersuchung der historischen Entwicklung dieser Rechtsfigur, wird in den folgenden Abschnitten ihre juristische Bedeutung dargestellt. Zunächst geht es um die Frage, wer überhaupt adsertor libertatis sein durfte und wer nicht. Weder Gaius noch andere vorjustinianische Quellen122 äußern sich dazu. In den Digesten gibt es einige Fragmente, die sich mit dieser Frage beschäftigen könnten. Eine Aussage zur Frage, wer adsertor libertatis sein konnte, könnte sich auch aus dem Verginia-Prozess ergeben: Nach Livius’ Schilderung kommt nur der Vater und Gewalthaber als adsertor der gewaltunterworfenen Verginia in Betracht. 1. Paul. D. 3, 3, 54 pr. (50 ad ed.) Neque femina neque miles neque qui rei publicae causa afuturus est aut morbo perpetuo tenetur aut magistratum initurus est aut invitus iudicium pati non potest, idoneus defensor intellegitur.

Lenel123 vermutet, dass sich diese Stelle ursprünglich mit dem adsertor libertatis beschäftigte und im Zuge der justinianischen Kompilation verändert wurde. Defensor ersetze adsertor pro eo, qui in servitutem petitur. Auch wenn die vorliegende Stelle aus dem 3. Buch der Digesten (De  procuratoribus et defensoribus) stammt, und der idoneus defensor in den Institutionen des Gaius124 und den Digesten auch anderweitig belegt 120  Platon,

de legibus, 11, 8.4, s. Erster Teil, I. RZ, §  87, S.  572. 122  Vgl. nur PS 5, 1 De liberali causa. In den überlieferten Teilen der Fragmenta Vaticana kommt die adsertio nur in §  324 vor; C.  Th. 4, 8 (de liberali causa) schweigt ebenfalls zu dieser Frage. 123  Lenel, Pal 1, Sp.  1061 Nr. 643, ders., EP, §§  179, S.  384. 124  Gai. 4, 101: Ab eius vero parte, cum quo agitur, si quidem alieno nomine aliquis interveniat, omni modo satisdari debet, quia nemo alienae rei sine satisdatione defensor idoneus intellegitur; sed si quidem cum cognitore agatur, dominus 121  Kaser / Hackl,

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ist125, spricht einiges für Lenels Vermutung: Die Kompilatoren entnahmen den Text dem 50. Buch des Ediktskommentars und ordneten ihn im dritten Titel des 3. Buchs ein, in dem es um die Prozessvertretung geht. Das 50. Buch beschäftigt sich mit dem Freiheitsprozess, die Prozessvertretung ist Gegenstand des neunten Buchs126. Zumindest für den cognitor treffen Ulp. D. 3, 3, 17, 2 (8 ad ed.)127, Paul D. 3, 3, 20 (8 ad ed.)128, Gai. D. 3, 3, 21 (3 ad ed. prov.)129 und Ulp. D. 3, 3, 23 (9 ad ed.)130 ähnliche Bestimmungen. Es ist deshalb nicht ersichtlich, weshalb Paulus sich gerade im Buch zum Freiheitsprozess zu abweichenden Regelungen für den defensor geäußert haben sollte. Inhaltlich würde eine Kommentierung des defensor in das 9. Buch gehören. Deshalb ist nicht unwahrscheinlich, dass es hier ursprünglich wirklich um den adsertor ging131. Paulus sagt nicht, wer zur adsertio berechtigt ist, sondern führt nur auf, wer diese Funktion nicht übernehmen darf132: Weder Frauen noch Soldaten, noch wer in Staatsdiensten abwesend ist, dauerhaft erkrankt ist, ein Amt angetreten hat oder gegen dessen Willen kein Urteil ergehen darf, kann adsertor sein. Damit bleibt als geeigneter adsertor ein gesunder, postulationsfähiger133 Mann, der kein Amtsträger ist. 2. Das Auftreten gegen den Willen des vermeintlichen Sklaven Nicolau134 ist der Ansicht, dass Justinian die adsertio libertatis nicht vollständig abschaffte, sondern für den vorliegenden Fall beibehielt. Die Regel sei damit zur Ausnahme geworden. Dies erscheint plausibel. Vor Justinian konnte grundsätzlich jedermann für einen vermeintlichen Sklaven vor Gericht streiten. Gegen dessen Willen konnte der adsertor jedoch nur auftreten, satisdare iubetur, si vero cum procuratore, ipse procurator. Idem et de tutore et de curatore iuris est. 125  Inst. 3, 11, 2; 4, 11, 1; 4, 11, 5; Gai. D.  3, 3, 46, 2 (3 ad. ed. prov.); Ulp. 3, 3, 51 pr. (60 ad ed.); Ulp. 42, 5, 5 (60 ad ed.). 126  Lenel, Pal 1, Sp.  979: Liber X: De procuratoribus et defensoribus. 127  Lenel, Pal 2, Sp.  449, Nr. 313; Alter. 128  Lenel, Pal 1, Sp.  979, Nr. 176; u. a. Krankheit oder einem anderen Prozess. 129  Lenel, Pal 1, Sp.  194, Nr. 79: u. a. Verbannung oder Aufenthalt an einem unbekannten Ort. 130  Lenel, Pal 2, Sp.  449, Nr. 313: ausgedehnte Reise oder vergleichbare Hindernisse. 131  Franciosi, Il processo, S.  171, hält den defensor für echt und begründet das lediglich mit einem (vermeintlichen) Widerspruch zu Ulp. D.  40, 12, 3 (54 ad ed.); auf diesen Widerspruch soll erst im nächsten Abschnitt bei der Behandlung von D.  40, 12, 1–6 eingegangen werden. 132  s. a. Nicolau, Causa liberalis, S.  142. 133  Lenel, EP, §  §§  14–16, S.  76–80; D.  3, 1: De postulando. 134  Nicolau, Causa liberalis, S.  134.



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wenn er einem bestimmten Personenkreis angehörte und ein persönliches Anliegen hatte, den Prozess zu führen. Nach der Reform bleibt dieser letztgenannte Kreis übrig und die adsertio teilweise in den Digesten erhalten. Ulp. D.  40, 12, 1 pr. (50 ad ed) Si quando is, qui in possessione servitutis constitutus est, litigare de condicione sua non patitur, quod forte sibi suoque generi vellet aliquam iniuriam inferre135, in hoc casu aequum est quibusdam personis dari licentiam pro eo litigare: ut puta parenti, qui dicat filium in sua potestate esse: nam etiamsi nolit filius, pro eo litigabit. sed et si in potestate non sit, parenti dabitur hoc ius, quia semper parentis interest filium servitutem non subire.

Am Anfang dieser Regelungen steht ein längeres Fragment von Ulpian: Für den Fall, dass der vermeintliche Sklave in der Sklaverei bleiben und nicht selbst für seine Freiheit streiten will, soll auch der Vater, gleichgültig ob er die patria potestas hat, einen Prozess anstrengen dürfen. Begründet wird dies damit, dass dem Vater daran gelegen ist, dass sein Sohn kein Sklave ist. Ulp. D.  40, 12, 1, 1–2 (50 ad ed.) 1  Versa etiam vice dicemus liberis parentium etiam invitorum eandem facultatem dari: neque enim modica filii ignominia est, si parentem servum habeat. 2  Idcirco visum est cognatis etiam hoc dari debere,

§  1 gibt spiegelbildlich den Kindern für ihre Eltern dasselbe Recht, §  2 weitet den Kreis auf alle Blutsverwandten (cognati136) aus. Gai. D. 40, 12, 2 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.) begründet nochmals den Hintergrund dieser Regelung: quoniam servitus eorum ad dolorem nostrum iniuriamque nostram porrigitur. Es würde zu Schmerz und Unrecht führen, wenn ein Verwandter in der Sklaverei ist. Ulp. D.  40, 12, 3 (54 ad ed.) Amplius puto naturalibus quoque hoc idem praestandum, ut parens filium in servitute quaesitum et manumissum possit in libertatem vindicare. 1  Militi etiam pro necessariis sibi personis de libertate litigare permittitur. 2  Cum vero talis nemo alius137 est, qui pro eo litiget, tunc necessarium est dari facultatem etiam matri vel filiabus vel sororibus eius ceterisque mulieribus quae 135  Der

Fn.  8.

Codex Florentinus liest inferri, vgl. Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  684

136  Cognatio ist die Blutsverwandtschaft, die seit dem Ausgang der Republik neben der agnatischen Verwandtschaft mehr und mehr an Bedeutung gewinnt; ­Kaser, RP 1, §  84, S.  350. 137  Mommsen ergänzt nach den Basilikenscholien masculus hinter alius; Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  684 Fn.  10; Mommsen, Digesta 2, S.  476 Fn.  2.

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de cognatione sunt vel etiam uxori adire praetorem et hoc indicare, ut causa cognita et invito ei succurratur. 3 Sed et si libertum meum vel libertam dicam, idem erit dicendum.

Ulp. D. 40, 12, 3 pr. (54 ad ed.) erweitert den Kreis der Berechtigten um die naturales, die Verwandten138 aus einer unfreien Vorzeit. §  1 gibt den Soldaten das Recht für ihre einst unfreien Angehörigen (necessarii139) auch gegen ihren Willen für ihre Freiheit vor Gericht zu ziehen. §  2 geht noch weiter und gibt diese Befugnis sogar den weiblichen Verwandten (Mutter, Schwestern, Töchtern), wenn es keinen Mann gibt, der vor Gericht gehen kann. Die Regelungen in §  1 und 2 sind eine Ausnahme von den in D. 3, 3, 54 pr. aufgestellten Grundsätzen140, nach denen weder Soldaten noch Frauen vor Gericht auftreten dürfen141. Diese Ausnahme wird im Freiheitsprozess bei Frauen aber nur gemacht, wenn kein nach D. 3, 3, 54 pr. geeigneter adsertor zu finden ist. Hinter dem hohen Gut der Freiheit müssen prozessuale Prinzipien zurückstehen. Schließlich geht es nicht nur um denjenigen, der in Sklaverei lebt, sondern dies schädigt auch den Ruf142 seiner Verwandten und Angehörigen. § 3 beschäftigt sich nicht mit der Verwandtschaft des vermeintlichen Sklaven, sondern weitet den Kreis der Berechtigten auf den Freilasser aus, der vor Gericht für die Freiheit seiner Freigelassenen streiten darf (libertus meus vel liberta). Das Eintreten des Freilassers gegen den Willen seines Freigelassenen, der als Sklave eines Dritten zu leben bereit ist, bestätigt eine Konstitution der Kaiser Diokletian und Maximian143. Ulpian begründet dieses Recht mit dem Interesse des Patrons daran, Freigelassene zu haben144, denn diese sind ihm zu Dienstleistungen verpflichtet. Eine Ausnahme von dieser Regel macht Gaius145: Geht dem Freiheitsprozess ein Selbstverkauf voraus, dann darf der Patron nur dann für die Freiheit des Freigelassenen streiten, wenn er davon keine Kenntnis hatte. 138  Kaser,

RP 1, §  50, S.  204. Handlexikon, sv necessarius, 2), S.  363: in nahem Verhältnis zu jemandem stehend, insbes. verwandt oder verschwägert. 140  Franciosi, Il processo, S. 171, sieht darin einen Widerspruch zu Paul. D. 3, 3, 54 pr. 141  Dies gilt für alle Prozessvertreter: Lenel, EP, §  26: Qui ne dentur cognitores, S.  91 zu den Soldaten; S.  92 zu den Frauen. Frauen sind zudem nicht postulationsfähig, können also nicht vor Gericht auftreten, Lenel, EP, §  15, S.  76. 142  Franciosi, Il processo, S.  156; Ulp. D.  40, 12, 1, 1 (54 ad ed.): neque enim modica filii ignominia est, si parentem servum habeat. 143  Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 19 (a. 293). 144  Ulp. D.  40, 12, 5 pr. (54 ad ed.). 145  Gai. D.  40, 12, 4 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.). 139  Heumann / Seckel,



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Ob auch der Freigelassene für seinen Freilasser auftreten darf, ist nicht überliefert. Ein berechtigtes Interesse besteht jedenfalls, da seine Freilassung in dem Moment unwirksam wird, in dem sein Patron zum Sklaven im Zeitpunkt der Freilassung erklärt wird146. Die größte Ausweitung erfährt der Kreis der zur adsertio Berechtigten in folgendem, von Gaius147 geschildertem Sonderfall, wenn nämlich ein Kleinkind (infans148) oder ein Geisteskranker (furiosus) von der Klage betroffen ist. Vor allen anderen Prozessen sind sie geschützt, weil sie nicht postulationsfähig sind und infolgedessen nicht die Fähigkeit haben, vor Gericht aufzutreten. Dadurch, dass sie im Freiheitsprozess Prozessgegenstand sind, können sie sich nicht zu Wehr setzen. Deshalb wird nicht nur den Angehörigen, sondern in diesem Fall auch Außenstehenden (extranei) das Recht gegeben, sie zu verteidigen. Dieser Fall unterscheidet sich insofern von den anderen Fällen, da weder der Geisteskranke noch das Kleinkind fähig sind, einen der adsertio entgegenstehenden Willen zu bilden. Die Freiheit ist dann keine private Sache mehr, sondern wird zum öffentlichen Belang149. Für den Fall, dass es mehrere Berechtigte gibt, die gegen den Willen des vermeintlichen Sklaven als dessen adsertores auftreten können, entscheidet der Prätor, wer am besten geeignet ist150. Im klassischen Recht gibt es somit eine ganze Reihe von Personen, die gegen den Willen des vermeintlichen Sklaven auftreten dürfen. Gemeinsamkeit aller Ausnahmeregelungen (bis auf das Auftreten von extranei151) ist ein persönliches Interesse der Vertretungsberechtigten am Ausgang des Freiheitsprozesses. Eltern, Kinder, Verwandte, Angehörige sollten nicht mit der Schande leben müssen, dass einer der ihren als Sklave dient. Freilasser sollen nicht auf die versprochenen operae verzichten müssen. Dass dieses Auftreten gegen den Willen des vermeintlichen Sklaven von Justinian aufrechterhalten wurde, obwohl mittlerweile der Sklave selbst seine Freiheit gerichtlich verteidigen könnte, ist nicht auf den favor libertatis zu stützen152, sondern vor allem auf die persönlichen Interessen des 146  Modest.

D.  40, 9, 19 (1 reg.). D.  40, 12, 6 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.). 148  Heumann / Seckel, Handlexikon, sv infantia, S.  264: Alter, in dem das Kind noch nicht sprechen kann. 149  Franciosi, Il processo, S.  156; Marc. D.  40, 5, 53 (4 reg.). 150  Ulp. D.  40, 12, 5, 1 (54 ad ed.). 151  Gai. D.  40, 12, 6 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.). 152  Nicolau, Causa liberalis, S.  134. 147  Gai.

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berechtigten Personenkreises153 und auf das erhöhte öffentliche Interesse, wenn Geisteskranke oder Kleinkinder betroffen sind154. 3. Die adsertio als Vorrecht des Gewalthabers Die Regel, dass grundsätzlich jeder männliche Bürger mit Willen des vermeintlichen Sklaven dessen adsertor libertatis sein konnte, könnte eine Einschränkung erfahren haben, wenn das Prozessobjekt nicht sui iuris war, sondern noch unter der patria potestas stand. Ob dieser Sonderfall überhaupt je besonders geregelt war und ob er noch in klassischer Zeit fortgalt, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. Als Verginias Verlobter Icilius für ihre Freiheit sprechen will, verweigert ihm Appius Claudius die adsertio. Grundsätzlich könne jedermann als adsertor auftreten, bei einem Mädchen in der Gewalt des Vaters (quae in patris manu sit), könne nur dieser adsertor sein.155 Gegen diese Ausführungen wehrt sich die Menge nicht, sondern erst, als der Zwischenbesitz dem Handlanger des Appius Claudius zugesprochen wird, beschweren sich viele über die Ungerechtigkeit dieser Entscheidung156. Die Aussage, nur der Vater könne adsertor sein, erstaunt dennoch. Eine solche Regelung taucht in keiner weiteren juristischen Quelle auf. Dafür gibt es verschiedene Erklärungen. a) Der Verginia-Prozess als Freiheitsprozess Teilweise wird argumentiert, dass es sich gar nicht um einen Freiheitsprozess handelt, sondern um einen Prozess zwischen zwei Gewalthabern157, der Vater mache seine patria potestas geltend, der (vermeintliche) Eigentümer Marcus Claudius sein Eigentum. Doch schließt der Umstand, dass Verginia unter patria potestas gestanden hätte, tatsächlich eine causa liberalis aus? Im Freiheitsprozess geht es da­ rum, ob jemand liber (ingenuus / libertus) oder servus ist und nicht um die Frage, ob sui iuris oder nicht. Dies ergibt sich auch aus dem Urteilsspruch: das Urteil würde nicht lauten, unter welcher Gewalt jemand stand, sondern 153  Franciosi,

Il processo, S.  156. D.  40, 12, 6 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.). 155  Liv. 3, 45, 2. 156  Liv. 3, 45, 4. 157  Franciosi, Labeo 7 (1965), 20–35, S.  31, S.  20 Fn.  1 m. w. N.; Appleton, RHDFE 3 (1924), 604. 154  Gai.



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ob der Beklagte ingenuus / libertus oder servus ist158. Dies ist auch Gegenstand des Verginia-Prozesses: Ist Verginia eine –gewaltunterworfene – Freigeborene oder eine Sklavin, die vom Gesetz nicht geschützt wird159? Es liegt damit kein Prozess zwischen zwei Gewalthabern vor, sondern ein Freiheitsprozess160. b) Bestehen einer Ausnahmeregelung Eine andere Erklärung für die Weigerung des Appius Claudius könnte sein, dass hier eine Ausnahmeregelung zur Anwendung kommt: Steht eine Person, wäre sie denn frei, unter patria potestas, so kann nur der Gewalthaber adsertor sein161. Das könnte auch der Grund sein, warum sich keiner aus dem Volk dagegen wehrt, als Appius Claudius erklärt, dass nur Verginius die Freiheit seiner Tochter verteidigen könne. Dann würde es allerdings auch kein Unrecht sein, dass dem Handlanger des Appius Claudius der Besitz zugesprochen wird. Wird die vermeintliche Sklavin Verginia nicht durch einen taug­ lichen adsertor verteidigt, so ist der Prozess zugunsten des vermeintlichen Eigentümers zu entscheiden: Sie wird dem Kläger zugesprochen162. Juristische Quellen, die eine solche Sonderregelung überliefern, gibt es aber nicht163. Zu Justinians Zeiten könnte eine solche Regelung allerdings überflüssig geworden und deshalb von den Kompilatoren nicht übernommen worden sein: Die patria potestas164 ist nicht mehr von großem Belang, sie löst sich in einzelne Rechte und Rechtsbeziehungen auf165. Die conventio in manu, der Übergang der Frau in die Hausgewalt ihres Mannes oder seines paterfamilias, verliert schon in der späten Republik ihre Bedeutung166. 158  Franciosi,

Il processo, S.  261. Fas et Ius S.  211. 160  So im Ergebnis auch: Ogilvie, A commentary on Livy, S.  483; Noailles, Fas et Ius, S. 205; ders., Droit sacré, S, 177; Nicolau, Causa liberalis, S. 99, geht davon aus, dass es sich um einen Freiheitsprozess handelt, auf S. 188–189 diskutiert er die Ansicht von Appleton, RHDFE 3 (1924), 646, zu welchem Ergebnis er kommt, wird allerdings nicht klar. 161  Maschke, Der Freiheitsprozess, S. 27; Noailles, Fas et Ius, S. 205; ders., Droit sacré, S.  178; Ogilvie, A commentary on Livy, S.  483. 162  van Oven, TR, 159–190, S.  178. 163  Ein anderer Schluss kann nicht aus Ulp. D. 40, 12, 1 pr. (54 ad ed.). gezogen werden, weil es an dieser Stelle um das Handeln gegen den Willen des vermeint­ lichen Sklaven geht. Anderer Ansicht ist Russo, Adsertor in libertatem, St. Franciosi 4, S.  2378. 164  Zur nachklassischen Entwicklung vgl. Kaser, RP 2, §  226, S.  202–206. 165  Kaser, RP 2, §  226, S.  203. 166  Kaser, RP 1, §  76, S.  323. 159  Noailles,

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Das Eintreten des Vaters für Töchter oder Söhne ist jedoch in weiteren literarischen Quellen belegt167. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass auch nur diese auftreten dürfen168. Immerhin liegt es nahe, dass Eltern die Freiheit ihrer Kinder verteidigen. Dieses Recht können sie sogar gegen deren Willen ausüben. Gegen eine Ausnahmeregelung sprechen zudem folgende Aspekte: Auch wenn man die in den Digesten überlieferten Regelungen nur mit Vorsicht heranziehen kann, lässt sich aus ihnen doch folgender Schluss ziehen: Wenn sogar Frauen und Außenstehende gegen den Willen des vermeintlichen Sklaven auftreten dürfen, wieso sollte dann in einem Freiheitsprozess gegen eine Person, die bisher als römischer Bürger lebte, der Kreis der Berechtigten dermaßen beschränkt werden? Zudem sprechen gegen eine solche Regelung folgende Erwägungen: Der Vindikant Marcus Claudius macht geltend, dass Verginia seine Sklavin sei. Als Sklavin könnte sie niemals unter patria potestas stehen. Dennoch soll es ihr juristisch zum Nachteil gereichen, dass sie angeblich die Tochter von Verginius ist, und ihr aus diesem Grund die adsertio durch einen anderen verweigert werden. Für die vindicatio in servitutem geht es doch gerade darum, dass sie nicht die Tochter ist. Es ist widersprüchlich, dass genau diese Tatsache dann verhindern soll, dass ein anderer adsertor für ihre Freiheit eintritt169. Sich darauf zu berufen, dass die vermeintliche Sklavin im Falle der Freiheit unter patria potestas steht und deshalb jedem anderen adsertor als dem Gewalthaber die Prozessführung zu untersagen, wenn dieser nicht greifbar ist, ist rechtsmissbräuchlich. Besonders da Verginius wegen Staatsgeschäften (rei publicae causa) nicht vor Ort ist. Auch die Natur des Freiheitsprozesses spricht gegen eine entsprechende Ausnahmeregelung. Im römischen Recht wird zwischen freien Menschen und Sklaven unterschieden170. Liberi waren Freigeborene (ingenui) und Freigelassene (liberti)171. Personen, die unter patria potestas stehen, waren immer liberi (ingenui), denn dieses Recht war römischen Bürgern vorbehalten172. Im 167  Plaut. Poen. 5, 6; Suet. Vesp. 3; Suet. de gramm. 21; Sen. mai. contr. 2, 4, 6; Quint. inst. or. 4, 2, 95; Russo, Adsertor in libertatem, St. Franciosi 4, S.  2377 m. w. N. 168  So Russo, St. Franciosi 4, S.  2376. 169  van Oven, TR 18 (1950), S.  177. 170  Gai. 1, 9: Et quidem summa divisio de iure personarum haec est, quod omnes homines aut liberi sunt aut servi. 171  Gai. 1, 10: Rursus liberorum hominum alii ingenui sunt, alii libertini. 172  Gai. 1, 55 (ed. Manthe): Item in potestate nostra sunt liberi nostri, quos iustis nuptiis procreavimus. Quod ius proprium civium Romanorum est. Fere enim



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Freiheitsprozess darf es daher keine Rolle spielen, ob eine Person unter patria potestas steht oder nicht. Der Urteilsspruch beinhaltet entweder den Ausspruch der libertas oder die Feststellung, dass es sich um den Sklaven und damit das Eigentum eines anderen handelt. Für die Feststellung der patria potestas bleibt kein Raum. Für ein Sonderrecht des paterfamilias könnte sprechen, dass es nicht in seinem Interesse lag, von einem beliebigen Anderen vertreten zu werden, der diese Aufgabe vielleicht schlecht ausführt. Andererseits kann es auch nicht in seinem Interesse liegen, dass der Prozess – ohne ihn als adsertor geführt173 – mit einer für ihn ungünstigen Entscheidung174 endet. Da zu diesem Fall keine weiteren Quellen überliefert sind, muss ungeklärt bleiben, ob sich Appius Claudius diese Regel ausgedacht hat, um sein Ziel schneller zu erreichen oder ob es ein solches Privileg des Gewalthabers gab und eventuell weitere Regelungen zur Vetretung des Gewalthabers für den Fall der Abwesenheit. Während die Erteilung des Zwischenbesitzes secundum libertatem175 in den Zwölftafeln geregelt war, sind keine Regelungen zum adsertor überliefert. Geht man davon aus, dass eine solche Regelung nicht existierte und nicht davon, dass sie uns nur nicht überliefert ist, könnte dies der Grund sein, warum die Menge nicht protestierte, während die Zuteilung des Zwischenbesitzes empört aufgenommen wurde. nulli alii sunt homines, qui talem in filios suos habent potestatem, qualem nos habemus, idque divi Hadriani edicto, quod proposuit de his, qui sibi liberisque suis ab eo civitatem Romanam petebant, significatur. Nec me praeterit Galatarum gentem credere in potestatem parentum liberos esse. 173  Liv. 3, 46, 1–4: Concitata multitudo erat certamenque instare videbatur. Lictores Icilium circumsteterant; nec ultra minas tamen processum est, cum Appius non Verginiam defendi ab Icilio, sed inquietum hominem et tribunatum etiam nunc spirantem locum seditionis quaerere diceret. Non praebiturum se illi eo die materiam; sed ut iam sciret non id petulantiae suae, sed Verginio absenti et patrio nomini et libertati datum, ius eo die se non dicturum neque decretum interpositurum: a M. Claudio petiturum, ut decederet iure suo vindicarique puellam in posterum die pateretur; quod nisi pater postero die adfuisset, denuntiare se Icilio similibusque Icili neque legi suae latorem neque decemviro constantiam defore (…). 174  Die von van Oven, TR 18 (1950), S.  176, vorgetragene Befürchtung, dass dann jeder Römer und jede Römerin hätte fürchten müssen, in Abwesenheit des Vaters verklagt zu werden, geht dann doch zu weit. Für wen wäre es denn interessant gewesen (abgesehen von Konstellationen wie im Verginia-Prozess), die Abwesenheit des paterfamilias dermaßen auszunutzen? Hätte es ein solches Privileg des Gewalthabers gegeben, dann hätte dieser ja sofort bei seiner Rückkehr einen Freiheitsprozess anstrengen und auch gewinnen können. Das Urteil gegen die Freiheit war ja nur entstanden, weil ein adsertor fehlte. 175  Pomp. D.  1, 2, 2, 24 (lib.sing. ench.); Liv. 3, 44, 5 und Liv. 3, 47, 5: die Erteilung der vindiciae secundum servitutem als großes Unrecht.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Letztendlich könnte dies aber auch alles nur Fiktion sein, da Livius den Sturz der Dezemvirn als Befreiungsschlag schildern wollte und deshalb das Handeln des Dezemvir Appius Claudius besonders verwerfenswert sein musste. Livius’ Schilderung des Verginiaprozesses kann das Bestehen einer Sonderregelung daher nicht beweisen. c) Icilius als suspecta persona Nicolau176 versucht das Verhalten des Appius Claudius anders zu erklären: Er habe den Icilius als suspecta persona abgelehnt. Eine solche Ablehnung des adsertor war dem Prätor grundsätzlich möglich177, es ist davon auszugehen, dass diese Regelung schon zu Livius’ Zeit existierte. Die Begründung von Nicolau erscheint aber sehr bemüht: Er sagt, dass es immer als verdächtig erscheinen müsse, wenn ein anderer als der Vater für das gewaltunterworfene Kind auftrat. Wäre das der Fall, dann würde das faktisch bedeuten, dass doch nur der Gewalthaber für die Freiheit seiner Gewaltunterworfenen eintreten könne. Auch der Bericht des Livius stützt diese These nicht: Bereits zu Beginn stellt Appius Claudius fest, dass nur der Vater Verginius adsertor sein kann, ein Ausschluss des Icilius als suspectus lässt sich an keiner Stelle heraus­ lesen. d) Schlussbemerkung Neben dem Prozess der Verginia gibt es keine Quellen, die eine Sonderregelung für den Fall belegen, dass der vermeintliche Sklave nicht sui iuris ist. Dies schließt zwar nicht aus, dass es eine solche Bestimmung einmal gab, das Bestehen einer solchen Regelung ist aber unwahrscheinlich, weil sie dem Charakter des Freiheitsprozesses widerspricht. Schließlich soll sich jeder gegen eine Vindikation wehren können, der einen ehrbaren Bürger auf seiner Seite hat, der die Freiheit bestätigen kann. Auch für Gewaltunterworfene kann daher jeder Bürger eintreten, soweit es dem Willen des Sklaven entspricht178.

176  Nicolau,

Causa liberalis, S.  191; Noailles, Fas et Ius, S.  205. Vat. §  324. 178  Kaser / Hackl, RZ, §  29, S.  218. 177  Fr.



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VI. Ausschlussgründe: Paul. D. 3, 3, 54 pr. (50 ad ed.) und Fr. Vat. §  324 Paul. D. 3, 3, 54 pr. (50 ad ed.) stellt einige Ausschlussgründe179 für die adsertio libertatis dar. Außerhalb der Fälle von Ulp. D.  40, 12, 3, 1 und 2 (54 ad ed.) dürfen weder Frauen noch Soldaten im Prozess für die Freiheit eines vermeintlichen Sklaven eintreten. Ist ein Mann wegen Staatsgeschäften abwesend, gebrechlich, im Begriff, eine Magistratur anzutreten, oder aus sonstigen Gründen nicht geeignet, dann kommt er als adsertor libertatis ebenso wenig in Betracht. Fr. Vat. §  324 zeigt, dass es daneben noch andere Gründe gibt, die eine Person von der adsertio ausschließen: Fr. Vat. §  324 Ob turpitudinem et famositatem prohibentur quidam cognituram suscipere, adsertionem non nisi suspecti praetori.

1. Einordnung von Fr. Vat. §  324 Die Herkunft von Fr. Vat. §  324 ist unklar. Es handelt sich um ein Exzerpt aus einem Ediktskommentar. Das ergibt sich aus dem Aufbau der Fragmenta Vaticana180: In jedem Sachtitel werden zunächst Exzerpte aus den Werken der klassischen Juristen gesammelt, dann folgen Kaiserkonstutionen181. §  324 befindet sich am Ende der Juristentexte. Eine Inskription ist nicht erhalten, Werk und Verfasser sind umstritten. In den Fontes Iuris Romani Anteiustiniani ordnet Arangio-Ruiz das Exzerpt keinem Juristen zu182, ebenso wenig Kübler183. Mommsen184 vermutet dagegen, dass das Fragment aus dem ulpianischen Ediktskommentar entnommen wurde. Lenel ordnet den Text zwar ebenfalls dem Ediktskommentar Ulpians zu185, erwägt aber die Möglichkeit, dass das Fragment auch aus dem Ediktskommentar186 von Paulus stammen könnte.

Ansicht ist Franciosi, Il processo, S.  171. dazu Liebs, Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, S.  151; ders., HLL 5, §  506, S.  64; Voß, Art. Fragmenta Vaticana, DNP 4, Sp.  626–627. 181  Wenger, Quellen, S.  543. 182  FIRA 2, S.  536. 183  Kübler, Iurisprudentia Anteiustiniani II, 2, S.  317. 184  Mommsen, Collectio 3, S.  102. 185  Lenel, Pal 2, Sp.  452, Nr. 328. 186  Lenel, Pal. 2, Sp.  451 Fn.  3. 179  Anderer 180  Vgl.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Dass die Zuordnung der vorhergehenden Fragmente ebenfalls nicht eindeutig ist, erschwert die Zuordnung von Fr. Vat. § 324 weiter. Gesichert ist, dass Fr. Vat. §  318 aus Ulpians achtem Buch zum Edikt stammt, weil die Inskription erhalten ist187. Von der Inskription des folgenden Fragments ist nur der Buchstabe „P“ erhalten188, deshalb ist davon auszugehen, dass es von Paulus geschrieben wurde. Fr. Vat. §  322 beginnt mit VII189, dennoch ordnet Lenel es vor Fr. Vat. §§ 323, 324 im neunten Buch zum Edikt ein190. Der inhaltliche Zusammenhang spricht dafür, dass Fr. Vat. §§  322–324 von ein und demselben Verfasser stammen. In §  322191 geht es um den Ediktstext zum Handeln in fremdem Namen und darum dass Personen nicht im fremdem Namen handeln dürfen, die nicht zur cognitura zugelassen sind. §  323192 bezieht sich auf zwei Einzelbestimmungen zum cognitor und zur Frage, in welchen Fällen eine Person einen cognitor bestellen oder selbst als cognitor tätig werden kann. Diese Regelungen werden auf den procurator ausgeweitet. §  324 erläutert dann die Ausschlussgründe hinsichtlich der Bestellung eines cognitor und eines adsertor, als „in alieno nomine agentes“. Zwingende Gründe, warum sie von Ulpian stammen sollten193, gibt es nicht, genauso gut könnte man annehmen, dass Paulus der Autor ist. Aufgrund der fehlenden Inskriptionen und mangels anderer Überlieferungen, ist die Frage nach dem Verfasser nicht abschließend zu beantworten. Akademisch ist deshalb auch die Diskussion, welchem ulpianischen Buch, dem achten194 oder dem neunten195, der Text entnommen wurde. 187  FIRA 2, S.  535; Mommsen, Collectio 3, S.  100: Ulpianus libro VIII ad edictum. Non tamen sic putat certis verbis cognitorem dari debere, ut, si quid fuisset adiectum vel detractum, non valeat datio ut in legis actionibus. 188  FIRA 2, S.  535; Mommsen, Collectio 3, S.  100. 189  FIRA 2, S.  536; Mommsen, Collectio 3, S.  101. 190  Lenel, Pal. 2, Sp.  451 Nr. 326. 191  Fr. Vat. §  322: VII. Verba autem edicti haec sunt: „alieno“, inquit, „nomine, item per alios agendi potestatem non faciam in his causis, in quibus ne dent cognitorem neve dentur, edictum comprehendit“. 192  Fr. Vat. §  323: Quod ait „alieno nomine, item per alios“, breviter repetit duo edicta cognitoria, unum, quod pertinet ad eos qui dantur cognitores, alterum ad eos qui dant; ut qui prohibentur vel dare vel dari cognitores, idem et procuratores dare darive arceantur. 193  Zweifelnd auch Kaser, SZ 73 (1956), 248 Fn.  124. 194  Mommsen, Collectio 3, S. 102; das achte Buch trug nach Lenel, den Titel Qui ne dent cognitorem neve dentur, Pal 2 Sp.  447. 195  Titel des Buchs nach Lenel, Pal. 2, Sp.  452, Nr. 328: „Quibus alieno nomine, item per alios agere non liceat“, Sp.  451, der sich mit der sonstigen Vertretung (neben Kognitur und Prokuratur) der klagenden Partei beschäftigt, Lenel, EP, S.  86.



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Kaser196 bezweifelt generell die Echtheit von Fr. Vat. § 324 aufgrund der Verwendung des Substantives „famositas“ und verweist auf die justinianische Aufhebung197 der procuratoriae exceptiones, die sich auf die Infamie des Bestellers oder des Bestellten stützten. Doch warum sollte eine justi­ nianische Gesetzesänderung sich auf die Echtheit der Fragmenta Vaticana auswirken, die schon Anfang des vierten Jahrhunderts198 zusammengestellt wurden? Wer das Fragment anstelle von Ulpian oder auch Paulus verfasst haben soll, schreibt Kaser nicht. Dem Argument, famositas sei nur an dieser Stelle erwähnt, ist folgendes entgegenzusetzen: Zwar kommt das Substantiv an anderer Stelle nicht mehr vor199, das Adjektiv famosus ist dagegen an vielen Stellen in den Digesten belegt200 und wird von Paulus und Ulpian häufig verwendet. Außerhalb der Digesten ist es bei Tertullian belegt201 Eine noch häufigere Verwendung lässt sich erahnen, weil an einigen Stellen Interpolationen belegt werden können: In D. 3, 2, 2, 5 wurde famosus durch infamis ersetzt202. Dieser Verdacht wird durch eine Parallelüberlieferung in den Fragmenta Vaticana und den Digesten erhärtet: Fr. Vat. § 340 b enthält die Wendung quoniam famosa causa est, während die gleiche Stelle in Ulp. D. 3, 3, 39, 7 (9 ad ed.) mit quoniam famae causa est begründet wird. Die häufige Verwendung des Adjektivs spricht gegen den Verdacht der 196  Kaser,

SZ 73 (1956), 248, Fn.  124. 4, 13, 11. 198  Liebs, HLL 5, §  506, S.  64 datiert die Sammlung auf 320 n. Chr. Zu den Fragmenta Vaticana s. a. Felgenträger, Studien, S.  27–42. 199  VIR 2, sv famositas Sp.  813; ThLL 6, 1, sv famositas, Sp.  256. 200  So zum Beispiel: Paul. D. 3, 2, 14 (5 ad ed.): (…) non est famosus. (…); Ulp. D.  12, 2, 9, 2 (22 ad ed.): Si damnetur quis post iusiurandum ex famoso iudicio, famosum esse magis est; Ulp. D.  26, 10, 3, 18 (35 ad ed.): non erit famosus; Paul. D.  4, 8, 32, 6 (13 ad ed.): famosum delictum; Ulp. D.  3, 2, 6, 1 (6 ad ed.); Paul. D.  3, 2, 7 (5 ad ed.); Paul. D.  3, 3, 73 (lib. sing. de off. adsess.); Ulp. D.  4, 3, 1, 4 (11 ad ed.); Ulp. D.  37, 15, 5, 1 (10 ad ed.); Ulp. D.  47, 10, 7 pr. (57 ad ed.): famosa actio; Ulp. D. 3, 1, 1, 10 (6 ad ed.); Ulp. D. 12, 2, 9, 2 (22 ad ed.): damnari (ex) famoso iudicio; Ulp. D.  46, 3, 7 (43 ad Sab.): si quid ex famosa causa et non famosa debeatur, id solutum videtur, quod ex famosa causa debetur; Inst. 1, 26, 6: suspectus (…) famosus est; vgl. Heumann / Seckel, Handlexikon, sv famosus 2) ehrlos = infamis, S.  209, führt zusätzlich noch Ulp. D.  3, 2, 2, 5 (6 ad ed.) an. Ein weiterer Beleg sei D. 38, 17, 3, 4, dabei muss es sich um ein Fehlzitat handeln, weil das Fragment 3 keinen § 4 enthält; und sv famosus 4) die Infamie nach sich ziehend, infamierend. 201  Tertull. spect. 23; Tertullian lebte an der Wende vom 2. zum 3. Jh, Habermehl, DNP 12 / 1, Art. [2] Q. Septimius Florens T., Sp.  173–178. 202  Ulp. D.  3, 2, 2, 5: Ait praetor: qui in scaenam prodierit infamis est, (…) Lenel vermutete, dass infamis durch famosus ersetzt wurde, vgl. Mommsen / Krüger, CIC 1, S.  66, Fn.  4. 197  Inst.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Textveränderung. Es ist sogar davon auszugehen, dass famosa der „klassischere“ Begriff ist. Der vorliegende Text scheint sukzessive203 ergänzt worden zu sein, wichtige neue Gesetze und einige Juristentexte wurden nachgetragen; außerdem wurden einzelne Stellen mit kurzen Scholien versehen204. Weitere Textveränderungen wurden jedoch nicht vorgenommen, die Fragmenta Vaticana sind daher eine sehr verlässliche Quelle205 für die vorjustinianische Rechtslage. Dass das Substantiv famositas an keiner anderen Stelle mehr vorkommt206, könnte Folge justinianischer Textänderungen im Zuge der Vereinheitlichung des Infamiebegriffs207 sein und ist kein zwingendes Argument gegen die Echtheit des Fragments. 2. Ob turpitudinem et famositatem prohibentur quidam cognituram suscipere Fr. Vat. §  324 trifft im ersten Teil eine Regelung für den klassischen Prozessvertreter, den cognitor208. Die cognitura ist ausgeschlossen, wenn turpitudo oder famositas vorliegen. Famositas bedeutet an dieser Stelle dasselbe wie infamia: Die Ehrlosigkeit209 als Folge des Verlusts aller bürgerlichen Rechte wegen bestimmter durch das positive (zivile oder prätorische) Recht ausdrücklich als entehrend bezeichneter Handlungen oder Gewerbe210. Die Tatbestände und die Rechtsfolgen sind, abgesehen von der zensorischen Mißbilligung, in vielen Gesetzen, Ediktsbestimmungen und im Kaiserrecht auf unterschiedliche Weise geregelt. An dieser Stelle interessant sind die im prätorischen Edikt enthaltenen Infamenlisten, die die Postula­ 203  Voß,

Art. Fragmenta Vaticana, DNP 4, Sp.  626. HLL Bd.  5, §  506, S.  64. 205  Wenger, Quellen, §  77, S.  545, spricht von der „relativ besten indirekten Überlieferung“ der klassischen Texte. 206  VIR 2, sv famositas Sp.  813; ThLL 6, 1, sv famositas, Sp.  256. 207  Kaser, SZ 73 (1956), 220; Iul. D.  3, 2, 1 (1 ad ed.) enthält eine Zusammenfassung zum Infamiebegriff, die Inskription ist gefälscht, das Exzerpt stammt nicht von Julian, sondern zum größten Teil aus dem 6. Buch von Ulpians Kommentar zum prätorischen Edikt, vgl. Lenel, Pal. 1, Sp.  484, Fn.  4; Greenidge, Infamia, S.  119; Kaser, SZ 73 (1956), 245 m. w. N. 208  Zum cognitor: F. Eisele, Cognitur und Procuratur, Freiburg und Tübingen, 1888; Wirbel, Le cognitor, Paris 1910 / 11. 209  Zur Infamie: Greenidge, Infamia, Oxford 1894, Pommeray, Études sur l’infamie en droit romain, Paris 1937; Kaser, SZ 73 (1956), 220–278, F. Camacho de los Riós, La Infamia en el Derecho Romano, Alicante 1997. 210  Heumann / Seckel, Handlexikon, sv infamia, S. 263; Die Infamie tritt bei manchen Handlungen ohne weiteres ein, bei anderen erst als Folge der Verurteilung. 204  Liebs,



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tionsfähigkeit211 sowie die Fähigkeit, einen cognitor zu bestellen oder als cognitor bestellt zu werden,212 absprechen oder einschränken. Für den procurator gelten dieselben Grundsätze wie für den cognitor213. Grundsätzlich lassen sich zwei Fallgruppen bilden. Die erste Fallgruppe knüpft die Infamie an das ehrlose Verhalten selbst. Bestimmte Berufe führen zur Infamie, wie z. B. der Beruf des Schauspielers oder des Kupplers (Zuhälters)214, auch Gladiatoren und lanistae (Fechtmeister der Gladiatoren) standen vermutlich in diesem Katalog215. Bei der zweiten Fallgruppe ist die Ehrlosigkeit an die Verurteilung im iudicium publicum216 gebunden. Im Zivilprozess ist sie Folge einer Verurteilung wegen bestimmter Delikte (bei furtum genügte ein pacisci) und wegen Verletzung bestimmter Treueverhältnisse217. Diese prätorische Infamie entzieht oder beschränkt die Befugnis, Anträge vor Gericht zu stellen ferner einen cognitor oder procurator zu bestellen und als solcher bestellt zu werden218. Turpitudo, die Schändlichkeit219, hat zunächst eine eigenständige Bedeutung. Ist eine Person turpis, dann macht sie sich durch schlechte Handlungsund Lebensweise anrüchig220. Im Gegensatz zur Infamie setzt die turpitudo keinen bestimmten Tatbestand voraus, sondern die Feststellung ob eine Person turpis ist, liegt ganz 211  Vgl. Lenel, EP, § 16, S. 77–80; daneben gab es noch einen Infamenkatalog in der lex Iulia municipalis (FIRA 1 Nr. 13), der die Personen aufzählt, die nicht in den ordo decurionum gewählt werden können und die damit verbundenen Nachteile, vgl. Kaser, SZ 73 (1956), 236; ders., RP 1, §  64, S.  274; Greenidge, Infamia, S.  116. 212  Lenel, EP §§  25, 26, S.  89 und 92. 213  Fr. Vat. §§  322, 323. 214  Iulian. D.  3, 2, 1 (1 ad ed.), der Text stammt wohl ursprünglich von Ulpian aus dem 6. Buch seines Ediktskommentars (Lenel, EP, § 16, S. 77): infamia notatur (…) qui artis ludicrae pronuntiandive causa in scaenam prodierit: qui lenocinium fecerit (…). Weitere Beispiele für entehrende Berufe nennt Kaser, RP 1, §  64, S.  274. 215  Greenidge, Infamia, S. 121; Lenel, EP, § 16, S. 79: dies lässt sich mit der Lex Iulia Municipalis belegen. Der fortdauernd entehrende Charakter beider Gewerbe steht fest, auch wenn die Digesten wegen des Untergangs der Gladiatorenspiele keine dementsprechenden Regelungen enthalten. 216  Ulp. 3, 1, 1, 6 (6 ad ed.); Iul. D.  3, 2, 1 (1 ad ed.). 217  Iul. D.  3, 2, 1 (1 ad ed.): (…) qui furti, vi bonorum raptorum, iniuriarum, de dolo malo et fraude suo nomine damnatus pactusve erit: qui pro socio, tutelae, mandati, depositi suo nomine non contrario iudcio damnatus erit (…), auch die actio fiduciae war ein iudicium famosum, vgl. Gai. 4, 182; zu weiteren Ergänzungen s. Lenel, EP, §  16, S.  79. 218  Kaser, RP 1, §  64, S.  274. 219  Heumann / Seckel, Handlexikon, sv turpis, S.  597. 220  Heumann / Seckel, Handlexikon, sv turpis, turpis persona / homo, S.  598.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

in den Händen des Prätors oder anderer zuständiger Behörden221. Diese Unbestimmtheit lässt den Behörden viel Spielraum und knüpft an den Billigkeitsgedanken222 an. Oft ist die turpitudo an eine bestimmte Situation oder einen bestimmten Beruf geknüpft und deshalb nur vorübergehender Natur223. Allerdings gibt es Fälle, in denen die turpitudo nicht wieder beseitigt werden kann. So bleibt eine Prostitutierte turpis im Sinne der Lex Iulia et Papia Poppaea, auch wenn sie ihren Beruf aufgibt und ein bürgerliches Leben führt224. Die Feststellung, dass eine Person turpis ist, hat nicht so schwer wiegende Folgen wie die Infamie225. Eine mögliche Folge ist, wie Fr. Vat. §  324 zeigt, das Verbot als Prozessvertreter aufzutreten. In der Klassik vermischen sich beide Begriffe nach und nach und werden deshalb nicht mehr klar unterschieden226. Actio famosa und actio turpis sind beispielsweise Synonyme227. Eine Prostituierte ist nicht nur turpis, sondern auch infamis228. Ulpian229 bezeichnet Personen, die nach dem Edikt infames sind und deshalb nicht vor Gericht auftreten dürfen (qui pro aliis ne postulent) als in turpitudine notabiles. Gaius230 lehnt den Ausschluss von Personen ab, die sich als Schauspieler nur verpflichtet haben, dann aber doch nicht auftreten und benutzt dafür die Wendung quia est ea res non adeo turpis. Schauspieler waren aber im Infamenkatalog enthalten. Auch wenn sich die Begriffe durch die genauen Regelungen zur Infamie immer mehr überschneiden, besteht der Ausschluss von gewissen Ämtern wegen turpitudo fort und wird weiter von magistratischen Richtern, dem Prätor und Kaisern231 angewendet232. Justinian fasst zwar die Tatbestände aus 221  Greenidge,

Infamia, S.  189; Camacho de los Riós, La Infamia, S.  41. Infamia, S.  192. 223  Camacho de los Riós, La Infamia, S.  41, zählt folgende Berufsgruppen auf: circitor-libitinarus-praeco. 224  Greenidge, Infamia, S.  190. 225  Camacho de los Riós, La Infamia, S.  43. 226  Camacho de los Riós, La Infamia, S.  41. 227  Das zeigt sich beispielsweise in Paul. D.  17, 2, 56 (6 ad Sab.): (…) idemque est in omnibus turpibus actionibus, veluti iniuriarum, vi bonorum raptorum. Beide actiones sind auch actiones famosae, s. Ulp. D.  3, 2, 4, 5 (6 ad ed.); Kaser, SZ 73 (1956), 252 Fn.  252, hält den Begriff turpis actio nicht für echt. 228  Kaser, RP 1, §  64, S.  274. 229  Ulp. D.  3, 1, 1, 5 (6 ad ed.). 230  Gai. D.  3, 2, 3 (1 ad ed. prov.). 231  Const. C.  3, 28, 27 (a. 319 = C.  Th. 2, 19, 1); Diocl. / Maxim. C.  4, 7, 5 (a. 294); Diocl. / Maxim. C.  4, 7, 6 (a. 294); Diocl. / Maxim. C. 8, 50, 7 (a. 291); Const. C.  12, 1, 2 (a. 313–315). 232  Greenidge, Infamia, S.  190. 222  Greenidge,



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der klassischen Kasuistik zusammen und nimmt teilweise Änderungen an den Rechtsfolgen233 der Infamie vor234, turpitudo ist aber weiterhin rechts­ erheblich. Deshalb findet man in den Digesten zahlreiche Belege für die ­Anwendung des Ausschlusses wegen turpitudo oder als turpis persona235. 3. Adsertionem non nisi suspecti praetori Der adsertor kann von der Prozessführung ausgeschlossen werden, wenn er dem Prätor nicht vertrauenswürdig (suspectus) erscheint. Die Bedeutung von suspectus wird an dieser Stelle nicht geklärt. Im Edikt findet sich kein Titel, der sich mit dem suspectus adsertor beschäftigt. Gaius und die uns in den Digesten überlieferten klassischen Juristen erörtern nur den suspectus tutor236, den suspectus curator237 und den suspectus procurator238 ausführlicher239. Daneben hat der Prätor in sehr unterschiedlich gelagerten Fällen die Möglichkeit, seinen Ermessenspielraum auszuschöpfen, wenn ihm einer der an einem geplanten Prozess Beteiligten als suspectus erscheint. Erst in der Nachklassik gibt Justinian den Parteien die Möglichkeit, den vom Magistrat beauftragten Richter als suspectus abzulehnen240. Bei der Klärung der Frage, wann ein adsertor als suspectus abgelehnt wird, helfen die Regelungen zur accusatio suspecti tutoris, die jedermann gegen den testamentarisch bestellten tutor241 erheben kann, nicht weiter. Die Anklage knüpft an das Treueverhältnis zwischen Vormund und Mündel an: 233  Iul.

D.  3, 2, 1 (1 ad ed.); Inst. 4, 13, 11. RP 2, §  206, S.  115. 235  Marcell. D.  1, 9, 2 (3 dig.); Ulp. D.  3, 1, 1, 5 (6 ad ed.); Ulp. D.  4, 3, 1, 5 (11 ad ed.); Ulp. D.  17, 2, 53 (30 ad Sab.); Paul. D.  17, 2, 56 (6 ad Sab.); Lab. D.  23, 3, 79, 1 (6 post.); Ulp. D.  24, 3, 22, 6 (33 ad ed.); Ulp. D 26, 2, 17, 1 (35 ad ed.); Tryphon. D.  29, 1, 41, 1 (19 disp.); s. a. Heumann / Seckel, Handlexikon, sv turpis, S.  598. 236  Inst. 1, 26 und D.  26, 10: De suspectis tutoribus et curatoribus; C.  5, 43: De suspectis; Gai. Inst. 1, 182. 237  Inst. 1, 26 und D.  26, 10: De suspectis tutoribus et curatoribus; C.  5, 43: De suspectis. 238  Ulp. D.  3, 3, 19 (9 ad ed.); Ulp. D.  3, 3, 25 (9 ad ed.). 239  So beispielsweise in Pomp. D.  37, 4, 16 (4 ad Sab.) der suspectus avus; suspectus heres neben suspectus tutor in Ulp. D. 42, 5, 31, 1 (2 de omn. trib.); suspectus pater in Ulp. D.  43, 30, 3, 4 (71 ad ed.); suspectus reus, Ulp. D.  48, 18, 1, 1 (8 de off. proc.); suspectus auctor, Macer, D.  49, 1, 4, 3 (1 de appell.). 240  Kaser / Hackl, RZ, § 83, S. 549; Iust. C. 3, 1, 16 (a. 531); Iust. C, 3, 1, 18 (a. 531). 241  Kaser, RP 1, § 88, S. 364: Ob die accusatio suspecti schon in klassischer Zeit auch auf den gesetzlichen oder den magistratischen Tutor angewandt wurde, wie in Inst. 1, 26, 2 geregelt, ist fraglich. In der Nachklassik wurde das Verfahren gegen 234  Kaser,

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Ein Treuebruch liegt vor, wenn der Vormund arglistig handelt oder sich einer groben Pflichtverletzung schuldig macht242. Ein vergleichbares Treueverhältnis zwischen dem vermeintlichen Sklaven und dem adsertor libertatis besteht dagegen nicht. Anders könnte es beim suspectus procurator sein, in D. 3, 3, 19 und D. 3, 3, 25 geht es gerade um die Vertretung im Prozess. a) Regelungen zum suspectus procurator Ulp. D. 3, 3, 19243 (9 ad. ed.) Item si suspectus sit procurator aut in vinculis aut in hostium praedonumve ­potestate,

Ulp. D. 3, 3, 25 (9 ad ed.) Quae omnia non solum ex parte rei, sed etiam in persona actoris observabuntur. sed si adversarius vel ipse procurator dicat dominum mentiri, apud praetorem haec finiri oportet. nec ferendus est procurator qui sibi adserit procurationem: nam hoc ipso suspectus est qui operam suam ingerit invito. nisi forte purgare magis convicium quam procurationem exsequi maluit. et hactenus erit audiendus, si dicat se procuratione quidem carere velle, sed si id inlaesa existimatione sua fiat: ceterum ferendus erit pudorem suum purgans. Plane si dicat in rem suam se procuratorem datum et hoc probaverit, non debet carere propria lite. Item si retentione aliqua procurator uti velit, non facile ab eo lis erit transferenda,

Beide Regelungen befinden sich im dritten Titel des dritten Buchs der Digesten, der mit De procuratoribus et cognitoribus überschrieben ist. Sie wurden dem neunten Buch des Ediktskommentars von Ulpian entnommen, das hauptsächlich Regelungen zum Prokurator und zu sonstigen Verteidigern enthält. Der erste Teil des entsprechenden prätorischen Edikts und folglich auch des Kommentars hat Regelungen zur Auswechslung des cognitor244 zum Gegenstand. Die anderen Teile des neunten Buchs beschäfden tutor suspectus gegen alle Arten von Vormündern zugelassen, vgl. Kaser, RP 2, §  234, S.  231. 242  Ulp. D.  26, 10, 3, 5 (35 ad ed.); D.  26, 10, 3, 6–18 diskutiert eine Fülle von Beispielen; vgl. Kaser, RP 1, § 88, S. 363; das Urteil bewirkte Infamie: Ulp. Fr. Vat. § 340 b = Ulp. D. 3, 3, 39, 7 (9 ad ed.); Gegenschluss zu Ulp. D. 26, 10, 3, 18 (35 ad ed.) und Ulp. D. 26, 10, 4 (1 de omn. trib.): hier wird ausgeführt, dass man sein Amt als Vormund oder Pfleger auch niederlegen kann, ohne dass dies Infamie zur Folge hat. 243  D.  3, 3, 19 knüpft an Ulp. D.  3, 3, 17 (9 ad ed.) an; in D.  3, 3, 17 pr. geht es um eine Voruntersuchung durch den Prätor (causa tamen prius cognita); in D.  3, 3, 17, 2 beginnt eine Aufzählung, worauf sich diese Voruntersuchung erstreckt (in causae autem cognitione non solum haec versantur  …), die erst in D.  3, 3, 23 ein Ende findet. Paul. D.  3, 3, 24 (8 ad ed.) ordnet die Rechtsfolge an. 244  Lenel, Pal 2, Sp.  449: De cognitore abdicando vel mutando; ders., EP, §  28, S.  95.



