Solvendo quisque pro alio liberat eum: Studien zur befreienden Drittleistung im klassischen römischen Recht [1 ed.] 9783428520466, 9783428120468

Der Grundsatz des klassischen Rechts, nach dem jeder Dritte mit befreiender Wirkung für den Schuldner leisten kann, gilt

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 9783428520466, 9783428120468

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Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 54

Solvendo quisque pro alio liberat eum Studien zur befreienden Drittleistung im klassischen römischen Recht

Von

Christian Emunds

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTIAN EMUNDS

Solvendo quisque pro alio liberat eum

Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.

Neue Folge · Band 54

Solvendo quisque pro alio liberat eum Studien zur befreienden Drittleistung im klassischen römischen Recht

Von

Christian Emunds

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung von HUMANISMUS HEUTE. Stiftung des Landes Baden-Würtemberg

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Sommersemester 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6704 ISBN 978-3-428-12046-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Eveline und Johannes

Vorwort Diese Arbeit hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-LudwigsUniversität Freiburg im Sommersemester 2005 als Dissertation vorgelegen. Die ersten fünf Kapitel sind 1994 bis 1996 während meiner Assistenzzeit am Freiburger Institut für Rechtsgeschichte entstanden. In den Jahren 2003 und 2004 habe ich das sechste Kapitel fertiggestellt und den gesamten Text noch einmal überarbeitet. Mein erster Dank gehört meinem verehrten Lehrer Professor Joseph Georg Wolf, der die Arbeit mit großer Geduld und dauerndem Interesse betreut und in zahlreichen Gesprächen immer wieder durch Anregung, Kritik und freundlichen Zuspruch gefördert hat. In seinem Seminar habe ich über viele Jahre als Student, Hilfskraft, Assistent und Referendar nicht nur römisches Recht und juristisches Denken gelernt, sondern auch die Freude und den Wert wissenschaftlicher Auseinandersetzung erfahren. Hier hatte ich mehrfach Gelegenheit, zentrale Thesen dieser Arbeit vor einem ebenso fachkundigen wie kritischen Publikum zu erproben. Dafür danke ich auch den Teilnehmern des Seminars, vor allem meinen Freunden Carsten Zülch und Jan Dirk Harke, deren stete Bereitschaft zu Diskussion und Kritik mir besonders wertvoll war. Danken möchte ich schließlich auch Herrn Professor Elmar Bund für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens und der Stiftung ,Humanismus heute‘, die den Druck der Arbeit mit einem großzügigen Zuschuß unterstützt hat. Freiburg, im Dezember 2006

Christian Emunds

Inhaltsverzeichnis §1

§2

§3

§4

§5

§6

§7

§8

§9

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Drittleistung und Pflichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inhalt und Authentizität der Hauptquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 15 23 26

Erstes Kapitel Die Drittleistung als solutio

41

Terminologisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der sprachliche Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. ,Leisten‘ und ,lösen‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das solvere des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistung auf Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Solvendi animo dare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Drittleistung und concursus causarum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistung des Geschuldeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Solvere und in solutum dare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Drittleistung und datio in solutum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zu Kretschmars ,Solutionsbegriff‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 41 42 48 50 50 52 56 56 58 63 66

Zweites Kapitel Drittleistung und Klagenkauf

68

Zur Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. ,Solutionsmodell‘ und ,Zessionsmodell‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 II. Das beneficium cedendarum actionum als erzwungener Klagenkauf . . . 69 Zur Unterscheidung von Drittleistung und Klagenkauf . . . . . . . . . . . . . . . . 74 I. Zessionsregreß kraft Parteivereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. C 8.42.5 Gord (238) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 III. Die übrigen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Das beneficium cedendarum actionum bei der Drittleistung . . . . . . . . . . . . 87 I. Die überlieferte ,Fallgruppe‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 II. Die gemeinsame Ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Drittes Kapitel Drittleistung und Deckungsverhältnis

109

§ 10 Das ,Deckungsverhältnis‘ bei der Drittleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

10

§ 11

§ 12

§ 13 § 14

Inhaltsverzeichnis I. Begriff und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Exkurs: Die actio mandati in factum concepta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drittleistung und negotiorum gestio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die utilitas der Drittleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Widerspruch des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Drittleistung im Auftrag eines Vierten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drittleistung und donatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Drittleistung donandi animo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Drittleistung und das Verbot der Ehegattenschenkung . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Die solutio des Repräsentanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kasers Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. D 46.3.87 Cels 20 dig und D 12.6.6 pr. Paul 3 ad Sab . . . . . . . . . . . . . . . III. Pro und contra ,stellvertretende solutio‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Viertes Kapitel Pro alio und alieno nomine solvere als ,Tatbestand‘ der Drittleistung § 15 Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Drittleistung als Leistung auf fremde Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Bedeutung von pro alio und alieno nomine solvere . . . . . . . . . . . . . . § 16 Die beiden Formen der solutio bei den adjektizischen Klagen . . . . . . . . . I. D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. D 46.3.59 Paul 2 ad Plaut und D 13.5.2 Iul 11 dig . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abweichender Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 17 Die beiden Formen der solutio bei der Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die solutio des Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. D 46.1.69 Tryph 9 disp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. D 46.1.51.1 Pap 3 resp und D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer . . . . . . . . . . . . . . IV. Abweichender Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 18 Quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat . . . . . . . I. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. D 46.3.17 Pomp 19 ad Sab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Deliktische und vertragliche Haftung in Höhe einer fremden Schuld . . . § 19 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Drittleistung und Haftung für fremde Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pro alio und alieno nomine solvere als Leistung auf fremde Schuld . . . III. Pro alio und alieno nomine solvere im Tatbestand der Drittleistung . . . IV. Exkurs: ,Fremdtilgungswille‘ und ,Empfängerhorizont‘ . . . . . . . . . . . . . . .

179 179 179 184 187 187 193 200 202 202 203 217 227 237 237 239 249 278 278 280 281 284

Inhaltsverzeichnis

11

Fünftes Kapitel Vertretbare und unvertretbare Leistungen § 20 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 21 Justinians Reform und das klassische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. C 8.37.13 Iust (530) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. C 8.37.15 Iust (532) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Exkurs: Zur Unvererblichkeit von Obligationen in faciendo . . . . . . . . . . . § 22 D 46.3.31 Ulp 7 disp: Eine spätklassische disputatio über die Unvertretbarkeit von facta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zum Ausschluß der Drittleistung bei Stipulationen auf facere . . . . . . . . . III. Zum Ausschluß der Drittleistung bei Stipulationen auf non facere . . . . . § 23 Ergebnisse und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Exkurs: Zur Vertretbarkeit von facta im bonae fidei iudicium . . . . . . . . . III. Exkurs: D 46.3.31 und die angebliche Unvertretbarkeit von operae . . . .

295 295 298 298 302 305 307 313 313 314 325 328 328 330 331

Sechstes Kapitel Drittleistung invito debitore § 24 Einführung und Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Justinian, Gaius und Pomponius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Labeos ,Sondermeinung‘ und die romanistische Literatur . . . . . . . . . . . . . § 25 D 46.3.91 Lab 6 pith a Paulo epit: Eine Kontroverse zur Befreiung invito debitore? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Inskription . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Labeos Pithanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Note des Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Verhältnis zwischen Pithanon und Note . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung und Stellungnahme zu Kretschmars Deutung . . . . . . § 26 Gaius’ Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Darstellung und das Rechtsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Argument aus der melior condicio – normatives Prinzip oder juristischer Topos? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die ,doppelte ratio‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 27 Ergebnisse und Schlußfolgerungen zur Theorie der Drittleistung . . . . . . I. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gaius’ Erklärung und die modernen Theorien zur Drittleistung . . . . . . .

337 337 337 345 350 350 352 370 379 381 387 387 390 400 422 433 436 436 438

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449

Abkürzungsverzeichnis Die romanistische Literatur wird nach dem Abkürzungsverzeichnis der beiden Handbücher von Kaser (RP I XIX ff. und RP II XVII ff.) zitiert. Daneben werden folgende Abkürzungen verwendet: Angelini Apathy Apathy AN Arangio-Ruiz Mandato Below

Betti Appunti Bonifacio Bürge Claus Cruz De Robertis Donatuti Mandato I, II DRO Eckardt Ehrhardt Eisele Beiträge Endemann Fargnoli Flume Akzessorietät

Piero Angelini, Il ,procurator‘ (1971). Peter Apathy, Procurator und solutio, SZ 96 (1979) 67 ff. Peter Apathy, Animus novandi (1975). Vincenzo Arangio-Ruiz, Il mandato in diritto Romano (1949). Karl-Heinz Below, Die Erfüllung der Obligation durch einen Dritten, Eine historische Miszelle, Fs. Duden (1977) 87 ff. Emilio Betti, Appunti di teoria dell’obbligazione in diritto romano (1958). Franco Bonifacio, La novazione nel diritto romano (2. Aufl. 1959). Alfons Bürge, Retentio im römischen Sachen- und Obligationenrecht (1979). Axel Claus, Gewillkürte Stellvertretung im Römischen Privatrecht (1973). Sebastião Cruz, Da ,solutio‘, Bd. I, Épocas arcaica e clássica (1962). Francesco De Robertis, I rapporti del lavoro nel diritto romano (1946). Guido Donatuti, Contributi alla teoria del mandato, Bde. I, II (1927, 1929). Javier Paricio (Hrsg.), Derecho romano de obligaciones, Homenaje al Profesor José Luis Murga Gener (1994). Bernd Eckardt, Iavoleni epistulae (1978). Arnold Ehrhardt, Litis aestimatio im römischen Formularprozeß (1934). Fridolin Eisele, Beiträge zur römischen Rechtsgeschichte (1896). Wolfgang Endemann, Der Begriff der Delegatio im klassischen römischen Recht (1959). Iole Fargnoli, ,Alius solvit alius repetit‘ (2001). Werner Flume, Studien zur Akzessorietät der Römischen Bürgschaftsstipulationen (1932).

Abkürzungsverzeichnis Flume Rechtsakt Frese Georges

Harke Hartmann Hertz Hofmann/Szantyr Kalb Juristenlatein Kalb Wegweiser Kaser RP I, II Kaser Pfandrecht Kaser IG Kaser/Hackl Kerr Wylie Kretschmar Krüger Quellen Kühner/Stegmann I, II

Kunkel/Bearbeiter Levy Sponsio Maier

Mandatum Marchi Maschi Mayer-Maly Melillo Meylan Müller-Ehlen

13

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14 Nardi

Abkürzungsverzeichnis

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§ 1 Einleitung I. Drittleistung und Pflichterfüllung 1. Hat der Schuldner nicht in Person zu leisten, so kann nach § 267 Abs. 1 S. 1 BGB auch ein Dritter die Leistung bewirken. Dem entspricht die unpersönliche Fassung des § 362 Abs. 1 BGB: Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. In ihrem Wortlaut sind die beiden Vorschriften also genau aufeinander abgestimmt. Ein begrifflich-systematisches Problem ergibt sich aber aus den Titelüberschriften. Denn danach handelt § 267 BGB von der ,Verpflichtung zur Leistung‘ und § 362 BGB von deren ,Erfüllung‘. Die Leistung des Dritten ist demnach Erfüllung, obwohl nach § 241 S. 1 BGB nur der Schuldner zur Leistung verpflichtet ist – oder anders ausgedrückt: Nach der Terminologie des Gesetzes erfüllt der Dritte eine Verpflichtung, die ihn gar nicht trifft. Dies widerspricht nicht nur dem allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auch der durch das Begriffspaar ,Verpflichtung‘ und ,Erfüllung‘ nahegelegten Vorstellung, daß das Schuldverhältnis im Fall des § 362 BGB deshalb erlischt, weil der Schuldner das an ihn gerichtete Leistungsgebot befolgt. Durch § 267 Abs. 1 S. 2 BGB wird diese Unstimmigkeit noch verstärkt. Denn wenn der Dritte ohne und sogar gegen den Willen des Schuldners zur Leistung befugt ist, kann sein Verhalten auch nicht als ,stellvertretende Pflichterfüllung‘ begriffen werden. 2. In seiner wenige Jahre nach Inkrafttreten des BGB erschienenen Monographie über ,Die Erfüllung‘ hat Kretschmar die gesetzliche Regelung der Erlöschenstatbestände als systematisch unausgereift kritisiert und den Versuch unternommen, ihr eine nach einem einheitlichen Grundgedanken aufgebaute Erfüllungslehre zu unterlegen. „Der hauptsächlichste Stein des Anstoßes“ ist für Kretschmar1 die soeben beschriebene „Neigung, die Drittleistung . . . als echte Erfüllung aufzufassen.“ Denn sein eigenes System beruht auf dem Gedanken, daß sich die Erfüllung als Realisierung des Obligationsinhalts – das heißt: als Erfüllung der schuldnerischen Verpflichtung – von allen übrigen Tilgungsgründen unterscheidet, und demzufolge ist die Drittleistung für ihn „nicht wahre Erfüllung. Sie steht vielmehr als besondere Tilgungsart mit Befriedigungscharakter neben der Erfüllung.“ Daß diese Unterscheidung im BGB noch nicht klar herausgearbeitet sei, erklärt Kretschmar2 als Folge „einer, wenn auch unbewuß1 2

Vgl. vor allem 123 ff. (Zitate 126 und 130). 122; vgl. auch 126 und passim.

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ten, Nachwirkung des römischen Solutionsbegriffs“ in der gemeinrechtlichen Theorie bis hin zur Entstehung des BGB. Um die These von der dogmengeschichtlich bedingten Uneinheitlichkeit des modernen Erfüllungsbegriffs zu untermauern, behandelt Kretschmar im ersten Teil seiner Monographie ,Die historischen Grundlagen‘ im römischen Recht. Hier stellt er im Solutionsbegriff des klassischen Rechts bereits dieselben Widersprüche fest, die er im zweiten Teil der modernen Dogmatik vorwirft. Sein Hauptargument ist wiederum die Drittleistung.3 Sie werde in den Quellen anstandslos als solutio qualifiziert, obwohl dies der im klassischen Recht bereits vollständig entwickelten Vorstellung von der Realisierung des Obligationsinhalts widerspreche. Die Erklärung sucht Kretschmar erneut in der Dogmengeschichte, und zwar in den haftungsrechtlichen Ursprüngen des Solutionsbegriffs: Für die solutio des altrömischen Rechts als förmliche Haftungslösung komme es nicht darauf an, ob sie vom Schuldner selbst oder von einem Dritten vollzogen werde. Im klassischen Recht sei die Idee der Haftungslösung zwar längst überwunden und durch den modernen Gedanken der Pflichterfüllung abgelöst worden, die überkommene Gleichstellung von Selbst- und Drittlösung habe man jedoch beibehalten, ohne zu bemerken, daß sie mit dem neuen Solutionsbegriff nicht mehr zu vereinbaren sei. Da dies unter dem Einfluß der römischen Quellen auch der gemeinrechtlichen Theorie entgangen sei, wirke der „zwiespältige historische Ausgangspunkt der Solutionslehre“4 bis heute fort. Kretschmar selbst stellt seine historischen Betrachtungen ausdrücklich in den Dienst der zeitgenössischen Dogmatik5, ihre Wirkung war jedoch gerade entgegengesetzt: In der modernen Zivilrechtswissenschaft wird § 267 BGB zwar noch vereinzelt aus der Tradition des römischen Rechts erklärt6 oder als – ge3

Vgl. vor allem 26 ff., aber auch schon 23, 24, 25 und 36 f. Kretschmar 126. 5 So heißt es auf der zweiten und dritten Seite seines Vorworts: „Zur historischen Betrachtung der Erfüllungslehre nötigte vor allem der Umstand, daß die treibenden Grundgedanken in der gemeinrechtlichen Literatur keineswegs so klar gestellt worden sind, daß ihr Anteil an er Ausgestaltung des Erfüllungsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs ohne weiteres zutage läge. . . . Nicht darauf kam es an, eine Dogmengeschichte der Erfüllungslehre zu liefern, sondern darauf, die historische Entwicklung der Grundgedanken der Lehre insoweit klarzustellen, daß eine sichere Einsicht in das Verhältnis der Erfüllung zur Obligation einerseits, zu den verwandten Obligationstilgungsakten andererseits gewonnen werden kann. Die historische Betrachtung hatte also in den Dienst der Rechtsdogmatik zu treten.“ 6 Vgl. etwa Wieacker Fs. Nipperdey I (1965) 791, der den Leistungsbegriff, den das BGB im Zusammenhang mit der Erfüllung verwendet, zunächst als ,Verwirklichung des Gläubigerinteresses durch den Schuldner‘ definiert, dann aber klarstellt: „Allein diese nähere Bestimmung des Weges der Erfolgsverwirklichung ist so wenig eine unbedingte, daß § 267 ,Befriedigung durch Leistung eines Dritten‘ gestattet, wo der Schuldner ,nicht in Person zu leisten hat‘, also überall dort, wo das Gläubigerinteresse nicht überhaupt nur durch ein Verhalten gerade dieses Schuldners verwirklicht werden kann. Das kann nur so gedeutet werden, daß im Systemzusammenhang der 4

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setzlich angeordnete und somit nicht weiter erklärungsbedürftige – Ausnahme von der Relativität des Schuldverhältnisses verbucht7, die befreiende Drittleistung wird darum aber nicht als eigener Tilgungsgrund von der Erfüllung unterschieden8 oder auch nur als systemwidrig kritisiert. In der Romanistik dagegen sind Kretschmars Thesen – trotz einer ablehnenden Rezension von Mitteis9 – bereitwillig aufgenommen worden. Sie haben nicht nur das Interesse an den haftungsrechtlichen Ursprüngen der solutio geweckt und eine lebhafte Diskussion über die Frage ausgelöst, ob die librale nexi liberatio ursprünglich nur von einem Dritten vorgenommen werden konnte10 oder ob daneben immer schon die Möglichkeit der förmlichen Selbstlösung bestand11. Vor allem in der Literatur zum klassischen Recht hat Kretschmars Interpretation der befreienden Drittleistung Schule gemacht. Ihr folgt bereits Steiner, der die Drittleistung in seiner 1914 erschienenen Arbeit zur ,Datio in solutum‘ als Relikt eines älteren Rechtszustands beschreibt12: „Das Haftungsverhältnis wird in einem solchen Fall gelöst, ohne daß die schuldnerische Verpflichtung in die Tat umgesetzt wird, denn Erfüllungslehre das Element des Schuldnerverhaltens für den Leistungsbegriff prinzipiell außer Betracht bleibt – was wiederum nur dogmengeschichtlich zu begreifen ist.“ 7 Vgl. etwa Medicus Juristische Schulung 1974 S. 620 und MünchKomm-BGB/ Kramer (4. Aufl. 2003) Rdn. 28 vor § 241, die in § 267 BGB deshalb eine Durchbrechung der Relativität des Schuldverhältnisses erblicken, weil dem Dritten die Möglichkeit eingeräumt wird, in das zwischen Gläubiger und Schuldner bestehende und grundsätzlich auch auf diese Personen beschränkte Schuldverhältnis einzugreifen. Im englischen Recht ist die befreiende Wirkung der Drittleistung aus einem anderen Grund umstritten; vgl. etwa Beatson/Birks Unrequested Payment of Another’s Debt, in: Beatson The Use and Abuse of Unjust Enrichment. Essays on the Law of Restitution (1991) 177 ff. für die traditionelle und Burrows The Law of Restitution (1993) 222 ff. für die moderne Auffassung: Nach Beatson/Birks 182 ff. ist die Tilgung der Schuld bei der Leistung eines ,voluntary intervener‘ unter anderem deshalb von der Zustimmung des Schuldners abhängig, weil der zwischen Gläubiger und Drittem geschlossene ,executory contract‘ nach der ,privity of contract‘-Doktrin keine unmittelbare Drittwirkung entfalten kann. Aus dem gleichen Grund halten Beatson/Birks 178 A. 5 auch die befreiende Drittleistung im römischen Recht für bemerkenswert: „It is to be noted that this rule for discharge coexisted with a doctrine of privity of contract no less strict than that of English law.“ 8 So außer Kretschmar nur noch Böhmer Der Erfüllungswille (1911) 22 ff., deren Auffassung seither nicht mehr vertreten wird; vgl. nur Beuthien Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis (1969) 39 f. und Gernhuber Die Erfüllung und ihre Surrogate (2. Aufl. 1994) 464. 9 SZ 30 (1909) 437 ff. Mit Kretschmars Thesen zur befreienden Drittleistung geht Mitteis 440 besonders hart ins Gericht, s. u. nach A. 25. 10 Dieser von Koschaker SZ 37 (1916) 353 ff. im Anschluß an Steiner 22, 26 f., 30 und Marchi 49 f. entwickelten These folgen unter anderem Solazzi estinz. 13, Knütel SZ 88 (1971) 75 f. und Below 90. Auch Kaser hat sie zunächst gebilligt – vgl. etwa SZ 56 (1936) 347, AJ 241 f. oder RP I 172 – und dadurch maßgeblich zu ihrer Verbreitung beigetragen, später hat er sich jedoch zweifelnd geäußert, vgl. SZ 100 (1983) 102 A. 84. 11 So vor allem Kretschmar SZ 38 (1917) 324; vgl. auch Mitteis SZ 30 (1909) 440 f., der sogar annimmt, „die Zulassung stellvertretender Zahlung könne gerade erst mit dem Aufkommen der reinen Realsolution eingetreten sein.“

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Realisierung eines Schuldverhältnisses ist nur die Handlung des Schuldners oder seines Vertreters, niemals aber auch die Handlung eines nicht bevollmächtigten Dritten. Die Behandlung der Drittleistung als solutio ist eine Nachwirkung des alten vom Schuldinhalt unabhängigen Solutionsbegriffes, – eine Erinnerung an jene Zeit, da die Haftungslösung nur von einem Dritten vorgenommen werden konnte.“ Der einzige interpolationenkritische Angriff gegen die befreiende Drittleistung ist ebenfalls von Kretschmars Thesen geprägt: In einem 1930 veröffentlichten Beitrag zu den Studi Bonfante erklärt Frese die solutio des ,unberufenen‘ Dritten für justinianisch.13 Seiner Ansicht nach „sind sämtliche Stellen, welche eine allgemeine Geltung des Satzes von der Zahlung durch den Dritten aussprechen, als interpoliert anzusehen. Im klassischen Recht können nur ganz bestimmte Personen, nicht aber ein beliebiger Dritter, eine fremde Schuld zahlen, so vor allem der Prokurator, der servus actor, der bonorum possessor, der bonorum emptor und der adjektizisch Haftende.“ Diese Behauptung entwickelt Frese aus dem – von Kretschmar übernommenen – Verständnis der solutio als Realisierung des Obligationsinhalts: „Wie die Schuld nur auf dem Schuldner lastete, so konnte auch die Schulderfüllung grundsätzlich nur vom Schuldner ausgehen.“ Die Feststellung, daß sich die Leistung eines nicht autorisierten Dritten kaum unter einen solchen streng persönlichen Solutionsbegriff subsumieren läßt, geht ebenfalls auf Kretschmar zurück. Neu ist lediglich, daß Frese das Problem mit der interpolationistischen Methode seiner Zeit zu lösen versucht. Daß er sich damit nicht durchgesetzt hat, ist vor allem das Verdienst Solazzis, der Freses – oft willkürliche und keineswegs das gesamte Quellenmaterial ausschöpfende – Textkritik14 schon 1931 in seiner Monographie über ,L’ Estinzione dell’ obbligazione nel diritto romano‘ eingehend widerlegt.15 Er stellt zwar in den meisten Quellen Spuren kompilatorischer Kürzung oder Überarbeitung fest, schließt aber eine systematische Interpolation aus und kommt zu dem Ergebnis, daß die befreiende Drittleistung zum Erbe des klassischen Rechts gehört. Mit dieser schon von seinen Rezensenten gewürdigten „sehr verdienstvollen Polemik gegen Frese“16 hat Solazzi die Diskussion über die Klassizität der Drittleistung frühzeitig beendet. 12 Zitat 30; vgl. auch 22 und 45 ff. Ähnlich – wenn auch ohne Hinweis auf Kretschmar – bereits Marchi 49 A. 1: „il quale principio, a mio avviso, risale a tempi assai remoti.“ 13 429 ff. und 444 ff.; Zitate 431 und 444. 14 Vgl. vor allem 444 f. A. 210, aber auch 431 mit A. 144, 432 mit A. 145 und A. 147, 433 mit A. 155 und 447 ff. mit A. 216 bis 225. 15 Solazzi estinz. 44 ff. (die Seitenzahlen beziehen sich auf die zweite Auflage von 1935). 16 So Kaser SZ 56 (1936) 347 in der Rezension zur zweiten Auflage; zustimmend auch Weber Krit. Vjschr. 63 (1934) 96 f. in seiner sonst eher distanzierten Besprechung der ersten Auflage.

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Kaum geringer ist die Bedeutung seiner Monographie für die Rezeption von Kretschmars Thesen: In den einleitenden ,cenni storici‘ referiert Solazzi den Forschungsstand zu den haftungsrechtlichen Ursprüngen der solutio, und in diesem Zusammenhang bekennt er sich auch zu der von Kretschmar und Steiner vertretenen Auffassung, daß die Drittleistung mit der klassischen Vorstellung von der solutio als Realisierung des Obligationsinhalts nicht zu vereinbaren und darum nur als lebendige Erinnerung an die Drittlösung des altrömischen Rechts zu erklären sei.17 Im Gegensatz zu der gründlichen Auseinandersetzung mit Frese beruht diese eher beiläufige Äußerung zwar nicht auf eigenen Quellenstudien18, sie hat aber das Gewicht der bis heute maßgebenden Darstellung des klassischen Erfüllungsrechts, und aus diesem Grund haben Kretschmars Thesen nicht nur weitere namhafte Anhänger, sondern auch Eingang in die romanistischen Handbücher und Nachschlagewerke gefunden. Sie sind insbesondere19 von Betti20, Branca21, Longo22, Kaser23 und Zimmermann24 übernommen worden und können daher wohl als herrschende Auffassung bezeichnet werden. Kretschmars dogmengeschichtliche Erklärung der befreienden Drittleistung ist allerdings auch auf Ablehnung gestoßen. Besonders deutliche Worte findet Mitteis in seiner bereits erwähnten Rezension25: „Es ist kein allzu kräftiger Gedankennerv, den wir hier sehen.“ Mitteis räumt lediglich ein, „daß im ältesten Recht der Haftungsgedanke, im jüngeren der Schuldgedanke vorwaltet“, Kretschmars Schlußfolgerungen hält er jedoch für spekulativ und wenig plausibel: „Wenn man . . . aus solchen Vorstellungen einzelne positive Sätze des entwickelten Rechts ableiten will, so betritt man eine Brücke, die wenigstens dann 17 Estinz. 12 f. (vgl. auch 41): „Ma essa mal s’accorda col concetto dell’adempimento, a cui è pervenuto il diritto romano; questo principio esige un atto del debitore, che realizzi il contenuto dell’obbligazione. Se in concreto il contenuto è attuato da un altro che non è il debitore, si dovrebbe riconoscere che manca l’esatto adempimento dell’ obbligazione. . . . Anche questa volta è nella storia che dobbiamo cercare la risposta al nostro quesito. Il trattamento della prestazione del terzo come solutio è una conseguenza logica dell’ antico concetto della solutio indipendente dal contenuto dell’ obbligazione. Quella regola ricorda vivamente il tempo, in cui la liberazione del debitore dalla manus iniectio o dalla prigionia era e non poteva essere che opera di un terzo.“ 18 Dies moniert Weber (o. A. 16) 94. 19 Vgl. außerdem Below 89 f., dessen ,historische Miszelle‘ über ,Die Erfüllung der Obligation durch einen Dritten‘ in ihrem romanistischen Teil ganz von Solazzi abhängig ist. 20 Appunti 291 f. und strutt. 164. 21 ED 1 (1958) 549. 22 NNDI 12 (1965) 318. 23 RP I 636, vgl. auch 171 ff. 24 755 f., vgl. auch 3 A. 10. 25 (O. A. 9) 440 (alle folgenden Zitate); kritisch auch Weber Untersuchungen zum gräko-ägyptischen Obligationenrecht (1932) 93 mit A. 1, Maschi 274 ff., Cruz 336 f. und Pastori 265 f.

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sehr schwankend wird, wenn sich für diese Sätze noch andere Erklärungen denken lassen. Das aber ist gerade hier der Fall; warum soll die Zulässigkeit der Zahlung fremder Schulden, auch gegen den Willen des Schuldners, nicht auf spontaner Entwicklung beruhen können? Die späteren Juristen haben sich bei diesem Satz offenbar äußerst wohl befunden, da sie ihn sehr oft und mit unverkennbarem Behagen . . . wiederholen, und wenn sie diese Zulässigkeit der Interventionszahlung darauf zurückführen, daß ,naturalis simul et civilis ratio suasit, alienam condicionem meliorem . . . ignorantis et inviti nos facere posse‘, so wird es viele geben, die in dieser Opportunitätserwägung eine wirklich zureichende Erklärung des ganzen Satzes finden.“ In der Folgezeit ist die befreiende Wirkung der Drittleistung nur noch vereinzelt auf die bei Gaius26 überlieferte ,Opportunitätserwägung‘ zurückgeführt worden.27 Statt dessen haben Kretschmars Gegner zumeist28 auf ein älteres, von der Pandektenwissenschaft entwickeltes29 Erklärungsmodell zurückgegriffen. Danach beruht die befreiende Wirkung der solutio nicht oder jedenfalls nicht allein auf dem Gedanken der Pflichterfüllung, sondern zumindest auch auf der Erreichung des Obligationszwecks: Da die Verpflichtung des Schuldners nur dazu dient, dem Gläubiger die geschuldete Leistung zu verschaffen, hat sie ihren Zweck erreicht, sobald der Gläubiger befriedigt wird, und zwar unabhängig davon, ob er die Leistung vom Schuldner selbst oder von einem Dritten erhält. Im Unterschied zu dieser ,Zweckerreichungslehre‘ hat die ältere, von Jhering30 begründete Gegenauffassung, die in der Drittleistung einen Fall der Stellvertretung sieht, in der modernen Romanistik keine Anhänger mehr gefunden.31 3. Wie die vorstehende Übersicht zeigt, hat Kretschmars Versuch, die begrifflich-systematischen Probleme des modernen Erfüllungsrechts auf einen ,zwiespältigen historischen Ausgangspunkt der Solutionslehre‘ zurückzuführen, das Verständnis der Drittleistung im klassischen römischen Recht entscheidend geprägt. In den romanistischen Handbüchern32, den Gesamtdarstellungen des Ob26 D 3.5.38 Gai 3 de verb obl und D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov; dazu sogleich unter III 2 und 3. 27 So ausdrücklich nur Seidl RP 121 f. und ihm folgend Claus 159; vgl. aber auch Stein Fs. Daube (1974) 311 f., Behrends SZ 97 (1980) 464 f. und Fargnoli 74. 28 Vgl. insbesondere Weber (o. A. 25) 93 mit A. 1 und Maschi 276 f., aber auch Pastori 266. Andere Erklärungen geben Meylan 34 f., Cruz 337 und Wollschläger 79. 29 Vgl. vor allem Hartmann 31 f., 46 f., 65 f. und passim, Oertmann 388 ff., Hertz 10 f., Dernburg Pandekten II (7. Aufl. 1903) 5 und Windscheid/Kipp II 2 f. A. 2. 30 Jhering JherJb. 2 (1858) 93 ff., vgl. auch schon JherJb. 1 (1857) 286. 31 Nur Hamza Index 9 (1980) 196 sieht – nach Polay SZ 100 (1983) 658 – einen funktionellen Zusammenhang zwischen Drittleistung und Stellvertretung. 32 Vgl. etwa Rabel Grdz. 144, Siber 271, Schulz 629, Betti Ist. II 456 f., Seidl RP 121 f., Kaser RP I 636 und RP II 440 A. 4 oder Kunkel/Honsell 263, aber auch Branca ED 1 (1958) 550, Longo NNDI 12 (1965) 318, Sargenti ED 31 (1981) 536 und Hernández-Tejero DRO 182 ff.

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ligationenrechts33 und den Monographien von Solazzi34 und Cruz35 werden zwar auch spezielle Probleme der Drittleistung wie die Unterscheidung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Leistungen, der Widerspruch des Schuldners oder der Rückgriff des Dritten erörtert, und andere Themen wie die Leistung des Putativschuldners, die Drittleistung auf ein indebitum oder die solutio des procurator omnium rerum sind sogar Gegenstand eigener Untersuchungen36; im Mittelpunkt des Interesses steht aber die von Kretschmar aufgeworfene Frage, warum die Leistung eines nicht verpflichteten Dritten als solutio qualifiziert wird und als solche ebenso zum Erlöschen der Obligation führt wie die Leistung des Schuldners. Kretschmar ist es auch zuzuschreiben, daß der überwiegende Teil der romanistischen Literatur in diesem Zusammenhang nicht etwa nach dem inneren Geltungsgrund fragt, sondern nach den äußeren dogmengeschichtlichen Ursachen. Die begrenzte Tragweite einer solchen ,historischen Erklärung‘ wird deutlich, wenn man sie – wie Kretschmar – auch auf das geltende Recht anwendet oder mit Zimmermann37 sogar den Bogen von der archaischen Haftungslösung zu § 267 BGB schlägt. Denn die Verfasser des BGB haben diese Regelung keineswegs blind aus den Quellen übernommen, sondern ihren materiellen Geltungsgrund eingehend geprüft und durchdacht. Dies bezeugt vor allem38 die ausführliche Begründung des Vorentwurfs durch den zuständigen Redaktor Franz Philipp von Kübel.39 Hier werden zwar auch die Quellen und die partikularrechtlichen Autoritäten angeführt, im Mittelpunkt steht jedoch die innere Rechtfertigung der befreienden Drittleistung. Die Kernsätze lauten: „Erhält der Gläubiger durch den Dritten dasjenige, was ihm geschuldet ist, und wird somit durch die Leistung des Dritten der durch das Schuldverhältnis bezweckte Erfolg her33

Vgl. vor allem Betti Appunti 287 ff., Pastori 264 ff. und Zimmermann 756. Estinz. 39 ff. 35 333 ff. 36 Vgl. die im Literaturverzeichnis aufgeführten Arbeiten von Maier, Müller-Ehlen, Fargnoli und Apathy. 37 3 A. 10: „Provisions such as § 267 BGB . . . go back to this privilege that a debtor, liable for execution on his person, could be redeemed by third parties.“ Ähnlich Liebs Römisches Recht (6. Aufl. 2004) 231. 38 Vgl. auch Jakubetzky Bemerkungen zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich (1892) 55 f.: „Der für das Wesen des Schuldverhältnisses maßgebende Zweck liegt aber auf der Seite des Gläubigers; die Leistungspflicht des Schuldners ist nur das Mittel zur Verwirklichung des Zweckes. Das Schuldverhältnis ist dazu bestimmt, dem Gläubiger die Leistung zu verschaffen . . . Aus diesem Zwecke des Schuldverhältnisses erklärt sich die Möglichkeit der Leistung eines Dritten (§ 227) und der Schuldübernahme durch einen Dritten (§ 314), ebenso das Erlöschen des Schuldverhältnisses durch concursus causarum lucrativarum.“ 39 Recht der Schuldverhältnisse I, Allgemeiner Teil mit Begründung (1882), unveränderter Nachdruck in: Werner Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Schuldrecht 1 (1980) 769 ff.; Zitate 771. 34

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beigeführt, so fehlt es an einem berechtigten Interesse des Gläubigers, die Leistung gerade durch die Person des Schuldners zu verlangen, und muß vielmehr der Leistung des Dritten die Wirkung der Liberierung des Schuldners zuerkannt werden. . . . Einer Einwilligung des Schuldners bedarf es zum Eintritt der Wirkung der Erfüllung in diesem Fall nicht, da . . . die Verbindlichkeit des Schuldners von selbst erloschen ist, sofern das Schuldverhältnis seinem Wesen nach nur ein Mittel zur Herbeiführung jenes Erfolges ist und das Schuldverhältnis daher erlöschen muß, sobald dieser Erfolg erreicht ist.“ Aus den Gesetzesmaterialien erschließt sich also zum einen der Grundgedanke des § 267 BGB. Zum anderen wird deutlich, daß sich der Gesetzgeber mit dem Erlaß dieser Vorschrift der bereits erwähnten gemeinrechtlichen Zweckerreichungslehre angeschlossen hat. Eine ,historische Erklärung‘ des § 267 BGB, die allein die dogmengeschichtliche Kontinuität betont, verdeckt demnach nicht nur die innere Rechtfertigung des Gesetzes, sie übersieht außerdem den Einfluß der zeitgenössischen Zivilrechtsdogmatik und gibt daher auch die äußere Entwicklung nur unvollständig wieder. Bei einer rein ,historischen Erklärung‘ der befreienden Drittleistung im klassischen römischen Recht ist die Gefahr solcher oder ähnlicher Fehldeutungen noch wesentlich größer. Denn zum einen sind die Anfänge der solutio im altrömischen Recht bei weitem nicht so gesichert wie die Entstehungsgeschichte des § 267 BGB. Zum anderen beruht die Ausgangsfrage, warum der Dritte eine Verpflichtung erfüllen kann, die ihn gar nicht trifft, auf einem modernen, ethisch geprägten Begriff des Schuldverhältnisses, der zwar dem BGB zugrunde liegt, aber nicht notwendig auch dem klassischen Recht. Es ist also gar nicht gesagt, daß die befreiende Drittleistung von den römischen Juristen überhaupt als systemwidrige und darum erklärungsbedürftige Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen der solutio verstanden wird. In den Quellen findet sich jedenfalls kein Anhaltspunkt für eine solche Auffassung.40 Kretschmar selbst hat dies zwar bemerkt41, aber wegen seines primär zivilrechtsdogmatischen Erkenntnisinteresses auf eine genauere Untersuchung verzichtet, und seine oben zitierten Nachfolger haben nicht nur die historische Erklärung der befreienden Drittleistung, sondern auch das ihr zugrundeliegende Vorverständnis von der solutio als 40 Die befreiende Wirkung der Drittleistung und ihre Qualifikation als solutio werden nirgends in Frage gestellt, und die einzig überlieferte Rechtfertigung, aus der eine ratio dubitandi erschlossen werden könnte, ist die von Mitteis (o. A. 9) 440 zitierte ,Opportunitätserwägung‘, daß die Rechtslage eines anderen auch ohne sein Wissen und gegen seinen Willen verbessert werden darf. Sie betrifft aber gerade nicht die befreiende Drittleistung insgesamt, sondern nur die Frage, warum der Dritte auch ohne Kenntnis und Zustimmung des Schuldners mit schuldtilgender Wirkung leisten kann (dazu näher u. § 26). 41 So kommt er 36 f. zu dem Ergebnis: „Es scheint, daß der römischen Jurisprudenz die Unvereinbarkeit der Subsumtion der Leistung seitens des Dritten unter den neuen Erfüllungsbegriff nicht zu Bewußtsein gekommen ist.“

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Realisierung der schuldnerischen Verpflichtung ohne eigene Quellenstudien übernommen. Im folgenden sollen Kretschmars Thesen nicht überprüft und widerlegt oder gar durch eine neue historisch begründete Theorie der befreienden Drittleistung ersetzt werden. Statt dessen werden die Quellen zur Drittleistung im klassischen römischen Recht untersucht, und zwar nicht nur diejenigen, in denen der allgemeine Grundsatz überliefert ist, daß ein Dritter mit befreiender Wirkung für den Schuldner leisten kann, sondern auch die Entscheidungen, in denen dieser Grundsatz zur Anwendung kommt oder seine Anwendung ausdrücklich abgelehnt wird. Eine Darstellung der äußeren Dogmengeschichte von den XII Tafeln bis zur Gegenwart, wie sie in einer Auseinandersetzung mit Kretschmar erforderlich wäre, ist dagegen nicht beabsichtigt. Die Untersuchung beschränkt sich vielmehr auf die klassische Rechtsentwicklung und ist damit allenfalls der erste Schritt zu einer solchen historischen Gesamtdarstellung. II. Gegenstand und Gang der Untersuchung 1. Die Quellen zur Drittleistung im klassischen römischen Recht sind noch nicht im Zusammenhang untersucht worden. Die letzten Gesamtdarstellungen – der beinahe monographische Aufsatz von Oertmann und die eher schmale Dissertation von Hertz – stammen aus dem Jahr 1894 und stehen trotz vereinzelter historischer Bemerkungen noch ganz in der Tradition der Pandektenwissenschaft. In der Romanistik fehlt eine systematische Bearbeitung. Aus diesem Grund stellt sich zunächst das Problem der Auswahl und Ordnung des Quellenmaterials. Das erste Kriterium ist die Rechtsfolge: Gegenstand der Arbeit ist die befreiende Drittleistung. Die Quellen zur indebiti solutio durch einen Dritten können daher ausgeklammert werden. Denn bei ihnen geht es nicht um die obligationstilgende Wirkung der Drittleistung, sondern um die Aktivlegitimation bei der condictio indebiti.42 Das danach verbleibende Quellenmaterial ist immer noch so umfangreich und vielgestaltig, daß auch der zu untersuchende Tatbestand eingegrenzt werden muß. So lassen sich bei einer typisierenden Betrachtung vier Fälle befreiender Drittleistung unterscheiden: Bei der delegatio leistet der Dritte, weil er vom Schuldner dazu angewiesen wurde oder dies zumindest annimmt.43 Im zweiten Fall fehlt es zwar an einer Anweisung, der Dritte ist aber dem Schuldner gegenüber zur Leistung verpflichtet, und zwar entweder kraft 42 Mit diesem Thema befaßt sich die im Literaturverzeichnis aufgeführte Monographie von Fargnoli; vgl. dazu Klingenberg SZ 120 (2003) 277 ff. Fargnolis Thesen können im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht überprüft werden. Die wichtigsten Quellen außerhalb des Delegationsrechts sind u. A. 56 sowie in § 2 A. 19, § 10 A. 1 f. und § 14 A. 24 ff. zusammengestellt.

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seines Amtes – als procurator omnium rerum, curator oder tutor – oder aus einem speziellen Rechtsverhältnis wie dem mandatum solvendi oder dem Befreiungsvermächtnis.44 In den Quellen des dritten Typs ist der Leistende neben dem Schuldner – als dessen Bürge45 oder Mitschuldner46, aus einer adjektizischen Klage47, einem constitutum debiti alieni 48 oder aus Kreditmandat49 – dem Gläubiger gegenüber zur Leistung verpflichtet. Die vierte Quellengruppe läßt sich nur negativ beschreiben: Sie umfaßt die Texte, in denen weder von einer Anweisung des Schuldners noch von einer eigenen Verpflichtung des Dritten dem Schuldner oder dem Gläubiger gegenüber die Rede ist und darum angenommen werden muß, daß der Dritte freiwillig und aus eigenem Antrieb leistet.50 Einen qualifizierten Untertypus dieser Gruppe bilden die Quellen zur Drittleistung invito debitore. In ihnen wird ausdrücklich klargestellt, daß der Dritte ohne oder gegen den Willen des Schuldners mit befreiender Wirkung auf dessen Schuld leisten kann.51 Da diese Klarstellung nicht nur die vom Schuldner ,verbotene‘ Drittleistung, sondern sämtliche Fälle fehlender Zustimmung umfaßt, wird die Drittleistung invito debitore im folgenden auch als ,eigenmächtige‘ Drittleistung bezeichnet. Gegenstand dieser Arbeit sind die Quellen der vierten Gruppe. Sie wurden deshalb ausgewählt, weil in ihnen Tatbestand und Wirkungsweise der Drittleistung besonders klar hervortreten: Der Dritte leistet aus eigenem Antrieb auf eine ausschließlich fremde Schuld, ohne dazu verpflichtet, angewiesen oder sonst autorisiert zu sein oder dies auch nur zu glauben. Seine Leistung ist durch keine eigenen Rechtsbeziehungen zum Gläubiger oder zum Schuldner veranlaßt und damit gewissermaßen ,reine‘ Drittleistung. Auch die Rechtsfolgen werden weder durch die Anweisung des Schuldners noch durch eine eigene Leistungspflicht des Dritten und das ihr zugrundeliegende Rechtsverhältnis beeinflußt. Es kommt also nichts hinzu, was den Zusammenhang zwischen der Drittleistung und dem Erlöschen der fremden Schuld überlagern oder verdecken könnte.

43 Vgl. etwa D 12.6.26.12 Ulp 26 ad ed, D 46.3.66 Pomp 6 ex Plaut, D 46.3.96 pr. Pap 11 resp, aber auch D 38.1.37.4 Paul 2 ad l Iul et Pap und D 46.1.18 Iul 90 dig zur delegatio obligandi; weitere Quellen und Literatur in § 14 A. 38 ff. 44 Nachweise in § 10 A. 1 bis 4; vgl. auch § 22 II 3 zur Leistung des Subunternehmers. 45 Nachweise in § 17 A. 6 f. und in § 6 A. 7. 46 Nachweise in § 18 A. 1 bis 6 und in § 6 A. 8 bis 10. 47 Vgl. vor allem D 13.5.2 Iul 11 dig, D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed und D 46.3.59 Paul 2 ad Plaut, aber auch die § 16 A. 43 zitierten Stellen. 48 Vgl. etwa D 13.5.18.3 Ulp 27 ad ed und D 15.3.15 Ulp 2 disp. 49 Vgl. D 17.1.28 Ulp 14 ad ed und D 46.3.95.10 Pap 28 quaest. 50 Vgl. die Nachweise in A. 55 f. 51 D 3.5.38 Gai 3 de verb obl, D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab, D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov und I 3.29 pr.; vgl. auch licet ignorante me in D 46.3.40 Marci 3 inst.

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Im folgenden wird nur die soeben beschriebene ,reine‘ Drittleistung – also die freiwillige, nicht autorisierte solutio eines Dritten – als Drittleistung bezeichnet. Dies dient jedoch lediglich der begrifflichen Vereinfachung und besagt nicht, daß die ,reine‘ Drittleistung im klassischen Recht von allen übrigen Erscheinungsformen drittwirkender solutio unterschieden würde. Ob dies der Fall ist, soll vielmehr durch eine vergleichende Betrachtung der anderen Fälle ermittelt werden. Der Vergleich ist teils in den Quellen selbst angelegt und gehört damit unmittelbar zum Gegenstand der Arbeit52, teils erfolgt er in einem Exkurs zu einzelnen ausgewählten Entscheidungen.53 2. Auch die Überlieferung zur freiwilligen, nicht autorisierten solutio eines Dritten ist zu umfangreich, als daß jeder Quelle eine eingehende Exegese gewidmet werden könnte. Andererseits wäre eine systematische Gesamtdarstellung – etwa nach dem Vorbild von Oertmanns gemeinrechtlicher Untersuchung – für das klassische Recht wenig sinnvoll. Denn trotz der guten Überlieferung sind keineswegs alle Probleme, die sich im Zusammenhang mit der Drittleistung stellen, ausreichend belegt.54 Bei einer vollständigen systematisch oder chronologisch geordneten Darstellung des vorhandenen Quellenmaterials müßte zudem auf die eingehende Analyse der einzelnen Entscheidungen verzichtet werden. Eine solche – notwendig kursorische und lückenhafte – Gesamtdarstellung ist nicht beabsichtigt. Statt dessen werden in den folgenden Kapiteln selbständige exegetische Studien zu ausgewählten Grundfragen der Drittleistung vorgelegt. Deren Ergebnisse werden daher auch nicht erst am Schluß der Arbeit zusammengefaßt, sondern jeweils am Ende der einzelnen Kapitel. Die Auswahl der Themen und Quellen folgt unterschiedlichen Kriterien. So wird im zweiten Kapitel der Frage nachgegangen, ob das entwickelte klassische Recht neben der schuldtilgenden noch eine zweite, als Zessionstatbestand ausgestaltete Form der Drittleistung kennt. Gegenstand und Anlaß dieser Untersuchung ist die auffallend häufige Gegenüberstellung von Drittleistung und Klagenkauf in den hoch- und spätklassischen Quellen. Thema des dritten Kapitels sind die – ebenfalls vielbehandelten – Auswirkungen der Drittleistung im Verhältnis zwischen Schuldner und Drittem und ihr Zusammenhang mit der primären Rechtsfolge: dem Erlöschen der fremden Schuld. Im vierten Kapitel werden 52 Dies gilt für die dritte Fallgruppe, die sich mit dem Thema des vierten Kapitels überschneidet. 53 So in § 14 zu den ersten beiden Fallgruppen. 54 Ein besonders anschauliches Beispiel ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger in Annahmeverzug gerät, wenn er das Angebot eines Dritten ablehnt. Für Oertmann 413 ist sie „wohl die wichtigste und in der Litteratur meist erörterte der ganzen Lehre.“ Er widmet ihr darum auch 12 (von insgesamt 136) Seiten, kann sich dabei aber nur auf eine Quelle zur purgatio morae (D 46.3.72.2 Marcell 20 dig) stützen, und selbst wenn man D 20.4.11.4 Gai l s de form hyp und die Quellen zum ius offerendi des Zweitpfandgläubigers (s. u. § 8 A. 58 ff.) einbezieht, läßt sich der klassische Rechtszustand nicht einmal annähernd rekonstruieren.

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dann die Ausdrücke pro alio solvere und alieno nomine solvere untersucht. Denn der häufige Gebrauch dieser Wendungen läßt sie als technische Bezeichnungen für den ,Tatbestand‘ der befreienden Drittleistung erscheinen. Die beiden letzten Kapitel beschäftigen sich schließlich mit zwei prominenten Einzelfragen: mit dem Ausschluß der befreienden Drittleistung bei bestimmten ,unvertretbaren‘ Leistungen und mit der Drittleistung invito debitore. Diesen exegetischen Studien werden im ersten Kapitel einige grundlegende Bemerkungen über die Drittleistung als Tilgungsgrund und ihre begrifflich-systematische Erfassung durch die klassische Jurisprudenz vorangestellt. III. Inhalt und Authentizität der Hauptquellen 1. Der Grundsatz, daß ein Dritter mit befreiender Wirkung für den Schuldner leisten kann, ist vor allem in der justinianischen Kompilation55 häufig belegt. Er wird in zahlreichen Entscheidungen angewandt oder zumindest vorausgesetzt56 und mehrfach in abstrakter, regelhafter Form ausgesprochen:

55 Die außerjustinianische Überlieferung ist eher dürftig: In PS 2.9.1 wird die Drittleistung eines servus oder filius familias auf die Schulden seines Gewalthabers als Beispiel für eine versio in rem angeführt, und I 4.7.4 a, b läßt das gleiche Beispiel auch für Gai 4.72 a vermuten (s. u. A. 96). Urkundlich ist die Drittleistung durch eine Quittung aus dem Archiv des Caecilius Iucundus (CIL IV 3340 XLIX = FIRA III Nr. 128) bezeugt. Unter den außerjuristischen Quellenzeugnissen sind vor allem Livius 6.14.3 bis 5, 10 und 6.20.6 hervorzuheben, vgl. aber auch Macrob Sat 2.4.23. 56 Von der befreienden Drittleistung auf eine bestehende Schuld handeln D 3.5.31 pr. Pap 3 resp, D 3.5.38 Gai 3 de verb obl, D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav, D 3.5.44.2 Ulp 4 opin, D 6.1.65 pr. Pap 2 resp, D 10.2.44.7 Paul 6 ad Sab, D 12.6.8 Paul 6 ad Sab, D 12.6.36 Paul 5 epit Alf dig, D 12.6.44 Paul 14 ad Plaut, D 13.7.11.5 Ulp 28 ad ed, D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed, D 15.3.3.1 Ulp 29 ad ed, D 15.3.10.7 Ulp 29 ad ed, D 16.1.4.1 Ulp 29 ad ed, D 16.1.5 Gai 9 ad ed prov, D 16.1.28.1 Scaev 1 resp, D 17.1.12.1, 2, 5 und 6 Ulp 31 ad ed, D 17.1.26.3 Paul 32 ad ed, D 17.1.53 Pap 9 quaest, D 20.1.16.3 Marci l s ad form hyp, D 20.4.12.6 Marci l s ad form hyp, D 20.5.5 pr. Marci l s ad form hyp, D 20.6.1 pr. Pap 11 resp, D 22.1.37 Ulp 10 ad ed, D 24.1.7.7 Ulp 31 ad Sab, D 24.1.21 pr. Ulp 32 ad Sab, D 24.1.50 pr. Iav 13 epist, D 32.33.2 Scaev 15 dig, D 46.1.31 Ulp 23 ad ed, D 46.1.51.1 Pap 3 resp, D 46.1.69 Tryph 9 disp, D 46.3.5.1 Ulp 43 ad Sab, D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab, D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer, D 46.3.40 Marci 3 inst, D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov, D 46.3.59 Paul 2 ad Plaut, C 2.18.3 Sev/Ant, C 2.18.12 Alex, C 2.18.15 Gord, C 2.18.16 Gall/Vol, C 4.29.1 Ant, C 4.29.4.1 Alex, C 4.29.9 Gord, C 4.31.11 Diocl/Max, C 5.58.1 Sev/Ant, C 7.73.3 Ant, C 8.17.1 Sev/Ant, C 8.42.5 Gord, C 8.42.17 Diocl/Max, I 3.29 pr. und I 4.7.4 a, b; vgl. auch D 12.6.13 pr. Paul 10 ad Sab, D 15.1.3.7 Ulp 29 ad ed und D 15.1.4.5 Pomp 7 ad Sab zur Drittleistung auf eine Naturalobligation, D 12.6.46 Iav 4 ex Plaut, D 12.6.47 Cels 6 dig, D 15.3.3.1 Ulp 29 ad ed und C 4.5.6 Diocl/Max zur Drittleistung auf ein indebitum, D 20.4.11.4 Gai l s de form hyp, D 20.6.12.1 Paul 5 resp, D 46.3.72.2 Marcell 20 dig und C 8.13.22 Diocl/Max zum Leistungsangebot des Dritten sowie D 46.3.31 Ulp 7 disp und C 8.37.13.1 Iust zum Ausschluß der Drittleistung bei Obligationen auf facere. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Quellen findet sich auch bei Oertmann 385 ff., Solazzi estinz. 41 ff. und Cruz 334 f.

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In D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab werden die Drittleistung und die Prozeßdefension durch einen eigenmächtig handelnden Dritten nebeneinander gestellt: Solutione vel iudicium pro nobis accipiendo et inviti et ignorantes liberari possumus. Nach D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed kann ein Reeder für seinen Schiffsführer zahlen und dadurch dessen Schuld (samt der eigenen adjektizischen Haftung) zum Erlöschen bringen, quoniam et alius pro me solvendo me liberat. Nach einem Reskript Gordians aus dem Jahr 238 (C 8.42.5) ist der Gläubiger nicht verpflichtet, seine Forderung gegen Zahlung der geschuldeten Summe auf einen Dritten zu übertragen, licet solutione ab alio facta nomine debitoris evanescere soleat obligatio. Im Institutionentitel über die Erlöschensgründe hebt Justinian – anders als Gaius (3.168 ff.) – die Drittleistung besonders hervor57: Tollitur autem omnis obligatio solutione eius quod debetur . . . nec . . . interest, quis solvat, utrum ipse qui debet an alius pro eo: liberatur enim et alio solvente, sive sciente debitore sive ignorante vel invito solutio fiat (I 3.29 pr.). Diese Texte sind abstrakt, in der Art von Rechtssätzen formuliert. Auch wenn man wegen ihres unterschiedlichen Wortmaterials nicht auf eine gefestigte ,Spruchregel‘58 schließen kann, zeigen sie doch, daß die befreiende Wirkung der Drittleistung zumindest seit Pomponius als allgemeiner Grundsatz erkannt und anerkannt ist. Auch in den übrigen Quellen wird dieser Grundsatz weder in Frage gestellt59 noch näher begründet. Er erscheint vielmehr stets als feste Vorgabe der Rechtsordnung. Am deutlichsten wird dies in C 8.42.17 Diocl/Max (293): Manifesti iuris est . . . alio pro debitore solvente . . . tolli . . . obligationem. Zu der Frage, warum die Drittleistung pro ignorante et invito befreiend wirkt, äußert sich nur Gaius. Er führt dies auf das noch allgemeinere Prinzip zurück, daß man die Rechtslage eines anderen auch ohne seine Kenntnis und Zustimmung verbessern kann. Diese sowohl in D 3.5.38 Gai 3 de verb obl als auch in D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov überlieferte Rechtfertigung der eigenmäch-

57 Der justinianische Zusatz ist als solcher zwar kein Beleg für die befreiende Drittleistung im klassischen Recht (so aber Below 89), er enthält aber auch keine justinianische Neuerung, sondern lediglich eine Klarstellung. Ein ähnlicher – sachlich richtiger (vgl. etwa D 41.1.32 Gai 11 ad ed prov und Kaser RP I 262) – Zusatz findet sich in I 2.9.3 gegenüber Gai 2.87. 58 Zu diesem Begriff Wieacker RG I 590 ff. mwN. Daß die Römer den Satz solvendo quisque pro alio licet invito et ignorante liberat eum „fast als Rechtssprichwort gebraucht“ hätten, wie Koschaker SZ 37 (1916) 353 meint, läßt sich nicht beweisen. Denn in dieser Form ist er nur in D 3.5.38 Gai 3 de verb obl überliefert, und die übrigen abstrakt gefaßten Texte zur befreienden Drittleistung weichen in der Formulierung stark von ihm, aber auch voneinander ab. 59 Zu D 46.3.91 Lab 6 pith a Paulo epit u. § 25.

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tigen Drittleistung ist Gegenstand des letzten Kapitels.60 Die beiden Gaiusfragmente sind aber nicht nur ihretwegen von zentraler Bedeutung für die befreiende Drittleistung im klassischen Recht. Sie sind auch die ergiebigsten Quellen für den Grundsatz selbst.61 Denn sie geben ihn in einer präziseren und aufschlußreicheren Fassung wieder als die soeben zitierten Paralleltexte. Deshalb und weil sie im weiteren Verlauf der Arbeit immer wieder erwähnt sind, werden die beiden Gaiusfragmente bereits an dieser Stelle kurz vorgestellt. Die folgenden Erläuterungen zum Inhalt und zum palingenetischen Kontext dienen also der Einführung; die jeweils anschließende Stellungnahme zur Interpolationenkritik verfolgt noch ein weiteres Ziel: Am Beispiel der beiden Hauptquellen soll gezeigt werden, daß kein Anlaß besteht, die Authentizität der befreienden Drittleistung in Frage zu stellen. 2. Am Schluß des dritten und letzten Buchs seiner Monographie über die Verbalobligationen behandelt Gaius die Erlöschensgründe.62 In diesem Zusammenhang erörtert er die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Dritte an der solutio beteiligt sein können: D 3.5.38 Gai 3 de verb obl Solvendo quisque pro alio licet invito et ignorante liberat eum: quod autem alicui debetur, alius sine voluntate eius non potest iure exigere. naturalis enim simul et civilis ratio suasit alienam condicionem meliorem quidem etiam ignorantis et inviti nos facere posse, deteriorem non posse.63

Gaius entscheidet keine konkreten Fälle, sondern vergleicht in abstrakter Form (quisque . . . pro alio . . . alicui . . . alius) die solutio durch und an Dritte: Wenn ein beliebiger Dritter für den Schuldner leistet, wird dieser frei, und zwar selbst dann, wenn die Leistung ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen erbracht wird. Dagegen ist kein Dritter berechtigt, eine Forderung ohne Zustimmung des Gläubigers einzuziehen. Gaius erklärt diesen Unterschied aus der ,natürlichen und zugleich juristischen Vernunft‘, der zufolge es ratsam sei, daß man die Rechtslage eines anderen ohne sein Wissen und ohne seinen Willen zwar verbessern, aber nicht verschlechtern kann. 60

S. u. § 26. Auf sie wird daher auch in den meisten Lehr- und Handbüchern verwiesen; vgl. etwa Rabel Grdz. 144, Siber 271, Schulz 632, Betti Ist. II 456 mit A. 12 f., Seidl RP 121 f., Kaser RP I 636 A. 13, Zimmermann 752 A. 34 oder Hernández-Tejero DRO 183 A. 24. 62 Bei Lenel Paling. I 264 steht D 3.5.38 (Gaius 517) unter der Rubrik Quibus modis verborum obligatio tollitur. 63 Übersetzung: Indem er für einen anderen leistet, obwohl der andere nicht will oder nichts davon weiß, befreit jeder Dritte diesen anderen; was aber dem einen geschuldet wird, kann ein anderer ohne dessen Willen nicht rechtswirksam einziehen. Denn die natürliche und zugleich juristische Vernunft hat es ratsam erscheinen lassen, daß wir die Lage eines anderen auch ohne sein Wissen und ohne seinen Willen zwar verbessern können, aber nicht verschlechtern können. 61

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Bei der Gestaltung des Textes bedient sich Gaius einer Darstellungsform, die in den Quaestionen des Paulus besonders häufig vorkommt und von SchmidtOtt64 als ,Spiegelung‘ bezeichnet wird: Ein Sachverhaltselement des Ausgangsfalls wird in der Fallvariante durch seine umgekehrte Entsprechung ersetzt. So wird im ersten Satz von fr. 38 ein Dritter anstelle des zur Leistung verpflichteten Schuldners tätig, im zweiten Satz folgt der spiegelbildliche Fall, daß anstelle des Gläubigers ein Dritter die Forderung einzieht.65 Ersteres ist ohne Zustimmung des Betroffenen möglich, letzteres nicht. Dieser scheinbare Gegensatz wird in der Begründung aufgelöst. Bei ihrer Interpretation wird daher auf die Spiegelung zurückzukommen sein.66 Sie ist aber schon für das unmittelbare Textverständnis bedeutsam. Denn der genaue Sinn von iure exigere und invitus läßt sich nur durch den Vergleich mit der entsprechenden Formulierung im jeweils anderen Satz genau bestimmen. So kann exigere sowohl ,einklagen‘ als auch ,einziehen‘ bedeuten67, mit potest iure exigere kann daher die Aktivlegitimation des Dritten68 ebenso gemeint sein wie seine Empfangszuständigkeit bei der solutio.69 Neben liberat eum im ersten Satz kommt jedoch nur die zweite Bedeutung in Betracht: Der Dritte kann die Leistung nicht mit rechtlicher – das heißt: obligationstilgender – Wirkung einziehen. Umgekehrt folgt aus sine voluntate eius im zweiten, daß mit invitus im ersten Satz die fehlende Zustimmung des Schuldners gemeint ist und nicht nur sein ausdrücklicher Widerspruch.70 Denn durch invito et ignorante sollen offenbar die gleichen Konstellationen abgedeckt werden wie durch sine voluntate, und dazu gehört auch der Fall bloß fehlender Zustimmung bei vorhandener Kenntnis. 64

152 ff. Thematisch verwandte Spiegelungen finden sich etwa in D 12.6.6 pr. bis 2 Paul 3 ad Sab (Leistung durch und an den procurator) oder in D 46.2.8.5 Ulp 46 ad Sab (Novation mit Gläubiger- und Schuldnerwechsel). 66 S. u. § 26 II 1 und IV 2. 67 Vgl. nur Heumann/Seckel s.v. exigere 2 b und c. 68 Die Wendung iure exigere ist außer in fr. 38 nur noch in C 4.12.1 Diocl/Max belegt. Dort bezeichnet sie die prozessuale Durchsetzbarkeit einer Forderung. 69 Vgl. etwa D 26.7.46.7 Pap 9 resp: Tutoribus concessum est a debitoribus pupilli pecuniam exigere, ut ipso iure liberentur. 70 Diese Bedeutung hat invitus auch in anderen Quellen; vgl. vor allem D 3.3.8.1 Ulp 8 ad ed (invitus procurator non solet dari. invitum accipere debemus non eum tantum qui contradicit, verum eum quoque qui consensisse non probatur), D 8.2.5 Ulp 17 ad ed (invitum autem in servitutibus accipere debemus non eum qui contra dicit, sed eum qui non consentit) und D 23.2.45.5 Ulp 3 ad l Iul et Pap (deinde ait lex ,invito patrono‘: invitum accipere debemus eum, qui non consentit ad divortium). Über ihren Kontext hinaus haben diese Definitionen zwar nur eine begrenzte Aussagekraft, da invitus in anderen Quellen (vgl. etwa D 8.5.11 Marcell 6 dig mit D 8.2.27.1 Pomp 33 ad Sab und D 10.3.28 Pap 7 quaest, D 12.4.15 Pomp 22 ad Sab, D 33.2.12 Alf 2 dig a Paulo epit, D 50.17.26 Ulp 30 ad Sab) eng – im Sinne von ,gegen den Willen‘ – zu verstehen ist. Sie zeigen aber immerhin, daß das Wort auch in der Bedeutung ,ohne Willen‘ gebraucht wird. Weitere Belege dafür sind D 47.2.48.3 Ulp 42 ad Sab und – speziell zur solutio – D 30.108.1 Afr 5 quaest. 65

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Der allgemeine Grundsatz, daß die Drittleistung den Schuldner befreit, wird nirgends genauer und vollständiger formuliert als in D 3.5.38. Trotz seiner Kürze faßt der Satz solvendo quisque pro alio licet invito et ignorante liberat eum nicht nur den Inhalt der anderen unter 1 zitierten Fassungen zusammen, er enthält sogar eine zusätzliche Klarstellung. Gaius beschreibt die Voraussetzungen und die Wirkung der Drittleistung mit den gleichen Worten wie Ulpian in D 14.1.1.24: Ein Dritter kann den Schuldner befreien (liberat eum – me liberat), indem er für ihn leistet (solvendo pro alio – pro me solvendo). Auch die übrigen regelhaft formulierten Quellen verwenden diese oder ähnliche Begriffe.71 Nur in C 8.42.5 Gord wird die Drittleistung nicht mit pro alio solvere bezeichnet, sondern als solutio ab alio facta nomine debitoris. Gaius nennt aber nicht nur die Voraussetzungen der befreienden Drittleistung, er hebt außerdem hervor, daß bestimmte Umstände für die Befreiung des Schuldners ohne Bedeutung sind: Es kommt weder auf die Person des Dritten an noch auf den Willen oder die Kenntnis des Schuldners. Ersteres bringt Gaius durch quisque deutlicher zum Ausdruck als die übrigen Quellen72, und die Klarstellung licet invito et ignorante findet sich sonst nur noch in D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab und in I 3.29 pr. Auch der zweite Satz des Fragments ist kurz und präzise formuliert: Ohne Zustimmung des Gläubigers kann ein Dritter die Forderung nicht mit befreiender Wirkung einziehen. Der Schuldner hat also grundsätzlich an den Gläubiger selbst zu leisten. Die Leistung an einen Dritten befreit ihn nur dann, wenn sie durch eine Ermächtigung des Gläubigers gedeckt ist oder nachträglich genehmigt wird. In der Form eines allgemeinen Rechtssatzes ist dies zwar nur noch bei Diokletian73 belegt, der Sache nach wird es jedoch durch zahlreiche klassische Quellen74 bestätigt.75 Auch der zweite Satz gibt also in abstrakter Form einen anerkannten Grundsatz des Solutionsrechts wieder. 71 So werden die Voraussetzungen der Drittleistung in C 8.42.17 Diocl/Max und I 3.29 pr. ebenfalls mit pro alio solvere umschrieben, und in D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab gehört pro nobis zwar der Satzstellung nach nur zu iudicium accipiendo, der Sache nach bezieht es sich aber auch auf solutione. Die Wirkung wird teils, wie in fr. 38, aus der Sicht des Schuldners als Befreiung bezeichnet (so in D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab: liberari possumus) und teils neutral als Erlöschen der Obligation (so in C 8.42.5 Gord: evanescere soleat obligatio, und in C 8.42.17 Diocl/Max: tolli . . . obligationem). In I 3.29 pr. werden beide Ausdrucksweisen nebeneinander verwendet (tollitur . . . obligatio, liberatur). 72 In D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab wird der Dritte überhaupt nicht genannt, und in den anderen unter 1 aufgeführten Texten wird er als alius bezeichnet. Damit ist nur gesagt, daß nicht der Schuldner selbst leistet, sondern ,ein anderer‘. Anders bei quisque: Hier liegt der Ton auf der Beliebigkeit. Gaius stellt klar, daß nicht nur bestimmte Personen für den Schuldner leisten können, sondern jeder Dritte (vgl. etwa D 28.5.29 Pomp 5 ad Sab: Hoc articulo ,quisque‘ omnes significantur). 73 C 8.42.12 Diocl/Max: Invito vel ignorante creditore qui solvit alii, non se liberat obligatione. quod si hoc vel mandante vel ratum habente eo fecerit, non minus liberationem consequitur, quam si eidem creditori solvisset.

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Die Begründung greift über den Gegenstand des Fragments und sogar über das Thema der Monographie hinaus. Daß die Drittleistung den Schuldner auch ohne seine Kenntnis und Zustimmung befreit, während die Leistung an Dritte die Zustimmung des Gläubigers voraussetzt, erklärt Gaius aus einem noch allgemeineren Satz: Die Rechtslage eines anderen kann ohne sein Wissen und ohne seinen Willen zwar verbessert, nicht aber verschlechtert werden. Dieser allgemeine Rechtsgedanke ist bei keinem anderen Juristen belegt. Gaius stützt ihn auf die Autorität der naturalis simul et civilis ratio und bezeichnet ihn als deren ,Empfehlung‘ (suasit). Dadurch betont er einerseits die Überzeugungskraft des Gedankens, andererseits zitiert er ihn nicht als bloß unverbindliche Maxime. Durch das Perfekt von suasit und die civilis ratio beschreibt er ihn vielmehr als einen bereits anerkannten Grundsatz des Zivilrechts. Fr. 38 enthält weder gedankliche Brüche noch stilistische Mängel. Daher geht die moderne Romanistik überwiegend davon aus, daß die Digesten den klassischen Text unverfälscht wiedergeben.76 In den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist der Text jedoch mehrfach für interpoliert erklärt worden, und obwohl dieser Verdacht schon früh auf Widerspruch gestoßen ist77, hat er sich bis in die neuere Zeit gehalten. 74 Daß grundsätzlich nur die Leistung an den Gläubiger befreiende Wirkung hat, steht etwa bei Gai 3.160: . . . cum alioquin stricta iuris ratione non posset liberari eo, quod alii solvisset quam cui solvere deberet. Unvollständige Aufzählungen der übrigen empfangsberechtigten Personen finden sich in D 13.7.11.5 Ulp 28 ad ed und in D 46.3.49 Marci l s ad hyp form. Zum Empfang der Leistung ermächtigt sind insbesondere der Inkassomandatar (vgl. etwa D 46.3.12 pr. Ulp 30 ad Sab) und der Anweisungsempfänger bei der delegatio solvendi (D 50.17.180 Paul 17 ad Plaut). Eine Generalermächtigung besitzen der procurator omnium rerum (D 3.3.58 Paul 71 ad ed), der servus actor, qui exigendis pecuniis praepositus est (D 44.4.5.3 Paul 71 ad ed) und der Inhaber eines Sonderguts für die Pekuliarforderungen (C 8.42.3 Gord). Von der Genehmigung des Gläubigers handeln D 46.3.12.4 Ulp 30 ad Sab und D 46.3.58 pr. Ulp 80 ad ed. Vgl. zur Leistung an Dritte im übrigen Solazzi estinz. 54 ff., Betti Appunti 293 ff., Cruz 338 ff., Kaser RP I 637 und Hernández-Tejero DRO 184 f. 75 Der Schuldner wird auch dann befreit, wenn er in gutem Glauben an einen Dritten leistet, dessen Ermächtigung widerrufen oder auf sonstige Weise erloschen ist; vgl. dazu Haymann Bull. 51/52 (1948) 393 ff. und Kaser Fs. Felgentraeger (1969) 277 ff. Auch Gaius (3.160) läßt diese Ausnahme zu, in D 3.5.38 erwähnt er sie jedoch nicht besonders. Seine Generalisierung quod autem alicui debetur, alius sine voluntate eius non potest iure exigere ist darum aber nicht unvollständig oder gar falsch. Denn die Befreiung des Schuldners setzt auch in diesen Fällen voraus, daß der Gläubiger den Dritten tatsächlich zum Empfang der Leistung ermächtigt hat (vgl. D 46.3.34.4 Iul 54 dig), und in einigen Texten (vgl. etwa D 46.3.35 Alfen 2 dig a Paul epit und D 46.3.34.3 Iul 54 dig) wird sie damit begründet, daß die Ermächtigung im Verhältnis zum Schuldner als fortbestehend gilt. Sine voluntate creditoris tritt also auch hier keine Befreiung ein. 76 Vgl. neben den o. A. 61 aufgezählten Lehr- und Handbüchern etwa Betti Appunti 291 und 438 f., Cruz 335, Claus 159, Stein Fs. Daube (1974) 311 f., Wagner Gaius 111, 186 und Müller-Ehlen 54, aber auch schon Mitteis SZ 30 (1909) 437, Koschaker SZ 37 (1916) 353 f. und Kretschmar SZ 38 (1917) 322. 77 Vgl. Maschi 274 ff.

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Ausgehend von seiner These, daß die befreiende Drittleistung insgesamt justinianisch sei, hat zuerst Frese78 den Text von fr. 38 verdächtigt. Als sprachliche Indizien führt er an: die Ausdrücke quisque und iure exigere, die sonst nur in Justinians Institutionen belegte ,doppelte ratio‘, alienam condicionem neben ignorantis et inviti und die Erwähnung des debitor ignorans. Außerdem beruft er sich darauf, daß die Drittleistung in Gaius’ Institutionen nicht belegt sei, und aus dem Schlußsatz von D 46.2.8.5 Ulp 46 ad Sab leitet er die Vermutung ab, daß Gaius im dritten Buch De verborum obligationibus nicht von der solutio, sondern von der Novationsstipulation handele. Beseler79 hält die gesamte Begründung für „untiefsinnig und überflüssig“ und deshalb für interpoliert. Er stößt sich ebenfalls an der ,doppelten ratio‘ („eine besondere civilis ratio ist nicht vorhanden: indem das Zivilrecht die naturalis ratio befolgt entsteht keine neue ratio“), und gegen deren sehr allgemein formulierte ,Empfehlung‘ wendet er ein, daß ihr zufolge auch der – nach klassischem Recht unwirksame – Vertrag zugunsten Dritter zulässig sein müßte. Solazzi80 hält die meisten dieser Argumente für zutreffend. Seines Erachtens beweisen sie jedoch nicht, daß der gesamte Text oder auch nur die Begründung von den Kompilatoren stammt, sondern nur „che il frammento dei Digesti non è illibato.“ Für interpoliert hält Solazzi81 namentlich et ignorante im ersten, iure im zweiten und etiam ignorantis et inviti im dritten Satz. Als zusätzliches Indiz führt er nur die Inversion invito et ignorante – ignorantis et inviti an. Seinen Interpolationsannahmen folgt noch Below82 mit der Begründung, iure sei ,unnötig‘ und etiam ignorantis et inviti ,überflüssig‘. Bei näherer Prüfung gibt keines dieser Argumente Anlaß zu der Vermutung, daß fr. 38 in der Sache oder auch nur sprachlich überarbeitet worden ist: Nach Grupe83, den Frese für die Unechtheit von quisque zitiert, ist dieses Wort nicht justinianisch – im Gegenteil: Die Kompilatoren haben es häufig durch quisquam oder ähnliche Begriffe ersetzt. Neben exigere ist iure zwar überflüssig, aber nicht falsch. Faktisch kann schließlich jeder Dritte – etwa als falsus procurator – eine fremde Forderung einziehen.84 Da das klarstellende iure für Gaius geradezu typisch85 und auch in 78 444 f. A. 210, vgl. auch SZ 43 (1922) 483 f.; zu Freses Grundthese bereits o. bei A. 13 ff. 79 V 17; vgl. auch TR 8 (1928) 319. 80 Estinz. 44 (Zitat) mit A. 3 bis 5; vgl. aber auch 13 A. 3. 81 Estinz. 41 f. 82 89 mit A. 10. 83 SZ 15 (1894) 336. 84 Vgl. nur D 47.2.81.7 Pap 12 quaest. 85 Besonders häufig ist die Wendung testamentum iure factum; vgl. etwa Gai 2.144 ff. und 3.36 sowie D 5.3.1 Gai 6 ad ed prov und D 37.4.12.1 Gai 14 ad ed prov. Vgl. außerdem Gai 1.146 (nepotibus autem neptisque ita demum possumus testa-

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der Verbindung mit exigere nicht ohne Beispiel ist86, gibt es keinen Grund, in fr. 38 an seiner Authentizität zu zweifeln. Naturalis und civilis ratio stehen sonst zwar nur noch in Justinians Institutionen nebeneinander87, ähnliche Kombinationen finden sich aber auch bei Gaius und anderen klassischen Juristen.88 Zudem bezeichnet ratio nicht den Rechtssatz selbst, sondern seine Quelle (suasit), und hier gehört die Unterscheidung zwischen ,natürlicher‘ und ,ziviler‘ Geltung zu den grundlegenden Kategorien in Gaius’ System.89 Gaius verwendet das allgemeinere alienam condicionem (statt condicionem debitoris), um dem Begründungssatz eine über den Gegenstand des Fragments hinausreichende Bedeutung zu verleihen. Die Wendung etiam ignorantis et inviti steht sprachlich wie inhaltlich im Mittelpunkt dieses Satzes. Durch ihre von Solazzi und Below vorgeschlagene Streichung verlöre die Begründung jeden Bezug zu den beiden vorhergehenden Sätzen. Der Wechsel vom adjektivischen zum Genitivattribut und die gegenüber dem ersten Satz geänderte Reihenfolge sind zwar stilistisch auffällig, deshalb aber noch kein Indiz für die Unechtheit von etiam ignorantis et inviti. Sie unterstreichen vielmehr die zentrale Bedeutung dieser Worte. Bei der Leistung an Dritte erwähnt Gaius nur den fehlenden Willen des Gläubigers (sine voluntate eius), bei der Drittleistung und in der Begründung auch den Fall der Unkenntnis (licet invito et ignorante, etiam ignorantis et inviti). Darin liegt jedoch keine nachklassische ,Gleichstellung von Wissen und Konsens‘90, sondern eine zusätzliche Klarstellung91: Die befreiende Wirkung der Drittleistung hängt weder vom Willen noch von der Kenntnis des Schuldners ab.92 Die Kombination von invitus und ignorans ist innerhalb wie außer-

mento tutores dare, si post mortem nostram in patris sui potestatem iure recasuri non sint) und 2.108 (ut ipse quoque heres aut legatarius iure adhibeantur) sowie D 28.1.6 pr. Gai 17 ad ed prov (quamvis pater ei permittat, nihilo magis tamen iure testari possit), D 41.1.3.1 Gai 2 rer cott (potest a domino . . . iure prohiberi ne ingrederetur) und D 46.1.70.4 Gai 1 de verb obl (si pro furioso iure obligato fideiussorem accepero). 86 C 4.12.1 Diocl/Max. 87 Vgl. I 1.10 pr., I 4.14.4 und vor allem I 2.4.2 mit D 7.5.2.1 Gai 7 ad ed prov. 88 Vgl. etwa Gai 3.154 a (inter suos heredes quaedam erat legitima simul et naturalis societas), D 43.18.2 Gai 25 ad ed prov (quorum proprietas et civili et naturali iure eius est) oder D 45.1.83.5 Paul 72 ad ed (adversus fortunam spectari hominis liberi neque civile neque naturale est); weitere Nachweise u. § 26 A. 176. 89 Vgl. vorerst nur Gai 1.1, weitere Nachweise u. § 26 A. 165 f. Gegen die Kritik der ,doppelten ratio‘ auch Maschi 276 f. und Wagner Gaius 185 f. 90 So aber Frese 445 A. 211 mit Hinweis auf einige seiner Ansicht nach interpolierte Texte, in denen ignorans statt oder gleichbedeutend neben invitus verwendet wird; zustimmend Solazzi estinz. 44 A. 5 und Below 89. 91 Dazu näher u. § 26 II 3.

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halb der justinianischen Kompilation vielfach belegt93 und damit eher ein Echtheitsindiz. Dasselbe gilt für die scheinbare Asymmetrie: Da mit der Zustimmung notwendig auch die Kenntnis des Gläubigers verbunden ist, muß dieses Erfordernis bei der Leistung an Dritte nicht eigens erwähnt werden. Hier ist mit sine voluntate eius non potest iure exigere alles gesagt. D 46.2.8.5 Ulp 46 ad Sab enthält zwar eine ähnliche Spiegelung wie fr. 3894, daraus folgt aber nicht, daß auch Gaius ursprünglich von der Novation gehandelt hätte. Von den restlichen Fragmenten, die aus dem dritten Buch über die Verbalobligationen erhalten sind, gehört nur D 46.2.34 (Gai 519) zu diesem Thema, D 45.2.16 (Gai 518) handelt von der litis contestatio, D 46.4.22 (Gai 520) und D 46.1.72 (Gai 521) von der acceptilatio. Daher ist mit Lenel95 von der allgemeinen Rubrik Quibus modis verborum obligatio tollitur auszugehen, und hier hat die Drittleistung ebenso ihren Platz wie die Novation. Aus Gaius’ Institutionen lassen sich keine Argumente gegen die Authentizität von fr. 38 herleiten. Im Abschnitt über die Erlöschensgründe wird die Drittleistung zwar nicht eigens erwähnt, auf die solutio verwendet Gaius aber überhaupt nur einen einzigen Satz (3.168), und dieser ist gerade nicht auf die Leistung des Schuldners beschränkt, sondern unpersönlich formuliert: Tollitur autem obligatio praecipue solutione eius, quod debetur. Nach Levys plausibler Rekonstruktion von Gai 4.72 a96 wird die Drittleistung (eines Sklaven) an die92 Nach invitus ist ignorans also keine „gradazione a rovescio“; so aber Solazzi estinz. 43 A. 3, der aus diesem Grund inviti et ignorantes in D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab verdächtigt. Sein Argument läßt sich auch nicht umkehren und gegen etiam ignorantis et inviti in der Begründung von fr. 38 oder gegen pro ignorante et invito in D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov wenden. Denn die Reihenfolge, in der invitus und ignorans miteinander kombiniert werden, variiert nicht nur in den Texten zur Drittleistung, sondern auch in den übrigen Quellen; vgl. die Nachweise in § 26 A. 40 ff. 93 Ähnlich häufig ist die Verbindung von invitus und inscius. Die Quellen sind in § 26 A. 44 nachgewiesen. 94 Der Schlußsatz lautet: Non tamen si quis stipuletur quod mihi debetur, aufert mihi actionem, nisi ex voluntate mea stipuletur: liberat autem me is qui quod debeo promittit, etiamsi nolim; vgl. dazu u. § 25 bei A. 93 ff. 95 Paling. I 264 f. (Gaius 517 bis 521). 96 SZ 48 (1928) 537. Kübler hat Levys Vorschlag in die 7. Auflage seiner Gaiusedition (1935) übernommen. Danach lautet die entsprechende Passage in Gai 4.72 a: . . . [si igitur verbi gratia ex HS X, quae servus tu]us a me [mutua accepit, creditori tuo HS V solverit] aut rem [necessariam, puta familiae cibaria, HS V emerit] et re[l]i[qua V quolibet modo consumpserit, pro V quidem] i[n solidum damnari debes, pro ceteris V eatenus,] q[uatenus in peculio sit. ex quo scilicet apparet, si tota HS X in rem tuam versa fuerint, tota te HS X consequi posse]. Im Codex Veronensis ist der Text unlesbar. Die wenigen überlieferten Buchstaben stammen aus den Oxforder Fragmenten. In der editio princeps hat Hunt P Oxy XVII (1927) 2103 auf eine Rekonstruktion der nur bruchstückhaft erhaltenen Zeilen 62 ff. verzichtet. Nach Levy 540 „ergeben die Reste von Z. 64. 66. 70 mit ziemlicher Sicherheit, daß das in Inst. 4,7,4b abgehandelte Beispiel in Frage steht, aber auch die Buchstaben von Z. 67. 68. 69 fügen sich bei Beachtung der erforderlichen Zeilenlänge gut ein, und nicht minder paßt es, daß das Bei-

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ser Stelle sogar ausdrücklich erwähnt, und zwar, wie auch in anderen Quellen97, als Beispiel für die versio in rem domini. Gegen den Inhalt von D 3.5.38 richtet sich – abgesehen von Freses pauschaler Verdächtigung der befreienden Drittleistung – nur Beselers Hinweis auf die Unzulässigkeit des Vertrags zugunsten Dritter, die Gaius in seiner generalisierenden Begründung tatsächlich nicht berücksichtigt. Diese Ungenauigkeit ist das einzig zutreffende Argument, das die Interpolationenkritik gegen die Authentizität von fr. 38 vorgebracht hat. Auch sie kann jedoch weder den Kompilatoren noch einem nachklassischen Bearbeiter zugeschrieben werden, sondern muß als Schwäche in Gaius’ eigener Argumentation betrachtet und bei deren Interpretation berücksichtigt werden.98 Denn sie findet sich auch in D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov, dem zweiten Gaiustext zur Drittleistung invito debitore. Da dieses Fragment, das im folgenden kurz vorgestellt wird, aus einem anderen Werk stammt, ist eine einheitliche Glossierung unwahrscheinlich. Mit dem gleichen Argument läßt sich auch eine systematische Interpolation ausschließen. Die beiden Gaiustexte stehen nämlich nicht nur in verschiedenen, weit voneinander entfernten Digestentiteln, sie stammen auch aus unterschiedlichen Massen: Gaius’ Monographie über die Verbalobligationen gehört zur pars Papiniana und sein Kommentar ad edictum provinciale zur Ediktsmasse. 3. Das zweite Gaiusfragment zur eigenmächtigen Drittleistung ist kaum mehr als eine Kurzfassung des ersten. Nur einige Akzente sind anders gesetzt, und diese wenigen Abweichungen erklären sich aus dem palingenetischen Kontext des Fragments. D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov Solvere pro ignorante et invito cuique licet, cum sit iure civili constitutum licere etiam ignorantis invitique meliorem condicionem facere.99

Gaius stellt zunächst fest, daß jeder Dritte befugt ist, ohne Kenntnis und Zustimmung des Schuldners zu leisten. Er begründet dies damit, daß man die Rechtslage eines anderen auch ohne seine Kenntnis und Zustimmung verbes-

spiel gerade bis Z. 70 reicht, wo der Anfang eines neuen Paragraphen kenntlich gemacht ist.“ Diese Rekonstruktion aus I 4.7.4 b erscheint plausibel. Zwar weichen die Oxforder Fragmente in weiten Teilen von Justinians Institutionen ab (dazu Levy 546 f.), und auch der Beispielsfall kann nicht vollständig übereinstimmen (dazu Levy 540 f.). Insgesamt folgen I 4.7 pr. bis 5 aber dem Gaiustext (4.69 bis 74). Daher lassen die für sich genommen geringen sprachlichen Parallelen den Schluß zu, daß auch das Beispiel in I 4.7.4 b aus der entsprechenden Passage bei Gaius stammt. 97 Vgl. PS 2.9.1 und aus den Digesten vor allem D 15.3.3.1 und D 15.3.10.7 (beide Ulp 29 ad ed). 98 Dazu näher § 26 III 1 a. E. 99 Übersetzung: Für jemanden zu leisten, der dies nicht will oder nichts davon weiß, ist jedem erlaubt, weil im Zivilrecht bestimmt ist, daß es erlaubt ist, auch die Rechtslage desjenigen zu verbessern, der dies nicht will oder nichts davon weiß.

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sern darf. Diese generelle Erlaubnis bezeichnet er als ,Bestimmung‘ (constitutum) des Zivilrechts. In fr. 53 fehlen der spiegelbildliche Fall der Leistung an Dritte und der entsprechende Teil der Begründung. Im übrigen folgt der Text dem gleichen Muster wie fr. 38: Die Drittleistung pro ignorante et invito wird zunächst in abstrakter Form für zulässig erklärt und dann aus dem noch allgemeineren Grundsatz abgeleitet, daß man die Lage eines anderen ohne sein Wissen und gegen seinen Willen verbessern darf. Dieser Grundsatz wird schließlich wiederum auf die Autorität des Zivilrechts gestützt. Gaius verwendet sogar das gleiche Vokabular wie in fr. 38: Die Drittleistung umschreibt er mit pro aliquo solvere, durch ignorante et invito und das Pronomen quisque stellt er klar, daß die Befreiung des Schuldners weder von seiner Kenntnis oder Zustimmung noch von der Person des Dritten abhängt, und auch die Begründung ist beinahe wortgleich. Die wenigen Abweichungen fallen daher um so mehr ins Auge: So handelt fr. 53 ausschließlich von der Leistung pro ignorante et invito, die zwar auch in fr. 38 im Mittelpunkt steht, dort aber nur als besonders problematischer Unterfall des allgemeineren Tatbestands solvendo . . . pro alio dargestellt wird. Noch auffälliger ist das Fehlen der Rechtsfolge. Das liberat eum aus fr. 38 hat in fr. 53 keine Entsprechung. Hier heißt es statt dessen cuique licet. Es geht also nicht um die Befreiung des Schuldners, sondern um das Recht jedes Dritten, für ihn zu leisten. Daher spricht Gaius auch in der Begründung nicht bloß von der Möglichkeit (posse), sondern von der jedermann zustehenden Befugnis (licere), die Rechtslage eines anderen ohne seine Kenntnis und Zustimmung zu verbessern. Durch iure civili constitutum bringt er schließlich noch zum Ausdruck, daß die Rechtsordnung dieses Prinzip anerkannt hat. Er betont damit allein dessen Autorität und nicht – wie in fr. 38 – zugleich die Überzeugungskraft der naturalis simul et civilis ratio. Insgesamt geht es ihm also weniger um die befreiende Wirkung der Drittleistung als darum zu zeigen, daß jeder Dritte nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts unabhängig von der Kenntnis und vom Willen des Schuldners zur Leistung befugt ist. Die Erklärung für diese unterschiedliche Akzentuierung liegt im palingenetischen Kontext des Fragments: Es ist zwar im Digestentitel De solutionibus et liberationibus überliefert, anders als fr. 38 stammt es aber gerade nicht aus dem Solutionsrecht. Es gehört vielmehr zur Kommentierung des Edikts De receptis und dort speziell zum receptum argentarii 100. Der Kontext des kurzen und isolierten Satzes läßt sich mit einiger Sicherheit rekonstruieren101: Gaius behandelt 100 Vgl. zu diesem bürgschaftsähnlichen Institut außer der bei Kaser RP I 585 A. 20 angegebenen Literatur Bürge SZ 104 (1987) 527 ff. und López-Amor DRO 721 ff. 101 Eingehend dazu Lenel SZ 2 (1880) 66; vgl. auch Paling. I 198 (Gaius 122) mit A. 4 und Frezza I 280.

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die umstrittene102 Frage, ob das receptum, durch das ein Bankier die Zahlung des Schuldners garantiert, auch ohne dessen Wissen und Zustimmung wirksam ist. Dies zeigt ein weiteres, palingenetisch eng benachbartes103 Fragment: D 46.1.30 Gai 5 ad ed prov Fideiubere pro alio potest quisque, etiamsi promissor ignoret.104

Der Hinweis, daß die Wirksamkeit der fideiussio nicht von der Kenntnis des Hauptschuldners abhängt, hat im Kontext De receptis nur dann einen Sinn, wenn man ihn als Argument für eine entsprechende Lösung beim receptum argentarii versteht. In diesen Zusammenhang gehört auch fr. 53: Hier zeigt Gaius, daß und warum jeder Dritte befugt ist, ohne Wissen und Zustimmung des Schuldners für diesen zu leisten. Er greift also auf die in fr. 38 entwickelte Begründung zurück und führt mit ihrer Hilfe den in fr. 30 begonnenen Analogieschluß zuende: Die jedermann zustehende Befugnis, pro ignorante et invito zu leisten, beruht auf dem allgemeinen Grundsatz, daß man die Rechtslage eines anderen auch ohne dessen Wissen und gegen seinen Willen verbessern darf, und aus demselben Grund setzen weder die Bürgschaft noch das receptum argentarii die Kenntnis oder die Zustimmung des Schuldners voraus. Die Unterschiede zwischen fr. 38 und fr. 53 erklären sich also aus der besonderen Darstellungsabsicht, die Gaius im Kontext des receptum argentarii verfolgt: Er will mit Hilfe einer Analogie zu fideiussio und Drittleistung beweisen, daß der Bankier berechtigt ist, die Zahlung des Schuldners ohne dessen Wissen und Zustimmung zu garantieren105, und stellt darum die Gesichtspunkte in den Vordergrund, die seine Argumentation stützen. So handelt er nicht von der Drittleistung im allgemeinen, sondern ausschließlich von dem für die Analogie bedeutsamen Fall des solvere pro invito et ignorante, und hier läßt er die Befreiung des Schuldners außer Betracht, weil diese Rechtsfolge bei der fideiussio und beim receptum gerade nicht eintritt. Statt dessen kehrt er die eigene, vom Willen des Schuldners unabhängige Tilgungsmacht des Dritten heraus, um zu begründen, daß eine entsprechende Befugnis auch dem Bankier zusteht. Durch iure civili constitutum schließlich führt er diese Analogie auf die Anwendung eines nicht nur vernünftigen, sondern rechtlich zwingenden Prinzips zurück. Da die Darstellung der Drittleistung in fr. 53 durch den argumentativen Kontext geprägt ist, dürfen die Abweichungen von fr. 38 nicht überbewertet werden. Weder kann aus cuique licet oder iure civili constitutum auf ein eigenes 102 Von der Kontroverse berichtet D 13.5.27 Ulp 14 ad ed. Auch dieses Fragment (dazu u. § 25 II 4) gehört nach seinem palingenetischen Kontext zum receptum argentarii; vgl. nur Lenel Paling. II 491 f. (Ulpian 472) mit A. 4 ff. und SZ 2 (1880) 62 ff. 103 Lenel Paling. I 198 stellt diesen Text (Gaius 121) unmittelbar vor fr. 53 (Gaius 122). 104 Übersetzung: Für einen anderen bürgen kann jeder, auch wenn der Hauptschuldner nichts davon weiß. 105 So schon Lenel SZ 2 (1880) 66.

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,Recht‘ des Dritten geschlossen werden, noch ist die begrenzte Thematik von fr. 53 ein Indiz dafür, daß das solvere pro ignorante et invito von den übrigen Fällen der Drittleistung unterschieden würde. In diesen Fragen ist vielmehr die aus dem Kontext der solutio stammende und damit sachnähere Fassung in fr. 38 vorzuziehen. Der palingenetische Kontext läßt auch vermuten, in welchem Verhältnis die beiden Texte zueinander stehen: Eine theoretische Erklärung für die befreiende Wirkung der Drittleistung pro invito et ignorante ist im Solutionsrecht eher zu erwarten als in der Kommentierung des Edikts De receptis. Zudem ist Gaius’ Begründung auf den in fr. 38 behandelten Unterschied zwischen der Leistung durch und an Dritte zugeschnitten. Als Grundlage für eine Analogie zwischen Drittleistung und receptum argentarii ist sie dagegen kaum tragfähig.106 Denn im Unterschied zur Drittleistung verschafft das receptum selbst dem Schuldner keinen rechtlichen107 Vorteil.108 Er bleibt dem Gläubiger vielmehr verpflichtet, bis der Bankier sein Garantieversprechen einlöst.109 Die Begründung licere etiam ignorantis invitique meliorem condicionem facere scheint Gaius also nicht in fr. 53 entwickelt, sondern aus fr. 38 übernommen zu haben. Daß sie dort in einer ausführlicheren Fassung überliefert ist, bestätigt diese Vermutung. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, daß die beiden Fragmente eine gemeinsame Vorlage haben, und darum kann aus ihrem Vergleich auch nicht mit Sicherheit auf das bislang ungeklärte zeitliche Verhältnis der beiden Gaiusschriften110 geschlossen werden. Er ist aber immerhin ein starkes Indiz dafür, daß die Monographie über die Verbalobligationen älter ist als der Kommentar zum Provinzialedikt. D 46.3.53 wird von den gleichen Autoren verdächtigt wie fr. 38. So behauptet Frese111, das Fragment sei nach seinem palingenetischen Kontext nicht auf 106 Der eigentliche Grund dafür, daß Gaius gerade mit der Drittleistung argumentiert, dürfte denn auch in D 13.5.27 Ulp 14 ad ed zu suchen sein; dazu näher u. § 25 bei A. 59 ff. 107 Die tatsächlichen Vorteile, daß der Gläubiger seine Forderung möglicherweise nicht sofort einklagt, daß er sie stundet oder sogar weiteren Kredit gewährt, sind mit dem durch die Drittleistung bewirkten Erlöschen der Schuld kaum zu vergleichen. 108 Hier hätte ein anderes tertium comparationis näher gelegen: Die Befriedigung des Gläubigers wird durch die Drittleistung herbeigeführt und durch das receptum gesichert. 109 Vgl. D 13.5.28 Gai 5 ad ed prov: Ubi quis pro alio constituit se soluturum, adhuc is, pro quo constituit, obligatus manet. Auch dieser Text gehört nicht zum constitutum debiti, sondern zum receptum argentarii, vgl. Lenel Paling. I 198 (Gaius 120) und SZ 2 (1880) 64 ff. 110 Zur Chronologie von Gaius’ Werken grundlegend Fitting Alter und Folge der Schriften römischer Juristen (1908) 53 ff. und Krüger Quellen 205 f., gegen deren vorsichtige Argumentation sich die von Honoré Gaius (1962) 47 ff. vorgeschlagene genauere Datierung nicht hat durchsetzen können; vgl. nur Diósdi ANRW II 15 (1976) 609.

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die Drittleistung, sondern ausschließlich auf das receptum argentarii zu beziehen. Wie die hier vorgeschlagene Interpretation zeigt, ist dieser Schluß jedoch keineswegs zwingend. Er wird daher auch von Solazzi und Below verworfen. Ihrer Ansicht nach sind nur ignorante et und ignorantis . . .-que interpoliert.112 Aber auch diese Annahme ist unbegründet113: Das einzige Argument, der angeblich falsche Gebrauch von et und -que114, läßt sich nicht halten: Zwar werden ignorans und invitus in den klassischen Texten weitaus häufiger mit vel, aut oder et – et verknüpft115; dies ist aber auch justinianischer Sprachgebrauch116, während invito et ignorante in D 3.5.38117 gerade für Gaius bezeugt ist. Zudem ist auch in anderen Texten zur Drittleistung vom debitor ignorans die Rede118, und durch D 46.1.30 ist er sogar im unmittelbaren Kontext von fr. 53 belegt. Die Zweifel an der sachlichen und sprachlichen Authentizität dieses Fragments sind also ebenso unbegründet wie bei D 3.5.38. 4. Unter den zahlreichen Quellen zur Drittleistung nehmen D 3.5.38 und D 46.3.53 eine herausragende Stellung ein. Die beiden Gaiusfragmente enthalten nicht nur den noch mehrfach überlieferten allgemeinen Rechtssatz, daß der Schuldner durch die Leistung eines Dritten befreit wird. Sie stellen auch klar, daß die befreiende Wirkung weder von der Person des Dritten noch vom Willen oder von der Kenntnis des Schuldners abhängt. Ihre besondere Bedeutung ergibt sich aber vor allem aus der nirgends sonst belegten Erklärung: Gaius führt die befreiende Wirkung der eigenmächtigen Drittleistung auf einen – in seiner Allgemeinheit freilich zweifelhaften – Grundsatz zurück, wonach man die Rechtslage eines anderen auch ohne sein Wissen und ohne oder sogar gegen seinen Willen verbessern kann. In ihren Aussagen zur befreienden Drittleistung decken sich die beiden Gaiustexte weitgehend, und bei den wenigen Abweichungen verdient die in fr. 38 überlieferte Fassung den Vorzug. Denn sie gehört auch palingenetisch zum So111

444 (445) A. 210; gegen ihn Solazzi estinz. 47 und Below 89. Vgl. Solazzi estinz. 47 und Below 89. 113 Die o. A. 61 genannten Lehr- und Handbücher gehen ohne weiteres von der Echtheit des Textes aus. Ebenso etwa Kretschmar 27 f. und SZ 38 (1917) 322, Cruz 335 f. und Claus 159 A. 121. 114 Solazzi estinz. 43 A. 6. 115 Vgl. die in § 26 A. 40 bis 43 zusammengestellten Quellen. 116 Vgl. neben I 3.29 pr. (sive sciente debitore sive ignorante vel invito solutio fiat) auch I 3.7.4 (vel) und I 2.3.9 (et . . . et). 117 Eine einheitliche Interpolation oder Glossierung der beiden Fragmente kommt, wie bereits dargestellt (s. o. nach A. 98), schon deshalb nicht in Betracht, weil sie aus unterschiedlichen Massen stammen. Entgegen Solazzi estinz. 45 A. 1 (vgl. auch Below 89 mit A. 10) gilt dies für rein sprachliche Veränderungen ebenso wie für substanzverändernde Eingriffe. 118 In D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab und D 17.1.53 Pap 9 quaest steht er sogar – wie in fr. 53 – neben dem invitus, vgl. außerdem D 46.3.40 Marci 3 inst. 112

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lutionsrecht und hat vermutlich als Vorlage für fr. 53 gedient. Dieses Fragment enthält eine leicht gekürzte und veränderte Fassung des Grundsatzes, die ganz auf seine analoge Anwendung beim receptum argentarii zugeschnitten ist. An der Authentizität der beiden Fragmente besteht kein Zweifel. Die Gaiustexte bezeugen damit nicht nur, daß die Drittleistung im klassischen Recht befreiende Wirkung hat, sondern auch, daß dies spätestens in hochklassischer Zeit als allgemeiner Grundsatz erkannt und begrifflich erfaßt worden ist. Denn Gaius beschreibt die Drittleistung ebenso knapp wie präzise in der Form eines abstrakten Rechtsatzes. In fr. 38 vergleicht er sie zudem mit der Leistung an Dritte, und in fr. 53 überträgt er die dabei gewonnenen Erkenntnisse auf ein anderes Rechtsgebiet.

Erstes Kapitel

Die Drittleistung als solutio § 2 Terminologisches I. Der sprachliche Befund In D 3.5.38 und D 46.3.53 bezeichnet Gaius die Leistung des Dritten mit solvere. Auch die anderen Juristen, die den Vorgang in abstrakter Form beschreiben, verwenden dieses Verb oder das daraus abgeleitete Substantiv solutio.1 Dem entspricht der allgemeine Sprachgebrauch: Solvere und solutio sind zwar nicht die einzigen Bezeichnungen für die Drittleistung, aber die bei weitem überwiegenden.2 Daneben sind nur noch numerare3 und dare4 mehrfach belegt sowie vereinzelt expendere5, inferre6 und complere7; Umschreibungen8 sind ebenfalls selten.

1 Von den in § 1 III 1 erwähnten regelhaft formulierten Texten haben D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed und C 8.42.17 Diocl/Max solvere, D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab und C 8.42.5 Gord solutio und I 3.29 pr. beides. 2 Von den in § 1 A. 55 f. zusammengestellten juristischen Quellen haben PS 2.9.1, D 3.5.31 pr. Pap 3 resp, D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav, D 3.5.44.2 Ulp 4 opin, D 6.1.65 pr. Pap 2 resp, D 10.2.44.7 Paul 6 ad Sab, D 12.6.8 Paul 6 ad Sab, D 12.6.13 pr. Paul 10 ad Sab, D 12.6.36 Paul 5 epit Alf dig, D 12.6.44 Paul 14 ad Plaut, D 12.6.46 Iav 4 ex Plaut, D 12.6.47 Cels 6 dig, D 13.7.11.5 Ulp 28 ad ed, D 15.1.3.7 Ulp 29 ad ed, D 15.3.3.1 Ulp 29 ad ed, D 15.3.10.7 Ulp 29 ad ed, D 16.1.28.1 Scaev 1 resp, D 17.1.12.1, 2, 5 und 6 Ulp 31 ad ed, D 17.1.26.3 Paul 32 ad ed, D 17.1.53 Pap 9 quaest, D 20.1.16.3 Marci l s ad form hyp, D 20.4.12.6 Marci l s ad form hyp, D 20.5.5 pr. Marci l s ad form hyp, D 24.1.21 pr. Ulp 32 ad Sab, D 32.33.2 Scaev 15 dig, D 46.1.31 Ulp 23 ad ed, D 46.1.51.1 Pap 3 resp, D 46.1.69 Tryph 9 disp, D 46.3.5.1 Ulp 43 ad Sab, D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer, D 46.3.40 Marci 3 inst, D 46.3.59 Paul 2 ad Plaut, C 2.18.3 Sev/Ant, C 2.18.12 Alex, C 2.18.16 Gall/Vol, C 4.5.6 Diocl/Max, C 4.29.4.1 Alex, C 4.29.9 Gord, C 4.31.11 Diocl/Max, C 5.58.1 Sev/Ant, C 7.73.3 Ant, C 8.17.1 Sev/Ant und I 4.7.4 a, b das einfache Verb, D 22.1.37 Ulp 10 ad ed und C 4.29.1 Ant die Komposita absolvere bzw. exsolvere und D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer auch das Substantiv solutio. 3 D 16.1.4.1 Ulp 29 ad ed, D 16.1.5 Gai 9 ad ed prov, D 24.1.7.7 Ulp 31 ad Sab und CIL IV 3340 XLIX. 4 D 24.1.50 pr. Iav 13 epist und C 4.31.11 Diocl/Max. 5 C 2.18.15 Gord. 6 D 15.1.4.5 Pomp 7 ad Sab. 7 C 8.37.13.1 Iust.

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1. Kap.: Die Drittleistung als solutio

Dieser auffällige Befund läßt auf einen technischen Gebrauch des Wortes solvere schließen und legt damit die Vermutung nahe, daß das klassische Recht die Drittleistung nicht als eigenen Tilgungsgrund qualifiziert, sondern der solutio des Schuldners gleichstellt: Auch sie ist (nur) die in Tilgungsabsicht erbrachte Leistung des Geschuldeten und unterscheidet sich damit zwar von anderen Erlöschenstatbeständen, aber nicht von der Leistung des Schuldners. Dieser Vermutung soll im folgenden nachgegangen werden, und zwar nicht anhand ausführlicher Exegesen, sondern der Fragestellung entsprechend in systematischer Form: Der Gebrauch von solvere und solutio in der klassischen Rechtssprache wird zunächst (unter II und III) im Überblick dargestellt. Die These, daß sich diese Begriffe zur technischen Bezeichnung für einen bestimmten Tilgungsgrund entwickelt haben, wird dann für die beiden wesentlichen Elemente dieses Erlöschenstatbestands überprüft: In § 3 geht es um die Tilgungsabsicht des Leistenden, durch die sich die ,Leistung auf Schuld‘ insbesondere vom concursus causarum unterscheidet, und in § 4 wird die ,Leistung des Geschuldeten‘ der datio in solutum gegenübergestellt. Dabei wird jeweils zuerst von der solutio im allgemeinen die Rede sein und anschließend, in einem zweiten Schritt, von der solutio des Dritten. II. ,Leisten‘ und ,lösen‘ 1. Im Obligationenrecht wird solvere bekanntlich9 in zwei verschiedenen Grundbedeutungen verwendet, nämlich im Sinne von ,leisten‘ und ,lösen‘. Entsprechendes gilt für das Substantiv solutio. Besonders deutlich wird die Doppeldeutigkeit in einigen Definitionen aus den spätklassischen Kommentaren zum Edikt De re iudicata10: D 42.1.4.7 Ulp 58 ad ed Solvisse accipere debemus non tantum eum qui solvit, verum omnem omnino, qui ea obligatione liberatus est, quae ex causa iudicati descendit.11 8 D 20.6.1 pr. Pap 11 resp (pignora citra emptionem pecunia sua liberavit) und D 46.3.31 Ulp 7 disp (ipse aedificans vel fossam fodiens . . . patientiam praestet). 9 Vgl. Heumann/Seckel s.v. solvere 5) und s.v. solutio 2); Berger s.v. solvere und s.v. solutio; Leonhard RE III A (1927) 985 f. s.v. solutio; Longo NNDI 12 (1965) 316 ff., Kaser RP I 635 mit A. 3 f.; Sargenti ED 31 (1981) 532 ff., Kunkel/Honsell 263; Zimmermann 754 f. und 6 mit A. 21 sowie Kretschmar 1 ff. und 36 f.; Steiner 27 ff.; Solazzi estinz. 9 ff.; Betti Appunti 277 ff., Cruz 57 ff. und Melillo 4 ff., deren Untersuchungen sowohl den Handbüchern als auch dem folgenden Überblick zugrundeliegen. 10 Zum palingenetischen Kontext der beiden Fragmente Lenel EP 408 und Paling. II 778 (Ulpian 1372) einerseits sowie EP 408 A. 1 und Paling. I 1073 (Paulus 692) andererseits. 11 Übersetzung: Daß er ,gelöst‘ habe (solvisse), müssen wir nicht nur von demjenigen annehmen, der geleistet hat (solvit), sondern überhaupt von jedem, der von der Verbindlichkeit befreit worden ist, die aus dem Urteil entsteht.

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D 46.3.54 Paul 56 ad ed Solutionis verbum pertinet ad omnem solutionem quoquo modo factam magisque ad substantiam obligationis refertur, quam ad nummorum solutionem.12

Ulpian verwendet solvere in zwei unterschiedlich weiten Bedeutungen: Der von ihm erläuterte Begriff des Edikts umfaßt nicht nur das solvere im engeren Sinne, sondern jede Befreiung von der Judikatsschuld. Er hat damit die gleiche Bedeutung wie liberare. Dieselbe Gleichsetzung verbirgt sich hinter dem schwerer verständlichen Paulusfragment. Daß solutio in dem – sonst zirkulären – ersten Teil des Satzes (solutionis . . . factam) weit zu verstehen ist, ergibt sich aus der Generalisierung quoquo modo factam. Im zweiten Teil sagt Paulus einerseits, daß das Wort nicht auf die Zahlung der Urteilssumme zu beziehen, sondern von der nummorum solutio im engen Sinne zu unterscheiden ist. Mit dem Hinweis auf die substantia obligationis gibt er andererseits auch eine positive Definition, die allerdings erst vor dem Hintergrund einer weiteren Begriffsbestimmung13 verständlich wird: Das ,Wesen der Obligation‘ sieht Paulus nämlich darin, daß sie den Schuldner rechtlich ,bindet‘ (ut alium nobis obstringat). Wenn sie sich hierauf bezieht (ad substantiam obligationis refertur), kann mit der solutio im weiten Sinne nur die Lösung dieses obligatorischen Bandes gemeint sein. Dies bestätigt ein anderes, palingenetisch eng benachbartes14 Fragment aus dem Kommentar zum Judikatsedikt. D 50.16.47 Paul 56 ad ed Liberationis verbum eandem vim habet quam solutionis.15

Die Begriffe solvere und solutio können demnach jede Befreiung des Schuldners bezeichnen, und zwar unabhängig davon, wie sie erfolgt ist (quoquo modo factam). Sie sind dann am besten mit der allgemeinen Wortbedeutung16 zu übersetzen: als ,Lösung‘ des Schuldners von seiner Verbindlichkeit (obligatione liberatus) oder – gleichbedeutend – als ,Lösung‘ des obligatorischen Bandes (magisque ad substantiam obligationis refertur). Um Verwechslungen zu vermeiden, weisen Ulpian und Paulus ausdrücklich darauf hin, daß die beiden Begriffe auch in einer anderen, engen Bedeutung verwendet werden. Sie bezeichnen dann nur einen bestimmten Befreiungstatbestand: die Zahlung der Urteilssumme (nummorum solutionem) oder – allgemeiner – die ,Leistung‘ des 12 Übersetzung: Der Begriff der ,solutio‘ erstreckt sich auf jede Lösung (solutionem), auf welche Weise sie auch immer geschieht, und verweist eher auf das Wesen der Obligation als auf die Zahlung (solutionem) der Münzen. 13 D 44.7.3 pr. Paul 2 inst: Obligationum substantia non in eo consistit, ut aliquod corpus nostrum aut servitutem nostram faciat, sed ut alium nobis obstringat ad dandum aliquid vel faciendum vel praestandum. 14 Lenel Paling. I 1073 faßt beide Texte unter derselben Nummer (Paulus 690) zusammen. 15 Übersetzung: Der Begriff der ,Befreiung‘ hat dieselbe Bedeutung wie der der ,Lösung‘ (solutio). 16 Vgl. Georges s.v. solvo I A.

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1. Kap.: Die Drittleistung als solutio

Geschuldeten. Definitionen dieses engeren Wortsinns finden sich etwa bei Ulpian und Marcian: D 50.17.176 Ulp 45 ad Sab . . . Solvere dicimus eum, qui fecit quod facere promisit.17 D 46.3.49 Marcian l s ad hyp form Solutam pecuniam intellegimus utique naturaliter, si numerata sit creditori . . .18

Diese zweite Bedeutung ist nicht bloß eine spezielle Variante der ersten, sie hat vielmehr einen anderen, selbständigen Gehalt. Gemeint ist lediglich der Leistungsvorgang, die befreiende Wirkung wird dagegen nicht mehr vom Wortsinn umfaßt. Solvere und solutio können vielmehr auch die Leistung auf ein indebitum19 und eine (haftungslose) Naturalobligation20 bezeichnen oder solche Leistungen, denen aus anderen Gründen – etwa wegen fehlgeschlagener Übereignung21 – die befreiende Wirkung fehlt. Sie sind daher nicht mit ,erfüllen‘ und ,Erfüllung‘ zu übersetzen22, sondern mit ,leisten‘ oder im Regelfall der Geldschuld mit ,zahlen‘23. Mit dem semantischen ist auch ein grammatischer Unterschied verbunden. Denn in der Bedeutung ,lösen‘ hat solvere eine andere Valenz als in der Bedeu17 Übersetzung: ,Leisten‘ (solvere) sagen wir von dem, der getan, was er zu tun versprochen hat. 18 Übersetzung: ,Gezahltes Geld‘ (solutam pecuniam) verstehen wir vor allem im natürlichen Sinn, wenn es an den Gläubiger gezahlt worden ist. 19 Vgl. Gai 3.91 und vor allem die in § 1 A. 56 a. E. nachgewiesenen Quellen zur Drittleistung auf ein indebitum, aber auch D 12.6.6 pr. Paul 3 ad Sab, D 13.1.18 Scaev 4 quaest, D 12.6.67.1, 2 Scaev 5 dig und den gesamten Titel D 12.6. 20 Nachweise bei Steiner 28 A. 4 und speziell zur Drittleistung o. § 1 A. 56 a. E., vgl. aber auch D 15.1.3.7 Ulp 29 ad Sab und D 12.6.8 Paul 6 ad Sab. 21 Vgl. etwa D 12.6.29 Ulp 2 disp, D 26.8.9.2 Gai 12 ad ed prov, D 46.3.78 Iav 11 ex Cass und D 46.3.94 pr. Pap 8 quaest, sowie vor allem D 17.1.22.8 Paul 32 ad ed zur (dinglich unwirksamen) Leistung eines vom Schuldner beauftragten Sklaven an seinen dominus als Gläubiger. 22 Denn diese Begriffe umfassen in ihrer technischen Bedeutung auch die tatsächlich eingetretene Befreiung des Schuldners; vgl. §§ 362 ff. BGB einerseits und §§ 813 Abs. 1 S. 1, 814 BGB („das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete“) andererseits. Sie sind zudem wegen ihres allgemeinen Wortsinns für die Übersetzung nicht geeignet: ,Erfüllung‘ bedeutet nach der treffenden Umschreibung von Leonhard RE III A (1927) 985 s.v. solutio, „daß einer bisher leeren Erwartung ihr voller Inhalt gegeben wird.“ In seinem juristischen Gebrauch ist der Begriff daher stets mit der Vorstellung verbunden, daß der Schuldner seiner Verpflichtung aus dem Schuldverhältnis nachkommt. Diese Implikation hat das lateinische solvere nicht. Kretschmar 1 ff. stellt diesen Unterschied für das altrömische Recht deutlich heraus. Dennoch übersetzt er (21 ff. u. ö.) solutio nicht nur mit ,Erfüllung‘ (ebenso etwa Kaser RP I 635 und vor allem Kunkel/Honsell 263: „Solvere und solutio bedeuteten also einfach erfüllen und Erfüllung“), er definiert den klassischen Solutionsbegriff sogar als „Realisierung der schuldnerischen Verpflichtung“ (24) und glaubt deshalb, bei der Drittleistung historisch bedingte Inkonsequenzen beobachten zu können (24, 26 ff. und 36 f.); dazu bereits o. § 1 I 2. 23 Zur Zahlung als Regelfall der solutio u. § 20 bei A. 9 ff.

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tung ,leisten‘: Man löst den Schuldner von seiner Verbindlichkeit oder vom Gläubiger (aliquem ab aliquo solvere) bzw. das obligatorische Band selbst (aliquid solvere), aber man leistet etwas für den Schuldner an den Gläubiger (aliquid pro aliquo alicui solvere).24 Daher läßt sich häufig schon aus den Objekten und präpositionalen Ergänzungen entnehmen, welche Bedeutung solvere im jeweiligen Text hat. Bei dem Substantiv solutio geben die Genitivattribute ähnlichen Aufschluß.25 2. Im klassischen Recht wird solvere kaum mehr in der Bedeutung ,lösen‘ verwendet.26 Daß dieser Wortgebrauch ungewöhnlich ist, zeigt nicht nur Ulpians schwerfällige Definition solvisse accipere debemus non tantum eum qui solvit, sondern vor allem die Zahl der Fundstellen: Das VIR weist solvere in der Bedeutung ,leisten‘ über dreißigmal häufiger nach27, und für obligationem und aliquem (obligatione) solvere gibt es in der gesamten klassischen Rechtsliteratur nicht einmal zwanzig Belege.28 24 Vgl. auch Kaser RP I 635: „Die Erfüllung . . . heißt immer noch solutio ,Lösung‘, obschon man sich als ihren Gegenstand nicht mehr den haftenden Menschen und seine Gebundenheit vorstellt, sondern den Leistungsgegenstand.“ Ähnlich Kunkel/Honsell 263. 25 Vgl. etwa solutio . . . eius obligationis in D 45.1.54.1 Iul 22 dig einerseits und solutione eius, quod debetur in Gai 3.168 andererseits. 26 Anders Rabel SZ 27 (1906) 305 mit Hinweis auf D 46.3.54 Paul 56 ad ed, aber ohne den speziellen palingenetischen Kontext des Fragments (s. o. A. 10) zu berücksichtigen: „Solutio ist auch noch den spätesten Klassikern eher Befreiung als Zahlung.“ 27 Bd. V Sp. 612 ff. Die Nachweise für aliquem solvere = liberare nehmen hier 19 Zeilen ein (Sp. 612 Z. 18 bis 37). Hinzu kommen 4 Zeilen für obligationem solvere (Sp. 613 Z. 10 bis 13). Dem stehen 743 Zeilen für aliquid solvere = dependere, dare, praestare, numerare gegenüber (Sp. 613 Z. 25 bis Sp. 626 Z. 49). 28 Aliquem (obligatione) solvere haben D 2.13.6.3 Ulp 4 ad ed (solvendi sui causa negotiationem), D 4.6.1.1 Ulp 12 ad ed (actioneve qua solutus), D 4.6.21. pr. Ulp 12 ad ed (actioneve qua solutus), D 38.1.23 pr. Iul 22 dig (libertus obligatione solvetur), D 46.3.91 Lab 6 pith a Paul epit (debitor . . . non potest invitus a te solvi), D 45.1.116 Pap 4 quaest (Maevius non erit solutus, nisi iudicatum Titius fecit), D 46.4.16 pr. Ulp 7 disp (qui acceptilatione solutus est), D 50.16.123 Pomp 26 ad Q Muc (Lucius Titius solutus est ab obligatione), PS 2.32.1 (libertus obligatione doni muneris et operarum solutus) und Gai 3.174 (ego me a te solvo liberoque). Obligationem solvere haben D 2.14.27.6 Paul 3 ad ed (nam ut solutione et petitione et acceptilatione unius rei tota obligatio solveretur), D 18.1.6.1 Pomp 9 ad Sab (non ut omnis obligatio empti et venditi utrique solveretur), D 34.3.28.6 Scaev 16 dig (videri omnem obligationem eius debiti per fideicommissum solvi voluisse), D 34.3.31.4 Scaev 3 resp (videri omnem obligationem Seio eius debiti per fideicommissum solvi voluisse), D 45.2.2 Iav 3 ex Plaut (ideoque petitione acceptilatione unius tota solvitur obligatio), D 46.3.80 Pomp 4 ad Q Muc (obligatio solvi debet) und D 46.3.96.4 Pap 11 resp (quae ratio facit, ut obligatio debiti solvitur); vgl. auch D 45.1.54.1 Iul 22 dig (solutio autem eius obligationis), Gai 3.170 (verbis factam obligationem posse aliis verbis dissolvi), D 50.17.35 Ulp 48 ad Sab (nudi consensus obligatio contrario consensu dissolvitur), D 46.3.107 Pomp 2 ench (verborum obligatio aut naturaliter resolvitur), D 24.1.52.1 Pap 10 quaest (stipulatio solvitur), D 46.4.6 Ulp 47 ad Sab (omnes stipulationes solutae sunt) und D 46.4.21 Ven 11 stip (actionem . . . quae acceptilatione soluta sit).