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tigen sich mit dem procurator245, dem Handeln in fremdem Namen ohne Auftrag246, und bestimmen, wem es verboten ist, für andere zu handeln247 und wer im Namen der municipia248 handeln darf249. Außerdem enthalten sie allgemeine Regelungen zur Verteidigung250. D. 3, 3, 19 besagt lediglich, dass ein suspectus procurator in einer Voruntersuchung durch den Prätor von der Prozessführung ausgeschlossen werden kann251. Interessanter ist D. 3, 3, 25: Ulpian führt aus, wann ein procurator suspectus ist: Nämlich immer dann, wenn er die Prozessführung gegen den Willen des Vertretenen an sich reißt. Dies sei immer verdächtig, sofern der Prozessvertreter sich nicht selbst entlasten wolle. D. 3, 3, 19 und 25 widersprechen offensichtlich den Grundsätzen, die eingangs zu Fr. Vat. §  324 aufgestellt worden sind, gleichgültig, ob man annimmt, dass es in den Digestenstellen ursprünglich um den cognitor ging252 oder ob man von der Echtheit der Texte ausgeht. Fr. Vat. § 324 stellt die adsertio der cognitura gegenüber und unterscheidet auch bei den Ausschlussgründen: Der Ausschluss als suspectus soll nur für den adsertor gelten. Für den cognitor wird untersucht, ob er famosus oder turpis ist. Der Ausschluss wegen Infamie gilt auch für den procurator253. Dieser Widerspruch könnte auf Interpolationen durch die Kompilatoren zurückzuführen sein. b) Der procurator als Ersatz für den adsertor libertatis D. 3, 3, 19 und D. 3, 3, 25 könnten in viel größerem Umfang interpoliert sein als bisher angenommen: Gegenstand der Texte könnte ursprünglich der adsertor suspectus gewesen sein und nicht der procurator suspectus. 245  Lenel,

Pal 2, Sp.  450: De procuratoribus: praefatio. Pal 2, Sp. 451: Ut alieno nomine sine mandatu agere non liceat; ders., EP, §  29, S.  95. 247  Lenel, Pal 2, Sp.  451: Quibus alieno nomine, item per alios agere non liceat; ders., EP, §  30, S.  96. 248  Heumann / Seckel, Handlexikon, sv municipium, S. 356: Eine Stadt mit eigener Verfassung und Selbstverwaltung, deren Bürger zugleich römische Bürger sind. 249  Lenel, Pal 2, Sp. 452: Quibus municipium nomine agere liceat; ders. EP, § 31, S.  97. 250  Lenel, Pal 2, Sp. 452: De defendo eo, cuius nomine quis aget, et de satisdando; ders., EP, §  32, S.  98. 251  Vgl. D, 3, 3 17 pr. (9 ad ed.). 252  So Lenel, Pal. 2, Sp. 449, Nr. 313, 314 mit Fn. 4 und 7; ders., EP, § 28, S. 9, Fn.  5; derselben Ansicht ist Wirbel, Le cognitor, S.  62. 253  Fr. Vat. §§  322, 323; PS 1, 2, 3 int.; Gai. 4, 182; Lenel, EP, §  30, S.  97. 246  Lenel,

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Das neunte Buch beschäftigte sich mit dem Handeln in fremdem Namen. Auch der adsertor libertatis handelte alieno nomine254. Der cognitor255 muss deshalb nicht zwangsläufig Gegenstand von D. 3, 3, 19 und D. 3, 3, 25 gewesen sein256; er wird zudem vorab in einem eigenen Abschnitt abgehandelt. Gegen eine Interpolation, bei der der adsertor libertatis ersetzt wurde, spricht auch nicht der Passus „suspectus est qui operam suam ingerit invito“. Dies ist nicht zwingend auf den invitus dominus zu beziehen: Mit invitus könnte auch derjenige gemeint sein, der sich in Sklaverei befindet und für dessen Freiheit der adsertor eintritt. Der adsertor würde überdies sehr gut in die Reihe mit den anderen personae suspectae, dem Vormund und dem Pfleger passen In allen Fällen geht es um das Auftreten (privatrechtlich oder prozessual) für eine andere Person, die selbst nicht handeln kann. Gegen diese Annahme spricht jedoch die Systematik von D. 3, 3, 25. Vom Ausschluss als suspectus wird eine Ausnahme gemacht für den Fall, dass der procurator in eigener Sache handelt und sich selbst verteidigt, weil es ihm möglich sein müsse, seinen Ruf zu verteidigen. Der adsertor libertatis macht im Freiheitsprozess die Freiheit eines anderen geltend, er muss sich dabei nie gegen an ihn gerichtete Vorwürfe verteidigen. Gegenstand des Prozesses ist für den Vindikanten das Eigentum am vermeintlichen Sklaven. Ebensowenig passt der Eingangssatz: In diesem geht es um den Vorwurf, der Geschäftsherr lüge (si adversarius vel ipse procurator dicat dominum mentiri). Einen Geschäftsherrn (dominus) gibt es bei der causa liberalis gerade nicht. Eine dahingehende Interpolation, dass procurator hier für den adsertor libertatis eingefügt wurde, ist daher abzulehnen. c) Der cognitor als ursprünglicher Gegenstand von D. 3, 3, 25 Lenel vermutet aufgrund des prozessualen Bezugs, dass es ursprünglich um den cognitor ging257. Er ordnet D. 3, 3, 17, 19 und 25 deshalb unter dem Titel „De cognitore abdicando vel mutando“ ein. Zumindest für D. 3, 3, 25 erscheint diese Zuordnung zweifelhaft. In diesem Text geht es um ein Auftreten gegen den Willen des Geschäftsherrn (suspectus est qui operam suam ingerit invito). Bei der Kognitur ist ein solches Auftreten unwahr254  Inst.

4, 10 pr. Lenel, Pal. 2, Sp.  449–454. 256  Anders Lenel, Pal. 2, Sp.  449, Nr. 313, 314 mit Fn.  4 und 7; ders., EP, §  28, S. 9, Fn. 5; Wirbel, Le cognitor, S. 62, die vermuten, dass es um den cognitor ging. 257  Lenel, Pal. 2, Sp.  449, Nr. 313, 314 mit Fn.  4 und 7; ders., EP, §  28, S.  94 Fn.  5; derselben Ansicht ist Wirbel, Le cognitor, S.  62. 255  Vgl.



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scheinlich und rechtlich auch kaum möglich. Der Geschäftsherr muss den cognitor dem Prozessgegner gegenüber ermächtigen258. Das Auftreten gegen den Willen des Geschäftsherrn ist in weiteren Quellen259 stets im Zusammenhang mit dem procurator bezeugt. Unter den klassischen Juristen ist umstritten, ob der procurator einen Auftrag für die Prozessvertretung nachweisen muss260. Gaius261 kennt zumindest den bona fide handelnden unbeauftragten procurator, der zur Kautionsleistung verpflichtet bleibt. In den Digesten können nach Ulp. D, 3, 3, 35 pr.262 (9 ad ed.) Kinder (auch unter patria potestas), Eltern, Brüder, Verwandte und Freigelassene ohne Auftrag als procuratores handeln. Auch hier spielt ein entgegenstehender Wille des Vertretenen eine Rolle und mündet in die Zurückweisung als Prozessvertreter durch den Prätor, Ulp. D. 3, 3, 40, 4 (9 ad ed.)263. Nach allen diesen Belegen ist davon auszugehen, dass D. 3, 3, 25 sich wirklich mit der Prokuratur beschäftigte und nicht mit der Cognitur. Der Text gehört ursprünglich in den Teil, der das Edikt Quibus alieno nomine, item per alios agere non liceat264 kommentiert265. Für D. 3, 3, 19 lässt sich das nicht mit derselben Sicherheit sagen, weil es sich nur um einen Satz handelt, der aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Da hier der suspectus procurator das erste Mal erwähnt wird, ist allerdings wahrscheinlich, dass auch hier keine Interpolation vorliegt. Die Frage, weshalb der procurator in den Digesten als suspecta persona ausgeschlossen werden konnte, während in den vorjustinianischen Quellen immer dieselben Regelungen wie für den cognitor galten266, kann nicht 258  Gai. 4, 83; Kaser / Hackl, RZ, §  29, S.  210; Eisele, Cognitur und Prokuratur, S.  221; Klinck, SZ 124 (2007), 49. 259  Honor. / Theodos. C. 8, 15, 8 (a. 422) = C.  Th. 2, 30, 2; Ulp. D.  3, 3, 27 pr. (9 ad ed.); Lenel, Pal. 2, Sp.  450, Nr.  316, ordnet dieses Fragment zwar auch bei De cognitore abdicando vel mutando ein, nimmt aber an, dass der procurator hier original ist; Ulp. D 3, 3, 28 (1 disp); Lenel, Pal 2, Sp.  388, Nr. 33 geht davon aus, dass Ulpian ursprünglich den cognitor meinte, dagegen spricht aber, dass bei der Kognitur nicht der cognitor selbst, sondern der Vertretene Sicherheit leisten musste, vgl. Kaser / Hackl, RZ, §  29, S.  212, 215; Paul. D.  3, 5, 23 (25 ad ed.), Lenel, Pal. 1, Sp.  1018, Nr. 404, hält diesen Text für echt; Fr. Vat. §  338. 260  Kaser / Hackl, RZ, §  29, S.  214; Lenel, EP, §  29, S.  96. 261  Gai. 4, 84. 262  Lenel, Pal. 2, Sp.  452, Nr. 334, hält den procurator in diesem Fall für echt; Eisele, Cognitur und Procuratur, S. 190, bezeichnet diese Regelung als Überrest des alten Rechtszustands, wonach ein Mandat überhaupt nicht verlangt wurde, sondern jeder der cautio rati bestellte, procuratorio nomine klagen konnte. 263  Lenel, Pal. 2, Sp.  454, Nr. 336 a. E., nimmt auch hier keine Interpolation an. 264  Lenel, EP, §  30, S.  96. 265  Vgl. Lenel, Pal. 2, Sp.  451. 266  Fr. Vat. §§  322, 323; PS 1, 2, 3 int., Lenel, EP, §  30, S.  97.

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abschließend beantwortet werden. Der suspectus procurator kommt nur in diesen beiden Fragmenten von Ulpian vor, für eine systematische Textveränderung durch Justinian gibt es keinerlei Anhaltspunkte. d) Der adsertor libertatis als suspecta persona Auch wenn D. 3, 3, 19 und 25 sich nicht mit dem adsertor libertatis beschäftigen, kann die enthaltene Regelung als Einstieg dienen. Sie könnte in ähnlicher Form auch für den adsertor gegolten haben. Es ist plausibel, dass Personen außerhalb des bevorrechtigten Personenkreises267, die gegen den Willen des vermeintlichen Sklaven handelten, vom Prätor als verdächtig ausgeschlossen werden konnten, wenn zu befürchten war, dass sie die Interessen des vermeintlichen Sklaven nicht hinreichend wahrnehmen würden. Franciosi268 führt als weiteren Ausschlussgrund die Gefahr von Prozessbetrug und Kollusionen an, etwa beim betrügerischen Selbstverkauf269. Es ist davon auszugehen, dass es weitere Fälle gab, in denen der adsertor als verdächtig ausgeschlossen wurde, die nicht überliefert sind270. Dadurch dass jedermann als adsertor für einen anderen auftreten kontte271, bestand die Gefahr, dass ungeeignete Personen die Sache der Freiheit übernehmen wollten272. 4. Verhältnis der beiden Regelungen Nach dem Wortlaut von Fr. Vat. §  324 (non nisi  …) konnte der adsertor nur ausgeschlossen werden, wenn er dem Prätor als verdächtig erschien. Die Regelungen, die für den cognitor galten und den Ausschluss von infames und turpes personae beinhalteten, fanden keine Anwendung. Es lag folglich im Ermessen des Prätors, auch Ehrlose und Personen mit einem schändlichen Lebenswandel als adsertores zuzulassen. Der Prätor musste das Risiko, eine ungeeignete Person zuzulassen, gegen die Gefahr abwägen, dass einem Freigeborenen mangels adsertor die Freiheit genommen 267  D.  40,

12, 1–6. Il processo, S.  173; ders., Labeo 7 (1961), 31. 269  s. dazu Abschnitt 3, B. I. 270  Die zum Verginia-Prozess entwickelte Annahme von Nicolau, Causa liberalis, S.  191, dass beim Freiheitsprozess um eine Person, die nicht sui iuris ist, jeder außer dem Gewalthaber als suspecta persona erscheint, lässt sich weder mit dem Bericht des Livius noch aus der Natur des Freiheitsprozesses begründen. 271  Liv. 3, 45, 2; Paul. D.  3, 3, 54 pr. (50 ad ed.). 272  So auch Nicolau, Causa liberalis, S.  191. 268  Franciosi,



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wurde, weil er selbst im Prozess handlungsunfähig war. Strengere Regelungen273 zur Zulassung eines adsertor hätten die Versklavung zur Folge haben können. Auf der anderen Seite musste der Prätor bedenken, dass jeder als adsertor auftreten konnte, ohne einen besonderen Grund vorweisen zu müssen. Dies konnte möglicherweise dazu führen, dass Personen sich als adsertor zur Verfügung stellten, die entweder dem vermeintlichen Sklaven schaden oder sich den Prozess auf betrügerische Weise zunutze machen wollten. Aus diesem Grund sollte der Prätor einen weiten Ermenssensspielraum haben und auch Personen zur adsertio zulassen können, die er als Prozessvertreter hätte ablehnen müssen. Ungeeignete, verdächtige adsertores konnte der Prätor dagegen schon in iure von der adsertio ausschließen.

C. Möglichkeiten zum Einsatz eines procurator In C.  7, 17, 1 pr. behandelt Justinian auch die Prozessvertretung274 und stellt Regeln auf, wann sich ein vermeintlicher Sklave vertreten lassen konnte und wann nicht. Bei den Sklaven, die nach der Abschaffung der adsertio selbst vor Gericht auftreten dürfen, differenziert er: Lebt der Sklave vor dem Prozess als vermeintlich Freigeborener, so ist eine Prozessvertretung ohne Weiteres möglich (procuratorem dare minime prohiberi). Klagt der Sklave aus dem Zustand der Sklaverei auf die Freiheit, so wird der Einsatz eines procurator verboten (quod his, qui ex servitute ad libertatem prosiluerint, penitus interdicimus). Zur Frage, ob sich der Vindikant vertreten lassen durfte, trifft Justinian keine Aussage, es ist davon auszugehen, dass es bei der klassischen Rechtslage bleibt. Die Rechtslage zur Zeit der klassischen Juristen war komplexer als zu Justinans Zeiten. Durch dessen Reform hatte der Prozess nur noch zwei Beteiligte: Den vermeintlichen Eigentümer und den vermeintlichen Sklaven. Im klassischen Prozess dagegen musste der adsertor libertatis für das Prozessobjekt „Sklave“ auftreten. Es stellt sich deshalb die Frage, ob ob es Fälle gab, in denen der vermeintliche Sklave (das Prozessobjekt) einen procurator bestellen durfte, ob irgendwelche Besonderheiten für die Vertretung des vermeintlichen Eigentümers galten und ob für den adsertor libertatis die Möglichkeit bestand, einen Prozessvertreter einzusetzen. 273  Fr. Vat. §  324 trifft nur eine Regelung für den cognitor, Fr. Vat. §§  322, 323 verweisen für den procurator auf diese Regelungen; PS 1, 2, 3 int. behandelt den infamis procurator. 274  Vgl. Dritter Teil, A. I. 1. b).

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Es gibt mehrere Quellen, die sich mit den verschiedenen Aspekten der Prozessvertretung im Freiheitsprozess befassen. Zwei Texte von Ulpian aus dem neunten Buch des Ediktskommentars sind in D. 3, 3, 33, 1 und D. 3, 3, 39, 5 überliefert. Ulp. D. 3, 3, 33, 1 (9 ad ed.) Eum vero qui de statu suo litigat275 procuratorem habere posse non dubitamus non solum in administratione rerum, sed etiam in actionibus, quae ei vel adversus eum competant, ex possessione sive servitutis sive libertatis de suo statu litigat276. ex contrario quoque eum procuratorem dari posse manifestum est.

Ulp. D. 3, 3, 39, 5 (9 ad ed.) Si status controversiam cui faciat procurator, sive ex servitute in libertatem adversus eum quis litiget sive ipse ex libertate in servitutem petat, debet cavere ratam rem dominum habiturum. et ita edicto scriptum est, ut ex utroque latere quasi actor habeatur.

Ein Teil des neunten Buchs beschäftigt sich mit der procuratio277; hierzu gehört D. 3, 3, 33, 1278. D. 3, 3, 39, 5 wird dagegen im Zusammenhang mit der Kautionspflicht des Verteidigers behandelt279. D. 3, 3, 33, 1 befasst sich mit der Frage, ob ein procurator für denjenigen eingesetzt werden konnte, der einen Statusprozess führte. Dieser procurator sollte nicht nur für die Verwaltung zuständig sein, sondern auch die Prozessvertretung übernehmen. Es handelt sich um eine procuratio im klassischen Sinn, die neben den Verwaltungspflichten auch die Prozessführung umfasste280. Die Prozessvertretung erstreckt sich auf Klagen des Geschäftsherrn und solche, die gegen ihn gerichtet sind281. Die Bestellung eines procurator ist für beide Fälle möglich, gleichgültig ob der vermeintliche Sklave vorher in Freiheit oder in Sklaverei lebte (ex possessione sive servitutis sive libertatis de suo statu litigat). Ulpian kommentiert also nicht die Prozessvertretung im Freiheitsprozess selbst, die zur damaligen Zeit nur den adsertor als Prozesspartei betroffen hätte, sondern er trifft eine Aussage zur Vertretung des vermeintlichen Sklaven. Zu dieser Frage äußert sich Justinian überhaupt nicht282, ihm geht es um die Prozessvertretung im Freiheits275  Nicolau, Causa liberalis, S.  98, hält den Ausdruck de libertate sua litigare, bzw. de statu suo litigat für interpoliert. 276  Vgl. Fn.  275. 277  Lenel, Pal. 2, Sp.  450–452; ders., EP, §  29. 278  Lenel, Pal. 2, Sp.  452, Nr. 322. 279  Lenel, Pal. 2, Sp.  453, Nr. 336; ders., EP, §  32. 280  Kaser / Hackl, RZ, §  29, S.  214. 281  s. a. Nicolau, Causa liberalis, S.  253. 282  Diese Frage wirft Nicolau, Causa liberalis, S.  253, auf, beantwortet sie aber nicht.



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prozess. Dass die Wendung de suo statu litigat283 interpoliert ist, es also ursprünglich um den adsertor ging, ist abzulehnen. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass faktisch der adsertor handelte und einen procurator für die Vermögensverwaltung oder für andere Prozesse bestellte, de suo statu litigat umschreibt hier aber gerade, an wessen Stelle der procurator auftreten sollte. Fügt man hier den adsertor oder eine den adsertor betreffende Handlung ein, so würde der procurator anstelle des adsertor und nicht für den vermeintlichen Sklaven handeln. Ulpians Formulierung non dubitamus deutet allerdings an, dass zumindest die Frage der Prozessvertretung durch den procurator unter den klassischen Juristen umstritten ist. D. 3, 3, 39, 5 (9 ad ed.) behandelt die Vertretung des Vindikanten. Der procurator konnte sowohl die Rolle des Beklagten als auch die des Klägers (sive ex servitute in libertatem adversus eum quis litiget sive ipse ex libertate in servitutem petat) einnehmen. Voraussetzung dafür war die Leistung der cautio ratam rem dominum habiturum. Der procurator musste Sicherheit dafür leisten, dass der Vertretene die Prozessführung genehmigte284. Diese Kaution war in jedem Prozess zu leisten, in dem der procurator auf Klägerseite auftrat285. Grund dafür war, dass die Klage des Vertretenen zunächst nicht konsumiert wurde, weil die Legitimation des procurator nicht von vornherein feststand286. Im Freiheitsprozess wurde die Kautionspflicht des procurator erweitert: Er musste dieses Kautionsversprechen immer abgeben, unabhängig davon, ob er auf Klägerseite oder auf Beklagtenseite tätig wurde. Dies ergibt sich aus dem letzten Satz: et ita edicto scriptum est, ut ex utroque latere quasi actor habeatur. D. 3, 3, 39, 5 (9 ad ed.) wird fälschlicherweise als Beleg für die Kautionspflicht des adsertor angesehen, unabhängig davon, ob er Kläger oder Beklagter war287. Dies wäre aber nur möglich, wenn man davon ausginge, dass ein Teil des Textes gestrichen wurde oder verloren ging, der ursprünglich den Bezug zum adsertor libertatis herstellte. Überdies geht es nicht um die Sicherung des Prozessgegenstands durch ein Kautionsversprechen, das an die Stelle des praes litis et vindiciarum trat288, sondern um die cautio ratam rem habiturum, die Sicherheitsleistung dafür, dass der Geschäftsherr den Prozess genehmigte. In D. 46, 8, 8, 2, dem Digestentitel zu dieser Genehmigung289, gibt es ein Exzerpt von Venuleius, das die Aussage von D. 3, 3, 39, 5 untermauert. 283  Nicolau,

Causa liberalis, S.  98. RZ, §  29, S.  215. 285  Kaser / Hackl, RZ, §  39, S.  280. 286  Kaser / Hackl, RZ, §  29, S.  215. 287  Lenel, EP §  180, S.  386; Franciosi, S.  230, Fn.  135. 288  Kaser / Hackl, RZ, §  39, S.  281. 289  D.  46, 8: Ratam rem haberi et de ratihabitione. 284  Kaser / Hackl,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

D 46, 8, 8, 2 (15 stip.) Si quis a procuratore status controversiam patiatur, satis accipere debet290 a procuratore, ne impune saepius pro suo statu conveniretur et, si dominus venientesque ab eo personae ratum non habuerunt, quod procurator eum in servitutem petierit vel adversus procuratorem ex servitute in libertatem petitus fuerit, quanti ea res est, ei praestetur, scilicet cum de libertate eius constiterit291, id est quanti interfuerit eius de statu suo rursus non periclitari et propter impendia, quae in litem fecerit. sed Labeo certam summam comprehendendam existimabat, quia aestimatio libertatis ad infinitum extenderetur. ex quo autem dominus ratum non habuerit, committi videtur stipulatio, sed non ante ex ea agi poterit, quam de libertate iudicatum fuerit, quia, si servus sit iudicatus, inutilis fit stipulatio, cum et, si qua sit actio, eam domino adquisisse intellegitur.

D 46, 8, 8, 2 (15 stip.) befasst sich mit einem möglichen Anspruch des vermeintlichen Sklaven auf Schadensersatz, wenn er von einem procurator als Vertreter des Vindikanten mit einer causa liberalis beansprucht wurde und der Geschäftsherr oder seine Abkömmlinge die Prozessführung nicht genehmigten. Dem Sklaven waren in einem solchen Fall die Prozesskosten und der Schaden zu ersetzen, den er durch die Prozessführung erlitten hatte. Demjenigen, um dessen Status es ging (si quis a procuratore status controversum patiatur292), musste eine ausreichende Summe als Sicherheit geleistet werden. Da im klassischen Prozess nicht der vermeintliche Sklave den Prozess führte, sondern der adsertor, galt diese Regelung ursprünglich ihm: Er war Empfänger der Sicherheit. Die Vermutung Lenels, dass hier eius adsertor gestrichen wurde293, ist daher zutreffend. Die Pflicht zur Zahlung der verfallenen cautio ratam rem habiturum galt immer, gleichgültig, ob der procurator auf Klägerseite oder auf Seiten des Beklagten eingesetzt wurde (quod procurator eum in servitutem petierit vel adversus procuratorem ex servitute in libertatem petitus fuerit). D. 46, 8, 8, 2 bestätigt somit den Schlusssatz aus D. 3, 3, 39, 5; es geht an dieser Stelle keineswegs um den adsertor, sondern tatsächlich um den Vindikanten. Abschließend lässt sich Folgendes zur klassischen Rechtslage im Freiheitsprozess festhalten: Setzte der beklagte dominus einen procurator ein, so musste dieser procurator ausnahmsweise die cautio ratam rem habiturum leisten, während sie sonst nur beim Auftreten auf Klägerseite zu zahlen war. 290  Lenel, Pal. 2, Sp.  1222, Nr. 72, meint, dass hinter debet eius adsertor gestrichen wurde. 291  Ebenfalls überliefert ist constituerit, s. Mommsen / Krüger, CIC 1, S.  811 Fn.  11. 292  Heumann / Seckel, Handlexikon, sv pati, S.  409: controversiam pati: in einen Prozess verwickelt werden. 293  Lenel, Pal. 2, Sp.  1222, Nr. 72.



Abschnitt 2: Die Prozessparteien

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Ob der adsertor libertatis einen procurator einsetzen durfte, ist nicht überliefert. Lenel zieht als Beleg für den Einsatz eines procurator adsertoris Jul. D. 43, 8, 6 (43 dig.) heran. Dieser Text hat jedoch aufgrund des Standorts (ne quid in loco publico vel itinere fiat) und des fehlenden Bezugs zum Freiheitsprozess keine Aussagekraft. Die Natur der adsertio spricht gegen das Auftreten eines Prozessvertreters. Das Auftreten im Freiheitsprozess wurde als sittliche Pflicht begriffen294: Ein römischer Bürger stand einem anderen römischen Bürger bei und setzte sich für dessen Freiheit ein. Da die Prozessvertretung zu diesem Anliegen schlecht passt, ist zu vermuten, dass sie im Freiheitsprozess grundsätzlich nicht zulässig ist.

D. Pflichten und Risiken im Freiheitsprozess I. Finanzielle Risiken im Freiheitsprozess als iudicium privatum Zu Zeiten des Legisaktionenverfahrens295 musste der adsertor im Rahmen der actio sacramenti in rem einen Geldeinsatz (sacramentum) in Höhe von 50 As leisten296. Diese Pflicht ergab sich aus seiner Stellung als Prozesspartei. Er trat der Behauptung des Vindikanten entgegen, der einen Eigentumsanspruch geltend machte. Prozessgegenstand war nicht der Status, sondern die umstrittene Person selbst297. Das sacramentum hatte zunächst die Funktion eines Einsatzes, um nach Art einer Wette die Wahrheit zu finden, später diente es auch der Sicherung gegen leichtfertiges Prozessieren298. Während das sacramentum bei anderen Streitgegenständen nach dem Wert bemessen wird299, ist der Geldeinsatz im Freiheitsprozess unabhängig vom Wert. Den Grund dafür nennt Gaius ebenfalls. Er sagt, dass man die adsertores nicht zu sehr belasten wolle300. Diese Regelung ist Folge des favor libertatis301: Der Streit um die persönliche Freiheit sollte nicht vom Kaser / Hackl, RZ, §  29, S.  218. Il processo privato romano delle legis actiones, S.  59, ist sogar der Ansicht, dass diese Regelungen schon zu Zeiten der Zwölftafeln galten. 296  Gai. 4, 14. 297  Kaser / Hackl, RZ, §  14, S.  102. 298  Kaser / Hackl, RZ, §  12, S.  85 und §  40, S.  283. 299  Gai. 4, 14: War die Sache mehr als 1000 As wert, betrug das sacramentum 500 As, für Sachen von geringerem Wert musste ein sacramentum in Höhe von 50 As gezahlt werden. 300  Gai. 4, 14 i.f.: (…) ne onerarentur adsertores. 301  Gai. 4, 14: favore scilicet libertatis; vgl. Nicolau, Causa liberalis, S.  176; Franciosi, Il processo, S.  79; Kaser / Hackl, RZ, §  14, S.  103. 294  s.

295  Albanese,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Vermögen abhängen302. Darüber hinaus handelte der adsertor libertatis uneigennützig. Er kämpfte für die Freiheit eines anderen und konnte dabei keinen Gewinn machen, sondern setzte sich der Gefahr aus, das eingesetzte Geld zu verlieren. Zusätzlich zur Leistung des sacramentum war der adsertor zur Stellung eines Haftungsbürgen, des praes litis vindiciarum303, verpflichtet: War die Herausgabe einer Sache Gegenstand des Legisaktionenverfahrens, so konnte der Prätor einer Partei den Zwischenbesitz (vindiciae) zuteilen. Diese Partei musste dann einen Bürgen stellen, der dafür einstand, dass die Sache vom Zwischenbesitzer, sollte er im Prozess unterliegen, unversehrt herausgegeben wurde304. Im Freiheitsprozess galt die Besonderheit, dass der Zwischenbesitz in jedem Fall zugunsten der Freiheit erteilt wurde305. Der vermeintliche Sklave wurde für die Dauer des Prozesses als frei angesehen, unabhängig davon, ob eine vindicatio in servitutem oder in libertatem geführt wurde. Deshalb traf den adsertor immer die Pflicht zur Stellung eines solchen Bürgen306. Im klassischen römischen Recht treten Sicherheitsleistungen an die Stelle des Prozessbürgen307. Normalerweise betrifft dies nur den Beklagten. Beim Freiheitsprozess ist dagegen wahrscheinlich, dass eine solche Pflicht auch den adsertor libertatis als Kläger traf308. Im klassischen Verfahren galt dieselbe Besonderheit, dass der Sklave nach Einleitung des Prozesses unabhängig vom vorprozessualen Rechtszustand bis zum Prozess wie ein freier Mensch behandelt wurde309. Gleichgültig, ob der adsertor Kläger oder Beklagter war, bestand daher für den Vindikanten die Gefahr, dass der Sklave flüchtete. Um dieses Risiko zu minimieren, oblag dem adsertor die Sicherheitsleistung. Die Höhe wird nirgends erwähnt, es ist aber wahrscheinlich, dass sie sich am Wert des Sklaven orientiert310. Dem steht auch nicht die in Paul. D. 50, 17, 106 (2 ad ed.) überlieferte Rechtsregel „libertas 302  Franciosi,

Il processo, S.  79. 4, 94; Kaser / Hackl, RZ, §  14, S.  100. 304  Kaser / Hackl, RZ, §  14, S.  101. 305  Kaser / Hackl, RZ, §  14, S.  101; Liv. 3, 44, 5, zumindest als Beleg für die späte Republik und den frühen Prinzipat; Pomp. D.  1, 2, 2, 24 (lib. sing. ench.). 306  So auch Nicolau, Causa liberalis, S.  121. 307  Gai. 4, 94; Martial 1, 52: Si de servitio gravi querentur, asertor venias satisque praestes. Vgl. Kaser / Hackl, RZ, §  39, S.  281. 308  Buckland, Slavery, S.  656; Lenel, EP, §  180, S.  386, begründet das mit dem letzten Teil von Ulp. D.  3, 3, 39, 5 (9 ad ed.): et ita edicto scriptum est, ut ex ­utroque latere quasi actor habeatur. 309  Paul. D. 40, 12, 24 pr. (51 ad ed.): Ordinata liberali causa liberi loco habetur is qui de statu suo litigat. (…). 310  Nicolau, Causa liberalis, S.  243 Fn.  400. 303  Gai.



Abschnitt 2: Die Prozessparteien

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inaestimabilis res est“311 entgegen. Dieser Grundsatz sollte nicht die Festlegung einer Kautionssumme verhindern, sondern ausschließen, dass das zuständige Gericht unter finanziellen Gesichtspunkten bestimmt wurde312: Für causae liberales war daher ohne Rücksicht auf den Streitwert der Prätor313 zuständig. Wlassak314 vermutet, dass die Kautionspflicht des adsertor entfiel, wenn der Sklave mit dem Willen seines Eigentümers in Freiheit lebte. Die von ihm behandelten Quellen315 beschäftigten sich jedoch nur mit der Frage, wann sich ein Sklave mit dem Willen des Eigentümers in Freiheit befand und treffen zur Kautionspflicht keine Aussage. Die Ansicht, dass eine Kaution in diesen Fällen nicht erforderlich war, lässt sich mit dem vorhandenen Quellenmaterial nicht belegen316. Dem adsertor drohte eine Geldstrafe, wenn er wissentlich grundlos prozessierte (calumnia317). Grundsätzlich betrug die Strafe ein Zehntel des Wertes der umstrittenen Sache. Ging es um die Freiheit eines Sklaven, so wurde sogar ein Drittel des Wertes des Sklaven als Strafe geschuldet318. Der Grundsatz der Freiheitsbegünstigung (favor libertatis) fand hier seine Grenzen: Ungerechtfertigte Freiheitsprozesse wurden härter sanktioniert als anderes grundloses Prozessieren. Dies hing zum einen mit dem hohen Wert zusammen, den ein Sklave haben konnte. Zum anderen sollte verhindert werden, dass Personen zu römischen Bürgern erklärt wurden, die tatsächlich Sklaven waren. Eine Aussage zur Kautionsleistung im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels (appellatio) trifft PS 5, 33, 7319. Legte der adsertor Berufung ein, war ein Drittel des geschätzten Streitwerts als Sicherheit zu leisten. Die Streitwertschätzung orientierte sich ebenfalls am Wert des Sklaven320. dieser Rechtsregel, vgl. Nicolau, Causa liberalis, S.  221. SZ 114 (1997), 178. 313  Lenel, SZ 2 (1881), 37. 314  Wlassak, SZ 26 (1905), 394. 315  Wlassak, SZ 26 (1905), 391: Paul. D.  40, 12, 24, 3 (51 ad ed.) und S.  397: Pomp. D.  40, 12, 28 (12 ad. Quint. Muc.). 316  Buckland, Slavery, S. 657, spricht sich gegen diese Ansicht aus, eine Ausnahme von der Kautionsleistung würde den adsertor ohne Grund privilegieren; Lenel, EP, §  181, S.  386 Fn.  3, hält eine Sonderbestimmung für wahrscheinlich, zweifelt aber an der Gestalt, die Wlassak ihr gibt. 317  Zur calumnia im Zivilprozess s. Gai. 4, 174–181; Hitzig, Art. calumnia, RE 3, 1, Sp.  1419–1421; Lenel, EP, §§  36–38, S.  106–109; Lemosse, TR 21 (1953), 30–54; Kaser / Hackl, RZ, §  40, S.  284  f. 318  Gai. 4, 175. 319  PS 5, 33, 7: Adsertor si provocet, in eius modi tertiam cavere debet, quanti causa aestimata est. 320  Nicolau, Causa liberalis, S.  243 Fn.  400. 311  Zu

312  Rodger,

170

2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Franciosis321 Einwand, es bestünde ein Widerspruch zu Paul. D. 50, 17, 106 (2 ad ed.) ist aus den bereits genannten Gründen322 nicht stichhaltig. Auffällig ist, dass der Betrag in Höhe eines Drittels des Schätzwerts der Strafe für calumnia bei einem Freiheitsprozess entspricht323. Eine mögliche Erklärung wäre, dass es hier gar nicht um die Berufung geht, sondern um die Begehung dieses Delikts bei der Einleitung des Freiheitsprozesses als iudicium privatum. Si provocet hätte dann die Bedeutung, „wenn er den Freiheitsprozess herausfordert“, der adsertor also einen Freiheitsprozess einleitete, ohne dass dazu irgendeine Veranlassung bestand. Die Folgen dieses Vorgehens konnten weitreichend sein: Da der vermeintliche Sklave für die Dauer des Prozesses frei war, konnnte er flüchten, während der rechtmäßige Eigentümer ohne eine Sicherheit dastand. Gegen diese Deutung spricht jedoch der Wortlaut „tertiam cavere debet“, der zeigt, dass es um Kautionen geht. Zudem beschäftigt sich der 33. Titel des fünften Buchs neben den Sicherheitsleistungen auch mit den Strafen für Berufungen324. Die Höhe ist wohl nicht zufällig an die poena calumniae angelehnt: Da derselbe adsertor den Freiheitsprozess jederzeit wiederholen konnte325, stellt sich die Frage, in welchem Fällen überhaupt Berufung eingelegt wurde326. Es könnte sein, dass der appellierende adsertor von Anfang an unter dem Verdacht des unberechtigten Prozessierens stand und deshalb eine Summe in gleicher Höhe als Sicherheitsleistung erbringen musste. Nicolau327 ist dagegen der Ansicht, dass nur die vindicatio ex libertate in servitutem wiederholt werden konnte. Bei der adsertio ex servitute in libertatem sei eine Wiederholung gar nicht möglich. Deshalb müsse der adsertor hier gleich Berufung einlegen. Unter dieser Prämisse würde die Kautionsleistung tatsächlich nur der Absicherung des Prozesses dienen. Die Ansicht von Nicolau widerlegen allerdings die überlieferten Texten328. Da es im vorliegenden Titel auch um Berufungsstrafen geht, wäre eine weitere Möglichkeit, dass die Sicherheitsleistung dieselbe Höhe hatte, wie die spätere Strafe bei einem Unterliegen des adsertor.

321  Franciosi, Il processo, S.  296, eine Erklärung für diesen Widerspruch hat er allerdings nicht. 322  Rodger, SZ 114 (1997), 178; Lenel, SZ 2 (1881), 37. 323  Gai. 4, 175, Nicolau, Causa liberalis, S.  229. 324  PS 5, 33: De cautionibus et poenis appellationum. 325  Zur Wiederholung des Freiheitsprozesses s. Abschnitt 3, B. IV. 2. b). 326  Das merkt Nicolau, Causa liberalis, S.  244 Fn.  203 an. 327  Nicolau, Causa liberalis, S.  229. 328  Vgl. nur Lab. D.  40, 12, 42 (4 post.).



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II. Extra ordinem verhängte Strafen Neben den zivilrechtlichen Folgen der calumnia drohten dem adsertor und auch dem vermeintlichen Eigentümer ab dem zweiten Jahrhundert in Rom strafrechtliche Folgen329. Paul. D 40, 12, 39, 1 (5 sent) Qui de ingenuitate cognoscunt, de calumnia eius, qui temere controversiam movit, ad modum exilii possunt ferre sententiam.

PS 5, 1, 5 Post susceptum liberale iudicium si adsertor causam deseruerit, in alium adsertorem omne iudicium transferri placuit: in priorem vero, quod prodendae libertatis gratia factum est, extra ordinem vindicatur: non enim oportet susceptam status causam nulla cogente necessitate destitui.

In D.  40, 12, 39, 1 (5 sent.) wird derjenige, der als calumniator, also wissentlich grundlos330, einen Prozess anstrengt, mit einer Bestrafung extra ordinem bedroht. Dieselben Richter können nach Prozessende über die calumnia entscheiden und eine Strafe bis zum Exil verhängen. Es geht hier um das Verfahren extra ordinem331, dies wird aus der Verwendung des Verbs cognoscere ersichtlich und aus der Formulierung der Strafandrohung, die dem Richter einen Spielraum lässt. Derselbe Richter, der über den Freiheitsprozess entschieden hat, soll auch über das Anklägervergehen entscheiden. PS 5, 1, 5 beschäftigt sich mit dem adsertor, der ungerechtfertigt von seiner Klage zurücktritt. Der ungerechtfertigte Rücktritt von der Anklage wird tergiversatio genannt, „deseruerit“ und „destitui“ sind typische Ausdrücke für dieses Anklägervergehen332. Der Zurückgetretene kann durch einen anderen adsertor ersetzt werden. Diese Besonderheit des Freiheitsprozesses folgt aus dem favor libertatis und dient der Erlangung der Freiheit (quod prodendae libertatis gratia factum est). Gegen den ersten adsertor kann extra ordinem verhandelt werden. Die Voraussetzungen für dieses Verfahren sind nicht überliefert. Offen bleibt auch, ob schon Nachlässigkeit333 ausreicht oder ein arglistiges Handeln334 329  Levy, BIDR 45 (1938), 85; einen guten Überblick über die strafrechtlichen Folgen der calumnia gibt auch Hitzig, Art. calumnia, RE 3, 1, Sp. 1414–1419; Schilling, Poena extraordinaria, S.  161–163, mit weiterer Literatur in Fn.  576. 330  Mommsen, Römisches Strafrecht, S.  492. 331  So auch Levy, BIDR 45 (1938), 142. 332  Mommsen, Römisches Strafrecht, S.  498 Fn.  2. 333  Nicolau, Causa liberalis, S.  133, 230. 334  Franciosi, Il processo, S.  169.

172

2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

des adsertor vorliegen muss. PS 5, 1, 5 trifft dazu nur folgende Aussage: Der adsertor soll nicht ohne zwingende Notwendigkeit einen einmal übernommenen Freiheitsprozess im Stich lassen können (non enim oportet susceptam status causam nulla cogente necessitate destitui). Der beamtete Richter ist nicht zur Feststellung eines Verschuldensgrads verpflichtet und kann nach billigem Ermessen eine Strafe gegen den adsertor verhängen335. Im Folgenden soll zunächst kurz die Entwicklung der strafrechtlichen Ahndung der Anklägervergehen geschildert werden. Vor diesem Hintergrund soll dann der Frage nachgegangen werden, inwiefern die zitierten Quellen die klassische Rechtslage widerspiegeln. 1. Allgemeines zu calumnia und tergiversatio Die calumnia336 taucht in der Literatur erstmals nachweislich bei Cicero auf337. Die Folgen variierten, je nachdem, ob sie im Zivilprozess oder im Strafprozess begangen wurde. Ordo iudiciorum publicorum und privatorum wurden strikt getrennt. Für Ersteres galten die Lex Remmia338 und das SC Turpillianum339 (61 n. Chr.), die die Infamie mit sich bringen, für Letzteres die vorher schon erläuterten zivilrechtlichen Folgen340. Die tergiversatio ist das jüngste Anklägervergehen, sie taucht erst im Prinzipat auf341. Sie ist nur strafrechtlich relevant und wird 61 n. Chr. im SC Turpillianum342 definiert (ab accusatione citra abolitione destiterit). Dieses Senatusconsultum ordnete zusätzlich offiziell die Gleichstellung von tergiversatio und calumnia an343. Schon vorher konnte der Prätor denjenigen, der einen Prozess aufgab, als calumniator pronuntiieren344. 335  Levy,

SDHI 31 (1965), 4. Begriff vgl. Caminas, La lex Remmia de calumniatoribus, S.  7–14; Schilling, Poena extraordinaria, S.  161–163 m. w. N. 337  Levy, Anklägervergehen, SZ 53 (1933), 153; ThLL 3, sv calumnia, Sp.  186 nennt beispielsweise Cic. Verr. 3, 25; 3, 37; 3, 61; Cic. de orat. 2, 226. 338  Hitzig, Art. calumnia, RE 3, 1, Sp.  1416, datiert die Lex Remmia auf das letzte Jarhundert der Republik. Zur Datierung vgl. auch Caminas, La lex Remmia de calumniatoribus, S.  1–5. 339  Caminas, La lex Remmia de calumniatoribus, S.  113–122. 340  Gai. 4, 174: neben dem iudicium calumniae zählt er das ius iurandum und die restipulatio auf. In bestimmten Fällen ist auch ein iudicium contrarium möglich; mit den Kalumnieneid beschäftigt sich besonders Lemosse, TR 21 (1953), 30–54. 341  Levy, SZ 53 (1933), 153. 342  Zum SC Turpillianum, vgl. Nogrady, Römisches Strafrecht nach Ulpian, S.  121–123. 343  Levy, SZ 53 (1933), 227. 344  Levy, SZ 53 (1933), 213. 336  Zum



Abschnitt 2: Die Prozessparteien

173

Es liegt nahe, dass die Fälle der tergiversatio im Zivilprozess ähnlich gehandhabt wurden und die tergiversatio daher auch in den Anwendungsbereich der zivilrechtlichen calumnia fiel345. Diese Vermutung wird durch zwei in den Digesten überlieferte Juristentexte gestützt: Ulpians Definition der calumnia in D. 5, 1, 10 (10 ad ed.) weist starke Ähnlichkeit mit der paulinischen Definition der tergiversatio in D.  48, 16, 13 pr. (3 de adult.) auf. An beiden Stellen wird das Verb destitisse verwendet, um den Tatbestand zu beschreiben. Die strenge Trennung zwischen dem ordo iudiciorum privatorum und dem ordo iudiciorum publicorum galt auch für die tergiversatio. Im zweiten Jahrhundert n. Chr. erreicht eine in den Provinzen346 begonnene Entwicklung Rom347: Neben den ordentlichen Rechtsweg (ordo), tritt das Verfahren extra ordinem. In diesem Verfahren berücksichtigten die Richter bei der Strafzumessung allein die Schwere des Vergehens348 und waren nicht an feste Strafen gebunden349. Dieses Ermessen bei der Strafzumessung wurde den Richtern nicht nur für crimina extraordinaria eingeräumt, sondern durfte auch bei Vergehen, für die bisher das ordentliche Verfahren eine feste oder sicher errechenbare Strafe vorgesehen hatte, wie beispielsweise bei den Anklägervergehen350, ausgeübt werden. Wurde extra ordinem verhandelt, so spielte es keine Rolle, ob das Vergehen im Zivil- oder im Strafprozess begangen wurde351. Diese Entwicklung hatte unter anderem ihren Ursprung in den starren Strafsätzen, mit denen der Richter häufig zu keinem befriedigenden Ergebnis kommen konnte. Zwischen der zu strengen Strafe und dem Freispruch gab es keinerlei Spielraum. Die kaiserliche Begnadigung war der einzige Ausweg352. Dies führte dazu, dass die Richter das gesetzliche Strafmaß mißachteten, was von den Kaisern Hadrian und Pius ausdrücklich gebilligt wurde. Es sollten keine starren Strafsätze mehr gelten, sondern das Strafmaß sollte lediglich als Richtschnur dienen353. Der nächste Schritt dieser Entwicklung war das Ko345  Lenel,

EP, §§  36–38, S.  108. BIDR 45 (1938), 86. 347  Levy, BIDR 45 (1938), 85. 348  Levy, SZ 53 (1933), 172. 349  Zur Strafzumessung in der Kaiserzeit vgl. Schilling, Poena extraordinaria. 350  Levy, BIDR 45 (1938), 89. 351  PS 1, 5, 2: Et in privatis et in publicis iudiciis omnes calumniosi extra ordinem pro qualitate admissi plectuntur. 352  Levy, BIDR 45 (1938), 86. 353  Levy, BIDR 45 (1938), 87. 346  Levy,

174

2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

gnitionsverfahren, in dem der Richter alle Nuancen des Einzelfalls heranziehen konnte, um das gerechte Strafmaß zu finden354. 2. Anklägervergehen im Freiheitsprozess Im Freiheitsprozess als Prozess des ordo iudiciorum privatorum gab es zunächst nur die zivilrechtlichen Sanktionen und die eingangs besprochene Geldbuße von einem Drittel355 des Wertes des Sklaven. Angesichts der Belege in Paul. D.  40, 12, 39, 1 und PS 5, 1, 5 stellt sich die Frage, ob die geschilderte Entwicklung des Strafverfahrens auch im Freiheitsprozess ihren Niederschlag fand oder ob beide Quellen die nachklassische Rechtslage abbilden. Paul. D. 40, 12, 39, 1 (5 sent.) und PS 5, 1, 5 ordnen beide ein Verfahren extra ordinem für die Anklägervergehen calumnia und tergiversatio an. Beide Stellen stammen aus den Sententiae Pauli, einem Kompendium des römischen Rechts der Spätantike, das um 295 n. Chr. entstand356. Da sich Kriminalstrafrecht und Prozessrecht zum Zeitpunkt der Sammlung teilweise geändert hatten, könnte es sein, dass der Text der Spätklassiker nachträglich verändert wurde. Als Beleg für eine solche Textveränderung wird ein Reskript von Kaiser Diokletian herangezogen. Diokl. C. 9, 46, 5 (Jahr unbekannt) Qui calumniatores pronuntiantur, in publicorum dumtaxat iudiciorum quaestionibus, non etiam in liberalibus causis, quae privatas disceptationes continent, ­periclitari solent.

Diokletian führt aus, dass normalerweise (solent) keine strafrechtliche Sanktion droht, wenn im Freiheitprozess kalumniöses Verhalten vorliegt357. Grundsätzlich sollte es also bei den Folgen der privatrechtlichen calumnia358 bleiben. Die Verwendung des Verbs solere zeigt jedoch, dass es daneben durchaus die Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung gab359. Der Text der Konstitution belegt daher die geschilderte Entwicklung: Die 354  Levy,

BIDR 45 (1938), 87. 4, 175. 356  Liebs, HLL, §  507.1, S.  66. 357  Levy, SDHI 31 (1965), 4; ders., BIDR 45 (1938), 143. 358  Levy, BIDR 45 (1938), 143 Fn.  394; auch Diokl. C.  7, 16, 31 geht auf die privatrechtlichen Folgen ein. 359  Levy, SDHI 31 (1965), 4. 355  Gai.



Abschnitt 2: Die Prozessparteien

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Ahndung der Anklägervergehen extra ordinem trat neben die regulären Strafen, löste sie aber nicht ab. Im Vordergrund standen zwar die privatrechtlichen Mittel360, daneben gewann das Kognitionsverfahren immer mehr an Bedeutung. Sowohl PS 1, 5, 2, der dieses Ergebnis noch bekräftigt, als auch PS 5, 1, 5 sind klassisch. Der zweite Satz erklärt sich allein aus der geschilderten Gesamtentwicklung des dritten Jahrhunderts361. Dem adsertor drohten damit in der Klassik nicht nur privatrechtliche Konsequenzen, sondern er konnte und wurde auch extra ordinem bestraft. III. Nachklassische Entwicklungen Aus der Nachklassik sind zwei in C.  Th. 4, 8, 5, 1a (Jahr unbekannt) und C.  Th. 4, 8, 8 (a. 332) überlieferte Konstitutionen von Kaiser Konstantin erhalten, die Strafen für den adsertor und für den Vindikanten androhen. Diese führen die Entwicklung fort, die sich schon in PS 5, 1, 5 abzeichnet. Die Anordnungen des Kaisers sind in Art und Ausgestaltung von der Aussage des Sentenzenverfassers grundverschieden362. Zum besseren Verständnis wird deshalb die weitere Entwicklung der Strafzumessung dargestellt: Schon unter Diokletian begann eine Entwicklung, die unter Konstantin zum festen Prinzip wurde. Der Kaiser diktierte absolut bestimmte Strafen363 und nahm dem Richter damit den großen Spielraum, den er vorher bei der Strafzumessung hatte364. Die Strafe wurde jetzt von der Talion bestimmt365: Gleiches sollte mit Gleichem vergolten werden366. Dass dieses Prinzip auch bei Fehlverhalten der Parteien im Freiheitsprozess Anwendung fand, zeigen die genannten konstantinischen Konstitutionen. Unter bestimmten Umständen konnten sowohl der Vindikant als auch der adsertor zur Leistung von Strafsklaven (servi multaticii) verurteilt werden. 360  Diokl.

C.  7, 16, 31 (a. 294). SDHI 31 (1965), 4. 362  Levy, SDHI 31 (1965), 5. 363  Levy, SDHI 31 (1965), 5. 364  Levy, BIDR 45 (1938), 152. 365  Levy, SZ 53 (1933), 173. 366  Levy, SZ 53 (1933), 169: Dieses Prinzip, dass Gleiches mit Gleichem vergolten werden sollte, galt auch schon vorher, der Richter sollte sich beim Vorliegen eines Anklägervergehens fragen, wozu er den Angeklagten verurteilt hätte und dieses Maß auch auf denjenigen anwenden, der sich eines Anklägervergehens schuldig gemacht hatte. Durch sein richterliches Ermessen hatte er aber eine große Flexibilität, die durch die Festsetzung starrer Strafen und durch die kaiserlichen Anordnungen größtenteils verloren ging; s. dazu auch Levy, BIDR 45 (1938), 153; Kaser, RP 2, §  271, S.  427. 361  Levy,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

C.  Th. 4, 8, 5, 1a enthält eine Strafandrohung für den Vindikanten: Belangte der vermeintliche Herr zu Unrecht (iniuriae inpudentiaeque causa) einen Freigeborenen, dem es nicht möglich war, einen adsertor zu finden und kam es dann zu einem zweiten Prozess, in dem entschieden wurde, dass der Sklave ein Freigeborener war (ingenuus), wurde der Vindikant verurteilt, die Zahl an Sklaven zu leisten, die er zu Unrecht im Prozess eingefordert hatte. C. Th. 4, 8, 5 erleichtert folglich nicht nur die Suche nach einem adsertor367, sondern soll spiegelbildlich Vindikanten davon abhalten, einen anderen zu Unrecht als Sklave zu vindizieren. Dasselbe Prinzip kommt in C.  Th. 4, 8, 8 (a. 332) zum Ausdruck. Der Anfang der Konstitution ist nur verstümmelt erhalten. Es geht wahrscheinlich um eine Mehrheit von Vindikanten in servitutem und adsertores368, die nebeneinander für die Freiheit des vermeintlichen Sklaven eintreten369. Ein weiterer Vindikant oder adsertor konnte dem Prozess beitreten, auch wenn dieser schon begonnen hatte (post adsertionem defensionemque ordinatam). Derjenige, der später eintrat370, musste aber im Falle des Unterliegens so viele Sklaven als Strafe (servi multaticii) an den Fiskus zahlen, wie er vor Gericht eingeklagt hatte. Die gleiche Strafe trifft auch den erfolglosen adsertor. Konnte dieser aufgrund von Armut (per inopiam) nicht leisten, so drohte ihm eine noch strengere Strafe: Er wurde in das Bergwerk „hinabgestoßen“ (in metallum detrudetur)371. Diese Anordnung Konstantins widerspricht nicht dem von ihm eingeschlagenen Weg, die Suche nach einem adsertor zu erleichtern372. Schließ4, 8, 5, 1; Buckland, Slavery, S.  655. Slavery, S.  655, bezieht den Text nur auf eine Mehrheit von adsertores und nimmt lediglich in einer Fußnote (Fn. 8) an, dass es sich auch um einen weiteren Vindikanten handeln könnte. Diese Vorsicht erscheint nicht angebracht: schließlich ergibt sich schon aus dem Wortlaut, dass es auch um einen weiteren Vindikanten geht: (…) alius in iudicium acciri petiverit … ipse vero tot mancipia, quot petebat  …, nur der Herr machte das Eigentum an einem Sklaven geltend. Die interpretatio sagt das nochmals ausdrücklich: alius in iudicium qui se dominum dicit petierit; Sargenti, Diritto privato, S.  81 mit Fn.  1. 369  Levy, SDHI 31 (1965), 4. 370  Vgl. C.  Th. 4, 8, 8: ipse für denjenigen, der später beitrat, und die Interpretatio. Si post adsertionem defensionemque dispositam alius in iudicium qui se dominum dicit petierit exhiberi, inter omnes quidem ordinabitur adsertio, sed ipse ad certam poenam tenebitur. Idem est in adsertore vel defensoribus minorum. 371  s. dazu Reggi, Liber homo, S.  332, Fn.  100. Franciosi, Il processo, S.  169, ist der Ansicht, dass dem adsertor nicht das Bergwerk, sondern eine Geldstrafe droht. Metallum kann aber niemals Geldstrafe bedeuten, Heumann / Seckl, Handlexikon, sv metallum, S.  341. 372  Buckland, Sklavery, S.  655. 367  C.  Th.

368  Buckland,



Abschnitt 2: Die Prozessparteien

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lich führte in den angesprochenen Fällen schon ein anderer adsertor den Prozess für den vermeintlichen Sklaven. Die Bestrafung setzte nicht voraus, dass der hinzutretende Vindikant oder der adsertor den Prozessverlust vorsätzlich herbeiführte, Nachlässigkeit373 reichte aus. Dem Hinzutretenden wurde ein Zugeständnis gemacht, weil er nach der Einleitung des Verfahrens noch am Prozess teilnehmen konnte. Dies könnte gesteigerte Sorgfaltsanforderungen zur Folge gehabt haben. Dieselben Regelungen galten beim Auftreten eines adsertor oder eines Verteidigers für einen Minderjährigen. In der Nachklassik setzt sich die mit der cognitio extra ordinem begonnene Entwicklung fort, auch Parteien im Privatprozess strafrechtlichen Sanktionen zu unterwerfen; der Vindikant und der adsertor libertatis konnten bei Fehlverhalten bestraft werden.

373  Franciosi,

Il processo, S.  169; Nicolau, Causa liberalis, S.  230 Fn.  385.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Abschnitt 3

Das Verfahren bis zur litis contestatio A. Editio actionis Im Formularverfahren musste der Kläger dem Beklagten vor oder bei Ladung schriftlich oder mündlich die angestrengte actio nennen (edere actionem) und zudem auf alle Beweismittel hinweisen, die sein Begehren stützten1. Mit der in ius vocatio, die an keine Formen gebunden war, rief der Ladende den Gegner vor Gericht. Wenn dieser der Ladung nicht folgen konnte, musste er einen vindex stellen2. Erschien der Geladene nicht und stellte auch keinen vindex, dann galt der Beklagte als unverteidigt und der Kläger konnte die missio in bona beantragen3. Im Freiheitsprozess wurde zwar der vermeintliche Sklave geladen4, sein Erscheinen reichte aber nicht aus, weil er nicht parteifähig war5. Da der Sklave selbst Prozessgegenstand war, beschränkte sich die beantragte missio in bona auf ihn6. Das in der editio enthaltene Begehren und die Beweismittel durften7 nach der litis contestatio nicht mehr geändert werden8. Da es im Kogni­ tionsverfahren die litis contestatio nicht mehr gab, wurde an einen anderen 1  Ulp. D.  2, 13, 1 (4 ad ed.); Bürge, SZ 112 (1992), 2, 6; Kaser / Hackl, RZ, §  30, S.  220. 2  Gai. 4, 46; Kaser / Hackl, RZ, §  30, S.  224. 3  Kaser / Hackl, RZ, §  30, S.  222. 4  Das ergibt sich für das Legisaktionenverfahren aus dem Prozess der Verginia (Liv. 3, 44, 8: vocat puellam in ius). Auch wenn Livius bei den juristischen Feinheiten nicht immer exakt ist, scheint diese Information zuverlässig zu sein. Dafür spricht, dass der Kläger, (der vermeintliche) Eigentümer, den adsertor libertatis des Sklaven in den meisten Fällen nicht kannte und sich schon deshalb an den Streitgegenstand halten musste. Im Legisaktionenverfahren konnte der adsertor, wie auch in den griechischen Rechten, schon der Ergreifung des Sklaven entgegentreten. 5  Gai. D.  50, 17, 107 (1 ad ed. prov.); Marcian. D.  48, 10, 7 (2 inst.). Im Kognitionsverfahren gibt es von diesem Grundsatz allerdings drei Ausnahmen. Eine davon nennt Marcian: Der Sklave kann selbst auftreten, wenn die Erben die Testamentsurkunde vernichten, die ihm die Freiheit versprechen. Die zweite ist der Prozess um die fideikommissarischen Freilassung, Pomp. D.  40, 5, 44 (7 ad Sab.); Hermog. D.  5, 1, 53 (1 iur. epit.). Die dritte Ausnahme ist die redemptio suis nummis, Marcian. D.  40, 1, 5 pr. (2 inst.), vgl. hierzu Finkenauer, FS Knütel, S.  345– 357. 6  Eine solche Regelung bejaht Ulpian unter Berufung auf Celsus zumindest bei einem fundus, D.  42, 4, 7, 17 (59 ad ed.) und bei einer Erbschaft, D.  42, 4, 7, 18 und 19 (59 ad ed.). 7  Zur editio der Beweismittel, vgl. Bürge, SZ 112 (1995), 25–41. 8  Bürge, SZ 112 (1995), 43.

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Zeitpunkt angeknüpft: Eine Änderung war grundsätzlich nicht mehr möglich9, wenn der Gerichtsmagistrat auf das tatsächliche Vorbringen der Par­ teien einging.

B. Die endgültige Versagung des Prozesses Selbst wenn der vermeintliche Sklave einen adsertor fand, konnte der Prozess bereits in iure beendet werden, indem der Prätor im Formularprozess die Einsetzung eines Urteilsgerichts und damit den Prozess (denegatio actionis10) verweigerte. Von dieser Möglichkeit machte der Prätor Gebrauch, wenn seiner Ansicht nach kein Rechtschutzbedürfnis bestand. Der Magistrat im Kognitionsverfahren konnte ebenso verfahren. Im Freiheitsprozess konnte die denegatio durch das Verhalten des vermeintlichen Sklaven begründet sein, weil er sich beispielsweise auf unredliche Weise selbst verkauft hatte oder sich durch kollusives Zusammenwirken mit dem Patron oder einem Dritten die Ingenuität erschleichen wollte. Doch auch formelle Mängel wie die Verjährung11 (praescriptio temporis) oder die Einrede der entschiedenen Sache (exceptio rei iudicatae) beendeten den Prozess schon in iure. I. Selbstverkauf in die Sklaverei 1. Homines liberi se venum dari passi sunt Ein viel diskutierter Fall der denegatio actionis12 ist der Selbstverkauf in die Sklaverei. Verkauft sich ein Freigeborener selbst als Sklave, so wirkt sich das grundsätzlich nicht auf seinen Status aus13. Der vermeintliche Sklave kann jederzeit mit Hilfe eines adsertor libertatis seine Freiheit gerichtlich verteidigen. Zwei wichtige Ausnahmen zu diesen Grundsätzen schildert Ulpian: Ulp. D. 28, 3, 6, 5 (10 ad Sab.) Irritum fit testamentum, quotiens ipsi testatori aliquid contigit, puta si civitatem amittat per subitam servitutem, ab hostibus verbi gratia captus, vel si maior 9  Bürge,

SZ 112 (1995), 23. denegatio hatte keine bindende Kraft, der Kläger konnte seinen Antrag an dieser oder an anderer Stelle wiederholen, Kaser / Hackl, RZ, §  32, S.  240. 11  Kaser / Hackl, RZ, §  73, S.  488. 12  Plin. ep. 10, 66, 2 verwendet auch den Begriff denegatio adsertionis, der in juristischen Quellen nicht belegt ist. 13  Ulp. D.  40, 12, 7 pr. (54 ad ed.); Ulp. D.  40, 13, 1 pr. (2 de off. procons.); Gord. C.  7, 18, 1 pr. (a. 293). Wieling, Die Begründung des Sklavenstatus, S.  25. 10  Die

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

annis viginti venum se dari passus sit ad actum gerendum14 pretiumve participandum.

Ist das Motiv für den Selbstverkauf die Teilhabe am Kaufpreis (ad pretium participandum) oder das Ziel, Vermögenswalter zu werden (ad actum gerendum), führt der Selbstverkauf zum Verlust des Bürgerrechts und zur Sklavenstellung desjenigen, der sich selbst verkauft. Der Verkaufte sollte sich nicht auf Kosten des Käufers bereichern können, indem er nach Zahlung des Kaufpreises in einem Freiheitsprozess erfolgreich seine Freiheit geltend machte. Als adsertor fungierte der Komplize, der ihn auch verkauft hatte. Ob der sich selbst Verkaufende seinen Status änderte oder ihm lediglich die Möglichkeit, einen Freiheitsprozess anzustrengen genommen wurde, ist an späterer Stelle zu klären15. D. 28, 3, 6, 5 ist der einzige Text in den Digesten, der beide Fälle des Selbstverkaufs nennt. Der Selbstverkauf der Teilhabe am Kaufpreis wegen findet sich an vielen anderen Stellen in den Digesten und dem Codex. Für den Selbstverkauf ad actum gerendum ist als einzige weitere Quelle eine Konstitution Konstantins erhalten16, die auf folgende Regelungen schließen lässt: Verkaufte sich ein freier Mann oder eine freie Frau in die Sklaverei, um die Geschäfte eines anderen zu führen, so bewirkte das den Verlust des Bürgerechts17. War der Vermögenswalter beim Verkauf jünger als 25 Jahre18 und wurde er als Volljähriger Vermögenswalter oder war dem volljährigen Vermögenswalter nicht bewusst, dass er kein Sklave war, weil er als Sklave aufgezogen wurde19, konnte er seine Freiheit gerichtlich geltend machen. Reggi20 hält den Selbstverkauf ad actum gerendum für eine konstantinische Schöpfung und D. 28, 3, 6, 5 für interpoliert. Dagegen spricht jedoch, dass dieser Fall des Selbstverkaufs zu Justinians Zeiten keine Rolle mehr spielte, weil für die Vermögensverwaltung in dieser Epoche auch Freigeborene 14  Die Worte ad actum gerendum wurden im Codex Florentinus vom Korrektor getilgt, s. Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  415 Fn.  18. 15  s. u. III. 16  Konst. C. Th. 4, 8, 6 (a. 323). S. dazu ausführlich, Reggi, Liber homo, S. 299– 307. 17  Ulp. D. 28, 3, 6, 5 (10 ad Sab.); Interpretatio zu Const. C. Th. 4, 8, 6 (a. 323). 18  C. Th. 4, 8, 6, 1 (a. 323) spricht von minor; die Altersgrenze von 25 Jahren ergibt sich aus der Interpretatio. Ob bei diesem Fall des Selbstverkaufs generell die Altersgrenze von 25 Jahren galt (im Gegensatz zur Altersgrenze von 20 Jahren beim Selbstverkauf ad pretium participandum) oder ob sie nachklassisch ist, muss offen bleiben. 19  Konst. C. Th. 4, 8, 6, 2 (a. 323). 20  Reggi, Liber homo, S.  316, 318.



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eingesetzt werden konnten21. Es gab daher keinen Grund, für die Kompilatoren D. 28, 3, 6, 5 zu ergänzen. Dass der Textteil ad actum gerendum von einem Korrektor der Florentina22 gestrichen wurde, bestätigt nur, dass dieser Fall des Selbstverkaufs im sechsten Jahrhundert obsolet ist. Für eine Regelung, die im nachklassischen Recht ihren Ursprung hatte, gibt es keine weiteren Anhaltspunkte. Neben dem gut belegten Selbstverkauf ad pretium participiendum ist auch der Selbstverkauf ad actum gerendum klassisch23. Viele Fragmente beschäftigen sich mit dem Selbstverkauf eines Freien, der vom Kaufpreis profitieren will24. Die Grundsätze25 stellt Ulpian im 54.  Buch seines Ediktskommentars dar: Ulp. D.  40, 12, 7 pr.-2 (54 ad ed.) Liberis etiam hominibus, maxime si maiores viginti annis venum se dari passi sunt vel in servitutem quaqua ratione deduci, nihil obest, quo minus possint in libertatem proclamare, nisi forte se venum dari passi sunt, ut participaverint pretium. 1  Si quis minor viginti annis ad partiendum26 pretium venum se dari passus est, nihil ei hoc post viginti annos nocebit. sed si ante quidem se venum dedit, post vicensimum autem annum pretium partitus est, poterit ei libertas denegari. 21  Kaser, RP 2, §  204, S.  100, §  213, S.  149; Buckland, Slavery, S.  433; Wallon, Histoire de l’ésclavage, S. 113, ist der Ansicht, dass durch den fehlenden Nachschub an Sklaven Freie deren Aufgaben übernahmen. 22  Zu den Korrektoren vgl. Kaiser, SZ 118 (2001), 133–219. 23  Watson, Persons, S.  167. 24  Ulp. D.  40, 12, 7 pr. – 3 (54 ad ed.); Paul. D.  40, 12, 33 (lib. sing. de lib. caus.); Hermog. D.  40, 12, 40 (5 iur. epit.); Ulp. D.  40, 13, 1 (2 de off. procons.); Pomp. D.  40, 13, 3 (11 epist. et var. lect.); Paul. D.  40, 13, 5 (lib. sing. ad SC Claud.); Saturn. D.  40, 14, 2 pr. (1 de off. procons.); Alex. C.  7, 16, 5, 1 (Jahr unbekannt); Gord. C.  7, 18, 1 (a. 293). 25  Zu den Grundsätzen des betrügerischen Selbstverkaufs s. a. Söllner, Irrtümlich als Sklaven gehaltene freie Menschen, S. 27 / 28; Wieling, Die Begründung des Sklavenstatus, S. 25–26; Nicolau, Causa liberalis, S. 264–282; Buckland, Slavery, S. 427– 433. Weitere Texte, die sich mit dem Selbstverkauf pretium participandi beschäftigen, sind beispielsweise: Hermog. D. 40, 12, 40 (5 iur. epit.); Ulp. D. 40, 13, 1 (2 de off. proc.); Saturn. D. 40, 14, 2 pr. (1 de off. proc.); Alex. C. 7, 16, 5, 2 (Sabino, Jahr unbekannt); Gord. C. 7, 18, 1 pr. (a. 239). In Pomp. D. 40, 13, 3 (11 epist. et var. lect.) und Paul. D. 40, 13, 5 (lib. sing. ad SC Claud.) ist die Teilhabe am Kaufpreis nicht wörtlich erwähnt. Dennoch ist davon auszugehen, dass ein solcher vorliegt und es die Verfasser nicht für notwendig hielten, dies explizit zu erwähnen. Paulus behandelt in D. 40, 13, 5 das Problem, dass es mehrere Käufer mit unterschiedlichem Wissensstand gibt. Dieses Folgeproblem würde sich nicht ergeben, wenn nicht ein betrügerischer Selbstverkauf vorliegen würde. Das Werk des Pomponius ist ebenfalls kasuistisch (vgl. Liebs, HLL 4, § 422, S. 149), es werden keine Grundsätze für den Selbstverkauf erläutert, sondern es geht um die Konsequenzen für die Kinder. 26  Der Florentinus liest partiendum; Krüger / Mommsen, CIC, Bd.  1 S.  684 Fn.  15; Mommsen, Digesta 2, S.  476, Anm. Z.  40.

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2  Si quis sciens liberum emerit, non denegatur vendito in libertatem proclamatio adversus eum qui eum comparavit, cuiusque sit aetatis qui emptus est, idcirco quia non est venia dignus qui emit, etiamsi scientem prudentemque se liberum emerit. sed enim si postea alius eum emerit ob hoc, qui scivit, ignorans, deneganda est ei libertas.

Der Prätor verweigerte den Freiheitsprozess, wenn sich ein Mann (oder eine Frau27), älter als 20 Jahre, der Teilhabe am Kaufpreis wegen (pretium participandi causa) selbst verkaufte. Ist derjenige, der sich selbst als Sklave verkauft, jünger als 20 Jahre28 und empfängt er den Kaufpreis vor Erreichen dieses Alters, so ist die causa liberalis zulässig29. Diese Altersgrenze orientierte sich vermutlich an der Lex Aelia Sentia, die verbot, dass Personen unter 20 Jahren Sklaven freiließen30. Zweck dieser Regelung war die Verminderung der Freilassungen. Den minores viginti annis traute man nicht zu, dass sie die Konsequenzen ihrer Handlungen abschätzen konnten. Aus demselben Grund sollten sie ihre Freiheit nach einem Selbstverkauf trotz der Teilhabe am Kaufpreis gerichtlich geltend machen können. Personen, die selbst niemandem die Freiheit schenken können, sollen den eigenen Status ebenfalls nicht ändern können. Die normalerweise bis zum Alter von 25 Jahren zulässige restitutio in integrum ist für eine Person maior viginti annis nicht möglich31. Eine weitere Rückausnahme von der denegatio des Freiheitsprozesses gilt, wenn der Käufer Kenntnis vom wahren Status hat32. Der emptor sciens ist nicht schutzwürdig, zudem ist der Kauf eines freien Menschen unwirksam33. Beauftragt er einen unwissenden Dritten mit dem Kauf des Freien, dann wird sein Wissen dem Auftragnehmer zugerechnet34. Durch den Wei27  s.

z. B. bei Pomp. D.  40, 13, 3 (11 ep. et var. lect.). EP, § 179, S. 382, setzt die Altersgrenze bei 25 Jahren an. Diese ist aber nur in Konst. C.  Th. 4, 8, 6 (ad Maximum, a. 293) belegt und es geht nicht um einen Selbstverkauf pretium participandi causa. 29  Hermog. D.  40, 12, 40 (5 iur.epit.); Ulp. D.  40, 13, 1 pr. (2 de off. procon.); Alex. C.  7, 16, 5, 1 (Jahr unbekannt); zur Verweigerung des Prozesses, wenn der Kaufpreis nach dem Erreichen des 20. Lebensjahrs gezahlt wurde: Ulp. D.  40, 13, 1, 1 (2 de off. procon.). 30  Pomp. D.  40, 5, 34, 1 (3 fideicomm.); Gai. 1, 40; Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 16 (a. 293); Nörr, HIA 3, S.  2254: Ist der Freilasser jünger, dann bedarf die Freilassung einer iusta causa, Gai. 1, 18; 1, 36. 31  Ulp. D.  4, 4, 9, 4 (11 ad ed.); Wieling¸ Die Begründung des Sklavenstatus, S.  28. 32  D.  40, 12, 7, 2; Ulp. D.  40, 12, 16, 2 (55 ad ed.); Paul. D.  40, 12, 33 (lib. sing. de lib. caus.). 33  Pomp. D.  18, 1, 6, 1 (9 ad Sab.); Paul. D.  18, 1, 34, 2 (33 ad ed.). 34  Paul. D.  40, 12, 17 (51 ad ed.): Diese Regelung sollte wohl nicht nur für die actio in factum Geltung beanspruchen, in deren unmittelbaren Zusammenhang sie 28  Lenel,



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terverkauf an einen gutgläubigen Dritten35, geht die Prozessmöglichkeit jedoch wieder verloren. Eine weitere Ausnahme von der denegatio actionis beschreibt Saturninus: D.  40, 14, 2 pr. (1 de off. proc.) Qui se venire passus esset maiorem, scilicet ut pretium ad ipsum perveniret, prohibendum de libertate contendere divus Hadrianus constituit: sed interdum ita contendendum permisit, si pretium suum reddidisset.

Für den Fall, dass der Kaufpreis zurückgezahlt wird, ordnet Hadrian die Zulassung des Freiheitsprozesses an. Das Fragment wurde der Monographie über das Amt des Prokonsuln entnommen. Dies zeigt, dass die denegatio actionis auch in den Provinzen möglich ist36. Schenkten sich Freie als Sklaven, verpfändeten sie sich oder ließen sie sich in die Mitgift37 (dos) geben, führte das ebenfalls zur denegatio actionis. Für die Epiklassik belegen das syrisch-römische Rechtsbuch38 und die Sententiae Syriacae39 den Selbstverkauf. Die Regelungen zum Selbstverkauf eingeordnet ist, sondern auch für die Fälle des Selbstverkaufs pretium participandi causa, deren Folge die denegatio adsertionis war. 35  Paul. D.  18, 1, 4 (9 ad Sab.), den Grund nennt Paul in D.  18, 1, 5 (5 ad Sab.): quia difficile dinosci potest liber homo a servo. 36  Saturn. D. 40, 14, 2 pr. (1 de off. procons.); Alex. C. 7, 16, 5 (Jahr unbekannt); Gord. C.  7, 18, 1 (a. 293); De Giovanni, Giuristi Severiani, S.  31. 37  Paul. D.  40, 12, 23, 1 (50 ad ed.); Nicolau, Causa liberalis, S.  267; De Giovanni, Giuristi Severiani, S.  26. Es handelt sich hier um eine Rechtsfolgenverweisung. Es ist weder notwendig, dass der Kaufpreis geteilt wurde (was bei diesen Geschäften auch nicht möglich war) noch dass der Sklave handelte, um Vermögensverwalter zu werden. Zur dos: Maxim. / Diokl. C.  7, 16, 16 (a. 293); Syrisch-römisches Rechtsbuch (SRRB) §  74  b (ed. Bruns / Sachau §  74), Übersetzung nach Selb / Kaufhold: [1] Wenn eine freie Frau über sich selbst sagt, dass sie Sklavin sei, sich erniedrigt und verkauft wird oder in die Mitgift einer Frau gegeben wird. [2] Wenn sie jünger als zwanzig Jahre ist, helfen ihr die Gesetze und sie kann von der Sklaverei weggehen und in die Freiheit zurückkehren. [3] Wenn aber ihr Alter höher ist, mehr als zwanzig Jahre, hat sie ihre Freiheit verloren und bleibt Sklavin für jenen, der sie gekauft hat, oder für jenen, der sie in der Mitgift bekommen hat. 38  SRRB §  74 a (Bruns / Sachau §  73; Übersetzung nach Selb / Kaufhold): [1] Wenn ein freier Mann über sich selbst sagt, wenn er gefragt wird, dass er Sklave sei, und mit jenem übereinstimmt, der ihn verkauft, [2] wenn jener Mann, der über sich selbst gesagt hat, dass er Sklave sei, zwanzig Jahre alt ist, so verliert er seine Freiheit und er kann keine Hilfe von den Gesetzen [nomoi] erlangen, besonders wenn er den Preis [time] geteilt und dessen Hälfte genommen hat oder mit dem Mann, der ihn verkauft hat, den Erlös verzehrt hat. Er bleibt Sklave dessen, der ihn gekauft hat. SRRB § 74 b (Fn. 37). Zum Selbstverkauf und den römisch-rechtlichen Quellen vgl. Selb / Kaufhold, Das syrisch-römische Rechtsbuch Bd. 3, S. 142. Das syrisch-römische Rechtsbuch entstand nach dem Tod

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pretium participandi geraten auch in der Nachklassik nicht in Vergessenheit wie Texte aus dem Edictum Theoderici40 beweisen. Leo VI hebt die Sklaverei als Folge des Selbstverkaufs ad pretium participandum in Nov. 5941 auf, weshalb die Basiliken diese Rechtsfolge nicht mehr enthalten42. 39

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Leos 474 n. Chr., der Verfasser ist unbekannt, Selb / Kaufhold, Das syrisch-römische Rechtsbuch, Bd.  1, S.  46. Wahrscheinlich wurden die Sentenzen vom Lateinischen ins Griechische und dann ins Syrische übersetzt, Selb / Kaufhold, S.  51. Zeitlich sind sie schwer einzuordnen, Selb / Kaufhold, S. 68–95. Den Texten scheinen zunächst der Codex Gregorianus mit Einschüssen aus dem Hermogenianus und dann der Codex Theodosianus mit Einschüssen von Novellen zugrunde zu liegen, so Liebs, SZ 121 (2004), 563. 39  Sent. Syr. 59 (Übersetzung nach Selb): Es ist nicht möglich, dass jemand, der weniger als zwanzig Jahre alt ist, auf irgendeine Art in die Sklaverei gezogen wird. Entstehungszeit und Überlieferungsrahmen der Sententiae Syriacae sind unbekannt, Selb, Sententiae Syriacae, S.  16. Es handelt sich um eine Kanonessammlung der syrisch-orthodoxen Kirche, überschrieben mit „Gesetze des Konstantin, des Theodosius und des Leo“, ein Blatt entstammt der Sammlung „Gesetze der christlichen und gerechten Kaiser in Kurzfassung“, Selb, ebd., S.  13. Den Sententiae Syriacae lagen hauptsächlich der Codex Hermogenianus und der Gregorianus zugrunde, Selb, Sententiae Syriacae, S.  88–188. An manchen Stellen sind Paulussentenzen und klassische Rechtsliteratur eingeflossen, Selb, Sententiae Syriacae, S.  191. 40  ET 82 (FIRA 2, S.  699): Si ingenuus distrahatur, nullum praeiudicium sui status incurrit, nisi forte tacendo de ingenuitate sua, emptoris ignorantiam maior aetate circumvenerit. nam de plagio adversus venditorem pro defensione vel iniuria agere potuit nisi pretium quod pro eo datum fuerit, cum suo voluerit venditore partiri. tunc enim praeiudicium conditionis incurret, quod sibi ipse dissimulando et consentiendo pepererit. Das Edictum Theoderici wurde um 500 n. Chr. vom Ostgotenkönig Theoderici erlassen. Die Bestimmungen beruhen auf römischem Recht, unter anderem dem Codex Theodosianus, Liebs, HRG 1, Art. Edictum Theoderici, Sp.  1184 / 1185. 41  Ed. Lingenthal, Ius Graecoromanum 1, S.  129: Τοῦτο οὒν ἐξοστρακίζοντες καὶ τῶν νόμω ἐκφυλλοφοροῦντες ἠμεῖς θεσπίζομεν, εἲ τις οὒτως ὸφθείη δυστυχῶν εἰς φρένας καὶ δουλείαν ἐλευθερίας ἀντικαταλλαττόμενος ἐαυτὸν ἀπεμπολοίη, μὴ συνεστηκέναι, ἀλλὰ ἀνατρέπεσθαι τὴν πρᾶξιν, αὐτοῦ τε τοῦ προδότου τῆς ίδίας ἐλευθερίας καὶ τοῦ συγκακουργοῦντος αὐτῶ πληγαῖς τε εὶς τὸ ὰῶμα σωφρονιζομένων, καὶ τῆς ἐλευθερίας ἐν τῶ οἰκείω τηρουμένης οχήματι τῶ τῆς ἀνοίας ἀνδραπόδω. Übersetzung (nach Noailles / Dain): Deshalb, indem wir diese Regel abschaffen und die Gesetze außer Kraft setzen, ordnen wir an, wenn jemand überzeugt wurde, an diesem Punkt frei von Vernunft, sich selbst zu verkaufen, die Freiheit gegen die Sklaverei eintauschend, dass dieser Akt nicht wirksam sein soll, sondern, dass er aufgehoben wird; derjenige, der sich seiner wahren Freiheit entzogen hat und sein Komplize sollen mit der körperlichen Strafe von Stockschlägen bestraft werden, aber dieser Sklave seiner Dummheit wird die Freiheit in ihrer spezifischen Form behalten. De Giovanni, Giuristi Severiani, S.  32; Reggi, Liber homo, S.  327. 42  s. zu Leo VI nur Tinnefeld, Art [9] Leo(n) IV, DNP 7, Sp.  50 / 51. So fehlt beispielsweise Ulp. D.  4, 4, 9, 4 (11 ad ed.) in der Überlieferung von D.  4, 4, 9 in Bas. 10, 4, 9 (ed. Scheltema / van der Wal, A 2, S.  551). Heimbach 1, 507 Anmerkung aa) verweist auf Nov. 59 von Kaiser Leo VI, ebenso wie beim fehlenden



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2. Paul. D.  40, 12, 23 pr. (50 ad ed.) Unklar ist, mit welchem Fall sich Paul. D.  40, 12, 23 pr. (50 ad ed.) beschäftigt. Si usum fructum tibi vendidero liberi hominis43 et cessero, servum effici eum dicebat Quintus meus44, sed dominium ita demum fieri meum, si bona fide vendidissem, alioquin sine domino fore.

Paulus schildert folgenden hypothetischen Fall: Wird ein Nießbrauch an einem freien Menschen verkauft, so führt das zu dessen Sklavenstellung. Der Besteller erlangt jedoch nur Eigentum, wenn er beim Verkauf in gutem Glauben ist. Ansonsten wird der homo liber Sklave ohne Eigentümer. Das Fragment gibt Rätsel auf, weil die Bestellung eines Nießbrauchs auch bei Kenntnis des Käufers zum Sklavenstatus sine domino führt, während Verkauf oder Selbstverkauf keine solch gravierenden Folgen haben. Einen ersten Anhaltspunkt gibt der Standort des Fragments. Nach Lenels Rekonstruktion45 hat das 50. Buch zum Edikt den Freiheitsprozess und die Frage, wann auf die Freiheit geklagt werden darf, zum Gegenstand. Es ist davon auszugehen, dass dem Verkauften die Berufung auf die Freiheit versagt wurde. Die Gründe für diese Versagung ergeben sich nicht direkt aus dem Fragment. Sowohl Lenel als auch Mommsen46 ergänzen liberi hominis mit pretium participantis, Karlowa47 ist der Ansicht, dass ad actum gerendum einzufügen sei. Eine andere Lösung bietet Nicolau an48: Der Vollzug der Nießbrauchsbestellung mittels in iure cessio49 (vgl. den Wortlaut et cessero50) führe zum Fragment Modest. D.  1, 5, 21 (7 reg.) Heimbach, 6, 222, Anm. i.). Reggi, Liber homo, S.  327 Fn.  87 mit weiteren Belegen und Literaturnachweisen. 43  Mommsen ergänzt pretium participantis nach hominis; Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  686 Fn.  14, Mommsen, Digesta 2, S.  480 Fn.  1. 44  Die mittelalterlichen Handschriften lesen Mucius statt meus, Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  686 Fn.  15; Mommsen, Digesta 2, S.  480, 8, übernimmt Mucius. 45  Lenel, Pal 1, Sp.  1061, Nr. 642. 46  Lenel, Pal 1, Sp.  1061 Fn.  1; ablehnend Reggi, Liber homo, S.  313, Nicolau, Causa liberalis, S.  267. 47  Karlowa, Römische Rechtsgeschichte 2, S.  1117; ablehnend: Nicolau, Causa liberalis, S.  268. 48  Nicolau, Causa liberalis, S.  269. 49  Gai. 2, 30; UE 19, 11. Die in iure cessio konnte ebenso zur Bestellung des Nießbrauchs wie zum Verzicht durch Rückübertragung (vgl. PS 3, 6, 28; 3, 6, 32) verwendet werden. Kipp, Art. Cessio in iure, RE 3, 2, Sp.  2002. Watson, Persons, S.  167. 50  In den Digesten steht auch an anderer Stelle cedere statt in iure cedere, die Änderungen könnten justinianischen Ursprungs sein, es ist aber auch möglich, dass

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Sklavenstatus. Die addictio des Gegenstands durch den Prätor51 führe zur Feststellung des Besitzrechts. Ein Streit zwischen denselben Parteien sei, sofern sich die Sachlage nicht ändere, für die Zukunft ausgeschlossen52. Watson53 schließt daraus, dass die in iure cessio den homo liber zum Sklaven mache, weil sonst kein wirksamer Nießbrauch bestehen könne. Dies würde allerdings bedeuten, dass die in iure cessio Wirkung erga omnes entfaltet. Nicolau54 relativiert dieses Ergebnis mit der Behauptung, dass der homo liber zumindest für einen Augenblick Sklave wird55. Dieser Relativierung widerspricht allerdings der Wortlaut servum effici bzw. dominium meum fieri56, der keinen vorübergehenden Zustand beschreibt. Aber auch die Versklavung mittels in iure cessio ist abzulehnen. In den juristischen Quellen findet diese These keine weitere Grundlage. Zudem ist unwahrscheinlich, dass der Übertragungsweg einen freien Menschen ohne weiteres zum Sklaven machen konnte und ihm jedes prozessuale Mittel nahm. Die addictio entfaltet daher keinerlei rechtliche Wirkung, wenn ein Dritter Eigentumsrechte57 oder als adsertor die Freiheit geltend macht. Die Übertragung des Rechts mittels in iure cessio ist folglich nicht der Schlüssel für die Sklavenstellung des freien Menschen. Für die Ergänzungen Lenels58 (pretium participantis) und Karlowas59 (ad actum gerendum) spricht dagegen D.  40, 12, 23, 1. Paul D.  40, 12, 23, 1 (50 ad ed.) In summa sciendum est, quae de venditis servis, quibus denegatur ad libertatem proclamatio, dicta sunt, etiam ad donatos et in dotem datos referri posse, item ad eos, qui pignori se dari passi sunt. schon die klassischen Juristen für die Verkürzung verantwortlich waren; Kipp, Art. Cessio in iure, RE 3, 2, Sp.  2004. 51  Zum Ablauf vgl. Gai. 2, 24; UE 19, 9–11; Buckland, Textbook, S.  233. 52  Hackl, Sakramentsprozess, SZ 106 (1989), 178. Anderer Ansicht ist Nicolau, Causa liberalis, S.  269: Er schreibt, der Sklave könne nicht mehr vor demselben Magistrat klagen. Da der Sklave aber bei der in iure cessio überhaupt nicht Partei war, ist eine Klage ohne weiteres möglich. 53  Watson, Persons, S.  169, Nicolau, S.  269, der diese Aussage allerdings später relativiert. 54  Nicolau, Causa liberalis, S.  270. 55  Watson, Persons, S.  167, hält die Konstruktion Nicolaus ebenfalls für nicht überzeugend. 56  Reggi, Liber homo, S.  315. 57  Hackl, Sakramentsprozess, SZ 106 (1989), 178; Kipp, Art. Cessio in iure, RE 3, 2, Sp.  2001. 58  Lenel, Pal 1, Sp.  1061 Fn.  1, ergänzt pretium participantis. 59  Karlowa, Römische Rechtsgeschichte 2, S.  1117, ergänzt ad actum gerendum.



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Freie Menschen, die sich verpfänden, verschenken oder in die dos geben lassen, dürfen ihre Freiheit ebenfalls nicht geltend machen. Paulus verweist auf die Fälle des Selbstverkaufs quibus denegatur ad libertatem proclamatio, also auf den Selbstverkauf ad pretium participandum oder ad actum gerendum. Da es sich hierbei um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, ist eine Teilhabe am Kaufpreis oder die Führung von Geschäften nicht möglich, weshalb eine entsprechende Ergänzung unnötig60 und falsch ist. Ebenso wie § 1 legt auch D. 40, 12, 23 pr. beide Fälle zugrunde. Das Fragment hat folgende Vorgeschichte61: Ein freier Mann verkauft sich selbst ad actum gerendum pretiumve participandum. Der Erwerber ist gleichzeitig Verkäufer des Nießbrauchs, um den es in D.  40, 12, 23 pr. geht. Ein Nießbrauch kann nur wirksam verkauft werden, wenn der Verkäufer Eigentümer ist. Dies bejaht Paulus, wenn der Verkäufer gutgläubig ist. Hat er jedoch Kenntnis vom wahren Status, dann kann sich der Verkaufte mit einem Freiheitsprozess zur Wehr setzen, weil der Erwerber und Nießbrauchsverkäufer nicht schutzwürdig ist62. Damit verlöre auch der gutgläubige Nießbraucher sein Recht. Um ihn zu schützen, entscheidet Quintus Mucius, dass der homo liber bei Bösgläubigkeit des Nießbrauchsverkäufers zum servus sine domino wird. Dadurch bleibt der Nießbrauch wirksam. Wie beim Weiterverkauf an einen gutgläubigen Dritten63 soll die Kenntnis des Verkäufers dem Käufer des Nießbrauchs nicht schaden. 3. Rechtliche Folgen des Selbstverkaufs Die rechtlichen Folgen des Selbstverkaufs ad actum gerendum pretiumve participandum sind in den Quellen unterschiedlich beschrieben. Es ist unklar, ob er nur prozessuale Folgen hatte, und zur denegatio actionis64 führ60  Watson, Persons, S.  168, lehnt mit diesem Argument den Bezug zum Selbstverkauf ad pretium participandum ab. 61  Reggi, Liber homo, S.  316. 62  Ulp. D.  40, 12, 7, 2 (54 ad ed.); Paul. D.  40, 12, 33 (lib. sing. de lib. caus.); Pomp. D.  18, 1, 6 pr. (9 ad Sab.); Paul. D.  18, 1, 34, 2 (33 ad ed.). 63  Paul. D.  40, 12, 33 (lib. sing. de lib. caus.). 64  Nicolau, Causa liberalis, S.  265, ist der Ansicht, es handele sich beim Selbstverkauf ad actum gerendum um eine vorübergehende Versagung des Prozesses bis der Sklave die Führung der Geschäfte beendet habe. Dagegen sprechen die Quellenbelege: In D. 28, 3, 6, 5 lässt sich keine Unterscheidung zwischen den beiden Fällen des betrügerischen Selbstverkaufs erkennen, in der Interpretatio zu C. Th. 4, 8, 6 heisst es in ea (…) servitudine permaneant. Ablehnend auch Reggi, Liber homo, S.  315, 319. Alex. C.  7, 16, 5, 1 (Jahr unbekannt) ist kein Beleg für Nicolaus These. Es wird zwar nur der Fall des Selbstverkaufs mit Teilhabe am Kaufpreis angeführt; dies bedeutet aber nicht zwingend, dass der Selbstverkauf ad actum gerendum nicht auch zu einer Einrede wegen des Alters führen konnte. Der Anfrage

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te oder ob es sich hierbei um einen Entstehungsgrund der Sklaverei handelte. Für den Betroffenen bedeutete die denegatio faktisch genau dasselbe wie eine Versklavung65. a) Justinianisches Recht Zu Justinians Zeiten wird der Selbstverkauf mit Teilhabe am Kaufpreis66 als Fall der maxima deminutio capitis behandelt. Inst. 1, 16, 1 Maxima est capitis deminutio, cum aliquis simul et civitatem et libertatem amittit. quod accidit in his, qui servi poenae efficiuntur atrocitate sententiae, vel liberti ut ingrati circa patronos condemnati, vel qui ad pretium participandum se venumdari passi sunt.

Wer sich pretium participandi causa verkauft, verliert gleichzeitig Bürgerrecht und Freiheit (civitas und libertas67) und wird damit zum Sklaven. Dies wird noch deutlicher in Inst. 1,  3,  468: Der Selbstverkauf ist ein zivilrechtlicher (iure civili) Entstehungsgrund der Sklaverei69. Inst. 1, 3, 4 Servi autem aut nascuntur aut fiunt. nascuntur ex ancillis nostris: fiunt aut iure gentium, id est ex captivitate, aut iure civili, cum homo liber maior viginti annis ad pretium participandum sese venumdari passus est. In servorum condicione nulla differentia est.

b) Klassisches Recht Die Quellen zum klassischen Recht sind widersprüchlich. Zumindest in der Spätklassik ist der Selbstverkauf eine causa servitutis iure civili. Marc. D. 1, 5, 5, 1 (1 inst.) Servi autem in dominium nostrum rediguntur aut iure civili aut gentium: iure civili, si quis se maior viginti annis ad pretium participandum venire passus est: liegt ein ganz anderer Prozess zugrunde, die Einrede wegen des Alters ist eindeutig abzulehnen. Um die Ablehnung zu illustrieren, führt der Reskriptverfasser den bekanntesten Fall des Selbstverkaufs ad pretium particandum auf. 65  Reggi, Liber homo, S.  305. 66  Der Selbstverkauf ad actum gerendum wird von Justinian nirgends erwähnt und war zu seiner Zeit wahrscheinlich aus der Übung gekommen, Buckland, Slavery, S.  433; Reggi, Liber homo, S.  319. 67  Zum Auseinanderfallen von civitas und libertas vgl. oben Abschnitt 1, A. III. 68  Der erste Teil geht auf Gai. 1, 16 zurück, Zocca-Rosa, Pal. 1, S.  150. Der Ursprung des zweiten Teils ist unbekannt, Zocca-Rosa, Pal. 1, S.  151. 69  Biondi, Il diritto romano cristiano 2, S.  421.

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iure gentium servi nostri sunt, qui ab hostibus capiuntur aut qui ex ancillis nostris nascuntur.

Diese Rechtsfolge lässt sich allerdings nicht bis in die Republik zurückverfolgen. Etwas anderes ist auch nicht mit D.  40, 12, 23 pr. zu belegen70. Paulus bezieht sich zwar mit Quintus meus auf den republikanischen Juristen Quintus Mucius Scaevola71, servi effici stammt jedoch nicht von Quintus Mucius Scaevola, sondern von Paulus, der dessen Ansicht paraphrasiert. Daher kann diese Wendung nur Aufschluss über das spätklassische Recht geben. In den weiteren klassischen Quellen gehen die Juristen einerseits von einer prozessualen Folge aus: in libertatem proclamare, nisi forte se venum dari passi sunt, ut participaverint pretium72, libertas denegari73, denegatur libertatem proclamatio74, prohibendum de libertate contendere75, andererseits weisen Formulierungen wie ad eum (…) pertineat?76, servum effici77, cum statum mutat78, civitatem amittat per subitam servitutem79 auf eine Statusänderung hin. Auffällig ist, dass nur wenige Quellen dem Ediktskommentar entnommen sind, obwohl die denegatio adsertionis ein prozessuales Instrument war. Pomp. D.  40, 13, 3 (11 epist. et var. lect.) bezieht sich auf Senatusconsulta und Paul. D.  40, 13, 5 ist einer Monographie über das SC Claudianum entnommen. Paul. D.  40, 12, 33 entstammt dem liber singularis de liberali causa. In D.  40, 14, 2 pr. nimmt Saturninus Bezug auf eine Konstitution Hadrians. Lediglich D.  40, 12, 7 (Ulp., 54 ad ed.) und D.  40, 12, 23 pr. (Paul., 50 ad ed.) sind Exzerpte aus dem Ediktskommentar. Dies spricht 70  Kaser,

RP 1, §  68. S.  292; Nicolau, Causa liberalis, S.  266 m. w. N. Causa liberalis, S.  266. Das war auch noch in der Spätklassik üblich: So z. B. Ulp. D. 17, 3, 11 (ad Sab); Ulp. D. 39, 3, 1, 3 (53 ad ed.); Paul. D. 33, 4, 11 (7 resp); Liebs, HLL 1, §  195, S.  571. 72  Ulp. D.  40, 12, 7 pr (54 ad ed.). 73  Ulp. D.  40, 12, 7, 1 (54 ad ed.); Ulp. D.  40, 12, 7, 2 (54 ad ed.): libertas deneganda; Gord. C.  7, 18, 1 (a. 293): libertas denegatur. 74  Ulp. D.  40, 12, 7, 2 (54 ad ed.); Paul. D.  40, 12, 23, 1 (denegatur ad libertatem proclamatio); Ulp. D.  40, 13, 1 pr. (2 de off. proc.): ad libertatem proclamare non possunt; Ulp. D.  40 13, 1, 1: denegari libertatis proclamatio; Pomp. D.  40, 13, 3 (11 epist. et var. lect.) ad libertatem proclamandi licentiam denegari; Paul. D. 40, 13, 4 (12 quaest.): denegandum sit ei ad libertatem proclamare. 75  Saturn. D.  40, 14, 2 pr. (1 de off. procons.). 76  Ulp. D.  40, 12, 7, 3 (54 ad ed.). 77  Paul. D. 40, 12, 23 pr. (50 ad ed.); Paul. D. 40, 13, 5 (lib sing. ad SC Claud.): servus efficietur. 78  Ulp. D.  4, 4, 9, 4 (11 ad ed.). 79  Ulp. D.  28, 3, 6, 5 (10 ad Sab.). 71  Nicolau,

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gegen eine ediktale Bestimmung80; dort war wohl lediglich eine actio in factum des betrogenen Käufers gegen den Verkauften geregelt81. Die Regelungen zum Selbstverkauf ad actum gerendum pretiumve participandum müssen deshalb kaiserrechtlichen Ursprungs sein82. Dieser These widersprechen die Kommentierungen zum Ediktskommentar nicht. Der Ediktskommentar enthält nicht nur die Erläuterung der Klagverheißungen und alle Klagformeln, sondern auch alle dazugehörigen Gesetze, Senatsbeschlüsse und Kaiserkonstitutionen83. Diese Kommentierungen zeigen, dass die denegatio adsertionis auch bei Verfahren im Formularprozess angewendet wurde. In D.  40, 12, 7, 1 (54 ad ed.) verwendet Ulpian „deneganda est ei libertas“, in D.  40, 12, 7 pr. drückt er die Möglichkeit, überhaupt einen Freiheitsprozess anzustrengen, mit possint in libertatem proclamare aus. Diese Formulierungen zeigen, dass der Selbstverkauf keine causa servitutis war. Die denegatio actionis ist ein juristischer Fachbegriff. Der adsertor wird schon im Verfahren in iure84 abgewiesen, weil der Prätor kein Rechtsschutzbedürfnis sieht. Er hält die Prozessdurchführung für ungerechtfertigt und überflüssig85. Die Gegenpartei, der Käufer, kann den betrügerischen Selbstverkauf bereits in iure als Einrede geltend machen86. Kann er mittels Zeugenaussagen, Urkunden oder anderer Beweismittel87 belegen, dass ein be80  Nicolau, Causa liberalis, S. 271; Buckland, Slavery, S. 431; anderer Ansicht (für eine ediktale Bestimmung) sind Lenel, EP, § 178, S. 382; Kaser, RP 1, § 68, S. 292, der allerdings als Beleg fälschlicherweise die Texte zur actio in factum anführt. 81  Ulp. D. 40, 12, 14.16 pr.-2.18.20 (55 ad ed.); Paul. D. 40, 12, 15.17.19 (51 ad ed.); Lenel, EP, §  182, S.  387; Gröschler, Actiones in factum, S.  92–94; Buckland,  Slavery, S.  433. Der Schluss Bucklands (Slavery, S.  431), die actio in factum habe vor den kaiserrechtlichen Regelungen existiert, ist nicht zwingend. Schließlich geht Ulpian in D.  40, 12, 14, 1 auch auf den Selbstverkauf pretium participandi causa ein. 82  Saturn. D.  40, 14, 2 pr. (1 off. procons.) verweist auf eine Regelung Hadrians; Paul. D. 40, 13, 5 kommentiert ein SC Claudianum, was belegt, dass der Selbstverkauf schon vor Hadrian Gegenstand der Gesetzgebung war. Anderer Ansicht Nicolau, Causa liberalis, S.  272; Buckland, Slavery, S.  433; De Giovanni, Giuristi Severiani, S.  29. 83  Liebs, HLL 4, §  424, S.  177. 84  Impallomeni, Scritti, S.  633. 85  Kaser / Hackl, RZ, §  32, S.  240. Zur denegatio actionis, s. G. Impallomeni, Scritti S.  631–642; Metro, La „denegatio actionis“, Mailand 1972; Lévy-Brühl, La denegatio actionis à l’époque de la procédure formulaire, Lille 1924. 86  Für die Spätklassik im Falle des Selbstverkaufs pretium participandi causa: Alex. C.  7, 16, 5, 1 (Jahr unbekannt); ad actum gerendum: Konst. C. Th. 4, 8, 6 (a.  323). 87  Ausführlich zu den Beweismitteln, s. Abschnitt 4. Grundsätzlich war alles zulässig, was zur Klärung des Falls geeignet war. Kaser / Hackl, RZ, §  53, S.  365.

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trügerischer Selbstverkauf vorliegt, denegiert der Prätor die Klage. In der Sache wird nicht entschieden. Daher kann die Abweisung des Klagebegehrens nie zu einer Statusänderung führen88. Dennoch kommt es bei Kommentierungen des Edikts zu Ungenauigkeiten89, sobald es nicht mehr direkt um die denegatio geht. Dies ergibt sich aus den Lebensumständen: Der homo liber ist ein Quasisklave: Er kann weiterverkauft werden, ist nach der Freilassung nur ein libertus90 und seine Kinder sind ebenfalls Sklaven91. Sobald sich ein Text nicht mit der denegatio actionis beschäftigt, muss diesem faktischen Zustand Rechnung getragen werden92. Deshalb geht Ulpian93 für die Kommentierung zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (restitutio in integrum) von einer Statusänderung aus (statum mutat) und begründet damit, warum eine restitutio nicht möglich ist. Ulp. D. 28, 3, 6, 5 (10 ad Sab.) behandelt die Ungültigkeit eines Testaments. Ulpian (D.  40, 12, 7, 3, 54 ad ed.) und Paulus (D.  40, 13, 5, lib. sing. ad Sc. Claud.; bzw. D.  40, 12, 23, 50 ad ed.) beschäftigen sich mit dem Quasi-Eigentum als Folge der denegatio. Durch das Vordringen des Kognitionsprozesses wurde die Unterscheidung zwischen prozessualer und tatsächlicher Folge weiter verwischt. Der Magistrat konnte die Durchführung des Prozesses auch dann verweigern, wenn er den Prozess für sachlich unbegründet hielt94. Denegatio und Abweisung durch freisprechendes Urteil wurden nicht mehr getrennt95, da der Magistrat selbst sowohl den Prozess verweigern als auch ein Urteil sprechen96 konnte. Bei dieser Entwicklung handelte es sich nicht um eine bewusste Anpassung. Bis in die Nachklassik wurden Rechtsfolgen diskutiert, die eigentlich selbstverständlich sein müßten, wenn der Selbstverkauf zur Versklavung führte97. So betonen der Epiklassiker Hermogenian98 und der Spätklassiker 88  De

Giovanni, Giuristi Severiani, S.  30. D.  4, 4, 9, 4 (11 ad ed.); Paul. D.  40, 12, 23 pr (50 ad ed.); Paul. D.  40, 13, 5 (lib. sing. ad SC Claud.). 90  Modest. D.  1, 5, 21 (7 reg.); Hermog. D.  40, 12, 40 (5 iur. epit.). 91  Pomp. D.  40, 13, 3 (11 epist. et var. lect.). 92  Deshalb nennt Ulpian in D.  28, 3, 6, 5 den Verlust des Bürgerrechts durch Sklaverei als Rechtsfolge. Dies war faktisch der Fall und wirkte sich auch auf das Bürgerrecht aus. 93  Ulp. D.  4, 4, 9, 4 (11 ad ed.). 94  Kaser / Hackl, RZ, §  72, S.  482. 95  Ulp. D.  32, 11, 16 (2 fideicom.); Metro, La „denegatio actionis“, S.  221; Kaser / Hackl, RZ, §  73, S.  486. 96  Impallomeni, Scritti, S.  640. 97  Reggi, Liber homo, S.  325; Nicolau, Causa liberalis, S.  272. 98  Hermog. D. 40, 12, 40 (5 iur. epit.); Liebs, Hermogenians Epitome Iuris, S. 21, rechnet Hermogenian zur Regierungszeit Diokletians, der Stilwechsel, der durch die 89  Ulp.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Modestin99, dass sich derjenige, der sich selbst verkauft hatte, um am Kaufpreis teilzuhaben, nicht auf die ingenuitas100 berufen durfte. Man kann dennoch davon ausgehen, dass schon in der Spätklassik die Ansicht verbreitet ist, es handle sich um eine causa servitutis. Dies zeigt Marc. D. 1, 5, 5, 1 (1 inst.) und die Herkunft von Inst. 1, 3, 4. Dieser Text wurde, wahrscheinlich in überarbeiteter Form, den Institutionen des Spätklassikers101 Florentinus entnommen. Da das Kaiserrecht dem ius civile angehörte102, erklärt, weshalb sowohl Marcian103 als auch Justinian104 den Verlust des Bürgerrechts darauf zurückführen. Während im klassischen Formularprozess der Selbstverkauf zur Teilhabe am Kaufpreis (und wohl auch ad actum gerendum) „nur“ zur denegatio105 führte, gingen mit dem Vordringen des Kognitionsverfahrens die prozessua­ len Feinheiten allmählich verloren. Mit dem Verschwinden dieser Differenzierungen wurde derjenige, der sich selbst verkauft hatte, nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich zum Sklaven106. 4. Si duo emerint Weiß der Käufer, dass er einen Freien kauft, dann ist ihm der Einwand des Selbstverkaufs ad pretium participandum verwehrt107. Der Freiheitsprozess wird durchgeführt und zugunsten des adsertor und des gekauften Freien entschieden. Zu klären ist die rechtliche Bewertung, wenn der eine Käufer um die Freiheit weiß, der andere aber nicht. Schließlich kann ein Mensch nicht zu einem Teil Sklave und zum anderen Teil frei sein108. Regierung Konstantins begann, lässt sich in seiner Schrift nicht feststellen, er gehört sprachlich zur „alten Garde“, S.  22; zu den Gegenansichten vgl. S.  11. 99  Mod. D.  1, 5, 21 (7 reg.); Liebs, HLL 4, §  427, S.  195. 100  Hermogenian verwendet unpräzise Libertas statt ingenuitas. Liebs, Hermogenians Epitome Iuris, S. 48, 105, zu stilistischen Mängeln in den Epitome Iuris. Zum Stil Hermogenians vgl. Liebs, S.  105. 101  Zocco-Rosa, Pal. 1, S.  71; Liebs, HLL 5, §  428.3 S.  206, tendiert dazu, Florentinus Anfang des 3.  Jahrhunderts einzuordnen. 102  Wieacker, RRG 2, §  50, S.  79. 103  Marc. D.  1, 5, 5, 1 (1 inst.). 104  Inst. 1, 16, 1; 1, 3, 4. 105  Metro, La „denegatio actionis“, S.  225; Reggi, Liber homo, S.  325; Schulz, Classical Roman Law, S.  82. 106  Reggi, Liber homo, S.  311. 107  Ulp. D.  40, 12, 7, 2 (54 ad ed.); Paul. D.  40, 12, 33 (lib. sing. de lib. caus.). 108  Gai. D.  40, 12, 9, 2 (ad ed. praet. urb. tit de lib. caus.); Buckland, Slavery, S.  575.

Abschnitt 3: Das Verfahren bis zur litis contestatio



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Sowohl Ulpian als auch Paulus beschäftigen sich mit dieser Fragestellung und kommen dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen: Ulp. D.  40, 12, 7, 3 (54 ad ed.) Si duo simul emerint partes, alter sciens, alter ignorans, videndum erit, numquid is qui scit non debeat nocere ignoranti: quod quidem magis est. sed enim illa erit quaestio, partem solam habebit is qui ignoravit an totum? et quid dicemus de alia parte? an ad eum qui scit pertineat? sed ille indignus est quid habere, quia sciens emerit. rursum qui ignoravit, non potest maiorem partem dominii habere quam emit: evenit igitur, ut ei prosit qui eum comparavit sciens, quod alius ignoravit.

Paul. D.  40, 13, 5 (lib. sing. ad SC Claud.) Si duo liberum hominem maiorem annis viginti emerimus, unus sciens eius condicionem, alter ignorans, non propter eum qui scit ad libertatem ei proclamare permittitur, sed propter eum qui ignorat servus efficietur, sed non etiam eius qui scit, sed tantum alterius.

Ulpian behandelt nur die Frage, was mit dem Anteil des emptor sciens geschehen soll. Die denegatio actionis als Folge des Selbstverkaufs setzt er voraus. Anfangs überlegt er, ob dieser Anteil dem emptor ignorans zufallen soll, hält diese Lösung aber nicht für angemessen, weil dieser nur einen Teil habe kaufen wollen. Dem bösgläubigen Käufer nutze das Unwissen des Gutgläubigen. Aus diesem Grund behält er seinen Anteil am Sklaven. Paulus stellt zunächst fest, dass wegen des unwissenden Käufers der Freiheitsprozess nicht zugelassen wird und befürwortet das von Ulpian abgelehnte Alleineigentum des emptor ignorans. Buckland109 ist deswegen der Ansicht, die von Ulpian favorisierte Lösung sei justinianisch und begründet dies mit Parallelen zur Freilassung durch einen Miteigentümer. Geschieht diese Freilassung nach ius civile, so wird der Sklave nach klassischem Recht nicht frei. Der freigelassene Anteil wächst den übrigen Miteigentümern an (?)110. Dieses ius adcrescendi, das auch bei widersprüchlichen Urteilen diskutiert wird111, schafft Justinian ab112. Er gibt dem Sklaven favore libertate die Möglichkeit, sich freizukaufen. Ein solches Anwachsungsrecht, das Ulpian und auch Paulus darstellen, sei deshalb die klassische Lösung gewesen.

109  Buckland,

Slavery, S.  428. 4, 12, 1; UE 1, 18; Buckland, Slavery, S.  575; Bretone, Servus Communis, S.  136–139. Ein solches Anwachsungsrecht wurde auch diskutiert, wenn widersprüchliche Urteile ergangen sind: Jul. D. 40, 12, 30 (5 ex Minicio); Gai. D. 40, 12, 9, 2 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.) und im Ergebnis abgelehnt. 111  Jul. D.  40, 12, 30 (5 ex Minicio); Gai. D.  40, 12, 9, 2 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.). 112  Inst. 2, 7, 4; Just. C.  7, 7, 1 (a. 530); Buckland, Slavery, S.  577. 110  PS

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Im vorliegenden Text ist jedoch nicht eine Handlung wie beispielsweise die Freilassung durch einen Miteigentümer Grund für die divergierende Bewertung, sondern die Kenntnis des einen Käufers, die zur Zulässigkeit des Freiheitsprozesses führt und die Unkenntnis des anderen Käufers, die die denegatio adsertionis zur Folge hat. Grundsätzlich soll weder derjenige, der Kenntnis hatte, von der ignorantia profitieren, noch der Unwissende einen Vorteil aus der scientia ziehen können113. Da es im römischen Recht keine Personen gibt, die teils Sklave, teils frei sind114, kann diese Maxime aber nicht umgesetzt werden. Für die Lösung zugunsten des emptor sciens spricht das deliktische Handeln des homo liber115. Insgesamt ist eine Interpolation des zweiten Teils abzulehnen, zumal die Kompilatoren dann nicht nur in D.  40, 13, 5 die klassische Lösung übersehen, sondern sie zusätzlich im ulpianischen Text erhalten hätten. Weitreichende Textveränderungen nimmt auch Nicolau116 an: Die klassischen Juristen könnten sich nicht mit der Frage des Eigentums auseinandersetzen117, weil der Kaufvertrag über einen freien Menschen nichtig sei118, Käufer und Verkäufer machten sich wegen plagium schuldig119. Schließlich sei dem homo liber, der sich selbst verkauft, um am Kaufpreis teilzuhaben, im klassischen Recht nur die Klage seines adsertor zu versagen. Der letzte Satz von Paulus in D.  40, 13, 5 (sed propter (…) alterius) sei deshalb interpoliert oder zumindest nachträglich zugefügt. In D.  40, 12, 7, 3 sei der gesamte mittlere Teil von quod quidem magis bis domini habere quam emit nicht klassisch120. Von Ulpian stamme lediglich folgender Text121: Si duo simul emerint partes, alter sciens, alter ignorans, videndum erit, numquid is qui scit non debeat nocere ignoranti. evenit igitur, ut ei prosit qui eum comparavit sciens, quod alius ignoravit. 113  Gl. ignorans ad D.  40, 12, 7, 3; Terent. Clem. D.  22, 6, 5 (2 ad leg. Iul. et Pap.): Iniquissimum videtur cuiquam scientiam alterius quam suam nocere vel ignorantiam alterius alii profuturam. 114  Gai. D.  40, 12, 9, 2 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.). 115  Gl. ignorans ad D.  40, 12, 7, 3. 116  Nicolau, Causa liberalis, S.  280. 117  Nicolau, Causa liberalis, S.  278. 118  Nicolau, Causa liberalis, S. 279. Zur Nichtigkeit des wissentlichen Kaufs eines freien Menschen vgl. Pomp. D. 18, 1, 4 und 6 (9 ad Sab.); Kaser, RP 1, § 130, S. 549. 119  Nicolau, Causa liberalis, S.  282 Fn.  471. Zum plagium vgl. Ulp. D.  48, 15, 1 (1 reg); Gai. D.  48, 15, 4 (22 ad ed. prov.). 120  Eisele, SZ 35 (1914), 21: hält den kompletten Text ab sed enim für inter­ poliert und begründet das mit der Meinungsänderung Ulpians. 121  Nicolau, Causa liberalis, S.  281.



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Sowohl die Nichtigkeit des Kaufvertrags als auch die drohenden Strafen wegen plagium sind keine Argumente gegen den klassischen Ursprung des Texts. Ausschlaggebend für die Rechtsfolgen ist die Unkenntnis eines Käufers. Ein emptor ignorans kann sich weder wegen plagium schuldig machen noch ist der Vertrag nichtig. Auch die Vermutung, eines weitgehenden kompilatorischen Texteingriffs ist nicht haltbar, weil derjenige, der sich ad pretium participandum selbst verkauft, im klassischen Recht nicht zum Sklaven wird: Ihm droht lediglich die denegatio actionis. Paulus führt diese juristische Folge wörtlich auf, Ulpian geht auf diese Frage nicht ein. Er beschäftigt sich mit der Klärung der Frage, wer wegen des faktischen Sklavenstatus Quasi-Eigentümer ist. Folgende Lösung ist daher der Annahme einer justinianischen Interpolation vorzuziehen: Schon die klassischen Juristen stritten um eine angemessene Lösung. Dieser Meinungsstreit zeigt sich im Fragment aus Ulpians Ediktskommentar. Paulus legt dagegen den Schwerpunkt auf die Frage nach der Zulässigkeit des Freiheitsprozesses. Die Frage nach dem Quasi-Eigentum hängt er nur an und löst sie entsprechend dem zur denegatio actionis geschriebenen Text. Grund dafür könnte sein, dass sich der kommentierte Teil des SC Claudianums nur mit der denegatio actionis in diesem Fall beschäftigt. 5. Selbstverkauf und fideikommissarische Freilassung Paulus wendet im 12. Buch seiner Quaestionen die Grundsätze zum Selbstverkauf in die Sklaverei auf einen Sklaven an. Paul. D.  40, 13, 4 (12 quaest.)122 Licinnius Rufinus Iulio Paulo. is cui fideicommissa libertas debebatur post vicensimum annum veniri se passus est: quaero, denegandum sit ei ad libertatem proclamare. movet me exemplum cuiusvis liberi hominis: nam et si123 consecutus esset libertatem, si se vendidisset, denegaretur ei ad libertatem proclamare, nec debet meliori loco intellegi, quod in servitute constitutus passus est se venum dari, quam si esset libertatem consecutus. sed e contrario movet me, quod in hoc, de quo quaeritur, venditio constitit et est qui veneat, in libero autem homine neque venditio constitit et nihil est quod veneat. peto itaque plenissime instruas. respondit: venditio quidem tam servi quam liberi contrahi potest et stipulatio de evictione contrahitur: non enim de eo loquimur, qui sciens liberum emit: nam adversus hunc nec124 ad libertatem proclamatio denegatur. sed is, qui adhuc servus est, 122  Zu diesem Fall vgl. auch Schmidt-Ott, Pauli Quaestiones, S.  103–107; S.  103 Fn.  2 i.f. m. w. N. 123  Nach Krüger ist nach si ein cum einzufügen, vgl. Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  688 Fn.  11. 124  Nach Mommsen ist hinter nec venire se passo zu ergänzen, Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  688 Fn.  12; Mommsen, Digesta 2, S.  484 Fn.  3.

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etiam invitus veniri potest, quamvis et ipse in eo malus sit, quod de condicione sua dissimulat, cum in sua potestate habeat, ut statim ad libertatem perveniat. quod quidem non potest ei imputari, cui nondum libertas debetur. pone statuliberum passum se venum dari: nemo dicturus est superveniente condicione, quae non fuit in eius potestate, libertatis petitionem ei denegandam. idem puto, etiamsi in ipsius potestate fuit condicio. sed in proposito magis probandum est, ut denegetur ei libertatis petitio, qui potuit petere libertatem et maluit se venum dari, quia indignus est125 auxilio praetoris fideicommissarii.