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1. Kap.: Die Drittleistung als solutio

Unter diesen ist zum einen die bei Gaius (3.174) überlieferte Formel der solutio per aes et libram hervorzuheben: ,me eo nomine a te solvo liberoque hoc aere aeneaque libra.‘ Der altzivile Formalakt, den Gaius nur noch als Erlaßgeschäft für Schulden aus Libralakt, Judikat und Damnationslegat kennt, bezeugt das hohe Alter und die Herkunft der weiten Wortbedeutung. Solvere bezeichnet hier die förmliche Lösung des Schuldners aus der Haftungsgewalt des Gläubigers. Der zweite Hinweis auf einen überkommenen Sprachgebrauch ist das Edikt De re iudicata, aus dessen Kommentierung die oben (unter 1) zitierten Definitionen von Ulpian und Paulus stammen: Obwohl jede Befreiung des iudicatus während der dies XXX die Vollstreckung ausschließt, heißt es im Edikt nur ,ni solverit‘.29 Dies wird auf die alte legis actio per manus iniectionem zurückgeführt30, in deren Formel solvere wohl ebenfalls noch die Lösung des Schuldners aus seiner Haftung bezeichnet.31 Daß die weite Wortbedeutung älter ist, zeigt schließlich noch die Etymologie. Wie bei dem Gegenbegriff (ob)ligare läßt sich auch die rechtliche Bedeutung von solvere auf die körperliche Bindung des Haftenden zurückführen.32 Die tatsächliche Lösung der Fesseln wird im übertragenen Sinn zur ,Lösung‘ von rechtlicher Gebundenheit: von Haftung und später von Schuld. Nach der Anerkennung der formlosen Schuldtilgung durch Realsolution33 verschiebt sich die Bedeutung ein weiteres Mal. Solvere bezeichnet jetzt nicht mehr die Befreiung des Schuldners, sondern ihren regelmäßigen Grund: die Leistung des Geschuldeten. 3. Im klassischen Recht ist die engere Wortbedeutung technisch. Die solutio ist hier nur noch ein Tilgungsgrund, der von allen übrigen klar unterschieden wird.34 Diesen Wechsel in der technischen Bedeutung belegen schon die oben (unter 1) zitierten Definitionen von Ulpian und Paulus, die den überkommenen

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Vgl. D 42.1.4.3, 4 Ulp 58 ad ed und Lenel EP 408. Vgl. etwa Kretschmar 4 mit A. 5; Steiner 29 und Solazzi estinz. 11; anders Behrends Der Zwölftafelprozeß (1974) 195 ff. 31 Die Formel lautet nach Gai 4.21: ,quod tu mihi iudicatus sive damnatus es sestertiorum X milia, quandoc non solvisti, ob eam rem ego tibi sestertiorum X milium iudicati manum inico.‘ Eisele Beiträge 16 ff. verbessert das quandoc non solvisti der Veroneser Handschrift unter Hinweis auf die Formel der solutio per aes et libram in quando te non solvisti. Danach wäre die weite Wortbedeutung auch hier durch die Grammatik gesichert. 32 Vgl. Zimmermann 6 und 754, Kretschmar 1 ff.; Steiner 27 f., Koschaker SZ 37 (1916) 353 f. und Solazzi estinz. 9 f. 33 Der Zeitpunkt, seit dem die befreiende Wirkung der formlosen Leistung für alle Schuldverhältnisse anerkannt ist, wird von Kretschmar 8 ff. zu Beginn der Kaiserzeit, heute dagegen allgemein schon im dritten vorchristlichen Jahrhundert oder noch früher angesetzt; vgl. Kaser RP I 634, Kunkel/Honsell 262, Sargenti ED 31 (1981) 533 f. und Zimmermann 755 f., aber auch schon Steiner 43 ff. und Solazzi estinz. 13 ff. 34 Vgl. dazu nur Kretschmar 33 ff. und Kaser RP I 634 f. 30

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Wortgebrauch des Edikts mit Hilfe der neuen Begriffe erläutern, deren Allgemeinverständlichkeit also voraussetzen. Am deutlichsten kommt er jedoch bei Gaius (3.173) zum Ausdruck, wenn er die solutio per aes et libram als bloße imaginaria solutio bezeichnet35: Sie ist zwar die rechtsgeschäftliche ,Lösung‘ schlechthin, in ihrer klassischen Funktion als reines Erlaßgeschäft umfaßt sie aber keine reale ,Leistung‘ mehr. Ungeachtet ihrer Formel36 und ihrer ursprünglichen Funktion kann sie daher auch nicht mehr als solutio im neuen, technischen Sinn des Wortes qualifiziert werden. In der klassischen Rechtssprache bezeichnen solvere und solutio einen speziellen Erlöschenstatbestand, der nicht nur in systematisierenden Darstellungen37, sondern auch bei der Behandlung konkreter Einzelfragen38 von anderen unterschieden wird. Für beides sind wiederum Gaius’ Institutionen das beste Beispiel: Der Abschnitt über das Erlöschen der Obligation beginnt zwar mit der solutio als dem regelmäßigen Tilgungsgrund (3.168: Tollitur autem obligatio praecipue solutione eius quod debeatur), im übrigen bringt sein Aufbau aber die Gleichrangigkeit und Eigenständigkeit der anderen Tatbestände zum Ausdruck (3.169: Item per acceptilationem tollitur obligatio . . . 176: Praeterea novatione tollitur obligatio . . . 180: Tollitur adhuc obligatio litis contestatione), und bei der Darstellung der acceptilatio werden sogar zwei konkrete Unterschiede zur solutio benannt: Eine Frau kann ihre Forderungen nur mit Zustimmung des Vormunds erlassen (3.171), und die Wirksamkeit des Teilerlasses ist umstritten (3.172). Daß die solutio vereinzelt39 mit anderen Tilgungsgründen gleichgesetzt wird, ist kein Grund, die überall sonst durchgehaltene Unterscheidung in Zweifel zu 35

Darauf weist vor allem Longo NNDI 12 (1965) 318 hin. S. o. nach A. 28. 37 Vgl. vor allem D 46.3.107, wo Pomponius (2 ench) zwischen naturaliter und civiliter wirkenden Tilgungsgründen unterscheidet. Zu ersteren zählt er neben der solutio auch den Untergang des stipulationsweise versprochenen Gegenstands, zu letzteren die acceptilatio und die confusio. Vgl. zur Klassifizierung der Erlöschensgründe Betti Appunti 263 ff., Kaser RP I 634 f., Gimenez-Candela Estudios Iglesias III (1988) 1315 ff. und Hernández-Tejero DRO 180 f. Hierher gehört auch die in der Romanistik umstrittene Unterscheidung zwischen solvere und satisfacere; vgl. dazu vor allem D 46.3.52 Ulp 14 ad ed, D 50.16.176 Ulp 45 ad Sab, D 13.7.10 Gai 9 ad ed prov und D 46.3.49 Marci l s ad hyp form sowie Cruz 228 ff. einerseits, Melillo 1 ff. andererseits und speziell zur actio pigneraticia Kaser TR 47 (1979) 201 ff. (= Pfandrecht 65 ff.). 38 Vgl. etwa D 46.3.101.1 Paul 15 resp und D 46.3.73 Marcell 31 dig zu den Unterschieden zwischen solutio und distractio pignoris bei der Anrechnung auf mehrere Forderungen. 39 Vgl. vor allem D 16.1.8.3 Ulp 29 ad ed (solvit enim et qui reum delegat) zur delegatio, D 33.1.21.3 Scaev 22 dig (in his quidem summis, quae per numerationem vel novationem solutae sunt) und D 39.5.19.4 Ulp 76 ad ed (si quis servo pecuniam crediderit, deinde is liber factus eam expromiserit, non erit donatio, sed debiti solutio) zur novatio sowie zur confusio D 46.1.50 Pap 37 quaest: Debitori creditor pro parte 36

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ziehen. Es handelt sich vielmehr um eine uneigentliche Ausdrucksweise: um verkürzte Vergleiche, für die es zahlreiche sprachlich eindeutige Parallelen gibt. So wird die solutio häufig mit Delegation40, Novation41, Konfusion42 und anderen Tilgungsgründen43 verglichen, um deren Wirkung anschaulich zu machen oder eine konkrete Entscheidung zu begründen. Ihre Qualifizierung als spezieller Erlöschenstatbestand wird in diesen Quellen nicht aufgegeben, es zeigt sich lediglich, daß sie als regelmäßiger Tilgungsgrund exemplarischen Charakter hat.44 III. Das solvere des Dritten Neben pro alio kann solvere nur mit ,leisten‘ oder ,zahlen‘ übersetzt werden; einen anderen ,lösen‘ hieße alium solvere. Daher besagt der in D 3.5.38 überlieferte Grundsatz solvendo quisque pro alio liberat eum nur, daß ein Dritter den Schuldner durch Leistung befreien, und nicht, daß er ihn auf beliebige Weise aus seiner Verbindlichkeit lösen kann. Mit ähnlichen grammatischen Argumenten läßt sich belegen, daß solvere und solutio bei Dritten ausschließlich im Sinne von ,leisten‘ und ,Leistung‘ verwendet werden.45 Für eine ,Lösung‘ heres extitit accepto coherede fideiussore: quod ad ipsius quidem portionem attinet, obligatio ratione confusionis intercidit aut (quod est verius) solutionis potestate. 40 Vgl. etwa D 38.1.37.4 Paul 2 ad l Iul et Pap (solutionis enim vicem continet haec delegatio), D 46.1.18 Iul 90 dig (qui debitorem suum delegat, pecuniam dare intellegitur) und D 50.17.180 Paul 17 ad Plaut (quod iussu alterius solvitur pro eo est quasi ipsi solutum esset). 41 Vgl. vor allem D 46.2.31.1 Ven 3 stip (novatione quoque liberare eum ab altero poterit, cum id specialiter agit, eo magis cum eam stipulationem similem esse solutioni existimemus), aber auch die fallvergleichende Argumentation in D 45.1.56.7 Iul 52 dig, D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab und D 46.3.72.1 Marcell 20 dig. 42 Vgl. etwa D 21.2.41.2 Paul 2 ad ed aedil curul (quasi soluta pecunia . . . tamquam ipsa hereditas heredi solverit), D 46.1.71 pr. Paul 4 quaest (veluti solutionis iure) und dazu Kieß Die confusio im klassischen römischen Recht (1995) 177 ff. 43 S. u. § 3 II zum concursus causarum und § 4 I, II zur datio in solutum. In seiner Echtheit umstritten ist der Vergleich mit der acceptilatio in D 12.4.10 Iav 1 ex Plaut, D 23.3.49 Iul 5 ex Minic u. ö. (dazu Kaser RP I 641 A. 7) und zur compensatio in D 20.4.4 Pomp 35 ad Sab, D 46.3.48 Marcell l s resp und C 4.31.4 Alex (dazu Zülch 191 ff.). 44 So – zum Vergleich mit der confusio – auch Kieß (o. A. 42) 181 f.: „Die klassischen Juristen betrachteten die confusio nicht als solutio. Sie verglichen zwar die confusio mit der solutio; sie verglichen sie mit der solutio aber nur, um ihre Wirkung zu demonstrieren. Die solutio ist der exemplarische Erlöschensgrund; wie durch die Leistung eine Verbindlichkeit erlischt, so erlischt sie auch durch die Konfusion.“ 45 Von den in § 1 A. 55 f. aufgeführten juristischen Quellen haben D 15.1.3.7 Ulp 29 ad ed, D 15.3.10.7 Ulp 29 ad ed, D 16.1.5 Gai 9 ad ed prov, D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed, D 16.1.28.1 Scaev 1 resp, D 17.1.12.1, 2, 5 Ulp 31 ad ed, D 17.1.53 Pap 9 quaest, D 24.1.21 pr. Ulp 32 ad Sab, D 32.33.2 Scaev 15 dig, D 46.1.31 Ulp 23 ad ed, D 46.1.69 Tryph 9 disp, D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab, D 46.3.40 Marcian 3 inst, D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov, C 2.18.3 Sev/Ant, C 2.18.12 Alex, C 2.18.16 Gallus/ Volus, C 4.5.6 Diocl/Max, C 4.29.1 Ant, C 4.29.4.1 Alex, C 4.29.9 Gord, C 4.31.11

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des Schuldners oder der Obligation durch einen Dritten (debitorem oder obligationem debitoris solvere) gibt es dagegen keinen Beleg in den Quellen. Zwar kann ein Dritter den Schuldner auch auf andere Weise – etwa durch datio in solutum, Delegation, Novation oder Prozeßdefension46 – von seiner Verbindlichkeit befreien, mit solvere wird aber ausschließlich die befreiende Leistung des Dritten bezeichnet.47 Aus diesem terminologischen Befund folgt zweierlei: Zum einen läßt der Sprachgebrauch der klassischen Juristen48 keinen Zusammenhang zwischen der befreienden Drittleistung und der alten Bedeutung des Wortes solvere erkennen. Er ist also kein Argument für Kretschmars These von den haftungsrechtlichen Ursprüngen der Drittleistung.49 Zum anderen besteht jedenfalls in der Terminologie kein Unterschied zwischen der Leistung des Schuldners und der eines Dritten. Für beide wird sogar derselbe technische Ausdruck verwendet, was um so stärker auffällt, wenn man die strenge begriffliche Unterscheidung zwischen der solutio und den übrigen Tilgungsgründen dagegenhält. Deshalb kann schon aufgrund des Wortgebrauchs die These formuliert werden, daß die Drittleistung kein selbständiger Erlöschensgrund ist, sondern lediglich ein Fall der solutio.50 Als solcher steht sie der Leistung des Schuldners gleich: Auch sie ist Leistung auf Schuld und Leistung des Geschuldeten. Diocl/Max, C 5.58.1 Sev/Ant, C 8.42.17 Diocl/Max und I 3.29 pr. pro alio (statt alium) solvere. In D 3.5.31 pr. Pap 3 resp, D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav, D 3.5.44.2 Ulp 4 opin, D 6.1.65 pr. Pap 2 resp, D 10.2.44.7 Paul 6 ad Sab, D 12.6.36 Paul 5 epit Alf dig, D 12.6.46 Iav 4 ex Plaut, D 12.6.47 Cels 6 dig, D 15.3.3.1 Ulp 29 ad ed, D 20.1.16.3 Marci l s ad form hyp, D 20.4.12.6 Marci l s ad form hyp, D 20.5.5 pr. Marci l s ad form hyp, D 46.1.51.1 Pap 3 resp, D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer, C 7.73.3 Ant, C 8.17.1 Sev/Ant, PS 2.9.1 und I 4.7.4 a, b steht aliquid (statt aliquem oder obligationem) solvere und in D 12.6.8 Paul 6 ad Sab, D 17.1.50 pr. Cels 38 dig und D 46.3.59 Paul 2 ad Plaut alicui (statt ab aliquo) solvere. In D 12.6.44 Paul 14 ad Plaut heißt es ab alio quam vero debitore (nicht creditore) solutum est und in D 22.1.37 Ulp 10 ad ed creditorem (nicht debitorem) tuum absolvam. Ebenso eindeutig sind schließlich exsoluto aere alieno in D 30.57 Ulp 33 ad Sab und si quis nomine eius solvat vel ipse manumissus . . . ex peculio in D 12.6.13 pr. Paul 10 ad Sab. 46 Vgl. zu datio in solutum und delegatio D 16.1.5 Gai 9 ad ed prov, zur novatio D 46.2.8.5 Ulp 46 ad Sab und zur litis contestatio D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab. 47 Zu non potest a te invitus solvi in D 46.3.91 Lab 6 pith a Paulo epit u. § 25 II. 48 Auch in dem einzigen literarischen Zeugnis für die ,Lösung‘ des Schuldners durch einen Dritten wird solvere im Sinne von ,leisten‘ gebraucht. So heißt es bei Liv 6.14.5: Inde rem creditori palam populo solvit libraque et aere liberatum emittit. 49 S. o. § 1 I 2. 50 In der Romanistik wird die Drittleistung allgemein als solutio qualifiziert und als solche nicht von der Leistung des Schuldners unterschieden. Daß dies der klassischen Einteilung entspricht, hebt aber nur Kretschmar 23, 27 f., 36 f. u. ö. hervor. Er hält es allerdings für möglich, „daß die Terminologie hinter der begrifflichen Entwicklung zurückgeblieben wäre, daß also beide Tatbestände nach ihrer begrifflichen Differenzierung noch fernerhin mit demselben Terminus bezeichnet worden wären. Der Zustand der Quellen gibt keinen Aufschluß darüber, welche dieser Alternativen vorliegt“ (37 A. 8).

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1. Kap.: Die Drittleistung als solutio

§ 3 Leistung auf Schuld I. Solvendi animo dare 1. Daß solvere ursprünglich die ,Lösung‘ (von) einer Obligation bezeichnet hat, zeigt sich auch noch in der neuen technischen Bedeutung, die das Wort in der klassischen Rechtssprache annimmt. Solvere meint jetzt zwar nur noch die ,Leistung‘ und nicht notwendig auch die durch sie bewirkte Befreiung des Schuldners1, anders als das deutsche Wort wird es jedoch fast ausschließlich für solche Leistungen verwendet, durch die eine Obligation zum Erlöschen gebracht werden soll.2 Die vollständige Übersetzung müßte daher lauten: ,auf Schuld‘ oder ,in Tilgungsabsicht leisten‘. Letzteres entspricht einer Umschreibung, die Gaius im Zusammenhang der condictio indebiti verwendet3: Gai 3.91 Is quoque, qui non debitum accepit ab eo, qui per errorem solvit, re obligatur; nam proinde ei condici potest si paret eum dare oportere, ac si mutuum accepisset. . . . sed haec species obligationis non videtur ex contractu consistere, quia is, qui solvendi animo dat, magis distrahere vult negotium quam contrahere.4

Die condictio indebiti entsteht durch die irrtümliche Leistung (per errorem solvit) auf eine in Wahrheit nicht bestehende Schuld. Sie gehört damit zwar zu den Realobligationen, aber nicht zu denen ex contractu. Denn die ihr zugrundeliegende solutio ist kein schuldbegründender Vertrag – im Gegenteil: Nach dem Willen des Leistenden soll ein vermeintlich bestehendes Schuldverhältnis aufgehoben werden (magis distrahere vult negotium quam contrahere). Dies unterstreicht Gaius, indem er das eingangs verwendete solvere (,leisten‘) im Schlußsatz durch solvendi animo dare (,in Lösungsabsicht geben‘) ersetzt und so die neue Wortbedeutung mit Hilfe der alten umschreibt. Durch dieses Wortspiel erhöht er die Evidenz seiner Aussage: Schon die Bezeichnung des kondiktionsbe1

S. o. § 2 bei A. 19 ff. Vgl. Heumann/Seckel s.v. solvere 5) und s.v. solutio 2), Berger s.v. solvere und s.v. solutio; Leonhard RE III A (1927) 985 f. s.v. solutio und Cruz 329 ff. Ähnliche Nachwirkungen der alten Wortbedeutung sehen Steiner 30 ff. und Solazzi estinz. 25 ff. darin, daß die Begriffe solvere und solutio ganz überwiegend für Geldleistungen gebraucht werden (dazu auch Cruz 65 ff. und u. § 20 bei A. 9 ff.) und daß sie andererseits bei bestimmten Obligationstypen nicht oder nur vereinzelt belegt sind. Die übrigen Belege, die Steiner, Solazzi 12 f. und Kretschmar 17 ff. für eine Fortwirkung des alten Solutionsbegriffs anführen, betreffen nicht den Sprachgebrauch, sondern die rechtliche Ausgestaltung des Instituts. 3 Ebenso I 3.14.1 und I 3.27.6. 4 Übersetzung: Auch wer etwas nicht Geschuldetes erhalten hat von jemandem, der irrtümlich geleistet hat, wird real verpflichtet. Denn von ihm kann (mit der Formel) ,wenn sich erweist, daß er zu geben verpflichtet ist‘ ebenso kondiziert werden, als hätte er ein Darlehen erhalten. . . . Aber diese Art von Verbindlichkeit wird nicht so angesehen, als beruhe sie auf Vertrag, weil derjenige, der in Tilgungsabsicht gibt, eher ein Rechtsverhältnis aufheben als begründen will. 2

§ 3 Leistung auf Schuld

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gründenden Vorgangs setzt den animus distrahendae obligationis5 voraus. Denn aus etymologischen Gründen hat solvere eine speziellere Bedeutung als dare. Es meint nur solche Leistungen, die in Tilgungsabsicht erbracht werden. 2. Da solvere auch bei Dritten in seiner technischen Bedeutung verwendet wird, liegt der Schluß nahe, daß es hier ebenfalls im Sinne von solvendi animo dare zu verstehen ist. Dies bestätigt die zumindest verwandte Formulierung si non pro se solvendi animo, sed pro Titio fecit, ut maxime eum liberet, mit der Tryphonin6 die Drittleistung eines Bürgen von der Zahlung auf die eigene Bürgenschuld abgrenzt. Auch die Drittleistung ist also Leistung auf Schuld: Sie bezieht sich zwar auf ein fremdes Schuldverhältnis, erfolgt aber in Tilgungsabsicht und wird deshalb – genauso wie die Leistung des Schuldners – als Tilgungsakt angesehen. Dies entspricht zwar den modernen Kategorien, versteht sich aber keineswegs von selbst. Denn zum einen ist die Tilgungsabsicht des Dritten kein unverzichtbares Erfordernis der befreienden Drittleistung. Die Befreiung des Schuldners könnte vielmehr auch allein von der Befriedigung des Gläubigers abhängig gemacht und mit der Erreichung des Obligationszwecks begründet werden. Diese Vorstellung hat Oertmann7 denn auch in Anlehnung an Hartmann8 für das Gemeine Recht entwickelt und mit Hinweis auf eine angebliche „Analogie der Zahlung fremder Schuld mit dem concursus duarum lucrativarum causarum“ sogar dem klassischen Recht unterstellt. Zum anderen muß die Drittleistung nicht notwendig als Tilgungsakt ausgestaltet sein. Sie könnte vielmehr auch – je nach den Absichten, die der Dritte gegenüber dem Schuldner verfolgt – entweder als Sukzession oder als Schenkung verstanden werden: Will der Dritte Regreß nehmen, dann tritt er selbst anstelle des Gläubigers in das weiterhin bestehende Schuldverhältnis ein9; will er dies nicht, dann wendet er dem Schuldner das Geleistete schenkweise zu. Mit der bisher nur aus dem Sprachgebrauch entwickelten These, daß die Drittleistung als Tilgungsakt ausgestaltet ist, sind diese Vorstellungen nicht zu vereinbaren, und wie der folgende Vergleich zwischen der solutio und dem concursus causarum zeigen wird, gibt es für Oertmanns Lehre auch keinen Anhaltspunkt in den Quellen. Einer gründlichen Untersuchung bedarf dagegen die Frage, wie sich die Drittleistung als solutio zu der Rückgriffs- oder Schen5 In D 44.7.5.3 Gai 3 aur ersetzt diese Wendung den animus solvendi des Institutionentextes. 6 D 46.1.69 Tryph 9 disp; zu diesem Text u. §§ 17 II und 18 III 4. 7 390 f. mwN.; vgl. auch die in § 1 A. 28 und 29 zitierten Autoren. 8 31 f., 46 f. und 65 f. 9 Das BGB ordnet eine solche Sukzession bei der Leistung bestimmter ablösungsberechtigter Personen an und spricht dann folgerichtig nicht von Erfüllung oder vom Bewirken der geschuldeten Leistung, sondern nur von der Befriedigung des Gläubigers; vgl. §§ 268 Abs. 3, 1143 Abs. 1, 1150, 1225 und 1249 S. 2.

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1. Kap.: Die Drittleistung als solutio

kungsabsicht des Dritten verhält. Sie ist Gegenstand des zweiten und des dritten Kapitels. II. Drittleistung und concursus causarum 1. Wer aus Legat oder einer anderen unentgeltlichen causa zur Übereignung einer species verpflichtet ist, wird nicht nur nach den allgemeinen Tilgungstatbeständen, sondern auch dann befreit, wenn der Gläubiger ex alia lucrativa causa – das heißt: als Erbe, durch Schenkung oder in Erfüllung einer anderen unentgeltlich erlangten Forderung – das Eigentum an der geschuldeten Sache erwirbt.10 Für die befreiende Wirkung eines solchen concursus causarum11 kommt es nicht darauf an, von wem der Gläubiger die geschuldete species erwirbt.12 Auch hier kann also die Leistung eines Dritten zur Befreiung des Schuldners führen – und dies ohne entsprechende Tilgungsabsicht. Der Dritte leistet ja nicht auf die fremde Schuld, sondern um dem Gläubiger zu schenken oder um eine eigene Legatsschuld zu erfüllen. Die Befreiung des Schuldners ist also nur ein zufälliger Nebeneffekt des Erwerbs ex alia lucrativa causa. Nach Schulz’13 überzeugender Erklärung beruht sie auf der Identität von geleisteter und geschuldeter Sache: Nach der Regel nemo rem suam utiliter stipulatur14 kann man sich die – objektiv unmögliche – Übereignung einer eigenen Sache nicht wirksam versprechen lassen. Erwirbt der Gläubiger die geschuldete Sache nachträglich ex alia causa, dann tritt also eine Situation ein, in der die Obligation nicht hätte begründet werden können, und das führt jedenfalls nach sabinianischer Lehre15 zu ihrem Erlöschen. Aus diesem Grund erlischt nach der älte10 Vgl. vor allem D 44.4.17 Iul 33 dig: Omnes debitores, qui speciem ex causa lucrativa debent, liberantur, cum ea species ex causa lucrativa ad creditores pervenisset. Das allgemeine Prinzip ist auch in I 2.20.6 überliefert; angewendet wird es unter anderem in D 30.82 pr. Iul 33 dig, D 31.66.1 Pap 17 quaest, D 32.21.1 Paul 4 sent und D 45.1.83.6 Paul 72 ad ed. 11 Hierzu grundlegend Schulz SZ 38 (1917) 114 ff. Vgl. im übrigen nur die beiden neueren Monographien von Pfeil Der concursus duarum causarum im klassischen römischen Recht (1998) und Lambrini Il problema del concursus causarum (2000) und seither Zimmermann Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen (2001) 133 ff. sowie Wimmer TR 69 (2001) 203. 12 In D 44.7.17 Iul 33 dig (o. A. 10) und I 2.20.6 wird der Veräußerer nicht genannt; D 31.66.1 Pap 17 quaest und andere Stellen behandeln sogar ausdrücklich den Erwerb von einem Dritten. 13 SZ 38 (1917) 201 f.; ablehnend Zimmermann (o. A. 11) 135, vgl. aber auch Kaser RP I 643 f., Pfeil (o. A. 11) 167 f. sowie Lambrini (o. A. 11) 34 ff. und 193 ff. 14 Vgl. vor allem D 45.1.82 pr. Ulp 78 ad ed und Gai 3.99; ähnlich D 30.41.2 Ulp 21 ad Sab, C 6.37.13 Diocl/Max und I 2.20.10 zum legatum sowie D 18.1.16 pr. Pomp 9 ad Sab, D 50.17.45 pr. Ulp 30 ad ed und D 18.1.34.4 Paul 33 ad ed zur emptio rei suae. 15 Vgl. Gai 4.78, aber auch D 5.1.11 Ulp 12 ad ed, D 8.1.11 Mod 6 diff, D 9.2.16 Marci 4 reg, D 34.8.3.2 Marci 11 inst, D 45.1.140 pr. Paul 3 ad Ner, I 2.20.14 und

§ 3 Leistung auf Schuld

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ren, bis in die frühklassische Zeit vorherrschenden Auffassung jede auf die Übereignung einer species gerichtete Forderung, sobald der Gläubiger die geschuldete Sache ex alia causa erwirbt.16 Erst Julian beschränkt die befreiende Wirkung des concursus causarum auf das Zusammentreffen zweier unentgeltlicher Erwerbsgründe und trägt damit den berechtigten Interessen des Gläubigers Rechnung17: Das Legat als typische causa lucrativa soll dem Bedachten einen unentgeltlichen Vorteil verschaffen. Erwirbt er die vermachte Sache ex causa onerosa, dann hat er damit noch nicht plenum legatum; ihm fehlt nämlich das für den Erwerb aufgewendete Geld. Umgekehrt soll der Gläubiger bei einer causa onerosa nicht nur die geschuldete Sache, sondern auch ein Äquivalent für seine Gegenleistung bekommen. Dieser wirtschaftliche Gegenwert steht aber noch aus, wenn er das Eigentum ex causa lucrativa erwirbt. Deshalb läßt Julian die Klage in diesen beiden Fällen auch nach dem Erwerb der geschuldeten Sache mit neuem Inhalt fortbestehen. 2. Eine besondere Verwandtschaft zwischen dem concursus causarum und der solutio im allgemeinen oder der Drittleistung im besonderen ist weder unmittelbar bezeugt, noch ergibt sie sich aus einem Vergleich der unterschiedlichen Regelungssysteme. So wird der concursus causarum von den klassischen Juristen nirgends mit der solutio gleichgesetzt und nur zweimal – jeweils bei zum concursus causarum vor allem D 45.1.98 pr. Marcell 20 dig. Für die prokulianische Schule vermutet Schulz (o. A. 11) 201 f. mit 198 f. aufgrund von D 30.45 pr. Pomp 6 ad Sab (gegenüber D 31.66.1 Iul bei Pap 17 quaest) eine weniger strenge Handhabung der Regel: Wenn der Gläubiger die ihm geschuldete Sache, ohne es zu wissen, ex alia causa erwirbt und weiterveräußert, lebt die Forderung mit der Weiterveräußerung wieder auf. Ebenso Pfeil (o. A. 11) 167 f. und Lambrini (o. A. 11) 34 ff. 16 Als Belege für den älteren Rechtszustand führt Schulz (o. A. 11) 201 f. mit 145 f., 168 f. und 198 D 21.2.29 pr. Pomp 11 ad Sab, D 45.1.16 pr. Pomp 6 ad Sab und D 30.45 pr. Pomp 6 ad Sab an. 17 Vgl. D 44.7.19 Iul 73 dig: Porro cum creditor vel emptor ex lucrativa causa rem habere coeperit, nihilo minus integras actiones retinent, sicut ex contrario qui non ex causa lucrativa rem habere coepit, eandem non prohibetur ex lucrativa causa petere. Julian entscheidet zum einen, daß derjenige, der eine Sache aus Kauf oder aus einer (entgeltlichen) Stipulation verlangen kann, seine Klagen behält, wenn er die Sache unentgeltlich erwirbt. Dies bestätigen etwa D 19.1.13.15 Ulp 32 ad ed, D 21.2.9 Paul 76 ad ed, D 21.2.41.1 Paul 2 ad ed aedil curul und PS 2.17.8. Die zweite Entscheidung betrifft den umgekehrten Fall: Wer eine Sache ex causa lucrativa, also etwa aus Legat, verlangen kann, verliert seine Klage nicht dadurch, daß er die Sache entgeltlich erwirbt. Auch sie wird durch zahlreiche Quellen bestätigt; vgl. etwa D 19.1.29 Iul 4 ex Minic, D 30.82.2 bis 5 Iul 33 dig, D 32.102.2 Scaev 17 dig, D 30.34.7 Ulp 21 ad Sab, I 2.20.6 und 9. Diese Differenzierung nach den Erwerbsgründen geht, wie Schulz (o. A. 11) 202 ff. nachgewiesen hat, auf Julian zurück; ebenso Pfeil (o. A. 11) 167 f. und Lambrini (o. A. 11) 76 ff., 193 ff. Schulz 146 und 205 f. nimmt weiter an, daß das Zusammentreffen zweier oneroser Erwerbsgründe auch nach Julian zum Erlöschen der Schuld führt, daß also etwa der Käufer seine Klage verliert, wenn er die Kaufsache entgeltlich von einem Dritten erwirbt. Dies ist jedoch in den Quellen nicht belegt und nach der ratio der julianischen Neuerungen (dazu sogleich im Text) eher unwahrscheinlich; vgl. dazu auch Medicus 105 f., Pfeil 151 ff. und Lambrini 141 ff.

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1. Kap.: Die Drittleistung als solutio

der Entscheidung konkreter Einzelfälle18 – nach ihrem Vorbild behandelt. Derartige Vergleiche mit dem regelmäßigen und deshalb exemplarischen Tilgungsgrund sind auch sonst üblich.19 Sie lassen daher nicht auf eine besondere Ähnlichkeit zwischen solutio und concursus causarum schließen. Die Seltenheit solcher Analogien und ihre Beschränkung auf einzelne Probleme deuten vielmehr auf eine klare Unterscheidung der beiden Tatbestände. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man die für den concursus causarum geltenden Regeln mit denen der solutio vergleicht. So unterscheiden sich die beiden Erlöschensgründe schon in ihrem Anwendungsbereich: Der concursus causarum ist auf Stückschulden und seit Julian auch noch auf Verpflichtungen aus Legat und Schenkungsversprechen beschränkt, während die solutio als allgemeiner Tilgungsgrund auch für Gattungs- und Geldschulden zuständig ist und für unentgeltliche Verpflichtungen ebenso wie für entgeltliche. Der zweite Unterschied betrifft die dingliche Seite der Leistung: Beim concursus causarum treffen zwar, wie sich aus der Bezeichnung ergibt, mehrere mögliche Erwerbsgründe zusammen, das Eigentum geht aber gerade nicht solvendi causa über, sondern ex alia (lucrativa) causa. Drittens schließlich sind auch die Rechtsfolgen keineswegs identisch. Dies zeigt sich etwa20 bei der Wahlschuld: Erwirbt der Gläubiger eine der wahlweise geschuldeten Sachen ex alia causa von einem Dritten, dann tritt nicht – wie bei einer solutio – Befreiung ein, sondern Konzentration.21 Die verschiedene Ausgestaltung der beiden Erlöschenstatbestände läßt sich auf einen grundlegenden Unterschied zurückführen: Beim concursus causarum beruht die Befreiung des Schuldners auf dem zufälligen Erwerb der geschuldeten Sache und damit auf dem ,bloßen Haben‘ des Gläubigers. Sie ist die – nicht in allen Fällen interessengerechte – Konsequenz eines überkommenen Dogmas und wird daher seit Julian auf das Zusammentreffen bestimmter Erwerbsgründe beschränkt. Die solutio ist dagegen echter Tilgungsakt. Bei ihr prägt die Befreiung des Schuldners sowohl die causa der Übereignung als auch den animus des 18 D 30.108.1 Afr 5 quaest handelt von der Schenkung an den Sklaven des Gläubigers und D 45.1.83.6 Paul 72 ad ed von den Folgen einer nur bedingt wirksamen Übereignung. In beiden Fragmenten wird die Befreiung des Schuldners nach den Grundsätzen des concursus causarum mit der Begründung abgelehnt, daß in vergleichbaren Konstellationen auch die solutio keine befreiende Wirkung hätte. 19 S. o. § 2 bei A. 39 ff. 20 Ein weiterer Unterschied ergibt sich, wenn man der o. A. 15 erwähnten These von Schulz folgt, bei der gutgläubigen Weiterveräußerung der ex alia causa erworbenen Sache. Hier lebt nach prokulianischer Lehre die erloschene Forderung wieder auf, während die solutio den Schuldner endgültig befreit. 21 Vgl. D 30.82.6 Iul 33 dig und D 45.1.16 pr. Pomp 6 ad Sab, aber auch D 31.66.2 Pap 17 quaest mit § 1 desselben Fragments und D 30.84.11 Iul 33 dig; dazu Pfeil (o. A. 11) 22 ff. und Lambrini (o. A. 11) 19 sowie zur solutio bei Wahlschulden Grosso obbl. 202 ff.

§ 3 Leistung auf Schuld

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Leistenden, und die Befriedigung des Gläubigers ist keine zufällige, sondern gerade die bestimmungsgemäße Folge der Leistung. Daß der concursus causarum nirgends als solutio bezeichnet und nur vereinzelt mit ihr verglichen wird, ist demnach nicht „lediglich eine Sache des conventionellen Sprachgebrauchs“22, sondern Ausdruck einer klaren dogmatischen Unterscheidung. 3. All dies gilt auch für die Drittleistung. Als solutio wird sie nicht nur sprachlich vom concursus causarum unterschieden, sondern auch in ihrer rechtlichen Ausgestaltung. So kann ein Dritter mit befreiender Wirkung auch (und vor allem23) auf Geldschulden leisten, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ,lukrative‘ oder ,onerose‘ Forderungen handelt.24 Im Gegensatz zum Erwerb ex alia causa wird die Drittleistung also auch als vollwertiges Entgelt für die Gegenleistung des Gläubigers angesehen. Daß der Dritte solvendi causa übereignet, zeigen die Quellen zur Drittleistung auf ein indebitum. Denn dort wird nicht die rei vindicatio, sondern die condictio indebiti gewährt.25 Die Drittleistung teilt also keine Besonderheit des concursus causarum.26 Für die von Oertmann behauptete ,Analogie‘27 fehlt damit jeder Beleg. Vielmehr hat sich gezeigt, daß concursus causarum und solutio nicht nur terminologisch, sondern auch in ihrer rechtlichen Ausgestaltung unterschieden werden und daß die Drittleistung überall dort, wo solche Unterschiede bestehen, den Regeln der solutio folgt. Auch sie ist zielgerichtete Leistung auf Schuld und hat darum eine andere rechtliche Qualität als der zufällige Erwerb des geschuldeten Gegenstands.

22 So aber Hartmann 65. Gegen seine Gleichsetzung von solutio und concursus causarum auch Kretschmar 42 ff. 23 Die meisten Stellen zur Drittleistung handeln von Geldschulden; vgl. § 20 bei A. 15 ff. 24 Für eine Beschränkung auf unentgeltliche Verpflichtungen, wie sie für den concursus causarum in D 44.7.19 Iul 73 dig und den anderen o. A. 17 aufgeführten Quellen belegt ist, gibt es keinen Hinweis. Vielmehr handeln z. B. D 24.1.7.7 Ulp 31 ad Sab und D 24.1.50 pr. Iav 13 epist von der Drittleistung auf eine Kaufpreisforderung; vgl. im übrigen die Übersicht in § 20 A. 16 ff. 25 Vgl. D 12.6.47 Cels 6 dig, D 15.3.3.1 Ulp 29 ad ed und C 4.5.6 Diocl/Max. In D 12.6.46 Iav 4 ex Plaut schlägt die Übereignung nur deshalb fehl, weil der Dritte als Nichtberechtigter verfügt. 26 Zur Drittleistung auf eine Wahlschuld sind keine Entscheidungen überliefert. Es ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, daß sie – wie der concursus causarum – zur Konzentration führt. Denn dies würde bedeuten, daß der Gläubiger am Ende beide Leistungen erhielte. Auf der anderen Seite kann man in dieser Frage aber auch die Anwendung der allgemeinen Regeln zur solutio nicht ohne weiteres unterstellen. Vielmehr muß – zumindest für den Fall, daß der Schuldner das Wahlrecht hat – mit Besonderheiten gerechnet werden. 27 S. o. bei A. 7.

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§ 4 Leistung des Geschuldeten I. Solvere und in solutum dare In seinen Institutionen behandelt Gaius die solutio zusammen mit der datio in solutum1: Gai 3.168 Tollitur autem obligatio praecipue solutione eius, quod debetur. unde quaeritur, si quis consentiente creditore aliud pro alio solverit, utrum ipso iure liberetur, quod nostris praeceptoribus placet, an ipso iure maneat obligatus, sed adversus petentem exceptione doli mali defendi debeat, quod diversae scholae auctoribus visum est.2

Der regelmäßige Erlöschensgrund ist die Leistung des Geschuldeten. Er führt ohne weiteres zur zivilen Befreiung des Schuldners (obligatio tollitur). Eine Leistung, die nicht der geschuldeten entspricht, wirkt dagegen nur, wenn der Gläubiger mit ihr einverstanden ist (consentiente creditore), und selbst dann wird der Schuldner nur nach sabinianischer Lehre ipso iure befreit; die Prokulianer gewähren ihm lediglich die exceptio doli. Das Zustimmungserfordernis wird durch zahlreiche Quellen3 bestätigt. Im Schulenstreit hat Justinian die Lösung der Sabinianer übernommen4 und darum alle Spuren der prokulianischen Ansicht beseitigt. Ein Reskript Diokletians rechtfertigt aber die Annahme, daß sich die zivile Wirkung der datio in solutum schon in klassischer Zeit durchgesetzt hat.5

1 Zur datio in solutum Kaser RP I 638, Kunkel/Honsell 264 und Zimmermann 753 f., aber auch Harder Die Leistung an Erfüllungs Statt (1976) 93 ff., Melillo 40 ff. und passim, Nardi Bull. 73 (1970) 59 ff., Musumeci IURA 20 (1969) 524 ff., Betti Appunti 313 ff., Solazzi estinz. 161 ff., Steiner 45 ff. und passim sowie Kretschmar 50 ff. 2 Übersetzung: Das Schuldverhältnis erlischt aber vornehmlich durch die Leistung dessen, was geschuldet wird. Von daher wird, wenn jemand mit Zustimmung des Gläubigers statt des einen etwas anderes leistet, gefragt, ob er nach ius civile befreit wird, was unsere Lehrer annehmen, oder ob er nach ius civile verpflichtet bleibt, sich aber gegen den Kläger mit der Arglisteinrede verteidigen darf, was die Autoren der anderen Schule gemeint haben. 3 Vgl. vor allem D 12.1.2.1 Paul 28 ad ed: . . . quia aliud pro alio invito creditori solvi non potest. Weitere Quellen bei Nardi (o. A. 1) 60 f. A. 9. 4 Vgl. I 3.29 pr.: Tollitur autem omnis obligatio solutione eius quod debetur, vel si quis consentiente creditore aliud pro alio solverit. 5 C 8.42.17 Diocl/Max (293): Manifesti iuris est . . . rebus pro numerata pecunia consentiente creditore datis tolli comparatam obligationem; zu diesem Text u. bei A. 30 ff. Die Formulierung manifesti iuris est zeigt, daß Diokletian die Kontroverse nicht selbst entscheidet, sondern auf eine bereits gefestigte Rechtslage verweist; vgl. auch schon D 13.5.1.5 Ulp 27 ad ed (sed cum iam placet rem pro re solvi posse). Daß der Schulenstreit bis zum Ende der Klassik andauert, nehmen vor allem Steiner 142 ff. und Solazzi estinz. 167 ff. an; wie hier dagegen Kaser RP I 638 mit A. 31, Melillo 148 und Nardi (o. A. 1) 78 ff. mwN. 80 A. 54.

§ 4 Leistung des Geschuldeten

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Gaius stellt der solutio eius, quod debetur das aliud pro alio solvere gegenüber. Dies erweckt den Eindruck, als seien die Begriffe solutio und solvere mehrdeutig, als könnten sie für sich genommen sowohl die Leistung des Geschuldeten als auch die Leistung an Erfüllungs Statt bezeichnen. Die übrigen Quellen bestätigen dies jedoch nicht. Denn für die Leistung an Erfüllungs Statt läßt sich zwar kein technischer Sprachgebrauch6 beobachten, sie wird aber überwiegend mit in solutum dare und verwandten Wendungen7 von der solutio unterschieden, und wo dies – wie in Gai 3.168 – nicht der Fall ist, werden Verwechslungen durch aliud pro alio oder ähnliche klarstellende Zusätze8 ausgeschlossen. Das bloße solvere wird für die datio in solutum nicht verwendet.9 Der Begriff ist also nirgends mehrdeutig: Er bezeichnet die Leistung des Geschuldeten und nur ausnahmsweise und mit entsprechenden Zusätzen auch die Leistung an Erfüllungs Statt. Indem Gaius die datio in solutum durch aliud pro alio solvere umschreibt und mit der solutio in Zusammenhang bringt, betont er die Verwandtschaft der beiden Tatbestände, und wie die Überleitung unde quaeritur zeigt, verfolgt er damit einen bestimmten Zweck: Die sabinianische Lösung, nach der die Obligation in beiden Fällen ipso iure erlischt, soll dem Leser als die einzig konsequente erscheinen. Gaius setzt die beiden Tatbestände aber nicht gleich. Insbesondere10 unterschlägt er nicht, daß die datio in solutum der Zustimmung des 6 Dazu vor allem Steiner 48 f. und Nardi (o. A. 1) 60 mit A. 5 bis 8; vgl. auch Solazzi estinz. 161 und Melillo 134 ff. 7 In solutum dare haben unter anderem D 4.4.40.1 Ulp 5 opin, D 16.1.5 Gai 9 ad ed prov, D 46.3.45 pr. Ulp 1 resp, D 46.3.46.2 Marci 3 reg und D 46.3.60 Paul 4 ad Plaut; wN. bei Nardi (o. A. 1) 60 A. 5. Verwandte Ausdrucksweisen sind in solutum tradere in C 4.35.14 Diocl/Max und C 7.45.8 pr. Diocl/Max, in solutum suscipere in C 8.42.16 Diocl/Max, in solutum accipere in D 42.4.15 Ulp 6 fideic und D 44.4.4.31 Ulp 76 ad ed sowie pro soluto dare in D 13.7.24 pr. Ulp 30 ad ed und C 8.44.4 Ant; vgl. auch D 46.3.46.1 Marci 3 reg, GE 2.10 (18), C 8.42.17 Diocl und C 8.42.24 Diocl/Max. 8 Aliud pro alio solvere findet sich noch in D 12.1.2.1 Paul 28 ad ed; vgl. auch rem pro re/pecunia solvere in D 12.6.26.4 Ulp 26 ad ed, D 23.3.25 Paul 7 ad Sab und D 46.3.46.pr., 1 Marci 3 reg, rem pro debito solvere in D 41.3.46 Herm 5 iur ep, pro eo quod debeo aliquid solvere in D 12.6.19.3 Pomp 22 ad Sab und factum pro facto solvere in D 46.3.98.6 Paul 15 quaest. 9 Anders Steiner 48: „Vereinzelnt wird die datio in solutum im klassischen und justinianischen Recht schlechtweg mit solvere bezeichnet.“ Als Belege führt Steiner 48 A. 1 nur D 12.6.26.4 Ulp 26 ad ed und D 46.3.98 pr. Paul 15 quaest an. Der erste Text enthält jedoch ebenfalls eine – wenn auch freier formulierte – Klarstellung (si centum debens quasi ducenta deberem, fundum ducentorum solvi; ähnlich §§ 5 und 6 desselben Fragments), und im zweiten geht es nicht um die datio in solutum, sondern um die Leistung des Geschuldeten; vgl. Melillo 120 ff. gegen Steiner 55 f., Solazzi estinz. 175 u. a. 10 Ein weiterer Unterschied besteht möglicherweise bei der Leistung einer fremden oder verpfändeten Sache. Als solutio berührt sie den Bestand der Forderung nicht (vgl. etwa D 17.1.47.1 Pomp 3 ex Plaut und D 46.3.20 Pomp 22 ad Sab), als datio in solutum führt sie dagegen – jedenfalls nach einem Teil der Quellen – nur zur Evik-

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1. Kap.: Die Drittleistung als solutio

Gläubigers bedarf. Er stellt sie damit als einen selbständigen Erlöschensgrund dar, der zwar mit der solutio verwandt ist und darum auch zivilrechtlich wirkt, in seinen Voraussetzungen aber klar von ihr zu unterscheiden ist11: Auch die datio in solutum ist Leistung auf Schuld12, aber sie ist nicht Leistung des Geschuldeten, und darum hängt ihre befreiende Wirkung von der Zustimmung des Gläubigers ab. II. Drittleistung und datio in solutum 1. Der Ausdruck in solutum dare ist auch bei Dritten nur für die Leistung an Erfüllungs Statt belegt.13 Für die Leistung des Geschuldeten wird dagegen – wie beim Schuldner – entweder das bloße solvere14 verwendet oder sogar ausdrücklich klargestellt, daß das Geleistete der Schuld entspricht.15 Terminolotionshaftung des Schuldners; vgl. etwa D 13.7.24 pr. Ulp 30 ad ed und C 8.44.4 Ant gegenüber D 46.3.46 pr., 1 Marci 3 inst und anderen Entscheidungen, die die ursprüngliche Forderung auch hier fortbestehen lassen; zu dieser umstrittenen Problematik Harder (o. A. 1) 94 ff. einerseits und Melillo 91 ff. und 101 ff. andererseits. 11 Zur Abgrenzung der beiden Tilgungsgründe eingehend Kretschmar 50 ff. 12 Die ,rein solutorische Struktur‘ der datio in solutum betont vor allem Harder (o. A. 1) 93 ff. mwN. 94 A. 426. 13 So heißt es in D 16.1.5 Gai 9 ad ed prov, dem einzigen Text zur datio in solutum eines Dritten: Nec interest, pecuniam solvendi causa numeret an quamlibet suam rem in solutum det. 14 Dies gilt insbesondere für die regelhaften Formulierungen in D 3.5.38 Gai 3 de verb obl, D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed, D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab, D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov, C 8.42.5 Gord, C 8.42.17 Diocl/Max und I 3.29 pr.; ebenso D 3.5.31 pr. Pap 3 resp, D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav, D 3.5.44.2 Ulp 4 opin, D 6.1.65 pr. Pap 2 resp, D 12.6.13 pr. Paul 10 ad Sab, D 12.6.36 Paul 5 epit Alf dig, D 12.6.44 Paul 14 ad Plaut, D 15.1.3.7 Ulp 29 ad ed, D 15.3.3.1 Ulp 29 ad ed, D 15.3.10.7 Ulp 29 ad ed, D 16.1.28.1 Scaev 1 resp, D 17.1.12.1, 2, 5 und 6 Ulp 31 ad ed, D 17.1.26.3 Paul 32 ad ed, D 17.1.53 Pap 9 quaest, D 20.5.5 pr. Marci l s ad form hyp, D 22.1.37 Ulp 10 ad ed, D 32.33.2 Scaev 15 dig, D 46.1.31 Ulp 23 ad ed, D 46.1.69 Tryph 9 disp, D 46.3.5.1 Ulp 43 ad Sab, D 46.3.40 (1. Fall) Marci 3 inst, D 46.3.59 Paul 2 ad Plaut, C 2.18.3 (1. Fall) Sev/Ant, C 4.29.1 Ant, C 4.29.4.1 Alex, C 4.29.9 Gord, C 7.73.3 Ant, I 4.7.4 a, b und PS 2.9.1; vgl. auch das bloße offerre in D 20.6.12.1 Paul 5 resp, das bloße inferre in D 15.1.4.5 Pomp 7 ad Sab, das bloße numerare in D 16.1.4.1 Ulp 29 ad ed und D 16.1.5 Gai 9 ad ed prov sowie pignora . . . pecunia sua liberavit in D 20.6.1 pr. Pap 11 resp. 15 So in D 10.2.44.7 Paul 6 ad Sab (quod coheredis nomine ex dote solutum sit), D 12.6.8 Paul 6 ad Sab (adeo debitum esset mulieri), D 13.7.11.5 Ulp 28 ad ed (pensionem solvero), D 20.1.16.3 Marci l s ad form hyp (pecuniam solvat bezieht sich hier auf die pecunia debita der formula Serviana), D 20.4.12.6 Marci l s ad form hyp (debitum primi creditoris et in usuras . . . quas primo creditori solvit), D 24.1.7.7 Ulp 31 ad Sab (pretium pro ea numeravit), D 24.1.21 pr. Ulp 32 ad Sab (vectigal . . . solvisset), D 24.1.50 pr. Iav 13 epist (in eam emptionem . . . dedit), D 46.1.51.1 Pap 3 resp (partem pecuniae . . . solvit), D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer (unus ex fideiussoribus suam partem solvisset), D 46.3.40 (2. Fall) Marci 3 inst (solverit legata), C 2.18.3 (2. Fall) Sev/Ant (debitum universum solvere), C 2.18.12 Alex (debitum solvit), C 2.18.15 Gord (mercedes . . . expendisti), C 2.18.16 Gallus/Volus (tributa solvisti), C 4.31.11

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gisch erscheint die Drittleistung damit nicht als datio in solutum, sondern als solutio. Dem entspricht ihre rechtliche Ausgestaltung. So wird die befreiende Wirkung der Drittleistung grundsätzlich16 nicht von der Zustimmung des Gläubigers abhängig gemacht – im Gegenteil: Weigert sich der Gläubiger, die von einem Dritten angebotene Leistung anzunehmen, dann treten die Rechtsfolgen der mora creditoris ein, und dieser sowohl für die purgatio morae17 als auch für das Erlöschen der actio Serviana18 belegte Grundsatz zeigt, daß die Drittleistung – im Unterschied zur datio in solutum – nicht der Zustimmung des Gläubigers bedarf.19 Für den Schulenstreit um die zivile oder prätorische Wirkung der datio in solutum gibt es ebenfalls keine Parallele. So fehlt in den Quellen zur Drittleistung nicht nur jeder Hinweis auf eine bloß prätorische Befreiung des Schuldners20, es ist sogar bezeugt, daß Labeo als erster Vertreter der prokulianischen Rechtsschule21 ohne weiteres von der zivilen liberatio ausgeht.22 Diocl/Max (propter onus primipili pecuniam solvistis), C 5.58.1 Sev/Ant (pro iudicato contutore pecuniam solvisti) und C 8.17.1 Sev/Ant (debitam pecuniam solverit); vgl. auch D 20.4.11.4 Gai l s de form hyp (solvere quod ei debetur), D 46.3.72.2 Marcell 20 dig (servum offerente), C 8.13.22 Diocl/Max (offerendo . . . debitum), C 8.42.5 Gord (debitam ei quantitatem offerens) zum bloßen Angebot des Dritten. 16 Die einzige Ausnahme ist D 46.3.31 Ulp 7 disp (fideiussor ipse aedificians vel fossam fodiens non consentiente stipulatore non liberabit reum); dazu u. § 22 nach A. 29. In den übrigen Quellen zur Drittleistung wird die Zustimmung des Gläubigers nicht erwähnt, was angesichts ihrer Vielzahl und wegen der regelhaften Formulierungen in D 3.5.38 Gai 3 de verb obl, D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed, D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab und D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov ein argumentum e silentio rechtfertigen dürfte. 17 D 46.3.72.1 Marcell 20 dig: Cum Stichum mihi deberes et in solvendo moram fecisses, . . . (§ 2) Sed quid si ignorante debitore ab alio creditor eum stipulatus est? hic quoque existimandus est periculo debitor liberatus, quemadmodum si quolibet nomine eius servum offerente stipulator accipere noluisset. Vgl. zu diesem Text etwa Apathy AN 166 ff. und zur purgatio morae nur D 45.1.91.3 Paul 17 ad Plaut mit Harke 134 ff. 18 D 20.4.11.4 Gai l s ad form hyp: Si paratus est posterior creditor priori creditori solvere quod ei debetur, videndum est, an competat ei hypothecaria actio nolente priore creditore pecuniam accipere. et dicimus priori creditori inutilem esse actionem, cum per eum fiat, ne ei pecunia solvatur. Vgl. zur mora creditoris im Pfandrecht Apathy Fg. Kaser (1986) 9 ff. und dort 11 ff. zu fr. 11.4. Auf das Verhältnis dieses Textes zum ius offerendi et succedendi des Zweitpfandgläubigers, das nach C 2.17.1 Sev/Ant und anderen Quellen außer der Annahmeverweigerung auch noch die Hinterlegung voraussetzt, kann hier nicht eingegangen werden. 19 Besonders deutlich ist dies in der formula Serviana. Denn hier bezieht sich die Klausel ,neque per Am Am stare quominus solvatur‘ ausschließlich auf die solutio und gerade nicht auf die als satisfactio bezeichneten Leistungen, deren Annahme im Belieben des Gläubigers steht; vgl. nur Lenel EP 494 und von den dort A. 2 zitierten Quellen vor allem D 20.6.6.1 Ulp 73 ad ed, aber auch D 13.7.10 Gai 9 ad ed prov zu der entsprechenden Klausel in der actio pigneraticia. 20 Die exceptio doli in D 5.1.74.2 Iul 5 dig (s. u. § 18 A. 108), D 5.3.31 pr. Ulp 15 ad ed (s. u. § 18 A. 109) und D 20.6.8.19 Marci l s ad form hyp gehört nicht zur Drittleistung auf eine fremde Schuld; vgl. auch u. § 18 A. 51 zu D 42.1.51.1 Paul 2 manual. 21 D 1.2.2.47 Pomp l s ench.

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1. Kap.: Die Drittleistung als solutio

Die Drittleistung folgt also nicht den Regeln der datio in solutum, sondern denen der solutio. Sie ist kein aliud pro alio solvere, sondern Leistung des Geschuldeten und als solche mit der Leistung des Schuldners identisch. Das klassische Recht unterscheidet demnach zwischen Adressat und Inhalt der Obligation: Nur der Schuldner ist zur Leistung verpflichtet, die geschuldete Leistung kann aber auch ein Dritter erbringen.23 2. Erst die oströmische Jurisprudenz rückt die Drittleistung in die Nähe einer datio in solutum. Dies zeigt I 3.29 pr. Tollitur autem omnis obligatio solutione eius quod debetur, vel si quis consentiente creditore aliud pro alio solverit. nec tamen interest, quis solvat, utrum ipse qui debet an alius pro eo: liberatur enim et alio solvente, sive sciente debitore sive ignorante vel invito solutio fiat.24

Der Institutionentitel Quibus modis obligatio tollitur beginnt mit der solutio und der datio in solutum. Er folgt darin der Darstellung der Erlöschensgründe bei Gaius (3.168 bis 181). Inhaltlich weicht das principium aber, wie der gesamte Titel25, erheblich von seiner Vorlage ab. Der erste Satz gibt noch im wesentlichen eine Zusammenfassung von Gai 3.168: Während die solutio eius quod debetur ohne weiteres zum Erlöschen der Obligation führt, setzt die datio in solutum das Einverständnis des Gläubigers voraus. Außer Kürzungen und

22 Vgl. D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav (cum pecuniam eius nomine solveres, qui tibi nihil mandaverat, negotiorum gestorum actio tibi competit, cum ea solutione debitor a creditore liberatus sit). Einen weiteren positiven Beleg für die Einigkeit beider Schulen sieht Stein Fs. Daube (1974) 312 in D 3.5.38 Gai 3 de verb obl. Vgl. zu seiner von Archi Fs. Flume I (1978) 15 A. 39 und Behrends SZ 97 (1980) 465 akzeptierten Deutung aber u. § 26 A. 189, 191 und 195. 23 Ebenso Pastori 266 ff., der nach einem Vergleich zwischen der Drittleistung (bei Obligationen auf dare) und der datio in solutum zu dem Ergebnis kommt, „che i Romani concepissero l’adempimento del terzo, quando a questo era riconosciuta efficacia liberatoria, come strutturalmente identico a quello del debitore, in quanto ritevano che al creditore pervenisse, in effetti, la prestazione che egli era dovuta e che poteva così soddisfare lo stesso interesse che lo legittimava in quanto creditore. . . . Tale concezione porta, naturalmente, a considerare la prestazione è alla base come indipendente dal riferimento a una persona determinata, ma rilevante solo in quanto coefficiente in ordine al prodursi di uno specifico risultato“ (269 f.). Die Obligationen auf facere, die Pastori 268 mit Recht ausnimmt, werden im fünften Kapitel gesondert behandelt. 24 Übersetzung: Jedes Schuldverhältnis erlischt aber durch die Leistung dessen, was geschuldet wird, oder wenn jemand mit Zustimmung des Gläubigers statt des einen etwas anderes leistet. Und dennoch kommt es nicht darauf an, wer leistet, ob derjenige selbst, der schuldet, oder ein anderer für ihn. Er wird nämlich auch dadurch befreit, daß ein anderer leistet, sei es daß die Leistung mit Wissen des Schuldners erfolgt, sei es ohne sein Wissen oder ohne seinen Willen. 25 Justinian hat die solutio per aes et libram (Gai 3.173 bis 175) und die litis contestatio (Gai 3.180 f.) gestrichen und mit § 4 einen neuen Abschnitt über den contrarius consensus hinzugefügt. Auch Gai 3.169 bis 172 und I 3.29.1 bis 2 sowie Gai 3.176 bis 179 und I 3.29.3 entsprechen einander nicht vollständig.

§ 4 Leistung des Geschuldeten

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kleineren sprachlichen Eingriffen26 enthält er aber auch schon eine erste sachliche Änderung: Der Schulenstreit ist gestrichen; statt dessen steht die datio in solutum – ganz im Sinne der sabinianischen Lehre – als gleichwertiger Tilgungsgrund neben der solutio. Der zweite Satz entfernt sich dann ganz von seiner Vorlage.27 Er stellt klar, daß es bei der solutio nicht auf die Person des Leistenden ankommt. Der Schuldner wird frei, ob er selbst leistet oder ein Dritter, und zwar sive sciente debitore sive ignorante vel invito. In der Sache stimmt dieser Satz mit D 3.5.38 Gai 3 de verb obl und den übrigen regelhaft formulierten Quellen28 zur Drittleistung überein. Insbesondere hält er daran fest, daß die Zustimmung des Gläubigers entbehrlich ist; die Drittleistung wird also nicht zur datio in solutum. Die Überleitung nec tamen interest läßt sie jedoch als verwandten Fall erscheinen. Denn das adversative tamen kann nur auf den im ersten Satz ausgesprochenen Unterschied zwischen der solutio und der datio in solutum bezogen werden: Die solutio eius quod debetur führt ohne weiteres zum Erlöschen der Obligation, das aliud pro alio solvere dagegen nur, wenn der Gläubiger zustimmt, und trotzdem kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner oder ein Dritter leistet. Justinian geht also davon aus, daß sein Leser hier den gleichen Unterschied erwartet. Denn aus seiner Sicht legt die Ähnlichkeit zum aliud pro alio solvere nahe, daß die Zustimmung des Gläubigers auch erforderlich ist, wenn alius pro alio leistet: Im einen Fall weicht der geleistete Gegenstand vom Regelfall der solutio ab, im anderen die Person des Leistenden. Justinian lehnt diese Analogie jedoch ausdrücklich ab (nec tamen interest) und beruft sich zur Begründung (enim) auf den klassischen Grundsatz, daß die Drittleistung sogar ignorante vel invito debitore befreiend wirkt. Er hält also daran fest, daß sie solutio im eigentlichen Sinn ist: Leistung des Geschuldeten. Die Gedankenführung des Textes zeigt allerdings, daß dies zu seiner Zeit – vielleicht im Zuge einer neuen Systematisierung der Erlöschenstatbestände – zweifelhaft geworden ist. Hier dürfte auch der Grund dafür zu suchen sein, daß Justinian in Ergänzung des Gaiustextes überhaupt auf die Drittleistung eingeht. Eine unmittelbare klassische Quelle ist jedenfalls nicht nachweisbar.29 Für eine selbständige kompila26 So fehlt das praecipue, mit dem Gaius (3.168) die solutio eius quod debetur als regelmäßigen Erlöschensgrund besonders hervorhebt. Statt dessen unterstreicht Justinian durch omnis obligatio, daß die im folgenden dargestellten Regeln der solutio und der datio in solutum für alle Schuldverhältnisse gelten. Dies könnte auf die in C 8.37.13 Iust angeordnete Gleichbehandlung von Obligationen in dando und in faciendo gemünzt sein; vgl. dazu u. § 21 I und II. 27 Dasselbe gilt für die nachfolgenden Ausführungen zum Erlöschen der Bürgenschuld durch die Leistung des Schuldners und zur Befreiung des Schuldners durch die Leistung des Bürgen. Erst mit item per acceptilationem tollitur obligatio am Anfang von § 1 kehrt der Text zu seiner Vorlage (Gai 3.169) zurück. 28 D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed, D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab, D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov, C 8.42.5 Gord und C 8.42.17 Diocl/Max.

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1. Kap.: Die Drittleistung als solutio

torische Erweiterung spricht zunächst, daß der Satz liberatur enim et alio solvente, sive sciente debitore sive ignorante vel invito solutio fiat nirgends in dieser Fassung überliefert ist. Dasselbe gilt aber auch und vor allem für die Überleitung nec tamen interest, quis solvat. Denn die Drittleistung wird nur in einer älteren Quelle mit der datio in solutum in Zusammenhang gebracht, und dies auf völlig andere Weise als in den Institutionen: C 8.42.17 Diocl/Max (293) Manifesti iuris est tam alio pro debitore solvente quam rebus pro numerata pecunia consentiente creditore datis tolli comparatam obligationem.30

Zur Zeit Diokletians ist nicht nur die Drittleistung, sondern auch die datio in solutum als zivilrechtlicher Erlöschensgrund anerkannt (manifesti iuris est . . . tolli . . . obligationem).31 Beides wird in diesem Reskript in abstrakter, regelhafter Form festgestellt. Daß die Fragen „mit einander nichts gemein haben“, ist kein Grund, eine der beiden Aussagen als interpoliert zu streichen.32 Denn die Kompilatoren haben den Sachverhalt und die Entscheidung der Kaiser gestrichen, weil ihnen offenbar nur an den allgemeinen Regeln gelegen war, und in dem nicht überlieferten Fall33 kann durchaus die Anwendung beider Grundsätze erforderlich gewesen sein. Denkbar ist dies vor allem bei einer datio in solutum durch Dritte, von der auch in D 16.1.5 Gai 9 ad ed prov die Rede ist. In einem solchen Fall könnten die Kaiser die Befreiung des Schuldners aus dem Zusammenspiel der beiden Regeln begründet haben. Trotz tam . . . quam ist diese Erklärung plausibler als die Annahme einer „analogia consapevolmente avvertita 29 Aus den von Justinian benutzten Institutionenwerken (vgl. § 6 der Constitutio ,Imperatoriam‘) ist mit D 46.3.40 Marci 3 inst nur ein Fragment zur Drittleistung überliefert, und dieser Text stammt nicht aus dem Obligationenrecht, sondern aus dem Titel De adquirendo rerum dominio; vgl. Lenel Paling. I 656 (Marcian 80). Er handelt vom Erwerb der actio pigneraticia und setzt die Befreiung des Schuldners lediglich voraus (dazu näher u. § 26 bei A. 25 ff.). Ferrini Bull. 13 (1901), 185 (= II 399) nimmt an, daß I 3.29 pr. insgesamt aus einem nicht überlieferten Teil der res cottidianae stammt. Als Argument führt er jedoch nur das Wortmaterial an, ohne nachzuweisen, daß es in den res cottidianae häufiger verwendet wird als in anderen Texten. Seine Vermutung ist daher zumindest nicht beweisbar. Gegen ihn ausführlich ZoccoRosa Imp. Iustiniani Institutionum Palingenesia II (1910) 246 ff., der den ersten Satz des pr. auf Gai 3.168 zurückführt, gesicherte Quellenangaben für den Rest des Textes aber nicht für möglich hält. 30 Übersetzung: Es ist offensichtlich rechtens, daß die gekaufte Forderung sowohl dadurch erlischt, daß ein anderer für den Schuldner zahlt, als auch dadurch, daß mit Zustimmung des Gläubigers Sachen anstelle des gezahlten Geldes gegeben werden. 31 S. o. A. 5. 32 So aber Frese 444/445 A. 210 für die Drittleistung; ebenso noch Solazzi estinz. 49 und 172, der sich allerdings nicht festlegen will, welcher der beiden Teile interpoliert ist. Für Echtheit dagegen Kaser RP I 638 A. 31; keine Bedenken äußern Betti Appunti 292 f., Nardi (o. A. 1) 80, 89, 105 und Melillo 148. 33 Der wegen comparatam obligationem von einem Forderungskauf gehandelt haben dürfte; vgl. etwa C 4.10.7 Diocl/Max (si a creditore nomen comparasti) und C 8.42.5 Gord (ab eo te nomen comparasse).

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fra l’intervento del terzo e la datio in solutum“34 oder gar einer „unificazione delle ipotesi“35. Denn zum einen wird tam . . . quam nicht nur bei Vergleichen (,ebenso . . . wie‘) gebraucht, sondern gerade von Juristen auch bei bloßen Aufzählungen (,sowohl . . . als auch‘).36 Zum anderen ergibt sich aus manifesti iuris est, daß es den Kaisern nur um die Geltung der beiden längst gefestigten Rechtssätze geht und nicht um ihre Erklärung oder Systematisierung. Aber selbst wenn man ihr Reskript als Vergleich der beiden Erlöschensgründe liest, unterscheidet es sich erheblich von der dogmatischen Parallelisierung, gegen die Justinian in I 3.29 pr. argumentiert: Diokletian und Maximinian setzen als selbstverständlich voraus, daß die Zustimmung des Gläubigers nur bei der datio in solutum erforderlich ist (alio pro debitore solvente . . . rebus pro numerata pecunia consentiente creditore datis).37 Sie stellen also den grundlegenden Unterschied der beiden Erlöschensgründe nicht in Frage. C 8.42.17 enthält somit keinen Hinweis darauf, daß die Drittleistung schon in frühnachklassischer Zeit der datio in solutum angenähert würde. Sie ist vielmehr noch bei Diokletian solutio eius quod debetur. III. Zu Kretschmars ,Solutionsbegriff‘ Daß die Drittleistung im klassischen Recht als solutio bezeichnet und behandelt wird, hebt vor allem Kretschmar38 mehrfach hervor. Denn es widerspricht seiner Theorie, nach der die solutio von den klassischen Juristen als Pflichterfüllung verstanden wird und als solche dem Verpflichteten vorbehalten sein müßte39: „Mit dem Aufrücken der schuldnerischen Verpflichtung zum hauptsächlichen konstitutiven Element des Obligationsbegriffs und der entsprechenden Ausgestaltung des Solutionsbegriffs als Erfüllung dieser Verpflichtung sollte man ein begriffliches und terminologisches Auseinandertreten der Drittleistung und der Erfüllung erwarten. Nichts dergleichen ist bemerkbar. Es scheint, daß der römischen Jurisprudenz die Unvereinbarkeit der Subsumtion der Leistung seitens des Dritten unter den neuen Erfüllungsbegriff nicht zu Bewußtsein gekommen ist.“ 34 Betti Ist. II 457 A. 17; vorsichtiger Betti Appunti 292: „vi si stabilisce un raffronto fra il pagamento di una obbligazione da parte del terzo e la datio in solutum“; ähnlich Steiner 47. 35 Melillo 148. 36 Kalb Juristenlatein 62 bezeichnet diesen Sprachgebrauch als „Spezialität der Juristen“; vgl. auch Heumann/Seckel s.v. tam 2) und Hofmann/Szantyr 590. Dennoch verwendet Frese 444/445 A. 210 ihn als Argument für seine Annahme, C 8.42.17 sei interpoliert; dagegen zutreffend Solazzi estinz. 49 A. 3. 37 Dies räumt auch Betti Ist. II 457 A. 17 und Appunti 292 f. ein. 38 23, 24, 25, 26 ff. und 36 f. 39 36 f.; ebenso etwa Steiner 30 und Solazzi estinz. 12; vgl. auch Branca ED 1 (1958) 549.

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1. Kap.: Die Drittleistung als solutio

Zutreffend ist Kretschmars Beobachtung, daß die klassischen Juristen die Drittleistung weder sprachlich noch dogmatisch von der Leistung des Schuldners unterscheiden. Seine Schlußfolgerung, der klassische Solutionsbegriff sei nicht konsistent, ist jedoch unbegründet: Solutio ist die Leistung des Geschuldeten, und weil die Person des Leistenden nicht zum Schuldinhalt gerechnet wird, gehört dazu auch die Drittleistung. Auch Kretschmar selbst beschreibt sie in seinem Kapitel über ,Die genetische Entwicklung des Solutionsbegriffs‘ als „Tilgung der Schuld durch Erbringung der geschuldeten Leistung“40; er identifiziert diesen „historischen Grundgedanken der Solutionslehre“ aber anschließend mit seiner eigenen idealtypischen Vorstellung von der ,Erfüllung der schuldnerischen Verpflichtung‘.41 Sein Einwand, die Drittleistung sei mit dem klassischen Begriff der solutio nicht zu vereinbaren, setzt diesen gedanklichen Schritt bereits voraus. Denn die geschuldete Leistung kann auch von einem Dritten erbracht werden, aber nur der Schuldner selbst ist verpflichtet, nur er kann sich also durch pflichtgemäßes Verhalten befreien. Die Gleichsetzung von solutio und Pflichterfüllung beseitigt damit zugleich die Trennung zwischen Adressat und Inhalt der Obligation: Die persönliche Leistung des Verpflichteten wird zum Inhalt jeder Schuld. Kretschmar42 begründet diese Gleichsetzung nicht historisch, sondern rein dogmatisch: Wenn die Obligation als Rechtspflicht verstanden werde, könne die solutio als ihr Gegenstück nur die Erfüllung dieser Pflicht sein. Diese Argumentation ist von modernen Vorstellungen geprägt43 und in der Sache keineswegs zwingend.44 Nur weil der Schuldner zu einer Leistung ver40 8, vgl. auch 18 („Bewirkung der geschuldeten Leistung“). Ähnliche Begriffe verwendet Kretschmar im gesamten ersten Kapitel; so spricht er etwa von ,realer Leistung‘ (9, 11, 15), ,Realsolution‘ (9, 10), ,realer Solution‘ (11) oder ,Realzahlung‘ (14, 15). 41 25; diese Vorstellung entwickelt er 21 ff. in Abgrenzung zu einem zweiten idealtypischen Solutionsbegriff, der ,bestimmungsgemäßen Lösung des Schuldners von seiner Haftung‘. 42 21 ff.; vgl. insbesondere 24. 43 Kretschmar 22 versteht die Obligation in der Tradition des Gemeinen Rechts „als eine (beschränkte) Willensherrschaft des Gläubigers über den Schuldner, von welcher dieser sich durch Erbringung der Leistung befreien kann und soll“ (22). Diese noch von Windscheid/Kipp II 2 f. vertretene Auffassung löst die auf eine Leistungshandlung gerichtete Verpflichtung des Schuldners vom Leistungserfolg – zu diesen beiden Aspekten des Schuldverhältnisses grundsätzlich Wieacker Fs. Nipperdey I (1965) 783 ff. – und sieht daher das natürliche Ende der Obligation in der Pflichterfüllung und nicht in der Befriedigung des Gläubigers; vgl. etwa Windscheid/Kipp II 2 (3) A. 2: „Ich möchte glauben, daß in allen Fällen, wo die Obligation durch ein Bekommen des Gläubigers getilgt wird, welches nicht (direct oder indirect) vom Schuldner ausgeht, dieß eine Consequenz nicht aus dem Begriff, sondern aus dem Zweck der Obligation sei.“ Im ,dogmatischen Teil‘ seiner Arbeit verteidigt Kretschmar 103 ff. und 123 ff. diese Auffassung insbesondere gegen Hartmanns Lehre von der Zweckerreichung (s. o. § 1 A. 29 und § 3 A. 7 f.). Der historische Teil ist diesem Ziel untergeordnet (s. o. § 1 bei A. 5). Er soll zeigen, daß „der zwiespältige Ausgangspunkt der

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pflichtet ist, muß die befreiende Wirkung dieser Leistung nicht notwendig auf dem Gedanken der Pflichterfüllung beruhen. Sie kann auch andere Gründe haben – etwa den, daß der Gläubiger alles erhalten hat, was ihm durch die Verpflichtung des Schuldners verschafft werden soll. Die Spiegelbildlichkeit von obligatio (,Leistungspflicht‘) und solutio (,Pflichterfüllung‘) ist keine denknotwendige Vorstellung, die dem klassischen Recht ohne weiteres unterstellt werden könnte. Allein daraus, daß solvere und solutio als technische Begriffe für die Leistung des Geschuldeten verwendet werden, folgt also nicht, daß die befreiende Wirkung der solutio auf dem Gedanken der Pflichterfüllung beruht. In den Quellen fehlt jeder Anhaltspunkt für einen solchen ethisch begründeten Solutionsbegriff.45 Er läßt sich auch nicht – wie bei der deutschen ,Erfüllung‘ – aus der allgemeinen Wortbedeutung46 ableiten: Anders als implere oder complere47 kann solvere ohne sprachliche Bedenken auch für die Leistung eines Solutionslehre“ (126) im römischen Recht nach Erlaß des BGB durch eine neue, einheitliche Theorie der Erfüllung abgelöst werden muß, die insbesondere die Drittleistung als eigenen Erlöschensgrund ausklammert. Diese ahistorische Zielsetzung kritisiert schon in Mitteis SZ 30 (1909) 439 f. in seiner Rezension. 44 Ebenso schon Weber Untersuchungen zum gräko-agyptischen Obligationenrecht (1932) 93 A. 1, der Kretschmar entgegenhält, „daß ein moderner Solutionsbegriff nicht unbedingt als konkretes schuldnerisches Verhalten bestimmt zu werden braucht, sondern mit gleicher Berechtigung vom Gläubiger her aufgefaßt werden kann; das Wesentliche ist dann die Bewirkung des Leistungsinhaltes und als deren Folge die Befriedigung des Gläubigers.“ 45 Kretschmar 23 und 29 beruft sich auf Ulpians Definition solvere dicimus eum, qui fecit quod facere promisit (D 50.16.176 Ulp 45 ad Sab, s. o. § 2 bei A. 17). Sie beschreibt die solutio (bei Verbalobligationen) aber nicht als Erfüllung der durch das Versprechen begründeten Verpflichtung, sondern als Vornahme der versprochenen Handlung und damit als Leistung des Geschuldeten (ebenso Kretschmar 8 und 18). Daß sie aktivisch formuliert ist und dadurch – anders als solutione eius, quod debetur in Gai 3.168 – die Leistung eines Dritten ausschließt, dürfte aus ihrem nicht überlieferten Kontext zu erklären sein: Entweder entscheidet Ulpian einen konkreten Fall, in dem es nur um die solutio des Schuldners geht, oder der Text stammt, wie Sargenti ED 31 (1981) 534 vermutet, aus dem Zusammenhang der stipulatio faciendi, bei der die befreiende Drittleistung nicht anerkannt ist (s. u. §§ 20 ff.). Als materielles Argument dafür, daß „bereits im neueren Solutionsbegriffe des römischen Rechts die Idee der Realisation des Obligationsinhalts als das für den Erfüllungsbegriff wesentliche Moment durchgeführt“ ist, führt Kretschmar 28 ff. (Zitat 31, vgl. auch 37) nur die Erfüllbarkeit von Unterlassungspflichten an. Er entnimmt D 46.3.31 Ulp 7 disp (dazu u. § 22) und D 45.1.49.2 Paul 37 ad ed, daß Obligationen auf non fieri ebenso ,erfüllt‘ werden wie alle übrigen Verpflichtungen. Dies ließe sich in der Tat nur schwer unter den Begriff der ,Leistung des Geschuldeten‘ fassen. Allerdings wird bei Unterlassungspflichten auch nirgends von solvere gesprochen. In den beiden von Kretschmar angeführten Texten werden sie lediglich zu den Stipulationen in faciendo gerechnet. Dies ist üblich (vgl. nur D 45.1.2.5 Paul 12 ad Sab und u. § 20 A. 3), bedeutet aber nicht, daß auch bei ihnen die Vorstellung einer solutio entwickelt ist. 46 Kretschmar verwendet für die klassische solutio ohne weiteres den deutschen Begriff der ,Erfüllung‘, obwohl er selbst (1 ff.) die unterschiedliche Grundbedeutung der beiden Worte und ihre dogmatischen Implikationen (s. o. § 2 A. 22) klar herausarbeitet.

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1. Kap.: Die Drittleistung als solutio

nicht verpflichteten Dritten gebraucht werden, sofern sie nur solvendi animo erfolgt. Kretschmars Kritik trifft die römische Jurisprudenz also nicht. Sie zeigt vielmehr, daß sein eigener Solutionsbegriff mit dem des klassischen Rechts nichts gemein hat. Denn gerade weil die Drittleistung als solutio bezeichnet und behandelt wird, kann mit diesem Begriff nicht die Erfüllung einer Pflicht, sondern nur die Leistung des Geschuldeten gemeint sein. Damit ist zwar noch nicht gesagt, warum die Drittleistung der solutio des Schuldners gleichsteht. Insbesondere läßt sich nicht ausschließen, daß dies auf das Recht der Haftungslösung zurückgeht, wie die von Kretschmar begründete und seitdem vorherrschende Lehre48 annimmt. Kretschmars zentrales Argument hat sich aber als nicht tragfähig erwiesen: Daß die Drittleistung als solutio qualifiziert wird, steht nicht im Widerspruch zu einem ,neuen Erfüllungsbegriff‘ und muß darum auch nicht ,historisch‘ – als „Nachwirkung des älteren Rechtsgedankens“49 – erklärt werden. § 5 Ergebnisse 1. Im klassischen Recht haben solvere und solutio ihre ursprüngliche Bedeutung weitgehend verloren. Sie bezeichnen nicht mehr jede ,Lösung‘ des Schuldners von der Obligation, sondern nur den regelmäßigen Grund für seine Befreiung: die Leistung des Geschuldeten. Da dieser Tilgungsgrund von anderen streng unterschieden wird, haben die beiden Begriffe eine klar umrissene, technische Bedeutung: Solutio ist eine Leistung, die in Tilgungsabsicht (solvendi animo) erbracht wird und ihrem Inhalt nach der Schuld entspricht (eius, quod debetur). 2. Bei Dritten werden solvere und solutio ausschließlich in ihrer neuen, technischen Bedeutung verwendet. Begrifflich erscheint die Drittleistung damit nicht als eigener Tilgungsgrund. Sie wird vielmehr als solutio der Leistung des Schuldners gleichgestellt und von anderen Erlöschenstatbeständen unterschieden. 3. Diesem terminologischen Befund entspricht die rechtliche Ausgestaltung der Drittleistung: Ebenso wie die solutio des Schuldners ist sie Leistung auf

47 Diese Ausdrücke werden nur selten für die Erfüllung einer Verpflichtung gebraucht (vgl. etwa implesse stipulationem in D 46.1.3 Ulp 43 ad Sab); im Zusammenhang mit der Drittleistung sind sie nur bei Justinian belegt und zwar in einem Fall, wo das klassische Recht die befreiende Wirkung versagt, weil die Leistung des Dritten der geschuldeten Leistung nicht entspricht; vgl. C 8.37.13 (530): putabant non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est, dazu u. § 21 I. 48 Vgl. die Übersicht in § 1 I 2 und 3. 49 Kretschmar 36 und 37.

§ 5 Ergebnisse

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Schuld und Leistung des Geschuldeten. Vom concursus causarum unterscheidet sie sich zum einen dadurch, daß ihr Anwendungsbereich weder auf Speziesschulden noch auf ,lukrative‘ Forderungen beschränkt ist. Zum anderen ist es bei ihr kein Zufall, daß der Gläubiger den geschuldeten Gegenstand erwirbt. Der Dritte leistet vielmehr gerade im Hinblick auf die zu tilgende Forderung (solvendi animo). Im Gegensatz zur datio in solutum steht die zivilrechtliche Befreiung des Schuldners bei der Drittleistung außer Streit, und auch auf die Zustimmung des Gläubigers kommt es bei ihr nicht an. Denn die Leistung des Dritten ist kein aliud pro alio solvere, sondern solutio eius quod debetur. 4. Weil die Drittleistung der solutio des Schuldners terminologisch und systematisch gleichsteht, kann der ,Solutionsbegriff‘ des klassischen Rechts nicht unabhängig von ihr definiert werden: Solutio ist nicht mehr Haftungslösung, aber auch nicht Pflichterfüllung, sondern die in Tilgungsabsicht erbrachte Leistung des Geschuldeten. Damit unterscheidet das klassische Recht zwischen Adressat und Inhalt der Obligation: Zur Leistung verpflichtet ist nur der Schuldner, die geschuldete Leistung kann aber auch jeder Dritte erbringen. Indem das klassische Recht die Drittleistung nach der Tilgungsabsicht des Dritten als solutio qualifiziert, sieht es davon ab, welche weiteren Zwecke der Dritte gegenüber dem Schuldner verfolgt. In den beiden folgenden Kapiteln soll gezeigt werden, daß diese einseitige Betrachtungsweise nicht auf dem Fehlen konstruktiver Alternativen beruht, sondern auf der bewußten Entscheidung für ein als sachgerecht empfundenes Modell. Dabei ist zunächst (im zweiten Kapitel) zu untersuchen, warum die Drittleistung nicht zu einem – am Vorbild des Klagenkaufs orientierten – Zessionstatbestand umgestaltet wird, wie dies seit der hochklassischen Zeit für bestimmte andere Fälle der solutio belegt ist. Im dritten Kapitel geht es dann um die Frage, wie sich die Drittleistung im Verhältnis zwischen Schuldner und Drittem auswirkt und ob das Erlöschen der Schuld von diesem ,Deckungsverhältnis‘ beeinflußt wird.

Zweites Kapitel

Drittleistung und Klagenkauf § 6 Zur Konstruktion I. ,Solutionsmodell‘ und ,Zessionsmodell‘ Als solutio führt die Drittleistung auch dann zum Erlöschen der Obligation, wenn der Dritte in der Absicht leistet, Regreß zu nehmen, wenn er den Schuldner also nur vom Gläubiger befreien, sich selbst gegenüber aber verbindlich machen will. Dieser doppelten Absicht des Dritten entsprechen die Rechtsfolgen einer solutio nur in einer Hinsicht: Der Schuldner wird gegenüber dem Gläubiger frei. Das zweite Ziel kann dagegen nur mit Hilfe einer neuen Klage – etwa aus negotiorum gestio1 – erreicht werden. Die Obligation selbst ist ja erloschen und kommt daher als Regreßinstrument nicht mehr in Betracht. Dieses ,Solutionsmodell‘ des klassischen Rechts ist weder das einzig denkbare, noch ergibt es sich aus der Natur der Sache. Da der Dritte nicht nur solvendi animo, sondern regelmäßig auch in Rückgriffsabsicht leistet, liegt es vielleicht sogar näher, die Wirkung seiner Leistung auf das Schuldverhältnis nach diesen beiden Absichten zu bestimmen. Die Forderung müßte dann, statt zu erlöschen, auf ihn übergehen. Auf diese Weise würde der Schuldner gegenüber dem Gläubiger frei, und gleichzeitig wäre der Rückgriff des Dritten gesichert, ohne daß es dazu einer besonderen Klage bedürfte. Daß das klassische Recht ein solches ,Zessionsmodell‘ nicht gewählt hat, läßt sich nicht allein aus der Unübertragbarkeit des Forderungsrechts2 erklären. Denn mit dem prozessualen Institut des mandatum in rem suam hat die Jurisprudenz einen nahezu gleichwertigen Ersatz für die fehlende materiellrechtliche Forderungsabtretung geschaffen, und seit Antoninus Pius3 gewährt das Kaiserrecht dem Zessionar auch eigene actiones utiles.4 Ein Zessionsregreß ist also 1

Dazu u. § 11. Vgl. dazu nur Seiler 202 ff., Kaser RP I 222 f. und 652 f. sowie Zimmermann 58 ff., jeweils mwN. 3 Vgl. D 2.14.16 pr. Ulp 4 ad ed zur actio utilis des Erbschaftskäufers; aber auch die u. A. 27 zitierten Stellen zur actio tutelae utilis. 4 Vgl. dazu nur Kaser RP I 653 f. und II 451 sowie Zimmermann 60 ff., jeweils mwN. 2

§ 6 Zur Konstruktion

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konstruktiv möglich: Der Gläubiger kann den Dritten Zug um Zug gegen Erbringung der geschuldeten Leistung zum procurator (oder cognitor) in rem suam bestellen und ihm so die Klagemöglichkeit gegen den Schuldner verschaffen. Die klassische Jurisprudenz behandelt derartige Fälle als Klagenkauf5 und erkennt damit ein auf Parteivereinbarung beruhendes Zessionsmodell an. Darüber hinaus gewährt sie dem Bürgen und anderen privilegierten Personen sogar einen Zessionsanspruch gegen den Gläubiger: das – ebenfalls nach dem Vorbild des Klagenkaufs – gestaltete beneficium cedendarum actionum. Um den Zessionsregreß zu eröffnen, setzt sie sich in diesen Fällen bewußt über die Regeln der solutio hinweg (dazu sogleich unter II). Bei der Drittleistung hält sie dagegen grundsätzlich am Solutionsmodell fest. Eine Zessionsvereinbarung zwischen Gläubiger und Drittem wird zwar auch hier anerkannt, im übrigen wird aber noch am Ende der klassischen Epoche streng zwischen solutio und Klagenkauf unterschieden (dazu § 7), und ein beneficium cedendarum actionum ist nur für bestimmte Ausnahmefälle belegt (dazu § 9). II. Das beneficium cedendarum actionum als erzwungener Klagenkauf Das beneficium cedendarum actionum6 ist zwar kein allgemeines Regreßinstitut, es wird aber schon von den klassischen Juristen in zahlreichen Fällen eingesetzt: beim Rückgriff des Bürgen gegen den Hauptschuldner7 ebenso wie beim Ausgleich unter Mitbürgen8, contutores9 und anderen Gesamtschuldnern10. 5 Vgl. vor allem D 46.1.36 Paul 14 ad Plaut, D 46.3.76 Mod 6 resp und C 8.40.14.1 Gord, aber auch D 20.5.5.1 Marci l s ad form hyp, D 17.1.59.1 Paul 5 resp und C 5.58.1 Sev/Ant. 6 Dazu allgemein Schulz SZ 27 (1906) 98 ff., Wesener Lab. 11 (1965) 346 ff., Medicus Fs. Kaser (1976) 391 ff. und Provera St. Sanfilippo 4 (1983), 611 ff., jeweils mwN. 7 Vgl. D 20.5.2 Pap 2 resp, C 8.40.2 Sev/Ant und C 8.40.21 Diocl/Max, aber auch D 3.5.31 pr. Pap 3 resp, D 20.1.2 Pap 3 resp, D 20.5.5.1 Marci l s ad form hyp, D 46.1.36 Paul 14 ad Plaut, C 8.40.11.1 Alex und C 8.40.14.1 Gord zur Rechtslage nach vollzogener Zession; dazu neben den o. A. 6 Zitierten Frezza I 180 ff., Kaser RP I 666 mit A. 59 und II 460 und Zimmermann 132 ff., jeweils mwN. Zum Kreditmandat u. § 18 III 2 und 3. 8 Vgl. vor allem D 46.1.17 Iul 89 dig und D 46.2.12 Pap 12 quaest, aber auch D 46.1.36 Paul 14 ad Plaut und D 46.1.39 Mod 2 reg sowie zum Kreditmandat D 46.1.41.1 Mod 13 resp; dazu die o. A. 6 und 7 Zitierten. 9 Vgl. C 5.58.2 Ant und C 5.52.2.3 Carus/Carin/Numer, aber auch D 26.7.42 Pap 1 def, D 27.3.1.13, 14 und 18 Ulp 36 ad ed, D 27.3.21 Pap 1 def und D 46.3.76 Mod 6 resp; dazu neben den o. A. 6 Zitierten Seiler 179 ff. und Voci Iura 21 (1970) 107 ff. 10 Vgl. C 4.65.13 Valer/Gall und D 19.2.47 Marc 6 dig (mehrere conductores bzw. emptores), D 10.2.18.5 und D 15.1.30.3 (filius familias heres neben de peculio haftenden cohederes) und D 50.15.5 pr. Pap 19 resp (mehrere grundsteuerpflichtige possessores); dazu neben den o. A. 6 Zitierten Kaser RP I 659 und II 456 f. sowie Wacke Index 3 (1972) 467 ff. zu nec remedio locus esse videbatur, ut per doli exceptionem

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2. Kap.: Drittleistung und Klagenkauf

Wird beispielsweise einer von mehreren Bürgen zu Recht in solidum verklagt, dann kann er mit Hilfe der exceptio doli erreichen, daß der Gläubiger ihm die Klagen gegen den Hauptschuldner und die Mitbürgen ,abtritt‘. Im Verhältnis zu letzteren hat er – außerhalb des Anwendungsbereichs der lex Apuleia11 – keine eigenen Ausgleichsklagen; hier wirkt das beneficium cedendarum actionum also anspruchsbegründend. Beim Rückgriff gegen den Hauptschuldner trifft das nur dann zu, wenn dieser der Verbürgung widersprochen hat und darum nach umstrittener, aber wohl herrschender Ansicht12 weder mit der actio mandati noch mit einer direkten oder analogen actio negotiorum gestorum contraria haftet; für einen solchen Fall ist das beneficium cedendarum actionum allerdings nicht belegt. Die Zession ist aber auch neben einem bestehenden Regreßanspruch sinnvoll: Sie verschafft dem Bürgen die zur Sicherung der Hauptschuld bestellten Pfandrechte und damit eine sonst nicht bestehende konkursfeste Rückgriffsmöglichkeit.13 Das beneficium cedendarum actionum wird also zu zwei14 verschiedenen Zwecken eingesetzt. Zum einen ermöglicht es einen angemessenen Ausgleich – Ulpian15 spricht von der iusta communicatio damni – unter Gesamtschuldnern und mildert so die Härten der im Gläubigerinteresse gebotenen Solidarhaftung.16 Zum anderen dient es der Überleitung von dinglichen Sicherheiten17 auf den rückgriffsberechtigten Bürgen.

actiones ei qui pecuniam creditori dedit praestarentur, quia non duo rei facti proponerentur in D 21.2.65 Pap 8 quaest. 11 Gai 3.122. 12 Vgl. etwa D 17.1.6.2 Ulp 31 ad ed, D 17.1.53 Pap 9 resp und vor allem D 17.1.40 Paul 9 ad ed; dazu u. § 11 III. 13 Vgl. vor allem C 4.40.14 pr., 1 Gord. Auch in den meisten anderen Quellen zum Zessionsregreß des Bürgen (s. o. A. 7) geht es vornehmlich oder sogar ausschließlich um den Übergang des Pfandrechts. 14 Levy Nachtr. 5 f. und passim sieht in der Zession zugleich eine Form ,judizialer Konsumption‘ bei passiver doppelter Konkurrenz, das heißt: ein Instrument zur Regelung der Konkurrenz verschiedener Klagen gegen mehrere Schuldner; dagegen überzeugend Liebs Konk. 260 ff. 15 In D 27.3.1.14 Ulp 36 ad ed versagt er dem ex dolo communi belangten Mitvormund die Gewährung des beneficium cedendarum actionum mit der Begründung, daß er für eigenes deliktisches Verhalten bestraft werde nec enim ulla societas maleficiorum vel communicatio iusta damni ex maleficio est; ähnlich D 26.7.38.2 Pap 12 quaest. Auf der anderen Seite kann ein Magistrat, der als Gesamtschuldner für ein Fehlverhalten seines collega einstehen muß, in vollem Umfang Regreß nehmen; vgl. D 50.8.2.8 f. Ulp 3 opin, wo das beneficium cedendarum actionum bereits die Form einer Legalzession angenommen hat. Im übrigen erfolgt jedoch regelmäßig ein anteiliger Ausgleich; vgl. etwa D 26.7.38.2 Pap 12 quaest, D 27.3.21 Pap 1 def und D 50.15.5 pr. Pap 19 resp. 16 Diese kompensierende Funktion lassen etwa D 19.2.47 Marcell 6 dig, D 46.6.12 Pap 12 quaest, C 5.52.2.3 Caru/Carin/Numer und C 5.58.2 Ant erkennen. 17 So ausdrücklich D 20.5.2 Pap 2 resp (nam huiusmodi venditio transferendi pignoris causa necessitate iuris fieri solet).

§ 6 Zur Konstruktion

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Ebenso wie das zwischen den Parteien selbst vereinbarte Zessionsmodell18 wird auch das beneficium cedendarum actionum als Klagenkauf behandelt. Der einzige Unterschied besteht darin, daß der Gläubiger mittelbar zum Abschluß des Kaufvertrags gezwungen wird: Im Prozeß obsiegt er nur dann (in vollem Umfang), wenn er – um bei dem Beispiel zu bleiben – dem verklagten Bürgen die Klagen gegen den Hauptschuldner und die Mitbürgen ,verkauft‘.19 Zahlt der Bürge nach einer solchen – freiwilligen oder im Prozeß erzwungenen – venditio actionum die verbürgte Summe, dann wird dies nicht als Leistung auf die Bürgenschuld angesehen, sondern als Kaufpreiszahlung.20 In Fortentwicklung dieses konstruktiven Ansatzes geht Paulus21 sogar noch einen Schritt weiter. Nach seiner – allerdings umstrittenen22 – Ansicht ist die Leistung eines Mitbürgen 18

S. o. bei A. 5. Vgl. D 15.1.30.3 Ulp 29 ad ed (in solidum actionem patietur. sed si velit pro parte nomen coheredis redimere, audiendus est) und D 46.1.17 Iul 89 dig (stipulator compellatur . . . vendere ceterorum nomina), aber auch D 20.5.2 Pap 2 resp (fideiussor conventus officio iudicis adsecutus est) und die u. A. 20 nachgewiesenen Stellen. 20 Vgl. zum beneficium cedendarum actionum vor allem D 27.3.21 Pap 1 def (quia pro parte condemnati tutoris non tutela reddita, sed nominis pretium solutum videtur) und D 50.15.5 pr. Pap 19 resp (quia nominum venditorum pretium acceptum videtur) sowie zum vereinbarten Zessionsregreß D 46.3.76 Mod 6 resp (cum novissimo quoque casu pretium magis mandatarum actionum solutum quam actio quae fuit perempta videatur). 21 D 46.1.36 Paul 14 ad Plaut: Cum is qui et reum et fideiussores habens (habet edd.) ab uno ex fideiussoribus accepta pecunia praestat actiones, poterit quidem dici nullas iam esse, cum suum perceperit et perceptione omnes liberati sunt. sed non ita est: non enim in solutum accipit, sed quodammodo nomen debitoris vendidit, et ideo habet actiones, quia tenetur ad id ipsum, ut praestet actiones. Die Echtheit dieses Fragments ist umstritten; vgl. nur Provera (o. A. 6) 624 A. 23 und die Übersicht bei Medicus (o. A. 6) 393, der selbst mit der wohl vorherrschenden Ansicht von sachlicher Echtheit ausgeht, aber gleichzeitig annimmt, daß „das Ende von fr. 36 et ideo rell. mit seinem platten Zirkelschluß unklassisch“ sei. Nimmt man ihn beim Wort, dann enthält der Schlußsatz in der Tat keine tragfähige Argumentation: Der Gläubiger hat die Klagen gegen Hauptschuldner und Mitbürgen nur deshalb, weil er zu ihrer Abtretung verpflichtet ist. Gerade wegen des offensichtlichen Zirkelschlusses läßt sich diese Aussage aber auch als ironische Pointe verstehen, und zwar entweder als Anspielung darauf, daß die Konstruktion des Klagenkaufs den Zessionsregreß nur beschreibt, aber nicht begründet (es gibt ihn, weil es ihn geben muß), oder als rhetorischen Angriff auf die u. A. 22 erwähnte Gegenansicht: Auch sie begründet den Fortbestand der Klagen mit Hilfe eines Klagenkaufs und setzt damit, wenn man diese Konstruktion zuende denkt, einen kaufvertraglichen Zessionsanspruch voraus. Diese beiden Interpretationen sind zwar nicht zwingend, aber vielleicht befriedigender als die Annahme einer einfältigen Glosse oder eines ebensolchen – und überdies durch nichts motivierten – kompilatorischen Eingriffs. 22 Die Gegenansicht, nach der die Zession vor der Zahlung erfolgt oder zumindest vereinbart sein muß, ist vor allem in D 46.3.76 Mod 6 resp belegt; vgl. aber auch C 5.58.1 Sev/Ant und C 8.40.11.1 Alex. Beim Kreditmandat kommt Papinian dagegen zum gleichen Ergebnis wie Paulus; vgl. D 17.1.28 Ulp 14 ad ed und D 46.3.95.10 Pap 28 quaest. Diese Entscheidungen beruhen jedoch nicht auf der Konstruktion eines Klagenkaufs, sondern auf den Besonderheiten des Kreditmandats; dazu näher u. § 18 III 2 und 3. 19

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2. Kap.: Drittleistung und Klagenkauf

auch dann als Zahlung des Kaufpreises zu behandeln, wenn ihr überhaupt keine Zessionsvereinbarung vorausging. Paulus begründet dies damit, daß mit der Annahme der Leistung durch den Gläubiger gewissermaßen (quodammodo) ein Kaufvertrag zustande komme, aus dem der Bürge die Zession verlangen könne. Diese Konstruktion kommt einer Legalzession nahe. Sie verzichtet auf jede – freiwillige oder erzwungene – Zessionsvereinbarung und benutzt den Klagenkauf als reine Fiktion. Wie Medicus23 zu Recht betont, unterscheidet sie sich damit aber nur graduell vom beneficium cedendarum actionum und von der freiwilligen Zession des Gläubigers. Denn in diesen Fällen ist eine Zessionsvereinbarung zwar tatsächlich vorhanden, ihre Qualifizierung als Klagenkauf beruht aber auch schon auf einem juristischen Kunstgriff: Der Wille, einen Kaufvertrag abzuschließen, wird den Parteien im einen Fall aufgezwungen und im anderen unterstellt.24 Denn der gerichtlich oder außergerichtlich belangte Bürge will sich in erster Linie von seiner bereits bestehenden Verpflichtung befreien, und der Gläubiger will keine Gegenleistung für etwas erbringen, das ihm der Bürge ohnehin schuldet. Bei der Zessionsvereinbarung geht es also nicht um den Austausch von Ware gegen Geld, sondern ausschließlich darum, die Klagen gegen Hauptschuldner und Mitbürgen nach der Zahlung – wenn der Gläubiger sie nicht mehr benötigt – für den Bürgenregreß oder den Gesamtschuldnerausgleich nutzbar zu machen. Mit der Figur des Klagenkaufs wird genau dies erreicht. Denn sie erlaubt es, die Leistung des Bürgen auf die eigens zu diesem Zweck begründete Kaufpreisforderung anzurechnen. Dieser Umweg ist erforderlich, weil die sonst gebotene Anrechnung auf die Bürgenschuld zur Folge hätte, daß neben dem zahlenden Bürgen auch der Hauptschuldner und die Mitbürgen frei werden. Die gegen sie gerichteten Klagen des Gläubigers wären dann gegenstandslos, und der Zessionsregreß, den der Gläubiger selbst oder das beneficium cedendarum actionum 23

(O. A. 6) 405 und öfter. Obwohl in beiden Fällen reale Zessionsvereinbarungen vorhanden sind, spricht Medicus (o. A. 6) 405 auch hier von einer „Kauffiktion“, allerdings mit der Einschränkung: „Fiktiv ist hier . . . nur die Deutung dieser Vereinbarungen als Kauf.“ Diese Qualifizierung erscheint jedoch dann nicht mehr angemessen, wenn die Zessionsvereinbarung ausdrücklich als Klagenkauf abgeschlossen wird oder werden muß. Genau dies scheint aber in einer Reihe von Texten der Fall zu sein; vgl. vor allem die o. A. 19 zitierten Quellen zum beneficium cedendarum actionum, aber auch C 8.40.14.1 Gord (facta nominis redemptione) und C 5.58.1 Sev/Ant (quod si nomen emisti) zur freiwilligen Zessionsvereinbarung. Hier wird der Klagenkauf – freiwillig oder gezwungenermaßen – von den Parteien selbst vorgeschoben, um den beabsichtigten Zessionsregreß konstruktiv zu ermöglichen. Demgegenüber werden in D 27.3.21 Pap 1 def (sed nominis pretium solutum videtur), D 46.1.36 Paul 14 ad Plaut (sed quodammodo nomen debitoris vendidit), D 46.3.76 Mod 6 resp (pretium magis mandatarum actionum solutum . . . videatur) und D 50.15.5 pr. Pap 19 resp (nominum venditorum pretium acceptum videtur) offenbar nicht näher qualifizierte Zessionsvereinbarungen erst von den Juristen als Klagenkauf gedeutet. Aber selbst hier beruht das Ergebnis eher auf einer an den gewollten Rechtsfolgen orientierten Auslegung als auf einer Fiktion. 24

§ 6 Zur Konstruktion

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dem Bürgen verschaffen will, wäre nicht mehr möglich. Daß mit der Figur des Klagenkaufs gerade dieses unerwünschte Ergebnis vermieden werden soll, ist mehrfach belegt.25 Der Klagenkauf wird also von den Parteien vorgeschoben und sogar von der Rechtsordnung selbst erzwungen oder fingiert, um die für die solutio des Bürgen oder des Gesamtschuldners geltenden Regeln zu umgehen und auf diese Weise die Klagen des Gläubigers für den erwünschten Zessionsregreß zu erhalten. Das eingangs beschriebene Zessionsmodell ist den klassischen Juristen demnach nicht nur als theoretische Alternative zum Solutionsmodell bekannt. Vielmehr wird es beim Bürgenregreß und beim Gesamtschuldnerausgleich auch ständig praktiziert, und zwar entweder aufgrund einer entsprechenden Parteivereinbarung oder kraft eines besonderen beneficium cedendarum actionum. In beiden Fällen werden die regelmäßigen Wirkungen der solutio durch die künstliche Einschaltung eines Klagenkaufs ausgeschlossen. Das Solutionsmodell wird also nicht grundsätzlich in Frage gestellt, aber dort, wo eine Zession zur Eröffnung oder zur Sicherung des Rückgriffs sinnvoll erscheint, mit Hilfe eines Kunstgriffs überwunden. Dieser Weg ist spätestens seit Julian26 bekannt. Etwa zur gleichen Zeit entwickelt das Kaiserrecht noch eine zweite Lösung, die allerdings – obwohl dogmatisch stimmiger und effektiver – nur eine geringere Verbreitung gefunden hat: Seit Antoninus Pius erhält der in solidum verurteilte Vormund unter bestimmten Voraussetzungen eine eigene actio tutelae utilis gegen seine contutores.27 Da diese Klage keine Zession voraussetzt und auch von der Zahlung des Judikats unabhängig ist, kann man hinter ihr sogar die Vorstellung einer Legalzession vermuten. 25 Vgl. vor allem D 27.3.21 Pap 1 def (actio data non intercidit, quia pro parte condemnati tutoris non tutela reddita, sed nominis pretium solutum videtur), D 46.3.76 Mod 6 resp (salvas esse mandatas actiones, cum . . . pretium magis mandatarum actionum solutum quam actio quae fuit perempta videatur) und D 50.15.5 pr. Pap 19 resp (nec inutiliter actiones praestantur, tametsi fiscus pecuniam suam reciperaverit, quia nominum venditorum pretium acceptum videtur), aber auch D 46.3.76 Mod 6 resp (si post solutum sine ullo pacto omne, quod ex causa tutelae debeatur, actiones post aliquod intervallum cessae sint, nihil ea cessione actum, cum nulla actio superfuerit) gegenüber D 46.1.36 Paul 14 ad Plaut (o. A. 21) zur Zession nach vorbehaltloser Zahlung. 26 Vgl. D 46.1.13 Iul 14 dig zum Kreditmandat und vor allem D 46.1.17 Iul 89 dig: Fideiussoribus succurri solet, ut stipulator compellatur ei, qui solidum solvere paratus est, vendere ceterorum nomina. Wie Medicus (o. A. 6) 394 f. überzeugend herausarbeitet, setzt Julian hier nicht nur den Zessionsregreß, sondern auch die Konstruktion des Klagenkaufs als bekannt voraus (solet). Zu seiner Zeit ist beides also offenbar bereits ius receptum; ebenso Provera (o. A. 6) 636 mit A. 42; für eine Erfindung Julians dagegen etwa Schulz Rückgriff und Weitergriff (1907) 26. 27 Vgl. D 27.3.1.13 Ulp 36 ad ed, C 5.58.2 Ant und dazu Seiler 189 ff.; ähnlich D 50.8.2.8 f. Ulp 3 opin zu dem verwandten Fall, daß ein Magistrat aus einem Fehlverhalten seines collega in Anspruch genommen wird. Vor Antoninus Pius kann der in beiden Fällen gebotene Ausgleich nur durch eine extensive Anwendung der actio negotiorum gestorum ermöglicht werden; vgl. D 3.5.29 Iul 3 dig und dazu Seiler 193 ff.

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2. Kap.: Drittleistung und Klagenkauf

Seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts sind damit zwei Konstruktionen bekannt, die einen Zessionsregreß ermöglichen. Wo die spätere Jurisprudenz dennoch am Solutionsmodell festhält, kann dies also nicht mehr auf das Fehlen einer konstruktiven Alternative zurückgeführt werden. § 7 Zur Unterscheidung von Drittleistung und Klagenkauf I. Zessionsregreß kraft Parteivereinbarung Durch eine entsprechende Vereinbarung mit dem Gläubiger kann sich nicht nur der Bürge die Möglichkeit verschaffen, als procurator (oder cognitor) in rem suam beim Schuldner Rückgriff zu nehmen. In mindestens zwei1 spätklassischen Quellen ist dies auch für einen Dritten bezeugt, der an den Gläubiger leistet, ohne dazu verpflichtet zu sein. Von einer solchen Zessionsvereinbarung zwischen dem Gläubiger und einem Drittem handelt zum einen D 3.5.31 pr. Pap 3 resp Fideiussor imperitia lapsus alterius quoque contractus, qui personam eius non contingebat, pignora vel hypothecas suscepit et utramque pecuniam creditori solvit, existimans indemnitati suae confusis praediis consuli posse. ob eas res iudicio mandati frustra convenietur et ipse debitorem frustra conveniet, negotiorum autem gestorum actio utrique necessaria erit: in qua lite culpam aestimari satis est, non etiam casum, quia praedo fideiussor non videtur. creditor ob id factum ad restituendum iudicio, quod de pignore dato redditur, cum videatur ius suum vendidisse, non tenebitur.2 1 Hierher gehört wohl auch C 4.10.1 Gord: Data certae pecuniae quantitate ei cuius meministi in vicem debiti actiones tibi adversus debitorem, pro quo solvisti, dicis esse mandatas et, antequam eo nomine litem contestareris, sine herede creditorem fati munus implesse proponis. quae si ita sunt, utilis actio tibi competit. Allerdings läßt sich wegen in vicem debiti nicht mit Sicherheit sagen, welches Geschäft die Adressatin des Reskripts mit dem Gläubiger abgeschlossen hat. So nimmt etwa Gehrich Kognitur und Prokuratur in rem suam als Zessionsformen des klassischen römischen Rechts (1963) 71 – wohl im Hinblick auf diese Wendung – an: „Valeria hat einem X die Summe, die dieser von T zu fordern hatte, als Darlehen gegeben und sich die Forderungen des X gegen T an Erfüllungsstatt abtreten lassen.“ Mit debitorem, pro quo solvisti ist dies jedoch kaum zu vereinbaren. Diese für die Drittleistung technische (s. u. § 15 I) Formulierung läßt vielmehr den Schluß zu, daß Valeria für den Schuldner geleistet hat, wenn auch aufgrund einer Zessionsvereinbarung und darum nicht mit befreiender Wirkung. So verstehen denn auch Valiño 179, Drechsler Die actio utilis des Zessionars (1914) 37 und Eisele Die actio utilis des Zessionars (1887) 48 den Sachverhalt des Reskripts. Mit in vicem debiti actiones tibi . . . esse mandatas ließe sich dies etwa dadurch vereinbaren, daß man debiti als Genitivattribut zu actiones liest oder in vicem debiti mit ,gegen Zahlung der Schuld‘ übersetzt. 2 Übersetzung: Ein Bürge hat aus Unerfahrenheit auch die Pfänder oder Hypotheken eines anderen Vertrags, der seine Person nicht berührte, übernommen und beide

§ 7 Zur Unterscheidung von Drittleistung und Klagenkauf

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Der Bürge hat vom Gläubiger zwei Pfandrechte übernommen (pignora vel hypothecas suscepit). Eines davon sicherte die Hauptschuld, das andere eine weitere Verbindlichkeit des Verpfänders, für die er sich nicht verbürgt hatte. Im Gegenzug hat der Bürge den Gesamtbetrag beider Forderungen an den Gläubiger gezahlt (utramque pecuniam creditori solvit). Der eigentliche Gegenstand dieses aus dem Kontext der actio pigneraticia stammenden Fragments3 ist die Frage, ob und mit welchen Klagen der Bürge und der Gläubiger dem Schuldner für die verpfändeten Gegenstände haften.4 Papinian setzt dabei voraus, daß beide Pfandrechte wirksam auf den Bürgen übertragen worden sind. Wie andere Quellen5 zeigen, ist dies nur bei gleichzeitiger Zession der Forderungsrechte möglich. Daher muß man von zwei im Hinblick auf den Erwerb der Pfandrechte vereinbarten Klagenzessionen ausgehen.6 Die eine betrifft die Hauptschuld und ist nach den bereits dargestellten Grundsätzen wirksam7: Die nachträgliche solutio des Bürgen wird als Kaufpreiszahlung behandelt und führt daher nicht zur Befreiung des Hauptschuldners. Bei der Zession der anderen Klage handelt der Bürge dagegen nicht als solcher, sondern wie ein beliebiger Dritter. Dennoch geht Papinian, ohne auch nur zu unterscheiden, von der Wirksamkeit beider Zessionen aus. Damit belegt fr. 31 pr., daß ein Dritter ebenso wie der Bürge für einen Zessionsregreß sorgen kann, indem er sich im Gegenzug zur Zahlung des Forderungsbetrags die Klagen des Gläubigers ,abtreten‘ läßt. Auch hier wird die actio cessa nicht dadurch gegenstandslos, daß der Dritte den Forderungsbetrag bezahlt. Daß dahinter auch dieselbe Konstruktion Geldbeträge an den Gläubiger gezahlt, wobei er glaubte, für seine Schadloshaltung könne aus den verbundenen Grundstücken gesorgt werden. Wegen dieser Sachen wird er mit der Auftragsklage vergeblich belangt werden, und er selbst wird den Schuldner vergeblich belangen, die Geschäftsführungsklage aber wird für beide notwendig sein. In diesem Verfahren genügt es, das Verschulden in Ansatz zu bringen, nicht auch den Zufall, weil der Bürge nicht als unrechtmäßiger Besitzer angesehen wird. Der Gläubiger wird wegen dieses Verhaltens mit der Herausgabeklage, die im Hinblick auf das bestellte Pfand gewährt wird, nicht haften, weil er so angesehen wird, als habe er sein Recht verkauft. 3 Vgl. Lenel Paling. I 891 (Papinian 450). 4 Vgl. dazu nur Kaser TR 47 (1979) 341 f. (= Pfandrecht 121 f.) mwN. 5 Vgl. etwa cessis actionibus in C 8.40.11.1 Alex und vor allem C 8.40.14.1 Gord: Pignora etenim, quae reo stipulandi nexa fuerunt, ita demum ad vos transeunt, si facta nominis redemptione solutio celebrata est vobisque mandatae sunt actiones. Vgl. dazu etwa Provera St. Sanfilippo 4 (1983) 624 f., aber auch Eisele SZ 27 (1906) 61 ff. Daß in fr. 31 pr. und in den übrigen Quellen zum Erwerb des Pfandrechts durch den Bürgen nur von pignus bzw. ius pignoris transferre (D 20.5.2 Pap 2 resp, C 8.40.2 Sev/ Ant), cedere (C 8.40.21 Diocl/Max) oder suscipere (D 20.1.2 Pap 3 resp, D 20.5.5.1 Marci l s ad form hyp) die Rede ist, erklärt sich wohl aus dem wirtschaftlichen Zweck des Geschäfts: Die Zession dient nicht der Verschaffung eines zusätzlichen schuldrechtlichen Regreßanspruchs, sondern der nur so möglichen Überleitung dinglicher Sicherheiten (s. o. § 6 bei A. 13 und 17). 6 So auch Kaser (o. A. 4). 7 S. o. § 6 II.

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steht wie beim Zessionsregreß des Bürgen, ergibt sich aus cum videatur ius suum vendidisse am Schluß des Fragments. Der Kaufvertrag wird hier zwar nicht als Begründung für den Fortbestand der Forderungen angeführt, sondern als Argument gegen eine Haftung des Gläubigers aus der actio pigneraticia (oder fiduciae8). Gerade dies zeigt aber, daß ius suum vendidisse den Verkauf der Forderungen samt der dazugehörigen Sicherungsrechte meint. Denn zur Veräußerung der verpfändeten Gegenstände ist der Gläubiger vor Pfandreife nicht berechtigt.9 Fr. 31 bezeugt damit jedenfalls, daß auch das zwischen dem Gläubiger und einem Drittem vereinbarte Zessionsmodell als Klagenkauf konstruiert wird. Daß dies auch denselben Grund hat wie im Fall der Bürgschaft oder der Gesamtschuld, bestätigt die zweite Quelle: D 20.6.5.2 Marci l s ad form hyp Si convenerit, ut pro hypotheca fideiussor daretur, et datus sit, satisfactum videbitur, ut hypotheca liberetur. aliud est, si ius obligationis vendiderit creditor et pecuniam acceperit: tunc enim manent omnes obligationes integrae, quia pretii loco id accipitur, non solutionis nomine.10

Das Fragment stammt aus Marcians Kommentar zur actio Serviana und bezieht sich auf die Klausel ,eamque pecuniam neque solutam neque eo nomine satisfactum esse‘.11 Marcian stellt zunächst fest, daß die Stellung eines Bürgen nach einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Gläubiger zu dessen Abfindung genügt. Sie erfüllt dann eine negative Kondemnationsbedingung der dinglichen Pfandklage, und dies hat zur Folge, daß das Pfandrecht erlischt12, obwohl 8 Zu der Frage, ob der Text zum pignus, zur fiducia oder zu beiden gehört, Kaser (o. A. 4) 342 (122) mwN. in A. 342. 9 So auch Kaser (o. A. 4) 342 (122). Anders Eisele SZ 30 (1909) 104, der cum videatur ius suum vendidisse auf den Verkauf der verpfändeten Grundstücke bezieht und darum als „faule Begründung“ bezeichnet. Denn „wenn der Bürge den Gläubiger auch wegen der Forderung, die ihn nichts anging befriedigte, so war der Gläubiger kraft des pactum fiduciae verpflichtet, die fiducia dem Schuldner zurückzugeben. Wenn er sie statt dessen dem Bürgen manzipierte, so handelte er dem pactum fiduciae zuwider; warum soll er nun wegen dieses Handelns (ob id factum) mit der actio fiduciae nicht haften?“ Dem hält schon Manigk RE 9 (1914) 376 f. zu Recht entgegen, daß gerade deshalb mit ius suum nicht die verpfändeten Sachen, sondern nur die Pfandrechte gemeint sein können. 10 Übersetzung: Wenn vereinbart ist, daß anstelle des Pfandes ein Bürge gestellt werden soll, und einer gestellt worden ist, wird ,Abfindung‘ angenommen, so daß das Pfand befreit wird. Etwas anderes ist es, wenn der Gläubiger das Forderungsrecht verkauft und Geld angenommen hat. Dann nämlich bleiben alle Forderungen unversehrt, weil dies als Kaufpreis angenommen wird, nicht als Leistung auf Schuld. 11 Vgl. Lenel Paling. I 646 (Marcian 25). 12 Vgl. D 20.6.14 Lab 5 post a Iav epit (deinde mercedis nomine fideiussorem a colono accepisti. satisfactum tibi videri existimo et ideo illata pignori esse desisse). Zur Bedeutung von satisfacere im Pfandrecht Kaser TR 47 (1979) 201 ff. (= Pfandrecht 65 ff.).

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der Gläubiger noch nicht befriedigt ist. Im Gegenfall besteht das Pfandrecht trotz Befriedigung fort: Der Gläubiger hat das Forderungsrecht an einen Dritten verkauft und dafür die geschuldete13 Summe erhalten. Hier bleibt eine Verurteilung aus der actio Serviana möglich (aliud est), weil die Zahlung des Dritten nicht solutionis nomine, sondern pretii loco erfolgt und darum weder die gesicherte Forderung noch die Pfandhaftung berührt (manent omnes obligationes integrae). Die Begründung zeigt, welchem Zweck die von den Parteien gewählte Konstruktion des Klagenkaufs dient: Zahlt der Dritte auf die gesicherte Forderung, dann erlischt mit dieser auch das Pfandrecht, und er ist auf eine persönliche Regreßklage gegen den Schuldner verwiesen. Um diese unerwünschten Folgen des Solutionsmodells zu vermeiden, ,kauft‘ er die Forderung zum Nominalwert. Seine Zahlung wird dann, obwohl sie zur Befriedigung des Gläubigers bestimmt ist, als Kaufpreis deklariert und dadurch gewissermaßen an der formula Serviana vorbeigeleitet. Obwohl Marcian diese künstlich erzeugten Folgen genau beschreibt, zieht er die Wirksamkeit der ,Kaufabrede‘ nicht in Zweifel. Der mit dem Gläubiger vereinbarte Zessionsregreß scheint also bei der Drittleistung ebenso anerkannt zu sein wie bei der solutio eines Bürgen und eines Gesamtschuldners. Wenn der Gläubiger einverstanden ist, kann der Dritte also statt des Solutions- auch ein Zessionsmodell wählen. Für den Gläubiger macht dies kaum14 einen Unterschied. Denn er wird in beiden Fällen befriedigt. Auch für den Schuldner ist das wirtschaftliche Ergebnis regelmäßig dasselbe: Wird keine Zession vereinbart, dann kann der Dritte im Normalfall mit der actio negotiorum gestorum contraria Rückgriff nehmen.15 Ein Unterschied besteht nur dann, wenn diese Klage ausnahmsweise nicht statthaft ist und der Regreß durch die Zessionsvereinbarung überhaupt erst ermöglicht wird.16 Für den Dritten ist die 13 Marcian spricht zwar nur von pecuniam, er kommentiert aber eine Klausel der actio Serviana, in der dieses Wort die geschuldete Summe bezeichnet. Außerdem geht er am Ende des Fragments davon aus, daß das Pfandrecht erloschen wäre, wenn der Gläubiger das Geld solutionis nomine erhalten hätte, und dies setzt voraus, daß der gezahlte mit dem geschuldeten Betrag übereinstimmt. 14 Unterschiede ergeben sich für ihn nur im Fall einer Nichtschuld: Bei der Drittleistung ist er hier nur der condictio indebiti ausgesetzt (vgl. etwa D 12.6.47 Cels 6 dig, D 15.3.3.1 Ulp 29 ad ed und C 4.5.6 Diocl/Max), bei einem Klagenkauf haftet er dagegen auf das Interesse (vgl. etwa D 18.4.5 Paul 33 ad ed und D 21.2.74.3 Herm 2 iur ep). Die kaufvertragliche Haftung ist allerdings nicht speziell für eine nur zu Regreßzwecken vereinbarte Zession belegt. Diese wird zwar als Klagenkauf konstruiert, da sie wirtschaftlich anderen Zwecken dient, ist es aber gut vorstellbar, daß sich die Haftung des Zedenten hier ausnahmsweise auf den gezahlten Betrag beschränkt. 15 Dazu u. § 11 I. 16 Dazu u. § 8 II und § 11 II bis IV. Hier ist vor allem der Fall des debitor invitus (§ 11 III) von Bedeutung: Wie sich unter anderem aus C 2.18.24 Iust ergibt, ist die actio negotiorum gestorum contraria nach verbreiteter, wenn auch nicht unbestrittener Ansicht ausgeschlossen, wenn der Dritte gegen den ausdrücklichen Widerspruch des Schuldners leistet. Einen Klagenkauf kann der Schuldner dagegen nicht verbieten; vgl.

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Zession aber auch dann von Vorteil, wenn die Forderung des Gläubigers durch ein Pfandrecht gesichert ist. Denn hier kann der – auch sonst bestehende – persönliche Regreßanspruch durch die Überleitung der dinglichen Sicherheit verstärkt werden. In beiden Fällen hat der Dritte also ein besonderes Interesse an der Zession. Wie D 3.5.31 pr. und D 20.6.5.2 zeigen, trägt die spätklassische Jurisprudenz diesem Bedürfnis – jedenfalls im zweiten Fall – Rechnung, indem sie eine entsprechende Parteivereinbarung als Klagenkauf anerkennt. Der vereinbarte Zessionsregreß wird also durch denselben Kunstgriff ermöglicht wie bei der Bürgschaft und der Gesamtschuld. Damit ist dem Dritten aber dann noch nicht geholfen, wenn er es versäumt hat oder wegen der Weigerung des Gläubigers gar nicht in der Lage ist, dessen Klagen zu ,kaufen‘. In diesen Fällen könnte ihm der Zessionsregreß nur durch ein beneficium cedendarum actionum und nach erfolgter Zahlung nur noch mit Hilfe einer actio utilis oder durch die von Paulus entwickelte Fiktion eines Klagenkaufs ermöglicht werden. II. C 8.42.5 Gord (238) Anders als der Bürge kann ein Dritter den Gläubiger nicht zur Klagenzession zwingen. Dies zeigt ein Reskript, das schon im Gemeinen Recht17 als Argument dafür herangezogen wird, daß dem Dritten kein beneficium cedendarum actionum zustehe. C 8.42.5 Imp. Gordianus A. Celso (238) Nulla tibi adversus creditorem alienum actio superest eo, quod debitam ei quantitatem offerens ius obligationis in te transferre desideras, cum ab eo te nomen comparasse non suggeras, licet solutione ab alio facta nomine debitoris evanescere soleat obligatio.18

Celsus hat dem creditor alienus die Zahlung des geschuldeten Betrags angeboten und von ihm verlangt, er solle im Gegenzug die Forderung gegen den Schuldner auf ihn übertragen. Seine Anfrage, ob er dies mit einer Klage erzwingen könne, bescheidet Gordian abschlägig. Zur Begründung verweist er darauf, daß Celsus nicht behauptet, die Forderung gekauft zu haben, obwohl die solutio nur C 4.39.3 = C 8.41.1 Alex (nominis venditio et ignorante vel invito eo, adversus quem actiones mandantur, contrahi solet). Daß dies auch für den als Klagenkauf konstruierten Zessionsregreß gilt, ist zwar nicht unmittelbar belegt, aber immerhin wahrscheinlich. Im Fall der verbotenen Drittleistung scheint das Zessionsmodell den Rückgriff des Dritten also überhaupt erst zu ermöglichen; vgl. zum Gemeinen Recht Oertmann 496 mwN. 17 Vgl. etwa Brissonius De solutionibus et liberationibus libri tres (Opera minora, ed. Trekell 1744) 116 sowie zuletzt Oertmann 440 f. und Hertz 45 f. 18 Übersetzung: Dir verbleibt keine Klage gegen einen fremden Gläubiger daraus, daß du ihm den geschuldeten Betrag anbietest und verlangst, daß das Forderungsrecht auf dich übertragen werde, weil du nicht hinzufügst, daß du von ihm den Anspruch gekauft hast, obwohl die Obligation durch die von einem Dritten im Namen des Schuldners vollzogene Leistung gewöhnlich erlischt.

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eines Dritten im allgemeinen zum Erlöschen der Forderung führt. Diese Argumentation ist nicht unlogisch.19 Denn nach seiner syntaktischen Stellung und wegen des Fehlens einer beiordnenden Konjunktion kann sich der abschließende Konzessivsatz nicht nur auf den Hauptsatz beziehen, sondern zumindest ebensogut auf den unmittelbar voranstehenden cum-Satz. Gordian sagt dann nicht, daß Celsus keinen Zessionsanspruch hat, obwohl seine Leistung die abzutretende Klage vernichten würde (dies wäre in der Tat widersprüchlich); er weist vielmehr auf die Unschlüssigkeit der Anfrage hin: Nach den vorgetragenen Tatsachen besteht der begehrte Zessionsanspruch nicht. Denn Celsus hat keinen Klagenkauf behauptet, obwohl eine Drittleistung, auf die sein Zahlungsangebot demnach nur gerichtet sein kann, obligationstilgende Wirkung hätte. So verstanden ist der konzessive Schlußsatz durchaus sinnvoll. Er erklärt, warum Celsus den Abschluß eines Klagenkaufs hätte vortragen müssen: Ohne eine solche Vereinbarung fehlt dem Zessionsanspruch nicht nur die Grundlage, er ist auch sinnlos. Denn mit dem Vollzug der angebotenen Zahlung würde die Zession gegenstandslos. Dies entspricht den dogmatischen Bedenken, die beim beneficium cedendarum actionum des Bürgen durch die Konstruktion eines erzwungenen oder fingierten Klagenkaufs überwunden werden. Auch Gordian benutzt die Figur des Klagenkaufs, aber anstatt mit ihrer Hilfe die obligationstilgende Wirkung der Drittleistung zu vermeiden und so den Zessionsregreß zu ermöglichen, weist er darauf hin, daß die angebotene Zahlung eine Zession unmöglich machen würde, weil ihr keine venditio actionis vorausgegangen ist. Solutio und Klagenkauf erscheinen hier als klar unterschiedene alternative Modelle: Wenn der Dritte den Gläubiger nicht zum Abschluß einer Zessionsvereinbarung bewegen kann, hat er nur die Möglichkeit, mit befreiender Wirkung für den Schuldner zu leisten, und dies schließt einen Zessionsregreß aus. Gordians Reskript zeigt damit nicht nur, daß der Dritte grundsätzlich keinen Zessionsanspruch hat und darum auf die Mitwirkung des Gläubigers angewiesen ist20, es läßt auch den Grund dafür erkennen: Gordian betont die Alternativität von Drittleistung und Klagenkauf. Er lehnt damit die beim beneficium cedendarum actionum erforderliche Verquickung der beiden Figuren ab und hält statt dessen am Solutionsmodell fest. Seine Lösung beruht ersichtlich nicht auf dem Fehlen einer konstruktiven Alternative und muß darum als bewußte Entscheidung gegen einen vom Parteiwillen unabhängigen Zessionsregreß des Dritten verstanden werden.21 Ein von der Mitwirkung des Gläubigers 19

So aber Solazzi estinz. 44 A. 1. Vgl. dazu Solazzi estinz. 52 f. und die o. A. 17 nachgewiesene gemeinrechtliche Literatur. 21 Eine andere, auf den ersten Blick naheliegende Erklärung scheidet nach dem Wortlaut des Reskripts aus: Gordian erinnert mit keinem Wort daran, daß das beneficium cedendarum actionum des Bürgen und des Gesamtschuldners regelmäßig im Wege der Retention durchgesetzt werden kann, während der selbst nicht haftende 20

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unabhängiges Zessionsmodell, wie es spätestens seit Julian bekannt und in zahlreichen anderen Fällen anerkannt ist, wird bei der Drittleistung also offenbar noch ein Jahrhundert später, am Ende der klassischen Epoche, als unangemessen empfunden. III. Die übrigen Quellen 1. Daß noch das spätklassische Recht am Solutionsmodell festhält und die für den Dritten günstigere Alternative einer Zessionslösung ablehnt, bestätigen mehrere Entscheidungen zu den Folgen einer bereits erbrachten Drittleistung. Denn auch hier werden die Nachteile, die dem Dritten aus den allgemeinen Regeln der solutio entstehen, durch den Vergleich mit einem zu Regreßzwecken vereinbarten ,Klagenkauf‘ deutlich gemacht. Die erste Quelle ist D 20.6.1 pr. Pap 11 resp Debitoris absentis amicus negotia gessit et pignora citra emptionem pecunia sua liberavit: ius pristinum domino restitutum videtur. igitur qui negotium gessit, utilem Servianam dari sibi non recte desiderabit: si tamen possideat, exceptione doli defenditur.22

Ein Freund hat als negotiorum gestor des abwesenden Pfandschuldners mehrere Pfänder abgelöst, und zwar pecunia sua und citra emptionem. Er hat also als Dritter auf die pfandgesicherte Forderung gezahlt23, ohne zuvor mit dem Dritte dazu einer eigenen Klage bedürfte. Dieses Hindernis wäre auch nicht unüberwindlich. Denn die Fiktion eines Klagenkaufs, die Paulus bei der solutio des Mitbürgen verwendet (s. o. § 6 bei A. 21 ff.), wäre auch bei der Drittleistung möglich, und mit der actio tutelae utilis des contutor (s. o. § 6 bei A. 27) ist gerade für das Kaiserrecht eine Form des Zessionsregresses belegt, bei der auf eine Klage gegen den Gläubiger ganz verzichtet werden könnte. 22 Übersetzung: Ein Freund des abwesenden Schuldners hat dessen Geschäfte geführt und Pfänder ohne Kaufvertrag mit eigenem Geld ausgelöst: Es wird so angesehen, als sei dem Eigentümer die frühere Rechtstellung zurückgewährt worden. Also wird derjenige, der das Geschäft geführt hat, nicht zu Recht verlangen, daß ihm eine analoge Pfandklage gewährt werde. Doch wenn er besitzt, wird er mit der Arglisteinrede verteidigt. 23 Wie die Exegese von D 20.6.5.2 Marci l s ad form hyp (s. o. nach A. 10) gezeigt hat, leistet ein Dritter, der den geschuldeten Betrag an den Pfandgläubiger zahlt, entweder aufgrund einer als Klagenkauf konstruierten Zessionsvereinbarung (pretii loco) oder auf die gesicherte Forderung (solutionis nomine). Eine besondere Form der Leistung ,auf das Pfandrecht‘ ist dagegen in der formula Serviana nicht vorgesehen und darum auch nirgends belegt. Mit pignora citra emptionem pecunia sua liberavit kann demnach nur eine Drittleistung auf die gesicherte Forderung gemeint sein. Denn die Alternative eines Klagenkaufs ist ausdrücklich ausgeschlossen, und eine bloße satisfactio, die ebenso wie die solutio zum Erlöschen des Pfandrechts führen würde, kommt schon wegen pecunia sua nicht in Betracht: In der formula Serviana bezeichnet satisfacere im Unterschied zu solvere gerade nicht die Zahlung, sondern alle anderen Formen der ,Abfindung‘, mit denen sich der Gläubiger zufriedengibt; vgl. Kaser (o. A. 12) 201 ff. (65 ff.) mwN. Zudem wird man davon ausgehen können, daß sich die Ablösung des Pfandrechts durch einen Dritten regelmäßig im Wege der solutio

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Gläubiger einen ,Klagenkauf‘24 zu vereinbaren. Papinian behandelt die Frage, ob der negotiorum gestor die abgelösten Pfänder zur Sicherung des Rückgriffs verwenden kann. Nach seiner Entscheidung kann er ihrer Vindikation25 zwar solange eine exceptio doli entgegensetzen, bis ihm seine Aufwendungen ersetzt worden sind.26 Dieses Retentionsrecht sichert den Regreß aber nur, wenn er die Pfandsachen besitzt (si tamen possideat). Andernfalls ist er auf die persönliche Klage aus negotiorum gestio27 beschränkt. Eine dingliche Pfandklage, mit der er die pignora liberata vom Schuldner oder von einem Dritten herausverlangen könnte, steht ihm deshalb nicht zu, weil durch die Befreiung der Pfandsachen das frühere, lastenfreie Recht des Eigentümers wiederhergestellt wird (ius pristinum domino restitutum videtur). Diese dogmatische Begründung beschreibt die – auch in D 20.6.5.2 Marci l s ad form hyp28 vorausgesetzten – pfandrechtlichen Folgen einer Drittleistung: Die Kondemnation aus der actio Serviana scheitert an der Klausel ,eamque pecuniam neque solutam‘, und damit fällt die vollzieht. Denn dies wird in den Quellen mehrfach ausdrücklich gesagt; vgl. vor allem D 6.1.65 pr. Pap 2 resp (pecuniam creditori eius solutam, qui pignori datum praedium habuit), D 12.6.36 Paul 5 epit Alf dig (si pecunia eius nomine, a quo pignus acceperat, a servo ei soluta esset), D 22.1.37 Ulp 10 ad ed (creditorem tuum absolvam, quia aut in possessionem mittendus erat bonorum tuorum aut pignora venditurus), D 32.33.2 Scaev 15 dig (cum Seius pro uxore centum aureos creditori solverit et ornamentum pignori positum luerit) und C 2.18.3 Sev/Ant (sive pignoris liberandi gratia debitum universum solvere coactus es), aber auch die u. § 8 A. 63 zitierten Quellen zum ius offerendi et succedendi des Zweitpfandgläubigers. Für die satisfactio durch einen Dritten gibt es dagegen keinen Beleg (zu si satisfecisset in D 24.1.32.5 Ulp 33 ad Sab u. § 8 A. 24). 24 Bürge 136 bezieht citra emptionem auf einen Kauf der Pfänder mit der – etwa in D 13.7.13 pr. Ulp 38 überlieferten – Abrede ut, si solverit debitor pecuniam pretii emptori, liceret ei recipere rem suam. Papinian erwähnt eine solche Vereinbarung jedoch nicht. Daher ist mit Wacke Fs. Kaser (1976) 529 A. 152 davon auszugehen, daß er den aus D 20.6.5.2 Marci l s ad form hyp und D 3.5.31 pr. Pap 3 resp bekannten ,Kauf‘ der pfandgesicherten Forderung im Auge hat. 25 Vgl. Bürge 136 A. 5 gegen Marrone Iura 6 (1955) 177, der die exceptio doli auf die actio negotiorum gestorum contraria bezieht und darum verdächtigt. 26 Ebenso D 6.1.65 pr. Pap 2 resp, D 13.7.28 pr. Iul 11 dig und D 20.6.2 Gai 9 ad ed prov zum Retentionsrecht des Pfandbesitzers. 27 Papinian erwähnt die actio negotiorum gestorum zwar nur indirekt (amicus negotia gessit, qui negotium gessit). Daraus folgt aber nicht, daß sie unstatthaft wäre; vgl. Nardi 382 gegen Bossowski Die Abgrenzung des mandatum und der negotiorum gestio im klassischen und justinianischen Recht (1937) 78 f. Vielmehr gehört die Zahlung fremder Schulden durch einen Freund des abwesenden Schuldners zum Kernbereich der negotiorum gestio (vgl. vorerst nur Seiler 39 mit Hinweis auf D 20.6.1 pr. in A. 3; näher dazu u. § 11 I), und nach D 22.1.37 Ulp 10 ad ed (dazu u. § 11 A. 35) gilt dies auch und gerade für Pfandschulden. Papinian kann sich daher, ohne Mißverständnisse befürchten zu müssen, auf die Frage konzentrieren, ob dem negotiorum gestor außerdem ein Recht an den Pfandsachen zusteht. Diese Beschränkung erklärt sich entweder aus der – nicht überlieferten – qaestio oder aus Papinians Darstellungsabsicht. Denn nach Lenel Paling. I 930 stammt D 20.6.1 (Papinian 657) aus einem Abschnitt der libri responsorum, der ausschließlich der actio Serviana gewidmet ist. 28 S. o. bei A. 10 ff.