Licinnius Rufinus stellt eine Anfrage an Paulus, in der es um einen mehr als 20 Jahre alten Sklaven geht, dem die Freiheit in einem Fideikommiss126 zugewendet wurde. Dieser ließ sich jedoch pretium participandi verkaufen. Licinnius Rufinus ist unsicher, ob dem Sklaven der Prozess vor dem praetor fideicommissarius127 zu verweigern sei, weil einem freien Menschen die proclamatio in libertatem verwehrt werde (exemplum cuiusvis liberi hominis: nam […] si se vendidisset, denegaretur ei ad libertatem proclamare). Andererseits sei der Kaufvertrag über einen freien Menschen im Gegensatz zum Kaufvertrag über einen Sklaven gerade nicht wirksam. Paulus betont zunächst, dass der Kaufvertrag über einen freien Menschen, ebenso wie der Kaufvertrag über einen Sklaven, wirksam sei128 und entkräftet damit das Argument des Licinnius für die Zulässigkeit der proclamatio. Er wägt dann verschiedene Lösungsmöglichkeiten ab: Er vergleicht den Sklaven mit einem statuliber, dessen Freiheit zusätzlich noch von einer Bedingung abhängt. Handelt es sich nicht um eine Potestativbedingung, so darf der Sklave seinen bedingten Freilassungsanspruch verheimlichen. Mit sed in proposito zieht Paulus einen anderen Gesichtspunkt heran: der Sklave sei unwürdig, die Freiheit zu beanspruchen, wenn er es vorziehe, sich auf unredliche Weise selbst zu verkaufen. Das Verfahren, das dem Sklaven verweigert wird, ist ein besonderer Freiheitsprozess, der nur im Kognitionsverfahren129 möglich war. Lässt ein Ei125  Der Codex Florentinus liest hier unrichtig et statt est, s. Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  688 Fn.  14. 126  Kaser, RP 1, §  69, S.  295. 127  Paul. D.  40, 13, 4 (12 quaest.); Ulp. D.  35, 1, 92 (5 fideicomm.); Maec. D.  40, 5, 36, 2 (16 fideicomm.); Pap. D.  38, 2, 41 (12 quaest.); Nicolau, Causa liberalis, S.  71–72. 128  Buckland, Slavery, S.  429, hält diese Aussage für unpräzise („which is hardly to the point“), ein Kaufvertrag über einen freien Menschen konnte aber durchaus wirksam sein, wenn der Käufer ihn für einen Sklaven hielt. Dies setzt Paulus voraus: non enim de eo loquimur qui sciens liberum emit. Vgl. auch Pomp D.  18, 1, 4 (9 ad Sab.): Et liberi hominis et loci sacri et religiosi, qui haberi non potest, emptio intellegitur, si ab ignorante emitur, und Paul. D.  18, 1, 5 (5 ad Sab.) liefert die Begründung: quia difficile dinosci potest liber homo a servo. 129  UE 25, 12; Gai. 2, 278; Kaser / Hackl, RZ, §  69, S.  463. Zu den prozessualen Besonderheiten, s. Abschnitt 2, A.



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gentümer seinen Sklaven auf diesem Weg frei, dann führte das nicht direkt zur Freiheit. Der Eigentümer ordnet, zumeist in seinem Testament, die Verpflichtung eines Dritten zur Freilassung an. Der Vorteil dieses Vorgehens ist die Patronatsstellung des Dritten. Da der Sklave, anders als bei der testamentarischen Freilassung nicht unmittelbar frei wird, gibt es zu seinem Schutz einige Sonderregelungen: Der Sklave kann ausnahmsweise selbst Prozesspartei sein130 und vor dem praetor fideicommissarius131 seine Freiheit geltend machen. Dieses Recht steht ihm auch gegenüber einem späteren Eigentümer zu132. Proclamare in libertatem verwendet Paulus als Oberbegriff, es handelt sich nicht um ein Vorverfahren133. Paulus ist der Ansicht, dass dieser Sklave eines Prozesses nicht würdig sei und wendet die Grundsätze vom Selbstverkauf eines freien Menschen auf diesen Sklaven an. Ein Sklave soll die schon sichere Freiheit genauso wenig des Profits wegen aufgeben wie ein freier Mensch, deshalb sei er indignus. Die denegatio actionis hat an dieser Stelle nur prozessuale Bedeutung, der Status des Sklaven ändert sich nicht. Text und Lösung stammen von Paulus134, auch wenn die Verwendung von indignus ein anderes Ergebnis nahezulegen scheint135. Die Ansicht, die er äußert, bestätigen andere Quellen. In C.  7, 18, 1, 1 (a. 239) wendet Gordian denselben Rechtssatz an und beruft sich auf die iuris auctores, zu denen er auch Paulus zählt. Die Verwendung des Adjektivs indignus weist folglich keineswegs auf eine Interpolation hin, sondern Paulus drückt damit aus, dass er seine Entscheidung danach trifft, was billig und gerecht ist. Ähn­ liche Erwägungen bestimmen auch die Lösung beim Kauf eines liber homo durch mehrere Käufer mit unterschiedlichem Wissenstand136. Zudem ist die Wendung probandum est typisch für die Ausdrucksweise  in den Quaestionen137. Dass Paulus zunächst die Argumente des Fragenden diskutiert, obwohl sie für seinen Lösungsweg nicht entscheidend 130  Hermog. D. 5, 1, 53 (1 iur. epit.); Pomp. D.  40, 5, 44 (7 ad Sab.); Kaser / Hackl, RZ, §  68, S.  452 m. w. N. 131  Hackl, RZ, § 69, S. 463; Nicolau, Causa liberalis, S. 71 / 72; Jörs, FS Jhering, S.  40–43, diese Prätur wurde von Claudius eingerichtet: Pomp. D.  1, 2, 2, 32 (ench.); Suet. Claud. 23, 1: iuris dictionem de fidei commissis quotannis et tantum in urbe delegari magistratibus solitam in perpetuum atque etiam per provincias potestatibus demandavit. Inst. 1, 2, 23, 1. 132  Ulp. D.  40, 5, 24, 21 (5 fideicomm.). 133  Schmidt-Ott, S.  104 Fn.  4. Irreführend ist der Verweis auf Kaser, RP 1, §  29, S.  115 Fn.  21. 134  Schmidt-Ott, Pauli Quaestiones, S.  106. 135  Kaser, SZ 60 (1940), 108; Schmidt-Ott, Pauli Quaestiones, S.  106 Fn.  14 m. w. N. 136  Ulp. D.  40, 12, 7, 3 (54 ad ed.); Paul. D.  40, 13, 5 (lib. sing. ad SC Claud.). 137  Schmidt-Ott, Pauli Quaestiones, S.  20.

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sind138, zeigt sich auch in anderen Quaestionenfragmenten. Grund für die ausführliche Beantwortung der Frage könnte zudem sein, dass Licinnius um umfassende Belehrung bittet (peto itaque plenissime instruas)139. Diese Anfrage des Licinnius Rufininus nimmt eine Sonderstellung ein. Es sind keine weiteren Fälle bekannt, in denen sich Sklaven nicht mehr auf die libertas fideicommissaria berufen können. Dass sie aber durchaus praxisrelevant waren, zeigt die Entscheidung Gordians. II. Verjährung Hat der Prätor keine inhaltlichen Bedenken, dann kann die Klage dennoch aus formellen Gründen verwehrt werden. Dies ist der Fall, wenn wegen des Ablaufs eine Frist die praescriptio temporis begründet ist. Diese Einrede konnte der Beklagte bis zur Streiteinsetzung erheben140. Der Frist­ ablauf hinderte die Verfolgung und der Prozess wurde versagt141. Als der Freiheitsprozess zunehmend als cognitio extra ordinem geführt wurde, regelten Senatusconsulta und kaiserliche orationes die Verjährung auf dem Gebiet der Statusprozesse142. 1. Ne de statu defunctorum post quinquennium quaeratur Die früheste in den Digesten überlieferte Regelung zur Verjährung einer Statusuntersuchung nach dem Tod des vermeintlichen Sklaven stammt aus einem Edikt des Kaisers Nerva143. Callistrat. D.  40, 15, 4 (1 de iure fisci) Primus omnium divus Nerva edicto vetuit post quinquennium mortis cuiusque de statu quaeri. sed et divus Claudius Claudiano rescripsit, si per quaestionem nummariam praeiudicium statui videbitur fieri, cessare quaestionem.

Ein Statusprozess darf nach dem Tod der betroffenen Person nur innerhalb von 5 Jahren geführt werden. Es kann sein, dass es sich hier nicht um 138  Schmidt-Ott,

Pauli Quaestiones, S.  106. Pauli Quaestiones, S.  107. 140  Pap. D.  40, 14, 5 (10 resp. prascriptio temporis). Die Terminologie ist un­ einheitlich, Marcell. D.  40, 14, 1 (7 dig.) nennt die Einrede exceptio temporis. Amelotti, Prescrizione, S.  114; Kaser / Hackl, RZ, §  89, S.  582. 141  Sev. / Ant. C.  7, 21, 1 (Jahr unbekannt); Valer. / Gall. C.  7, 21, 6 (a. 260); Kaser / Hackl, RZ, §  73, S.  488. 142  Amelotti, Prescrizione, S.  108. 143  Vgl. C.  7, 21 und D.  40, 15: Ne de statu defunctorum post quinquennium quaeratur; bes. Marc. D.  40, 15, 1 pr. (lib.sing. de del.); Callistrat. D.  40, 15, 4 (1 de iure fisci). 139  Schmidt-Ott,

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die erste Regelung zur Verjährung handelte. Sueton schreibt, dass schon Titus ein solches, allgemein gehaltenes Verbot erließ. Suet. Titus 8, 5 i.f. Utque etiam similia quandoque ausuros perpetuo coerceret, vetuit inter cetera de eadem re pluribus legibus agi quaerive de cuiusquam defunctorum statu ultra certos annos.

Dieses generelle Verbot muss sich auch auf den Freiheitsprozess bezogen haben. Der Spätklassiker144 Callistratus könnte es aufgrund der wohl detaillierteren Regelungen Nervas nicht mehr gekannt haben. Das Reskript von Claudius befasst sich dagegen nicht mit der praescriptio, sondern verbietet eine negative Vorentscheidung über den Status durch eine andere gericht­ liche Untersuchung. Ein Motiv für die Gesetzgebung Nervas war möglicherweise das in der Zeit Domitians enstandene SC de collusione detegenda, das auch den Status von Senatoren bedrohte145. Nerva, der aus dem Senat aufgestiegen war146, wollte vielleicht diesen ehemaligen Kollegen mit der Einführung der Verjährungsfrist helfen147. Der von Nerva aufgestellte Grundsatz wird ergänzt: Ist derjenige, dessen Status in Frage steht, weniger als 5 Jahre vorher verstorben, so darf auch dann kein Freiheitsprozess angestrengt werden, wenn der Status einer weiteren Person, die vor mehr als 5 Jahren verstorben ist, nachteilig entschieden wird148. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Freilasser oder ein Elternteil zum Sklaven erklärt werden. Ein solches Urteil veränderte nicht nur den Status des Elternteils, sondern wirkte sich auch auf den Status der Freigelassenen und der Kinder aus. Eine Konstitution Hadrians149 weitet den Anwendungsbereich des Verbots, nach 5 Jahren den Status eines Verstorbenen gerichtlich zu klären, auch auf die Fälle aus, in denen über den Status eines Lebenden gestritten wird und der Rechtsstreit Auswirkung auf den Status einer Person hat, die vor mehr als fünf Jahren verstorben ist. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Status des Freilassers in einem Prozess angegriffen wird150. Eine 144  Liebs,

HLL 4, §  403.1, S.  211. legen zumindest Gai. 40, 16, 1 (2 ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.) und Tac. ann. 13, 27 nahe: Plurimis equitum, plerisque senatoribus non aliunde originem trahi: si separarentur libertini manifestam fore penuriam ingenuorum. 146  Eck, Art. Nerva, DNP 8, Sp.  856. 147  Nicolau, Causa liberalis, S.  232. 148  Marc. D.  40, 15, 1, 1 (lib. sing. de delat.). 149  Marc. D.  40, 15, 1, 2 (lib. sing. de delat.). 150  Mod. D.  40, 9, 19 (1 reg.); Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 19 (a. 293); Nicolau, Causa liberalis, S.  233 (vindicatio in servitutem ex persona manumissoris). 145  Das

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Entscheidung pro servitute hat Auswirkungen auf den Status aller lebenden und verstorbenen Freigelassenen. War die Untersuchung des Status für den Verstorbenen dagegen vorteilhaft, weil beispielsweise die Möglichkeit bestand, dass ein Sklave nachträglich zum freien Menschen erklärt wurde151, galt das quinquennium nicht. Vindicationes in libertatem waren weiterhin ohne zeitliche Begrenzung möglich152. Diokletian untersagt schließlich allgemein jede unmittelbare Untersuchung des Status Verstorbener153 und hebt damit die von Nerva getroffene Regelung auf154. Eine gerichtliche Untersuchung soll nur noch dann stattfinden, wenn sie notwendig ist, um Erbschaftsstreitigkeiten, Vindikationen oder den Status der Kinder zu entscheiden. 2. Collusio Ulp. D.  40, 16, 2 pr (2 de off. cons.) Collusionem detegere ingenuitatis post sententiam intra quinquennium posse divus Marcus constituit.

Marc Aurel setzt fest, dass ein Urteil zugunsten der ingenuitas nach Ablauf von fünf Jahren nicht mehr wegen collusio angefochten werden darf. Gegenstand der kaiserlichen Regelung sind betrügerische Prozesse, die einem Sklaven oder Freigelassenen die Ingenuität, den Status eines Freigeborenen, verschaffen sollen155. Das Urteil lautete ingenuus est. Es wird nicht nur festgestellt, dass der Sklave liber ist, sondern auch die Qualität der Freiheit. Ein Motiv für einen solchen Ingenuitätsprozess war etwa die nur Freigeborenen mögliche Mitgliedschaft im Senat156. Ein anderer Beweggrund wird in Diokl. / Maxim. C.  7, 20, 1 (a. 290) deutlich: Eine Freigebo151  Marc.

D.  40, 15, 1, 4 (lib. sing. de del.); Hermog. D.  40, 15, 3 (6 iur. epit.). Prescrizione, S.  120. 153  C, 7, 16, 13 (a. 293). 154  Nicolau, Causa liberalis, S. 234. 155  Der Ausschnitt aus dem gaianischen Ediktskommentar (D. 40, 16, 1; 2 ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.) und die Konstitution der Kaiser Diokletian und Maximinian (C.  7, 20, 1, a. 290) zeigen deutlich, dass Ingenuitätsprozesse nicht nur von Freigelassenen, sondern auch von Sklaven als besondere Form der causa liberales angestrengt werden dürfen; Mayer-Maly, SZ 71 (1954), 264; Grundlegend: Buckland, Slavery, S.  675. 156  Tac. ann. 13, 27: Plurimis equitum, plerisque senatoribus non aliunde originem trahi: si separarentur libertini manifestam fore penuriam ingenuorum. Gai. D.  40, 16, 1 (2 ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.). Mayer-Maly, Collusio im Zivilprozess, SZ 71 (1954), 265, zweifelt dieses Motiv an, belegt die „Unklassizität“ aber nicht weiter. 152  Amelotti,



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rene versucht durch die Kollusion ihrem Geliebten, der dem Sklavenstand entstammt, zur Ingenuität zu verhelfen. Der Ingenuitätsprozess kann auch per formulas geführt werden157, wie der Prozess der Iusta158 zeigt. Die meisten Fragmente zum Ingenuitätsprozess deuten aber darauf hin, dass die cognitio extra ordinem das übliche Verfahren war: Das Urteil wird als decretum bezeichnet159, Richter sind die Konsuln160. Die in D.  40, 16, 2 pr. überlieferte Konstitution161 Marc Aurels begrenzt die Aufdeckung von collusiones. Diese Möglichkeit war durch ein Senatusconsultum aus der Zeit Domitians eingeräumt worden162. Gai. D.  40, 16, 1 (2 ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.) Ne quorundam dominorum erga servos nimia indulgentia inquinaret amplissimum ordinem eo, quod paterentur servos suos in ingenuitatem proclamare liberosque iudicari, senatus consultum factum est Domitiani temporibus, quo cautum est, ut, si quis probasset per collusionem quicquam factum, si163 iste homo servus sit, fieret eius servus qui detexisset collusionem.

Demjenigen, der eine collusio aufdeckt, winkt als Belohnung das Eigentum am streitgegenständlichen Sklaven oder, wenn es um einen Freigelassenen geht, die Patronatsstellung164. Auf dasselbe Senatusconsultum bezieht sich möglicherweise die folgende Konstitution. Diokl. / Maxim. C.  7, 20, 2 (a. 294) Libertinae condicionis constitutis privatis pactis mutare statum non licere Ninniano senatus consulto contra collusorem poena statuta praemioque detegenti promisso manifeste declaratur.

In C.  7, 20, 2 wird dem collusor eine Strafe auferlegt und demjenigen, der sie aufdeckt, eine Prämie versprochen. Als rechtliche Grundlage wird 157  Anderer Ansicht sind Bonini, I libri de cognitionibus, S.  66; Amelotti, La prescrizione, S.  108: Letzterer schließt den Prozess der Iusta als Beleg aus, weil es sich um eine sponsio praeiudicalis handelt, vgl. Fn. 2 m. w. N. Krüger, St. Riccobono 2, S.  230, konnte den Prozess der Iusta noch nicht berücksichtigen. 158  TH 13–29, s. o. Abschnitt 1, C. III. 2. 159  Callistrat. D.  40, 16, 3 (4 de cognition.). 160  Ulp. D.  40, 16, 2 (2 de off. cons.); Amelotti, Prescrizione, S.  108 m. w. N. 161  Diese Konstitution könnte auch ein Teil der oratio sein, constituit würde dann nur bedeuten, dass die Zustimmung des Senats reine Formsache war, Litewski, RIDA 3 sér. 32 (1976), 175. 162  Hackl, Praeiudicium, S.  230; Litewski, Archivum Iuridicum Cracoviense, S.  88. 163  Mommsen emendiert si zu ne, s. Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  689 Fn.  6; Mommsen, Digesta 2, S.  486 Fn.  1. 164  Ulp. D.  2, 4, 8, 1 (5 ad ed.).

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ein Senatusconsultum Ninnianum aufgeführt. Ein Prokurator Ninnius Hasta ist für die Zeit Domitians belegt165. Ebenso wie in D.  40, 16, 1 geht es um die positiven Folgen für denjenigen, der eine solche collusio aufdeckt. Dagegen spricht nicht, dass es sich einmal um einen Freigelassenen, das andere Mal um einen Sklaven handelt. Ein Ingenuitätsprozess war in beiden Fällen möglich. Der einzige Unterschied ist, dass der Sklave auch für diesen Prozess einen adsertor benötigte, während der Freigelassene selbst Partei sein konnte. Für die Identität kann zudem angeführt werden, dass die in D. 40, 16, 2 pr. erwähnte Anordnung von Mark Aurel sich nicht auf Sklaven beschränkt, sondern sich allgemein auf die erlangte Ingenuität bezieht166. Es ist damit sehr wahrscheinlich, dass D. 40, 16, 1 und C. 7, 20, 2 dasselbe Senatusconsultum zugrunde legen167. Zusätzlich zur Einführung des quinquennium erweitert Marc Aurel in einer oratio das Recht der Anzeige auch auf extranei168. Es reicht aus, dass der (Anfechtungs-)Prozess innerhalb der Fünfjahresfrist beginnt, er muss nicht innerhalb dieser Frist beendet werden169. Verstirbt allerdings derjenige, dessen Ingenuität Prozessgegenstand ist, muss die quaestio retractationis abgebrochen werden170. Die Frist bleibt außer Betracht, wenn ein Unmündiger an der Kollusion beteiligt war171 oder wenn der Patron nicht Partei war172.

165  Groag, Art. Ninnius 4) Q. Ninnius Hasta, RE 17, 1, Sp. 633; dessen Sohn, der Konsul Q. Ninnius Hasta, ist allerdings unter Trajan belegt, Amelotti, Prescri­zione, S.  112 Fn.  17. Theoretisch könnte das in C.  7, 20, 2 gemeinte SC auch in dieser Zeit entstanden sein. 166  Amelotti, Prescrizione, S. 113; anderer Ansicht ist Mayer-Maly, SZ 71 (1954), 266. 167  Zum Meinungstand vgl. Amelotti, Prescrizione, S.  112 m. w. N. Die Identität bejahen: Nicolau, Causa liberalis, S.  231; Mayer-Maly, SZ 71 (1954), 265; zweifelnd Litewski, RIDA 3 sér 23 (1976), 160. 168  Ulp. D.  40, 16, 2, 4 (2 de off. cons.). 169  Ulp. D.  40, 16, 2, 3 (2 de off. cons.). Etwas anderes galt, wenn ein Freigelassener auf die Ingenuität klagte. Für diesen galt auch eine Verjährungsfrist von fünf Jahren (Pap. D.  40, 14, 4 [22 quaest.]; Saturn. D.  40, 14, 2, 1 [1 de off. procons.]) Aus dem ulpianischen Text ergibt sich, dass ein solcher Prozess innerhalb der fünf Jahre auch beendet sein musste. Nach Ablauf der Frist hatte der Freigelassene aber die Möglichkeit sich an den Kaiser zu wenden (Saturn. D.  40, 14, 2, 2 (1 de off. procons.). 170  Marc. D.  40, 15, 1, 4 (lib. ding. de del.), auch diese Regelung ist auf die oratio Marci zurückzuführen. Nicolau, Causa liberalis, S.  233. 171  Ulp. D.  40, 16, 2, 2 (2 de off. cons.). 172  Marcell. D.  40, 14, 1 (7 dig.); Pap. D.  40, 14, 5 (10 resp.).

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Das Urteil, das aufgrund der Kollusion erlassen wurde, konnte innerhalb von fünf fortlaufenden173 Jahren angefochten werden (retractatio174). Eine retractatio war nur einmal möglich175. Das erschlichene Urteil ist nichtig176, wenn die Kollusion ohne Beteiligung des Patrons stattfand. 3. Prozessuale Reichweite der Verjährungsvorschriften Die erläuterten Verjährungsvorschriften entstammen ausnahmslos dem Kaiserrecht. Deshalb liegt der Schluss nahe, dass sie nur im Kognitionsverfahren angewendet wurden177. Nur in diesem Fall konnte an den Kaiser appelliert werden178. Für den Ingenuitätsprozess ist diese Annahme wohl zu bejahen, weil er fast ausschließlich als cognitio extra ordinem geführt wird179. Ging es jedoch um Freiheit oder Sklavenstatus, wurden in gleichem Maße Formularprozess und Kognitionsverfahren genutzt180. Das Kaiserrecht beeinflusst gleichwohl als ius civile auch das ordentliche Verfahren. Dies zeigt sich beispielsweise in D.  40, 16, 1: Gaius nimmt in seinem Kommentar zum Edikt des Stadtprätors Bezug auf das Senatusconsultum de collu­ sione detegenda. Die praescriptio temporis konnte demzufolge auch vor dem Prätor in iure geltend gemacht werden und führte zur Abweisung der Klage (denegatio actionis). Im nachklassischen Recht gibt es unterschiedlichste Regelungen zur Verjährung181. Während Diokletian und Maximinian noch auf das Vorliegen von mala fides oder bona fides abstellten182, ordnete Konstantin an, dass die Freiheit allgemein nach Ablauf von 60 Jahren nicht mehr angegriffen werden durfte183. In der in C.  Th. 4, 8, 7 (a. 331) überlieferten Konstitution 173  Ulp.

D.  40, 16, 2, 1 (2 de off. cons.). retractatio und den Auswirkungen vgl. Litewski, RIDA 3 sér 23 (1976), 153–189; Hackl, Praeiudicium, S.  230. 175  Hermog. D.  40, 16, 5 pr. (5 iur. epit.). 176  Callistrat. D.  40, 16, 3 (4 cognition.): im Ingenuitätsprozess war der Patron iustus contradictor, Alex. C.  7, 14, 1 (Jahr unbekannt). Vgl. Litewski, RIDA 3 sér. 23 (1976), 187, und Amelotti, Prescrizione, S.  115, zum Verhältnis von Marcell. D.  40, 14, 1 (7 dig.), Pap. D.  40, 14, 5 (10 resp.) und Callistrat. D.  40, 16, 3 (4 de cognition). Die Nichtigkeit galt gegenüber jedermann, Bonini, „I libri de cognitionibus“ di Callistrato, S.  67. 177  Kaser / Hackl, RZ, §  73, S.  488. 178  Saturn. D.  40, 14, 2, 2 (1 de off. procons.). 179  Vgl. Einleitung, I., S.  7. 180  Vgl. Abschnitt 1, C. II. 181  Vgl. Amelotti, Prescrizione, S.  120–127. 182  Diokl. / Maxim. C.  7, 22, 1 (a. 293); Diokl. / Maxim. C.  7, 22, 2 (a. 300). 183  Const. C.  7, 22, 3 (a. 314). 174  Zur

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

bejaht Konstantin eine praescriptio longi temporis desjenigen, der 16 Jahre in gutem Glauben in Freiheit lebt. Valentian, Theodosius I. und Arcadius gehen dagegen von einer Verjährung nach 20 Jahren aus184. Theodosius II. führte schließlich eine allgemeine Frist von 30 Jahren ein185. III. Marcell. D.  40, 13, 2 (24 dig.) Marcellus beschäftigt sich in D.  40, 13, 2 (24 dig.) mit einem Fall der testamentarischen Freilassung: Servum quis per vim a Titio accepit et testamento liberum esse iussit: quamquam solvendo decesserit, non erit ille liber: alioquin fraudabitur Titius, qui non procedente quidem libertate cum herede eius agere potest, at si ad libertatem servus pervenerit, nullam actionem habiturus est, quia nihil videbitur heres ex defuncti dolo consecutus.

Hat der Eigentümer den freigelassenen Sklaven durch Gewalt von Titius erlangt, so kann sich der Sklave nicht auf die Freiheit berufen, weil der eigentliche Eigentümer Titius sonst geschädigt wird. Der Erbe haftet nicht für die Arglist des Erblassers. Grundsätzlich ist die Freilassung wirksam, auch wenn der Freilasser den Sklaven durch Gewalt erlangt hat186. Der Beraubte kann schließlich mit der actio quod metus causa Schadensersatz geltend machen187. Wird die testamentarische Freilassung jedoch vollzogen, stellt sich der Sachverhalt anders dar: Der Sklave ist nicht mehr in der Erbmasse und kann als freie Person nicht beansprucht werden188. Der Erbe haftet nur soweit für den Gewaltakt des Erblassers, wie er dadurch etwas erlangt189. Dies ist nach der Freilassung nicht mehr der Fall. Um dem Geschädigten Titius zu helfen, zieht Marcellus190 eine Parallele zu den Fällen des insolventen Erblassers. Freilassungen, die der Überschuldete zur Benachteiligung seiner Gläubiger 184  Val. / Theodos. / Arcad.

C.  Th. 4, 8, 9 (a. 393). 4, 14, 1, 1 (a. 424). 186  D’Ors, RIDA 3 sér. 23 (1976), 110. 187  Dieser betrug im ersten Jahr den vierfachen, dann den einfachen Wert: Ulp. D.  4, 2, 14, 1–2 (11 ad ed.); Impallomeni, Manomissioni fraudulente, St. Grosso 4, S.  459; Kaser, RP 1, §  59, S.  244. 188  D’Ors, RIDA 3 sér. 23 (1976), 111. 189  Ulp. D.  4, 2, 16, 2 (11 ad ed.); Paul. D.  4, 2, 17 (1 quaest.); Jul. D.  4, 2, 18 (64 dig.); allgemeiner Ulp. D.  4, 2, 14, 3 (11 ad ed.): Derjenige, der einen Vorteil aus der Gewaltausübung erlangt, haftet. Er musste nicht die Gewalt ausgeübt haben. Kaser, RP 1, §  59, S.  244. 190  Zur Echtheit des Fragments vgl. D’Ors, RIDA 3 sér. 23 (1976), 112, und Impallomeni, St. Grosso 4, S.  460. 185  C.  Th.



Abschnitt 3: Das Verfahren bis zur litis contestatio

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vornimmt, sind nach der Lex Aelia Sentia nichtig191. Das tertium comparationis ist der Betrug am Gläubiger. Ist der Freilasser und Testator insolvent, so verschwindet mit der Freilassung ein Vermögensgegenstand aus dem überschuldeten Nachlass. Wird der geraubte Sklave freigelassen, so bedeutet das einen Betrug am beraubten Titius um den Wert des Sklaven192. Es stellt sich die Frage, ob dieser Fall wirklich eine denegatio actionis zur Folge hat. Der Wortlaut ist in dieser Hinsicht wenig hilfreich. Marcellus stellt lediglich fest: non erit ille liber. Die Kompilatoren ordneten dieses Fragment in den Titel „Quibus ad libertatem proclamare non licet“ ein, alle anderen Fragmente behandeln die denegatio actionis. Dass Marcellus an eine solche Folge dachte, ist allerdings eher unwahrscheinlich: Nach Lenels193 Rekonstruktion beschäftigt sich das 24. Buch der Digesten von Marcellus mit der Lex Aelia Sentia194. Diese ist eine Lex perfecta und hat die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge195. Wie diese Rechtsfolge aber im Prozess umgesetzt wird, ergibt sich daraus nicht. Formulierungen wie impeditur libertas, liberi non fiant, manumittere prohibet196 sprechen dafür, dass die Lex Aelia Sentia erst beim Verfahren apud iudicem im Rahmen einer exceptio geprüft wird. Dies ergibt auch der Umkehrschluss aus Ulp. D. 42, 5, 25197 (64 ad ed.). Profitiert ein Gläubiger wissentlich vom betrügerischen Verhalten des Schuldners, so wird ihm keine Klage erteilt. Das ergibt sich aus dem Wortlaut ne actio eo nomine detur. Die denegatio actionis kann also Rechtsfolge der Lex Aelia Sentia sein. Dies gilt aber nicht für den Prozess um die Wirksamkeit der Freilassung. Im nachklassischen Prozess kann der Richter den Antrag auch denegieren, wenn inhaltliche Aspekte gegen die Klage sprechen. Die Einordnung unter den Titel „Quibus ad libertatem proclamare non licet“, der eine denegatio actionis nahelegt, geschah vielleicht deshalb, weil die Kompilatoren die Folge non liber est mit der denegatio actionis gleichsetzten. 191  Gai., 1, 37; 1, 47; UE 1, 15; Fr. Dos. 16; Paul. D. 40, 9, 16, 2 (3 ad leg. Ael. Sent.); Ulp. D.  40, 9, 5 pr. (64 dig.); Impallomeni, St. Grosso 4, S.  459. 192  Impallomeni, St. Grosso 4, S.  460. 193  Lenel, Pal. 1, Sp.  629, Nr. 250. 194  Kaser / Hackl, RZ, §  58, S.  401 Fn.  51; Kaser, RP 1, §  60, S.  250 Fn.  42; S.  252, Fn.  73 m. w. N. 195  Kaser, RP 1, §  60, S.  250; Guarneri Citati, Mel. Cornil 1, S.  437. 196  Marcell. D.  29, 1, 29, 1 (10 dig.); Gai. 1, 37: Impedit libertatem; Inst. 1, 16 pr.: Impedit libertatem; Fr. Dos. 16: Obstat libertati; Gai. 1, 47: Liberi non fiant; UE 1, 15: Manumittere prohibet; Hermog. D.  40, 9, 27 pr.: liberque prohibetur; Guarneri Citati, Mel. Cornil 1, S.  493. 197  Vgl. hierzu G. Impallomeni, Studi sui mezzi di revoca, S.  6–11.

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IV. Exceptio rei iudicatae Eine weitere Einrede, die im klassischen Prozess zur denegatio actionis führen konnte, allerdings auch erst apud iudicem eine Rolle spielen konnte, ist die exceptio rei iudicatae (vel in iudicium deductae). Diese Einrede kann im Formularprozess und auch im außerordentlichen Verfahren (als praescriptio rei iudicatae198) geltend gemacht werden. Da die Präklusion im Kognitionsprozess nicht mehr an die litis contestatio geknüpft wird, sondern an das Urteil, beseitigten die Kompilatoren die zweite Variante (vel in iudicium deductae) dieser Einrede199. Streiten die Parteien um die Freiheit eines Menschen, so gelten über alle Verfahrensformen hinweg200 besondere Regelungen wie schon im Legisaktionenverfahren. Die exceptio rei iudicatae hat, wie die folgenden Quellen zeigen werden, nur einen begrenzten Anwendungsbereich. 1. Legisaktionenverfahren Cicero äußert sich in seiner Rede de domo sua zur Wiederholung des Freiheitsprozesses. Cic. dom. 29, 78 Quin etiam, si decemviri sacramentum in libertatem iniustum iudicassent, tamen, quotienscumque vellet quis, hoc in genere solo rem iudicatam referri posse voluerunt: civitatem vero nemo umquam ullo populi iussu amittet invitus.

Cic. dom. 30, 80 i.f. (Ausschnitt) (…) Tum igitur maiores nostri populares non fuerunt, qui de civitate et libertate ea iura sanxerunt, quae nec vis temporum nec potentia magistratuum nec res iam iudicata201 nec denique universi populi Romani potestas, quae ceteris in rebus est maxima, labefactare possit.

Cicero schreibt, dass kein römischer Bürger gegen seinen Willen das Bürgerrecht verlieren könne. Wenn vor den decemviri eine Entscheidung zu 198  Sev. / Ant. C.  3, 31, 3 (a. 205); Alex. C.  7, 56, 1 (a. 222); Modest. D.  44, 1, 11 (13 resp.); zum Prozess um die Freiheit: Pap. D.  44, 2, 29 pr. (11 resp.); vgl. VIR 4, 1 sv praescriptio, Sp.  1042; Kaser / Hackl, RZ, §  73, S.  487, §  74, S.  499. 199  Kaser / Hackl, RZ, §  94, S.  615. 200  Marrone, Praesidia libertatis, S.  56. 201  Der lateinische Text entspricht dem von Peterson, Oxford 1911. Sein Vorschlag res iam iudicata in praetorum decreta zu ändern ist nicht näher erklärt und eine Abweichung von der Handschrift (vgl. Anm. zu Z.  11) ist nicht zu begründen. Schließlich geht es gerade darum, dass die Freiheit auch nicht durch Urteil genommen werden kann.

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Ungunsten der Freiheit fiele, so könne der Freiheitsprozess wiederholt durchgeführt werden (29, 78). Auch ein vorheriges Urteil hindere die Geltendmachung der Freiheit nicht (30, 80). Der Prätor konnte infolgedessen einen einmal entschiedenen Freiheitsprozess zur erneuten Entscheidung an die decemviri verweisen. Da es im Legisaktionenverfahren nicht Kläger und Beklagten gab202, weil sich immer eine vindicatio in servitutem und eine vindicatio in libertatem gegenüberstanden203, war eine Wiederholung des Freiheitsprozesses immer möglich, wenn das sacramentum des adsertor libertatis für iniustum erklärt wurde204. Die Möglichkeit der Wiederholung war losgelöst von der Frage, ob eine vindicatio in servitutem oder eine vindicatio in libertatem vorlag205. Schließlich beanspruchten beide Parteien den Streitgegenstand (den vermeintlichen Sklaven) und mußten ihre Behauptung beweisen. Cicero begründet die Möglichkeit der Wiederholung damit, dass die Vorväter (maiores nostri) verhindern wollten, dass ein römischer Bürger gegen seinen Willen die Freiheit verlor206. Die Gründe für die mögliche Wiederholung sind allerdings weniger idealistischer als rechtlicher Natur. Es handelt sich dabei nämlich keineswegs um eine eigens für den Freiheitsprozess geschaffene Regel. Während actiones in personae mit der litis contestatio ipso iure erloschen207, konnte diese Wirkung208 bei den actiones in rem nicht eintreten209. Die Konsumption bezog sich nur auf Forderungsrechte als relative Rechte. Mittels der actio in rem beanspruchte absolute dingliche Rechte, wie Eigentum, Nießbrauch und Servitut, die auf dauernde Innehabung angelegt waren, konnten durch die Geltendmachung nicht erlöschen210. Dies galt auch für den Freiheitspro202  Hackl,

Iurisprudentia Unversalis, S.  269, 266 Fn.  41. Il processo, S.  264. 204  Hackl, Iurisprudentia Universalis, S.  269; Kaser / Hackl, RZ, §  14, S.  103. 205  So fälschlicherweise Marrone, Efficacia, S. 102, und Nicolau, Causa liberalis, S.  202. Zu Recht ablehnend Franciosi, Il processo, S.  264. 206  Cic. dom. 29, 77; 29 i.f. quia ius a maioribus nostris, qui non ficte et fallaciter populares sed vere et sapienter fuerunt, ita comparatum est, ut civis Romanus libertatem nemo posset invitus amittere. 207  Gai. 3, 180–181; Gai. 4, 107; Liebs, SZ 86 (1969), 176. Als Folge der Konsumption per litis contestatione verweigerte der Prätor die Klage (denegatio actionis), Metro, Denegatio actionis, S.  26. 208  Zu den unklassischen Begriffen „bis de eadem re ne sit actio“ und (actam rem) agere, die nur in der Rhetorik überliefert sind, vgl. Kaser / Hackl, RZ, §  12, S.  80, und Kaser, SZ 101 (1984), S.  60 m. w. N.; zur Regel bis de eadem re ne sit actio, Liebs, SZ 86 (1969), 170; ders., SZ 85 (1967), 104–132; ders., FS Hübner, S.  101–120. 209  Bonifacio, St. Volterra 4, S.  402; Wlassak, SZ 33 (1912), S.  88. 210  Liebs, SZ 86 (1969), 181; Bonifacio, St. Albertario 1, 96; Kaser / Hackl, RZ § 11, S. 81, der offen lässt, auf welche Weise ein erneuter Prozess verhindert werden sollte. 203  Franciosi,

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zess, der als legis actio sacramenti in rem geführt wurde. Der vermeintliche Eigentümer stritt um ein dingliches Recht, sein Eigentum, der adsertor libertatis behauptete, dass am Prozessobjekt „Sklave“ keinerlei dingliche Rechte bestanden. Aus diesem Grund war grundsätzlich ein mehrmaliger Prozess möglich. Da es keine der exceptio rei iudicatae211 vergleichbare Einrede gab212, galt dies grundsätzlich auch, wenn der Sklave im ersten Prozess erfolgreich war. In diesen Fällen lag es in den Händen des Prätors, den erneuten Prozess zu verhindern, indem er das Rechtsschutzbedürfnis des vermeintlichen Eigentümers verneinte und den Prozess denegierte213, weil diesem das beanspruchte Recht nicht zustand214. Eine zwingende Versagung der Klage könnte sich aus dem favor libertatis ergeben haben. Belege hierfür gibt es allerdings nicht. Diese denegatio actionis bindet zudem weder den Prätor, der sie ausspricht, noch seinen Nachfolger215. Setzte der Prätor einen Prozess ein, so konnte eine erneute Sachprüfung apud iudicem nicht mehr verhindert werden216. 2. Formularprozess Gai. 4, 106 Et si quidem imperio continenti iudicio actum fuerit217, sive in rem sive in personam, sive ea formula quae in factum concepta est, sive ea quae in ius habet intentionem, postea nihilo minus ipso iure de eadem re agi potest; et ideo necessaria est exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae.

Gai. 4, 107 Si218 vero legitimo iudicio in personam actum sit ea formula, quae iuris civilis habet intentionem, postea ipso iure de eadem re agi non potest, et ob id exceptio supervacua est; si vero vel in rem vel in factum actum fuerit, ipso iure nihilo minus postea agi potest, et ob id exceptio necessaria est rei iudicatae vel in iudicium deductae.

Im Formularprozess galten die Regeln zur Konsumption auf dem Gebiet der actiones in personam weiter, wie der Text von Gaius zeigt. Auf actiones, die der Konsumption nicht unterlagen, wie beispielsweise den actiones in 211  Gai.

4, 108. St. Volterra 4, S.  401. 213  Marrone, Praesidia libertatis, S.  26; Liebs, SZ 86 (1969), 179. 214  Kaser / Hackl, RZ, §  11, S.  70. 215  Liebs, SZ 86 (1969), 179; Kaser / Hackl, RZ, §  32, S.  240. 216  Liebs, SZ 86 (1969), 190. 217  Das Veroneser Palimpsest liest: proactum, vgl. ed. Seckel / Kuebler, Fn.  5. 218  Ed. Seckel / Kuebler, Fn.  1: Im Veroneser Gaius ist at nach si eingefügt. 212  Bonifacio,

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rem, zu denen auch die causa liberalis zählte, fand die neu geschaffene219 exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae Anwendung220. Der Beklagte konnte sich gegen einen Prozess zur Wehr setzen, sobald er mittels der litis contestatio rechtshängig wurde (exceptio rei in iudicium deductae) oder falls in der Sache schon entschieden worden war (exceptio rei iudicatae)221. Der Prätor prüfte, ob dieselben Parteien über denselben Gegenstand stritten222. War dies offensichtlich der Fall, so führte das zur denegatio actionis223. Erforderte die Untersuchung der Einrede eine weitergehende Prüfung, konnte der Prätor alternativ eine Formel mit exceptio erteilen. Ob eine res iudicata vorlag, entschieden in diesem Fall der iudex oder die recuperatores224. Im Kognitionsprozess oblag die Untersuchung dem Magistrat, der auch das Urteil fällte oder den Fall zu endgültigen Entscheidung delegierte. Gegenstand des Freiheitsprozesses per formulas und der cognitio extra ordinem war das Begehren des Klägers225. Für die Frage der Wiederholung des Prozesses kam es allerdings nicht auf die Parteirollen an, sondern auf das Ergebnis des ersten Prozesses. a) Entscheidung pro libertate Ulp. D.  4, 3, 24 (11 ad ed.) Si dolo acciderit eius, qui verba faciebat pro eo, qui de libertate contendebat, quo minus praesente adversario secundum libertatem pronuntietur, puto statim de dolo dandam in eum actionem, quia semel pro libertate dictam sententiam retractari non oportet.

Wird zugunsten der Freiheit entschieden, so ändert die Arglist nichts an der Wirksamkeit des Urteils226. Die exceptio rei iudicatae227 führt zur Präklusion jedes weiteren Prozesses. 219  Liebs,

SZ 86 (1969), 184. Text von Gaius legt nahe, dass es sich um eine exceptio mit zwei Alternativen handelte, so auch Lenel, EP, §  275, S.  506; Marrone, Efficacia, S.  197; Sacconi, Sodalitas 4, S.  1909; Ankum, MNHMH, Petropoulos 1, S.  194. Zu den unterschiedlichen Lösungsansätzen vgl. Ankum, MNHMH Petropoulos 1, S.  176. 221  Lenel, EP, §  275, S.  506; Kaser / Hackl, RZ, §  43, S.  302; Ankum, MNHMH Petropoulos 1, S.  185; Kaser / Hackl, RZ, §  43, S.  302 m. w. N. in Fn.  6. 222  Ulp. D.  44, 2, 3 (15 ad ed.). 223  Kaser / Hackl, RZ, §  43, S.  302, §  55, S.  382; Levy, Konkurenz 1, §  4, S.  52. 224  Kaser, SZ 101 (1984), 64; Liebs, SZ 86 (1969), 191. 225  Franciosi, Il processo, S.  277. 226  Ulp. D.  50, 17, 207 (1 ad leg. Iul. et Pap.); die Regel ist parallel in D.  1, 5, 25 überliefert und bezieht sich dort auf eine Entscheidung pro ingenuitate. 227  Sacconi, Sodalitas 4, S.  1916, diskutiert die Frage, ob an dieser Stelle ursprünglich die exceptio rei in iudicium deductae stand, kommt aber auf S.  1917 zu 220  Der

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Während in anderen Fällen der exceptio rei iudicatae eine replicatio doli mali entgegengehalten werden kann228, ist das Urteil pro libertate nicht angreifbar. Eine Gegenausnahme zu diesem Grundsatz enthält ein Fragment aus den nachgelassenen Schriften von Labeo. Labeo D.  40, 12, 42 (4 post.) Si servus quem229 emeras ad libertatem proclamavit et ab iudice perperam pro eo iudicatum est et dominus eius servi post rem contra te iudicatam te heredem fecit aut alio quo nomine is tuus esse coepisset, petere eum tuum esse poteris nec tibi obstabit230 rei iudicatae praescriptio231. Iavolenus: haec vera sunt.

Javolenus schildert zunächst den Grundsatz, dass, selbst wenn ein Fehlurteil ergangen ist, der adsertor die praescriptio rei iudicatae entgegenhalten könne. Die Wortwahl ist auf den ersten Blick erstaunlich. Im Formularverfahren heißt die Einrede exceptio rei iudicatae232. Die praescriptio rei iudicatae ist dagegen vorwiegend für den Kognitionsprozess bezeugt233. Die Lesart proscriptio234 im Codex Florentinus geht wohl auf einen Schreibfehler zurück. Eine Veränderung des ursprünglichen Textes von exceptio in praescriptio durch die Kompilatoren235 ist angesichts der Titelbenennung De exceptione rei iudicatae (D.  44, 2) auszuschließen. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass der Frühklassiker Labeo236 schon das Kognitionsverfahren zugrunde legte. Zu seiner Zeit ist nur der Freiheitsprozess per formulas dem Ergebnis, dass nur die exceptio rei iudicatae prozessuale Präklusion bewirken kann. 228  Paul. D.  26, 7, 46, 5 (9 resp.); Sev. / Ant. C.  3, 1, 2 (a. 210); Sacconi, Sodalitas 4, S.  1913. 229  Mommsen will hinter quem wie zwei byzantinische Handschriften bona fide einfügen. Die Basiliken nebst Scholien stimmen freilich mit dem Codex Florentinus überein; Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  687 Fn.  22; Mommsen, Digesta 2, S.  483 Fn.  2. 230  Ein Schreiber schreibt obstavit anstelle von obstabit; Mommsen, Digesta 2, S.  483 Anm. Zeile 9. 231  Krüger / Mommsen, CIC 1, Fn.  1: Alternative Lesart ist proscriptio. Der Florentinus liest proscriptio statt praescriptio, Krüger / Mommsen, CIC 1, S. 688, Fn. 1; Mommsen, Digesta 2, S.  483 Anm. Z.  9. 232  Gai. 4, 106–107; Lenel, EP, §  275, S.  506; Ulp. D.  3, 5, 7, 2 (10 ad ed.); Paul D.  4, 3, 25 (11 ad ed.); Ulp. D.  43, 30, 1, 4 (71 ad ed.). 233  Sev. / Ant. C.  3, 31, 3 (a. 205); Alex. C.  7, 56, 1 (a. 222); Modest. D.  44, 1, 11 (13 resp.); Pap. D. 44, 2, 29 pr. (11 resp.); Kaser / Hackl, RZ, § 73, S. 487, § 74, S.  499. 234  Krüger / Mommsen, CIC 1, Fn.  1; Mommsen, Digesta 2, S.  483 Anm. Z.  9. 235  Franciosi, Il processo, S.  282; Marrone, Efficacia, S.  328 Fn.  621, 427 Fn.  58. 236  M. Antistius Labeo ist nicht vor 5 n. Chr. und nicht später als 22 n. Chr. gestorben. Giaro, Art. [II 3] Labeo, M., DNP 1, Sp.  797; Waldstein / Rainer, RRG, §  34, Rn. 3.



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belegt. Auszuschließen ist auch, dass Iavolenus Priscus237 den Text veränderte und an seine Zeit anpasste. Zum einen ist der Kognitionsprozess auch für die Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert n. Chr. nicht sicher belegt, zum anderen veränderte Javolenus bei der zweiten Auflage238 der nachgelassenen Schriften den ursprünglichen Text nicht, sondern versah ihn mit Kommentierungen. Labeo verwendete bewusst den Begriff praescriptio. Praescriptiones239 waren die Vorläufer der exceptiones und hatten die denegatio actionis zur Folge240. Im klassischen Formularverfahren, wie Gaius es zugrunde legte, gab es nur noch die praescriptio pro actore241. Ursprünglich konnte aber auch der Beklagte eine praescriptio pro reo geltend machen. Diese wurde nach und nach von den flexibleren exceptiones verdrängt242. Während die praescriptiones „vor die Formel geschrieben“ werden mußten243 und nur vom Prätor geprüft wurden, konnten die exceptiones auch apud iudicem berücksichtigt werden. An einem konkreten Fall zeigt Gaius die Verdrängung einer praescriptio durch eine entsprechende Einrede244. D.  40, 12, 42 belegt für die exceptio rei iudicatae denselben Prozess. Ob und wie lange praescriptio pro reo und exceptio nebeneinander existierten, ist unbekannt245. In der cognitio extra ordinem setzt sich dann wieder der Begriff praescriptio durch, vielleicht um die Einreden des außerordentlichen Verfahrens von denen des ordentlichen terminologisch abzugrenzen. Von dieser ursprünglichen praescriptio sagt Labeo, dass sie nicht geltend gemacht werden könne, wenn der unterlegene Eigentümer inzwischen zum Erben des wahren Eigentümers gemacht wurde. Da dessen Eigentum nie auf dem Prozesswege verneint wurde, kann der unterlegene dominus wie ein 237  Octavius Iavolenus lebte um die Wende vom 1. zum 2. nachchristlichen Jahrhundert, er wurde wahrscheinlich vor dem Jahr 60 geboren und lebte wohl mindestens bis 120 n. Chr., weil Julian ihn als Lehrer erwähnt; Berger, Art. 59) Octavius Iavolenus, RE 17, 2 Sp.  1830; Waldstein / Rainer, RRG, §  32, Rn. 12. 238  Die 10 Bücher, die Iavolenus herausgab, sind nur ein (kommentierter) Auszug aus einer früheren Ausgabe, die 40 Bücher unfasst haben soll, Gell. 13, 10, 3. Der Herausgeber der ersten Auflage ist unbekannt. Die Erstausgabe wird aber von einigen Juristen erwähnt. Zum Ganzen vgl. Berger, Art. 59) Octavius Iavolenus, RE 17, 2, Sp.  1836. 239  Gai. 4, 132. 240  Wlassak, SZ 33 (1912), 136. 241  Gai. 4, 130. 242  Wlassak, SZ 33 (1912), 136. 243  Gai. 4, 132. 244  Gai. 4, 133; Marrone, Efficacia, S.  425; Wlassak, SZ 33 (1912), 81; Kaser / Hackl, RZ, §  35, S.  265. 245  Hackl, Praeiudicium, S.  42.

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unbeteiligter Dritter ein gänzlich anderes Recht geltend machen. Es handelt sich dann nicht mehr um eadem res. Auch für das Kognitionsverfahren ist belegt, dass nach einem Urteil pro libertate kein erneuter Prozess geführt werden durfte, weil die exceptio rei iudicatae entgegenstand246. Das Urteil kann lediglich mit der Berufung angegriffen werden247. Mit dem Vordringen des außerordentlichen Verfahrens kann auch gegen Prozesse im Formularverfahren Berufung eingelegt werden248. Inwiefern diese Möglichkeit für den Freiheitsprozess genutzt wurde, ist nicht bekannt. b) Entscheidung pro servitute Wird der Freiheitsprozess zugunsten des Eigentümers entschieden, so gilt eine Sonderregel, die erst von Justinian aufgehoben wird. Just. C.  7, 17, 1 pr (a. 528) (…) illis legibus, quae dudum et secunda et tertia vice adsertorias lites examinari praecipiebant, in posterum conquiescentibus, cum sit iustum primam definitionem in suis manere viribus, cum provocatio nulla oblata fuerit: qua porrecta, ad similitudinem aliorum negotiorum iudex, ad quem res ex provocatione ducitur, eam examinabit, cuius et ipsius iudicium ad secundam exquisitionem minime deducetur occasione legum, quae super adsertoriis litibus positae sunt.

Justinian ordnet an, dass es in Zukunft nicht mehr möglich sein solle, einen Freiheitsprozess ein zweites oder drittes Mal zu erheben. Die Anzahl der Wiederholungen ist beispielhaft249. Für den Freiheitsprozess benutzt er den nur an dieser Stelle belegten Begriff250 adsertorias lites. Damit drückt Justinian aus, dass es um die vom adsertor libertatis angestrengte causa liberalis geht. Nur dieser hat beim Urteil in servitute den Wunsch, einen erneuten (zweiten, dritten etc.) Prozess anzustrengen. Während beim Urteil in libertate die exceptio rei iudicatae zur Anwendung kam, konnte ein Prozess mit gegenteiligem Ausgang bis zur justinianischen Änderung zwischen denselben Parteien unbegrenzt wiederholt werden251. Für das Kognitionsverfahren belegt C.  7, 16, 2 diese Sonderregel252: 246  Vgl.

Pap. D.  44, 2, 29 pr. (11 resp.). C.  7, 16, 4 (Jahr unbekannt); Macer, D.  49, 1, 9 (2 de appellat.); ­Diokl. / Maxim. C.  2, 30, 4 (a. 303); Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 27 pr. (a. 294). 248  Kaser / Hackl, RZ, §  55, S.  375. 249  Ausführlich Nicolau, Causa liberalis, S.  199. 250  ThLL 2, sv assertorius, Sp.  872. 251  Vgl. Marrone, St. Gallo 2, S.  9 mit Fn.  16. 252  Für die Nachklassik ist diese Regel ebenfalls belegt: Diokl. / Maxim. C.  2, 30, 4 (a. 303). 247  Alex.



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Antoninus, C.  7, 16, 2 (a. 214) Si hi, quos servos tuos esse dicis, liberi esse a diversa parte dicuntur, de statu eorum more solito quaeri oportet: nec enim res iudicata, qua de proprietate ­eorum pronuntiatum est, opponi causae liberali potest.

Caracalla antwortet auf eine Anfrage, dass einer causa liberalis nicht entgegengehalten werden könne, dass schon ein Urteil (res iudicata) gefällt wurde. Für die Zeit des Prinzipats sind zudem folgende literarische Quellen erhalten, die zusätzlich belegen, dass derselbe adsertor in den verschiedenen Prozessen handeln kann: Martial Epigrammata I, 52 Commendo tibi, Quiniane, nostrosnostros dicere si tamen libellos possum, quos recitat tuus poeta-: si de servitio gravi queruntur, adsertor venias satisque praestes, et, cum se dominum vocabit ille, dicas esse meos manuque missos. hoc si terque quaterque clamitaris, inpones plagiario pudorem.

Quint. inst. or. 5, 2, 1 i.f. Aut cum de eadem causa pronuntiatum est, ut in reis deportatis et adsertione secunda et partibus centumviralium quae in duas hastas divisae sunt.

Quint. inst. or. 11, 1, 78 Etiam, si apud alios iudices agetur ut in secunda adsertione aut in centumviralibus iudiciis duplicibus, parte victa decentius erti, quotiens contingerit, servare iudicum pudorem: de qua re latius probationum loco dictum est.

Sowohl Martial als auch Quintilian beschreiben in den unterschiedlichen Texten die mehrfache Führung des Freiheitsprozesses. Martial ermutigt den angesprochenen Quintian, den Prozess mehrmals als adsertor zu führen. Terque quaterque ist nicht wörtlich zu verstehen. Die von Quintilian benutzte Wendung secunda adsertio soll ebenfalls verdeutlichen, dass ein weiterer Prozess möglich ist und sagt nichts über die Anzahl aus253. Zudem gehen die Verfasser beider Texte selbstverständlich davon aus, dass derselbe adsertor mehrmals handeln darf254. Ein vermeintlicher Sklave darf sich mit 253  Vgl. Nicolau, Causa liberalis, S.  199; Franciosi, Il processo, S.  272 Fn.  44 m. w. N. 254  Diese Regelung galt schon im Legisaktionenverfahren wie Cic. pro Caec. 33, 97 zeigt.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Hilfe eines adsertor libertatis so oft vor Gericht auf die Freiheit berufen, wie er will. Diese Regelungen müssten sich auf das Formularverfahren beziehen; ein Freiheitsprozess im Kognitionsverfahren ist für diese Zeit nicht belegt255. Ein Text aus dem Ediktskommentar von Gaius scheint jedoch in Abrede zu stellen, dass diese in Legisaktionenverfahren und Kognitionsverfahren verbürgte Privilegierung auch für den Formularprozess gilt. Gai. D.  40, 12, 25, 1 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. causa) Interdum ex integro datur ad libertatem proclamatio, veluti eius, qui adfirmat ideo se primo iudicio victum, quod statuta libertas nondum ei optigerat, quam nunc dicit sibi obtigisse.

In dem Fragment, das dem Titel des Ediktskommentars über die causa liberalis entnommen wurde, geht es um die Frage einer erneuten proclamatio ad libertatem. Die Interpolationsvermutung Lenels256 (in libertatem adsertio anstelle von ad libertatem proclamatio) trifft an dieser Stelle wohl zu. Der vorliegende Text suggeriert, dass der Sklave selbst handelt, während die Formulierung adsertio libertatem sich auf den im klassischen Recht handelnden adsertor libertatis bezieht. Gaius stellt klar, dass ein erneuter Prozess nur dann möglich sei, wenn derjenige, der klagt, belegen könne, dass ihm die Freiheit zwischen den Prozessen zuteil geworden sei. Eine Wiederholung scheint damit nicht ohne weiteres möglich zu sein. Die Erklärung, dass der Text von den Kompilatoren überarbeitet und an die durch C.  7, 17, 1 pr. geänderte Rechtslage angepasst worden sei257, greift zu kurz258. Die Tatsache, dass es sich um einen Text aus dem Ediktskommentar handelt, könnte deshalb zu der Annahme führen, dass eine Wiederholung im Formularprozess doch nicht so ohne weiteres zulässig ist. Gegen den Schluss, dass nur die vindicatio in servitutem wiederholt werden kann259, sprechen alle bisher behandelten Quellen und das Prinzip des favor libertatis. Schon Cicero sagt, dass kein Bürger gegen seinen Willen die Freiheit verlieren könne. Auch dass der vermeintliche Sklave vor dem ersten Prozess als freier Mensch gelebt haben muss260, lässt sich mit keiner Quelle belegen. Dass im 255  Vgl.