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Beschränkung des Eigentums durch das Pfandrecht weg. Die Schlußfolgerung (igitur), daß dem Dritten auch keine actio Serviana utilis mehr gewährt werden kann, bezieht sich dagegen auf das citra emptionem des Eingangssatzes: Die Musterformel der actio Serviana setzt voraus, daß der Kläger selbst an der Pfandvereinbarung beteiligt war.29 Für den Käufer der gesicherten Forderung trifft dies nicht zu. Er kann daher nur als procurator in rem suam mit der Pfandklage des Verkäufers (oder wenn diese nicht besonders zediert worden ist, mit einer auf seine Person umgestellten actio Serviana utilis) gegen den Pfandbesitzer vorgehen.30 Um eine solche eigene Klage geht es in Papinians Entscheidung.31 Sie wird dem negotiorum gestor deshalb versagt, weil seine solutio nicht nur – wie ein Klagenkauf – zum Wechsel der Aktivlegitimation führt, sondern zum Erlöschen des Pfandrechts. Ebenso wie Gordian in C 8.42.5 entscheidet auch Papinian einen Fall der Drittleistung in ausdrücklicher Abgrenzung zum Klagenkauf. Er betont zunächst, daß der Dritte keinen ,Kaufvertrag‘ mit dem Gläubiger geschlossen hat und lehnt dann die in diesem Fall übliche Gewährung einer dinglichen Pfandklage ab, weil das Pfandrecht durch die solutio des Dritten erloschen ist. Damit arbeitet er nicht nur die dogmatischen Unterschiede klar heraus, er lehnt es auch ab, die Drittleistung wie einen Klagenkauf zu behandeln. Papinians Responsum ist damit ein weiteres Beispiel dafür, daß der Dritte zwar selbst für einen Zessionsregreß sorgen kann, daß ihm die Rechtsordnung dies aber nicht abnimmt. Sie hält vielmehr am Solutionsmodell fest und lehnt eine nachträgliche Korrektur zugunsten des Dritten ab. In D 20.6.1 pr. ist dies deshalb beson29 Vgl. D 22.3.23 Marci l s ad form hyp: Ante omnia probandum est, quod inter agentem et debitorem convenit, ut pignori hypothecaeve sit. Mit Lenel EP 494 ist daher anzunehmen, daß die intentio der actio Serviana wie folgt beginnt: ,si paret inter Am Am et L. Titium convenisse, ut ea res q. d. a. Ao Ao pignori esset‘. 30 So ausdrücklich C 4.39.8 Diocl/Max: Ex nominis emptione dominium rerum obligatarum ad emptorem non transit, sed vel in rem suam procuratori facto vel utilis secundum ea, quae pridem constituta sunt, exemplo creditoris persecutio tribuitur. Wegen dominium rerum obligatarum dürfte diese Konstitution zwar zur fiducia gehören, vgl. etwa Wesener SZ 75 (1958) 239 mwN. Es ist aber unwahrscheinlich, daß für die actio Serviana etwas anderes gilt. Vielmehr ist es gut denkbar, daß sich secundum ea, quae pridem constituta sunt gerade auf eine entsprechende kaiserrechtliche Regelung zum Pfandrecht bezieht, die Papinian in fr. 1 pr. bereits voraussetzt. 31 Ebenso Wacke (o. A. 24) 522 A. 104; ähnlich Kreller SZ 64 (1944) 311 f., der allerdings an der Echtheit von citra emptionem zweifelt, und ihm folgend Kaser SDHI 45 (1979) 22 (= Pfandrecht 148) A. 71; anders d’Ors Iura 20 (1969) 103 und Valiño 74 f., die die actio Serviana utilis in fr. 1 pr., ohne auf das Problem der Aktivlegitimation einzugehen, mit der allgemeinen ,quasi Serviana‘ identifizieren. In einem spätklassischen Text ist eine solche Gleichsetzung jedoch nicht mehr zu erwarten. Denn seit sich die erweiterte Pfandklage gegen die alte Verpächterformel durchgesetzt hat, wird die Bezeichnung actio Serviana utilis gerade auch von Papinian für besondere Abwandlungen der neuen Regelklage verwendet; vgl. etwa D 20.1.1.2 Pap 11 resp, D 20.1.10 Ulp 73 ad ed, D 20.1.13.2 Marci l s ad form hyp und dazu Kaser 22 ff. (148 ff.).

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ders augenfällig, weil eine actio Serviana utilis rechtstechnisch – durch eine entsprechende Anpassung der ohnehin schon veränderten Klagformel – auch ohne vorhergehende Zessionsvereinbarung gewährt werden könnte. Ihre Versagung kann daher nur als Ausdruck einer wertenden Entscheidung verstanden werden, und wenn Papinian sie mit den pfandrechtlichen Wirkungen der solutio begründet, so bedeutet dies zugleich, daß er das Solutionsmodell für angemessener hält als einen Zessionsregreß mit Übergang des Pfandrechts. 2. Welche wirtschaftlichen Folgen dies für den Dritten haben kann, zeigt ein Reskript Caracallas, das von Wagner32 gründlich untersucht worden ist und darum nur kurz erwähnt werden muß: C 7.73.3 Imp. Antoninus A. Iulianae (213) Si, cum pecuniam pro marito solveres, neque ius fisci in te transferri impetrasti neque pignoris causa domum vel aliud quid ab eo accepisti, habes personalem actionem nec potes praeferri fisci rationibus, a quo dicis vectigal denuo locatum esse, cum eo pacto universa, quae habet habuitve eo tempore, quo ad conductionem accessit, pignoris iure fisco teneantur. salva igitur indemnitate fisci debitorem tuum pro pecunia, quam pro eo fisco solvisti, more solito convenire non prohiberis.33

Juliana hat als Dritte auf eine pfandgesicherte, wahrscheinlich aus Steuerpacht herrührende34 Fiskalschuld ihres Ehemanns gezahlt, ohne sich im Gegenzug die Rechte des Fiskus ,abtreten‘ zu lassen oder ihren Regreßanspruch durch neubestellte Pfandrechte zu sichern. Ihr Ehemann hat daraufhin erneut eine Steuer gepachtet und dem Fiskus sein gesamtes gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen verpfändet. Wegen dieser Generalhypothek geht die später begründete Pachtzinsforderung des Fiskus der bloß persönlichen Regreßklage aus negotiorum gestio vor. Nach Caracallas Entscheidung kann Juliana ihren Rück-

32 Legalhypotheken 158 ff.; vgl. außerdem Weiß Pfandrechtliche Untersuchungen I (1909) 108, Bolla Die Entwicklung des Fiskus zum Privatrechtssubjekt mit Beiträgen zur Lehre von aerarium (1938) 83, Wieacker Fs. Koschaker I (1939) 248, Klingenberg Sodalitas IV (1984) 1710 und Wieling SZ 106 (1989) 432. 33 Übersetzung: Wenn du, als du Geld für deinen Ehemann zahltest, weder erreicht hast, daß das Recht des Fiskus auf dich übertragen wurde, noch ein Haus oder etwas anderes pfandweise von ihm erhalten hast, dann hast du eine persönliche Klage und kannst den Ansprüchen des Fiskus nicht vorgezogen werden, von dem, wie du sagst, erneut ein Zoll gepachtet worden ist, weil durch diesen Vertrag die Gesamtheit dessen, was er hat oder zur Zeit hatte, als er die Pacht übernahm, nach pfandrechtlichen Grundsätzen dem Fiskus haftet. Wenn also die Schadloshaltung des Fiskus gewährleistet ist, bist du nicht gehindert, deinen Schuldner für das Geld, das du für ihn an den Fiskus gezahlt hast, auf die gewöhnliche Weise in Anspruch zu nehmen. 34 Der Text sagt zwar nicht ausdrücklich, daß auch die ältere Forderung des Fiskus aus einer Steuerpacht stammte und durch Generalpfand gesichert war, wegen vectigal denuo locatum ist dies aber wahrscheinlich. Daß dem Fiskus jedenfalls ein Pfandrecht zustand, ergibt sich aus neque ius fisci in te transferri impetrasti neque pignoris causa domum vel aliud quid ab eo accepisti. Denn danach hätte durch Übertragung des ius fisci die gleiche Wirkung erreicht werden können wie durch die Bestellung neuer Pfänder.

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2. Kap.: Drittleistung und Klagenkauf

griffsanspruch darum nur durchsetzen, wenn die Indemnität des Fiskus – gemeint ist wohl: durch anderweitige Sicherheitsleistung35 – gewährleistet ist. Die Realisierung ihres vermutlich nicht ganz unbeträchtlichen36 Anspruchs hängt somit nicht nur davon ab, ob ihr Ehemann derzeit zahlungskräftig ist. Selbst wenn dies der Fall ist, trägt sie auch noch das wirtschaftliche Risiko der zweiten Steuerpacht. Dennoch zieht Caracalla eine Korrektur dieses aus den allgemeinen Grundsätzen entwickelten Ergebnisses nicht in Betracht. Ebenso wie Gordian in C 8.42.5 und Papinian in D 20.6.1 pr. weist er vielmehr darauf hin, daß es durch den Abschluß einer Zessionsvereinbarung hätte vermieden werden können37 (neque ius fisci in te transferri impetrasti 38). Nachdem Juliana dies versäumt hat, wird sie an den – möglicherweise weitreichenden – Konsequenzen ihrer solutio festgehalten. Daß hinter dieser dogmatisch konsequenten Entscheidung des Kaisers fiskalische Motive stehen, ist zwar nicht auszuschließen, ihre rein konstruktive Begründung spricht aber eher dagegen, und wie andere Quellen39 zeigen, kann der Fiskus – im Fall der Gesamtschuld – ebenso Adressat eines beneficium cedendarum actionum sein wie ein Privatgläubiger. Daß Caracalla in einem Fall der Drittleistung anders entscheidet, dürfte daher zumindest auch auf den allgemeinen Vorbehalt gegen einen automatischen Zessionsregreß des Dritten zurückzuführen sein, der schon bei Gordian und Papinian zu beobachten war. 3. Besonders deutlich ist die Unterscheidung zwischen solutio und Klagenkauf in C 5.58.1 Impp. Severus et Antoninus AA. Stratoni (201) Si pro iudicato contutore pecuniam solvisti, nullum iudicium tibi contra pupillum competit, ut delegetur tibi adversus liberatum actio. quod si nomen emisti, in rem suam procurator datus heredes eius iudicati poteris convenire.40

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Vgl. Wagner Legalhypotheken 165. Darauf deutet zum einen neque pignoris causa domum . . . ab eo accepisti. Zum anderen stammt die von Juliana bezahlte Fiskalschuld wahrscheinlich aus einer Steuerpacht (s. o. A. 34). 37 Vgl. vor allem C 7.73.7 Valer/Gallien und C 8.18.2 Ant; dazu Wagner Legalhypotheken 172 f. und 175 ff. 38 Wie Wagner Legalhypotheken 163 f. überzeugend nachweist, kann aus der Verwendung des Begriffs impetrare entgegen Wieacker (o. A. 32) nicht auf eine besondere „gnadenweise Verleihung der Protopraxie“ geschlossen werden. Vielmehr ist ius fisci in te transferri impetrasti auf eine kaufweise Zession der pfandgesicherten Forderung zu beziehen, wie sie auch von einem Privatgläubiger nur erbeten, aber nicht verlangt werden kann. Wieder anders Klingenberg (o. A. 32) 1710 und Wieling (o. A. 32) 432, die wegen competens iudex adscripsit in C 7.73.7 Valer/Gallien annehmen, der Übergang der Forderung müsse auf Antrag vom Gericht ausgesprochen werden; vgl. aber Wagner 179 f., wonach iudex competens hier (wie auch sonst; vgl. Kaser/Hackl 245 A. 28 mwN.) für einen nicht genau identifizierbaren Beamten interpoliert ist. 39 Vgl. vor allem D 50.15.5 pr. Pap 19 resp, aber auch D 49.14.45.9 Paul 5 sent; dazu Klingenberg (o. A. 32) 1705 ff. 36

§ 7 Zur Unterscheidung von Drittleistung und Klagenkauf

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Nach Beendigung der Vormundschaft ist einer von mehreren contutores dem Mündel aus der actio tutelae verurteilt worden. Die Urteilssumme wurde auch gezahlt, aber nicht von dem inzwischen verstorbenen contutor iudicatus, sondern von Strato. Auf dessen – offenbar ungenau formulierte – Anfrage geben Severus und Caracalla eine nach Sachverhaltsalternativen differenzierte Auskunft über die Möglichkeit des Zessionsregresses: Wenn Strato für den contutor iudicatus geleistet hat, kann er den Mündel nicht zur Zession der actio iudicati zwingen, und zwar – wie die in adversus liberatum versteckte Begründung zeigt – schon deshalb nicht, weil die Judikatsschuld durch seine Leistung erloschen ist. Wenn er dagegen die Forderung des Mündels gekauft hat, dann kann er als procurator in rem suam mit der actio iudicati gegen die Erben des contutor vorgehen. Den spärlichen Angaben des Reskripts läßt sich zwar nicht mit letzter Sicherheit entnehmen, ob Strato in der ersten Alternative als mitverurteilter41 oder zumindest mithaftender42 Vormund an den Mündel gezahlt hat oder als Dritter. Entgegen der in der Romanistik vorherrschenden Auffassung43 ist aber wohl von einer Drittleistung auszugehen. Mit dem bloßen contutore (statt contutore tuo44) ist dies vereinbar. Denn es besagt nur, daß der iudicatus in dem konkreten, zur Entscheidung vorgelegten Fall einer von mehreren contutores ist. Daraus folgt aber nicht, daß auch Strato zu diesen contutores gehört, und selbst wenn dies der Fall sein sollte, steht damit keineswegs fest, daß er dem Mündel als Gesamtschuldner haftet. Dies setzt nämlich weiter voraus, daß er neben dem iudicatus zur gemeinsamen Verwaltung des Mündelvermögens berufen war. Die Geschäftsführung kann aber ebensogut45 dem iudicatus allein zugewiesen oder 40 Übersetzung: Wenn du für den verurteilten Mitvormund gezahlt hast, steht dir keine Klage gegen den Mündel darauf zu, daß dir die Klage gegen den Befreiten überwiesen wird. Wenn du aber die Forderung gekauft hast, kannst du zum procurator in rem suam bestellt werden und seine Erben mit der actio iudicati belangen. 41 Davon gehen etwa Voci Iura 21 (1970) 108 f. und Provera (o. A. 5) 645 f. A. 58 aus. Für diese Annahme gibt der Text jedoch keinen Anhalt. Aus iudicato contutore folgt nicht einmal, daß Strato selbst zu den contutores gehört (dazu sogleich im Text), geschweige denn, daß auch er bereits verurteilt ist. Für Vocis Argument, er könne nur die Zession einer solchen Klage verlangen, der er selbst ausgesetzt ist, gibt es ebenfalls keinen Beleg. 42 So vor allem Seiler 182 f., 190 f. und 197 f., aber auch Medicus Fs. Kaser (1976) 403 und 405 sowie Zimmermann 135 mit A. 145. 43 Vgl. die Nachweise in A. 41 und 42. Nur Levy Konk. I 227 f. A. 5 geht davon aus, daß Strato als Dritter zahlt. Seine Begründung, Strato sei durch die Streitbefestigung im Prozeß gegen seinen contutor befreit worden und stehe dem Mündel deshalb wie ein extraneus gegenüber, ist jedoch nicht zu halten. Denn sie beruht auf der – mit D 26.7.18.1 Iul 21 dig nicht zu vereinbarenden und von Seiler 181 ff. (vgl. auch Liebs Konk. 180, 188 und 248) überzeugend widerlegten – Annahme, die Klagen gegen mehrere contutores seien auf eadem res gerichtet und stünden deshalb in Konsumptionskonkurrenz. 44 Vgl. etwa C 5.43.8 Philipp, C 5.54.1 Ant und C 5.58.2 Ant.

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2. Kap.: Drittleistung und Klagenkauf

unter beiden aufgeteilt worden sein, und dann haftet Strato dem Mündel entweder gar nicht oder nur für seinen Bereich.46 Aus contutore iudicato folgt also nicht, daß er als solidarisch haftender Mitvormund gezahlt hat, und der Rest des Textes steht dieser Annahme sogar entgegen. Denn zum einen wird die Leistung eines Gesamtschuldners, soweit ersichtlich, in keiner anderen Quelle mit der für die Drittleistung technischen47 Wendung pro alio solvere bezeichnet.48 Zum anderen läßt sich, wenn man von Stratos Mithaftung ausgeht, kaum erklären, warum ihm der Zessionsregreß versagt wird. Nach erfolgter Zahlung wäre ein beneficium cedendarum actionum zwar nur noch nach der umstrittenen Ansicht des Paulus möglich49, aber gerade der solidarisch haftende contutor wird in einem solchen Fall seit Antoninus Pius durch eine actio utilis geschützt.50 Daß Severus und Caracalla diese kaiserrechtliche Form des Zessionsregresses nicht in Betracht ziehen, läßt sich nur dann befriedigend erklären, wenn man annimmt, daß Strato als Dritter geleistet hat.51 Der Einwand, daß die in diesem Fall statthafte actio negotiorum gestorum contraria ebenfalls nicht erwähnt wird, verfängt dagegen nicht. Denn der Text geht nicht „ersichtlich davon aus, daß der Tutor nur dann überhaupt eine Klage gegen seine Kollegen hat, wenn er dem Mündel die Forderung abgekauft hat.“52 Er handelt nämlich nicht vom Rückgriff im allgemeinen, sondern ausschließlich vom Zessionsregreß. Dies wird darauf zurückzuführen sein, daß Strato seine Anfrage bereits entsprechend 45 Nach D 26.7.51 Venul 6 stip (quod plerumque fit) ist die Beschränkung des Geschäftskreises sogar der Regelfall. 46 Vgl. dazu etwa Sachers RE VII A (1948) 1551 ff. und 1575 ff., Kaser RP I 362 und 366, Seiler 176 f. sowie Voci (o. A. 41) 73 ff. und passim. 47 S. u. § 15 I. 48 Belegt ist lediglich pro alio dependere (D 50.8.2.9 und 10 Ulp 3 opin), und zwar für den Fall, daß ein Magistrat für eine Verfehlung seines collega in Anspruch genommen wird. Daher spricht pro iudicato contutore pecuniam solvisti in C 5.58.1 jedenfalls gegen Seiler 182 (vgl. auch 197): „Der Tutor erfüllte also mit der Zahlung eine eigene Verbindlichkeit. Daß diese zugleich auch eine fremde, nämlich eine solche des Kontutors war, tritt demgegenüber zurück.“ 49 S. o. § 6 bei A. 21 ff. Medicus (o. A. 42) 405 und Zimmermann 135 A. 145 führen C 5.58.1 darum auch als Beleg dafür an, daß das Kaiserrecht der Ansicht des Paulus nicht gefolgt sei. Sie übersehen dabei jedoch die gerade dort anerkannte actio utilis; dazu sogleich im Text. 50 S. o. § 6 bei A. 27. 51 Die actio utilis ist zwar nur für die Zahlung des bereits verurteilten contutor belegt, der es versäumt hat, die Zession der actio tutelae im vorhergehenden Prozeß zu erzwingen. Entgegen Seiler 190 f. bedeutet dies jedoch nicht, daß sie dann nicht gewährt würde, wenn der contutor außerhalb eines Prozesses ohne Zession gezahlt hat. Denn in einem solchen Fall besteht dasselbe Bedürfnis nach einer besonderen Regreßklage, und ein Grund, sie gerade demjenigen zu versagen, der seine Verbindlichkeiten freiwillig erfüllt, ist nicht ersichtlich. Auch Voci (o. A. 41) 108 f. vermißt die Erwähnung dieser Klage, gibt aber zu bedenken: „Di ciò che non c’è in un rescritto non è facile trovare la ragione. Che gli imperatori intendessero dire che mezzi diretti di coercizione contro il minore non ce sono, mentre vale il regime della cessione (discorso in cui era implicato un riferimento anche all’actio utilis)?“

§ 8 Das beneficium cedendarum actionum

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beschränkt hat. Der Grund ist zwar nicht genannt, aber leicht zu erschließen: Die Zession der unmittelbar vollstreckbaren actio iudicati würde es ihm ersparen, zunächst das bei der actio negotiorum gestorum contraria erforderliche Streitverfahren durchzuführen. Dieser Vorteil (der sich durch die anteilige Haftung der Miterben noch vervielfacht) ist Anlaß genug, trotz der bestehenden Rückgriffsmöglichkeit bei der kaiserlichen Kanzlei um die Gewährung eines konkurrierenden Zessionsregresses nachzusuchen. Geht man von diesem Textverständnis aus, dann ist das Reskript nicht nur in sich schlüssig und mit den Quellen zur actio utilis des solidarisch haftenden contutor vereinbar, es steht auch in einer Reihe mit C 8.42.5, D 20.6.1 pr. und C 7.73.3. Denn es stellt Drittleistung und ,Klagenkauf‘ als streng zu unterscheidende Alternativen gegenüber und macht damit deutlich, daß der Dritte den Zessionsregreß nur durch eine entsprechende Vereinbarung mit dem Gläubiger erreichen kann, weil seine Leistung andernfalls zum Erlöschen der actio cessa führt. Auch Severus und Caracalla lehnen eine Korrektur dieses Ergebnisses ab und halten damit am Solutionsmodell fest, obwohl es den Dritten erheblich schlechter stellt als die Zession der unmittelbar vollstreckbaren actio iudicati. § 8 Das beneficium cedendarum actionum bei der Drittleistung I. Die überlieferte ,Fallgruppe‘ 1. In den Digesten sind drei Entscheidungen überliefert, nach denen ein Dritter, der dem Gläubiger nicht als Bürge oder Gesamtschuldner haftet, den Zessionsregreß erzwingen kann. Wie Schulz1 in einer Zusammenschau dieser Quellen deutlich macht, ist ihnen bei aller Verschiedenheit der Sachverhalte eine bestimmte pfandrechtliche Grundkonstellation gemeinsam, die auch für die Gewährung des beneficium cedendarum actionum entscheidend sein dürfte. Daher wird hier auf eine vollständige Exegese dieser ebenso schwierigen wie umstrittenen Texte verzichtet. Statt dessen werden die drei Texte zunächst (unter 2 und 3) im Überblick behandelt, um dann (unter II) die Besonderheit dieser ,Fallgruppe‘ ermitteln zu können. 2. Das älteste Fragment stammt aus Scaevolas Responsen: D 20.4.19 Scaev 5 resp Mulier in dotem dedit marito praedium pignori obligatum et testamento maritum et liberos ex eo natos, item ex alio heredes instituit: creditor cum posset heredes con52 So aber Seiler 182, vgl. auch 197, wo er die Erwähnung der actio negotiorum gestorum contraria in sch. 2 ad Bas. 38.18.1 auf byzantinische Vorstellungen zurückführt. 1 SZ 27 (1906) 192 ff. In einem späteren Aufsatz schließt sich Schulz Gs. Seckel (1927) 117 A. 11 und 118 mit A. 4 dem von anderen Romanisten geäußerten Interpolationsverdacht gegen zwei der drei Fragmente an.

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2. Kap.: Drittleistung und Klagenkauf venire idoneos, ad fundum venit: quaero, an, si ei iustus possessor offerat, compellendus sit ius nominis cedere. respondi posse videri non iniustum postulare.2

Die Erblasserin hatte ihrem Ehemann ein verpfändetes Grundstück zur Mitgift gegeben und ihn neben den gemeinsamen Kindern und den Kindern aus einer früheren Ehe als Erben eingesetzt. Die Rechtslage unmittelbar nach dem Erbfall, von der im Text nicht die Rede ist, läßt sich aus anderen Quellen erschließen: Da die Ehe durch den Tod der Frau aufgelöst worden ist, verbleibt das Dotalgrundstück als solches endgültig im Vermögen des Ehemanns.3 Gleichzeitig werden die Schulden der Erblasserin nach einer alten, auf die XII Tafeln zurückgeführten Regel ipso iure unter den Miterben aufgeteilt.4 Schuldrechtlich ist der Ehemann dem Pfandgläubiger also nur zur Zahlung seines Anteils verpflichtet, mit seinem Grundstück haftet er aber weiterhin für den vollen Betrag und damit auch für die Anteile der Miterben. In dieser Situation klagt der Pfandgläubiger, statt gegen die zahlungsfähigen Miterben vorzugehen, mit der actio Serviana auf Herausgabe des Grundstücks.5 Der als iustus possessor belangte Ehemann6 bietet ihm an, den gesamten Forderungsbetrag7 zu zahlen, 2 Übersetzung: Eine Frau hat ihrem Ehemann ein verpfändetes Grundstück zur Mitgift gegeben und durch Testament den Ehemann und die Kinder, die sie von ihm hatte, ebenso wie die von einem anderen zu Erben eingesetzt. Obwohl der Gläubiger geeignete Erben belangen konnte, klagte er auf das Grundstück. Ich frage, ob er, wenn der rechtmäßige Besitzer ihm anbietet, gezwungen werden muß, das Forderungsrecht abzutreten. Ich habe geantwortet, man könne meinen, daß er es nicht zu Unrecht verlangt. 3 Vgl. vor allem UE 6.5, aber auch D 23.3.1 Paul 14 ad Sab und D 17.2.66 Gai 10 ad ed prov gegenüber D 17.2.65.16 Paul 32 ad ed; dazu etwa Söllner Zur Vorgeschichte und Funktion der actio re uxoriae (1969) 59 ff. Diesen dotalrechtlichen Grundsatz übersieht offenbar MacCormack TR 42 (1974) 74, der annimmt, das Grundstück gehöre zum Nachlaß und das Problem der Entscheidung sei die Frage: „Did the husband alone have sufficient title to make a valid surrender of the property to the creditor?“ 4 Vgl. nur D 10.2.2.25 Paul 12 ad Sab, C 2.3.26 Diocl/Max, C 8.31.2 Diocl/Max und dazu Kaser AHDO-RIDA 1 (1952) 532 ff. 5 Dazu ist er ohne weiteres berechtigt; vgl. etwa C 4.10.14 Diocl/Max, C 8.13.14 Diocl/Max und dazu Kaser RP I 473 mit A. 48, wo fr. 19 als Beleg dafür angeführt wird, daß ein Pfandbesitzer, der nicht zugleich Schuldner ist, dem Gläubiger schon im klassischen Recht vereinzelt die Einrede entgegensetzen könne, er möge sich zunächst an den Schuldner halten. Diese Interpretation wird zwar durch den Ausdruck heredes idoneos nahegelegt, paßt aber nicht zur Entscheidung selbst. Denn Scaevola gewährt dem Ehemann gerade kein beneficium excussionis personalis, sondern nur das beneficium cedendarum actionum. 6 Da von einer Weiterveräußerung des Grundstücks nicht die Rede ist, wird allgemein angenommen, daß mit iustus possessor der Ehemann gemeint ist. Umstritten ist allerdings, ob die Bezeichnung unklassisch ist – so vor allem Beseler SZ 43 (1922) 421 – oder ob sie von Scaevola selbst stammt und als Synonym für bonae fidei possessor zu verstehen ist – so Dernburg Das Pfandrecht nach den Grundsätzen des heutigen römischen Rechts II (1864) 365 und Rotondi III (1922) 231/233 A.1 = Bull. 30 (1921) 129/131 A. 1 – oder als Hinweis auf den berechtigten Besitz des Ehemanns – Schulz (o. A. 1) 103, Kaser EB 332 f. A. 10 und MacCormack (o. A. 3); dazu u. A. 72.

§ 8 Das beneficium cedendarum actionum

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wenn ihm im Gegenzug die Klagen gegen seine Miterben ,abgetreten‘ werden. Scaevola entscheidet, daß die Zession auf diese Weise erzwungen werden kann. Aus seinem Responsum läßt sich mit Sicherheit nur entnehmen, daß er den Zessionsregreß des Ehemanns für angemessen hält. Der Grund der Entscheidung wird nicht genannt und muß daher aus ihrem Ergebnis erschlossen werden. Daß Scaevola den Rückgriff überhaupt zuläßt, beruht auf einer rechtlichen Wertung (non iniustum): Obwohl das Grundstück bei seiner Bestellung zur Mitgift bereits verpfändet war, soll der Ehemann im Verhältnis zu den Miterben nicht allein haften. Dahinter steht offenbar die Vorstellung, daß ihm der volle Wert des Dotalgrundstücks zusteht und daß dessen anfängliche Belastung von den Erben als den persönlichen Schuldnern getragen werden soll. Die Pfandhaftung erstreckt sich also, soweit sie seine Erbquote übersteigt, auf eine nicht nur formal, sondern auch materiell fremde Schuld, und dies rechtfertigt den Regreß gegen die Miterben. Denn andernfalls hätte es „in der Hand des Pfandgläubigers gelegen auf den Ehemann eine Schuld definitiv zu wälzen, deren Tilgung allen Erben oblag.“8 Daß Scaevola den Rückgriff durch ein beneficium cedendarum actionum ermöglicht, legt aber noch einen weiteren Schluß nahe. Denn wie bereits in § 6 II dargelegt, wird dieses Mittel im allgemeinen entweder zur Überleitung dinglicher Sicherheiten verwendet oder als Ersatz für eine eigene Ausgleichsklage des Zessionars. Da in D 20.4.19 von weiteren dinglichen Sicherheiten nicht die Rede ist, liegt es nahe, daß Scaevola nur deshalb auf den Zessionszwang zurückgreift, weil der Ehemann sonst keine Möglichkeit hätte, bei seinen Miterben Rückgriff zu nehmen. Die Quellen zur Eviktionshaftung im Dotalrecht und zur actio familiae erciscundae bestätigen diese Annahme zwar nicht unmittelbar, aus ihnen ergeben sich aber immerhin erhebliche Zweifel an der Statthaftigkeit dieser besonderen Rechtsbehelfe.9 Dasselbe gilt, wie noch zu zeigen sein 7 Anders MacCormack (o. A. 3), der si . . . offerat auf ein Angebot zur Übereignung des verpfändeten Grundstücks bezieht. Im Zusammenhang mit der actio Serviana bezeichnet offerre jedoch stets das Zahlungsangebot des Beklagten; vgl. etwa D 10.2.29 Paul 23 ad ed, D 10.3.7.12 Ulp 20 ad ed und D 20.6.12.1 Paul 5 resp. Hinzu kommt die Parallele zum ius offerendi des Zweitpfandgläubigers, auf die Kaser RP I 467 A. 47 hinweist. 8 So zutreffend Dernburg (o. A. 6). 9 Die wichtigste Quelle zur Eviktionshaftung ist C 5.12.1 Sev/Ant. Nach dieser Konstitution steht dem Ehemann im Fall der Eviktion nur dann eine Klage zur Verfügung, wenn der Bestellung ein Dotalversprechen vorausgegangen ist, dessen Erfüllung er weiterhin verlangen kann (pr.), wenn die dos zum Schätzwert bestellt worden ist (§ 1: actio empti; ebenso vat. 105 Paul 7 resp und D 23.3.16 Ulp 34 ad Sab, anders dagegen D 23.3.69.7 Pap 4 resp) oder wenn dem Besteller dolus zur Last fällt (§ 2: actio de dolo; ebenso D 23.3.69.7 Pap 4 resp; vgl. auch D 24.3.49.1 = vat. 94 Paul 7 resp). Nach D 23.3.52 Marci 3 reg kann sich der Ehemann außerdem durch eine stipulatio duplae absichern. In fr. 19 ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt. Insbesondere kann man aus dem knappen mulier in dotem dedit marito praedium pignori obligatum

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2. Kap.: Drittleistung und Klagenkauf

wird10, für die actio negotiorum gestorum contraria, die im allgemeinen für den Regreß des Dritten zuständig ist. 3. Die beiden anderen Fragmente stammen aus Ulpians Kommentar zur oratio Severi 11 im 33. Buch ad Sabinum. Nach dem Senatsbeschluß, den Caracalla im Jahr 206 erwirkt hat, wird eine zivilrechtlich unwirksame Schenkung unter Ehegatten mit dem Tod des Schenkers ohne weiteres ,konfirmiert‘. Einer ausdrücklichen Bestätigung durch Fideikommiß, wie sie schon nach früherem Recht möglich, aber auch erforderlich war12, bedarf es seitdem nicht mehr. Verlangt wird nur noch, daß der Schenker die Schenkung im Zeitpunkt seines Todes nicht ,bereut‘. In seinen Erläuterungen zur paenitentia betont Ulpian13, daß der überlebende Ehegatte das Geschenk nur im Fall eines offensichtlichen Widerrufs (si appareat defunctum evidenter revocasse voluntatem) an die Erben herausgeben muß. Zur Illustration gibt er ein Beispiel, das er mehrfach abwandelt und schließlich mit einer entsprechenden Konstellation aus dem Fideikommißrecht vergleicht. Die Kompilatoren haben diesen Exkurs aus seinem Kontext gelöst und in den Titel De legatis et fideicommissis gestellt. Der palingenetische Zusammenhang ist jedoch eindeutig14, und weil er gerade die Frage des Zessionsregresses betrifft, können die beiden Fragmente hier nur gemeinsam betrachtet werden. D 24.1.32.5 Ulp 33 ad Sab Si maritus ea quae donaverit pignori dederit, utique eum paenituisse dicemus, licet dominium retinuit. quid tamen, si hoc animo fuit, ut vellet adhuc donatum? finge in possessionem precariam mulierem remansisse paratamque esse satisfacere creditori. dicendum est donationem valere: nam si ab initio ei rem obligatam hoc animo do-

nicht auf ein doloses Verhalten der Erblasserin schließen. – Die actio familiae erciscundae steht dem Miterben dann zu, wenn er eine pfandgesicherte Verbindlichkeit des Erblassers in vollem Umfang erfüllt, um zu verhindern, daß der Gläubiger das zum Nachlaß gehörende Pfand herausverlangt und verwertet; vgl. etwa D 10.2.18.7 Ulp 19 ad ed und dazu Wacke Index 3 (1972) 463 ff. In D 20.4.19 verbleibt das verpfändete Grundstück jedoch im Alleineigentum des Ehemanns (s. o. bei A. 3). Wenn dieser den vollen Schuldbetrag bezahlt, macht er also gerade keine – im Rahmen der Erbteilungsklage ersatzfähigen – Aufwendungen zur Erhaltung eines Nachlaßgegenstands. 10 S. u. II 2. 11 Dazu allgemein Giuffrè L’utilizzazione degli atti giuridici mediante ,conversione‘ in diritto romano (1965) 239 ff., Archi Don. 219 ff., Aru Le donazioni fra coniugi in diritto romano (1938) 255 ff. und Siber SZ 53 (1933) 107 ff. 12 Vgl. etwa D 32.33.1 Scaev 15 dig, aber auch D 24.1.32.1 und 3 Ulp 33 ad Sab (u. A. 29). 13 D 24.1.32.3 ff. Ulp 33 ad ed. 14 Nach Lenel Paling. II 1144 ff. handelt das 33. Buch ad Sabinum ausschließlich von der Ehegattenschenkung. D 30.57 gehört nicht zu diesem Thema, entspricht aber nach Sachverhalt, Fragestellung und Entscheidung der Thematik in D 24.1.32.5. Lenels Rekonstruktion, nach der sich fr. 57 unmittelbar an fr. 32.5 anschließt (Ulpian 2774), ist daher zu Recht von Schulz (o. A. 1) 118 und Voci DER II 866 f. bestätigt worden; anders nur Pescani Bull. 77 (1974) 291 f.

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nasset, dicerem vim habere donationem, ut parata satisfacere mulier haberet doli exceptionem: quin immo et si satisfecisset, potuisse eam per doli exceptionem consequi, ut sibi mandentur actiones.15 D 30.57 Ulp 33 ad Sab Si res obligata per fideicommissum fuerit relicta, si quidem scit eam testator obligatam, ab herede luenda est, nisi si animo alio fuerit: si nesciat, a fideicommissario (nisi si vel hanc vel aliam rem relicturus fuisset, si scisset obligatam), vel potest aliquid esse superfluum exsoluto aere alieno. quod si testator eo animo fuit, ut, quamquam liberandorum praediorum onus ad heredes suos pertinere noluerit, non tamen aperte utique de his liberandis senserit, poterit fideicommissarius per doli exceptionem a creditoribus, qui hypothecaria secum agerent, consequi, ut actiones sibi exhiberentur: quod quamquam suo tempore non fecerit, tamen per iusrisdictionem praesidis provinciae id ei praestabitur.16

Wenn der Ehemann eine Sache, die er seiner Frau geschenkt hat, anschließend seinem Gläubiger verpfändet, dann bringt er damit regelmäßig auch die Absicht zum Ausdruck, die Schenkung zu widerrufen.17 Anders als bei einer Veräußerung ist dieser Schluß jedoch nicht zwingend. Denn der Ehemann bleibt Eigentümer der verpfändeten Sache und kann darum auch an seiner Schenkungsabsicht festhalten. Welche Folgen dies hat, zeigt Ulpian an einem Beispiel: Die Ehefrau hat die geschenkte Sache nach der Verpfändung in prekarischem Besitz behalten18 und ist bereit, den Pfandgläubiger zu befriedigen. Unter diesen Umständen wird die Schenkung mit dem Tod des Ehemanns geheilt. 15 Übersetzung: Wenn der Ehemann das, was er geschenkt hat, zum Pfand gegeben hat, dann sagen wir allerdings, daß er widerrufen hat, obwohl er das Eigentum behalten hat. Doch was, wenn er die Absicht hatte, daß er das Geschenk immer noch wollte. Nehmen wir an, daß die Frau in prekarischem Besitz geblieben war und bereit ist, den Gläubiger abzufinden. Man muß sagen, daß die Schenkung wirksam ist. Denn wenn er ihr von Anfang an eine verpfändete Sache in dieser Absicht geschenkt hätte, würde ich sagen, daß die Schenkung Bestand hat, so daß die Frau, wenn sie bereit wäre abzufinden, die Arglisteinrede hätte – ja daß sie sogar auch dann, wenn sie abgefunden hätte, mit der Arglisteinrede hätte erreichen könnte, daß ihr die Klagen abgetreten werden. 16 Übersetzung: Wenn eine verpfändete Sache durch Fideikommiß hinterlassen worden ist, und zwar wenn der Testator wußte, daß sie verpfändet war, dann ist sie vom Erben auszulösen, es sei denn er hatte einen anderen Willen; wenn er es nicht wußte, dann vom Fideikommissar (es sei denn, daß er entweder diese oder eine andere Sache hätte hinterlassen wollen, wenn er gewußt hätte, daß sie verpfändet war), oder es kann irgendeinen Überschuß geben, wenn die Schuld bezahlt ist. Falls der Testator die Absicht hatte, daß er, obwohl er nicht wollte, daß die Last, die Grundstücke zu befreien, seine Erben treffe, trotzdem nicht eindeutig über deren Befreiung entschieden hat, kann der Fideikommissar durch die Arglisteinrede von den Gläubigern, die mit der actio hypothecaria gegen ihn klagen, erreichen, daß ihm die Klagen geleistet werden. Auch wenn er das nicht zu seiner Zeit getan hat, wird es ihm dennoch durch die Jurisdiktion des Provinzstatthalters gewährt werden. 17 Insoweit übereinstimmend C 5.16.12 Gord. In diesem Reskript stellt Gordian die nachträgliche Verpfändung der geschenkten Sache ihrer Veräußerung gleich, ohne allerdings – wie Ulpian – in Betracht zu ziehen, daß in einem solchen Fall auch die Fortdauer der Schenkungsabsicht vorstellbar ist.

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Ulpian begründet diese Entscheidung mit einem hypothetischen Vergleichsfall: Wenn der Ehemann die Sache zuerst verpfändet und dann verschenkt hätte, wäre die Schenkung ebenfalls wirksam. Infolgedessen könnte sich die Ehefrau, die zur Befriedigung des Pfandgläubigers bereit ist, mit der exceptio doli gegen die Eviktion der Pfandsache verteidigen. Im Schlußsatz von fr. 32.5 (quin . . . actiones) kommt Ulpian – immer noch auf der Ebene des Vergleichsfalls und darum im Irrealis – zu dem hier interessierenden Gesichtspunkt: Wenn die Ehefrau den Gläubiger befriedigt, dann kann sie mit der exceptio doli sogar eine Klagenzession erzwingen. Da den Erben des Ehemanns keine Klagen zustehen, die sie der Ehefrau ,abtreten‘ könnten, kann sich dieser Teil der Entscheidung19 nicht auf die rei vindicatio der Erben beziehen, sondern nur auf die actio Serviana20 des Pfandgläubigers. Wegen per doli exceptionem consequi läßt sich zudem ausschließen, daß die Ehefrau den Gläu18 Dieser Aspekt der Entscheidung kann hier nicht vertieft werden; vgl. dazu etwa Silva SDHI 6 (1949) 251 f., Branca St. Solazzi (1948) 503 ff., Zamorani Precario habere (1969) 265 f. sowie Kaser SZ 89 (1972) 142 und SDHI 45 (1979) 51 (= Pfandrecht 177). 19 Ob auch schon der erste Teil des Vergleichsfalls (nam . . . exceptionem) von der actio Serviana des Pfandgläubigers handelt, wie dies etwa Schulz (o. A. 1) 104 und Aru (o. A. 11) 296 (anders 342) annehmen, oder ob dieser Satz mit Nardi 239 und Tondo Lab. 5 (1959) 167 ff. auf die rei vindicatio der Erben zu beziehen ist, muß hier offen bleiben. Denn die Antwort auf diese Frage hängt entscheidend von der Wirkungsweise der oratio Severi ab: Nach einer auf Siber (o. A. 11) 107 f. zurückgehenden Lehre wird die Ehegattenschenkung mit dem Tod des Schenkers nur ope exceptionis konfirmiert, das heißt: zivilrechtlich bleibt sie weiterhin unwirksam, der Vindikation der Erben steht aber die exceptio doli entgegen. Ausgehend hiervon versteht Tondo (ebenso bereits Nardi 238 A. 1) ut parata satisfacere mulier haberet doli exceptionem als bloße Erläuterung zu dem vorausgehenden dicerem vim habere donationem: Die Schenkung der verpfändeten Sache ist wirksam, und zwar dergestalt, daß die Ehefrau den Erben ihres Mannes die exceptio doli entgegenhalten kann, wenn sie bereit ist, den Pfandgläubiger abzufinden. Nach dieser Interpretation enthält fr. 32.5 einen eindeutigen Beleg für Sibers These, wenn auch – wie Tondo 167/168 A. 15 selbst einräumt – den einzigen. Demgegenüber hält vor allem Giuffrè (o. A. 11) 258 ff. die in D 24.1.32.1 Ulp 33 ad Sab (ut et ipso iure res fiant eius cui donatae sunt) überlieferte zivilrechtliche Wirkung der oratio Severi für klassisch. Danach kann sich ut parata satisfacere mulier haberet doli exceptionem von vornherein nur auf die actio Serviana des Pfandgläubigers beziehen. Denn gegenüber den Erben ihres Mannes wäre die mulier schon nach Zivilrecht geschützt. Eine Auseinandersetzung mit Giuffrès These ist hier nicht möglich. Es kann nur darauf hingewiesen werden, daß sich fr. 32.5 auf ihrer Grundlage kaum befriedigend erklären läßt. Denn wenn die Ehefrau bereit ist, den Pfandgläubiger abzufinden, kann sie die actio Serviana zu Fall bringen, ohne daß dazu eine exceptio doli erforderlich wäre; vgl. nur D 20.1.16.3 Marci l s ad form hyp und dazu u. A. 51. Die Einrede könnte also nur die Funktion haben, den Gläubiger zur Klagenzession zu bewegen. Gerade dies wird aber im Schlußsatz als zusätzliche Vergünstigung (quin immo) dargestellt. 20 Trotz in possessionem precariam mulierem remansisse kann das interdictum de precario hier wohl nicht gemeint sein. Denn die Entscheidung des Ausgangsfalls ist mit dicendum est donationem valere beendet, und in dem hypothetischen Vergleichsfall, dem sich Ulpian danach zuwendet, ist vom precarium nicht mehr die Rede.

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biger bereits vor der Zession befriedigt hat. Denn in diesem Fall wäre sie seiner Klage nicht mehr ausgesetzt und könnte die Zession darum auch nicht mehr mit Hilfe einer Einrede erzwingen.21 Im Schlußsatz geht es also um folgende Prozeßsituation: Der Pfandgläubiger nimmt die Ehefrau mit der actio Serviana auf Herausgabe einer Sache in Anspruch, die ihr nach der Verpfändung von ihrem inzwischen verstorbenen22 Ehemann geschenkt worden war. Wie jeder verklagte Pfandbesitzer23 kann die Ehefrau einer Verurteilung dadurch entgehen, daß sie den Pfandgläubiger befriedigt. Nach Ulpian steht ihr aber noch ein weiteres Verteidigungsmittel zu Verfügung: Sie kann eine exceptio doli beantragen und mit deren Hilfe die Zahlung des geschuldeten Betrags24 solange verweigern, bis ihr die Klagen gegen die Erben des Ehemanns ,abgetreten‘ werden. Dieses beneficium cedendarum actionum hat eine über die Konfirmation der Schenkung hinausgehende Folge: Die Ehefrau ist nicht nur berechtigt, die geschenkte Sa21 Dies übersieht Schulz (o. A. 1) 104, der aus quin immo et si satisfecisset den Schluß zieht, daß „unter den Juristen Zweifel darüber bestanden, ob noch nach der Auslösung des Pfandes die Cession gültig vorgenommen werden konnte.“ Die Steigerung gegenüber der vorhergehenden Entscheidung, auf die quin immo anspielt, liegt nicht im Zeitpunkt der Zession, sondern darin, daß im Schlußsatz erstmals überhaupt von einer Zession die Rede ist. Der Konjunktiv Plusquamperfekt von satisfecisset bringt auch keine Vorzeitigkeit gegenüber potuisse zum Ausdruck. Er ist vielmehr schon wegen des irrealen dicerem geboten (vgl. Kühner/Stegmann II 193 f. und 192) und steht damit auf der gleichen Stufe wie der ebenfalls vorzeitige Infinitiv Perfekt (vgl. Kühner/Stegmann I 689). Aus diesem Grund ist per doli exceptionem consequi auch kein Interpolationsindiz; so aber Aru (o. A. 11) 341 f., gegen ihn zutreffend Nardi 239. Denn wenn die Befriedigung des Gläubigers zur gleichen Zeit erfolgt ist wie die Zession, das heißt: Zug um Zug, dann kann sie auch durch eine exceptio doli erzwungen worden sein. 22 Daß der Ehemann gestorben und nicht – oder jedenfalls nicht allein – von seiner Ehefrau beerbt worden ist, ergibt sich aus dem Zusammenhang des Textes: Die ,Konfirmation‘ der Schenkung (dicerem vim habere donationem) tritt erst mit seinem Tod ein, und eine Klagenzession wäre sinnlos, wenn die Ehefrau als Alleinerbin für die gesamte persönliche Schuld ihres Mannes haftete; ebenso Aru (o. A. 11) 296, Nardi 238 mit A. 1 und Tondo (o. A. 19) 170; anders Schulz (o. A. 1) 103 f., der ohne nähere Begründung davon ausgeht, daß die Ehefrau zu Lebzeiten des Mannes mit der actio Serviana belangt wird. 23 S. u. A. 51. 24 In seiner formeltechnischen Bedeutung bezeichnet satisfacere zwar gerade nicht die Leistung auf die Pfandschuld, sondern die Stellung eines Bürgen und alle anderen Formen der ,Abfindung‘, mit denen sich der Gläubiger zufriedengibt (s. o. § 7 A. 12 und A. 23). Im Schlußsatz von fr. 32.5 kann es aber nicht in diesem Sinn verstanden werden. Denn zum einen muß sich der Pfandgläubiger grundsätzlich nicht mit einer anderen Form der Abfindung zufriedengeben als mit der solutio (D 20.6.6.2 Ulp 73 ad ed). Zum anderen wäre es widersinnig, wenn die Ehefrau dem Gläubiger einen Bürgen stellen oder auf andere Weise Sicherheit leisten und im Gegenzug die Zession der gesicherten Klagen erzwingen könnte. Daher kann mit si satisfecisset nur die Zahlung der geschuldeten Summe gemeint sein. Die untechnische Ausdrucksweise dürfte damit zu erklären sein, daß Ulpian den bereits mehrfach verwendeten Begriff (paratamque esse satisfacere creditori . . . parata satisfacere) auch in der letzten Fallabwandlung beibehält.

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che zu behalten, im Wege des Zessionsregresses kann sie auch noch den Betrag ersetzt verlangen, den sie für die Ablösung des Pfandrechts aufwenden mußte. Die gegenüber dem Gläubiger fortbestehende Pfandhaftung soll also offenbar nicht zu einer Entlastung der Erben führen – oder anders ausgedrückt: Gegenstand der Schenkung ist nicht nur der Teil des Sachwerts, der die gesicherte Forderung übersteigt25, sondern die Sache als ganze, wenn auch belastet mit einem Pfandrecht. Ulpians Entscheidung beruht demnach auf einer ähnlichen Wertung wie Scaevolas Responsum in D 20.4.19. Die Parallele reicht aber noch weiter: Auch in fr. 32.5 sind konkurrierende Rückgriffsmöglichkeiten weder genannt noch ersichtlich. Das beneficium cedendarum actionum scheint also wiederum als Ersatz für eine eigene Regreßklage zu dienen. Wie fast der gesamte Text26 ist auch der Schlußsatz von fr. 32.5 zahlreichen Interpolationsvermutungen ausgesetzt.27 Seine Klassizität wird jedoch durch den palingenetischen Kontext bestätigt. Denn der Vergleichsfall in fr. 57 knüpft unmittelbar und ausschließlich an die Problematik des Schlußsatzes an. Mit der Ausgangsfrage, ob die nachträgliche Verpfändung der geschenkten Sache als offensichtlicher Widerruf im Sinne der oratio Severi anzusehen ist, hat er dagegen nichts mehr zu tun.28 Er bezieht sich allein auf die Schenkung einer bereits verpfändeten Sache, und hier auch nicht auf den Gesichtspunkt der Konfirmation, sondern nur auf das Folgeproblem des Auseinanderfallens von pfandrechtlicher und persönlicher Haftung: Ulpian verweist auf die Rechtslage beim Fideikommiß einer res pignori obligata, um zu begründen, daß auch der mit einer solchen Sache beschenkten Ehefrau der Zessionsregreß gegen die Erben ihres Mannes ermöglicht werden muß.29 25 So aber Tondo (o. A. 19) 170, der allerdings den gesamten Schlußsatz für interpoliert erklärt (168 A. 16). 26 Vgl. nur die ebenso ausführliche wie kritische Übersicht bei Nardi 236 ff. 27 Vgl. außer den bei Nardi 237 ff. Zitierten noch Tondo (o. A. 19) 168 A. 16 und Longo SDHI 45 (1979) 115 f. 28 Dies verdeutlicht ein Blick auf C 6.37.3 Sev/Ant, PS 3.16.6 und I 2.20.12. Denn nach diesen Quellen gilt es nicht als Widerruf eines Vermächtnisses, wenn der Erblasser den vermachten Gegenstand nach Testamentserrichtung verpfändet. Trotz dieser naheliegenden Parallele handelt Ulpian in fr. 57 nur vom Fideikommiß einer bereits verpfändeten Sache. Er bildet den Fall also gerade nicht im Hinblick auf die Ausgangsfrage. 29 Diese Analogie liegt deshalb nahe, weil eine Ehegattenschenkung schon vor der oratio Severi durch ein Fideikommiß bestätigt werden konnte (s. o. bei A. 12). Im Kontext von fr. 32.5 und fr. 57 bestimmt Ulpian die Rechtsfolgen der oratio Severi darum auch sonst häufiger nach dem Vorbild des Fideikommißrechts; vgl. nur D 24.1.32.1 (et de Falcidia ubi possit locum habere tractandum sit, quasi testamento sit confirmatum quod donatum est) und 3 (ut supremum eius spectemus iudicium, quemadmodum circa fideicommissa solemus) Ulp 33 ad Sab. Daß fr. 57 nicht vom Legat, sondern ausschließlich vom Fideikommiß handelt, läßt daher entgegen Voci DER II 867 nicht unbedingt den Schluß zu, Ulpian zitiere ein kaiserliches Reskript mit den Besonderheiten des dort entschiedenen Falls. Für diese Annahme spricht allerdings die

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Das Fragment beginnt mit einer allgemeinen Vorbemerkung zur Auslegung eines solchen Vermächtnisses (si . . . alieno). Der Einleitungssatz weist zwar deutliche Spuren einer kompilatorischen Überarbeitung auf30, die durch die Einordnung des Textes in den Digestentitel De legatis et fideicommissis veranlaßt sein dürfte, die grundsätzliche Unterscheidung si quidem scit eam testator obligatam . . . si nesciat entspricht jedoch spätklassischem Recht: Seit einem Reskript der Kaiser Severus und Caracalla ist der Erbe dem Vermächtnisnehmer nur noch dann zur Ablösung des Pfandrechts verpflichtet, wenn der Erblasser bei der Aussetzung des Vermächtnisses von der Verpfändung wußte.31 Dies entspricht der Rechtslage beim Vermächtnis einer res aliena32 und dürfte auf denselben Grundgedanken zurückzuführen sein: Der Erbe soll nicht stärker belastet werden als vom Erblasser vorhergesehen und gewollt. Weiß der Erblasser nichts von der Belastung des vermachten Gegenstands, dann will er den Erben auch nicht verpflichten, das Pfandrecht abzulösen.33 Der Vermächtnisnehmer kann daher nicht die Verschaffung lastenfreien Eigentums verlangen, sondern nur die Übereignung der res obligata. Nach der Erfüllung des Vermächtnisses ist er dann der actio Serviana des Pfandgläubigers ausgesetzt, so daß er selbst das Pfandrecht ablösen muß, wenn er die vermachte Sache behalten will. Um einen solchen Fall geht es im zweiten Teil von fr. 57 (quod si rell.): Der Erblasser hat dem Fideikommissar mehrere verpfändete Grundstücke vermacht, ohne daß er seine Erben zur Ablösung der Pfandrechte verpflichten wollte (liberandorum praediorum onus ad heredes suos pertinere noluerit 34). Nach Erfüllung des Vermächtnisses gehen die Pfandgläubiger mit der actio Serviana Erwähnung des praeses provinciae am Schluß von fr. 57, die Voci als zweites Argument anführt. 30 Hervorzuheben sind vor allem der ständige Tempuswechsel und der aus dem syntaktischen und gedanklichen Zusammenhang fallende Zusatz vel potest . . . alieno, der schon im Gemeinen Recht Anlaß zu zahlreichen textkritischen Überlegungen gegeben hat; vgl. die Übersicht von Arndts bei Glück Bd. 46 (1868) 136 ff. und aus der romanistischen Literatur etwa Ferrini Teoria generale dei legati e dei fedecommessi (1889) 285 f., Eisele SZ 11 (1890) 28, Schulz Gs. Seckel (1927) 117 f., Grosso Leg. 256 und Voci DER II 867. 31 I 2.20.5: Sed et si rem obligatam creditori aliquis legaverit, necesse habet heres luere. et hoc quoque casu idem placet, quod in re aliena, ut ita demum luere necesse habeat heres, si sciebat defunctus rem obligatam esse: et ita divi Severus et Antoninus rescripserunt. Die Beschränkung der Ablösungspflicht auf den Fall der scientia ist auch in anderen Quellen belegt; vgl. D 22.3.21 Marci 6 inst, PS 3.6.8 und für das Fideikommiß C 6.42.6 Alex. Ihre Klassizität wird daher von keinem der o. A. 30 zitierten Autoren bestritten. 32 So ausdrücklich I 2.20.5 (o. A. 31); vgl. auch D 22.3.21 Marci 6 inst, D 31.67.8 Pap 19 quaest (u. A. 33), D 31.77.8 Pap 8 resp, C 6.37.10 Alex, PS 4.1.8 und I 2.20.4. 33 Vgl. zum Legat einer res aliena D 31.67.8 Pap 19 quaest (nam succursum est heredibus, ne cogerentur redimere, quod testator suum existimans reliquit: sunt enim magis in legandis suis rebus quam in alienis comparandis et onerandis heredibus faciliores voluntates).

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gegen den Fideikommissar vor, und wie sich aus dem Kontext in fr. 32.5 (si satisfecisset) und aus fr. 57 selbst (luenda, exsoluto aere alieno) ergibt, ist dieser bereit, die Pfandschuld zu bezahlen. Er bleibt dann nicht nur im Besitz der Grundstücke, Ulpian gewährt ihm auch ein beneficium cedendarum actionum: Er kann die Pfandgläubiger mit Hilfe der exceptio doli zur Zession ihrer persönlichen Klagen zwingen, und wenn er dies versäumt (quod quamquam suo tempore non fecerit), verhilft ihm der Provinzstatthalter kraft seiner Jurisdiktionsgewalt zu einer entsprechenden Klagemöglichkeit (tamen per iusrisdictionem praesidis provinciae id ei praestabitur), das heißt: Wenn der Fideikommissar das Pfandrecht ablöst, ohne zuvor die Zession erzwungen zu haben, dann erhält er eine actio utilis35, wie sie seit Antoninus Pius auch ohne entsprechende Zessionsvereinbarung gewährt werden kann.36 Der Fideikommissar kann also in jedem Fall mit den persönlichen Klagen der Pfandgläubiger Regreß nehmen, und dies, obwohl der Erblasser seinen Erben das onus praediorum liberandorum ersparen wollte. Wie die Kommentierung von Arndts37 zeigt, läßt sich dieser scheinbare Widerspruch leicht auflösen: Die 34 Mommsen ergänzt pertinere non noluerit und verkehrt so den Text der Florentina in sein Gegenteil; ähnlich Donellus Comm. 8.19.32 und die lectio emendata des Codex Bambergensis (voluerit). Mit dem palingenetischen Kontext ist diese Konjektur kaum zu vereinbaren. Denn sie beseitigt die Entsprechung zwischen dem Sachverhalt von fr. 57 und dem Vergleichsfall in fr. 32: Die Schenkung einer verpfändeten Sache ist nur mit einem Fideikommiß zu vergleichen, aus dem der Erbe die Übereignung einer res obligata schuldet (weil der Erblasser ihn nicht mit der Ablösung des Pfandrechts belasten wollte), aber nicht mit einem solchen, das ihn nach dem Willen des Erblassers zur Verschaffung des lastenfreien Eigentums verpflichten soll. Die Konjektur ist auch nicht erforderlich. Denn wie schon Arndts (o. A. 30) 140 ff. gezeigt hat, ergibt der überlieferte Text einen guten Sinn (dazu sogleich im Text), während sich nach Mommsens Emendation die Frage stellt, warum Ulpian dem Fideikommissar ein beneficium cedendarum actionum gewährt und nicht die Klage aus dem Fideikommiß; vgl. Ferrini (o. A. 30) 287, der darum eine Interpolation annimmt. Voci DER II 868 mit A. 31 hält die Konjektur ebenfalls für entbehrlich, wenn auch aus anderen Gründen. 35 Ebenso bereits Arndts (o. A. 30) 141, aber auch Ferrini (o. A. 30) 287 und Grosso Leg. 257 mit A. 4, die allerdings von einer Interpolation ausgehen. Wegen der Erwähnung des praeses provinciae könnte man zwar auch an ein Kognitionsverfahren denken, wie es zumindest in einigen Provinzen üblich ist (vgl. Kaser/Hackl 165 ff., 439 ff. und 468 ff.). Der letzte Halbsatz wäre dann als Hinweis darauf zu verstehen, daß die Zession in diesem Verfahren auch ohne exceptio doli erzwungen werden kann. Dagegen spricht jedoch zum einen, daß hier gerade nicht von der cognitio, sondern von der iurisdictio des Provinzstatthalters die Rede ist und damit von seiner Befugnis, Klagen zu gewähren (vgl. nur Kaser/Hackl 184 f.). Zum anderen gehört per doli exceptionem . . . consequi . . . quod quamquam suo tempore non fecerit eindeutig zum Formularverfahren (der Fideikommissar hat es versäumt, in iure eine exceptio zu beantragen), und mit tamen rell. weist Ulpian auf einen ergänzenden Schutz innerhalb derselben Verfahrensart hin. Die Erwähnung des praeses provinciae ist daher nicht als Anspielung auf den Kognitionsprozeß zu erklären, sondern mit Voci DER II 867 als zufällige Besonderheit des historischen Sachverhalts. 36 S. o. § 6 bei A. 27.

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vom Erblasser beabsichtigte Entlastung der Erben beschränkt zwar den Umfang des Fideikommisses, sie soll aber nicht dazu führen, daß die persönlichen Schuldner auf Kosten des Fideikommissars befreit werden. Dieser hat daher keinen Anspruch auf Ablösung der Pfandrechte, er muß sich aber, wenn er von den Pfandgläubigern belangt wird, bei den Schuldnern schadlos halten können. Weil das Fideikommiß mit der Übereignung der praedia obligata bereits erfüllt ist, kommt es als Grundlage für eine Regreßklage nicht mehr in Betracht, und aus diesem Grund38 läßt Ulpian den Zessionsregreß zu. Die Privilegierung der Erben wird durch diese Lösung nicht entwertet. Sie kommt vielmehr dann zum Tragen, wenn das Fideikommiß vor Pfandreife zu erfüllen ist oder wenn das Pfandrecht die Schuld eines Dritten sichert. Der Zessionsregreß verhindert lediglich die endgültige Entlastung der persönlichen Schuldner, seien dies nun Dritte oder auch die Erben selbst. Er beschränkt damit die seit Severus und Caracalla übliche erbenfreundliche Auslegung auf ein sachgerechtes Maß: Selbst wenn der Erbe nach dem erklärten oder vermuteten Willen des Erblassers vom onus pignorum liberandorum freigestellt sein soll, ist das Fideikommiß einer verpfändeten Sache im Zweifel nicht mit der Verpflichtung beschwert, den Pfandschuldner zu befreien. Dazu bedürfte es vielmehr einer ausdrücklichen Verfügung des Erblassers.39 Nach Arndts’ überzeugender Interpretation ist die in D 30.57 überlieferte Entscheidung nicht nur in sich schlüssig und widerspruchsfrei, sie stimmt auch mit dem Vergleichsfall in D 24.1.32.5 überein: Das Problem des Auseinander37 (O. A. 30) 140 ff.; ähnlich Grosso Leg. 256 f. mit A. 4, der allerdings von einer Interpolation ausgeht. Im übrigen hat sich die Romanistik nicht mit Arndts Interpretation auseinandergesetzt. 38 Anders Voci DER II 868 mit A. 33 (dazu u. A. 39). 39 Auf eine solche Verfügung bezieht sich wohl non tamen aperte utique de his liberandis senserit; vgl. Arndts (o. A. 30) 141 mit A. 73; anders Voci DER II 869, der in diesem Halbsatz eine „correspondenza . . . esplicita“ zu I 2.20.5 (si tamen defunctus voluit legatarium luere et hoc expressit, non debet heres eam luere) und dem dort überlieferten justinianischen Recht erkennt. Nach seiner Interpretation ist die vom Erblasser gewollte Entlastung der Erben unbeachtlich, weil sie nicht ausdrücklich angeordnet wurde. Dies erkläre den Regreßanspruch des Fideikommissars, der nur deshalb mit Hilfe eines beneficium cedendarum actionum durchgesetzt werde, um die Schwächen der konkurrierenden Klage aus dem Fideikommiß zu vermeiden. Daß diese Zusammenhänge im Text mit keinem Wort angedeutet werden, führt Voci auf eine kompilatorische Kürzung zurück. Er unterstellt den Kompilatoren damit, sie hätten den Text dem justinianischen Rechtszustand angepaßt und ihn gleichzeitig so verändert, daß dieses neue Recht nicht mehr erkennbar ist. Gegen Vocis Deutung spricht aber vor allem der von ihm selbst (866 f.) betonte palingenetische Kontext. Denn ihr zufolge ist das Fideikommiß in fr. 57 kaum mit der Schenkung in fr. 32.5 vergleichbar. Die beschenkte Ehefrau hat ja gerade keinen Anspruch auf Ablösung des Pfandrechts und ist deshalb auf den Zessionsregreß angewiesen. Wen der Schenker mit dem onus luendi belasten wollte und ob er darüber eine ausdrückliche Verfügung getroffen hat, wird dagegen nicht mitgeteilt. Eine „quaestio voluntatis analoga a quella in tema di legato“ (Voci 867) stellt sich in fr. 32.5 also offenbar nicht.

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fallens von pfandrechtlicher und persönlicher Haftung wird beim Fideikommiß einer res obligata genauso gelöst wie im Fall der konfirmierten Ehegattenschenkung. Diese Gemeinsamkeit ist das tertium comparationis in Ulpians fallvergleichender Argumentation. Sie erklärt, warum die im übrigen kaum vergleichbare erbrechtliche Entscheidung aus dem Kontext der oratio Severi stammt, und bestätigt damit nicht nur die hier vertretene Interpretation, sondern auch die Authentizität der einschlägigen Textpassagen. Gegen einen kompilatorischen Eingriff spricht auch die getrennte Überlieferung in den Digesten. Denkbar wäre allenfalls, daß der letzte Satz von fr. 32.5 und der gesamte Exkurs in fr. 57 aus einer nachklassischen Bearbeitung des Sabinuskommentars stammen, aber auch dies läßt sich mit einiger Sicherheit ausschließen. Denn die beiden Entscheidungen setzen die Regeln des klassischen Formularverfahrens voraus, und bei der Lösung des gemeinsamen Problems stimmen sie nicht nur miteinander überein, sondern auch mit Scaevolas Responsum zur dos. Die Echtheit dieser Lösung, die auch in fr. 57 vielfach verdächtigt wird40, dürfte somit außer Zweifel stehen. II. Die gemeinsame Ratio 1. Wie D 20.4.19, D 24.1.32.5 und D 30.57 zeigen, kann ausnahmsweise auch ein Dritter, der dem Gläubiger nicht als Bürge oder Gesamtschuldner haftet, den Zessionsregreß erreichen, und zwar nicht nur durch eine vor der Zahlung erzwungene Zessionsvereinbarung, sondern auch nachträglich mit Hilfe einer actio utilis. Diese Möglichkeit besteht aber offenbar nur in einer bestimmten pfandrechtlichen Grundkonstellation, die allen drei Entscheidungen gemeinsam ist: Der Erwerber einer verpfändeten Sache wird mit der actio Serviana in Anspruch genommen und findet den Pfandgläubiger ab. Die Parallele zwischen dieser Fallgruppe und den übrigen Anwendungsfällen des beneficium cedendarum actionum ist mit Schulz41 in der ,sachenrechtlichen Verbindlichkeit‘ zu sehen: Anders als ein Bürge oder ein Gesamtschuldner ist der Erwerber einer res obligata zwar nicht zur Begleichung der Pfandschuld verpflichtet, er haftet dem Gläubiger aber mit der verpfändeten Sache und kann deren Verlust nur auf diese Weise abwenden. Er zahlt also als Dritter auf eine fremde Schuld42, dies aber nicht freiwillig, sondern aufgrund der eigenen pfandrechtlichen Haftung, und darum wird er, was den Zessionsregreß angeht, auch 40 Vgl. außer Ferrini (o. A. 30) 286 f., Schulz (o. A. 1) 117 A. 11, Grosso Leg. 256 und Voci DER II 867 ff. noch Ebrard Die Digestenfragmente ad formulam hypothecariam und die Hypothekarezeption (1917) 72 mwN. in A. 76, Wacke Fs. Kaser (1976) 530 A. 156 und zuletzt Johnston The Roman Law of Trusts (1988) 237 A. 43. 41 (O. A. 1) 102. 42 S. o. A. 24 zu si satisfecisset in fr. 32.5 und § 7 A. 23 zur Ablösung des Pfandrechts im Wege der Drittleistung.

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nicht als Dritter behandelt, sondern wie ein persönlich haftender Bürge oder Gesamtschuldner. Wegen dieser Parallele ist davon auszugehen, daß Scaevola und Ulpian auch die beim beneficium cedendarum actionum übliche Konstruktion eines erzwungenen Klagenkaufs einsetzen, um die befreiende Wirkung einer solutio zu vermeiden. Trotzdem stehen ihre Entscheidungen nicht im Widerspruch zu der strengen Unterscheidung zwischen solutio und Klagenkauf, die in C 8.42.5 und den übrigen in § 7 behandelten Quellen zu beobachten war. Sie betreffen vielmehr einen besonderen bürgschaftsähnlichen Sachverhalt und lassen darum nicht auf eine Kontroverse schließen, sondern nur auf eine eng begrenzte Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Drittleistung als solutio den Zessionsregreß ausschließt. 2. Ein möglicher Grund für diese Ausnahme wurde bereits mehrfach angedeutet: Weil der Erwerb der res obligata den persönlichen Schuldner nicht entlasten soll, muß der Rückgriff möglich sein, und weil der Erwerber keine eigene Regreßklage hat, wird ihm das beneficium cedendarum actionum gewährt. Für diese Erklärung spricht vor allem, daß der Zessionsregreß auch sonst als Ersatz für eine eigene Ausgleichsklage des Zessionars dient. In Konkurrenz zu einer bestehenden Klage tritt er dagegen nur, wenn dies zur Überleitung dinglicher Sicherheiten erforderlich ist. Von diesem oder einem ähnlichen Vorteil, den der Erwerber der Pfandsache aus der Zession ziehen könnte, ist aber in keiner der drei Entscheidungen die Rede, und darum wäre das beneficium cedendarum actionum als konkurrierender Rechtsbehelf sinnlos. Zudem wird eine eigene Rückgriffsmöglichkeit des Erwerbers weder von Scaevola noch von Ulpian erwähnt. Spezielle Klagen aus dem Recht der dos, der donatio oder des fideicommissum sind auch nicht ersichtlich. Problematischer ist dagegen der Ausschluß der actio negotiorum gestorum contraria. Denn bei einer Drittleistung ohne Auftrag des Schuldners ist diese Klage im allgemeinen statthaft43, und in D 20.6.1 pr. Pap 11 resp44 ist sie auch für den speziellen Fall bezeugt, daß der Dritte zur Ablösung eines Pfandrechts leistet. Warum steht sie dann nicht auch dem Erwerber einer verpfändeten Sache zu, wenn er den Pfandgläubiger abfindet? Der Grund ist zwar nicht unmittelbar belegt, läßt sich aber aus den allgemeinen Grundsätzen der negotiorum gestio erschließen: Der ediktale Tatbestand des negotium alterius gerere45 ist nur dann erfüllt, wenn der Geschäftsführer im Interesse des Geschäftsherrn handelt.46 Bei einer Drittleistung ist dies regelmäßig der Fall, und zwar auch dann, wenn der Dritte – wie in D 20.6.1 pr. – das 43

S. u. § 11 I. S. o. § 7 III 1; vgl. auch D 22.1.37 Ulp 10 ad ed. 45 Vgl. D 3.5.3 pr., 2 Ulp 10 ad ed und dazu etwa Seiler 48 ff. oder Negri DRO 675 ff. 46 Vgl. Seiler 16 ff. und 324 f.; zustimmend Kaser RP I 588. 44

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Pfandrecht an einer Sache des Schuldners ablöst. Wenn dagegen der Eigentümer der verpfändeten Sache zur Abwendung der actio Serviana an den Pfandgläubiger zahlt, dann leistet er zwar auf eine fremde Schuld, er verfolgt damit aber ausschließlich47 eigene Interessen, und eine solche eigennützige Fremdgeschäftsführung fällt als negotium suum grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der actio negotiorum gestorum contraria.48 Dies bestätigen die Quellen zu den beiden anderen Fallgruppen der ,Drittleistung im eigenen Interesse‘49, die hier nicht im einzelnen behandelt werden 47 Nach Seiler 19 f., 73 ff. und 80 ff. kann es für den Tatbestand des negotium alterius gerere genügen (und eine anteilige Haftung begründen), wenn der Geschäftsführer teils in fremdem, teils in eigenem Interesse handelt. Als Beleg führt er D 3.5.5.6 Ulp 10 ad ed, D 17.1.22.10 Paul 32 ad und D 3.5.20 pr. Paul 9 ad ed an. Ob diese Texte eine solche Verallgemeinerung zulassen, kann hier nicht überprüft werden. Bei der Abwendung der actio Serviana durch den Eigentümer, die auch Seiler nicht als teilweise fremdes Geschäft anführt, läßt sich jedenfalls weder das Interesse des Eigentümers noch die Haftung aufteilen. 48 Vgl. vor allem D 3.5.5.5 Ulp 10 ad ed: Sed et si quis negotia mea gessit non mei contemplatione, sed sui lucri causa, Labeo scripsit suum eum potius quam meum negotium gessisse (qui enim depraedandi causa accedit, suo lucro, non meo commodo studet): sed nihilo minus, immo magis et is tenebitur negotiorum gestorum actione. ipse tamen si circa res meas aliquid impenderit, non in id quod ei abest, quia improbe ad negotia mea accessit, sed in quod ego locupletior factus sum habet contra me actionem. Wegen depraedandi causa und improbe paßt der Ulpiantext zwar nicht auf die Drittleistung des Pfandeigentümers. Das Labeozitat macht aber deutlich, daß ein objektiv fremdes Geschäft wegen der eigennützigen Absicht des Geschäftsführers als negotium suum behandelt wird; vgl. Wittmann Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag (1981) 39 f. und Reichard AcP 193 (1993) 581 f., aber auch Seiler 18 f., der dies allerdings für das spätklassische Recht in Abrede stellt (29 f., 37 und 330). Sein Argument aus D 47.2.81.5 Pap 12 quaest (30) überzeugt allerdings nicht. Denn dort hat der Geschäftsherr das eigennützige Handeln des Geschäftsführers genehmigt, und wie sich aus der parallelen Entscheidung in D 3.5.5.11 Ulp 10 ad ed und ihrer Begründung (ratihabitio . . . fecit tuum negotium) ergibt, ist dies für den Tatbestand des negotium alterius von entscheidender Bedeutung (so auch Seiler 64 f.). Der zweite Teil von fr. 5.5 (sed nihilo rell.) gibt lediglich Ulpians Auffassung wieder. Er beweist daher nicht, daß die klassische negotiorum gestio auch die eigennützige Fremdgeschäftsführung umfaßte (so aber Seiler 30), sondern nur, daß die auf Labeo zurückgehende Gegenansicht in der Spätklassik umstritten ist. Dies gilt insbesondere für die vielfach verdächtigte – vgl. Ind.; vorsichtiger Flume Fs. Niedermeyer (1953) 116 – Bereicherungshaftung des Geschäftsherrn. Sie dürfte zwar mit Kaser RP I 588 A. 20 und Zimmermann 875 f. als Beispiel dafür anzusehen sein, daß die actio negotiorum gestorum contraria in Einzelfällen schon von den klassischen Juristen als reine Bereicherungsklage eingesetzt wird, über den Kernbereich der negotiorum gestio sagt sie jedoch nichts aus. Sie zwingt darum auch nicht zu der Annahme, daß Ulpian in D 24.1.32.5 und D 30.57 eine (mit dem Zessionsregreß konkurrierende) actio negotiorum gestorum contraria gewährt hätte. Man wird vielmehr davon ausgehen können, daß hier gerade wegen der seit Scaevola bekannten Zessionslösung kein Anlaß für eine außerordentliche Anwendung dieser Klage besteht. 49 Nicht hierher gehört C 2.18.3 Sev/Ant: Sive pro fratre coherede pecuniam solvisti, negotiorum gestorum actione experiri potes, sive pignoris liberandi gratia debitum universum solvere coactus es, actionem eandem habebis vel iudicio familiae herciscundae, si non est inter vos redditum, eam quantitatem adsequeris. Einer von zwei

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können. Beide gehören zum Pfandrecht50, und die erste ist mit den von Scaevola und Ulpian entschiedenen Fällen eng verwandt: Ebenso wie der Eigentümer kann auch der nichtberechtigte Besitzer einer fremden verpfändeten Sache die actio Serviana des Pfandgläubigers abwenden, indem er als Dritter auf die Pfandschuld leistet.51 Wird er anschließend mit der rei vindicatio belangt, Erben hat eine pfandgesicherte Nachlaßverbindlichkeit in vollem Umfang – das heißt: teils als Schuldner, teils als Dritter – beglichen, weil er nur so verhindern konnte, daß der Gläubiger das zum Nachlaß gehörende Pfand herausverlangt und verwertet. Für den Rückgriff gegen seinen Miterben stehen ihm zwei Klagen zur Verfügung: Im Rahmen der actio familiae erciscundae kann er seine Zahlung als notwendige Verwendung auf den verpfändeten Nachlaßgegenstand zur Anrechnung bringen (s. o. A. 9), und nach der Erbteilung kann er mit der actio negotiorum gestorum contraria den auf den Miterben entfallenden Teilbetrag ersetzt verlangen, wie dies bei einer Drittleistung üblich ist (sive pro fratre coherede pecuniam solvisti, negotiorum gestorum actione experiri potes). Mit dieser Klarstellung erinnern Severus und Caracalla daran, daß auch die Ablösung des Pfandrechts eine Drittleistung voraussetzt. Denn dies rechtfertigt die sonst nicht belegte Konkurrenz der beiden Klagen (zu ihrem Verhältnis Seiler 298 ff.): Notwendige Verwendungen auf einen gemeinschaftlichen Gegenstand werden grundsätzlich nur im Teilungsprozeß ausgeglichen, während die actio negotiorum gestorum contraria daran scheitert, daß ein negotium commune kein negotium alienum ist (so ausdrücklich D 42.5.9.4 Ulp 62 ad ed, dessen Beweiskraft Seiler 19 f. und 301 mit A. 11 wohl zu Unrecht bezweifelt). Im Fall des Reskripts ist diese Unterscheidung jedoch fragwürdig: Der Erbe zahlt zwar im Interesse der Erbengemeinschaft, aber auch auf die fremde Teilschuld seines Miterben, und darum wird ihm ausnahmsweise eine konkurrierende actio negotiorum gestorum contraria gewährt. In Bas. 17.2.3 ist diese Klage als actio utilis überliefert. Dies entspricht dem Ausnahmecharakter der Entscheidung und ist darum der im Codex überlieferten Textfassung vorzuziehen (ebenso Seiler 306 f., der allerdings von einer etwas anderen Interpretation des Reskripts ausgeht). Daß eine solche actio negotiorum gestorum contraria utilis auch bei einer Drittleistung im eigenen Interesse gewährt wird, kann dem Reskript nicht entnommen werden. Denn es handelt nicht vom negotium suum, sondern von einem negotium commune: Die vom Erben bezweckte Befreiung der zum Nachlaß gehörenden Sache liegt auch im Interesse des Miterben und kann darum eher wie ein negotium alienum behandelt werden als die Befreiung einer eigenen Sache, um die es in den drei Entscheidungen zum beneficium cedendarum actionum geht. Dies gilt insbesondere für D 20.4.19, wo der Ehemann zwar ebenfalls Miterbe und damit Teilschuldner ist, die verpfändete Sache aber nicht zum Nachlaß gehört. 50 Aus anderen Rechtsgebieten sind keine Fälle überliefert, in denen ein Dritter im eigenen Interesse auf eine fremde Schuld leistet. Nicht belegt ist insbesondere die bei Oertmann 398 erwähnte Drittleistung condicionis implendae gratia: „Dem Zahlenden ist etwas unter der Bedingung vermacht oder sonst zugewendet, daß er die Schuld des Dritten – scil. aus eigenen Mitteln – tilge.“ 51 Vgl. etwa D 6.1.65 pr. Pap 2 resp (u. A. 52), D 21.2.66 pr. Pap 28 quaest und vor allem D 20.6.12.1 Paul 5 resp: Qui pignoris iure rem persequuntur, a vindicatione rei eos removeri solere, si qualiscumque possessor offerre vellet: neque enim debet quaeri de iure possessoris, cum ius petitoris removeatur soluto pignore. Unabhängig von seinem Besitzrecht kann jeder Besitzer einer verpfändeten Sache die actio Serviana dadurch abwenden, daß er dem Gläubiger die geschuldete Summe anbietet. Denn deren Zahlung führt zum Erlöschen des Pfandrechts und entzieht der Klage so ihre Grundlage. Dies wird sogar noch nach Abschluß der Beweisaufnahme vom iudex berücksichtigt; vgl. D 20.1.16.3 Marci l s ad form hyp: In vindicatione pignoris quaeritur, an rem, de qua actum est, possideat is cum quo actum est. nam si non possideat

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so kann er den klagenden Eigentümer mit Hilfe der exceptio doli zur Erstattung des Betrags zwingen, den er an den Pfandgläubiger gezahlt hat.52 Die Ablösung des Pfandrechts begründet also ein Retentionsrecht, wie es auch für den Ersatz von (anderen) notwendigen Verwendungen bezeugt ist.53 Für eine konkurrierende Regreßklage des Pfandbesitzers fehlt dagegen jeder Beleg. Daß dies auf einer zufälligen Überlieferungslücke beruht, ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil eine solche Klage neben dem bloßen Retentionsrecht durchaus Bedeutung hätte. Hinzu kommt, daß der Verwendungsersatz, nach dessen Vorbild die Ablösung des Pfandrechts behandelt wird, auch sonst nicht selbständig einklagbar ist.54 Dies rechtfertigt die Annahme, daß der Pfandbesitzer ebenfalls keinen nec dolo fecerit quo minus possideat, absolvi debet. si vero possideat et aut pecuniam solvat aut rem restituat, aeque absolvendus est. si vero neutrum horum faciat, condemnatio sequetur. Zu den Restitutionsmöglichkeiten, mit denen der Beklagte die Verurteilung aus der actio Serviana abwenden kann, gehört nach Marcian neben der Herausgabe der streitbefangenen Sache auch die Tilgung der Pfandschuld. Das zentrale Problem dieses Textes (und der gesamten Fallgruppe) ist sein Verhältnis zu D 20.1.21.3 Ulp 73 ad ed. Denn danach ist die litis aestimatio bei der actio Serviana nur dann durch den Betrag der gesicherten Forderung begrenzt, wenn sich die Klage gegen den Verpfänder richtet. Der dritte Besitzer kann dagegen auch auf mehr – das heißt: in den vollen Sachwert – verurteilt werden. Ob und wie dies mit der Möglichkeit zu vereinbaren ist, eine Verurteilung durch die freiwillige Zahlung des Forderungsbetrags abzuwenden, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht werden. Auszuklammern sind daher auch die Quellen zu der Frage, wie sich die Zahlung der litis aestimatio auf die Pfandschuld (D 20.6.8.19 Marci l s a form hyp) und im Verhältnis zwischen Besitzer und Verpfänder (D 10.2.29 Paul 23 ad ed, D 10.3.7.12 Ulp 20 ad ed, D 13.7.28 pr. Iul 11 dig und D 20.6.2 Gai 9 ad ed prov) auswirkt. Vgl. zu diesen Problemen vor allem Nardi 363 ff., Mayer-Maly SZ 72 (1955) 347 ff., Kaser Iura 18 (1967) 1 ff. und SDHI 45 (1979) 62 f. (= Pfandrecht 188 f.), Wacke Fs. Kaser (1976) 513 ff., Wubbe ebenda 184 ff. und Bürge 137 ff. 52 Vgl. vor allem D 6.1.65 pr. Pap 2 resp: Emptor praedium, quod a non domino emit, exceptione doli posita non aliter restituere domino cogetur, quam si pecuniam creditori eius solutam, qui pignori datum praedium habuit, usurarumque medii temporis superfluum reciperaverit, scilicet si minus in fructibus ante litem perceptis fuit: nam eos usuris novis dumtaxat compensari sumptuum in praedium factorum exemplo aequum est. Zu diesem Text etwa Wubbe (o. A. 51) 193 ff. und Bürge 139 f. Das gleiche Retentionsrecht ist in D 10.2.29 Paul 23 ad ed, D 13.7.28 pr. Iul 11 dig und D 20.6.2 Gai 9 ad ed prov auch für den Fall belegt, daß der Pfandbesitzer die litis aestimatio gezahlt hat. Anders als D 20.6.1 pr. Pap 11 resp (s. o. § 7 III 1) enthält keiner dieser Texte einen Hinweis auf eine konkurrierende Regreßklage. Der letzte Satz in D 10.2.29 Paul 23 ad ed, in dem von einer solchen Klage die Rede ist, gehört nicht mehr zu dem nur vergleichsweise erörterten Fall des Pfandbesitzers. Zudem bezieht er sich, wie Wacke (o. A. 51) 523 ff. gezeigt hat, nicht auf die actio negotiorum gestorum, sondern auf die actio pigneraticia contraria, und diese Klage steht nur dem Pfandgläubiger zu. 53 Vgl. nur Gai 2.76 und Bürge 14 ff. mwN. 54 Vgl. nur Bürge 15 ff. mwN und vor allem D 6.1.48 Pap 2 resp (sumptus in praedium, quod alienum esse apparuit, a bona fide possessore facti neque ab ei qui praedium donavit neque a domino peti possunt, verum exceptione doli posita per officium iudicis aequitatis ratione servantur). Diese Entscheidung stammt nicht nur aus dem unmittelbaren palingenetischen Kontext von D 6.1.65 pr. (vgl. Lenel Paling. I 888),

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klagbaren Regreßanspruch hat, daß ihm also insbesondere keine actio negotiorum gestorum contraria gegen den befreiten Pfandschuldner zusteht: Seine Drittleistung wird ebensowenig als negotium alienum behandelt wie die des Eigentümers. Denn auch sie dient nicht den Interessen des Schuldners55, sondern ausschließlich zur Erhaltung der eigenen Besitzposition. In der zweiten Fallgruppe ergibt sich das eigene Interesse des Dritten aus den Regeln der Mehrfachverpfändung56: Das Recht zur Pfandverwertung ist dem erstrangig gesicherten Gläubiger vorbehalten57, der Zweitgläubiger hat nur das sogenannte ius offerendi et succedendi 58, das heißt: er kann an die Stelle des Erstgläubigers treten, indem er diesem die geschuldete Leistung anbietet. Er erwirbt dann die Befugnis, sich durch den Verkauf des Pfandes bezahlt zu machen, und zwar nicht nur für die eigene, bislang zweitrangig gesicherte Forderung, sondern auch für den Betrag, den er an den Erstgläubiger gezahlt hat.59 Diese erweiterte Pfandhaftung ist mit dem Akzessorietätsgrundsatz kaum zu vereinbaren, weshalb Kaser60 sie auch nicht als Pfandrecht qualifiziert, sondern als bloßes Befriedigungsrecht. Die ältere gemeinrechtliche Literatur61 nimmt demgegenüber an, daß die Forderung des Erstgläubigers auf den Offerenten übergehe. Mit den Quellen ist diese Zessionstheorie jedoch nicht zu vereinbaren.62 Denn im Zusammenhang mit dem ius offerendi ist nirgends von einem Klagenkauf oder von einer actio utilis des Zweitgläubigers die Rede. Seine Zahlung wird vielmehr als solutio bezeichnet63, und als solche führt sie zum

sie wird dort auch zitiert: Im letzten Satz des Fragments (s. o. A. 52) stellt Papinian klar, daß der an den Pfandgläubiger gezahlte Betrag nicht sumptuum in praedium factorum exemplo mit den vor Rechtshängigkeit gezogenen Früchten verrechnet wird. Daher ist kaum anzunehmen, daß er einen mindestens ebenso bedeutsamen Unterschied wie die Klagbarkeit des Regreßanspruchs unerwähnt gelassen hätte. 55 Ebenso Wacke (o. A. 51) 523 ff. mwN. zu dem ähnlich gelagerten Fall in D 10.2.29 Paul 23 ad ed. 56 Vgl. dazu vor allem Kaser St. Grosso I (1968) 29 ff. und Schanbacher Die Konvaleszenz von Pfandrechten im klassischen römischen Recht (1987). 57 Vgl. etwa D 20.5.1 Pap 26 quaest und noch C 8.17.8 Diocl/Max. 58 Vgl. nur C 8.17.1 Sev/Ant; dazu Dernburg (o. A. 6) 518 ff., Regely Das Jus offerendi in alter und neuer Zeit (1893), Oertmann 441 ff., Schulz (o. A. 1) 104 ff., Miquel AHDE 29 (1959) 301 ff., Frezza II 299 f. und vor allem Kaser (o. A. 56) 45 ff. mit den Ergänzungen von Peters Stud. Kaser 150 ff. und Wacke (o. A. 51) 527 ff. 59 Vgl. zu diesem Grundsatz D 20.5.5 pr. Marci l s d form hyp (cum secundus creditor oblata priori pecunia in locum eius successerit, venditionem ob pecuniam solutam et creditam recte facit), zu seiner Erstreckung auf einen ähnlichen Fall D 49.15.12.12 Tryph 7 disp und zu dem Folgeproblem der Verzinsung D 20.4.12.6 Marci l s ad form hyp (u. A. 70) mit C 8.13.22 Diocl/Max. 60 (O. A. 56) 47 f.; vgl. dazu Wacke (o. A. 51) 528 f. 61 Vgl. die ausführliche Übersicht bei Regely (o. A. 58) 41 ff. 62 Ebenso schon Dernburg 518 f., Regely 42 ff. und Oertmann 442 f., aber auch noch Kaser 48 f., Peters 150 und Wacke 529 in den o. A. 58 zitierten Arbeiten.

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2. Kap.: Drittleistung und Klagenkauf

Erlöschen der erstrangig gesicherten Forderung. Aus diesem Grund hält Dernburg64 eine andere Konstruktion für erforderlich. Er sieht in der Ablösung des erstrangigen Pfandrechts eine Verwendung auf die Pfandsache, für deren Erstattung der Verpfänder mit der actio pigneraticia contraria haftet und – akzessorisch dazu – auch das Pfand selbst. Daß dies der klassischen Vorstellung entspricht, ist denkbar.65 Denn wie soeben dargelegt, wird auch die Ablösung des Pfandrechts durch den Besitzer wie eine Verwendung behandelt, und nach den Quellen haftet das Pfand jedenfalls dann für Verwendungen, wenn dies bei der Bestellung vereinbart wird.66 Andererseits ist die Ausübung des ius offerendi weder für den Pfandschuldner nützlich noch aus anderen Gründen notwendig67, so daß man nicht ohne weiteres von der Statthaftigkeit der actio pigneraticia contraria ausgehen kann. Zudem fehlt jeder Hinweis darauf, daß dem Zweitgläubiger neben der erweiterten Pfandhaftung überhaupt eine Klage gegen den befreiten Pfandschuldner zur Verfügung steht. Dies spricht nicht nur gegen Dernburgs Auffassung, sondern auch gegen die in der Pandektenwissenschaft vorherrschende Lehre von der Forderungsauswechslung68. Danach verbindet sich das erstrangige Pfandrecht bei seinem Übergang auf den Zweitgläubiger mit einem Anspruch aus negotiorum gestio, der seinerseits auf der Ablösung des Pfandrechts beruht. Diese recht gekünstelte Konstruktion kann dem klassischen Recht nicht unterstellt werden. Denn der Zweitgläubiger leistet nicht im Interesse des Schuldners, sondern confirmandi sui pignoris causa69, und bei Marcian70 heißt es sogar ausdrücklich: non enim negotium alterius gessit, sed 63 So in D 20.4.12.6 und 9 Marci l s ad form hyp, D 20.4.16 Paul 3 quaest, D 20.5.5 pr. Marci l s ad form hyp, C 8.17.1 Sev/Ant und C 8.17.5 Alex; vgl. auch creditorem dimittere in D 20.4.16 Paul 3 quaest, D 20.5.1 Pap 26 quaest, D 49.15.12.12 Tryph 4 disp und PS 2.13.8. 64 (O. A. 6) 520 ff. 65 So auch Wacke (o. A. 51) 527 f.; vgl. auch 523 ff. zu D 10.2.29 Paul 23 ad ed. 66 Vgl. D 13.7.8.5 Pomp 35 ad Sab, C 8.13.6 Ant und die mancipatio Pompeiana (FIRA III Nr. 91) III 16 ff. Nach Kaser TR 47 (1979) 333 (= Pfandrecht 113) A. 293 werden pignus und fiducia insoweit gleichbehandelt. Er nimmt weiter an, in der Praxis habe sich ein von der Zusage des Verpfänders unabhängiger Verwendungsersatz durchgesetzt. Nach den von ihm angeführten Quellen bezieht sich dies aber nur auf die actio pigneraticia (bzw. fiducia) contraria und nicht auf die Pfandhaftung. Für diese hält Schwarz SZ 71 (1954) 149 f. darum am Erfordernis einer entsprechenden Abrede fest. 67 Wie zum Beispiel in D 10.2.29 Paul 23 ad ed, wo Paulus genau dies hervorhebt (et eius, quod propter necessitatem impendit, etiam ultro est actio creditori); vgl. dazu Wacke (o. A. 51) 525 mwN. zur Ersatzfähigkeit von Verwendungen im Rahmen der actio pigneraticia contraria. 68 Dieser von Voß Jherings Jb. 15 (1877) 332 ff. entwickelten Lehre folgen u. a. Regely (o. A. 58) 56 ff., Oertmann 443 und Windscheid-Kipp I 1177/1178 A. 16. 69 D 49.15.12.12 Tryph 4 disp; ähnlich D 20.5.6 Mod 8 reg. 70 D 20.4.12.6 Marci l s ad form hyp: Sciendum est secundo creditori rem teneri etiam invito debitore tam in suum debitum quam in primi creditoris et in usuras suas et quas primo creditori solvit: sed tamen usurarum, quas creditori primo solvit, usu-

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magis suum. Daher läßt sich mit einiger Sicherheit ausschließen, daß dem Zweitgläubiger eine actio negotiorum gestorum contraria zusteht.71 Die erweiterte Pfandhaftung dient also nicht nur der dinglichen Sicherung des Rückgriffs, sondern als Ersatz für eine persönliche Klage. Sie erscheint damit als pfandrechtliches Regreßinstrument eigener Art, das in einem Fall der eigennützigen Drittleistung den sachgerechten und darum erwünschten, aber mit herkömmlichen Mitteln nicht zu erreichenden Ausgleich ermöglicht. Die Tilgung einer fremden Pfandschuld wird also auch beim nichtberechtigten Pfandbesitzer und beim Zweitgläubiger als negotium suum behandelt, und zwar aus dem gleichen Grund wie beim Eigentümer der verpfändeten Sache: Sie zielt auf das Erlöschen des Pfandrechts und dient damit dem eigenen Interesse des Leistenden. Daß sie auch zur Befreiung des Pfandschuldners führt, rechtfertigt den Rückgriff zwar unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung, aber die für den Ersatz fremdnütziger Aufwendungen zuständige ras non consequetur: non enim negotium alterius gessit, sed magis suum. et ita Papinianus libro tertio responsorum scripsit, et verum est. Marcian handelt zwar nicht von der actio negotiorum gestorum contraria, mit seiner Begründung nimmt er aber auf die Funktion dieser Klage Bezug: Der Zweitgläubiger hat die erstrangig gesicherte Forderung in Höhe des Kapitals (z. B. 100) und der aufgelaufenen Zinsen (10) bezahlt und ist auf diese Weise an die Stelle des Erstgläubigers getreten. Die Pfandsache haftet ihm darum sowohl für die eigene Forderung nebst Zinsen als auch für die gesamten 110, die er an den Erstgläubiger gezahlt hat. Daß die 100 weiterhin nach dem gleichen Satz verzinst werden, den der Erstgläubiger hätte verlangen können (vgl. C 8.13.22 Diocl/Max), setzt Marcian voraus. Ihn interessieren allein die usurarum usurae, das heißt: die Verzinsung der 10, die auf die Zinsforderung des Erstgläubigers gezahlt worden sind. Sie wäre gerechtfertigt, wenn der Zweitgläubiger ein Geschäft des Pfandschuldners geführt hätte. Denn in diesem Fall könnte er – wie bei der actio negotiorum gestorum contraria anerkannt (vgl. vor allem D 22.1.37 Ulp 10 ad ed, aber auch C 2.18.18 Diocl/Max und zum Mandat D 17.1.12.9 Ulp 31 ad ed) – auch die Zinsen in Anrechnung bringen, die er für die Beschaffung der 110 aufwenden mußte oder mit diesem Geld hätte erwirtschaften können. Da er aber im eigenen Interesse gehandelt hat, steht ihm kein voller Aufwendungsersatz zu, sondern nur das, was der Pfandschuldner ohnehin hätte zahlen müssen, und dazu gehören die usurarum usurae nicht. Die Pointe der Entscheidung besteht also darin, daß die erweiterte Pfandhaftung auf die Bereicherung des Schuldners begrenzt ist, und ihre Begründung zeigt darüber hinaus, daß die Zahlung des Zweitgläubigers als eigennützige Fremdgeschäftsführung nicht unter den Tatbestand der negotiorum gestio fällt. Entgegen Regely (o. A. 58) 57 f. und Oertmann 443 läßt auch die am Ende von D 3.5.5.5 Ulp 10 ad ed erwähnte Bereicherungsklage (s. o. A. 48) nicht den Schluß zu, daß eine solche außerordentliche actio negotiorum gestorum contraria auch dem Zweitgläubiger zusteht und den Umfang der akzessorischen Pfandhaftung bestimmt. Denn mit non enim negotium alterius gessit, sed magis suum erläutert Marcian nur, wofür die Pfandsache nicht haftet. Er zieht die negotiorum gestio aber gerade nicht als Maßstab für die im übrigen bestehende Haftung heran. 71 So bereits Dernburg (o. A. 6), zustimmend Wacke (o. A. 51) 524 und im Ergebnis auch Kaser (o. A. 56) 48. Die actio negotiorum gestorum contraria (utilis) in C 2.18.3 Sev/Ant gehört nicht zur Drittleistung im eigenen Interesse (s. o. A. 49) und kann darum nicht mit Windscheid-Kipp I 1177/1178 A. 16 als Beleg für eine entsprechende Klage des Zweitgläubigers herangezogen werden.

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2. Kap.: Drittleistung und Klagenkauf

actio negotiorum gestorum contraria ist in diesen Fällen der Drittleistung ausgeschlossen. Statt dessen wird der Pfandbesitzer durch ein Retentionsrecht geschützt und der Zweitgläubiger durch die erweiterte Haftung der Pfandsache. 3. Der Vergleich mit den beiden anderen Fallgruppen der Drittleistung im eigenen Interesse bestätigt die eingangs entwickelte Erklärung des Zessionsregresses in D 20.4.19, D 24.1.32.5 und D 30.57 nicht nur; er gibt auch Anlaß, sie zu präzisieren: Das beneficium cedendarum actionum ersetzt die fehlende eigene Ausgleichsklage des Zessionars. Es ist vor allem deshalb erforderlich, weil der Erwerber der verpfändeten Sache bei der Ablösung des Pfandrechts im eigenen Interesse handelt und darum nicht mit der actio negotiorum gestorum contraria gegen den befreiten Pfandschuldner vorgehen kann. Hinzu kommt aber zum einen, daß auch die Regreßinstrumente, die bei der eigennützigen Drittleistung sonst als Ersatz für diese Klage eingesetzt werden, in den von Scaevola und Ulpian entschiedenen Fällen untauglich sind. Denn dem Erwerber, der die Pfandsache endgültig behalten will und darf, ist mit einem bloßen Retentions- oder Verwertungsrecht nicht gedient.72 Zum anderen stehen ihm keine speziellen Rechtsbehelfe aus dem Recht der dos, der donatio oder des fideicommissum zur Verfügung, und weil er die Sache nicht selbst für eine fremde Schuld verpfändet hat, kann er auch nicht aus dem der Verpfändung zugrundeliegenden Geschäft beim Schuldner Rückgriff nehmen.73 Der Zessionsregreß ist also offenbar die ultima ratio, die auch bei der Drittleistung im eigenen Interesse nur dann eingesetzt wird, wenn der gebotene Ausgleich anders nicht zu erreichen ist. Eine Einschränkung der in § 7 entwickelten Thesen ist nach der Analyse von D 20.4.19, D 24.1.32.5 und D 30.57 nicht erforderlich. Die Exegesen haben vielmehr bestätigt, daß die Wirkungen der Drittleistung seit der Hochklassik nach einem von der Mitwirkung des Gläubigers unabhängigen Zessionsmodell ausgestaltet werden können, und zwar entweder durch eine erzwungene Zessionsvereinbarung oder durch die Gewährung einer actio utilis. Diese Möglichkeit ist nicht nur bekannt, sie wird auch praktiziert – allerdings nur als ultima ratio und in einem so eng begrenzten Bereich, daß die grundsätzliche Entscheidung für die Beibehaltung des Solutionsmodells dadurch um so deutlicher hervortritt: Der Zessionsregreß wird gerade nicht zur regelmäßigen Folge der Dritt-

72 Dies erklärt die umstrittene (s. o. A. 6) Bedeutung von iustus possessor in D 20.4.19: Nach dem Tod seiner Frau ist der Ehemann berechtigt, daß Dotalgrundstück zu behalten, und darum nützt ihm ein Retentionsrecht, wie es nach D 20.6.12.1 Paul 5 resp (o. A. 51) jedem Besitzer zusteht, nichts. Dies betont Scaevola, indem er den Ehemann als iustus posessor bezeichnet, während Paulus in Abgrenzung dazu von qualiscumque possessor spricht. 73 Vgl. dazu D 13.6.5.12 Ulp 28 ad ed (plane si ego pro te rem pignori dedero tua voluntate, mandati erit actio) zum Mandat. Für die negotiorum gestio dürfte kaum etwas anderes gelten.

§ 9 Ergebnisse

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leistung. Er wird nicht einmal zu einem einheitlichen Regreßinstrument für die Fälle entwickelt, in denen der Ausschluß der actio negotiorum gestorum contraria zu einer unbilligen Bereicherung des Schuldners führt. Besonders auffällig ist dies bei der actio Serviana. Denn hier könnte das beneficium cedendarum actionum jedem Beklagten gewährt werden, der zur Ablösung des Pfandrechts bereit ist. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Der nichtberechtigte Besitzer wird vielmehr nur durch ein Retentionsrecht im späteren Vindikationsprozeß geschützt. Er kann daher keinen Rückgriff nehmen, wenn und solange er im Besitz der Pfandsache bleibt. Diese Lösung ist interessengerecht, und es liegt nahe, daß sie gerade deshalb dem beneficium cedendarum actionum vorgezogen wird. Hier zeigt sich auch der Grund dafür, daß das klassische Recht – von den wenigen Ausnahmen abgesehen – so streng am Solutionsmodell festhält: Die Regeln der solutio ermöglichen eine differenzierte und abgestufte Gestaltung des Rückgriffs, während das Zessionsmodell zu einer ,Regreßautomatik‘ führen würde, die nicht in allen Fällen der Drittleistung sachgerecht ist. § 9 Ergebnisse 1. Das Solutionsmodell des klassischen Rechts, nach dem die Drittleistung zwingend zum Erlöschen der fremden Schuld führt, läßt sich für die hoch- und spätklassische Zeit nicht mehr mit dem Fehlen einer dogmatischen Alternative erklären. Denn seit Julian und Antoninus Pius kann mit den Mitteln der Klagenzession auch eine Lösung erreicht werden, die dem Übergang des Forderungsrechts gleichkommt: Der Dritte läßt sich vom Gläubiger zum procurator (oder cognitor) in rem suam bestellen und kann anschließend mit der actio mandata oder mit einer eigenen actio utilis beim Schuldner Rückgriff nehmen. Wie die Quellen zur Bürgschaft und zur Gesamtschuld zeigen, kann dieses Ergebnis auch gegen den Willen des Gläubigers erzielt werden, und zwar entweder durch einen retentionsweise durchsetzbaren Zessionszwang, das sogenannte beneficium cedendarum actionum, oder dadurch, daß trotz fehlender Zessionsvereinbarung eine actio utilis gewährt wird. Dogmatisch scheitert das Zessionsmodell nicht daran, daß mit der Befriedigung des Gläubigers die der actio cessa zugrundeliegende Forderung wegfällt. Denn die Juristen umgehen dieses konstruktive Hindernis, indem sie die freiwillige oder erzwungene Zessionsvereinbarung als Klagenkauf zum Nominalwert behandeln und die Zahlung der geschuldeten Summe nicht auf die Schuld, sondern auf den Kaufpreis anrechnen. Nach Paulus’ – allerdings umstrittener – Ansicht kann durch die Fiktion eines solchen Kaufvertrags selbst nach der vorbehaltlosen Zahlung eines Mitbürgen noch ein Zessionsanspruch begründet werden. 2. Auch ein Dritter kann wirksam mit dem Gläubiger vereinbaren, daß er die geschuldete Leistung erbringen und im Gegenzug ermächtigt werden soll, die Schuld auf eigene Rechnung einzuklagen. Eine solche Vereinbarung wird eben-

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2. Kap.: Drittleistung und Klagenkauf

falls als Klagenkauf anerkannt, obwohl sie allein den Zweck hat, die Regeln der solutio zu umgehen und den Zessionsregreß zu eröffnen. Belegt ist dies nur für den Fall einer pfandgesicherten Forderung. Hier dient die Zession der Überleitung des Pfandrechts und damit der Sicherung des Rückgriffs. Wahrscheinlich kann der Zessionsregreß aber auch dann wirksam vereinbart werden, wenn der Dritte keine eigene Ausgleichsklage gegen den Schuldner hat. 3. Wenn er nicht im vorhinein mit dem Gläubiger vereinbart wird, findet bei der Drittleistung grundsätzlich kein Zessionsregreß statt. Der Dritte kann die Zession also nicht erzwingen, und wenn er geleistet hat, wird er an den Folgen der solutio festgehalten. Eine nachträgliche Korrektur, wie sie durch die Gewährung einer actio utilis oder durch die Fiktion eines Klagenkaufs zu erreichen wäre, wird in den Quellen mehrfach ausdrücklich abgelehnt, und zwar selbst dann, wenn dem Dritten erhebliche Nachteile drohen. Zur Begründung verweisen die Quellen darauf, daß die solutio wegen ihrer obligationstilgenden Wirkung anders zu behandeln sei als ein Klagenkauf. Vergleicht man diese strenge Unterscheidung mit der in anderen Fällen üblichen Vermengung der beiden Institute, dann kann sie nur als Ausdruck einer Wertung verstanden werden: Bei der Drittleistung ist das überkommene Modell der solutio sachgerechter als die am Klagenkauf orientierte Zessionslösung. 4. Die drei Entscheidungen, die von diesem Grundsatz abweichen, sind darum nicht verdächtig. Sie betreffen eine bestimmte Fallgruppe der Drittleistung, in der der gebotene Regreß nur mit Hilfe des Zessionsmodells erreicht werden kann. Wenn dem Dritten hier mit dem beneficium cedendarum actionum und sogar mit einer actio cessa utilis geholfen wird, so stellt dies die grundsätzliche Entscheidung für die Beibehaltung des Solutionsmodells nicht in Frage. Es zeigt vielmehr, daß diese Entscheidung nicht auf einer doktrinären Grundhaltung beruht, sondern auf dem Bemühen um eine sachgerechte und differenzierte Lösung der Regreßproblematik.

Drittes Kapitel

Drittleistung und Deckungsverhältnis § 10 Das ,Deckungsverhältnis‘ bei der Drittleistung I. Begriff und Fragestellung Als solutio wirkt die Drittleistung nur zwischen Gläubiger und Schuldner. Denn sie führt zum Erlöschen der Forderung und nicht zu ihrem Übergang. Der Schuldner wird also auf Kosten des Dritten von seiner Verbindlichkeit befreit. Ob und wie diese Bereicherung auszugleichen ist, ergibt sich aus den Regeln der solutio nicht. Das Verhältnis zwischen Schuldner und Drittem folgt vielmehr eigenen Grundsätzen, und es kann von Fall zu Fall unterschiedlich gestaltet sein: Wenn ein Dritter dem Schuldner als procurator omnium rerum1, als tutor2, aus Mandat3 oder aus anderen Gründen4 zur Leistung verpflichtet ist, dann ergibt sich aus dieser besonderen Beziehung zum Schuldner auch, ob und mit welcher Klage er Regreß nehmen kann. Ein solches Rechtsverhältnis – das hier in Anlehnung an das Delegationsrecht als ,Deckungsverhältnis‘ bezeichnet wird5 – besteht in den hier untersuchten Fällen der Drittleistung definitionsge1 Vgl. D 3.3.59 Paul 10 ad Plaut, D 12.6.6 pr. Paul 3 ad Sab, D 17.1.50 pr. Cels 38 dig und D 46.3.87 Cels 20 dig sowie D 12.6.6.3 Paul 3 ad Sab und D 13.1.18 Scaev 4 quaest zur solutio indebiti, aber auch D 46.3.94.3 Pap 8 quaest zur Leistung eines servus actor. 2 Vgl. D 12.6.67.1 Scaev 5 dig, D 26.7.9.5 Ulp 36 ad ed, D 27.2.4 Iul 21 dig, D 27.4.3.2 Ulp 36 ad ed und D 46.3.96.1 Pap 11 resp sowie D 12.6.6.3 Paul 3 ad Sab, D 12.6.57 pr. Pap 3 resp und D 12.6.67.1 Scaev 5 dig zur solutio indebiti. 3 Vgl. D 17.1.12.5, 6 Ulp 31 ad ed und C 2.18.16 Gall/Volus, aber auch D 15.1.3.6 Ulp 29 ad ed, D 17.1.22.8 Paul 32 ad ed, D 17.1.45.4 Paul 5 ad Plaut, D 46.3.17 Pomp 19 ad Sab, D 46.3.56 Paul 62 ad ed und D 47.2.52.16 Ulp 37 ad ed. 4 Vgl. etwa Gai 3.68 f. und D 15.3.7.4 Ulp 29 ad ed zum Erbschaftskauf, D 12.6.67.2 Scaev 5 dig zur Leistung des privaten bonorum emptor sowie D 32.11.21, 22 Ulp 2 fideic, D 34.3.3.5 Ulp 23 ad Sab und D 34.3.8 pr. Pomp 6 ad Sab zum Befreiungsvermächtnis. 5 Im Recht der delegatio wird dieser Begriff seit Thöl Handelsrecht I (2. Aufl. 1847) 414 verwendet; vgl. aus der modernen Romanistik etwa Haeberlin SZ 74 (1957) 103, Endemann 8 mwN. in A. 11 sowie Kaser Satura Feenstra (1985) 148 und RP I 651. Er bezeichnet das schuldrechtliche Kausalverhältnis zwischen Anweisendem und Angewiesenem, aus dem letzterer die ,Deckung‘ für seine Leistung an den Anweisungsempfänger erhält. Wenn hier auch die durch eine Drittleistung begründete Beziehung zwischen Schuldner und Drittem als Deckungsverhältnis bezeichnet wird, so

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

mäß6 gerade nicht. Es kann aber durch die Leistung selbst begründet werden. Belegt ist dies für die negotiorum gestio und die donatio. Darüber hinaus besteht Anlaß für die Vermutung, daß der Dritte mit einer besonderen in factum konzipierten Mandatsklage Regreß nehmen kann, wenn der Schuldner seine Leistung geduldet hat. Eine umfassende Untersuchung aller Quellen zum Deckungsverhältnis ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Zu ihrem Thema gehört aber die Frage, ob die befreiende Wirkung der Drittleistung durch die Beziehung zwischen Schuldner und Drittem beeinflußt wird: Setzt die Befreiung des Schuldners ein wirksames Deckungsverhältis voraus, und macht es für sie einen Unterschied, ob der Dritte als negotiorum gestor oder in Schenkungsabsicht leistet? Im folgenden wird daher die Beziehung zwischen ,Drittleistung und Deckungsverhältnis‘ untersucht, und zwar zunächst (in § 11) für die negotiorum gestio und dann (in § 12) für die donatio. Die actio mandati in factum ist in den Quellen nicht unmittelbar belegt, und darum läßt sich auch nicht sagen, wie sie sich zur befreienden Wirkung der Drittleistung verhält. Der Vollständigkeit halber wird sie aber vorab (unter II) im Überblick dargestellt. Im Rahmen eines weiteren Exkurses soll dann abschließend (in § 14) noch der Frage nachgegangen werden, ob die ,vollmachtlose‘ Drittleistung hinsichtlich ihrer befreienden Wirkung von dem Fall zu unterscheiden ist, daß der procurator omnium rerum oder ein anderer besonders autorisierter ,Repräsentant‘ für den Schuldner leistet. II. Exkurs: Die actio mandati in factum concepta 1. Daß im Ediktstitel Mandati „eine speziell auf den Rückgriff der Bürgen berechnete formula in factum concepta“ proponiert ist, hat als erster Lenel7 vermutet. Seine These ist teils auf Ablehnung8, überwiegend aber auf Zustimmung9 gestoßen und von Kreller10 so weiterentwickelt worden, daß sie sich mit

soll damit keine besondere Ähnlichkeit zur delegatio behauptet, sondern vor allem die noch irreführendere Bezeichnung als Grund- oder Kausalverhältnis vermieden werden. Denn die mit diesen Begriffen verbundene Vorstellung, daß die Bereicherung (oder gar die Befreiung) des Schuldners nur dann Bestand hat, wenn im Verhältnis zum Dritten ein rechtfertigender Grund vorliegt, widerspricht der zentralen These dieses Kapitels. 6 S. o. § 1 bei A. 50 ff. 7 EP 296 f.; ebenso schon die 1. Aufl. (1883) 236 und Paling. II 622 A. 2. 8 Vgl. vor allem Donatuti Mandato I 1 ff., aber auch Beseler SZ 45 (1925) 256 f., Arangio-Ruiz Mandato 89 A. 1, Klami Teneor mandati (1976) 24 f. und zuletzt Gimenéz-Candela in: Mandatum 169 ff. 9 Vgl. vor allem Kaser SZ 100 (1983) 124 ff., aber auch schon Levy Sponsio 207 mit A. 1, Partsch Bürgschaft 274 f., Kreller SZ 66 (1948) 63, Schwarz SZ 71 (1954) 174 f., Watson Mandate 84 f. und 173 ff., Frezza I 161 ff., Wittmann in: Mandatum 50 und Zülch 83 ff.

§ 10 Das ,Deckungsverhältnis‘ bei der Drittleistung

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dem Thema dieses Kapitels berührt. Kreller nimmt nämlich an, daß die actio in factum neben der Bürgschaft auch für das mandatum ad solvendum zuständig ist11 und daß sie andererseits keinen ausdrücklichen Auftrag voraussetzt, sondern lediglich die Duldung des Schuldners.12 Wenn beides zutrifft, dann erzeugt diese Klage ein Deckungsverhältnis für die vom Schuldner geduldete Drittleistung. Da Krellers These unter diesem Gesichtspunkt bislang nicht rezipiert worden ist, kann hier nicht auf eine Stellungnahme verzichtet werden. 2. Das stärkste Indiz für eine im Mandatsedikt proponierte besondere Regreßklage ist der Aufbau von Ulpians 31. Buch ad edictum: Der Bürgenregreß wird hier in einem eigenen Abschnitt (D 17.1.10.11 bis 13 und D 17.1.12 pr. bis 413) behandelt, und erst im Anschluß daran beginnt mit den Worten contrario iudicio experiuntur, qui mandatum susceperunt der Kommentar zur actio mandati contraria (in ius concepta).14 Hinzu kommt, daß die Regeln des Bürgenregresses in mehreren Punkten vom allgemeinen Mandatsrecht abweichen. So reicht es zum einen aus, daß der Hauptschuldner die Verbürgung geduldet hat.15 Zum anderen ist ein Befreiungsanspruch des Bürgen, wie er nach allgemeinem Auftragsrecht bestünde16, ausgeschlossen. Denn die Klage gegen den Hauptschuldner setzt das solvere pro reo17 und ein pecuniam abesse auf Seiten des Bür10 Fg. Heck, Rümelin, Schmidt (1931) 120 ff.; zustimmend Kaser (o. A. 9) 124 und passim. 11 (O. A. 10) 124 mit A. 1 und 125 f. 12 (O. A. 10) 123 f.; ebenso Kaser (o. A. 9) 123 ff. mwN. 13 Lenel Paling. II 622 f. (Ulpian 910). 14 D 17.1.12.7 Ulp 31 ad ed; vgl. Lenel Paling. II 623 (Ulpian 911) mit A. 1. 15 Vgl. vor allem D 17.1.6.2 Ulp 31 ad ed, aber auch D 17.1.18 Ulp 40 ad Sab, D 17.1.53 Pap 9 quaest, D 50.17.60 Ulp 10 disp und C 4.35.6 Gord. Wenn der Hauptschuldner bei der Verbürgung abwesend ist, kommt allerdings nur die actio negotiorum gestorum contraria in Betracht; vgl. etwa D 17.1.20.1 Paul 11 ad Sab, wN. bei Seiler 11 A. 11 und 121 A. 16. 16 Vgl. etwa D 17.1.45 pr., 2, 3, 5 Paul 5 ad Plaut. Ein Befreiungsanspruch des Bürgen ist erst bei Diokletian belegt; vgl. C 4.35.10 Diocl/Max. In D 17.1.38.1 Marcell l s resp ist er ebenfalls nachklassisch; vgl. Partsch Bürgschaft 274 ff., Frezza I 176 ff. und Zülch 80 ff. mwN. 17 Vgl. vor allem D 34.3.11 Iul 36 dig, D 42.5.7 Gai 23 ad ed prov, D 15.1.9.8 Ulp 31 ad ed und Gai 3.127. Der Rückgriff des Bürgen steht auch in den meisten übrigen Quellen unter dem Vorbehalt si solverit; vgl. D 17.1.10.11, D 17.1.12.4, D 17.1.14 pr. (alle Ulp 31 ad ed), D 17.1.22 pr., 1 Paul 32 ad ed, D 17.1.29 pr., 1, 2, 3, 6 Ulp 7 disp, aber auch 17.1.26.5 Paul 32 ad ed, D 17.1.37 Afr 8 quaest, D 17.1.47.1 Pomp 3 ex Plaut, D 17.1.48 pr. Cels 7 dig und C 4.35.2 Ant. Nach D 17.1.12.1, 2 Ulp 31 ad ed, D 17.1.26.3 Paul 32 ad ed und D 17.1.50 pr. Cels 38 dig erwirbt der Bürge auch dann einen Regreßanspruch, wenn ein Dritter für ihn leistet; dazu u. § 11 bei A. 17. Die bloße Verurteilung des Bürgen wird seit der Spätklassik der Zahlung gleichgestellt; vgl. vor allem C 4.35.6 Gord (post exsolutam pecuniam vel factam condemnationem), aber auch schon D 46.1.45 Scaev 6 dig. In D 17.1.11 Pomp 3 ex Plaut ist dies dagegen erst für den Fall anerkannt, daß der verurteilte Bürge den Gläubiger beerbt. Andere regreßbegründende Tatbestände werden nur von Fall zu Fall anerkannt; vgl. D 17.1.10.13 gegenüber D 17.1.12 pr. (beide Ulp 31 ad ed) zum Erlaß,

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

gen18 voraus. Drittens schließlich erfüllt zwar die Verurteilung des Hauptschuldners den infamierenden Tatbestand mandati condemnatus, nicht aber die Verurteilung aus der regulären actio mandati contraria.19 Daß die actio in factum in den Quellen nicht als solche bezeichnet wird, dürfte jedenfalls teilweise mit dem Sprachgebrauch der klassischen Juristen zu erklären sein: Die Klage steht im Ediktstitel Mandati und hat einen klar abgegrenzten Anwendungsbereich. Sie kann daher ohne die Gefahr eines Mißverständnisses als actio mandati bezeichnet werden, und wenn es nicht um die Besonderheiten der Klagformel geht, ist der Zusatz in factum entbehrlich. Mit dem Ende des Formularprozesses verliert er dann jede Bedeutung. Daher liegt es nahe, daß er von den Kompilatoren auch aus den übrigen Quellen gestrichen wurde. 3. Daß die actio in factum nicht nur für die Zahlung des Bürgen, sondern auch für die im Auftrag oder mit Duldung des Schuldners erbrachte Leistung eines Dritten zuständig ist, erschließt Kreller20 zum einen aus D 17.1.6.2 Ulp 31 ad ed Si passus sim aliquem pro me fideiubere vel alias intervenire, mandati teneor . . .21

Der Satz gehört zu dem ersten Fragment, das aus Ulpians Kommentar zum Mandatsedikt überliefert ist. Da er außerdem weit vor den übrigen Texten zum Bürgenregreß steht22, bezieht Kreller23 ihn auf ein klagverheißendes Edikt des Prätors, wie es bei einer actio in ius concepta nicht zu erwarten wäre. In der Sache bestätigt der Text nicht nur, daß die Duldung des Hauptschuldners genügt, um dem Bürgen die actio mandati zu verschaffen. Ulpian sagt auch ausD 17.1.26.2 Paul 32 ad ed zur delegatio obligandi oder D 17.1.56.1 Pap 3 resp und D 46.1.64 Herm 2 iur ep zur Hinterlegung. Entscheidend ist dabei, ob sie der solutio gleichgestellt werden können; vgl. D 17.1.26.3 Paul 32 ad ed (quatenus nihil intersit utrum nummos solverit creditori an eum liberavit) einerseits und D 46.1.21.5 Afr 7 quaest (non posse intellegi ipsum a se fideiussorem pecuniam exegisse) andererseits. Daher nimmt Kaser (o. A. 9) 124 A. 165 zu Recht an, daß in der Formel der actio in factum nur die solutio ausdrücklich genannt ist; vgl. auch schon Partsch Bürgschaft 274 f. A. 4, vorsichtiger Kreller (o. A. 10) 124 f. mit 125 A. 2, der lediglich das Verheißungsedikt auf die solutio beschränkt (124 mit A. 2). 18 Vgl. vor allem D 17.1.26.2 Paul 32 ad ed (abesse intellegitur pecunia fideiussori) und D 17.1.47 pr. Pomp 3 ad Plaut (quia intellegitur abesse ei pecunia); dazu Lenel EP 297, Kreller (o. A. 10) 125 A. 1, 127 f. und Kaser (o A. 9) 124 A. 165. 19 Vgl. D 3.2.6.5 Ulp 6 ad ed einerseits und § 7 desselben Fragments sowie D 3.2.1 Iul 1 ad ed (zur Inskription Lenel Paling. I 484 A. 4 und II 441 A. 3) andererseits; dazu Kreller (o. A. 10) 120, 128 ff. und Kaser (o. A. 9) 126 ff. 20 (O. A. 10) 124 A. 1; vgl. auch 122. 21 Übersetzung: Wenn ich geduldet habe, daß jemand für mich bürgt oder anders interveniert, hafte ich mit der Mandatsklage. Zum Fortgang des Textes u. § 11 A. 54 und § 12 A. 25. 22 Vgl. Lenel Paling. II 619 ff. (Ulpian 907). Vom Bürgenregreß handelt erst Ulpian 910, und die reguläre actio contraria wird im Anschluß daran kommentiert (Ulpian 911 bis 916). 23 (O. A. 10) 122 ff.; zustimmend Kaser (o. A. 9) 124 mit A. 164, vgl. auch 125 f.