Abschnitt 1, C. II. 2. Pal 1, Sp.  187 Fn.  6: ersetzt ad libertatem proclamatio durch in libertatem adsertio. 257  Franciosi, Il processo, S.  293. 258  Ablehnend auch Kaser, SZ 79 (1962), 398 Fn.  31. 259  Nicolau, Causa liberalis, S.  203. Ablehnend auch Franciosi, Il processo, S.  265, 294 Fn.  128. 260  Marrone, Praesidia libertatis, S.  62. 256  Lenel,

Abschnitt 3: Das Verfahren bis zur litis contestatio



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Formularprozess eine Wiederholung des Freiheitsprozesses nicht möglich sein sollte, die im Legisaktionenverfahren und im Kognitionsverfahren dagegen ein unumstößlicher Grundsatz war, vermag nicht zu überzeugen. Auch die literarischen Quellen, die sich zeitlich auf den Formularprozess beziehen müssen, sprechen dagegen. Es muss also eine andere Erklärung für das Fragment von Gaius geben. Um eine restitutio in integrum handelt es sich nicht. Ex integro könnte zwar darauf hinweisen, diese Wendung wird aber im Zusammenhang mit dem Restitutionsverfahren nicht verwendet261. Zudem ist dieses besondere Verfahren auf wenige Einzelfälle beschränkt262 und im Freiheitsprozess nicht anwendbar263. Die Wendung soll auf einen neuen Prozess264 hindeuten, eine weitere proclamatio ad libertatem265. Die Ausnahme könnte inhaltlich begründet sein, weil die Freiheit auf einem besonderen Grund beruht. Gaius spricht von der statuta libertas, die geltend gemacht und verneint wird. Dieser Begriff wird für die bedingte Freiheit eines statuliber266 verwendet: Paul. D.  40, 7, 1 pr. (5 ad Sab.) Statuliber est, qui statutam et destinatam in tempus vel condicionem libertatem habet.

Der statuliber ist ein Sklave, dessen Freiheit entweder befristet oder bedingt267 ist. Es handelt sich um einen Fall der testamentarischen Freilassung, der schon in den Zwölftafeln geregelt ist268. Statuta libertas ist ein Syno261  ThLL

262  Lenel,

7, 1, sv integer, Sp.  2080, mit vielen Quellennachweisen. EP S.  109–124; Ulp. D.  4, 6, 1, 1 (12 ad ed.); Kaser / Hackl, RZ, §  64,

S.  421–426. 263  Macer D. 49, 1, 9 (2 de appellat.) behandelt zwar das Kognitionsverfahren, es ist aber davon auszugehen, dass im Formularprozess nichts anderes galt. Schließlich war dort der Anwendungsbereich der restitutio in integrum noch viel kleiner und wurde im Kognitionsverfahren erweitert. Kaser / Hackl, RZ, § 74, S. 498. Eine Ausnahme von dieser Regel (keine restitutio in integrum im Freiheitsprozess) nennt Callistratus, D. 49, 14, 3, 9 (3 de iure fisci): Klagt ein Sklave, der zu den Gütern des Fiskus zählt, und wurde der Fiskus nicht gehört, war eine restitutio in integrum möglich. 264  In derselben Bedeutung wird ex integro in den folgenden Quellen verwendet: Venul. D.  46, 8, 8 pr. (5  stip.); Ulp. D.  49, 14, 7 (54 ad. ed.). In Verbindung mit der appellatio: Valent. / Theodos. / Arcad. C.  Th. 11, 37, 1 interpr. (Jahr unbekannt); Const. C.  3, 8, 4 (a. 336). 265  Accursius, Gl. ex integro; Bas. 48, 8, 25, 1 (ed. Scheltema / van der Wal, A 6, S.  2223). 266  Zum statuliber vgl. Watson, Persons, S.  204–217; Donatuti, Lo statulibero, Mailand 1940. 267  Beispiele für Bedingungen nennt Kaser, RP 1, §  69, S.  295. 268  Das ergibt sich aus UE 2, 4, ed. Avenarius, S.  208–209, ed. Schoell, S.  140, ed. Düll, S.  47 sowie FIRA 1, S.  51 ordnen den ursprünglichen Text unter Tab. 7,

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

nym für die statulibertas269 und wird in dieser Bedeutung in zahlreichen Quellen verwendet270. Vor Eintritt der (aufschiebenden271) Bedingung führt ein Prozess um die Freiheit eines statuliber zum Urteil pro servitute, die bedingte Freiheit hat keinen Einfluss auf den tatsächlichen Status als Sklave272. Die Glossa ordinaria zu ex integro verweist auf Ulp. D.  44, 2, 11, 4 (75 ad ed.): Eandem causam facit etiam origo petitionis. ceterum si forte petiero fundum vel hominem, mox alia causa nova post petitionem mihi accesserit, quae mihi dominium tribuat, non me repellet ista exceptio, nisi forte intermissum dominium in medio tempore rediit quodam postliminio. quid enim, si homo, quem petieram, ab hostibus fuerit captus, mox postliminio receptus? hic exceptione summovebor, quia eadem res esse intellegitur. at si ex alia causa dominium fuerim nactus, non nocebit exceptio: et ideo si forte sub condicione res legata mihi fuerit, deinde medio tempore adquisito dominio petam, mox existente condicione legati rursus petam, putem exceptionem non obstare: alia enim causa fuit prioris dominii, haec nova nunc accessit.

Ulpian schreibt, dass die exceptio rei iudicatae nach Bedingungseintritt einem erneuten Prozess nicht entgegengehalten werden könne. Vor Eintritt der Bedingung entfaltet das bereits gesprochene Urteil jedoch Rechtskraft. Gaius wendet diese allgemeine Regel in D.  40, 12, 25, 1 auch auf den Fall des statuliber an. Wurde einmal entschieden, dass der statuliber noch Sklave war, weil ihm die statuta libertas mangels Bedingungseintritts noch nicht zuteil geworden war, konnte er sich erst wieder nach Bedingungseintritt auf die Freiheit berufen. Das Urteil, das den Bedingungseintritt verneinte, entfaltete folglich Rechtskraft. Behauptete der vermeintliche Sklave dagegen andere Gründe für die Freiheit, dann konnte er diese immer in einem weiteren Freiheitsprozess geltend machen, auch wenn ihm die libertas als Folge des Bedingungseintritts versagt worden war. Im Falle des statuliber wendete der Prätor die allgemeinen Regelungen zum Bedingungseintritt an, wie sie D.  44, 2, 11, 4 formuliert. D.  40, 12, 12 ein; ed. Flach, S.  100 und ed. Crawford, Roman Statutes 2, S.  657, ziehen Tab. 6, 1d-2d, bwz. 6, 1–2 vor. Crawford, S.  658 und Kaser, RP 1, §  29, S.  114 m. w. N. 269  VIR 5, sv statuo IV., Sp.  675. 270  Gai. D. 9, 4, 15 (6 ad ed. prov.); Iul. D. 9, 4, 16 (24 dig.); Scaev. D.  21, 2, 69, 2 (2 quaest.); Jul. D. 30, 81, 9 (32 dig.); Jul. D. 33, 5, 9, 2 (32 dig.); Ulp. D. 40, 7, 2 pr. (4 ad Sab.); Ulp. D.  40, 7, 6 pr. (27 ad Sab.); Gai. D.  47, 4, 2 (13 ad ed. prov.) benutzt auch hier optingere; Ulp. D.  48, 5, 28, 10 (3 de adult.); VIR 5, sv statuo IV., Sp.  675 m. w. N. 271  Kaser, RP 1, §  61, S.  253. 272  Gai. 2, 200; UE 2, 2; Ulp. D.  48, 5, 28, 10 (3 de adult.) zur Folter; Paul. D.  40, 13, 4 (12 quaest.).

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25,  1 kann deshalb die Annahme, dass der Freiheitsprozess nach einem Urteil pro servitute wiederholt werden konnte, nicht widerlegen. Gegen ein Urteil pro servitute sind Rechtsmittel grundsätzlich nicht notwendig, weil der Prozess jederzeit, sowohl im Legisaktionenverfahren als auch im Formularprozess und im Kognitionsverfahren, wiederholt werden kann. Eine Berufung273 ist deshalb grundsätzlich für denjenigen interessant, der sein Eigentum geltend macht274 und einer Entscheidung pro libertate in der ersten Instanz entgegentreten will. Dass es aber auch Fälle gibt, in denen der adsertor Berufung einlegt, zeigt das folgende Fragment aus den Sententiae Pauli: PS 5, 33, 7 Adsertor si provocet, in eius modi tertiam cavere debet, quanti causa aestimata est.

Die Motive des adsertor liegen im Dunkeln, schließlich kann ein Prozess, der zu Ungunsten des vermeintlichen Sklaven ausging, unbegrenzt wiederholt werden275. Vielleicht betrachtet er die Appellation in diesem Fall als einfacheren Weg, weil das Urteil aus formellen Rechtsgründen angreifbar ist. Vom Legisaktionenverfahren bis zu Justinian galt wegen des favor libertatis, dass ein Freiheitsprozess, der mit einem Urteil pro servitute endete, solange wiederholt werden konnte, bis ein Urteil zugunsten der Freiheit erging. Wurde pro libertate entschieden, so konnte dagegen vom adsertor libertatis die exceptio rei iudicatae erhoben werden, die einen erneuten Prozess verhinderte.

273  Zur appellatio vgl. Kaser / Hackl, RZ, §  75, S.  501–510; Litewski, RIDA 3 sér 12 (1965), 347–436; 13 (1966), 231–323; 14 (1967), 301–403; 15 (1968), 143–351; Eine Berufung ist zwar seit Claudius auch gegen Urteile im ordentlichen Verfahren möglich, Paulus, Art. appellatio, DNP 1, Sp. 901; Kaser / Hackl, RZ, § 75, S.  503, anders als im Kognitionsverfahren ist sie aber nicht regelmäßiger Rechtsbehelf. 274  Alex. C.  7, 16, 4 (Jahr unbekannt); Nicolau, Causa liberalis, S.  229. 275  Anderer Ansicht ist Nicolau, Causa liberalis, S.  229, der die Berufung des adsertor darauf zurückführt, dass eine adsertio in libertatem nicht wiederholt werden kann.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

C. Die vorübergehende Versagung des Prozesses: differre iudicium de libertate Der Durchführung eines Freiheitsprozesses konnte auch entgegengehalten werden, dass ein anderer Prozess vorrangig war, der sich gerade mit dem Grund für die Freiheit beschäftigt. Alle anderen Prozesse werden zugunsten des Freiheitsprozess aufgeschoben276. Wird der Freiheitsprozess bis zur litis contestatio geführt, dann wird die Klage denegiert. Die zurückgestellte Klage kann nach Entscheidung des Prozesses erneut vorgebracht werden. Ist die Klage bereits anhängig, dann wird das abhängige Verfahren bis zur Entscheidung des Präjudizialprozesses zurückgestellt277. Die Präjudizialentscheidung spielt nur eine Rolle, soweit es sich um den Doppelprozess zwischen denselben Personen handelt278. Differre (oder auch sustinere279) ist der Oberbegriff für beide Möglichkeiten280. I. Freiheitsprozess und Erbschaftsstreitigkeiten Ulp. D. 5, 3, 7 pr.-2 (14 ad ed.) Si quis libertatem ex testamento sibi competisse dicat, non debebit iudex de libertate sententiam dicere, ne praeiudicium de testamento cognituro faciat: et ita senatus censuit: sed et divus Traianus rescripsit differendum de libertate iudicium, donec de inofficioso iudicium aut inducatur aut finem accipiat. 1  Ita demum autem sustinentur liberalia iudicia, si iam de inofficioso iudicium contestatum est: ceterum si non contestetur, non exspectantur281 liberalia iudicia: et ita divus Pius rescripsit. nam cum quidam Licinnianus de statu suo quaestionem patiebatur et, ne maturius pronuntiaretur de condicione sua, nolebat ad liberale iudicium ire, dicens suscepturum se de inofficioso testamento iudicium et petiturum hereditatem, quia libertatem et hereditatem ex testamento sibi defendebat: divus Pius ait, si quidem possessor esset hereditatis Licinnianus, facilius audiendum, quoniam esset hereditatis nomine iudicium suscepturus et erat in arbitrio eius, qui se dominum esse dicit, agere de inofficioso testamento iudicium. nunc vero sub obtentu iudicii de inofficioso testamento ab ipso Licinniano non 276  Paul. D.  40, 12, 24, 2–4 (51 ad ed.); Alex. C.  7, 19, 1 (a. 223); Gord. C.  7, 19, 4 (a. 239). 277  Hackl, Praeiudicium S.  128. Mit dem umgekehrten Fall, der vorrangigen Entscheidung des Freiheitsprozesses beschäftigt sich Hackl, S.  129. Die abhängigen Verfahren werden nach der litis contestatio bis zum Urteil im Freiheitsprozess aufgeschoben, Paul. D.  40, 12, 24, 3–4 (51 ad ed.). 278  Simon, SZ 83 (1966), 159 Fn.  61; Nicolau, Causa liberalis, S.  162. 279  Paul. D.  40, 12, 24, 3–4 (51 ad ed.); Ulp. D. 9, 4, 42 pr. (37 ad ed.). 280  Hackl, Praeiudicium, S.  128. 281  Haloander konjiziert exspectant, Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  112 Fn.  1; Mommsen, Digesta 1, S.  183 Fn.  1.

Abschnitt 3: Das Verfahren bis zur litis contestatio



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suscepti per quinquennium non debere moram fieri servituti. plane summatim aestimandum iudici concessit, an282 forte bona fide imploretur iudicium de testamento: et si id deprehenderit, praestituendum modicum tempus, intra quod si non fuerit contestatum, iubeat iudicem libertatis partibus suis fungi. 2 Quotiens autem quis patitur controversiam libertatis et hereditatis, sed se non ex testamento liberum dicit, sed alias vel a vivo testatore manumissum, non debere impediri liberalem causam, licet iudicium de testamento moveri speretur, divus Pius rescripsit: adiecit plane in rescripto, dummodo praedicatur iudici liberalis causae, ne ullum adminiculum libertatis ex testamento admittat283.

Ulpian stellt in D. 5, 3, 7 pr. zunächst fest, dass kein Urteil über die Freiheit erlassen werden darf, wenn die Gültigkeit des Testamentes, auf das die Freilassung zurückgeführt wird, ebenfalls gerichtlich untersucht wird. Er begründet das damit, dass die Entscheidung im Freiheitsprozess den Ausgang des Testamentsverfahrens nicht vorwegnehmen soll284 (ne praeiudi­ cium fiat). Dies sei auf ein (nicht näher bestimmtes) Senatusconsultum zurückzuführen, das folgenden Fall zugrundelegt285: Mit dem Tod des Erblassers wird ein Sklave Erbe und Freigelassener. Der Intestaterbe hält das Testament für ungültig und strengt neben der querella inofficiosi testamenti eine vindicatio in servitutem an. Um der Entscheidung der querella nicht vorzugreifen, muss der Freiheitsprozess aufgeschoben werden. Dass eine querella inofficiosi testamenti vorliegt, ergibt sich aus strukturellen Erwägungen: Sowohl das folgende Reskript Trajans als auch das in § 1 besprochene Reskript von Antoninus Pius setzen eine solche Querel voraus286. Während das Senatusconsultum in D. 5, 3, 7 pr. anordnet, dass der Freiheitsprozess aufgeschoben wird, beschäftigt sich das Reskript von Kaiser Trajan mit der Dauer des Aufschiebens. Das Reskript richtet sich an den Intestaterben, der einen Freiheitsprozess schon angestrengt hat und sich hierbei auf die Ungültigkeit des Testaments beruft. Eine querella hat er dagegen noch nicht erhoben287. Der Freiheitsprozess ist so lange aufzuschieben, bis die querella inofficiosi testamenti eingeleitet wurde oder eine bereits eingeleitete querella durch Urteil beendet wird288. Codex Florentinus liest in, Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  112 Fn.  2. Florentinus und Vulgata lesen admittet, Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  112 Fn.  3. 284  Arcaria, Senatus censuit, S.  154; Simon, Justinianischer Zivilprozess, S.  185. 285  Hackl, Praeiudicium S.  153; Simon, SZ 83 (1966), 159. 286  Hackl, Praeiudicium, S.  154, Fn.  9; Simon, SZ 83 (1966), 159, vgl. Fn.  62 m. w. N.; Marrone, Efficacia, S.  143 Fn.  53. 287  Simon, SZ 83 (1966), 162. 288  Simon, SZ 83 (1966), 165: Mit dieser Regelung soll die Erhebung der querella gesichert werden. Anderer Ansicht ist Hackl, Praeiudicium, S.  158, der indu282  Der

283  Codex

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Das in D. 5, 3, 7, 1 geschilderte Reskript von Antoninus Pius beschäftigt sich mit der Frage, ab wann der Prozess aufgeschoben wird. Der Kaiser schreibt, dass im Verfahren wegen eines pflichtwidrigen Testaments maßgeblicher Zeitpunkt der Vollzug der litis contestatio289 ist. Dann läge es allerdings auf den ersten Blick im Belieben des Intestaterben, welche der beiden Klagen durchgeführt werden soll290. Licht ins Dunkel bringt der dem Reskript zugrunde liegende Fall: Der Intestaterbe strengt gegen den (vermeintlichen) Sklaven Licinnianus einen Freiheitsprozess an. Dieser trägt vor, dass er sich einer querella aussetzen und zudem eine petitio hereditatis einreichen wolle. Antoninus Pius entscheidet daraufhin, dass dieses Verhalten in Ordnung ist, wenn Licinnianus die Erbschaft besitzt. Dann müsste er sich auf die Klage des Intestaterben einlassen. Da dies jedoch nicht der Fall ist – die Erbschaft befindet sich im Besitz des Intestaterben – könne er nicht mit Hinweis auf ein mögliches Verfahren die Aufschiebung des Freiheitsprozesses verlangen, wenn er jederzeit mit einer petitio hereditatis die querella inofficiosi testamenti als Gegenklage herausfordern könne291. Licinnianus soll auf diese Weise den Freiheitsprozess, der ihm mit der litis ordinatio die rechtliche Freiheit verleiht, nicht für unbestimmte Zeit bis zur Präklusion der querella aufschieben können292. In einer summarischen Prüfung293 soll der Richter, der mit der causa liberalis befasste Magistrat294, feststellen, ob Licinnianus ernsthaft eine hereditatis petitio anstellen will. In D. 5, 3, 7, 2 stellt Ulpian klar, dass der Freiheitsprozess nicht aufgeschoben werden muss, wenn die Freiheit auf einem anderen Grund als dem Testament beruht. Auch dieser Rechtssatz geht auf ein Reskript von Antoninus Pius zurück. Fraglich ist, auf welchen Prozess sich der Text bezieht. Für die querella inofficiosi testamenti waren die centumviri zuständig295, der Freiheitsprozess cere mit aufheben übersetzen will und daraus schließt, dass der Freiheitsprozess bis zur Aufhebung der querella oder bis zu einer Entscheidung über die Wirksamkeit des Testaments aufgeschoben wird. 289  Hackl, Praeiudicium. S.  159. 290  Hackl, Praeiudicium, S.  159. 291  Hackl, Praeiudicium, S.  160. 292  Simon, SZ 83 (1966), 166. 293  Eine solche oberflächliche Prüfung war notwendig, wenn im laufenden Verfahren eine Entscheidung zu treffen war, die eine anderes Urteil zu präjudizieren drohte, Simon, SZ 83 (1966), 216. Zum Streit um die Echtheit des Summatim cognoscere vgl. ebd., S.  143–146 m. w. N. Simon bejaht sie. 294  Simon, SZ 83 (1966), 169. 295  Quint. inst. or. 7, 4, 11: quibus simila etiam in vera rerum quaestione tractantur. nam quae in scholis abdicatorum, haec in foro exheredatorum a parentibus



Abschnitt 3: Das Verfahren bis zur litis contestatio

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konnte im ordentlichen Verfahren vor den recuperatores und im außer­ ordentlichen Verfahren vor den consules und dem praetor de liberalibus causis abgewickelt werden296. Senatusconsulta und kaiserliche Reskripte kamen in beiden Prozessformen zur Anwendung. Der Begriff iudex de libertate könnte auf die cognitio extra ordinem hindeuten297. Dagegen spricht aber der Ursprung des Fragments aus dem Kommentar zum prätorischen Edikt, der einen Bezug zum ordentlichen Prozess nahelegt298. Der iudex unus entscheidet allerdings nicht über den Freiheitsprozess299. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um eine Interpolation handeln, der iudex de libertate steht hier einfach als pars pro toto für das Richterkollegium der recuperatores300. Es soll deutlich werden, dass es sich um den zweiten Prozessabschnitt apud iudicem handelt301. Auch an dieser Stelle wird der Begriff nicht an die Anzahl der Richter angepasst. Das SC302 bezieht sich aus diesem Grund, ebenso wie die kaiserlichen Reskripte303, auf den ordentlichen Prozess. Unklar ist, in welchem Stadium sich der Prozess befinden muss. Der Prätor kann die Klage denegieren, wenn sie noch nicht mit der litis contestatio in die Zuständigkeit der recuperatores gelangt ist. Ist der Prozess schon anhängig, dann ist vorstellbar, dass entweder der Prätor in den Prozess eingreift oder derjenige, der die querella anhängig gemacht hat, eine exceptio erhebt304. Dass Ulpian das SC, das vermutlich in der Zeit vor Trajan entstand, noch kennt, spricht dafür, dass sich seine Wirkung auch auf die cognitio extra ordinem erstreckte305. et bona apud centumviros repetentium ratio est.; dies änderte sich auch nicht im klassischen Prozess, Gai. 4, 31. Arcaria, Senatus censuit, S.  156; Kaser / Hackl, RZ, §  7, S.  54 m. w. N. Zur Frage, ob die querella auch im Wege der cognitio extra ordinem geführt werden konnte, vgl. Palazzolo, Potere imperiale, S. 233 Fn. 62, der das zumindest für den vorliegenden Text ablehnt. Talamanca, Legittimazione, S.  178, lässt die Frage offen. 296  Zum Verfahren im Freiheitsprozess s. o. Abschnitt 1, C. II.; Arcaria, Senatus censuit, S.  157; Talamanca, Legittimazione, S.  178, geht von einer causa liberalis mittels außerordentlicher Kognition aus. 297  Simon, SZ 83 (1966), 158, 169; Talamanca, Legittimazione, S.  179. 298  Arcaria, Senatus censuit, S.  157. 299  Zum iudex unus im Freiheitsprozess s. o. Abschnitt 1, C. I. 1. c). 300  Arcaria, Senatus censuit, S.  158, schreibt „generica terminologia“. 301  Zum iudex unus im Freiheitsprozess s. o. Abschnitt 1, C. I. 1. c). 302  Arcaria, Senatus censuit, S.  154, 158. 303  Palazzolo, Potere imperiale, S.  101, S.  102, mit weiteren Belegen für kaiserliche Eingriffe in den Formularprozess; Ulp. D.  5, 3, 5, 1 (14 ad ed.). 304  Arcaria, Senatus censuit, S.  158. 305  Ausführlich zu diesem Punkt: Arcaria, Senatus censuit, S.  159.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Alexander Severus beschäftigt sich ebenfalls mit dem Verhältnis von Freiheitsprozess und Erbschaftsstreitigkeiten: Alex. C.  7, 19, 2 (a. 223) Si de hereditate et libertate controversia est, prius agi causa libertatis debet. sed si de hereditate agetur, ordinanda quidem est causa libertatis, sed sufficit ei, qui libertate utitur, ad victoriam de hereditate secundum se pronuntiatum.

Alexander stellt zunächst fest, dass die Entscheidung im Freiheitsprozess vorrangig ist. Im Nebensatz, der mit sed eingeleitet wird, beschäftigt er sich mit dem Fall einer Erbschaftsklage, die vor der causa liberalis entschieden werden muss. Dies erscheint zunächst widersprüchlich306, ist aber folgendermaßen aufzulösen: Im ersten Satz wiederholt Alexander die Grundregel der Priorität des Freiheitsprozesses. Diese gilt immer dann, wenn die Gründe, die für die Freiheit vorgebracht werden, nichts mit dem Testament zu tun haben, dessen Gültigkeit umstritten ist307. Die vorliegende Konstitution widerspricht somit nicht den vorgestellten Regelungen, sondern bestätigt sie. II. Ermordung des Eigentümers Ulp. D.  40, 12, 7, 4 (54 ad ed.) Sunt et aliae causae, ex quibus in libertatem proclamatio denegatur, veluti si quis ex eo testamento liber esse dicatur, quod testamentum aperiri praetor vetat, quia testator a familia necatus esse dicatur: cum enim in eo sit iste, ut supplicio forte sit adficiendus, non debet liberale iudicium ei concedi. sed et si data308 fuerit, quia dubitatur, utrum nocens sit an innocens, differtur liberale iudicium, donec constet de morte eius, qui necatus est: apparebit enim, utrum supplicio adficiendus sit an non.

Der Prätor oder der zuständige Magistrat ordnen die Aufschiebung des Freiheitsprozesses und damit die vorübergehende Versagung309 an, wenn der Eigentümer eines Sklaven, der diesen testamentarisch freigelassen hat, ermordet wird. Die causa liberalis ist so lange aufzuschieben, bis der Tod des Erblassers aufgeklärt ist und zweifelsfrei feststeht, dass der Sklave dafür nicht zu bestrafen ist. Der Freiheitsprozess wird ebenso wie beim Konflikt mit einer querella inofficiosi testamenti verschoben. Ulpian führt diesen Fall nur als Beispiel an, aus der Einleitung „sunt et aliae causae“ ist auf weite306  Deshalb hält Marrone, Efficacia, S.  142 den Text ab sed sufficit bis zum Ende für interpoliert. 307  Ulp. D.  5, 3, 7, 2 (14 ad ed.); Hackl, Praeiudicium, S.  167. 308  Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  685 Fn.  1: schlagen vor datum zu lesen oder adsertio hinter data einzufügen. 309  Nicolau, Causa liberalis, S.  265, nennt sie „denegatio provisoire / dilatoire“.



Abschnitt 3: Das Verfahren bis zur litis contestatio

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re Fälle der denegatio adsertionis zu schließen310. Unklar ist auch, ob die aliae causae nur vorübergehend eine denegatio actionis zur Folge haben oder ob sie die endgültige Klagenverweigerung zur Folge haben.

D. Die Einleitung des Rechtsstreits durch den Prätor I. Die Ordnung des Rechtsstreits (litis ordinatio) Paul D.  40, 12, 24 pr. (51 ad ed.) Ordinata liberali causa liberi loco habetur is, qui de statu suo litigat, ita ut adversus eum quoque, qui se dominum esse dicit, actiones ei non denegentur, quascumque intendere velit: quid enim si quae tales sint, ut311 tempore aut morte intereant? quare non concedatur ei litem contestando in tutum eas redigere?

Mit der lis ordinata wird der vermeintliche Sklave behandelt, als ob er ein freier Mensch wäre (liberi loco esse312). Dies gilt sowohl für das Formularverfahren als auch für die magistratische Kognition313. 1. Definition litis ordinatio Festus314 schreibt dazu Folgendes: Contestari litem dicuntur duo aut plures adversarii, quod ordinato iudicio utraque pars dicere solet. Testes estote.

Nachdem der Rechtsstreit geordnet ist315, wird mit der litis contestatio der Prozess vor dem iudex oder den recuperatores eingeleitet. Die ordinatio litis liegt folglich zeitlich vor der litis contestatio316. Der Text von Festus widerlegt die Theorie, dass litis contestatio und litis ordinatio identisch sind317. Der Zeugenaufruf (testes estote) erfolgt zwischen Formelgenehmi310  Ein weiterer Fall der vorübergehenden Versagung, bzw. des differe iudicium ist die Unmündigkeit des vermeintlichen Sklaven, Ulp. D.  40, 12, 27 pr. (2 de off. proc.). 311  Mommsen / Krüger, CIC 1, S.  686 Fn.  16; Mommsen, Digesta 2, S.  480 Anm. Z.  18: Der Korrektor verbessert im Codex Florentinus zu si tales sint quae. 312  So auch Gai. D. 40, 12, 25, 2 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.); Paul. D. 40, 12, 24, 3 (51 ad ed.): pro libero habetur. 313  Ulp. D.  4, 6, 12 (12 ad ed.); Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 14 (a. 293). 314  Festus, sv contestari litem (ed. Lindsay, S.  50). 315  Wlassak, Litiskontestation, S.  71; Keller, Über Litis Contestation, S.  32. 316  Wlassak, Litiskontestation, S.  75. 317  Karlowa, Römische Rechtsgeschichte 2, S.  1112; ablehnend auch Franciosi, Il processo, S.  233.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

gung und Streitbefestigung318. Mit der litis ordinatio steht unverrückbar fest, wer Kläger und wer Beklagter ist319. Hat sich der Prätor320 überzeugt, dass alle rechtlichen Voraussetzungen vorliegen321, beendet er die Vorbereitung des Prozesses322 mittels der litis ordinatio, auf diese folgen litis contestatio und Sicherheitsleistung323. Der Begriff ist weder allein dem Freiheitsprozess vorbehalten324 noch wird er ausschließlich für das Kognitionsverfahren verwendet325. Letzeres beweisen schon die Fragmente von Paulus und Gaius, die beide in Ediktskommentaren standen und sich deshalb auf den Formularprozess beziehen müssen. 2. Der Status des Sklaven Das Fragment von Gaius in D.  40, 12, 25, 2326 (ad praet. urban. tit. de lib. caus.), das ebenfalls den Status des vermeintlichen Sklaven nach der litis ordinatio zum Inhalt hat, beginnt folgendermaßen: Licet vulgo dicatur post ordinatum liberale iudicium hominem, cuius de statu controversia est, liberi loco esse. Die Formulierung vulgo dicitur deutet auf eine Regelung in den Zwölftafeln hin, weil sich Gaius mit derselben Wendung327 an anderer Stelle auf dieses Gesetz328 bezieht. Vulgo dicitur macht jedenfalls eine 318  Wlassak,

Litiskontestation, S.  77. bestimmte sich nach den faktischen Zustand des vermeintlichen Sklaven (sine dolo malo in libertate), Ulp. D. 40, 12, 7, 5 (54 ad ed.); weil diese Frage schon bei der örtlichen Zuständigkeit eine Rolle spielte, wurde die Bestimmung der Parteirollen dort ausführlich behandelt, s. o., Abschnitt 1, C. I. 2. a); Fran­ciosi, Il ­processo, S.  228; Wlassak, Prätorische Freilassungen, SZ 26 (1905), 394; ders., Litiskontestation, S.  74. 320  Wlassak, Litiskontestation, S. 76; Keller, Über Litis Contestation, S. 33: Zuständig entweder der Prätor oder der Magistrat. Sen. ep. 109, 14: (litis ordinator). 321  Kaser / Hackl, RZ, §  41, S.  288 mit Fn.  10. 322  ThLL 9, 2, sv ordino 4a), Sp. 939, ordinatur iudicium, lis: sensu originario significat fortasse litem a praetore legitime praeparari. 323  Accursius, Gl. ordinata ad D.  40, 12, 24 pr.: Per litis contestationem vel etiam per libelli porrectionem & satisdationem. 324  Franciosi, Il processo, S.  223. Er ist beispielsweise auch im Zusammenhang mit der querella inofficiosi testamenti überliefert: Pap. D. 26, 2, 26, 2 (4 resp.); Ulp. D.  5, 2, 8, 1 (14 ad ed.); ThLL 9, 2, sv ordino 4b), Sp.  939; VIR 4, 1, sv ordino, Sp.  457. 325  Franciosi, Il processo, S.  224; anderer Ansicht Nicolau, Causa liberalis, S.  114. 326  Zu D.  40, 12, 25, 2 s. 4. 327  Gai. 2, 49; Nicolau, Causa liberalis, S.  180. 328  Anderer Ansicht ist Maschke, Der Freiheitsprozess, S.  33. 319  Dies

Abschnitt 3: Das Verfahren bis zur litis contestatio



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Regelung im Edikt329 höchst unwahrscheinlich, dann würde sich Gaius einfach auf das Edikt beziehen. Im Legisaktionenverfahren gab es tatsächlich eine Regelung, die Gaius meinen könnte: vindiciae sunt secundum libertatem330. Der Prozessbericht des Livius331 sowie die Schilderung des Pomponius führen diese Regel auf die Zwölftafeln zurück332. Nachdem der Prätor beim Verfahrensabschnitt in iure seine Prüfung beendet hat, erteilt er normalerweise der Partei, deren Aussicht auf Erfolg größer scheint333, den Zwischenbesitz (vindiciae) an der Sache334. Auf den Ausgang des späteren Prozesses hat diese Zuweisung keinen Einfluss335, weil im Freiheitsprozess eine Sonderregel gilt. Der Zwischenbesitz wird immer dem adsertor libertatis (secundum libertatem) zugesprochen336. Ein Mensch, der möglicherweise frei ist, soll nicht als Sklave leben müssen337. Die Vindizien­ erteilung hat damit die faktische Freiheit des Sklaven zur Folge338, aus juristischer Sicht befindet er sich im Besitz des adsertor libertatis339. 329  Buckland,

Slavery, S.  661; Lenel, EP, S.  378. D.  1, 2, 2, 24 (lib. sing. ench.); Liv. 3, 44, 12: (sc. advocati puellae) postulant, ut rem integram in patris adventum differat, lege ab ipso lata vindicias det secundum libertatem neu patiatur virginem adultam famae prius quam libertatis periculum adire. Ferner: Liv. 3, 44, 5; 3, 47, 5. Cic. de rep. 3, 32 i.f.: Quid cum decemviri Romae sine provocatione fuerunt tertio illo anno, cum vindicias amisisset ipsa libertas?; Ausführlich zum Verginia-Prozess und den vindiciae secundum libertatem: Franciosi, Il processo, S.  197–213; Nicolau, Causa liberalis, S.  179–198. 331  Liv. 3, 44, 12; Franciosi, Il processo, S.  202, ist der Ansicht, dass Appius Claudius nur deshalb Marcus Claudius den Zwischenbesitz zusprach, weil es um einen Streit zwischen zwei Gewalten ging (S.  206) und nur der Vater berechtigt gewesen sein. 332  Nicolau, Causa liberalis, S.  179; Schöll, S.  135, Düll, S.  40 und FIRA 1, S. 45 ordnen diesen in Liv. 3, 44, 12 belegten Grundsatz auf Tab. 6 ein; Flach, S. 51 auf Tab. 1; Crawford, Roman Statutes 2, S.  600, nimmt den Text nicht auf. Gegen einen Ursprung in den Zwölftafeln: Maschke, Der Freiheitsprozess, S.  32. 333  Franciosi, Il processo, S.  213. 334  Gai. 4, 16; Franciosi, Il processo, S.  212. 335  Kaser / Hackl, RZ, §  14, S.  99. 336  Franciosi, Il processo, S.  213, zum Ursprung dieser Regel, vgl. S.  229. Anders Maschke, Der Freiheitsprozess, S.  34, der der Ansicht ist, dass die Regel vindiciae sunt secundum libertatem nur auf vindicationes in servitutem anwendbar seien. Dafür gibt es keine Quellenbelege, zudem steht auch der Charakter des Legisaktionenverfahrens entgegen, weil der vindicatio in servitutem immer eine vindicatio in libertatem gegenüberstand und umgekehrt. Hackl, Iurisprudentia Unversalis, S.  269, 266 Fn.  41; Franciosi, Il processo, S.  264. 337  Franciosi, Il processo, S.  218. 338  Franciosi, Il processo, S.  231; Nicolau, Causa liberalis, S.  181. 339  Franciosi, Il processo, S.  232. 330  Pomp.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Ebenso wie das auf 25 As reduzierte sacramentum340, spiegelt die Erteilung des Zwischenbesitzes den Grundsatz der Begünstigung der Freiheit (favor libertatis) wider341. Die Regelung zum Zwischenbesitz wird im Formularverfahren (und später auch im Kognitionsprozess) übernommen342 und angepasst. Im Formularverfahren ist eine Erteilung des Zwischenbesitzes nicht mehr üblich. Die Sache bleibt grundsätzlich beim Beklagten343. Dies würde bedeuten, dass der vermeintliche Sklave im Falle einer vindicatio in libertatem immer im Besitz des beklagten Eigentümers bleibt. Um das zu verhindern, wird für die Prozessdauer die Freiheit fingiert. Für die Beweislast kann das keine Folgen haben, diese richtete sich nach der Rollenverteilung344. Mit den Folgen dieser fiktiven Freiheit beschäftigen sich Paulus und Gaius. 3. Möglichkeiten des vermeintlichen Sklaven Mit der litis ordinatio und dem Status liberi loco kann der vermeintliche Sklave Klagen gegen seinen (vermeintlichen) Eigentümer anstrengen345, um durch die litis contestatio den Fristablauf zu verhindern und dem Risiko zu entgehen, dass seine Ansprüche mit dem Tod des vermeintlichen Eigentümers untergehen346. Auch wenn Paulus es nicht ausdrücklich schreibt, ist davon auszugehen, dass der Prozess über diese Klagen bis zur Entscheidung 340  Gai. 4, 14; Schoell, S.  120; FIRA 1, S.  30, und Düll, S.  30, ordnen die von Gaius geschilderte Regelung am Anfang von Tab. 2 ein, Flach, S. 47, und Crawford, Roman Statutes 2, S.  578, setzen die Regel ans Ende von Tab. 1. 341  Nicolau, Causa liberalis, S.  175; Kaser / Hackl, RZ, §  14, S.  101. 342  Franciosi, Il Processo, S.  199. 343  Kaser / Hackl, RZ, §  39, S.  282. Alternativ konnten die Parteien die Sache auch bei einem Sequester hinterlegen. Der Prätor ordnete die Sequestration wohl nur in Ausnahmefällen an, Kaser / Hackl, RZ, §  41, S.  294. 344  Buckland, Slavery, S.  661, ist der Ansicht, dass darin ein Unterschied zwischen vindiciae sunt secundum libertatem und liberi loco esse besteht. Im Legisaktionenverfahren habe die Erteilung der vindiciae Einfluss auf die Beweislast gehabt. Dagegen spricht aber der kontradiktorische Charakter der legis actio sacramenti in rem. Beide Parteien mussten ihre Behauptung beweisen. 345  Franciosi, Il processo, S.  234. 346  Paul. D. 40, 12, 24 pr (51 ad ed.); Franciosi, Il processo, S. 208, bei Klagen, die binnen Jahresfrist erhoben werden mussten (Gai. 4, 110), beginnt die Frist mit der litis ordinatio zu laufen, Paul. D.  40, 12, 24, 1 (51 ad ed.). Amelotti, Prescri­ zione, S.  56; ders., SDHI 22 (1956), 212, mit Beispielen für actiones annuae auf S.  201, so konnte bei der actio de calumnia nur innerhalb des ersten Jahres auf das quadruplum geklagt werden, Ulp. D.  3, 6, 1 pr. (10 ad ed.).



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im Freiheitsprozess aufgeschoben wird347. Anderenfalls hätte ein Prozessverlust des adsertor libertatis dazu geführt, dass Urteile Bestand haben und vollstreckt werden können, die inhaltlich falsch sind. Keine Rolle spielt die litis ordinatio dagegen bei Klagen, die der vermeintliche Sklave Dritten gegenüber erhebt: Paul. D.  40, 12, 24, 2 (51 ad ed.) Sed si cum aliis experiri velit, non est quaerendum, an lis ordinata sit, ne inveniatur ratio, quemadmodum subiecto aliquo, qui libertati controversiam moveat, interim actiones excludantur: aeque enim ex eventu iudicii liberalis aut utilis aut inanis actio eius efficietur.

Der Text muss sich auf Klagen desjenigen beziehen, der vor dem Freiheitsprozess faktisch als freie Person lebte348. Nur bei diesem besteht die Gefahr, dass sein Status in Frage gestellt wird, um unangenehme Klagen zu vermeiden. Ob er im Freiheitsprozess als Beklagter oder Kläger behandelt wird, ist dabei nicht relevant. Es soll verhindert werden, dass Dritte Klagen eines anderen verschleppen können349, indem sie rechtsmissbräuchlich dessen Freiheit in Frage stellen. Auch diese Klagen werden aufgeschoben: Paulus führt aus, dass sich aus dem Ergebnis des Freiheitsprozesses ergibt, ob sie wirksam oder unwirksam sind350. Paul. D.  40, 12, 24, 3 (51 ad ed.) Sed si quas actiones inferat dominus, quaeritur, an compellendus sit suscipere iudicium. et plerique existimant, si in personam agat, suscipere351 ipsum ad litis contestationem, sed sustinendum iudicium, donec de libertate iudicetur: nec videri praeiudicium libertati fieri aut voluntate domini in libertate eum morari: nam ordinato liberali iudicio interim pro libero habetur, et sicut ipse agere352, ita cum ipso quoque agi potest. ceterum ex eventu aut utile iudicium erit353 aut nullum, si contra libertatem pronuntiatum fuerit.

Auch der vermeintliche Eigentümer kann gegen seinen vermeintlichen Sklaven klagen. Erhebt er diese Klagen nach der litis ordinatio, dann hat 347  Franciosi, Il processo, S.  134 Fn.  154; Nicolau, Causa liberalis, S.  264; anderer Ansicht Marrone, Efficacia, S.  339 Fn.  652. 348  Franciosi, Il processo, S.  238. 349  Pissard, Questions préjudicielles, S.  169: „C’est pour éviter un inconvénient pratique.“ 350  Sotty, Utiles actiones, S.  115, zu Vorteilen des Eigentümers. 351  Mommsen / Krüger, CIC 1, S.  686 Fn.  17; Mommsen, Digesta 2, S.  480 Fn.  2 fügen debere hinter suscipere ein. 352  Mommsen / Krüger, CIC 1, S.  686 Fn.  18: Der Korrektor verbessert im Codex Florentinus zu ageret. 353  Mommsen / Krüger, CIC 1, S.  686 Fn.  19; Mommsen, Digesta 2, Fn.  3 fügen si secundum hinter erit ein.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

das keinen Einfluss auf die Entscheidung des Freiheitsprozesses354 oder die Frage, ob sich der Sklave bis zum Prozess in libertatem befand. Letzteres wird bis zur litis ordinatio entschieden: Die Beeinflussung des Freiheitsprozesses ist ebenfalls auszuschließen, weil der Sklave wie ein freier Mensch zu behandeln ist (pro libero habetur) und deshalb auch der vermeintliche Eigentümer gegen ihn klagen kann355. Dieser Punkt ist unter den klassischen Juristen allerdings umstritten, wie die Einleitung mit plerique existimant zeigt356. Einige Juristen vertreten vermutlich die Ansicht, dass der vermeintliche Eigentümer sehr wohl den Freiheitsprozess zu seinen Ungunsten beeinflusst. Auch diese Klagen werden nur bis zur litis contestatio geführt und dann aufgeschoben357, weil der Freiheitsprozess Präjudizialwirkung auf die Klagen des vermeintlichen Eigentümers hat358. Neben diesen zilvilrechtlichen Klagemöglichkeiten hat der Status liberi loco esse einen weiteren Vorteil: Der vermeintliche Sklave darf im Freiheitsprozess nicht gefoltert werden359. 4. Grenzen der Freiheit Gai. D.  40, 12, 25, 2 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.) Licet vulgo dicatur post ordinatum liberale iudicium hominem, cuius de statu controversia est, liberi loco esse, tamen, si servus sit, certum est nihilo minus eum, quod ei tradatur vel stipuletur, perinde domino adquirere atque si non de libertate eius quaerebatur. tantum de possessione videbimus, cum ipsum post litem ordinatam desinat dominus possidere: sed magis est, ut adquirat, licet ab eo non possideatur. et cum placuit per fugitivum quoque nos possessionem adquirere posse, quid mirum etiam per hunc, de quo quaeramus adquiri?

Der vermeintliche Sklave kann bis zum Prozessausgang kein Eigentum erwerben und keine wirksame Stipulation abgeben360. Umstritten ist, ob der Eigentümer oder der Sklave Besitz an zwischenzeitlich erworbenen Gegenständen erlangen soll361. Gegen den Erwerb des Eigentümers spricht, dass 354  Franciosi,

Il processo, S.  242. Praeiudicium, S.  149; Franciosi, Il processo, S.  243; Pissard, Question préjudicielles, S.  167. 356  Hackl, Praeiudicium, S.  149; Franciosi, Il processo, S.  240. 357  Sotty, Actiones utiles, S.  115. Die Aufschiebung zugunsten des Freiheitsprozesses galt auch im Kognitionsverfahren, vgl. Alex. C. 7, 19, 1 (a. 223); Gord. C. 7, 19, 4 (a. 239). 358  Koschaker, Translatio iudicii, S.  63 Fn.  3. 359  Arcad. Charis. D.  48, 18, 10, 6 (lib. sing. de test.). 360  Wacke, SZ 108 (1991), 140: Die traditio steht beispielhaft für den ding­lichen, die stipulatio für den schuldrechtlichen Erwerb. 361  Benöhr, Besitzerwerb, S.  80. 355  Hackl,



Abschnitt 3: Das Verfahren bis zur litis contestatio

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dieser für die Prozessdauer keinen Besitz am streitgegenständlichen Sklaven hat. Gaius spricht sich dennoch dafür aus, dass der Eigentümer, wie auch bei einem flüchtigen Sklaven, Besitz erlangen soll362. Damit wird der vermeintliche Eigentümer vor Verlusten geschützt363. Daneben scheint aber auch die Ansicht vertreten worden zu sein, dass der vermeintliche Sklave Besitz erlangen kann. Das Urteil im Freiheitsprozess entscheidet rückwirkend über die Zurechnung des Erwerbs364. Es könnte sich an dieser Stelle tatsächlich um einen Meinungsstreit handeln, oder der letzte Satz könnte interpoliert sein365. Für eine Interpolation spräche, dass Gaius an anderer Stelle ausführt, dass man nur durch diejenigen Besitz erlangen könne, die man selbst besitzt366. Einen solchen Besitz nimmt er für den servus fugitivus an367. Der Besitzerwerb durch einen flüchtigen Sklaven ist ebenfalls umstritten368. Zu Gaius’ Zeit hat sich – den überlieferten Texten nach zu urteilen – die Ansicht durchgesetzt, dass man durch einen flüchtigen Sklaven Besitz erwerben kann369. Es spricht nichts dagegen, dass Gaius diesen Gedanken auf den Sklaven liberi loco anwendete, was aber nicht herrschende Meinung war, sondern von anderen Juristen abgelehnt wurde. Für letztere Ansicht spricht, dass bei einem Sklaven auf der Flucht auch der Besitz an diesem Sklaven bejaht wurde, solange er nicht einem anderen gehörte. Im Prozess gilt der Sklave dagegen als freie Person370, strenggenommen konnte der Eigentümer keinen Besitz durch ihn erlangen, weil er keinen Besitz am streitgegenständlichen Sklaven hatte. Weitere Quellen, die den Meinungsstreit näher beleuchten, gibt es nicht. 362  Benöhr, Besitzerwerb, S.  38 Fn.  11: Die Parallele liegt darin, dass die Zugriffsmöglichkeit des Herrn in beiden Fällen gemindert ist. Zum Besitzerwerb des servus fugitivus, §  23, S.  128–135. Zamorani, Possessio e animus 1, S.  98. 363  Franciosi, Il processo, S.  254. 364  Wacke, SZ 108 (1991), 141. 365  Zamorani, Possessio e animus 1, S.  98; Nicosia, Acquisto del possesso, S.  80, S.  134; Franciosi, Il processo, S.  256. 366  Gai. 2, 90. 367  Gai. D.  41, 2, 15 (ad ed. prov.). Nicosia, Acquisto del possesso, S.  82; Benöhr, Besitzerwerb, S.  132. 368  Paul. D.  41, 2, 1, 14 (54 ad.); Benöhr, Besitzerwerb, S.  129; Pomp. lehnte ihn ab: D. 6, 2, 15 (2 ad Sab.). 369  Paul. D.  41, 2, 1, 14 (54 ad. ed.); Hermog. D.  41, 2, 50, 1 (5 iur. epit.); Klingenberg, Servus fugitivus, S.  120; Klinck, Erwerb durch Übergabe, S.  131; Franciosi, Il processo, S.  256; Benöhr, Besitzerwerb, S.  131; Nicosia, Acquisto del possesso, S.  428. 370  Hermog. D.  41, 2, 50, 1 (5 iur. epit.); Klinck, Erwerb durch Übergabe, S.  132; Klingenberg, Servus fugitivus, S.  118; Nicolau, Causa liberalis, S.  250.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Auch bei der Frage des Kriegsdienstes wird die rechtliche Freiheit eingeschränkt. Solange der Status nicht abschließend geklärt war, durfte sich der vermeintliche Sklave nicht melden371. II. Die Streitbefestigung (litis contestatio) Im Formularverfahren endet der Prozessabschnitt in iure mit der Einleitung des Verfahrens apud iudicem durch die Erteilung der Klageformel. Nach der Prozesseinleitung stand fest, ob es sich um eine vindicatio in libertatem mit Beweislast des adsertor libertatis oder um eine vindicatio in servitutem des (vermeintlichen) Eigentümers handelte. Der Prätor legte im Formularverfahren bis zur litis contestatio endgültig die Beweismittel fest. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger die in seiner editio372 genannten Beweismittel ergänzen. Während die litis contestatio bei den actiones in personam die Konsumption des Forderungsrechts zur Folge hat373, kann bei den actiones in rem, zu denen auch der Freiheitsprozess zählt, einem zweiten Prozess die exceptio rei in iudicium deductae entgegengesetzt werden374. Im Kognitionsverfahren verlor die litis contestatio ihre Bedeutung und entfaltete keine Konsumptionswirkung mehr. Die Anordnung von Be­ weisführungen stand im Ermessen des Magistrat und konnte jederzeit erfolgen375. Spätestens bis zur litis contestatio müssen die Sicherheiten übernommen werden376. Im Legisaktionenverfahren muss der adsertor aufgrund der Zuteilung des Zwischenbesitzes (vindiciae sunt secundum libertatem377) immer praes litis et vindiciarum (Haftungsbürgen) stellen, die gegebenenfalls für die unversehrte Herausgabe des Sklaven nach Prozessverlust einstehen378. Für das Verfahren per sponsionem im klassischen Formularprozess entwickelt sich diese Haftung weiter zur cautio pro praede litis et vindiciarum379. 371  Ulp.

D.  49, 16, 8 (8 disp.). D.  2, 13, 1, 3 (4 ad ed.). 373  Gai. 3, 180. 374  Gai. 4, 107. 375  Kaser / Hackl, RZ, §  73, S.  491. 376  Kaser / Hackl, RZ, §  39, S.  279. 377  Pomp. D.  1, 2, 2, 24 (lib. sing. ench.), Liv. 3, 44, 12. 378  Kaser / Hackl, RZ, §  14, S.  100. 379  Gai. 4, 94. Kaser / Hackl, RZ, §  39, S.  281. 372  Ulp.

Abschnitt 3: Das Verfahren bis zur litis contestatio



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Wird per formulam geklagt, so muss sich der adsertor mit der cautio iudicatum solvi zur ordnungsgemäßen Sachdefension verpflichten. Diese Sicherheit muss normalerweise nur vom Beklagten einer actio in rem per formulam petitoriam geleistet werden380. Da der Sklave aber für die Prozessdauer als frei gilt381 und der adsertor für seine Freiheit einsteht, ist er immer kautionspflichtig382. Zumindest im Kognitionsverfahren muss der adsertor auch für die Gegenstände, die sich beim Prozessobjekt befinden, Sicherheit leisten383. Handelt ein Prozessvertreter für den vermeintlichen Eigentümers, so muss er immer die cautio ratam rem habiturum leisten, weil er als Kläger betrachtet wird384.

4, 91; Kaser / Hackl, RZ, §  39, S.  281. D.  40, 12, 24 pr (51 ad ed.); Gai. D.  40, 12, 25, 2 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.). 382  Lenel, EP, §  180, S.  386. 383  Const. C.  Th. 4, 8, 6, 5 (Jahr unbekannt); Nicolau, Causa liberalis, S.  142. 384  Ulp. D.  3, 3, 39, 5 (9 ad ed.); zur cautio ratam rem habiturum vgl. Kaser / Hackl, RZ, §  39, S.  280. 380  Gai.

381  Paul.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Abschnitt 4

Prozessablauf apud iudicem /  beim Magistrat Über den Prozessabschnitt apud iudicem ist wenig bekannt. Im Freiheitsprozess leiten die recuperatores die Verhandlung1. Die Kenntnis des Rechts wird vorausgesetzt, es kann aber ein consilium von Rechtskennern herangezogen werden2. Kern des Verfahrens apud iudicem, im Freiheitsprozess vor den recuperatores, ist das Beweisverfahren, in dem der Kläger Freiheit oder Sklavenstatus beweisen muss. Im Kognitionsverfahren bildet das Beweisverfahren mit dem restlichen Verfahren eine Einheit3. Der Magistrat verhandelt weiter oder delegiert die Entscheidung des Prozesses.

A. Beweislast Die Beweislast trägt der Kläger. Wer diese Position im Freiheitsprozess hat, bestimmt sich nicht nach der Erhebung der Klage, sondern der derzeitige äußerliche Status des vermeintlichen Sklaven ist ausschlaggebend. Befindet er sich sine dolo malo in libertate, dann ist der vermeintliche Eigentümer Kläger und muss den Sklavenstatus beweisen4. Kann dem vermeintlichen Sklaven Arglist nachgewiesen werden oder lebte er bis zum Prozess als Sklave, dann ist der adsertor libertatis beweispflichtig5. Kann der Kläger seinen Anspruch nicht beweisen, wird die Klage abgewiesen6. Bei der Beweislast7 haben die recuperatores kein Ermessen, sie sind durch strenge Regeln gebunden.

1  Kaser / Hackl,

RZ, §  52, S.  359. RZ, §  52, S.  358. 3  Kaser / Hackl, RZ, §  73, S.  491. 4  Die Beweislastverteilung hindert den beklagten adsertor nicht, ebenfalls Beweis zu erbringen. Für die ingenuitas stellt das Paul. D.  40, 12, 39 pr. (5 sent.) fest. 5  Ulp. D.  40, 12, 7, 5 (54 ad ed.). Ausführlich zur Bestimmung der Parteirollen, s. o., Abschnitt 1, C. I. 2. 6  Alex. C.  7, 16, 5, 2 (Jahr unbekannt); Alex. C.  2, 1, 4 (a. 212). 7  Kaser / Hackl, RZ, §  53, S.  363. Ausführlich und mit vielen Quellenbelegen: Pugliese, RIDA 3 sér. 3 (1956), S.  349–422; Wacke, SZ 109 (1992), 411–449, folgt diesem weitgehend. Gegen eine Bindung des Richters spricht sich Levy, Iura 3 (1952), 155–179 aus, der dafür allerdings zahlreicher Interpolationsvermutungen bedarf. Kaser, SZ 71 (1954), 221–241, folgt Levy in dieser Frage. 2  Kaser / Hackl,

Abschnitt 4: Prozessablauf apud iudicem / beim Magistrat



233

B. Beweisverfahren und Beweismittel Im Formularprozess durfte der Kläger nur auf Beweismittel zurückgreifen, die er in seiner editio genannt hatte8. Im Kognitionsprozess konnte der Magistrat dagegen jederzeit Beweisführungen anordnen9. Die Pflicht der Parteien, die Beweismittel beizubringen10, ist beiden Prozessformen gemeinsam. Zur Beweisführung zulässig ist alles, worauf der Richter seine Sachentscheidung stützen kann11. Völlig ungeignete Beweismittel12 werden schon in iure abgelehnt. Möglichkeiten, den Beweis zu führen, nennen Cicero und Quintilinan13. Cic. orat. 2, 27, 116 Ad probandum autem duplex est oratori subiecta materies: una rerum earum quae non excogitantur ab oratore, sed in re positae ratione tractantur, ut tabulae, testimonia, pacta, conventa, quaestiones, leges, senatus consulta, res iudicatae, decreta, responsa, reliqua, si quae sunt, quae non reperiuntur ab oratore, sed ad oratorem a causa atque a reis deferuntur; altera est, quae tota in disputatione et in argumentatione oratoris conlocata est.

Cicero geht auf die bei den Rhetorikern übliche Einteilung der Be­ weismittel ein. Es wird unterschieden zwischen den Beweismitteln, die der Redner nicht beeinflussen kann (äußere Beweismittel) und denjenigen die er selbst mit einer guten Rede schaffen kann (innere Beweismittel)14. In der ersten Kategorie nennt der Redner neben Urkunden (tabulae, bei den Juristen auch instrumenta15), Zeugenaussagen, unter Folter erfolgte Befragungen (quaestiones16) und Vereinbarungen, Verträge sowie Gesetze17. 8  Ulp.

D.  2, 13, 1, 3 (59 ad ed.). RZ, §  75, S.  491. 10  Kaser / Hackl, RZ, §  75, S.  491. 11  Kaser / Hackl, RZ, §  53, S.  365; §  75, S.  491. 12  Kaser / Hackl, RZ, §  53, S.  361, verweisen zwar auf positivrechtliche Grenzen für die Abweisung völlig ungeeigneter Beweismittel, nennen dazu aber keine Quelle. 13  Pugliese, Jus 11 (1960), 391; zum Einfluss der griechischen Rhetorik, ebd., S.  390. 14  Zu dieser Unterteilung auch Cic. orat. 2, 39, 163; Quint. inst. or. 5, 1, 1; Pugliese, Jus 11 (1960), 400; Kaser / Hackl, RZ, §  53, S.  365 m. w. N. Zu den (für den Juristen) nicht relevanten inneren Beweismittel, s. a. Pugliese, Jus 11 (1960), 421–424. 15  So beispielsweise: Ulp. D.  2, 12, 7 (1 de off. cons.); Ulp. D.  2, 13, 1, 3 (4 ad ed.); Paul. D.  4, 2, 8, 1 (11 ad ed.); Mauric. D.  2, 13, 3 (2 de poen.); Saturn. D.  40, 14, 2, 2 (1 de off. procons.); Alex. C.  3, 42, 4 (a. 230); Diokl. / Maxim. C.  4, 19, 21 pr. (a. 294); Pugliese, Jus 11 (1960), 416. 16  Ulp. D.  47, 10, 15, 41 (77 ad ed.). 17  Pugliese, Jus 11 (1960), 405. 9  Kaser / Hackl,

234

2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Quint. inst. or. 5, 1, 218 (Auszug) Ex illo priore genere sunt praeiudicia, rumores, tormenta, tabulae, ius iurandum, testes, in quibus pars maxima contentionum forensium consistit.