§ 10 Das ,Deckungsverhältnis‘ bei der Drittleistung

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drücklich, daß dies genauso für jemanden gilt, der auf andere Weise für den Schuldner ,interveniert‘24. Wenn es also eine besondere actio mandati in factum gibt, dann beschränkt sich ihr Anwendungsbereich nicht auf die Bürgschaft. Daß er auch die Leistung auf fremde Schuld umfaßt, ist nach der Bedeutung von intervenire möglich25 und nach Krellers zweiter Quelle auch wahrscheinlich: D 17.1.12.5 Ulp 31 ad ed Si filio familias mandavi, ut pro me solveret, patrem, sive ipse solverit sive filius ex peculio, mandati acturum Neratius ait, quod habet rationem: nihil enim mea interest, quis solvat. (§ 6) Si filio familias mandavero, ut pro me solveret, et emancipatus solvat, verum est in factum actionem filio dandam, patrem autem post emancipationem solventem negotiorum gestorum actionem habere.26

Der Schuldner beauftragt einen filius familias, für ihn an den Gläubiger zu leisten. Aus diesem Zahlungsauftrag wird der filius selbst verpflichtet.27 Solange er der patria potestas unterworfen ist, kann er jedoch keine eigenen Rechte erwerben28, und daher steht die Klage aus dem Mandat seinem Vater zu. Nach Neraz, dessen Entscheidung in § 5 mitgeteilt wird, gilt dies nicht nur, wenn der beauftragte filius an den Gläubiger leistet; auch für eine eigene Leistung kann der Vater mit der Auftragsklage Regreß nehmen. Ulpian billigt diese Entscheidung, weil es für den Schuldner keinen Unterschied macht, wer ihn befreit.29 In § 6 stellt er jedoch durch eine Fallvariante klar, daß der Vater nicht selbst beauftragt ist: Der filius wird nach Erteilung des Auftrags emanzipiert. Jetzt kann der Vater aus dem Mandat seines Sohnes keine Klagen mehr erwerben. Daher steht ihm, wenn er selbst leistet, nur noch die actio negotiorum gestorum contraria zur Verfügung, und aus der Leistung des filius emancipatus 24 Die Wendung vel alias intervenire wird durch D 50.17.60 Ulp 10 disp (semper qui non prohibet pro se intervenire, mandare creditur) bestätigt. Daher besteht kein Anlaß, sie durch spondere vel fidepromittere zu ersetzen; so aber Frezza I 162 (anders 192), für Echtheit auch Kreller (o. A. 10) 122 mit A. 2 und 124 mit A. 1 sowie Kaser (o. A. 9) 125 A. 167, jeweils mwN. 25 Vgl. etwa D 24.1.50 pr. Iav 13 epist (si, cum mulier viginti servum emisset, in eam emptionem vir quinque venditori dedit . . . aere alieno suo interventu viri liberata est) und zur allgemeinen Bedeutung des Wortes Kreller (o A. 10) 124 A. 1 mwN. 26 Übersetzung: Wenn ich einen Haussohn beauftragt habe, für mich zu leisten, dann, sagt Neraz, wird der Vater aus Mandat klagen, wenn er entweder selbst geleistet hat oder der Sohn aus dem Pekulium. Das hat Sinn. Mir kommt es nämlich nicht darauf an, wer leistet. (§ 6) Wenn ich einen Haussohn beauftragt habe, für mich zu leisten, und er leistet nach seiner Emanzipation, dann ist es richtig, daß dem Sohn eine actio in factum gewährt werden muß, daß aber der Vater, wenn er nach der Emanzipation zahlt, die Geschäftsführungsklage hat. 27 Vgl. nur D 44.7.39 Gai 3 ad ed prov und speziell zum Mandat D 17.1.12.13 Ulp 31 ad ed. 28 Vgl. nur Gai 2.87. 29 Dazu u. § 14 III 2 a. E.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

wird er überhaupt nicht berechtigt. Vielmehr erwirbt der filius selbst eine actio in factum gegen den Schuldner. Nach Kreller30 handeln beide Paragraphen von der in factum konzipierten Sonderklage, die auch für den Bürgenregreß zuständig ist. Für diese Annahme spricht vor allem der Kontext in Ulpians Ediktskommentar. Denn hier gehören fr. 5 und 6 zu demselben Abschnitt, der auch dem Bürgenregreß gewidmet ist.31 Sie knüpfen unmittelbar an den in § 4 behandelten Fall des filius familias fideiussor an und stehen noch vor dem Beginn des Kommentars zur actio mandati contraria in ius concepta in § 7. Daß die Klage des filius in § 6 als actio in factum bezeichnet wird, ist ein zusätzliches Indiz, das allerdings für sich genommen kaum beweiskräftig wäre. Weil er den Zahlungsauftrag vor seiner Emanzipation übernommen hat, steht dem filius emancipatus nämlich keine reguläre Mandatsklage, sondern nur eine actio utilis zu.32 Der Zusatz in factum könnte sich also auch auf die Formel dieser analogen Klage beziehen33 und nicht nur auf die Sonderklage des Intervenienten. Bei der actio utilis des emancipatus ist jedoch eher mit einer fiktizischen Fassung der jeweiligen Grundklage zu rechnen als mit einer eigenen formula in factum concepta.34 Aus diesem Grund vermutet Kreller35, daß Ulpian mit der Bezeichnung in factum auf die besondere Formel der Regreßklage hinweist und daß die Kompilatoren diesen Zusatz ausnahmsweise nicht gestrichen haben, „sei es aus Versehen, sei es, weil sie meinten, daß er die Besonderheit des Falles – Ignorierung der Emanzipation – so am besten andeute.“ Schließlich läßt sich nur mit Krellers These befriedigend erklären, warum die eigene Leistung des Vaters vor der Emanzipation die actio mandati begründet, nachher aber nur noch die actio negotiorum gestorum: Die actio in factum entsteht erst mit der Leistung36, und wenn diese erst nach der Emanzipation er30 (O. A. 10) 124 A. 1 und 125 f., anders jedoch SZ 59 (1939) 398; vgl. auch Frezza I 167 mit A. 1. 31 S. o. A. 22. 32 Vgl. vor allem den Vergleichsfall am Schluß von D 28.5.47 Afr 2 quaest (non absurde dici possit mandati actionem futuram: et eam actionem patri inutilem fore, quia non sit ex bona fide id ei restitui, quod testator ad eum pervenire noluerit. sed nec filio vulgarem competituram, verum utilem, sicuti dare placeret ei, qui, cum filius familias esset, pro aliquo fideiussisset ac pater familias solvisset), aber auch die actio utilis in D 46.1.10.2 Ulp 7 disp und dazu Frezza I 168 A. 1, Valiño 216 f. und Lehmann ANRW II 14 (1982) 221. 33 So etwa Lenel EP 296 und SZ 51 (1931) 4 A. 3. 34 Vgl. Kreller (o. A. 10) 125 mit A. 4. Für die actio utilis in D 28.5.47 Afr 2 quaest (o. A. 32) vermuten Watson SZ 78 (1961) 399 und Valiño 88 (ebenso 216 f. zu D 46.1.10.2 Ulp 7 disp) die Fiktion ac si pater familias esset; zurückhaltend dagegen Lenel EP 296. 35 (O. A. 10) 126 A. 1. 36 S. o. A. 17.

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folgt, kann dem Vater das Mandat seines Sohnes nicht mehr zugerechnet werden. Er hat die actio in factum darum nie erworben. Denn bis zur solutio fehlte die eine und nach der Emanzipation die andere Klagevoraussetzung. Bei der in ius konzipierten actio mandati contraria kommt diese Erklärung nicht in Betracht. Die intentio dieser Klage setzt nämlich nur das Mandat voraus37, und dessen Abschluß erfolgte vor der Emanzipation. Es besteht auch kein Grund, dem Vater die einmal erworbene Klage zu versagen, wenn er selbst das Mandat erfüllt und seine eigenen Aufwendungen geltend macht. Daher müßte man annehmen, daß er die Klage zunächst kraft seiner patria postestas erworben und anschließend durch die Emanzipation des filius wieder verloren hätte. Dies widerspricht jedoch der einzigen Parallelstelle zu diesem Problem.38 D 17.1.12.5 und 6 liefern damit zwar keinen Beweis, wohl aber starke Indizien für Krellers Vermutung. Dasselbe gilt für ein Ulpianfragment zur actio mandati de peculio, auf das zum Abschluß noch kurz hinzuweisen ist: D 15.1.3.7 Ulp 29 ad ed Cui congruit, quod idem Iulianus scribit, si a filio meo fideiussorem accepero, quidquid a fideiussore accepero, id me non de in rem verso, sed de peculio actione mandati praestaturum. idem accipias et in servi fideiussore, idemque si alius mihi pro filio meo debitore solvisset . . .39

Der Vater hat eine ,Forderung‘ gegen seinen filius familias durch einen Bürgen sichern lassen. Die Bürgschaft ist wirksam40 und trotz der eigenen adjekti37 Sie scheint bis auf die Umstellung der Namen mit der actio directa identisch zu sein; vgl. nur Gai 3.155 und D 44.7.5 pr. Gai 3 aur sowie Lenel EP 295 f., Kreller (o. A. 10) 134 ff., Schwarz (o. A. 9) 202 ff. und Kaser RP I 529, jeweils mwN. 38 In D 28.5.47 Afr 2 quaest (o. A. 32) wird dem Vater die actio mandati (directa) aus einem Auftrag seines inzwischen emanzipierten Sohnes nur deshalb verwehrt, weil ihre Gewährung den besonderen Zweck dieses Geschäfts vereiteln würde und darum gegen die bona fides verstieße (quia non sit ex bona fide id ei restitui, quod testator ad eum pervenire noluerit). Diese Begründung setzt voraus, daß die Klage nicht schon wegen der Emanzipation ausgeschlossen ist, sondern nur aus besonderen Gründen versagt werden kann. Daß es auf die Emanzipation nicht ankommt, bestätigt zudem D 17.1.2.2 Ulp 31 ad ed. Denn dort wird dem Vater mit einer ähnlichen Begründung die Regreßklage aus dem Mandat seines Sohnes verweigert, obwohl dieser noch in seiner patria potestas steht. 39 Übersetzung: Damit stimmt überein, was derselbe Julian schreibt: wenn ich von meinem Sohn einen Bürgen gestellt bekomme, was auch immer ich von dem Bürgen erhalte, daß ich dies nicht mit der auf die Bereicherung, sondern mit der auf das Sondergut beschränkten Auftragsklage leisten werde. Dasselbe nimmt man auch für den Bürgen eines Sklaven an und wieder dasselbe, wenn ein anderer für meinen Sohn als Schuldner an mich gezahlt hätte. 40 Verpflichtungen des filius familias gegenüber seinem Vater sind zwar zivilrechtlich nicht anerkannt (Gai 4.78 und Gai 3.104), können aber durch fideiussio gesichert werden und gelten daher seit der Hochklassik als obligationes naturales; vgl. Gai 3.119 a, D 46.1.56.1 Paul 15 quaest, D 46.1.70.3 Gai 1 de verb obl sowie etwa D 12.6.38.1 Afr 9 quaest und D 15.1.11.2 Ulp 29 ad ed.

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zischen Haftung des Vaters auch zweckmäßig: Wenn er zahlt, kann der Bürge zwar mit einer Mandatsklage beim filius Regreß nehmen, und aus dieser Klage haftet auch der Vater, er haftet aber nicht de in rem verso41, sondern nur de peculio. Seine Haftung wird also gegenstandslos, sobald das Sondergut des filius erschöpft ist, und damit ist der Vater gerade im Sicherungsfall geschützt. Ulpian erstreckt diese aus Julians Digesten übernommene Entscheidung zunächst auf den Bürgen, den ein Sklave seinem dominus gestellt hat (idem accipias et in servi fideiussore), und dann auf den Fall, daß ein Dritter auf die Naturalobligation des filius leistet42 (idemque si alius mihi pro filio meo debitore solvisset). Auch die Leistung des Dritten begründet also eine Mandatsklage gegen den Sohn, für die der Vater de peculio haftet. Nach dem Duktus des Textes ist dies dieselbe Klage, mit der auch ein Bürge Regreß nehmen kann. Denn von dieser Klage handelt nicht nur die Ausgangsentscheidung, sondern auch der erste Vergleichsfall, und hier hebt Ulpian die Parallelität nicht stärker hervor als im zweiten (idem . . . idemque). Wenn es also eine besondere in factum konzipierte Regreßklage gibt, dann ist sie für die Drittleistung ebenso zuständig wie für die Bürgschaft.43 Ein weiteres Argument liefert der unmittelbare Kontext der Entscheidung: In §§ 5 und 6 desselben Fragments behandelt Ulpian die Bürgschaft des Gewaltunterworfenen zusammen mit anderen Formen der ,Intervention‘44 (si filius familias vel servus pro aliquo fideiusserint vel alias intervenerint), und in § 7 stellt er den spiegelbildlichen Fall der Bürgschaft für den Gewaltunterworfenen neben das solvere pro filio debitore. Dies bestätigt Krellers Annahme, daß die Zahlung einer fremden Schuld auch in D 17.1.6.2 zu den Fällen gehört, die Ulpian mit den Worten pro me fideiubere vel alias intervenire der Bürgschaft gleichstellt. 4. Obwohl ein unmittelbarer Beleg in den Quellen fehlt, erscheint nach alledem die Annahme gerechtfertigt, daß die vom Schuldner geduldete Drittleistung in den Anwendungsbereich einer besonderen in factum konzipierten Mandatsklage fällt. Als Deckungsverhältnis bei der Drittleistung kommt danach auch eine Sonderform des Mandats in Betracht. 41 Die Zahlung des Bürgen ist also keine versio in rem patris. Andernfalls müßte sie sofort zurückerstattet werden, und damit wäre die Bürgschaft – jedenfalls bis zur Emanzipation des filius – sinnlos. 42 Von der Drittleistung auf die Naturalobligation eines Gewaltunterworfenen gegenüber seinem Gewalthaber handeln auch D 12.6.13 pr. Paul 10 ad Sab und D 15.1.4.5 Pomp 7 ad Sab. 43 Auf eine einheitliche Regreßklage deutet auch D 46.1.31 Ulp 23 ad ed (si fideiussor vel quis alius pro reo ante diem creditori solverit). Hier ist allerdings nicht sicher, ob Ulpian von einer actio mandati oder von der actio negotiorum gestorum handelt; s. u. § 11 A. 33 f. 44 Von der Drittleistung selbst ist hier zwar nicht die Rede, wohl aber von dem Auftrag, an einen Dritten zu leisten; vgl. D 15.1.3.6 (u. A. § 11 A. 76).

§ 11 Drittleistung und negotiorum gestio

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§ 11 Drittleistung und negotiorum gestio I. Vorbemerkungen Die Drittleistung gehört zu den wichtigsten Fallgruppen der negotiorum gestio.1 Dies bezeugt zum einen die recht umfangreiche Kasuistik2 und zum anderen die laudatio edicti in D 3.5.1 Ulp 10 ad ed. Denn danach dient das Edikt De negotiis gestis in erster Linie den Interessen des abwesenden Schuldners, dem ohne die freiwillige Hilfe eines Dritten Vermögensvollstreckung, Pfandverkauf oder der Verfall einer Vertragsstrafe droht. Diese Nachteile kann der negotiorum gestor nicht nur im Wege der Prozeßdefension abwenden3, sondern ebensogut dadurch, daß er die geschuldete Leistung erbringt.4 Die Drittleistung dürfte daher – historisch wie funktionell – dem Kernbereich der negotiorum gestio zuzurechnen sein5, und so überrascht es nicht, daß sie den von Seiler herausgearbeiteten ,Tatbestand‘ dieses Instituts in aller Regel erfüllt: Sie ist ein Geschäft, das dem Interessenbereich des Schuldners angehört (negotium alterius)6, der Dritte hat auch den animus aliena negotia gerendi 7, und er handelt zum Nutzen des Schuldners (utiliter)8, ohne ihm aus Auftrag oder anderen Gründen zur Besorgung seiner Geschäfte verpflichtet zu sein.9 Dies alles gilt jedoch nur für den Regelfall und bedeutet nicht, daß dem Dritten mit der actio negotiorum gestorum contraria stets und sozusagen automatisch eine Regreßklage zur Verfügung stünde. Vielmehr sind eine Reihe von 1 Vgl. Seiler 11, zum Gemeinen Recht Oertmann 483 ff. und zur Dogmengeschichte Wollschläger 76 ff. 2 Hierher gehören D 3.5.31 pr. Pap 3 resp, D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav, D 3.5.44.2 Ulp 4 opin, D 17.1.12.6 Ulp 31 ad ed, D 17.1.50 pr. Cels 38 dig, D 20.6.1 pr. Pap 11 resp, D 22.1.37 Ulp 10 ad ed, C 2.18.3 Sev/Ant, C 2.18.12 Alexander, C 2.18.15 Gord und C 2.18.16 Gallus/Volus. 3 Zum entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen negotiorum gestio und defensio grundlegend Wlassak Zur Geschichte der negotiorum gestio (1879) 39 ff.; vgl. auch Seiler 47 ff. und Negri DRO 662 ff., jeweils mwN. 4 Vgl. vor allem D 22.1.37 Ulp 10 ad ed. 5 Vgl. nur Zimmermann 437 bei A. 31 und Wollschläger 79. 6 Seiler 16 ff., 324 f. und 330, vgl. auch Wittmann Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag (1981) 39 ff., Reichard AcP 193 (1993) 572 ff. und 581 ff. und o. § 8 bei A. 45. 7 Seiler 21 ff. und 325 ff., vgl. auch Wittmann und Reichard (o. A. 6). 8 Seiler 51 ff. und 327, vgl. auch Mayer-Maly SZ 86 (1969) 429 ff., Zimmermann 442 f., Negri DOR 682 ff. und zuletzt Ankum OIR 1 (1995) 19 ff. 9 Seiler 38 ff., 114, 145 ff., 263 ff., 297 ff., 327 f. und 329. Die absentia, die Seiler 47 ff. und 329 nicht zu den zwingenden Erfordernissen der negotiorum gestio zählt, ist bei der Drittleistung jedenfalls dann unproblematisch, wenn man der o. § 10 II vertretenen Ansicht folgt, daß die vom Schuldner geduldete Drittleistung nach Mandatsrecht behandelt wird, und andererseits berücksichtigt, daß die Geschäftsführung prohibente domino nach umstrittener, aber wohl vorherrschender Auffassung keine negotiorum gestio ist; dazu u. III.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

Fällen belegt oder zumindest erschließbar, in denen diese Klage nicht statthaft ist, weil es entweder an einer ihrer Voraussetzungen fehlt oder weil ein besonderer Ausschlußtatbestand eingreift. Für eine spezifisch pfandrechtliche Fallgruppe der Drittleistung im eigenen Interesse wurde dies bereits in § 8 (unter II 2) dargelegt. Der gebotene Bereicherungsausgleich wird in diesen Fällen gerade nicht durch eine extensive Anwendung der actio negotium gestorum contraria erreicht, sondern durch andere, der jeweiligen Fallgruppe angemessene Rechtsbehelfe bis hin zum beneficium cedendarum actionum. Hier wird sogar die obligationstilgende Wirkung der Drittleistung zugunsten des Zessionsregresses aufgegeben, wenn auch nur als ultima ratio und so, daß die Befriedigung des Gläubigers dadurch nicht gefährdet wird. Im folgenden soll untersucht werden, ob diese oder ähnliche Folgen auch dann eintreten, wenn die actio negotiorum gestorum contraria aus anderen Gründen ausgeschlossen ist: Wird sie stets durch besondere Formen des Rückgriffs ersetzt, und schlägt der Mangel des Deckungsverhältnisses auch noch in anderen Fällen auf die befreiende Wirkung der solutio durch? II. Die utilitas der Drittleistung 1. Von der utilitas der Drittleistung handeln zwei Quellen. Die erste ist ein Fragment aus Labeos nachgelassenen Schriften, das mit seinem hohen Abstraktionsniveau die theoretische Erfassung des Problems schon für das frühklassische Recht bezeugt: D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav Cum pecuniam eius nomine solveres, qui tibi nihil mandaverat, negotiorum gestorum actio tibi competit, cum ea solutione debitor a creditore liberatus sit: nisi si quid debitoris interfuit eam pecuniam non solvi.10

Wenn ein Dritter, ohne dazu beauftragt zu sein, auf eine fremde Schuld leistet, steht ihm grundsätzlich die actio negotiorum gestorum contraria zu. Labeo11 begründet diesen allgemeinen Satz zunächst mit der befreienden Wirkung der Drittleistung und schränkt ihn12 dann ein: Die Klage ist ausnahmsweise 10 Übersetzung: Wenn du Geld auf den Namen desjenigen gezahlt hast, der dir nichts aufgetragen hatte, steht dir die Geschäftsführungsklage zu, weil durch diese Zahlung der Schuldner vom Gläubiger befreit worden ist; es sei denn, der Schuldner hatte ein Interesse daran, daß dieses Geld nicht gezahlt wird. 11 Nach Kohlhaas Die Überlieferung der libri posteriores des Antistius Labeo (1986) 116 f. hat Javolen den bei Labeo vorgefundenen Text wörtlich in die Labeonis libri posteriores a Iavoleni epitomati übernommen und nur selten eine eigene Stellungnahme angefügt. Danach ist fr. 42 jedenfalls bis liberatus sit Labeo selbst zuzuschreiben. Für nisi si rell. ist dies allerdings nicht sicher. Denn die Wendung nisi si ist in dem Werk viermal belegt und in einem dieser Texte (D 19.1.51.1 Lab 6 post epit a Iav) gehört sie zu einer Note Javolens (vgl. Kohlhaas 148 f. A. 61). Die dort erhaltene Einleitung hoc ita verum puto (nisi si . . .) könnte in fr. 42 von den Kompilatoren gestrichen worden sein. Dies würde die auffällige Stellung des nisi-Satzes (dazu sogleich

§ 11 Drittleistung und negotiorum gestio

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nicht anwendbar, wenn der Schuldner ein Interesse daran hatte, daß die Leistung unterbleibt. Bei seiner abstrakt gefaßten Aussage setzt Labeo voraus, daß eine Drittleistung regelmäßig den Tatbestand der negotiorum gestio erfüllt. Von den verschiedenen ,Tatbestandsmerkmalen‘ hebt er in der Begründung eine hervor: Der Dritte befreit den Schuldner13 und handelt darum grundsätzlich auch utiliter.14 Denn eine Leistung, die der Schuldner früher oder später15 selbst hätte erbringen müssen, ist für ihn weder unnötig noch belastend.16 Auf dieselbe Voraussetzung bezieht sich auch der anschließende nisi-Satz. Er beschreibt in abstrakter Form, wann eine Drittleistung ausnahmsweise nicht utilis ist: si quid debitoris interfuit eam pecuniam non solvi. Beispiele für ein solches Interesse, das die utilitas der Drittleistung aufhebt und damit die actio negotiorum gestorum contraria ausschließt, gibt Labeo nicht. Sie sind auch sonst nicht unmittelbar belegt. Ein Hinweis findet sich aber in der zweiten Stelle zur utilitas der Drittleistung: in A. 12) erklären. Die Echtheit dieses Satzes ist dagegen nicht zu bezweifeln; vgl. Horak 112. 12 Nach seiner syntaktischen Stellung könnte der nisi-Satz auch als Ausnahme zu der unmittelbar vorausgehenden Begründung gelesen werden. Er bedeutete dann, daß die obligationstilgende Wirkung einer Drittleistung (und nur mittelbar auch die actio negotiorum gestorum contraria) vom Interesse des Schuldners abhinge. Eine solche Einschränkung ist aber in keiner anderen Quelle zur Drittleistung überliefert – im Gegenteil: In D 12.6.8 Paul 6 ad Sab und D 46.1.31 Ulp 23 ad ed wird die befreiende Wirkung nicht in Frage gestellt, obwohl das Interesse des Schuldners an der Leistung in den dort entschiedenen Fällen zumindest zweifelhaft ist (s. u. bei A. 30 ff. und 36 ff.). Daß Labeo in dieser Frage eine Sondermeinung vertritt, ist weder belegt noch aus D 46.3.91 Lab 6 pith a Paulo epit oder D 13.5.27 Ulp 14 ad ed zu erschließen. Denn diese Stellen handeln nur vom ausdrücklichen Widerspruch des Schuldners (zu der Frage, ob Labeo hier eine ,Sondermeinung‘ vertritt, u. § 25) und nicht allgemein von entgegenstehenden Interessen. Auf der anderen Seite läßt sich der nisi-Satz unmittelbar aus den Grundsätzen der negotiorum gestio erklären, und zwar aus dem gleichen Gedanken wie die vorausgehende Begründung (s. sogleich im Text). Er ist darum unmittelbar auf negotiorum gestorum actio tibi competit zu beziehen und dem cumSatz grammatisch gleichgeordnet. 13 Vgl. dazu Seiler Fg. Kaser (1986) 252 f. Nach D 5.1.74.2 Iul 5 dig und D 17.1.58 pr. Paul 4 quaest genügt sogar die prätorische Befreiung des Schuldners durch einen Dritten; vgl. Seiler 253. 14 Dementsprechend begründet die Drittleistung an einen falsus procurator mangels befreiender Wirkung nur dann die actio negotiorum gestorum contraria, wenn sie vom Schuldner genehmigt wird; vgl. D 47.2.81.7 Pap 12 quaest. 15 Entgegen Seiler 52 bei A. 6 ist die Drittleistung nicht per se als ,notwendige‘ Geschäftsführung – im strengen Sinn von D 50.16.79 pr. Paul 6 ad Plaut – anzusehen. Eine besondere Dringlichkeit, die es erforderlich macht, daß der Dritte anstelle des Schuldners leistet, besteht vielmehr nur in Ausnahmefällen; vgl. etwa D 22.1.37 Ulp 10 ad ed (u. A. 35). 16 Vgl. nur D 3.5.9.1 Ulp 10 ad ed (habet actionem, qui utiliter negotia gessit: non autem utiliter negotia gerit, qui rem non necessariam vel quae oneratura est patrem familias adgreditur) und dazu Harke 44 ff.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

D 17.1.50 pr. Cels 38 dig Si is qui negotia fideiussoris gerebat ita solvit stipulatori, ut reum fideiussoremque liberaret, idque utiliter fecit, negotiorum gestorum actione fideiussorem habet obligatum, nec refert, ratum habuit nec ne fideiussor. sed fideiussor etiam antequam solveret procuratori pecuniam, simul ac ratum habuisset, haberet tamen mandati actionem.17

Der procurator18 eines Bürgen hat auf dessen Verbindlichkeit gezahlt und dadurch sowohl den Bürgen selbst als auch den Hauptschuldner befreit.19 Celsus untersucht zunächst die Ausgleichspflicht des Bürgen: Der procurator kann, wenn er utiliter gehandelt hat, mit der actio negotiorum gestorum contraria20 Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Auf die Genehmigung des Bürgen kommt es in diesem Fall nicht an. Die zweite Entscheidung betrifft die actio mandati des Bürgen gegen den Hauptschuldner und hier speziell das Erfordernis des pecuniam abesse21. Wie der Irrealis zeigt, geht es allerdings nicht mehr 17 Übersetzung: Wenn derjenige, der die Geschäfte eines Bürgen führte, so an den Stipulationsgläubiger geleistet hat, daß er den Hauptschuldner und den Bürgen befreite, und wenn er dies utiliter getan hat, dann hat er den Bürgen mit der Geschäftsführungsklage verpflichtet, und es kommt nicht darauf an, ob der Bürge genehmigt oder nicht. Aber auch bevor der Bürge das Geld an seinen procurator auszahlte, hätte er dennoch, sobald er genehmigt hätte, die Auftragsklage. 18 Daß mit is qui negotia fideiussoris gerebat ein procurator (omnium rerum) gemeint ist, ergibt sich aus antequam solveret procuratori pecuniam im zweiten Satz des Fragments; vgl. nur Seiler 106 und zuletzt Cenderelli La negotiorum gestio I (1997) 125, anders Harke 46 f., der diesen Satz auf einen ,einfachen‘ procurator bezieht, weil das dort erwähnte Genehmigungserfordernis (simul ac ratum habuisset) sonst in Widerspruch zu D 46.3.87 Cels 20 dig (cum quis procuratorem omnium rerum suarum constituit, id quoque mandare videtur, ut creditoribus suis pecuniam solvat neque post ea exspectandum est, ut ratum habeat) stünde. Das Argument aus fr. 87 (zu diesem Text u. § 14 II) überzeugt jedoch nicht: Diese Auslegungsentscheidung, nach der die Einsetzung zum procurator omnium rerum ein mandatum solvendi umfaßt und damit eine ratihabitio entbehrlich macht, läßt sich nicht ohne weiteres auf den in fr. 50 pr. behandelten Fall übertragen. Denn hier hebt Celsus ausdrücklich hervor, daß die Zahlung auf eine Bürgenschuld nicht immer im Interesse des Bürgen liegt (idque utiliter fecit; dazu sogleich im Text). Aus diesem Grund ist auch die Annahme eines uneingeschränkten Zahlungsauftrags nicht in allen Fällen interessengerecht, und deshalb stellt Celsus schon im ersten Satz klar, daß eine ratihabitio des Bürgen nur dann entbehrlich ist, wenn der procurator utiliter handelt. Genauso erklärt sich auch simul ac ratum habuisset im zweiten Satz: Fehlt die utilitas, dann ist der Bürge seinem procurator nur dann zum Ausgleich verpflichtet, wenn er genehmigt. Bis dahin steht ihm auch keine actio mandati gegen den Hauptschuldner zu. Denn ohne die Ausgleichspflicht fehlt es an einem eigenen Vermögensnachteil, der dem Erfordernis des pecuniam abesse gleichgestellt werden kann (s. u. A. 21). 19 Wenn der Bürge selbst auf seine Bürgenschuld zahlt, erlischt mit dieser auch die Hauptschuld (s. u. § 17 bei A. 6 ff.). Die Leistung eines Dritten (vgl. dazu auch D 17.1.12.1 und 2 Ulp 31 ad ed) hat dieselbe doppelte Wirkung. 20 D 17.1.50 pr. ist einer der wichtigsten Belege dafür, daß das Innenverhältnis zwischen dem procurator und seinem dominus bis in die Hochklassik als negotiorum gestio qualifiziert wird; vgl. dazu etwa Watson Mandate 37 f., Mecke SDHI 28 (1962) 108 f., Seiler 106 f., Kaser SZ 100 (1983) 187 ff. und Cenderelli (o. A. 18) 103 ff.; anders Angelini 200 f. und Negri DRO 666 ff.

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um den Ausgangssachverhalt, sondern um den abgewandelten Fall, daß der procurator nicht utiliter gehandelt hat. Hier kann der Bürge nicht erst dann Regreß nehmen, wenn er seinen procurator ausgezahlt hat. Celsus läßt es vielmehr genügen, daß er dessen Zahlung genehmigt. Das Erfordernis des pecuniam abesse ist also schon dann erfüllt, wenn der Bürge durch die ratihabitio eine eigene Ausgleichspflicht begründet. Nach Celsus’ erster Entscheidung genügt es für die actio negotiorum gestorum contraria nicht, daß der procurator den Bürgen von seiner Verbindlichkeit befreit hat. Er muß außerdem noch utiliter gehandelt haben (liberaret, idque utiliter fecit). Die utilitas einer befreienden Leistung, die nach Labeo nur ausnahmsweise fehlt und darum auch in keiner anderen Quelle zur negotiorum gestio besonders erwähnt wird, hat also in fr. 50 pr. eine eigenständige Bedeutung. Da Celsus Labeos Auffassung zur utilitas grundsätzlich teilt22, kann dies kaum auf eine Klassikerkontroverse zurückgeführt werden. Der Zusatz idque utiliter fecit ist auch keine Anspielung darauf, daß dem Bürgen nicht nur an seiner Befreiung gelegen ist, sondern auch an der actio mandati gegen den Hauptschuldner. Denn diese Klage kann sich der Bürge nach Celsus’ zweiter Entscheidung jedenfalls dadurch verschaffen, daß er die Leistung des procurator genehmigt.23 Die Erklärung dürfte vielmehr mit Seiler24 in einer anderen 21 Zu dieser besonderen Voraussetzung der actio mandati (in factum) beim Bürgenregreß bereits o. § 10 A. 18. Daß sie das Thema von Celsus’ zweiter Entscheidung ist, nimmt auch Watson Mandate 170 f. an; ebenso – wenn auch mit nicht näher begründeten Interpolationsannahmen – Beseler SZ 45 (1925) 256; anders dagegen Mecke (o. A. 20) 109, der im Anschluß an Donatuti Mandato I 133 f. die Ansicht vertritt, das Problem liege bei der rechtsgeschäftlichen Zurechnung: „Wenn der Bürge die Zahlung der Schuld durch seinen procurator genehmigt, macht er die Zahlung zu seiner eigenen. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt die Zahlung seines procurator Zahlung eines Dritten, die dem Bürgen keine Rechte aus dem zwischen ihm und dem Hauptschuldner bestehenden Mandatsverhältnis gibt.“ Gegen diese Interpretation sprechen jedoch D 17.1.12.1 Ulp 31 ad ed und D 17.1.26.3 Paul 32 ad ed. Denn in diesen Entscheidungen wird dem Bürgen ohne jeden Hinweis auf eine ratihabitio die actio mandati gegen den Hauptschuldner zugesprochen, nachdem ein Dritter in Schenkungsabsicht auf die Bürgenschuld gezahlt hat. 22 Vgl. D 3.5.9.1 Ulp 10 ad ed, wo Ulpian von einer Kontroverse berichtet, in der Celsus Labeos Auffassung gegen die Kritik des Proculus verteidigt. 23 Nach der o. bei A. 21 vertretenen Interpretation dieser Entscheidung setzt die actio mandati gegen den Hauptschuldner außerdem voraus, daß der Bürge dem procurator zum Ausgleich verpflichtet ist. Dies kann also nicht seinerseits davon abhängen, daß die Leistung des procurator die actio mandati begründet. 24 52 f.: „Der Jurist macht durch den Zusatz idque utiliter fecit darauf aufmerksam, daß nicht jede Bezahlung der Bürgenschuld für den Bürgen ein negotium utiliter gestum ist, z. B. wenn der Gestor vor Fälligkeit und trotz Zahlungsbereitschaft des Hauptschuldners geleistet hat.“ Diese Besonderheit der Bürgenschuld übersieht Beseler (o. A. 21), für den „das abstrakte idque utiliter fecit . . . ein Stein statt Brotes“ und darum interpoliert ist; zustimmend Mecke (o. A. 20) 109 mit A. 11, vgl. auch Donatuti Mandato I 134, Watson Mandate 170 und Cenderelli (o. A. 18) 125; wie Seiler dagegen Harke 46.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

Besonderheit der Bürgenschuld zu sehen sein: Der Bürge haftet zwar neben dem Hauptschuldner, de facto wird er aber nur dann in Anspruch genommen, wenn der Sicherungsfall eintritt.25 Im Unterschied zu anderen Schuldnern steht für ihn also zunächst nicht fest, ob er die geschuldete Leistung tatsächlich erbringen muß, und darum hat er auch ein besonderes Interesse daran, daß kein anderer verfrüht für ihn leistet. Der Leistung des procurator fehlt deshalb die utilitas, solange der Hauptschuldner zahlungsfähig und -bereit ist. Nach Eintritt des Sicherungsfalls unterscheidet sich die Bürgenschuld dagegen nicht mehr von anderen Verbindlichkeiten: Ohne die Leistung des procurator würde der Bürge selbst in Anspruch genommen, und darum haftet er aus diesem negotium utiliter gestum, ohne daß es noch auf seine Genehmigung ankäme.26 Welche Rechtsfolge das Fehlen der utilitas hat, sagen Labeo und Celsus zwar nicht ausdrücklich, aus ihren Entscheidungen ergibt sich aber zum einen, daß es die actio negotiorum gestorum contraria ausschließt. Denn in fr. 42 beschreibt nisi si quid debitoris interfuit eam pecuniam non solvi eine Ausnahme zu negotiorum gestorum actio tibi competit, und in fr. 50 pr. steht negotiorum gestorum actione fideiussorem habet obligatum unter der Bedingung idque utiliter fecit. Zum anderen stellen Labeo (cum ea solutione debitor a creditore liberatus sit) und Celsus (ut reum fideiussoremque liberaret) die Befreiung des Schuldners nicht in Frage. Sie setzen sie vielmehr unabhängig von der utilitas als gegeben voraus, weil die Drittleistung nur ihretwegen überhaupt als negotium utiliter gestum betrachtet werden kann. Ob der Dritte auch im übrigen utiliter handelt, ist für die befreiende Wirkung seiner Leistung also offenbar bedeutungslos. Drittens schließlich enthalten die beiden Fragmente auch keinen Hinweis darauf, daß der Schuldner im Fall fehlender utilitas einer anderen Regreßklage ausgesetzt wäre. Er wird also auf Kosten des Dritten von seiner Verbindlichkeit frei, weil dessen Leistung weder das Deckungsverhältnis der negotiorum gestio begründet noch zum Bereicherungsausgleich führt. Dieses Ergebnis entspricht der 25

Vgl. nur Kaser RP I 665 mwN. in A. 55. Entgegen Seiler 59 f. ist die Entbehrlichkeit der Genehmigung kein Hinweis darauf, daß Celsus die utilitas grundsätzlich unabhängig vom Willen des Geschäftsherrn bestimmt. Wie Harke 47 A. 164 zutreffend bemerkt, ergibt sich vielmehr aus D 3.5.9.1 Ulp 10 ad ed, daß er das individuelle Interesse des Geschäftsherrn in anderen Fällen durchaus berücksichtigt. Denn dort wird Celsus mit der Entscheidung zitiert, die Reparatur eines Mietshauses, das der Eigentümer derelinquieren will, sei kein negotium utiliter gestum, weil sie aus der Sicht des Eigentümers unnötig ist. Entgegen Harke geht es in fr. 50 pr. aber auch nicht nur „um das formale Erfordernis der ratihabitio“. Mit nec refert, ratum habuit nec ne fideiussor erklärt Celsus auch den nachträglichen Widerspruch für unbeachtlich. Der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn ist danach allenfalls dann von Bedeutung, wenn er schon vor der Leistung geäußert wurde (dazu u. III). Diese Abweichung von fr. 9.1 dürfte mit der Art des negotium gestum zu erklären sein: Anders als die Aufgabe des Eigentums steht die Erfüllung einer Verbindlichkeit nicht im Belieben des Geschäftsherrn. Er kann daher auch nicht einwenden, die Leistung des Geschäftsführers sei unnötig gewesen, weil er selbst nicht habe leisten wollen. 26

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Funktion, die das Tatbestandsmerkmal der utilitas im Recht der negotiorum gestio erfüllt27: Ein unnötiger Eingriff in seinen Geschäftsbereich liegt nicht im Interesse des Geschäftsherrn und soll ihn darum auch nicht mit einer Ersatzpflicht belasten. Das Risiko einer nutzlosen Bereicherung trägt deshalb der Geschäftsführer.28 2. Die Frage, wann eine Drittleistung den Interessen des Schuldners widerspricht und darum nicht als negotium utiliter gestum anzusehen ist, hat die gemeinrechtliche Judikatur und Literatur seit der Glosse beschäftigt.29 Einige der dort diskutierten Beispiele – darunter etwa die Drittleistung, die ein Retentionsrecht des Schuldners vereitelt – könnten auch für das klassische Recht zutreffen. Angesichts der schlechten Quellenlage kann man hierüber aber nur spekulieren. Die einzige Ausnahme ist der Fall, daß ein Dritter vor Fälligkeit zahlt. Denn hiervon handelt D 46.1.31 Ulp 23 ad ed Si fideiussor vel quis alius pro reo ante diem creditori solverit, expectare debebit diem, quo eum solvere oportuit.30

Leistet der Bürge oder ein Dritter vorzeitig auf eine betagte Schuld, so kann er erst dann beim Schuldner Rückgriff nehmen, wenn die Leistung fällig geworden wäre. Für den Mandatsregreß des Bürgen ist diese Lösung schon bei Javolen belegt31, und wie ein Paulusfragment32 zeigt, hat sie sich hier gegen die von anderen Juristen vertretene Ansicht durchgesetzt, daß der Rückgriff sofort möglich sei, wenn auch unter Abzug des Interesses, das der Schuldner an der ter27

Vgl. dazu Seiler 51 und 58 f. Daß dies nach fr. 50 pr. auch für den vom Geschäftsherrn ,beauftragten‘ procurator omnium rerum gilt, ist nur die Konsequenz aus der – wenig sachgerechten, aber bis in die hochklassische Zeit üblichen – Qualifizierung der Prokuratur als negotiorum gestio (s. o. A. 20). Auffälliger ist ein anderer Umstand: Die Leistung des procurator befreit nicht nur den Bürgen, sondern auch den Hauptschuldner. Dieser ist dem Rückgriff des Bürgen aber nur dann ausgesetzt, wenn dem procurator die actio negotiorum gestorum contraria zusteht. Ist dies nicht der Fall (weil der Bürge die Genehmigung einer nicht utiliter erbrachten Leistung verweigert), dann hat der procurator keinen Regreßanspruch, und den Hauptschuldner trifft keine Ausgleichspflicht. Trotzdem zieht Celsus für diesen Fall weder einen direkten Ausgleich zwischen procurator und Hauptschuldner noch die Möglichkeit in Betracht, daß der Bürge im Rahmen der actio negotiorum gestorum contraria zur Zession seiner Regreßklage gezwungen wird. Er nimmt es also offenbar hin, daß der Hauptschuldner auf Kosten des procurator befreit wird, obwohl hier – anders als bei der Befreiung des Bürgen – nicht von einer nutzlosen Bereicherung gesprochen werden kann. 29 Vgl. schon die Glosse zu interfuit in D 3.5.48, aber auch die Übersichten bei Hertz 28 ff. und Oertmann 483 sowie vor allem Wollschläger 77 ff. 30 Übersetzung: Wenn der Bürge oder irgendein anderer für den Schuldner vor Fälligkeit an den Gläubiger leistet, muß der Tag abgewartet werden, an dem dieser zu leisten verpflichtet war. 31 D 17.1.51 Iav 9 ex Cass. 32 D 17.1.22.1 Paul 32 ad ed. 28

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mingerechten Leistung hat (tanti minorem, quanti . . . intersit superveniente die solutum fuisse). Ob fr. 31 ebenfalls zur actio mandati (in factum) gehört, läßt sich weder dem Wortlaut33 noch dem palingenetischen Kontext34 mit Sicherheit entnehmen. Aber auch wenn dies der Fall sein sollte und damit ein unmittelbarer Bezug zur actio negotiorum gestorum contraria fehlt, ist es unwahrscheinlich, daß das Fälligkeitsproblem bei dieser Klage anders gelöst wird. Insbesondere wird man kaum annehmen dürfen, daß die Drittleistung ante diem zu den Fällen gehört, in denen die Klage wegen fehlender utilitas ganz ausgeschlossen ist. Denn nach Labeo setzte dies voraus, daß der Schuldner am Unterbleiben der Leistung (eam pecuniam non solvi) interessiert war und nicht nur an der Einhaltung des Termins (superveniente die solutum fuisse). D 46.1.31 läßt vielmehr den Schluß zu, daß das Kriterium der utilitas flexibel gehandhabt wird: Leistet der Dritte vor Fälligkeit, dann ist der Tatbestand der negotiorum gestio erfüllt, und das Interesse des Schuldners wird erst bei den Rechtsfolgen berücksichtigt.35 3. In den beiden unter 1 besprochenen Quellen zur utilitas wird zwar vor allem das Deckungsverhältnis zwischen Schuldner und Drittem behandelt. Ihnen konnte aber auch entnommen werden, daß die befreiende Wirkung der Drittleistung nicht davon abhängt, ob der Dritte (im übrigen) utiliter handelt. Zur Bestätigung dieses Ergebnisses und zur Verdeutlichung seiner Konsequenzen ist abschließend noch auf ein kurzes Paulusfragment einzugehen. D 12.6.8 Paul 6 ad Sab Quod nomine mariti, qui solvendo non sit, alius mulieri solvisset, repetere non potest: adeo debitum esset mulieri.36

33 Die Wendung pro alio solvere steht zwar vermutlich in der Formel der actio mandati in factum (s. o. § 10 bei A. 17), sie ist aber für die Drittleistung im allgemeinen technisch (s. u. § 15 bei A. 7) und läßt daher keine Rückschlüsse auf das Dekkungsverhältnis zu. 34 Vgl. dazu Lenel Paling. II 548 mit A. 2 (Ulpian 678) und EP 154 f. 35 Eine ähnliche, in diesem Fall allerdings klagerweiternde Anpassung der Rechtsfolgen bezeugt D 22.1.37 Ulp 10 ad ed: Et in contraria negotiorum gestorum actione usurae veniunt, si mutuatus sum pecuniam, ut creditorem tuum absolvam, quia aut in possessionem mittendus erat bonorum tuorum aut pignora venditurus. quid si domi habens propter eandem causam solvi? puto verum, si liberavi ex magno incommodo, debere dici usuras venire, eas autem, quae in regione frequentantur, ut est in bonae fidei iudiciis constitutum: sed si mutuatus dedi, hae venient usurae quas ipse pendo, utique si plus tibi praestarim commodi, quam usurae istae colligunt. Wenn die Drittleistung notwendig war, um die drohende Vermögensvollstreckung oder den Pfandverkauf abzuwenden, und der Dritte aus diesem Grund ein verzinsliches Darlehen aufgenommen hat, dann muß der Schuldner ihm auch die Zinsen erstatten. In diesem Fall ist also auch die Darlehensaufnahme vom Interesse des Schuldners gedeckt und damit utiliter gestum. Im zweiten Teil des Fragments leitet Ulpian daraus sogar eine generelle Verzinslichkeit ab, wie sie – unter der Voraussetzung te necessitate compulsum negotium gessisse – auch in C 2.18.18 Diocl/Max belegt ist und – ohne diese Einschränkung – in D 3.5.18.4 Paul 2 ad Ner.

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Mit dem ständigen Wechsel der Tempora und Modi weist der Text zwar deutliche Spuren einer kompilatorischen Überarbeitung auf, sein Inhalt wird aber zu Recht für klassisch gehalten37 und auch aus dem Zusammenhang erklärt, in den ihn die Kompilatoren gestellt haben.38 Das nächste Fragment in den Digesten ist D 12.6.9 Ulp 66 ad ed Nam et maritus, si, cum facere nihil possit, dotem solverit, in ea causa est, ut repetere non possit.39

Nach Beendigung der Ehe haftet der Ehemann mit der actio rei uxoriae auf Herausgabe der dos. Aus dieser Klage wird er zwar nur auf id quod facere potest verurteilt40, aber wenn etwas geleistet wird, obwohl er insolvent ist und darum freizusprechen wäre41, dann ist die condictio indebiti gleichwohl ausgeschlossen. So entscheidet Ulpian42 in fr. 9 für den Fall, daß der Ehemann selbst versäumt hat, sich auf das beneficium competentiae zu berufen, und in fr. 8 erstreckt Paulus diese Lösung auf die Drittleistung: Wer für einen insolventen Ehemann an die Frau leistet43, kann von ihr nichts zurückfordern. Denn ,insoweit‘ (adeo) – das heißt: was das Kondiktionsrecht angeht44 – bestand eine Forderung gegen den Mann. Mit dieser auch für Marcell überlieferten45 Begrün36 Übersetzung: Was ein anderer im Namen des Ehemanns, der nicht zahlungsfähig ist, an die Frau gezahlt hat, kann nicht zurückgefordert werden; insoweit war es der Frau geschuldet. 37 Vgl. etwa Solazzi estinz. 238, Schwarz Grundlage 234 mit A. 5, Litewski St. Volterra IV (1971) 476 f. mit A. 29, Guarino La condanna nei limiti del possibile (2. Aufl. 1978) 137 und Fargnoli 255 f. 38 Der palingenetische Kontext ist unklar; vgl. Lenel Paling. I 1270 (Paulus 1744) mit A. 3, der einen Fehler in der Inskription für möglich hält. 39 Übersetzung: Denn auch der Ehemann befindet sich, wenn er die dos leistet, obwohl er nicht leistungsfähig ist, in der Lage, daß er nicht zurückfordern kann. 40 Vgl. nur I 4.6.37; dazu Litewski (o. A. 37) 504 ff., Guarino (o. A. 37) 61 ff. und Gildemeister Das beneficium competentiae im klassischen römischen Recht (1986) 3 ff. 41 Vgl. D 3.5.34 pr. Scaev 1 quaest; dazu Gildemeister (o. A. 40) 83 ff. gegen Guarino (o. A. 37) 92 ff. 42 Ebenso Julian und Marcellus in D 34.3.5.2 Ulp 23 ad Sab (u. A. 45). 43 Anders als in fr. 9 ist in fr. 8 nicht ausdrücklich von dotem solvere die Rede. Der Text kann daher auch von einer anderen Forderung handeln. Denn seit einer Konstitution von Antoninus Pius ist die Verurteilung nicht nur bei der actio rei uxoriae auf id quod facere potest beschränkt, sondern auch bei allen anderen Klagen, die der Ehefrau gegen ihren geschiedenen Mann zustehen; vgl. nur D 42.1.20 Mod 2 diff, dazu Litewski (o. A. 37) 520 ff., Guarino (o. A. 37) 64 ff. und Gildemeister (o. A. 40) 6 ff. 44 Exakt dieselbe Bedeutung hat adeo in D 12.6.10 Paul 7 ad Sab: In diem debitor adeo debitor est, ut ante diem solutum repetere non possit. 45 Vgl. D 34.3.5.2 Ulp 23 ad Sab: . . . huic patri similem facit Iulianus maritum, cui uxor post divortium liberationem dotis legavit: nam et hunc, licet die legati cedente solvendo non sit, legatarium esse: et utrumque ait solutum repetere non posse. sed est

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

dung stellt Paulus zunächst klar, daß das beneficium competentiae nur die Kondemnation beschränkt, nicht aber die Verbindlichkeit selbst.46 Gleichzeitig wendet er die Regeln des Bereicherungsrechts an: Weil die Frau ein debitum erhalten hat, ist der kondiktionsbegründende Tatbestand der indebiti solutio47 nicht erfüllt, und darum kann sie das Geleistete behalten. Daß dies auch für die Leistung eines Dritten gilt, hebt Paulus in fr. 8 nicht eigens hervor. An anderer Stelle bringt er aber genau dies in abstrakter, regelhafter Form zum Ausdruck: D 12.6.44 Paul 14 ad Plaut Repetitio nulla est ab eo qui suum recepit, tametsi ab alio quam vero debitore solutum est.48

Gegen den Gläubiger, der erhält, was ihm zusteht, findet auch dann keine Rückforderung statt, wenn ein Dritter die geschuldete Leistung erbringt. Die im ersten Teil des Satzes (bis recepit) formulierte Regel beruht auf demselben Umkehrschluß wie die Begründung fr. 8: Ein debitum solutum kann mit der condictio indebiti nicht zurückverlangt werden. Im zweiten Teil stellt Paulus klar, daß dies auch für die solutio eines Dritten gilt.49 Der Kondiktionsausschluß ist also gewissermaßen die bereicherungsrechtliche Kehrseite ihrer befreienden Wirkung: Der Schuldner wird frei, weil der Dritte die geschuldete Leistung erbacht hat, und aus demselben Grund (suum recepit) kann der Gläubiger das Geleistete behalten. Nach fr. 8 kommt dieses Prinzip auch dann zum Tragen, wenn der Schuldner insolvent und durch ein beneficium competentiae geschützt ist. In diesem Fall trifft der Kondiktionsausschluß den Dritten besonders hart. Denn er hat keine Möglichkeit, beim Schuldner Rückgriff zu nehmen. Die actio negotiorum gestorum contraria scheitert jedenfalls de facto an der Insolvenz des Schuldners. Daß sie auch schon de iure – wegen fehlender utilitas – ausgeschlossen ist, hebt Paulus zwar nicht eigens hervor, aber gerade deshalb muß man annehmen, daß der Ausschluß der condictio nicht davon abhängt, ob der Dritte utiliter handelt. Dies bestätigt die aus D 3.5.42 und D 17.1.50 pr. entwickelte These, nach

verius quod Marcellus notat patrem petere posse (nondum enim erat debitor, cum solveret), maritum non posse, quod debitum solvit. Vgl. dazu nur Rastätter 136 ff. und 143 ff. 46 Vgl. auch D 15.1.47.2 Paul 4 ad Plaut und D 13.5.3 pr. Ulp 27 ad ed; dazu vor allem Litewski (o. A. 37) 476 ff., aber auch Rastätter 144. 47 Vgl. nur Gai 3.91 (is quoque, qui non debitum accepit ab eo, qui per errorem solvit, re obligatur), Schwarz Grundlage 4 ff. und Fargnoli 242 ff. 48 Übersetzung: Es gibt keine Rückforderung von demjenigen, der das Seine erhalten hat, wenngleich von einem anderen als dem wahren Schuldner geleistet worden ist. 49 Entgegen einer vor allem von Maier 487 f. vertretenen Auffassung bezieht sich fr. 44 nicht nur auf die delegatio. Vielmehr zeigt gerade D 12.6.8, daß Paulus auch den Fall der Drittleistung nach der hier formulierten Regel entscheidet; vgl. Fargnoli 254 ff. mwN.

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der die utilitas der Drittleistung nur für das Deckungsverhältnis Bedeutung hat. Paulus’ Entscheidung zeigt aber vor allem, daß und warum der Dritte die damit verbundenen Nachteile hinnehmen muß: Er leistet auf eine bestehende Schuld und kann darum nicht kondizieren. Dies gilt auch dann, wenn er ausnahmsweise nicht utiliter handelt und darum keinen Regreßanspruch hat. Denn ob die Leistung den Interessen des Schuldners entspricht, geht den Gläubiger nichts an. Dieser Mangel betrifft allein das Deckungsverhältnis. Er schlägt darum weder auf den Kondiktionsausschluß durch noch auf dessen Kehrseite, die Befreiung des Schuldners. III. Der Widerspruch des Schuldners Ein anderer Fall, in dem die Drittleistung nicht unter den Tatbestand der negotiorum gestio fällt, läßt sich mit einiger Sicherheit erschließen: Nach der unter den klassischen Juristen vorherrschenden, wenn auch nicht unbestrittenen Ansicht schließt das ausdrückliche Verbot des Geschäftsherrn die actio negotiorum gestorum contraria grundsätzlich aus.50 Für die Drittleistung ist dies zwar nicht unmittelbar belegt51, daraus folgt jedoch nicht, daß das Verbot des Geschäftsherrn in diesem Fall unbeachtlich wäre. Das Schweigen der Quellen ist vielmehr auf eine systematische Streichung der Kompilatoren zurückzuführen: Justinian entscheidet in einer der quinquaginta decisiones52, daß aus der Geschäftsführung nolente et specialiter prohibente domino keine Klagen gegen den Geschäftsherrn entstehen. Er stützt sich dabei auf die Autorität Julians, berichtet aber auch von anderen ,großen Juristen‘, die in diesem Fall eine actio utilis oder sogar directa gewähren. Die Kompilatoren haben diese Kontroverse anweisungsgemäß53 aus den Digesten gestrichen. 50

Vgl. nur Seiler 60 f. und 86 ff. In den Quellen zur Drittleistung invito debitore, die im sechsten Kapitel behandelt werden, geht es nur um das Erlöschen der Obligation, und dort, wo von der negotiorum gestio als Deckungsverhältnis die Rede ist (s. o. A. 2), wird der Wille des Schuldners nicht erwähnt. Dies gilt auch für den Vergleichsfall am Ende von D 17.1.53 Pap 9 quaest, in dem die actio negotiorum gestorum zudem bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen ist (dazu u. bei A. 65 ff.). 52 C 2.18.24 Iust (530): Si quis nolente et specialiter prohibente domino rerum administrationi earum sese immiscuit, apud magnos auctores dubitabatur, si pro expensis, quae circa res factae sunt, talis negotiorum gestor habeat aliquam adversus dominum actionem. (§ 1) Quam quibusdam pollicentibus directam vel utilem, aliis negantibus, in quibus et Salvius Iulianus fuit, haec decidentes sancimus, si contradixerit dominus et eum res suas administrare prohibuerit, secundum Iuliani sententiam nullam esse adversus eum contrariam actionem, scilicet post denuntiationem, quam ei dominus transmiserit nec concedens ei res eius attingere, licet res bene ab eo gestae sint. Zur Glaubwürdigkeit dieses Berichts und zu den Konsequenzen für die Rekonstruktion des klassischen Rechts vor allem Seiler 60 f. und 86 ff., vgl. aber auch Schindler 126 ff. und Schulz SZ 50 (1930) 238 ff. 53 Vgl. Const. Deo auct. § 9 und Const. Tanta § 14; dazu Schulz (o. A. 52) 239. 51

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

Sie sind jedoch nicht überall so gründlich vorgegangen wie bei der Drittleistung. Zu dem verwandten Fall einer gegen den Widerspruch des Schuldners abgeschlossenen Bürgschaft ist vielmehr ein Text erhalten geblieben54: D 17.1.40 Paul 9 ad ed Si pro te praesente et vetante fideiusserim, nec mandati actio nec negotiorum gestorum est: sed quidam utilem putant dari oportere: quibus non consentio, secundum quod et Pomponio videtur.55

Paulus versagt dem verbotswidrig handelnden Bürgen jeden Rückgriff. Er beruft sich hierfür auf Pomponius und wendet sich zugleich gegen andere nicht näher bezeichnete Juristen, die in diesem Fall eine actio (negotiorum gestorum contraria)56 utilis gewähren wollen. Zusammen mit Justinians Bericht, nach dem die negotiorum gestio prohibente domino im klassischen Recht insgesamt 54 Die übrigen Quellen zu negotiorum gestio prohibente domino, die Seiler 87 ff. behandelt, sind für die Drittleistung weniger aufschlußreich. Unmittelbar einschlägig ist aber möglicherweise D 17.1.6.2 Ulp 31 ad ed: Si passus sim aliquem pro me fideiubere vel alias intervenire, mandati teneor et, nisi pro invito quis intercesserit aut donandi animo aut negotium (suum ins. Mo.) gerens, erit mandati actio. Nach dem ersten Teil des Textes (dazu bereits o. § 10 bei A. 21) genügt die Duldung des Schuldners, um dem Bürgen und anderen Intervenienten die actio mandati (in factum) zu verschaffen. Im zweiten Teil betont Ulpian, daß es trotzdem noch Interzessionsfälle gibt, in denen diese Klage nicht statthaft ist. Er stellt hier das intercedere pro invito, donandi animo und negotium gerens nebeneinander und bringt damit zum Ausdruck, daß er die gegen den Willen des Schuldners erfolgte Interzession nicht als negotiorum gestio begreift. Nach der in § 10 II verteidigten These von Kreller Fg. Heck, Rümelin, Schmidt (1931) 120 ff. gehört zu den Anwendungsfällen der actio mandati (in factum), die Ulpian im ersten Teil von fr. 6.2 mit vel alias intervenire umschreibt, auch die Leistung auf eine fremde Schuld. Folgt man dem, dann ist der zweite Teil sogar ein unmittelbarer Beleg dafür, daß Ulpian die verbotene Drittleistung von der negotiorum gestio ausnimmt. Mommsens Konjektur, die ersichtlich auf einer anderen Interpretation beruht, ist danach entbehrlich. Das bloße negotium gerens dürfte vielmehr als Hinweis darauf zu verstehen sein, daß es trotz der erleichterten Mandatsklage noch Interzessionsfälle gibt, die zur negotiorum gestio gehören; vgl. etwa 17.1.20.1 Paul 11 ad Sab zur Verbürgung für den abwesenden Schuldner sowie Frezza I 162 mit A. 2 und 192, der diesen Fall in fr. 6.2 vermißt, weil er Mommsens Konjektur übernimmt. Der überlieferte Text ist also sachlich einwandfrei; so auch Kaser (o. A. 20) 125 A. 168 gegen die Interpolationsvermutung von Pringsheim SZ 42 (1921) 293 f. und (vorsichtiger) Kreller 122 mit A. 4. Entgegen Kaser muß der Umstand, „daß das Gegebensein der actio mandati zweimal gesagt ist“, aber auch nicht damit erklärt werden, daß der Text von zwei verschiedenen Klagformeln handelt. Vielmehr beschreibt Ulpian den Anwendungsbereich derselben actio mandati (in factum) zweimal, und zwar zunächst positiv (si passus sim aliquem pro me fideiubere vel alias intervenire, mandati teneor) und dann negativ (nisi pro invito quis intercesserit aut donandi animo aut negotium gerens, erit mandati actio). 55 Übersetzung: Wenn ich in deiner Anwesenheit und gegen deinen Widerspruch für dich gebürgt habe, gibt es weder die Auftrags- noch die Geschäftsführungsklage. Aber einige sind der Meinung, es müsse eine analoge Klage gewährt werden. Mit ihnen stimme ich im Anschluß an das, was auch Pomponius richtig erscheint, nicht überein. 56 Die Klage wird zwar nicht näher qualifiziert, der palingenetische Kontext läßt aber auf die actio negotiorum gestorum contraria schließen; vgl. Lenel Paling. I 982

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umstritten ist, läßt fr. 40 den Schluß zu, daß bei der verbotenen Drittleistung die gleichen kontroversen Auffassungen vertreten werden wie bei der Bürgschaft57: Nach der offenbar herrschenden Lehre58 hat der Dritte keine actio negotiorum gestorum contraria gegen den Schuldner, die Gegenansicht gewährt ihm eine actio utilis, und Justinian zufolge hält eine dritte Meinung die actio directa für statthaft. Da Paulus die actio utilis ablehnt und keine anderen Rechtsbehelfe erwähnt, ist ferner davon auszugehen, daß nach herrschender Lehre überhaupt kein Ausgleich stattfindet. Nur die Gegenansicht kompensiert den Ausschluß der actio negotiorum gestorum contraria durch die Gewährung einer analogen Klage und verhindert auf diese Weise, daß der Schuldner auf Kosten des Dritten von seiner Verbindlichkeit befreit wird.59 Nach Paulus (pro te praesente et vetante) und Justinian (nolente et specialiter prohibente domino) betrifft diese Kontroverse allerdings nur den Fall, daß der Schuldner die Leistung im Vorhinein ausdrücklich untersagt hat. Daß auch sein nachträglicher Widerspruch die actio negotiorum gestorum contraria ausschlösse, ist dagegen nicht bezeugt – im Gegenteil: Nach D 17.1.50 pr. Cels 38 dig kommt es nur dann auf die Genehmigung des Schuldners an, wenn er ausnahmsweise kein Interesse an der Leistung hatte; im übrigen gilt: nec refert, ratum habuit nec ne.60 Der Schuldner kann sich dem Rückgriff des Dritten also nicht willkürlich entziehen, indem er die Leistung im Nachhinein mißbilligt. Wenn dagegen das ausdrückliche Verbot des Schuldners den Rückgriff ausschließt, so wird dies mit Wollschläger61 als „Verfallsbuße für eine kraß aufdringliche Einmischung“ anzusehen sein. Das Regreßinteresse des Dritten wird (Paulus 192) und Seiler 88 mit A. 8. Dies stimmt auch mit Justinians Bericht in C 2.18.24 (o. A. 52) überein. 57 Schulz (o. A. 52) hält die Kontroverse, von der Justinian in C 2.18.24 berichtet, im wesentlichen für nachklassisch; dagegen zutreffend Schindler 128 ff. und Seiler 87 ff. Ob der Streit bis in die Spätklassik andauert (Seiler 91) oder in severischer Zeit bereits entschieden ist (Schindler 131; vgl. auch Schulz 239 und 245), läßt sich deshalb nicht sagen, weil die Vertreter der Gegenansicht nirgends benannt werden. Entgegen Seiler 91 läßt auch der Wortlaut von D 17.1.40 nicht auf eine spätklassische Meinungsverschiedenheit schließen: Das präsentische quidam putant ist neben quod et Pomponio videtur wenig aussagekräftig und dürfte außerdem mit Schindler 130 f. den Kompilatoren zuzuschreiben sein. 58 Dieser Auffassung sind neben Paulus, Pomponius (D 17.1.40) und Julian (C 2.18.24) auch Labeo, Papinian und Ulpian zuzurechnen; vgl. Schulz (o. A. 52) 245, Seiler 90 f. und für Ulpian auch D 17.1.6.2 Up 31 ad ed (o. A. 54). 59 Daneben ist eine ,Rückgriffskondiktion‘, wie sie in § 684 S. 1 BGB vorgesehen ist, kaum vorstellbar. Die ihr entsprechende condictio sine causa, die Oertmann 496 f. für das Gemeine Recht vorschlägt, hat keine Grundlage in den Quellen. Dagegen ist die zweite Lösung, auf die Oertmann 496 mwN. hinweist, wahrscheinlich schon im klassischen Recht gebräuchlich: Eine zu Regreßzwecken abgeschlossene Zessionsvereinbarung wird als Klagenkauf behandelt, und als solcher kann sie vom Schuldner nicht verboten werden; s. o. § 7 A. 16. 60 S. o. II 1 mit A. 26. 61 88; vgl. auch Seiler 60.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

also nicht nur durch das Erfordernis der utilitas eingeschränkt, um den Schuldner vor einer unnötigen wirtschaftlichen Belastung zu schützen. Die Mehrheit der klassischen Juristen räumt vielmehr auch der freien Disposition über den eigenen Geschäftskreis den Vorrang ein. Dies gilt aber wiederum nur für das Verhältnis zwischen Schuldner und Drittem. Die befreiende Wirkung der Drittleistung wird weder durch das Verbot des Schuldners noch durch den Mangel des Deckungsverhältnisses beeinträchtigt. Dies läßt sich nicht nur aus D 17.1.40 erschließen62, sondern ist mehrfach unmittelbar bezeugt. Die Quellen zur Drittleistung invito debitore sind Gegenstand eines eigenen Kapitels.63 Darum wird hier weder auf den Grund der befreienden Wirkung noch darauf eingegangen, ob auch in dieser Frage mit einer Kontroverse gerechnet werden muß. Festzuhalten ist lediglich, daß das Verbot des Schuldners mit seiner auf das Deckungsverhältnis beschränkten Wirkung dieselben Folgen hat wie die fehlende utilitas: Der Dritte kann sich weder an den befreiten Schuldner halten noch beim Gläubiger kondizieren. Denn der Schuldner hat der Leistung widersprochen, und den Gläubiger geht dies nichts an, weil er bekommen hat, was ihm zustand. IV. Drittleistung im Auftrag eines Vierten In der letzten Fallgruppe, die hier erörtert wird64, ist die actio negotiorum gestorum contraria gegen den Schuldner deshalb ausgeschlossen, weil der Dritte im Auftrag eines Vierten (des Auftraggebers) an den Gläubiger leistet. Neben einem solchen Mandat kommen die Regeln der negotiorum gestio grundsätzlich nicht zur Anwendung. Eine der Hauptquellen65 handelt von Bürgschaft und Drittleistung: D 17.1.53 Pap 9 quaest Qui fide alterius pro alio fideiussit praesente et non recusante, utrosque obligatos66 habet iure mandati: quod si pro invito vel ignorante alterutrius67 mandatum secutus fideiussit, eum solum convenire potest qui mandavit, non etiam reum promittendi: 62 Paulus stellt hier weder die Wirksamkeit der Bürgschaft in Frage, noch läßt er erkennen, daß die solutio des Bürgen ausnahmsweise nicht für den Hauptschuldner wirkte. 63 S. u. §§ 24 bis 27. 64 Zu erwähnen ist außerdem der Fall, daß der Gestor aufgrund enger verwandtschaftlicher Beziehungen zum Geschäftsherrn handelt. Hier kann die actio negotiorum gestorum contraria durch das Motiv der pietas bzw. adfectio ausgeschlossen sein; vgl. Seiler 42 ff., Rabel St. Bonfante IV (1930) 295 ff. und zur Drittleistung C 2.18.15 Gord (si paterna adfectu privignas tuas aluisti seu mercedes pro his aliquas magistris expendisti, eius erogationis tibi nulla repetitio est). 65 Wegen der übrigen Quellen zur ,Geschäftsführung im Auftrag eines Dritten‘ kann auf die erschöpfende Darstellung bei Seiler 114 ff. (Zusammenfassung 143 f.) verwiesen werden. 66 obligatus F. 67 alterius dett.

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nec me movet, quod pecunia fideiussoris reus liberetur: id enim contingit et si meo mandato pro alio solvas.68

Im Ausgangsfall hat der Hauptschuldner den Abschluß der Bürgschaft geduldet (praesente et non recusante), und darum haftet er neben dem Auftraggeber69 aus Mandat.70 In den Fällen des zweiten Satzes kann sich der Bürge dagegen nur an seinen Auftraggeber halten: Der Hauptschuldner71 hat der Verbürgung widersprochen oder nichts von ihr gewußt. Er ist dem Bürgen daher nicht zum Ausgleich verpflichtet. Die Mandatsklage scheitert an der fehlenden Duldung, und die actio negotiorum gestorum contraria, an die danach in erster Linie zu denken ist72, schließt Papinian ebenso aus wie jede andere Rückgriffsmöglichkeit (eum solum convenire potest qui mandavit, non etiam reum promittendi). Im Fall des Widerspruchs könnte seine Entscheidung auch darauf zurückführen sein, daß er in der unter III dargestellten Kontroverse der herrschenden Auffassung folgt.73 Bei der Bürgschaft pro ignorante kommt dagegen nur eine andere Erklärung in Betracht: Der Bürge hat nicht aus eigenem Antrieb gehandelt, sondern in Ausführung eines fremden Auftrags (mandatum secutus fideiussit 74), und darum kann er sich nur an seinen Vertragspartner halten. Denn zum einen hat er sich auf dessen Solvenz verlassen, und zum anderen darf das Rechtsverhältnis zwischen Auftraggeber und Hauptschuldner75, in das 68 Übersetzung: Wer sich auf die Treue des einen für einen anderen verbürgt hat, als dieser anwesend war und nicht widersprach, hat beide nach Auftragsrecht verpflichtet. Wenn er sich aber für jemanden, der dies nicht wollte oder wußte, im Auftrag eines anderen verbürgt hat, kann er nur den in Anspruch nehmen, der den Auftrag erteilt hat, nicht auch den Hauptschuldner. Davon bringt mich auch nicht ab, daß mit dem Geld des Bürgen der Hauptschuldner befreit wird; das tritt nämlich auch dann ein, wenn du in meinem Auftrag für einen anderen zahlst. 69 Dies unterstreicht der Plural utrosque (vgl. Georges s.v. uterque b), der darum auch nicht durch utrumque zu ersetzen ist; so aber Partsch Neg. gest. 18 und noch Seiler 121 A. 18 mwN. Die kumulative Auftragshaftung wird zudem durch den zweiten Teil von D 17.1.21 Ulp 47 ad Sab bestätigt. 70 S. o. § 10 A. 15. Nach Kreller SZ 52 (1932) 504 handelt auch D 17.1.53 von der in factum konzipierten Sonderklage des Bürgen; dagegen Seiler 122 A. 19. 71 Mit pro invito vel ignorante . . . fideiussit kann nur der Widerspruch bzw. die Unkenntnis des Hauptschuldners, nicht aber des Auftraggebers gemeint sein. Dies bestätigt auch Papinians Entscheidung und ihre fallvergleichende Begründung. Daher ist das alterius des Vulgattextes dem alterutrius der Florentina überlegen; ebenso Partsch Neg. gest. 18, Seiler 121 A. 18 und die bei ihm Zitierten. Für ihre weitergehende Vermutung, non etiam reum promittendi sei ein Glossem, gibt es dagegen keine Anhaltspunkte. 72 Vgl. nur D 17.1.20.1 Paul 11 ad Sab: Fideiussori negotiorum gestorum est actio, si pro absente fideiusserit: nam mandati actio non potest competere, cum non antecesserit mandatum. 73 Vgl. Seiler 122 A. 21. 74 Vgl. auch si praesentium mandatum exsecutus id egit, negotiorum gestorum actio absentibus non est in D 17.1.22.10 Paul 32 ad ed und alienum mandatum intuitus spopondit im ersten Teil von D 17.1.21 Ulp 47 ad Sab; dazu Seiler 119 f., 123 und vor allem 124 f.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

sich der Bürge durch das Mandat hat einschalten lassen, nicht durch eine eigene ,Durchgriffshaftung‘ des Hauptschuldners gegenüber dem Bürgen gestört werden. Eine andere Entscheidung ist auch nicht deshalb geboten, weil der Hauptschuldner durch die Leistung des Bürgen und damit auf dessen Kosten befreit wird. Papinian stellt dies nicht nur ausdrücklich klar (nec me movet, quod pecunia fideiussoris reus liberetur), er begründet es auch mit einem Vergleichsfall: Wenn Tu im Auftrag von Ego auf eine fremde Schuld leistet, findet ebenfalls kein Bereicherungsausgleich zwischen ihm und dem Schuldner statt. Da von einem Verbot des Schuldners nicht mehr die Rede ist, kann der Ausschluß der actio negotiorum gestorum contraria hier wiederum nur auf den Vorrang des Mandats zurückzuführen sein. Bei der Drittleistung, nach deren Vorbild Papinian die Bürgschaft behandelt, ist also offenbar allgemein anerkannt, daß der Auftrag eines Vierten unmittelbare Regreßansprüche des Dritten gegen den Schuldner ausschließt.76 Im Unterschied zu den unter II und III erörterten Fällen wird der Ausgleich allerdings nur verlagert: Der Dritte kann gegen den Auftraggeber vorgehen, und diesem bleibt es überlassen, sich beim Schuldner zu erholen. Auszufallen droht der Dritte also nur dann, wenn sein Auftraggeber insolvent ist. Abgesehen davon hat der Auftrag des Vierten jedoch dieselbe beschränkte Wirkung wie die fehlende utilitas und das Verbot des Schuldners: Er verhindert das Entstehen eines Deckungsverhältnisses, ändert aber nichts am Erlöschen der Schuld. Papinian setzt die befreiende Wirkung der Drittleistung ebenso voraus wie Labeo in D 3.5.42 oder Celsus in D 17.1.50 pr. Mit dem Satz nec me movet, quod pecunia fideiussoris reus liberetur bringt er darüber hinaus zum Ausdruck, daß dies auf einer klaren dogmatischen Unterscheidung beruht: Obwohl sie den Schuldner auf Kosten des Dritten befreit, setzt die Drittleistung ein Deckungsverhältnis weder voraus noch führt sie notwendigerweise zu seiner Entstehung. Ihre Rechtsfolgen im Verhältnis zwischen Schuldner und Drittem bestimmen sich vielmehr nach eigenen Regeln. Ihre getrennte Betrachtung kann deshalb dazu führen, daß ein Rückgriff nicht stattfindet. Denn für sich genommen begründet 75 Belegt sind Mandat und negotiorum gestio; vgl. nur D 3.5.27 Iav 8 ex Cass und Seiler 125 mwN. 76 Die einzige Parallelstelle ist D 15.1.3.6 Ulp 29 ad ed: Iulianus quoque libro duodecimo digestorum scribit, si servus mandaverit, ut creditori meo solveretur, referre ait, quam causam mandandi habuerit: si pro creditore suo solvi mandavit, esse obligatum dominum de peculio: quod si intercessoris officio functus sit, non obligari dominum de peculio. Auch hier ist nur von der Klage des Dritten gegen seinen Auftraggeber (bzw. von der adjektizischen Haftung des Gewalthabers) die Rede und nicht von einer actio negotiorum gestorum contraria gegen den befreiten Schuldner. Dies ist um so auffälliger, als die Mandatsklage im ersten Fall de peculio beschränkt und im zweiten sogar ganz ausgeschlossen ist, so daß der Dritte besonderes Interesse an einer Durchgriffshaftung hat.

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die Befreiung des Schuldners keine Klage des Dritten, und nach den Grundsätzen der negotiorum gestio ist der Ausgleich nicht in allen Fällen gewährleistet. Eine unbillige Bereicherung des Schuldners kann allerdings im Einzelfall durch die außerordentliche Gewährung einer actio negotiorum gestorum contraria vermieden werden. Dies zeigt eine weitere Entscheidung Papinans zur Bürgschaft77: Wer sich im Auftrag einer Frau für den defensor ihres abwesenden Sohnes verbürgt hat, ist durch das SC Vellaeanum gehindert, bei seiner Auftraggeberin Rückgriff zu nehmen. Papinian hält darum eine Durchgriffshaftung für angemessen: non erit iniquum dari negotiorum gestorum actionem in defensorem, quia mandati causa per senatus consultum constituitur irrita et pecunia fideiussoris liberatur. Auch unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit läßt es Papinian also nicht genügen, daß der defensor auf Kosten des Bürgen befreit wird. Die actio negotiorum gestorum contraria gewährt er vielmehr nur deshalb, weil ein zweiter Umstand hinzukommt: Der Auftrag, der die Geschäftsführungsklage sonst ausschließt, begründet selbst keinen durchsetzbaren Anspruch und ist deshalb ausnahmsweise unbeachtlich. V. Zusammenfassung Zusammenfassend läßt sich das Verhältnis zwischen Drittleistung und negotiorum gestio wie folgt beschreiben: Die Drittleistung ist primär solutio, Leistung auf fremde Schuld. Als solche erfüllt sie regelmäßig auch den Tatbestand der negotiorum gestio. Denn sie befreit den Schuldner und wird darum grundsätzlich als negotium utiliter gestum qualifiziert. So entsteht gewissermaßen als Nebeneffekt ein Deckungsverhältnis, das dem Dritten eine eigene Regreßklage gegen den Schuldner verschafft. Die actio negotiorum gestorum contraria hat aber andere Voraussetzungen als die solutio und ist infolgedessen nicht in allen Fällen der Drittleistung statthaft. Sie ist insbesondere dann ausgeschlossen, wenn der Dritte gegen die Interessen oder den erklärten Willen des Schuldners verstößt und wenn er im eigenen Interesse oder im Auftrag eines Vierten handelt. Diese Mängel des Deckungsverhältnisses wirken grundsätzlich nicht auf die solutio zurück, das heißt: sie stehen weder der Befeiung des Schuldners entgegen, noch begründen sie die condictio indebiti gegen den Gläubiger. Die solutio wird also in ihren Voraussetzungen und Wirkungen klar von der negotiorum gestio unterschieden.78 77 D 16.1.7 Pap 9 quaest, der Sachverhalt ist als Zitat überliefert in D 16.1.6 Ulp 29 ad ed. Zu diesen Texten Seiler 126 ff. mwN. 78 Im Gegensatz dazu behauptet Reichard (o. A. 6) 572 f. A. 21 in seiner Abhandlung über ,Negotium alienum und ungerechtfertigte Bereicherung‘ von den klassischen Juristen, „daß ihnen die Trennung zwischen rechtlichem Können und Dürfen und damit das Abstraktionsprinzip in diesem Zusammenhang unbekannt war: Sie haben nicht zwischen Innen- und Außenverhältnis unterschieden; für sie ging die Ge-

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

Die einzige Ausnahme wurde bereits in § 8 behandelt: In einer besonderen Fallgruppe der Drittleistung im eigenen Interesse gleichen Scaevola und Ulpian das Fehlen einer eigenen Regreßklage aus, indem sie die Forderung fortbestehen lassen und dem Dritten das beneficium cedendarum actionum gewähren. Daß der Ausschluß der actio negotiorum gestorum contraria durch andere Formen des Rückgriffs kompensiert wird, läßt sich ebenfalls nur in bestimmten Fallgruppen der eigennützigen Drittleistung beobachten. Hierher gehören das Retentionsrecht des Pfandbesitzers und die erweiterte Pfandhaftung beim ius offerendi, auf die ebenfalls schon in § 8 (unter II 2) hingewiesen wurde. Vergleichbar damit ist lediglich die actio negotiorum gestorum contraria utilis, die einige namentlich nicht bekannte Juristen bei der Bürgschaft vetante debitore und wahrscheinlich auch bei der verbotenen Drittleistung gewähren. Sie wird aber von der herrschenden Auffassung ebenso abgelehnt wie eine extensive Anwendung der actio directa. Wie eine Entscheidung Papinians zum Auftrag der mulier intercessans zeigt, kann eine solche außerordentliche oder analoge Klage allerdings im Einzelfall aus Billigkeitsgründen gewährt werden. Grundsätzlich bleibt der Schuldner jedoch auf Kosten des Dritten bereichert, wenn dessen Leistung nicht unter den Tatbestand der negotiorum gestio fällt. Die Unterscheidung zwischen solutio und negotiorum gestio führt also dazu, daß der Rückgriff des Dritten nicht in allen Fällen der Drittleistung gewährleistet ist. Wie vor allem die Kontroverse zur negotiorum gestio prohibente domino zeigt, beruht dies nicht auf der Unzulänglichkeit der vorgegebenen Regeln, sondern auf ihrer wertenden Ausgestaltung. Die actio negotiorum gestorum contraria könnte durch ihre extensive oder analoge Anwendung ohne weiteres zu einer allgemeinen Regreßklage entwickelt werden. Wenn dies nicht geschieht, so kommt darin derselbe Vorbehalt gegen eine ,Regreßautomatik‘ zum Ausdruck, der bereits im zweiten Kapitel beobachtet wurde: Eine Zessionslösung, wie sie in anderen Fällen seit der Hochklassik anerkannt ist, wird bei der Drittleistung grundsätzlich abgelehnt. Hier bleibt es beim Modell der solutio, die Frage des Rückgriffs wird damit ausgeklammert und einer eigenen differenzierten Regelung überlassen. Daß der Dritte überhaupt keinen Ausgleich erhält, wenn er sich über die Interessen oder den ausdrücklichen Willen des schäftsführungsklage im Innenverhältnis zwischen dem Leistenden als Geschäftsführer und dem Schuldner als Geschäftsherrn selbstverständlich Hand in Hand mit der Liberation im Außenverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger. Die negotiorum gestio entfaltete damit Wirkung im Außenverhältnis“. Reichard geht auf keine der hier behandelten Quellen ein. Er stützt seine Behauptung ausschließlich darauf, daß bei der Leistung eines Putativschuldners sowohl die actio negotiorum gestorum contraria als auch die Befreiung des wahren Schuldners ausgeschlossen sind, während bei der Drittleistung für einen solchen vermeintlichen Schuldner nach D 3.5.44.2 Ulp 4 opin in beiden Fragen entgegengesetzt entschieden wird. Dieser Gleichlauf beruht jedoch nicht auf der Vermengung von negotiorum gestio und solutio, sondern darauf, daß die Regeln der beiden Institute in diesen Fällen zufällig zum gleichen Ergebnis führen; s. u. § 19 bei A. 18 ff.

§ 12 Drittleistung und donatio

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Schuldners hinwegsetzt, liegt ganz auf dieser Linie: Der Rückgriff ist nicht aus konstruktiven Gründen ausgeschlossen, sondern deshalb, weil der Schuldner nicht zum Ausgleich einer nutzlosen oder aufgedrängten Bereicherung verpflichtet sein soll. Die Unterscheidung zwischen solutio und negotiorum gestio wirkt sich aber vor allem zugunsten des Gläubigers aus: Ein debitum solutum kann nicht kondiziert werden. Dies gilt auch für die solutio des Dritten, und zwar unabhängig davon, ob sie den Tatbestand der negotiorum gestio erfüllt oder nicht. Deshalb kann der Gläubiger die empfangene Leistung auch dann behalten, wenn der Dritte keine Möglichkeit hat, beim Schuldner Regreß zu nehmen. Für ihn ist die Drittleistung ausschließlich solutio: eine Leistung auf Schuld, die keiner (weiteren) causa im Deckungsverhältnis bedarf. § 12 Drittleistung und donatio I. Vorbemerkungen Die Befreiung von einer Verbindlichkeit kann dem Schuldner schenkweise zugewandt werden, und zwar nicht nur vom Gläubiger selbst durch den Erlaß der eigenen Forderung1, sondern auch von einem Dritten, der eine fremde Forderung – mit oder ohne Anweisung des Schuldners – zum Erlöschen bringt. Daß im Fall der delegatio2 eine Schenkung zustande kommt, ist nicht weiter problematisch. Denn hier erfolgt die Zuwendung im Einverständnis mit dem beschenkten Schuldner. Belegt ist aber auch der Fall, daß der Dritte aus eigenem Antrieb auf eine fremde Schuld leistet, um dem Schuldner die Befreiung zu schenken. Er wird in einer Reihe von Entscheidungen dem Verbot der Ehegattenschenkung und damit dem Recht der donatio unterstellt (dazu unter III), und in anderen Texten werden an die einseitige Schenkungsabsicht des Dritten Rechtsfolgen geknüpft, die denen einer wirksamen Schenkung entsprechen (dazu unter II). Angesichts dieser Quellen ist davon auszugehen, daß das klassische Recht die schenkweise Drittleistung als donatio behandelt. In der Romanistik ist dies auch weitgehend anerkannt3; die Konstruktion ist allerdings ebenso umstritten wie im Gemeinen Recht: Nach einer auf Savigny4 zurückgehenden Lehre ist die Annahme der Schenkung im Fall der Drittleistung entbehrlich. Die Gegenansicht 1

Vgl. zum schenkweisen Erlaß D 39.5.17 Ulp 58 ad ed und C 8.43.2 Diocl/Max. Vgl. etwa D 39.5.21 pr. Cels 28 dig, D 39.5.33.3 Herm 6 iur ep, D 42.1.41 pr. Paul 14 quaest, D 44.4.5.5 Paul 71 ad ed und D 46.2.33 Tryph 7 disp; zur Schenkung durch Delegation etwa Thielmann Sodalitas V (1984) 2309 ff. 3 Vgl. Biondi Scr. Ferrini Mil. I (1947) 109 (= III 650), Kaser RP I 601 bei A. 7, Zimmermann 479 bei A. 12 und vor allem Broise Animus donandi II (1975) 186 ff.; zu der abweichenden Auffassung von Archi sogleich im Text. 2

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

hält auch hier am Vertragserfordernis fest. So vermutet Schulz5 mit der herrschenden gemeinrechtliche Auffassung6, daß der Schuldner in dem – nicht überlieferten – Fall der Nichtannahme einer condictio sine causa ausgesetzt ist, und Archi7 nimmt sogar an, daß eine Schenkung ohne vorhergehende Anweisung nur zustande kommt, wenn der Dritte dem Schuldner nachträglich die durch seine Leistung erworbene Regreßforderung erläßt. Die Drittleistung selbst kann seiner Ansicht nach keine donatio begründen. Da dies die schenkweise Drittleistung überhaupt in Frage stellt, ist im folgenden zunächst auf ein umstrittenes Reskript einzugehen, aus dessen angeblicher Interpolation Archi seine These entwickelt. Im Mittelpunkt stehen aber die Quellen zur schenkweisen Drittleistung unter Ehegatten. Denn sie versprechen Aufschluß darüber, wie sich die donatio zur Drittleistung verhält: Schlägt die Nichtigkeit der Ehegattenschenkung auf die Befreiung des beschenkten Schuldners durch, oder wird das Deckungsverhältnis ebenso klar von der solutio unterschieden wie bei der negotiorum gestio? II. Zur Drittleistung donandi animo 1. Eine der Hauptquellen zur schenkweisen Drittleistung ist ein Reskript von Alexander Severus, dessen Echtheit im Rahmen der von Pringsheim ausgelösten Diskussion über die Klassizität des animus donandi 8 mehrfach bezweifelt worden ist.9 Nachdem Broise10 diese Interpolationsvermutung überzeugend widerlegt hat, kann sich die folgende Exegese auf den eigentlichen Gegenstand des Reskripts konzentrieren. 4 System IV 131 ff. und 149 ff.; ebenso für das klassische Recht Biondi Succ. 695 f. (dem Kaser RP I 602 A. 15 im Grundsatz folgt) und Kunkel/Honsell 345 A. 10. Auch Broise (o. A. 3) stimmt Savigny grundsätzlich zu, er äußert sich aber nicht zu der Frage, ob die Annahme der Schenkung entbehrlich ist. 5 566 f.; zustimmend offenbar Zimmermann 479 A. 12. 6 Vgl. nur Oertmann 489 ff. und Hertz 42 ff., jeweils mwN. 7 ACIV III 146 f. = Scr. II (1981) 1066 f.; ebenso Don. 112. 8 Nach Pringsheim SZ 42 (1921) 273 ff. – einschränkend LQR 149 (1933) 411 ff., St. Albertrario I (1951) 662 ff. und SZ 78 (1961) 478 ff. – ist der animus donandi ein byzantinisches Erfordernis der Schenkung und in allen – oder zumindest in den meisten – justinianischen Quellen interpoliert. Während Archi Don. 49 ff. und (o. A. 7) 111 (= 1027) ff. dieser These im Grundsatz folgt, hält Biondi Succ. 692 ff. und (o. A. 3) 133 (= 680) ff. den animus donandi für klassisch. Zu diesem Ergebnis kommt auch Broise in seiner (o. A. 3 zitierten) zweibändigen Untersuchung und in dem ihr zugrundeliegenden Aufsatz Bull. 67 (1964) 241 ff.; ebenso Kunkel/Honsell 345, vermittelnd dagegen Kaser RP I 601 mit A. 11 und Zimmermann 479 f. 9 Vgl. vor allem Pringsheim selbst SZ 42 (1921) 312 und Archi (o. A. 7) 144 (= 1064) ff., ebenso Don. 110 ff., aber auch Partsch Nachg. Schr. 90 f. und Bossowski Bull. 37 (1929) 191 f. 10 (O. A. 3) 188 ff., vgl. auch schon Bull. 67 (1964) 242 f.; für Echtheit auch Kaser RP II 418 A. 27.

§ 12 Drittleistung und donatio

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C 2.18.12 Imp. Alexander A. Theophilo (230) Si filius pro patre suo debitum solvit, nullam actionem ob eam solutionem habet, sive in potestate patris, cum solveret, fuit, sive sui iuris constitutus donandi animo pecuniam dedit. si igitur pater tuus sui iuris constitutus pro patre suo negotium gerens non praecedente mandato debitum eius solvit, negotiorum gestorum agere cum patruis tuis potes.11

Theophilos’ Vater hatte eine Schuld des Großvaters bezahlt. Als sein Erbe möchte Theophilos nun bei den Erben des Großvaters Rückgriff nehmen. Alexander gewährt ihm die actio negotiorum gestorum contraria, aber nur unter der Voraussetzung, daß der Vater als nicht beauftragter Geschäftsführer des Großvaters gezahlt hat und zu diesem Zeitpunkt bereits emanzipiert war. Daß es auf diese – in der Anfrage offenbar nicht mitgeteilten – Umstände ankommt, ergibt sich aus der abstrakt formulierten Rechtsauskunft, die der eigentlichen Entscheidung voransteht (si . . . dedit). Danach steht einem Sohn, der auf die Schuld seines Vaters gezahlt hat, in zwei Fällen keine Ausgleichsklage zu. Der erste ist die Zahlung des filius familias, die als versio in rem patris12 allenfalls einen naturalen Regreßanspruch begründet.13 Im zweiten Fall ist der Sohn zwar bereits emanzipiert, der Rückgriff scheitert aber daran, daß er donandi animo leistet: in der Absicht, seinem Vater zu schenken. Die Konsequenz (si igitur) zieht Alexander, indem er seine Entscheidung in doppelter Hinsicht einschränkt und dadurch die beiden zuvor genannten Fälle ausnimmt: Die actio negotiorum gestorum contraria ist nur begründet, wenn Theophilos’ Vater nach seiner Emanzipation (sui iuris constitutus im Gegensatz zu in potestate patris) und in Geschäftsführungsabsicht (negotium gerens im Gegensatz zu donandi animo) gezahlt hat. Trotz dieser völlig stringenten Argumentation sieht Archi einen „contrasto insanabile“ zwischen den beiden Sätzen des Reskripts14: „Nella prima sta una affermazione categorica e generale, che non ammette eccezioni: il figlio, che paga il debito paterno, non ha alcuna azione verso il padre liberato sia se in potestate, sia se emancipato. Nella seconda parte invece, nella quale si dovrebbero per il caso concreto tirare le conclusioni di quanto prima si è detto (si noti, infatti: si igitur . . .), si concede l’a. negotiorum gestorum.“ Um diesen Widerspruch – den er durch die Nichtbeachtung von donandi animo selbst in das Re11 Übersetzung: Wenn ein Sohn für seinen Vater eine Schuld bezahlt hat, hat er keine Klage wegen dieser Zahlung, sei es daß er in der Gewalt des Vaters stand, als er zahlte, sei es daß er, nachdem er gewaltfrei geworden war, in Schenkungsabsicht das Geld gegeben hat. Wenn also dein Vater, nachdem er gewaltfrei geworden war, für seinen Vater in Geschäftsführung ohne vorausgegangenen Auftrag dessen Schuld bezahlt hat, kannst du mit der Geschäftsführungsklage gegen deine Onkel vorgehen. 12 Vgl. PS 2.9.1, aber auch D 15.3.3.1 Ulp 29 ad ed, D 15.3.10.7 Ulp 29 ad ed und I 4.7.4 a, b zur Leistung eines Sklaven. 13 Vgl. Kaser RP I 607 A. 16 mwN. 14 Don. 110; dagegen zutreffend Broise (o. A. 3) 193 f.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

skript hineinträgt – wieder zu beseitigen, ergänzt Archi am Schluß des Textes agere cum patruis tuis [non] potes.15 In einem zweiten Schritt streicht er dann das mit seiner Konjektur nicht zu vereinbarende donandi animo als interpoliert.16 Dies nimmt er schließlich zum Anlaß, die Klassizität der schenkweisen Drittleistung überhaupt in Frage zu stellen17: Die Unterscheidung nach dem animus des Leistenden erklärt er für byzantinisch, während er für das klassische Recht bezweifelt, daß eine Handlung, die sich objektiv als negotiorum gestio darstellt, allein wegen der einseitigen Schenkungsabsicht des Dritten als donatio qualifiziert werden kann. Das Gegenteil ist richtig: Der Text des Reskripts ist in sich schlüssig und auch nicht aus anderen formalen oder sachlichen Gründen verdächtig. Dies gilt insbesondere für den im ersten Satz erwähnten animus donandi, dessen Echtheit durch das korrespondierende negotium gerens sogar bestätigt wird. C 2.18.12 bezeugt damit, daß das klassische Recht die bloß fremdnützige von der schenkweisen Drittleistung unterscheidet, und zwar nach der Absicht, die der Dritte gegenüber dem Schuldner verfolgt: Leistet er donandi animo, dann hat er keine Möglichkeit, Rückgriff zu nehmen. Er wird an seiner ursprünglichen Absicht ebenso festgehalten wie seine Erben. Dies zeigt, daß schon die Drittleistung selbst eine Schenkung des Dritten an den Schuldner begründen kann, und nicht erst, wie Archi meint, der nachträgliche Erlaß des Regreßanspruchs. Nicht zwingend ist dagegen der weitergehende Schluß, daß die Zustimmung des Beschenkten bei dieser Form der donatio entbehrlich ist. Denn daß der bloß einseitige animus donandi den Rückgriff des Dritten ausschließt, läßt sich auch ohne die Annahme einer wirksamen Schenkung erklären. Dies zeigt ein anderes Reskript von Alexander Severus: In C 2.18.11 (227) erteilt der Kaiser einer Mutter, die von ihren Söhnen Ersatz für ihre über den Unterhalt hinaus geleiste-

15 Er folgt damit Pringsheim, Partsch und Bossowski (alle o. A. 9), deren Begründung allerdings mittlerweile überholt ist: Sie ergänzen agere cum patruis tuis [non] potes aus Bas. 17.2.12, gehen dabei aber noch von einem falschen Text aus. Denn wie erst die Neuausgabe der Basiliken von Scheltema/van der Wal (A III 864) ergeben hat, wurde das ou, das in der Ausgabe von Heimbach (II 222) und noch im Supplementband von Zachariae von Lingenthal (160) enthalten ist, erst nachträglich in die Handschrift eingefügt; dazu eingehend Broise (o. A. 3) 189 ff. 16 In seiner ersten Auseinandersetzung mit C 2.18.12 begründet Archi (o. A. 7) 145 f. (= 1065 f.) die Interpolation von donandi animo noch anders: „Il filius ha pagato con denaro del peculium profecticium, con il che si giustifica la irrelevanza del fatto che il filius sia in potestate o sia emancipato al momento della solutio. Ora per i beni, che si trovano in detto peculio, è impossibile parlare di donazione del figlio al padre, o comunque distinguere nell’attività che il figlio compie attraverso i medesimo con il criterio di una mens, di un animus donandi o meno“. Diese Argumentation widerspricht dem Text des Reskripts zwar nicht, sie findet darin aber auch keinen Anhalt. 17 So – mit unterschiedlicher Akzentuierung – Don. 111 f. und (o. A. 7) 146 f. (= 1066 f.)

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ten Aufwendungen verlangt, den Bescheid si non et hoc materna liberalitate, sed recipiendi animo fecisse ostenderis, id negotiorum gestorum actione consequi potes. Auch hier wird die actio negotiorum gestorum contraria für den Fall ausgeschlossen, daß die Mutter in freigiebiger Absicht gehandelt hat. Der Grund ist aber offenbar nicht die entgegenstehende causa donationis. Aus der Formulierung des Gegenfalls ergibt sich vielmehr, daß die Klage am fehlenden animus recipiendi scheitert. Dieses Erfordernis ist nur noch in zwei anderen spätklassischen Reskripten belegt, die ebenso wie C 2.18.11 und 12 von der Geschäftsführung für einen nahen Angehörigen handeln.18 Es ist darum wohl nicht als eigene Tatbestandsvoraussetzung anzusehen, sondern als Hinweis auf einen in diesem Fall besonders naheliegenden Einwand: Wer bei der Gestion nicht die Absicht hatte, Regreß zu nehmen, handelt selbstwidersprüchlich und damit treuwidrig, wenn er später gegen den Geschäftsherrn klagt.19 Überträgt man diesen Gedanken auf Alexanders Entscheidung zur Drittleistung donandi animo, dann kommt man auch hier ohne die Annahme einer wirksamen Schenkung aus: Die einseitige Schenkungsabsicht des Dritten steht zwar dem Rückgriff entgegen, eine donatio kommt aber erst durch die nachträgliche Zustimmung des Schuldners zustande. Diese Erklärung vermeidet einen Widerspruch zu dem in D 39.5.19.2 Ulp 36 ad ed überlieferten und mehrfach – auch in seiner Allgemeingültigkeit – bestätigten20 Grundsatz non potest liberalitas nolenti adquiri. Denn ihr zufolge beschränkt sich die Besonderheit der schenkweisen Drittleistung darauf, daß die Zuwendung als solche ohne Zustimmung des Beschenkten vorgenommen werden kann, weil die Befreiung auch ignorante et invito debitore eintritt.21 Dies bedeutet aber nicht, daß auch die Einigung über die Unentgeltlichkeit dieser Zuwendung entbehrlich wäre. Für eine solche von den allgemeinen Regeln der donatio abweichende Kon18 C 2.18.13 Alex (quod in uxorem tuam aegram erogasti, non a socero repetere, sed adfectioni tuae debes expendere. in funus sane eius si quid eo nomine quasi recepturus erogasti, patrem, ad quem dos rediit, iure convenis). Der zweite Beleg ist C 2.18.15 Gord (quod si ut repetiturus ea, quae in sumptum misisti, aliquid erogasti, negotiorum tibi gestorum intendenda actio est); dazu Kaser RP I 590 und RP II 418 A. 27, jeweils mwN. 19 Ein eindeutiger Beleg dafür, daß die Rückforderung einer schenkweisen Zuwendung auch dann als treuwidrig angesehen wird, wenn mangels Einigung keine donatio zustande kommt, ist die exceptio doli in D 39.5.25 Iav 6 epist; vgl. zu diesem Text nur Eckardt 25 ff. 20 Vgl. vor allem Cic top 8.37 (neque donationem sine acceptatione intellegi posse) und für das nachklassische Recht C 6.30.16 Arcad/Honor (nec emere nec donatum adsequi nec damnosam quisque hereditatem adire compellitur). Am deutlichsten zeigen sich die Auswirkungen dieses Grundsatzes bei der Übereignung donationis causa; vgl. dazu D 12.1.18 Ulp 7 disp, D 39.5.10 Paul 15 ad Sab, D 41.1.36 Iul 13 dig und D 44.7.55 Iav 12 epist. 21 Vgl. vorerst nur die beiden in § 1 III vorgestellten Hauptquellen D 3.5.38 Gai 3 de verb obl und D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov; näher zur Drittleistung invito debitore u. §§ 24 bis 27.

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struktion fehlt in C 2.18.12 jedes Indiz. Dies gilt auch für die übrigen Quellen zur schenkweisen Drittleistung, die im weiteren Verlauf dieses Paragraphen behandelt werden.22 Daß auf der anderen Seite auch nicht ausdrücklich auf die Erforderlichkeit der Annahme hingewiesen wird, läßt sich dagegen leicht erklären: Der Schuldner wird in der Regel mit seiner unentgeltlichen Befreiung einverstanden sein. Dieser Umstand muß darum nicht besonders erwähnt werden, und zwar auch dann nicht, wenn es um den Rückgriff des Dritten oder seiner Erben geht. Denn für dessen Ausschluß genügt ja bereits der animus donandi. Problematisch ist nur der Fall, daß der Schuldner die Freigiebigkeit des Dritten zurückweist. Da seine Lösung nicht überliefert ist, läßt sich auch nicht ausschließen, daß die Schenkung trotz ihrer Nichtannahme Bestand hat. Dies stünde jedoch nicht nur im Widerspruch zu der Regel non potest liberalitas nolenti adquiri, es gibt auch keinen Grund, dem Schuldner das von ihm zurückgewiesene ,Geschenk‘ zu belassen. Daher erscheint die Vermutung gerechtfertigt, daß er im Fall der Nichtannahme dem Rückgriff des Dritten ausgesetzt ist, und nach C 2.18.11 und 12 ist hier weniger an die von Schulz vorgeschlagene condictio sine causa zu denken als an die actio negotiorum gestorum contraria. Denn deren Tatbestand ist erfüllt, und wenn der Schuldner die Schenkung ablehnt, kann er dem Dritten nicht mehr entgegenhalten, er habe nicht recipiendi, sondern donandi animo geleistet. Weil diese Lösung nicht überliefert ist, läßt sie sich zwar ebensowenig beweisen wie die ihr zugrundeliegende Konstruktion der schenkweisen Drittleistung. Mit den vorhandenen Quellen stimmt sie aber eher überein als die Vorstellung einer donatio, bei der die Zustimmung des Beschenkten entbehrlich ist. Eine dritte Möglichkeit läßt sich sogar mit Sicherheit ausschließen: In den Quellen zur befreienden Wirkung der Drittleistung invito debitore23 wird nicht nach den Absichten unterschieden, die der Dritte im Verhältnis zum Schuldner verfolgt. Daher ist davon auszugehen, daß der Widerspruch des Schuldners auch dann unbeachtlich ist, wenn der Dritte donandi 22 Die anderen – keineswegs seltenen – Fälle der donatio, in denen die Wirksamkeit der Zuwendung nicht von der Zustimmung des Beschenkten abhängt, lassen ebenfalls nicht auf eine besondere Konstruktion schließen. Vor allem wird auch hier nirgends der Anschein erweckt, als sei die Annahme der Schenkung entbehrlich. Vgl. vor allem D 2.14.32 Paul 3 ad Plaut, D 3.5.4 Ulp 45 ad Sab, D 14.6.9.3 Ulp 29 ad ed und D 38.5.1.19 Ulp 44 ad ed zur Bürgschaft und D 15.3.10.2 Ulp 29 ad ed zur Expromission, aber auch D 39.5.19.3 Ulp 76 ad ed, D 39.5.34 pr. Paul 5 sent, D 39.5.35.2 Scaev 31 dig zur Darlehenshingabe alterius nomine mit C 5.16.6 Alex zum depositum irregulare, vat 269 Ulp 46 ad Sab, D 23.3.33 Ulp 6 ad Sab, D 23.3.43.1 Ulp 3 disp, D 23.3.59.2 Marcell 7 dig zur Dosbestellung durch Dritte mit vat. 254 (= D 39.5.31.1 Pap 12 resp) zur res extra dotem data, D 24.1.5.6 Ulp 32 ad Sab zur Nichtausübung einer Servitut, § 7 desselben Fragments zum Verzicht auf eine exceptio sowie D 10.3.22 Pomp 33 ad Sab, D 39.5.14 Iul 17 dig und C 3.32.2.1 Sev/Ant zum Bau auf fremdem Grund. 23 Diese Quellen sind Gegenstand des sechsten Kapitels. Die dort gestellte Frage nach einer Kontroverse zur Befreiung invito debitore steht nicht in Zusammenhang mit dem hier erörterten Problem der schenkweisen Drittleistung (vgl. § 25 A. 106).

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animo leistet. Indem er die Annahme der Schenkung verweigert, kann der Schuldner seine bereits eingetretene Befreiung also nicht mehr rückgängig machen. Die Exegese von C 2.18.12 hat ergeben, daß als Deckungsverhältnis bei der Drittleistung nicht nur die negotiorum gestio in Betracht kommt, sondern auch die donatio. Für die Abgrenzung dieser beiden Fälle kommt es – entgegen Archi – in erster Linie auf die Absicht des Dritten an24: Leistet er donandi animo, dann ist die actio negotiorum gestorum contraria ausgeschlossen. Eine Schenkung kommt aber wohl erst durch die nachträgliche Zustimmung des Schuldners zustande. Ihre Verweigerung ändert zwar nichts an der befreienden Wirkung der Drittleistung, sie läßt jedoch das Hindernis entfallen, das dem Rückgriff des Dritten bis dahin entgegensteht. 2. Zu dem Fall, daß ein Dritter ohne Anweisung des Schuldners in Schenkungsabsicht auf eine fremde Schuld leistet, sind auch in den Digesten mehrere Entscheidungen überliefert.25 Diese von Archi vernachlässigten Quellen bestätigen die Klassizität der schenkweisen Drittleistung. Sie geben aber keinen weiteren Aufschluß über ihre Konstruktion und sind daher nur der Vollständigkeit halber kurz zu erwähnen. Im ersten Text geht es um die Frage, ob die schenkweise Drittleistung einer Frau unter das Interzessionsverbot des SC Vellaeanum fällt: D 16.1.4.1 Ulp 29 ad ed Proinde si, dum vult Titio donatum, accepit a me mutuam pecuniam et eam Titio donavit, cessabit senatus consultum. sed et si tibi donatura creditori tuo nummos numeraverit, non intercedit: senatus enim obligatae mulieri succurrere voluit, non donanti: hoc ideo, quia facilius se mulier obligat quam alicui donat.26

Von der Drittleistung handelt erst der zweite Teil des Fragments (sed et si rell.)27: Eine Frau hat in Schenkungsabsicht (donatura) auf eine Schuld des Tu 24 Wie und von wem diese Absicht im Prozeß zu beweisen ist, geht aus dem Reskript nicht hervor. Bei dieser Frage könnte die pietas, die Pringsheim SZ 42 (1921) und ihm folgend Seiler 43 A. 35 hinter dem Ausschluß der actio negotiorum gestorum contraria vermuten, von Bedeutung sein. Dies legt jedenfalls das von Pringsheim A. 2 zitierte Thalelaiosscholion (sch. 3 ad Bas. 17.2.12) nahe; vgl. auch si non et hoc materna liberalitate, sed recipiendi animo fecisse ostenderis in C 2.18.11 Alex. 25 Wenn die vom Schuldner geduldete Drittleistung in den Anwendungsbereich der in D 17.1.6.2 Ulp 31 ad ed behandelten actio mandati in factum) fällt (dazu o. 10 II), dann gehört der zweite Satz dieses Fragments (dazu o. A. § 11 A. 54) zu den Belegen für die schenkweise Drittleistung. Denn dort heißt es: nisi pro invito quis intercesserit aut donandi animo aut negotium gerens, erit mandati actio. 26 Übersetzung: Deshalb kommt der Senatsbeschluß nicht zur Anwendung, wenn sie, als sie Titius schenken wollte, Geld von mir als Darlehen erhalten und Titius geschenkt hat. Aber auch wenn sie, um dir zu schenken, an deinen Gläubiger Geld gezahlt hat, ist sie nicht interzediert. Der Senat hat nämlich der verpflichteten Frau helfen wollen, nicht der schenkenden; dies deshalb, weil eine Frau sich leichter verpflichtet als jemandem schenkt.

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an dessen creditor gezahlt. Nach Ulpian ist ihre Zahlung keine Interzession im Sinne des SC Vellaeanum. Er begründet dies mit dem Willen des Gesetzgebers: Der Senat habe nur verpflichteten Frauen helfen wollen, nicht aber denjenigen, die etwas verschenken. Denn eine Verbindlichkeit sei leichter begründet als eine Schenkung. Die schenkweise Drittleistung erfüllt also weder den Tatbestand des SC Vellaeanum, noch wird sie von seinem Schutzzweck erfaßt. Auf die Schenkungsabsicht kommt es dabei nicht an.28 Aus zahlreichen anderen Quellen ergibt sich vielmehr, daß die Drittleistung insgesamt vom Interzessionsverbot ausgenommen ist.29 Dies wird auch genauso begründet wie in fr. 4.1: In zwei Entscheidungen wird bereits das Vorliegen einer Interzession verneint30, weil das SC Vellaeanum seinem Wortlaut nach nur de obligationibus feminarum, quae pro aliis reae fierent handelt31, so daß unter den Tatbestand ,pro aliis intercedere‘ nur Verpflichtungsgeschäfte fallen und keine Leistungen. Den ersten Teil seiner teleologischen Argumentation greift Ulpian selbst in D 16.1.8.5 Ulp 29 ad ed wieder auf: Wenn eine Frau ihren Schuldner dem 27 Im Ausgangsfall hat eine Frau bei Ego ein Darlehen aufgenommen und das geliehene Geld, wie von Anfang an beabsichtigt, an Titius verschenkt. Ulpian entscheidet, daß sie sich gegen die Darlehensklage nicht mit der Einrede aus dem SC Vellaeanum verteidigen kann. Der Grund ergibt sich aus proinde. Denn damit knüpft Ulpian an den unmittelbar vorher (in D 16.1.4 pr.) wiedergegebenen Grundsatz an, daß das SC Vellaeanum nicht zur Anwendung kommt, wenn der Gläubiger bei der Interzession gutgläubig war. Ego ist also deshalb keiner Einrede ausgesetzt, weil er nichts von der beabsichtigten Verwendung der Darlehensvaluta wußte. Im zweiten Fall ist von einer Darlehensgewährung nicht mehr die Rede. Sie kann auch nicht aus dem Zusammenhang ergänzt werden; vgl. nur Medicus Zur Geschichte des Senatus Consultum Velleianum (1957) 44 f. (zum ersten Teil des Fragments auch 115). Denn wie vor allem der Wechsel in der Person des Begünstigten (Titius – tu) zeigt, leitet sed et si nicht nur eine Fallvariante ein, sondern einen völlig neuen Sachverhalt. Dies bestätigt auch die Entscheidung non intercedit: Ulpian verneint hier bereits den objektiven Tatbestand einer Interzession, während er im ersten Fall voraussetzt, daß das SC Vellaeanum grundsätzlich auf die (im Interesse eines Dritten eingegangene) Darlehensverbindlichkeit anwendbar wäre; so überzeugend Medicus 101 ff. (zum Text 105) gegen Vogt Studien zum Senatus consultum Velleianum (1952) 43 ff. (49 f.). 28 So übereinstimmend Vogt (o. A. 27) 84 und Medicus (o. A. 27) 42, der allerdings aus D 16.1.21.1 Call 3 inst und aus dem ersten Teil von fr. 4.1 den Schluß zieht, „daß – jedenfalls in Einzelfällen – die klassischen Juristen bei Schenkungsabsicht der Frau das SC Vell. nicht angewandt haben“ (45). 29 So beginnt C 4.29.9 Gord mit den Worten quamvis pro alio solvere possit mulier; vgl. auch D 16.1.5 Gai 9 ad ed prov, D 16.1.8.5 Ulp 29 ad ed, D 16.1.28 pr. Scaev 1 resp, C 4.29.1 Ant und C 4.29.4.1 Alex; dazu Solazzi estinz. 48 f. 30 So in D 16.1.4.1 Ulp 29 ad ed (si tibi donatura creditori tuo nummos numeraverit, non intercedit) und in C 4.29.1 Ant (si pro aliis, cum obligatae non essent, pecuniam exsolvunt, intercessione cessante repetitio nulla est). 31 Vgl. D 16.1.2.1 Ulp 29 ad ed; dazu Vogt (o. A. 27) 10 f. und Medicus (o. A. 27) 25 ff., der eine weitere, über den Tatbestand des SC Vellaeanum hinausgehende Bedeutung von intercedere im Privatrecht für möglich, aber nicht beweisbar hält. Ein Beleg ist möglicherweise D 17.1.6.2 Ulp 31. Denn dort wird intercedere als Synonym zu intervenire gebraucht, und nach dem o. § 11 A. 54 Gesagten besteht Anlaß zu der Vermutung, daß damit auch die Leistung auf fremde Schuld gemeint ist.

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Gläubiger eines Dritten delegiert hat, findet das SC Vellaeanum keine Anwendung quia et si pecuniam numerasset, cessaret senatus consultum: mulier enim per senatus consultum relevatur, non quae deminuit, restituitur. Danach fällt die delegatio als Leistungsgeschäft ebensowenig unter das Interzessionsverbot wie die Drittleistung. Denn das SC Vellaeanum entlastet die Frau nur von Verbindlichkeiten, die sie für einen Dritten eingeht, es verschafft ihr aber keinen Ausgleich für ein Vermögensopfer, das sie im Interesse des Dritten erbringt. Diese Parallele zeigt, daß Ulpian auch am Schluß von fr. 4.1 nicht auf die Besonderheiten der donatio anspielt, sondern darauf, daß die Drittleistung weniger gefährlich ist als eine Bürgschaft oder ähnliche Interzessionsgeschäfte: Wer (schenkweise oder recipiendi animo) auf eine fremde Schuld zahlt, spürt die damit verbundene Minderung seines Vermögens sofort und läuft darum nicht Gefahr, die Tragweite seines Handelns zu unterschätzen.32 In den restlichen Quellen zur Drittleistung donandi animo geht es um die Frage, ob der Bürge beim Hauptschuldner Regreß nehmen kann, wenn ein Dritter schenkweise für ihn geleistet hat. Dies ist deshalb problematisch, weil die für den Rückgriff zuständige actio mandati (in factum) ein pecuniam abesse auf Seiten des Bürgen voraussetzt.33 Die Klage könnte also daran scheitern, daß der Bürge weder selbst gezahlt hat noch dem Dritten gegenüber zum Ausgleich verpflichtet ist. So entscheidet Ulpian denn auch den benachbarten Fall, daß der Gläubiger selbst den Bürgen non remunerandi causa, sed principaliter donando durch Erlaß befreit.34 Er fährt dann aber fort: D 17.1.12.1 Ulp 31 ad ed Marcellus autem fatetur, si quis donaturus fideiussori pro eo solverit creditori, habere fideiussorem mandati actionem. (§ 2) Plane, inquit, si filius familias vel servus fuit fideiussor et pro his solvero donaturus eis, mandati patrem vel dominum non acturos, hoc ideo, quia non patri donatum voluit.35 32 Mit hoc ideo, quia facilius se mulier obligat quam alicui donat bringt Ulpian genau diesen Gedanken zum Ausdruck. Die Passage ist darum auch nicht verdächtig; so aber Beseler SZ 66 (1948) 314, dem sich Medicus (o. A. 27) 44 f. mit dem Argument anschließt, Ulpian stelle „der donatio nicht, wie es richtig wäre, die Interzession in Rückgriffsabsicht gegenüber, sondern fälschlich die obligatio schlechthin“. Mit dieser Begründung setzt sich Medicus in Widerspruch zu seiner eigenen zutreffenden Interpretation (42 f.), nach der die Schenkungsabsicht für Ulpians (zweite) Entscheidung keine Rolle spielt und der Ausschluß des SC Vellaeanum allein darauf beruht, daß die Frau eine Leistung erbringt. Denn danach ist der Fall, daß sie in Rückgriffsabsicht leistet, nicht anders zu behandeln als die donatio. Darüber hinaus läßt Medicus außer Betracht, daß sich der Inhalt des von ihm verdächtigten Satzes mit seiner eigenen Vorstellung vom Schutzzweck des SC Vellaeanum (134 ff.) deckt. 33 S. o. § 10 A. 18 und § 11 A. 21. 34 Vgl. D 17.1.10.13 und 12 pr. Ulp 31 ad ed; dazu Watson Mandate 167 ff., der die von Krüger ahl vorgeschlagene Konjektur non ipsius remunerandi causa, sed principali reo und die darauf aufbauende Interpretation von Donatuti Mandato I 75 ff. überzeugend wiederlegt.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

Wenn ein Dritter in Schenkungsabsicht auf die Bürgenschuld zahlt, verschafft er dem Bürgen die actio mandati (in factum) gegen den Hauptschuldner.36 Die Beschränkung auf remuneratorische Schenkungen gilt hier nicht. Dies räumt Marcell ein (fatetur), und zwar offenbar den Vertretern einer Gegenansicht, die diese Einschränkung auch beim schenkweisen Erlaß ablehnt. In § 2 schließt er den Rückgriff lediglich für den Fall aus, daß der donaturus für einen filius familias oder servus fideiussor leistet. Denn hier käme das Geschenk nicht dem Bürgen selbst zugute, sondern seinem Gewalthaber.37 Im übrigen scheint die regreßbegründende Wirkung der schenkweisen Drittleistung aber allgemein anerkannt zu sein. Dies bestätigt D 17.1.26.3 Paul 32 ad ed Si is, qui fideiussori donare vult, creditorem eius habeat debitorem suum eumque liberaverit, continuo aget fideiussor mandati, quatenus nihil intersit, utrum nummos solverit creditori an eum liberaverit.38

Der Gläubiger einer durch Bürgschaft gesicherten Forderung ist seinerseits Schuldner eines Dritten. In dieser Konstellation kann der Dritte dem Bürgen schenkweise die actio mandati (in factum) gegen den Hauptschuldner verschaffen, indem er an Erfüllungs Statt die Schuld des Gläubigers erläßt.39 Denn hier – so argumentiert Paulus wohl im Hinblick auf Marcells Unterscheidung – steht der Erlaß einer schenkweisen Drittleistung gleich. Daß die Drittleistung den Bürgenregreß begründet, setzt er damit als selbstverständlich voraus. III. Die Drittleistung und das Verbot der Ehegattenschenkung 1. Die Hauptquelle zur schenkweisen Drittleistung unter Ehegatten ist D 24.1.50 pr. Iav 13 epist Si, cum mulier viginti servum emisset, in eam emptionem vir quinque venditori dedit, divortio facto omnimodo vir eam summam exiget neque ad rem pertinet, an is servus deterior factus sit: nam et si mortuus esset, quinque exactio ei competeret. quaeritur enim, an mulier ex viri patrimonio locupletior sit eo tempore, quo de dote 35 Übersetzung: Marcellus räumt aber ein, daß der Bürge die Auftragsklage hat, wenn jemand, um dem Bürgen zu schenken, für ihn an den Gläubiger geleistet hat. (§ 2) Freilich, sagt er, wenn der Bürge ein Haussohn oder ein Sklave war und ich für sie geleistet habe, um ihnen zu schenken, dann könne der Vater oder der Eigentümer nicht aus Auftrag klagen, dies deshalb, weil er dem Vater nichts schenken wollte. 36 Vgl. dazu Watson Mandate 164, 168 f. und Donatuti Mandato I 72 ff. 37 Die Echtheit dieser Entscheidung ist umstritten; vgl. Watson Mandate 169 f. mwN. einerseits und Buti Studi sulla capacità patrimoniale dei „servi“ (1976) 119 f. andererseits. 38 Übersetzung: Wenn derjenige, der dem Bürgen schenken will, dessen Gläubiger selbst zum Schuldner hat und diesen befreit, kann der Bürge sofort aus Auftrag klagen, weil es keinen Unterschied macht, ob er Geld an den Gläubiger gezahlt oder ihn befreit hat. 39 Vgl. dazu Watson Mandate 164 und Donatuti Mandato I 74 f.

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agebatur: facta autem intellegitur, quae aere alieno suo interventu viri liberata est, quod potuisset adhuc debere, si vir pecuniam non solvisset: neque enim interest, ex qua causa mulier pecuniam debuit, utrum creditam an eam quam ex emptione praestare debeat.40

Die Ehefrau hatte einen Sklaven zum Preis von zwanzig gekauft. Später hat ihr Mann auf diesen Kaufvertrag fünf an den Verkäufer gezahlt. Nach der Scheidung stellt sich die Frage, ob er diesen Betrag ganz oder zum Teil zurückfordern kann. Javolen entscheidet, daß ihm omnimodo die vollen fünf zustehen, das heißt: auch dann, wenn der Sklave inzwischen an Wert verloren hat oder gestorben ist. Er begründet dies damit, daß die – für die Frage der Rückforderung entscheidende – Bereicherung ex viri patrimonio nicht weggefallen ist: Die Frau ist von einer Verbindlichkeit befreit worden, die unabhängig vom Wertverlust oder Tod des Sklaven weiterhin bestünde, wenn der Mann nicht gezahlt hätte. Im Schlußsatz ergänzt Javolen diese Begründung durch ein fallvergleichendes Argument: Was den Wegfall der Bereicherung angeht, unterscheidet sich die Begleichung einer Kaufpreisschuld nicht von der Rückzahlung eines Darlehens. Da von einer Anweisung der Ehefrau nicht die Rede ist, muß man davon ausgehen, daß der Mann aus eigenem Antrieb an den Verkäufer gezahlt hat.41 Seine Drittleistung hat einen doppelten Effekt: Die Frau wird von ihrer Kaufpreisschuld befreit (aere alieno suo interventu viri liberata est), und der Mann erwirbt einen Ausgleichsanspruch in Höhe des gezahlten Betrags (vir eam summam exiget . . . quinque exactio ei competeret). Daß sich dieser Anspruch aus dem Verbot der donatio inter virum et uxorem ergibt, sagt der Text zwar nicht ausdrücklich; die Frage an mulier ex viri patrimonio locupletior sit setzt dies aber voraus. Denn sie stellt sich nur bei der Rückabwicklung einer Ehegattenschenkung, nicht aber bei der actio negotiorum gestorum contraria.42 Dies 40 Übersetzung: Wenn der Mann, als die Frau für zwanzig einen Sklaven gekauft hatte, auf diesen Kaufvertrag fünf an den Verkäufer gezahlt hat, dann wird der Mann diese Summe nach der Scheidung in jedem Fall einklagen, und es tut nichts zur Sache, ob dieser Sklave an Wert verloren hat. Denn auch wenn er gestorben wäre, stünde ihm die Klage auf die fünf zu. Es wird nämlich gefragt, ob die Frau aus dem Vermögen des Mannes bereichert ist zu dem Zeitpunkt, an dem über die Mitgift prozessiert wird. So wird aber diejenige angesehen, die von ihrer Schuld durch das Eingreifen des Mannes befreit worden ist, weil sie jetzt noch hätte schulden können, wenn der Mann das Geld nicht gezahlt hätte. Es kommt nämlich auch nicht darauf an, aus welchem Grund die Frau das Geld geschuldet hat, ob als dargeliehenes oder als das, was sie aus einem Kaufvertrag leisten muß. 41 Anders Archi Don. 112 f.; gegen ihn zutreffend Broise (o. A. 3) 197 und Bull. 67 (1964) 243 A. 73; skeptisch offenbar auch Misera Der Bereicherungsgedanke bei der Schenkung unter Ehegatten (1974) 47 mit A. 106. 42 Zur Berücksichtigung des Wegfalls der Bereicherung bei der Ehegattenschenkung Niederländer Die Bereicherungshaftung im klassischen römischen Recht (1953) 27 ff., 67 ff., Flume Fs. Niedermeyer (1953) 117 und vor allem Misera (o. A. 41) 83 ff. Den Unterschied zur actio negotiorum gestorum contraria verdeutlicht das dort 118 f. be-

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

stimmt mit Lenels43 Annahme überein, daß die Kompilatoren exiget für retinebit, exactio für retentio und de dote für re uxoria eingesetzt haben, um Javolens Entscheidung dem justinianischen Rechtszustand44 anzupassen. Danach geht es in fr. 50 gar nicht um eine Klage des Mannes, sondern um die retentio propter res donatas, die er als Beklagter im Dotalverfahren geltend macht. Für diese beinahe allgemein akzeptierte Interpolationsvermutung45 spricht vor allem an . . . locupletior sit eo tempore, quo de dote agebatur. Für einen möglichen Wegfall der Bereicherung kann nämlich der Zeitpunkt der litis contestatio über die Dotalklage nur dann maßgeblich sein, wenn der Mann seinen Ausgleichsanspruch in diesem Verfahren geltend macht. Als erstes Ergebnis bleibt damit festzuhalten, daß Javolen die schenkweise Drittleistung als donatio behandelt.46

handelte Gordianreskript C 5.16.9: Etsi de tua pecunia mancipia uxori tuae comparata sunt, tamen, si ei sunt traditae, eorum dominium non ad te, sed ad eam pertinet, pecuniae autem tantummodo repetitionem habes, sive negotium eius gerens numerationem fecisti sive in eam donationem conferens quantitatem pretii largitus es: etenim vel in solidum vel quatenus locupletior facta est actione cum ea competenti poteris experiri. Der Ehemann hat den Preis für mehrere Sklaven bezahlt, die im Rahmen eines Bargeschäfts für seine Frau gekauft und dieser auch übereignet wurden (de tua pecunia . . . comparata sunt). Das Eigentum an den Sklaven erwirbt die Frau, und der Mann kann von ihr nur den Kaufpreis ersetzt verlangen; ebenso C 4.50.6 pr., 1 Diocl/Max (s. u. A. 68). Sein Anspruch ergibt sich entweder aus negotiorum gestio oder aus dem Verbot der Ehegattenschenkung. Im ersten Fall richtet er sich auf den vollen Betrag (in solidum), im zweiten ist er auf die noch vorhandene Bereicherung beschränkt (quatenus locupletior facta). Diesen Unterschied übersieht Archi (o. A. 7) 147 (= 1068), vgl. auch Don. 113 f., wenn er aus C 5.16.9 den Schluß zieht, die schenkweise Befreiung des Ehegatten habe die gleichen Folgen wie eine negotiorum gestio, und darum hätten die klassischen Juristen ihre Voraussetzungen (zu denen er auch die Anweisung des Beschenkten zählt) nicht besonders erwähnt. 43 Paling. I 296 A. 1 bis 3 (Iavolen 136). 44 In C 5.13.1 ersetzt Justinian die actio rei uxoriae des klassischen Rechts durch eine eigentümliche actio ex stipulatu (vgl. auch I 4.6.29). Gleichzeitig beseitigt er die Retentionsrechte des Mannes (§§ 5 bis 5 f), und anstelle der retentio propter res donatas verweist er dabei auf die weiterhin bestehende Möglichkeit, mit der rei vindicatio oder der condictio gegen die beschenkte Frau vorzugehen (§ 5 a); vgl. dazu nur Kaser RP II 191 ff. mwN. 45 Vgl. etwa Riccobono APal. 3–4 (1917) 223 A. 1, Siber St. Riccobono III (1936) 261, Aru Le donazioni fra coniugi in diritto romano (1938) 236, Niederländer (o. A. 42) 29, Misera (o. A. 41) 110 f. und Eckardt 125, jeweils mwN.; anders – ohne Begründung – nur Lauria St. Albertoni II (1937) 541/542 A. 105 (vgl. aber auch 545 A. 120) und Broise (o. A. 3) 195/196 A. 151. 46 Daß er lediglich die Regeln der donatio inter virum et uxorem anwendet, läßt entgegen Archi (o. A. 7) 147 (= 1067) keinen anderen Schluß zu. Denn deren Anwendungsbereich reicht nicht über die donatio hinaus: Eine Handlung, durch die ein Ehegatte auf Kosten des anderen bereichert wird, ist nicht in jedem Fall, sondern nur dann verboten, wenn sie donationis causa erfolgt; vgl. nur D 24.1.44 Ner 5 membr (non enim omnimodo uxores ex bonis virorum, sed ex causa donationis ab ipsis factae adquirere prohibitae sunt) und Misera (o. A. 41) 6 und 138 A. 46. Daß er auch für die Drittleistung gilt, bezeugt si donationis causa creditori solvisset in D 32.33.2 Scaev 15 dig; dazu u. bei A. 78 ff.