Quintilian erwähnt zusätzlich noch den Eid (ius iurandum), praeiudicia19 und rumores als Beweismittel. Praeiudicia könnten bei Cicero unter die res iudicata gefallen sein20, die Quintilian nicht aufführt. Auch für Quintilian gehört das Zeugnis unter Folter zu den Beweismitteln21 (tormenta). Dies ist relevant für die Befragung von Sklaven22; Freie durften nicht gefoltert werden23. Anders als Cicero zählt er Gesetze nicht mehr dazu, sondern bezieht alles ein, was als Beweis für behauptete Fakten dient24. Rumores sind als Beweismittel zwar von den Juristen grundsätzlich nicht anerkannt25, können die Richter jedoch beeinflussen26 und spielen bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugen eine Rolle27. Praeiudicia sind nur insoweit bindend, als sie in demselben Fall oder über eine Vorfrage ergehen28. Die Aufzählungen der Rhetoriker sind nicht abschließend, so schreibt Quintilian selbst, dass sich der größte Teil der Gerichtsverhandlungen auf diese Beweismittel stützt (in quibus pars maxima contentionum forensium consistit), es also auch andere geben kann. Die Parteiaussage allgemein und im Besonderen die eher seltene29 confessio30 erwähnen an dieser Stelle weder Cicero noch Quintilian. Am gebräuchlichsten sind wohl Zeugenaussagen31, der Urkundenbeweis32, die Aussage der Parteien33 und vielleicht auch der Parteieid34.

zu den Beweismitteln, s. Wycisk, Quidquid in foro, S.  189–194. Jus 11 (1960), 247 m. w. N. 20  Pugliese, Jus 11 (1960), 420. 21  Quint. inst. or. 5, 4, 1; Pugliese, Jus 11 (1960), 411. 22  Umstritten ist, ob die Aussage unter Folter auch im klassischen Zivilprozess als Beweismittel eingesetzt wird, Kaser / Hackl, RZ, §  53, S.  367. 23  Pugliese, Jus 11 (1960), 412. 24  Pugliese, Jus 11 (1960), 405. 25  Zum Einsatz von rumores: Her. 2, 6, 9; 2, 6, 12; Quint. inst. or. 5, 3, 1. 26  Pugliese, Jus 11 (1960), 419. 27  Callistrat. D.  22, 5, 3, 2 (4 de cognition.); Pugliese, Jus 11 (1960), 397. 28  Quint. inst. or. 5, 2, 1; Hackl, Praeiudicium, 187  ff.; Kaser / Hackl, RZ, §  53, S.  365 m. w. N. 29  Cic. pro Caec. 1, 3; 8, 24. 30  PS 5, 5a, 3; Alex. C.  2, 4, 5 (a. 227); Pugliese, Jus 11 (1960), 415; Kaser / Hackl, RZ, §  53, S.  366. 31  Quint. inst. or. 5, 1, 1 s. Fn.  32; 5, 7, 1: Maximum tamen patronis circa testimonia sudor est (…); Kaser / Hackl, RZ, §  53, S.  367. 18  Allgemein 19  Marrone,



Abschnitt 4: Prozessablauf apud iudicem / beim Magistrat

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C. Beweismittel im Freiheitsprozess Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 15 (a. 293) 

32   33  34

Nec omissa professio probationem generis excludit nec falsa simulata veritatem minuit. cum itaque ad examinationem veri omnis iure prodita debeat admitti probatio, aditus praeses provinciae sollemnibus ordinatis, prout iuris ratio patitur, causam liberalem inter vos decidi providebit.

Für den Freiheitsprozess im Kognitionsverfahren erklärt C.  7, 16, 15 die Zulässigkeit jedes rechtmäßig beigebrachten Beweismittels. Nach der ordinatio litis entscheidet der zuständige Beamte. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Provinzprozess, weshalb der Statthalter zuständig ist. Die Konstitution trifft daneben eine Aussage zum Ermessensspielraum des Richters bei der Beweiswürdigung: Das Fehlen eines Geburtsscheins35 führt genauso wenig zur Abweisung der Klage wie die Vorlage eines gefälschten Scheins. Für das Formularverfahren gibt es kaum Äußerungen zur Zulässigkeit der Beweise. Wahrscheinlich spielen Zeugenaussagen eine große Rolle36. Da es zur Zeit der klassischen Juristen keinen Zwang gibt, die Geburt eines Kindes registrieren zu lassen (eine Möglichkeit, die Augustus37 einführte), kann der Status als freier Mensch häufig nur schwer bewiesen werden38. Für den Ingenuitätsprozess zeigt das der Prozess der Iusta39, in dem Zeugen für beide Parteien aussagen. Hätte es eine Urkunde gegeben, die den Status der Iusta als Freigeborene oder Freigelassene belegt, dann wären diese Aussagen wohl überflüssig gewesen. Aber auch Calatoria Themis kann offenbar keine Ur32  Quinst. inst. or. 5, 1, 5: Contra tabulas quoque saepe dicendum est, cum eas non solum refelli, sed etiam accusari sciamus usitatum esse (…). 33  Kaser / Hackl, RZ, §  53, S.  366. 34  Quint. inst. or. 5, 6, 1: Ius iurandum litigatores aut offerunt suum aut non recipiunt oblatum au ab adversario exigunt aut recusant, cum ab ipsis exigatur. offerre suum sine illa condicione, ut vel adversarius iuret, fere inprobum est. In juristischen Quellen ist lediglich der Schätzungseid überliefert, Ulp. D. 6, 1, 68 (51 ad ed.); Ulp. D.  12, 3, 1 (51 ad Sab.); Paul. D.  12, 3, 2 (13 ad Sab.); Marcian. D.  12, 3, 5 (4 reg.); Pugliese, Jus 11 (1960), 414. 35  Geburtsscheine waren zumindest in der klassischen Zeit eher selten, weshalb man sich oft auf Zeugenaussagen berufen musste; Kaiser, Rechtsfälle, S.  38. 36  Die Zeugen konnten im Zivilprozess nicht zur Aussage gezwungen werden, Pugliese, Jus 11 (1960), 406. Anderes galt im Strafverfahren, Quint. inst. or. 5, 7, 9 Pugliese, ebd., S.  407; Kaser / Hackl, RZ, §  53, S.  367. 37  Gardner, BICS 33 (1986), 2. 38  Kaiser, Rechtsfälle, S.  38; Gardner, BICS 33 (1986), 2. 39  TH 16, 17, 20, 23, 24; Kaiser, Rechtsfälle, S.  29–44; vgl. Abschnitt 1, C. III. 2.; zur Notwendigkeit der Beeidigung von Zeugenaussagen vgl. Pugliese, Jus 11 (1960), 409.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

kunde beibringen, um das Datum der Freilassung von Iustas Mutter zu beweisen40. Freilassungsurkunden sind ein sicheres Beweismittel41. Verlust der Freilassungsurkunde schließt einen erfolgreichen Ausgang des Freiheitsprozesses jedoch nicht aus42, er kann den Prozess aber stark gefährden43. Der adsertor kann sich als Partei zugunsten des vermeintlichen Sklaven äußern, seiner Aussage wurde bei Widerspruch des vermeintlichen Eigentümers allerdings nicht allzuviel Wert beigemessen44. Für das Kognitionsverfahren illustrieren einige weitere Konstitutionen, welche Beweismittel genutzt werden45 und wie erfolgreich sie sind. Nicht ausreichend ist der Beleg eines Pachtvertrags mit dem Rechtsvorgänger des Gegners46; ebenso wenig, dass der vorgebliche Eigentümer mit dem angeblichen Sklaven Vertragsverhandlungen geführt hat47; noch der Beweis, dass der Vater des angeblichen Sklaven ingenuus ist und Ehrenämter bekleidet48, kann es sich doch um ein uneheliches Kind handeln, dessen Status der Mutter folgte49. Im Kognitionsverfahren wird auch der Sklave gehört. Er kann ein Geständnis ablegen, indem er sich als Sklave bekennt50. Dies entbindet den Richter nicht von der freien Beweiswürdigung51, die die Freiheit zum Ergebnis haben kann. Kann die freie Geburt der Mutter und die spätere Geburt des vermeintlichen Sklaven (in diesem Fall der Sklavin Paulina) bewiesen werden, dann führt das zu einem Urteil pro libertate52. Die Beifügung eines cognomen kann für die Freiheit des vermeintlichen Sklaven sprechen53. 40  Gardner,

BICS 33 (1986), 1. D.  4, 2, 8, 1 (11 ad ed.); Diokl. / Maxim. C.  4, 19, 20 (a. 294) und C.  7, 16, 15 (a. 294); Marcian. D.  48, 10, 7 (2 inst.) zur Testamentsurkunde. 42  Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 25 (a. 294). 43  Paul. D.  4, 2, 8, 1 (11 ad ed.) zum Vorliegen von metus, wenn gedroht wird, entsprechende Urkunden zu vernichten. 44  Kaser / Hackl, RZ, §  53, S.  366. 45  Nicolau, Causa liberalis, S.  225. 46  Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 18 (a. 293). 47  Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 20 (a. 293). 48  So bescheidet die kaiserliche Kanzlei den Vater Isidorus, der damit den­ Beweis für die Freiheit seiner Tochter erbringen will, Diokl. / Maxim. C.  4, 19, 10 (a. 293). 49  Kaser, RP 1, §  68, S.  289. 50  Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 22 (a. 294); Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 24 (a. 293). Folter war im Freiheitsprozess nicht erlaubt, Arcad. Charis. D.  48, 18, 10, 6 (lib. sing. de test.). 51  Pugliese, Jus 11 (1960), 415. 52  Diokl. / Maxim. C.  4, 19, 17 (a. 294). 53  Diokl. / Maxim. C.  7, 16, 9 (a. 293). Dabei handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Täuschte der vermeintliche Sklave über seinen Status und wurde 41  Paul.



Abschnitt 4: Prozessablauf apud iudicem / beim Magistrat

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In den bisher aufgezählten Quellen spielten Zeugenaussagen keine Rolle. Folgende Konstitution scheint sogar darauf hinzudeuten, dass Zeugenaussagen im Kognitionsprozess nicht ausreichten: Alex. C. 4, 20, 2 (a. 223) Si tibi controversia ingenuitatis fiet, defende causam instrumentis et argumentis, quibus putas: soli etenim testes ad ingenuitatis probationem non sufficiunt.

Dem Anfragenden Carpus wird von der kaiserlichen Kanzlei geantwortet, dass zum Beweis seiner Ingenuität Zeugen nicht genügen. Daraus wird der Schluss gezogen, dass der Zeugenbeweis an sich für diese Frage ungeeignet sei54. Dem widerspricht jedoch für den Freiheitsprozess folgender Text: Hermog. D.  40, 1, 24 pr. (1 iur. epit.) Sed et si testes non dispari numero tam pro libertate quam contra libertatem ­dixerint, pro libertate pronuntiandum esse saepe constitutum est.

Sprach sich die gleiche Anzahl von Zeugen für und gegen die Freiheit aus, so musste der Umstrittene wegen des favor libertatis55 für frei erklärt werden. Hermogenian, der Ende des dritten Jahrhunderts n. Chr. lebte56, hätte eine Regel, dass der Zeugenbeweis im Statusprozess unzulässig sei, kennen müssen. Weshalb für den Ingenuitätsprozess etwas anderes gelten soll als für den Freiheitsprozess, ist nicht ersichtlich. Plausibel wird die Aussage Alexanders, wenn man folgenden Sachverhalt voraussetzt: Der Anfragende Carpus ist schon in einen Prozess verwickelt. Die andere Partei legt Urkunden oder andere Beweismittel vor. Dagegen können bloße Zeugenaussagen nichts mehr ausrichten. Allgemein wird der Urkunde ein besonderer Beweiswert beigemessen57; ein Prozess kann mehrmals vertagt werden, um die Urkunden zu deshalb wie ein Freigeborener behandelt, so konnte das keinen Einfluss auf den Freiheitsprozess haben. Für das nachklassische Recht: Konst. / Licinn. C.  7, 16, 41 (Jahr unbekannt). 54  Zilletti, SDHI 29 (1963), 138. 55  Dass in der Inschrift von Gortyn (I. 14–17, vgl. oben Erster Teil, II.), dieselbe Regelung enthalten ist, spricht nicht gegen den favor libertatis, wie Nicolau, Causa liberalis, S. 226, annimmt. Er begründet dies damit, dass der Grundsatz, dass es schlimmer sei, einen freien Menschen zum Sklaven zu machen als einen Sklaven für frei zu erklären, schon Aristoteles bekannt gewesen sei: Arist., Problemata 29, 12, 915 b: δεινὸν γὰρ καὶ τὸ tοῦ δούλου ὠς ἐλεύθερός ἐστι καταγνῶναι πολὺ δὲ δεινότερον, ὂταν τις τοῦ ἐλευθέρου ὠς δούλου καταψηφίσηται. Dieser Beleg zeigt aber lediglich, dass die Griechen und die Römer in dieser Hinsicht dasselbe Gerechtigkeitsempfinden teilten: Einer ihrer Mitbürger sollte keinesfalls zum Sklaven werden. Dies könnte vielleicht einen Einfluss des griechischen Kulturkreises auf den römischen belegen. Sicher sagen lässt sich dies nicht, weil die Aussage zu allgemein ist. 56  Liebs, HLL 5, §  505, S.  62. 57  Dies ist zumindest in PS 5, 15, 4 für die Zeit um 300 n. Chr. überliefert.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

beschaffen58. Diese Entwicklung findet ihren (nachklassischen) Abschluss darin, dass eine vereinzelte Zeugenaussage keinen Beweiswert mehr hat59. Grundsätzlich gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung60, der Richter entscheidet nach seinem Ermessen, welches Beweismittel großes Gewicht hat und welches eher unbedeutend ist. Im Formularverfahren werden Urkunden dem Zeugenbeweis noch nicht generell vorgezogen61. Im Kognitionsverfahren spielen Urkunden durch das vordringende Urkundenwesen allerdings eine immer größere Rolle62. Der Richter wird durch die kaiser­ lichen Konstitutionen in seinem Ermessen eingeschränkt. Sagen im Freiheitsprozess lediglich Zeugen aus, dann ist für die Freiheit zu erkennen, wenn die Hälfte der Zeugen sie bejaht63.

D. Das Urteil I. Inhalt und Wirkung des Urteils Der Prozess wird mit einem Urteil abgeschlossen. Jeder Richter (auch wenn er den decemviri oder den recuperatores angehört) kann sich der Urteilspflicht nur entziehen, wenn er einen Eid ablegt, dass ihm der Streitfall nicht bis zur Entscheidungsreife klar geworden ist (rem sibi non liquere64). Diese Möglichkeit ist sowohl für das Legisaktionenverfahren65 als auch für den Formularprozess66 belegt. Die restlichen Richter entscheiden den Fall dann alleine, bei Stimmengleichheit fällt das Urteil zugunsten der Freiheit67. D.  2,12, 7 (de off. cons.); Kaser / Hackl, RZ, §  73, S.  492. SDHI 29 (1963), 149. Zum nachklassischen Grundsatz unus testis nullus testis, vgl. Konst. C. 4, 20, 9 (a. 334) = C. Th. 11, 39, 3; Car. / Car. / Numer. C. 4, 20, 4 (a. 284) scheinen diese Regel schon vorher anzuwenden. Hier geht es aber offenber um eine schriftliche Aussage (testatio) Zilletti, ebd., S.  149; Pugliese, Jus 11 (1960), 410; Kaser / Hackl, RZ, §  92, S.  605 m. w. N. 60  Kaser / Hackl, RZ, §  54, S.  363; §  73, S.  384. 61  Quint. inst. or. 5, 1, 2; Kaser / Hackl, RZ, §  53, S.  369. 62  Kaser / Hackl, RZ, §  73, S.  492. 63  Hermog. D.  40, 1, 24, 1 (1 epit. iur.). 64  Paul. D.  42, 1, 36 (17 ad ed.). 65  Cic. pro Caec. 33, 97; (…) xviri prima actione non iudicaverunt, …; Kaser / Hackl, RZ, §  19, S.  121. 66  Paul. D.  42, 1, 36; Gell. 14, 2, 25: (…) ut absolverem tamen, inducere in animum non quivi et propterea iuravi mihi non liquere atque ita iudicatu illo solutus sum. Kaser / Hackl, RZ, §  54, S.  370. 67  Paul. D.  42, 1, 36 (17 ad ed.); Paul. D.  42, 1, 38 pr. (17 ad ed.); Hermog. D. 40, 1, 24 pr. (1 iur. epit.). Für den (bei einer Richtermehrheit eher unwahrschein58  Ulp.

59  Zilletti,



Abschnitt 4: Prozessablauf apud iudicem / beim Magistrat

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Der Inhalt des Urteils bestimmt sich nach dem gewählten Verfahren: Im Legisaktionenverfahren wird über das sacramentum entschieden und damit mittelbar über Freiheit oder Sklaverei68. Eine solche mittelbare Feststellung ist auch das Ergebnis im späteren Verfahren per sponsionem69, während in allen anderen Verfahren (per formulas70, praeiudicium71, extra ordinem) der Status direkt festgestellt wird. Das Urteil im Legisaktionenverfahren entscheidet den Rechtsstreit unumstößlich72 zwischen den Parteien. Es können keine Rechtsmittel eingelegt werden73. Da im Freiheitsprozess als actio in rem die Klagenkonsumption74 nicht zur Anwendung kam, bringt weder die litis contestatio das geltend gemachte Recht zum Erlöschen, noch hat das Urteil Präklusionswirkung75. Eine Wirkung erga omnes76 ist deshalb zu verneinen. Für die von Marrone77 angenommene präjudizielle Wirkung, die Bindung des zweiten Richters an das erste Urteil78, gibt es keine Quellenbelege. Im Formularprozess hatte das Urteil unterschiedliche Wirkung, je nachdem ob zugunsten der Freiheit entschieden wurde oder dagegen. Wurde pro servitute entschieden, so hatte diese Entscheidung aufgrund des favor libertatis weder Wirkung inter partes noch Bindungswirkung79 für die Richter des zweiten Prozesses80.

lichen) Fall, dass sich alle Richter der Entscheidung durch Eid entzogen, wurde ein neues Gericht eingesetzt. Kaser / Hackl, RZ, §  54, S.  370. 68  Cic. pro Caec. 33, 97; Cic. dom. 29, 78. 69  Dieses Verfahren entstand, als noch die legis actio sacramenti in rem verwendet wurde und übernahm die indirekte Feststellung. Das Verfahren per sponsionem hatte aber den Vorteil, dass nur noch über die Behauptung des Klägers entschieden wurde. Kaser / Hackl, RZ, §  15, S.  106. Die Sponsionssumme wurde nicht eingetrieben, Gai. 4, 94. 70  Paul. D.  42, 1, 38 pr. (17 ad ed.). 71  Lex Irnitana, Kap.  84, Z.  5: praeiudicium de capite libero. 72  Marrone, Praesidia libertatis, S.  23. 73  Kaser / Hackl, §  19, S.  127; Marrone, Praesidia libertatis, S.  23. 74  Bei actiones in rem führte die litis contestatio nicht zum Erlöschen des Rechts ipso iure, Gai. 4, 106–108. 75  Marrone, Praesidia libertatis, S.  23; Liebs, SZ 86 (1969), 182. Zur exceptio rei iudicatae s. o. Abschnitt 3, B. IV. 76  Marrone, Efficacia, S.  12. 77  Marrone, Efficacia, S.  21. 78  Marrone, Efficacia, S.  5. 79  Marrone, Efficacia, S.  160. Kaser / Hackl, RZ, §  55, S.  379 Fn.  33 m. w. N. Für eine flexible Handhabung: Wieling, SZ 102 (1985), 291. 80  Martial 1, 52, 8; Just. C.  7, 17, 1 pr. (a. 528).

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Das Urteil pro libertate präkludierte einen weiteren Freiheitsprozess zwischen denselben Parteien81. Im Formularverfahren kommt grundsätzlich die Regel „res inter alios iudicatae nullum aliis praeiudicium faciunt“82 zur Anwendung, das Urteil entfaltet Dritten gegenüber keine Wirkung83. Bei der causa liberalis könnte von diesem Grundsatz eine Ausnahme84 zu machen sein. II. Wirkung gegenüber Dritten als Ausnahme 1. D.  40, 12, 9, 2 und D.  40, 12, 30: Klagende Miteigentümer Einen solchen Schluss, zumindest für eine Wirkung gegen Dritte85, legen die folgenden Quellen nahe: Gai. D.  40, 12, 9, 2 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.) Unde in utroque casu dispiciamus, an, si is qui prior egerit victus sit, prosit ei, quod posterior vicerit, vel contra, id est ut, cum omnino alteruter vicerit, prosit etiam alteri, sicut prodest heredi liberti, quod in fraudem patroni servi manumissi sint. si cui placeat prodesse, consequens est, ut, cum idem petat86, exceptioni rei iudicatae obiciatur replicatio: si cui vero placeat non prodesse, is habebit sequentem dubitationem, utrum id, in quo quis victus est, nullius erit an eius esse debeat, cum quo87 actum sit88, an potius eius qui vicerit? scilicet ut utilis actio detur ei qui vicerit, minime autem praetor pati debeat, ut pro parte quis servus sit.

Jul. D.  40, 12, 30 (5 ex Minicio) Duobus petentibus hominem in servitutem pro parte dimidia separatim, si uno iudicio liber, altero servus iudicatus est, commodissimum est eo usque cogi iudi81  Arg. e. contr. Labeo, D.  40, 12, 42 (5 post.). Franciosi, Il processo, S.  286; Hackl, Praeiudicium, S. 309; Marrone, Efficacia, S. 192: im Formularverfahren hatten sowohl die litis contestatio als auch das Urteil diese Wirkung, die mit der exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae geltend gemacht werden konnten. 82  Für den Formularprozess: Ulp. D.  44, 2, 1 (2 ad ed.); Paul. D.  12, 2, 10 (18 ad ed.); Wieling, SZ 102 (1985), 291. 83  Arcaria, Senatus censuit, S.  155, bejaht die Wirkung des Urteils erga omnes, relativiert seine Aussage aber in Fn.  28 dahingehend, dass er die präjudizielle Wirkung auf eine querella inofficiosi testamenti beschränkt, die das Testament angreift, auf dass sich die Freiheit gründet. 84  Wieling, SZ 102 (1985), 317. 85  Kaser / Hackl, RZ, §  55, S.  381 Fn.  48. 86  Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  685 Fn.  8, Mommsen, Digesta 2, S.  477 Fn.  5, fügt in quo victus est hinter petat ein. 87  Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  685 Fn.  10; Mommsen, Digesta 2, S.  478 Anm. zu Z.  2: Der Korrektor im Codex Florentinus verbesserte zu cum eo. 88  Lenel, Pal 1, Sp.  187, Fn.  1: adsertoris.



Abschnitt 4: Prozessablauf apud iudicem / beim Magistrat

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ces, donec consentiant: si id non continget, Sabinum refertur existimasse duci servum debere ab eo qui vicisset: cuius sententiae Cassius quoque est et ego sum. et sane ridiculum est arbitrari eum pro parte dimidia duci, pro parte libertatem eius tueri.89 commodius autem est favore libertatis liberum quidem eum esse, compelli autem pretii sui partem viri boni arbitratu victori suo praestare.

Beide Texte beschäftigen sich mit derselben Problematik90: Zwei Eigentümer klagen unabhängig voneinander das Eigentum an einem Sklaven ein, wobei der eine erfolgreich ist und der andere unterliegt. Dass es hier um Teileigentum geht, schreibt Julian explizit. Bei Gaius wird das deutlich, als er die Frage stellt, was mit dem Anteil des unterlegenen Eigentümers geschehen solle. Gaius schlägt deshalb zwei Lösungsmöglichkeiten vor: Entweder könne der exceptio rei iudicatae eine replicatio entgegengehalten werden oder man müsse dem obsiegenden Eigentümer eine actio utilis bezüglich des „freien“ Eigentumsanteils erteilen, weil ein Sklave nicht nur zum Teil Sklave sein könne (mit Gaius’ Worten: minime autem praetor pati debeat, ut pro parte quis servus sit). Gaius könnte somit eine Ausnahme von dem Grundsatz der Wirkung inter partes befürworten und dem Urteil pro servitute Rechtskraft gegenüber dem zweiten Miteigentümer zubilligen. Marrone91 ist der Ansicht, dass es hier nicht um die Bindungswirkung des ersten Urteils geht, weil der unterlegene Miteigentümer im zweiten Prozess gegen den erfolgreichen Miteigentümer vorgeht. Es handle sich deshalb nicht um dieselben Prozessparteien92. Diese Erklärung ist allerdings nicht mit dem Text zu vereinbaren. Deshalb sind umfangreiche Interpola­ tionsvermutungen93 notwendig, die jeglicher Grundlage entbehren94. Doch auch die Annahme, Gaius bejahe hier eine Bindungswirkung gegenüber Dritten, geht zu weit. Er befürwortet lediglich einen zweiten Prozess, in dem das Eigentum des unterlegenen (vermeintlichen) Miteigentümers 89  Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  687 Fn.  15; Mommsen, Digesta 2, S.  481 Fn.  1; Lenel, Pal 1, Sp.  489 Fn.  1: vor commodius ist Iulianus notat einzufügen. 90  Um dieses Problem zu vermeiden, sollen die Miteigentümer zum gleichen Richter geschickt werden, Ulp. D. 40, 12, 8, 1 (54 ad ed.). Diese Lösung deutet auch Julian an. 91  Marrone, Efficacia, S.  323. 92  Marrone, Efficacia, S.  324. 93  Marrone, Efficacia, S.  324, hält den ganzen Abschnitt cum idem petat … replicatio für unklassisch, ebenso wie an eius … actum sit, S.  325. Auch der Satz scilicet … vicerit soll nachträglich, vielleicht als Glosse, in den Text gelangt sein, S.  326. 94  Kaser, Jura 7 (1956), 221.

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nochmals geprüft werden soll. Für diesen Fall wird die Präklusionswirkung aufgehoben, indem der Miteigentümer der exceptio rei iudicatae eine replicatio95 entgegenhalten kann. Diese replicatio ist Ergebnis der prätorischen Billigkeit96. Das versteht Gaius unter dem Nutzen, den der unterlegene Eigentümer ganz ohne sein Zutun hat. Er illustriert die Aussage mit der Situation des Erben desjenigen der zur Benachteiligung des Patrons freigelassen wurde97. Eine Bindungswirkung in diesem zweiten Prozess erwähnt Gaius nicht. Da eine solche Wirkung eine absolute Ausnahme von den Grundsätzen des klassischen Formularprozesses wäre98, müsste er darauf eingehen. Als alternative Lösung für diesen umstrittenen Fall schlägt er vor, dem erfolgreichen Miteigentümer eine actio utilis zu geben, um das rest­ liche Eigentum geltend zu machen. Andere Lösungsansätze werden in D.  40, 12, 30 aufgezeigt. Zunächst wird die Lösung befürwortet, die Richter zu zwingen, zu einem einheitlichen Urteil zu kommen. Dann wird ein Anwachsungsrecht des obsiegenden Eigentümers erwägt und schließlich die Freikaufmöglichkeit des Sklaven. Mit Lenel und Mommsen99 ist zu vermuten, dass hier Iulian notat einzufügen ist und die letzte mit dem favor libertatis begründete Ansicht von Julian stammt und nicht justinianisch ist100. Die Lösung ähnelt zwar der justinianischen Lösung zur Teilfreilassung durch einen Miteigentümer101. Zum einen spricht aber die Einleitung „commodius est“ für eine Kommentierung durch Julian, der wegen des favor libertatis der Freiheit den Vorzug gibt102 zum anderen spricht gegen eine Veränderung durch die Kompilatoren, dass der Meinungstreit erhalten blieb. Es wäre naheliegender gewesen, nur die „justinianische“ Lösung einzufügen und die anderen Ansichten zu streichen. 95  Es handelt sich um die replicatio rei secundum se iudicatae. Kaser / Hackl, RZ, § 55, S. 382; Bretone, Servus Communis, S. 129. Accursius, Gl. replicatio, geht von einer replicatio doli aus. 96  Kaser, Jura 7 (1956), 221. 97  Die ursprüngliche Freilassung war zwar nach der Lex Aelia Sentia nichtig (Gai. 1, 37), die Unwirksamkeit konnte aber nur vom Patron geltend gemacht werden, so dass der Erbe des Freilassers jedem anderen gegenüber als frei galt. Bretone, Servus Communis, S.  129 m. w. N. 98  Keine Bindungswirkung des Urteils gegenüber dem Miterben: vgl. Pap. D.  44, 2, 29 pr (12 resp.). 99  Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  687 Fn.  15; Mommsen, Digesta 2, S.  481 Fn.  1; Lenel, Pal 1, Sp.  489 Fn.  1. 100  Franciosi, Il processo, S.  282, S.  102 mit Fn.  73 m. w. N.; Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  714 Fn.  15. 101  Just. C.  7, 7, 1, 1a (Iuliano, 530); Inst. 2, 7, 4; Capone, FHI 2, S.  701. 102  Capone, FHI 2, S.  716, 719: Folgende Quellen zeigen, dass Julian dazu tendierte der Freiheit den Vorrang einzuräumen: D.  40, 2, 4 pr. (42 dig.); D.  40, 4, 16 (36 dig.); D.  40, 4, 17, 2 (42 dig.).

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Eine Wirkung erga omnes103 des Urteils im Freiheitsprozess kann dieser letzte Abschnitt von D.  40, 12, 30 jedenfalls nicht bestätigen. Dass der Sklave sich freikaufen kann, ist auf den favor libertatis zurückzuführen. Das ihn begünstigende Urteil hat keinesfalls Bindungswirkung gegenüber dem Miteigentümer104. Die erstgenannten Ansichten müssten Minicius zuzuschreiben sein, da Julian in diesem Werk das Schulbuch des Minicius kommentiert, indem er dessen Meinung referiert und dann mit Anmerkungen versieht105. Dass der Abschnitt commodissimum  …  continget von Minicius stammt, ist auszuschließen: Derselbe iudex entscheidet zwar über Klagen von Mit­ eigentümern106, sobald aber ein Urteil ergangen ist, endet die Tätigkeit des Richters im Formularverfahren. Ein einmal getroffenes Urteil kann er nicht revidieren107. Deshalb und aufgrund des Widerspruchs zum im Folgenden genannten Anwachsungsrechts wird vermutet, dass es sich um eine Veränderung durch die Kompilatoren handelt108. Es gibt aber auch eine andere Erklärung: Die Einleitung commodissimum weist auf einen Einschub Julians109 an untypischer Stelle hin, weil die Meinung des Minicius noch nicht dargestellt wurde. Die Anmerkung an dieser Stelle lässt sich damit erklären, dass der Lösungsansatz logisch vor den Lösungen des Minicius liegt. Zu Julians110 Zeit konnte ein Freiheitsprozess auch extra ordinem geführt werden. Es war möglich, widersprüchliche Urteile nachträglich zu ändern. Der Spätklassiker Modestinus schildert beispielsweise einen Fall, in dem dies geschieht: Mod. D.  42, 1, 28 (12 resp.) Duo iudices dati diversas sententias dederunt. Modestinus respondit utramque sententiam in pendenti esse, donec competens iudex unam earum confirmaverit. gleichen Ergebnis kommt Franciosi, Il processo, S.  281. der Miterbe ist nicht gebunden: Pap. D.  44, 2, 29 pr. (12 resp.). 105  Liebs, HLL 4, § 414, S. 103; die ursprüngliche Struktur ist noch in D 33, 3, 1 und D. 6, 1, 61 erhalten; Capone, FHI 2, S.  701. 106  Ulp. D.  40, 12, 8, 1 (54 ad ed.), der diese Lösung auf einen Senatsbeschluss zurückführt. 107  Ulp. D.  42, 1, 55 (51 ad ed.); Accursius, Gl. liber versucht diesen Widerspruch u. a. damit zu erklären, dass hier noch kein Urteil vorliege, sondern noch zu entscheiden sei (iudicandus anstelle von iudicatus). Capone, FHI 2, S.  703. 108  Marrone, Efficacia, S.  314 m. w. N.; Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  687 Fn.  5. 109  Capone, FHI 2, S.  700. 110  Capone, FHI 2, S.  712 ist der Ansicht, dass Julian hier eine Ideallösung darstellt, die im Formularprozess so nicht möglich war. 103  Zum

104  Auch

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Modestinus entscheidet, dass hier ein dritter Richter eines der beiden Urteile bestätigen soll und die Urteile bis dahin keine Wirksamkeit entfalten. Die folgenden Ausführungen werden mit si id non continget eingeleitet. Die Ansicht, die ein Anwachsungsrecht111 des siegreichen Eigentümers befürwortet, ist die des Minicius112, der sich erst auf Sabinus und Cassius bezieht und dann mit et ego sum seine eigenen Gedanken einleitet. Geht man davon aus, dass das Anwachsungsrecht und die folgende Begründung von Minicius sind, so besteht zum letzten Abschnitt kein Widerspruch. 2. Bindungswirkung des Urteils im Freiheitsprozess bei Suspension Das Urteil im Freiheitsprozess hat dann (wie auch andere Urteile) Bindungswirkung für den Richter des zweiten Prozesses, wenn ein anderes Verfahren deshalb ausgesetzt wird113. Der Freiheitsprozess wird in solchen Fällen gleichzeitig wie ein unselbständiges Feststellungsverfahren geführt114 und gilt als Beweismittel115, das den Richter des zweiten Prozesses bindet116. a) D.  40, 12, 24, 4 (51 ad ed.) Si is, qui in libertatem proclamat, furti aut damni iniuria ab aliquo arguatur, Mela ait interim eum cavere debere iudicio se sisti117, ne melioris condicionis sit 111  Ein solches Anwachsungsrecht ist für den Fall der Teilfreilassung durch einen Miteigentümer belegt: UE 1, 18; PS 4, 12; Fr. Dos. 10; Kaser, RP 1, §  69, S.  295; Bretone, Servus Communis, S.  110. 112  Capone, FHI 2, S.  701. 113  Lamberti, Tabulae Irnitanae, S. 165; Marrone, Jus 11 (1960), 257 Fn. 60 a. A. noch ders., Efficacia, S.  344. 114  Diese Funktion des praeiudicium beschreibt Quint. inst. or. 5, 2, 1: Iam praeiudiciorum vis omnis tribus in generibus versatur: rebus, quae aliquando ex paribus causis sunt iudicatae, quae exempla rectius dicuntur, ut de rescissis patrum testamentis vel contra filios confirmatis: iudiciis ad ipsam causam pertinentibus, unde etiam nomen ductum est, qualia in Oppicianicum facta dicuntur et a senatu adversus Milonem: aut cum de eadem causa pronuntiatum est, ut in reis deportatis ad adsertione secunda et partibus centumviralium, quae in duas hastas divisae sunt. 115  Quint. inst. or. 5, 1, 2; Marrone, Jus 11 (1960), 247. 116  Hackl, Praeiudicium, S.  141: „Bei jeder zugunsten einer Vorentscheidung erzwungenen Aufschiebung muss der Richter des aufgeschobenen Verfahrens an die entschiedene Vorfrage gebunden gewesen sein. Anderenfalls würde die Aufschiebung zu einer unwillkürlichen Prozessverschleppung führen“. Jetzt auch Marrone, Jus 11 (1960), 257 Fn.  60, gegen seine frühere Ansicht, vgl. Efficacia, S.  365. 117  Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  685 Fn.  20: Lenel hält den Teil cavere debere iudicio se sisti für interpoliert und ersetzt es in Lenel, Pal. 1, Sp.  1062, Fn.  2 durch vadimonium facere debere.

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qui dubiae libertatis est, quam qui certae: sed sustinendum iudicium, ne praeiudicium libertati fiat. aeque si cum possessore hominis furti agi coeperit, deinde is, cuius nomine agebatur, in libertatem proclamaverit, sustinendum iudicium, ut, si liber iudicatus sit, in ipsum transferatur iudicium: et, si damnatio facta sit, iudicati actionem potius in eum dandam.

Der Sklave hat nach der litis ordinatio den Status eines freien Menschen (liberi loco esse118), weshalb er auch klagen und verklagt werden kann. Paulus schildert in diesem Fragment zwei Fälle: Im ersten Fall geht es um Deliktsklagen gegen den vermeintlichen Sklaven, im zweiten Fall um eine Noxalklage gegen den (vermeintlichen) Eigentümer des Sklaven. Als Folgeproblem der zweiten Variante ergibt sich die Frage nach der actio iudicati nach einer Verurteilung des beklagten vermeintlichen Eigentümers im Noxalprozess, während der vermeintliche Sklave im Freiheitsprozess für frei erklärt wird119. Wird um die Freiheit eines Sklaven gestritten, so kann dieser nach der litis ordinatio ohne weiteres mit deliktischen Klagen (actio furti, damni inuria) überzogen werden. Da er nicht besser gestellt werden darf als ein liber homo, muss er sich auf diese Klage einlassen und Sicherheit für sein Erscheinen bei einem weiteren Termin leisten120. Die Formulierung cavere iudicio se sisti ist wahrscheinlich interpoliert und steht für vadimonium facere debere121. Die im klassischen Recht üblichen Gestellungsver­ sprechen (vadimonia) waren zu Justinians Zeit nicht mehr gebräuchlich. Auch diese Klagen werden bis zur litis contestatio geführt und dann aufgeschoben122. Grund für die Aufschiebung des Prozesses ist nicht die mögliche Bindungswirkung123 des Deliktsurteils für den Richter des Freiheitsprozesses. Eine solche Bindungswirkung ist auszuschließen, weil der Richter der Deliktsklage nicht über die Statusfrage entscheidet. Ansonsten würde die Deliktsklage schon wegen der exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae zurückgewiesen124. Gerade weil keine Bindungswirkung besteht, wäre es unökonomisch, den Deliktsprozess zu Ende zu führen, wenn das Urteil durch eine gegenläufige Entscheidung im Freiheitsprozess umgestoßen wird. Der Prätor hat ein Interesse daran, dass praeiudicia entschieden wer118  Paul.

D.  40, 12, 24 pr (51 ad ed.). Praeiudicium, S.  139. 120  Franciosi, Il processo, S.  243. 121  Lenel, Pal. 1, Sp.  1062 Fn.  2. 122  Pissard Questions préjudicielles, S.  169. 123  Hackl, Praeiudicium, S.  140; eine Bindungswirkung bejaht Marrone, Jus 11 (1960), S.  250; ders., Efficacia, S.  343. 124  Hackl, Praeiudicium, S.  140. 119  Hackl,

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den, bevor der Prozess vor dem iudex geführt wird125. Wird dagegen die Statusfrage geklärt, ergeht gleichzeitig eine Entscheidung über die Parteifähigkeit126. Der zweite Teil behandelt die Frage einer Noxalklage eines Dritten gegen den vermeintlichen Eigentümer. Auch hier wird die Deliktsklage zurückgestellt, bis über die Freiheit entschieden ist127. Wegen des Status des Sklaven (liberi loco esse) müsste der Eigentümer sonst von der Haftung freigesprochen werden128. Bei einem Sieg des Eigentümers stünde einer erneuten Klage des Dritten gegen den Eigentümer die exceptio rei iudicatae entgegen. Bis zur litis contestatio des abhängigen Rechtsstreits ist der praetor zuständig für die Aufschiebung des Freiheitsprozesses. Er kann die actio vorläufig denegieren129 oder die litis contestatio durchführen und dann anordnen, dass der Rechtsstreit erst nach dem Freiheitsprozess durchgeführt wird130. Unklar ist die Zuständigkeit nach der litis contestatio, wenn der abhängige Prozess dem iudex schon vorliegt. In Betracht kommt eine Anordnung des praetor oder des zuständigen Magistrats, wenn der Rechtsstreit delegiert wird131. Oder über die Aussetzung des Rechtsstreits könnte erst apud iudicem entschieden worden sein132. Aus den vorliegenden Quellentexten wird das nicht deutlich, weil sie keine Zuständigkeit für die Aufschiebung nennen (differendum de libertate iudicium133, sustinetur liberalia iudicia134, differenda est causa filii135, an compellendus sit suscipere iudicium136, sustinendum iudicium137). Für eine weitergehende Zuständigkeit des praetor im Formularverfahren spricht aber, dass er für die Prozessleitung zuständig ist138, während der iudex nur für die Entscheidung über die Tatsachen eingesetzt wird. 125  Marrone, Jus 11 (1960), 256. Auf die datio actionis hatte die Existenz von praeiudicia keinen Einfluss, ebd., S.  259. 126  Hackl, Praeiudicium S.  141. 127  So auch Ulp. D. 9, 4, 42 pr. (37 ad ed.); Jav. D.  11, 1, 14 pr. (9 ex Cass.). 128  Marrone, Jus 11 (1960), 250. 129  Ulp. D.  40, 12, 7, 4 (54 ad ed.). 130  Marrone, Jus 11 (1960), 254. 131  Pissard, Questions préjudicielles, S. 194; Hackl, Praeiudicium, S. 142 Fn. 10. 132  Marrone, Jus 11, S.  251. 133  Ulp. D.  5, 3, 7 pr. (4 ad ed.). 134  Ulp. D.  5, 3, 7, 1 (4 ad ed.). 135  Paul. D.  40, 12, 23, 2 (50 ad ed.). 136  Paul. D.  40, 12, 24, 3 (50 ad ed.). 137  Paul D.  40, 12, 24, 3–4 (50 ad ed.). 138  Hackl, Praeiudicium, S.  142 Fn.  10.



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Die Noxalklage wird nach der Feststellung des Sklavenstatus fortgesetzt. Wird für die Freiheit entschieden, so wird das Verfahren auf den Täter (ehemaligen Sklaven) als neuen Beklagten übertragen139 (translatio iudicii) und als actio directa140 geführt. Dagegen scheinen Ulp. D. 9, 4, 42 pr. (37 ad ed.)141 und Jav. D. 11, 1, 14 (9 ex Cass.) zu sprechen. Ulpian schreibt, dass das iudicium noxale im Falle der Freiheit des vormaligen Sklaven unwirksam (inutile videbitur) sein soll. Javolenus geht davon aus, dass der einstmalige Eigentümer freizusprechen sei (absolvi debet). Der Freispruch hätte aber den Ausschluss einer translatio iudicii zur Folge142. Unterscheidet man die absolutio als Konsequenz des ius civile, das den angeblichen Eigentümer entlastet, von der translatio als den prätorischen Schutz des Klägers143, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass ein Freispruch mangels eines Gewaltverhältnisses zwischen Täter und Beklagtem vor der litis contestatio nur dann erfolgte, wenn der Kläger den Antrag auf eine translatio versäumt hatte. Stellte er diesen Antrag, so wurde die Partei auf der Beklagtenseite ausgewechselt, alle bisher vorgenommenen Prozesshandlungen blieben wirksam144. Mit der Aussage, dass die Klage inutilis sei, spielt Ulpian darauf an, dass der Kläger sein Ziel (die Verurteilung des Beklagten) nicht mehr erreichen kann145, weil unausweichlich ein Freispruch erfolgen wird146. Dies zeigt auch D. 9, 4, 42, 1, der auf den Tod des Sklaven Bezug nimmt.

139  Bonifacio, Processo formulare 1, S.  127; Lamberti, Tabulae Irnitanae, S.  165; Franciosi, Il processo, S.  245; Koschaker, Translatio iudicii, S.  63. 140  Gai. 4, 77; Hackl, Praeiudicium, S.  142, Fn.  12 m. w. N.; D’Ors, Liber amicorum, S.  739; Koschaker, Translatio iudicii, S.  222. 141  Franciosi, Il processo, S.  246. 142  Kaser, Restituere, S.  167. 143  Bonifacio, Processo formulare 1, S.  130. Ihm folgend Hackl, Praeiudicium, S. 144. 144  Hackl, Praeiudicium, S.  144. Anderer Ansicht ist Pissard, Question préjudicielles, S.  171, 173, der von einer restitutio in integrum ausgeht. Eine solche ist im Freiheitsprozess aber nicht möglich: Macer D.  49, 1, 9 (2 appellat.). 145  D’Ors, Liber amicorum, S.  741. 146  Bonifacio, Processo formulare 1, S.  130 und Hackl, Praeiudicium, S.  144; anderer Ansicht ist Marrone, L’efficacia, S. 344 Fn. 665, der den Teil für interpoliert hält. Vgl. Hackl, ebd., Fn.  17 m. w. N.; abweichend davon ist die Ansicht von Pissard, Questions préjudicielles, S.  171: Wurde die actio noxalis angestrengt, so verhinderte das eine direkte Klage (Paul. D. 9, 4, 42 [18 ad ed.]). Deshalb wurde die actio noxalis so behandelt, als ob sie nie angestellt worden wäre (inutilis videbitur), um eine erneute Klageerhebung möglich zu machen. Die Lösung von Paulus sei die praktischere.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

Abzulehnen sind die Interpolationsvermutungen147, die die actio iudicati betreffen148. Es handelt sich hierbei um einen Noxalprozess, der mit einer Verurteilung endete149. Für diesen Fall wird die Vollstreckungsklage gegen den Täter zugelassen, der ehemalige Eigentümer wird von der Haftung befreit. Dies ist wohl umstritten, wie die Einleitung von Paulus mit potius zeigt. Der Kläger soll davor geschützt werden, dass er das ihm Zugesprochene nach dem Urteil verliert, weil der Beklagte den Sklaven nicht mehr hat150. Da der Beklagte wählen kann, ob er die Geldbuße zahlt oder den Sklaven leistet, hat der Kläger keine Handhabe dagegen, dass sich der Beklagte dafür entscheidet, nichts zu leisten, weil der Sklave nicht mehr in seinem Eigentum ist151. b) D.  40, 12, 23, 2 Streiten Mutter und Sohn über ihre Freiheit, so ist der Prozess über die Freiheit des Sohnes ebenfalls aufzuschieben, wenn eine Verbindung der Prozesse nicht möglich ist. Paul. D.  40, 12, 23, 2 (50 ad ed.) Si mater et filius de libertate litigant, aut coniungenda sunt utrorumque iudicia aut differenda est causa filii, donec de matre constet, sicut divus quoque Hadrianus decrevit. nam cum apud alium iudicem mater litigabat, apud alium autem filius, Augustus dixit ante de matre constare oportere, sic dein de filio cognosci.

Dieser Fall der Aufschiebung geht auf ein Reskript von Kaiser Hadrian zurück. Das Prozessergebnis der Mutter kann sich auf den Prozess des Sohnes auswirken. Für den Fall, dass sie für freigeboren erklärt wird, trifft dieses Urteil auch eine Aussage zum Status des Sohnes. Die Richter können dagegen im Prozess über die Freiheit des Sohnes anders entscheiden, wenn sie nach seiner Geburt freigelassen wird oder immer noch Sklavin ist. Dann war ihr Status irrelevant für den Sohn. c) Fazit Das Urteil im klassischen Freiheitsprozess entfaltet bei einem Urteil pro libertate grundsätzlich Bindungswirkung zwischen den Parteien. Diese pro147  Franciosi,

Il processo, S.  245. Praeiudicium, S.  146; Bonifacio, Processo formulare 1, S.  128 Fn.  21. 149  Bonifacio, Processo formulare, S.  128; Koschaker, Translatio iudicii, S.  224; anderer Ansicht ist Marrone, Efficacia, S.  344 Fn.  665. 150  Hackl, Praeiudicium, S.  147; D’Ors, Liber amicorum, S.  739. 151  Kaser, Restituere, S.  168 (zum statuliber); ihm folgend Hackl, Praeiudicium, S.  148. 148  Hackl,



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zessuale Präklusion kommt wegen des favor libertatis nicht zur Anwendung, wenn der Sklavenstatus festgestellt wird. Das gilt grundsätzlich für jede Form des klassischen Freiheitsprozesses, ob er per sponsionem, per formulas oder als Kognitionsverfahren152 geführt wird. Ob diese Regel im Freiheitsprozess, der als cognitio extraodinaria vor dem Magistrat stattfindet, aus Gründen der Billigkeit153 außer Acht gelassen wird, lässt sich nicht belegen. Beim praeiudicium kommt es darauf an, ob ein anderer Prozess davon abhängig gemacht wird. In diesen Fällen soll das praeiudicium als bindende Vorentscheidung eine Streitfrage aus der Welt schaffen154. Eine weitergehende Rechtswirkung des praeiudicium gegenüber Dritten, insofern, dass in keinem anderen Prozess mehr dieselbe Vorfrage gestellt werden kann155, ist unsicher und für das praeiudicium an liber sit nicht überliefert156. Zumindest für andere praeiudicia ist eine entsprechende Wirkung belegt157. III. Das Urteil bei Abwesenheit einer Partei Im Formularverfahren gibt es kein gesondertes Versäumnisverfahren. Ist eine Partei säumig, dann wird für den Anwesenden entschieden158. Dies gilt schon im Legisaktionenverfahren und geht auf eine Regelung der Zwölftafeln zurück159. Im Freiheitsprozess bedeutet das folgendes: Erscheint der vermeintliche Eigentümer nicht, so wird pro libertate entschieden, erscheint der adsertor nicht, so erkennen die recuperatores zugunsten des Sklavenstatus160. Klagen mehrere dinglich Berechtigte161 so wird auch entschieden, wenn ein Teil abwesend war. Ulpian beschäftigt sich mit beiden Konstellationen des Freiheitsprozesses im Kognitionsverfahren: 152  Res inter alios iudicata aliis non praeiudicat. Mac. D.  42, 1, 63 (de appellat.); Mod. D.  44, 1, 10 (12 resp.); Ulp. D.  48, 2, 7, 2 (7 de off. procons.). Kaser / Hackl, RZ, §  75, S.  500 Fn.  47 m. w. N. 153  Kaser / Hackl, RZ, §  75, S.  500; Wieling, SZ 102 (1985), 291. 154  Hackl, Praeiudicium, S.  315. 155  Kaser / Hackl, RZ, §  50, S.  349; Liebs, SZ 94 (1977), 469; vorsichtig: Hackl, Praeiudicium, S.  315. 156  Hackl, Praeiudicium, S.  309. 157  Ausführlich dazu Hackl, Praeiudicium, S.  298–318. 158  Steinwenter, Versäumnisverfahren, S.  4. 159  Tab. 1, 8: Post meridiem praesenti litem addictio; vgl. Schoell, S.  119; Düll, S.  28; Flach, S.  43; FIRA 1, S.  28; Crawford, Roman Statutes 1, S.  594; Marrone, Effetto, S.  104; Kaser / Hackl, RZ, §  54, S.  374; §  18, S.  117. 160  Franciosi, Il processo, S.  292 mit Fn.  122. 161  Gai. D.  40, 12, 9 pr. (ad ed praet. urban. tit. de lib. caus.) zum Formularprozess, Nicolau, Causa liberalis, S.  228.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

1. Abwesenheit des vermeintlichen Eigentümers Ulp. D.  40, 12, 27, 1 (2 de off. cons.) Si ea persona desit cognitioni, quae alicui status controversiam faciebat, in eadem causa est qui de libertate sua litigat, qua fuit, priusquam de libertate controversiam patiatur: sane hoc lucratur, quod is qui eam status controversiam faciebat amittit suam causam. nec ea res ingenuum facit eum qui non fuit: nec enim penuria adversarii ingenuitatem solet tribuere. recte atque ordine iudices puto facturos, si hanc formam fuerint consecuti162, ut, ubi deest is qui in servitutem petit, electionem adversario deferant, utrum malit cognitionem circumduci an audita causa sententiam proferri. et163 si cognoverint, pronuntiare debebunt servum illius non videri: neque haec res captionem ullam habet, cum non ingenuus pronuntietur, sed servus non videri. quod si ex servitute in ingenuitatem se allegat164, melius fecerint, si cognitionem circumduxerint, ne sine adversario pronuntient ingenuum videri, nisi magna causa suadeat et evidentes probationes suggerant secundum libertatem pronuntiandum: ut etiam rescripto Hadriani continetur.

Der in D. 40, 12, 27, 1–2 überlieferte Text stammt aus Ulpians Monographie zum Amt des Konsuln. Die Richter (iudices) sind deshalb die consules165 im Kognitionsprozess. D.  40, 12, 27, 1 hat die Abwesenheit des vermeintlichen Eigentümers im von ihm angestrengten Freiheitsprozess zum Gegenstand. Der Eigentümer verliert grundsätzlich den Prozess, der vermeintliche Sklave hat denselben Status wie vor dem Prozess. Er wird deshalb durch den Prozess nicht zum Freigeborenen, wenn er es vorher nicht war. Einem erneuten Prozess des Unterlegenen steht die Präklusionswirkung des Urteils entgegen166, die mit der exceptio rei iudicatae geltend gemacht wird. Ulpian nennt zu dieser Lösung eine Alternative: Die Richter können den anwesenden adsertor wählen lassen, ob er den Prozess durchführen will oder die Untersuchung aufgehoben werden soll. Da das Urteil dann nur feststellen könne, dass der vermeintliche Sklave nicht Sklave des Abwesendenen sei (servum illius non videri) und sich nicht zur ingenuitas äußere, sei es sinnvoller, den Prozess aufzuheben. Ein Reskript Kaiser Hadrians ordne an, dass bei offensichtlichen Beweisen für die Freiheit, auch für diese zu erkennen sein. 162  Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  687 Fn.  2, schlagen für consecuti alternativ secuti vor. 163  Mommsen streicht et, Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  687 Fn.  3. 164  Lenel hält se allegat für justinianisch, Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  687 Fn.  4. Dafür spricht, dass im klassischen Prozess nicht der Sklave behauptete, freigeboren zu sein, sondern der adsertor. 165  Eine entsprechende Interpolation, wie Gradenwitz sie annimmt (Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  687 Fn.  1), ist nicht zwingend. Hier könnte mit iudices einfach das Amt des Richters gemeint sein, das die Konsuln ausüben. 166  Marrone, Effetto, S.  105; ders., Efficacia, S.  326.



Abschnitt 4: Prozessablauf apud iudicem / beim Magistrat

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Zunächst ist zu klären, um was für einen Prozess es sich handelt. Beide Fälle legen einen Statusstreit vor den Konsuln zugrunde. Nicht ganz klar ist, ob um die Freiheit oder um die ingenuitas gestritten wird. Während Ulpian mehrmals darauf eingeht, dass es nicht möglich sein solle, den vermeintlichen Sklaven zum ingenuus zu erklären, bezieht er sich am Ende des Textes auf ein Reskript Hadrians, das sich mit der Freiheit beschäftigt und eine positive Entscheidung bei guter Beweislage anregt. Sicher ist, dass derjenige, dessen Status in Frage steht, ein Sklave ist, der zu seiner Verteidigung einen adsertor braucht. Ulpian könnte sich hier mit beiden Varianten beschäftigen, dem Freiheitsprozess und dem Ingenuitätsprozess. Oder der adsertor hatte auf die ingenuitas geklagt und hilfsweise auf die libertas. Schließlich waren die Konsuln für beide Verfahren zuständig. Dass zumindest zugunsten der Freiheit (aber nicht der ingenuitas) entschieden werden kann, wenn die Beweise ausreichen, zeigt, dass hier von beiden Prozessen die Rede sein soll. Die ingenuitas kann der vermeintliche Sklave bei Abwesenheit des Eigentümers nicht erlangen, das Urteil lautete dann servus illius non videri. Problematisch ist, dass der erste Teil und der zweite Teil sich zu widersprechen scheinen. Erst wird angeordnet, dass der vermeintliche Eigentümer verlieren soll, dann ist die Rede von einem Wahlrecht des adsertor zwischen einer Entscheidung und einer circumductio. Grundsätzlich gilt bei Säumnis im Kognitionsprozess folgendes: Erscheint der Beklagte trotz dreimaliger Ediktalladung nicht zur Verhandlung, dann wird ein edictum peremptorium erlassen167, das die weitere Durchführung des Prozesses in Abwesenheit des Beklagten androht. Dann kann ein Urteil zugunsten des Klägers ergehen168. Erscheint der Kläger nicht, dann führt das lediglich zur Aufhebung des Termins und nicht zur Entscheidung gegen den Kläger169. Dass der adsertor zwischen circumductio und Entscheidung wählen darf, ist auf den favor libertatis zurückzuführen170, der eine Entscheidung in der Sache notwendig macht. Dazu passt dann aber der erste Satz nicht. Die Erklärung, dass sich dieser auf den Formularprozess bezieht171, vermag nicht zu überzeugen. Schließlich kommentiert Ulpian an dieser Stelle das Amt des Konsuln, der als Richter im Kognitionsverfahren 167  Steinwenter, Versäumnisverfahren, S.  47; Ulp. D.  5, 1, 68 (8 disp.); Ulp. D.  5, 1, 69 (4 de omn. trib.); Ulp. D.  5, 1, 70 (8 disp.). 168  Kaser / Hackl, RZ, §  71, S.  478. 169  Ulp. D.  5, 1, 73, 1–2 (4 de omn. trib.); Steinwenter, Versäumnisverfahren, S.  70; Kaser / Hackl, RZ, §  71, S.  480. 170  Kaser / Hackl, RZ, §  71, S.  480 Fn.  87. 171  Franciosi, Il processo, S.  292; Marrone, Efficacia, S.  448, ohne weitere Ausführungen.

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2. Teil: Der Freiheitsprozess im klassischen römischen Recht

fungiert. Wahrscheinlicher ist, dass es sich hierbei um eine vom favor libertatis veranlasste Ausnahme handelt172. Die Lösung ist daher folgende: Erscheint der klagende vermeintliche Eigentümer nicht zum Prozess, dann ergeht im Freiheitsprozess grundsätzlich ein Urteil zugunsten des Sklaven173, das ihn in die Lage zurückversetzt, in der er vor dem Prozess war. Da der vermeintliche Eigentümer klagt (quae alicui status controversiam faciebat), bedeutet das die Freiheit. Während normalerweise die Ladung ihre Wirkung verliert, ergeht im Freiheitsprozess eine Entscheidung, die den Prozessverlust des abwesenden Klägers zur Folge hat174 (servus illius non videri). Die ingenuitas erlangt der vermeintliche Sklave dadurch aber nicht. Da er durch die gesonderte Regelung bevorzugt werden soll, wird den Konsuln empfohlen, die Untersuchung aufzuheben, dies aber dem adsertor freizustellen. Von dieser Ausnahme im Prozess um die ingenuitas gibt es aber wieder eine Rückausnahme175: Steht die Freiheit durch die Beweise fest, dann wird der Streit doch entschieden. Offen bleibt allerdings, wie dann das Urteil aussieht. Wird gegen den Eigentümer entschieden, dann steht ihm nur die appellatio zu, wenn er eine iusta causa für seine Abwesenheit plausibel macht176. 2. Ulp. D.  40, 12, 27, 2 (2 de off. cons.) Quod si is, qui pro sua libertate litigat, desit, contradictor vero praesens sit, melius erit inaugeri causam eius sententiamque proferri: si enim liquebit, contra libertatem dabit: evenire autem potest, ut etiam absens vincat: nam potest sententia etiam secundum libertatem ferri.