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Gegenstand der Schenkung ist nicht etwa der Sklave oder das Geld, mit dem er bezahlt wurde, sondern vielmehr die Befreiung von der Kaufpreisschuld47, und genau darin liegt auch die Pointe von Javolens Argumentation48: Wäre der Sklave selbst Gegenstand der Schenkung oder das Surrogat des geschenkten Geldes, dann hinge es von seinem aktuellen Wert ab, ob die Frau noch bereichert und damit ausgleichspflichtig ist. Ihr wurde aber die Befreiung von einer Kaufpreisschuld zugewandt, und weil Bestand und Umfang dieser Verbindlichkeit vom Schicksal der Gegenleistung unabhängig sind, kann sich der spätere Wertverlust oder Tod des Sklaven nicht mehr bereicherungsmindernd auswirken. Javolen sagt dies nicht nur ausdrücklich (locupletior . . . facta autem intellegitur, quae aere alieno suo interventu viri liberata est, quod potuisset adhuc debere, si vir pecuniam non solvisset), er macht die Ratio seiner Entscheidung auch noch an einem Vergleichsfall deutlich: Der Wert der befreienden Drittleistung ist bei einer Kaufpreisschuld ebenso konstant wie bei einer Darlehensverbindlichkeit, und darum macht es keinen Unterschied, ob der Mann emendi oder solvendi causa gezahlt hat. Diese Argumentation läßt den Schluß zu, daß die Lösung beim Darlehen bereits bekannt und anerkannt ist.49 Ihre Übertragung auf den Kauf scheint dagegen Javolens Verdienst zu sein.50 Dies bestätigt § 1 des Fragments, wo Javolen die Unterschiede zu einem schon bei älteren Juristen belegten51 Gegenfall herausarbeitet: Wenn der Mann seiner Frau die Mittel für den Kauf eines Sklaven geschenkt hat, dann hängt der Umfang seines Rückgewähranspruchs vom aktuellen Wert des Sklaven ab. Hier greift das Argument aus der Wertbeständigkeit der Befreiung nicht (nec videtur mulier locupletior esse, quae neque a creditore suo liberata est), weil der Kaufvertrag erst nach der Schenkung geschlossen wurde. Wertverlust und Tod des Sklaven mindern darum die Bereicherung der Frau. Daß sie diese Gefahr auf ihren Mann abwälzen kann, ist deshalb gerechtfertigt quia quod aliter emptura non fuit, nisi pecuniam a viro accepisset, hoc consumptum ei perit qui donavit. Kehrt man

47 Misera (o. A. 41) 111 ff. und Eckardt 126 bezeichnen die Befreiung als „Surrogat“ des gezahlten Geldes. Dieser Begriff ist allerdings mißverständlich. Denn der Mann hat seiner Frau nicht das Geld zugewendet, sondern im Wege der Drittleistung die Befreiung selbst. Daß die Vorstellung eines Surrogats zu falschen Ergebnissen führen kann, zeigt eine Bemerkung von Misera 47 A. 109, in der er die befreiende Wirkung der schenkweisen Drittleistung unter Ehegatten mit dem Problem der consumptio nummorum in Zusammenhang bringt (dazu u. A. 60). 48 Vgl. dazu Siber (o. A. 45) 261, Niederländer (o. A. 42) 29, Flume (o. A. 42) 122, Eckardt 125 f. und vor allem Misera (o. A. 41) 111 ff. mwN. in A. 100; anders Aru (o. A. 45) 237 mit 235. 49 So auch Misera (o. A. 41) 116. 50 Dies erklärt die ausführliche Begründung, die demnach kein Indiz für eine Klassikerkontroverse ist; anders Misera (o. A. 41) 112 und 116, dessen Vermutungen Eckardt 126 mit A. 45 überzeugend widerlegt. 51 Vgl. die Zitate in D 24.1.28.3 Paul 7 ad Sab (Plautius) und D 24.1.29 pr. Pomp 14 ad Sab (Fulcinius).

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

diese Begründung um, dann wird deutlich, daß hinter Javolens Entscheidung im Ausgangsfall nicht nur konstruktive Gründe stehen, sondern auch eine Wertung: Die Frau hatte den Sklaven ohne Rücksicht auf die Schenkung und damit auf eigene Gefahr gekauft. Daß ihr Mann später einen Teil des Kaufpreises gezahlt hat, rechtfertigt es nicht, ihn insoweit mit den wirtschaftlichen Risiken des Kaufvertrags zu belasten.52 Für das Verhältnis von donatio und Drittleistung ist Javolens Entscheidung aber vor allem wegen ihrer klaren dogmatischen Begründung von Bedeutung. Denn wenn die Befreiung als Gegenstand der Schenkung angesehen wird, dann zeigt dies, daß auch die schenkweise Drittleistung in erster Linie solutio ist: Nur weil sie als solche zum Erlöschen der Schuld führt, kann mit ihrer Hilfe eine Schenkung des Dritten an den Schuldner begründet werden. Donatio ist die Drittleistung also nur mittelbar, nämlich wegen ihrer befreienden Wirkung. Dies zeigt sich auch an den Folgen des Schenkungsverbots: Javolen gewährt dem Mann eine retentio propter res donatas, weil die Frau durch die Befreiung von ihrer Verbindlichkeit dauerhaft bereichert ist. Er setzt damit als selbstverständlich voraus, daß die Zahlung als solche wirksam ist: Sie verschafft dem Gläubiger das Eigentum an den Münzen und führt zum Erlöschen der Obligation. Wie der Vergleichsfall zeigt, gilt dies nicht nur für die Zahlung des Kaufpreises, sondern auch und erst recht für die solutio im engeren Sinne einer datio solvendi causa. Die Nichtigkeit der donatio inter virum et uxorem wirkt sich also nur im Verhältnis zwischen den Ehegatten aus, die befreiende Wirkung der Drittleistung bleibt davon unberührt.53 Dies ist deshalb bemerkenswert, weil sich aus zahlreichen Quellen zum Delegationsrecht54 ergibt, daß das Verbot der Ehegattenschenkung schuldrechtliche und sogar dingliche Wirkungen im Verhältnis zu Dritten entfalten kann55. Daß Javolen eine solche Außenwirkung nicht einmal in Betracht zieht, macht deutlich, wie streng solutio und donatio 52 Entgegen Misera (o. A. 41) 115 steht der Passus quod aliter emptura non fuit, nisi pecuniam a viro accepisset nicht „auf derselben Stufe“ wie die Sachverhaltsschilderung quod si mulier non emerat servum, sed ut emeret, a viro pecuniam accepit. Er ist vielmehr Teil des quia-Satzes und hat damit begründenden Charakter. Es geht Javolen also nicht nur darum, „den Gegensatz zur Befreiung von einer Verbindlichkeit herauszuarbeiten“, sondern auch darum, ihn zu rechtfertigen. Dem will die hier vertretene Interpretation Rechnung tragen, ohne die rein konstruktive Begründung im pr. hinter die wertende Argumentation des § 1 zurücktreten zu lassen oder sie – mit Niederländer (o. A. 42) 29 f. – auf den allgemeinen Gesichtspunkt des Ersparens notwendiger Aufwendungen zu reduzieren. 53 Dies betonen auch Misera (o. A. 41) 47 und Kupisch SZ 93 (1976) 90 mit A. 114. 54 Vgl. von den bei Misera (o. A. 41) 26 ff. behandelten Quellen vor allem D 24.1.39 Iul 5 ex Minic und D 46.3.38.1 Afr 7 quaest, wo Julian die im Ergebnis unerwünschte Drittwirkung mit den Mitteln des Honorarrechts korrigiert. Demgegenüber schlägt Celsus in D 24.1.3.12 Ulp 32 ad Sab eine Fortbildung der zivilrechtlichen Dogmatik vor. Vgl. zu diesem viel behandelten Text nur Harke 83 ff. mwN. auch zu Julians Lösung (93 f. A. 373).

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bei der schenkweisen Drittleistung auseinandergehalten werden. Die Folge ist, daß der Gläubiger mit der Rückabwicklung der nichtigen Schenkung nichts zu tun hat: Er kann die ihm gebührende Leistung in jedem Fall behalten und muß sich insbesondere nicht darum kümmern, ob der eine Ehegatte in Schenkungsabsicht für den anderen zahlt oder nicht. Daß diese Konsequenz aus der strikten Trennung von solutio und donatio klar erkannt wird und auch gewollt ist, zeigt eine programmatische Äußerung Ulpians56: D 24.1.5.2 Ulp 32 ad Sab Generaliter tenendum est, quod inter ipsos aut qui ad eos pertinent aut per interpositas personas donationis causa agatur, non valere: quod si aliarum extrinsecus rerum personarumve causa commixta sit, si separari non potest, nec donationem impediri, si separari possit, cetera valere, id quod donatum sit non valere.57

Die Nichtigkeit der donatio inter virum et uxorem soll sich nur auf die Ehegatten selbst, die Angehörigen ihres Hausverbandes58 und die von ihnen eingeschalteten Mittelspersonen59 auswirken, nicht dagegen auf außenstehende Dritte. Sind deren Interessen berührt, dann soll das Schenkungsverbot nur eingreifen, wenn und soweit sich seine Rechtsfolgen auf die donatio selbst begrenzen lassen. Ulpian fordert die getrennte Betrachtung der verschiedenen Rechtsverhältnisse (separari), um eine Drittwirkung auf Außenstehende zu verhindern. Obwohl dieses allgemeine Trennungsprinzip erst von Ulpian formuliert wird, 55 Besonders deutlich wird der Unterschied zur Drittleistung in D 24.1.5.4 Ulp 32 ad Sab: Si uxor viri creditori donationis causa promiserit et fideiussorem dederit, neque virum liberari neque mulierem obligari vel fideiussorem eius Iulianus ait, perindeque haberi ac si nihil promississet. Um ihren Mann schenkweise zu befreien, hat eine Frau dem Gläubiger die geschuldete Leistung versprochen und diese Stipulation durch einen Bürgen gesichert. Ob sie dabei auf Anweisung ihres Mannes oder aus eigenem Antrieb gehandelt hat, sagt der Text nicht. Nach Julian ist der Fall so zu behandeln, als sei das verbotswidrige Versprechen nie abgegeben worden: Der Mann wird nicht befreit, und der Gläubiger erwirbt weder eine Forderung gegen die Frau noch gegen den Bürgen. 56 Die Bedeutung dieser Quelle für das Verständnis der schenkweisen Drittleistung unter Ehegatten hat schon Oertmann 406 erkannt. Er zieht sie nämlich zu Recht als Argument gegen die von Savigny System IV 591 f. begründete Lehre heran, die schenkweise Drittleistung setze den Durchgangserwerb des beschenkten Schuldners voraus, bei der Ehegattenschenkung sei dieser Vorgang dinglich unwirksam und darum könne auch der Gläubiger kein Eigentum an den Münzen erwerben. Bei der Interpretation von D 24.1.50 pr. macht Oertmann 408 f. allerdings einen Rückzieher, indem er hier die Konsumption der gezahlten Münzen unterstellt. 57 Übersetzung: Allgemein ist zu beachten, daß das, was zwischen ihnen (den Ehegatten) selbst oder denjenigen, die zu ihnen gehören, oder durch von ihnen eingeschaltete Personen schenkweise geschieht, nicht wirksam ist. Wenn aber die Rechtslage anderer außenstehender Sachen oder Personen damit vermischt ist und wenn sie nicht getrennt werden kann, daß dann auch der Schenkung nichts entgegensteht, und wenn sie getrennt werden kann, daß dann das übrige wirksam ist und das, was Schenkung ist, unwirksam. 58 Dazu Misera SZ 93 (1976) 33 ff. 59 Dazu Misera (o. A. 41) 48 f. mwN.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

liegt die Vermutung nahe, daß er sich dabei am Vorbild der schenkweisen Drittleistung orientiert und daß deren Konstruktion, die schon Javolen als selbstverständlich voraussetzt, auf einer ähnlichen Wertung beruht: Sie bezeugt zwar noch nicht die allgemeine Tendenz, Drittwirkungen zu vermeiden, setzt die konstruktive Trennung der verschiedenen Rechtsverhältnisse aber schon zum Schutz des Gläubigers ein. Ob diese Lösung überkommenes Recht ist oder auf eine vor- oder frühklassische Neuerung zurückgeht, läßt sich nicht sagen. Denn die Alternative – Unwirksamkeit der solutio – wird in keiner Quelle erwähnt, und es gibt auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, daß das Schenkungsverbot im Fall der Drittleistung jemals Außenwirkung hatte.60 2. Näheren Aufschluß gibt ein weiteres Ulpianfragment, das Javolens Entscheidung aufgreift und von anderen tatbestandlich eng benachbarten Fällen abgrenzt: D 24.1.7.7 Ulp 31 ad Sab Si uxor rem emit et maritus pretium pro ea numeravit, interdum dicendum est totum a muliere repetendum, quasi locupletior ex ea in solidum facta sit: ut puta si emit quidem rem mulier et debebat pecuniam, maritus autem a venditore eam liberavit: quid enim interest, creditori solvat an venditori?61

Im ersten Satz (bis facta sit) handelt Ulpian von der schenkweisen62 Zahlung des Kaufpreises im allgemeinen. Seine Entscheidung, nach der die Ehefrau bis60 Anders Misera (o. A. 41) 47 mit A. 109 und 128 f. mit A. 172, der hier ein fortgeschrittenes Stadium der Rechtsentwicklung zu erkennen glaubt, in dem die dingliche Unwirksamkeit der Zahlung bereits durch die Regeln der consumptio nummorum überwunden wird. Diese Vermutung beruht jedoch auf der Gleichsetzung von zwei unterschiedlichen Fällen: Auf die Regeln der consumptio nummorum kommt es allenfalls dann an, wenn ein Ehegatte dem anderen Geld schenkt, mit dem dieser dann seine Schuld bezahlt (so in der von Misera 128 A. 172 zitierten Stelle D 24.1.7.1 Ulp 31 ad Sab). Hier ist die dingliche Wirksamkeit der solutio zweifelhaft, weil der beschenkte Ehegatte als Nichtberechtigter verfügt. Anders bei der schenkweisen Drittleistung, von der Misera 47 mit A. 109 handelt. Hier zahlt der Berechtigte selbst; ob er dem Gläubiger das Eigentum an den Münzen verschafft, ist darum jedenfalls kein Problem der Verfügungsmacht. Denkbar wäre allenfalls, daß das Schenkungsverbot unmittelbare Drittwirkung entfaltet. Dagegen spricht jedoch, daß der Schenker solvendi und nicht donandi causa zahlt: Gegenstand der Schenkung ist hier eben nicht das Geld, und die Befreiung ist nicht bloß dessen Surrogat (s. o. A. 47). Vielmehr wird die Befreiung selbst dem Schuldner schenkweise zugewandt. 61 Übersetzung: Wenn die Ehefrau eine Sache gekauft und der Ehemann den Kaufpreis für sie gezahlt hat, muß man bisweilen sagen, daß das Ganze von der Frau zurückgefordert werden kann, so als sei sie daraus in voller Höhe bereichert worden: so zum Beispiel, wenn die Frau zwar eine Sache gekauft hat und Geld schuldete, der Ehemann sie aber vom Verkäufer befreit hat. Denn was macht es für einen Unterschied, ob er an einen Gläubiger zahlt oder an einen Verkäufer? 62 Auf eine Schenkung (unter Ehegatten) weist nicht nur quasi locupletior ex ea in solidum facta sit (s. o. bei A. 42), sondern vor allem der Kontext: Um die donatio inter virum et uxorem geht es auch in den übrigen Paragraphen von fr. 7. Nach Lenel Paling. II 1140 (Ulpian 2766) mit A. 2 stammt das Fragment aus dem 32. Buch ad Sabinum und nicht, wie die Inskription ausweist, aus dem 31.; dagegen Misera (o.

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weilen den gesamten Kaufpreis zurückerstatten muß, weil sie aus der Zahlung ihres Mannes in vollem Umfang bereichert ist, belegt er im zweiten Satz mit einem Beispiel: Die Frau hat eine Sache gekauft, den Kaufpreis aber nicht sofort bezahlt. Später wird sie von ihrem Mann im Wege der Drittleistung63 befreit. Daß sie in diesem Fall zur Erstattung des gesamten Kaufpreises verpflichtet ist, begründet Ulpian mit einem kurzen, in die Form einer rhetorischen Frage gekleideten Vergleich. Danach macht es keinen Unterschied, ob der Mann auf eine Kaufpreisschuld zahlt oder auf eine andere Verbindlichkeit. Der zweite Satz enthält ein stark verkürztes und aus sich heraus kaum verständliches Zitat von Javolens Entscheidung.64 Ihm kann darum auch nur entnommen werden, daß Ulpian sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung Javolen folgt. Der erste Teil des Fragments ist ergiebiger, und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen stellt Ulpian durch interdum klar, daß der schenkweise gezahlte Kaufpreis nicht immer vollständig erstattet werden muß. Da er nur von der Zahlung des Mannes an den Verkäufer handelt (maritus pretium pro ea numeravit), kann sich diese Einschränkung nicht auf den in D 24.1.50.1 erörterten Fall beziehen, daß der Mann seiner Frau Geld schenkt und diese damit etwas kauft.65 Ulpian denkt vielmehr an einen Barkauf, bei dem der Mann den Kaufpreis für seine Frau bezahlt. Dies ergibt sich aus § 4 desselben Fragments.66 Denn hier erkennt Ulpian für einen solchen Fall an, daß der Wertverlust der Kaufsache zum Wegfall der Bereicherung führt und damit den Rückforderungsanspruch des Mannes beschränkt. Diese vermutlich umstrittene67 Entscheidung ist mit Javolens Lösung vereinbar. Denn beim Barkauf tilgt der Mann keine Verbindlichkeit, zu deren Erfüllung seine Frau ohnehin verpflichtet wäre, er beteiligt sich vielmehr an einem Geschäft, das sie ohne seine Schenkung vielleicht gar nicht abgeschlossen hätte, und dies rechtfertigt es, ihn auch an der Gefahr A. 41) 206 f., dem zuzugeben ist, daß Ulpian schon im 31. Buch mit den Schenkungen unter Ehegatten begonnen haben kann. Dafür gibt es allerdings keinen weiteren Hinweis, und die Reihenfolge der Fragmente in D 24.1 spricht für Lenels Emendation. Denn in fr. 1, 3 und 5 haben die Kompilatoren schon das 32. Buch exzerpiert. 63 Von einer Anweisung, die Archi Don. 112 f. auch in fr. 7.7 unterstellen will, ist hier ebensowenig die Rede wie in D 24.1.50 pr.; s. o. bei A. 41. 64 Dennoch besteht kein Grund, mit Niederländer (o. A. 42) 30 quid . . . venditori oder mit Siber (o. A. 45) 265 sogar den ganzen Satz zu verdächtigen. Die knappe Darstellung ist vielmehr ein Beleg dafür, daß Javolens Entscheidung in der Spätklassik allgemein bekannt und anerkannt ist; ähnlich Misera (o. A. 41) 116. 65 So aber Misera (o. A. 41) 113 A. 106, auf dessen sonst überzeugende Erklärung des interdum sich die folgenden Ausführungen stützen. 66 D 24.1.7.4 Ulp 31 ad Sab: Eleganter tractabitur, si mulier quindecim praedia emerit et maritus non totum pretium numeraverit, sed duas partes pretii, hoc est decem, uxor de suo quinque, deinde haec praedia valeant nunc decem, maritus quantum consequatur. et magis est, ut consequi debeat duas partes decem, ut quod periit ex pretio, utrique perierit et marito et uxori. Vgl. dazu nur Misera (o. A. 41) 109 f. und 116 ff. 67 Darauf deutet das vorsichtige et magis est; vgl. Misera (o. A. 41) 109 f.

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der Verschlechterung und des Untergangs der Kaufsache teilhaben zu lassen. Das erste über D 24.1.50 pr. hinausgehende Ergebnis besteht also darin, daß sich Javolens Lösung – jedenfalls nach Ulpian – nicht auf den Barkauf übertragen läßt. Die schenkweise Drittleistung emendi und solvendi causa werden danach nur beim Kreditkauf gleichbehandelt.68 Die andere neue Erkenntnis betrifft das prozessuale Instrumentarium, mit dem die Rückabwicklung der schenkweisen Drittleistung durchgesetzt werden kann: Während der überarbeitete Text von fr. 50 pr. für das klassische Recht nur die retentio propter res donatas bezeugt, gewährt Ulpian69 dem Ehemann eine condictio gegen die schenkweise befreite Frau (totum a muliere repetendum). Diese Klage darf nicht als Anwendungsfall einer allgemeinen ,Rückgriffskondiktion‘ mißverstanden werden. Denn außerhalb der donatio inter virum et uxorem ist kein Fall überliefert, in dem der befreite Schuldner dem Dritten mit der condictio haftet, weil das Deckungsverhältnis mangelhaft ist oder überhaupt nicht zustande kommt. Dagegen wird das Verbot der Ehegattenschenkung immer dann mit Hilfe der condictio durchgesetzt, wenn die rei vindicatio 68 Aus diesem Grund kann hier auf eine Exegese von zwei Reskripten zur schenkweisen Kaufpreiszahlung für den Ehegatten verzichtet werden: Beide handeln vom Barkauf und geben damit weder unmittelbar noch mittelbar Aufschluß über die schenkweise Zahlung solvendi causa. Der Text von C 5.16.9 Gord ist o. A. 42 abgedruckt, die andere Stelle ist C 4.50.6 pr., 1 Diocl/Max: Multum interest, utrumne uxore tua comparante pecuniam numerasti eique possessio tradita est, an contractu emptionis a te nomine tuo habito tantum uxoris nomen post instrumentis scribi feceris. (§ 1) Nam si quidem uxor tua nomine suo emit eique res traditae sunt nec in te quicquam de his processit, non nisi de pretio adversus eam, in quantum tu pauperior et illa locupletior facta est, habes actionem. Entgegen Misera (o. A. 41) 119 ist wegen pecuniam numerasti eique possessio tradita est von einem Barkauf auszugehen, bei dem der Mann den Kaufpreis bezahlt hat. Die Betonung der locupletior-Haftung in § 1 steht darum auch nicht im Widerspruch zu D 24.1.7.7. Das gleiche gilt für C 5.16.9 (s. o. A. 42). 69 Anders als in fr. 50 pr. kann die in fr. 7.7 erwähnte Rückforderungsklage nicht den Kompilatoren zugeschrieben werden; so zutreffend Lauria (o. A. 45) 541 A. 102 und Misera (o. A. 41) 113 A. 106 mwN. gegen die Interpolationsannahme von Siber (o. A. 45) 265 und anderen. Zwar hat Justinian die retentio propter res donatas systematisch durch eine Rückforderungsklage ersetzt (o. A. 44), daraus folgt aber nicht, daß alle Quellen, in denen eine solche Klage erwähnt wird, interpoliert wären. Die Annahme einer Textveränderung müßte sich darum auch hier auf besondere Indizien stützen können. Anders als in fr. 50 pr. wird in fr. 7.7 aber weder die Ehescheidung noch die actio rei uxoriae erwähnt, und die Rückforderungsklage wird auch nicht als exactio bezeichnet – vgl. dazu Riccobono (o. A. 45) 223 mit A. 1 –, sondern mit dem im Sprachgebrauch der klassischen Juristen technischen Ausdruck repetere; vgl. dazu nur Heumann/Seckel s.v. repetere 1) und Levy SZ 35 (1914) 39 f. und 48 f. Daß Ulpian den Wegfall der Bereicherung in Erwägung zieht (totum a muliere repetendum, quasi locupletior ex ea in solidum facta sit), ist ebenfalls kein Argument für eine Interpolation. Denn spätestens seit den Ergebnissen von Misera (o. A. 41) 225 ff. steht fest, daß im klassischen Recht nicht nur die retentio propter res donatas, sondern auch schon die condictio aus Ehegattenschenkung auf die vorhandene Bereicherung beschränkt ist.

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nicht oder nicht mehr statthaft ist.70 Daß zu diesen außerordentlichen Kondiktionsfällen auch die Klage in fr. 7.7 gehört, ergibt sich aus der ratio dubitandi. Die Frage, ob die Frau den gesamten Kaufpreis (totum) erstatten muß, weil sie in vollem Umfang bereichert ist (quasi locupletior ex ea in solidum facta sit), stellt sich nämlich nur bei der condictio aus Ehegattenschenkung; in allen übrigen Anwendungsfällen dieser Klage wäre ein nachträglicher Wegfall der Bereicherung von vornherein unbeachtlich. Der beschenkte Ehegatte haftet dagegen nur, wenn und soweit er noch bereichert ist71, und nur deswegen besteht überhaupt die Möglichkeit, den nachträglichen Untergang oder die Verschlechterung der Kaufsache haftungsmindernd zu berücksichtigen. Der ,Bereicherungsgedanke‘, der das gesamte Recht der Ehegattenschenkung prägt72, ist denn auch der Grund dafür, daß die condictio hier ausnahmsweise die Gestalt einer ,Rückgriffskondiktion‘ annehmen kann: Die schenkweise Drittleistung führt dazu, daß der befreite Ehegatte auf Kosten des leistenden bereichert ist. Eine solche Bereicherung will das Verbot der donatio inter virum et uxorem aber gerade verhindern, und darum findet – mangels anderer Klagemöglichkeiten – die condictio statt. Die Klage gründet sich also nicht allein auf die Unwirksamkeit der Schenkung; hinzu kommt vielmehr, daß der Fortbestand der Bereicherung dem Zweck des Schenkungsverbots zuwiderliefe.73 Aus diesem Grund läßt fr. 7.7 auch nicht den Schluß zu, daß der Schuldner immer dann der Kondiktion des Dritten ausgesetzt wäre, wenn es an einem wirksamen Dekkungsverhältnis und damit an einem ,Rechtsgrund‘ für seine Bereicherung fehlt. Denn damit würden die Besonderheiten der donatio inter virum et uxorem nicht nur in unzulässiger Weise verallgemeinert, sondern auch verkannt. Ulpians Entscheidung zeigt lediglich, daß die befreiende Leistung des Dritten zu einer Bereicherung des Schuldners führt, die im Fall der Ehegattenschenkung verboten ist und darum hier mit Hilfe der condictio ausgeglichen wird.

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Vgl. nur D 24.1.5.6, 7 und 18 Ulp 32 ad Sab. Vgl. dazu vor allem Misera (o. A. 41) 225 ff. und passim, aber auch schon Niederländer (o. A. 42) 67 ff. und Flume (o. A. 42) 117 ff. 72 Vgl. dazu Misera (o. A. 41) 6 ff., 166 ff. und passim. 73 Nichts anderes folgt aus D 24.1.6 Gai 11 ad ed prov: Quia quod ex non concessa donatione retinetur, id aut sine causa aut ex iniusta causa retineri intellegitur: ex quibus causis condicio nasci solet. Wer behält, was er aus einer verbotenen Ehegattenschenkung erlangt hat, erfüllt damit einen allgemeinen Kondiktionstatbestand, nämlich entweder den des sine causa retinere oder den des ex iniusta causa retinere. Dieser – ohnehin merkwürdigen – doppelten Qualifikation läßt sich nicht entnehmen, daß die condictio bei der Ehegattenschenkung ausschließlich auf die Unwirksamkeit der Schenkung und die damit verbundene Rechtsgrundlosigkeit der Zuwendung gestützt würde. Die zweite Alternative zeigt vielmehr, daß es zumindest auch Fälle gibt, in denen die condictio deshalb gewährt wird, weil das Behalten des geschenkten Gegenstands gegen das Schenkungsverbot verstieße. 71

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3. Dementsprechend findet auch unter Ehegatten kein Bereicherungsausgleich statt, wenn das Schenkungsverbot ausnahmsweise nicht eingreift. Von einem solchen Fall handelt D 24.1.21 pr. Ulp 32 ad Sab Si quis pro uxore sua vectigal, quod in itinere praestari solet, solvisset, an quasi locupletiore ea facta exactio fiat, an vero nulla sit donatio? et magis puto non interdictum hoc, maxime si ipsius causa profecta est. nam et Papinianus libro quarto responsorum scripsit vecturas uxoris et ministeriorum eius virum itineris sui causa datas repetere non posse: iter autem fuisse videtur viri causa et cum uxor ad virum pervenit. nec interesse, an aliquid de vecturis in contrahendo matrimonio convenerit: non enim donat, qui necessariis oneribus succurrit. ergo et si consensu mariti profecta est mulier propter suas necessarias causas et aliquid maritus expensarum nomine ei praestiterit, hoc revocandum non est.74

Der Ehemann hat den auf einer Reise angefallenen Wegzoll für seine Frau entrichtet. Ulpian entscheidet, daß diese Drittleistung keine unerlaubte Schenkung ist und darum auch keinen Ausgleichsanspruch begründet. In der folgenden Begründung unterscheidet er nach dem Zweck der Reise: Für den Fall, daß die Frau wegen ihres Mannes unterwegs war, verweist er auf ein Responsum Papinians, nach dem der Mann die Kosten einer solchen Reise auch dann nicht zurückverlangen kann, wenn bei der Eheschließung keine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde. Ulpian führt diese Entscheidung auf den allgemeinen Grundsatz zurück, daß die Übernahme notwendiger Ausgaben keine Schenkung ist, und zieht daraus wiederum den Schluß, daß die Rückforderung auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Frau mit Zustimmung ihres Mannes eine Reise in dringenden eigenen Angelegenheiten unternommen hat. Ulpian argumentiert sowohl fallvergleichend als auch konstruktiv. So führt er seine offenbar umstrittene Entscheidung (magis puto) auf eine fremde Autorität zurück, indem er Papinians Responsum zitiert und ihm – in allerdings fragwürdiger Weise – eine Begründung unterlegt, die Teil seiner eigenen, in sich schlüssigen Argumentationskette ist. Danach steht dem Ehemann deshalb kein Ausgleichsanspruch zu, weil seine Zahlung nicht unter das Verbot der donatio 74 Übersetzung: Wenn jemand für seine Ehefrau den Zoll, der auf der Reise gewöhnlich entrichtet wird, gezahlt hatte, findet dann eine Klage statt, so als sei sie bereichert, oder liegt keine Schenkung vor? Und ich glaube eher, daß dies nicht verboten ist, vor allem wenn sie seinetwegen gereist ist. Denn auch Papinian hat im vierten Buch der Responsen geschrieben, daß der Mann die Reisekosten der Ehefrau und ihrer Bediensteten, die er seiner eigenen Reise wegen gezahlt hat, nicht zurückfordern kann. Die Reise wird aber auch dann so angesehen, als sei sie wegen des Mannes geschehen, wenn die Ehefrau zum Mann gekommen ist. Und es komme nicht darauf an, ob bei der Eheschließung irgend etwas hinsichtlich der Reisekosten vereinbart worden ist; es schenkt nämlich nicht, wer bei notwendigen Lasten zur Hilfe kommt. Auch wenn die Frau also mit Zustimmung des Ehemannes wegen eigener notwendiger Angelegenheiten gereist ist und der Ehemann ihr etwas im Hinblick auf die Kosten geleistet hat, kann dies nicht zurückgefordert werden.

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inter virum et uxorem fällt (non interdictum hoc). Sie ist nämlich keine Schenkung, weil sie nur notwendige Ausgaben betrifft (non enim donat, qui necessariis oneribus succurrit). Dies setzt voraus, daß der Mann in freigiebiger Absicht gezahlt hat. Denn andernfalls könnte er mit der actio negotiorum gestorum contraria Regreß nehmen. Die Schenkung scheitert also nicht etwa am animus recipiendi, sondern an dem besonderen Anlaß der Zuwendung: Der Zoll ist auf einer Reise angefallen, die die Frau im Interesse des Mannes oder mit seinem Einverständnis propter suas necessarias causas unternommen hat, und in beiden Fällen entscheidet Ulpian nach dem Grundsatz non enim donat, qui necessariis oneribus succurrit. Wegen dieses Satzes gilt fr. 21 pr. als einer der wichtigsten Belege dafür, daß Unterhaltsleistungen vom Verbot der donatio inter virum et uxorem ausgenommen sind.75 Versteht man ihn wörtlich, dann ist bei onera necessaria aber nicht nur die Anwendung des Verbots, sondern die donatio selbst ausgeschlossen. Daraus folgt jedoch nicht notwendig, daß der Drittleistung des Mannes statt dessen ein besonderes unterhaltsrechtliches Deckungsverhältnis zugrunde liegen müßte. Dagegen spricht vielmehr zum einen, daß das klassische Recht eine Unterhaltspflicht des Ehegatten nicht anerkennt.76 Zum anderen läßt in fr. 21 pr. auch nichts auf die Vorstellung einer bloß kondiktionsausschließenden unterhaltsrechtlichen Sonderbeziehung schließen: Der Gedanke der Alimentierung findet sich vielmehr nur in dem allgemeinen Grundsatz non enim donat, qui necessariis oneribus succurrit, und hier dient er lediglich als Argument gegen die Schenkung. In den Entscheidungen selbst hat er eine noch geringere Bedeutung: Bei Papinian steht der Ausschluß der Rückforderung unter der Bedingung, daß die Ehefrau viri causa gereist ist; er beruht also offenbar auf dem Gedanken, daß der Mann nicht schenkt, wenn er für seinetwegen entstehende Kosten aufkommt. Auch bei Ulpian sind die causae necessariae nur eine Voraussetzung dafür, daß die Frau ihrem Mann keinen Ausgleich schuldet. Die andere – si consensu mariti profecta est mulier – hat dagegen mit Alimentierung nichts zu tun. Ulpians Entscheidung ist also ebenfalls kein Beleg dafür, daß die Drittleistung eines Ehegatten ein besonderes unterhaltsrechtliches Deckungsverhältnis begründen könnte. Sie bezeugt lediglich die – im Vergleich zu Papinian fortgeschrittene – Tendenz, den Anwendungsbereich des Schenkungsverbots zu begrenzen. Ihre konstruktive Begründung ist aber in einer anderen Hinsicht aufschlußreich: Ulpian begründet den Ausschluß der Rückforderung gerade nicht mit dem Bestehen eines Rechtsgrunds, sondern rein negativ (non interdictum 75 Vgl. etwa Kaser RP I 332 A. 30, Misera (o. A. 41) 269, García Garrido Ius uxorium (1958) 90 f., Sachers RE 22 (1953) 1119 f. und Koschaker St. Bonfante IV (1930) 5. Als weitere Belege werden unter anderem D 24.1.7.1 Ulp 31 ad Sab, D 24.1.31.8 bis 10 Pomp 14 ad Sab und C 5.16.11 Gord angeführt. 76 Vgl. etwa Kaser RP I 329, Zoz Bull. 73 (1970) 344 ff., Sachers (o. A. 75) und Koschaker (o. A. 75) 3 ff.

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hoc . . . non enim donat), und dies setzt voraus, daß die Rückforderung bei der schenkweisen Drittleistung eines Ehegatten auf dem Schenkungsverbot selbst beruht und nicht etwa darauf, daß es wegen der Unwirksamkeit der donatio an einem wirksamen Deckungsverhältnis fehlt.77 4. Die vierte und letzte Entscheidung zur schenkweisen Drittleistung eines Ehegatten gibt zwar keine weiteren Aufschlüsse über das Verhältnis von donatio und solutio. Sie soll aber zur Abrundung und wegen ihres ebenso reizvollen wie umstrittenen Gegenstands noch kurz erörtert werden. D 32.33.2 Scaev 15 dig Cum Seius pro uxore centum aureos creditori solverit et ornamentum pignori positum luerit, postea autem testamento facto uxori suae legavit, quidquid ad eum inve stipulatum eius concessit et hoc amplius vicenos aureos annuos: quaesitum est, an hos centum aureos heredes viri ab uxore vel ab heredibus eius repetant. respondit, si donationis causa creditori solvisset, teneri heredes ex causa fideicommissi, si repetant, atque etiam petentes exceptione summoveri: quod praesumptum esse debet, nisi contrarium ab herede approbetur.78

Der Erblasser Seius hatte als Dritter eine Schuld seiner Ehefrau in Höhe von 100 bezahlt und auf diese Weise verpfändeten Schmuck ausgelöst. In seinem später errichteten Testament bedachte er seine Frau mit einer jährlichen Rente und einem weiteren Legat, dessen Gegenstand dem – hier offenbar verdorbenen – Text nicht genau zu entnehmen ist. Die Frage, ob Seius’ Erben die 100 von der Frau oder ihren Erben zurückfordern können, bescheidet Scaevola abschlägig, allerdings unter der Bedingung, daß Seius schenkweise gezahlt hat: In diesem Fall haften die Erben nach der Rückforderung des Geldes aus Fideikommiß, und ihrer Klage steht eine exceptio entgegen. Der letzte Satz stellt dann klar, daß die Erben eine Vermutung gegen sich haben, die sie nur durch den Beweis des Gegenteils entkräften können. Obwohl die Überlieferung einer zentralen Textpassage gestört ist, kann Scaevolas Responsum als weiteres Zeugnis für die schenkweise Drittleistung unter 77 Eine weitere Bestätigung findet diese unter 2 entwickelte These in Ulpians alternativ formulierter Frage an quasi locupletiore ea facta exactio fiat, an vero nulla sit donatio. Denn danach findet eine Rückforderung nur statt, wenn eine (verbotene) Schenkung vorliegt. Ist dies nicht der Fall, dann bleibt die Ehefrau bereichert, und zwar unabhängig davon, ob ein anderes (wirksames) Deckungsverhältnis besteht oder nicht. 78 Übersetzung: Als Seius für seine Ehefrau 100 Goldstücke an den Gläubiger gezahlt und verpfändeten Schmuck ausgelöst, später aber ein Testament errichtet und seiner Ehefrau vermacht hat, was auch immer er an ihn oder auf seine Stipulation gewährt hat, und darüber hinaus jährlich 20 Goldstücke, (in diesem Fall) ist gefragt worden, ob die Erben des Mannes diese 100 Goldstücke von der Ehefrau oder ihren Erben zurückfordern können. Er hat geantwortet, wenn er schenkungshalber an den Gläubiger gezahlt hätte, hafteten die Erben aus Fideikommiß, wenn sie zurückfordern, und auch als Kläger würden sie mit einer Einrede ausgeschlossen. Dies muß vermutet werden, es sei denn, das Gegenteil wird von den Erben bewiesen.

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Ehegatten in Anspruch genommen werden.79 Denn der erste Teil der Sachverhaltsschilderung (bis luerit) ist von der Störung ebensowenig betroffen wie der Bedingungssatz si donationis causa creditori solvisset, den Scaevola seiner Entscheidung voranstellt. Nichts anderes gilt für das zweimal erwähnte repetere, demzufolge der Text nicht von der retentio propter res donatas handelt, sondern von der aus D 24.1.7.7 bekannten condictio gegen die befreite Ehefrau. Dieser Klage steht nach Scaevola eine exceptio entgegen, und zwar offenbar deshalb, weil Seius seiner Frau ein bestimmtes Vermächtnis zugewandt hat. Über den Gegenstand dieses Legats geben die Worte quidquid ad eum inve stipulatum eius concessit keine klare Auskunft. Er ist darum ebenso umstritten wie die Ratio von Scaevolas Entscheidung. Die meisten Interpreten80 nehmen an, Seius habe seiner Frau all das vermacht, was er zu Lebzeiten schenkweise entweder ihr selbst zugewandt oder auf ihre Verbindlichkeiten geleistet hatte. Eine solche testamentarische Bestätigung ist bis zur oratio Severi des Jahres 206 Voraussetzung dafür, daß eine unwirksame donatio inter virum et uxorem mit dem Tod des Schenkers konvalesziert.81 Sie ist darum bei Scaevola noch mehrfach belegt, und zwar gerade im unmittelbaren Kontext von fr. 33.2.82 Legt man sie auch hier zugrunde, dann geht die Entscheidung weitgehend auf: Aufgrund des Vermächtnisses sind Seius’ Erben verpflichtet, die 100 sofort zurückzuerstatten, und darum steht ihrer condictio die exceptio doli entgegen.83 Die Bedingung si donationis causa creditori solvisset wäre dann als Hinweis darauf zu verstehen, daß das Legat nur schenkweise Drittleistungen erfaßt, und der Schlußsatz zur praesumptio, der vor allem wegen des Wechsels von der indirekten in die direkte Rede seit Gradenwitz84 als interpoliert gilt, trägt den Neuerungen der oratio Severi Rechnung.85 Denn danach obliegt den Erben des Schenkers der Beweis dafür, daß 79

Anders Archi Don. 109. Vgl. vor allem Voci DER II 962 und Astolfi Studi sull’oggetto dei legati in diritto romano I (1964) 50 f., aber auch De Villa La liberatio legata nel diritto classico e Giustinianeo (1939) 83 und Santalucia I legati ad effetto liberatorio nel diritto romano (1964) 137/138 f. A. 50, deren Ansichten zu Authentizität und Inhalt von fr. 33.2 im übrigen allerdings stark auseinandergehen. 81 S. o. § 8 A. 12. 82 Vgl. D 32.33.1 Scaev 15 resp (uxori suae inter cetera ita legavit: ,uxori meae quidquid vivus dedi donavi usibusve eius conparavi, concedi volo‘) und D 34.2.13 Scaev 15 resp (uxori quis legavit his verbis: ,mundum muliebrem omnem, ornamenta et quidquid vivus dedi donavi eius causa comparavi confeci, id omne dari volo‘). Den unmittelbaren Zusammenhang mit diesen Responsen betont Lenel Paling. II 231 (Scaevola 50) A. 1. 83 Vgl. nur D 44.4.8 Paul 6 ad Plaut zur liberatio legata. 84 SZ 7 (1886) 76, zustimmend Lenel Paling. II 231 (Scaevola 50) A. 4, Santalucia (o. A. 80) 137/138 A. 50 sowie die dort und die bei Wacke SZ 91 (1974) 256 A. 23 Zitierten; für Echtheit dagegen Wacke selbst, De Villa (o. A. 80) 83 und offenbar auch Kaser/Hackl 598 A. 29. 80

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die Schenkung zu Lebzeiten widerrufen worden ist.86 Unklar bleibt allerdings zum einen, warum das als Legat bezeichnete Vermächtnis eine Verpflichtung ex causa fideicommissi begründet.87 Zum anderen ist der Hinweis auf die praesumptio – unabhängig davon, ob man ihn für interpoliert hält – kaum zu erklären, wenn das Testament eine ausdrückliche Bestätigung der lebzeitigen Schenkungen enthält. Gegen die in der Romanistik vorherrschende Deutung spricht aber vor allem der überlieferte Wortlaut des Legats. Denn hier ist von Zuwendungen an Seius (ad eum) die Rede und nicht von Schenkungen an seine Frau. Die aus diesem Grund vorgeschlagene Konjektur quidquid ad [eam] inve stipulatum eius concessit 88 ist weder mit dem Text der Basiliken89 zu vereinbaren, noch führt sie zu einem befriedigenden Ergebnis. Sie muß vielmehr die Gleichzeitigkeit von legavit und concessit sowie ad aliquem (statt alicui) concedere ebenso in Kauf nehmen wie den Ausdruck in stipulationem (debitoris) concedere, der sonst nirgends zur Bezeichnung einer Drittleistung verwendet wird. Nach der vor allem von Wacke90 vertretenen Gegenansicht handelt fr. 33.2 von einem legatum dotis: Seius hat seiner Frau die Gegenstände vermacht, die sie ihm als Mitgift bestellt oder versprochen hatte. Dies erklärt zwar das eum, ist aber nur schwer damit zu vereinbaren, daß die dos in der Beschreibung des Legats nicht erwähnt wird. Darum und wegen des auffälligen concessit wird auch diese Interpretation kaum ohne eine Konjektur auskommen können.91 Zu85

So ausdrücklich Voci DER II 962. Vgl. D 24.1.32.4 Ulp 33 ad Sab. 87 Vgl. dazu Johnston The Roman Law of Trusts (1988) 261 ff., der die gerade bei Scaevola häufige Vermengung von Legat und Fideikommiß teils einem nachklassischen Herausgeber seiner Werke zuschreibt und teils auf einen untechnischen Gebrauch des Worts legare zurückführt (so – mit gewissen Vorbehalten – auch zu fr. 33.2, vgl. 262 mit A. 21). 88 Vgl. Mommsen ahl., De Villa (o. A. 80) 83 und Astolfi (o. A. 80) 50, aber auch die englische Übersetzung von Watson/Braun („whatever he had paid to her or had paid to discharge her stipulation“). Die deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis/Jungmeister („Alles, was er dem [Gläubiger derselben] oder zum Behuf der Stipulation desselben gegeben hat“) folgt der Glosse zu ad eum und kommt so ohne Konjektur zu einem ähnlichen Testamentsinhalt. Nach diesem Textverständnis ist aber ad eum neben in stipulationem eius sinnlos. 89 Vgl. Bas. 44.3.33 in der Ausgabe von Heimbach (IV 377). Der dort wiedergegebene Text ist allerdings den Inhaltsbeschreibungen des Tipucitus entnommen und darum in der Neuausgabe von Scheltema/van der Wal (A VI 2000) nicht mehr enthalten. 90 (O. A. 84) 255 f., ebenso schon Samter SZ 27 (1906) 180 A. 1. 91 Wacke (o. A. 84) äußert sich zu dieser Frage nicht, aber nach Samter (o. A. 90) ist quidquid ad eum inve stipulatum eius concessit ein „digestenhaft ungeschickter Ausdruck“ für das in D 33.4.17.1 Scaev 3 resp überlieferte quanta pecunia ad me inve stipulationem dotis eius nomine pervenit. Nimmt man diese auffallend ähnliche Klausel zum Vorbild, dann sind in fr. 33.2 nur drei Worte zu ergänzen: legavit, quidquid ad eum inve stipulatum eius , concessit et hoc amplius 86

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dem ist auf den ersten Blick auch nicht ersichtlich, wie Scaevola aus einem legatum dotis auf die fideikommissarische Bestätigung der schenkweisen Drittleistung schließen könnte. Ein solcher Schluß, den Wacke selbst nicht in Erwägung zieht92, erscheint aber bei näherer Betrachtung möglich. Denn wie sich aus anderen Quellen93 ergibt, ist die retentio propter res donatas bei der Klage aus einem legatum dotis ausgeschlossen, und darum ist es gut vorstellbar, daß Scaevola die Aussetzung eines solchen Legats als stillschweigende fideikommissarische Bestätigung der lebzeitigen Schenkungen auslegt. Auf diese Weise ließe sich nicht nur das Nebeneinander von uxori suae legavit und teneri heredes ex causa fideicommissi erklären, auch der Hinweis auf die praesumptio bekäme einen Sinn: Er wurde nachträglich – vermutlich von den Kompilatoren – angefügt, um Scaevolas Entscheidung der veränderten Rechtslage anzupassen. Denn seit der oratio Severi hat sich die Beweislast geändert: Die Konfirmation der Schenkung muß nicht mehr aus dem legatum dotis erschlossen werden, sie wird vielmehr vermutet, solange die Erben nicht den lebzeitigen Widerruf beweisen. IV. Zusammenfassung Die in diesem Abschnitt behandelten Quellen haben gezeigt, daß im Wege der Drittleistung eine Schenkung des Dritten an den Schuldner bewirkt werden kann, für die trotz ihrer Besonderheiten die allgemeinen Regeln der donatio gelten: Gegenstand dieser Schenkung ist nicht das Geleistete, sondern die Befreiung von der Verbindlichkeit. Sie kann dem Schuldner ohne dessen Zustimvicenos aureos annuos. Diese Konjektur hat den zusätzlichen Vorteil, daß sie die Gleichzeitigkeit von legavit und concessit erklärt und die ungewöhnliche Verbindung von concedere mit ad eum und in stipulationem eius beseitigt. 92 Nach Wacke (o. A. 84) 256 kommt es Scaevola gar nicht auf den Inhalt des Legats, sondern allein darauf an, daß Seius seine Frau im Testament bedacht hat, ohne die Rückforderung der 100 zu erwähnen: „Hätte der Ehemann wegen seiner Interzession bei seiner Frau Regreß nehmen wollen, so hätte er anläßlich der Testamentserrichtung die Gelegenheit gehabt, dies zu vermerken. Wenn er dies unterließ und der Frau außerdem eine Rente aussetzte, war er offenbar vermögend; daher spricht eine tatsächliche Vermutung für einen Verzicht auf den Regreß. Aus dem Schweigen des Testaments in Verbindung mit dem Rentenlegat schließt der Jurist zu Recht auf ein konkludent gewolltes fideicommissum liberationis“. Im Schlußsatz stelle Scaevola dann klar, daß die Erben diese Vermutung durch den Beweis anderslautender Willensäußerungen widerlegen können. Dem ist entgegenzuhalten, daß Scaevola seine Entscheidung davon abhängig macht, ob Seius donationis causa gezahlt hat. Denn darauf käme es bei einem fidecommissum liberationis nicht an. Gegenstand des Fideikommisses kann daher nur die Bestätigung der unwirksamen Ehegattenschenkung sein. Eine solche testamentarische Bestätigung ist auch erforderlich, weil die donatio inter virum et uxorem – entgegen Wacke 256 A. 212 – zur Zeit Scaevolas noch nicht mit dem Tod des Schenkers konvalesziert. 93 Vgl. vor allem D 33.4.5 Marci 3 reg, aber auch D 33.4.1.3 Ulp 19 ad Sab; dazu Astolfi (o. A. 80) 157 ff. und Palazzolo Dos praelegata (1968) 63 ff.

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mung zugewandt werden, und für den Ausschluß der Rückforderung genügt bereits die einseitige Schenkungsabsicht des Dritten. Es gibt aber keinen Hinweis darauf, daß die sonst stets erforderliche Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung ebenfalls entbehrlich wäre. Wegen des Grundsatzes non potest liberalitas nolenti adquiri ist vielmehr anzunehmen, daß die donatio erst durch die nachträglich erklärte Annahme des Schuldners zustande kommt und daß der Dritte in dem – nicht überlieferten – Fall der Ablehnung wieder die Möglichkeit hat, Regreß zu nehmen. Die Befreiung des Schuldners kann durch eine solche Erklärung jedoch nicht mehr beseitigt werden. Wie die Quellen zur schenkweisen Drittleistung unter Ehegatten ergeben haben, wird die donatio genauso streng von der solutio unterschieden wie die negotiorum gestio. Auch die schenkweise Drittleistung ist in erster Linie Leistung auf Schuld. Nur weil sie als solche befreiend wirkt, kann sie auch eine Schenkung des Dritten an den Schuldner begründen. Auf der anderen Seite wirkt das Verbot der donatio inter virum et uxorem nicht auf die solutio zurück: Auch wer schenkweise auf die Schuld seines Ehegatten zahlt, verschafft dem Gläubiger das Eigentum an den Münzen und bringt damit die Forderung zum Erlöschen. Der Mangel des Deckungsverhältnisses schlägt hier also ebensowenig auf die solutio durch wie bei der negotiorum gestio. Dies beruht auf einer klaren Trennung der beiden Rechtsverhältnisse, die schon Javolen als selbstverständlich voraussetzt und die nach Ulpian gerade den Zweck hat, den Gläubiger als Außenstehenden vor den Folgen des Schenkungsverbots zu schützen: Er kann die ihm gebührende Leistung in jedem Fall behalten und muß sich nicht darum kümmern, ob der Dritte in Schenkungsabsicht leistet oder nicht. Das Verbot der donatio inter virum et uxorem begründet darum lediglich einen Ausgleichsanspruch des leistenden gegen den befreiten Ehegatten. Daß dieser Anspruch unter anderem mit der condictio durchgesetzt werden kann, ist kein Indiz für eine allgemeine bereicherungsrechtlich begründete ,Rückgriffskondiktion‘. Die Klage wird nämlich nicht deshalb gewährt, weil der befreite Ehegatte wegen der Unwirksamkeit der donatio ohne Rechtsgrund bereichert wäre. Grundlage der condictio ist vielmehr das Schenkungsverbot selbst. Es richtet sich gegen die schenkweise Bereicherung als solche und macht darum eine außerordentliche Anwendung der condictio erforderlich. Daß diese Klage auch durch andere Mängel des Deckungsverhältnisses begründet werden könnte, ist dagegen nirgends belegt. § 13 Ergebnisse 1. Als solutio hat die Drittleistung keine rechtlichen Folgen im Verhältnis zwischen Schuldner und Drittem. Durch die Befreiung von seiner Verbindlichkeit wird der Schuldner allerdings bereichert, und weil der Dritte das Geleistete

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nicht mehr vom Gläubiger kondizieren kann, geht dies auf seine Kosten. Ein automatischer Ausgleich dieser Bereicherung, wie er bei einem Zessionsmodell gewährleistet wäre, findet bei der solutio nicht statt. Das Problem wird auch nicht nach anderen einheitlichen Grundsätzen gelöst, insbesondere nicht mit den Mitteln des Bereicherungsrechts: Die condictio ist nur für den Sonderfall der schenkweisen Drittleistung unter Ehegatten belegt und nicht als eine allgemeine (oder wenigstens subsidiäre) ,Rückgriffskondiktion‘, die immer dann eingreift, wenn der Schuldner ohne Rechtsgrund auf Kosten des Dritten freigeworden ist. Eine Regreßautomatik ist damit auch unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung ausgeschlossen. 2. Ein Deckungsverhältnis zwischen Schuldner und Drittem kann sich aber aus anderen Rechtsgrundlagen ergeben. So fällt die vom Schuldner geduldete Drittleistung vermutlich in den Anwendungsbereich einer besonderen in factum konzipierten Mandatsklage. Unmittelbar bezeugt sind aber nur1 negotiorum gestio und donatio: 1 Hinzu kommt die – hier nicht gesondert behandelte – Entscheidung Julians zu einem Sonderfall der Leistung an den Gläubiger des Gläubigers, die in D 13.7.11.5 Ulp 28 ad ed überliefert ist: . . . si domum conduxeris et eius partem mihi locaveris egoque locatori tuo pensionem solvero, pigneraticia adversus te potero experiri (nam Iulianus scribit solvi ei posse). Wenn der Untermieter (Ego) den Untermietzins an den Vermieter zahlt, wird er selbst gegenüber dem Mieter (Tu) frei, und er kann gegen diesen mit der actio pigneraticia auf Herausgabe seiner eingebrachten Sachen klagen. Daß hier die Leistung an einen nicht autorisierten Dritten ausnahmsweise befreiende Wirkung hat, hängt mit der besonderen pfandrechtlichen Situation zusammen, von der im Fortgang des Fragments die Rede ist: Die von Ego eingebrachten Sachen sind nicht nur seinem Vertragspartner Tu verpfändet, sie haften auch dem Vermieter für den Mietzins, den Tu ihm schuldet. Aus diesem Grund hat Ego ein schutzwürdiges Interesse daran, durch die Zahlung des Untermietzinses beide Pfandrechte tilgen zu können. Dem trägt Julian Rechnung, indem er der Leistung an den Vermieter im Rahmen der bona fides ausnahmsweise befreiende Wirkung zuerkennt; vgl. dazu Kaser RP I 637 A. 14, Mayer-Maly 31 f. und vor allem Wubbe Res aliena pignori data (1960) 190 ff., 286 sowie TR 26 (1958) 187 ff. Im Text wird zwar nur der außergewöhnliche Umstand hervorgehoben, daß die Leistung an einen Dritten befreiende Wirkung hat (solvi ei posse), die Entscheidung setzt aber voraus, daß Ego nicht nur auf seine eigene Verbindlichkeit zahlt, sondern zugleich auch als Dritter auf die Schuld des Tu. Denn andernfalls bestünde das Pfandrecht des Vermieters fort. Für den Sonderfall der Untermiete ist damit in fr. 11.5 eine weitere Form des Deckungsverhältnisses belegt: Der Untermieter kann seine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Mieter tilgen, indem er als Dritter auf dessen Mietschuld zahlt. Vergleichbare Fälle sind allerdings nicht überliefert, und für die von Solazzi Estinz. 79 vorgeschlagene Verallgemeinerung („il debitore estingueva ipso iure la sua obbligazione, pagando al creditore del creditore, se le due obbligazioni erano collegate in modo che senza l’adempimento della prima non sarebbe stato possibile quello della secondo e in tal caso s’intendeva che il pagamento al creditore del creditore fosse autorizzato da quest’ultimo“) gibt es weder Anhaltspunkte in fr. 11.5 selbst noch sonst einen Beleg in den Quellen; ebenso schon Weber Krit. Vjschr. 27 (1935) 98, kritisch auch Kaser SZ 56 (1936) 347. Aus D 44.4.6 Gai 30 ad ed prov (si opera creditoris acciderit, ut debitor pecuniam, quam soluturus erat, perderet, exceptione doli mali creditor removebitur. idem est et si creditori eius numeratam pecuniam ratam creditor non habeat) ergibt sich vielmehr, daß

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

Leistet der Dritte in der Absicht, Rückgriff zu nehmen, dann steht ihm in der Regel die actio negotiorum gestorum contraria gegen den Schuldner zu. Nach den allgemeinen Grundsätzen der negotiorum gestio ist diese Klage aber nicht in allen Fällen der Drittleistung statthaft. Sie ist sie insbesondere dann ausgeschlossen, wenn der Schuldner ausnahmsweise nicht an seiner Befreiung interessiert ist und wenn der Dritte im Auftrag eines Vierten oder im eigenen Interesse leistet. Dasselbe gilt nach der unter den klassischen Juristen vorherrschenden Ansicht für den ausdrücklichen Widerspruch des Schuldners. In diesen Fällen findet grundsätzlich überhaupt kein Rückgriff statt; besondere Rechtsbehelfe, die den Ausschluß der actio negotiorum gestorum contraria kompensieren, werden nur von Fall zu Fall gewährt. Bei der schenkweisen Drittleistung wird dem Schuldner die Befreiung unentgeltlich zugewandt. Hier genügt bereits der einseitige animus donandi des Dritten, um einen späteren Rückgriff auszuschließen. Die Schenkung dürfte aber erst durch die nachträgliche Annahme des Schuldners zustande kommen. Denn auch im übrigen folgt die schenkweise Drittleistung den allgemeinen Regeln der donatio. Insbesondere kann der Gegenwert der geschenkten Befreiung im Fall einer verbotenen donatio inter virum et uxorem mit der retentio propter res donatas oder mit der condictio zurückgefordert werden. 3. Solutio und Deckungsverhältnis werden streng unterschieden und ausschließlich nach ihren eigenen Regeln behandelt. Eine Abhängigkeit besteht nur insofern, als negotiorum gestio und donatio die obligationstilgende Wirkung der solutio voraussetzen: Die Befreiung des Schuldners ist Gegenstand der Schenkung und Bedingung für ein negotium utiliter gestum. Umgekehrt hängen Wirkungen der solutio nicht davon ab, welche Zwecke der Dritte im Verhältnis zum Schuldner verfolgt und ob die beabsichtigten Rechtsfolgen auch eintreten. Der Schuldner wird auch dann frei, und der Gläubiger kann das Geleistete auch dann behalten, wenn kein wirksames Deckungsverhältnis zustande kommt. Die Beziehung zwischen solutio und Deckungsverhältnis läßt sich danach wie folgt beschreiben: Die Drittleistung ist stets und in erster Linie solutio, Tilgungsakt, und als solcher ist sie zwar regelmäßig, aber nicht notwendig auch negotiorum gestio oder donatio im Verhältnis zwischen Schuldner und Drittem. ein Dritter, der an den creditor seines Gläubigers leistet, im allgemeinen nur durch eine exceptio doli geschützt wird. Er kann seinen Gläubiger auf diese Weise zwingen, die Leistung an den nicht empfangsberechtigten creditor zu genehmigen (vgl. zur ratihabitio etwa D 46.3.49 Marc l s ad form hyp). Wie Gaius’ Vergleichsfall zeigt, ist dies – entgegen Buckland/Stein A Text-book of Roman Law (3. Aufl. 1966) 565 – wohl kein Fall der compensatio, sondern darauf zurückzuführen, daß der Fortbestand der Forderung dem Verhalten des Gläubigers zugeschrieben wird. Die Entscheidung setzt aber jedenfalls voraus, daß eine Drittleistung an den Gläubiger des Gläubigers den Dritten nicht ipso iure befreit, und damit kommt eine eigene Verbindlichkeit – vom Sonderfall des Untermieters abgesehen – als Deckungsverhältnis nicht in Betracht.

§ 13 Ergebnisse

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4. Die Unterscheidung von solutio und Deckungsverhältnis ist von entscheidender Bedeutung für die Rechtsdogmatik. Denn sie ermöglicht es, von den Besonderheiten des Deckungsverhältnisses abzusehen, und öffnet dadurch erst den Blick für das, was allen Fällen der Drittleistung gemeinsam ist. Nur so kann die Drittleistung zu einer Kategorie des allgemeinen Schuldrechts entwickelt und mit der Leistung des Schuldners zu einem einheitlichen Tilgungsgrund verschmolzen werden. Die Trennung von solutio und Deckungsverhältnis führt aber auch zu interessengerechten Ergebnissen. Sie stellt zum einen sicher, daß der Dritte grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der negotiorum gestio (oder der actio mandati in factum) Regreß nehmen kann. Damit ist der Rückgriff immer dann gewährleistet, wenn ein Anspruch auf Aufwendungsersatz auch sonst als angemessen gilt; der Schuldner ist aber nicht verpflichtet, eine nutzlose oder aufgedrängte Bereicherung auszugleichen. Daß der Dritte in diesen Fällen leer ausgeht, erscheint gerechtfertigt, weil er aus eigenem Antrieb und damit auch auf eigenes Risiko handelt. In Sonderfällen kann ihm außerdem durch die Gewährung außerordentlicher Rechtsbehelfe geholfen werden. Die regreßbeschränkende und damit schuldnerfreundliche Wirkung des Trennungsprinzips bestätigt die in § 8 (unter II 3) entwickelte These, daß sich das klassische Recht deshalb gegen einen automatischen Zessionsregreß entschieden hat, weil das überkommene Modell der solutio eine differenzierte und damit sachgerechtere Ausgestaltung des Rückgriffs ermöglicht. Die andere Folge des Trennungsprinzips scheint ebenfalls beabsichtigt zu sein: Der Gläubiger kann die ihm gebührende Leistung unter allen Umständen behalten. Für ihn ist die Drittleistung ausschließlich solutio, und deshalb muß er sich nicht darum kümmern, ob sie außerdem die Voraussetzungen der donatio oder der negotiorum gestio erfüllt. Denn dies betrifft allein das Verhältnis zwischen Schuldner und Drittem und hat keine Bedeutung für das Erlöschen der Forderung und den Ausschluß der condictio indebiti. Nach alledem dürfte es für den Gläubiger auch keinen Unterschied machen, ob der Dritte aus eigenem Antrieb leistet oder aufgrund einer bereits bestehenden Sonderbeziehung zum Schuldner. Dem widerspricht jedoch eine vor allem von Kaser vertretene Lehre, nach der die Drittleistung streng von der Leistung eines bevollmächtigen ,Stellvertreters‘ zu unterscheiden ist. Im Rahmen des folgenden Exkurses soll deshalb untersucht werden, ob für die solutio eines solchen Repräsentanten und ihre befreiende Wirkung andere Regeln gelten als bei der Drittleistung.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

§ 14 Exkurs: Die solutio des Repräsentanten I. Kasers Unterscheidung Im zweiten Band seines Handbuchs schreibt Kaser1: „Bei der Leistung eines Dritten ist (schon für das klassische Recht) zu unterscheiden zwischen der Zahlung im Namen des Schuldners mit dessen Willen (Cels. D.46, 3, 672 [2. Teil]; Paul. D.12.6.6 pr./3), die als Erfüllung des Schuldners gilt, und der Zahlung des Dritten in seinem eigenen Namen, die als ,Drittleistung‘ . . . den Schuldner befreit.“ Daß Kaser hier vor allem an die Leistung des procurator omnium rerum denkt, ergibt sich aus den zitierten Quellen und aus seiner Abhandlung über „Stellvertretung und ,notwendige Entgeltlichkeit‘“, auf die er im Handbuch verweist. Denn dort vertritt Kaser bereits die These, die Leistung des procurator werde dem Geschäftsherrn als eigene zugerechnet, wobei „Zahlung im Namen des Schuldners und Drittzahlung (im eigenen Namen) auseinanderzuhalten“ seien.3 II. D 46.3.87 Cels 20 dig und D 12.6.6 pr. Paul 3 ad Sab 1. Worin der Unterschied zwischen einer Drittleistung und der stellvertretenden solutio des procurator liegen soll, führt Kaser nicht aus. Seine Vorstellung läßt sich aber aus der Quelle erschließen, auf die er sich in erster Linie4 beruft. Es ist eine Argumentation des Celsus, die in D 12.6.6 pr. Paul 3 ad Sab zitiert wird und an anderer Stelle sogar unmittelbar überliefert ist: D 46.3.87 Cels 20 dig Quodlibet debitum solutum a procuratore meo non repeto, quoniam, cum quis procuratorem omnium rerum suarum constituit, id quoque mandare videtur, ut creditoribus suis pecuniam solvat neque post ea exspectandum est, ut ratum habeat.5 1

RP II 440 f. A. 4. Zustimmend Apathy 69, 73, 74, 78 f. und 87. Gemeint ist D 46.3.87 Cels 20 dig. Diesen Text zitiert Kaser allerdings an anderer Stelle – Fg. Herdlitczka (1972) 144 mit A. 8 – als Beleg für eine „Drittzahlung“. 3 SZ 91 (1974) 201 mit A. 211 (Zitat). Daß die befreiende solutio des procurator mit dem Gedanken der Stellvertretung in Zusammenhang gebracht wird, ist nicht neu; vgl. etwa Mitteis 235 f. mit A. 105, Düll SZ 67 (1950) 173, 177 f. und wieder Plescia Lab. 30 (1984) 182 A. 44. 4 Vgl. auch Kaser (o. A. 3) 201 A. 210, wo mit „Cels. D. 46, 3, 67 (2. Teil)“ wiederum D 46.3.87 Cels 20 dig gemeint ist. Als weitere Belege für eine Zahlung im Namen des Schuldners führt Kaser in dieser Anmerkung D 3.3.59 Paul 10 ad Plaut und D 12.6.6.3 Paul 3 ad Sab an und in A. 211 außerdem D 47.2.81.7 Pap 12 quaest. 5 Übersetzung: Was von meinem procurator auf jede beliebige Schuld geleistet wird, kann ich nicht zurückfordern, weil jemand, wenn er einen procurator für alle seine Angelegenheiten bestellt, so angesehen wird, als erteile er auch den Auftrag, Geld an seine Gläubiger zu zahlen, und weil danach nicht abgewartet werden muß, daß er genehmigt. 2

§ 14 Exkurs: Die solutio des Repräsentanten

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Leistet der procurator auf eine Schuld seines Geschäftsherrn, so kann dieser das Geleistete nicht vom Gläubiger zurückfordern. Zur Begründung verweist Celsus auf die Bestellung zum procurator omnium rerum: Sie gelte auch als Auftrag, an die Gläubiger des Geschäftsherrn zu zahlen, und darum sei die nachträgliche Genehmigung einer solchen Zahlung nicht mehr erforderlich. Auf den ersten Blick spricht diese Argumentation für Kasers These. Denn Celsus führt den Kondiktionsausschluß – und als dessen Kehrseite auch die Tilgung der Schuld – auf die vom Schuldner verliehene Befugnis zurück ut creditoribus suis pecuniam solvat. Eine solche ,Vollmacht‘ benötigt der procurator aber nur dann, wenn seine Leistung dem Geschäftsherrn als eigene zugerechnet werden soll. Denn als Dritter könnte er auch ohne sie und ohne ratihabitio mit befreiender und zugleich kondiktionsausschließender Wirkung leisten. Hier zeigt sich denn auch der praktische Unterschied zur Drittleistung: Nach Celsus befreit die stellvertretende solutio den Schuldner nur deshalb, weil sie ihm aufgrund der wirksamen ,Bevollmächtigung‘ des Leistenden als eigene zugerechnet wird.6 Daraus folgt im Umkehrschluß, daß der Kondiktionsausschluß und die Befreiung des Geschäftsherrn nicht eintreten, wenn der procurator den ihm zugewiesenen Aufgabenbereich überschreitet oder aufgrund einer unwirksamen Bestellung handelt. Entsprechendes scheint für den Zahlungsauftrag zu gelten (mandare videtur) und möglicherweise auch für die solutio anderer Repräsentanten. Bei näherer Betrachtung ergeben sich jedoch Zweifel an dieser Interpretation. Denn wäre Celsus’ Argumentation tatsächlich umkehrbar, dann hieße das für den Fall der fehlenden ,Vollmacht‘: Der Geschäftsherr hat die Wahl, ob er das Geleistete kondiziert oder die Leistung genehmigt. Dieses Ergebnis widerspricht aber nicht nur dem bei der Drittleistung streng durchgehaltenen Grundsatz, daß 6 Daß Kaser genau diesen Unterschied vor Augen hat, ergibt sich aus dem Zusammenhang, in dem er (o. A. 3) 201 A. 211 auf die Unterscheidung zwischen Drittleistung und stellvertretender solutio hinweist: Er wendet sich gegen Claus 159, der die beiden Zahlungsweisen bei seiner Kritik an Celsus’ Argumentation nicht auseinanderhält: „Man fragt sich, weshalb Celsus in diesem . . . Fall zur Begründung eine derart komplizierte Konstruktion bemühte. Die Frage ist deshalb so berechtigt, weil es bei Gaius ganz selbstverständlich ist, daß ein beliebiger Dritter eine fremde Schuld wirksam bezahlen kann . . . Auf diese Frage kann eine Antwort, die eine sachliche Notwendigkeit für eine solche Begründung aufzeigt, u. E. nicht gegeben werden. Wenn jeder beliebige Dritte eine fremde Schuld bezahlen kann, ist nicht einzusehen, weshalb dazu bei einem procurator rerum suarum besondere Voraussetzungen gegeben sein sollen.“ Wenn Kaser hiergegen auf die Besonderheit der stellvertretenden solutio verweist, dann kann dies nur bedeuten, daß er in diesem Fall eine wirksame ,Bevollmächtigung‘ für erforderlich hält. Anders offenbar Apathy 68, der unter ausdrücklichem Hinweis auf Kaser bemerkt: „und es spielt die Frage der Ermächtigung des procurator keine Rolle, kann doch selbst gegen den Willen des Schuldners von einem Dritten schuldbefreiend geleistet werden. Für die Tilgung der Verbindlichkeit des Geschäftsherrn ist ferner grundsätzlich belanglos, ob der procurator in seinem eigenen Namen oder namens des Geschäftsherrn zahlt.“

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

sich ein Mangel des Deckungsverhältnisses nicht zum Nachteil des Gläubigers auswirken darf. Es ist auch in sich nicht konsistent. Denn zum einen läßt sich kaum erklären, warum die Befreiung des Geschäftsherrn an der fehlenden Zurechnung scheitert, während ihm gleichzeitig eine Rückforderungsklage aus der solutio des procurator gewährt wird. Zum anderen stünde dieser Klage stets der dolo agit-Einwand entgegen. Denn wenn der Geschäftsherr dem Gläubiger verpflichtet bliebe, müßte er ihm das, was der procurator geleistet hat, nach der Kondiktion sofort wieder zurückerstatten. Schließlich stünde diese Lösung auch im Widerspruch zu D 17.1.50 pr. Cels 38 dig. Dort geht Celsus nämlich ohne weiteres davon aus, daß die solutio des procurator den Geschäftsherrn auch dann befreit, wenn sie ausnahmsweise nicht in seinem Interesse liegt und darum auch nicht zu den Aufgaben eines procurator gezählt werden kann.7 2. Die in der Romanistik vorherrschende Auffassung8 sieht in Celsus’ Argumentation keinen Beleg für eine stellvertretende solutio und deren besondere Voraussetzungen – im Gegenteil: Sie geht davon aus, daß das Erlöschen der Schuld bei der Leistung des procurator ebensowenig vom Willen des Schuldners abhängt wie bei der Drittleistung. Deswegen wird Celsus’ Entscheidung auf den Fall bezogen, daß der procurator mit Geld des Geschäftsherrn gezahlt hat. Denn nur hier komme es auf das mandare des Geschäftsherrn (im Sinne einer Ermächtigung) oder auf seine ratihabitio an. Fr. 87 wird so zum wichtigsten Beleg dafür, daß der procurator omnium bonorum ermächtigt ist, solvendi causa über das Geld des Geschäftsherrn zu verfügen, aber „mit Stellvertretung in modernrechtlicher Sicht hat dies nichts zu tun. Die Ermächtigung ist nicht personen-, sondern sachbezogen.“9 Gegen diese Interpretation bestehen ebenfalls erhebliche Bedenken. Insbesondere wird der – für sie entscheidende – Umstand, daß der procurator mit Geld 7 S. o. § 11 bei A. 17 ff. und dort vor allem A. 18 a. E. mit A. 21 zu simul ac ratum habuisset im zweiten Teil von fr. 50 pr. 8 Vgl. vor allem Donatuti StParm. 1 (1951) 67, Angelini 128 f., Behrends SZ 88 (1971) 282 f., Apathy 68 f., Flume Rechtsakt 92 f., Cannata SDHI 57 (1991) 356 mit A. 76 und Harke 41/42 A. 145, aber auch Fargnoli 77 ff. und 84 ff. 9 So dezidiert Flume Rechtsakt 92. Ebenso Kaser RP I 267 A 56 zur Ermächtigung im allgemeinen („auf das Handeln des Nichtberechtigten im Namen des Berechtigten kommt es dabei nicht an“) und 578 f. zum Mandat: „Eine Außenwirkung, also die Begründung einer Vertretungsmacht gegenüber Dritten, kommt ihm nicht zu. Immerhin wird der Beauftragte zumeist auch berechtigt sein, als ,Ermächtigter‘ des Auftraggebers zu handeln, d.h. . . . im eigenen Namen tätig zu werden.“ Als Beleg dafür, daß dieses ,Ermächtigen‘ in den Quellen als mandare bezeichnet wird, führt Kaser 579 A. 24 unter anderem das Celsuszitat in D 12.6.6 pr. Paul 3 ad Sab an. Anders Apathy 69 unter Berufung auf D 1.19.1.1 Ulp 60 ad ed: „Der zur Bezahlung von Schulden des Geschäftsherrn ermächtigte procurator handelt wohl regelmäßig im Namen seines Geschäftsherrn. Dies wird jedenfalls dann erforderlich sein, wenn er Mittel des Geschäftsherrn verwendet. So berichtet Ulpian – wenngleich für den procurator Caesaris –, daß dieser kein Eigentum überträgt, wenn er das Geschäft als sein eigenes abwickelt.“

§ 14 Exkurs: Die solutio des Repräsentanten

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des Geschäftherrn gezahlt hat, in fr. 87 mit keinem Wort erwähnt, und aus den übrigen Quellen zur solutio des procurator ergibt sich, daß er auch nicht als selbstverständlich unterstellt werden kann.10 Hinzu kommt, daß sich Celsus’ Argumentation auch dann nicht umkehren läßt, wenn man sie auf die Verfügungsmacht des procurator bezieht. Denn gegenüber der rei vindicatio, die dem Geschäftsherrn im Fall der fehlenden Ermächtigung zustünde, könnte sich der Gläubiger wohl ebenfalls auf seine weiterhin bestehende Forderung berufen.11 Schließlich ergibt sich aus dem Wortgebrauch (non repeto12) und – wie sogleich zu zeigen ist – aus dem palingenetischen Kontext des Fragments, daß Celsus nicht von der rei vindicatio, sondern vom Ausschluß der condictio handelt und damit die dingliche Wirksamkeit der solutio voraussetzt.13 3. Der Kontext, dem Celsus’ Argumentation entstammt, erschließt sich aus der Parallelüberlieferung in D 12.6.6 pr. Paul 3 ad Sab Si procurator tuus indebitum solverit et tu ratum non habeas, posse repeti Labeo libris posteriorum scripsit: quod si debitum fuisset, non posse repeti Celsus: ideo,

10 So aber offenbar Behrends (o. A. 8) 282: „Schulden bezahlte der procurator natürlich, wo dies nur anging, nicht mit eigenem, sondern mit dem ihm anvertrauten Geld.“ In den Quellen zur solutio des procurator steht jedoch die Zahlung mit eigenen Mitteln ganz im Vordergrund: D 13.1.18 Scaev 4 quaest handelt nur von ihr und in D 47.2.81.7 Pap 12 quaest wird sie sogar als selbstverständlich vorausgesetzt. Von einer Zahlung aus dem Vermögen des Geschäftsherrn ist dagegen nur in D 12.6.6.3 Paul 3 ad Sab die Rede, und auch hier erscheint sie nicht als Regelfall, sondern als Alternative zur Zahlung mit eigenem Geld (neque interesse, suam pecuniam an pupilli vel domini solvant). 11 Ähnlich Apathy 68 f. 12 Zur technischen Bedeutung von repetere o. § 12 A. 69. Gegen die herrschende Interpretation spricht auch, daß sie mandare im Sinne von ,ermächtigen‘ verstehen muß. Dieser untechnische Wortgebrauch (vgl. nur Kaser RP I 579) kann in fr. 87 nicht ohne weiteres unterstellt werden, zumal Celsus in einer anderen, beinahe wortgleichen Begründung von mandare in seiner eigentlichen Bedeutung spricht; vgl. D 12.6.47 Cels 6 dig (nec exspectandum est, ut ratum habeas, quoniam potes videri id ipsum mandasse, ut tuo nomine solveretur). Diese Parallele spricht im übrigen auch gegen Behrends (o. A. 8) 283 mit A. 276, der mandare videtur in fr. 87 für interpoliert hält und durch ei committi ersetzt; dagegen auch Kaser (o. A. 3) 190 mit A. 160. 13 Anders offenbar Apathy 68 ff., der Celsus Argumentation teils (68 f.) auf die Ermächtigung des procurator und teils (72) auf den Ausschluß der condictio bezieht; vgl. auch 70 f., wo Apathy das posse repeti im ersten Teil von D 12.6.6 pr. Paul 3 ad Sab dahin versteht, „daß eine Rückforderung je nach Lage des Falles mittels rei vindicatio oder condictio erfolgen kann. Die Entscheidung hängt davon ab, ob der Empfänger bloß Besitz oder auch Eigentum – etwa durch Vermischung der geleisteten Münzen mit eigenem Geld – erworben hat.“ Diese schon von Ehrhardt Justa causa traditionis (1930) 75 f. vertretene Interpretation ist weder mit der allgemeinen Bedeutung von repetere zu vereinbaren (vgl. nur vindicare vel repetere in D 14.6.9.1 Ulp 29 ad ed) noch damit, daß es in D 12.6.6 pr. – auch nach Apathy 67 f. – um den Ausschluß der condictio indebiti beim legatum indebitum geht. Ähnlich bereits Donatuti (o. A. 8) 67 f. gegen Ehrhardt; vgl. auch Fargnoli 79 f.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

quoniam, cum quis procuratorem rerum suarum constituit, id quoque mandare videtur, ut solvat creditori, neque postea exspectandum sit, ut ratum habeat. (§ 1) Idem Labeo ait, si procuratori indebitum solutum sit et dominus ratum non habeat, posse repeti. (§ 2) Celsus ait eum, qui procuratori debitum solvit, continuo liberari neque ratihabitionem considerari: quod si indebitum acceperit, ideo exigi ratihabitionem, quoniam nihil de hoc nomine exigendo mandasse videretur, et ideo, si ratum non habeatur, a procuratore repetendum.14

Im dritten Buch ad Sabinum handelt Paulus vom Recht der Legate und hier unter anderem De legatis indebite solutis.15 Da zu diesem Abschnitt auch fr. 6 gehört16, ist davon auszugehen, daß sich die dort zitierten Entscheidungen auf die Erfüllung nicht geschuldeter Damnationslegate beziehen. So stammt auch Celsus’ Argumentation zur solutio des procurator, die Paulus im zweiten Teil des pr. zitiert, aus einer längeren Abhandlung zu diesem Thema.17 Dies ergibt sich vor allem18 aus § 2 des Fragments. Denn hier gibt Paulus zwei weitere Celsusentscheidungen wieder, die in Sachverhalt, Fragestellung und Begrün14 Übersetzung: Wenn dein procurator etwas nicht Geschuldetes geleistet hat und du nicht genehmigst, könne zurückgefordert werden, hat Labeo in den nachgelassenen Schriften geschrieben. Falls es geschuldet gewesen wäre, könne nicht zurückgefordert werden, (meint) Celsus deshalb, weil jemand, wenn er einen procurator für seine Angelegenheiten bestellt, so angesehen wird, als erteile er auch den Auftrag, an den Gläubiger zu leisten, und weil danach nicht abgewartet werden muß, daß er genehmigt. (§ 1) Labeo sagt ferner, daß, wenn an einen procurator etwas nicht Geschuldetes geleistet worden ist und der Geschäftsherr nicht genehmigt hat, zurückgefordert werden kann. (§ 2) Celsus sagt, derjenige, welcher an einen procurator etwas Geschuldetes leistet, werde sofort befreit, und die Genehmigung bleibe außer Betracht. Falls er etwas nicht Geschuldetes angenommen habe, werde die Genehmigung deshalb verlangt, weil es so angesehen werde, als sei über die Einziehung dieser Forderung kein Auftrag erteilt worden, und deshalb könne, wenn nicht genehmigt werde, vom procurator zurückgefordert werden. 15 Vgl. Lenel Paling. I 1256 f. (Paulus 1642 bis 1645). 16 Vgl. Lenel Paling. I 1256 f. (Paulus 1643); Donatuti (o. A. 8) 66, Behrends (o. A. 8) 282, Apathy 67 und Flume Rechtsakt 92. Daß fr. 6 vom legatum indebitum handelt, ergibt sich nicht nur aus seiner kondiktionsrechtlichen Fragestellung, die im Legatsrecht sonst keinen Platz hätte, sondern auch aus dem Text selbst. Bezieht man nämlich die Entscheidungen zur indebiti solutio auf eine beliebige Nichtschuld, dann läßt sich nicht erklären, warum die condictio sowohl bei der Leistung des procurator (pr.) als auch bei der Leistung an ihn (§§ 1 und 2) nur gewährt wird, wenn der Geschäftsherr nicht ratihabiert. Anders Fargnoli 130 ff., die deshalb die Inskription bezweifelt und das Fragment in das dritte Buch von Paulus’ Quaestionen unter die Rubrik De condictione einordnet. 17 Wie schon Behrends (o. A. 8) 283 A. 275 bemerkt, erklärt dies auch die Inskription von fr. 87 (Celsus libro vicesimo digestorum), die Lenel Paling. I 162 A. 8 (Celsus 230) nur deshalb in vicesimo septimo ändert, weil er die Doppelüberlieferung in fr. 6 pr. und damit den Zusammenhang mit dem legatum indebitum übersieht. Denn nach Lenel 154 gehört der erste Teil des 20. Buchs (Celsus 172 bis 176) noch zum Legatsrecht. Aus dem gleichen Grund dürften auch die Celsuszitate in fr. 6, die Lenel 135 (Celsus 47) unter die Rubrik Si certum petetur stellt, zusammen mit fr. 87 in das 20. Buch einzuordnen sein.

§ 14 Exkurs: Die solutio des Repräsentanten

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dung unmittelbar an das Zitat im pr. anknüpfen und darum auch für dessen Interpretation von entscheidender Bedeutung sind19: Im ersten Fall leistet der Schuldner an den procurator seines Gläubigers. Hier kommt es nicht darauf an, ob der Geschäftsherr die Leistung genehmigt; der Schuldner wird vielmehr sofort (continuo) befreit. Anders im zweiten Fall: Wird ein indebitum an den procurator des vermeintlichen Gläubigers geleistet, dann ist die Genehmigung des Geschäftsherrn erforderlich, weil die Einziehung nicht bestehender Forderungen nicht zu den Aufgaben eines procurator omnium rerum gehört. Die Konsequenz besteht nach Celsus darin, daß das indebitum vom procurator kondiziert werden kann, solange der Geschäftsherr nicht genehmigt. Diese Argumentation ist nur aus dem palingenetischen Kontext verständlich: Was auf ein legatum indebitum an den vermeintlichen Legatar geleistet wird, kann nach einer definitio der veteres20 nicht kondiziert werden. Bei der Leistung an einen procurator greift diese Sonderregel aber erst dann ein, wenn der Pseudolegatar selbst die Annahme des Vermächtnisses genehmigt hat. Das entspricht der allgemeinen Tendenz, den als unbillig empfundenen Kondiktionsausschluß zu begrenzen21, und geht, wie fr. 6.1 zeigt, auf Labeo zurück. Eine dogmatisch befriedigende Erklärung findet Paulus aber offenbar erst bei Celsus: Die Bestellung zum procurator omnium rerum kann nicht als Auftrag zur Einziehung nicht bestehender Forderungen ausgelegt werden. Nimmt also der procurator ein indebitum in Empfang, dann ist zunächst er selbst der condictio ausgesetzt. Der Geschäftsherr dagegen haftet weder dem Leistenden, noch kann er vom procurator die Herausgabe des Geleisteten verlangen. Beides ändert sich erst (und nur), wenn er die Einziehung des indebitum genehmigt. Dann nämlich gilt: ratihabitio constituet tuum negotium, quod ab initio tuum non erat, sed tua contemplatione gestum.22 Aus demselben Grund – quoniam nihil de hoc nomine exigendo mandasse videretur – kann vom procurator ausnahmsweise auch ein nicht geschuldetes Damnationslegat kondiziert werden: Der Ausschlußtatbestand des legatum indebite solutum ist hier nicht erfüllt, weil der Pseudolegatar aus der Leistung an seinen procurator weder berechtigt noch verpflichtet wird. 18 Ein weiteres Argument ist non posse repeti in fr. 6 pr. und non repeto in fr. 87. Denn daß Celsus in einem Fall der debiti solutio nicht die Befreiung des Geschäftsherrn, sondern den Ausschluß der Rückforderung in den Vordergrund stellt, läßt auf einen kondiktionsrechtlichen Kontext schließen. 19 Dies betont auch Claus 159 f., der allerdings den Zusammenhang mit dem legatum indebitum übersieht; dagegen zutreffend Apathy 73 bei A. 33. 20 Vgl. dazu Schwarz SZ 68 (1951) 271 ff., Wolf Causa 178 ff. und Müller-Ehlen 184 ff.; nach I 3.27.7 hat Justinian diese Sonderregel weitgehend abgeschafft. Unmittelbar bezeugt ist sie daher nur noch in außerjustinianischen Quellen: Gai 2.282 f., UE 24.33 und PS 3.6.92. 21 Vgl. dazu Dulckeit Fs. Koschaker II (1939) 322 ff., Wolf Causa 180 und MüllerEhlen 191 ff. 22 So D 3.5.5.11 Ulp 10 ad ed; vgl. außerdem D 46.8.16 pr. Pomp 3 ex Plaut, D 46.8.22 pr. Iul 56 dig, D 47.2.81.5 Pap 12 quaest und dazu nur Seiler 64 ff. mwN.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

Warum diese feinsinnige Begründung erforderlich ist, ergibt sich aus dem ersten Satz von fr. 6.2. Denn hier verdeutlicht Celsus die ratio dubitandi anhand eines Gegenfalls: Zieht der procurator ein debitum ein, dann hängt die Befreiung des Schuldners ebensowenig von der Genehmigung des Geschäftsherrn ab wie der Ausschluß der condictio indebiti als ihre bereicherungsrechtliche Kehrseite. Warum gilt dies nicht auch für den Kondiktionsausschluß beim legatum indebitum? Der Grund für die unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle liegt nach Celsus darin, daß der procurator omnium rerum zwar für die Einziehung bestehender Forderungen zuständig ist, aber eben nicht für die Einziehung eines (legatum) indebitum. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch Celsus’ eigentümliche Argumentation zur solutio des procurator omnium rerum. Wie der Zusammenhang mit dem Labeozitat in fr. 6 pr. zeigt, geht es bei ihr um eine weitere längst anerkannte Beschränkung des Kondiktionsausschlusses beim legatum indebitum: Die condictio indebiti findet statt, wenn der procurator des Erben an den vermeintlichen Legatar leistet und der Erbe die Leistung nicht genehmigt. Anders als in § 2 wird im pr. zwar nicht ausdrücklich gesagt, daß und warum Celsus der von Labeo begründeten Auffassung folgt, aus dem überlieferten Teil seiner Argumentation ergibt sich aber, daß er zu ihrer dogmatischen Rechtfertigung das gleiche Begründungsmuster verwendet wie in dem ,spiegelbildlichen‘23 Fall, daß ein legatum indebitum an den procurator des Pseudolegatars geleistet wird: Weil die Bestellung zum procurator omnium rerum nicht als Auftrag zur Bezahlung nicht bestehender Schulden ausgelegt werden kann, ist der Erbe auch nicht zum Ersatz dessen verpflichtet, was sein procurator auf ein legatum indebitum leistet.24 Das ändert sich erst, wenn er die Leistung genehmigt.25 Bis dahin würde der Kondiktionsausschluß also nicht den Erben treffen26, und weil der procurator weder als Erbe noch mit Wirkung gegen den Erben handelt, fällt 23 Eine ähnliche ,Spiegelung‘ (solutio durch und an Dritte) findet sich in D 3.5.38 Gai 3 de verb obl; dazu o. § 1 bei A. 64 ff. mwN. 24 Vgl. D 3.5.22 Paul 20 ad ed: Si quis negotia aliena gerens indebitum exegerit, restituere cogitur: de eo autem, quod indebitum solvit, magis est ut sibi imputare debeat. Wenn ein negotiorum gestor ein indebitum einzieht, ist er dem vermeintlichen Gläubiger – nach dessen ratihabitio (s. o. A. 22) – zur Herausgabe verpflichtet; er kann sich aber nicht bei dem vermeintlichen Schuldner erholen, wenn er für ihn auf ein indebitum leistet. Da Celsus das Innenverhältnis zwischen procurator und Geschäftsherrn im allgemeinen als negotiorum gestio behandelt (s. o. § 11 A. 20), ist kaum anzunehmen, daß er in dieser Frage anders entscheidet. 25 Nach der ratihabitio haftet der vermeintliche Schuldner dem Leistenden mit der actio negotiorum gestorum contraria, und er selbst kann mit der condictio indebiti gegen den Empfänger vorgehen; vgl. D 47.2.81.7 Pap 12 quaest: Qui rem Titii agebat, eius nomine falso procuratori creditoris solvit et Titius ratum habuit: non nascitur ei furti actio, quae statim, cum pecunia soluta est, ei qui dedit nata est, cum Titii nummorum dominium non fuerit neque possessio. sed condictionem indebiti quidem Titius habebit, furtivam autem qui pecuniam dedit: quae, si negotiorum gestorum actione Titius conveniri coeperit, arbitrio iudicis ei praestabitur.

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seine Leistung solange auch nicht unter den Tatbestand des legatum indebite solutum.27

26 Wem bis zur Genehmigung die condictio indebiti zusteht, ist in der Romanistik umstritten. Nach Donatuti (o. A. 8) 66 f., Behrends (o. A. 8) 284, Claus 155, Kaser (o. A. 3) 201 und Fargnoli 77 ff., 140 ff. kann grundsätzlich der procurator selbst das Geleistete zurückfordern, der Geschäftsherr allenfalls dann, wenn mit seinem Geld gezahlt worden ist (so Behrends), und sonst nur, wenn er genehmigt. Für diese Auffassung sprechen D 47.2.81.7 Pap 12 quaest (o. A. 25) und D 13.1.18 Scaev 4 quaest: Quoniam furtum fit, cum quis indebitos nummos sciens acceperit, videndum, si procurator suos nummos solvat, an ipsi furtum fiat. et Pomponius epistularum libro octavo ipsum condicere ait ex causa furtiva: sed et me condicere, si ratum habeam quod indebitum datum sit. sed altera condictione altera tollitur. Beide Texte handeln allerdings nur von dem Fall, daß der procurator (oder ein negotiorum gestor) mit eigenem Geld an einen falsus procurator zahlt. Hier bleibt der procurator Eigentümer des Geldes, und er kann den unredlichen Empfänger als fur in Anspruch nehmen. Der Geschäftsherr wird aus der solutio selbst weder berechtigt noch verpflichtet. Erst seine Genehmigung begründet einen Regreßanspruch des Leistenden (vgl. fr. 81.7) und verschafft ihm selbst die condictio indebiti gegen den Empfänger. Apathy 80 ff., Flume Rechtsakt 94 f. und Cannata (o. A. 8) 357 f. erklären das Erfordernis der ratihabitio aus den Besonderheiten dieses Falls und lehnen eine Verallgemeinerung ab. Ihrer Ansicht nach steht die condictio indebiti grundsätzlich – das heißt: wenn der Empfänger redlich ist – von vornherein dem Geschäftsherrn zu. Sie entnehmen dies vor allem D 12.6.6.3 Paul 3 ad Sab: Iulianus ait neque tutorem neque procuratorem solventes repetere posse neque interesse, suam pecuniam an pupilli vel domini solvant. Dieser Text schließt unmittelbar an die Labeo- und Celsuszitate in fr. 6 an und gehört daher wohl ebenfalls zum legatum indebite solutum. Paulus referiert hier die Ansicht Julians, nach der weder dem procurator noch dem Vormund die condictio indebiti zusteht, und zwar unabhängig davon ob sie mit eigenem Geld gezahlt haben oder nicht. Donatuti 114, Behrends 283 f., Claus 291 ff. und Kaser 201 A. 210 beziehen sie auf den im zweiten Teil des pr. behandelten Fall der debiti solutio. Mit Apathy 74 ff., Flume Rechtsakt 93 f. und Cannata 356 ist jedoch eher anzunehmen, daß Julian von der Leistung auf ein legatum indebitum handelt (wieder anders Fargnoli 89 ff. und 130 ff.). Dies würde bedeuten, daß er die bis zur ratihabitio statthafte condictio nicht dem procurator (oder tutor) zuspricht, sondern dem Erben selbst. Entsprechende Lösungen sind auch für andere Fälle der indebiti solutio belegt; vgl. etwa D 12.6.57 pr. Pap 3 resp (cum indebitum impuberis nomine tutor numeravit, impuberis condictio est) zur Leistung des Vormunds und C 4.5.6 Diocl/Max (si per ignorantiam facti non debitam solutam quantitatem pro alio solvisti et hoc addito rectore provinciae fuerit probatum, hanc ei cuius nomine soluta est restitui eo agente providebit) zur Drittleistung. Danach steht die condictio indebiti nicht dem Leistenden, sondern dem vermeintlichen Schuldner zu, und zwar unabhängig von seiner Genehmigung. Nach Apathy 84 ff. wird auf diese Weise das Vertrauen des Empfängers geschützt: Er kann sich auch im Fall der Nichtschuld darauf verlassen, daß die Leistung demjenigen zugerechnet wird, in dessen Namen sie erfolgt ist. Flume Rechtsakt 95 bezweifelt die Schutzbedürftigkeit des Empfängers und nimmt statt dessen an, es gehe „einfach darum, daß die datio nomine domini als eine solche des dominus ausgewiesen wird“, wie dies auch bei der Darlehenshingabe alterius nomine der Fall sei. Mit Celsus’ Argumentation wäre beides vereinbar. Denn wenn dem Geschäftsherrn allein deshalb die condictio indebiti zusteht, weil auf seine vermeintliche Schuld geleistet wurde, dann folgt daraus noch nicht, daß er dem procurator auch ohne weiteres zum Ersatz des Geleisteten verpflichtet wäre. Sonst trüge er nämlich das Risiko, mit der condictio auszufallen, und dies wäre ihm nur zuzumuten, wenn er die Leistung veranlaßt oder genehmigt hat. Darum

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

Die ratio dubitandi verdeutlicht Celsus wiederum am Gegenfall der debiti solutio. Hier ist die Genehmigung des Geschäftsherrn entbehrlich. Der procurator kann schon deshalb Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, quoniam, cum quis procuratorem rerum suarum constituit, id quoque mandare videtur, ut solvat creditori. Die Begründung zielt also nur auf die Frage, warum die solutio des procurator beim legatum indebitum anders zu behandeln ist als bei einem debitum. Anders als in der spiegelbildlichen Argumentation des § 2 steht sie aber nicht bei der allein problematischen Entscheidung zum legatum indebitum, sondern bei dem nur als Kontrast erwähnten Gegenfall des debitum, und während sie beim legatum indebitum ohne weiteres aufginge, ist sie beim debitum zumindest mißverständlich: Ob die solutio des procurator den Geschäftsherrn befreit und damit die condictio indebiti ausschließt, hängt nämlich, wie unter 1 dargelegt, gerade nicht von der ,Vollmacht‘ des procurator ab.

liegt es näher, daß der procurator bis zur Genehmigung lediglich die Zession der condictio oder die Herausgabe des kondizierten Betrags verlangen kann. Auch dies stünde nicht im Widerspruch zu Celsus’ Argumentation in fr. 6 pr. und in fr. 87. Zudem läßt sich nicht ausschließen, daß Celsus die Aktivlegitimation bei der condictio indebiti anders beurteilt als Julian. Für eine Kontroverse, wie sie auch Cannata 356 f. annimmt, spricht nämlich zum einen, daß sich Paulus in dieser Frage nicht mehr auf ihn beruft, sondern eigens ein Julianzitat anfügt. Zum anderen sind noch weitere Entscheidungen überliefert, die Julians Lösung widersprechen und eine Kontroverse wahrscheinlich machen; vgl. etwa D 12.6.67.1 Scaev 5 dig und D 26.7.13.2 Gai 12 ad ed prov zur Leistung des Vormunds und vor allem den ersten Teil von D 12.6.47 Cels 6 dig. Hier entscheidet Celsus für den Fall, daß der Bürge als Dritter für den vermeintlichen Schuldner Tu geleistet hat: ego existimo, si nomine tuo solverit fideiussor, te fideiussori, stipulatorem tibi obligatum fore: nec exspectandum est, ut ratum habeas quoniam potes videri id ipsum mandasse, ut tuo nomine solveretur. Tu kann das Geleistete von seinem Gläubiger kondizieren und ist seinerseits dem Rückgriff des Bürgen ausgesetzt. Seine Genehmigung ist nur deshalb entbehrlich, weil Celsus den Auftrag zu bürgen dahin auslegt, daß er das solvere tuo nomine umfaßt. Ob er sich dabei nur auf den Regreßanspruch bezieht oder auch auf die condictio indebiti, kann hier nicht entschieden werden. Denn dies setzte eine umfassende Untersuchung aller Quellen zur indebiti solutio durch Dritte voraus, die im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist. 27 Ähnlich Behrends (o. A. 8) 282 f. mit 285; dagegen Apathy 74: „Warum hier keine Vermächtniserfüllung vorliegen soll, bleibt aber unklar, leistet doch der procurator solvendi causa zur Tilgung der vermeintlichen Legatsschuld seines Geschäftsherrn.“ Dieser Einwand geht jedoch an der Thematik des Fragments vorbei: Labeo, Celsus und Paulus beschränken den Kondiktionsausschluß beim legatum indebite solutum in der Weise, daß er nur zugunsten des Legatars und nur zu Lasten des Erben wirkt. Sie gehen also ersichtlich von der Vorstellung aus, daß die condictio indebiti nicht bei jeder Leistung auf ein legatum indebitum ausgeschlossen sein soll, sondern nur bei der des Erben an den vermeintlichen Legatar. Die Leistung durch und an nicht beauftragte Dritte wirkt dagegen bis zur ratihabitio weder gegen den Erben noch für den Legatar. Sie fällt damit auch nicht unter den kondiktionsausschließenden Tatbestand des legatum indebite solutum, und der procurator omnium rerum wird wie ein Dritter behandelt, weil er nicht als beauftragt gilt, ein legatum indebitum zu erfüllen oder einzuziehen.

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Berücksichtigt man den palingenetischen Kontext, dann wird die Unschärfe in Celsus’ Argumentation zwar nicht beseitigt, aber immerhin erklärlich: Celsus führt Labeos Entscheidungen zur Leistung auf ein indebitum legatum durch und an den procurator auf einen einheitlichen Grundgedanken zurück, den er jeweils an einem Vergleich mit der debiti solutio verdeutlicht. Er übersieht dabei nur, daß diesem Gedanken in einem der beiden Gegenfälle keine tragende Bedeutung zukommt. Die Mißverständlichkeit dieser Argumentation wird durch die isolierte Überlieferung noch erheblich verstärkt: In D 46.3.87 haben die Kompilatoren den für den Titel De solutionibus et liberationibus unergiebigen Kontext vollständig gestrichen, und weil der Sonderfall des legatum indebitum im justinianischen Recht bedeutungslos geworden ist28, haben sie D 12.6.6 in eine allgemeine Erörterung zur solutio des procurator umgestaltet. Hier kommt hinzu, daß sich das Celsuszitat offenbar schon in der klassischen Vorlage auf den Fall der debiti solutio beschränkt. Zum legatum indebite solutum zitiert Paulus im pr.29 nur Labeo als den Begründer der von Celsus weiterentwickelten und von ihm selbst übernommenen Auffassung. Die vorstehende Interpretation kann sich darum nur auf die Inskription und die ,spiegelbildliche‘ Argumentation in fr. 6.2 stützen. Sie muß zudem eine nicht unerhebliche Schwäche in Celsus’ Argumentation in Kauf nehmen.30 Mit dem überlieferten Wortlaut des Fragments und mit seinem palingenetischen Kontext ist sie jedoch besser zu vereinbaren als Kasers These von der stellvertretenden solutio und die in der Romanistik vorherrschende Erklärung aus der Ermächtigung des procurator. III. Pro und contra ,stellvertretende solutio‘ 1. Nach dem bisher Gesagten sind D 46.3.87 und D 12.6.6 pr. kein Beleg dafür, daß die Leistung eines procurator als ,Zahlung im Namen des Schuldners‘ von der Drittleistung unterschieden würde. Diesen Texten kann nämlich nicht entnommen werden, daß die Befreiung des Schuldners von der ,Vollmacht‘ des procurator omnium rerum abhinge. Das gleiche gilt für die beiden anderen Quellen, die Kaser31 als Beleg für eine stellvertretende solutio anführt: Die eine32 enthält lediglich einen Auszug aus Celsus’ Begründung, die andere33 28

S. o. A. 20. Anders in § 2. Hier ist die Wiederholung der bereits in § 1 wiedergegebenen Entscheidung deshalb erforderlich, weil die Begründung, für die Celsus zitiert wird, nicht beim Gegenfall steht, sondern beim legatum indebite solutum selbst. 30 Denn wegen der Doppelüberlieferung läßt sich eine weitergehende justinianische Interpolation ebenso ausschließen wie nachklassische Textveränderungen. 31 (O. A. 3) 201 A. 210 und 211. 32 D 3.3.59 Paul 10 ad Plaut: Sed et id quoque ei mandari videtur, ut solvat creditoribus. Nach der plausiblen Hypothese von Behrends (o. A. 8) 284 mit A. 278 könnte dieser Text ebenfalls aus dem Kontext des legatum indebite solutum stammen. Er wäre dann 29

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

handelt von der indebiti solutio eines Dritten, die dem vermeintlichen Schuldner nur deshalb zugerechnet wird, weil er sie genehmigt hat. Der Gedanke, daß die Leistung eines ,bevollmächtigten‘ Repräsentanten dem ,Vertretenen‘ als eigene zugerechnet wird, ist für die solutio nur einmal bezeugt34: D 46.3.56 Paul 62 ad ed Qui mandat solvi, ipse videtur solvere.35

Dieser vereinzelt überlieferte Satz läßt allerdings nicht erkennen, in welcher Hinsicht die Leistung des Beauftragten als solche des Auftraggebers gilt. Auch die Palingenesie gibt darüber keinen Aufschluß. Denn ein unmittelbarer Zusammenhang mit anderen Fragmenten aus dem 62. Buch ad edictum oder mit einem der dort kommentierten Edikte ist nicht erkennbar.36 Aus diesem Grund kann fr. 56 nur entnommen werden, daß die Leistung des Beauftragten dem Schuldner als eigene zugerechnet wird. Paulus sagt aber weder, wann es auf diese Zurechnung ankommt37, noch macht er sie davon abhängig, wie der Beauftragte leistet. Der Text ist deshalb ebenfalls kein Beleg für eine stellvertretende solutio, die nur dann befreiend wirkt, wenn der Leistende nicht als Dritter, sondern im Namen und mit Vollmacht des Schuldners handelt. Kaser zitiert ihn auch nicht als solchen. Er folgt vielmehr einer verbreiteten Ansicht, die also nur eine weitere Parallelüberlieferung zu D 46.3.87; anders allerdings Lenel Paling. I 1165 (Paulus 1180) mit A. 4. 33 D 47.2.81.7 Pap 12 quaest; dazu o. A. 25 und 26. 34 Bei anderen nicht auf Schuld gerichteten Leistungen Dritter ist diese Vorstellung dagegen mehrfach belegt; vgl. etwa D 39.6.41 Pap resp (quod ab alio nomine ipsius eo praesente datur, prope est, ut ab ipso datum intellegatur) zur Erfüllung der Bedingung für einen statuliber und D 37.6.6 Cels 10 dig (occurrit aequitas rei, ut, quod pater meus propter me filiae meae nomine dedit, perinde sit atque ipse dederim) zur Dosbestellung durch den Großvater der Braut. Die Zurechnung wird in keinem der beiden Texte von der ,Vollmacht‘ des Leistenden abhängig gemacht, und im zweiten setzt sie nicht einmal voraus, daß die Leistung ,im Namen‘ dessen erfolgt ist, dem sie später zugerechnet wird. Mit Stellvertretung im modernen Sinne hat sie also nichts zu tun. 35 Übersetzung: Wer den Auftrag erteilt, daß geleistet werde, wird so angesehen, als leiste er selbst. 36 Lenel Paling. I 1080 mit A. 5 ordnet das Fragment (Paulus 744) keiner bestimmten Rubrik zu, hält aber einen Zusammenhang mit De pactionibus cum herede factis (Paulus 735 bis 738) für möglich, weil das von einem procurator geschlossene pactum nach D 2.14.11 Paul 3 ad ed deshalb für und gegen den Geschäftsherrn wirkt quia et solvi ei potest. Dementsprechend könnte Paulus die Drittwirkung eines pactum auch im 62. Buch nach dem Vorbild der solutio beurteilt haben. Vorstellbar wäre auch ein Zusammenhang mit dem Edikt Quae fraudationis causa gesta erunt (Paulus 739 bis 743). Denn wie D 42.8.6.7 Ulp 66 ad ed zeigt, fällt auch die fraudatorische solutio unter dieses Edikt, und hier könnte es darauf ankommen, ob die Leistung eines Dritten dem Schuldner zuzurechnen ist oder nicht. 37 Entgegen Apathy 84 könnte insbesondere die Aktivlegitimation bei der condictio indebiti davon abhängen, ob der Dritte aus eigenem Antrieb gehandelt hat oder im Auftrag des Schuldners.

§ 14 Exkurs: Die solutio des Repräsentanten

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fr. 56 auf die delegatio solvendi bezieht.38 Danach meint das untechnisch gebrauchte mandare die sonst zumeist als iussum bezeichnete Ermächtigung des Angewiesenen. Bei der Anweisung auf Schuld ist diese Ermächtigung Voraussetzung dafür, daß der Angewiesene durch die Leistung an den Anweisungsempfänger im Deckungsverhältnis (gegenüber dem Anweisenden) frei wird. Dies entnimmt man unter anderem einem weiteren isoliert überlieferten Satz des Paulus39: D 50.17.180 Paul 17 ad Plaut Quod iussu alterius solvitur, pro eo est, quasi ipsi solutum esset.40

Der Angewiesene leistet zwar an den Anweisungsempfänger, aufgrund des iussum wird er aber so behandelt, als habe er an den Anweisenden selbst geleistet. Als Gegenstück zu dieser abstrakt formulierten Aussage über die Wirkungsweise der delegatio solvendi gilt der Satz qui mandat solvi, ipse videtur solvere. Er soll zum Ausdruck bringen, daß die Leistung des Angewiesenen im Valutaverhältnis (gegenüber dem Anweisungsempfänger) wie eine eigene Leistung des Anweisenden wirkt. Im Wortlaut und im palingenetischen Kontext von fr. 56 finden sich jedoch keine Anhaltspunkte für diese Deutung, und selbst wenn der Text von der delegatio solvendi handeln sollte (was wegen der Ähnlichkeit mit fr. 180 immerhin möglich ist), darf er nicht dahin mißverstanden werden, daß die Befreiung des Anweisenden von der Ermächtigung des Angewiesenen abhinge. Denn wie sich aus den Quellen zur delegatio furiosi 41 und zur delegatio pupilli (sine tutoris auctoritate)42 ergibt, wird der Anweisende auch dann frei, wenn das iussum unwirksam ist. Der Angewiesene dagegen bleibt in diesem Fall verpflichtet, weil er mangels wirksamer Ermächtigung nicht so angesehen werden kann, als hätte er an den Anweisenden selbst geleistet. Der in fr. 56 überlieferte Satz hat demnach – wenn er sich überhaupt auf delegatio solvendi bezieht – eine wesentlich geringere Bedeutung als sein Gegenstück in fr. 180. Denn für die Befreiung des Anweisenden kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob ihm die solutio des Angewiesenen aufgrund seines

38 So RP I 650 A. 34 und Lab. 26 (1980) 29 f. A. 28; vgl. außerdem etwa Donatuti (o. A. 8) 107, Haeberlin SZ (1957) 109, Endemann 28, Sacconi Delegazione 5 mit A. 12, 129, Jakobs SZ 91 (1974) 214 und Wagner SZ 91 (1974) 454. 39 Vgl. etwa die (o. A. 38) zitierten Arbeiten von Haeberlin 110, Endemann 28, Sacconi 4 mit A. 11, 129, Jakobs 214 und Wagner 454 sowie Fargnoli 24. 40 Übersetzung: Was auf Anweisung eines anderen geleistet wird, ist so zu behandeln, als wäre es an ihn selbst geleistet worden. 41 Vgl. D 44.4.4.26 Ulp 26 ad ed und D 44.4.16 Herm 6 iur epit: Si debitor a furioso delegatus creditori eius solvat, quem compotem mentis esse existimabat, et ita cum eo agatur: exceptione doli in id, quod in rem furiosi processit, defenditur. 42 Vgl. D 44.4.4.26 Ulp 26 ad ed, D 46.3.15 Paul 6 ad Sab und D 46.3.66 Pomp 6 ex Plaut: Si pupilli debitor iubente eo sine tutoris auctoritate pecuniam creditori eius numeravit, pupillum quidem a creditore liberat, sed ipse manet obligatus: sed exceptione se tueri potest.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

iussum als eigene zugerechnet werden kann oder nicht. Diese Ausgestaltung der delegatio solvendi wird auf denselben Gedanken zurückzuführen sein wie die Trennung von solutio und Deckungsverhältnis bei der Drittleistung: Der Anweisungsempfänger hat bekommen, was der Anweisende ihm schuldete (suum recepit), und darf es darum unter allen Umständen auch behalten. Um das Dekkungsverhältnis und die Ermächtigung des Angewiesenen muß er sich nicht kümmern.43 Für ihn besteht deshalb auch kein Unterschied zwischen der solutio des Angewiesenen und einer Drittleistung. 2. In den übrigen Quellen zur Leistung des procurator, des tutor, des Zahlungsbeauftragten oder anderer besonders autorisierter Personen44 finden sich ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, daß das klassische Recht zwischen stellvertretender solutio und Drittleistung unterscheidet. Kasers These ist aber auch wenig plausibel. Denn zum einen läßt sie sich mit der Trennung von solutio und Deckungsverhältnis, die bei der Drittleistung ebenso zu beobachten ist wie bei der delegatio solvendi, nur schwer in Einklang bringen. Zum anderen besteht für eine besondere Form der stellvertretenden solutio überhaupt kein Bedarf: Der Repräsentant des Schuldners kann schon nach allgemeinen Regeln – im Wege der Drittleistung – mit befreiender Wirkung für seinen Geschäftsherrn leisten45, und darum wäre es merkwürdig, wenn das klassische Recht gerade bei der solutio eine Ausnahme von der Unzulässigkeit direkter Stellvertretung anerkannt hätte. Auf der anderen Seite gibt es in den Quellen deutliche Hinweise darauf, daß die solutio des Repräsentanten nicht von der Drittleistung unterschieden wird. Dies beginnt schon bei der Terminologie: Die Drittleistung wird regelmäßig mit den Begriffen pro alio oder alieno nomine solvere bezeichnet, und diese – wie das folgende Kapitel zeigen wird – technische Ausdrucksweise ist auch bei der Leistung des Repräsentanten gebräuchlich.46 So heißt es bei Gaius47: Solvendo quisque pro alio licet invito et ignorante liberat eum. Danach hängt die befrei43

Vgl. dazu nur Endemann 52 f. und Sturm Fs. Kaser (1976) 156 f. S. o. § 10 A. 1 bis 4. 45 Zu der Frage, ob man die Drittleistung selbst mit Jhering JherJb. 1 (1857) 286 und 2 (1858) 93 ff. dem Recht der Stellvertretung zurechnen kann, u. § 19 III 2. 46 Die Leistung des Vormunds wird in D 12.6.57 pr. Pap 3 resp mit impuberis nomine numerare, in D 27.2.4 Iul 21 dig mit pupillae nomine dare und in D 27.4.3.2 Ulp 36 ad ed mit pro pupillo solvere bezeichnet. Für die Leistung des Zahlungsbeauftragten ist pro alio solvere in D 15.1.3.7 Ulp 29 ad ed, D 17.1.12.5, 6 Ulp 31 ad ed, D 17.1.22.8 i f. Paul 32 ad ed und C 2.18.16 Gall/Volus belegt und alterius nomine solvere in D 17.1.22.8 Paul 32 ad ed und D 46.3.17 Pomp 19 ad Sab; vgl. auch suo nomine solvere in D 47.2.52.16 Ulp 37 ad ed. Daß diese Ausdrücke bei der solutio des Repräsentanten seltener vorkommen als bei der Drittleistung, ist nicht verwunderlich. Denn daß der Repräsentant nicht für sich, sondern für den Schuldner leistet, versteht sich in der Regel von selbst und muß darum nicht mehr besonders betont werden. So erklärt sich auch der von Apathy 78 f. beobachtete Umstand, daß alieno nomine solvere für den procurator nicht belegt ist. Der Umkehrschluß, daß ein Text, der 44

§ 14 Exkurs: Die solutio des Repräsentanten

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ende Wirkung des pro alio solvere weder von der Person des Leistenden ab noch von der Zustimmung des Schuldners.48 Durch quisque und licet invito et ignorante stellt Gaius vor allem49 klar, daß nicht nur der ,bevollmächtige‘ Repräsentant für den Schuldner leisten kann, sondern jeder beliebige Dritte. In seiner Ausdrucksweise deutet nichts darauf hin, daß es ihm dabei nur um die übereinstimmende Rechtsfolge von zwei im übrigen grundverschiedenen Formen der solutio ginge – im Gegenteil: Quisque ist der Repräsentant ebenso wie jeder andere Dritte, und licet invito beschreibt nur einen – wenn auch besonders problematischen – Anwendungsfall des einheitlichen Grundsatzes solvendo quisque pro alio liberat eum. In zwei anderen Texten wird die Drittleistung sogar ausdrücklich mit der solutio eines Repräsentanten gleichgesetzt: C 2.18.16 Impp. Gallus et Volusianus AA. Eutychiano (252) Si negotium sororis tuae gerens pro ea tributa solvisti, vel mandante ea vel rogante id fecisti, negotiorum gestorum actione vel mandati id, quod solvisse te constiterit, recipere poteris.50

Eutychianos hat die Steuerschulden seiner Schwester bezahlt. Mit welcher Klage er Regreß nehmen kann, hängt davon ab, ob er mit oder ohne Auftrag gehandelt hat. Die Leistung selbst ist aber in beiden Fällen identisch (pro ea diese Wendung enthält, nicht von einem procurator handeln kann (vgl. Apathy 78 A. 48), ist daher wohl nicht zulässig. 47 D 3.5.38 Gai 3 de verb obl; ähnlich D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov (solvere pro ignorante et invito cuique licet). 48 S. o. § 1 bei A. 72. 49 Quisque könnte außerdem noch darauf gemünzt sein, daß weder Gewaltunterworfene wegen ihres Status noch Frauen durch das SC Vellaeanum gehindert sind, auf eine fremde Schuld zu leisten; vgl. D 12.6.36 Paul 5 epit Alf dig und D 14.5.8 Paul 8 decr zur Drittleistung des servus sowie o. § 12 bei A. 29 zur Drittleistung der mulier. Daß auch ein pupillus sine tutoris auctoritate auf eine fremde Schuld leisten könnte, ist dagegen nicht belegt und schon deshalb äußerst unwahrscheinlich, weil der Mündel ohne Zustimmung des Vormunds nicht einmal seine eigenen Verbindlichkeiten tilgen kann; vgl. nur D 26.8.9.2 Gai 12 ad ed prov: Pupillus ex omnibus causis solvendo sine tutoris auctoritate nihil agit, quia nullum dominium transferre potest: si tamen creditor bona fide pecuniam pupilli consumpserit, liberabitur pupillus. Daß die im zweiten Satz erwähnte consumptio nummorum (vgl. dazu auch D 12.1.19.1 Iul 10 dig und D 46.3.14.8 Ulp 30 ad Sab) auch nach einer Drittleistung befreiende Wirkung hat, läßt sich zwar nicht ausschließen. Hier dürfte aber eher an eine condictio ex persona pupilli zu denken sein, wie sie in D 12.6.29 Ulp 2 disp belegt ist. Entsprechendes ist für den furiosus und den prodigus zu vermuten, die ebenfalls in fr. 29 erwähnt werden; vgl. zu diesem Text Kaser TR 29 (1961) 208 f. gegen Solazzi Estinz. 35 f. Die Drittleistung eines minor XXV annis ist ebenfalls nicht bezeugt, und darum läßt sich auch nicht sagen, ob und in welchen Fällen ihre Folgen durch eine restitutio in integrum beseitigt werden. 50 Übersetzung: Wenn du in Geschäftsführung für deine Schwester die Steuern für sie gezahlt hast oder dies in ihrem Auftrag oder auf Bitten getan hast, dann kannst du mit der Geschäftsführungs- oder Auftragsklage das, was du erwiesenermaßen gezahlt hast, wiedererlangen.

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3. Kap.: Drittleistung und Deckungsverhältnis

tributa solvisti . . . id fecisti). Noch deutlicher wird dies in einem bereits in anderem Zusammenhang erörterten51 Fragment: D 17.1.12.5 Ulp 31 ad ed Si filio familias mandavi, ut pro me solveret, patrem, sive ipse solverit sive filius ex peculio, mandati acturum Neratius ait, quod habet rationem: nihil enim mea interest, quis solvat.

Der Vater hat anstelle des beauftragten filius familias an den Gläubiger des Auftraggebers gezahlt. Trotzdem kann er nach Neraz mit der actio mandati (in factum) Regreß nehmen. Ulpian billigt diese Entscheidung mit der Begründung nihil enim mea interest, quis solvat. Danach kommt es beim mandatum solvendi nicht darauf an, ob es vom Beauftragten selbst erfüllt wird oder von einem Dritten. So könnte Ulpian wohl kaum argumentieren, wenn sich die ,vollmachtlose‘ Drittleistung grundlegend von der solutio eines besonders autorisierten Repräsentanten unterschiede. IV. Ergebnis Kasers These, die im Namen und mit Willen des Schuldners vorgenommene Leistung eines Dritten werde dem Schuldner als eigene zugerechnet und unterscheide sich damit von einer Drittleistung, hat der Überprüfung nicht standgehalten. Eine besondere Form der stellvertretenden solutio ist weder in den von Kaser angeführten noch in anderen Quellen bezeugt. Nach der Überlieferung ist vielmehr davon auszugehen, daß auch der vom Schuldner autorisierte Repräsentant als Dritter leistet und daß die befreiende Wirkung seiner Leistung deshalb nicht von seiner ,Vollmacht‘ abhängt.52 Die offenbar beabsichtigte Folge ist, daß sich der Gläubiger bei der solutio des procurator, des tutor oder des Zahlungsbeauftragten ebensowenig um das Deckungsverhältnis kümmern muß wie bei einer Drittleistung: Er bekommt, was ihm zusteht, und kann es darum auch behalten.53 51

S. o. § 10 unter II 3; dort A. 26 findet sich auch die Übersetzung. Unterschiede könnten sich allenfalls dann ergeben, wenn der procurator mit Mitteln des Geschäftsherrn oder auf ein indebitum zahlt. Ersteres ist keine Frage der Stellvertretung, sondern der Verfügungsbefugnis (s. o. bei A. 9), letzteres hängt mit dem allgemeinen Problem zusammen, wem bei der indebiti solutio eines Dritten die condictio zusteht (s. o. A. 26). 53 Dieser Gedanke ist für die solutio eines ,Vertreters ohne Vertretungsmacht‘ zwar nicht unmittelbar belegt, wohl aber für den Fall, daß der Vormund aufgrund eines Vergleichs, zu dessen Abschluß er (nach D 26.7.46.7 Paul 9 resp) nicht befugt ist, an den Gläubiger des Mündels zahlt; vgl. D 46.3.96.1 Pap 11 resp: Cum pupilla magistratui, qui per fraudem pupillo tutorem dedit, heres extitisset, tutores eius cum adulescente transegerunt: eam transactionem pupilla ratam habere noluit: nihilo minus erit tutorum pecunia liberata nec tutores contra adulescentem actionem nec utilem habebunt, qui suum reciperavit. plane si adulescens pecuniam restituere tutori pupillae maluerit, rescisso quod gestum est actionem utilem in pupillam heredem magistratus accipiet. 52

Viertes Kapitel

Pro alio und alieno nomine solvere als ,Tatbestand‘ der Drittleistung § 15 Vorüberlegungen I. Die Drittleistung als Leistung auf fremde Schuld Als solutio hat die Drittleistung nicht nur die gleiche Wirkung wie die Leistung des Schuldners, auch den Tatbestand hat sie mit ihr gemeinsam: Zur Leistung auf Schuld wird sie durch den (von den weiteren Absichten des Dritten isolierten) animus solvendi, und Leistung des Geschuldeten ist sie deshalb, weil ihr Gegenstand dem (von der Person des Leistenden unabhängigen) Obligationsinhalt entspricht. Auf der anderen Seite unterscheidet sich die Drittleistung aber auch von der Leistung auf eine eigene Verbindlichkeit: Sie steht in keiner äußeren Beziehung zu der für den Leistenden fremden Schuld und muß ihr darum auf irgendeine Weise zugeordnet werden. Die Frage, auf welche Schuld das Geleistete anzurechnen ist, stellt sich zwar auch bei der solutio des Schuldners – dann nämlich, wenn der Gläubiger mehrere gleichartige Forderungen gegen den Leistenden hat. Hier läßt sie sich aber, falls notwendig, auch unabhängig vom Parteiwillen nach rein normativen Kriterien beantworten. So hat das klassische Recht einen differenzierten Anrechnungsmodus für den Fall entwickelt, daß weder der ex pluribus causis verpflichtete Schuldner noch sein Gläubiger eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung trifft.1 Für die Anrechnung auf eine fremde Schuld ist eine solche Regelung nicht belegt. Sie wäre auch kaum vorstellbar. Denn zum einen fehlt es in aller Regel an objektiven Kriterien, nach denen die Person des Schuldners und mit ihr die zu tilgende Schuld identifiziert werden könnten. Zum anderen kann das, was der Dritte leistet, kaum ohne seinen Willen auf eine fremde Verbindlichkeit angerechnet werden. 1 Vgl. vor allem D 46.3.1, 3, 5, 7 Ulp 43 ad Sab, D 46.3.2 Flor 8 inst, D 46.3.4 Pomp 13 ad Q Muc, D 46.3.8 Paul 10 ad Sab, D 46.3.89.2 Scaev 29 dig, D 46.3.97 Pap 2 def, D 46.3.101.1 Paul 15 resp, D 46.3.103 Maec 3 fideic und C 8.42.1 Ant. Auf diese textkritisch wie sachlich schwierigen Quellen kann hier nicht näher eingegangen werden; vgl. dazu den Überblick bei Kaser RP I 637 f., Zimmermann 750 oder Hernández-Tejero DRO 192 f. und zur Textkritik vor allem Schulz Einf. 109 ff. und Solazzi estinz. 132 ff.

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

In den Quellen wird die Drittleistung darum auch nicht bloß als Leistung auf Schuld qualifiziert, sondern genauer: als Leistung auf fremde Schuld. Die Terminologie ist allerdings nicht einheitlich. So wird die Drittleistung teils als Leistung an einen fremden Gläubiger2 oder auf einen fremden Vertrag3 umschrieben, teils sogar nur als Leistung eines negotiorum gestor4 oder eines alius5. Ein fester Sprachgebrauch ist in diesen Quellen nicht zu beobachten, und in anderen erschließt sich sogar erst aus dem Kontext, daß der Dritte auf eine fremde Schuld leistet.6 Von den vielfältigen untechnischen Umschreibungen hebt sich eine andere regelmäßig wiederkehrende Ausdrucksweise deutlich ab: Die Wendungen pro alio solvere7 und alieno (bzw. alterius) nomine solvere8 sind nicht nur die bei weitem häufigsten Bezeichnungen für die Drittleistung, sie werden auch überall dort gebraucht, wo in abstrakter, regelhafter Form von ihrer befreienden Wirkung die Rede ist.9 Vor allem letzteres läßt sie als technische Be-

2 So in D 6.1.65 pr. Pap 2 resp, D 15.3.3.1 Ulp 29 ad ed, D 15.3.10.7 (1. Teil) Ulp 29 ad ed, D 16.1.4.1 Ulp 29 ad ed, D 17.1.26.3 Paul 32 ad ed, D 20.4.12.6 Marci l s ad form hyp, D 20.5.5 pr. Marci l s ad form hyp, D 22.1.37 Ulp 10 ad ed, C 8.17.1 Sev/Ant und I 4.7.4 a, b; vgl. auch D 20.4.11.4 Gai l s de form hyp und C 8.13.22 Diocl/Max zum offerre eines Dritten. 3 So in D 3.5.31 pr. Pap 3 resp und D 24.1.50 pr. Iav 13 epist; vgl. auch D 46.3.5.1 Ulp 43 ad Sab (si duos quis dederit fideiussores, potest ita solvere, ut unum liberet). 4 So in D 3.5.44.2 Ulp 4 opin, D 20.6.1 pr. Pap 11 resp und D 46.3.37 (1. Teil) Iul 2 ad Urs Fer; vgl. auch C 2.18.12 Alex und C 2.18.16 Gall/Vol. Ähnlich D 17.1.50 pr. Cels 38 dig zur Leistung des procurator und C 5.16.9 Gord zur Zahlung des Kaufpreises durch Dritte. 5 So in D 12.6.44 Paul 14 ad Plaut; vgl. auch non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est in C 8.37.13.1 Iust. 6 So in D 13.7.11.5 Ulp 28 ad ed, D 16.1.5 (1. Teil) Gai 9 ad ed prov, D 20.1.16.3 Marci l s ad form hyp, D 20.6.12.1 Paul 5 resp, D 46.3.23 Pomp 34 ad Sab und PS 2.9.1; vgl. auch D 46.3.31 Ulp 7 disp zum Ausschluß der Drittleistung bei Obligationen auf facere. 7 Pro alio solvere haben D 3.5.38 Gai 3 de verb obl, D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed, D 15.1.3.7 Ulp 29 ad ed, D 15.3.10.7 (2. Teil) Ulp 29 ad ed, D 16.1.5 (2. Teil) Gai 9 ad ed prov, D 16.1.28.1 Scaev 1 resp, D 17.1.12.1, 2, 5 Ulp 31 ad ed, D 17.1.53 Pap 9 quaest, D 24.1.21 pr. Ulp 32 ad Sab, D 32.33.2 Scaev 15 dig, D 46.1.31 Ulp 23 ad ed, D 46.1.69 Tryph 9 disp, D 46.3.40 Marcian 3 inst, D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov, C 2.18.3 Sev/Ant, C 2.18.12 Alex, C 2.18.16 Gallus/Volus, C 4.29.1 Ant, C 4.29.4.1 Alex, C 4.29.9 Gord, C 4.31.11 Diocl/Max, C 5.58.1 Sev/Ant, C 7.73.3 Ant, C 8.42.17 Diocl/Max und I 3.29 pr.; vgl. auch pro alio numerare in D 24.1.7.7 Ulp 31 ad Sab und pro alio expendere in C 2.18.15 Gord sowie C 4.5.6 Diocl/Max zur Drittleistung auf ein indebitum. 8 Alterius nomine solvere haben D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav, D 10.2.44.7 Paul 6 ad Sab, D 12.6.8 Paul 6 ad Sab, D 12.6.36 Paul 5 epit Alf dig, D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed, D 46.1.51.1 Pap 3 resp, D 46.3.59 Paul 2 ad Plaut und CIL IV 3340 XLIX; vgl. auch solutio alterius nomine facta in D 46.3.37 (2. Teil) Iul 2 ad Urs Fer und C 8.42.5 Gord sowie alterius nomine offerre in D 46.3.72.2 Marcell 20 dig, aber auch D 12.6.13 pr. Paul 10 ad Sab und D 15.1.4.5 Pomp 7 ad Sab (alterius nomine inferre) zur Drittleistung auf eine Naturalobligation sowie D 12.6.46 Iav 4 ex Plaut, D 12.6.47 Cels 6 dig und C 4.5.6 Diocl/Max zur Drittleistung auf ein indebitum.

§ 15 Vorüberlegungen

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zeichnungen für einen besonderen Tatbestand der ,Leistung auf fremde Schuld‘ erscheinen. Diesen Eindruck verstärkt die in D 5.3.31 pr. Ulp 15 ad ed10 überlieferte Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat: Leistet ein Dritter suo und nicht debitoris nomine, dann befreit er den Schuldner nicht. Ulpian verwendet diesen allgemeinen Satz als Begründung dafür, daß der Erbschaftsbesitzer den wahren Erben nicht befreit, wenn er als Selbstschuldner auf eine Nachlaßverbindlichkeit leistet. Der eigentliche Gegenstand des Fragments sind die Folgeprobleme im Verfahren der hereditatis petitio. Über die unmittelbaren Wirkungen der solutio ist ihm nur noch zu entnehmen, daß der gutgläubige Erbschaftsbesitzer (im Gegensatz zum praedo) das Geleistete vom Nachlaßgläubiger kondizieren kann. Daß die Leistung des vermeintlichen Erben den wahren Erben nicht befreit und statt dessen die condictio indebiti begründet, wird durch andere Quellen bestätigt11 und gilt daher allgemein als gesichert.12 Schwierigkeiten bereiten allerdings eine Reihe von Entscheidungen, die diesem Ergebnis widersprechen13 oder jedenfalls zu widersprechen scheinen.14 Ob und

9 Von den o. § 1 III zusammengestellten Quellen haben D 3.5.38 Gai 3 de verb obl, D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed, D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov, C 8.42.17 Diocl/Max und I 3.29 pr. den Ausdruck pro alio solvere, in D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab (solutione vel iudicium pro nobis accipiendo et inviti et ignorantes liberari possumus) ist er verkürzt, und in C 8.42.5 Gord heißt es: licet solutione ab alio facta nomine debitoris evanescere soleat obligatio. 10 Si quid possessor solvit creditoribus, reputabit, quamquam ipso iure non liberaverit petitorem hereditatis: nam quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat. et ideo Iulianus libro sexto digestorum scribit, ita id imputaturum possessorem, si caverit se petitorem defensum iri. sed an et bonae fidei possessor debeat defendendum cavere, videndum erit, quia in eo quod solvit non videtur locupletior factus: nisi forte habeat condictionem et hoc nomine videtur locupletior, quia potest repetere: finge enim eum, dum se heredem putat, solvisse suo nomine. et videtur mihi Iulianus de solo praedone ut caveat sensisse, non etiam de bonae fidei possessore: condictionem tamen praestare debebit. sed et petitor si a creditoribus conveniatur, exceptione uti debebit. 11 Vgl. vor allem D 12.6.19.1 Pomp 22 ad Sab und D 46.3.38.2 Afr 7 quaest, aber auch D 12.6.65.9 Paul 17 ad Plaut. 12 Vgl. etwa Pacchioni Bull. 3 (1890) 44 ff., Riccobono APal 3/4 (1917) 250 und 259, Maier 486 ff., Solazzi estinz. 50 ff., Schwarz Grundlage 234 f., Cruz 334 mit A. 596, Kaser RP I 636 A. 13 und RP II 440 A. 4, Seiler Fg. Kaser (1986) 252, Muscheler Juristische Schulung 1988 S. 632 und Hernández-Tejero DRO 184 sowie zum Gemeinen Recht Oertmann 460 ff. mwN., aber auch Wollschläger 90 f. 13 Nicht auflösen läßt sich der Widerspruch zu C 3.31.5 Ant: De hereditate, quam bona fide possidebas, si contra te pronuntiatum est, in restitutione eius detrahetur, quod creditoribus eiusdem hereditatis exsolvisse te bona fide probaveris: nam repeti a creditoribus, qui suum receperint, non potest. Vgl. dazu Finkenhauer Iura 49 (1998) 164 f. 14 Hierher gehören D 3.5.44.2 Ulp 4 opin (dazu u. § 19 bei A. 18 ff.), D 3.5.48 Afr 8 quaest, D 12.6.44 Paul 14 ad Plaut (o. § 11 bei A. 48 f.), D 35.3.4.3 Paul 75 ad ed und D 46.3.95.8 Pap 28 quaest.

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

wie sie mit dem in fr. 31 pr. überlieferten Grundsatz zu vereinbaren sind, ist seit der Glosse umstritten.15 Diesen Fragen hat Müller-Ehlen etwa die Hälfte ihrer 1998 unter dem Titel ,Hereditatis petitio‘ erschienen ,Studien zur Leistung auf fremde Schuld und zur Bereicherungshaftung in der römischen Erbschaftsklage‘16 gewidmet. Eine erneute Untersuchung der Quellen zur Leistung des sogenannten ,Putativschuldners‘ ist darum zwar nicht entbehrlich17, für die 15 Vgl. von den o. A. 12 Zitierten Pacchioni 44 ff. und 52 ff., Riccobono 250 f. und 259 ff., Maier 487 ff., Solazzi estinz. 51 f. und Muscheler 632 f., aber auch schon die Glosse zu solvisses und liberarer in D 3.5.48 Afr 8 quaest, zu solvit creditoribus in D 5.3.31 pr. Ulp 15 ad ed, zu solutum est in D 12.6.44 Paul 14 ad Plaut, zu repetere poterit in D 12.6.19.1 Pomp 22 ad Sab, zu quod ille suo nomine in D 46.3.38.2 Afr 7 quaest und zu bona fide in C 3.31.5 Ant sowie Oertmann 460 ff. mwN. zum Gemeinen Recht. 16 So der Untertitel der Arbeit; vgl. dort die Seiten 37 bis 43 und 53 bis 218. Im zweiten Hauptteil ihrer Untersuchung (219 bis 449) beschäftigt sich Müller-Ehlen anhand von D 5.3.13.2, D 5.3.16.7, D 5.3.20.18 (alle Ulp 15 ad ed), D 5.3.17 Gai 6 ad ed prov und D 35.3.4.2 Paul 75 ad ed mit dem Fall, daß der Erbschaftsbesitzer auf eine nicht bestehende Nachlaßverbindlichkeit leistet. 17 Dies hat im wesentlichen zwei Gründe: 1. Müller-Ehlen beschränkt ihre Untersuchung auf die solutio des vermeintlichen Erben. Sie zitiert zwar die in D 12.6.65.9 Paul 17 ad Plaut überlieferte Definition indebitum non est tantum, quod omnino non debetur, sed et . . . si id quod alius debebat alius quasi ipse debeat solvat zu Recht als Beleg dafür, daß die klassischen Juristen den Gedanken eines bloß „subjektiven indebitum dogmatisch vollständig durchdrungen haben“ (64), die danach naheliegende Frage, welche weiteren Fallgruppen zu diesem allgemeinen Tatbestand gehören, stellt sie aber nicht. Dadurch entgehen ihr zahlreiche wertvolle Quellen. Denn daß ein Dritter quasi ipse debeat leistet, was nicht er selbst, wohl aber ein anderer schuldet, ist unter anderem noch für folgende Sachverhalte überliefert: Ein Bürge oder Gesamtschuldner leistet im Hinblick auf seine in Wahrheit unwirksame, erloschene oder einredebehaftete Schuld das, was der Haupt- oder Mitschuldner dem Gläubiger schuldet (vgl. D 12.6.59 Pap 2 def, D 12.6.32.1 Iul 10 dig, D 17.1.29.6 Ulp 7 disp, D 46.1.19 Iul 4 ex Minic und D 46.1.20 Iav 13 epist zur Bürgschaft, D 46.3.34.11 Iul 54 dig zur Gesamtschuld sowie D 16.1.8.3 Ulp 29 ad ed und C 4.29.9 Gord zur mulier intercessans), oder ein Miterbe zahlt irrtümlich nicht nur seinen Anteil einer ipso iure geteilten Nachlaßverbindlichkeit, sondern auch den auf die übrigen Miterben entfallenden Betrag (vgl. D 46.3.25 Pomp 31 ad Sab, D 46.3.101 pr. Paul 15 resp und D 46.1.49.1 Pap 27 quaest, aber auch D 12.6.31 Ulp 1 opin). In all diesen Entscheidungen (mit Ausnahme von D 17.1.29.6 Ulp 7 disp; vgl. dazu aber u. § 17 A. 95) wird die Leistung auf ein ,subjektives indebitum‘ genauso behandelt wie bei der solutio des vermeintlichen Erben: Der Putativschuldner kann das Geleistete kondizieren, und die Verbindlichkeit des Schuldners bleibt bestehen. Daß dahinter auch ein einheitliches Prinzip steht, ergibt sich aus Paulus’ abstrakter Definition des ,subjektiven indebitum‘; vgl. auch schon D 12.6.19.1 Pomp 22 ad Sab (quamvis debitum sibi quis recipiat, tamen si is qui dat non debitum dat, repetitio competit). Müller-Ehlen berücksichtigt keine dieser Quellen. Ob dieses Versäumnis für die spezifisch erbrechtlichen Probleme der von ihr untersuchten Fallgruppe Bedeutung hat, kann hier nicht beurteilt werden, bei den allgemein-schuldrechtlichen Fragen wird es jedenfalls deutlich spürbar. So kommt Müller-Ehlen beispielsweise zu dem Ergebnis, „daß der traditionelle Lösungsweg nur dann nicht eingeschlagen werden konnte, wenn – wie beim Damnationslegat – infolge überkommener Regeln die Kondiktion gegen den Gläubiger ausgeschlossen war“ (216). Daß die Leistung des Putativschuldners in einem solchen Fall befreiende Wirkung hat, entnimmt sie (184 ff.) dem umstrittenen Schlußsatz von D 3.5.48 Afr 8

§ 15 Vorüberlegungen

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Zwecke dieser Arbeit kann aber auf sie verzichtet werden. Denn Müller-Ehlen gibt einen ausführlichen Überblick über den Forschungsstand zu den einzelnen Quellen und kommt in der hier interessierenden Frage, wie die klassischen Juristen die unmittelbaren Folgen der Leistung auf eine nur vermeintlich eigene, in Wahrheit aber fremde Schuld bestimmen, zu dem zutreffenden Ergebnis: „Ihr traditioneller Lösungsweg lautet, daß eine derartige Leistung den wahren Schuldner nicht liberiere und die Rückabwicklung mittels einer Kondiktion des Putativschuldners gegen den Gläubiger stattfinde.“18 Für die solutio des Putativschuldners gilt die in diesem Zusammenhang überlieferte Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat also uneingeschränkt. Ihrem Wortlaut nach bezieht sie sich aber nicht nur auf diese begrenzte Fallgruppe. Sie formuliert vielmehr das allgemeine Prinzip, daß der Schuldner nicht frei wird, wenn der Dritte suo nomine leistet, und der Einschub non debitoris verrät auch dessen Grundlage: Um den Schuldner zu befreien, muß der Dritte debitoris nomine leisten. Die Tragweite dieses Grundsatzes soll in § 18 ermittelt werden. Gegenstand der Untersuchung sind die – außerhalb der Fallgruppe des Putativschuldners überlieferten – Entscheidungen, in denen die Befreiung des Schuldners deshalb abgelehnt wird, weil der Dritte suo nomine geleistet hat. Denn diese Quellen versprechen Aufschluß darüber, ob mit alieno nomine (und pro alio) solvere ein über die allgemeinen Voraussetzungen der solutio hinausgehender besonderer Tatbestand der Drittleistung bezeichnet wird. Zunächst muß jedoch noch geklärt werden, wonach das klassische Recht bestimmt, ob der Dritte suo oder alieno nomine bzw. pro se oder pro alio leistet: Knüpft es dabei ausschließlich an seinen Willen an, und muß dieser Wille bei der Leistung erklärt werden oder wird er in Zweifelsfällen aus den Umständen oder aus der Interessenlage erschlossen? quaest – in der Interpretation von Pacchioni Bull. 3 (1890) 52 ff. – und der am Ende von in D 5.1.74.2 Iul 5 dig erwähnten exceptio doli. Die einzige Quelle, in der das Verhältnis von Kondiktionsausschluß und zivilrechtlicher liberatio bei der Leistung des Putativschuldners ausdrücklich behandelt wird, ist aber der erste Teil von D 46.1.49.1 Pap 27 quaest (ex duobus fideiussoris heredibus si per errorem alter solidum exsolvat, quidam putant habere eum condictionem et ideo manere obligatum coheredem: cessante quoque condictione durare obligationem coheredis probant propterea, quod creditor, qui, dum se putat obligatum, partem ei, qui totum dedit, exsolverit, nullam habebit condictionem), und auf diesen Text, der ihr Ergebnis zumindest zweifelhaft erscheinen läßt, geht Müller-Ehlen nicht ein. – 2. Zur solutio des vermeintlichen Erben werden zwar alle Quellen ausführlich besprochen und ausgewertet, die Exegesen orientieren sich aber durchweg eher an der Sekundärliteratur als an den Texten selbst und sind daher auch im Ergebnis nicht immer überzeugend. Eine kritische Auseinandersetzung mit ihnen ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich; um auch hier ein Beispiel zu geben, kann aber auf § 19 IV 2 verwiesen werden. Denn dort wird nicht nur zu Müller-Ehlens Vorstellung vom ,Fremdtilgungswillen‘ Stellung genommen, sondern auch zu ihrer Interpretation von D 3.5.44.2 Ulp 4 opin. 18 215. Dieses Ergebnis entspricht der ganz herrschenden Auffassung im romanistischen wie im gemeinrechtlichen Schrifttum (s. o. A. 15).

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

II. Zur Bedeutung von pro alio und alieno nomine solvere 1. In der Wendung pro alio solvere kann pro – ebenso wie das deutsche ,für‘ – zwei Bedeutungen haben.19 Entweder hebt es nur den äußeren Umstand hervor, daß ein Dritter ,statt‘ oder ,anstelle‘ des Schuldners (debitoris loco) tätig wird, oder es beschreibt die Leistung selbst: Sie erfolgt ,zum Vorteil‘ oder ,im Interesse‘ eines anderen und unterscheidet sich dadurch vom Normalfall der eigennützigen solutio. Daß pro alio solvere in diesem zweiten Sinn zu verstehen ist, wird durch die korrespondierende Wendung pro se solvere20 nahegelegt; denn bei ihr kommt die erste Bedeutung überhaupt nicht in Betracht. Als Ausdruck der Fremdnützigkeit kann pro entweder auf den Vorgang oder auf den Erfolg der Leistung bezogen sein: Der Dritte leistet ,im Hinblick auf‘ oder ,mit Wirkung für‘ den Schuldner. Das eine beschreibt den Sachverhalt (welcher Zweck wird mit der Leistung verfolgt?), das andere ist eine Rechtsfrage (welche Wirkung hat sie?). Der Ablativ nomine wird vor allem bei abstrakten Begriffen und Sachen häufig im Sinne von causa oder gratia (,wegen‘, ,im Hinblick auf‘ oder ,um . . . willen‘) gebraucht.21 Diese Bedeutung hat er auch in Wendungen wie usurarum, legatorum, dotis oder eo nomine solvere.22 Daher läßt sich nicht ausschließen, daß auch das persönliche alieno nomine solvere nur die zu tilgende Schuld beschreibt. Ebenso wie bei pro alio solvere wäre dann lediglich gesagt, daß die Leistung auf eine fremde Schuld bezogen ist, nicht aber, worin diese Beziehung besteht und wie sie hergestellt wird. Dagegen gibt das wörtliche Verständnis von nomine23 immerhin einen Hinweis für die Beantwortung dieser Fragen. Es kann zwar nicht mit der modernen Bezeichnung für das Handeln eines Stellvertreters identifiziert werden, legt aber die Vermutung nahe, daß der Name des 19 Vgl. Kalb Wegweiser 60 und Heumann/Seckel s.v. pro 2) und 3), die pro alio solvere allerdings nicht als Beispiel anführen, sowie allgemein Georges s.v. pro II B 1) und 2), OLD s.v. pro 3 und 6 und Kühner/Stegmann I 514 f. 20 Sie wird in D 46.1.69 Tryph 9 disp und in I 4.6.9 dem pro alio solvere gegenübergestellt. Außerdem findet sie sich noch in D 15.3.15 Ulp 2 disp und D 26.7.9.1 Ulp 36 ad ed. 21 Vgl. Kalb Wegweiser 70 und Heumann/Seckel s.v. nomen 1 d) sowie allgemein Kühner/Stegmann I 423. 22 Vgl. etwa D 12.6.67.4 Scaev 5 dig für usurarum nomine solvere, D 5.3.17 Gai 6 ad ed prov für legatorum nomine solvere, D 46.3.98 pr. Paul 15 quaest für dotis nomine solvere und D 18.1.23 Paul 5 ad Sab für eo nomine solvere. Heumann/Seckel s.v. nomen 1 d) rechnen hierzu zwar eo nomine satisdare, cavere und praestare, nicht aber das persönliche alicuius nomine solvere. 23 Die spezifisch juristische Bedeutung ,Schuldforderung‘ (vgl. Heumann/Seckel s.v. nomen 2) kommt bei alieno nomine solvere nicht in Betracht. Denn ,eine fremde Schuld tilgen‘ hieße nomen alienum solvere, und ,einen anderen von seiner Schuld lösen‘ hieße alium (a) nomine solvere; vgl. die Nachweise zu obligationem und aliquem (obligatione) solvere o. § 2 A. 28. Beides ist nicht belegt.

§ 15 Vorüberlegungen

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Schuldners bei der Leistung genannt wird.24 Alieno nomine solvere bedeutet also nicht ,in fremdem Namen‘, aber möglicherweise ,auf fremden Namen leisten‘. So verstanden beschreibt es den tatsächlichen Vorgang und nicht die rechtliche Wirkung der Leistung: Bei der solutio wird – regelmäßig durch Namensnennung – klargestellt, daß nicht der Leistende, sondern ein Dritter von seiner Schuld befreit werden soll. 2. In der Romanistik besteht Einigkeit darüber, daß die Wendung alieno nomine solvere nicht im modernen Sinne einer stellvertretenden solutio zu verstehen ist25, sondern nur als Ausdruck dafür, daß der Dritte auf fremde Schuld leistet.26 Sie wird damit auf den Leistungsvorgang bezogen: Der Dritte leistet nicht als Selbstschuldner (suo nomine), sondern im Hinblick auf eine fremde Verbindlichkeit. Daß sich diese Abgrenzung ausschließlich nach seinem Willen richtet, ist ebenfalls allgemein anerkannt.27 Verschiedene Auffassungen gibt es nur zu der Frage, ob der Wille des Dritten für den Gläubiger erkennbar sein muß. Sie wird überwiegend bejaht, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. So argumentiert Kaser28 mit der Eintragung des Zahlungsvorgangs in die Hausbücher, Apathy29 mit den schutzwürdigen Interessen des Gläubigers und Maier30 mit den „Grundprinzipien des römischen und heutigen Schuldrechts: 24 In der Bedeutung ,im Namen‘ – vgl. Kalb Wegweiser 69 f. sowie allgemein Georges s.v. nomen II 2 a), OLD s.v. nomen 14) und Kühner/Stegmann I 410 – bezeichnet nomine nicht notwendig die Person des Namensträgers, es kann vielmehr auch den Namen selbst meinen; anders Heumann/Seckel s.v. nomen 1 c), die suo nomine und debitoris nomine solvere neben alieno nomine agere, possidere, credere, faenerare u. ä. als Beispiel für den tropischen Gebrauch anführen. 25 So auch Kaser Fg. Herdlitczka (1972) 144 mit A. 5, der allerdings an anderer Stelle – RP II 440 f. A. 4 und SZ 91 (1974) 201 mit A. 211 – behauptet, schon für das klassische Recht sei die Leistung im Namen des Schuldners, die als Erfüllung des Schuldners gelte, von der im eigenen Namen vorgenommenen Drittleistung zu unterscheiden; dazu eingehend o. § 14. Ähnlich bereits Oertmann, der sich zwar grundsätzlich gegen die Gleichsetzung von alieno nomine solvere und stellvertretender solutio wendet (425 ff.), aber einzelne Quellen mit Hilfe dieser Figur interpretiert (451 ff.). 26 Vgl. vor allem Müller-Ehlen 62 f. und 129 ff. mwN., aber auch Maier 487, Solazzi estinz. 50 mit A. 3, Betti Appunti 289, Wagner Legalhypotheken 158/159 A. 1, Apathy 85 f. mit A 74 und Muscheler (o. A. 12) 632. In den Exegesen der einschlägigen Quellen wird diese Bedeutung zumeist unterstellt; anders nur Flume SZ 113 (1996) 91 ff. zu D 12.6.47 Cels 6 dig. 27 Vgl. von den o. A. 26 Zitierten vor allem Müller-Ehlen 130, die alieno nomine solvere mit dem von der modernen Dogmatik zu § 267 BGB entwickelten Erfordernis des ,Fremdtilgungswillen‘ vergleicht und „die inhaltliche Identität der beiden Kriterien“ behauptet. 28 (O. A. 25) 144. 29 85 f.; ähnlich Solazzi estinz. 50 und im Ergebnis auch Betti Appunti 289 und Muscheler (o. A. 12) 432. 30 487; ähnlich bereits Oertmann 374 f. (vgl. auch 426): „Freilich wird der Name des Schuldners bei jeder Zahlung fremder Schulden genannt werden . . .; und zwar einfach deßhalb, weil die Zahlung erst durch die Angabe des Schuldgrundes und des Schuldners ihre individuelle Färbung erhält, während sie als beziehungslose, abgelöst

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

die obligatio als persönliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner wird in erster Linie durch die Person dieser beiden individualisiert; soll eine Schuld des Titius getilgt werden, so muß zum Ausdruck kommen, daß es sich um eine Schuld des Titius handelt.“ Müller-Ehlen31 dagegen hält „eine Beurteilung aus dem Empfängerhorizont des Gläubigers“ für unwahrscheinlich. Ihrer Ansicht nach kommt es entweder auf den inneren Willen des Leistenden an oder auf die – von den Juristen unterstellte – übereinstimmende Sicht beider Parteien. Die Bedeutung von pro alio solvere ist bislang nicht untersucht worden. Die Wendung wird aber ebenfalls als Ausdruck dafür verstanden, daß der Dritte auf fremde Schuld leistet, und dabei ohne weiteres mit alieno nomine solvere gleichgesetzt.32 3. Im folgenden soll gezeigt werden, daß pro alio und alieno nomine solvere bei der Drittleistung synonym verwendet werden, und zwar zur Beschreibung des tatsächlichen Leistungsvorgangs: Die Leistung wird durch den erklärten Willen des Schuldners einem fremden Schuldverhältnis zugeordnet und unterscheidet sich dadurch vom Normalfall des suo nomine oder pro se solvere. Der Beweis für diese These kann im Rahmen eines einzelnen Kapitels nicht geführt werden. Er setzte nämlich nicht nur die Auswertung sämtlicher Belegstellen für pro alio und alieno nomine solvere voraus, daneben wären auch noch zwei weitere Quellengruppen zumindest vergleichend heranzuziehen. Das sind zum einen die Texte, in denen der Vorgang der Drittleistung mit anderen, untechnischen Formulierungen umschrieben wird33, und zweitens diejenigen, in denen die bloße – das heißt: nicht auf Schuld gerichtete – datio eines Dritten mit ähnlichen Wendungen bezeichnet wird: die Bestellung einer dos für die Ehefrau mit uxoris nomine dare34 und (seltener) mit pro mulieri dare35, die Gewährung ei-

von einer bestimmten Schuld fast undenkbar erscheint, jedenfalls aber die Schuld eines unbetheiligten Dritten nicht aufheben kann.“ 31 130 ff., Zitate 132 f. 32 Vgl. etwa Wagner Legalhypotheken 158/159 A. 1 und Kaser (o. A. 25) 144 mit A. 6, der si fideiussor vel quis alius pro reo . . . solverit in D 46.1.31 Ulp 23 ad ed neben fideiussor, qui partem pecuniae suo nomine vel rei promittendi solvit in D 46.1.51.1 Pap 3 resp als Beleg dafür anführt, „daß der Bürge als Drittzahler für den Hauptschuldner auftritt.“ Diese Bedeutung von pro alio solvere ist zwar in D 46.1.69 Tryph 9 disp belegt (s. u. § 17 II), gerade für fr. 31 ist sie aber nicht zu beweisen; vgl. Flume (o. A. 26) 91 und u. § 17 bei A. 122. 33 S. o. A. 2 bis 6. 34 D 15.3.8 Paul 30 ad ed, D 19.1.52.1 Scaev 7 dig, D 20.6.11 Paul 4 resp, D 21.2.71 Paul 16 quaest, D 23.3.48.1 Iul 2 ad Urs Fer, D 23.3.59.2 Marcell 7 dig, D 23.3.78.1 Tryph 11 disp, D 23.3.81 Pap 8 quaest, D 23.3.82 Proc 5 epist, D 23.3.85 Scaev 8 dig, D 23.4.7 Pomp 15 ad Sab, D 23.4.23 Afr 7 quaest, D 23.4.29.1 Scaev 2 resp, D 23.5.14.1 Paul 3 de adult, D 24.3.4 Pomp 15 ad Sab, D 30.69.2 Gai 2 de legatis ad ed prov, D 32.41.7 Scaev 22 dig, D 35.1.71.3 Pap 17 quaest, D 37.6.4 Afr 4 quaest, D 37.6.6 Cels 10 dig, D 42.8.25.2 Ven 6 interd, D 45.1.108 pr. Iav 10 epist, D 46.3.82 Proc 5 epist und vat. 113.

§ 16 Formen der solutio bei den adjektizischen Klagen

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nes Darlehens für einen anderen mit alieno nomine dare36 oder credere37, die Ablösung eines redemptor mit alieno nomine pretium restituere38 und die Erfüllung einer Bedingung zugunsten des statuliber mit alieno nomine und pro alio dare39. Da selbst eine repräsentative Auswahl dieser Quellen allenfalls im Überblick behandelt werden könnte, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die exemplarische Exegese einiger besonders aufschlußreicher Entscheidungen. Ausgewählt wurden die Texte, in denen sich alieno nomine und suo nomine solvere oder pro alio und pro se solvere gegenüberstehen. Sie gehören sämtlich40 zu zwei eng verwandten Fallgruppen: In der einen leistet der adjektizisch haftende Gewalthaber oder Prinzipal nicht auf die eigene honoraria obligatio, sondern auf die ihr zugrundeliegende fremde Schuld (dazu § 16), in der anderen leistet der Bürge als Dritter auf die Hauptschuld (dazu § 17). Die Untersuchung dieser Entscheidungen verspricht darum nicht nur Aufschluß über die Abgrenzung zwischen pro se und suo nomine solvere einerseits und pro alio und alieno nomine solvere andererseits, sondern auch darüber, wie sich die Drittleistung von der – ebenfalls befreiend wirkenden – solutio dessen unterscheidet, der selbst für eine fremde Schuld haftet. § 16 Die beiden Formen der solutio bei den adjektizischen Klagen I. D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed 1. Als ,adjektizisch‘ bezeichnet man in Anlehnung an D 14.1.5.1 Paul 29 ad ed diejenigen Klagen, die der Prätor aus Geschäftsschulden von Gewaltunterworfenen und Angestellten gegen ihren Gewalthaber oder ihren Prinzipal gewährt.1 Diese Klagen erfüllen zwar eine ähnliche Funktion wie das Institut der Stellvertretung, sie begründen aber nicht die alleinige, sondern nur eine zusätzliche Haftung des Geschäftsherrn. Die Konstruktion ergibt sich aus den Klag-

35 D 23.3.9 pr. Ulp 31 ad Sab; vgl. auch dotis nomine pro filia pater solvisset in D 46.3.98 pr. Paul 15 quaest. 36 D 12.1.9.8 Ulp 26 ad ed, D 45.1.126.2 Paul 3 quaest und C 4.2.4 Philipp. 37 D 26.7.8 Ulp 23 ad ed, D 26.7.16 Paul 6 ad Sab und C 4.27.3 Iust; vgl. auch peculiari nomine credere in D 46.3.19 Pomp 21 ad Sab und in D 46.3.32 Iul 13 dig. 38 D 49.15.12.13 Tryph 4 disp. 39 Beides in D 40.7.39.5 Iav 4 ex post Lab; vgl. auch D 12.6.53 Proc 7 epist und D 39.6.41 Pap 2 resp. 40 Hinzu kommt nur die unter I erwähnte Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat in D 5.3.31 pr. Ulp 15 ad ed. 1 Vgl. zu den adjektizischen Klagen nur Kaser RP I 264 und 605 ff. und vor allem Wacke SZ 111 (1994) 280 ff. mit Literaturverzeichnis 356 ff.

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

formeln, und zwar aus dem alle adjektizischen Klagen kennzeichnenden Subjektwechsel auf der Passivseite2: Der Beklagte wird erst in der condemnatio genannt, die intentio lautet dagegen auf die Schuld desjenigen, der das Geschäft abgeschlossen hat (Hauptschuld). Beim filius familias und bei einem gewaltfreien exercitor oder institor ist diese Formelgestaltung unproblematisch, beim servus dagegen muß eine klagbare Hauptschuld erst künstlich – durch die Fiktion ,si liber fuisset‘ – erzeugt werden. Die adjektizischen Klagen begründen somit eine Haftung für fremde Schuld. Sie verschaffen dem Gläubiger entweder einen zusätzlichen und typischerweise auch zahlungskräftigeren Schuldner, oder sie ermöglichen die gerichtliche Verfolgung von Ansprüchen, die nach ius civile überhaupt nicht anerkannt oder zumindest nicht vollstreckbar sind. Im einen Fall bestehen sie neben der ebenfalls klagbaren Verbindlichkeit des gewaltfreien Angestellten, im anderen neben der Naturalobligation des Gewaltunterworfenen. 2. Mit den daraus entstehenden Konkurrenzfragen beschäftigt sich D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed Haec actio ex persona magistri in exercitorem dabitur, et ideo, si cum utro eorum actum est, cum altero agi non potest. sed si quid sit solutum, si quidem a magistro, ipso iure minuitur obligatio: sed et si ab exercitore, sive suo nomine, id est propter honorariam obligationem, sive magistri nomine solverit, minuetur obligatio, quoniam et alius pro me solvendo me liberat.3

Im 28. Buch ad edictum kommentiert Ulpian den Titel Quod cum magister navis etc., unter dem die adjektizischen Klagen zusammengefaßt sind. Am Anfang steht hier die actio exercitoria. Aus dieser Klage haftet der Reeder (exercitor) für die Verbindlichkeiten, die der – in der Regel gewaltfreie – Schiffsführer (magister navis) innerhalb seines Geschäftskreises eingeht.4 In fr. 1.24 beginnt Ulpian den Kommentar ad formulas5 mit der Feststellung, daß die intentio der Klage auf die Schuld des Schiffsführers lautet (haec actio ex persona magistri in exercitorem dabitur). Weil die actio exercitoria die erste adjektizische Klage des Edikts ist, schildert er dann ein für allemal, welche Folgen 2 Zur Formel der adjektizischen Klagen Lenel EP 258 ff. und dort insbesondere 264 ff., Valiño AHDE 37 (1967) 349 ff., Kaser RP I 606, Wacke (o. A. 1) 282 f. und Kaser/Hackl 341 f. 3 Übersetzung: Diese Klage wird aus der Person des Schiffsführers gegen den Reeder gegeben, und deshalb kann, wenn gegen einen dieser beiden geklagt worden ist, gegen den anderen nicht mehr geklagt werden. Aber wenn etwas geleistet worden ist, und zwar vom Schiffsführer, vermindert sich die Verbindlichkeit ipso iure, aber auch wenn vom Reeder (geleistet worden ist), sei es, daß er in seinem Namen – das heißt: wegen seiner honorarrechtlichen Verbindlichkeit – geleistet hat, sei es im Namen des Schiffsführers, vermindert sich die Verbindlichkeit, weil auch ein anderer mich befreit, indem er für mich leistet. 4 Zur actio exercitoria Wacke (o. A. 1) 298 ff. mwN. 5 Vgl. Lenel Paling. II 587 f. (Ulpian 819 bis 822) und EP 258.

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sich aus der eigentümlichen Gestaltung ihrer Klagformel ergeben (et ideo rell.). Die erste Konsequenz erwähnt Ulpian nur kurz (si cum utro eorum actum est, cum altero agi non potest): Die Klage gegen den Reeder konkurriert mit der actio directa gegen den Schiffsführer. Beide haben dieselbe intentio und richten sich damit auf dieselbe Schuld (eadem res). Zwischen ihnen besteht deshalb Konsumptionskonkurrenz: Der Gläubiger kann zwar wählen, ob er den exercitor oder den magister navis selbst in Anspruch nimmt6, sobald er einen von ihnen verklagt, verliert er jedoch zwangsläufig die Klage gegen den anderen. Denn im Augenblick der litis contestatio erlischt die Hauptschuld, die beiden Klagen zugrunde liegt.7 Ausführlicher zeigt Ulpian die materielle Identität der beiden Klagen an den Wirkungen der solutio. Hier behandelt er zunächst die Leistung des primär verpflichteten magister navis. Sie bringt die eigene Schuld zum Erlöschen (ipso iure minuitur obligatio)8 und befreit damit auch den exercitor von seiner adjektizischen Haftung. Dessen Leistung hat, wie Ulpian im Anschluß feststellt, die gleiche Wirkung. Auch sie führt zum Erlöschen der Hauptschuld, und zwar unabhängig davon, ob der Reeder suo oder magistri nomine leistet (sed et si . . . minuetur obligatio9). Innerhalb der zweiten Alternative unterscheidet Ulpian also erneut, und zwar danach, ob der Reeder auf die eigene honoraria obligatio leistet oder als Dritter auf die Hauptschuld. Daß mit magistri nomine die Zuordnung der Leistung zu der (fremden) Schuld des Schiffsführers gemeint ist, ergibt sich nicht nur aus dem thematischen Zusammenhang, sondern auch aus der Definition des korrespondierenden suo nomine als propter honorariam obligationem. Beide Formen der solutio führen zu demselben Ergebnis (minuetur obligatio), ihre Unterscheidung ist also rein theoretisch. Im Kontext des Fragments ist sie aber gerade deshalb sinnvoll. Denn nur bei der Leistung suo nomine beruht das Erlöschen der Hauptschuld auf dem besonderen Charakter der adjektizischen 6 Vgl. D 14.1.1.17 Ulp 28 ad ed: Est autem nobis electio, utrum exercitorem an magistrum convenire velimus. 7 Vgl. Gai 4.106 f. und vor allem 3.181: Unde fit, ut si legitimo iudicio debitum petiero, postea de eo ipso iure agere non possim, quia inutiliter intendo dari mihi oportere, quia litis contestatione dari oportere desiit. Zur Anwendung dieses Grundsatzes in fr. 1.24 eingehend Levy Konk. I 331 ff., aber auch schon 150 ff. und 266 ff.; vgl. außerdem Frezza I 134 f., Wunner Contractus (1964) 106 mit A. 5 und Wacke (o. A. 1) 285. 8 Durch minuitur (statt tollitur) obligatio bezieht Ulpian die Teilleistung ein (daher auch: si quid sit solutum). Er stellt damit klar, daß die solutio – im Unterschied zur litis contestatio – nicht notwendig die gesamte Schuld tilgt; vgl. Levy Konk. I 333 f. 9 Daß Ulpian aus dem vorangehenden Satz nur die Formulierung minuitur obligatio aufgreift und nicht auch das ipso iure wiederholt, läßt nicht auf eine bloß prätorische Befreiung schließen. Denn andernfalls würde minuere in ein und demselben Satz in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet, und die Anknüpfung sed et si wäre zumindest irreführend. Ebenso mit weiteren Argumenten Levy Konk. I 335 f.

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Haftung: Der Reeder haftet ex persona magistri, und darum erlischt mit seiner eigenen honoraria obligatio notwendig auch die ihr zugrundeliegende materiell fremde Schuld des Schiffsführers. Die Drittwirkung des suo nomine solvere ist also eine weitere Konsequenz der Formelgestaltung. Sie gehört damit ebenso zum Gegenstand des Kommentars wie die Konsumptionskonkurrenz.10 Daß die Hauptschuld erlischt, wenn der Reeder magistri nomine leistet, hat mit seiner eigenen adjektizischen Haftung nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um einen normalen Fall der Drittleistung. Deren befreiende Wirkung beruht auf dem Grundsatz, den Ulpian als Begründung anführt: quoniam et alius pro me solvendo me liberat. Daß hier nicht mehr nur vom exercitor und vom magister, sondern allgemein von alius und ego die Rede ist, spricht nicht gegen die Echtheit dieses Satzes11 – im Gegenteil: Es unterstreicht, daß die befreiende Wirkung des magistri nomine solvere nicht mehr aus den besonderen Regeln der actio exercitoria zu erklären ist, sondern aus einem allgemeinen, für jede solutio gültigen Rechtssatz, und genau das soll der Einschub sive . . . solverit zeigen. Die eher theoretische Möglichkeit, daß der Reeder als Dritter auf die Schuld seines Schiffsführers leistet, erwähnt Ulpian nur, um im Vergleich dazu die Besonderheit der adjektizischen Haftung deutlicher hervortreten zu lassen: Um den magister zu befreien, muß der exercitor nicht, wie jeder andere Dritte, auf dessen Namen leisten. Weil er selbst ex persona magistri haftet, kommt nämlich die Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat in seinem Fall nicht zur Anwendung. Die Unterscheidung sive suo nomine sive magistri nomine solverit ist also keine byzantinische Spitzfindigkeit „provocata dalla volontà di sottilizzare sull’animo del pagante“12, sondern ein darstellerisches Mittel, das die eigentüm10 Entgegen Liebs Konk. 20 mit A. 19 ist der zweite Satz in fr. 1.24 kein Beleg dafür, daß die Konkurrenzabschnitte in Ulpians Ediktkommentar durch „überhaupt rubrikfremde, attrahierte Fragen“ unterbrochen werden. Denn die Konsumption wird hier nur innerhalb einer übergeordneten Fragestellung behandelt (haec actio ex persona magistri in exercitorem dabitur. et ideo . . .), zu der auch die ,Drittwirkung‘ des suo nomine solvere gehört: Ulpian kommentiert die intentio und nicht die Konkurrenzen. Auch Liebs selbst rechnet an anderer Stelle (169) nur die bei Lenel Paling. II 587 f. nachfolgenden Fragmente (Ulpian 820 bis 822) zum Konkurrenzabschnitt, nicht aber fr. 1.24 (Ulpian 819) selbst. 11 So aber Frese 444/445 A. 210. Gegen ihn bereits Solazzi estinz. 46 A. 2. 12 So aber Solazzi estinz. 46 mwN. in A. 3. Sein Argument „essendo tenuto con l’a. exercitoria, è molto naturale che l’exercitor intenda soddisfare il proprio debito“ verkennt den theoretischen Charakter der Erörterung. Seine auch von Beseler IV 287 und noch von Longo St. Scherillo II (1972) 596 f. geteilte Vermutung, der gesamte zweite Satz sei überarbeitet, läßt sich daher nicht halten. Die schon von Levy Konk. I 331 ff. überzeugend nachgewiesene Echtheit des gesamten Textes (zu der Einschränkung 332 A. 2 u. A. 13) wird heute nicht mehr bezweifelt; vgl. etwa Frezza I 135, Wunner (o. A. 7) 106 mit A. 5, 112 A. 29 und 113 A. 35, Liebs Konk. 20 A. 19 und 72 A. 187, Kaser RP I 480 A. 9 und 658 A. 27, Apathy 86 A. 74 sowie Wacke (o. A. 1) 282 A. 8 f. und 285.

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liche Konstruktion der adjektizischen Haftung anschaulich machen soll. Daß diese Haftung als honoraria obligatio bezeichnet wird, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.13 Denn dadurch wird klar, was suo nomine im Gegensatz zu magistri nomine solvere bedeutet: Der Reeder leistet zwar in beiden Fällen mit befreiender Wirkung für einen anderen. Diese Wirkung beruht aber nur beim magistri nomine solvere darauf, daß er als Dritter auf eine fremde Schuld leistet. Beim suo nomine solvere erklärt sie sich dagegen aus dem besonderen Charakter seiner eigenen Verbindlichkeit, daraus nämlich, daß er selbst nach prätorischem Recht für eine fremde Schuld haftet. 3. Aus D 14.1.1.24 lassen sich nicht nur erste Erkenntnisse über die Bedeutung von alieno nomine solvere gewinnen, das Fragment zeigt auch, wie sich diese Wendung zu pro alio solvere verhält. Da die Hauptschuld des Schiffsführers in beiden Fällen erlischt, kann sich die Unterscheidung von suo und magistri nomine solvere nicht auf die Wirkung, sondern nur auf den Vorgang der solutio beziehen. Sie betrifft also die Frage, welchem Schuldverhältnis die Leistung zugeordnet wird: der eigenen prätorischen Verbindlichkeit des Leistenden (suo nomine) oder der fremden Hauptschuld (magistri nomine). Dies bestätigt der erläuternde Zusatz id est propter honorariam obligationem. Denn hier wird suo nomine durch honoraria obligatio erklärt, und propter zeigt jedenfalls, daß die Leistung ,in bezug auf‘14 diese Verbindlichkeit erfolgt. Da die Präposition in der Regel kausale Bedeutung hat15, legt sie außerdem den Schluß nahe, daß es für die Unterscheidung zwischen suo nomine und alieno nomine solvere auf den Grund der Leistung ankommt. Offen ist jedoch, wonach sich dieser Grund bestimmt. Propter kann nicht nur einen äußeren Anlaß, sondern auch ein Motiv bezeichnen und dann sogar eine finale Nebenbedeutung annehmen.16 Mit propter honorariam obliga13 Zwar wird obligatio in erster Linie für zivilrechtliche Verbindlichkeiten gebraucht, gerade bei Ulpian (vgl. auch schon D 20.1.5 pr. Marci l s ad form hyp) ist aber auch der Terminus honoraria obligatio mehrfach belegt; vgl. neben fr. 1.24 auch D 46.2.1.1 Ulp 46 ad Sab, D 46.4.8.4 Ulp 48 ad Sab und iure honorario obligatus in D 46.1.8.2 Ulp 47 ad Sab oder ex edicto praetoris obligatur in D 47.5.1.3 Ulp 38 ad ed. Diese Ausdrucksweise gilt daher heute nicht mehr als unklassich; vgl. Kaser RP I 480 mit A. 9 und SZ 101 (1984) 14/15 A. 49, Kunkel/Honsell 213 mit A. 10 und grundlegend Segrè St. Bonfante III (1930) 499 ff., der in D 14.1.1.24 allerdings eine Interpolation oder Glosse annimmt (599 A. 291). Darin folgt ihm noch Solazzi estinz. 42 A. 2, vorsichtiger bereits Levy Konk. I 332 A. 2, 333 bei A. 6 und 335 bei A. 4; vgl. auch 55 mit A. 4. Aus dem Wortgebrauch läßt sich dieser Verdacht nicht begründen, und in der Sache ist id est propter honorariam obligationem nicht zu beanstanden. Da dieser Einschub jedenfalls das Verständnis des Textes fördert (s. sogleich im Text) und sich vermutlich sogar auf eine noch recht neue, erklärungsbedürftige Unterscheidung bezieht (s. u. nach A. 45), kann er auch nicht als überflüssig verdächtigt werden. An seiner Echtheit bestehen somit keine Zweifel. 14 Zu dieser Bedeutung Heumann/Seckel s.v. propter 1) und Georges s.v. propter B 2). 15 Vgl. Kalb Wegweiser 66 und Georges s.v. propter B 2).

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tionem ist also entweder der äußere Anlaß der Leistung gemeint oder der innere Beweggrund und die Zwecksetzung des Leistenden17. In der Sache spricht mehr für die zuletzt genannte subjektive Interpretation. Denn nur mit ihrer Hilfe läßt sich befriedigend erklären, warum der adjektizisch haftende Reeder sowohl suo nomine als auch magistri nomine leisten kann. Er selbst kann den Zweck der solutio nämlich frei bestimmen. Als äußerer Anlaß der Leistung kommt dagegen kaum etwas anderes als die eigene Haftung in Betracht: Wer selbst für eine fremde Schuld haftet, hat stets ein Interesse daran, die eigene Verurteilung zu vermeiden, und wird typischerweise auch dadurch – und nicht durch die Schuld des Dritten – zur Leistung bewogen. Die Art der Leistung bestimmt sich also wahrscheinlich nicht nach objektiven Kriterien, sondern nach dem Willen des Leistenden. Das schließt allerdings nicht aus, daß äußere Umstände bei der Ermittlung dieses Willens berücksichtigt werden, daß also etwa der exercitor im Zweifel suo nomine leistet, weil er selbst nach Honorarrecht zu dieser Leistung verpflichtet ist.18 Die Begründung quoniam et alius pro me solvendo me liberat bezieht sich auf die befreiende solutio des Reeders und dort auf die zuletzt genannte Alternative sive magistri nomine solverit, minuetur obligatio19: Die Obligation er16

Vgl. Hofmann/Szantyr 246 f. und Kühner/Stegmann I 529 f. Diese zweite Bedeutung hat propter aliquem (dotem) dare in D 37.6.6 Cels 10 dig: Dotem, quam dedit avus paternus, an post mortem avi mortua in matrimonio filia patri reddi oporteat, quaeritur. occurrit aequitas rei, ut, quod pater meus propter me filiae meae nomine dedit, perinde sit atque ipse dederim: quippe officium avi circa neptem ex officio patris erga filium pendet et quia pater filiae, ideo avus propter filium nepti dotem dare debet. Nach dem Tod der Ehefrau kann ihr Vater die dos profecticia auch dann vom Ehemann zurückverlangen, wenn nicht er selbst sie bestellt hat, sondern der vorverstorbene avus paternus. Mit dieser Entscheidung wendet sich Celsus aus Gründen der Sachgerechtigkeit (aequitas rei) gegen Servius und Labeo (vgl. D 23.3.79 pr. Lab post a Iav epit), die eine Rückforderung deshalb ablehnen, weil aus dem Vermögen des Vaters nichts an den Ehemann gelangt ist. In seiner ausführlichen Begründung (vgl. dazu nur Harke 98 ff. mwN.) stellt er die Dosbestellung als Erfüllung einer fremden sittlichen Pflicht dar: Der Großvater war seiner Enkelin gegenüber nicht zur Dotierung verpflichtet, ihn traf aber das officium, die Dotierungspflicht seines Sohnes zu erfüllen, und darum ist die aus diesem Grund bestellte dos, was ihre Rückforderung angeht, so zu behandeln, als wäre sie vom Vater selbst bestellt worden. So erklärt sich auch die Formulierung quod pater meus propter me filiae meae nomine dedit: Bei der Dosbestellung handelte der Großvater zwar auf den Namen seiner Enkelin, aber nicht ihretwegen, sondern nur deshalb, weil ihr Vater zur Dotierung verpflichtet war. Daß hier propter me und filiae meae nomine auseinanderfallen, steht also nicht im Widerspruch zu suo nomine, id est propter honorariam obligationem in fr. 1.24 – im Gegenteil: Auch Celsus bezeichnet mit propter die – hier fremde und bloß sittliche – Verpflichtung, deren Erfüllung mit der Leistung bezweckt wird. Die Besonderheit besteht lediglich darin, daß die Pflicht zur Dotierung ihrerseits auf ein alieno (nämlich filiae) nomine dare gerichtet ist. 18 S. u. § 17 II 3 zu licet pro se videatur solvisse, hoc est ob id quod constituit in D 15.3.15 Ulp 2 disp. 19 Da sie sich nicht unmittelbar an sive magistri nomine solverit, sondern erst an minuetur obligatio anschließt, könnte sie sich auch auf die Gesamtaussage des Satzes 17

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lischt, wenn der Reeder auf den Namen des Schiffsführers leistet, weil auch ein anderer mich befreit, indem er für mich leistet. Ulpian subsumiert also die auf die Hauptschuld gerichtete solutio des Reeders unter den allgemeinen Tatbestand der befreienden Drittleistung und setzt dabei alieno nomine solvere mit pro alio solvere gleich. Die beiden Wendungen stehen auch in anderen Texten20 nebeneinander, ohne daß ein Bedeutungsunterschied erkennbar wäre. Sie erscheinen damit als austauschbare Synonyme für die Leistung auf fremde Schuld. Daß auch pro alio solvere in diesem Sinn – als Beschreibung des tatsächlichen Leistungsvorgangs – zu verstehen ist, bestätigt die folgende Überlegung: Bezöge sich die Wendung auf die Rechtsfolge der Drittleistung, dann wäre pro me im Schlußsatz von fr. 1.24 überflüssig. Denn daß der alius mit Wirkung für ego leistet, ergibt sich bereits aus me liberat. II. D 46.3.59 Paul 2 ad Plaut und D 13.5.2 Iul 11 dig 1. In D 14.1.1.24 hängt das Ergebnis der solutio (obligatio minuetur) nicht davon ab, ob der adjektizisch haftende Dritte suo oder alieno nomine leistet. Für das Thema des Fragments ist die Unterscheidung aber von großem theoretischen Interesse. Ihre praktischen Konsequenzen werden in einem Paulustext deutlich: D 46.3.59 Paul 2 ad Plaut Si ita stipulatus sim: ,mihi aut Titio dare spondes?‘ et debitor constituerit se mihi soluturum, quamvis mihi competat de constituta actio, potest adhuc adiecto solvere. und damit auf beide Zahlungsweisen beziehen. So gebraucht Ulpian sive . . . sive . . . quoniam in D 29.2.30.2 Ulp 8 ad Sab und D 34.2.19.20 Ulp 20 ad Sab, vgl. auch sive . . . sive . . . quia in D 10.4.9 pr., 7 Ulp 24 ad ed, D 14.6.3.4 Ulp 29 ad ed und D 39.5.19.3 Ulp 76 ad ed. Nach seinem sonstigen Sprachgebrauch kann sich die Begründung aber ebensogut auf eine der beiden Alternativen beziehen, und zwar nicht nur, wenn sie sich unmittelbar an diese anschließt (vgl. etwa D 28.3.6.2 Ulp 10 ad Sab), sondern auch dann, wenn sie – wie in fr. 1.24 – syntaktisch an die Gesamtaussage anknüpft (vgl. D 4.3.7.3 Ulp 11 ad ed, D 37.12.1.2 Ulp 45 ad ed, D 39.2.13.1 Ulp 53 ad ed und D 46.7.6.4 Ulp 27 ad Sab). In fr. 1.24 ist diese Interpretation geboten. Denn nur beim magistri nomine solvere beruht das Erlöschen der Obligation auf der allgemeinen Regel alius pro me solvendo me liberat, beim suo nomine solvere dagegen auf den Besonderheiten der actio exercitoria. 20 Vgl. vor allem C 4.5.6 Diocl/Max: Si per ignorantiam facti non debitam solutam quantitatem pro alio solvisti et hoc adito rectore provinciae fuerit probatum, hanc ei cuius nomine soluta est restitui eo agente providebit. Auch bei anderen Leistungen zugunsten Dritter werden alicuius nomine und pro alio dare oder praestare synonym verwendet, vgl. D 40.7.39.5 Iav 4 ex post Lab (nomine servi suas operas dando – pro eo servo dando pecuniam) zur Erfüllung einer Bedingung, D 33.8.16 pr. Afr 5 quaest (Pamphili nomine praestitum sit – pro capite servi praestitum sit) zur Befreiung des noxal haftenden Sklaven sowie D 20.6.11 Paul 4 resp (pro filia communi in dotem eadem danti – communis filiae nomine darentur) und D 23.3.9 pr. Ulp 31 ad Sab (si ego Seiae res dedero, ut ipsa suo nomine in dotem det – quod si pro ea ego res dem) zur Dosbestellung.

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et si a filio familias mihi aut Titio stipulatus sim, patrem posse Titio solvere quod in peculio est, scilicet si suo, non filii nomine solvere velit: dum enim adiecto solvitur, mihi solvi videtur: et ideo si indebitum adiecto solutum sit, stipulatori posse condici Iulianus putat: ut nihil intersit, iubeam te Titio solvere an ab initio stipulatio ita concepta sit.21

Paulus stellt drei Fälle zusammen, die alle nach dem Grundsatz entschieden werden, daß die Leistung an einen solutionis causa adiectus der Leistung an den Stipulationsgläubiger gleichsteht (dum enim adiecto solvitur, mihi solvi videtur22). Für die Drittleistung ist nur die zweite Entscheidung (et si bis videtur) von Interesse: Ein filius familias hat ego stipulationsweise versprochen, an ihn selbst oder an Titius zu leisten. Nach Zivilrecht entsteht aus der Stipulation nur eine Forderung des ego gegen den filius. Titius ist als solutionis causa adiectus lediglich berechtigt, die Leistung mit befreiender Wirkung anzunehmen23, und 21 Übersetzung: Wenn ich mir wie folgt habe versprechen lassen: ,Versprichst du, mir oder Titius zu übereignen?‘ und wenn der Schuldner durch Konstitut versprochen hat, daß er an mich leisten werde, kann er, obwohl mir die Klage aus dem Konstitut zusteht, immer noch an den adiectus leisten. Auch wenn ich von einem Haussohn ,mir oder Titius‘ habe versprechen lassen, kann der Vater an Titius leisten, was im Sondergut ist – natürlich nur, wenn er auf den eigenen, nicht auf den Namen des Sohnes leisten will: Wenn nämlich an den adiectus geleistet wird, wird dies so angesehen, als werde an mich geleistet. Und wenn daher etwas nicht Geschuldetes an den adiectus geleistet worden ist, so meint Julian, daß vom Stipulationsgläubiger kondiziert werden kann, so daß es keinen Unterschied macht, ob ich dich anweise, an Titius zu leisten, oder ob die Stipulation von Anfang an so gestaltet ist. 22 Diese Begründung bezieht sich unmittelbar nur auf die Entscheidung des zweiten Falls (et si bis velit), die dritte Entscheidung wird aber mit et ideo angeschlossen, und auch die – selbst nicht begründete, aber durch et si mit dem folgenden verknüpfte – Lösung des Ausgangsfalls läßt sich mit ihrer Hilfe erklären: Der Stipulationsschuldner hat in einem Konstitut versprochen, an den Gläubiger ego zu leisten. Obwohl Titius, der in der Stipulation als solutionis causa adiectus genannt war, in dem Konstitut nicht mehr erwähnt ist, kann weiterhin mit befreiender Wirkung an ihn geleistet werden: potest adhuc adiecto solvere. Mit dieser uneingeschränkten Entscheidung kann nur gemeint sein, daß durch die Leistung an Titius sowohl die Stipulationsschuld erlischt als auch die konkurrierende Haftung aus der actio de pecunia constituta. Nach der Formel dieser in factum konzipierten Klage versteht sich das nicht von selbst. Denn die Leistung an Titius erfüllt die negative Kondemnationsvoraussetzung ,neque fecisse quod constituit‘ (vgl. D 13.5.17 Paul 29 ad ed und Lenel EP 251) dem Wortlaut nach nicht. Paulus löst das Problem mit Hilfe einer Fiktion: Der Schuldner hat zwar konstituiert se mihi soluturum, aber: dum adiecto solvitur, mihi solvi videtur. Nach dieser Interpretation steht fr. 59 nicht im Widerspruch zu D 13.5.8 Paul 29 ad ed, wo Paulus die Haftung aus dem Konstitut soli mihi te soluturum nach der Leistung an den adiectus fortbestehen läßt: In diesem Fall wendet Paulus den Grundsatz dum adiecto solvitur, mihi solvi videtur deshalb nicht an, weil dies dem eindeutigen Inhalt des Konstituts zuwiderliefe. Ähnlich löst schon Bruns ZRG 1 (1861) 82 A. 75 = Kleinere Schriften I (1882) 269 A. 76 den scheinbaren Widerspruch zwischen den beiden Paulusfragmenten auf; ebenso Frezza I 266 A. 1 mwN. Andere Lösungen bei Pringsheim SZ 42 (1921) 653 A. 9, Beseler SZ 45 (1925) 432 f., Astuti Studi intorno alla promessa di pagamento: Il costituto di debito II (1941) 124 ff., Schwarz Grundlage 49 A. 20 und Tondo Lab. 4 (1958) 224 ff. 23 D 46.3.10 Paul 4 ad Sab; vgl. etwa Kaser RP I 637 und Solazzi estinz. 64 f.

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der pater familas wird aus der Stipulation seines Sohnes nicht verpflichtet. Mit der honorarrechtlichen actio de peculio24 haftet er jedoch bis zum Wert des Sonderguts, das er dem filius zur selbständigen Bewirtschaftung überlassen hat. Wie die actio exercitoria begründet auch diese adjektizische Klage eine Haftung für fremde Schuld: Ihre intentio lautet auf die Stipulationsverbindlichkeit des Sohnes, und die condemnatio richtet sich gegen den Vater. Im Unterschied zur actio exercitoria ist die Haftung allerdings auf den Wert des Sonderguts (dumtaxat de peculio) beschränkt.25 Nach Paulus’ Entscheidung kann sich der Vater dadurch befreien, daß er den Gegenwert des Sonderguts an Titius zahlt (patrem posse Titio solvere quod in peculio est). Der solutionis causa adiectus der Hauptschuld ist also auch im Rahmen der Pekuliarhaftung empfangsberechtigt. Dies erklärt sich aus dem adjektizischen Charakter der actio de peculio: Die Klage richtet sich zwar gegen den Vater, sie gründet sich aber auf die Stipulation des Sohnes, und zu deren Eigenschaften26 gehört es, daß sie durch die Leistung an den adiectus erlischt: dum enim adiecto solvitur, mihi solvi videtur. Zur Klarstellung (scilicet) weist Paulus noch darauf hin, daß seine Entscheidung nur für den Fall gilt, daß der Vater suo, und nicht filii nomine leisten will. Diese Einschränkung bezieht sich nicht auf patrem posse Titio solvere, sondern auf quod in peculio est. Denn wie sich aus velit ergibt, bleibt es dem Vater überlassen, ob er auf seine eigene Pekuliarhaftung leistet oder auf die Stipulationsverbindlichkeit des filius. In beiden Fällen wird er in Höhe des gezahlten Betrags von seiner eigenen Haftung frei, im zweiten allerdings nur mittelbar, über die intentio der actio de peculio. Dieser Unterschied wirkt sich aus, sobald der Gegenwert des Sonderguts unter den Betrag der Hauptschuld sinkt: Um durch die Leistung filii nomine selbst in vollem Umfang frei zu werden, müßte der Vater weiterhin die gesamte Stipulationsverbindlichkeit tilgen. Er könnte seine Zahlung also nicht auf das beschränken quod in peculio est. Denn bei einer solchen Teilleistung blieben die Hauptschuld des Sohnes und mit ihr die eigene Pekuliarhaftung in Höhe des Restbetrags bestehen.27 Leistet der Vater dagegen suo nomine, dann genügt der Wert des Sonderguts. Denn er selbst haf24

Zu dieser Klage Kaser RP I 606 f. mwN. in A. 8. Vgl. nur D 15.1.30 pr. Ulp 29 ad ed, Gai 4.72 und ergänzend I 4.7.4. Zur Formelgestaltung eingehend Lenel EP 278 ff. 26 Vgl. certam condicionem habuit stipulatio in D 46.3.12.3 Ulp 30 ad Sab. 27 Auch das Abzugsrecht, das der Vater durch die Zahlung filii nomine erwirbt (vgl. D 15.1.9.8 Ulp 29 ad ed), führt nicht zu seiner endgültigen Befreiung. Es mindert zwar den aktuellen Wert des Sonderguts und damit die Haftung aus der actio de peculio, diese Wirkung ist jedoch nur vorübergehend. Denn jede Wertsteigerung läßt die Pekuliarhaftung wieder aufleben, und nach D 15.1.4.5 Pomp 7 ad Sab gilt dies selbst dann, wenn das Sondergut zwischenzeitlich erschöpft war, und damit auch für den Fall, daß der Vater den gesamten Gegenwert an den Gläubiger seines Sohnes gezahlt hat. 25

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tet nur in dieser Höhe (dumtaxat de peculio) und hat daher seine eigene honoraria obligatio bereits vollständig erfüllt. Die actio de peculio ist also nur dem Grunde nach mit der Stipulationsschuld des Sohnes identisch (und erlischt daher durch die Leistung an den solutionis causa adiectus). Ihr Umfang wird dagegen durch die condemnatio beschränkt. Der Vater kann sich daher gegebenenfalls durch die Zahlung eines geringeren Betrags befreien, dies aber nur, wenn er suo nomine leistet und nicht als Dritter auf die Hauptschuld.28 2. Wegen des unterschiedlichen Haftungsumfangs kommt es nicht nur bei der solutio darauf an, ob sie sich auf die Hauptschuld bezieht oder auf die actio de peculio. Wie ein weiteres, palingenetisch benachbartes Paulusfragment29 zeigt, gilt dies auch für die Bürgschaft: Wer sich für einen Sklaven verbürgt, haftet in vollem Umfang für dessen naturale Verbindlichkeit; die Bürgschaft für den dumtaxat de peculio haftenden dominus beschränkt sich dagegen auf den aktuellen Wert des Sonderguts. Für das constitutum debiti ist diese Unterscheidung schon bei Julian belegt: D 13.5.1.8 Ulp 27 ad ed Sed et is, qui honoraria actione, non iure civili obligatus est, constituendo tenetur: videtur enim debitum et quod iure honorario debetur. et ideo et pater et dominus de peculio obstricti si constituerint, tenebuntur usque ad eam quantitatem, quae tunc fuit in peculio, cum constituebatur: ceterum si plus suo nomine constituit, non tenebitur in id quod plus est.30 D 13.5.2 Iul 11 dig Quod si filii nomine constituerit se decem soluturum, quamvis in peculio quinque fuerint, de constituta in decem tenebitur.31

Das constitutum debiti ist die nach prätorischem Recht klagbare formlose Zusage, auf eine (eigene oder fremde) Geldschuld zu zahlen.32 In fr. 1.8 stellt Ulpian zunächst klar, daß Gegenstand eines Konstituts auch das sein kann, was 28

Ebenso Apathy 86 A. 74 a. E. D 46.1.35 Paul 2 ad Plaut: Cum fideiubeat aliquis pro servo, in solidum tenetur, etiamsi nihil in peculio sit. plane si pro domino fideiubat, cum quo de peculio est, dumtaxat de peculio tenebitur, quod tunc erit, cum res iudicatur. Dieses Fragment steht bei Lenel Paling. I 1148 f. unmittelbar vor D 46.3.59 (Paulus 1079). 30 Übersetzung: Aber auch derjenige, der aus einer honorarrechtlichen Klage, nicht nach Zivilrecht verpflichtet ist, macht sich haftbar, indem er konstituiert. Als Schuld wird nämlich auch das angesehen, was nach Honorarrecht geschuldet wird. Und deshalb werden sowohl der Vater als auch der Eigentümer, wenn sie de peculio verpflichtet sind und konstituieren, bis zu dem Betrag haften, der damals im Sondergut war, als konstituiert wurde. Im übrigen wird er, wenn er auf seinen eigenen Namen mehr konstituiert, nicht auf den Mehrbetrag haften. 31 Übersetzung: Wenn er aber konstituiert hat, er werde auf den Namen des Sohnes zehn zahlen werde, dann wird er, obwohl im Sondergut nur fünf sind, mit der Klage aus dem Konstitut auf zehn haften. 32 Zum constitutum debiti allgemein Kaser RP I 583 f. und II 383 f. und Zimmermann 511 ff. sowie vor allem Astuti (o. A. 22), Roussier Varia III (1958) 1 ff., Tondo Lab. 4 (1958) 208 ff. und Ricart DRO 695 ff. 29

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nur iure honorario geschuldet wird. Als Beispiel nennt er dann die adjektizische Haftung aus der actio de peculio: Wer dem Gläubiger seines Sohnes oder seines Sklaven durch Konstitut verspricht, auf die eigene Pekuliarhaftung zu leisten, ist der actio de pecunia constituta ausgesetzt.33 Er haftet dem Gläubiger aber nur bis zu dem Betrag, den das Sondergut zur Zeit des Konstituts wert war. Die Formel der actio de pecunia constituta setzt nämlich voraus, daß die Schuld, deren Erfüllung der Konstituent zugesagt hat, im Zeitpunkt der Zusage bereits bestand (,eamque pecuniam cum constituebatur debitam fuisse‘34), und in Ulpians Fall ist diese Voraussetzung nur usque ad eam quantitatem, quae tunc fuit in peculio gegeben: Die adjektizische Haftung des Gewalthabers war de peculio beschränkt, und die Hauptschuld war nicht Gegenstand des Konstituts, so daß es auf ihren – möglicherweise höheren – Betrag nicht ankommt. In welchem Umfang der Gewalthaber aus dem Konstitut haftet, hängt also davon ab, ob er dem Gläubiger die Leistung auf seine eigene honoraria obligatio zusagt oder eine Drittleistung auf die Schuld des Gewaltunterworfenen. Für den ersten Fall wird dies im Schlußsatz von fr. 1.8 noch einmal in zugespitzter Form klargestellt35: Aus einem suo nomine abgegebenen Konstitut haftet der Gewalthaber auch dann nur bis zum Wert des Sonderguts, wenn er ausdrücklich die Zahlung eines höheren Betrags versprochen hat. Den Gegenfall behandelt Julian in fr. 2: Der Vater hat dem Gläubiger zugesagt, eine Schuld seines gewaltunterworfenen Sohnes in Höhe von zehn zu bezahlen. Aus diesem Konstitut haftet er auch dann auf die vollen zehn, wenn es zu einem Zeitpunkt abgegeben wurde, als das Sondergut des Sohnes nur fünf wert war (quamvis in peculio quinque fuerint). Denn anders als in den von Ulpian entschiedenen Fällen hat er nicht lediglich versprochen, auf seine eigene de peculio (und damit auf fünf) beschränkte Haftung zu leisten. Seine Zusage richtete sich vielmehr auf die Schuld des Sohnes (und damit auf zehn): filii nomine constituerit se decem soluturum. Nach der Satzstellung ist filii nomine auf constituerit bezogen, es beschreibt aber nicht das Versprechen selbst, sondern seinen Gegenstand und gehört damit 33

Vgl. dazu auch D 13.5.19.2 Paul 29 ad ed und D 13.5.20 Paul 4 ad Plaut. Vgl. D 13.5.18.1 Ulp 27 ad ed; zur Formel der actio de pecunia constituta eingehend Lenel EP 247 ff. 35 Der Wechsel im Numerus (von si constituerint, tenebuntur zu constituit, non tenebitur) könnte zwar als Indiz dafür angesehen werden, daß der Schlußsatz von den Kompilatoren nachträglich – als Überleitung zu fr. 2 – eingefügt worden ist. Er ist aber wohl eher damit zu erklären, daß fr. 1.8 ursprünglich nur vom pater (oder dominus) handelte und daß beim nachträglichen Einschub der zweiten Person nur der Numerus des ersten Satzes angepaßt wurde und nicht auch der des zweiten; ebenso bereits Siber Gs. Mitteis (1926) 14, dessen weitergehende Interpolationsannahmen allerdings nach heutigen Maßstäben kaum mehr haltbar erscheinen, und Astuti (o. A. 22) 217 (vgl. auch 221 zu fr. 2). Jedenfalls aber entspricht der Schlußsatz klassischem Recht: In der Sache wird er durch den ersten Teil von fr. 1.8 bestätigt und in der Ausdrucksweise durch das korrespondierende filii nomine constituerit in fr. 2. 34

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der Sache nach zu se decem soluturum. Denn ein ,im Namen‘ des Sohnes abgegebenes Zahlungsversprechen wäre unwirksam: Der Vater kann den Sohn nicht wirksam verpflichten und würde dem Gläubiger auch selbst nicht haften.36 Die Zusage, ,auf fremden Namen‘ zu zahlen, ist dagegen als Grundlage der actio de pecunia constituta anerkannt.37 Der Inhalt eines solchen constitutum debiti alieni wird mehrfach mit der Wendung pro alio solvere beschrieben.38 Nichts anderes bringt Julian durch das Synonym filii nomine zum Ausdruck: Der Vater verspricht, als Dritter auf die Schuld seines Sohnes zu zahlen. D 13.5.2 zeigt damit nicht nur, daß der Umfang der actio de pecunia constituta davon abhängt, ob sich das Konstitut auf die Hauptschuld oder auf die adjektizische Pekuliarhaftung bezieht. Da der Gegenstand des Konstituts eine solutio ist, bestätigt der Text auch die Aussage von D 14.1.1.24 und D 46.3.59: Wie die Spätklassiker Ulpian und Paulus unterscheidet auch schon Julian danach, ob ein adjektizisch haftender Dritter suo oder alieno nomine leistet. 3. Die Exegesen von D 46.3.59 und D 13.5.2 haben zum einen gezeigt, daß bei einem adjektizisch haftenden Dritten spätestens seit Julian unterschieden wird, ob er suo nomine und damit auf die eigene honoraria obligatio leistet oder alieno nomine, das heißt: als Dritter auf die Hauptschuld. Zum anderen ist eine praktische Spitze dieser Unterscheidung deutlich geworden: Die Haftung aus der actio de peculio ist zwar dem Grunde nach mit der Hauptschuld identisch, in ihrem Umfang ist sie jedoch beschränkt, und diese Beschränkung kommt dem Gewalthaber nur dann zugute, wenn er suo nomine leistet. Über die Bedeutung von alieno nomine solvere gibt vor allem fr. 59 weitere Aufschlüsse. Denn dort wird die Zuordnung der Leistung vom Willen des ad36 Vgl. D 13.5.5.4 Ulp 27 ad ed: Sed si quis constituerit alium soluturum, non se pro alio, non tenetur: et ista Pomponius libro octavo scribit. 37 D 13.5.2 gehört zu den frühesten Belegen. Daß schon Julian die Zusage, eine fremde Schuld zu erfüllen, für die actio de pecunia constituta genügen läßt, bestätigt ein Zitat (ebenfalls aus dem elften Buch der Digesten) in D 13.5.5.3 Ulp 27 ad ed. Vgl. außerdem PS 2.2.1, D 13.5.5.2 Ulp 27 ad ed (nam et quod ego debeo tu constituendo teneberis), D 13.5.24 Marcell l s resp, D 13.5.26 Scaev 1 resp, D 15.3.15 Ulp 2 disp, I 4.6.9 und aus der Literatur zum constitutum debiti alieni vor allem Astuti (o. A. 22) 149 ff. und 263 ff. 38 In D 13.5.5.4 Ulp 27 ad ed (o. A. 36) und I 4.6.9 (quicumque vel pro se vel pro alio se soluturos constituerint) ist pro alio auch sprachlich auf solvere bezogen; vgl. auch si pro alieno debito te soluturum constituisti in C 4.18.1 [Diocl/Max]. Auf der anderen Seite wird pro alio in D 13.5.28 Gai 5 ad ed prov (ubi quis pro alio constituit se soluturum, adhuc is, pro quo constituit, obligatus manet) in gleicher Weise gebraucht wie filii nomine in fr. 2 und suo nomine in fr. 1.8. In ihrer Bedeutung unterscheiden sich die beiden Ausdrucksweisen jedoch nicht. Dementsprechend kann auch alieno nomine constituere im Sinne von constituere se alieno nomine soluturum verstanden werden. Diese Ausdrucksweise ist zwar nicht für das Konstitut selbst belegt, wohl aber beim förmlichen Stipulationsversprechen. So heißt es in D 15.1.11.1 Ulp 29 ad ed: si quid dominus soluturum se servi nomine repromisit, und in D 45.1.97.1 Cels 26 dig wird die Stipulation ,Titii nomine te soluturum‘ sogar wörtlich zitiert.

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jektizisch haftenden Gewalthabers abhängig gemacht (si suo, non filii nomine solvere velit), obwohl es für ihn stets günstiger ist, auf die eigene Pekuliarhaftung zu zahlen. Dies bestätigt nicht nur die Vermutung, daß der Leistende einseitig – und nicht etwa nur im Einverständnis mit dem Gläubiger – bestimmen kann, ob er suo oder alieno nomine leistet. Der Jurist gibt auch zu erkennen, daß er selbst an diese Bestimmung gebunden ist: Das Bestehen einer eigenen Verbindlichkeit und das objektive Interesse an der eigenen Befreiung kann er zwar möglicherweise als Indizien dafür heranziehen, daß der Dritte suo nomine leisten will, er kann diese Umstände aber nicht zur einzigen Grundlage seiner Entscheidung machen und sich ihretwegen über die erklärte Absicht des Dritten hinwegsetzen, die fremde Schuld zu tilgen. Ob suo oder alieno nomine geleistet wird, ist danach keine normative, sondern eine tatsächliche Frage, die allein nach dem Willen des Leistenden zu beantworten ist. Auch Julian entscheidet in fr. 2 ausschließlich nach dem Gegenstand des Konstituts: Hat der Vater filii nomine konstituiert, dann kann der Umstand, daß er selbst dumtaxat de peculio haftet, nicht mehr berücksichtigt werden. Beim constituere se soluturum nimmt der Konstituent also die sonst erst bei der solutio selbst zu treffende Entscheidung, ob er suo oder alieno nomine leisten will, vorweg. Wegen dieser Parallele können die drei im Wortlaut überlieferten constituta debiti alieni 39 als – wenn auch nur mittelbare – Quellen zu der Frage herangezogen werden, wie der Drittleistungswille bei der solutio selbst zum Ausdruck kommt: Pro alio und alieno nomine solvere sind hier nicht belegt.40 Es handelt sich also nicht um formelhafte Wendungen, die der Dritte typischerweise gebraucht oder gar gebrauchen müßte, um seine Leistung einer fremden Schuld zuzuordnen, sondern um Rechtsbegriffe, mit denen der Jurist diesen Vorgang beschreibt. Andererseits bestätigt der Wortlaut der Konstitute die nicht nur durch die wörtliche Bedeutung von alieno nomine solvere nahegelegte Vermutung, daß der Name des Schuldners bei der Leistung genannt wird. Denn dies ist in allen drei Konstituten der Fall: Zweimal wird der Schuldner als solcher ausdrücklich erwähnt41 und einmal immerhin als Auftraggeber des Konstituenten42. 39

S. u. A. 41 f. Wohl aber beim förmlichen Versprechen, auf eine fremde Schuld zu leisten; vgl. D 45.1.97.1 Cels 26 dig, wo die Stipulation ,Titii nomine te soluturum‘ im Wortlaut überliefert ist. 41 So in D 13.5.24 Marcell l s resp (remanserunt apud me quinquaginta ex credito tuo ex contractu pupillorum meorum, quos tibi reddere debebo idibus Maiis probos) und in D 13.5.26 Scaev 1 resp (Lucius Titius ex arca tua mutua acceperat, salva ratione usurarum habes penes me, domine); vgl. auch das indirekte Zitat PS 2.9.1 (si id, quod mihi L. Titius debet, soluturum te constituas, teneris actione pecuniae constitutae). 42 So in D 13.5.5.3 Iul 11 dig bei Ulp 27 ad ed (scripsi me secundum mandatum Seii, si quid tibi debitum adprobatum erit, me tibi cauturum et soluturum sine controversia). 40

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III. Abweichender Sprachgebrauch Weil die beiden Verbindlichkeiten dem Grunde nach identisch sind, erlischt die adjektizische Haftung auch bei der Leistung auf die Hauptschuld, und umgekehrt gilt dasselbe. Dennoch unterscheiden Julian, Ulpian und Paulus – teils theoretisch, teils wegen des unterschiedlichen Haftungsumfangs – danach, ob der adjektizisch Haftende auf die eigene honoraria obligatio oder als Dritter auf die Hauptschuld leistet. Letzteres wird als alieno nomine solvere bezeichnet und mit pro alio solvere gleichgesetzt. Beide Ausdrücke haben hier die technische Bedeutung ,auf fremde Schuld leisten‘ und beschreiben damit den Vorgang der Leistung, nämlich ihre ausdrückliche Zuordnung zu einem fremden Schuldverhältnis. Wenn es dagegen nicht auf die Unterscheidung der beiden Zahlungsweisen ankommt, werden diese und ähnliche Ausdrücke auch in einer weiteren Bedeutung verwendet. So bezeichnen Julian und Ulpian die Leistung des adjektizisch haftenden Gewalthabers auch dann mit pro servo solvere und praestare oder mit servi nomine praestare, wenn sie eindeutig auf die eigene Haftung bezogen ist.43 Die für die Drittleistung technischen Wendungen haben also auch eine zweite Bedeutung, die jede solutio des adjektizisch haftenden Dritten umfaßt. Dieser weitere Wortsinn dürfte damit zu erklären sein, daß der Gewalthaber nach der Formel der adjektizischen Klagen für die (naturale oder zivile) Verbindlichkeit des Gewaltunterworfenen haftet und deshalb stets auf eine materiell fremde Schuld leistet.44 Wenn bei seiner Leistung trotzdem zwischen suo und alieno nomine solvere unterschieden wird, so setzt dies eine entwickelte Vorstellung von der eigenen honoraria obligatio des Gewalthabers voraus. Die unspezifische Verwendung von pro alio und alieno nomine solvere und praestare weist dagegen auf eine frühere Stufe der dogmatischen Entwicklung: auf eine Zeit, in der die adjektizische Haftung noch nicht streng von der ihr zugrun43 So wird insbesondere die nach Klagerhebung und damit notwendig auf die eigene Schuld aus litis contestatio oder Urteil (vgl. Gai 3.180) erbrachte Leistung mit pro servo praestare (D 15.1.11.5 Ulp 29 ad ed), pro servo solvere (D 15.3.1.2 Ulp 29 ad ed) und nomine eius praestare (D 14.4.12 Iul 12 dig) bezeichnet. Die zuletzt genannte Ausdrucksweise findet sich auch in D 15.1.9.8 und D 15.1.19.1 (beide Ulp 29 ad ed). In diesen Texten läßt sich nicht unterscheiden, ob der dominus auf die Naturalobligation des Sklaven oder auf seine eigene Haftung leistet. 44 Diesen Zusammenhang zeigt deutlich si quid dominus servi nomine obligatus est aut praestitit obligatus in D 15.1.9.8 Ulp 29 ad ed; vgl. auch Gradenwitz FG Schirmer (1900) 141 ff. zu der Formulierung actio servi nomine competit, die nicht nur bei den adjektizischen Klagen (vgl. etwa D 14.4.5.1 Ulp 29 ad ed) gebraucht wird, sondern auch bei den Noxalklagen (vgl. etwa D 11.6.3.5 Ulp 24 ad ed). Nach deren Formeln haftet der dominus ebenfalls für seinen Sklaven; vgl. etwa D 9.4.42.1 Ulp 37 ad ed und zur Formel der Noxalklagen Lenel EP 195 ff. und 330 sowie Kaser/Hackl 342 f. mwN. Auch seine Leistung wird daher mit servi nomine praestare bezeichnet, und zwar aus dem gleichen Grund wie bei den adjektizischen Klagen; vgl. D 2.1.9 Paul 3 ad ed, D 33.8.16 pr. Afr 5 quaest und D 47.6.5 Marcell 8 dig.

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deliegenden fremden Schuld unterschieden und daher jede solutio des Gewalthabers als ,Drittleistung‘ in einem weiteren Sinn verstanden wird. Für die Frage, seit wann die adjektizische Haftung als eigene honorarrechtliche Verbindlichkeit begriffen wird, ist weniger ihre Bezeichnung als obligatio45 als vielmehr ihre rechtliche Ausgestaltung von Bedeutung: Julian läßt als erster die fideiussio für adjektizische Klagen zu.46 Er unterscheidet sie auch schon in ihren Voraussetzungen von einer Bürgschaft für die Hauptschuld.47 In D 13.5.2 zieht er – ebenfalls als erster – die Konsequenzen für die solutio und das constitutum debiti. Die Entwicklung der adjektizischen Haftung zu einer selbständigen Obligation des dominus scheint also wesentlich sein Verdienst zu sein. Paulus und Ulpian setzen sie bereits voraus, wenn sie in diesem Zusammenhang zwischen suo und alieno nomine solvere unterscheiden. Die Vorstellung, daß der adjektizisch haftende dominus auf eine eigene Schuld leistet, ist für beide aber noch nicht selbstverständlich. Dies zeigen die Erläuterung id est propter honorariam obligationem in D 14.1.1.24 und die Klarstellung scilicet si suo, non filii nomine solvere velit in D 46.3.59. Ebenso läßt sich erklären, daß diese Art der Leistung weiterhin – und jetzt untechnisch – mit servi nomine praestare oder ähnlichen Formulierungen bezeichnet wird.

45 Zu honoraria obligatio bereits o. A. 13. Bei der adjektizischen Haftung werden obligare und obligatio besonders häufig verwendet; vgl. Segrè (o. A. 13) 608 mit zahlreichen Nachweisen. Die meisten dieser Texte stammen zwar, wie Kaser SZ 101 (1984) 14 zutreffend bemerkt, aus spätklassischen Schriften, ältere Juristen werden aber häufig zitiert – vgl. etwa D 14.1.1.20 Ulp 28 ad ed (Pomponius), D 15.1.3.3 (Pedius), 6 (Julian) und 9 (Sabinus und Cassius) Ulp 29 ad ed – und selbst unmittelbare Belege fehlen nicht völlig; vgl. D 46.1.21.2 Afr 7 quaest (u. A. 47). Aus dem Sprachgebrauch allein kann jedoch nicht geschlossen werden, daß die adjektizische Haftung auch als eine gegenüber der Hauptschuld selbständige Verbindlichkeit behandelt wird. 46 D 46.1.12 Iul 43 dig: Plane eius actionis nomine, quae de peculio adversus eum competit, fideiussor recte accipitur. 47 So kann nach dem Tod des filius familias nicht mehr für dessen Schuld, wohl aber für die gegen den Vater gerichtete actio de peculio annalis gebürgt werden (D 14.6.18 Iul bei Ven 2 stip), und der servus manumissus kann sich zwar für diese Klage, aber nicht für die eigene naturalis obligatio verbürgen (D 46.1.21.2 Afr 7 quaest). In dem zuletzt genannten Text wird die Pekuliarklage sogar ausdrücklich als obligatio bezeichnet: si quidem in eam obligationem fideiubeat, quae adversus te intra annum sit, obligari eum ait. Schon Levy Konk. I 55 A. 4 zitiert ihn als Beleg dafür, daß honorarrechtliche Obligationen „mindestens seit Julian“ anerkannt sind. Ein weiteres Zeugnis dafür ist das Befreiungslegat zugunsten des pater in D 34.3.5.2 Ulp 23 ad Sab; vgl. zu diesem Text Rastätter 139 ff.

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

§ 17 Die beiden Formen der solutio bei der Bürgschaft I. Die solutio des Bürgen Gaius (3.115 ff.) unterscheidet drei Formen der Stipulationsbürgschaft: sponsio, fidepromissio und fideiussio. In der Romanistik ist umstritten, ob das Verhältnis zur Hauptschuld bei diesen Bürgschaftstypen unterschiedlich gestaltet ist. Dies gilt sowohl für das Problem der ,Akzessorietät‘1 wie für die Frage, ob die Klagen gegen den Bürgen und den Hauptschuldner stets in Konsumptionskonkurrenz zueinander stehen2 oder nur bei sponsio und fidepromissio3. Der Grund für diese Kontroversen ist die schlechte Quellenlage. Gaius geht auf die umstrittenen Fragen nicht unmittelbar ein, und die justinianischen Quellen sind doppelt überarbeitet: Zum einen sind sponsio und fidepromissio überall durch die fideiussio ersetzt und teilweise auch in der Sache an deren Regeln angeglichen worden4; zum anderen hat Justinian die Klagenkonkurrenzen insgesamt reformiert und die klassischen Texte entsprechend umarbeiten lassen.5 Dennoch läßt sich mit Sicherheit sagen, daß die solutio des Bürgen den Hauptschuldner ebenso befreit wie umgekehrt die solutio des Hauptschuldners den Bürgen. Denn dies ist nicht nur in justinianischen Quellen überliefert6, auch Gaius setzt es für alle Bürgschaftstypen voraus.7 Der Grund ist die Identi1 Dazu allgemein Kaser RP I 663, Kunkel/Mayer-Maly 288 f. und Zimmermann 121 ff.; vgl. aber vor allem Levy Sponsio 124 ff., Flume Akzessorietät 36 ff., 64 ff., Rechtsakt 29 ff. und SZ 113 (1996) 96 ff. einerseits sowie Segré Bull. 42 (1934) 514 ff., De Martino Le garanzie personali dell’obbligazione I (1940) 71 ff., Frezza I 43 ff., Feenstra Ét. Macqueron (1970) 301 ff. und Kaser FG Herdlitczka (1972) 154 ff. andererseits. 2 So neben Kaser RP I 665, Kunkel/Mayer-Maly 288 f. und Zimmermann 125 ff. vor allem Levy Bull. 14/15 (1951) 207 ff. = GSchr. II (1963) 287 ff. und Liebs Konk. 40 f., 60 ff. und 250 f. mit A. 82. 3 So etwa Siber 297 mit A. 12, Schulz 497 und 501, Buckland Jur. Rev. 53 (1941) 281 ff. und namentlich Kühling Die Klagenkonkurrenz im römischen Bürgschaftsrecht (1962) 36 ff. 4 Vgl. Levy VR 196 ff. und Kaser RP II 457 f. mwN. 5 Vgl. C 8.40.28 pr., 1 und 3; dazu Liebs Konk. 38 ff. und Sacconi Obbl. sol. 4 ff. 6 Vgl. vor allem I 3.29 pr. a. E. (item si reus solverit, etiam ii qui pro reo intervenerunt liberantur. idem ex contrario contigit, si fideiussor solverit: non enim solus ipse liberatur, sed etiam reus). Daß die Leistung des Bürgen den Hauptschuldner befreit, wird zudem in D 15.3.10 pr. Ulp 29 ad ed, D 17.1.53 Pap 9 quaest, D 46.1.66 Paul 1 ad Ner und in D 46.3.24 Ulp 47 ad ed ausdrücklich erwähnt (vgl. auch D 17.1.50 pr. Cels 38 dig und dazu o. § 11 bei A. 17 ff.). Zur sponsio gehört wahrscheinlich D 17.1.52 Iav 1 epist; vgl. Eckardt 61 ff. mwN. Von der Befreiung des Bürgen durch die Leistung des Hauptschuldners handeln D 12.2.28.1 Paul 18 ad ed, D 46.3.38.2 Afr 7 quaest und D 46.3.43 Ulp 2 reg 7 Vgl. Gai 3.127: In eo quoque par omnium causa est, quod si quid pro reo solverint, eius reciperandi causa habent cum eo mandati iudicium (dazu näher u. bei

§ 17 Formen der solutio bei der Bürgschaft

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tät von Bürgen- und Hauptschuld: Der fideiussor verspricht, für die Hauptschuld einzustehen (,id 8 fide tua esse iubes‘), sponsor und fidepromissor versprechen sogar die geschuldete Leistung selbst (,idem dari spondes‘ bzw. ,fidepromittis‘). Ähnlich wie bei der adjektizischen Haftung ist es daher nicht erforderlich, daß der Bürge als Dritter für den Hauptschuldner leistet. Auch wenn er auf die eigene Verbindlichkeit (aus fideiussio, sponsio oder fidepromissio) zahlt, erlischt mit dieser die dem Gegenstand nach identische Hauptschuld. Trotzdem wird auch beim Bürgen in einer Reihe von Texten zwischen suo nomine oder pro se solvere einerseits und alieno nomine oder pro alio solvere andererseits unterschieden. Ob diese Alternative „ohne Sinn“ ist, wie Flume9 meint, soll im folgenden untersucht werden. II. D 46.1.69 Tryph 9 disp 1. Zur Sponsionsbürgschaft gehört10: D 46.1.69 Tryph 9 disp Tutor datus eius filio, cui ex fideiussoria causa obligatus erat, a semet ipso exigere debet, et quamvis tempore liberatus erit, tamen tutelae iudicio eo nomine tenebitur, item heres eius, quia cum eo ob tutelam, non ex fideiussione agitur. et quamvis non quasi fideiussor, sed quasi tutor solverit, etiamsi tempore liberatus est, mandati actionem eum habere adversus reum promittendi dixi. haeret enim in utraque causa adhuc illius debiti persecutio, nam eius solutione liberavit reum promittendi obligatione, in quam pro eo fideiusserat, et non titulus actionis, sed debiti causa respicienda est. licet enim is tutor, qui fideiussor apud pupillum pro reo est obligatus, solvit se auctore pupillo, quia reo promittendi liberato et ipse tutor idemque fideiussor liberabitur, quod sua auctoritate efficere non potest, tamen et si non pro se solA. 105 ff.). Das Erlöschen der Hauptschuld wird hier zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Der Regreß des Bürgen wäre jedoch unangemessen, wenn der Hauptschuldner auch gegenüber dem Gläubiger zur Leistung verpflichtet bliebe. Die solutio des Bürgen hat also bei allen Bürgschaftsformen (par omnium causa est) befreiende Wirkung. 8 Id haben Gai 3.116 und D 45.1.75.6 Ulp 22 ad ed, in Gai 3.112 steht dagegen idem; vgl. dazu Nelson/Manthe 155, aber auch Flume Akzessorietät 62 A. 3, Feenstra (o. A. 1) 308 f. und Kaser RP I 663 A. 33. 9 SZ 113 (1996) 92. 10 Darauf haben schon Rudorff Das Recht der Vormundschaft II (1833) 305 A. 9 und Savigny System V 400 A. h hingewiesen; zu letzterem Wesenberg SZ 69 (1952) 441. Daß die Kompilatoren den Text von der sponsio auf die fideiussio umgeschrieben haben, ist seither allgemein anerkannt; vgl. etwa Hupka Die Vollmacht (1900) 302 A. 1, Levy Sponsio 4 A. 3, Donatuti Mandato I 62, Hägerström I 115/122 A. 1 und II 118 sowie zuletzt Wacke SZ 103 (1986) 236. Nur der Umfang der Textveränderungen ist umstritten. Überzeugend ist allein der zurückhaltende Rekonstruktionsversuch von Lenel Paling. II 362 (Tryphonin 32) mit A. 1 bis 5, der sich darauf beschränkt, fideiussoria durch sponsoria, fideiussione durch sponsione, fideiussor durch sponsor und fideiusserat durch spoponderat zu ersetzen. Er wird in den folgenden Anmerkungen zum jeweiligen Textabschnitt gegen weiterreichende Interpolationsannahmen verteidigt.

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

vendi animo, sed pro Titio fecit, ut maxime eum liberet, habebit cum eo mandati actionem.11

Thema dieser disputatio ist der Bürgenregreß in dem Sonderfall, daß der Sponsionsbürge zugleich Vormund des Gläubigers ist. Sie wird mit einigen grundsätzlichen Bemerkungen zu den Pflichten und zur Haftung des Vormunds eingeleitet (bis agitur, dazu unter a). Im Mittelpunkt steht aber eine eigene Entscheidung Tryphonins (et quamvis bis dixi, dazu unter b), die zunächst abstraktdogmatisch (haeret enim bis respicienda est, dazu unter c) und dann mit einem Vergleichsfall (licet enim rell., dazu unter d) begründet wird. Die hier interessierende Unterscheidung si non pro se solvendi animo, sed pro Titio fecit steht zwar erst im Vergleichsfall, verständlich wird sie aber nur vor dem Hintergrund des gesamten Fragments. Deshalb und weil die Ratio der Ausgangsentscheidung an anderer Stelle12 Bedeutung erlangen wird, soll Tryphonins disputatio zunächst im Zusammenhang besprochen werden. a) Der Gläubiger einer durch sponsio gesicherten Stipulationsforderung hat seinen unmündigen Sohn als Erben eingesetzt und ihm den Bürgen testamentarisch13 zum Vormund bestellt. Mit dem Erbfall wird der Sohn Inhaber der Hauptforderung und sowohl Mündel als auch Gläubiger des sponsor. Als Vormund ist der sponsor verpflichtet, die Forderungen des Mündels einzuziehen. Er muß also gegen den Hauptschuldner vorgehen und notfalls auch sich selbst als Bürgen in Anspruch nehmen (a semet ipso exigere debet). Unterläßt er dies, so haftet er mit der actio tutelae auf Schadensersatz in Höhe der Bürgschaftsforderung.14 Praktische Bedeutung erlangt diese zusätzliche Klage zum einen, wenn 11 Übersetzung: Wer für den Sohn desjenigen zum Vormund bestellt worden ist, dem er aufgrund einer Bürgschaft verpflichtet war, muß von sich selbst einziehen; und obwohl er durch Zeitablauf befreit worden ist, haftet er deswegen trotzdem mit der Vormundschaftsklage; ebenso sein Erbe, weil mit ihm wegen der Vormundschaft, nicht aus der Bürgschaft prozessiert wird. Und obwohl er nicht als Bürge, sondern als Vormund geleistet hat, habe ich gesagt, daß er, auch wenn er durch Zeitablauf befreit worden ist, die Auftragsklage gegen den Hauptschuldner hat. Beiden Rechtsverhältnissen ist nämlich noch die Verfolgung jener Schuld inhärent; denn durch deren Zahlung hat er den Hauptschuldner von der Verpflichtung befreit, auf die er sich für ihn verbürgt hatte; und nicht die Bezeichnung der Klage, sondern der Grund der Schuld ist zu betrachten. Obwohl nämlich der Vormund, der als Bürge beim Mündel für den Hauptschuldner verpflichtet ist, an den von ihm selbst ermächtigten Mündel gezahlt hat, hat er, weil er durch die Befreiung des Hauptschuldners auch selbst als Vormund und ebenso als Bürge befreit wird (was er durch seine Ermächtigung nicht bewirken kann), dennoch, auch wenn er nicht in der Absicht gehandelt hat, für sich zu leisten, sondern für Titius, um in erster Linie diesen zu befreien, gegen ihn die Auftragsklage. 12 S. u. § 18 III 4. 13 Mit tutor datus spielt Tryphonin auf die Testamentsklausel Lucium Titium liberis meis tutorem do (Gai 1.149; vgl. auch 2.289) an. Ihretwegen heißt der testamentarisch bestellte Vormund tutor dativus; vgl. etwa Gai 1.154 und UE 11.14; dazu Kaser RP I 354 A. 7 und 357 A. 41. 14 Vgl. vor allem D 26.7.5.4 Ulp 35 ad ed (debitor patris, qui tutelam administravit filii, tutelae iudicio tenebitur etiam ob id quod patri debuit), aber auch D 3.5.34.3

§ 17 Formen der solutio bei der Bürgschaft

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die Zweijahresfrist der lex Furia abläuft. Dann erlischt nämlich die Bürgschaftsverbindlichkeit15, der sponsor haftet aber weiterhin aus der Vormundschaft (et quamvis tempore liberatus erit, tamen tutelae iudicio eo nomine tenebitur).16 Zum anderen erlischt mit dem Tod des Bürgen nur die unvererbliche17 Sponsionsschuld, während die Haftung aus der actio tutelae auf seinen Erben übergeht (item heres eius, quia cum eo ob tutelam, non ex [sponsione] agitur).18 Diese doppelte Haftung des sponsor-tutor, die Tryphonin im Einleitungssatz beschreibt, bildet den Hintergrund des folgenden Falls. b) Der sponsor-tutor ist durch Ablauf der Zweijahresfrist von seiner Bürgenschuld frei geworden (etiamsi tempore liberatus est 19), als tutor haftet er jedoch Scaev 1 quaest, D 26.7.9.3 Ulp 36 ad ed, D 27.3.5 Ulp 43 ad Sab und D 27.5.1.5 Ulp 36 ad ed zur Haftung des Vormunds für die Einziehung der eigenen Schulden im allgemeinen sowie D 26.7.7.5 Ulp 35 ad ed und D 26.7.9.4 Ulp 36 ad ed zur Schadensberechnung bei verzinslichen Forderungen im besonderen (die Parallelstellen zu den in fr. 69 behandelten Problemen werden in den folgenden Anmerkung zitiert). Die Pflicht a semet ipso exigere trifft nicht nur den debitor-tutor, sondern jeden Schuldner, der – etwa als procurator – die Geschäfte seines Gläubigers führt; vgl. D 3.5.5.14 Ulp 10 ad ed, D 3.5.17 Paul 9 ad ed, D 3.5.18 pr. Paul 2 ad Ner, D 3.5.34 pr., 3 Scaev 1 quaest, D 3.5.37 Tryph 2 disp und D 17.1.6.6 Ulp 31 ad ed. Ausführlich dazu Peters SZ 32 (1911) 179 ff. unter dem Gesichtspunkt der Klagenkonkurrenz und Wacke (o. A. 10) 227 ff. unter dem Gesichtspunkt des Insichgeschäfts. 15 Gai 3.121. Die lex Furia gilt nur für den sponsor und den fidepromissor. Dagegen haftet der fideiussor, wie Gaius ausdrücklich hervorhebt, grundsätzlich unbefristet. Durch Vereinbarung kann aber auch seine Haftung zeitlich begrenzt werden. Tempore liberatus ist daher ein starkes Indiz, wenn auch für sich genommen noch kein Beweis dafür, daß fr. 69 nicht zur fideiussio gehört. Daß im ursprünglichen Text biennio statt tempore stand, wie Levy Sponsio 4 A. 3 und Donatuti Mandato I 61 annehmen, ist zwar möglich, aber nicht zu beweisen. 16 Ebenso zur actio tutelae D 26.7.9.2 Ulp 36 ad ed (u. A. 29); vgl. auch D 3.5.7 pr. Ulp 10 ad ed zur actio negotiorum gestorum und D 17.1.3 Iul 14 dig zur actio mandati; dazu Wacke (o. A. 10) 231 f. 17 Nach Gai 3.120 ist die Erbenhaftung beim sponsor vollständig ausgeschlossen. Für den fidepromissor peregrinus gilt dies nur, wenn das Heimatrecht keine abweichende Regelung vorsieht, und die Haftung des fideiussor ist ohne weiteres vererblich. In seiner Begründung setzt Tryphonin voraus, daß der Erbe aus der Bürgschaft nicht belangt werden kann (tenebitur, item heres eius, quia cum eo ob tutelam, non ex fideiussione agitur). Dies beweist, daß er jedenfalls nicht vom fideiussor gehandelt hat, sondern wahrscheinlich vom sponsor. 18 Ebenso zu unvererblichen Klagen im allgemeinen D 27.3.10 Paul 8 brev ed; dazu Peters (o. A. 14) 218 ff., vgl. auch D 3.5.7 pr. Ulp 10 ad ed (zur actio negotiorum gestorum) und vor allem C 5.54.3 Ant (adversus heredes quondam tutoris tui tutelae actione consiste. in iudicium autem venit etiam id, quod tibi tutor ex causa fideiussionis debuit). Daß auch dieses Reskript ursprünglich von der sponsio gehandelt hat, ist zwar gut denkbar, aber nicht zu beweisen. Denn anders als in fr. 69 wird die Unvererblichkeit der Bürgschaftsschuld hier nicht vorausgesetzt, die Klarstellung im zweiten Satz kann vielmehr auch als Antwort auf eine konkrete Anfrage zu erklären sein. 19 Levy Sponsio 4 A. 3 hält diesen Satz für interpoliert. Er sei überflüssig und verdränge den Fall, daß der sponsor gestorben ist, aus dem Gesichtskreis. Diese Argumentation widerlegt sich jedoch selbst: Gerade weil im vorausgehenden Satz zuletzt

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weiter, weil er der Verpflichtung a semet ipso exigere nicht nachgekommen ist. Dem Umfang nach entspricht die fortbestehende Schadensersatzpflicht der erloschenen Sponsionsverbindlichkeit und der damit identischen Hauptschuld. Diesen Betrag zahlt der Vormund als solcher (quasi tutor), und zwar durch ein in den Rechnungsbüchern dokumentiertes Insichgeschäft.20 Tryphonin entscheidet, daß er beim Hauptschuldner Rückgriff nehmen kann, und nennt als zuständige Regreßklage die actio mandati. Gemeint ist wahrscheinlich die im Mandatsedikt proponierte Sonderklage, von der bereits in § 10 unter II die Rede war. Sie hat eine eigene in factum konzipierte Formel, dient ausschließlich Regreßzwecken und steht insbesondere den Stipulationsbürgen zu, auch dem sponsor21. Nach Tryphonins Entscheidung sind alle Voraussetzungen dieser Klage erfüllt. Da die sponsio regelmäßig in Anwesenheit des Hauptschuldners abgeschlossen wird, kann die für den Mandatsregreß ausreichende Duldung bei dieser Bürgschaftsform ohne weiteres unterstellt werden.22 Problematisch ist allerdings die solutio. Hier setzt sich Tryphonin ausdrücklich darüber hinweg, daß die Sponsionsschuld im Zeitpunkt der Zahlung bereits erloschen war (etiamsi tempore liberatus est)23 und daß der sponsor-tutor deshalb nicht mehr auf die Bürgschaft, sondern auf seine Haftung als Vormund gezahlt hat (quamvis non von den Erben des Bürgen die Rede war, stellt Tryphonin klar, daß seine Entscheidung wieder den davor erwähnten Fall betrifft, daß der sponsor noch lebt und nach der lex Furia frei geworden ist. 20 Vgl. etwa D 26.7.9.3, 4, 5 Ulp 36 ad ed und D 3.5.37 Tryph 2 disp (zum negotiorum gestor) sowie D 26.7.9.5, 7 Ulp 36 ad ed, D 26.7.59 Scaev 26 dig und C 5.34.8 Diocl/Max zu dem umgekehrten Fall, daß sich der Vormund für eine eigene Forderung aus dem Mündelvermögen bezahlt macht. Zu derartigen ,Tilgungsakten durch Insichgeschäft‘ eingehend Wacke (o. A. 10) 223 ff. Die Alternative – Zahlung se auctore an den Mündel – kommt im ersten Teil von fr. 69 wegen quasi tutor solverit nicht in Betracht. Denn wie der Vergleichsfall im zweiten Teil zeigt, kann der Vormund den Mündel nicht wirksam zum Empfang einer solchen Zahlung auf eigene Schuld ermächtigen; vgl. nur Wacke 236 mwN. 21 Zum sponsor gehört wahrscheinlich D 17.1.29.6 Ulp 7 disp (s. u. A. 95). Sicher bezeugt ist der Mandatsregreß des sponsor bei Gaius (3.127; s. o. A. 7). Nach diesem Text hat der sponsor zwar auch die actio depensi aus der lex Publilia (vgl. auch Gai 4.22), dies allein berechtigt jedoch nicht zu der Annahme, die Kompilatoren hätten bei der Umstellung von D 46.1.69 auf die fideiussio auch depensi durch mandati ersetzt; so aber Rudorff (o. A. 10) 305 A. 9 und Hupka (o. A. 10) 302 A.1. Die Palingenesie spricht vielmehr dagegen. Denn Tryphonins Disputationen folgen der Ordnung des Edikts (vgl. Lenel Paling. II 351 A. 1), und dort wird die actio depensi im Zusammenhang des Bürgschaftsrechts behandelt (vgl. Lenel EP 217), während die actio in factum im Titel Mandati bei den bonae fidei iudicia steht (Lenel EP 296 f.). Letztere sind das ausschließliche Thema des neunten Buchs (vgl. Lenel Paling. II 362 ff.), aus dem auch D 46.1.69 (Tryphonin 32) stammt. Texte zur Bürgschaft sind nicht erhalten, müßten aber im siebten Buch gestanden haben. 22 Vgl. Kaser SZ 100 (1983) 125; zum Erfordernis der Duldung bereits o. § 10 bei A. 15. 23 Dies allein steht der actio in factum nicht entgegen; vgl. D 17.1.29.6 Ulp 7 disp (u. A. 95), aber auch D 46.3.71.1 Cels 27 dig.

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quasi [sponsor], sed quasi tutor solverit). Bezieht man die Entscheidung auf die reguläre actio mandati contraria, dann kann man hinter Tryphonins Zweifel nur die Frage vermuten, „ob eine solche spätere Zahlung noch dem der Bürgschaft zugrunde liegenden Auftrag des Hauptschuldners entsprach.“24 In der ausführlichen Begründung (haeret rell.) wird der Umfang des Mandats jedoch mit keinem Wort erwähnt.25 Ihr einziges Ziel ist es vielmehr zu zeigen, daß die Zahlung quasi tutor wie eine Zahlung quasi sponsor behandelt werden kann. Dies wird verständlich, wenn man die Entscheidung auf die actio mandati in factum bezieht. Denn deren Formel setzt wahrscheinlich ein pro reo solvere des Bürgen voraus26, und unter diesen Tatbestand läßt sich die Leistung auf die eigene Haftung als Vormund – im Unterschied zur Leistung auf eine Bürgenschuld – nicht ohne weiteres subsumieren. c) Tryphonin begründet die Statthaftigkeit der actio mandati (in factum) zunächst damit, daß die Verpflichtung des Vormunds den gleichen Inhalt hat wie die des Bürgen: Beiden ist die Verfolgung der Hauptschuld ,inhärent‘ (haeret enim in utraque causa adhuc illius debiti persecutio)27. Für die auf idem gerich24 So Wacke (o. A. 10) 237; ähnlich bereits Hägerström I 122 und II 117 f., der die Zahlung quasi tutor allerdings zu Unrecht mit dem pro Titio solvere des Vergleichsfalls identifiziert (dazu u. A. 34). Er geht davon aus (II 117 f.), „dass ein sponsor, der dem Gläubiger so leistet, dass die Solution formell als eine Einlösung der Obligation des Hauptschuldners gelten soll, prinzipiell keinen Regress durch die actio mandati contraria hat. Was er auf Grund des Auftrages übernommen hat, ist nämlich nicht die Solvierung der Obligation des Hauptschuldners, sondern die eigene Obligierung zur selben Sache. Nur wenn er diese Obligation zu eigener Leistung formell einlöst, ist deshalb seine Prästation eine Folge des Auftrages.“ Diese Argumentation ist nicht schlüssig. Denn der sponsor-tutor ist nur deshalb als Vormund zur Leistung verpflichtet, weil er sich auftragsgemäß verbürgt hatte. Seine Prästation ist also durchaus eine Folge des Auftrags. 25 Vgl. demgegenüber potes videri id ipsum mandasse, ut tuo nomine solveretur in D 12.6.47 Cels 6 dig (u. bei A. 99) und quamquam enim iam liberatus solvit, tamen fidem implevit in D 17.1.29.6 Ulp 7 disp (u. A. 95). 26 S. o. § 10 A. 17. 27 Die Echtheit dieses Satzes wird von Donatuti Mandato I 64 f. und Beseler SZ 56 (1936) bestritten. Ihre Argumente überzeugen jedoch nicht: 1. Die Aussage von haeret . . . persecutio wird in dem folgenden nam-Satz nicht wiederholt, sondern begründet. – 2. Das fehlende Subjekt zu liberavit kann dort aus dem Kontext ohne weiteres ergänzt werden. Eine Streichung von haeret . . . persecutio ist dazu nicht erforderlich. Durch sie ginge vielmehr mit illius debiti das Bezugswort zu eius solutione verloren. – 3. Tryphonin behauptet nicht, daß die Verfolgung der Hauptschuld in der erloschenen Sponsionsforderung fortbesteht, er vergleicht die sponsio lediglich mit der Haftung des Vormunds. – 4. Haerere im übertragenen Sinn ist bei den Juristen zwar nur viermal belegt, davon jedoch zweimal gerade bei Tryphonin; vgl. neben fr. 69 auch D 27.1.45.1 Tryph 13 disp. Die Interpolationsannahme von Donatuti und Beseler läßt sich daher ebensowenig halten wie Hupkas (o. A. 10) 302 A. 1 nicht näher erläuterte Behauptung, der Begründungssatz (haeret . . . respicienda est) sei „der Einschiebung dringend verdächtig“, oder die ebenfalls nicht begründete These von Sachers SDHI 4 (1938) 322 A. 49, der gesamte zweite Teil des Fragments sei „eine paraphrastische Glosse“.

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tete sponsio leuchtet dies unmittelbar ein, für die actio tutelae dagegen nur vor dem Hintergrund der besonderen Fallgestaltung: Sie ist im allgemeinen nicht auf die Erfüllung fremder Verbindlichkeiten gerichtet, sondern auf Rechnungslegung und Schadensersatz28, aber weil der Schaden gerade im Verlust einer Bürgschaftsforderung besteht, hat auch sie ausnahmsweise noch (adhuc) denselben Gegenstand wie die Hauptschuld. Sie ,perpetuiert‘29 gewissermaßen die durch Zeitablauf erloschene Sponsionsschuld, und darum kann auch die Zahlung quasi tutor der Zahlung quasi sponsor gleichgestellt werden. Da die perpetuierte Haftung des sponsor-tutor den Mündel schützen, nicht aber den Hauptschuldner entlasten soll, ist Tryphonins Entscheidung interessengerecht. Seine konstruktive Begründung wirkt allerdings überraschend. Denn die actio tutelae hat keine bürgschaftsähnliche Funktion. Die Vorstellung, daß ihr die Verfolgung einer fremden Schuld ebenso ,inhärent‘ sein kann wie einer Sponsionsverbindlichkeit, leuchtet darum nicht ohne weiteres ein. Sie wird denn auch ihrerseits mit mehreren Argumenten belegt (nam . . . et . . . enim): Tryphonin begründet sie zunächst damit, daß die Hauptschuld durch die Leistung des Vormunds erloschen ist (nam eius solutione liberavit reum promittendi).30 Obwohl er auf seine eigene Schuld (quasi tutor) zahlt, befreit der Vormund also nicht nur sich selbst, sondern gleichzeitig auch den Hauptschuldner. Eine solche ,Drittwirkung‘ kommt nur in Betracht, weil die Schadensersatzverpflichtung denselben Umfang hat wie die Hauptschuld. Diesen Umstand unterstreicht Tryphonin, indem er mit eius solutione an illius debiti im vorausgehenden Satz anknüpft: Der sponsor-tutor zahlt genau den Betrag jener Schuld, die seiner eigenen Haftung ,inhärent‘ sein soll. Für die zivile Befreiung des Schuldners genügt es im allgemeinen nicht, daß der Gläubiger von einem Dritten Schadensersatz in Höhe der geschuldeten 28 Vgl. etwa D 27.3.1 pr., 3 Ulp 36 ad ed und Sachers RE VII A (1948) 1565 ff. s.v. Tutela. 29 Vgl. D 26.7.9.2 Ulp 36 ad ed: Item si temporali actione fuit obligatus tutor, dicendum est locum esse tutelae iudicio, ut perpetua actio sit. 30 Partsch Bürgschaft 274 (275) A. 4 zitiert fr. 69 als Beleg für seine Vermutung, die Formel der actio mandati in factum habe außer einem solvisse oder solutum esse auch noch ein liberavisse oder liberatum esse enthalten. Der Satz nam eius solutione liberavit reum promittendi stützt dies jedoch nicht. Denn nach seiner syntaktischen Stellung bezieht er sich nicht auf die Entscheidung mandati actionem eum habere, sondern auf die Begründung haeret enim in utraque causa adhuc illius debiti persecutio. Auch die übrigen Stellen, die Partsch anführt (D 46.1.21.5 Afr 5 quaest, D 46.1.20 Iav 13 epist, D 17.1.47.1 Iul bei Pomp 3 ex Plaut mit D 46.3.94.2 Pap 8 quaest, D 17.1.10.13, D 17.1.12.4 Ulp 31 ad ed, D 17.1.26.3, 5 Paul 32 ad ed), zeigen nur, daß die Regreßklage in der Regel eine wirksame solutio voraussetzt. In anderen Quellen wird sie aber auch dann gewährt, wenn die Leistung keine befreiende Wirkung hat, etwa weil die Hauptschuld gar nicht bestand (D 12.6.47 Cels 6 dig) oder weil der Hauptschuldner bereits geleistet hatte (D 17.1.29 pr., 2 Ulp 7 disp). Mit einem liberavisse oder liberatum esse in der Klagformel sind diese Entscheidungen kaum zu vereinbaren.

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Summe erhält. Im Fortgang dieses Kapitels wird sich vielmehr zeigen, daß die Forderung des Gläubigers in derartigen Fällen fortbesteht, und das Papinianfragment D 46.3.95.10 (28 quaest), das in § 18 unter III 3 untersucht wird, bezeugt dies gerade auch für den Fall, daß ein Vormund den Schuldner seines Mündels pflichtwidrig nicht in Anspruch nimmt und dafür im Rahmen der actio tutelae Schadensersatz leistet. Daß Tryphonin anders entscheidet, läßt nicht notwendig auf eine spätklassische Kontroverse schließen. Seine abweichende Lösung dürfte vielmehr auf den in fr. 69 hinzutretenden Umstand zurückzuführen sein, daß der sponsor-tutor nicht nur den Hauptschuldner, sondern auch sich selbst als Bürgen in Anspruch nehmen mußte. Für diese Distinktion spricht, daß in der gesamten disputatio nur vom Unterlassen des a semet ipso exigere die Rede ist und daß Tryphonin gerade im Zusammenhang mit der Befreiung des Hauptschuldners noch einmal daran erinnert, daß sich der Vormund für ihn verbürgt hatte (liberavit reum promittendi obligatione, in quam pro eo [spoponderat]). Auch er läßt es also nicht genügen, daß die Haftung aus der actio tutelae denselben Umfang hat wie die Hauptschuld. Entscheidend ist vielmehr, daß sie aus einer Sponsionsverbindlichkeit hervorgegangen ist und deren Charakter übernommen hat. Die Befreiung des Hauptschuldners beruht also auf der Verwandtschaft der beiden Verbindlichkeiten und bestätigt damit den Satz, zu dessen Begründung sie angeführt wird: haeret enim in utraque causa adhuc illius debiti persecutio. Im folgenden Halbsatz verteidigt Tryphonin seine Konstruktion gegen den Einwand, die actio tutelae diene niemals der Verfolgung fremder Schulden: Ob dies der Fall sei, dürfe nicht nach dem Namen der Klage, sondern nur danach bestimmt werden, aus welchem Grund der Vormund haftet (et non titulus actionis, sed debiti causa respicienda est).31 Obwohl sie grundsätzlich keine bürgschaftsähnliche Funktion hat, kann daher auch die actio tutelae auf die Verfolgung einer fremden Schuld gerichtet sein. Voraussetzung ist allerdings, daß der Vormund nicht nur Schadensersatz in entsprechender Höhe schuldet, sondern – wie ein Bürge – gerade für die Erfüllung dieser Schuld einzustehen hat.32 31 Levy Konk. II 19 f. mit A. 7 hält diesen Halbsatz für interpoliert, weil hier die actio hinter das materielle Recht zurücktritt. Eine entsprechende Interpolation sieht er im Schlußsatz von C 4.28.3 Sev/Ant: Si filius familias aliquid mercatus pretium stipulanti venditori cum usurarum accessione spondeat, non esse locum senatus consulto, quo fenerare filiis familias prohibitum est, nemini dubium est. origo enim potius obligationis quam titulus actionis considerandus est. Der Gedanke, daß bei der Lösung bestimmter Probleme nicht nur nach der einschlägigen actio gefragt werden darf, sondern nach ihrer konkreten materiellen Grundlage zu differenzieren ist, wird hier auf das SC Macedonianum angewandt. Die Argumentation ist ebenso schlüssig wie in fr. 69. Die Echtheit der beinahe wortgleichen Begründung in fr. 69 wird daher sogar bestätigt. Denn C 4.28.3 stammt von Severus und Caracalla, in deren Kanzlei Tryphonin tätig war (vgl. D 49.14.50 Paul 3 decr und Kunkel Herkunft 224 und 231 f.). 32 Hägerström II 118 – vgl. auch I 115/122 A.1; ähnlich Wacke (o. A. 10) 237 – bezieht et non titulus actionis, sed debiti causa respicienda est unmittelbar auf die

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d) Der letzte Satz (licet enim rell.) enthält eine Variante des Ausgangsfalls: Auch hier haftet der Vormund seinem Mündel als (Sponsions33-)Bürge für eine fremde Schuld. Er zahlt den verbürgten Betrag, diesmal aber nicht durch Insichgeschäft, sondern an den von ihm selbst zum Empfang ermächtigten Mündel (solvit se auctore pupillo), und er zahlt auch nicht quasi sponsor oder quasi tutor auf seine eigene Verbindlichkeit, sondern als Dritter auf die Hauptschuld (non pro se solvendi animo, sed pro Titio). Dadurch befreit er nicht nur den Hauptschuldner Titius (reo promittendi liberato), sondern auch sich selbst als Bürgen wie als Vormund (et ipse tutor idemque [sponsor] liberabitur), und er erwirbt die actio mandati in factum gegen Titius (habebit cum eo mandati actionem).34 Da diese Entscheidung nicht begründet wird, sondern ihrerseits als Begründung dient (enim), ist davon auszugehen, daß sie – jedenfalls zur Zeit Tryphonins – allgemein anerkannt ist. Sie zeigt zum einen, daß der sponsor-tutor nicht nur dann Regreß nehmen kann, wenn er quasi sponsor geleistet hat. Vielmehr läßt sich offenbar auch eine Drittleistung auf die Hauptschuld ohne weiteres unter die Voraussetzungen der actio mandati in factum

Entscheidung zur actio mandati. Tryphonin lasse die Zahlung quasi tutor für den Regreß genügen, „weil man nicht nur die formale Art der Einlösung berücksichtigen müsse, sondern auch ihren realen Grund.“ Dem widerspricht jedoch der Satzbau: Der nam-Satz, zu dem et . . . est gehört, steht nicht nach mandati . . . dixi, sondern im Anschluß an haeret . . . persecutio. 33 Daß auch der letzte Satz zur sponsio gehört, ist deshalb wahrscheinlich, weil Tryphonin den Ausgangsfall abwandelt, um seine Lösung zu begründen (enim). Die Entscheidung selbst paßt allerdings ebensogut zur fideiussio, die Interpolationsannahme ist daher nicht zwingend. 34 Daß der Schlußsatz einen eigenständigen Vergleichsfall und nicht nur, wie Hägerström I 122 (vgl. auch II 115/117 f. A. 1) meint, eine „nähere Erklärung“ des Ausgangsfalls enthält, zeigt schon der unterschiedliche Sachverhalt: Der sponsor-tutor zahlt nicht auf die eigene Haftung als Vormund (quasi tutor), sondern als Dritter auf die Hauptschuld (pro Titio), und die Frist der lex Furia ist noch nicht abgelaufen, die Bürgenschuld erlischt vielmehr erst durch die Zahlung (et ipse tutor idemque [sponsor] liberabitur). Die Interpolationsannahmen von Levy Sponsio 4 A. 3 und Donatuti Mandato I 63 f. beruhen im wesentlichen auf dem gleichen Mißverständnis: Da Tryphonin einen neuen Fall behandelt, ist weder zu bemängeln, daß der Hauptschuldner erst hier Titius genannt wird, noch daß die Zahlung – anders als im Ausgangsfall – tutore auctore erfolgt und daß sie – aus eben diesem Grund (s. sogleich im Text) – nur dann einen Regreß begründet, wenn sie pro Titio (solvendi animo) vorgenommen wird. Auch qui [sponsor] apud pupillum pro reo est obligatus ist kein überflüssiger ,erläuternder Zwischensatz‘ – so aber Hupka (o. A. 10) 302 A. 1 –, sondern Teil eines neuen Sachverhalts. Auffällig ist nur die Stellung des quiaSatzes. Denn er bezieht sich nicht auf den vorausgehenden Konzessivsatz (licet . . . pupillo), sondern unmittelbar auf den Hauptsatz (habebit . . . actionem). Er setzt damit voraus, daß der sponsor-tutor als Dritter auf die Hauptschuld zahlt, obwohl dies erst anschließend (tamen et si rell.) mitgeteilt wird. Diese vor allem von Hupka, aber auch von Levy und Donatuti bemängelte Ungenauigkeit allein beweist jedoch keine sachliche Textveränderung. Sie deutet eher auf ein Abschreibeversehen als auf einen bewußten Eingriff. Auch nach Wacke (o. A. 10) 238 steht „trotz stilistischer Mängel die Echtheit des Textinhalts“ außer Zweifel.