D.  40, 12, 27, 2 beschäftigt sich mit dem Folgen der Abwesenheit des adsertor, der von den Kompilatoren durch die Umschreibung is, qui pro sua libertate litigat ersetzt wurde177. Anders als in D.  40, 12, 27, 1 wird nicht ausgeführt, ob der adsertor klagt oder auf Beklagtenseite auftritt. Für Ersteres spricht, dass der Erlass eines Urteils Ausnahmecharakter zu haben scheint: melius erit  …  causam eius sententiamque proferri. Auch hier wird trotz Abwesenheit des Klägers ein Urteil befürwortet, das aber, wie bei der 172  Steinwenter,

Versäumnisverfahren, S.  71. auch Alex. C.  7, 16, 4 (Jahr unbekannt). 174  Franciosi, Il processo, S.  278; Nicolau, Causa liberalis, S.  227. 175  Anderer Ansicht ist Steinwenter, Versäumnisverfahren, S.  72, der den letzten Satz für justinianisch hält. 176  Ant. C.  7, 65, 1 (a. 213); Pap. D.  49, 1, 23, 3 (18 resp.); Bellodi Ansaloni, Contumacia, S.  212; Allgemein zu den Auswirkungen der Abwesenheit auf die Berufung: ebd., S.  187–239. 177  So auch Lenel in: Krüger / Mommsen, CIC 1, S.  687 Fn.  6. 173  Vgl.



Abschnitt 4: Prozessablauf apud iudicem / beim Magistrat

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Abwesenheit des Beklagten, zu Ungunsten des Abwesenden ausfallen soll. Ein anderes Urteil ist allerdings möglich und liegt im Ermessen des Richters178. Grund für diese auf den ersten Blick schlechtere Behandlung des adsertor libertatis ist, dass dieser den Prozess jederzeit erneut anstrengen179 kann und es wahrscheinlich ist, dass seine Abwesenheit darin begründet ist, dass er keine guten Chancen für einen positiven Prozessausgang sieht. Zumindest im epiklassischen Recht kann ein Urteil auch in Abwesenheit beider Parteien ergehen180.

178  Bellodi Ansaloni, La contumacia, S.  116, sieht darin eine ulpianische Reform. Dafür gibt es allerdings keine weiteren Quellebelege. Die Ausnahme für den Freiheitsprozess könnte ebensogut schon früher wegen des favor libertatis entstanden sein. 179  Nicolau, Causa liberalis, S.  227. 180  Diokl / Maxim. C.  7, 16, 40 (Jahr unbekannt).

Dritter Teil

Der Freiheitsprozess nach der justinianischen Reform Kaiser Justinian erstreckt seine Reformtätigkeit1 auch auf den Freiheitsprozess. Die Reformkonstitutionen zum Freiheitsprozess sind in C.  7, 17 unter De adsertione tollenda zu finden. Schon der Titel lässt erahnen, dass Justinian weitreichende Veränderungen vornimmt. Der adsertor war seit dem frühesten römischen Recht wesentlicher Bestandteil des römischen Freiheitsprozesses. Neben der Abschaffung des adsertor finden sich in C. 7, 17, 12 weitere grundsätzliche Änderungen. In C.  7, 17, 2 (1.  September 531) beantwortet Justinian eine Anfrage zu einem kaufrechtlichen Problem, das als Folge seiner Reform neu entstanden ist.

A. Die Änderungen durch C.  7, 17, 13 (a. 528) I. C.  7, 17, 1 pr. Lites super servili condicione movendas ad clementiorem tam examinationem quam terminum transferimus iubentes, si quis vel adhuc serviens liberum se esse dixerit vel in libertate commorans ad servitutem vocatus fuerit, adsertoris difficultatem in utroque casu cessare ipsumque per se ad intentiones eius qui dominum sese adserit respondere et, si ex possessione libertatis ad servitutem ducitur, etiam procuratorem dare minime prohiberi, quod his, qui ex servitute ad libertatem prosiluerint, penitus interdicimus: illis legibus, quae dudum et secunda et tertia vice adsertorias lites examinari praecipiebant, in posterum conquiescentibus, cum sit iustum primam definitionem in suis manere viribus, cum provocatio nulla oblata fuerit: qua porrecta, ad similitudinem aliorum negotiorum iudex, ad quem res ex provocatione ducitur, eam examinabit, cuius et ipsius iudicium ad secundam exquisitionem minime deducetur occasione legum, quae super adsertoriis litibus positae sunt. 1  Meier, Justinian, S.  40; Wenger, Quellen, S.  569; Wieacker, RRG 2, Siebenter Teil §§  79–84. 2  Zu C.  7, 17, 1 pr. s. a. Franciosi, Il processo, S.  179–182; Melluso, Schiavitù, S.  116–122. 3  Vgl. T. C. Lounghis / B. Blysidu / St. Lampakes, Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 476 bis 565, Nicosia 2005, S.  167 Nr. 579.



3. Teil: Der Freiheitsprozess nach der justinianischen Reform

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Die in C. 7, 17, 1 überlieferte Konstitution erging am 11. Dezember 528. Adressat der Konstitution ist der Praefectus praetorio Orientis Menas, der zweimal Prätorianerpräfekt war. Zeit und Amtsbereich der ersten Präfektur sind nicht bekannt. In der zweiten Amtsperiode war er vom 1.  Juni 528 bis zum 7. April 529 Prätorianerpräfekt der Präfektur Oriens. Er ist der Adressat der Constitutio Summa (7.  April 529), in der seine Titel aufgeführt werden4. Die vorliegende Konstitution vom 11.  Dezember 528 n. Chr. war vermutlich schon in der ersten Fassung des Codex Iustinianus von 529 enthalten. Nach der Datierung Krügers5 ergingen am selben Tag eine ganze Reihe von Konstitutionen6 an den Präfekten Menas. Sie standen in keinem sachlichen Zusammenhang zur vorliegenden Konstitution und behandeln beispielsweise erb- und familienrechtliche Fragen. Die Konstitution ist nicht vollständig. Bestandteile einer vollständigen spätantiken Urkunde sind Protokoll, Text und Eschatokoll. Der Text unterteilt sich in eine rhetorische Einleitung (Prooemium), die Problemstellung mit Tatbestand (narratio) und die Entscheidung (dispositio). Das Eschatokoll umfasst die Datierung (datum) und die Unterfertigung (subscriptio)7. Wie bei der Mehrzahl der überlieferten Konstitutionen fehlen Protokoll, Prooimion und narratio. Wie der Titel „De adsertione tollenda“ schon besagt, schafft Justinian die adsertio libertatis ab. Weitere Änderungen betreffen die Wiederholbarkeit des Prozesses, Prozesssicherheiten, die Folgen der Abwesenheit des Sklaven und die doppelte Klageerhebung. Die Kompetenzen veränderte Justinian nicht: Auch nach der justinianischen Reform war weiterhin der praetor de liberalibus causis zuständig8. Justinian gab die Anweisung bei der Sammlung bisher ergangener Konstitutionen im Codex und der Zusammenstellung der Juristentexte in den Digesten, Veraltetes und Widersprüchliches an das geltende Recht anzupassen. Deshalb wurden die Rechtstexte zum Freiheitsprozess, die in den Codex Iustinianus und die Digesten aufgenommen werden, an die geänderte Rechtslage angepasst9. 4  Martindale,

PLRE 3, S.  755, Menas 5. Krüger, Codex Iustinianus, Appendix I. 6  C.  1, 53, 1; 3, 28, 31; 6, 23, 26; 4, 32, 26; 7, 39, 8; 5, 9, 8; 5, 12, 29; 5, 16, 25; 5, 17, 10; 6, 23, 25; 8, 37, 11; 6, 29, 9; 6, 37, 22; 8, 16, 9. 7  Dölger / Karayannopulos, Byzantinische Urkundenlehre, S.  49. 8  Konstantius 1, 39, 1 (a. 359) -= C.Th. 6, 4, 16; Konst. C.  7, 1, 4 (a. 319–323). Zur weiteren Zuständigkeit des Prätors allgemein und insbesonders des praetor de liberalibus causis unter Justinian vgl. Russo Ruggeri, Index 26 (1998), 99–104. 9  Zu den Auswirkungen der Reform s. a. Nicolau, Causa liberalis, S.  5. 5  Vgl.

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3. Teil: Der Freiheitsprozess nach der justinianischen Reform

1. Die Abschaffung des adsertor libertatis In C.  7, 17, 1 pr. ordnet Justinian die Abschaffung des adsertor libertatis10 an. Im klassischen Recht kann weder ein in Sklaverei (vindicatio in libertatem) noch ein als Freigeborener Lebender, der als Sklave beansprucht wird (vindicatio in servitutem), den Prozess selbst führen, sondern für deren Freiheit streitet ein adsertor libertatis: Der (vermeintliche) Sklave ist Objekt des Prozesses11, er wird vindiziert und kann deshalb nicht gleichzeitig Subjekt sein. Zudem steht durch den Freiheitsprozess auch die Parteifähigkeit in Frage. Ein Sklave ist nicht parteifähig12 – Auch wenn der Status des Menschen ungeklärt ist, kann er nicht am Prozess teilnehmen. Die vorliegende Konstitution beendet eine schon unter Konstantin begonnene Entwicklung, die dieses strenge prozessrechtliche Erfordernis abmildert. Konstantin führte 322 n. Chr.13 die circumductio ein: Ein Mann der bis Prozessbeginn offensichtlich in Freiheit lebte, wurde in seiner Provinz herumgeführt mit einem Schild, das besagte, dass er einen adsertor libertatis suchte. Theodosius ordnete 393 n. Chr. an, dass ein Mann, der zwanzig Jahre als Freigeborener gelebt hatte und ein öffentliches Amt mit Wissen des Klägers widerspruchslos ausübte, seine Freiheit ohne adsertor verteidigen konnte14. Justinian schließlich gab dem vermeintlichen Sklaven das Recht, im Freiheitsprozess wie ein Freigeborener aufzutreten. Im Folgenden soll untersucht werden, welche Auswirkungen die Reform auf die im Codex Iustinianus und in den Digesten überlieferten Rechtstexte hatte.

10  Zu dieser Rechtsfigur s. o. Zweiter Teil, Abschnitt 2, B.; es ist davon auszugehen, dass mit dieser Reform auch die adsertio im Ingenuitätsprozess für den Fall, dass ein Sklave klagte, abgeschafft wird. Justinian erwähnt das zwar nicht ausdrücklich, es gibt aber keinen plausiblen Grund, weshalb der adsertor ingenuitatis weiter notwendig sein sollte. 11  Vgl. Franciosi, Il processo, S.  188. 12  Gai. D.  50, 17, 106 (1 ad ed. prov.): Cum servo nulla actio est. Zu den Ausnahmen im außerordentlichen Verfahren, vgl. Zweiter Teil, Abschnitt 2, A., S.  122. 13  Konst. C.  Th. 4, 8, 5 (a. 322); Zu Entstehung und Aufbau des Codex Theodosianus vgl. Krüger, Geschichte der Quellen und Litteratur des römischen Rechts, § 35, S. 324–331; zur circumductio s. Franciosi, Il processo, S. 175–177, Buckland, Slavery, S.  655. 14  Theodos. C.  Th., 4, 8, 9 (a. 393).



3. Teil: Der Freiheitsprozess nach der justinianischen Reform

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a) adserere / adsertor Das Verb adserere findet sich in den Digesten und im Codex im Zusammenhang mit dem Freiheitsprozess nur an wenigen Stellen15. Der adsertor ist ersatzlos aus den Quellentexten entfernt worden. So ging es beispielsweise in Ulp. D.  40, 12, 1 und 3 (54 ad ed.) und Gai. D.  40, 12, 2 (ad ed. praet. urb.) ursprünglich um Personen, die als adsertor einen Freiheitsprozess für den vermeintlichen Sklaven auch gegen dessen Willen anstrengen können16. Seit der Einführung des Formularverfahrens war die Bestellung eines Prozessvertreters (cognitor, procurator) zwar möglich17, dieser konnte aber nur wirksam für die Prozesspartei handeln, wenn er dazu ermächtigt wurde oder eine Treuhänderstellung hatte18. Im nachklassischen Verfahren19 war es sogar notwendig, dass die Ermächtigung (mandatum) des Prozessvertreters vor Beginn des Prozesses geprüft und festgestellt wurde20. Ein wirksames Handeln gegen den Willen des Vertretenen war nach diesen allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen nicht mehr möglich. Die prozessuale Lage stellt sich anders dar, wenn man annimmt, dass es hier ursprünglich um den adsertor ging: Der adsertor handelt als Prozesspartei21 der vermeintliche Sklave ist lediglich das Objekt. Das Einverständnis des Sklaven ist deshalb nicht notwendig, um einen Prozess zu führen. Auch in Dioclet. / Maxim., C.  7, 16, 19 (a. 293) geht es ursprünglich um das Handeln des Freilassers als adsertor libertatis. Nur so lässt sich erklären, dass der Freilasser gegen den Willen des vermeintlichen Sklaven dessen Freiheit gerichtlich verteidigen kann22 (eum invitum etiam defendere poteris). 15  Z. B. in Alex. C.  7, 16, 5, 2 (keine Jahresangabe): cum ex servitute in libertatem adseritur, Saturn. D.  40, 14, 2, 1 (1 de off. procons.): ex libertinitate ingenuitati adserant, hier geht es allerdings um einen Libertinitätsprozess, für den wohl kein adsertor notwendig war, Ulp. D.  47, 10, 11, 9 (57 ad ed.): seque adserit in libertatem, vgl. Mayr, VCI, sv adserere, Sp.  447, VIR 1, sv adserere, Sp.  264. 16  s. o. Zweiter Teil, Abschnitt 2, B. V. 17  Kaser / Hackl RZ, §  29, S.  209, zum Formularprozess, §  73, S.  484, zur klassischen Kognition, §  85, S.  560, zum nachklassischen Verfahren. 18  Kaser / Hackl RZ, §  29, S.  210. 19  In der nachklassischen Periode tritt die Bezeichnung cognitor für den Prozessvertreter zurück, Justinian ersetzt den cognitor durch den procurator, s. a. Kaser / Hackl, RZ, §  85, S.  560. 20  Kaser / Hackl RZ, §  85, S.  560. 21  Leonhard, Art. adsertor, RE 1, 1, Sp.  422; Franciosi, Il processo, S.  136. 22  Zur Frage, wer gegen den Willen des Sklaven als adsertor durfte, vgl. Zweiter Teil, Abschnitt 2, B. V. 2.

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3. Teil: Der Freiheitsprozess nach der justinianischen Reform

Franciosi23 vertritt die Ansicht, dass der adsertor nicht immer gestrichen wird, sondern an manchen Stellen durch defensor ersetzt wurde. Dies lässt sich anhand der von ihm zitierten Quellen (Ulp. D.  40, 12, 1.3.5, (54 ad ed.), Gai. D. 40, 12, 2.4.6, (ad ed. praet. urban.), Dioclet. / Maxim, C. 7, 16, 19, a. 293) allerdings nicht belegen. Defensor taucht in keiner der Digestenstellen auf, lediglich in C.  7, 16, 19 wird das Verb defendere verwendet. Der defensor libertatis / ingenuitatis kommt zwar bei Cicero24 und in der Lex Romana Burgundionum25 vor. Bei Cicero geht es aber nicht um einen Freiheitsprozess, sondern um den Volkstribun, dessen Aufgabe es ist, die Freiheit zu verteidigen. In der Lex Romana Burgundionum wird der defensor ingenuitatis neben den adsertor gestellt26. Dabei wird eine gemeinsame Regel für den adsertor (libertatis) und den defensor ingenuitatis getroffen. Defensor könnte zwar für adsertor im Ingenuitätsprozess stehen, weil ein solcher notwendig ist, wenn ein Sklave die Ingenuität geltend macht, es handelt sich hier aber nicht um einen rechtlichen Fachbegriff, sondern der nachklassische Verfasser will eine Wortwiederholung vermeiden. Auch C.  7, 17, 1, 127 ist nicht als Beleg für diese These geeignet. In §  1 der vorliegenden Konstitution wird defensor zwar verwendet (veterem defensoris observationem), es ist aber davon auszugehen, dass dies bewusst aus sprachlichen Gründen geschehen ist. Eine nachträgliche Änderung dieser Konstitution Justinians, die sich gerade mit der Abschaffung des adsertor libertatis beschäftigt, ist auszuschließen. b) Proclamare in (ad) libertatem Als weitere Textänderung durch die Kompilatoren wird die Verwendung des Ausdrucks proclamare in (ad) libertatem28 diskutiert. Franciosi29 ver23  Franciosi,

Il processo, S. 180, S. 179 Fn. 160; ihm folgt Melluso, Schiavitù, S. 119. Rab. perd. 4, 12: Popularis vero tribunus plebis custos defensorque iuris et libertatis! 25  LRB 44, 2: Illi vero pulsato tertio deberi iudicia, et si voluntarius adsertor aut defensor ingenuitatis inveniri non potuerit, a iudice fide integra et moribus idoneus deputetur. 26  ThLL 5, 1 sv defensor, Sp.  311. 27  Franciosi Il processo, S.  193. 28  Gradenwitz äußert diese Vermutung in Interpolationen in den Pandekten, S.  101, und reagiert auf die Kritik von Wlassak, Grünhuts Zeitschrift 19 (1892), 715–724, und Schlossmann, SZ 13 (1892), 225–245, mit einem weiteren Artikel, der diese Vermutung untermauern soll. Ders., SZ 14 / 15 (1893), S.  118–121. 29  Franciosi, Il processo, S.  181 („Nei passi della compilazione sono adoperate spesso le espressioni in libertatem proclamare, in libertatem proclamatio, sconosciute alle fonti dell’età precedente“). 24  Cic.



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tritt sogar die Ansicht, dass die Wendung proclamare in libertatem von den Kompilatoren geschaffen worden sei. Dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden, weil proclamare in libertatem schon in vorjustinianischen Rechtsquellen verwendet wird30. Dies sieht man beispielsweise an zwei Stellen aus dem Codex Theodosianus: in Konst. C.  Th. 4, 8, 6, 4 (a. 323) ist von in libertatem proclamaverit die Rede31. Derselbe Kaiser verwendet in C.  Th. 4, 8, 6, 7 (a. 323) den Terminus de ingenuitate sua proclamaverit32. Die Wendung in libertatem proclamare ist damit zumindest schon in der Nachklassik gebräuchlich33. Ob proclamare in libertatem auch in der Klassik der Fachbegriff für den Freiheitsprozess des adsertor war, lässt sich schwer beantworten. Seneca maior verwendet den Ausdruck proclamare in ingenuitatem in seinen Controversiae34, daneben gibt es weder in juristischen noch in literarischen Quellen Belege35. Zwar gibt es eine Vielzahl von Nachweisen in den Digesten36, diese könnten aber auch auf die Kompilatoren zurückzuführen sein, so dass sie den klassischen Gebrauch nicht belegen. Eine Interpolation in diesem Umfang ist allerdings aufgrund der vielen Belege eher unwahrscheinlich, da 30  Nicolau, Causa liberalis, S.  108, führt als Beleg nicht C.  Th. 4, 8, 6, 4 und 7 an, sondern geht nur auf Const. C. Th. 4, 6, 5 pr. (a. 323) ein. Nach seiner Ansicht ist die Verwendung von proclamare in (ad) libertatem im Codex Theodosianus eine andere als in den Digesten und im Codex Iustinianus. 31  Wlassak, Grünhuts Zeitschrift 19 (1892), 720; dieser verweist auf die Parallelüberlieferung in C.  7, 18, 3 pr. 32  Wesenberg, Art. proclamare ad libertatem, RE 23, 1, Sp.  69, sieht die Kompilatoren nicht als Schöpfer des Begriffs an, sondern ist der Ansicht, dass der Begriff lediglich ausgeweitet wurde. 33  Zu diesem Ergebnis kommen auch Wlassak, Grünhuts Zeitschrift 19 (1892), 715–724 und Schlossmann, SZ 13 (1892), 225–245. 34  Sen. mai. contr. 1, 2, 10 (proclama ingenuam esse). 35  Vgl. ThLL 10, 2, sv proclamare, Sp.  1534. 36  Nicolau, Causa liberalis, S.  107 Fn.  184, verweist auf eine Vielzahl von Texten aus den Digesten: in libertatem proclamare: Labeo D.  40, 12, 42 (4 posteriorum); Pompon. D.  40, 12, 43 (3 sen. consult.); Pompon. D.  40, 13, 3 (11 epist. et var. lect.); Gai. D.  40, 12, 25, 1 (ad ed. praet. urb.); Scaev. D.  40, 4, 59, 1 (23 dig.); Scaev. D.  40, 5, 41, 10 (4 resp.); Ulp. D. 9, 4, 42 pr (37 ad ed.); Ulp. D.  40, 12, 7 pr (54 ad ed.); Ulp. D.  40, 12, 12, 6 (55 ad ed.); Ulp. D.  40, 12, 14, 1 (55 ad ed.); Ulp. D.  40, 12, 34 (libr. sing. pand.); Ulp. D.  40, 13, 1 pr (2 de off. procons.); Ulp. D. 47, 10, 11, 9 (57 ad ed.); Paul. D. 9, 4, 4 pr (3 ad ed.); Paul. D.  22, 3, 8 (18 ad Plaut.); Paul. D.  40, 12, 23, 1 (50 ad ed.); Paul. D.  40, 12, 24, 4 (51 ad ed.); Paul. D.  40, 12, 33 (6 reg.); Paul. D.  40, 13, 4. 5 (12 quaest.); Modest. D.  40, 12, 21 (1 de poen.); Hermog. D.  40, 12, 40 (5 iur. ep.). Proclamare in ingenuitatem: Gai. D.  40, 16, 1 (2 ad ed. praet. urb.); Pap. D.  40, 14, 4 (22 quaest.).

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diese sich nicht auf den Titel D.  40, 12 De liberali causa beschränken, sondern über mehrere Titel verteilt sind37. Aus diesem Grund sind systematische Veränderungen durch das Einfügen von proclamare in libertatem beispielsweise für die adsertio abzulehnen. Es lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass proclamare in (ad) libertatem an manchen Stellen von den Kompilatoren eingefügt wurde und damit der Anwendungsbereich dieses Begriffs erweitert wurde. 2. Bestellung eines procurator Ein weiterer wichtiger Baustein der justinianschen Refom sind Änderungen der Regelungen zur Prozessvertretung. Vor der Abschaffung des ad­ sertor konnte kein procurator für den vermeintlichen Sklaven im Frei­ heitsprozess auftreten38, schließlich war der vermeintliche Sklave Prozessobjekt. Die Abschaffung der adsertio hätte zur Folge, dass sich der Sklave ebenso wie der vermeintliche Eigentümer vertreten lassen könnte. Eine solche prozessuale Gleichstellung von vermeintlichen Sklaven und Freigeborenen wollte Justinian nicht, weshalb C.  7, 17, 1 pr. Einschränkungen ­beinhaltet. Ein Freigeborener kann jederzeit einen Prozessvertreter einsetzen, während Justinian im Freiheitsprozess differenziert: Für den Fall der vindicatio in servitutem (si ex possessione libertatis ad servitutem ducitur), wenn der Kläger einen Prozess gegen einen in Freiheit Lebenden erhebt und beweisen muss, dass dieser Sklave ist, soll der Beklagte einen Prozessvertreter (procurator) bestellen können (procuratorem dare minime prohiberi). Klagt jedoch ein bisher als Sklave Lebender auf die Freiheit, so soll das nicht möglich sein (qui ex servitute ad libertatem prosiluerint, penitus interdicimus). Grund dafür könnte eine Privilegierung derjenigen sein, die bisher als Freigeborene lebten.

37  s. vorherige Fußnote, beispielsweise im Titel De noxalibus actionibus (D. 9, 4, 4 pr.; D. 9, 4, 42 pr); De probationibus et praesumptionibus (D.  22, 3, 8) oder auch in De iniuriis et famosis libeliis (D.  47, 10, 11, 9). 38  Zur Prozessvertretung im Freiheitsprozess, s. Zweiter Teil, Abschnitt 2, C.



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3. Abschaffung der mehrfachen Führung des Freiheitsprozesses Justinian schafft zusätzlich die mehrfache Führung des Freiheitsprozesses39 ab (illis legibus quae et secunda et tertia40 vice adsertorias lites examinari praecipiebant). Justinian spricht von leges, die diese mehrfache Prozessführung gestatten. Während dieser Begriff ursprünglich für das Zwölftafelgesetz und die meist republikanischen Volkgesetze und Plebiszite verwendet wird41, verstand man darunter in der Spätantike auch die Kaisergesetze42. Sie bilden den Gegensatz zum Juristenrecht („ius“). Um welche Kaisergesetze es sich handelt oder ob es tatsächlich eine entsprechende Regelung im Zwölftafelgesetz gab, kann nicht mehr festgestellt werden, weil sie mit dieser Änderung überholt waren. Es ist durchaus auch möglich, dass Justinian nur der Ansicht war, es habe solche Gesetze gegeben, denn das prätorische Edikt enthielt keine Regelung. Ein Urteil im Freiheitsprozess, gegen das keine Berufung43 eingelegt wird (cum provocatio nulla oblata fuerit), ist also nunmehr rechtskräftig. Buckland44 führt aus, dass Justininan die mehrfache Prozessführung abschafft, weil er die Appellation einführt und damit keinen Bedarf mehr sieht. Warum eine appellatio oder provocatio im Freiheitsprozess vorher nicht möglich gewesen sein soll, ist jedoch unklar. Grundsätzlich ist die schon von Augustus eingeführte Berufung45 gegen alle Urteile und Ge39  s. o., Zweiter Teil, Abschnitt 3, B. IV. 2. Es ist umstritten ob beide Formen der Vindikation beliebig oft wiederholt werden können. Während Nicolau, Causa liberalis, S.  202, (Belege sind Cic. dom., 29, 78 und Gai. D.  40, 12, 25, 1, ad ed. praet. urb.) und Marrone, Efficacia, S.  102, der Ansicht sind, nur die vindicatio in servitutem könne mehrfach wiederholt werden, kommen Buckland, Slavery, S.  669, und Franciosi, Il processo, S.  269, zum Ergebnis, dass sowohl die vindicatio in ­libertatem als auch die vindicatio in servitutem vor der justinianischen Änderung mehrfach wiederholt werden konnten. Dafür spricht auch die vorliegende Quelle, die lites adsertorias als Oberbegriff verwendet. Der Begriff wird allerdings nur an dieser Stelle erwähnt, vgl. ThLL 2, sv assertorius Sp. 872. 40  Mit der umstrittenen Frage, wie oft ein solcher Freiheitsprozess wiederholt werden konnte, beschäftigt sich Nicolau, Causa liberalis, S.  198–202. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die vindicatio in servitutem (vgl. Fn. 20) beliebig oft wiederholt werden kann, Buckland, Slavery, S.  668, stellt den Meinungsstand dar. 41  Schiemann Art. Lex, DNP 7, Sp.  115. 42  Wenger, Quellen, §  77, S.  532. 43  Zur appellatio im Freiheitsprozess s. Zweiter Teil, Abschnitt 3, B. IV. 2. b); allgemein vgl. Kaser / Hackl, RZ, § 75, S. 501–510; Litewski, RIDA 3 sér 12 (1965), 347–436; 13 (1966), 231–323; 14 (1967), 301–403; 15 (1968), 143–351. 44  Buckland, Slavery, S.  668. 45  Kaser / Hackl RZ §  75, S.  501.

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richtsentscheidungen im Kognitionsverfahren möglich46. Auf den Formularprozess wurde sie später erstreckt47. Im ordentlichen Freiheitsprozess konnte gegen ein Urteil zunächst nicht appelliert werden, während für den klassischen Kognitionsprozess Fälle der Berufung im Freiheitsprozess belegt sind48. Zu Zeiten Justinians wird der Freiheitsprozess ausschließlich als (nachklassischer) Kognitionsprozess49 durchgeführt. Das Verfahren war also kein hinreichender Grund dafür, dass eine Appellation nicht möglich gewesen wäre. Die Berechtigung zur Appellation hatte jeder, der ein rechtlich anerkanntes Interesse50 hatte. Als Prozesspartei wäre damit unproblematisch der adsertor berechtigt. Der Verweis Justinians auf die Berufung hat deshalb lediglich deklaratorischen Charakter. Justinian macht damit deutlich, dass für eine Sonderregelung wie die mehrfache Prozessführung kein Raum mehr ist, weil die Rechtsmittel im Kognitionsprozess ausreichend sind. Durch die Abschaffung der mehrfachen Prozessführung gliederte Justinian den Freiheitsprozess endgültig in den Instanzenzug ein. II. C.  7, 17, 1, 1: Die Sicherung von Sondergut und anderen Gegenständen Super peculio etiam eorum vel aliis rebus aut causis veterem defensoris observationem tollimus, praecipientes illorum tantummodo peculia, qui ex possessione servitutis super libera condicione litigant, aliasque res quae vindicantur in tuto pro dispositione iudicis collocari.

1. Die justinianischen Änderungen In C.  7, 17, 1, 1 hebt Kaiser Justinian eine alte Regel auf, die das Sondervermögen und andere Sachen und Gegenstände der vermeintlichen Sklaven betrifft. Er ordnet an, dass peculium und andere Gegenstände, de46  Kaser / Hackl

RZ, §  75, S.  502. gegen Urteile im ordentlichen Verfahren sind seit Claudius belegt, Paulus, Art. appellatio, DNP 1, Sp.  901; Kaser / Hackl, RZ, §  75, S.  503. Anders als im Kognitionsverfahren ist sie aber nicht regelmäßiger Rechtsbehelf. Buckland, Slavery, S.  653, gibt einen guten Überblick über mögliches Verfahren und Zuständigkeiten im Freiheitsprozess. 48  Alex. C.  7, 16, 4; PS 5, 33, 7. 49  Der Formularprozess wird endgültig 342 n. Chr. abgeschafft, Const. / Const. C. 2, 57, 1; Buckland, Slavery, S. 653. Zur Rückbildung des Formularprozesses vgl. Kaser / Hackl, RZ, §  23, S.  168–171. 50  Kaser / Hackl RZ, §  75, S.  506. 47  Berufungen



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ren Eigentum umstritten ist, künftig sequestriert51 werden sollen (in tuto pro dispositione iudicis collocari). Da eine Verwahrung (collocare52) beim Richter angeordnet wird, liegt ein Fall der notwendigen (obrigkeitlichen) Verwahrung (sequestratio necessaria) vor. In der Klassik53 war die Sequestration ein Privatvertrag (sequestratio voluntaria): Die Parteien einigen sich auf die Übergabe der streitigen Sache an einen neutralen Dritten, der sie bis zum Prozessende sicher verwahrt. Seit der Kaiserzeit54 entwickelte sich die Sequestration zu einem prozessualen Sicherungsmittel, so dass zu Justinians Zeiten die notwendige Sequestration die freiwillige in großem Maße eingeschränkt, wenn nicht gar verdrängt hatte55. Über die Jahrhunderte wurde damit der ursprüngliche Sequestrationsvertrag zu einer gerichtlich angeordneten Prozesssicherheit, derer sich Justinian hier bedient56. Im Freiheitsprozess gilt die Besonderheit, dass nicht der Streitgegenstand 51  Die Sequestration ist sehr umstritten, grundlegend dazu Muther, Sequestra­tion und Arrest, Leipzig, 1856; Voigt, Vom Besitz des Sequesters, Freiburg 1885; Nikonoff, Die Lehre von der Sequestration nach römischem Recht, Berlin 1894. 52  ThLL 3, sv collocare, Sp.  1645: C.  7, 17, 1, 1 wird als Beleg genannt. 53  Vgl. Weiss, Art. sequester, RE 2 A, 2, Sp.  1659, besonders umstritten war die Frage, ob der Sequester Besitz an der Sache erlangte oder nicht, vgl. z. B. Kaser, RP 1, §  94, S.  389 und RP 2, §  239, S.  253, Muther, Sequestration und Arrest, S.  226– 244; zur sequestratio voluntaria vgl. Paul. D.  16, 3, 6 (2 ad ed.); Flor. D.  16, 3, 17 (7 inst.); Ulp. D.  16, 3, 5, 1 (30 ad ed.); Papir. Iust. D.  49, 1, 21, 3 (1 de const.). 54  Die zeitlich erste Quelle für diese Art der Sequestration ist ein Edikt des Präfekten von Ägypten, Valerius Eudaimon, 138 n. Chr., der allerdings das Edikt des Vorgängers Mamertinus übernimmt: P. Oxy. 2, 237 (ed. Grenfell / Hunt); Col. VIII, Z.  7. In Hon., Theod., Const., C.  Th. 2, 27, 1, 3 (a. 421) findet sich die gleiche Vorschrift. In Hon., Theod., C.  4, 4, 1 wurde sie 422 aufgehoben. 55  Weiss, Art. sequester, RE 2 A, 2 Sp.  1660, ist der Ansicht, dass sie weiter existierte, Muther, Sequestration und Arrest, S.  358, differenziert und schreibt, dass sich die Sequestration des klassischen Rechts von der Hinterlegung bei einem Dritten zur Wegnahme auf richterliche Anordnung geändert hat. Allerdings gesteht er zu, dass Pap., D.  36, 3, 5, 1 (28 quaest.) einen Fall behandelt, der eine Sequestration nach klassischem Recht zugrunde legt. 56  C.  7, 17, 1, 1 wird in der Literatur zur Sequestration nicht besprochen. Interessant ist zudem, dass die Wendung „pro dispositione iudicis“ an keiner anderen Stelle im Zusammenhang mit der Sequestration verwendet wird. In Zeno, C.  1, 29, 3 (a. 476–485) steht „iudicum dispositionibus“ für Verfügungen des Richters. Es geht nicht um Gegenstände, die seiner Verfügung unterstellt werden. Vielleicht wurde sie von Iustinian geschaffen. Auch die Wendung „in tuto collocanda“ kommt nur in einem anderen justinianischen Reskript vor, in Iust., C.  11, 48, 20, 4 (a. 529). In diesem Reskript an den praefectus praetorio Demosthenes am 30.  November 529 heisst es: reliqua quantitate, quae in reditus puros remanet, in tuto collocanda et litis terminum expectante: §  5 Nullo praeiudicio sive colonis sive dominis ex huiusmodi fideiussione vel sequestratione vel publicarum functionum solutione generando: … Der Zusammenhang zwischen der Verwahrung an sicherer Stelle und der Sequestration wird hier deutlich.

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„Sklave“ für die Dauer des Prozesses sequestriert wird, sondern streitige Vermögensgegenstände. Das Sondergut soll nur im Fall einer vindicatio in libertatem verwahrt werden, wenn der vermeintliche Sklave aus dem Zustand der Sklaverei auf die Freiheit klagt. Deshalb verwendet Justinian die Wendung qui ex possessione servitutis57 super libera condicione litigant. Diese Einschränkung gilt nicht für die alias res. Ist deren Eigentum umstritten (quae vindicantur), so werden diese Gegenstände immer sequestriert, unabhängig davon ob der vermeintliche Herr mit einer vindicatio in servitutem gegen den vermeint­ lichen Sklaven vorgeht oder ob der Sklave den vermeintlichen Herrn auf seine Freiheit verklagt (vindicatio in libertatem). Für die Frage, wie umfangreich die Änderungen sind, muss die bis dato geltende Rechtslage ermittelt werden. 2. Die vorjustinianischen Regelungen: C.  7, 18, 3 und C.  Th. 4, 8, 6 Kaiser Konstantin äußert sich 323 n. Chr. in einer umfangreichen Konstitution zu Prozesssicherheiten im Freiheitsprozess. Diese Konstitution ist doppelt überliefert: In C.  Th. 4, 8, 6, 4 liegt sie vollständig vor, die wesentlichen Teile für die Sequestration im Freiheitsprozess wurden in C.  7, 18, 3 übernommen58. Die Änderungen der Kompilatoren wurden hervorgehoben C.  Th. 4, 8, 6, 4–7

C.  7, 18, 3

4 Et quoniam vicissim etiam ipsis, qui his rem commiserunt, medendum est, si quisquam omnium qui supra comprehensi sunt, in libertatem proclamaverit, id, quod apud se esse eius, qui se dominum dicit profitebitur, quoniam de eo non dubitatur, reddi ac referri iudex protinus pronuntiabit.

Si quis in libertatem proclamaverit, id, quod apud se esse eius qui se dominum dicit profitebitur, quoniam de eo non dubitatur, reddi ac referri iudex protinus pronuntiabit.

57  Die Wendung ex possessione servitutis hat wohl keine eigenständige Bedeutung und soll betonen, dass die Betroffenen im Zustand tatsächlicher Knechtschaft sind, vgl. Wlassak, SZ 26 (1905), 378 Fn.  1. Dieser Ausdruck findet sich im Codex und den Digesten auch an anderen Stellen: Diocl. / Maxim. C.  3, 22, 4 (a. 293); Konst. C.  7, 19, 7 pr. (a. 317–319?); Ulp. D.  3, 3, 33, 1 (9 ad ed.); Ulp. D.  38, 2, 16 pr. (45 ad ed.); Paul. D.  41, 2, 3, 10 (44 ad ed.). 58  C.  Th. 4, 8, 6 pr in C. 8, 46, 10; Teile von C.  Th. 4, 8, 6, 4 und 5–7 in C.  7, 18, 3; Muther, Sequestration und Arrest, S.  250–260, behandelt diese Konstitution Konstantins ausführlich.



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5 Quod vero petitur, si id fuerit negatione controversum, per cautionem assertoris, ut alia lege comprehensum est, conservabitur, ac petitio differetur, ut, si fuerit adprobata spoliata libertas, gestarum rerum ab eodem ratio atque omne quod debebitur reposcatur, ut servitute depulsa qui pro domino quondam fuerat habeat, quod ut servo domini iure largitus est et quae ex earum rerum quaestu ac fructibus conciliata sunt et quae de furtivis conpendiis obscure capta ac parata sunt, cum liberum esse non oporteat, quod apud servum dominus peculii nomine collocaverat.

1 Quod vero petitur, si fuerit negatione dubium, per cautionem conservabitur ac petitio differetur, ut, si fuerit approbata libertas, (quoniam et ipsis, qui his rem commiserunt, medendum est) gestarum rerum ab eodem ratio atque omne quod debebitur reposcatur, ut servitute depulsa qui pro domino quondam fuerat habeat, quod ut servo dominii iure largitus est et quae ex earum rerum quaestu ac fructibus conciliata sunt et quae de furtivis compendiis obscure capta ac parata sunt, cum liberum esse non oporteat, quod apud servum dominus peculii nomine collocaverat.

6 Ea vero, quae testamento vel donatione quaesita sunt aut quae ex earum rerum emolumentis empta confectaque sunt, eidem ingenuo deputentur.

2 Ea vero, quae testamento vel donatione quaesita sunt aut quae ex earum rerum emolumentis empta confectaque sunt, eidem ingenuo deputentur.

7 Quae tamen universa exacto libertatis iudicio, quoad a supra dictis rebus discernuntur, in sequestri esse opportet, ut his ab utroque deductis atque in medio iure locatis ad eorum proprietatem unterque contendat.

Quae tamen universa exacto libertatis iudicio, quae a supra dictis rebus discernantur, in sequestro esse oportet, ut his ab utroque deductis atque in medio iure collocatis ad eorum proprietatem uterque contendat.

Adressat ist der Stadtpräfekt von Rom (praefectus urbi) Valerius Maximus. Seine Amtszeit dauerte von 319–323 n. Chr.59. Er war Adressat einer ganzen Reihe von Konstitutionen. Der Titel C.  7, 18 trägt die Überschrift „quibus ad libertatem proclamare non licet et de rebus eorum, qui ad libertatem proclamare non prohibentur“. C.  7, 18, 1 und 2 behandeln Ausschlussgründe und in C.  7, 18, 3 geht es um den Besitz der vermeintlichen Sklaven. Auch bei dieser Konstitution fehlen Protokoll, prooimion und narratio60. a) Kautionsleistung und Sequestration C.  7, 18, 3 lässt sich in drei Regelungsabschnitte unterteilen (principium, §§  1, 2, s. a. C.  Th. 4, 8, 4–7). Gegenstände, die unbestritten dem vermeintlichen Herrn gehören, sind diesem zurückzugeben (C.  7, 18, 3 pr). Darunter kann das peculium des 59  Martindale, 60  Zu

PLRE 1, Maximus 48. den Bestandteilen einer Urkunde vgl. oben unter A. I.

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vermeintlichen Sklaven fallen, wenn der Umfang nicht umstritten ist, oder anderes Herrenvermögen, das im Besitz des Sklaven ist. Für andere Sachen und Gegenstände, die streitig sind, muss Sicherheit geleistet werden (C.  7, 18, 3, 1). Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der vermeintliche Sklave als institor eingesetzt wurde und Gewinne erzielt hatte, über deren Umfang er erst Rechenschaft ablegen muss. Auch diebische oder sonstige Gewinne aus dem Sondergut würden dem vermeintlichen Herrn zustehen, weil sie direkt aus dem peculium resultieren. An dieser Stelle wurde die Konstitution geändert: In C.  Th. heisst es per cautionem assertoris, ut alia lege comprehensum est, in C. 7, 18, 3, 1 nur noch per cautionem. Ursprünglich musste der adsertor die Kaution leisten, die Kompilatoren strichen assertoris, bevor sie die Konstituion in den Codex Iustinianus aufnahmen. Die Kautionspflicht des adsertor besteht unabhängig davon, ob er Kläger oder Beklagter ist61. Dies war eine Besonderheit im Freiheitsprozess, um den vermeintlichen Herren vor dem Verlust seines Eigentums zu schützen. In anderen Prozessen musste nur der Beklagte eine Kaution leisten. Die Konstitution (alia lege), die die Kaution vorschreibt, ist nicht überliefert. Sachen, die dem vermeintlichen Sklaven durch Schenkung oder Testament zugewendet wurden oder aus Einkünften dieser Sachen stammen, werden diesem zugesprochen (C. 7, 18, 3, 2). Dies folgt aus dem Grundsatz, dass der Sklave nach Einleitung des Prozesses grundsätzlich wie ein Freigeborener zu behandeln ist62. Alle anderen Gegenstände (quae a supra dictis rebus discernantur), die nicht durch Schenkung oder Testament zugewendet worden sind, sollen sequestriert werden. Darunter fallen die streitigen Gegenstände, die in C.  7, 18, 3, 1 aufgeführt sind. Für die Fälle des C.  7, 18, 3 pr. wäre eine Sequestration überflüssig, weil das Eigentum des Herrn an diesen Dingen nicht streitig ist. Die Sequestration soll „exacto libertatis iudicio“ erfolgen. Exacto libertatis iudicio kann sowohl „nach Geltendmachung des Freiheitsprozesses“ als auch „nach Beendigung des Freiheitsprozesses“ bedeuten63. Geht man von der ersten Variante aus, so wäre die obrigkeitliche Verwahrung ein zweites Sicherungsmittel neben der Kautionsleistung des adsertor (C. 7, 18, 3, 1). Da eine solche bewusste doppelte Sicherung unwahrscheinlich scheint, 61  Muther,

Sequestration und Arrest, S.  256; Lenel, EP, S.  386. Paul. D.  40, 12, 24 pr. (51 ad ed.): ordinata liberali causa liberi loco habetur is, qui de statu suo litigat,… Dieser Grundsatz, dass die vindiciae secundum libertatem zu erteilen sind, war laut Pomp. D.  1, 2, 2, 24 (lib. sing. ench.) schon in den Zwölftafeln enthalten. Das ist umstritten, es wird vertreten, dass der Satz im Edikt enthalten war, s. Buckland, Slavery, S.  661. 63  Heumann / Seckel, Handlexikon, sv exigere, S.  191. 62  Vgl.



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ist die zweite Variante vorzuziehen: Nachdem der Freiheitsprozess beendet wurde64 und der Sklave für frei erklärt wurde, sollen die Gegenstände, deren Eigentum streitig ist, für den folgenden Eigentumsprozess gesichert werden. Dass es um einen zweiten Prozess geht, ergibt sich auch aus dem letzten Halbsatz ad eorum proprietatem uterque contendat. Die Sequestra­ tion tritt damit im Vindikationsprozess an die Stelle der vorher üblichen cautio iudicatum solvi65. Dadurch soll der Prozess erleichtert werden. Streiten der vormalige dominus und der ehemalige servus um das Eigentum an mehreren Gegenständen, so bestimmen sich Kläger- und Beklagtenrolle danach, wer die Sache in Besitz hat. Für die Sachen, die im Besitz des vormaligen Sklaven sind, ist er Beklagter, geht es um Sachen im Besitz des ehemaligen Herren, ist der Sklave Kläger. Dadurch würde es zu einer Vielzahl von Eigentumsprozessen kommen, die die Parteien wechselseitig zur Kautionsleistung verpflichten würde66. Durch die Sequestrierung der streitigen Gegenstände entfällt dieses Problem. b) Zusammenfassung C. Th. 4, 8, 6, 4 und C. 7, 18, 3 sind daher folgendermaßen zu verstehen: Ist es unstreitig, dass die Sache dem Herrn gehört, so ist sie diesem bei Prozessbeginn zurückzugeben (C.  Th. 4, 8, 6, 4; C.  7, 18, 3 pr.). Darunter kann auch das Sondergut des Sklaven fallen. Gegenstände, die dem Sklaven geschenkt oder durch Testament zugewendet wurden, sind diesem zuzuteilen. Ist es streitig, ob der vermeintliche Herr oder der vermeintliche Sklave Eigentümer ist oder ist der Umfang (beispielsweise des Sonderguts) streitig, so kann der Sklave das Vermögen zunächst behalten. Es muss aber Sicherheit dafür geleistet werden (zunächst vom adsertor, nach der kompilatorischen Änderung vom vermeintlichen Sklaven). Ist der Freiheitsprozess abgeschlossen, so werden die streitigen Gegenstände für die Dauer des folgenden Vindikationsprozesses sequestriert. 3. Vergleich von C.  7, 18, 3 und C.  7, 17, 1, 1 Justinian vereinfacht die Rechtslage und hebt die Kautionsleistung des adsertor, die observationem defensoris veteris, für die streitigen Gegenstände auf. Dies lässt sich mit dem Wandel der Sequestration vom Privatvertrag 64  So auch Heumann / Seckel, Handlexikon, S. 191, und Muther, Sequestration und Arrest, S.  258. 65  Muther, Sequestration und Arrest, S.  260. 66  Muther, Sequestration und Arrest, S.  260.

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zur Prozesssicherheit67 erklären. Für das Sondergut ordnet er immer die Sequestration an. Justinian trennt nicht zwischen dem Freiheitsprozess und dem Eigentumsprozess. Nach dem Wortlaut von C.  7, 17, 1, 1 sollen die streitigen Gegenstände schon im Freiheitsprozess sequestriert werden. Das Fortbestehen der Kautionsleistung in C. 7, 18, 3, 1 ist wohl ein redaktionelles Versehen. Für das Sondergut ordnet Justinian immer die Sequestration an. Der Vergleich mit der Rechtslage in C.  7, 18, 3 ergibt für diesen Fall keine gravierende Änderung abgesehen von der Abschaffung der Kaution. Unter C.  7, 18, 3, 2 fällt auch das Sondergut, wenn Bestehen und Umfang streitig sind. Zwar ist der Wortlaut in C.  7, 17, 1, 1 nicht eindeutig (quae vindicantur kann sich auf peculia,…, aliasque res oder nur auf alias res beziehen), dennoch ist zu vermuten, dass, wenn Bestehen und Umfang des Sonderguts unstreitig sind, dieses auch nach der justinianischen Änderung an den vermeintlichen Herrn zurückzugeben ist. Im Wesentlichen beschränkt sich die Änderung Justinians darauf, die Kaution als veraltetes Sicherungsmittel durch die Sequestration zu ersetzen. III. C.  7, 17, 1, 2: Sicherheitsleistungen des Sklaven, Folgen des Nichterscheinens Omnes vero, qui pro libertate periclitantur, si quidem possint fideiussorem dare, eum exigi: sin vero re vera datio eius impossibilis eis sit hocque iudici manifeste ostendatur, iuratoriae cautioni committi: scientes quod, si post huiusmodi expositionem afuerint et edictis citati in absentia nihilo minus per unum annum duraverint, omnimodo servituti obnoxii erunt et eius dominio, qui litem eis intulit, sine ulla dubitatione adsignabuntur.

§  2 behandelt Sicherheitsleistungen für das Erscheinen und die Folgen des Nichterscheinens des beklagten, vermeintlichen Sklaven. Dass der Scheinsklave Beklagter ist, ergibt sich aus dem Relativsatz eius dominio, qui litem eis intulit am Ende von §  2: (er wird) der Herrschaft desjenigen (zugesprochen), der den Rechtsstreit angefangen hat. Vorrangige Sicherheit ist die Bestellung eines Bürgen (fideiussorem dare). Im römischen Recht gibt es drei Stipulationsbürgschaften, die sponsio, die fideipromissio und die fideiussio68. Die hier verwendete fideiussio ist die jüngste der drei genannten Formen, sie entsteht im letzten Jahrhundert vor 67  Zu dieser Entwicklung vgl. Nikonoff, Die Lehre von der Sequestration nach römischem Recht, §§  1–6 (Sequestration als Kautionsmittel), S.  28–35, zu C.  7, 18, 3, §  5, S.  33. 68  Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, §  57, Rn. 4, S.  300.



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Christus und verdrängt die anderen beiden Bürgschaftsformen69. Durch die Bürgschaft wird gesichert, dass der Scheinsklave bis zum Ende des Prozesses anwesend ist70. Ist ihm die Stellung eines Bürgen unmöglich (datio eius impossibilis eis sit), so gestattet ihm Justinian eine Sicherheitsleistung durch Eid (cautio iuratoria). Unter cautio versteht man jedes in Stipulationsform abgegebene Versprechen, mit dem jemand eine Leistung, insbesondere Schadensersatz, für den Fall zusichert, dass der andere Teil aus einem bestimmten Umstand einen Schaden erleidet. Die cautio kann als nuda ohne weitere Sicherung oder verstärkt durch Bürgschaft (satisdatio) oder Pfand71 übernommen werden. Die cautio iuratoria, bei der die Sicherheitsleistung in einem eidlichen Versprechen (iusiurandum) besteht, wird in einigen Fällen ausnahmsweise begehrt oder zugelassen, z. B. für den Statthalter, illustres viri, den Kanzleisekretär (memorialis72) oder Grundbesitzer73. Sie ist eine Ausnahmeregelung für einen privilegierten Personenkreis. In diesen nimmt Justinian nun auch die Sklaven auf, die einen Freiheitsprozess führen. Wie die Rechtslage vor Justinian war, ist nicht bekannt, sie scheint strenger gewesen zu sein74. Der adsertor muss, wie die Untersuchung von C 7, 18, 3, gezeigt hat, Sicherheit für das Sondergut und umstrittene Gegenstände leisten. Es ist wahrscheinlich, dass er Sicherheit für sein Erscheinen und wohl auch für das Erscheinen des streitigen Sklaven, leisten muss75. Flieht der Beklagte, der die cautio iuratoria geleistet hat, so wird er wegen Meineids verfolgt, der Richter kann den Kläger – nach Prüfung im einseitigen Verfahren – in die bona des Beklagten einweisen76. 69  Kaser / Knütel,

Römisches Privatrecht, §  57, Rn. 8, S.  301. RZ, § 87, S. 573 führt aus, dass bei dinglichen und persön­lichen Klagen nur für das Erscheinen Sicherheit zu leisten ist. 71  Kaser RP 1, §  128, S.  539. 72  Memoriales waren zunächst Kanzleibeamte in der ersten Abteilung (scrinium memoriae) der sacra scrinia, der kaiserlichen Büros. Seit dem späten 5. Jahrhundert wurden die Kompetenzen der drei scrinia (memoriae, epistolarum, libellorum) nicht mehr deutlich voneinander unterschieden. Deren Beamte werden generell als memoriales bezeichnet. Den hohen Status der Bediensteten zeigen beachtliche Ehren und Privilegien; Enßlin, Art. memoriales, RE Bd. 15, 1, Sp. 657; Walde, DNP 7, Art. memoriales, Sp.  1208, Gizewski, Art. scrinium, DNP 11, Sp.  307. 73  Leonhard, Art. cautio, RE, 3, 2, Sp.  1815; Zeno C.  1, 49, 1, 1 (a. 479): cautio iuratoria des Statthalters, dass er sich Klagen des Volks stellen wird; Zeno C.  12, 1, 17 (a. 485–486): cautio iuratoria bei Klagen gegen illustres viri; Anast. C.  12, 19, 12 pr (ohne Jahresangabe): Bei Abwesenheit des memorialis (Kanzlei­ sekretär); Zeno C.  12, 21, 8, 1 (a. 484): Bei Besitz von unbeweglichem Vermögen; Zeno C.  12, 29, 3, 3b (scholares; keine Jahresangabe). 74  Buckland, Slavery, S.  656. 75  Lenel, EP, §  180, S.  386; Zweiter Teil, Abschnitt 3, D. II. 76  Kaser / Hackl, RZ, §  87 S.  574 Fn.  34. 70  Kaser / Hackl,

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Als Grund für die Privilegierung nennt Justinian die Folge, die den Sklaven bei Säumnis77 trifft: Bleibt der Beklagte aus, so wird er dreimal durch Edikte im Abstand von 30 Tagen geladen (edictis citati). Erscheint der Beklagte daraufhin nicht zum abschließend (durch edictum peremptorium) festgesetzten Termin, findet ein Jahr nach dem ersten Edikt eine einseitige Verhandlung mit dem Kläger statt, die die Verurteilung des Beklagten zum Gegenstand hat78. Eine Sachprüfung erfolgt grundsätzlich nicht79, für den klassischen Freiheitsprozess wurden allerdings Ausnahmen gemacht80, die eine Verurteilung des anwesenden (vermeintlichen) Eigentümers möglich machen. Justinian stellt auch an dieser Stelle den Freiheitsprozess den übrigen Prozessen gleich: Fehlt der vermeintliche Sklave bei der Gerichtsverhandlung dann wird er sine ulla dubitatione der Herrschaft des vermeint­ lichen Herrn zugewiesen. IV. C.  7, 17, 1, 3: Gerichtsort und Sanktionen bei doppelter Klageerhebung 3 Scire vero eos volumus, qui aliquem ad servitutem vocant, quod, si post primam accusationem in quocumque iudicio vel ex divali iussione factam et admonitionem ei oblatam, qui servus esse dicitur, in alio iudicio eum accusaverint (praeterquam si eius occasionem ipse qui servus esse dicitur praestiterit), etsi domini sint, suo iure privabuntur.

§  3 sanktioniert die doppelte Klageerhebung des dominus. Mit der Ladung des Sklaven wird das Verbot eines zweiten Prozesses über die Sache verbunden81. Neben der Klageerhebung (accusatio) vor einem Gericht wird die iussio divalis als Möglichkeit der Verfahrenseinleitung genannt. Der Begriff iussio divalis kommt in dieser Kombination weder in den Digesten noch im Kodex vor82. Der Ausdruck iussio ist in der lateinischen juristischen Terminologie des sechsten Jahrhunderts auch für generelle Anordnun77  Wann das Säumnisverfahren eingeführt wurde, ist nicht sicher, nach Buckland, Slavery, S.  658, wohl nach Konstantin, Kaser / Hackl, RZ, §  87, S.  570, behandelt das Säumnisverfahren beim Libellprozess, der Mitte des 5. Jh. entstand, und geht damit von einem späteren Zeitpunkt aus, Steinwenter, Versäumnisverfahren, S.  1, redet vom „nachklassischen Verfahren“; vgl. Buckland, Slavery, S.  658 Fn.  14: Belege für die Entscheidung in Abwesenheit: Ulp. D.  40, 12, 27, 2 (2 de off. cons.); Alex. C.  7, 16, 4, 40 (ohne Jahresangabe). 78  Kaser / Hackl, RZ, §  87, S.  575. 79  Kaser / Hackl, RZ, §  87, S.  576, Fn.  49; vgl. §  71, S.  477–481. 80  Ulp. D.  40, 12, 27, 2 (2 de off. procons.); zur klassischen Rechtslage vgl. Zweiter Teil, Abschnitt 4, D. III. 81  Kaser / Hackl RZ, §  91, S.  594. 82  ThLL 7, 2, 1, sv iussio, Sp.  706–708, führt C.  7, 17, 1, 3 nicht auf, sv divalis, Sp.  1568 findet man für divali iussione nur die vorliegende Quelle.



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gen des Kaisers zulässig83. Divalis bedeutet „kaiserlich“ und wird beispielsweise im Zusammenhang mit lex oder constitutio verwendet84. Neben der Anklageerhebung gibt es die Möglichkeit, dass ein Prozess aufgrund einer kaiserlichen Anordnung angestrengt wurde. Buckland vermutet, dass der Sklave ex divali iussione von seinem Aufenthaltsort weggebracht wurde und deshalb ein anderes, sonst unzuständiges, Gericht bemüht wird85. Die Unzuständigkeit des Gerichts lässt sich aus der vorliegenden Konstitution jedoch nicht schließen. Liegt jedenfalls eine Klage vor irgendeinem Gericht vor und ist die Ladung (admonitio86) zugestellt, so wird eine erneute, ungerechtfertigte Klageerhebung vor einem anderen Gericht mit dem Prozessverlust des Herrn bestraft. Wann eine doppelte Klageerhebung gerechtfertigt ist, ergibt sich nicht aus dem vorliegenden Text. Eine Möglichkeit wäre, dass der Sklave sie durch Flucht herausfordert. Ob der Prozessverlust eine direkte Folge aus dem Verbot der doppelten Klageeerhebung ist, lässt sich nicht feststellen. Die Tatsache, dass Justinian die Rechtsfolge aufführt, könnte auch dafür sprechen, dass es eine besonders strenge Folge ist, die nur im Freiheitsprozess droht. Darauf deutet auch der Satzteil etsi domini sint hin: selbst wenn der Herr im Recht ist, würde er den Prozess verlieren.