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subsumieren.35 Der Vergleichsfall bestätigt aber vor allem, daß die actio tutelae ebenso zur Verfolgung der Hauptschuld dient wie die Klage aus der Bürgschaft. Denn mit dem Erlöschen der Hauptschuld wird der sponsor-tutor von beiden Verbindlichkeiten befreit: et ipse tutor idemque [sponsor] liberabitur. Wegen dieser Parallelen kann Tryphonin die zitierte Entscheidung als Argument für die Lösung des Ausgangsfalls heranziehen.36 Ihr eigentlicher Gegenstand ist jedoch ein anderes Problem: Ohne die auctoritas tutoris, die Einwilligung des anwesenden Vormunds37, kann nicht mit befreiender Wirkung an einen Mündel geleistet werden.38 Andererseits ist die in eigenen Angelegenheiten erteilte Einwilligung nach der alten Regel in rem suam auctorem tutorem fieri non posse39 unwirksam. Der Vormund kann sich also nicht von einer eigenen Schuld befreien, indem er an den von ihm selbst ermächtigten Mündel leistet.40 Darauf zielt das nach liberabitur eingeschobene quod sua auctoritate efficere non potest: Wenn der sponsor-tutor auf die eigene Bürgenschuld zahlt, wird weder er selbst noch der Hauptschuldner Titius frei. Die Zahlung se auctore begründet daher grundsätzlich auch keinen Regreßanspruch.41 Anders jedoch, wenn der sponsor-tutor als Dritter auf die Hauptschuld zahlt (et 42 si non pro se solvendi animo, sed pro Titio fecit, ut maxime eum liberet): Hier bezieht sich seine Einwilligung auf die Tilgung einer fremden Schuld, und das Verbot des auctor in rem suam esse greift daher jedenfalls bei formaler Betrachtung 35

Dazu u. bei A. 122. Der Faden des Textes reißt also nicht ab, wie Donatuti Mandato I 63 f. im Anschluß an Levy Sponsio 4 A. 3 behauptet. 37 Dazu allgemein Sachers (o. A. 28) 1554 f. sowie Kaser RP I 87, 275 f. und 361 f. mwN. 38 Vgl. etwa Gai 2.84, D 44.4.4.4 Ulp 76 ad ed, D 46.3.15 Paul 6 ad Sab und – zur delegatio sine tutoris auctoritate – D 46.3.66 Pomp 6 ex Plaut. 39 Vgl. etwa D 26.8.1 pr. Ulp 1 ad Sab, Gai 1.184 und D 26.8.7 pr. Ulp 40 ad Sab. Zum Mündelschutz bei Insichgeschäften des Vormunds zuletzt eingehend Wacke Fg. Kaser (1986) 296 ff. mwN. 40 Vgl. D 26.8.22 Lab 5 pith: Si quid est, quod pupillus agendo tutorem suum liberaturus est, id ipso tutore auctore agi recte non potest. 41 Dies erklärt das konzessive licet . . . solvit se auctore . . . tamen . . . habebit cum eo mandati actionem. Die ratio dubitandi ist auch ohne die von Mommsen ahl. vorgeschlagene Ergänzung solvit se auctore verständlich. 42 Die konzessive Bedeutung des Nebensatzes wird nach Mommsen ahl. in älteren Editionen durch die Streichung von et beseitigt. Dahinter steht offenbar die Vorstellung, dieser Satz beschreibe nicht die ratio dubitandi, sondern eine notwendige Voraussetzung für die Entscheidung des Vergleichsfalls: ,Nur wenn der sponsor-tutor auf die Hauptschuld zahlt, befreit er Titius und erwirbt er gegen ihn die actio mandati in factum‘. Im Kontext der gesamten Argumentation ist das konzessive et si jedoch gerechtfertigt. Denn wie im Ausgangsfall wird die Regreßklage gewährt, obwohl der sponsor-tutor nicht auf die Bürgenschuld gezahlt hat. Daher muß et nicht gestrichen werden. Es dürfte vielmehr von Tryphonin selbst in die zitierte Entscheidung eingefügt worden sein, um diese für seine disputatio bedeutsame Parallele zu betonen. 36

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nicht ein: Die solutio befreit primär den Hauptschuldner und führt nur mittelbar – per consequentias43 – dazu, daß der sponsor-tutor selbst frei wird (reo promittendi liberato et ipse . . . liberabitur) und mit der actio mandati in factum bei Titius Regreß nehmen kann (habebit cum eo mandati actionem). Der Gedanke des Mündelschutzes, der grundsätzlich auch bei Umgehungsgeschäften beachtet wird44, steht ihrer Wirksamkeit ebenfalls nicht entgegen. Denn bei einer solutio sind die Interessen des Mündels nicht gefährdet – im Gegenteil: Der Vormund ist verpflichtet, seine Schulden gegenüber dem Mündel zu erfüllen, und aus diesem Grund wird ihm sogar gestattet, mit befreiender Wirkung an sich selbst zu leisten.45 Wenn das klassische Recht bei der solutio zwar derartige Insichgeschäfte, aber keine Ausnahme vom Verbot des auctor in rem suam esse zuläßt, dann hat dies seinen Grund möglicherweise in „der formalistischen Zähigkeit, mit der die Römer an so manchen eingewurzelten Sätzen des alten Civilrechts festhielten, selbst wenn denselben ein materieller Gedanke zu Grunde lag, der eine Modifikation der Regel ganz gut vertragen hätte.“46 Die Lösung des Vergleichsfalls liegt jedenfalls ganz auf dieser Linie: Das Verbot wird formal aufrechterhalten und gleichzeitig durch einen dogmatischen Kunstgriff entschärft.47 2. Die Pointe des Vergleichsfalls besteht darin, daß der sponsor-tutor nicht auf seine eigene Bürgenschuld zahlt, sondern als Dritter auf die Hauptschuld. Tryphonin zitiert den Fall aber lediglich als Begründung, und dies auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt. Er setzt also die Unterscheidung zwischen 43 Mit diesem Ausdruck werden einerseits die indirekten Folgewirkungen bezeichnet, die als solche vom Verbot des auctor in rem suam esse ausgenommen sind (D 26.8.1 pr. Ulp 1 ad Sab, D 26.8.7 pr. Ulp 40 ad Sab), und andererseits die bloß mittelbare Befreiung des Bürgen beim Erlöschen der Hauptschuld (D 4.3.19 Pap 37 quaest); vgl. Wacke (o. A. 10) 237 mwN. 44 Vgl. etwa D 26.8.1 pr. Ulp 1 ad Sab und D 26.8.5.3 Ulp 40 ad Sab. 45 In gleicher Weise ist er als Gläubiger des Mündels berechtigt und verpflichtet, sich aus dem Mündelvermögen bezahlt zu machen; vgl. die Nachweise o. A. 20. Den Zusammenhang zwischen den Pflichten des Vormunds und seiner Fähigkeit, Insichgeschäfte vorzunehmen, hebt Wacke (o. A. 10) 225 und 230 mit Recht hervor. 46 So Hupka (o. A. 10) 306. 47 Anders Wacke (o. A. 10), der zwar annimmt, die spitzfindige Lösung des Vergleichsfall sei „ersichtlich von dem Bestreben getragen, dem Vormund aus einer Schlappe zu helfen und die Schärfe des Dogmas in rem suam auctor fieri nequit abzuschleifen, soweit es um den Bürgenregreß geht“ (238), die unterschiedliche Behandlung von Insichgeschäft und Leistung se auctore im übrigen aber für gerechtfertigt hält: „Bei Geldleistungen, die an minderjährige Gläubiger persönlich erbracht werden, ist nämlich das Verlustrisiko weitaus größer (und dies mag der Leistende tragen) als bei der Zahlung an den Vormund – auch wenn letzterer an sich selbst zahlt. Denn für die Vermögensverwaltung hat nun einmal der empfangszuständige Tutor zu sorgen; der pupillus soll sich darin nicht einmischen“ (235). Bei dieser Erklärung bleibt zum einen offen, in welcher ,Schlappe‘ sich der Vormund befindet: Er kann ja mit befreiender Wirkung an sich selbst leisten. Zum anderen ist es wenig wahrscheinlich, daß Tryphonin beim solvere pro Titio die offensichtliche Umgehung einer Regel zuläßt, deren Anwendung er eigentlich für sinnvoll hält.

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pro se und pro alio solvere und ihre unterschiedliche Wirkungsweise bei der solutio des Bürgen als bekannt voraus. D 46.1.69 beweist damit nicht nur, daß der Bürge wie jeder Dritte auf die Hauptschuld leisten kann, sondern auch, daß die Unterschiede zur Leistung auf die eigene Bürgenschuld zu Beginn der Spätklassik bereits klar herausgearbeitet sind: Obwohl beide Zahlungsweisen regelmäßig die gleiche Wirkung haben, unterscheiden sie sich in der Konstruktion und daher in Sonderfällen wie beim sponsor-tutor auch im Ergebnis. Die Leistung auf die Bürgenschuld befreit zwar auch den Hauptschuldner, primär handelt der Bürge jedoch im eigenen Interesse. Der sponsor-tutor kann den Mündel daher nicht zum Empfang einer solchen Leistung ermächtigen. Bei der Drittleistung verhält es sich gerade umgekehrt. Sie befreit primär den Hauptschuldner und wirkt nur mittelbar, wegen der Identität beider Verbindlichkeiten, zugunsten des Bürgen. Indem er formal als Dritter leistet, kann der sponsor-tutor darum die Regel in rem suam auctorem tutorem fieri non posse umgehen und sich selbst befreien. Genau dies hebt die Erläuterung ut maxime eum liberet hervor. Sie ist daher ebenso unverdächtig48 wie die Unterscheidung si non pro se solvendi animo, sed pro Titio fecit selbst. Die beiden Sätze bestätigen die bisher gewonnenen Erkenntnisse zur Bedeutung von pro alio solvere. Sie zeigen zum einen, daß dieser Ausdruck nicht die rechtliche Wirkung, sondern den tatsächlichen Vorgang der Leistung beschreibt. Denn durch die Zahlung pro Titio befreit der sponsor-tutor auch sich selbst, und die Zahlung auf die eigene Bürgenschuld wird mit pro se solvere bezeichnet, obwohl sie mangels wirksamer auctoritas keinen von beiden befreit. Pro alio solvere sagt also nicht, daß die Leistung tatsächlich für einen anderen wirkt, sondern nur, daß sie einem fremden Schuldverhältnis zugeordnet wird. Zum anderen wird si suo, non filii nomine solvere velit in D 46.3.59 Paul 2 ad Plaut durch si non pro se solvendi animo, sed pro Titio bestätigt: Welchem Schuldverhältnis die Leistung zugeordnet wird, bestimmt sich nach dem Willen des Leistenden. Der animus solvendi, die bei jeder solutio erforderliche Tilgungsabsicht, richtet sich bei der Drittleistung auf eine fremde Schuld, das heißt: Der Dritte leistet, um einen anderen zu befreien (ut maxime49 eum liberet).

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Anders Hupka (o. A. 10) 302 A. 1. Da nur die Drittleistung wirksam ist, kann maxime nicht dahin verstanden werden, daß der sponsor-tutor vor allem auf die Hauptschuld, zugleich aber auch auf die eigene Schuld leistet, daß er also modern gesprochen eine ,doppelte Tilgungsbestimmung‘ abgibt. Tryphonin erinnert vielmehr nur daran, daß der Vormund deshalb als Dritter leistet, weil er dadurch mittelbar auch sich selbst befreit. Eine ,doppelte Tilgungsbestimmung‘ ist für das klassische Recht nirgends belegt, insbesondere nicht in D 46.3.38.2 Afr 7 quaest. Denn das hier überlieferte eandem enim pecuniam in plures causas solvi posse bezieht sich nicht auf die Zuordnung der Leistung, sondern auf deren Wirkung: Wenn der de peculio verurteilte dominus auf die Judikatsschuld zahlt, befreit er auch die Bürgen des Sklaven. 49

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Pringsheim50 hält den animus am Ende von fr. 69 für byzantinisch und zitiert das quasi sponsor solvere des Ausgangsfalls als Beleg dafür, daß die klassische Jurisprudenz statt dessen „nach der Art der Handlung“ unterscheide. Auch wenn die Wendung quasi sponsor solvere ein Insichgeschäft bezeichnet, das in den Rechnungsbüchern als Leistung auf eine bestimmte Schuld verbucht sein dürfte, ist es in der Tat auffällig, daß sie die Zuordnung der solutio eher äußerlich beschreibt, während im Vergleichsfall die Absicht des Leistenden als entscheidendes Kriterium hervorgehoben wird. Beide Ausdrucksweisen widersprechen einander jedoch nur, wenn man unter animus den (,wahren‘) inneren Willen des Leistenden versteht. Der erklärte oder sonst zum Ausdruck gebrachte Wille prägt dagegen auch das äußere Erscheinungsbild der Leistung. Daß Tryphonin mit si non pro se solvendi animo, sed pro Titio fecit eine solche ausdrückliche Tilgungsbestimmung meint, zeigt die folgende Überlegung: Der sponsor-tutor leistet deshalb auf die Hauptschuld, weil er sich nur so von seiner Bürgenschuld befreien kann. Sein Wille richtet sich also ,in Wahrheit‘ auf die Tilgung der eigenen Verbindlichkeit. Daß er trotzdem pro Titio solvendi animo leistet, ist auch nicht die Entscheidung des Juristen, der die Erklärung des Bürgen umdeutet, um auf diese Weise zu einem interessengerechten Ergebnis zu gelangen.51 Denn die Interessen des sponsor-tutor sind bei der Zahlung se auctore stets gleich zu bewerten, die Drittleistung erscheint in fr. 69 aber nur als eine mögliche Zahlungsweise, und die andere Variante schließt Tryphonin nicht aus, obwohl sie gerade nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Die wertende Betrachtung des Juristen beschränkt sich also darauf, daß er die Drittleistung nicht als Umgehungsgeschäft behandelt, obwohl der äußere Anlaß der Zahlung eindeutig auf einen anderen, mit dem Verbot des auctor in rem suam esse kollidierenden Willen schließen läßt. Ist demnach der animus pro Titio solvendi weder der ,wahre‘ noch der vom Juristen aus Billigkeitsgründen unterstellte Wille, dann kann mit si non pro se solvendi animo, sed pro Titio fecit nur gemeint sein, daß der sponsor-tutor bei der solutio ausdrücklich vorgibt, er wolle nicht auf die eigene, sondern auf die Schuld des Titius leisten. 3. Die Exegese von D 46.1.69 hat gezeigt, daß der erklärte Wille des Leistenden in jedem Fall verbindlich ist. Er wird selbst dann respektiert, wenn das Ergebnis den Interessen des Leistenden zuwiderläuft oder wenn der äußere Anlaß der Leistung auf eine andere Absicht schließen läßt. Daraus folgt jedoch nicht, daß den äußeren Umständen überhaupt keine Bedeutung zukäme. Sie werden vielmehr bei der Ermittlung eines nicht oder nicht eindeutig geäußerten Willens berücksichtigt. Dies ergibt sich aus:

50 SZ 42 (1921) 317 mit A. 8. Zur Begründung seiner Interpolationsvermutung verweist Pringsheim nur auf Levy Sponsio 4 A. 3; dazu bereits o. A. 34 und 36. 51 So aber offenbar Wacke (o. A. 10) 238.

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D 15.3.15 Ulp 2 disp Si filius familias constituerit quod pater debuit, videndum est, an de in rem verso actio dari debeat. atquin non liberavit patrem: nam qui constituit, se quidem obligat, patrem vero non liberat. plane si solvat post constitutum, licet pro se videatur solvisse, hoc est ob id quod constituit, in rem tamen vertisse patris merito dicetur.52

Ulpian behandelt die Frage, ob eine – die actio de in rem verso begründende – Mehrung des väterlichen Vermögens vorliegt, wenn der filius familias in einem constitutum debiti alieni verspricht, eine Schuld seines Vaters zu erfüllen. Er lehnt dies ab, weil der Vater durch das Konstitut allein noch nicht befreit wird. Erst die Leistung des Sohnes führt zur liberatio53 und damit zu einer Bereicherung des Vaters. Nach allgemeiner Ansicht begründet sie daher auch die actio de in rem verso.54 Ulpian billigt diese Lösung (merito dicetur)55, gibt aber zu bedenken, daß der Sohn auf seine eigene Verpflichtung aus dem Konstitut zahlt (licet pro se videatur solvisse) und nicht auf die Schuld seines Vaters. Denn während die Drittleistung zu den typischen Fällen der versio in rem patris gehört56, ist es zweifelhaft, ob und in welchen Fällen die Leistung auf eine eigene Schuld als Mehrung des väterlichen Vermögens angesehen werden kann.57 Ulpian läßt diesen Einwand im Ergebnis nicht durchgreifen (in rem ta52 Übersetzung: Wenn ein Haussohn konstituiert hat, was der Vater schuldete, so ist zu untersuchen, ob die Versionsklage gewährt werden muß. Doch hat er den Vater nicht befreit. Denn wer konstituiert, verpflichtet sich zwar, befreit aber den Vater nicht. Wenn er freilich nach dem Konstitut leistet, wird man – obwohl er für sich zu leisten scheint, das heißt: deswegen, weil er konstituiert hat – mit Recht sagen, daß er eine Version in das Vermögen des Vaters vorgenommen hat. 53 Vgl. D 13.5.18.3 Ulp 27 ad ed. 54 Wem diese zustehen soll, sagt Ulpian nicht. Der Gläubiger des Vaters kommt jedenfalls nicht in Betracht, weil seine Forderung aus dem Konstitut durch die solutio des Sohnes erloschen ist; vgl. MacCormack SDHI 48 (1982) 359 f., aber auch Gay Varia II (1956) 231 f., der den zweiten Teil des Fragments aus diesem Grund für interpoliert hält, und die – nach heutigen Maßstäben willkürliche – Textkritik bei Seckel Fg. Bekker (1907) 345 ff. 55 Ebenso entscheidet er in D 15.3.10 pr. Ulp 29 ad ed für den Fall, daß der filius familias als Bürge seines Vaters leistet: in rem patris videtur versum, quia patrem liberavit. 56 Vgl. PS 2.9.1 und I 4.7.4. Auch Ulpian behandelt die Drittleistung in anderen Entscheidungen ohne weiteres als versio in rem, vgl. D 15.3.3.1 Ulp 29 ad ed und D 15.3.10.7 Ulp 29 ad ed. 57 Vgl. D 15.3.10.10 Ulp 29 ad ed: Idem tractat, an ex eventu possit in rem patris filius vertere, veluti si duo rei pater et filius fuerint et filius mutuatus suo nomine solvat, vel si filio iussu patris credidisti et filius creditum tibi solvisset. mihi videtur, si quidem pecunia ad patrem pervenerat, videri in rem versum: quod si non fuit et suum negotium gerens filius solvit, non esse de in rem verso actionem. Pomponius behandelt die abstrakte Frage, ob eine Version auch ,zufällig‘ erfolgen kann, an zwei Beispielen: Der filius leistet suo nomine auf eine Verbindlichkeit, für die er neben seinem Vater gesamtschuldnerisch haftet, oder er zahlt – wiederum als Selbstschuldner – ein Darlehen zurück, das er iussu patris aufgenommen hatte. In beiden Fällen wird das Vermögen des Vaters ex eventu vermehrt. Denn der Sohn befreit den Vater, ohne auf dessen gesamtschuldnerische oder adjektizische Haftung zu lei-

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men vertisse patris). Die Erklärung liegt auf der Hand: Im constitutum debiti hat der filius zugesagt, die Schuld seines Vaters zu erfüllen.58 Auch wenn er aus diesem Versprechen selbst verpflichtet wird und daher pro se, als Konstituent, leistet, kann dies nicht anders bewertet werden, als hätte er unmittelbar auf die väterliche Schuld gezahlt. Pro se solvere bezeichnet also wie schon in D 46.1.69 die Leistung eines nachrangig haftenden Dritten auf die eigene Verbindlichkeit im – hier allerdings unausgesprochenen – Gegensatz zur Drittleistung auf die Hauptschuld: Der filius leistet, um sich selbst von seiner Verpflichtung aus dem Konstitut zu befreien. Daß dies der Fall ist, entnimmt Ulpian allein dem Umstand, daß die Leistung post constitutum erbracht wird, zu einem Zeitpunkt also, an dem der filius bereits selbst verpflichtet ist. Die Erläuterung hoc est ob id quod constituit 59 stellt diesen Zusammenhang her60: Es ist anzunehmen, daß der filius deswegen zahlt, weil er konstituiert hat. Hier wird also der Anlaß der Leistung hervorge-

sten. Ob Pomponius in diesen Fällen eine versio in rem patris bejaht, ist nicht überliefert. Das vermutlich gekürzte Fragment gibt nur Ulpians Stellungnahme wieder. Sie bezieht sich nicht unmittelbar auf die beiden Beispiele, sondern beschränkt sich auf die Angabe des maßgeblichen Kriteriums: Eine versio in rem patris liegt nur vor, wenn der Vater bereichert wird (si quidem pecunia ad patrem pervenerat), nicht aber dann, wenn der Sohn in eigenen Angelegenheiten zahlt (si non fuit et suum negotium gerens filius solvit). Da die Bereicherung des Vaters objektiv zu bestimmen ist, kann mit dem korrespondierenden si non fuit et suum negotium gerens filius solvit nicht die Tilgungsabsicht des Sohnes gemeint sein; so aber Gay (o. A. 54) 178 f. und MacCormack (o. A. 54) 335. Zudem wird bereits im Sachverhalt mitgeteilt, daß der Sohn auf eine – jedenfalls formell – eigene Schuld leistet (filius mutuatus suo nomine solvat). Aus diesen Gründen ist suum negotium gerens mit von Tuhr Actio de in rem verso (1895) 176 auf den „objektiven Thatbestand“ zu beziehen, daß „der Sohn eine materiell ihn selbst angehende Schuld zahlt.“ Nach Ulpian ist das suo nomine solvere also nur dann als ,zufällige‘ versio in rem patris anzusehen, wenn es den Vater von einer materiell eigenen Verbindlichkeit befreit (was bei der Gesamtschuld in Pomponius’ erstem Beispiel vom Innenverhältnis abhängen dürfte). Die Befreiung von der adjektizischen Haftung für die materiell fremde Schuld des Sohnes im zweiten Beispiel genügt dagegen nicht. So entscheidet auch Paulus in D 15.3.11 Paul 30 ad ed: Quod servus in hoc mutuatus fuerit, ut creditori suo solveret, non erit in rem versum, quamvis actione de peculio liberatus sit dominus. Der in D 15.3.15 behandelte Fall gehört dagegen zur ersten Gruppe: Der filius zahlt zwar auf seine eigene Haftung aus der actio de pecunia constituta, das Konstitut selbst bezog sich aber auf die materiell fremde Schuld des Vaters; ebenso von Tuhr 176 A. 2. 58 Zum Inhalt des constitutum debiti alieni o. § 16 bei A. 38 ff. 59 Ihr entspricht id est propter honorariam obligationem in D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed. 60 Sie ist also nicht, wie Eisele SZ 18 (1897) 39 meint, „überflüssig“ und daher auch nicht verdächtig. Für ihre Authentizität spricht zudem, daß die Wendung pro se solvere beim constitutum debiti alieni besonders ungewöhnlich und daher auch erklärungsbedürftig ist. Denn der Konstituent verspricht, als Dritter auf eine fremde Schuld zu zahlen. Seine Leistung wird daher sonst nirgends mit pro se oder suo nomine solvere bezeichnet, und für die Leistung auf das förmliche Versprechen, eine fremde Schuld zu erfüllen, ist sogar der Ausdruck pro alio solvere belegt; vgl. D 46.2.8.4 Ulp 46 ad Sab und D 46.2.26 Cels 3 dig.

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hoben und nicht, wie in fr. 69, die Absicht des Leistenden. Trotzdem besteht kein Widerspruch zu Tryphonins Entscheidung. Denn dort ist der Sachverhalt eindeutig: Der sponsor-tutor hat erklärt, auf welche Schuld er leisten will. Ulpian dagegen kennt nur die äußeren Umstände (si solvat post constitutum). Daß der filius auf die eigene Schuld zahlt, ist in fr. 15 keine vorgegebene Tatsache, sondern die Auslegung des Juristen (videatur). Ulpian schließt aus dem äußeren Anlaß der Zahlung auf das Motiv und damit auf den animus des Zahlenden: Wer schuldet, leistet im Zweifel in der Absicht, sich selbst zu befreien. Dabei fällt auf, daß das Ergebnis der Auslegung der allgemein anerkannten und auch von Ulpian selbst befürworteten Entscheidung entgegensteht (licet pro se videatur solvisse . . . in rem tamen vertisse patris merito dicetur). Dies bezeugt die methodisch strenge Trennung von Auslegung und rechtlicher Wertung: Über die Zuordnung der Leistung entscheidet Ulpian allein nach dem mutmaßlichen Willen des Leistenden. Erst in einem zweiten Schritt untersucht er dann in wertender Betrachtung, ob das pro se solvere als versio in rem behandelt werden kann oder nicht. Bei einer Zusammenschau von D 46.1.69 und D 15.3.15 ergibt sich somit folgendes Bild: Ob die Leistung einer eigenen oder einer fremden Schuld zugeordnet ist, hängt allein vom Willen des Leistenden ab. Dies ist grundsätzlich Tatfrage, rechtliche (Auslegungs-)Probleme stellen sich nur, wenn eine eindeutige Erklärung fehlt. Dann wird aus den äußeren Umständen auf den typischen Willen des Leistenden geschlossen. So spricht bei selbst verpflichteten Dritten eine tatsächliche Vermutung dafür, daß sie auf die eigene Verbindlichkeit (pro se) und nicht auf die Hauptschuld (pro alio) leisten wollen. Bei einer ausdrücklichen Erklärung kommt diese Vermutung jedoch nicht zum Zuge. Hier werden die eigene Haftung des Dritten und ähnliche Indizien für seinen ,wahren‘ Willen ebensowenig berücksichtigt wie die rechtlichen Folgeprobleme, die sich aus der Erklärung ergeben.

III. D 46.1.51.1 Pap 3 resp und D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer 1. Von der fideiussio handelt ein Papinianfragment, in dem ebenfalls – diesmal allerdings ohne Auswirkung auf das Ergebnis – unterschieden wird, ob der Bürge auf seine eigene Verbindlichkeit oder auf die Hauptschuld leistet: D 46.1.51.1 Pap 3 resp Fideiussor, qui partem pecuniae suo nomine vel rei promittendi solvit, quo minus residui divisione facta portionis iudicium accipiat, recusare non debet: eam enim quantitatem inter eos qui solvendo sunt dividi convenit, quam litis tempore singuli debent. sed humanius est, si et alter solvendo sit litis contestationis tempore, per exceptionem ei qui solvit succurri.61

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Mehrere fideiussores haften als Gesamtschuldner. Nach der epistula Hadriani 62 können sie jedoch in iure beantragen, daß die Klage des Gläubigers zwischen ihnen und den übrigen im Zeitpunkt der litis contestatio zahlungsfähigen Mitbürgen aufgeteilt wird. Die Klage wird dann entweder auf den entsprechenden Teilbetrag reduziert oder mit der exceptio ,si non et illi solvendo sint‘63 erteilt. Dieses sogenannte beneficium divisionis geht nicht so weit wie die lex Furia, nach der die Haftung mehrerer sponsores oder fidepromissores schon ab Fälligkeit geteilt wird.64 So tragen die fideiussores insbesondere das Risiko, daß ihre Mitbürgen vor Klagerhebung insolvent werden.65 Diese für sie nachteiligere Risikoverteilung ist durch die Interessen des Gläubigers gerechtfertigt und gerade deshalb auch gewollt. Ein weiterer, allerdings ungerechtfertigter Nachteil der gesamtschuldnerischen Haftung ist Gegenstand von Papinians Entscheidung: Einer von zwei66 Mitbürgen zahlt vor Klagerhebung einen Teil des geschuldeten Geldes an den Gläubiger (zur Illustration: Die Hauptschuld beträgt 100, und der Bürge zahlt 5067). Anschließend wird er vom Gläubiger verklagt. Der Prätor teilt die rest61 Übersetzung: Der Bürge, der einen Teil des Geldes auf seinen Namen oder auf den des Hauptschuldners gezahlt hat, darf sich nicht weigern, nach der Aufteilung der Restschuld die Klage auf den Anteil anzunehmen. Es besteht nämlich Einigkeit darüber, daß zwischen denjenigen, die zahlungsfähig sind, der Betrag aufgeteilt wird, den die einzelnen im Zeitpunkt des Prozesses schulden. Aber es ist gerechter, daß, wenn auch der andere zum Zeitpunkt der Streitbefestigung zahlungsfähig ist, demjenigen, der gezahlt hat, durch eine Einrede geholfen wird. 62 Vgl. vor allem Gai 3.121 und D 46.1.26 Gai 8 ad ed prov; dazu Frezza I 20 f., Voci Iura 20 (1969) 316 f. und 21 (1970) 83 f. sowie Liebs Konk. 186 ff.; wN. bei Kaser RP I 665 A. 51. 63 D 46.1.28 Paul 28 ad ed. 64 Vgl. nur Gai 3.121 und dazu Kaser, Über Verbotsgesetze und verbotswidrige Geschäfte im römischen Recht, SBer. Ak. Wien 312 (1977) 45 ff. mwN. 65 Gai 3.121; vgl. auch I 3.20.4. 66 Dies folgt aus si et alter solvendo sit litis contestationis tempore im Schlußsatz. Denn zum einen bezeichnet alter regelmäßig den anderen (von beiden) und nicht, wie alius, einen anderen. Daß dies auch hier der Fall ist, zeigt zum anderen folgende Überlegung: Wenn es für die im Schlußsatz behandelte exceptio genügte, daß einer von mehreren Mitbürgen zahlungsunfähig ist, dann trüge dieser allein das Insolvenzrisiko der übrigen, und der Bürge, der gezahlt hat, wäre entlastet. Das ist mit dem Zweck der epistula Hadriana, dem mit der Einschränkung si . . . tempore Rechnung getragen werden soll (s. u. bei A. 72), nicht zu vereinbaren. Dem steht nicht entgegen, daß in eam enim quantitatem inter eos qui solvendo sunt dividi convenit, quam litis tempore singuli debent von mehreren zahlungsfähigen Mitbürgen die Rede ist. Denn hier zitiert Papinian einen anerkannten Grundsatz (convenit) zur Mitbürgschaft im allgemeinen. 67 Dieses Beispiel ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil Papinian nur von partem pecuniae und nicht von suam partem spricht. Denn diese Formulierung ist damit zu erklären, daß vor Litiskontestation noch keine pars sua besteht (s. sogleich im Text und u. bei A. 76 zu D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer), und im Ergebnis besteht kein Unterschied zwischen diesem rechnerisch einfachen Beispiel und der Zahlung eines geringeren Betrags.

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liche Bürgenschuld (in Höhe von 50) nach den Regeln der epistula Hadriani auf und gewährt – die Solvenz des Mitbürgen unterstellt – eine Klage auf den Kopfteil (in Höhe von 25). Die Einlassung auf diese Klage kann der Bürge nicht verweigern (quo minus . . . portionis iudicium accipiat, recusare non debet), das heißt: Er kann in iure nicht geltend machen, er habe ,seinen Anteil‘ bereits bezahlt. Wie Papinian ausdrücklich hervorhebt, gilt dies unabhängig davon, ob der Bürge auf die Bürgschaft (suo nomine) oder auf die Hauptschuld (rei promittendi nomine) gezahlt hat. Im zweiten Fall leuchtet das Ergebnis unmittelbar ein: Durch die Zahlung rei promittendi nomine wird die Hauptschuld (von 100 auf 50) verringert, und dies kommt beiden fideiussores gleichermaßen zugute. Wegen der epistula Hadriani ist bei der Zahlung suo nomine genauso zu entscheiden: Da die Bürgenschuld erst im Zeitpunkt der Klagerhebung geteilt wird, gibt es vorher noch keinen eigenen Anteil, auf den die Zahlung angerechnet werden könnte. Sie verringert vielmehr die noch ungeteilte Gesamtschuld (von 100 auf 50) und wirkt darum auch zugunsten des Mitbürgen. Denn erst im Prozeß wird der Restbetrag der Gesamtschuld gleichmäßig aufgeteilt (eam enim quantitatem inter eos qui solvendo sunt dividi convenit, quam litis tempore singuli debent), und damit ist eine denegatio actionis aus dem gleichen Grund ausgeschlossen wie bei der Zahlung auf die Hauptschuld. In einem zweiten Schritt korrigiert Papinian dieses unbillige Ergebnis, indem er dem Bürgen, der bereits gezahlt hat, eine Einrede68 gewährt (sed humanius est . . . per exceptionem ei qui solvit succurri).69 Hinter humanius est steht eine 68 Gemeint ist wohl nicht die für einen anderen Fall konzipierte exceptio ,si non et illi solvendo sint‘ (s. o. A. 63), sondern die exceptio doli: Der Gläubiger handelt treuwidrig, wenn er gerade den Bürgen verklagt, der bereits gezahlt hat. 69 Wegen des Gegensatzes zu der vorausgehenden Entscheidung und ihrer dogmatisch konsequenten Begründung ist dieser Satz schon von Faber Coniect. 12.1.3 verdächtigt worden. Mit der gleichen Begründung nehmen auch Eisele SZ 13 (1892) 132, Krüger SZ 19 (1898) 35 und Levy Sponsio 195 A. 1 eine Interpolation an (vgl. auch Ind.). ,Offene Wertungen‘ wie humanius est sind jedoch seit der Hochklassik in zahlreichen unverdächtigen Texten belegt und gerade für Papinian charakteristisch; vgl. dazu vor allem Wieacker SZ 94 (1977) 1 ff. (insbesondere 12 f. zur Textkritik und 36 f. zu Papinian), aber auch die Einzeluntersuchungen von Wubbe Symb. David (1968) 237 ff. und Fg. Herdlitczka (1972) 295 ff. zur benignitas oder von Leptien SDHI 35 (1969) 51 ff. und Ankum Symb. David (1968) ff. sowie RIDA 15 (1968) 522 ff. zur utilitas. Derartige Wertungen werden besonders häufig zur Rechtfertigung von kaiserlichen oder prätorischen Eingriffen in das ius civile vorgebracht – vgl. Nörr Rechtskritik 113 ff. – und stehen dann oft in unmittelbarem Gegensatz zu der dogmatisch gebotenen Entscheidung; vgl. nur sed licet hoc iure contingat, tamen aequitas dictat in D 15.1.32 pr. Ulp 2 disp oder haec aequitas suggerit, etsi iure deficiamur in D 39.3.2.5 Paul 49 ad ed. Die ähnlich pointierte Gegenüberstellung von quo minus . . . iudicium accipiat, recusare non debet und sed humanius est . . . per exceptionem ei qui solvit succurri in fr. 51.1 allein begründet also keinen Interpolationsverdacht. Zwischen beiden Entscheidungen besteht auch kein Widerspruch (so aber Faber, Eisele und Krüger). Denn im ersten Satz geht es um die denegatio actionis und im zweiten

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unmittelbar einleuchtende Wertung: Könnte der Bürge auch nach der solutio noch erfolgreich verklagt werden, dann hätte er im Gesamtergebnis mehr zu zahlen als sein Mitbürge (75 gegenüber 25).70 Von der epistula Hadriana ist dies nicht beabsichtigt – im Gegenteil: Grundsätzlich soll auch für fideiussores eine anteilige Haftung eingeführt werden. Die gegenüber der lex Furia hinausgeschobene Teilung der Bürgenschuld dient lediglich dazu, dem Gläubiger das Insolvenzrisiko abzunehmen. Papinian trägt diesem Zweck Rechnung, indem er seine Korrektur auf den Fall beschränkt, daß der Mitbürge zahlungsfähig ist: si et alter solvendo sit litis contestationis tempore.71 Auch für die Gewährung der exceptio kommt es nicht darauf an, ob der Bürge suo oder rei promittendi nomine geleistet hat. Denn daß der Bürge in vollem Umfang von seiner eigenen Zahlung profitiert, ist in beiden Fällen gerecht. Die Abweichung von den dogmatischen Vorgaben ist allerdings unterschiedlich groß. Bei der Zahlung suo nomine genügt eine ,teleologische Reduktion‘ der epistula Hadriana72: Daß die Bürgenschuld – anders als nach der lex Furia – erst im Prozeß geteilt wird, soll den Gläubiger vor der Insolvenz eines Mitbürgen schützen, aber nicht zu unterschiedlichen Haftungsquoten führen. Durch die exceptio wird also eine unbeabsichtigte Konsequenz der gesamtschuldnerischen Haftung beseitigt und der fideiussor im Ergebnis so gestellt wie ein sponsor oder fidepromissor, der von vornherein auf den Kopfteil haftet. Die Korrektur bei der Zahlung rei promittendi nomine reicht weiter: Eine Verminderung der Hauptschuld, wie sie etwa bei einer Teilzahlung des reus eintritt, kommt regelmäßig allen Mitbürgen anteilig zugute, und zwar unabhängig davon, ob sie, wie in fr. 51.1, als Gesamtschuldner haften oder als sponsores auf ihre Quote.73 Für die Teilzahlung eines Dritten kann grundsätzlich nichts anderes gelten. Wenn der Dritte als Mitbürge haftet, hat er jedoch ein Interesse daran, daß die Zahlung nur auf seine Quote angerechnet wird. Papinian hält dieses Interesse auch dann für schutzwürdig, wenn der Bürge – aus welchen Gründen auch immer – als Dritter auf die Hauptschuld zahlt. Genau dies bringt um die Gewährung einer exceptio. Papinian korrigiert nur ein unbilliges (so auch Levy) und wohl auch unbeabsichtigtes Ergebnis der epistula Hadriani mit dem dafür vorgesehenen amtsrechtlichen Instrumentarium. 70 Ein allgemeiner Ausgleichsanspruch besteht unter Mitbürgen nicht (vgl. Kaser RP I 665 f. mit A. 59), und die Kondiktion des zuviel gezahlten Betrags ist nach einer epistula Divi Pii ausgeschlossen; vgl. D 46.1.49.1 Pap 27 quaest und I 3.20.4. 71 Entgegen Eisele (o. A. 69) 132 ist dieser Satz kein Indiz für eine Interpolation. Er enthält keine bloße Wiederholung von inter eos qui solvendo sunt dividi convenit, sondern begrenzt den Anwendungsbereich der exceptio. 72 Auch in D 46.1.49.1 Pap 27 quaest berücksichtigt Papinian den Zweck der epistula Hadriana im Rahmen einer ,offenen Wertung‘ (severior et utilior est). Anders als in fr. 51.1 führen seine teleologischen Erwägungen hier jedoch nicht zu einer Beschränkung der gesamtschuldnerischen Haftung, sondern gerade umgekehrt zu ihrer Erstreckung auf die Erben des Bürgen. 73 Vgl. D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer; dazu u. nach A. 86 und 88.

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er durch suo nomine vel rei promittendi solvit zum Ausdruck: Beide Zahlungsweisen sind also gerade nicht „gleichwertig“74, sie sind aber bei wertender Betrachtung gleich zu behandeln: Weil das Risiko der Bürgschaft unter den Mitbürgen gleichmäßig verteilt werden soll, muß die exceptio auch bei der Zahlung rei promittendi nomine gewährt werden, obwohl sie hier nicht nur die epistula Hadriani korrigiert, sondern auch noch die allgemeinen Regeln der Gesamtschuld. 2. Durch suo nomine vel rei promittendi solvit deutet Papinian nur an, daß seine Lösung auch für den Fall der Drittleistung gilt, obwohl sie sich hier sogar über einen allgemeinen Grundsatz des ius civile hinwegsetzt. Er kann sich deshalb auf diese bloße Klarstellung beschränken, weil die entsprechende Billigkeitskorrektur bei der sponsio schon seit Julian bekannt ist: D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer Quotiens unus ex fideiussoribus suam partem solvisset, tamquam negotium reo gessisset, perinde habendum est, ac si reus ipse unius fideiussoris partem solvisset: sed tamen ut non ex sorte decedat, sed is fideiussor solus liberatur, cuius nomine solutio facta fuerit.75

Einer von mehreren Bürgen zahlt seinen Anteil (suam partem solvisset), und zwar so, als führe er ein Geschäft für den Hauptschuldner (tamquam negotium reo gessisset). Aus suam partem ergibt sich, daß der Text ursprünglich zur sponsio (oder zur fidepromissio) gehört.76 Denn nur bei diesen Bürgschaftsformen stehen die Anteile der Mitbürgen wegen der anfänglichen Teilung nach der lex Furia77 schon vor Klageerhebung fest. Allerdings meint pars sua hier nicht die eigene Teilschuld des Sponsionsbürgen, sondern einen ihr entsprechenden Teil der Hauptschuld. Dies folgt aus tamquam negotium reo gessisset: Der Bürge handelt wie jemand, der ein Geschäft für den Hauptschuldner78 führt. Er zahlt ,seinen Anteil‘ also nicht quasi sponsor, sondern als Dritter auf die Haupt74

So aber Apathy 86 A. 74; nach Flume (o. A. 9) 91 f. ist suo nomine vel rei promittendi „ein nichtssagender Zusatz, der als Glosse dem Papinian-Text zugefügt worden sein kann“. 75 Übersetzung: Jedesmal wenn einer von den Bürgen seinen Anteil so gezahlt hat, als führte er ein Geschäft für den Hauptschuldner, ist dies so zu behandeln, als hätte der Hauptschuldner selbst den Anteil eines Bürgen gezahlt, aber dennoch so, daß er nicht von der Hauptschuld abgezogen, sondern der Bürge allein befreit wird, auf dessen Namen die Zahlung geschehen ist. 76 Vgl. nur Bund Untersuchungen zur Methode Julians (1965) 147 A. 23. Für unius . . . partem gilt dasselbe wie für suam partem. Das wichtigste Interpolationsindiz ist jedoch is [sponsor] solus liberatur. Denn bei gesamtschuldnerisch haftenden fideiussores führt eine Teilzahlung nie zur (vollständigen) Befreiung eines einzelnen Mitbürgen. 77 Gai 3.121. 78 Reo muß hier als dativus commodi verstanden werden; dazu allgemein Hofmann/ Szantyr 92 f. und Kühner/Stegmann I 313 f.; zur Verwendung von negotium alicui gerere in juristischen Quellen näher u. A. 91.

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schuld. Deren Verminderung wirkt sich zwar mittelbar auch auf die Bürgenschuld aus, fraglich ist jedoch, ob sie in vollem Umfang dem zahlenden Bürgen zugute kommt oder gleichmäßig auf die Teilschulden aller Mitbürgen anzurechnen ist. Das Problem ist also das gleiche wie in fr. 51.1, nur mit dem Unterschied, daß die zusätzlichen Schwierigkeiten, die sich dort aus der gesamtschuldnerischen Haftung der fideiussores ergeben, bei der Drittleistung des sponsor wegfallen: Der zahlende Bürge kann nicht nur durch eine exceptio geschützt, sondern sogar nach Zivilrecht von seiner Teilschuld befreit werden. Im Ergebnis entscheidet Julian, ebenso wie Papinian, zugunsten des zahlenden Bürgen. Er begründet seine Entscheidung aber nicht mit der Billigkeit, sondern im Wege der Fallvergleichung: Die Teilleistung des Bürgen ist so zu behandeln, als hätte der Hauptschuldner selbst den Anteil des Bürgen gezahlt (perinde habendum est, ac si reus ipse unius [sponsoris] partem solvisset), dies aber nicht zur Verminderung der Hauptschuld (sed tamen ut non ex sorte decedat), sondern um den Bürgen im Wege der Drittleistung von seiner Teilschuld zu befreien (sed is [sponsor] solus liberatur, cuius nomine solutio facta fuerit). Eine solche Drittleistung des Hauptschuldners ist auch an anderer Stelle79 belegt. Sie wirkt deshalb zugunsten eines einzigen Mitbürgen, weil sie seiner Teilschuld unmittelbar zugeordnet ist. Mit dem Ausgangsfall ist sie daher nicht vergleichbar. Denn dort geht es um die Frage, ob der Bürge allein befreit wird, obwohl gerade nicht auf seine Teilschuld geleistet worden ist, und für die Antwort ist es von entscheidender Bedeutung, daß er selbst gezahlt hat und darum bei gleichmäßiger Anrechnung im Gesamtergebnis für einen höheren Betrag einzustehen hätte als seine Mitbürgen. Aus diesem Grund hätte ein Vergleich mit dem einfacheren Fall, daß der Bürge selbst auf die eigene Teilschuld zahlt, nähergelegen. Daß Julian die Drittleistung des Bürgen statt dessen mit dem spiegelbildlichen Fall der Drittleistung des Hauptschuldners gleichsetzt, erklärt sich aus der Textgeschichte: In den libri ad Urseium Ferocem80 kommentiert Julian wörtlich wiedergegebene Auszüge aus dem Werk dieses Juristen. Dazu gehören neben eigenen Entscheidungen des Urseius auch zahlreiche responsa frühklassischer Juristen.81 Julians Kommentare sind im Digestentext regelmäßig nicht mehr als solche gekennzeichnet und daher häufig auch nicht mehr von den Zitaten zu unterscheiden. In drei Fragmenten82 werden sie jedoch mit Iulianus notat einge79

D 46.3.5.1 Ulp 43 ad Sab (s. u. A. 88). Lenel Paling. I 490 ff. (Iulian 883 bis 928); vgl. dazu Krüger Quellen 174 f., Guarino Salvius Iulianus (1945) 47 ff. = Lab. 10 (1964) 388 ff., Schulz Geschichte 271 f., Mayer-Maly RE 9 A 1 (1961) 1056 f. s.v. Urseius Ferox und Bund ANRW II 15 (1976) 436 ff. 81 Vgl. die Nachweise u. A. 85. 82 D 23.3.48.1 Iul 2 ad Urs Fer, D 30.104.1 Iul 1 ad Urs Fer und D 46.3.36 Iul 1 ad Urs Fer. 80

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leitet, und eine Stelle83 beweist eindeutig, daß sie von einem späteren Bearbeiter verändert worden sind. Daher muß auch in anderen Texten damit gerechnet werden, daß Julians Noten mit den Auszügen aus dem Werk des Urseius verschmolzen sind.84 In fr. 37 sprechen starke Indizien dafür, daß der erste Teil (bis partem solvisset) zu einem frühklassischen responsum gehört und der Schluß zu einer Note Julians. Diese Annahme erklärt fast alle grammatischen Mängel des überlieferten Textes85 und die umständliche zweigeteilte Schilderung des Sachverhalts (si reus . . . sed tamen . . .).86 Vor allem aber wird die Wahl des Vergleichsfalls auf diese Weise verständlich: Der frühklassische Jurist entscheidet, daß die Drittleistung des sponsor anteilig auf die Teilschulden aller Mitbürgen anzurechnen ist. Denn sie vermindert primär die Hauptschuld und ist daher so zu behandeln, als hätte der Hauptschuldner selbst gezahlt (perinde habendum est, ac si reus ipse unius [sponsoris] partem solvisset). Der Vergleich illustriert treffend die rein konstruktive Ratio der Entscheidung: Die Drittleistung des sponsor wird so auf die Teilschulden der Mitbürgen angerechnet, wie dies bei einer Verminderung der Hauptschuld üblich ist. Die Teil83

D 16.1.16.1 Iul 4 ad Urs Fer: Iulianus autem recte putat. Schulz Geschichte 271 f. (vgl. auch 228) und Bund (o. A. 80) 436 f. nehmen sogar an, daß die ursprüngliche Textgestalt nur in den drei o. A. 82 genannten Fragmenten erhalten und in allen übrigen von einem nachklassischen Bearbeiter verändert worden ist; zurückhaltender Mayer-Maly (o. A. 80) 1057. 85 Im ersten Teil ist das Plusquamperfekt von solvisset und gessisset nicht mit dem präsentischen habendum est zu vereinbaren, und der Konjunktiv ist zwar bei tamquam . . . gessisset gerechtfertigt (vgl. Hofmann/Szantyr 596 f. und für Julian etwa D 46.1.14 Iul 47 dig oder D 47.10.36 Iul 45 dig), nicht aber bei quotiens . . . solvisset (vgl. Hofmann/Szantyr 606 und für Julian etwa D 9.4.34 Iul 4 ad Urs Fer oder D 12.1.19 pr. Iul 10 dig). Beides läßt sich jedoch damit erklären, daß im Rahmen einer oberflächlichen Kürzung . . . respondit gestrichen und habendum esse durch est ersetzt worden ist; vgl. nur Kalb Wegweiser 76 f. Solche in indirekter Rede wiedergegebenen Entscheidungen sind in den libri ad Urseium Ferocem häufig belegt; vgl. etwa Sabinus respondit in D 7.1.35.1 Iul 1 ad Urs Fer, D 30.104.7 Iul 1 ad Urs Fer, D 32.63 Iul 1 ad Urs Fer, D 40.4.18 pr. Iul 2 ad Urs Fer und D 41.3.35 Iul 3 ad Urs Fer, Cassius respondit in D 16.1.16.1 Iul 4 ad Urs Fer und D 30.104.1 Iul 1 ad Urs Fer oder Proculus respondit in D 10.3.5 Iul 2 ad Urs Fer, D 11.1.18 Iul 4 ad Urs Fer, D 12.5.5 Iul 3 ad Urs Fer und D 23.3.48.1 Iul 2 ad Urs Fer. In fr. 37 ist das irreale ac si . . . solvisset nicht zu beanstanden, es paßt aber auch zu der hier vorgeschlagenen Rekonstruktion. Nach sed tamen wechseln dann Tempus und Modus, obwohl der Vergleichsfall weitergeführt wird. Dieser auffällige sprachliche Bruch läßt sich damit erklären, daß das responsum nur bis solvisset reicht und daß der Schlußsatz aus einer Note Julians stammt, die ursprünglich – mit Iulianus notat oder ähnlichen Worten – auch als solche gekennzeichnet war. Denn in einer selbständigen, vom vorausgehenden Text abgesetzten Note ist ein neues Tempus kaum anstößig. Auffällig bleibt nur das indikativische liberatur, durch das sed is fideiussor solus liberatur zu einem Hauptsatz wird und damit aus der Konstruktion fällt. Hier dürfte es sich jedoch um ein bloßes Abschreibeversehen (liberatur für liberetur) handeln. Zu facta fuerit Kühner/Stegmann I 164, Hofmann/Szantyr 322 und für Julian etwa D 18.2.17 Iul 15 dig oder D 30.82 pr. Iul 33 dig. 86 An ihrer Stelle hätte perinde habendum est, ac si reus ipse unius sponsoris partem solvisset genügt. 84

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zahlung des Hauptschuldners ist hierfür typisch und wird daher zum Vorbild genommen. Julians Note korrigiert das Ergebnis der Entscheidung (daher sed tamen), indem sie den Vergleichsfall geringfügig abwandelt: Der Hauptschuldner zahlt nicht – wie das responsum als selbstverständlich unterstellt – auf die eigene Verbindlichkeit, sondern auf die Teilschuld eines Bürgen und befreit daher nur diesen. Diese eigentümliche Argumentationsweise liegt hier deshalb nahe, weil auch die Entscheidung selbst nur indirekt, durch den Vergleichsfall, mitgeteilt wird. Daß Julian ein rein konstruktiv gewonnenes Ergebnis durch die scheinbar willkürliche Abwandlung des Vergleichsfalls in sein Gegenteil verkehrt, verleiht seiner Argumentation zudem eine ironische Note: Die Konstruktion ist austauschbar und kann eine wertende Betrachtung daher nicht ersetzen. Der entscheidende normative Gesichtspunkt wird zwar nicht ausdrücklich genannt, es ist aber offenbar der gleiche wie in D 46.1.51.1: Da die Drittleistung aus dem Vermögen des zahlenden Bürgen stammt, soll sie nur ihm selbst und nicht auch seinen Mitbürgen zugute kommen. Sie ist daher trotz der konstruktiven Unterschiede im Ergebnis ebenso zu behandeln wie eine Zahlung auf die eigene Bürgenschuld. 3. Die Exegese von D 46.3.37 hat bestätigt, daß ein sponsor nicht nur auf die eigene Verbindlichkeit, sondern auch als Dritter auf die Hauptschuld zahlen kann, und nach D 46.1.51.1 gilt für den fideiussor dasselbe. Die konstruktiven Unterschiede zwischen beiden Zahlungsweisen sind schon in dem bei Julian zitierten responsum klar herausgearbeitet und damit für das frühklassische Recht belegt.87 Julians Note bezeugt außerdem den spiegelbildlichen Fall, daß der Hauptschuldner nicht auf die eigene Verbindlichkeit, sondern als Dritter auf die Schuld seines Bürgen leistet.88 In dem Satz ut non ex sorte decedat, sed is

87 Die meisten in indirekter Rede wiedergegebenen responsa in den libri ad Urseium Ferocem stammen von frühklassischen Juristen; vgl. die Nachweise o. A. 85. Urseius’ eigene Entscheidungen stehen teils in direkter (vgl. D 18.1.41 pr. Iul 3 ad Urs Fer und D 19.1.28 Iul 3 ad Urs Fer), teils aber ebenfalls in indirekter Rede (vgl. D 28.6.32 Iul 1 ad Urs Fer und D 30.104 pr. Iul 1 ad Urs Fer). Es läßt sich daher nicht ausschließen, daß auch das responsum in fr. 37 von ihm stammt. Urseius Ferox lebte wahrscheinlich um 100 n. Chr.; vgl. Guarino (o. A. 80) 50 f. = 389 f., MayerMaly (o. A. 80) 1056, Kunkel Herkunft 145 f. und Bund (o. A. 80) 436 ff. Die Drittleistung des Bürgen läßt sich damit jedenfalls bis zum Beginn der Hochklassik zurückverfolgen. 88 Dies ist dann sinnvoll, wenn er im Wege der Teilzahlung einen von mehreren Mitbürgen befreien will. Dieses Ergebnis steht daher in D 46.3.5.1 Ulp 43 ad Sab, dem zweiten Beleg für die Drittleistung des Hauptschuldners, ganz im Vordergrund: Si duos quis dederit fideiussores, potest ita solvere, ut unum liberet. Mit ita solvere, ut unum liberet kann hier nur die Drittleistung auf die Bürgenschuld gemeint sein. Daß der Text zur sponsio gehört, wie unter anderem Lenel Paling. II 1176 (Ulpian 2908) A. 6 und Levy Sponsio 195/196 A. 1 annehmen, ist deshalb wahrscheinlich, weil die zivilrechtliche Befreiung eines einzelnen Mitbürgen die anfängliche Teilung nach der lex Furia voraussetzt. Bei der fideiussio wäre allenfalls eine honorarrechtliche Lösung vorstellbar, wie sie Papinian im zweiten Teil von fr. 51.1 entwickelt.

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[sponsor] solus liberatur, cuius nomine solutio facta fuerit werden zur Verdeutlichung der konstruktiven Unterschiede die unmittelbaren Rechtsfolgen der beiden Zahlungsweisen gegenübergestellt: Während eine Zahlung auf die Hauptschuld deren Gesamtbetrag vermindert, befreit die Drittleistung zunächst einmal den Bürgen, in dessen Namen sie erfolgt. Daß sich die Reduzierung der Hauptschuld mittelbar auch auf die Teilschulden aller Mitbürgen auswirkt, setzt Julian als selbstverständlich voraus, und mit ut non ex sorte decedat bringt er nur zum Ausdruck, daß die Drittleistung nicht primär auf die Hauptschuld angerechnet wird, er schließt aber nicht aus, daß neben dem Bürgen auch der Hauptschuldner selbst in entsprechendem Umfang frei wird.89 In der Bedeutung besteht kein Unterschied zwischen suo nomine vel rei promittendi solvit in fr. 51.1 und non pro se solvendi animo, sed pro Titio fecit in D 46.1.69. Beide Ausdrucksweisen werden also auch bei der solutio des Bürgen synonym verwendet. Am Schluß von fr. 37 bezeichnet Julian die Drittleistung des Hauptschuldners ebenfalls mit der technischen Wendung alieno nomine solvere. Die Drittleistung des Bürgen wird dagegen als Führung eines fremden Geschäfts umschrieben. Diese Ausdrucksweise ist sonst nur im Kontext der actio negotiorum gestorum contraria belegt.90 Sie bezieht sich dort zumindest auch auf das Deckungsverhältnis zwischen Schuldner und Drittem. In fr. 37 dagegen beschreibt solvisset, tamquam negotium reo gessisset ausschließlich den Vorgang der Drittleistung: Der sponsor zahlt so, als führe er ein Geschäft des Hauptschuldners. Entscheidend ist danach, daß die Zahlung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild (tamquam) im Interesse des Hauptschuldners (reo91) vorgenommen wird. Damit kann nur gemeint sein, daß der sponsor ausdrücklich erklärt, er zahle für den reus. Denn die übrigen Umstände sprechen eindeutig für die Verfolgung eigener Interessen: Der sponsor ist selbst verpflichtet und zahlt auch genau den auf seine Teilschuld entfallenden Betrag (partem suam). D 46.3.37 bestätigt also, daß sich die Zuordnung einer Leistung weder nach rein objektiven Kriterien richtet noch nach dem – wie auch immer ermittelten – 89 So aber Cujaz Observationum et emendationum lib. 26 cap. 4 (Opera I 1155 f.), dessen Argument aus is fideiussor solus liberatur allerdings nicht verfängt. Denn das solus unterscheidet den zahlenden Bürgen nur von seinen Mitbürgen und nicht auch vom Hauptschuldner. 90 Vgl. die o. § 15 A. 4 nachgewiesenen Stellen, aber auch o. § 8 A. 70 zu non enim negotium alterius gessit, sed magis suum in D 20.4.12.6 Marci l s ad form hyp sowie o. A. 57 zu suum negotium gerens filius solvit in D 15.3.10.10 Ulp 29 ad ed. 91 Der – bei der Drittleistung sonst nicht belegte – Ausdruck negotium alicui gerere bezeichnet die Geschäftsführung zum Vorteil (oder auf die Gefahr) eines Dritten. Wie in fr. 37 wird er meistens bei der Abgrenzung von fremden und eigenen Geschäften verwendet; vgl. D 17.1.36.2 Iav 7 ex Cass, D 17.1.48.1, 2 Cels 7 dig, D 26.7.16 Paul 6 ad Sab, D 37.7.1.1 Ulp 40 ad ed und D 47.2.52.11 Ulp 37 ad ed. In D 20.4.3.1 Pap 11 resp und D 26.8.7 pr. Ulp 40 ad Sab bezeichnet er ebenfalls die Wahrnehmung fremder Interessen, ohne daß hier allerdings ein eigenes Geschäft als Alternative in Betracht käme.

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inneren Willen des Leistenden. Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille. Nach dem responsum des Urseius oder des von ihm zitierten frühklassischen Juristen ist er auch dann maßgeblich, wenn er den objektiven Interessen des Erklärenden zuwiderläuft: Die Leistung wird auf die Hauptschuld angerechnet und führt damit zwangsläufig zur anteiligen Befreiung aller Mitbürgen. Julian und Papinian korrigieren dieses Ergebnis, damit die Zahlung ausschließlich dem Bürgen zugute kommt, aus dessen Vermögen sie stammt. Diese Korrektur ist möglich, weil sie den Interessen des Erklärenden und damit auch seinem mutmaßlichen ,wahren‘ Willen entspricht und weil sie die Befreiung des Hauptschuldners nicht in Frage stellt. Sie wirkt vor allem zu Lasten der Mitbürgen, deren Interesse, auf fremde Kosten befreit zu werden, nicht schutzwürdig ist. Bei der sponsio belastet sie außerdem den Gläubiger. Denn bei der Insolvenz des Hauptschuldners und der übrigen Mitbürgen fällt er in vollem Umfang mit seiner Restforderung aus. Julian nimmt diesen Nachteil ebenfalls in Kauf. Denn er wäre auch dann eingetreten, wenn der sponsor auf die eigene Schuld geleistet hätte. Daß er statt dessen einen Teil der Hauptschuld gezahlt hat, ist für den Gläubiger ebenso zufällig wie für die Mitbürgen. Methodisch kann dieses sachgerechte Ergebnis auf zwei Arten erreicht werden. Der Jurist kann sich zum einen schon bei der Auslegung über die ausdrückliche Erklärung des Bürgen hinwegsetzen und dem ,wahren‘ Willen zur Geltung verhelfen. Die Zahlung wäre dann von vornherein der eigenen Teilschuld zugeordnet. Die Korrektur kann aber auch bei den Rechtsfolgen ansetzen: Wegen der eindeutigen Erklärung liegt eine Drittleistung vor, sie wird aber aus Billigkeitsgründen nicht wie jede andere Verminderung der Hauptschuld behandelt, sondern allein auf die Teilschuld des zahlenden Bürgen angerechnet. Sowohl Julian als auch Papinian wählen diesen Weg: In fr. 51.1 beschreibt suo nomine vel rei promittendi solvit zwei alternative Sachverhalte, die nur im Ergebnis gleich behandelt werden. Papinian sagt also nicht, daß der fideiussor in Wahrheit stets auf die eigene Schuld zahle, sondern nur, daß die exceptio auch im Fall der Drittleistung interessengerecht ist. Julian stellt ebenfalls nicht in Frage, daß der sponsor als Dritter gezahlt hat. Indem er den Vergleichsfall abwandelt, bringt er statt dessen zum Ausdruck, daß die üblichen Rechtsfolgen einer Teilleistung bei der Drittleistung eines Mitbürgen nicht angemessen sind. Julian und Papinian setzen sich damit zwar im Ergebnis über die Erklärung des Leistenden hinweg, um eine interessenwidrige und darum unerwünschte Konsequenz der Drittleistung zu vermeiden. Sie lösen den Fall aber nicht als Auslegungs- oder Irrtumsproblem, sondern durch eine Korrektur des objektiven Rechts. Ob der Bürge auf die eigene Verbindlichkeit oder als Dritter auf die Hauptschuld leistet, bleibt Tatfrage und wird nicht wertend, sondern allein nach dem erklärten Willen des Leistenden entschieden.

§ 17 Formen der solutio bei der Bürgschaft

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IV. Abweichender Sprachgebrauch 1. Weil beide Verbindlichkeiten ihrem Gegenstand nach identisch sind, ist es in der Regel gleichgültig, ob der Bürge auf seine eigene Schuld leistet oder als Dritter auf die Hauptschuld: Im ersten Fall befreit er primär sich selbst, mittelbar aber auch den Hauptschuldner, im zweiten kommt er auf dem umgekehrten Weg zum gleichen Ergebnis, und beide Male erwirbt er die actio mandati in factum gegen den Hauptschuldner. Trotzdem ist die Alternative nicht sinnlos, wie Flume92 meint. Denn in bestimmten Fallkonstellationen führen die beiden Zahlungsweisen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Sie werden dann auch begrifflich genau unterschieden: Die Zahlung auf die Hauptschuld wird entweder als Geschäftsführung im fremden Interesse umschrieben oder mit den – für die Drittleistung technischen – Wendungen pro alio und alieno nomine solvere bezeichnet. Die Zahlung auf die eigene Bürgenschuld heißt im Gegensatz dazu pro se und suo nomine solvere. Diese eindeutige technische Ausdrucksweise ist allerdings die Ausnahme. In der Regel verwenden die Quellen das bloße solvere (dazu unter 2). Wie bei der adjektizischen Haftung ist daneben aber auch ein untechnischer Gebrauch von pro alio solvere zu beobachten (dazu unter 3). 2. In den meisten Quellen wird die Leistung des Bürgen mit dem bloßen solvere bezeichnet und nicht durch klarstellende Zusätze wie pro alio und pro se oder alieno und suo nomine näher qualifiziert.93 Diese Ausdrucksweise ist zwar verkürzt, aber nicht mißverständlich. Denn daß jemand, der selbst zur Leistung verpflichtet ist, nicht auf die eigene, sondern auf eine fremde Schuld leistet, ist ein außergewöhnlicher Umstand, der deshalb auch ausdrücklich mitgeteilt werden muß.94 Das bloße solvere bezeichnet dagegen regelmäßig die Leistung auf eine eigene Schuld. Daß dies auch beim Bürgen der Fall ist, zeigen die Entscheidungen zu folgendem Fall: Zahlt der Bürge, ohne zu wissen, daß die Verpflichtung aus der Bürgschaft unwirksam, erloschen oder mit einer dauerhaften Einrede behaftet ist, dann erwirbt er die condictio indebiti gegen den Gläubiger, und die Hauptschuld bleibt bestehen.95 Die Quellen unterscheiden 92

S. o. A. 9. Vgl. etwa D 12.6.20 Iul 10 dig, D 12.6.25 Ulp 47 ad Sab, D 12.6.38.3 Pap 9 quaest, D 15.3.10 pr. Ulp 29 ad ed, D 17.1.8.7, D 17.1.10.11, D 17.1.12.3, 4, D 17.1.14 pr., 1 (alle Ulp 31 ad ed), D 17.1.22 pr., 1, D 17.1.26.3 bis 5 (alle Paul 32 ad ed), D 17.1.37 Afr 8 quaest, D 17.1.47.1 Pomp 3 ex Plaut, D 17.1.48 pr. Cels 7 dig, D 17.1.51 Iav 9 ex Cass, D 17.1.52 Iav 1 epist, D 18.1.81 pr. Scaev 7 dig, D 20.1.2 Pap 3 resp, D 20.1.26 Mod 4 resp, D 46.1.17 Iul 90 dig, D 46.1.34 Paul 72 ad ed, D 46.1.49.1 Pap 27 quaest, D 46.1.66 Paul 1 ad Ner und D 46.3.71.1 Cels 27 dig. 94 S. o. bei A. 59 f. und § 16 bei A. 17 f. 95 Vgl. zur Zahlung des befreiten Bürgen D 12.6.59 Pap 2 def (si fideiussor iure liberatus solverit errore pecuniam, repetenti non oberit: si vero reus promittendi per 93

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dabei nicht, ob der vermeintliche Bürge auf das eigene indebitum leistet oder als Dritter auf die bestehende Verbindlichkeit des Hauptschuldners. Sie verwenerrorem et ipse postea pecuniam solverit, non repetet, cum prior solutio, quae fuit irrita, naturale vinculum non dissolvit, nec civile, si reus promittendi tenebatur), zur Zahlung auf eine einredebehaftete Bürgenschuld D 12.6.32.1 Iul 10 dig (fideiussor cum paciscitur, ne ab eo pecunia petatur, et per imprudentiam solverit, condicere stipulatori poterit et ideo reus quidem manet obligatus, ipse autem sua exceptione tutus est) und zur Zahlung auf eine unwirksame fideiussio D 46.1.20 Iav 13 epist (sed et si servi dominus pecuniam solverit, repetere eam non ab eo pro quo fideiussit, sed ab eo cui numeravit poterit, cum servus fideiussonis nomine obligari non possit. sequitur ergo, ut ab eo, pro quo fideiusserat, repeti non possit, cum aere alieno obligatus sit nec solutione liberari eius pecuniae nomine potuerit, cuius obligatio ad servum non pertinuit) mit D 46.1.19 Iul 4 ex Minic. Anders nur D 17.1.29.6 Ulp 7 disp: Fideiussor, si solus tempore liberatus tamen solverit creditori, recte mandati habebit actionem adversus reum: quamquam enim iam liberatus solvit, tamen fidem implevit et debitorem liberavit: si igitur paratus sit defendere reum adversus creditorem, aequissimum est mandati iudicio eum quod solvit reciperare. et ita Iuliano videtur. Wie schon Savigny System V 400 A. h wegen tempore liberatus annimmt, gehört dieser Text wahrscheinlich zur sponsio; ebenso Lenel Paling. II 413 (Ulpian 130) A. 5, Levy Sponsio 4 A. 3 und 72 f. A. 1, Donatuti Mandato I 116 f., Daube SZ 76 (1959) 187, Frezza I 163 f. und Wesener Lab. 11 (1965) 343 (zwingend ist dies allerdings nicht, denn auch die fideiussio kann befristet abgeschlossen werden). Das Fragment enthält zwei einander widersprechende Entscheidungen desselben Falls: Im ersten Teil (bis liberavit) wird ohne Einschränkung gesagt, daß der Bürge, der trotz seiner Befreiung an den Hauptschuldner zahlt, mit der actio mandati Regreß nehmen kann, weil er die fides befolgt und den Hauptschuldner befreit. Im zweiten Teil wird der Regreß – unter Berufung auf Julian – davon abhängig gemacht, daß der Bürge bereit ist, bei einer späteren Klage des Gläubigers als defensor des Hauptschuldners aufzutreten. Diese zusätzliche Rückgriffsvoraussetzung wäre überflüssig, wenn der Hauptschuldner durch die Zahlung des Bürgen befreit würde. Sie ist daher in keinem anderen Text zum Bürgenregreß belegt. Sinnvoll ist sie allerdings, wenn der Bürge den auf die nicht mehr bestehende eigene Schuld gezahlten Betrag als indebitum vom Gläubiger kondizieren kann. Denn dann bleibt der Hauptschuldner der Klage des Gläubigers ausgesetzt, so daß der Rückgriff über die actio mandati eigentlich ausscheidet. Der Bürge müßte statt dessen gegen den Gläubiger vorgehen und dieser wiederum gegen den Hauptschuldner. Diese umständliche Rückabwicklung ,übers Eck‘ kann jedoch dadurch vermieden werden, daß der Bürge in einer cautio (vgl. Bas. 14.1.29.6) verspricht, den Hauptschuldner zu defendieren, und entsprechende Sicherheiten leistet: Zum einen droht dem Hauptschuldner jetzt keine Doppelinanspruchnahme mehr (die Regreßklage ist also möglich), und zum anderen wird der Gläubiger davon abgehalten, die Hauptschuld einzuklagen. Denn als defensor kann der Bürge einer solchen Klage die exceptio doli entgegenhalten, solange er denselben Betrag mit der condictio indebiti zurückverlangen kann. Dies wiederum hindert den Bürgen daran, die condictio zu erheben und dadurch der eigenen exceptio die Grundlage zu entziehen. In genau der gleichen Funktion verwenden Julian und Ulpian die Defensionskaution auch bei der Leistung des Erbschaftsbesitzers; vgl. D 5.3.31 pr. Ulp 15 ad ed (et ideo Iulianus libro sexto digestorum scribit, ita id imputaturum possessorem, si caverit se petitorem defensum iri). Sie ist aber nur erforderlich, wenn die Zahlung des Bürgen keine befreiende Wirkung hat (vgl. sch. 33 ad Bas. 14.1.29). Der zweite Teil von fr. 29.6 steht daher im Einklang mit den übrigen Quellen zur solutio des befreiten Bürgen, er widerspricht aber dem debitorem liberavit im ersten Teil des Fragments. Dieser textimmanente Widerspruch läßt sich auch nicht dadurch beseitigen, daß man Ulpians Entscheidung – ohne jeden Hinweis im Sachverhalt – auf den Fall bezieht, daß der Bürge in Kenntnis

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den vielmehr das bloße solvere ohne klarstellende Zusätze wie pro se oder suo nomine.96 Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, daß jede solutio des vermeintlichen Bürgen die condictio indebiti begründete. Vielmehr kann mit dem bloßen solvere hier, wie auch sonst, nur die Zahlung auf eigene Schuld gemeint sein. Denn die Drittleistung auf eine bestehende Schuld kann nicht kondiziert werden97, und darum kann auch der vermeintliche Bürge, wenn er als Dritter auf die bestehende Hauptschuld zahlt, nicht mit der condictio indebiti gegen den Gläubiger vorgehen, sondern allenfalls mit der actio mandati (in factum) gegen den befreiten Hauptschuldner. Dies ist zwar nicht unmittelbar belegt, folgt aber aus den allgemeinen Regeln und wird durch ein Celsusfragment zumindest indirekt bestätigt98:

seiner Nichtschuld gezahlt und darum keine condictio gegen den Gläubiger hat; so aber etwa Daube 187 mit A. 135, Frezza 164 und Wesener 343. Denn wozu dient die Defensionskaution, wenn die condictio ausgeschlossen und der Hauptschuldner befreit ist (vgl. Donatuti 117 f.)? Dies rechtfertigt die Vermutung, daß et debitorem liberavit nicht von Ulpian selbst stammt, sondern von einem nachklassischen Bearbeiter seiner Disputationen; vgl. zu deren Textgeschichte Schulz Geschichte 305 ff. und Wieacker Textst. 385 ff. mit SZ 94 (1977) 13. Die weitergehenden Interpolationsannahmen von Beseler SZ 45 (1925) 456 und Donatuti Mandato I 116 ff. sind allerdings nicht begründet. Denn abgesehen von et debitorem liberavit geht der Text auf: Ulpian behandelt die Frage, ob dem sponsor die actio mandati (in factum) zusteht, obwohl er den Hauptschuldner nicht befreit hat. Im Gegensatz zu Javolen (D 46.1.20 Iav 13 epist) hält er den Regreß für angemessen (aequissimum est), weil die Zahlung durch die Treupflichten gegenüber dem Hauptschuldner geboten war (fidem implevit), und darum folgt er Julian, der die konstruktiven Schwierigkeiten, die sich aus dem Fortbestand der Hauptschuld ergeben, mit Hilfe einer Kautionspflicht beseitigt. 96 Die einzige Ausnahme ist servus inscio domino pro quodam fideiusserat et eo nomine pecuniam solverat in D 46.1.19 Iul 4 ex Minic. Eo nomine pecuniam solverat meint hier nicht, daß der Sklave ,auf den Namen des Hauptschuldners‘, sondern daß er ,wegen der fideiussio‘ und das heißt: auf seine eigene Bürgenschuld gezahlt hat (zu dieser Bedeutung von nomine o. § 15 A. 22). In D 12.6.59 Pap 2 def (o. A. 95) ergänzt Beseler TR 8 (1928) 322 repetenti non oberit [quod reus promittendi tenebatur: suo enim nomine solvisse videtur]; zustimmend Schwarz Grundlage 97. Das isolierte non oberit deutet zwar möglicherweise auf eine Verkürzung des Textes, Beselers – sachlich zutreffende – Ergänzung ist jedoch rein spekulativ. 97 S. o. § 11 bei A. 47 ff. 98 Ein weiterer mittelbarer Beleg ist C 4.29.9 Gord: Quamvis pro alio solvere possit mulier, tamen si praecedente obligatione, quam senatus consultum de intercessionibus efficacem esse non sinit, solutionem fecerit eius senatus consulti beneficio munitam se ignorans, locum habet repetitio. Nach diesem Reskript kann eine Frau, die für einen Dritten interzediert und anschließend in Unkenntnis der exceptio SC Vellaeani gezahlt hat, mit der condictio indebiti gegen den Gläubiger vorgehen; vgl. zu diesem Fall auch D 16.1.8.3, 10 Ulp 29 ad ed und D 16.1.24.2 Paul l s de intercess fem. Gordian beschränkt seine Entscheidung ausdrücklich auf die Zahlung praecedente obligatione und stellt zudem klar, daß eine Drittleistung nicht unter das SC fällt (quamvis pro alio solvere possit mulier); dazu bereits o. § 12 bei A. 29. Offen bleibt jedoch, ob dies auch dann gilt, wenn die Frau nach erfolgter Interzession als Dritte auf die Hauptschuld zahlt. Daher gibt das Reskript auch keine unmittelbare Auskunft darüber, wie die Drittleistung des vermeintlichen Bürgen behandelt wird. Es bestätigt aber im-

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

D 12.6.47 Cels 6 dig Indebitam pecuniam per errorem promisisti: eam qui pro te fideiusserat solvit. ego existimo, si nomine tuo solverit fideiussor, te fideiussori stipulatorem tibi obligatum fore: nec exspectandum est, ut ratum habeas quoniam potes videri id ipsum mandasse, ut tuo nomine solveretur: sin autem fideiussor suo nomine solverit quod non debebat, ipsum a stipulatore repetere posse, quoniam indebitam iure gentium pecuniam solvit: quo minus autem consequi poterit ab eo cui solvit, a te mandati iudicio consecuturum, si modo per ignorantiam petentem exceptione non summoverit.99

Auf eine Exegese dieses ebenso schwierigen wie umstrittenen Fragments100 wird hier verzichtet. Denn Celsus handelt nicht von der befreienden Drittleistung, sondern von der indebiti solutio des Bürgen101, und seine Entscheidung verspricht auch keine neuen Erkenntnisse über die Bedeutung von suo und alieno nomine solvere. An dieser Stelle genügt daher der Hinweis, daß Celsus nicht nur theoretisch, sondern auch im Ergebnis danach unterscheidet, ob der Bürge als Dritter auf die (zivilrechtlich wirksame, aber durch die exceptio doli entkräftete102) Hauptschuld zahlt oder auf die (mit derselben Einrede behaftete) merhin, daß die kondizierbare Leistung auf eine einredebehaftete Bürgenschuld grundsätzlich von der kondiktionsfesten Drittleistung unterschieden wird. 99 Übersetzung: Du hast irrtümlich nicht geschuldetes Geld stipulationsweise versprochen; der für dich gebürgt hatte, hat es gezahlt. Ich glaube, daß, wenn der Bürge auf deinen Namen gezahlt hat, du dem Bürgen und der Stipulationsgläubiger dir verpflichtet sein wird. Und es muß nicht abgewartet werden, daß du genehmigst, weil du so angesehen werden kannst, als hättest du eben den Auftrag erteilt, daß auf deinen Namen gezahlt wird. Wenn aber der Bürge auf seinen Namen gezahlt hat, was er nicht schuldete, (so glaube ich), daß er selbst vom Stipulationsgläubiger zurückfordern kann, weil er nach ius gentium nicht geschuldetes Geld gezahlt hat. Was er aber von demjenigen, an den er gezahlt hat, nicht erlangen kann, wird er von dir mit der Auftragsklage erlangen, wenn er nur aus Unwissenheit den Klagenden nicht mit einer Einrede ausgeschlossen hat. 100 Vgl. dazu vor allem Kaser (o. A. 1) 143 ff. und IG 43 ff., aber auch schon Donatuti Mandato I 91 ff., Betti Esercitazioni Romanistiche I (1930) 207 ff., Schwarz Grundlage 44 f., Schulz Iura 3 (1952) 15 ff., Watson Mandate 175 ff., Wesener Lab. 11 (1965) 345 f., Apathy 79, 84 und 85 A. 72, Scarano Ussani Valori e storia nella cultura giuridica fra Nerva e Adriano (1979) 202 ff., Didier SDHI 47 (1981) 220, MayerMaly Iura 34 (1983) 98 A. 51 und 100, Flume (o. A. 9) 88 ff., Harke 130 ff. und Fargnoli 197 ff. 101 Dazu allgemein Fargnoli 194 ff. 102 Anders Harke 132, der annimmt, daß „Celsus ausweislich von quod non debeat den Fall einer zivilrechtlich ungültigen Hauptschuld und fideiussio behandelte“, und darum nicht nur si modo per ignorantiam petentem exceptione non summoverit verdächtigt, sondern auch den Schluß zieht: „Folglich kann auch die Begründung quoniam indebitam iure gentium pecuniam solvit nicht von Celsus stammen. Denn in dem von ihm vorgestellten Fall liegt ein indebitum nicht erst wegen des ius gentium, sondern bereits nach ius civile vor.“ Bei späteren Juristen finden sich jedoch zahlreiche Beispiele dafür, daß eine prätorische Nichtschuld nicht nur wie ein indebitum behandelt, sondern auch als solches bezeichnet wird; vgl. vor allem D 12.6.26.3 Ulp 26 ad ed = vat 266 Ulp 1 ad ed de reb cred (indebitum solutum accipimus non solum si omnino non debeatur, sed et si per aliquam exceptionem peti non poterat), aber auch D 12.6.56 Pap 8 quaest, D 17.1.29 pr. Ulp 7 disp, D 23.3.78.5 Tryph 11 disp und

§ 17 Formen der solutio bei der Bürgschaft

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eigene Verbindlichkeit aus der Bürgschaft: Nur im zweiten Fall erwirbt der Bürge die condictio indebiti gegen den Gläubiger (sin autem fideiussor suo nomine solverit quod non debebat, ipsum a stipulatore repetere posse)103, im ersten kann er statt dessen mit der actio mandati (in factum) gegen den – seinerseits zur Kondiktion berechtigten – Hauptschuldner vorgehen (si nomine tuo solverit fideiussor, te fideiussori stipulatorem tibi obligatum fore).104 Dies zeigt D 24.3.41 Pap 37 quaest. Daher ist es durchaus möglich, daß bereits Celsus non debere in diesem weiten Sinn verwendet und anschließend durch das vieldiskutierte iure gentium daran erinnert, daß er nicht von einem zivilen indebitum handelt; vgl. Kaser IG 45 f. und (o. A. 1) 145 mit A. 11 gegen Schwarz Grundlage 45 f., aber auch Fargnoli 205 ff. 103 Ebenso zur condictio bei der – dort als Regelfall unterstellten – Leistung auf die eigene Bürgenschuld D 12.6.38.3 Afr 9 quaest (legati satis accepi et cum fideiussor mihi solvisset, apparuit indebitum fuisse legatum: posse eum repetere existimavit) und D 15.1.3.7 Ulp 29 ad ed; vgl. aber auch D 17.1.29 pr. Ulp 7 disp, wo nur von der – nach fr. 47 (quo minus rell.) subsidiären – Regreßklage gegen den Hauptschuldner die Rede ist. 104 Insoweit sind sich die o. A. 100 zitierten Interpreten über den Inhalt und die Authentizität des Textes einig. Nur Schulz und Flume nehmen weitergehende justinianische Textveränderungen an. Schulz schreibt die Unterscheidung si nomine tuo solverit fideiussor . . . sin autem fideiussor suo nomine solverit den Kompilatoren zu und bezieht statt dessen den ersten Teil des Fragments auf die sponsio und den zweiten auf die fideiussio. Er stützt seine Interpolationsannahme ausschließlich auf die Worte quoniam indebitam iure gentium pecuniam solvit: „Diese Begründung ist richtig, rechtfertigt aber noch nicht die condictio des F im Gegensatz zum ersten Fall (wenn F alieno nomine zahlte), denn auch dort zahlte der fideiussor ,indebitam pecuniam‘. Die Begründung ist also irreführend. Wir erschließen aus dieser im überlieferten Text verfehlten Begründung: Im klassischen Text waren zwei andere Fälle unterschieden. . . . Diese Fälle waren (was ja auch von vorn herein wahrscheinlich ist) die accessorische sponsio und die fideiussio“ (17). Schulz beschreibt zwar zutreffend, daß und warum die Interpretation des quoniam-Satzes Schwierigkeiten bereitet, seine Schlußfolgerung ist aber, wie Kaser (o. A. 1) 146 zu Recht bemerkt, „mehr eine freie Umdichtung als eine Rekonstruktion.“ Denn selbst wenn die in den Digesten überlieferte Begründung nicht aufgehen sollte (was hier nicht überprüft werden kann), so wäre dies kein Grund, die Entscheidung selbst zu verdächtigen – zumal dann, wenn sie, wie Schulz 16 einräumt, für das klassische Recht „durchaus richtig“ ist. Dies gilt erst recht für die Annahme, die Kompilatoren hätten ihr einen neuen Sachverhalt unterlegt, und die noch weitergehende Behauptung, der Text habe ursprünglich von der Unterscheidung zweier Bürgschaftsformen gehandelt, ist rein spekulativ. Den gleichen Einwänden begegnet Flumes Interpolationsvermutung. Denn auch sie stützt sich in erster Linie auf den problematischen quoniam-Satz. Flume bezieht fr. 47 ebenfalls auf die Unterscheidung zwischen sponsio und fideiussio, im Gegensatz zu Schulz nimmt er jedoch an, der erste Teil gehöre zur fideiussio und der zweite zur sponsio: Seiner Ansicht nach wird die „Erfüllung der Haftung für die Verbindlichkeit des Hauptschuldners“ durch den fideiussor als alieno nomine solvere dem suo nomine solvere des sponsor als „Erfüllung des Versprechens seiner Leistung“ (92) gegenübergestellt. Die sponsio sei spätestens von Kompilatoren durch die fideiussio ersetzt worden, und „so entstand für die fideiussio die Unterscheidung der Zahlungen des fideiussor nomine alieno oder nomine suo, wie dies dem Unterschied von sponsio und fideiussio entsprach. Nur entging dem Bearbeiter, daß allein für die fideiussio die Unterscheidung der Zahlung suo oder alieno nomine in Wirklichkeit ohne Sinn war“ (93). In der von Flume unterstellten Bedeutung sind die Wendungen suo und alieno nomine solvere jedoch nirgends

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

zum einen, daß die konstruktiven Unterschiede zwischen beiden Zahlungsweisen auch bei der solutio des vermeintlichen Bürgen beachtet werden, und läßt zum anderen den Schluß zu, daß der Bürge auch und erst recht dann keine condictio hat, wenn er als Dritter auf eine bestehende Hauptschuld leistet. 3. Während alieno nomine solvere beim Bürgen stets in seiner technischen Bedeutung verwendet wird, bezeichnet pro alio solvere häufig nicht speziell die Drittleistung, sondern die Bürgenleistung überhaupt. Der wichtigste Beleg ist105: Gai 3.127 In eo quoque par omnium causa es[t], quod si qui[d] pro [r]eo solveri[n]t, eius reciperandi causa habe[n]t106 cum eo mandati iudicium. et hoc amplius sponsores ex lege Publilia propriam habent actionem in duplum, quae appellatur depensi.107

Am Ende seiner vergleichenden Darstellung der verschiedenen Bürgschaftsformen (3.118 ff.) behandelt Gaius die Regreßklagen: Alle Stipulationsbürgen können nach der Zahlung mit der actio mandati beim Hauptschuldner Rückgriff nehmen. Wie bereits dargelegt108, ist zu diesem Zweck wahrscheinlich eine besondere in factum konzipierte Klagformel im Mandatsedikt proponiert. Mit der actio depensi steht dem sponsor außerdem noch eine eigene gesetzliche Rückgriffsmöglichkeit zur Verfügung. In dieser knappen, auf die Grundzüge beschränkten Darstellung des Bürgenregresses kann mit si quid pro reo solverint nicht (oder jedenfalls nicht nur) der belegt, und wie die Untersuchung der einschlägigen Quellen ergeben hat, ist die Unterscheidung der beiden Zahlungsweisen im klassischen Bürgschaftsrecht nicht nur mehrfach bezeugt, sondern auch sinnvoll. 105 Vgl. außerdem D 14.5.8 Paul 1 decr, D 19.2.54 pr. Paul 5 resp, D 27.7.7 Pap 3 resp, D 46.1.10.2 Ulp 7 disp, I 3.20.6 und I 4.14.4 sowie – zur Interzession im allgemeinen – D 16.1.15 Iul 51 dig. Hierher gehört – entgegen Kaser (o. A. 1) 144 A. 6 auch si fideiussor vel quis alius pro reo ante diem creditori solverit in D 46.1.31 Ulp 23 ad ed; s. u. bei A. 122. 106 Mit [] sind hier die von Krüger/Studemund und Seckel/Kübler vorgeschlagenen Emendationen gekennzeichnet. Da nicht nur qui[d] und [r]eo durch I 3.20.6 gedeckt sind, sondern auch solveri[n]t und habe[n]t mit Gai 3.126 (in eo quoque iure par condicio est omnium . . ., quod . . . possunt, . . . debeant, . . . obligantur) übereinstimmen, sind sie dem Vorschlag von Girard/Senn (si qui[d] [eorum quis] pro [r]eo solverit, eius reciperandi causa habet) überlegen. David liest statt dessen si qui[s] pro [r]eo solverit, eius reciperandi causa habet. Dadurch verliert eius jedoch das Bezugswort im Konditionalsatz. Aus dem gleichen Grund kann das qui der Veroneser Handschrift wohl auch nicht mit Goeschen/Lachmann, Böcking, Huschke und Kniep Gai. comm. III/2 22 A. 6 als substantivisch gebrauchtes Indefinitpronomen beibehalten werden, es sei denn, man ergänzt mit Nelson/Manthe 190 ff. qui [quid], was in der Sache zum gleichen Ergebnis führt wie die hier bevorzugte Lesung. 107 Übersetzung: Auch darin ist die Rechtslage aller (Stipulationsbürgen) gleich, daß sie, wenn sie etwas für den Hauptschuldner geleistet haben, um es zurückzuerhalten, die Auftragsklage gegen ihn haben. Und darüber hinaus haben die Sponsionsbürgen aus der lex Publilia eine eigene Klage auf das doppelte, die (actio) depensi genannt wird. 108 S. o. § 10 II.

§ 17 Formen der solutio bei der Bürgschaft

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Fall gemeint sein, daß der Bürge als Dritter auf die Hauptschuld leistet. Denn der Mandatsregreß findet auch und vor allem dann statt, wenn er auf seine eigene Schuld zahlt. Pro alio solvere wird hier also in einer untechnischen Bedeutung gebraucht, die (zumindest auch) die Zahlung auf die eigene Bürgenschuld umfaßt. Für sich genommen ist diese Ausdrucksweise kaum bemerkenswert. Schließlich gehört es zu den wesentlichen Eigenschaften eines Bürgen, daß er sich für einen anderen verpflichtet109, diesen anderen aber erst dadurch befreit, daß er – mit Wirkung für ihn – an den Gläubiger leistet.110 Sie fällt jedoch auf, weil pro alio solvere bei der solutio des Bürgen auch in seiner technischen Bedeutung verwendet wird und dann gerade die Unterschiede zwischen Bürgen- und Drittleistung hervorhebt: In der Regel leistet der Bürge auf seine eigene Verbindlichkeit (pro se), den Hauptschuldner befreit er dann nur mittelbar, wegen der Identität von Haupt- und Bürgenschuld. Leistet er dagegen als Dritter (pro alio), dann ist die solutio selbst der Hauptschuld zugeordnet. Der untechnische Gebrauch von pro alio solvere verwischt diese klare dogmatische Unterscheidung. Er dürfte – wie bei der adjektizischen Haftung111 – historisch zu erklären sein: Da der Bürge für eine fremde Schuld haftet und mit befreiender Wirkung für den Hauptschuldner leistet, wird seine solutio erst im Laufe der Zeit von der eines nicht verpflichteten Dritten unterschieden. Die Erkenntnis, daß auch ein Bürge als Dritter auf die Hauptschuld leisten kann, setzt den Abschluß dieser Entwicklung voraus. Während dieselbe Erkenntnis bei der solutio des adjektizisch haftenden Dritten erst seit Julian belegt ist, konnte sie bei der Bürgschaft bis in die frühklassische Zeit zurückverfolgt werden.112 Daher stellt sich hier die Frage, warum noch Gaius und selbst spätklassische Juristen113 die technische Bezeichnung der Drittleistung weiterhin für jede Form der Bürgenleistung verwenden. Die Antwort dürfte in der Formel – und vermutlich auch im Anwendungsbereich – der actio mandati in factum zu suchen sein. Denn gerade Gai 3.127 läßt

109 Vgl. nur Gai 3.115 (pro eo quoque, qui promittit, solent alii obligari, quorum alios sponsores, alios fidepromissores, alios fideiussores appellamus). Dies steht hinter pro alio solvere in D 27.7.7 Pap 3 resp, wo Papinian (oder Justinian; vgl. C 4.18.3 Iust und Kaser RP I 666 A. 67 mwN.) das beneficium divisionis der epistula Hadriani über die fideiussio hinaus auf andere Fälle erstreckt, in denen sich mehrere für die Schuld eines Dritten verpflichten: si enim quod datum pro alio solvitur, cur species actionis aequitatem divisionis excludit? 110 So unterscheidet gerade das pro alio solvere die bloß kumulativ wirkende Bürgschaft von den privativen Interzessionsformen, vgl. D 14.5.8 Paul 1 decr (quasi fideiussionem esse videri, cum pro alio solveret debitum, non pro aliis suscipit debitum) und D 16.1.15 Iul 51 dig (non enim videri potest alienam obligationem recusare . . . et ipsa . . . potius reddere cogatur quod non debitum acceperat, quam pro alio solvere). 111 S. o. § 16 bei A. 44. 112 S. o. bei A. 87. 113 Vgl. die Nachweise in A. 105.

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

auf einen ediktalen Gebrauch der Wendung pro alio solvere schließen. Dies berücksichtigt schon Kreller114 bei seiner – im übrigen auf D 17.1.6.2 Ulp 31 ad ed115 beruhenden – Rekonstruktion des klagverheißenden Edikts: ,Si quis passus est alium pro se intervenire, si quid pro eo solverit, eius reciperandi causa iudicium eo nomine dabo.‘

Aus dem gleichen Grund rekonstruiert Kaser116 die Klagformel wie folgt: ,Si paret Nm Nm passum esse Am Am pro se fideiubere (ersetzbar), si quid As As pro eo solverit, quanta pecunia Ao Ao abest, tantam pecuniam iudex Nm Nm Ao Ao condemnato, s. n. p. a.‘

Für diese Vermutung spricht vor allem, daß der untechnische Gebrauch von pro alio solvere überwiegend im Zusammenhang mit dem Bürgenregreß und damit im Anwendungsbereich der actio mandati (in factum) belegt ist.117 Auf eine entsprechende Fassung der Formel deutet außerdem D 46.1.69 Tryph 9 disp. Denn wie die Exegese dieses Fragments ergeben hat, kann Tryphonin die Zahlung quasi tutor nur dadurch unter den Tatbestand der Regreßformel subsumieren, daß er sie – mit erheblichem argumentativen Aufwand – der Zahlung quasi sponsor gleichstellt. Bei der Drittleistung des sponsor-tutor ist eine solche Gleichstellung nicht erforderlich; daß sie den Regreß begründet, wird im Vergleichsfall ohne weiteres vorausgesetzt.118 Beides wird verständlich, wenn man annimmt, daß die Klagformel ein solvere pro alio verlangt: Die Zahlung quasi tutor erfüllt diese Voraussetzung im Regelfall nicht, die Drittleistung des

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Fg. Heck, Rümelin, Schmidt (1931) 124 f., ebenso SZ 66 (1948) 63. Dazu bereits o. § 10 bei A. 21 ff. 116 (O. A. 22) 124 mit A. 165; vgl. auch A. 164 zum Verheißungsedikt. 117 Vgl. neben Gai 3.127 auch D 46.1.10.2 Ulp 7 disp, D 46.1.31 Ulp 23 ad ed, I 3.20.6 und I 4.14.4. Zur Erklärung von pro alio solvere in D 14.5.8 Paul 1 decr, D 16.1.15 Iul 51 dig und D 27.7.7 Pap 3 resp bereits o. A. 109 f. In D 19.2.54 pr. Paul 5 resp wird der Wortlaut mehrerer Kaiserkonstitutionen zitiert. 118 S. o. bei A. 21 ff. und 41 ff. Auch im ersten Teil von D 12.6.47 Cels 6 dig (s. o. bei A. 104) wird dem Bürgen die actio mandati in (factum) gewährt, obwohl er als Dritter geleistet hat. Hier kommt hinzu, daß sowohl der Haupt- als auch der Bürgenschuld die exceptio doli entgegenstand. Auf dieses Problem bezieht sich der zu Unrecht (vgl. nur Harke 131 mwN. und die beinahe wortgleiche Argumentation in D 46.3.87 Cels 20 dig und D 12.6.6 pr. Paul 3 ad Sab; dazu o. § 14 II) verdächtigte Satz nec exspectandum est, ut ratum habeas quoniam potes videri id ipsum mandasse, ut tuo nomine solveretur: Der Bürge kann unabhängig von der ratihabitio des Hauptschuldners Rückgriff nehmen, obwohl er als Dritter auf ein (prätorisches) indebitum geleistet hat. Daß dies mit einer extensiven Auslegung des der Bürgschaft zugrundeliegenden Mandats begründet wird, läßt also nicht den Schluß zu, daß der Bürgenregreß auch bei der befreienden Drittleistung auf eine bestehende (und durchsetzbare) Hauptschuld problematisch wäre. Es zeigt lediglich, daß der Rückgriff bei der Drittleistung auf ein indebitum einen besonderen Auftrag oder die nachträgliche Genehmigung des vermeintlichen Schuldners voraussetzt; vgl. D 3.5.22 Paul 20 ad ed und o. § 14 bei A. 24 f. zu D 46.3.87 Cels 20 dig und D 12.6.6 pr. Paul 3 ad Sab. 115

§ 17 Formen der solutio bei der Bürgschaft

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Bürgen läßt sich dagegen ebensogut unter diesen Begriff subsumieren wie die Zahlung auf die eigene Bürgenschuld. Die untechnische Verwendung von pro alio solvere bei der Leistung des Bürgen beruht also wahrscheinlich auf dem überkommenen Sprachgebrauch des prätorischen Edikts: Die actio mandati in factum stammt aus einer Zeit, in der Bürgen- und Drittleistung noch nicht unterschieden wurden119, und weil sie noch in der Spätklassik in Gebrauch ist120, hat sich auch die – terminologisch 119 Über den Ursprung der Klage sind nur Vermutungen möglich: Im Edikt steht sie vor der actio mandati contraria (s. o. § 10 A. 13 f.), sie scheint also älter zu sein und damit aus einer Zeit zu stammen, als dem Bürgen noch keine vertragliche Regreßklage zur Verfügung stand; so Watson Mandate 85 mwN. in A. 1, skeptisch Kaser (o. A. 22) 126. In ihren Voraussetzungen entspricht die actio in factum weitgehend der alten actio depensi des Sponsionsbürgen; vgl. vor allem Kaser 124 ff., aber auch schon Partsch Bürgschaft 274 und Kreller (o. A. 114) 123 f. Sie setzt die Zahlung des Bürgen und die – bei der sponsio stets gegebene – Duldung des Hauptschuldners voraus, aber kein ausdrückliches Mandat. Beides zusammen legt den Schluß nahe, daß sie nach dem Vorbild dieser gesetzlichen Klage eingeführt worden ist, um den übrigen Stipulationsbürgen die gleiche Rückgriffsmöglichkeit zu eröffnen wie dem sponsor, und daß sie sich erst später, durch die Aufnahme in den Ediktstitel Mandati, zu einer quasi-vertraglichen Regreßklage entwickelt hat. Dies erklärt auch, warum die spezielle actio in factum überhaupt neben der zivilen actio mandati contraria besteht; andere Erklärungen bei Kreller 123 f. (Beweiserleichterung), Kaser 125 f. mit A. 170 und 131 (wie Kreller, aber auch: Gleichstellung aller Stipulationsbürgschaften) und Wittmann in: Mandatum 50 (Unzuständigkeit der zivilen actio mandati, ähnlich Kaser RP I 580 A. 40). 120 Daß die actio in factum schon in der Spätklassik durch die reguläre Mandatsklage verdrängt wird, wie Kaser (o. A. 22) 125 f. und Watson Mandate 85 annehmen, ist unwahrscheinlich. Denn in Ulpians libri ad edictum werden die beiden Klagen noch getrennt kommentiert und im Hinblick auf ihre infamierende Wirkung klar voneinander abgegrenzt (s. o. § 10 A. 13 f. und 19). Ihre Unterscheidung dürfte vielmehr erst mit dem Ende des Formularprozesses in der Nachklassik bedeutungslos geworden sein (vgl. Frezza I 178 f.). Zwar zeigen D 50.17.60 Ulp 10 disp (semper qui non prohibet pro se intervenire, mandare creditur) und D 17.1.18 Ulp 40 ad Sab (qui patitur ab alio mandari, ut sibi credatur, mandare intellegitur), daß schon Ulpian die von der actio in factum erfaßten Fälle dem regulären Mandat gleichstellt. Diese Fragmente beweisen jedoch nicht, daß „die Juristen das pati, vielleicht gerade angeregt vom Bürgenregreß, allgemein in das mandare einbezogen“ und die Sonderklage dadurch überflüssig gemacht hätten; so aber Kaser 125 f. mit A. 176; vgl. auch Donatuti Mandato II 8 ff. mit Kreller SZ 52 (1932) 504 und Watson 61 ff. Denn als Konsensualkontrakt kann das mandatum zwar formlos abgeschlossen werden (vgl. D 17.1.1.1, 2 Paul 32 ad ed), daß die bloße Duldung – das pati oder non prohibere – als Erteilung eines Auftrags anzusehen ist, wird aber nur in den genannten Stellen gesagt. Beide behandeln den auf eine Bürgschaft (bzw. ein Kreditmandat) gerichteten Auftrag und gehören damit ebenso zum Anwendungsbereich der actio in factum, wie die übrigen § 10 A. 15 aufgeführten Texte. Für andere Arten der Geschäftsführung haben sie daher keinerlei Beweiskraft. Da sie aus dem Zusammenhang gerissen sind, belegen sie nicht einmal, daß die bloße Duldung einer Interzession die reguläre actio contraria begründet, geschweige denn, daß diese Klage die actio in factum abgelöst hätte. Näher liegt vielmehr folgende Erklärung: Wenn der Hauptschuldner mit der actio in factum haftet, dann muß er auch selbst durch eine Klage geschützt werden (vgl. zur Klage des Hauptschuldners gegen den Bürgen etwa D 17.1.8.7 Ulp 31 ad ed). Daher wird sein

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

längst überholte – ediktale Bedeutung von pro alio solvere bis in diese Zeit gehalten. In dieses Bild paßt die von Kreller aufgestellte und in dieser Arbeit verteidigte Hypothese, daß die actio mandati in factum nicht nur für die Leistung des Bürgen zuständig ist, sondern auch für die solutio eines anderen Dritten.121 Sie liefert nicht nur ein weiteres Argument für den ediktalen Gebrauch von pro alio solvere, sondern auch eine Erklärung dafür, daß Julian die Klagformel unverändert in das edictum perpetuum übernommen hat: Die zur Zeit der Ediktsredaktion längst bekannte und auch begrifflich erfaßte Unterscheidung zwischen Bürgen- und Drittleistung ist für die actio in factum ohne Bedeutung. Wenn beide Hypothesen zutreffen, das heißt: wenn die actio mandati in factum ein pro alio solvere voraussetzt und wenn sie nicht nur für die solutio des Bürgen zuständig ist, sondern auch für die Drittleistung, dann ist die ediktale Bedeutung von pro alio solvere weiter und weniger spezifisch als der technische Wortsinn bei der Drittleistung: Sie umfaßt die für einen anderen erbrachte Leistung des Dritten ebenso wie die nur für einen anderen wirkende solutio des Bürgen. Daß pro alio solvere in diesem weiten Sinn gebraucht wird, zeigt ein Ulpianfragment, das bereits in § 11 unter II 2 besprochen wurde: D 46.1.31 Ulp 23 ad ed Si fideiussor vel quis alius pro reo ante diem creditori solverit, expectare debebit diem, quo eum solvere oportuit.

Wer ante diem an den Gläubiger zahlt, kann erst dann beim Schuldner Regreß nehmen, wenn die Schuld fällig geworden wäre. Dies gilt für einen Bürgen ebenso wie für jeden Dritten. Ulpian entscheidet die beiden Fälle nicht nur gleich, er faßt sie auch sprachlich zusammen: Die einheitliche Schilderung des Sachverhalts bezieht sich sowohl auf den Bürgen als auch auf den Dritten. Dies gilt nicht nur für die Worte ante diem creditori solverit, sondern in gleicher Weise für pro reo.122 Denn dieser präpositionale Ausdruck kann nicht als Attribut zu quis alius verstanden werden. Er gehört vielmehr zum Prädikat des Satpati oder non prohibere im Rahmen der actio directa – also zu seinen Gunsten – als Mandat angesehen. 121 Vgl. Kreller (o. A. 114) 124 A. 1 mit 122 und 125 f. sowie o. § 10 II 3. 122 Anders Flume (o. A. 9) 91: „In D. 46, 1, 31 ergibt sich pro reo aus dem quis alius und besagt nicht, daß der fideiussor nicht suo nomine gezahlt hat.“ Diese Aussage richtet sich gegen Kaser (o. A. 1) 144 mit A. 6, der fr. 31 als Beispiel dafür anführt, „daß der Bürge als Drittzahler für den Hauptschuldner auftritt.“ Ulpians Lösung ist in anderen Quellen für den Fall belegt, daß der Bürge auf seine eigene Schuld zahlt (s. o. § 11 A. 31 f.). Daher besteht kein Anlaß, fr. 31 ausschließlich auf den Sonderfall zu beziehen, daß der Bürge als Dritter auf die Hauptschuld zahlt. Auch die Formulierung pro reo . . . solverit rechtfertigt Kasers Interpretation nicht. Denn in Gai 3.127 und anderen Quellen (s. o. A. 105) bezeichnet sie auch die Zahlung auf die eigene Bürgenschuld. Aus dem gleichen Grund ist ihre technische Bedeutung aber auch kein Argument für Flumes Interpretation: Die Wendung pro alio solvere wird nicht nur für die Drittleistung gebraucht, sondern auch für die solutio des Bürgen, und

§ 18 Quod quis suo nomine solvit

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zes und bezieht sich mit diesem auf beide Subjekte. Fr. 31 bezeugt also, daß die Wendung pro alio solvere in ihrer untechnischen Bedeutung sowohl die Leistung des Bürgen bezeichnet als auch die Drittleistung. Da der Text von einem Regreßproblem handelt und damit wahrscheinlich zur actio mandati in factum gehört123, bestätigt er zugleich die Vermutung, daß dieser weite Wortsinn dem überkommenen Sprachgebrauch des Edikts entspricht und deshalb neben der neuen, technischen Bedeutung Bestand hat. § 18 Quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat I. Vorbemerkungen Wer als Bürge oder adjektizisch für eine fremde Schuld haftet, kann zwar als Dritter auf diese Schuld leisten, für die Befreiung des Schuldners ist dies jedoch nicht erforderlich. Denn in beiden Fällen führt regelmäßig auch die Leistung auf die eigene Haftung zum Erlöschen der Hauptschuld. Dasselbe gilt bei der Gesamtschuld: Leistet ein Gesamtschuldner auf seine eigene Schuld1, dann werden auch die übrigen frei.2 Bei Verbalobligationen und anderen strengrechtlichen Verbindlichkeiten zeigt sich dies allerdings nur im Fall der außergerichtlichen Leistung.3 Denn hier hat auch die litis contestatio Gesamtwirkung, die Gesamtschuldner werden also schon dadurch befreit, daß der Gläubiger einen von ihnen in solidum verklagt. Diese sogenannte ,Konsumptionskonkurrenz‘4 bedaher besteht kein Grund, pro reo in fr. 31 – abweichend von seiner grammatischen Funktion – ausschließlich auf quis alius zu beziehen. 123 Wie o. § 11 bei A. 33 f. dargelegt, ist dies allerdings nicht sicher. Denn das gleiche Problem stellt sich auch bei der actio negotiorum gestorum contraria. 1 Das klarstellende suo nomine solvere findet sich nur in D 15.3.10.10 Ulp 29 ad ed (s. o. § 17 A. 57). In den übrigen Quellen steht zumeist das bloße solvere (vgl. etwa D 45.2.3.1 Ulp 47 ad Sab, D 46.3.34.11 Iul 54 dig und D 46.3.76 Mod 6 resp) oder praestare (vgl. etwa D 13.6.5.15 Ulp 28 ad ed, D 16.3.1.43 Ulp 30 ad ed und D 27.3.15 Ulp 1 disp). In D 39.3.11.1 Paul 49 ad ed bezeichnet quod sociorum nomine datum sit den nach dem Innenverhältnis auf die übrigen Gesamtschuldner entfallenden Teil (vgl. auch pro quo solvit in D 49.14.45.9 Paul 5 sent). Zur Bedeutung von si pro iudicato contutore pecuniam solvisti in C 5.58.1 Sev/Ant bereits o. § 7 bei A. 51. 2 Dazu allgemein Kaser RP I 656 ff., Liebs Konk. 247 ff. und Kunkel/Mayer-Maly 282 ff. 3 Vgl. etwa D 45.2.3.1 Ulp 47 ad Sab und I 3.16.1 zur Stipulation sowie D 30.8.1 Pomp 2 ad Sab zum Legat. 4 Dazu Levy Konk. I 48 ff., Kaser RP I 658 f., Liebs Konk. 19, 250 f. und 252 ff., Kunkel/Mayer-Maly 283 f. und Kaser/Hackl 303 f. Justinian hat diese für den Gläubiger nachteilige Regelung abgeschafft und die klassischen Texte entsprechend umarbeiten lassen; vgl. C 8.40.28 Iust, dazu Liebs 38 ff. und 60 ff. sowie Sacconi Obbl. sol. 4 ff. In einzelnen Fragmenten wie zum Beispiel D 13.1.18 Scaev 4 quaest, D 15.1.32 pr. Ulp 2 disp und D 45.2.2 Iav 3 ex Plaut ist sie jedoch erhalten geblieben.

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steht jedoch nicht in allen Gesamtschuldverhältnissen. Bei bonae fidei iudicia etwa werden die Gesamtschuldner erst dann frei, wenn der Gläubiger die geschuldete Leistung erhalten hat5; hier herrscht bloße ,Solutionskonkurrenz‘. Dasselbe gilt in einigen Fällen der deliktischen Haftung mehrerer Mittäter6, und die meisten Deliktsklagen stehen wegen ihres Strafzwecks sogar in ,kumulativer Konkurrenz‘, so daß nicht einmal die Leistung des einen Mittäters die übrigen befreit.7 Daß der Dritte den Schuldner durch die Leistung auf seine eigene Schuld befreit, ist jedoch die Ausnahme und gilt nur im Fall der Identität von eigener und fremder Schuld, dann nämlich, wenn die Verbindlichkeit des Dritten nicht nur denselben Inhalt, sondern auch denselben Grund hat wie die des Schuldners: Gesamtschuldner haften aus demselben Rechtsverhältnis, der Bürge verpflichtet sich für den Hauptschuldner, und die intentio der adjektizischen Klagen lautet auf die Schuld des Gewaltunterworfenen. So erklärt sich, daß die Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat (D 5.3.31 pr. Ulp 15 ad ed) in diesen Fällen nicht zur Anwendung kommt. Für eine andere Fallgruppe trifft sie dagegen – wie schon in den Vorüberlegungen zu diesem Kapitel erwähnt8 – uneingeschränkt zu: Wer das, was ein anderer schuldet, so leistet, als schulde er es selbst, befreit den wahren Schuldner nicht. Von einem solchen Putativschuldner handelt auch der Text, in dem die Regel überliefert ist. Ihrem Wortlaut nach gilt sie aber für jede solutio eines Dritten, und die Argumentation, daß der Schuldner verpflichtet bleibt, weil der Dritte suo nomine geleistet hat, ist nicht nur für die solutio eines Putativschuldners belegt, sondern auch noch in zwei anderen Fallgruppen. In der einen verwendet der Zahlungsbeauftragte des Schuldners das ihm überlassene Geld zur Begleichung einer eigenen Schuld, in der anderen schuldet der Dritte dem Gläubiger Schadens- oder Aufwendungsersatz in Höhe der fremden Schuld. Die hierzu überlieferten Entscheidungen sollen im folgenden (unter II und III) untersucht werden. Ziel ist es, die Tragweite der in D 5.3.31 pr. überlieferten Regel zu ermitteln und festzustellen, ob sich hinter alieno nomine (und pro alio) solvere ein echtes ,Tatbestandsmerkmal‘ der befreienden Drittleistung verbirgt: Setzt die Befreiung des 5 Vgl. etwa D 16.3.1.43 Ulp 30 ad ed (depositum), D 13.6.5.15 Ulp 28 ad ed (commodatum und locatio conductio), D 17.1.60.2 Scaev 1 resp (mandatum) und D 27.3.15 Ulp 1 disp (tutela); dazu Liebs Konk. 184 ff. und Sacconi Obbl. sol. 193 ff. gegen Levy Konk. I 194 ff., ebenso Kaser RP I 658 f. mwN. in A. 29. 6 Vgl. etwa D 4.2.14.15 Ulp 11 ad ed (actio quod metus causa) oder D 4.3.17 pr. Ulp 11 ad ed (actio de dolo) und dazu Liebs Konk. 181 ff. und 249 gegen Levy Konk. I 498 ff., II 238 ff. und III 66 ff.; zustimmend Kaser RP II 429 mit A. 35 (anders noch RP I 612). 7 Vgl. etwa D 26.7.55.1 Tryph 14 disp (actio furti) oder D 9.2.11.2 Ulp 18 ad ed (actio legis Aquiliae); dazu Levy Konk. I 476 ff., aber auch Liebs Konk. 125, 181 mit A. 292 und 239 f., der in diesen Fällen von ,Multiplikation‘ spricht, um sie von der ,Kumulation‘ mehrerer gegen dieselbe Person gerichteter Klagen zu unterscheiden. 8 S. o. § 15 bei A. 10 ff.

§ 18 Quod quis suo nomine solvit

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Schuldners zwingend voraus, daß der Dritte ausdrücklich auf fremde Schuld leistet, oder dient dies nur der Identifizierung von Schuld und Schuldner, die ersatzweise auch nach anderen Kriterien vorgenommen werden kann? II. D 46.3.17 Pomp 19 ad Sab 1. Zu den ältesten Zeugnissen für die Leistung auf fremde Schuld gehört eine Entscheidung des Cassius, die bei Pomponius überliefert ist. Sie handelt zwar vom Zahlungsauftrag, ist aber auch für das Verständnis der spontanen Drittleistung von grundlegender Bedeutung. D 46.3.17 Pomp 19 ad Sab Cassius ait, si cui pecuniam dedi, ut eam creditori meo solveret, si suo nomine dederit, neutrum liberari, me, quia non meo nomine data sit, illum, quia alienam dederit: ceterum mandati eum teneri. sed si creditor eos nummos sine dolo malo consumpsisset, is, qui suo nomine eos solvisset, liberatur, ne, si aliter observaretur, creditor in lucro versaretur.9

Ego schuldet dem creditor Geld. Er beauftragt einen Dritten mit der Bezahlung dieser Schuld und händigt ihm den dazu erforderlichen Betrag aus. Der Dritte, der dem creditor selbst in gleicher Höhe verpflichtet ist, zahlt die von Ego erhaltenen Münzen auf seine eigene Schuld. Im ersten Teil des Fragments (bis teneri) untersucht Cassius die unmittelbaren schuldrechtlichen Folgen dieser Zahlung. Seine erste Entscheidung betrifft die Verpflichtung des Ego: Sie bleibt bestehen, weil der Dritte auf seine eigene Schuld gezahlt hat. Nach der zweiten Entscheidung bleibt auch der Dritte dem creditor verpflichtet, denn er hat mit fremdem Geld gezahlt. Drittens schließlich kann Ego wegen der auftragswidrigen Verwendung des Geldes mit der actio mandati gegen den Dritten vorgehen. In der zweiten Hälfte des Textes (sed si rell.) wird der Sachverhalt weiterentwickelt: In gutem Glauben konsumiert der creditor die empfangenen Münzen, das heißt10: Er vermengt sie ununterscheidbar mit eigenem Geld. Jetzt 9 Übersetzung: Cassius sagt, wenn ich jemandem Geld gegeben habe, damit er es an meinen Gläubiger zahlt, dann werde, wenn er auf seinen Namen zahlt, keiner von beiden befreit: ich nicht, weil nicht auf meinen Namen gegeben worden ist, jener nicht, weil er fremdes (Geld) gegeben hat; außerdem hafte er mit der Auftragsklage. Aber wenn der Gläubiger diese Münzen ohne Arglist konsumiert hätte, wird derjenige, der sie auf seinen Namen gezahlt hatte, befreit, damit nicht, wenn es anders gehalten würde, der Gläubiger einen Gewinn machte. 10 Zur consumptio nummorum grundlegend Wacke Bull. 79 (1976) 51 ff. und seitdem etwa Hasler Studien zu Wesen und Wert des Geldes in der römischen Kaiserzeit von Augustus bis Severus Alexander (1980) 41 ff., Wunner Gs. Kunkel (1984) 583 ff., Bauer Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen Recht (1988) 153 ff., Flume Rechtsakt 78 ff. und Müller-Ehlen 81 ff. Auch Kaser hat seine TR 29 (1961) 197 ff. im Anschluß an Huschke Die römische Lehre vom Darlehn (1882) 50 und Burdese Riv. dir. comm. 51.1 (1953) 269 ff. entwickelte These, zur consumptio nummorum gehöre auch und vor allem die Zahlung mit fremdem Geld, später aufgegeben;

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

– so die Entscheidung – verliert er seine Forderung gegen den Dritten, weil er sonst durch die Konsumption bereichert wäre. Dieser Teil des Fragments gehört sprachlich nicht mehr zum Cassiuszitat. Er wird daher im folgenden als Pomponius’ Entscheidung bezeichnet.11 2. Im Ausgangsfall bleibt Ego verpflichtet, obwohl eine dem geschuldeten Betrag entsprechende Anzahl Münzen aus seinem Vermögen in den Besitz des creditor gelangt ist. Nach dem Zahlungsauftrag war dieses Geld sogar zur Tilgung seiner Schuld bestimmt. Es wurde aber nicht auftragsgemäß verwendet, und deshalb (quia non meo nomine data sit) schließt Cassius die Befreiung des Ego aus. Er geht also davon aus, daß der Schuldner grundsätzlich auch durch die Leistung eines Dritten befreit werden kann. Allerdings muß diese Leistung der fremden Schuld zugeordnet werden, und dafür genügt es offenbar nicht, daß der Dritte im Auftrag und mit Mitteln des Schuldners zahlt. Erforderlich ist vielmehr, daß er bei der Zahlung ausdrücklich erklärt, er wolle nicht sich selbst, sondern den Schuldner befreien. Nur eine solche Erklärung kann mit meo nomine data sit im Gegensatz zu suo nomine dederit gemeint sein. Der Ausdruck hat also dieselbe Bedeutung wie pro alio und alieno nomine solvere in den bisher behandelten Quellen. In fr. 17 zeigt sich aber zum ersten Mal, daß die Befreiung des Schuldners davon abhängt, ,auf wessen Namen‘ oder ,für wen‘ der Dritte zahlt, und gerade hier versteht sich dies nicht von selbst. Denn die Befreiung des Ego könnte auch unabhängig vom Zahlungsvorgang – nämlich mit dem Auftrag und der Herkunft der nummi – begründet werden. Cassius läßt diese Umstände außer Betracht und berücksichtigt nur, was der Dritte bei der Zahlung erklärt hat. Seine Entscheidung ist damit nicht nur ein früher Beleg für die Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat 12, sie läßt auch den Grund für ihre Anwendung erkennen: Der creditor hat vgl. SZ 96 (1979) 92 A. 6. Ihr folgt allerdings noch Manthe Die libri ex Cassio des Iavolenus Priscus (1982) 47 ff. 11 Ebenso schon Haymann Jherings Jb. 77 (1927) 191: „Die direkte Rede des SedSatzes gibt sich nur als ein Zusatz des Pomponius.“ Der Indikativ Präsens von liberatur paßt zwar auch nicht zu sed si . . . consumpsisset, is, qui . . . solvisset; dies ist jedoch kein Grund, liberari statt liberatur zu lesen. Denn dadurch würde das Problem nur verlagert: Das Cassiuszitat ist vom präsentischen ait abhängig. Die Vorzeitigkeit müßte also wie im ersten Satz durch den Konjunktiv Perfekt ausgedrückt werden, und ein Irrealis ist in der überlieferten Fassung des Textes nicht zu erklären. Denkbar ist allenfalls, daß zwischen teneri und sed ein größerer Abschnitt ausgefallen ist; so aus anderen Gründen Albanese La nozione del furtum da Nerazio a Marciano (1957) 58 f. Dort könnte von den Folgen der bösgläubigen Konsumption die Rede gewesen sein. Dies wäre eine Erklärung dafür, daß der Fall der Gutgläubigkeit im Irrealis geschildert wird, bedeutet aber nicht notwendig, daß der Schlußsatz zum Cassiuszitat gehört. Denn liberatur kann nicht nur in liberari, sondern ebensogut in liberaretur verbessert werden. Mit grammatischen Argumenten läßt sich die Entscheidung also nicht auf Cassius zurückführen; zu den sachlichen Gründen u. A. 20, 35 und 39. 12 Als solcher wird sie auch von Riccobono APal. 3/4 (1915) 250 A. 2 und MüllerEhlen 129 zitiert; vgl. außerdem Oertmann 427, Betti Appunti 289 f. und Apathy 79 f.

§ 18 Quod quis suo nomine solvit

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die Münzen auf die Schuld des Dritten verbucht und muß sie sich auf keine andere Forderung anrechnen lassen. Daß der Dritte verpflichtet bleibt, obwohl er auf seine eigene Schuld gezahlt hat, begründet Cassius mit der dinglichen Rechtslage: Der Dritte war weder Eigentümer der Münzen noch dazu ermächtigt, auf seine eigene Schuld zu zahlen.13 Als Verfügung eines Nichtberechtigten hat seine Zahlung dem creditor kein Eigentum verschafft14, und deshalb (quia alienam dederit) hat sie auch keine befreiende Wirkung.15 Denn solange dem creditor die Vindikation der Münzen droht, hat er noch nicht bekommen, was der Dritte ihm schuldet.16 Der Dritte haftet wegen der auftragswidrigen Verwendung des Geldes mit der actio mandati. Eine konkurrierende deliktische Haftung wird nicht erwähnt. Mit Albanese17 dürfte dies jedoch auf eine kompilatorische Streichung zurückzuführen sein. Dafür spricht zum einen der palingenetische Kontext18; zum anderen ist im Digestentitel De furtis (47.2) eine Entscheidung Julians zum gleichen Sachverhalt überliefert, nach der die Unterschlagung des Dritten die actio furti begründet.19 Ihretwegen konnte dieser für den Titel De solutionibus et liberatio-

13 Mit si cui pecuniam dedi, ut eam creditori meo solveret ist also keine Übereignung (von Ego an den Dritten) gemeint, sondern nur die Übergabe der Münzen verbunden mit der Ermächtigung, sie auf die Schuld des Ego an den creditor zu zahlen. Ebenso D 17.1.22.7 Paul 32 ad ed und D 47.2.52.16 Iul 37 ad ed; vgl. auch D 39.5.25 Iav 6 epist (u. bei A. 22). 14 Vgl. vor allem D 46.3.78 Iav 11 ex Cass, aber auch D 12.1.11.2 Ulp 26 ad ed und D 12.1.13 pr. Ulp 26 ad ed. In fr. 17 kommt es also nicht darauf an, daß der Dritte bösgläubig gehandelt hat; vgl. Wacke (o. A. 10) 77 f. A. 117. Auch Kaser hat seine Auffassung, die allgemeine Regel nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet (vgl. D 50.17.54 Ulp 46 ad ed) werde bei der gutgläubigen Zahlung mit fremdem Geld durchbrochen, aufgegeben (s. o. A. 10). 15 Vgl. D 12.1.14 Ulp 29 ad ed, D 12.6.26.9 Ulp 26 ad ed und D 46.3.94 pr. Pap 8 quaest zur solutio mit fremdem Geld sowie D 17.1.47.1 Pomp 3 ex Plaut zur Leistung eines fremden Sklaven. Die solutio hat auch dann keine befreiende Wirkung, wenn sie dem Gläubiger aus anderen Gründen kein Eigentum verschafft; vgl. D 26.8.9.2 Gai 12 ad ed prov (pupillus ex omnibus causis solvendo sine tutoris auctoritate nihil agit, quia nullum dominium transferre potest) mit D 12.1.19.1 Iul 10 dig und D 46.3.14.8 Ulp 30 ad Sab. 16 Diese Begründung ist zwar nicht für die solutio mit fremdem Geld überliefert, wohl aber für vergleichbare Fälle; vgl. D 46.3.20 Pomp 22 ad Sab zur solutio einer verpfändeten Sache, D 30.82 pr. Iul 33 dig zur solutio einer mit einem bedingten Vindikationslegat belasteten Sache und D 40.7.9.3 Ulp 27 ad ed zur Zahlung condicionis implendae causa mit fremdem Geld. 17 (O. A. 11) 58 f. 18 Im neunzehnten Buch ad Sabinum handelt Pomponius de furtis; vgl. Lenel Paling. II 126 ff. (Pomponius 664 bis 674). 19 D 47.2.52.16 Ulp 37 ad ed: Iulianus libro vicensimo secundo digestorum scripsit, si pecuniam quis a me acceperit, ut creditori meo solvat, deinde, cum tantam pecuniam eidem creditori deberet, suo nomine solverit, furtum eum facere. Vgl. auch D 39.5.25 Iav 6 epist (u. bei A. 22) und D 17.1.22.7 Paul 32 ad ed.

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nibus unerhebliche Gesichtspunkt in fr. 17 ohne weiteres ausgeklammert werden.20 Die zivile Rechtslage vor der Konsumption läßt sich danach wie folgt zusammenfassen: Dem creditor stehen weiterhin beide Forderungen zu, Ego ist Eigentümer der nummi geblieben, und der Dritte haftet ihm aus Mandat wie aus furtum. Auf das prätorische Recht geht Cassius nicht ein. Es ist jedoch anzunehmen, daß sowohl der Vindikation des Ego als auch der gegen ihn gerichteten Klage des creditor die exceptio doli entgegensteht.21 Für die rei vindicatio zeigt dies D 39.5.25 Iav 6 ep Si tibi dederim rem, ut Titio meo nomine donares, et tu tuo nomine eam ei dederis, an factam eius putes? respondit, si rem tibi dederim, ut Titio meo nomine donares eamque tu tuo nomine ei dederis, quantum ad iuris suptilitatem accipientis facta non est et tu furti obligares: sed benignius est, si agam contra eum qui rem accepit, exceptione doli mali me summoveri.22

In diesem Parallelfall23 wird der Eigentümer mit Hilfe der exceptio doli sogar an seiner Schenkungsabsicht festgehalten. Für die Tilgungsabsicht des Ego in D 46.3.17 kann nichts anderes gelten. Denn seiner Vindikation steht außerdem noch der dolo agit-Einwand entgegen: Ego ist weiterhin verpflichtet, den Gegenwert der Münzen an den creditor zu zahlen. Deren Vindikation verschafft 20 In D 46.3.78 Iav 11 ex Cass (u. A. 26) behandelt auch Cassius die wissentliche Zahlung mit fremdem Geld als furtum. Er wird also in der Vorlage zu fr. 17 kaum anders entschieden haben. Für Pomponius fehlen entsprechende Belege. Albanese (o. A. 11) 59 vermutet, daß er die actio furti abgelehnt und statt dessen die actio mandati vorgeschlagen habe. Die Worte ceterum mandati eum teneri seien von den Kompilatoren als Ersatz für seine kritische Stellungnahme eingefügt worden. Da sie in indirekter Rede formuliert sind, ist es jedoch wahrscheinlicher, daß die (konkurrierende) vertragliche Haftung schon bei Cassius erwähnt ist. Auch für eine Ablehnung der actio furti durch Pomponius gibt es keinen Hinweis. 21 Nach spätklassischem Recht kann auch der Dritte dem creditor die exceptio doli entgegenhalten und auf diese Weise die Rückgabe der Münzen erzwingen; vgl. D 46.3.94 pr. Pap 8 quaest und dazu Wacke (o. A. 10) 77 ff. Seine Bösgläubigkeit steht dem nicht entgegen; vgl. Wacke 80 f. mit Hinweis auf D 46.3.50 Paul 10 ad Sab. Für Pomponius und Cassius ist dieses Zurückbehaltungsrecht allerdings noch nicht belegt. 22 Übersetzung: Wenn ich dir eine Sache gegeben habe, damit du sie Titius auf meinen Namen schenkst, und wenn du sie ihm auf deinen Namen gegeben hast, meinst du, daß sie dann zu seinem Eigentum gemacht worden ist? Er hat geantwortet, wenn ich dir eine Sache gegeben habe, damit du sie Titius auf meinen Namen schenkst, und wenn du sie ihm auf deinen Namen gegeben hast, daß sie dann, was die Strenge des Zivilrechts angeht, nicht zum Eigentum des Empfängers gemacht worden ist und daß du aus Diebstahl verpflichtet bist. Aber es ist billiger, daß ich, wenn ich gegen denjenigen klage, der die Sache empfangen hat, mit der Arglisteinrede ausgeschlossen werde. 23 Dazu Eckardt 25 f., der die Echtheit des vielfach verdächtigten Schlußsatzes überzeugend verteidigt, und seitdem etwa Hausmaninger Fg. Kaser (1986) 64 oder MacCormack SDHI 52 (1986) 260.