B. Ein kaufrechtliches Problem als Folge der Reform C.  7, 17, 2 (a. 531) Expeditam antea quaestionem, in praesenti autem ex nostra lege, quam de adsertione tollenda posuimus, in quandam difficultatem incidere periclitantem, compendioso remedio fulciendam esse censemus. 1  Cum enim per adsertores super libertate iudicium agitabatur, si in medio adsertore litem agente adsertus ab hac luce fuerit subtractus, necessitas imponebatur nihilo minus adsertori litem implere, ut emptor, si victus erat et pro libertate fuerat pronuntiatum, habeat regressum adversus venditorem, ut ei quasi liberae personae venditor reddat id, quod emptionali instrumento continebatur vel natura contractus exigebat. 2  In praesenti autem, quia adsertorum vana nomina reiecta sunt, si persona pro cuius condicione lis agitur, mortua fuerit, quemadmodum iudicium potest adimpleri una tantummodo persona in iudicium veniente? 83  Kaiser,

Authentizität und Geltung, S.  197. Mayr, VCI, sv divalis Sp.  871. 85  Buckland, Slavery, S.  658 Fn.  6. 86  Admonitio bedeutet üblicherweiseMahnung (Heumann / Seckel, Handlexikon, sv admonitio, S.  16), wird an dieser Stelle aber im Sinne von Ladung verwendet werden, vgl. Gordian C.  7, 43, 2 (a. 238). 84  s.

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3 Sancimus itaque in praesenti casu licentiam esse emptori adversus suum auctorem venire, quatenus vel ostendat venditor servum se vendidisse vel, si non potuerit, quasi libera persona vendita evictionis periculum ad eum revertatur.

Die zweite Konstitution im Titel de adsertione tollenda richtet sich an Johannes, den Kappadoker87, der vom 20.  Februar 531 bis zum 14.  Januar 532 und von Oktober 532 bis 541 Praefectus praetorio Orientis war. Seine erste Amtszeit wurde vom Nika-Aufstand88 im Januar 532 unterbrochen89. Die Konstitution erging am 1. September, eine Jahresangabe ist nicht erhalten. Krüger90 datiert sie auf das Jahr 531, weil am 1.  September 531 weitere Konstitutionen an den PPO Johannes ergingen91, die sich allerdings mit Fragen des Erbrechts und der restitutio in integrum beschäftigen. Aus dem Jahre 532 sind dagegen nur Konstitutionen aus den Monaten März und November92 überliefert. I. Haftung des Verkäufers beim Tod des vermeintlichen Sklaven Ausgangspunkt der Konstitution ist eine Anfrage an Kaiser Justinian, in der es um die Eviktionshaftung beim Sklavenkauf geht, die durch die Abschaffung des adsertor beeinträchtigt wird. Die Sachverhaltsschilderung (narratio) ist nicht erhalten, die Antwort der kaiserlichen Kanzlei lässt auf folgenden Sachverhalt schließen: Ein Sklave strengt einen Freiheitsprozess gegen seinen Eigentümer an, nachdem er diesem gerade verkauft worden ist. Während des Prozesses verstirbt der Sklave. Sein (vermeintlicher) EiMartindale, PLRE 3 627, 635, Ioannes 11. für den Nika-Aufstand waren unter anderem die Unzufriedenheit des Volkes mit der Finanzpolitik, für die Johannes der Kappadoker zuständig war und die daraus resultierende Verarmung der Reichsbewohner. Diese strömten nach Konstantinopel und brachten die Stadt an den Rande eines Kollapses. Die Unruhen entluden sich in erbitterten Kämpfen zwischen den rivalisierenden Zirkusparteien (den Grünen und den Blauen). Das harte Durchgreifen der Behörden führte zur Eskalation beim nächsten Wagenrennen, zehn Tage lang wurde die Stadt geplündert und gebrandschatzt. Meier, Justinian, S.  47–55, mit einer ausfürlichen Schilderung des Aufstands und einer Analyse des Verhaltens des Kaisers. 89  Meier, Justinian, S.  48, schreibt dazu, dass seine Entlassung vom Volk gefordert worden war, weil er wegen finanzieller Maßnahmen unbeliebt gewesen sei. Obwohl er großen Einfluss auf Kaiser Justinian gehabt habe, habe dieser dem Druck des Volkes nachgegeben und ihn entlassen. 90  Krüger, Codex Iustinianus, Appendix I, Index constitutionum, S.  47. 91  C.  1, 3, 49; 1, 5, 22; 3, 28, 37; 6, 22, 12; 1, 3, 50; 2, 3, 29; 2, 41, 2; 2, 52, 7; 2, 55, 6; 3, 28, 35; 3, 28, 36; 6, 28, 4; 3, 31, 12; 5, 59, 5; 6, 43, 3; 7, 47, 1; 8, 10, 13; 8, 39, 4; 8, 47, 10; 8, 56, 4; 12, 33, 7. 92  Krüger, Codex Iustinianus, Appendix I, Index constitutionum, S.  48. 87  Vgl.

88  Ursache



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gentümer will nun wissen, ob und wie er Regress beim Verkäufer nehmen kann. Es geht also um einen Fall der Rechtsmängelgewährleistung und die Frage der Eviktionshaftung des Verkäufers. Eine Eviktion liegt vor, wenn ein Dritter (oder der Verkäufer selbst) wegen seines Eigentums oder eines anderen dinglichen Rechts dem Käufer die Sache im Prozessweg mit dem Erfolg streitig macht, dass dieser sein „Haben“ der Sache verliert oder darin beeinträchtigt wird93. Hier ist die Besonderheit, dass nicht ein Dritter die Sache streitig macht, sondern der Sklave (die Sache selbst) den Prozess beginnt. Nach alter Rechtslage, die in §  1 geschildert wird, führte der adsertor den Prozess auch nach dem Tod des Sklaven zu Ende. Obsiegt er, so kann der unterlegene Käufer das Ergebnis des Prozesses für einen Regressanspruch gegen den Verkäufer nutzen, soweit sich das aus der Kaufurkunde (quod emptionali instrumento continebatur) ergab oder die Natur des Vertrags es erfordert (vel natura contractus exigebat). Aus der Kaufurkunde, ergibt sich die Haftung, wenn Vertragsstrafen für die Eviktion durch Stipulation freiwillig vereinbart94 wurden. Dies ist allgemein üblich, meistens verspricht der Verkäufer das Doppelte der Kaufsumme zu geben (stipulatio duplae95) oder auch den einfachen Kaufpreis96. Im Freiheitsprozess haftet der Verkäufer auf das Vierfache97. Ulp. D.  40, 12, 20, 4 (55 ad ed.) Interdum evenit, ut is qui comparavit habeat in quadruplum actionem: nam in ipsum quidem, qui sciens pro servo veniit, hinc habet in duplum actionem et praeterea in venditorem vel eum, qui duplam promisit, in duplum actio est,

Die Haftung auf das quadruplum ergibt sich an dieser Stelle aber nicht aus der entsprechenden Vereinbarung der Parteien98, sondern aus der Haftung von zwei Personen. Neben dem Verkäufer, der auf das duplum haftet99, besteht eine Haftung des Sklaven auf das duplum, wenn er beim Verkauf Kenntnis vom wahren Status hat. Fehlt eine vertragliche Vereinbarung, so besteht seit Julian in Eviktionsfällen die Möglichkeit aus der actio empti und damit aus der „Natur des 93  Kaser,

RP 1, §  131, S.  554. SZ 121 (2004), 152, 154. 95  Ulp. beschäftigt sich mit dieser beispielsweise in D. 21, 2, 37 pr. (32 ad ed.). 96  Paul. D.  21, 2, 56 pr. (2 ad ed. aed. curul.), Weßel, Das Recht der Tablettes Albertini, S.  188. 97  Die Haftung auf das Vierfache ist nicht dem Freiheitsprozess vorbehalten: Kaser, RP 1, §  131, S.  555. 98  Paul. D.  21, 2, 56 pr. (2 ad ed. aed. curul.). 99  Ulp. D.  40, 12, 18 pr. (55 ad ed.). 94  Nörr,

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Vertrages“ vorzugehen100. Diese bietet als bonae fidei iudicium dem Richter einen Ermessensspielraum101. Die Beweislast für das Vorliegen eines Rechtsmangels als Inhalt beider actiones trug der Käufer, weil der Kläger Grundlage und Inhalt beweisen muss, während der Beklagte den Tatbestand der exceptio und andere ihm günstige Tatsachen belegen muss102. Kann der Freiheitsprozess nach neuer Rechtslage wegen des Todes des Sklaven nicht zu Ende geführt werden103, wird es dem Käufer wegen der geltenden Beweislastregeln unmöglich, seinen Regressanspruch gegen den Verkäufer erfolgreich geltend zu machen. Justinian hilft dem Käufer mit einer Beweislastumkehr: Strengt der Käufer im vorliegenden Fall einen Prozess gegen den Verkäufer an, so soll es nicht mehr ihm obliegen, den Rechtsmangel zu beweisen, sondern der Verkäufer muss beweisen, dass er einen Sklaven, frei von Rechtsmängeln, verkauft hat (ostendat venditor servum se vendidisse). II. Bedeutung der Abschaffung des adsertor Fraglich ist, welche Bedeutung, die Abschaffung des adsertor libertatis in der Rechtspraxis hatte. Handelt es sich um eine tiefgreifende Neuerung, die den Freiheitsprozess umgestaltet, oder passt Justinian die Gesetzeslage an das bisher geltende Recht an? Einen Hinweis dazu gibt C.  7, 17, 2, 2. Justinian weist auf die Abschaffung des adsertor libertatis mit folgender Wendung hin: Quia adsertorum vana nomina reiecta sunt. Die Wendung vanum nomen104 wird von Justi­nian 530 n. Chr. auch in C.  7, 5, 1 im Titel De dediticia libertate tollenda gebraucht: An dieser Stelle wird die Bedeutung von vanum nomen deutlicher. Die dediticii waren ursprünglich als Bewohner von Staaten, die besiegt oder zur deditio gezwungen worden waren, Gewaltunterworfene ohne Rechte. 100  Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, §  41, Rn. 33, S.  233; laut Nörr, SZ 121 (2004), 154, wurde diese aber niemals voll in das bisherige „System“ der Eviktionshaftung integriert. 101  Die Höhe des Schadensersatzes ist bei der Kaufklage umstritten. Es ist wohl davon auszugehen, dass einfacher Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises verlangt werden kann, vgl. Nörr, SZ 121 (2004), 154. 102  Kaser / Hackl RZ § 53, S. 363; dies wurde im klassischen Kognitionsverfahren beibehalten, §  73, S.  491. In nachklassischer Zeit verloren diese Regelungen an Bedeutung, Justinian verlieh den Regelungen zur Beweislast wieder die Geltungskraft fester Rechtsregeln, ebd., §  92, S.  597. 103  s. dazu auch Nicolau, Causa liberalis, S.  144. 104  Vgl. Mayr, VCI sv vanus, Sp.  2405.



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Nach der Lex Aelia Sentia (4 n. Chr.) fielen auch Freigelassene unter den Begriff, die unerwünscht waren, weil sie beispielsweise als Sklaven entehrende Strafen erlitten hatten105. Wie Justinian ausführt, wird von diesem Rechtsinstitut kein Gebrauch mehr gemacht (quia nec in usu esse reperimus), deshalb hebt er es auf, um die Gesetzeslage der faktischen Lage anzupassen. Interpretiert man adsertorum vana nomina im Zusammenhang mit dieser Stelle, so kommt man zu dem Ergebnis, dass Justinian keine große Änderung vorgenommen hat, sondern die rechtliche Lage an die mittlerweile bestehende Praxis anpasst. Der adsertor war durch die prozessualen Veränderungen der vorangegangenen Jahrhunderte überflüssig geworden. Schon die Konstitutionen von Konstantin (322, Erleichterungen bei der Suche nach einem adsertor106) und Theodosius (393, Verzicht auf den adsertor ist unter bestimmten Umständen möglich107) zeugen vom schwindenden Gewicht des adsertor libertatis. Justinians Bestreben, die Rechtslage gerade auch in Statusfragen zu aktualisieren, zeigt sich auch in anderen Konstitutionen: 530 n.Chr schaffte er, die dediticii in C.  7, 5 ab und 531 n. Chr. erging an Johannes den Kappadoker die Konstitution De Latina libertate tollenda et per certos modos in civitatem Romanam transfusa (C.  7, 6, 1). Beide Rechtsinstitute hatten zu seiner Zeit ihre ursprüngliche Bedeutung verloren und werden nicht mehr genutzt.

105  Kaser / Knütel Römisches Privatrecht, §  3, Rn. 11, S.  33; Heumann / Seckel, Handlexikon, sv dediticii, S.  125. 106  C. Th. 4, 8, 5. 107  C. Th. 4, 8, 9.

Fazit Den Freiheitsprozess gibt es im römischen Recht seit den Zwölftafeln. Ob und in welcher Form vor der Kodifikation um die Freiheit gestritten wurde, ist nicht bekannt. Die prozessuale Ausgestaltung der causa liberalis der Zwölftafeln ist stark vom griechischen Recht beeinflusst1, wobei unter griechischem Recht keine griechische Rechtsordnung zu verstehen ist, sondern das Recht, wie es in den unteritalienischen griechischen Kolonien zu finden war: Gleichlaufende Tendenzen in verschiedenen Rechten der griechischen Stadtstaaten2. Parallelen zu diesem „großgriechischen Recht3“ zeigen sich beim adsertor libertatis, der im Zwölftafelgesetz, wie auch im großgriechischen Recht, bis zum ersten vorchristlichen Jahrhundert keine besondere Bezeichnung hatte4, ebenso wie die Ausgestaltung des Freiheitsprozesses als Eigentumsprozess und die Regelung, dass der vermeint­liche Sklave für die Prozessdauer frei ist5. Die Parallele zum Eigentumsprozess bleibt nicht nur im Legisaktionenverfahren bestehen, sondern bestimmt auch den ordentlichen Prozess per formulam vindicatoriam und das Kognitionsverfahren. Aufgrund der prozessualen Veränderungen ist der Freiheitsprozess im klassischen Recht vielschichtig6. Nach der augusteischen Reform7 wird er nicht mehr als Legisaktionenverfahren geführt8. Kap.  84 der Lex Irnitana9 belegt, dass er nicht nur per formulam vindicatoriam geführt wird, sondern daneben ein praeiudicium an liber sit und das Sponsionsverfahren zur Verfügung standen10. Mit der Entwicklung der cognitio extra

1  s. o.

Erster Teil, III. Erster Teil, III. 3  Wieacker, RIDA 3 sér, 3 (1956), 471. 4  Der Begriff adsertor ist das erste Mal bei Livius’ Schilderung des VerginiaProzesses belegt: 3, 44, 8; 3, 45, 3; 3, 46, 7; 3, 47, 8. Cicero verwendet ihn in seinen Reden nicht. ThLL 2, sv assertor, Sp.  870; Nicolau, Causa liberalis, S.  125; Noailles, Fas et Ius, S.  203. 5  Plato, de leg., 11, 8.4.(914 e); Nicolau, Causa liberalis, S.  295. Voraussetzung für die provisorische Freiheit ist allerdings die Stellung von drei Bürgen. 6  Franciosi, Il processo, Premessa, S.  IX. 7  Gai. 4, 30. 8  s. o. Zweiter Teil, Abschnitt 1, C. II. 1. 9  s. o. Zweiter Teil, Abschnitt 1, C. II. 1. 10  s. o. Zweiter Teil, Abschnitt 1, C. II. 1. 2  s. o.



Fazit

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ordinem11 gibt es vermutlich seit dem Beginn des zweiten Jahrhunderts n. Chr. neben den Rechtsbehelfen des ordentlichen Prozesses eine weitere Möglichkeit, Freiheit oder Sklavenstatus eines anderen gerichtlich geltend zu machen. Eine Gemeinsamkeit haben alle Verfahrensformen: Der favor libertatis12 inspirierte Sonderregeln. Im Legisaktionenverfahren galt neben der Regelung vindicias sunt secundum libertatem13 ein reduziertes sacramentum14. Im klassischen Verfahren, sei es per formulam oder im Rahmen der cognitio extra ordinem, wurde der Grundsatz, dass der Zwischenbesitz secundum libertatem zu erteilen ist, angepasst, weil der Prätor in diesen Verfahrensformen keinen Zwischenbesitz mehr erteilte. Der Umstrittene gilt für die Zeit des Prozesses als libero loco15. Eine Person konnte nur als adsertor libertatis abgelehnt werden, wenn sie der Prätor oder der sonst zuständige Magistrat als suspectus ansah16. Der adsertor konnte während des Prozesses ersetzt werden17. Bei Stimmengleichheit18 unter den Richtern musste pro libertate entschieden werden. Auch wenn die gleiche Anzahl von Zeugen für und gegen die Freiheit aussagte, führte dies zu einem Urteil pro libertate19. Über die Freiheit durfte nicht von einem arbiter entschieden werden20. Auch wenn dem adsertor Arglist vorzuwerfen war, konnte das pro libertate ergangene Urteil nicht angegriffen werden21. Alle diese Regelungen, die 11  s. o.

Zweiter Teil, Abschnitt 1, C. II. 2. favor libertatis allgemein vgl. Huchthausen, Philologus 120, 1 (1976), 47–72. Es handelt sich nicht um einen juristischen Fachbegriff, sondern um ein Schlagwort, das auch in politischem Kontext zu finden ist, Huchthausen, ebd., S. 69; Castello, Sodalitas 5, S. 2175–2189; Ankum, Unfreie Arbeits- und Lebensverhältnisse, S.  82–100. Ders., Sklaverei und Freilassung, S.  1–17; ders., Liber amicorum Juan Miquel, S. 45–78. Der Gedanke, dass es schlimmer ist, einen freien Menschen zu versklaven als einen Sklaven zum Freien zu erklären ist als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch den Griechen bekannt: Arist. Problemata 29, 12, 915 b: δεινὸν γὰρ καὶ τὸ tοῦ δούλου ὠς ἐλεύθερός ἐστι καταγνῶναι πολὺ δὲ δεινότερον, ὂταν τις τοῦ ἐλευθέρου ὠς δούλου καταψηφίσηται. 13  Pomp. D.  1, 2, 2, 24 (lib. sing. ench.); Liv. 3, 44, 12. 14  Gai. 4, 14. 15  Paul. D.  40, 12, 24 pr. (51 ad ed.), Gai. D.  40, 12, 25, 2 (ad ed. praet. urb. tit. de lib. caus.). 16  Zweiter Teil, Abschnitt 2, B. VI. 17  PS 5, 1, 5. 18  Hermog. D.  40, 1, 24 pr. (1 iur. epit.); Paul. D.  42, 1, 38 pr. (17 ad ed.). 19  Hermog. D.  40, 1, 24, 1 (1 iur. epit.). 20  Paul. D.  4, 8, 32, 7 (13 ad ed.). 21  Ulp. D.  4, 3, 24 (11 ad ed.). 12  Zum

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Fazit

verhindern sollten, dass ein freier Mensch zu Unrecht versklavt wurde, blieben bis zur justinianischen Reform in Kraft. Mit den in C.  7, 17, 1 überlieferten Regelungen wird ein Großteil dieser Privilegierungen überflüssig, weil der Umstrittene seine Freiheit selbst verteidigen darf. Justinian stärkt auf diesem Weg zwar die Stellung der Sklaven22, es ist aber davon auszugehen, dass der Freiheitsprozess im byzantinischen Recht nicht mehr dieselbe Bedeutung hatte wie zur Zeit der klassischen Juristen. Seit dem dritten Jahrhundert ging die Sklaverei zurück23. Durch die Entwicklung des Kolonats24 beschränkte sie sich immer mehr auf Haussklaven. Sklaven waren nicht mehr Fremde wie in der Republik25 und im frühen Prinzipat. Sie waren entweder hausgeboren oder es handelte sich sogar um Bekannte, die ihre Rechte aufgaben, um der Armut zu entgehen. Der Selbstverkauf und der Verkauf von Kindern nahmen zu. Dabei handelt es sich um Erscheinungen, die auch noch dem byzantinischen Recht bekannt waren26. Durch diese Entwicklungen waren die Sklaven nicht mehr Unfreie schlechthin, sondern sie befanden sich auf der untersten Ebene in einem System der abgestuften Freiheit27. Justinian trägt mit seiner Reform nicht nur der gesunkenen rechtlichen Bedeutung der adsertio Rechnung, sondern auch den gesellschaftlichen Veränderungen. Da die Sklaven aus der Mitte der Bevölkerung stammten, konnte Justinian sein Anliegen, den Stand der Freien in der Reichsbevölkerung zu vergrößern28 auch dadurch fördern, dass er die libertas durch die Reform der causa liberalis29 fördert.

22  Dies zeigt sich auch in C.  7, 7 (a. 530): Der nur von einem Miteigentümer freigelassene Sklave kann sich freikaufen. Der freigelassene Anteil wächst nicht mehr automatisch den anderen Miteigentümern zu. 23  Andreau / Descat, Esclave en Gréce e à Rome, S.  253; Flaig, Weltgeschichte, S.  69. 24  Kaser, RP 1, §  213, S.  142. 25  Flaig, Weltgeschichte, S.  57. 26  Vgl. dazu Liebs, SZ 118 (2001), 290–295; Flaig, Weltgeschichte, S.  71. 27  Flaig, Weltgeschichte, S.  72; das Christentum hat auf diese Entwicklung kaum Einfluss. 28  Vgl. Iust. C.  7, 15, 2 (a. 530): (…) ampliandam enim magis civitatem nostram quam minuendam esse censemus. 29  Wlassak, SZ 26 (1905), 374.

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Quellenverzeichnis Die hochgestellten Zahlen verweisen auf Fußnoten; Kursivdruck kennzeichnet Hauptfundstellen. I. Juristische Quellen 1. Vorjustinianische Quellen Codex Theodosianus 26354 2, 27, 1, 3 4, 14, 1, 1 204185 4, 8, 5, 1a 175 4, 8, 5 129 ff., 176, 25613, 275106 4, 8, 5, 1 176367 4, 8, 6 18016, 17, 18228, 18764, 19086 4, 8, 6, 1 18018 4, 8, 6, 2 18019 4, 8, 6, 4–7 264 ff. 259, 25930, 267 4, 8, 6, 4 4, 8, 6, 5 231382 4, 8, 6, 7 259 4, 8, 6 int. 18017, 18 4, 8, 8 176 f, 4, 8, 9 131, 204184, 25614, 275107 6, 4, 16 95425, 96434, 2558 11, 37, 1 215264 15, 8, 1 96438 Edictum Theoderici (ET) 82 18440 Fragmenta Vaticana § 318 152 § 322 152, 152191, 155213, 159253, 161266, 163273

§ 323 § 324 § 325 § 326 § 338 § 340 b Gai institutiones 1, 9 1, 10 1, 18 1, 20 1, 23 1, 36 1, 37 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 2, 2, 2, 2, 2, 2, 2,

40 47 55 89 90 91 92 167 182 30 49 90 131 146 200 263–266

152, 152192, 155213, 159253, 161266, 163273 126, 141122, 150177, 151 ff. 71261 71261 161259 153, 158242 148170 148171 18230 60190 53132 18230 205191, 196, 2091309, 24297 148172 205191, 196 152912 4354 4353, 55 4354 4355 53132 157 18549 224327 229366 119571 119571 216272 1227



Quellenverzeichnis

2, 2, 3, 3, 3, 3, 4,

275 278 57 70 180–181 180 14

4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4,

30 31 44 46 77 82 83 84 91 93 94

4, 4, 4, 4, 4, 4,

95 101 104 106–108 106 107

4, 4, 4, 4, 4,

108 130 132 133 175

4, 182

53132 92401, 196129 53132 53132 207207 230373 1611, 37, 12416, 132 ff., 167296, 299, 226340, 27714 46 ff., 4782, 83, 2767 4784, 221295 77307, 83 f., 91 1782 247140 126 161258 161261 231380 89382, 386 89383, 168307, 230379, 23969 89386 141124 4785 23974 208, 210232 207207, 208, 210232, 230374 208211 211241 215239, 243 211243 12416, 169318, 170323, 174355 155217, 159253

Lex Romana Burgundiorum 158, 25825 44, 2 Pauli Sententiae 1, 2, 3 int. 1, 5, 2 4, 12

159253, 161266, 163273 175, 17335 244111

4, 5, 5, 5, 5, 5,

301 193110 12415, 171, 27717 23430 23757 86368 12415, 169, 217, 26248

12, 1 1, 5 5a, 3 15, 4 22, 6 33, 7

Sententiae Syriacae (ed. Selb) 59 18439 Syrisch-Römisches Rechtsbuch (SRRB) § 74 a 18338 § 74 b 18337 Ulpiani Epitome 1, 15 1, 18 2, 2 2, 4 19, 11 25, 12

205191, 196 193110, 244111 216272 215268 18549 196129

2. Corpus iuris civilis Institutiones 1, 2, 23, 1 1, 3, 4 1, 5, 3 1, 16 pr. 1, 16, 1 1, 26, 6 2, 7, 4 2, 23, 1 2, 31, 1 3, 7, 4 3, 11, 2 4, 6, 13 4, 10, pr. 4, 11, 1 4, 11, 5 4, 13, 11

197131 188, 192, 192104 53134 205196 188, 192104 153200 193112, 242101 92401 1227 53133, 134 142125 1610, 78314, 82 ff. 125 ff., 160254 142125 142125 153197, 157233

302

Quellenverzeichnis

Digesta 1, 2, 2, 24

1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 2, 2, 2, 2, 2, 2, 2, 2, 3, 3, 3, 3,

2, 2, 29 2, 2, 32 5, 5, 1 5, 21 5, 25 9, 2 17, 1 18, 1 1, 20 4, 8, 1 5, 2 pr. 7, 3 pr. 12, 7 13, 1 13, 1, 3 13, 3 1, 1, 5 1, 1, 6 1, 1, 10 2, 1

3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3,

2, 2, 2, 2, 2, 2, 3, 3, 3, 3,

2, 5 3 4, 5 6, 1 7 14 17 17 pr. 17, 2 19

3, 3, 3, 3, 3,

3, 3, 3, 3, 3,

23 24 25 27 pr 28

3077,

3810,

134, 13678, 149175, 168305, 225330, 230377, 26662, 27713 372 197131 108503, 188, 192 18542, 19190, 19299 91397, 209226 157235 110 114548 76299, 110517 91397, 201164 76300 1225 23315 1781 2338, 15, 230372 23315 156229, 157235 155216 153200 154207, 155214, 217, 157233 153 156230 156227 153200 153200 153200 158243 162991 142, 158243 157238, 158243, 158 ff. 158243 158243 158 ff. 161259 161259

3, 3, 33, 1 3, 3, 39, 5 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4,

3, 3, 3, 3, 3, 3, 5, 5, 6, 2, 2, 2, 2, 2, 2, 3, 3, 3, 3, 4,

39, 7 40, 4 46, 2 51 pr. 54 pr. 73 7, 2 23 1 8, 1 14, 1–2 14, 3 16, 2 17 18 1, 4 1, 5 24 25 9, 4

4, 4, 4, 4,

6, 6, 8, 8,

1, 1 12 32, 6 32, 7

5, 5, 5, 5, 5, 5, 5, 5, 5, 5, 5, 5, 5,

1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 2, 2,

1 2 pr. 2, 1 5 10 53 65 68 69 70 73, 1–2 1 pr. 8, 1

164 ff., 26457 85356, 164 ff., 169308, 231384 153 161 142125 142125 141 ff., 151, 162271 153200 210232 161259 226346 23315, 23643 204187 204189 204189 204189 204189 153200 157235 209, 27721 210232 18231, 18442, 18978, 19189, 93 215262 223313 153200 4994, 54, 70256, 120580, 27720 76300, 110517 76301 77303 76300 173 1226, 1785, 197130 71261 251167 251167 251167 251169 77302 224324



Quellenverzeichnis

5, 2, 10 pr. 5, 2, 24 5, 2, 29, 4 5, 3, 5, 1 5, 3, 7 pr.-2 5, 3, 7 pr. 5, 3, 7, 1 5, 3, 7, 2 6, 1, 1, 2 6, 1, 68 6, 2, 15 8, 5, 2, 1 9, 1, 3 9, 3, 1, 5 9, 3, 7 9, 4, 15 9, 4, 16 9, 4, 42 pr. 9, 4, 42, 1 10, 1, 13 10, 4, 12 pr. 11, 1, 14 pr. 12, 2, 9, 2 12, 2, 10 12, 3, 1 12, 3, 2 12, 3, 5 14, 2, 2, 2 16, 3, 5 16, 3, 6 16, 3, 17 17, 2, 53 17, 3, 11 18, 1, 4 18, 18, 18, 18, 18, 21, 21,

1, 1, 1, 1, 1, 2, 2,

5 6 6 pr. 6, 1 34, 2 37 pr. 56 pr.

56168 56 71261 221303 218 219, 246133 220, 246134 220, 222307 91394 23534 229368 85360 87370 87370 87370 216270 216270 218279, 246127, 247 247 3191 86368, 87 246127, 247 153200 24082 23534 23534 235341 87370 26353 26353 26353 157235 18971 18335, 194118, 196128 18335, 196128 194118 18762 18233 18233, 18762 27395 27396, 98

21, 22, 22, 22, 23, 24, 25, 26, 26, 26, 26, 26, 26, 26, 26, 28,

2, 69, 2 3, 20 5, 3, 2 6, 5 3, 79, 1 3, 22, 6 4, 1, 10 2, 17, 1 2, 26, 2 2, 32, 2 10, 3, 5 10, 3, 6–18 10, 3, 18 10, 4 7, 46, 5 3, 6, 5

29, 29, 29, 29, 30, 32, 33, 33, 35, 35, 36, 36, 37, 37, 37, 38, 38, 38, 38, 39, 39, 40, 40,

1, 29, 1 1, 40, 1 1, 41, 1 3, 2, 4 81, 9 11, 16 4, 11 5, 9, 2 1, 50 1, 92 1, 23, 1 3, 5, 1 4, 16 14, 8 pr 15, 5, 1 2, 16 2, 16 pr. 2, 41 17, 3, 4 1, 14 3, 1, 3 1, 5 1, 24 pr.

40, 1, 24, 1

303 216270 73277, 74279 23427 194113 157235 157235 74284 157235 224324 86368 158242 158242 153200, 158242 158242 210228 179 ff., 18764, 18979, 19192 205196 86368 157235 74284 216270 19195 18971 216270 93 ff. 1227, 196127 86368 26355 157239 96438 153200 85360 85356, 86368, 26457 1237, 196127 153200 85360 18971 1239, 1785 4994, 50 ff., 58177, 70256, 237, 27719 2975, 23863, 27719

304 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40,

2, 4 4, 16 4, 17, 2 4, 59, 2 5, 24, 3 5, 24, 21 5, 34, 1 5, 36, 2 5, 44 5, 53 7, 1 pr. 7, 2 pr. 7, 6 pr. 9, 5 pr. 9, 16, 2 9, 19 9, 27 pr. 12, 1–6 12, 1 12, 1 pr. 12, 1, 1 12, 1, 2 12, 2 12, 3 12, 3 pr. 12, 3, 1 12, 3, 2 12, 4 12, 5 12, 5, 1 12, 6

40, 12, 7 40, 12, 7 pr.-3 40, 12, 7 pr. 40, 12, 7, 1 40, 12, 7, 2 40, 12, 7, 3 40, 12, 7, 4

Quellenverzeichnis 242102 242102 242102 86368 86368 197132 18230 1237, 196127 1227, 1785, 197130 145149 215 216270 216270 205191 205191 145146, 199150 205196 162 ff. 257 f. 143, 147163 143 143 143, 258 142131, 143, 257 f. 86368, 144 144, 151 151 144145, 258 144145, 258 95431, 145150 145147, 151, 146154, 258 190 18124 17913, 181, 18972, 190, 25936 181, 18973, 190 181, 18232, 18972, 74, 76, 18762, 190, 192107 191 ff., 197136 222 f., 246129

71 ff., 83343, 85356, 357, 360, 91395, 95431, 13049, 224319, 2325 40, 12, 8 pr. 63 40, 12, 8, 1 63 ff., 70, 85360, 1224, 24190, 243106 40, 12, 8, 2 63 40, 12, 9 pr. 63205, 64, 70, 1224, 249161 40, 12, 9, 2 56162, 192108, 193110, 111, 240 ff. 40, 12, 10 72269, 73, 13049 40, 12, 11 73 40, 12, 12 pr. 72 40, 12, 12, 1 72271 40, 12, 12, 2 73272, 276 40, 12, 12, 3 72269 40, 12, 12, 4 72267 40, 12, 14 19081 40, 12, 14, 1 19081 40, 12, 15 19081 40, 12, 16, pr.-2 19081 40, 12, 16, 2 18232 40, 12, 17 18234, 19081 40, 12, 18 19081, 27399 40, 12, 19 19081 40, 12, 20 19081 40, 12, 20, 4 273 40, 12, 23 pr. 185 ff., 18977 40, 12, 23, 1 18337, 186 ff., 18974, 25936 40, 12, 23, 2 63205, 65 ff., 246135, 248 3815, 51, 88374, 40, 12, 24 pr 13152, 168309, 223 ff., 226346, 231381, 245118, 26662, 27715 40, 12, 24, 1 226346 40, 12, 24, 2–4 218276 40, 12, 24, 2 227 40, 12, 24, 3 169315, 218277, 279, 227 ff., 246136 40, 12, 7, 5



Quellenverzeichnis

40, 12, 24, 4 40, 12, 25, 1 40, 12, 25, 2 40, 40, 40, 40, 40, 40,

12, 12, 12, 12, 12, 12,

26 27 pr. 27, 1 27, 2 28 30

40, 12, 31 40, 12, 33 40, 40, 40, 40, 40, 40,

12, 12, 12, 12, 12, 12,

36 39 pr. 39, 1 39, 2 39, 3 40

40, 12, 41 pr. 40, 12, 42 40, 13, 1 40, 13, 1 pr. 40, 13, 1, 1 40, 13, 2 40, 13, 3 40, 13, 4 40, 13, 5 40, 14, 1

218277, 244, 246137, 25936 214 ff., 25936, 26139 3811, 13152, 223312, 224, 224326, 228 ff., 231381, 27715 85360 223310 92405, 93, 250 ff. 252, 27077, 80 73273, 169315 4994, 55 ff., 70256, 86360, 88377, 193111, 240 ff. 86360, 1223 18124, 18232, 18762, 63, 189, 192107, 25936 85360, 88377 2324 171 ff. 1221 1222 18124, 25, 18229, 19190, 98, 25936 75292 63205, 66 ff., 85, 170328, 210 ff., 24081, 25936 18124, 25, 25936 17913, 18229, 18974, 25936 18229, 18974 204 18124, 25, 18227, 189, 18974, 19191, 25936 1227, 18974, 195, 216272, 25936 18124, 25, 189, 19082, 191, 193 ff, 25936 198140, 202172, 203176

40, 14, 2 40, 14, 2 pr. 40, 14, 2, 1 40, 14, 2, 2 40, 14, 4 40, 14, 5 40, 40, 40, 40, 40, 40, 40,

15, 15, 15, 15, 15, 15, 16,

1 pr. 1, 1 1, 2 3 1, 4 4 1

40, 40, 40, 40, 40, 40, 40,

16, 16, 16, 16, 16, 16, 16,

2 2 pr. 2, 1 2, 2 2, 3 2, 4 3

40, 41, 41, 41, 41, 41, 42, 42,

16, 5 pr. 2, 1, 14 2, 3, 10 2, 15 2, 50, 1 3, 15, 1 1, 28 1, 36

42, 1, 38 pr. 42, 1, 53, 3 42, 1, 55 42, 1, 63

305 116 18124, 25, 183, 189, 18975, 19082 1613, 62198, 202169, 25715 118560, 202169, 203178, 23315 1613, 92, 115, 202169, 25936 198140, 202172, 203176 198143 199148 199149 200151 200151, 202170 119573, 198, 198143 1612, 113545, 199145, 200156, 201 ff., 25936 1613, 201160 200 ff. 203173 202171 202169 202168 1613, 201159, 203176 203175 229369 74278, 13049, 26457 229367 229369 74278, 13049 243 49 ff., 4994, 50106, 51122, 58177, 70256, 78313, 23876, 77 4994, 50 ff., 51114, 70256, 23867, 23970, 27718 76300 56165, 243107 249152

306 42, 42, 42, 42, 42, 43, 43, 43, 43, 44, 44, 44, 44, 44, 44,

5, 5 5, 31, 1 4, 7, 17 4, 7, 18 4, 7, 19 8, 6 29, 3, 13 30, 1, 4 30, 3, 4 1, 10 1, 11 2, 1 2, 3 2, 11, 4 2, 29 pr.

46, 3, 7 46, 8, 8 pr. 46, 8, 8, 2 47, 47, 47, 47,

4, 1, 7 4, 2 10, 7 pr. 10, 11, 9

47, 47, 47, 48, 48, 48, 48, 48, 48, 48, 48, 48, 48, 49, 49, 49,

10, 12 10, 15, 41 22, 4 2, 7, 2 5, 28, 10 10, 7 15, 1 15, 4 16, 13 pr. 18, 1, 1 18, 10, 6 19, 5 19, 38, 4 1, 1, 3 1, 4, 3 1, 9

49, 1, 21, 3

Quellenverzeichnis 142125 160239 1786 1786 1786 167 87 210232 157239 249152 206198, 210233 24082 209222 216 ff. 206198, 210233, 212246, 243104 153200 215264 85356, 86360, 368, 166 f. 94421 216270 153200 104483, 25715, 25936 104483 23316 3191 249152 216270, 272 122, 1785, 23641 194119 194119 173 157239 228359, 23650 120583 86368 54148 157239 212247, 215263, 247144 26353

49, 49, 49, 49, 49, 50,

1, 23, 3 14, 3, 9 14, 7 15, 4 16, 8 1, 28

50, 50, 50, 50, 50,

1, 29 17, 105 17, 106 17, 107 17, 207

Codex 1, 4, 12 1, 4, 14 1, 29, 3 1, 39, 1 1, 49, 1, 1 2, 1, 4 2, 4, 5 2, 30, 4 2, 57, 1 3, 1, 2 3, 1, 13, 3 3, 1, 16 3, 1, 18 3, 3, 2 3, 8, 1 3, 8, 4 3, 13, 2 3, 22, 1 3, 22, 2 3, 22, 3 3, 22, 4 3, 22, 5 3, 22, 6 3, 28, 27 3, 31, 3 3, 42, 4 4, 4, 1 4, 7, 5 4, 7, 6

252176 215263 215264 4132 85356, 86360, 230371 76301, 101462, 110517 76295 63209, 74 172 ff. , 25612 1225, 1785 209226 96438 96428 26356 95425, 96434, 2558 26973 72265, 2326 23430 211247, 252 26249 210228 54148 157240 157240 114 ff. 119 f. 215264 71261 71261, 76296 114549 71261, 76294, 297 76293 117565 118 156231 206198, 210233 23315 26354 156231 156231

4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 7, 7, 7, 7, 7, 7, 7, 7, 7, 7,

Quellenverzeichnis 19, 10 19, 15 19, 17 19, 20 19, 21 pr. 20, 2 20, 4 20, 9 56, 1 56, 2 1, 4 6, 1, 1a 6, 1, 12 a 7, 1 7, 1, 1a 8, 1 14, 9, 1 15, 2 16, 2 16, 4

7, 16, 4, 40 7, 16, 5 7, 16, 5, 1 7, 16, 5, 2 7, 7, 7, 7, 7, 7, 7,

16, 16, 16, 16, 16, 16, 16,

9 11 14 15 16 18 19

7, 7, 7, 7, 7, 7, 7,

16, 16, 16, 16, 16, 16, 16,

20 21 22 24 25 27 pr. 31

23648 74279 23652 23641 23315 237 23859 23859 67231, 95, 95425 67231 95425, 2558 53133 53133 193112 242101 116562 55155 27828 213 ff. 67, 121587, 212247, 217274, 2211387, 252173, 26248 27077 18336 18124, 18229, 18764, 19086 72265, 18125, 2326, 25715 23653 55155, 117565 223313 55155, 117565, 235 f. 18230, 18337 23646 144143, 199150, 257 f. 23647 75, 75291 83, 85355 23650 23650 23642 212247 174358, 175360

7, 16, 40 7, 16, 41 7, 17, 1 pr.

7, 7, 7, 7, 7,

17, 17, 17, 17, 18,

1, 1 1, 2 1, 3 2 1

7, 18, 1 pr. 7, 18, 1, 1 7, 18, 2 7, 18, 3 7, 19, 1 7, 19, 2 7, 19, 3 7, 19, 4 7, 19, 5 7, 19, 6 7, 20, 1 7, 20 2 7, 21, 1 7, 21, 6 7, 21, 7 7, 22, 1 7, 22, 2 7, 22, 3 7, 43, 2 7, 56, 1 7, 65, 1 8, 15, 8 8, 25, 1 8, 50, 7 9, 46, 5 11, 48, 20, 4 12, 1, 2 12, 1, 17 12, 21, 8, 1 12, 29, 3, 3b

307 253180 23753 1619, 64218, 72266, 86365, 12421, 131, 163, 214, 23980, 254 ff. 262 ff. 268 268 ff. 258, 275 18124, 18336, 189, 265 17913, 18125 197 265 264 ff. 117, 218276, 228357 222 117 218276, 228357 117565 117565 200, 200155 201 f. 198141 298141 117565 203182 203182 203183 27186 206198, 210233 252176 161259 116 156231 174 26356 156231 26973 26973 26973

308

Quellenverzeichnis 3. Byzantinische Quellen

Basiliken 10, 4, 9 48, 8, 25, 1 48, 21, 1

18442 215265 12838–40

Novellen 59

184

Theophilus ad Inst. 4, 10

12733, 12837

Lex Rubria Kap. 21 Kap. 22

4. Inschriften, Papyri, Urkunden BGU 611

CIL 8, 22721 10, 5398

58 ff., 69, 70256, 111534, 112539, 120579 95426 95426, 67231, 95

Fragmentum Atestinum 101459, Fr. Atest. 103476 Col 1, Z. 17 110518

461,

102470,

Fragmentum Dositheanum 10 244111 16 205191, 196, 2091309 Gortyn Col. 1, 15–24 Col 1, Z. 16–17 Col 1, Z. 1 Col. 2, Z. 7 f. Lex Irnitana Kap. 69 Kap. 84 Kap. 84 Z. 4 Kap. 84 Z. 5 Kap. 84 Z. 5 / 6

Kap. 84 Z. 21 Kap. 89

26 ff. 3078 29 1911 76301 71259, 78 ff., 89388, 91396, 96 ff., 120576, 580, 276 89 23971 89

114548 60191, 69249, 100, 106 101, 101460, 110 101, 101460, 103611

Papyri P. Oxy. 2, 237 26354 P. Oxy. 42, 3016 110522 Tabulae Herculanenses (TH) 13–29 1612, 17, 81333, 107 ff. 13 108508 14 107, 108508 15 108508 16–17, 20, 23–24 23539 XII Tafeln Tab. 1, 4 Tab. 1, 8 Tab. 1, 11

2976, 137 f. 249159 133

II. Nichtjuristische Quellen Apollodorus Neaira (Dem. 59) 40, 45 24 ff., 2868 Aristoteles probl. 29, 12, 915 b 25, 2972, 3078, 51113, 23755, 27712 Augustus res gestae 1

139104

Auctor ad Herennium 2, 6, 9 23425 2, 6, 12 23425 Cicero Orationes pro Caec. 1, 3 23429 pro Caec. 8, 24 23429 pro Caec. 18, 53 4992



Quellenverzeichnis

pro. Caec. 33, 96 4247 pro Caec. 33, 97 371, 3, 4458, 213254, 23865, 23968 pro Caec. 34, 98 3914, 4134, 4240 dom. 29, 77 207206 dom. 29, 78 371, 3, 206 ff., 23968, 26139 dom. 30, 80 206 f. pro Flacco 17, 40 45 f., 112, 114551, 120579 pro Flacco 17, 42 120577 Rab. perd. 4, 12 25824 Verr. 3, 25 172337 Verr. 3, 37 172337 Verr. 3, 61 172337 Philosphica de leg. 3, 19, 44 3080 de leg. 2, 25, 64 3192 de rep. 3, 32 225330 Rhetorica orat. 1, 38, 173 orat. 1, 40, 181 orat. 1, 40, 182 orat. 1, 56, 238 orat. 1, 39, 180 orat. 1, 176 f, 180 orat. 2, 27, 116 orat. 2, 39, 163 top. 8, 37 top. 10

38 3914, 39 40 3914, 40 4020 4992 233 23314 4134, 4240 13897

Diodorus Siculus 12, 24 13468, 13573 Dionysius Halicarnassenus ant. 10, 51, 5 3081 ant. 10, 52, 4 3081 ant. 10, 57, 5 3081 ant. 11, 28–37 13469 ant. 11, 30, 3 13574 ant. 11, 35, 4 13575 de Isaeo 5 2122

Donatus ad Ter. Ad. 199

309

124, 140113

Festus sv.contestari litem (L. 50) 223 sv reciperatio (L. 342) 4674 sv sacramentum (L. 468) 13260 sv sertor (L 460) 35124, 123 f., 13683 Gellius 13, 10, 3 14, 2, 25 16, 10, 2–6 16, 10, 5

211238 23866 13897 2976

Isaeus Fr. 15

20

Isidorus Hispalensis 102470, 118, 120580 orig. 15, 2, 10 Livius 3, 31, 8 3, 33, 5 3, 44–48 3, 44 3, 44, 5 3, 44, 8 3, 44, 12 3, 45, 2 3, 45, 3 3, 45, 4 3, 46, 1–4 3, 46, 7 3, 47, 5 3, 47, 8 3, 49–54

3080 3080 13467 372 149175, 168305, 225330 12311, 13679, 13899, 1784, 2764 225330, 331, 230377, 27713 13789, 146155, 162271 12311, 13680, 13899, 2764 146156 149173 12311, 13681, 13899, 2764 149175, 225330 12311, 13682, 13999, 2764 13571

310 Lysias Agorat. 23, 13 Pankl., 23, 9–10 Pankl. 23, 9 Pankl. 23, 12 Martial epigr. 1, 52 epigr. 1, 52, 8

Quellenverzeichnis inst. or. 5, 1, 2 inst. or. 5, 1, 5 inst. or. 5, 2, 1

12415, 213 23980

inst. inst. inst. inst. inst. inst. inst. inst.

20 ff., 2868 2336 2336 20,

168307,

Nonius Marcellus 1, 67 (L S. 93) 13897 Platon leg., 11, 8.4

22 ff., 2868, 141120

Plautus Curc. 4, 1, 490, 491 Poen. 4, 2, 905, 906 Poen. 5, 1, 964 Poen. 5, 2, 1102, 1103 Poen. 5, 6 Poen. 5, 7, 1391, 1392 Rud. 4, 3, 973

12310 12310 12310 12310 148167 12310 12310

Plinius maior hist. nat. 3, 30 98443 hist. nat. 20, 160 12415, Plinius minor ep. 6, 33, 2 ep. 10, 66, 2

234, 23861, 244115 23532 52128, 57, 213, 23428, 244114 5, 3, 1 23425 5, 4, 1 23421 5, 6, 1 23534 5, 7, 1 23431 7, 4, 11 4993, 220295 9, 2, 9 4993 9. 2, 33 4993 11, 1, 78 52128, 57, 213

2335

17,

139111

52123 86367, 113 ff., 114552, 120577, 17912

Quintilianus decl. min. 340, 1–3 decl. min. 340, 4 decl. min. 342 decl. min. 388, 7 decl. min. 388, 11 inst. or. 3, 6, 70 inst. or. 4, 2, 95 inst. or. 5, 1, 1

73273

72270, 72273, 277 73272 12415, 18 12415, 19 92401 148167 23314, 23431

or. or. or. or. or. or. or. or.

Seneca maior contr. 1, 2, 10 contr. 9, 1, 4 contr. 9, 5, 15 contr. 2, 4, 6

25934 140112 4993 148167

Seneca ep. 109, 14

224320

Sueton Aug. 36 Aug. 74 Claud. 23, 1 Dom. 8, 1 Titus 8, 5 Vesp. 1 Vesp. 3 de gramm. 21

4786 1612, 16, 62198, 113543 197131 61, 70256 202 139109 1612, 16, 58179, 61, 62198, 148167 155, 148167

Tacitus ann. 13, 27

1612, 199145, 200156

Tertullianus spect. 23

153201

Valerius 1, 18

140117

Varro ling. lat.5, 180

13259

Sachverzeichnis Die hochgestellten Zahlen verweisen auf Fußnoten; Kursivdruck kennzeichnet Haupt­ fundstellen. Abwesenheit  249 ff. –– des adsertor  252 –– des Eigentümers  251 f. –– des Sklaven  255 Actio –– in factum  190 –– in personam  208, 230 –– in rem  37, 44, 83, 89, 207 ff., 226, 230, 239 –– tutelae  102, 112 Adiudicatio  83, 88377 Adsertor  18 ff., 123 ff., 256 ff. Adsertor suspectus  159 ff. Ägpyten  60, 69247, 110 ff., 26354 Alieno nomine  125 ff. Antoninus Pius  51 f., 93 f., 219 f. Archiv der Babatha  112 Athen  19, 133 Attisches Recht  19 ff. Augustus  36, 47, 58, 66, 68 f., 92, 98443, 110, 122, 138, 235, Augustusinschrift  59186 Baetica  96 ff Beweismittel  121, 178, 190, 230, 233 ff. Bis de eadem re ne sit actio  207208 Bischof  96 Bithynien  96, 113, 120577 Byzantinisch  128, 210229, 255, 278 f. Caracalla  94, 116, 138101, 213, Cautio  269 –– assertoris  265 ff.

–– iudicatum solvi  231, 267 –– iudicio sisti  141 –– iuratoria  269 –– pro praede litis et vindiciarum  230 –– ratam rem habiturum  165 ff., 231 –– rati  161 f. Centumviri  38 ff., 48 ff. Circumductio  129 ff, 251, 256 Claudius  58 ff., 69, 121588, 138101, 197131, 199, 217273, 26247 Cognitio extra ordinem  36, 48, 55 f., 63, 67, 74, 92 ff., 121, 123, 177, 198, 201, 209, 221, 277 Cognitor  109, 125 ff., 141, 152 ff., 160 Collusio  62, 113, 200 ff., Confessio  234 Consul  55, 68, 92 ff., 121, 221, 250 Decemviri  37 ff., 45 ff., 58, 62, 68 ff., 206 ff., 238 Dediticii  274 Denegatio –– actionis  112, 179 ff., 183, 190, 223 –– adsertionis  113, 179, 18334, 189, 194, 223 Differre iudicium  218 ff. Diokletian  17, 75, 83, 94, 96, 114 f., 117, 144, 174 f., 200, 203 Domitian  62, 113, 199 , 201 f. Duplum  273 Duumviri  78 ff., 96 ff., Eadem re  199, 207208, 212 Editio actionis  178 f.

312

Sachverzeichnis

Emptor ignorans  193 ff. Emptor sciens  182, 193 ff Ermordung  222, 13465 Etruskisch  33, 33106, 108, 34, 34119, 44 Eviktion  273 ff. Ex possessione servitutis  262, 264, 26457 Exceptio  153, 205, 211, 216, 221, 274 –– rei in iudicium deductae  206, 209, 213, 230, 24081, 245 –– rei iudicatae  179, 206 ff., 240 ff., 245, 250 –– temporis  198140 Favor libertatis  51, 51113, 53 f., 120580, 131, 145, 167, 169, 171, 208, 214, 217, 226, 237, 23755, 239, 242 ff., 251 ff., 277 Fideikommissarische Freilassung  1995 f. Fideipromissio  268 Fideiussio  268 Folter  19, 228, 233 f., 23422, 23650 Formulae  102 Formularprozess  45 ff., 62 ff., 77 ff., 89, 106, 120, 179, 208 ff., 233, 238 Fragmentum Atestinum  102, 109 f., Gortyn  25 ff., 133, 237 Gräberluxus  31 Griechisches Recht  18 ff. Hadrian  65, 93, 95, 116, 138101, 149172, 172, 183, 189, 199, 248, 250 Herculaneum  107 In ius vocatio  76, 101464 In possessione servitutis  143 Infamie  102 ff., 118, 153200, 154 ff., 172 Ingenuität  15 f., 54, 61, 81, 92, 106 f., 115 f., 129, 171, 179, 18440, 200 ff., 235, 237, 250, 256, 258

Ingenuitätsprozess  15 f., 54, 61, 81, 92, 108, 115, 200 ff., 235, 237, 250, 256, 258 Instrumenta  siehe Urkunde Inter partes  239, 241 Italien  106 ff. Iudex unus  60, 62 ff., 221 Iusiurandum  269 Iusta, Petronia  106 ff., 201, 235 f., Iusta causa  65, 18230, 252 Justinian  16, 36, 53, 56, 64, 78, 84 ff., 118 ff., 125 ff., 141, 145, 147, 153, 161, 163, 180, 185, 192, 212, 217, 242, 250, 254 ff. Konstantin  129 ff., 175, 180, 19298, 203, 256, 264, 270, 275 Konsul  siehe consul Konsumption  207 ff., 230, 239 Kyme  32 Latina libertas  275 Legis actio sacramento in rem  37 ff., 44 Legisaktionenverfahren  32, 37, 44, 77, 206 ff., 276 Lex –– de Gallia Cisalpina  siehe lex Rubria –– Irnitana  36, 4782, 60191, 69249, 71259, 76301, 78 ff., 96 ff., 120580, 276 –– Rubria  101 ff., 109 Liberi loco  13152, 223 ff., 245 Litis contestatio  76, 178 ff., 206, 221 ff., 230 ff., 246 Litis ordinatio  220, 223 ff., 245 Mancinus, Hostilius  39 ff. Marc Aurel  200 ff. Mehrfache Führung  213, 261 Miteigentümer  56, 193 f., 240 ff., 27822



Sachverzeichnis

Munizipalmagistrat  79 ff., 82, 109, 120 Nachbarrecht  31 Naxos  32 Neaira  21 ff. Neapel  32 Nerva  198 ff., Parteiaussage  234 Polemarch  2123, 23 Praefectus Aegypti  110 Praeiudicium  48, 71, 75, 77 ff., 100, 114, 18440, 198, 219, 239, 240, 249, 280 –– an ingenuus sit  1615, 78, 108, 108505 –– an liber sit  48, 78 ff., 82, 85, 90, 121, 276 –– an libertus sit  1615, 84, 91, 108, 108505 –– an servus sit  78 –– de capite libero  81 ff., 99 ff., 23971 Praes litis et vindiciarum  165, 230 Praescriptio –– (longi) temporis  179, 198 ff., 204 –– pro actore  211 –– pro reo  211 –– rei iudicatae  66, 70 ff., 85, 206, 210 Praeses provinciae  114 ff., 235 Praetor –– de liberalibus causis  48, 67, 74 ff., 94 ff., 120, 221, 255 –– peregrinus  45, 47 –– urbanus  95 Procurator  125, 141, 152 ff. 254, 257, 260 –– suspectus  158 ff. Provinzen  36, 49, 60, 71, 79, 81, 96 ff., 112 ff., 173, 183

313

Quaestio  93, 115, 118, 119, 174, 193, 195, 198, 202, 228, 233, 271 Querella inofficiosi testament  49, 56, 219 ff., 240 Quinquennium  92, 115, 198 ff. Recuperatores  4246, 45 ff., 58 ff., 106, 110 f., 112 ff., 120, 209, 221, 232, 238, 249 Redemptio suis nummis  123, 1785 Regress  271 ff. Rei vindicatio  49, 78, 85 ff., 92 Replicatio  240 ff. –– doli mali  210 Restitutio in integrum  182, 191 215, 247144, 272 Retractatio  202 f. Sacramentum  37 ff., 44 ff., 132, 167, 206, 226, 239, 277 SC Claudianum  189, 19082, 195 Selbstverkauf  113, 116, 144, 162, 179 ff., 278 Sequestration  226, 263 ff. Servus fugitivus  229 Sponsio  44 ff., 71, 77, 80, 82, 85 ff., 100, 121, 201, 230, 239, 249, 268, 272 Sponsionsverfahren  44 ff., 71, 85 ff., 121, 276 Statuliber  43, 196, 215 ff. Syrakusai  32 Tabulae  siehe Urkunde Talionsprinzip  32 Tarent  32 Theodosius  131, 18439, 204, 256, 275 Turpis  155 ff. Tutor  122, 125 f., 142, 156 f., Urkunde  182, 111, 190, 233 ff., 254, 265, 273 Urteil  238 ff.

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Sachverzeichnis

Vadimonium  80, 97, 101, 106 ff., 244 f. –– Romam  106 ff. Vereinsrecht  32 Verginia  372, 133 ff., 146 ff., 225330, 2764 Verjährung  113, 179, 198 ff. Vespasian  61, 96438, 98443, 128101, 138101, 139 Vindex  29, 137 ff., 178 Vindicatio –– in libertatem  16, 2440, 37, 4464, 60, 65. 71, 81 ff, 113, 121 f., 128, 268, 200, 207, 226, 230, 256, 264 –– in servitutem  16, 37, 4464, 60, 63, 71, 81 ff., 121 f., 129, 148, 168, 207, 214, 219, 230, 256, 260, 264

Vindiciae  168, 225 –– secundum libertatem  30, 38, 225, 226344, 230, 26662 –– secundum servitutem  149175 Wiederholung  170, 206, 214, 258 Zeugen  29 f., 112, 223, 233 ff., 277 Zuständigkeit –– örtliche  70 ff. –– sachliche  48 ff. Zwischenbesitz  38, 135, 146, 149, 168, 225 f., 230, 277 Zwölftafeln  16, 18, 31 ff., 132 f., 136, 149, 167, 215, 224 f., 249, 276