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ihm also nur die Möglichkeit, „die Anrechnung auf seine Verbindlichkeit zu erreichen.“24 Für die persönliche Klage des creditor fehlen entsprechende Belege. Auch sie dürfte jedoch durch die exceptio doli gehemmt sein, solange Ego die der Klagesumme entsprechende Zahl an Münzen beim Kläger vindizieren kann. Kommt es also vor der Konsumption zu einem Prozeß, in dem sich der wahre Sachverhalt herausstellt, dann wird die Befreiung des Ego mit prätorischen Mitteln herbeigeführt. 3. Nach Pomponius’ Entscheidung endet dieser vorläufige Zustand, wenn der creditor die Münzen sine dolo malo konsumiert, wenn er sie also mit eigenen vermengt, ohne zu wissen, daß sie Eigentum des Ego sind. Jetzt wird der Dritte nach Zivilrecht frei (liberatur)25, weil der creditor keinen Gewinn machen soll (ne, si aliter observaretur, creditor in lucro versaretur). Diese Begründung setzt voraus, daß der creditor das Eigentum an den Münzen erworben hat und gegenüber Ego auch nicht zum Wertausgleich verpflichtet ist. Beides ist für die Zahlung mit fremdem Geld mehrfach belegt. Sie verschafft dem Empfänger zwar nicht das Eigentum, wohl aber die Möglichkeit, ,kostenlos‘ Eigentümer zu werden. Denn sobald er das fremde Geld mit eigenem vermengt, erwirbt er das ungeteilte Eigentum an der Gesamtmenge26, und wenn er in gutem Glauben 24

So die treffende Umschreibung von Apathy 86. Liberare wird zwar vereinzelt auch für die bloß exzeptionsweise Befreiung verwendet (dazu näher u. bei A. 110), in fr. 17 deutet jedoch ebensowenig auf einen solchen untechnischen Sprachgebrauch wie in den übrigen Quellen zu den schuldrechtlichen Folgen der consumptio nummorum (vgl. etwa D 12.1.19.1 Iul 10 dig, D 26.8.9.2 Gai 12 ad ed prov und D 46.3.14.8 Ulp 30 ad Sab) und der usucapio (D 17.1.47.1 Pomp 3 ex Plaut). Entgegen Solazzi estinz. 35 ff. und Wolff Iura 3 (1952) 384 ist daher von einer zivilrechtlichen Befreiung auszugehen. Dies ist heute allgemein anerkannt; vgl. nur Kaser RP I 636 mit A. 8 f., Wacke (o. A. 10) 78 mit 63 A. 58, Apathy 79 mit A. 51 und Wunner (o. A. 10) 605 (der es für wahrscheinlich hält, „daß die Gewährung der exceptio doli nach Konsumtion in der Rechtsentwicklung eine Vorstufe vor der später bejahten direkten Erfüllungswirkung gewesen ist“), aber auch schon Kretschmar 84 ff., Haymann (o. A. 11) 190 ff., Sanfilippo Condictio indebiti I (1943) 67 f., Fuchs Iusta causa traditionis in der Romanistischen Wissenschaft (1952) 223, v. Lübtow Cond. 44 mit A. 47 und Burdese (o. A. 10) 276 f. A. 25 sowie zur Ersitzung Bauer (o. A. 10) 15 mit A. 6. 26 Vgl. insbesondere D 46.3.78 Iav 11 ex Cass: Si alieni nummi inscio vel invito domino soluti sunt, manent eius cuius fuerunt: si mixti essent, ita ut discerni non possent, eius fieri qui accepit in libris Gaii scriptum est, ita ut actio domino cum eo, qui dedisset, furti competeret. Dazu vor allem Wacke (o. A. 10) 117 ff., Manthe (o. A. 10) 45 ff. und Bauer (o. A. 10) 153. Daß die Geldvermengung zum Erwerb des Eigentums führt (eius fieri qui accepit), wird nur in diesem Text ausdrücklich gesagt, und nur hier wird der Vorgang der Vermengung als (com)mixtio nummorum bezeichnet. In allen übrigen Quellen ist dagegen von der consumptio nummorum die Rede, und die dingliche Rechtsfolge wird stets aus der Sicht des bisherigen Eigentümers – als Verlust der rei vindicatio – beschrieben (vgl. etwa D 12.1.11.2 Ulp 26 ad ed, D 12.1.14 Marcell bei Ulp 29 ad ed, D 40.7.9.3 Ulp 27 ad ed oder D 46.3.14.8 Ulp 30 ad Sab). Daraus folgt jedoch nicht, daß die consumptio im Gegensatz zur (com)mixtio nummo25

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handelt, schuldet er dem früheren Eigentümer auch keinen Wertersatz.27 Er steht dann so, als wäre die Zahlung von vornherein wirksam gewesen, und wird deshalb auch schuldrechtlich so behandelt28: Der infolge der Konsumption einrum überhaupt nicht als Erwerbstatbestand verstanden würde; so aber v. Lübtow Cond. 35 f., Wunner (o. A. 10) 584 f., 595 f., 609 und Flume Rechtsakt 78 ff. Vielmehr ist mit Wacke 123 ff. und Bauer 154 ff. davon auszugehen, daß auch pecuniam consumere regelmäßig die Vermengung mit eigenem Geld bezeichnet und die in fr. 78 beschriebene Rechtsfolge (eius fieri qui accepit) auslöst. Wenn der Ausdruck nummos (com)miscere seit Cassius nicht mehr bezeugt ist, so könnte dies damit zusammenhängen, daß eine Quantitätsvindikation, wie sie etwa für die commixtio von Getreide überliefert ist (D 6.1.3.2 und 5 pr. Ulp 16 ad ed, I 2.1.28), bei der Vermengung von Geld ausgeschlossen ist: Wegen dieser unterschiedlichen Rechtsfolge wird die consumptio (nummorum) auch begrifflich von der tatbestandlich verwandten commixtio abgegrenzt. 27 Bei der gutgläubigen Konsumption fremder Münzen ist der Eigentümer als solcher weder durch eine dem § 951 BGB vergleichbare Klage noch auf andere Weise geschützt; vgl. etwa C 4.34.8 Diocl/Max (nulla actio tibi competit) oder D 40.7.9.3 Ulp 27 ad ed (si sic consumpti fuerint, ut nullo casu avelli possint) und dazu Wunner (o. A. 10) 596 f. und 600. Gegen einen bösgläubigen Konsumenten kann er allerdings weiterhin mit der actio ad exhibendum vorgehen; vgl. nur D 12.1.11.2 Ulp 26 ad ed oder I 2.8.2, dazu Fuchs (o. A. 25) 193 ff. und Wacke (o. A. 10) 117 mit A. 285 f. und 123. Dies erklärt, warum Pomponius seine Entscheidung auf die Konsumption sine dolo malo beschränkt: Nur hier besteht die Möglichkeit, daß der creditor einen ,Gewinn‘ macht. Wäre er bösgläubig, dann haftete er Ego auf den Wert der konsumierten Münzen, und die Befreiung des Dritten käme nach Pomponius’ Argumentation nicht in Betracht; vgl. Wacke 78 mit A. 120 bis 122. Statt dessen würde wohl die vor der Konsumption bestehende Rechtslage perpetuiert: Ego könnte der Klage des creditor die exceptio doli entgegenhalten oder selbst mit der actio ad exhibendum klagen und auf diese Weise seine zivilrechtliche Befreiung erzwingen. 28 Zu den schuldrechtlichen Folgen der consumptio nummorum bei Gutgläubigkeit des Konsumenten Fuchs (o. A. 25) 222 ff., Kaser TR 29 (1961) 194 ff., Wacke (o. A. 10) 59 ff. und passim, Wunner (o. A. 10) 596 ff. und vor allem Bauer (o. A. 10) 157 ff. Sie wendet sich mit Recht gegen die verbreitete Vorstellung (Nachweise 158 A. 41 und 159 A. 42) einer ,zusammengesetzten‘ oder ,gestreckten‘ datio, bei der die Hingabe der Münzen nachträglich, durch die Konsumption, ,vollendet‘ oder ,geheilt‘ wird: „Wenn ein Nichtberechtigter fremdes Geld zahlt und der Empfänger es konsumiert, dann wird die Zahlung des Nichtberechtigten nicht geheilt. Die Juristen sehen es nur so an, als sei der Eigentumserwerb des Konsumenten von dem Nichtberechtigten bewirkt worden“ (159 mit Hinweis auf Wacke 90). Besonders deutlich zeigt dies der erste Satz in D 12.1.19.1 Iul 10 dig (si pupillus sine tutoris auctoritate . . . solvendi causa dederit, consumpta pecunia . . . liberatur non alia ratione, quam quod facto eius intellegitur ad eum qui acceperit pervenisse). Die Entscheidung betrifft zwar nicht die Zahlung mit fremdem Geld, aber einen Parallelfall: Die Zahlung eines pupillus sine tutoris auctoritate verschafft dem Empfänger kein Eigentum und hat daher auch keine schuldrechtlichen Folgen. Mit der Konsumption der Münzen wird der pupillus dann jedoch frei. Nach Julians Begründung beruht dies nicht auf einer Heilung der dinglich unwirksamen datio. Der pupillus wird nur so angesehen (intellegitur), als wäre das Geld durch seine Zahlung (facto eius) in das Vermögen des Empfängers gelangt; vgl. Bauer 161 ff. Auch Wacke 61 f. sieht in der Begründung eine Fiktion, hält aber gleichzeitig an der Vorstellung einer ,gestreckten‘ datio fest. Wunner 602 f. zitiert sie als zentralen Beleg für einen ,faktischen Leistungsbegriff‘. Seiner Meinung nach werden die schuldrechtlichen Folgen der Konsumption „nicht mit dem begrifflichen Instrument der Fiktion“ (601) herbeigeführt, sondern „durch den Begriff der datio im

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getretene originäre Erwerb wird dem Nichtberechtigten zugerechnet. Er führt – je nach der causa der Zahlung – zum Erlöschen einer Schuld29, zu einem Darlehens- oder Bereicherungsanspruch30, zum Entstehen einer dos31 oder zur Befreiung eines statuliber32. Da auch furtives Geld durch Konsumption erworben werden kann, treten diese schuldrechtlichen Wirkungen selbst dann ein, wenn der Nichtberechtigte die Münzen unterschlagen oder gestohlen hat.33 Diesem Prinzip folgen alle überlieferten Entscheidungen, und schon Julian34 formuliert es als allgemeine Regel. Da ältere Belege fehlen, läßt sich allerdings nicht ausschließen, daß Cassius in der Vorlage zu fr. 17 eine abweichende Lösung vertritt.35 Pomponius jedenfalls behandelt den creditor so, als hätte er das weiteren Sinne“ (610), unter den auch die „Ausnutzung faktisch eingeräumter Dispositionsmacht mittels Komsumtion“ (602) fällt. Ähnlich wird Julians Begründung auch von Burdese (o. A. 10) 284, Kaden SZ 71 (1955) 574 und Chevallier RH 33 (1955) 400 ff. verstanden; dagegen wendet jedoch Bauer 161 (mit Wacke 61) zu Recht ein, „daß facto eius nicht die reale Übergabe des Geldes meinen kann. Denn Julian sagt ja nicht: weil das Geld facto eius, durch ein facere des Pupills, an den Empfänger gelangt ist. Julian sagt vielmehr: weil es so angesehen wird (intellegitur), als sei das Geld facto eius an den Empfänger gelangt.“ 29 So in D 12.1.14 Marcell bei Ulp 29 ad ed, D 12.1.19.1 Iul 10 dig (2. Fall) und D 46.3.94.2 Pap 8 quaest; vgl. auch D 12.1.19.1 Iul 10 dig (1. Fall), D 26.8.9.2 Gai 12 ad ed prov und D 46.3.14.8 Ulp 30 ad Sab zur consumptio nach der Zahlung des pupillus sine tutoris auctoritate sowie D 17.1.47.1 Pomp 3 ex Plaut und D 46.3.60 Paul 4 ad Plaut zu den entsprechenden Folgen bei der usucapio pro soluto; dazu Bauer (o. A. 10) 14 ff. 30 So in D 12.1.11.2 Ulp 26 ad ed, D 12.1.13 pr., 1 Ulp 26 ad ed und D 12.1.19.1 Iul 10 dig (2. Fall). Paulus vertritt hier offenbar eine Sondermeinung; vgl. D 46.1.56.2 Paul 15 quaest und dazu Schmidt-Ott 22 ff. In D 12.1.19.1 Iul 10 dig (1. Fall), D 12.1.12 Pomp 6 ex Plaut und dem beinahe wortgleichen Fragment D 44.7.24 pr. bis 2 Pomp l s reg ist auch die Darlehensabrede unwirksam, die condictio hat hier die Funktion einer Bereicherungsklage; vgl. Bauer (o. A. 10) 160 ff. mwN. 31 So in D 23.3.81 Pap 8 quaest. 32 So in D 40.7.3.9 Ulp 27 ad Sab. 33 Vgl. D 12.1.11.2 Ulp 26 ad ed, D 12.1.13 pr. Ulp 26 ad ed, D 40.7.9.3 Ulp 27 ad Sab, D 46.3.78 Iav 11 ex Cass (o. A. 26) und D 46.3.94.2 Pap 8 quaest. 34 Vgl. D 12.1.19.1 Iul 10 dig (omnino qui alienam pecuniam credendi causa dat, consumpta ea habet obligatum eum qui accepit: item qui in solutum dederit, liberabitur ab eo qui acceperit). 35 Obwohl das Zitat nur bis teneri reicht (s. o. A. 11), schreiben Haymann (o. A. 11) 191 f., Fuchs (o. A. 25) 223 und Wunner (o. A. 10) 599 auch die folgende Entscheidung Cassius zu. Dafür spricht zwar, daß seine Lösung des Falls ohne die Behandlung der Konsumptionsfolgen unvollständig wäre. Daraus folgt jedoch allenfalls, daß, aber nicht, wie Cassius diese Frage entschieden hat. Auch D 46.3.78 Iav 11 ex Cass (o. A. 26) läßt keine eindeutigen Schlüsse zu; vgl. Sargenti ED 31 (1981) 536 A. 17: Das Fragment steht zwar im Digestentitel de solutionibus et liberationibus, aber von der Befreiung des Zahlenden ist hier gerade nicht die Rede; und selbst wenn man mit Wacke (o. A. 10) 122 und Manthe (o. A. 10) 45 ff. davon ausgeht, daß Cassius sie in diesem Fall bejaht, folgt daraus nichts für seine Entscheidung in fr. 17. Denn dort kommt – wegen der besonderen Umstände des Falls – auch eine andere Lösung in Betracht (s. sogleich im Text).

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Eigentum an den Münzen unmittelbar durch die Zahlung des Dritten erworben. Er löst den Fall also wie jede andere Zahlung mit fremdem Geld. Daß er die entsprechenden allgemeinen Grundsätze anwendet, zeigt nicht nur das generalisierende is, qui . . . solvisset, sondern auch die anschließende Begründung. Denn danach gibt es nur die Alternative zwischen der Befreiung des Dritten und einem lucrum des creditor: Um zu verhindern, daß der Empfänger durch die Konsumption bereichert wird, müssen ihre Folgen zwangsläufig dem Nichtberechtigten zugerechnet werden (liberatur, ne, si aliter observaretur, creditor in lucro versaretur). Diese Argumentation stimmt zwar für den Regelfall der Zahlung mit fremdem Geld und ist für seine Lösung wohl auch entscheidend36, in fr. 17 wirkt sie aber überraschend. Denn in dem hier behandelten Sonderfall besteht noch eine andere und auf den ersten Blick angemessenere Möglichkeit, die Bereicherung des creditor zu verhindern: Statt des Dritten könnte auch Ego befreit oder zumindest weiterhin durch eine exceptio doli geschützt werden. Der Erwerb der nummi würde dann ebenfalls durch den Verlust einer Klage ausgeglichen, und dies käme nicht dem Täter, sondern dem Opfer der Unterschlagung zugute. Pomponius entscheidet also nicht nur, daß die Konsumption befreiende Wirkung hat, sondern auch und vor allem, wen sie befreit. Der ne-Satz erläutert aber nur den ersten Aspekt der Entscheidung, und zwar so, als ob sich die zweite Frage gar nicht stellte. Haymann hält ihn deshalb für interpoliert.37 Er 36 In der interpolationenkritischen Literatur wird Pomponius’ Begründung gerade wegen des ,Bereicherungsgedankens‘ vielfach verdächtigt; vgl. etwa Sanfilippo (o. A. 25) 67 f., v. Lübtow Cond. 44 f. und Wolff (o. A. 25) 384, aber auch schon Krüger SZ 27 (1906) 373 und Siber Naturalis obligatio (1925) 47 mit A. 2; zu der anders begründeten Interpolationsannahme von Haymann (o. A. 11) 191 ff. und Fuchs (o. A. 25) 223 u. bei A. 37. Noch Apathy 80 A. 52 hält es für „wenig glücklich . . ., aus dem Schluß von D. 46, 3, 17 . . . die Befreiung des (unredlichen) Beauftragten ableiten zu wollen.“ Dagegen verteidigen Wacke (o. A. 10) 78 mit A. 122, Bauer (o. A. 10) 159 und Wunner (o. A. 10) 599 f. nicht nur die Echtheit des Textes, ebenso wie Kretschmar 86 betonen sie auch die zentrale Bedeutung des ,Bereicherungsgedankens‘ für die schuldrechtlichen Wirkungen der consumptio nummorum: Er ist die einzige materielle Begründung für die Befreiung des Nichtberechtigten, die unmittelbar überliefert ist. Ein zweiter maßgeblicher Gesichtspunkt ist in D 39.6.33 Paul 4 ad Plaut (qui alienam rem mortis causa traditam usucepit, non ab eo videtur cepisse, cuius res fuisset, sed ab eo, qui occasionem usucapionis praestitisset) für die – weitgehend parallele – Lösung bei der usucapio bezeugt. Danach ist anzunehmen, daß die Konsumptionsfolgen dem Nichtberechtigten deshalb zugerechnet werden, weil er die occasio consumptionis verschafft hat; vgl. Bauer 159, 163 f. und Wunner 601 f. (dessen Argument aus D 12.1.19.1 Iul 10 dig allerdings nicht überzeugt; s. o. A. 28). Kretschmar 86 f., Haymann 190, Fuchs 223, Kaser (o. A. 28) 195 A. 85 und Wacke 78 A. 121 zitieren in diesem Zusammenhang außerdem die in D 46.3.61 Paul 5 ad Plaut überlieferte Regel in perpetuum quotiens id, quod tibi debeam, ad te pervenit et tibi nihil absit nec quod solutum est repeti possit, competit liberatio. Die Stelle gehört aber nicht zur consumptio; dazu näher unter 5. 37 (O. A. 11) 191 ff. Ihm folgen Fuchs (o. A. 25) 223, Burdese (o. A. 10) 276 mit A. 25, Albanese (o. A. 11) 59 A. 133 und in der Sache offenbar auch Apathy 80 A. 52.

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übersieht dabei jedoch, daß der Satz nicht die gesamte Begründung enthält, sondern nur ihren zweiten Schritt. Pomponius folgt nämlich der Argumentation des Cassius im Ausgangsfall: Im ne-Satz rechtfertigt er die Befreiung des Dritten, die auch Cassius an zweiter Stelle behandelt, indem er zeigt, warum der Einwand alienam dederit nach der Konsumption nicht mehr beachtet werden darf. Dabei greift er auf einen allgemeinen Gedanken zurück, weil auch Cassius’ Einwand für jede Zahlung eines Nichtberechtigten gilt. Warum die Befreiung des Ego nicht in Betracht kommt, ergibt sich dagegen bereits aus dem vorausgehenden Relativsatz (qui suo nomine eos solvisset). Hier erinnert Pomponius daran, daß der Dritte auf seine eigene Schuld gezahlt hat. Er verweist damit auf Cassius’ erste Begründung und auf deren Ratio: Nach der Konsumption wird der Fall so behandelt, als wäre die Zahlung des Dritten dinglich wirksam gewesen, und darum ist der Grundsatz quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat auch bei den Konsumptionsfolgen zu beachten. Er verhindert wie bereits in Cassius’ Entscheidung, daß der creditor seine Forderung gegen Ego verliert, ohne davon zu wissen. Dieses Ergebnis entspricht dem ,modernen‘ Grundsatz, daß ein Gutgläubiger nach Maßgabe der Rechtslage zu schützen ist, die er sich als gegeben vorstellt38: Der creditor schuldet Ego nur deshalb keinen Wertersatz, weil er die Münzen in dem Glauben konsumiert hat, er sei bereits solvendi causa Eigentümer geworden. Er muß sich darum auch so behandeln lassen, als träfe diese Vorstellung zu, das heißt: Er muß sich den originären Erwerb der Münzen auf seine Forderung anrechnen lassen. Andererseits kann der creditor aber auch nur an dem festgehalten werden, was er sich vorstellt. Sein Erwerb kann daher nur auf die Schuld des Dritten angerechnet werden. Denn bei einer Befreiung des Ego bestünde die Gefahr, daß der creditor im Vertrauen auf die Zahlung mit seiner zweiten Forderung ausfällt: Der Dritte könnte sich seinem Zugriff entziehen oder insolvent werden, bevor der wahre Sachverhalt bekannt wird. Die Interessen des Ego sind dabei immer noch ausreichend geschützt. Er hat die Auf-

Kaser (o. A. 10) 195 A. 84 hält dem entgegen, die Befreiung des Ego sei „konstruktiv schwerlich zu erreichen, zumal da Ego dem Gläubiger gegenüber ja überhaupt nicht in Erscheinung getreten ist“, zustimmend Wunner (o. A. 10) 600. Dieser Einwand überzeugt jedoch nicht. Denn es geht nicht um die Wirkung einer solutio, sondern um die Zurechnung von Konsumptionsfolgen, und hier scheidet die (zivile oder prätorische) Befreiung des Ego nicht von vornherein aus. Sie scheitert zwar letzten Endes daran, daß Ego dem Gläubiger gegenüber nicht in Erscheinung getreten ist, aber dies wird von Pomponius nicht als selbstverständlich vorausgesetzt, sondern ausdrücklich klargestellt, und hier liegt gerade die Pointe seiner Entscheidung (dazu sogleich im Text). 38 So zutreffend Wunner (o. A. 10) 600 f. mit A. 58. Er sieht darin allerdings eine eigene Ratio, die „abgesehen von dem im Text ausgedrückten Ziel, ein unangemessenes lucrum des Konsumenten zu vermeiden“ (600) zu beachten sei. Wahrscheinlich ist sie jedoch gerade der Grund dafür, daß Pomponius das lucrum des Konsumenten für unangemessen hält (dazu sogleich im Text).

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trags- und die Diebstahlsklage gegen den Dritten und trägt, wie jeder Auftraggeber und jeder Eigentümer, das Risiko ihrer Durchsetzbarkeit. Daß diese Wertungen für Pomponius’ Entscheidung maßgeblich sind, kann nach dem Wortlaut des Fragments zwar nicht mit Sicherheit bewiesen werden, anders läßt sich aber kaum erklären, warum die Konsumptionsfolgen dem Täter und nicht dem Opfer der Unterschlagung zugerechnet werden, und dies ist gerade die Pointe der Entscheidung.39 Auch die Argumente werden erst mit Hilfe der vermeintlich modernen Vorstellungen verständlich. So erschließt sich zum einen die nicht näher erläuterte Wertung ne . . . creditor in lucro versaretur: Der creditor schuldet nur deshalb keinen Wertersatz, weil er die Münzen sine dolo malo konsumiert hat, und darum darf er auch nicht besser stehen als bei einer wirksamen solutio. Ein lucrum wäre vom Zweck des Gutglaubensschutzes nicht mehr gedeckt. Für den anderen Teil der Begründung gilt dasselbe: Der Satz is, qui suo nomine eos solvisset, liberatur ist keineswegs selbstverständlich. Denn in Pomponius’ Entscheidung geht es nicht mehr um die Wirkung einer solutio, sondern um die Zurechnung von Konsumptionsfolgen.40 Hier könnten also auch Umstände außerhalb des Zahlungsvorgangs berücksichtigt werden, und auf diese Weise ließe sich leicht begründen, daß Ego anstelle des wenig schutzwürdigen Dritten befreit wird. Denn die Münzen sind aus seinem Eigentum in das des creditor gelangt, und weil er sie zur Tilgung seiner Schuld aus der Hand gegeben und dadurch ihre Konsumption ermöglicht hat, könnte ihm dies auch zugerechnet werden. Daß Pomponius allein nach der ,Tilgungsbestimmung‘ des Dritten entscheidet, kann demnach nur als Ausdruck einer Wertung verstanden werden. Als maßgeblicher Gesichtspunkt kommt dabei allein der ,moderne‘ Ge-

39 Der Fall scheint zur Illustration des Problems gebildet zu sein. Konstruiert wirkt nicht nur der Umstand, daß der Zahlungsbeauftragte selbst Schuldner des Gläubigers ist (anders Betti Appunti 289: „La fattispecie non è rara, nemmeno oggi“), für einen Schulfall spricht auch, daß der für die Konsumption grundlegende Konflikt zwischen den Interessen des gutgläubigen Konsumenten und denen des Eigentümers nur an diesem Sachverhalt illustriert werden kann. Denn im Regelfall der Zahlung mit fremdem Geld scheitert der Schutz des Eigentümers schon daran, daß das klassische Recht keine dem § 951 BGB vergleichbare Klage kennt (s. o. A. 27). Mit den bestehenden Mitteln können die Konsumptionsfolgen also von vornherein nur dem Nichtberechtigten zugerechnet werden. In Cassius’ ,Schulfall‘ ist dies anders: Hier besteht eine Möglichkeit, den Eigentümer zu schützen. Pomponius lehnt sie jedoch im Interesse des Konsumenten ab, während Cassius selbst möglicherweise eine flexiblere honorarrechtliche Lösung bevorzugt: Ego ist durch die exceptio doli geschützt, wenn auch nur, solange der creditor seine Forderung gegen den Dritten durchsetzen kann. Andernfalls ist die Erhebung der Klage nicht mehr dolos. Den der creditor hat zwar den Gegenwert seiner Forderung aus dem Vermögen des Ego erhalten, im Vertrauen darauf aber eine andere Forderung verloren. 40 Anders als die usucapio setzt die consumptio nummorum auch keinen Titel voraus; vgl. allerdings Wacke (o. A. 10) 122 mit A. 306. Ihre dingliche Wirkung wird nirgends von einer iusta causa abhängig gemacht, und darum könnten auch ihre schuldrechtlichen Folgen unabhängig von der solutio bestimmt werden.

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danke des Vertrauensschutzes in Betracht. Denn nur der creditor ist schutzwürdig, und schutzbedürftig ist er nur, weil er auf die Erklärung des Dritten vertraut. Das suo nomine solvere gibt also deshalb den Ausschlag, weil der creditor die übrigen Umstände nicht kennt. 4. In D 46.3.17 ist der Grundsatz quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat gleich doppelt belegt: Schon Cassius wendet ihn auf die solutio des Zahlungsbeauftragten an, und Pomponius erstreckt diese Entscheidung auf die Folgen der gutgläubigen Konsumption. Die Ratio ist in beiden Fällen dieselbe: Der Gläubiger darf seine Forderung gegen den Schuldner nicht verlieren, weil er die Zahlung im Vertrauen auf die Erklärung des Dritten auf dessen Namen verbucht hat. Dies wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber daraus, daß der Grundsatz auf die solutio eines Repräsentanten angewendet wird. Denn hier könnte auch auf das alieno nomine solvere verzichtet und die an sich wünschenswerte Befreiung des Schuldners statt dessen aus anderen, dem Gläubiger unbekannten Umständen abgeleitet werden: aus der Herkunft der gezahlten nummi und aus dem mandatum solvendi. Für die Drittleistung (aus eigenem Antrieb) gilt dies nicht. Sie steht in keiner äußeren Beziehung zu der fremden Schuld und kann ihr darum überhaupt nur zugeordnet werden, wenn wenigstens der Name des Schuldners bei der solutio genannt wird. Daß der Dritte alieno nomine leisten muß, folgt hier also bereits aus der Natur der Sache: Die fremde Schuld kann nur erlöschen, wenn sie identifizierbar ist. Daher verwundert es auch nicht, daß der Grundsatz quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat für diese Fälle nicht belegt ist. Rechtliche Bedeutung erlangt er nur, wenn die Leistung des Dritten in besonderer Beziehung zu einer fremden Schuld steht. Erst dann stellt sich nämlich die Frage, ob das alieno nomine solvere eine echte Voraussetzung der befreienden Drittleistung ist oder nur eine von mehreren Möglichkeiten, die fremde Schuld zu identifizieren. Weil sie von Cassius und Pomponius in dem zuerst genannten Sinn beantwortet wird, ist die in fr. 17 überlieferte Entscheidung nicht nur für den Zahlungsauftrag von Bedeutung, sondern für die Drittleistung überhaupt.

III. Deliktische und vertragliche Haftung in Höhe einer fremden Schuld 1. Ein Dritter kann nicht nur als Bürge, Gesamtschuldner, Mit- oder Nebentäter zu derselben Leistung verpflichtet sein wie der Schuldner, sondern auch ex alia causa: aus einem eigenen, von der ,Hauptschuld‘ unabhängigen Rechtsverhältnis. Er haftet dem Gläubiger dann nur in Höhe einer fremden Schuld, aber nicht für oder mit dem Schuldner.41

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

Im Deliktsrecht tritt diese Konstellation dann auf, wenn sich die Buße des Täters nach dem Betrag einer fremden Schuld berechnet. Von einem solchen Fall handelt: D 2.7.6 Ulp 35 ad ed Is qui debitorem vi exemit, si solverit, reum non liberat, quia poenam suam solvit.42

Wenn ein Dritter den in ius vocatus mit Gewalt daran hindert, vor Gericht zu erscheinen, haftet er dem Kläger als exemptor mit einer eigens für diesen Fall konzipierten Klage.43 Diese actio in factum hat keinerlei sachverfolgende Funk41 Levy Konk. I 12 ff. spricht in diesen Fällen von (passiver) ,doppelter Konkurrenz‘: der Aktionen und der (auf der Beklagtenseite) beteiligten Personen. Ob die für die Klagenkonkurrenzen geltenden Regeln auch hier Anwendung finden, erscheint jedoch äußerst zweifelhaft; vgl. die überzeugende Kritik von Liebs Konk. 19 f. Levy I 331 ff. stützt seine These vor allem auf das Verhältnis der adjektizischen Klagen zu den actiones directae, doch besteht hier wegen der identischen intentio in Wahrheit keine ,doppelte‘, sondern nur einfache, nämlich Personenkonkurrenz. Andere nicht nach prozessualen Regeln gelöste Fälle grenzt Levy I 22 f. mit A. 5, 24 ff. und Nachtr. 77 von vornherein aus. Der Begriff der passiven ,doppelten Konkurrenz‘ wird daher im folgenden vermieden. Für die Drittleistung sind zudem auch nicht alle Texte von Bedeutung, die Levy Nachtr. 1 ff. und 73 ff. unter dieser Überschrift behandelt, sondern nur diejenigen, in denen von der solutio eines ex alia causa haftenden Dritten die Rede ist. 42 Übersetzung: Wenn derjenige zahlt, der den Schuldner gewaltsam gehindert hat (scil. der Ladung des Klägers Folge zu leisten), so befreit er den Beklagten nicht, weil er seine eigene Strafe zahlt. 43 Vgl. dazu vor allem Pugliese Il processo civile romano II 1 (1963) 395 ff., Fernandez Barreiro La frustración de la comparecencia por intervención de un tercero (1972) 15 ff. und Buti Il ,praetor‘ e le formalità introduttive del processo formulare (1984) 337 ff., aber auch Lenel EP 73 f., Levy Konk. I 489, Kaser Quanti 163 f. und Kaser/Hackl 225. Die Klage steht im Edikt ,Ne quis eum qui in ius vocabitur vi eximat‘, das Ulpian im fünften Buch ad edictum kommentiert; vgl. Lenel Paling. II 438 f. (Ulpian 269 bis 271). Im 35. Buch, dem D 2.7.6 (Ulpian 1021) entnommen ist, handelt Ulpian de tutelis. Daher denkt Ehrhardt 135 A. 3 an eine Falschinskription (35 statt 5), gibt aber selbst zu bedenken, daß D 2.7.5 ebenfalls aus dem fünften Buch stammt, „mithin lex 6 der lex 5 hätte zugeschlagen werden müssen.“ Während Lenel Paling. II 667 A. 1 keinen Zusammenhang mit den übrigen Fragmenten aus dem 35. Buch feststellen kann, setzt Daube SZ 76 (1959) 150 f. D 2.7.6 in Beziehung zu D 27.6.11 (Ulpian 1017). Bei der dort behandelten actio in factum gegen den falsus tutor herrsche das ,Prinzip der veritas‘ (einklagbar ist nur ein tatsächlich entstandener Schaden), dem Ulpian in D 2.7.6 zur Illustration das ,Prinzip der poena‘ (ein Interesse des Klägers ist nicht erforderlich) gegenüberstelle. Daubes Vermutung ist jedoch nicht zwingend. Zwar ist der Gegensatz von veritas und poena bei Ulpian sowohl für die Klage gegen den exemptor belegt (D 2.7.5.1 Ulp 5 ad ed) als auch für eine Klage gegen den falsus tutor (D 27.6.7.2 Ulp 12 ad ed). Er findet sich aber weder bei der im 35. Buch kommentierten Klage, noch in D 2.7.6. Hier erwähnt Ulpian die poena nicht deshalb, weil sie unabhängig vom Schaden des Klägers berechnet wird, sondern als Argument gegen die Befreiung des Schuldners, und diese Frage kann sich bei der Klage gegen den falsus tutor nicht stellen. Wie D 46.3.95.10 Pap 28 quaest (dazu unter 3) zeigt, tritt ein ähnliches Problem aber in einem anderen Bereich des Vormundschaftsrechts auf. Daher ist es immerhin denkbar, daß D 2.7.6 zu einer fr. 95.10

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tion, sondern rein pönalen Charakter.44 Sie setzt daher auch nicht voraus, daß die Klage gegen den in ius vocatus begründet ist: Die condemnatio geht nicht auf das Interesse des Klägers, sondern auf den (einfachen) Streitwert des gewaltsam verhinderten Prozesses.45 In fr. 6 wird der in ius vocatus allerdings als debitor bezeichnet. Hier lag der vereitelten Klage also eine bestehende Forderung zugrunde. Nach deren Betrag bemißt sich auch die Buße aus der actio in factum. Der exemptor haftet damit in Höhe einer fremden Schuld. Durch seine Zahlung46 erhält der Gläubiger genau das, was der in ius vocatus schuldet. Dennoch befreit sie den Schuldner nicht. Ulpian begründet dies damit, daß der exemptor seine Buße zahlt (quia poenam suam solvit)47. Seine Entscheidung wird deshalb allgemein48 aus dem pönalen Charakter der actio in factum erklärt: Die Klage soll die Vereitelung des Prozesses bestrafen und dem Kläger Genugtuung verschaffen, sie dient aber nicht der Befriedigung des Gläubigers, und darum kann die Zahlung des exemptor auch nicht wie die eines Bürgen behandelt werden. Das Argument „die Zahlung einer Pön ist nicht Zahlung einer Schuld“49 ist zwar nur in fr. 6 belegt, dürfte aber für alle nach dem Betrag einer fremden Schuld bemessenen Deliktsbußen gelten. Widersprechende Entscheidungen, in denen die Zahlung des Täters den Schuldner nach Zivilrecht befreit, sind nicht überliefert. Die Gewährung einer exceptio doli scheint allerdings unter den spät-

entsprechenden, allerdings nicht überlieferten Entscheidung Ulpians aus dem 35. Buch ad edictum gehört. 44 Vgl. von den o. A. 43 Genannten vor allem Kaser Quanti 163 f., Pugliese 395 f., Fernandez Barreiro 39 ff. und Buti 343 ff., aber auch Pugliese RIDA 3 = Mélanges De Visscher II (1949) 266 f. Von poena spricht Ulpian nicht nur in fr. 6, sondern auch in D 2.7.3.1 und D 2.7.5.1, 2 (beide 5 ad ed). Die actio in factum weist zudem alle Merkmale einer prätorischen Strafklage auf (dazu Kaser RP I 612 f.): Sie ist passiv unvererblich, auf ein Jahr befristet, und mehrere Täter haften kumulativ (D 2.7.5.3, 4 Ulp 5 ad ed). Banden werden sogar kriminell bestraft (D 48.7.4.1 Paul 55 ad ed). 45 Vgl. D 2.7.5.1 Ulp 5 ad ed: In eum autem, qui vi exemit, in factum iudicium datur: quo non id continetur quod in veritate est, sed quanti ea res est ab actore aestimata, de qua controversia est. 46 Weil die actio in factum die Hauptklage nicht konsumiert (D 2.7.5.3 Ulp 5 ad ed), macht es keinen Unterschied, ob der Dritte außergerichtlich oder erst nach Rechtshängigkeit zahlt; vgl. Levy Konk. I 489. 47 Ähnliche Begründungen sind auch noch in einem anderem Zusammenhang überliefert: In D 27.3.1.14 Ulp 36 ad ed wird einem ex dolo communi belangten Mitvormund der Zessionsregreß gegen seine contutores versagt, quia proprii delicti poenam subit; vgl. auch D 26.7.38.2 Pap 12 quaest (cum propria cuiusque contumacia puniatur). 48 Vgl. etwa Levy Konk. I 489, Frese 447, Ehrhardt 135, Kaser Quanti 163, Daube (o. A. 43) 150, Fernandez Barreiro (o. A. 43) 36 und Buti (o. A. 43) 344 mit A. 29, aber auch Pugliese (o. A. 43) 397 (zu D 2.7.5.3 Ulp 5 ad ed). 49 Frese 447.

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klassischen Juristen umstritten zu sein: Ulpian spricht sich an anderer Stelle50 gegen eine solche ,prätorische Befreiung‘ aus, Paulus befürwortet sie51, und beide geben dabei ausdrücklich nur ihre eigene Meinung wieder. Da sie von verschiedenen Klagen handeln und weitere Quellen fehlen, läßt sich der Gegen50 D 43.5.3.15 Ulp 68 ad ed: Inde quaeritur, si hinc consecutus aestimationem legatarius postea legatum petat, an sit audiendus. et putem, si heres idem praestitit, exceptione doli repellendum, si alius, repelli non oportere. Die Stelle handelt vom interdictum de tabulis exhibendis; dazu Lenel EP 455 f., Archi Iura 20 (1969) 346 ff., Kaser RP II 484 und Marrone St. Biscardi VI (1987) 179 ff. Auf Antrag eines Legatars hatte der Prätor die Vorlage der Testamentsurkunde angeordnet. Als der Inhaber sich widersetzte, wurde er in den Schätzwert verurteilt. Da dieser Betrag nach dem Wert des Legats berechnet wird (vgl. §§ 11 bis 14 desselben Fragments, dazu Medicus 258 und Archi 352 ff.), stellt sich die Frage, ob der Legatar auch nach der Zahlung des Verurteilten noch mit Erfolg gegen den Erben vorgehen kann. Ulpian unterscheidet: Wenn der Erbe selbst aus dem Interdikt in Anspruch genommen worden ist, kann er sich im Folgeprozeß mit der exceptio doli verteidigen. Diese Möglichkeit hat er aber nicht, wenn ein Dritter als Besitzer der Testamentsurkunde gezahlt hat. Wenn sich diese Entscheidung auf ein Damnationslegat bezieht (was Ehrhardt 136 ff. bezweifelt), dann besteht in der zweiten Variante dieselbe Situation wie in D 2.7.6: Der Gläubiger hat den geschuldeten Betrag im Rahmen eines selbständigen Verfahrens von einem Dritten erhalten. Daß der Erbe trotz der Zahlung des Dritten nach Zivilrecht verpflichtet bleibt, setzt Ulpian als selbstverständlich voraus. Er geht sogar noch weiter: Die Befriedigung des Gläubigers befreit den Schuldner auch nicht nach prätorischem Recht. Dolos handelt der Gläubiger nur, wenn er den Schuldner selbst zum zweiten Mal auf denselben Betrag verklagt (vgl. Ehrhardt 135 mit Hinweis auf D 50.17.57 Gai 18 ad ed prov). Ulpian begründet seine Meinung (putem) nicht, er knüpft aber mit inde quaeritur an den vorausgehenden Text an, und dort betont er, daß der Inhaber der Urkunde eine poena contumaciae zahlt: Er wird für die Mißachtung des prätorischen Interdikts bestraft, und darum befreit seine Zahlung den Erben weder nach zivilem noch nach prätorischem Recht. 51 D 42.1.51.1 Paul 2 man: Si quis creditorem missum in possessionem rei servandae causa non admiserit, si venditor praestiterit creditori, quanti eius interfuerit, quaesitum est an debitor liberetur. et puto improbum esse eum, qui velit iterum consequi quod accepit. Wer die missio in bona behindert, haftet dem eingewiesenen Gläubiger mit einer pönalen actio factum auf das nach dem Forderungsbetrag berechnete Interesse; vgl. D 43.4.1 pr., 5 und 8 Ulp 72 ad ed und dazu Lenel EP 424 f., Solazzi Il concorso dei creditori nel diritto romano I (1937) 159 ff. und Betancourt AHDE 52 (1982) 373 ff. Paulus behandelt die Frage, ob die Zahlung auf diese Klage den Schuldner befreit. Seiner Meinung nach (puto) handelt der Gläubiger unredlich, wenn er ein zweites Mal verlangt, was er bereits erhalten hat. Frese 447 und Solazzi 164 halten diesen Satz für interpoliert: Die Befreiung des Schuldners sei wegen D 2.7.6 ausgeschlossen. Die bloß indirekt formulierte Antwort – und hier vor allem das improbum (vgl. etwa D 46.1.49 pr. Pap 27 quaest: proderit exceptio doli fideiussori propter improbitatem heredis) – zeigt jedoch, daß Paulus den Schuldner nicht nach Zivilrecht befreien, sondern nur durch eine exceptio doli (generalis) schützen will. Seine Entscheidung steht also nicht im Widerspruch zu D 2.7.6, sondern allenfalls zu D 43.5.3.15 Ulp 68 ad ed (o. A. 50). Doch läßt sich wegen D 43.4.1.5 Ulp 72 ad ed auch nicht ausschließen, daß Ulpian in fr. 51.1 ebenso entschieden hätte wie Paulus. Hinzu kommt, daß der Sachverhalt bislang noch nicht befriedigend erklärt worden ist. Unklar ist vor allem, wer auf die actio in factum gezahlt hat; vgl. dazu Lenel Paling. I 1139 A. 4 und Ehrhardt 123 f., die venditor mit Bas. 9.3.49.1 durch (bonorum) emptor ersetzen, aber auch Frese 447, Solazzi 163 ff. und Betancourt 449 ff.

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stand der Kontroverse allerdings nicht erschließen. Ein Zusammenhang mit dem Zweck der jeweiligen Deliktsklage ist aber immerhin wahrscheinlich. So deutet die Gewährung der exceptio doli auf rein sachverfolgende, ihr Ausschluß auf strafverfolgende Funktion52: Dolos ist die Klage aus der nach Zivilrecht fortbestehenden Forderung nur, wenn die Deliktsklage das Erfüllungsinteresse schützt und der Gläubiger deshalb schon durch die Zahlung des Täters befriedigt ist. Daher ist eher mit Meinungsverschiedenheiten über den Strafcharakter einzelner Klagen zu rechnen als mit einer grundsätzlichen Kontroverse darüber, ob die Zahlung eines deliktisch haftenden Dritten den Schuldner nach prätorischem Recht befreit. In fr. 6 schließt Ulpian die exceptio doli zwar nicht ausdrücklich aus, wegen des uneingeschränkten reum non liberat ist jedoch anzunehmen, daß der in ius vocatus auch nicht nach prätorischem Recht frei geworden ist. Denn andernfalls wäre die Entscheidung unvollständig und sogar irreführend formuliert.53 Aus Billigkeitsgründen ist die exceptio doli nicht erforderlich54, und der reine Strafzweck der actio in factum steht ihr sogar entgegen55: Die Bußzahlung verschafft dem Kläger keine Genugtuung, wenn sie gleichzeitig den Schuldner entlastet. Auch die ,prätorische Befreiung‘ scheitert also daran, daß der exemptor eine poena gezahlt hat. Die Begründung quia poenam suam solvit hebt aber nicht nur den Strafcharakter der actio in factum hervor, sie betont zugleich, daß der exemptor auf seine eigene Schuld geleistet hat.56 Ulpian schließt damit aus, daß der in ius vocatus im Wege der Drittleistung befreit worden ist, weshalb Solazzi57 D 2.7.6 zu den „prove piu o meno indiretto“ für die befreiende Wirkung der Drittleistung zählt. Aus dem gleichen Grund ist der Text aber auch ein mittelbarer Beleg für den Grundsatz quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat: Um den Schuldner nach Zivilrecht zu befreien, muß der Dritte auf 52 Zur Bedeutung der Konkurrenzen für die Unterscheidung von sach- und strafverfolgenden Klagen Liebs Konk. 263 ff. 53 Eine kompilatorische Kürzung ist unwahrscheinlich. Das Fragment ist zwar aus dem Zusammenhang gerissen (s. o. A. 43), für die Kompilatoren bestand aber kein Anlaß, die exceptio doli zu streichen und das Ergebnis dadurch in sein Gegenteil zu verkehren. 54 Vgl. Pugliese (o. A. 44) 267. 55 Vgl. D 2.7.5.1 Ulp 5 ad ed und D 2.7.4.1 Paul 4 ad ed gegenüber D 42.1.51.1 Paul 2 man mit D 43.4.1.5 Ulp 72 ad ed. 56 Im Sachverhalt wird nicht ausdrücklich gesagt, auf welche Schuld der exemptor leistet. Bei si solverit dürfte es sich jedoch um dieselbe verkürzte Ausdrucksweise handeln, die auch bei der Leistung des Bürgen zu beobachten war (s. o. § 17 A. 93): Das bloße solvere bezeichnet die Leistung auf eine eigene Schuld. Dafür spricht zum einen, daß der gesamte Text äußerst gedrängt formuliert ist. Ein klarstellendes pro se oder suo nomine ist aber auch deshalb entbehrlich, weil sich der exemptor – anders als ein Bürge – nicht im Wege der Drittleistung von seiner eigenen Haftung befreien kann. 57 Estinz. 50 A. 1.

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fremde Schuld leisten, es sei denn seine eigene Verbindlichkeit ist – wie etwa bei der Bürgschaft – mit der des Schuldners identisch. Darum betont Ulpian, daß er exemptor auf eigene Schuld zahlt (suam) und daß diese Schuld keinen bürgschaftsähnlichen Charakter hat (poenam). Er begründet damit in einer Art Ausschlußverfahren, daß der in ius vocatus verpflichtet bleibt, obwohl der Gläubiger einen der Schuld entsprechenden Betrag von einem Dritten erhalten hat. 2. Eine ähnliche Argumentation findet sich auch im Vertragsrecht, und zwar beim Kreditmandat. Der Auftrag, einer bestimmten Person Kredit zu gewähren, ist seit Sabinus als verbindlich anerkannt.58 Er wirkt ähnlich wie eine Bürgschaft. Denn der Darlehensgeber kann mit der actio mandati contraria vom Auftraggeber Aufwendungsersatz in Höhe des Betrags verlangen, den er in Ausführung des Kreditmandats als Darlehen ausgezahlt hat. Er hat also neben der actio certae creditae pecuniae gegen den Schuldner noch eine weitere, auf denselben Betrag gerichtete Klage gegen einen Dritten. Dabei kann er wählen, wen er zuerst in Anspruch nimmt59, und weil seine Klagen nicht in Konsumptionskonkurrenz stehen60, kann er auch nach Erhebung der Darlehensklage noch gegen den Auftraggeber vorgehen. Aus der actio mandati contraria erhält er dann jedoch nur noch den Betrag, mit dem er im ersten Prozeß ausgefallen ist.61 Denn im übrigen hat er keine erstattungsfähigen Aufwendungen mehr. Die Zahlung des Schuldners befreit also auch den Auftraggeber62, wenn auch nicht im Wege der Solutionskonkurrenz, sondern schon nach den allgemeinem Regeln des Mandats.63 Klagt der Gläubiger zuerst gegen den Auftraggeber, dann wird er im Prozeß gezwungen, seine Darlehensklage abzutreten. Diese passiv, im Wege der Retention, durchsetzbare Zessionspflicht ist seit Julian bezeugt.64 Zu der Frage, welche Folgen die Zahlung des Auftraggebers hat, ist dagegen nur Papinians Lösung überliefert. Die Quellen sind D 46.3.95.10 Pap 28 quaest (dazu unter 3) und Ulpians Bericht in

58 Vgl. nur Gai 3.156, D 17.1.6.4 Ulp 31 ad ed und D 17.1.48.1, 2 Cels 7 dig; dazu sowie zum Kreditmandat im allgemeinen Bortolucci Bull. 28 (1916) 135 ff., ArangioRuiz Mandato 118 ff., Burdese St. Arangio-Ruiz I (1953) 219 ff., Frezza I 199 ff., Litewski Bull. 78 (1975) 196 ff., Guarino Mandatum credendi (1982) 107 ff. (vgl. auch DRO 649 ff.), Wolf in: Mandatum 69 ff. und Espinoza Goedert Mandato de credito (1994) 43 ff. 59 Vgl. D 17.1.56 pr. Pap 3 resp und C 8.40.19 Diocl/Max. 60 Vgl. PS 2.17.16 und D 46.1.71 pr. Paul 4 quaest (zur Wirkung der Darlehensklage), D 46.3.95.10 Pap 28 quaest (zur Wirkung der actio mandati contraria) sowie D 46.1.13 Iul 14 dig und D 17.1.27.5 Gai 9 ad ed prov (zu beiden). 61 Vgl. D 46.1.13 Iul 14 dig und D 17.1.27.5 Gai 9 ad ed prov. 62 Vgl. dazu auch D 46.1.71 pr. Paul 4 quaest. 63 Ebenso Levy Nachtr. 1; vgl. auch Kerr Wylie 191. Entgegen Frezza I 218 wird der Auftraggeber nicht nur durch die (im bonae fidei iudicium ohnehin entbehrliche) exceptio doli geschützt. 64 Vgl. D 46.1.13 Iul 14 dig und D 17.1.27.5 Gai 9 ad ed prov.

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D 17.1.28 Ulp 14 ad ed Papinianus libro tertio quaestionum ait mandatorem debitoris solventem ipso iure reum non liberare (propter mandatum enim suum solvit et suo nomine) ideoque mandatori actiones putat adversus reum cedi debere.65

Der Auftraggeber hat – außergerichtlich oder im Rahmen der actio mandati contraria66 – gezahlt, ohne von seinem Retentionsrecht Gebrauch zu machen. Papinian löst den Fall in zwei Schritten. Zunächst entscheidet er, daß der Schuldner nach Zivilrecht verpflichtet bleibt, weil der Auftraggeber wegen des Mandats und auf eigenen Namen gezahlt hat. Die Darlehensklage besteht also trotz Zahlung fort, und nach der zweiten Entscheidung muß sie67 deshalb auch abgetreten werden. Der Zessionsanspruch des Auftraggebers wird durch die Zahlung also ebenfalls nicht beeinträchtigt. Papinian setzt sogar voraus, daß er selbständig eingeklagt werden kann. Denn eine Retention kommt nach der Zahlung nicht mehr in Betracht. Die Klagbarkeit des Zessionsanspruchs ist der eigentliche Ertrag des Textes. Schulz68 sieht darin eine Weiterentwicklung des julianischen Retentionsrechts, und auch in den anderen modernen Interpretationen steht die zweite Entscheidung ganz im Vordergrund. Ihre Ratio wird zumeist aus dem Ergebnis erschlossen: Die Klagenzession verhindert, daß der Gläubiger den Darlehensbetrag zweimal erhält. Gleichzeitig verschafft sie dem Auftraggeber die Möglichkeit, beim Schuldner Rückgriff zu nehmen. Papinian verwendet sie danach in einer doppelten Funktion: zur Regelung der Klagenkonkurrenz und als Regreßinstrument.69 65 Übersetzung: Papinian sagt im dritten Buch der Quaestionen, daß der Auftragsbürge des Schuldners, wenn er zahlt, den Hauptschuldner zivilrechtlich nicht befreit (er zahlt nämlich wegen seines Mandats und im eigenen Namen), und deshalb ist er der Meinung, daß dem Auftragsbürgen die Klagen gegen den Hauptschuldner abgetreten werden müssen. 66 In diesem Punkt ist der Sachverhalt von fr. 28 offen (anders D 46.3.95.10 Pap 28 quaest: mandatore convento et damnato). Wie in D 2.7.6 (s. o. A. 46) kommt es aber auch hier nicht darauf an, ob die Zahlung außergerichtlich oder erst im Prozeß erfolgt. Denn Auftrags- und Darlehensklage stehen nicht in Konsumptionskonkurrenz (s. o. A. 60), und darum kann der Schuldner auch im zweiten Fall allenfalls durch die solutio befreit werden. 67 Der Plural actiones könnte damit zu erklären sein, daß sich der Gläubiger die Rückzahlung des Darlehens zusätzlich hat stipulieren lassen; vgl. allerdings D 46.2.7 Pomp 24 ad Sab und dazu Apathy AN 47 ff. Denkbar ist auch, daß der Auftrag die Gewährung mehrerer Kredite oder den Abschluß eines selbständigen Zinsversprechens umfaßt. Im folgenden wird der Einfachheit halber nur von einer (Darlehens-)Forderung gesprochen. 68 SZ 27 (1906) 100; ebenso noch Seiler 161 (zu D 46.3.95.10 Pap 28 quaest) und Provera St. Sanfilippo IV (1983) 631; dagegen jedoch Bortolucci (o. A. 58) 201 ff.; wie er Espinoza Goedert (o. A. 58) 38 ff., aber auch schon Oertmann 432 f. und Hartmann 47 A. 15. 69 Vgl. vor allem Seiler 161 (zu D 46.3.95.10 Pap 28 quaest): „Es muß nun eine Doppelbefriedigung der Berechtigten, aber auch eine ungerechtfertigte Bereicherung

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Dies beschreibt allerdings nur die – interessengerechten und daher sicher auch erwünschten – Konsequenzen der Entscheidung, aber nicht ihre tragenden Gründe: Um eine Doppelbefriedigung zu verhindern, genügt es, daß sich der Schuldner nach der Zahlung des Auftraggebers mit der exceptio doli gegen die Klage des Gläubigers verteidigen kann, und genau dies setzt Papinian in der ersten Entscheidung voraus. Denn hier schließt er ausdrücklich nur die zivilrechtliche Befreiung des Schuldners aus (ipso iure reum non liberare) und bringt damit zum Ausdruck, daß der Gläubiger nach prätorischem Recht keine Ansprüche mehr geltend machen kann.70 Für eine gerechte Lösung der Klagenkonkurrenz ist die Zession also nicht erforderlich. Sie schützt allein den Auftraggeber, der unabhängig von eigenen vertraglichen Beziehungen71 mit der actio cessa beim Schuldner Rückgriff nehmen kann. Wie bereits im zweiten Kapitel dargelegt72, ist ein solcher Zessionsregreß auch für andere Fälle bezeugt, und zwar vor allem beim Rückgriff des Bürgen und beim Ausgleich unter Gesamtschuldnern. Die Zessionspflicht des Gläubigers muß in diesen Fällen allerdings erst künstlich, durch einen erzwungenen oder fingierten Klagenkauf, geschaffen werden.73 Getragen wird dieses sogenannte beneficium cedendarum actionum allein durch sein gerechtes Ergebnis: Es dient der Überleitung dinglicher Sicherheiten oder sogar der Eröffnung einer sonst nicht bestehenden Rückgriffsmöglichkeit. In fr. 28 ist dies nicht der Fall. Hier ist der Regreß zwar ebenfalls angemessen, dies ist aber nicht der tragende Grund der Entscheidung. Die Zessionspflicht des Gläubigers muß nicht erst künstlich erzeugt werden. Sie folgt vielmehr daraus, daß der Schuldner nach Zivilrecht verpflichtet bleibt: ipso iure reum non liberare . . . ideoque74 mandader letztlich Verpflichteten . . . vermieden werden.“ Den ersten Gesichtspunkt betonen Bortolucci (o. A. 58) 204 und Levy Nachtr. 1 f. und 5 (zu D 46.1.13 Iul 14 dig und D 17.1.27.5 Gai 9 ad ed prov; dagegen zutreffend Liebs Konk. 261), den zweiten Schulz (o. A. 68) 98 und 100, Burdese (o. A. 58) 241 f., Medicus Fs. Kaser (1976) 404 (zu D 46.3.95.10 Pap 28 quaest), Apathy 86 A. 74 und Provera (o. A. 68) 631. 70 Ebenso Kerr Wylie 191 A. 6 und 184 A. 4 (zu D 46.3.95.10 Pap 28 quaest), Frezza I 218, Guarino (o. A. 58) 106 und Espinoza Goedert (o. A. 58) 40 f., aber auch schon Oertmann 432 f. und Hartmann 47 A. 15. 71 Wenn der Schuldner das Kreditmandat geduldet hat, steht dem Auftraggeber die actio mandati (in factum) zu; vgl. D 17.1.10.11 Ulp 31 ad ed, D 17.1.18 Ulp 40 ad Sab, C 4.35.10 Diocl/Max, C 4.35.18 Diocl/Max und dazu Frezza I 222 ff.; zur actio mandati in factum o. § 10 II. 72 S. o. § 6 II mwN. in A. 6 ff. 73 S. o. § 6 bei A. 18 ff. 74 Dieses Wort wird von Beseler SZ 45 (1925) 465 und Solazzi estinz. 43 A. 1 zu Unrecht verdächtigt: Es ist nicht ,unlogisch‘, denn aus dem Fortbestehen der Hauptschuld folgt nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Notwendigkeit der Abtretung (dazu sogleich im Text). Ohne zusätzliche Argumente erstreckt Beseler V 82 seine Interpolationsvermutung auf den gesamten Schlußsatz. Ihm folgt Levy Nachtr. 7, weil der Satz nicht andeute, „von wem und auf welchem Weg die Abtretung erzwungen werden sollte.“

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tori actiones putat adversus reum cedi debere. Hinter dieser Argumentation steht der Grundsatz ex mandato apud eum qui mandatum suscepit nihil remanere oportet 75: Der Gläubiger muß dem Auftraggeber alles herausgeben, was er in Ausführung seines Auftrags erlangt hat, und dazu gehört die Darlehensklage gegen den Schuldner. Papinian gewährt dem Auftraggeber also kein besonderes beneficium, er zeigt vielmehr, daß sich der Zessionsanspruch bereits aus den allgemeinen Grundsätzen des Mandatsrechts ergibt. Daß er selbständig eingeklagt werden kann, versteht sich danach ebenfalls von selbst. Denn die Herausgabe des Erlangten gehört zum regelmäßigen Anwendungsbereich der actio mandati directa. Der Zessionsanspruch des Auftraggebers setzt aber nicht nur die grundsätzlich bestehende Herausgabepflicht des Beauftragten voraus, sondern auch den Fortbestand der Darlehensforderung. Der Zessionsregreß könnte also schon daran scheitern, daß der Schuldner durch die Zahlung des Auftraggebers befreit worden ist. Dasselbe Problem stellt sich auch beim beneficium cedendarum actionum des Bürgen und des Gesamtschuldners76: Ihre Zahlung befreit auch Haupt- und Mitschuldner und entzieht damit dem Zessionsregreß die Grundlage. Die Lösung ergibt sich dort wiederum erst aus den künstlich erzeugten Wirkungen des Klagenkaufs: Die Zahlung wird nicht auf die der actio cessa zugrundeliegende Forderung angerechnet, sondern auf die dem Umfang nach identische Kaufpreisforderung. Auf diese Weise wird der Gläubiger befriedigt, und seine Forderung bleibt für den Zessionsregreß erhalten. Papinians Entscheidung liegt zwar im Ergebnis ganz auf dieser Linie, sie beruht aber auf anderen Gründen: Von einem Klagenkauf ist in fr. 28 nicht die Rede.77 Hier wird weder die Zessionspflicht des Gläubigers auf eine solche Fiktion gestützt noch der Fortbestand der Forderung. Die Zessionspflicht wird vielmehr aus den Grundsätzen des Mandatsrechts entwickelt und der Fortbestand der Darlehensforderung aus den allgemeinen Regeln der solutio: Der Schuldner bleibt verpflichtet, 75 Dieser allgemeine Satz stammt aus D 17.1.20 pr. Paul 43 ad Sab. Er steht dort im Zusammenhang mit dem Kreditmandat. Daher besteht kein Anlaß, die auf Herausgabe des Erlangten gerichtete actio mandati directa gerade für diesen Fall zu leugnen (so aber Partsch Neg. gest. 61/62 A. 1 zu D 46.3.95.10 Pap 28 quaest) oder Papinians Entscheidung mit Burdese (o. A. 58) 241 f. als „una applicazione del tutto specifica dell’azione del mandante“ anzusehen. Sie beruht vielmehr auf einer allgemeinen Regel, die für das Kreditmandat ebenso gilt wie für andere Aufträge; so auch Bortolucci (o. A. 58) 203 mit A. 1 und Provera (o. A. 68) 631. 76 S. o. § 6 bei A. 25. 77 Dasselbe gilt für D 46.3.95.10 Pap 28 quaest und die übrigen Quellen zum Zessionsregreß beim Kreditmandat (s. o. A. 64). Aus diesem Grund können fr. 28 und fr. 95.10 auch nicht mit den Entscheidungen zum beneficium cedendarum actionum bei Bürgschaft und Gesamtschuld gleichgesetzt oder sogar als indirekte Belege für eine bestimmte Spielart der dort verwendeten Konstruktion eines fiktiven Klagenkaufs herangezogen werden; so aber Medicus (o. A. 69) 404 f., zutreffend dagegen Provera (o. A. 68) 631: „Nel mandato di credito, infatti, la cessio actionum assume una propria specifica fisionomia.“

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weil der Auftraggeber wegen seines Auftrags zahlt und im eigenen Namen (propter mandatum enim suum solvit et suo nomine). Wegen seiner indikativischen Fassung ist dieser eingeschobene Begründungssatz wohl Ulpian zuzuschreiben. Daß er Papinians Argumentation korrekt wiedergibt, läßt sich jedoch kaum bezweifeln.78 Ulpian faßt sie entweder nur zusammen, oder er ergänzt die in der Vorlage nicht näher erläuterte Entscheidung um eine eigene, bloß klarstellende Begründung. Für letzteres spricht, daß Ulpian ebenso argumentiert wie in D 2.7.6. Er schließt nämlich wiederum die beiden Tatbestände aus, aus denen sich die zivilrechtliche Befreiung des Schuldners ergeben könnte: Der Auftraggeber zahlt nicht als Dritter, sondern suo nomine, und seine Verbindlichkeit ist auch nicht mit der des Schuldners identisch, denn sie beruht auf dem mandatum suum. Die fehlende Identität der beiden Verbindlichkeiten ist hier allerdings nicht so offensichtlich wie in fr. 6. Denn die Klage aus dem Kreditmandat richtet sich nicht nur auf den Betrag der fremden Schuld, im Unterschied zur der rein pönalen Klage gegen den exemptor dient sie auch zu deren Sicherung. Aber trotz dieser bürgschaftsähnlichen Funktion bleibt das Kreditmandat ein selbständiger, von der ,Hauptschuld‘ unabhängiger Verpflichtungsgrund. Der Auftraggeber haftet nicht für den Schuldner auf Rückzahlung des Darlehens, sondern schuldet dem Gläubiger aus einem eigenen Rechtsverhältnis, dem mandatum suum, Aufwendungsersatz in Höhe des Darlehens.79 Daß mit seiner Zahlung das Erfüllungsinteresse des Gläubigers wegfällt, kann deswegen nur vom Prätor, durch die Gewährung einer exceptio doli, berücksichtigt werden. Die zivilrechtliche Befreiung des Schuldners scheitert nämlich daran, daß die beiden Verbindlichkeiten dem Grunde nach verschieden sind. Auch wenn er nicht wie ein Bürge für fremde Schuld haftet, kann der Auftraggeber als Dritter mit befreiender Wirkung für den Schuldner leisten. Deshalb betont Ulpian im zweiten Teil der Begründung, daß er auf seine eigene Verpflichtung aus dem Kreditmandat (suo nomine) geleistet hat und nicht etwa auf die fremde Darlehensverbindlichkeit.80 Die Unterscheidung der beiden Zahlungsweisen, die schon bei der Bürgschaft und der adjektizischen Haftung zu beobachten war, ist damit auch für das Kreditmandat bezeugt, und während sie sich dort nur in Sonderfällen auf das Ergebnis auswirkt, kommt es hier stets 78 Denn in der Sache stimmt er mit der fallvergleichenden Argumentation in D 46.3.95.10 Pap 28 quaest überein; s. u. bei A. 95. 79 Ähnlich Kerr Wylie 191 f.; vgl. außerdem Schulz (o. A. 68) 100, Bortolucci (o. A. 58) 203 f., Seiler 161, Provera (o. A. 68) und Espinoza Goedert (o. A. 58) 40 f., aber auch schon Oertmann 432 ff. mit Hartmann 47 A. 15. 80 In der Sachverhaltsschilderung wird dies noch nicht besonders hervorgehoben. Die Zahlung auf eigene Schuld wird hier – wie in D 2.7.6 (s. o. A. 56) und regelmäßig auch bei der Bürgenleistung (s. o. § 17 A. 93) – mit dem bloßen solvere bezeichnet.

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darauf an, ob der Auftraggeber suo oder alieno nomine zahlt. Seine eigene Befreiung hängt davon zwar nicht ab, denn die actio mandati contraria wird mit der Rückzahlung des Darlehens gegenstandslos und erlischt darum auch im Fall der Drittleistung. Für die Darlehensschuld gilt jedoch der Grundsatz quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat: Der Auftraggeber befreit den Schuldner nur, wenn er als Dritter auf das Darlehen zahlt. Leistet er dagegen auf seine eigene Verpflichtung aus dem Kreditmandat, so befreit er nur sich selbst, und die Darlehensforderung besteht nach Zivilrecht fort. Die praktische Bedeutung dieses Unterschieds zeigt sich beim Zessionsregreß: Die Drittleistung befreit den Schuldner ipso iure und schließt damit eine Zession der Darlehensklage aus. Bei der Zahlung suo nomine dagegen besteht die Darlehensschuld nicht nur nach Zivilrecht fort, sie kann auch für den Regreß verwendet werden. Denn nach prätorischem Recht ist der Schuldner zwar gegenüber dem Darlehensgläubiger und damit bis zur Zession geschützt, wenn aber der Auftraggeber die Darlehenssumme einklagt, dann verfolgt er ein berechtigtes Regreßinteresse und kann deshalb – im Gegensatz zu dem bereits befriedigten Gläubiger – nicht mehr mit der exceptio doli ausgeschlossen werden.81 Nach D 17.1.28 ist der Zessionsregreß beim Kreditmandat auch nach der Zahlung noch gewährleistet. Im Gegensatz zur Bürgschaft und zur Gesamtschuld muß das erwünschte Ergebnis hier nicht erst künstlich, durch die Fiktion eines Klagenkaufs, herbeigeführt werden. Es folgt vielmehr schon aus den allgemeinen Grundsätzen des Mandats und der solutio. Wie Ulpian berichtet, ist dies die Erkenntnis Papinians (Papinianus . . . ait . . . ideoque . . . putat). Daher ist mit Schulz82 anzunehmen, daß er das bei Julian belegte Retentionsrecht des Auftraggebers zu einer umfassenden Rückgriffsmöglichkeit weiterentwickelt hat. Schulz’ Behauptung, „daß erst zur Zeit Papinians das Mandat im Kreditauf81

Ebenso Kerr Wylie 184 A. 4 (zu D 46.3.95.10 Pap 28 quaest) und 321. (O. A. 68) 100. Schulz stützt seine Vermutung zu Recht darauf, daß in D 46.1.13 Iul 14 dig und in D 17.1.27.5 Gai 9 ad ed prov nur die retentionsweise durchsetzbare Zession vor der Zahlung erwähnt wird. Entgegen Medicus (o. A. 69) 403 f. kann dies nämlich nicht damit erklärt werden, daß „der Gläubiger zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr durch exceptio doli zur Zession hätte gezwungen werden können.“ Denn der Auftraggeber hat ja immer noch die actio mandati, mit der er die Herausgabe des Erlangten erzwingen kann (s. o. bei A. 75). Gegen Schulz könnte man allenfalls einwenden, daß Julian und Gaius den Zessionsregreß nach der Zahlung überhaupt nicht erwähnen und damit auch nicht ausdrücklich ausschließen. Doch in diesem Fall erscheint das argumentum e silentio zulässig. Denn in beiden Fragmenten wird die Klage gegen den Auftraggeber, die Klage gegen den Schuldner und die Zahlung des Schuldners behandelt. Zu einer vollständigen Erörterung des Verhältnisses von Kreditmandat und Darlehen fehlt nur die Zahlung des Auftraggebers. Hierzu geben die Digesten aber nur Papinians Meinung wieder, und zwar unmittelbar im Anschluß an den Gaiustext. Dies läßt den Schluß zu, daß die entsprechende Passage bei Gaius und Julian gestrichen worden ist, weil sie der von den Kompilatoren übernommenen Lösung widerspricht. Daß diese Lösung von Papinian stammt, zeigt nicht nur Ulpians Darstellung, sondern auch D 46.3.95.10 Pap 28 quaest (s. u. vor A. 96). 82

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trag scharf herausgearbeitet worden ist“83, geht aber wohl zu weit. Denn auch Julian lehnt eine Konsumption der Darlehens- durch die Auftragsklage ab84, und dies setzt bereits die klare Unterscheidung der beiden Verbindlichkeiten voraus. Papinians Leistung besteht also lediglich darin, daß er auch bei der solutio des Auftraggebers an dieser Unterscheidung festhält. Trotzdem darf sie nicht unterschätzt werden. Denn die Selbständigkeit des Kreditmandats ist seit Julian belegt und der Grundsatz quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat seit Cassius, aber erst Papinian bringt beides in Zusammenhang: Weil der Auftraggeber nicht wie ein Bürge oder ein Gesamtschuldner haftet, befreit er den Schuldner nur, wenn er als Dritter auf das Darlehen zahlt. Diese dogmatisch konsequente und daher auch unmittelbar einleuchtende Argumentation erweist sich bei näherer Betrachtung als ebenso kunstvoll wie künstlich. Denn zum einen folgt aus der Verschiedenheit von (selbständigem) Kreditmandat und (akzessorischer) Stipulationsbürgschaft keineswegs zwingend, daß die Zahlung des Auftraggebers anders zu behandeln wäre als die eines Bürgen. Die bürgschaftsähnliche Funktion des Kreditmandats steht dem sogar eher entgegen: Der Auftraggeber haftet nicht nur in Höhe des Darlehens, sondern gerade auch zu dessen Sicherung. Die Befriedigung des Gläubigers ist also der einzige Zweck seiner Haftung, und darum liegt es nahe, daß seine Zahlung den Schuldner in gleicher Weise befreit wie die eines Bürgen. Zum anderen besteht auch kein Anlaß, die Befreiung des Schuldners davon abhängig zu machen, daß der Auftraggeber alieno nomine leistet: Die Person des Schuldners und die zu tilgende Schuld werden schon durch das Kreditmandat eindeutig bestimmt, und anders als in D 46.3.17 sind sie auch dem Gläubiger bekannt, ihm kann also aus der Befreiung des Schuldners kein Nachteil entstehen. Einer ausdrücklichen Leistung auf fremde Schuld bedarf es darum nicht. Wenn Papinian trotzdem am Erfordernis des alieno nomine solvere festhält, so dient dies nur dem Zweck, die Darlehensforderung für den Zessionsregreß zu erhalten. Indem er den Grundsatz quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat auf das Kreditmandat erstreckt, verleiht er ihm also zugleich eine neue Funk83 (O. A. 68) 100; gegen ihn schon Bortolucci (o. A. 58) 201 ff. Zur Begründung verweist Schulz auf D 46.1.13 Iul 14 dig: „Für Julian ist die Mandatsbürgschaft viel mehr Bürgschaft als Mandat, daher geht denn auch sein Zweifel dahin, ob nicht etwa durch die litis contestatio mit dem Mandanten wie bei der fideiussio der Anspruch gegen den Hauptschuldner untergeht.“ Ein solcher Zweifel ist in fr. 13 aber nicht zu erkennen – im Gegenteil: Der Text zeigt, daß Julian das Kreditmandat gerade nicht als (oder auch nur wie) eine Bürgschaft behandelt. Die Entwicklung scheint gerade umgekehrt verlaufen zu sein. Das Kreditmandat wird von den klassischen Juristen im Mandatsrecht erörtert (vgl. Liebs Konk. 41 f. A. 20), und die analoge Anwendung von Bürgschaftsrecht ist erst in spätklassischen Quellen belegt; vgl. etwa D 27.7.7 Pap 3 resp mit C 4.18.3 Iust zum beneficium divisionis und D 46.1.41.1 Mod 13 resp zum beneficium cedendarum actionum bei mehreren Auftraggebern sowie die o. A. 71 aufgeführten Quellen zur actio mandati in factum. 84 D 46.1.13 Iul 14 dig (si . . . mecum mandati egeris, non liberabitur Titius).

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tion: Seine Anwendung macht ein besonderes beneficium cedendarum actionum entbehrlich. Sie ermöglicht den Zessionsregreß nach Zahlung und integriert ihn zugleich in die bestehende Dogmatik. Im palingenetischen Kontext von fr. 28 handeln Ulpian und Papinian vom receptum argentarii.85 Daher ist anzunehmen, daß sie ihre am Kreditmandat entwickelte Lösung auf dieses ebenfalls bürgschaftsähnliche Garantieversprechen86 übertragen87: Wenn der argentarius die Garantie dafür übernimmt, daß der Gläubiger die geschuldete Leistung erhält, haftet er mit der actio recepticia in Höhe einer fremden Schuld. Trotzdem befreit er den Schuldner nicht, wenn er propter receptum suum und suo nomine zahlt. Das receptum erfüllt zwar die Funktion einer (Bank-)Bürgschaft, es setzt es aber keine bestehende ,Hauptschuld‘ voraus.88 Der argentarius haftet also unabhängig vom Schuldner aus 85

Vgl. Lenel Paling. I 819 (Papinian 103) und II 492 (Ulpian 473). Zum receptum argentarii o. § 1 A. 100 ff. und u. § 25 A. 45 ff. mwN. 87 So schon Lenel SZ 2 (1880) 66 f.; zu weit gehen Kerr Wylie 191 und Levy Nachtr. 6 f. mit A. 25, die (wegen des wechselnden Gebrauchs von debitor und reus und wegen des singulären mandator debitoris) eine Interpolation annehmen und die Entscheidung ausschließlich auf das receptum argentarii beziehen; dagegen zutreffend Solazzi 47 A. 1 und Frezza I 219. Der Ausdruck mandator debitoris ist zwar auffällig, er kann aber als Hinweis darauf gedeutet werden, daß der Mandatsbürge vom Schuldner gestellt worden ist, für einen substanzverändernden kompilatorischen Eingriff gibt er dagegen nichts her. Auch Bürge SZ 104 (1987) 534 bezieht den Text auf das receptum: Der argentarius werde zwar wegen Papinians charakteristischer Kürze meist übersehen, aber „man findet ihn im zweiten, unpersönlich, passiv gewendeten Teil als Agens.“ Nach Bürge zahlt der argentarius im Auftrag des mandator die Schuld des debitor, er befreit ihn aber nicht, weil seine Zahlung wegen des Auftrags als Leistung des mandator gilt, und muß „nun Sorge tragen, daß dem mandator die Klageansprüche gegen den Schuldner abgetreten werden. Damit wendet er nicht nur die beim receptum stets lauernde Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Schuldners ab, sondern sichert dem mandator auch einen allfälligen Regreß. An dieser PapinianStelle handelt es sich demnach gerade nicht um eine Schuld des dominus, sonst wäre ja das Mandatsverhältnis ohnehin das gegebene und zudem naheliegender als der umständliche Weg über das receptum.“ Ob diese Deutung den Fall „durchsichtiger erscheinen“ läßt, wie Bürge selbst meint, ist zweifelhaft. Sie läßt sich auch nur schwer mit dem Text (mandatorem debitoris solventem, cedi debere) in Einklang bringen und geht zudem von falschen Voraussetzungen aus. Denn daß die Drittleistung keine befreiende Wirkung hat, wenn sie im Auftrag eines Vierten erfolgt, ist nirgends überliefert, und für Papinian ist sogar das Gegenteil belegt; vgl. D 17.1.53 Pap 9 quaest und dazu o. § 11 IV. 88 Vgl. C 4.18.2.1 Iust und zur Formel der actio recepticia Lenel EP 134 f. Anders beim constitutum debiti alieni: Hier verspricht der Konstituent, als Dritter auf eine fremde Schuld zu zahlen, und die actio de pecunia constituta setzt voraus, daß diese Schuld besteht (s. o. § 16 A. 34 und 37 ff.). Deshalb steht das constitutum debiti alieni – entgegen Kerr Wylie 185 ff. – der Bürgschaft näher als dem receptum: Noch Ulpian hält daran fest, daß der Schuldner frei wird, wenn der Konstituent suo nomine zahlt (vgl. D 15.3.15 Ulp 2 disp und dazu o. § 17 bei A. 52 ff.), und in D 13.5.18.3 Ulp 27 ad ed berichtet er von einer älteren Ansicht, nach der die actio de pecunia constituta sogar konsumierend wirkt: vetus fuit dubitatio, an qui hac actione egit sortis obligationem consumat. 86

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einem selbständigen Garantieversprechen. Ulpian und Papinian behandeln seine Zahlung daher nicht nach den Regeln der Bürgschaft, sondern nach dem Grundsatz quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat. Die Ratio ist dieselbe wie beim Kreditmandat: Die Forderung bleibt erhalten und steht damit für den Zessionsregreß zur Verfügung. 3. Weiteren Aufschluß gibt der zweite Beleg für Papinians Lösung: D 46.3.95.10 Pap 28 quaest Si mandatu meo Titio pecuniam credidisses, eiusmodi contractus similis est tutori et debitori pupilli: et ideo mandatore convento et damnato, quamquam pecunia soluta sit, non liberari debitorem ratio suadet, sed et praestare debet creditor actiones mandatori adversus debitorem, ut ei satisfiat. et hoc pertinet tutoris et pupilli debitoris nos fecisse comparationem: nam cum tutor pupillo tenetur ob id, quod debitorem eius non convenit, neque iudicio cum altero accepto liberatur alter nec, si damnatus tutor solverit, ea res proderit debitori: quin etiam dici solet tutelae contraria actione agendum, ut ei pupillus adversus debitores actionibus cedat.89

Der erste Teil des Fragments (bis satisfiat) handelt vom Kreditmandat. Er stimmt nicht nur im Ergebnis mit fr. 28 überein, auch der Lösungsweg ist derselbe90: Papinian entscheidet zunächst, daß die Zahlung des Auftraggebers den Schuldner nicht befreit; die Zessionspflicht des Gläubigers ist Gegenstand einer zweiten, selbständigen Entscheidung (sed et . . . debitorem), und das Ziel dieser Lösung ist der Regreß des Auftraggebers (ut ei satisfiat). Ihren Grund verdeutlicht Papinian mit einem Vergleich, den er schon im ersten Satz ankündigt und im zweiten Teil des Fragments durchführt: Zwischen Auftraggeber und Darle89 Übersetzung: Wenn du in meinem Auftrag Titius Geld dargeliehen hättest, ist ein derartiger Vertrag ähnlich (dem Verhältnis zwischen) dem Vormund und dem Schuldner des Mündels. Und deshalb rät die Vernunft, daß nach der Klage und dem Urteil gegen den Auftraggeber, obwohl das Geld gezahlt worden ist, der Schuldner nicht befreit wird. Der Gläubiger muß aber auch die Klagen gegen den Schuldner an den Auftraggeber abtreten, damit dieser befriedigt wird. Und darauf bezieht es sich, daß wir einen Vergleich zum Vormund und dem Schuldner des Mündels angestellt haben. Denn obwohl der Vormund dem Mündel deswegen haftet, weil er seinen Schuldner nicht belangt hat, wird weder der eine durch die gegen den anderen erhobene Klage befreit, noch nützt, wenn der verurteilte Vormund gezahlt hat, diese Sache dem Schuldner – ja man sagt gewöhnlich sogar, er könne mit der Gegenklage aus der Vormundschaft darauf klagen, daß ihm der Mündel die Klagen gegen die Schuldner abtritt. 90 Diese Parallele spricht gegen Beseler V 81 f. und Levy Nachtr. 7 f., die den gesamten ersten Teil für unklassisch halten. Daß er schon bei Papinian gestanden haben muß, zeigt auch der Fortgang des Fragments. Denn der folgende § 11 handelt ebenfalls vom Kreditmandat und ist ohne den ersten Teil von § 10 kaum verständlich. Die von Beseler und Levy angeführten sprachlichen Indizien (insbesondere der Übergang von Titius, tu und ego zu debitor, creditor und mandator) lassen allenfalls eine Kürzung des Textes vermuten. Seine (sachliche) Echtheit wird darum auch von Schulz (o. A. 68) 100, Burdese (o. A. 58) 241 f., Frezza I 219 f., Guarino (o. A. 58) 105 f., Provera (o. A. 68) 631 ff. und Espinoza Goedert (o. A. 58) 39 f. nicht bezweifelt und von Bortolucci (o. A. 58) 202/203 A. 1, Schwarz SZ 71 (1954) 166 f., Seiler 161 und Medicus (o. A. 69) 404 sogar ausdrücklich verteidigt.

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hensnehmer besteht ein ähnliches Verhältnis wie zwischen dem Vormund und dem Schuldner eines Mündels. Der Vormund ist verpflichtet, Forderungen seines Mündels einzuziehen. Unterläßt er dies, so haftet er auf Schadensersatz (tutor pupillo tenetur ob id, quod debitorem eius non convenit). Nach Beendigung der Tutel kann der Mündel daher nicht nur gegen den Schuldner klagen, er kann den Forderungsbetrag auch mit der actio tutelae von seinem Vormund verlangen. Die beiden Klagen stehen nicht in Konsumptionskonkurrenz (neque iudicio cum altero accepto liberatur alter), auch die Zahlung des Vormunds91 befreit den Schuldner nicht (nec, si damnatus tutor solverit, ea res proderit debitori)92, und es ist sogar anerkannt, daß sie einen mit der actio tutelae contraria durchsetzbaren Zessionsanspruch gegen den Mündel begründet (quin etiam . . . cedat).93 Die Parallele zwischen Kreditmandat und Vormundschaft erstreckt sich also auch auf die Zessionspflicht. Nach dem palingenetischen Kontext94 geht es Papinian aber in erster Linie um die Wirkung der solutio: Der Schuldner bleibt nach Zivilrecht verpflichtet, obwohl ein Dritter, der in Höhe seiner Schuld haftet, den Gläubiger befriedigt. Für den Vormund ist dies offenbar unbestritten. Daß es auch für den Auftraggeber gilt, begründet Papinian mit der Ähnlichkeit beider Fälle (similis est . . . et ideo). Den Ausschlag geben also die Gemeinsamkeiten: Auftraggeber und Vormund haften zwar in Höhe einer fremden Schuld, ihre Haftung beruht aber auf einem selbständigen Rechtsverhältnis und ist daher von der ,Hauptschuld‘ unabhängig. Die Unterschiede fallen demgegenüber nicht ins Gewicht: Anders als das Kreditmandat dient die Vormundschaft nicht zur Sicherung bestimmter Forderungen. Der Vormund haftet nur deshalb auf Scha91 Den umgekehrten Fall behandelt Papinian nicht. Die Zahlung des Schuldners wird jedoch – wie beim Kreditmandat (s. o. bei A. 62) – zugunsten des Vormunds wirken; so auch Levy Nachtr. 8. Denn anschließend hat der Mündel kein Interesse mehr, das er mit der actio tutelae geltend machen könnte. Dieses Argument (ea res tibi proderit, quia nihil petitoris interest) verwendet Papinian in § 9 desselben Fragments. Es steht dort zwar nicht im Zusammenhang mit der Haftung in Höhe einer fremden Schuld, ist aber auch in solchen Fällen belegt; vgl. etwa D 11.6.5.1 Ulp 24 ad ed (sed si nihil eius interest, condemnari mensorem non oportet). 92 Bis hierhin gilt der zweite Teil des Fragments als echt; vgl. etwa Schwarz (o. A. 90) 166 f., Levy Nachtr. 8 f., Seiler 160 ff. und sogar Beseler V 81 f. Nur Frezza I 219 hält den gesamten Vergleichsfall für eine Randglosse. 93 Die Echtheit des Schlußsatzes bezweifeln Partsch Neg. gest. 61/62 A. 1 und Beseler V 81 f. vor allem aus formalen Gründen, aber auch mit dem Argument, der Vormund könne seinen Zessionsanspruch nicht selbständig, sondern nur im Rahmen der actio directa geltend machen. Dagegen spricht jedoch D 27.4.1.4 Ulp 36 ad ed; vgl. dazu allgemein Schwarz (o. A. 90) 164 und 192 f., der auch den Schluß von fr. 95.10 in der Sache für klassisch hält (166 f.); ebenso Levy Nachtr. 8 f. und Seiler 161 f. 94 Bei Lenel Paling. I 870 steht fr. 95 (Papinian 340) unter der Überschrift De solutionibus et liberationibus, und in den §§ 3 bis 12 dieses Fragments behandelt Papinian Fälle, in denen Dritte an der Tilgung einer Obligation beteiligt oder von ihr betroffen sind.

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densersatz in Höhe einer fremden Schuld, weil er seine zur allgemeinen Vermögenssorge gehörende Inkassopflicht verletzt hat. Die fallvergleichende Begründung soll also zeigen, daß es für die zivilrechtliche Wirkung der solutio nicht auf die bürgschaftsähnliche Funktion des Kreditmandats ankommt, sondern nur auf seine Selbständigkeit gegenüber der ,Hauptschuld‘. Dem entspricht das Argument propter mandatum suum enim solvit in fr. 28. Auch der zweite Teil der Begründung (et suo nomine) hat seine Entsprechung: Papinian vergleicht nur die solutio des verurteilten Auftraggebers (mandatore convento et damnato) mit der des verurteilten Vormunds (damnatus tutor), und in diesem Zusammenhang kann mit pecunia soluta sit und solvit nur die Zahlung auf die eigene (Urteils-)Schuld gemeint sein95, ein klarstellendes suo nomine ist darum entbehrlich. Die fallvergleichende Argumentation in fr. 95.10 stimmt also in der Sache mit der abstrakten Begründung in fr. 28 überein: Der Auftraggeber haftet zwar in Höhe einer fremden Schuld, aber er befreit den Schuldner nicht, wenn er auf seine eigene Verpflichtung zahlt. Er haftet nämlich aus einem selbständigen Rechtsverhältnis, und deshalb kann seine Zahlung der Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat unterstellt werden, um die Darlehensforderung für den Zessionsregreß zu erhalten. Die Konstruktion selbst ist keine Erfindung Papinians, sondern bei der solutio des Vormunds längst gebräuchlich (dici solet). Aber nach eigener Aussage ist Papinian der erste, der sie auf die Zahlung des Auftraggebers überträgt (nos fecisse comparationem). Dies stimmt mit Ulpians Bericht in fr. 28 überein und läßt auf die ältere Rechtsauffassung zurückschließen: Schon vor Papinian genügt es für die zivile Befreiung des Schuldners nicht, daß ein Dritter dem Gläubiger das Erfüllungsinteresse ersetzt. Der Grundsatz quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat gilt also nicht nur für die Zahlung einer Deliktsbuße, sondern auch beim nichtdeliktischen Schadensersatz. Hier wird er auch schon für den Zessionsregreß des Ersatzpflichtigen genutzt. Nach dem Wortlaut von fr. 95.10 scheint dies jedoch nicht der Grund für seine Anwendung zu sein. Denn dort wird die Zessionspflicht des Mündels als etwas Ungewöhnliches dargestellt (quin etiam)96, der Fortbestand der Forderung steht 95 Auftraggeber und Vormund können ihre Haftung aus der actio mandati oder tutelae zwar auch durch eine außergerichtliche Drittleistung abwenden; nach der condemnatio schulden sie jedoch nicht mehr Aufwendungs- oder Schadensersatz, sondern das iudicatum facere (Gai 3.180), und im Rahmen der actio iudicati kann der Wegfall der Aufwendungen oder des Schadens allenfalls durch eine exceptio doli berücksichtigt werden. 96 Die mit diesen Worten angedeutete Besonderheit besteht wahrscheinlich darin, daß der Vormund nicht, wie bei der actio tutelae contraria üblich (vgl. D 27.4.1 pr., 5, 6 Ulp 36 ad ed), auf Ersatz seiner Aufwendungen klagt, sondern eine Art „Vorteilsausgleich“ (Seiler 162) verlangt. Auch hier geht es darum aber nicht um ein besonderes beneficium cedendarum actionum. Denn die Zession gehört zwar nicht zu

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aber offenbar außer Zweifel (nec . . . proderit debitori). Er beruht demnach wahrscheinlich auf eigenen, vom Regreß unabhängigen Gründen. Wegen der unterschiedlichen Behandlung des Kreditmandats ist hier vor allem an den Zweck der Ersatzpflicht zu denken: Die actio tutelae soll den Mündel so stellen, als hätte der Vormund pflichtgemäß gehandelt, und selbst wenn dieses Interesse zufällig mit dem Betrag einer fremden Schuld übereinstimmt, behält sie den Charakter einer Schadensersatzklage.97 Für das Kreditmandat gilt dies nicht. Denn der Auftraggeber haftet nicht zufällig in Höhe einer fremden Schuld, er hat sich vielmehr eigens zu deren Sicherung verpflichtet. Dies erklärt, warum seine Zahlung zunächst anders behandelt wird als die des Vormunds: Das ältere Recht unterscheidet hier nach dem Zweck der Leistung. Haftet der Dritte zur Sicherung einer fremden Schuld, dann hängt die Befreiung des Schuldners nicht davon ab, ob er suo oder alieno nomine zahlt. Denn auch im ersten Fall dient seine Zahlung der Befriedigung des Gläubigers. Dies gilt sowohl für die Bürgschaft als auch für die bürgenähnliche Haftung aus Kreditmandat und receptum argentarii, aber nicht für bloße Schadensersatzverpflichtungen wie die aus der actio tutelae. In fr. 95.10 verschiebt sich diese Unterscheidung. Papinian stellt die Gemeinsamkeiten zwischen Kreditmandat und Vormundschaft in den Vordergrund. Er fragt also nicht mehr nach dem Zweck der Verbindlichkeit, sondern danach, ob sie auf einem eigenen, der fremden Schuld gegenüber selbständigen Rechtsverhältnis beruht. Durch diese rein konstruktive Betrachtungsweise ändert sich die Lösung beim Kreditmandat und beim receptum. Auch hier kommt jetzt der Grundsatz quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat zur Anwendung. Dabei geht es aber nicht mehr um die Befriedigung des Gläubigers, sondern nur noch um das Interesse des Leistenden, ut ei satisfiat. 4. Zur Zahlung des Auftraggebers sind keine weiteren Entscheidungen überliefert. Daher läßt sich nicht ausschließen, daß Papinians Lösung von anderen spätklassischen Juristen bestritten wird. Sicher ist nur, daß Ulpian ihr folgt. Auch die aus D 17.1.28 und D 46.3.95.10 erschlossene ältere Rechtsauffassung ist nicht unmittelbar belegt. Die Überlieferung zum Schadensersatz in Höhe einer fremden Schuld ist kaum besser. Auch hier ist fr. 95.10 die wichtigste Quelle. Doch gibt Papinian zu dieser Frage nicht nur seine eigene Meinung wieder, sondern die – jedenfalls zu seiner Zeit – allgemein anerkannte Lösung. Sie betrifft zwar nur die Ersatzpflicht des Vormunds, es gibt aber keinen Grund den typischen Gegenständen der actio tutelae contraria, sie ist aber nach den Maßstäben der bona fides geboten (vgl. etwa D 19.2.24.8 Paul 34 ad ed, D 19.2.60.2 Lab 5 post a Iav epit und D 42.1.12 Marcell 4 dig), weil es keinen Grund gibt, den Vormund zu ,bestrafen‘; anders bei der gesamtschuldnerischen Haftung in D 26.7.38.2 Pap 12 quaest und D 27.3.1.14 Ulp 36 ad ed, wo der Ausschluß der Zession auf den Strafcharakter zurückgeführt und sogar ausdrücklich als Bestrafung bezeichnet wird. 97 Zur actio tutelae als Schadensersatzklage Medicus 204 ff.

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anzunehmen, daß andere Fälle des nichtdeliktischen Schadensersatzes abweichend gelöst würden. Der einzige98 Paralleltext ist D 46.1.69 Tryph 9 disp. Diese bereits ausführlich behandelte99 Entscheidung betrifft allerdings einen Sonderfall und gilt, wie ihre Begründung zeigt, nur für diesen: Ein Vormund, der seinem Mündel zugleich als sponsor verpflichtet ist, wird nach der lex Furia von seiner Sponsionsschuld frei. Er haftet jetzt mit der actio tutelae auf Schadensersatz, weil er es unterlassen hat, sich selbst als Bürgen in Anspruch zu nehmen. Tryphonin sieht darin eine ,Perpetuierung‘ der Sponsionsschuld: Der Vormund haftet weiterhin wie ein Bürge für den Hauptschuldner (haeret enim in utraque causa adhuc illius debiti persecutio), und deshalb befreit er ihn auch dann, wenn er

98 Nicht hierher gehört D 26.7.25 Ulp 13 ad ed: Si minoris actum fuerit cum tutoribus adsistentibus curatoribus et pupillus ob hoc egerit cum curatores et ei sint condemnati in id quod sua intererat minoris tutores culpa eorum condemnatos non esse: an restitutio adversus tutores cesset? et Papinianus responsorum libro secundo ait nihilo minus posse restitui et idcirco curatores, si nondum iudicatum fecerunt, posse provocantes per exceptionem doli consequi, ut eis mandentur adversus tutores actiones. quid tamen si iam fecerunt iudicatum curatores? proderit hoc tutoribus, quoniam nihil minori abest, qui de praeda magis quam de damno sollicitus est, nisi forte mandare actiones paratus sit curatoribus. Zu diesem Text etwa Levy Nachtr. 76 f., Medicus SZ 81 (1964) 254 f. und Raggi, La restitutio in integrum nella cognitio extra ordinem (1965) 132 ff. – Wenn er aus der actio tutelae nicht den vollen Betrag erhalten hat, kann der Mündel in integrum restitutio beantragen und mit einer actio (tutelae) rescissoria erneut gegen die Tutoren vorgehen. Außerdem hat er die actio negotiorum gestorum contraria gegen die Kuratoren, die ihm im ersten Prozeß zur Seite gestanden waren und die zu geringe Kondemnation verschuldet hatten. Die Klage richtet sich auf den Differenzbetrag und hat damit denselben Gegenstand wie die actio rescissoria. Dennoch schließt sie die in integrum restitutio nicht aus, und zwar auch dann nicht, wenn der Mündel gegen die Kuratoren geklagt und eine Verurteilung erreicht hat. Deshalb können die Kuratoren die Zahlung der Urteilssumme solange verweigern, bis ihnen die Klagen gegen die Tutoren abgetreten werden. Ulpian ergänzt diese auch unmittelbar überlieferte (D 27.3.20.1 Pap 2 resp) Entscheidung Papinians um die dort nur implizit behandelte Fallvariante, daß die Kuratoren ihre Urteilsschuld bereits bezahlt haben. Er entscheidet, daß die Zahlung den Tutoren zugute kommt, weil der Schaden des Mündels bereits ersetzt ist. Dies steht nicht im Widerspruch zu fr. 95.10. Denn es geht nicht um die (durch Konsumption der actio tutelae längst eingetretene) zivilrechtliche Befreiung der Tutoren, sondern um den Ausschluß der prätorischen in integrum restitutio, und Ulpian argumentiert gerade mit dem Zweck dieses außerordentlichen Rechtsbehelfs. Danach ist der Mündel nur solange zu schützen, wie ihm noch die Gefahr eines Schadens droht – also auch noch nach der Kondemnation der Kuratoren, aber nur bis zu deren Zahlung. Der Schlußsatz nisi forte mandare actiones paratus sit curatoribus verkehrt diese teleologische Argumentation in ihr Gegenteil. Er enthält keine durch den Schutz des Minderjährigen gerechtfertigte Ausnahme (nisi), sondern verleiht der in integrum restitutio einen neuen Zweck: Sie dient hier nur dazu, den Zessionsregreß der Kuratoren zu ermöglichen. Der nisi-Satz stammt daher wahrscheinlich nicht von Ulpian, und auch der vorausgehende Relativsatz könnte nachträglich, zur Überleitung eingefügt worden sein. 99 S. o. § 17 II.

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quasi tutor auf seine eigene Verpflichtung zahlt (eius solutione liberavit reum promittendi). Trotz ihres abweichenden Ergebnisses steht diese Entscheidung nicht in Widerspruch zu dem, was Papinian in fr. 95.10 als ius receptum darstellt. Denn auch Tryphonin läßt es nicht genügen, daß die Ersatzpflicht des Vormunds denselben Umfang hat wie die Hauptschuld. Entscheidend ist vielmehr, daß sie aus einer Sponsionsverbindlichkeit hervorgegangen ist und deren Charakter übernommen hat.100 Dies setzt voraus, daß das suo nomine solvere eines Dritten nur dann befreiende Wirkung hat, wenn seine eigene Verbindlichkeit die fremde Schuld sichert. Denn beim Bürgen ist dies stets der Fall, beim Vormund dagegen nur, wenn er ausnahmsweise wie ein Bürge haftet. Damit ist Tryphonins Entscheidung sogar ein weiterer Beleg dafür, daß der Schuldner grundsätzlich verpflichtet bleibt, wenn der Gläubiger den geschuldeten Betrag als Schadensersatz von einem Dritten erhält. Darüber hinaus bestätigt sie die aus D 46.3.95.10 entwickelte Vermutung, daß erst Papinian die Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat auf solche Fälle erstreckt, in denen die Verbindlichkeit des Dritten nicht nur denselben Inhalt hat wie die des Schuldners, sondern auch zu deren Sicherung dient. Denn noch Tryphonin geht in seiner Argumentation davon aus, daß der befreite sponsor den Hauptschuldner nur deshalb befreit, weil seine Haftung aus der actio tutelae ausnahmsweise bürgschaftsähnlichen Charakter hat. Für seinen Zeitgenossen Papinian würde dies nicht mehr ausreichen. Er sieht ja bei der Gleichstellung von Kreditmandat und Vormundschaft gerade davon ab, ob der Dritte wie ein Bürge zur Sicherung der fremden Schuld haftet, und darum ist anzunehmen, daß er Tryphonins Fall anders entschieden hätte. 5. Im Widerspruch zu beiden Auffassungen steht ein vereinzelt überlieferter Satz aus Paulus’ Kommentar ad Plautium: D 46.3.61 Paul 5 ad Plaut In perpetuum quotiens id, quod tibi debeam, ad te pervenit et tibi nihil absit nec quod solutum est repeti possit, competit liberatio.101 100 Hier liegt der einzige konstruktive Unterschied zwischen fr. 69 und fr. 95.10: In beiden Fällen bestimmt sich die Haftung des Vormunds nach dem Betrag einer Schuld, deren Einziehung er versäumt hat. Doch während Papinian die actio tutelae streng von der (fremden) Schuld unterscheidet, wird sie von Tryphonin als ,Perpetuierung‘ der (eigenen) Sponsionsverbindlichkeit des Vormunds verstanden. Eine Erklärung bietet vielleicht die These von Peters SZ 32 (1911) 218 ff., nach der die vertraglichen Sonderklagen des Mündels gegen seinen Vormund während der Vormundschaft denegiert und durch die – erst bei der Rechnungslegung im Rahmen der actio tutelae relevante – Verpflichtung a semet ipso exigere ersetzt werden: Bei nicht eingezogenen Forderungen gegen Dritte ist dies anders. Hier ist die actio tutelae kein Ersatz für spezielle Aktionen, sondern reine Schadenseratzklage. 101 Übersetzung: Wann immer das, was ich dir schulde, auf Dauer an dich gelangt und dir nichts fehlt und auch nicht zurückgefordert werden kann, was geleistet worden ist, steht Befreiung zu.

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In diesem regelhaft formulierten Text erscheint die Befriedigung des Gläubigers als allgemeiner Tilgungsgrund102: Der Schuldner wird immer dann frei, wenn das Geschuldete (quod tibi debeam) vollständig (tibi nihil absit) und endgültig (in perpetuum) in das Vermögen des Gläubigers gelangt. Auf welche Weise es dorthin gelangt, scheint dagegen nicht von Bedeutung zu sein. In dem Passus nec quod solutum est repeti possit ist zwar von einer Leistung die Rede, hier wird aber lediglich klargestellt, was sich aus dem Erfordernis der endgültigen Befriedigung für den besonderen Fall der solutio ergibt: Solange das Geleistete kondiziert werden kann, ist der Erwerb des Gläubigers nicht gesichert, und darum setzt die Befreiung des Schuldners den Ausschluß der condictio voraus. Der allgemeine Tatbestand ad te pervenit ist jedoch nicht auf diesen Fall beschränkt. Er umfaßt vielmehr jede Form des Erwerbs103 und unterscheidet somit gerade nicht danach, ob der Gläubiger durch Leistung oder auf andere Weise befriedigt wird, ob der Schuldner selbst oder ein Dritter die geschuldete Leistung erbringt und ob der Dritte suo oder alieno nomine leistet. Diese Differenzierungen treten vielmehr hinter ein einheitliches Prinzip zurück, das als solches sonst nicht mehr belegt ist104: Wenn der Gläubiger vollständig und endgültig befriedigt ist, hat die Obligation ihren Zweck erreicht, und dies führt notwendig zu ihrem Erlöschen. Nach fr. 61 gilt dieses Prinzip uneingeschränkt. Der Text widerspricht daher unter anderem105 den in diesem Abschnitt behandelten Entscheidungen zum 102

Vgl. etwa Kunkel/Honsell 263 mit A. 2, aber auch Seidl RP 120. Vgl. Heumann/Seckel s.v. pervenire 3) und für die liberatio etwa D 12.1.19.1 Iul 10 dig zur consumptio nummorum oder D 44.7.17 Iul 33 dig zum concursus causarum, aber auch D 46.3.95.5 Pap 28 quaest. 104 Bezeugt ist lediglich, daß die Befreiung des Schuldners bei der solutio und beim consursus causarum von der vollständigen und endgültigen Befriedigung des Gläubigers abhängt; vgl. dazu allgemein D 30.82 pr. Iul 33 (non quocumque modo si legatarii res facta fuerit die cedente, obligatio legati exstinguitur, sed ita, si eo modo fuerit eius, quo avelli non possit) und zum concursus causarum auch D 45.1.83.6 Paul 72 ad ed. Bei der solutio bleibt der Schuldner verpflichtet, wenn dem Gläubiger ein statuliber (D 12.6.63 Gai l s de cas), ein noxal haftender Sklave (D 30.45.1 Pomp 6 ad Sab, D 46.3.72.5 Marcell 20 dig) oder eine Sache übereignet wird, die mit einem bedingten Vindikationslegat, einem Pfandrecht oder anderen dinglichen Rechten belastet ist (D 46.3.83.3 Afr 7 quaest, D 46.3.98 pr. Paul 15 quaest). Dies wird teils mit der Unvollständigkeit der Leistung (vgl. etwa D 46.3.27 Ulp 28 ad ed: quamdiu aliquid iuri rei deest, adhuc tamen ipsa res petenda est) und teils damit begründet, daß dem Gläubiger das Geleistete wieder entzogen werden kann (vgl. etwa D 46.3.20 Pomp 22 ad Sab: non liberabor, quia avocari tibi res possit). Der ,Tatbestand‘ der in fr. 61 überlieferten Regel ist also auch in anderen Texten belegt, dort aber nur als notwendige Voraussetzung bestimmter Tilgungsgründe und nicht – wie in fr. 61 – als hinreichende Bedingung für die liberatio im allgemeinen. 105 Noch deutlicher ist der Widerspruch zu den Regeln des concursus causarum. Denn danach wird der Schuldner zwar frei, wenn der Gläubiger den geschuldeten Gegenstand ex alia causa erwirbt. Dies gilt jedoch nur für Speziesschulden und seit Julian auch nur noch beim Zusammentreffen zweier lukrativer Erwerbsgründe (s. o. § 3 bei A. 10 und 17). Von diesen sehr weitgehenden Einschränkungen ist in fr. 61 nicht 103

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Kreditmandat und zur Schadensersatzpflicht des Vormunds.106 Denn auch durch die solutio des Auftraggebers und des Vormunds wird der Gläubiger in vollem Umfang befriedigt, und trotzdem gilt hier der Grundsatz quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat. Der Schuldner bleibt daher nach Zivilrecht verpflichtet und kann sich lediglich mit der exceptio doli gegen die Klage aus der ipso iure fortbestehenden Forderung verteidigen. Dasselbe gilt für die – hier nicht besprochenen – Entscheidungen, nach denen die Leistung eines sogenannten Putativschuldners den wahren Schuldner auch dann nicht befreit, wenn sie ausnahmsweise nicht oder nicht mehr kondiziert werden kann. Auch in diesen Fällen ist der in fr. 61 formulierte Tatbestand erfüllt: Das Geschuldete ist vollständig und endgültig in das Vermögen des Gläubigers gelangt und kann auch nicht mehr zurückgefordert werden. Dennoch bleibt der wahre Schuldner nach Zivilrecht verpflichtet, weil der Putativschuldner suo und nicht alieno nomine geleistet hat. Auf einen solchen Fall bezieht sich nicht nur der Passus cessante quoque condictione durare obligationem, der in D 46.1.49.1 Pap 27 quaest107 als nicht weiter kommentierte Ansicht anderer Juristen überliefert ist, auch Julian108 und Ulpian109 schützen den wahren Schuldner nur mit

die Rede. In der gemeinrechtlichen Literatur wird der Text deshalb auch als Beleg dafür angeführt, daß es unzulässig sei, „den c.c.l. bloss unter der Voraussetzung des Geschuldetseins individuell bestimmter Sachen anzuerkennen“ (Hartmann 85). In der historischen Romanistik ist diese Argumentation jedoch zu Recht auf Ablehnung gestoßen; vgl. nur Schulz SZ 38 (1917) 202 A. 5 mit zutreffendem Hinweis auf die Palingenesie (dazu u. bei A. 117 ff.). 106 Dasselbe gilt für die unter 1 behandelten Deliktsbußen. Hier ließe sich die abweichende Lösung aber noch mit dem Strafzweck erklären. 107 Eine Interpretation dieses ebenso schwierigen wie umfangreichen Textes ist hier nicht möglich. Sein erster Teil, der den im Text zitierten Passus enthält, ist o. § 15 A. 17 abgedruckt. 108 D 5.1.74.2 Iul 5 dig: Cum absentem defendere vellem, iudicium mortuo iam eo accepi et condemnatus solvi: quaesitum est, an heres liberaretur, item quae actio mihi adversus eum competeret. respondi iudicium, quod iam mortuo debitore per defensorem eius accipitur, nullum esse et ideo heredem non liberari: defensorem autem, si ex causa iudicati solverit, repetere quidem non posse, negotiorum tamen gestorum ei actionem competere adversus heredem: qui sane exceptione doli mali tueri se possit, si ab actore conveniatur. Vgl. zu diesem Text vor allem Maier 489 ff., Gandolfi St. Grosso 4 (1971) 131 ff., Seiler Fg. Kaser (1986) 253 und Müller-Ehlen 195 ff. – Der Prozeß, den der defensor für den vermeintlich abwesenden, in Wahrheit aber bereits verstorbenen Schuldner geführt hat, ist nichtig (zu den Gründen Maier 489 f. einerseits und Gandolfi 135 f. andererseits), und deshalb wird der Erbe des Schuldners durch die litis contestatio nicht befreit. Aber auch die Zahlung, die der defensor auf seine – ebenfalls nichtige – Urteilsschuld geleistet hat, verschafft dem Erben nur die exceptio doli, und dies, obwohl sie nach allgemeinen Regeln (vgl. D 10.2.36 Paul 2 quaest, D 17.1.29.5 Ulp 7 disp, C 4.31.2 Ant und zu den Gründen Gandolfi 137 ff.) nicht kondiziert werden kann. Julian setzt also voraus, daß die Schuld nach Zivilrecht bestehen bleibt, obwohl der Gläubiger den geschuldeten Betrag bereits kondiktionsfest erworben hat. Er korrigiert dieses unbefriedigende Ergebnis lediglich mit prätorischen Mitteln: Der Erbe kann sich gegen den Gläubiger mit der exceptio doli verteidigen

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dem prätorischen Mittel der exceptio doli und stellen jeweils ausdrücklich klar, daß die zivilrechtliche Verbindlichkeit fortbesteht.

und darum seinerseits vom defensor mit der actio negotiorum gestorum contraria in Anspruch genommen werden. 109 Vgl. D 5.3.31 pr. Ulp 15 ad ed (o. § 15 A. 10): Leistet der Erbschaftsbesitzer als Selbstschuldner auf eine bestehende Nachlaßverbindlichkeit, dann befreit er den wahren Erben nach Zivilrecht nicht (ipso iure non liberaverit petitorem hereditatis, nam quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat). Dennoch kann er die Leistung im Verfahren der hereditatis petitio auf die zu restituierende Erbschaft anrechnen, wenn sichergestellt ist, daß der Gläubiger das Geleistete behalten kann und den Erben nicht mehr in Anspruch nimmt. Julian löst dieses Problem, indem er die Anrechnung davon abhängig macht, daß der Erbschaftsbesitzer in einer cautio verspricht, den Erben zu defendieren. Nach Ulpian gilt diese Lösung nur für den praedo, beim bonae fidei possessor hält er es für angemessener, daß dem Erben nur die condictio indebiti gegen den Gläubiger abgetreten wird. Im Schlußsatz (sed et petitor si a creditoribus conveniatur, exceptione uti debebit) stellt er dann noch einmal klar, daß dem Erben nach der Anrechnung die exceptio doli gegen den nunmehr endgültig befriedigten Gläubiger zusteht (insoweit zutreffend Müller-Ehlen 120 ff.) Er setzt also voraus, daß weder die Anrechnung noch die cautio oder die Zession der condictio den zivilrechtlichen Fortbestand der Nachlaßverbindlichkeit in Frage stellen. Daher ist der letzte Satz von fr. 31 pr. gerade kein Beleg dafür, daß Ulpian der in D 46.3.61 überlieferten „Konzeption des Paulus gefolgt“ wäre; so aber Müller-Ehlen 121 (vgl. auch schon Windscheid/Kipp 392 A. 22), die den Zusammenhang wie folgt herstellt: „Erst wenn das, was der Erbe den Gläubigern schuldet, dauerhaft an sie gelangt und nicht zurückgefordert werden kann, wird der Erbe per exceptionem befreit.“ Durch den Ausdruck ,per exceptionem befreit‘ verdeckt Müller-Ehlen den grundlegenden Unterschied zwischen fr. 31 pr. und fr. 61: Ulpian trägt der endgültigen Befriedigung des Gläubigers zwar ebenfalls Rechnung, dies aber nur auf der Ebene des prätorischen Rechts und in deutlicher Abgrenzung zum ius civile. Hier gilt nach wie vor: ipso iure non liberaverit petitorem hereditatis. Im Gegensatz dazu heißt es in fr. 61: competit liberatio, und daß hier die ,prätorische Befreiung‘ per exceptionem gemeint wäre, ist dem Text nicht zu entnehmen (s. u. bei A. 110 ff.). Auch Müller-Ehlen behauptet dies nicht, sie rechnet den Unterschied zwischen Zivil- und Honorarrecht allerdings in ähnlichem Zusammenhang zu den ,dogmatischen Details der Liberation‘: Ihrer Ansicht nach beruht auch die im zweiten Teil von D 3.5.48 Afr. 8 quaest erwähnte Befreiung des wahren Erben darauf, daß der vermeintliche Erbe die zur Erfüllung eines Damnationslegats übereigneten Sachen nicht vom Legatar kondizieren kann. Zur Bestätigung dieser auf Pacchioni Bull. 3 (1890) 52 ff. zurückgehenden Erklärung beruft sie sich auf die exceptio doli in D 5.1.74.2 Iul 5 dig (o. A. 108) und merkt an: „Zweifel an der hier vertretenen Parallelität könnten allerdings darauf gestützt werden, daß fr. 74,2 ausdrücklich eine Befreiung des Schuldners per exceptionem, also nicht ipso iure, annimmt, während fr. 48(49) die Liberation des Schuldners nur kurz feststellt. Daß nur fr. 74,2 auf die dogmatischen Details der Liberation eingeht, läßt sich jedoch mit dem unterschiedlichen Schwerpunkt der Äußerungen erklären: Im Defensionsfall bildet die Liberation diesen Schwerpunkt; der Jurist legt sich nämlich gerade die Frage vor, an heres liberaretur. Fr. 48(49) hingegen behandelt die Frage nach der richtigen Klage bei irrtümlicher Eigengeschäftsführung; deshalb interessiert hier nur, daß die Leistung des Putativerben den Erben im Ergebnis liberiert, dogmatische Details liegen außerhalb des Themas“ (197; vgl. auch 144, wo si quilibet alius bonorum possessor ei solveret, liberaret heredem in D 46.3.95.8 Pap 28 quaest „zwanglos“ als Zusammenfassung von D 5.3.31 pr. gedeutet wird). Nun heißt es aber in D 3.5.48:

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Um fr. 61 mit diesen Entscheidungen zu harmonisieren, müßte man den Text dahin verstehen, daß der Schuldner nach der Befriedigung des Gläubigers entweder ipso iure befreit oder durch eine exceptio doli geschützt ist. Mit liberatio competit kann dies aber nicht gemeint sein. Liberare bezeichnet zwar gelegentlich auch die ,prätorische Befreiung‘ per exceptionem110 und faßt sie vereinzelt sogar mit der zivilen Befreiung zusammen111; dieser untechnische Wortgebrauch ist aber regelmäßig als solcher erkennbar112 und vergleichsweise selten.113 Im allgemeinen wird der bloß prätorische Schutz des Schuldners terminologisch – als uti, tueri se oder summovere exceptione – von der zivilen liberatio unterschieden114, und in zahlreichen Texten wird dieser Unterschied durch licet . . . tamen oder quidem . . . sed sogar besonders hervorgehoben.115 Das quandoque de ea solutione liberarer, und auch hier fehlt jeder Hinweis auf einen untechnischen Sprachgebrauch. Aus diesem Grund spricht D 5.1.74.2 nicht für, sondern gegen Pacchionis Erklärung; vgl. schon Maier, der ihr in der Sache folgt (499), und darum den Schlußsatz von fr. 48 für überarbeitet hält: „Denn so abrupt konnte Afrikan keinesfalls schreiben, wo doch gerade auch für Julian . . . das Prinzip feststand, daß ipso iure keine Befreiung eintrat“ (498). Für eine Exegese der berühmten lex ultima de negotiis gestis ist im Rahmen dieser Arbeit ebensowenig Raum wie für die weitere Auseinandersetzung mit Müller-Ehlens fast vierzigseitiger Interpretation. Statt dessen wird auf Ernst Zimmermann verwiesen, der den Text in seiner gemeinrechtlichen Untersuchung über ,Aechte und unächte negotiorum gestio‘ (1872) 24 ff., 47 f. und 75 ff. eingehend bespricht und dessen – auch für die historische Erklärung bedeutsamen – Ergebnisse in der Romanistik seit Pacchioni 48 ff. nicht mehr beachtet worden sind. 110 So – offenbar wegen ihrer rein liberatorischen Funktion – vor allem bei den exceptiones pacti (vgl. etwa D 34.3.3.3 Ulp 23 ad Sab, D 34.3.5 pr., 2 Ulp 23 ad ed und D 42.8.1.2 Ulp 66 ad ed) und rei iudicatae vel in iudicium deductae; vgl. dazu Liebs Konk. 24 f. mwN. in A. 34 und 254 mit A. 103, weitere Stellen bei Lenel JherJb. 36 (1896) 105 A. 1. 111 So in D 46.1.60 Scaev 1 resp (fideiussorem aut iure aut exceptione liberandum) und in D 42.8.1.2 Ulp 66 ad ed (sive acceptilatione vel pacto aliquem liberavit); vgl. auch D 34.3.28.1 Scaev 16 dig (quaesitum est, . . . an debitores, . . . consequi possint, ut . . . liberarentur, et si ab his heredes petere coeperint, an doli mali exceptione summoverentur. respondit non liberari). 112 Wie beispielsweise in den Wendungen pacto liberare (in den o. A. 110 zitierten Stellen) oder exceptione liberare (in D 46.1.60 Scaev 1 resp). D 46.3.34.2 Iul 54 dig (promissor a me liberatur) ist entgegen Krüger Beiträge zur Lehre von der exceptio doli (1892) 166 kein Beleg für einen mißverständlichen Gebrauch von liberare. In D 45.1.141.5 Gai 2 de verb obl heißt es zwar zum gleichen Fall: licet ipso iure non liberetur promissor, per exceptionem tamen defendi possit; daraus folgt aber nicht, daß auch für Julian „eine exceptio sicher nöthig ist“. Vielmehr zeigt D 44.7.44.4 Paul 74 ad ed (quaeritur, an ipso iure fiat liberatio), daß der zivilrechtliche Fortbestand der Forderung in diesem Fall umstritten ist. Eine Sonderstellung nehmen lediglich die von Liebs Konk. 25 A. 34 zusammengestellten Quellen zum Gebrauch von liberare bei der Klageerhebung gegen einen Gesamtschuldner ein. Denn sie beziehen sich nicht nur auf die zivile Konsumption, sondern teils auch auf die exceptio rei iudicatae, ohne daß dies besonders hervorgehoben würde; vgl. Liebs 254: „Bei konkurrierenden Schuldnern benutzen die Juristen für Konsumption und Eingreifen der exc. rei iudicatae denselben Ausdruck: liberare“. 113 Ebenso Kretschmar 88 und Bauer (o. A. 10) 15 A. 6.

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schließt natürlich nicht aus, daß Paulus in einer Zusammenschau zu der Erkenntnis gelangt, daß die vollständige und endgültige Befriedigung des Gläubigers den Schuldner stets auf die eine oder andere Weise befreit. Vorstellbar ist auch, daß er die verschiedenen Rechtsfolgen in einer abstrakten, regelhaften Umschreibung dieses einheitlichen Prinzips unter der Bezeichnung liberatio zusammenfaßt. Gerade dann müßte aber erkennbar sein, daß dieser Begriff auch solche Fälle umfaßt, in denen keine liberatio im herkömmlichen Sinn eintritt, sondern nur eine exceptio gewährt wird. Denn wenn Paulus den Gegensatz zwischen Zivil- und Honorarrecht überwunden hätte, um die Befriedigung des Gläubigers als allgemeinen Tilgungsgrund zu erfassen, dann hätte er die auf diesen Gegensatz zugeschnittene Terminologie kaum ohne jeden Hinweis auf ihre neue Bedeutung übernommen. Eine Kontroverse läßt sich zwar nicht mit Sicherheit ausschließen, in den Quellen fehlt aber jeder Hinweis darauf, daß Paulus die Befriedigung des Gläubigers auch dann als zivilrechtlichen Erlöschensgrund anerkennt, wenn dies dem Grundsatz quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat widerspricht.116 Auch in fr. 61 selbst deutet nichts auf eine solche Sondermei114 Vgl. etwa D 2.14.51 pr. Ulp 56 ad ed, D 12.6.24 Ulp 46 ad Sab, D 15.1.38.1 Afr 8 quaest, D 34.3.22 Pap 19 quaest, D 38.2.50.6 Tryph 17 disp, D 44.4.7 pr. Ulp 76 ad ed, D 46.1.8.3 Ulp 47 ad Sab, D 46.1.15.1 Iul 51 dig oder D 46.3.34.11 Iul 54 dig sowie zu Paulus D 18.5.3 Paul 33 ad ed, D 19.1.5.1 Paul 3 ad Sab und D 27.3.23 Paul 9 resp. 115 Vgl. etwa D 23.3.12.2 Ulp 34 ad Sab (licet enim ipso iure priore debito liberatus non sit, sed tamen exceptionem habere potest), D 45.1.141.5 Gai 2 de verb obl (o. A. 112), D 46.3.38.1 Afr 7 quaest (liberationem quidem ipso iure non posse contingere debitori, exceptione tamen ei succurri aequum esse . . . debitorem non liberari, sed exceptione eum adversus maritum tuendum esse), D 46.4.19 pr. Ulp 2 reg (non liberatur quidem, sed exceptione doli mali vel pacti conventi se tueri potest), Gai 2.84 (non liberatur . . . sed tamen . . . per exceptionem doli mali summoveri potest) und 3.168 (o. § 4 bei A. 2), aber auch D 5.1.74.2 Iul 5 dig (o. A. 108) und D 5.3.31 pr. Ulp 15 ad ed (o. § 15 A. 10). Wie diese Quellen zeigen, beruht die in den romanistischen Handbüchern verbreitete Unterscheidung zwischen ipso iure und per exceptionem wirkenden Erlöschensgründen (vgl. nur Kaser RP I 634 f. und Kunkel/Honsell 260 f.) auf modernen Vorstellungen. Sie hat daher nur didaktischen Wert und darf nicht als historische Einteilung mißverstanden werden; kritisch auch Giménez-Candela Est. Iglesias III (1988) 1315 f. und Hernández-Tejero DRO 180. Denn sonst würde der für das klassische Recht zentrale Unterschied zwischen zivilrechtlicher Befreiung und bloß prätorischer Entkräftung der fortbestehenden Obligation durch die moderne Vorstellung einer einheitlichen Liberationswirkung überdeckt; vgl. dazu bereits die Kritik an Müller-Ehlen o. A. 109. 116 Zu den in D 17.1.28 Ulp 14 ad ed, D 46.3.95.10 Pap 28 quaest, D 46.1.69 Tryph 9 disp, D 46.1.49.1 Pap 27 quaest und D 5.3.31 pr. Ulp 15 ad ed behandelten Fällen ist seine Lösung nicht überliefert, zu D 5.1.74.2 Iul 5 dig (o. A. 108) gibt es zwar eine Parallelstelle aus den Quaestionen (D 17.1.58 pr. Paul 4 quaest), dort ist aber gerade nicht erkennbar, ob Paulus von der zivilrechtlichen Befreiung der Erben ausgeht oder mit Julian von einer zwar fortbestehenden, aber durch die exceptio doli entkräfteten Forderung. Auch in anderen Entscheidungen findet sich keine Hinweis auf eine abweichende Ansicht – im Gegenteil: In D 42.1.51.1 Paul 2 manual (o. A. 51)

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nung. Der Widerspruch beruht allein auf der Allgemeinheit eines isoliert überlieferten Satzes, und darum liegt es nahe, daß er nicht Paulus selbst, sondern den Kompilatoren zuzuschreiben ist: Sie haben den Satz aus seinem ursprünglichen Zusammenhang gelöst und ihm dadurch erst die Gestalt einer uneingeschränkt geltenden Regel gegeben. Für diese Erklärung spricht zum einen der bereits erwähnte Umstand, daß der Passus nec quod solutum est repeti possit in einer solchen Regel entbehrlich wäre. Er stellt lediglich klar, was sich aus dem allgemeinen Tatbestand in perpetuum ad te pervenit für den besonderen Fall der solutio ergibt. Dies läßt den Schluß zu, daß es Paulus um die Lösung eines speziellen Problems geht und nicht um eine allgemeingültige Aussage über den Zusammenhang zwischen Gläubigerbefriedigung und liberatio. Dafür spricht auch die Palingenesie. Denn die im Digestentitel De solutionibus et liberationibus überlieferte Regel stammt aus einem sachfremden Kontext: Von der liberatio handelt Paulus erst im 14. Buch ad Plautium117, Gegenstand des 5. Buchs sind die bonae fidei iudicia aus depositum, fiducia, mandatum und emptio venditio.118 Da fr. 61 keiner dieser Klagen und keinem der aus dem 5. Buch erhaltenen Fragmente unmittelbar zugeordnet werden kann, stellt Lenel119 den Text unter die Rubrik Mandati. Dort ist im Zusammenhang mit dem Rückgriff des Bürgen mehrfach von solutio und liberatio die Rede, und aus einem anderen Plautiuskommentar ist sogar eine Entscheidung zum Mandatsregreß überliefert, auf die sich der Satz des Paulus beziehen könnte.120 Für Lenels Einordnung schützt Paulus den Schuldner nur mit Hilfe exceptio doli gegen die Klage des bereits befriedigten Gläubigers (et puto improbum esse eum, qui velit iterum consequi quod accepit), nach D 46.3.59 Paul 2 ad Plaut (dazu o. § 16 II 1) besteht die Pekuliarhaftung fort, wenn der Vater filii nomine den vollen Gegenwert des Sonderguts und damit alles geleistet hat, was der Gläubiger von ihm selbst verlangen konnte, und wie sich vor allem aus D 12.6.65.9 Paul 17 ad Plaut (o. § 15 A. 17) ergibt, versteht auch Paulus unter der befreienden Drittleistung nur die Leistung auf fremde Schuld. Von ihm stammen denn auch die meisten der o. § 15 A. 8 zusammengestellten Nachweise für alieno nomine solvere. 117 Vgl. Lenel Paling. I 1167 f. (Paulus 1197 bis 1202). 118 Vgl. Lenel Paling. I 1153 ff. (Paulus 1106 bis 1121). 119 Paling. I 1154 (Paulus 1115). 120 D 17.1.47.1 Pomp 3 ex Plaut: Si is, qui pro te hominem dare fideiussit, alienum hominem stipulatori dederit, nec ipse liberatur nec te liberat et ideo mandati actionem tecum non habet. sed si stipulator eum hominem usuceperit, dicendum esse Iulianus ait liberationem contingere: eo ergo casu mandati actio post usucapionem demum tecum erit. Vgl. zu diesem Text Bauer (o. A. 10) 14 ff. Der Bürge hat solvendi causa einen fremden Sklaven übereignet. Befreiung und Rückgriff scheitern zunächst daran, daß er dem Gläubiger kein Eigentum verschafft hat. Mit Ablauf der Ersitzungsfrist fällt dieses Hindernis weg, Bürge und Hauptschuldner werden frei, und auch der Mandatsregreß ist nunmehr möglich. Die Entscheidung zu den schuldrechtlichen Folgen der usucapio stammt zwar erst von Julian, der erste Satz des Textes könnte jedoch auf Plautius selbst zurückgehen, und darum ist es gut vorstellbar, daß Paulus in seinem Kommentar ad Plautium den gleichen Fall behandelt und Julians Lösung mit dem in fr. 61 überlieferten Satz begründet. So ließen sich jedenfalls in perpetuum und tibi nihil absit erklären: Dem Gläubiger droht keine Eviktion mehr, und er hat das volle

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gibt es also gute Gründe. Nach der Palingenesie des 5. Buchs ad Plautium kann fr. 61 aber ebensogut zur fiducia gehören121, und wegen des eigentümlichen Ausdrucks liberatio competit liegt dies sogar näher: Subjekt zu competere ist im allgemeinen der zuständige Rechtsbehelf (actio, interdictum oder exceptio) und seltener das Recht, das mit seiner Hilfe durchgesetzt wird.122 Die zivilrechtliche Befreiung ist keines von beiden. Sie tritt ipso iure ein (liberatio contingit 123) und muß darum weder erstritten124 noch vom Beklagten exzeptionsweise geltend gemacht werden. Die Kombination liberatio competit ist dementsprechend selten. Ausweislich des VIR125 ist sie nur noch einmal belegt, und zwar in einem Marcelluszitat aus Paulus’ Quaestionen, dessen Thematik zu fr. 61 paßt und im 5. Buch ad Plautium unter der Rubrik Fiduciae einzuordnen wäre: D 49.14.21 Paul 3 quaest Titius, qui mihi sub pignoribus pecuniam debebat, cum esset fisci debitor, solvit mihi quae debebat: postea fiscus iure suo usus abstulit mihi pecuniam. quaerebatur, an liberata essent pignora. Marcellus recte existimabat, si id quod mihi solutum est fiscus abstulit, non competere pignorum liberationem. neque differentiam admittendam esse existimo interesse putantium, id ipsum quod solutum est an tantundem repetatur.126 zivile Eigentum erlangt. Für nec quod solutum est repeti possit fehlt allerdings ein solcher Bezug, und das eigentümliche competit (dazu sogleich im Text) bliebe ungeklärt. 121 Dagegen fehlt in der Palingenesie jeder Hinweis auf einen der Fälle, mit denen fr. 61 üblicherweise in Verbindung gebracht wird. Denn aus dem 5. Buch ad Plautium ist kein Fragment zum concursus causarum (Hartmann 85, Windscheid/Kipp 402 A. 2), zur solutio des Putativschuldners (Oertmann 466 und 502 f., Windscheid/Kipp 392 A. 22, Müller-Ehlen 121), zur consumptio nummorum (s. o. A. 36 a. E.) oder zu dem Fall überliefert, daß das an einen nicht autorisierten Dritten Geleistete nachträglich an den Gläubiger gelangt (Windscheid/Kipp 396 A. 40, Solazzi estinz. 80). 122 Laut VIR s.v. competo gibt es für exceptio competit 25, für interdictum competit 117 und für actio competit allein 560 Belege, wobei die Stellen zu condictio, iudicium, vindicatio u. ä. noch nicht mitgezählt sind. Bei der materiellen Bedeutung ist nur libertas competit ähnlich häufig (84 Stellen), während beispielsweise legatum competit nur dreimal belegt ist und hereditas competit sogar nur einmal. 123 Das VIR s.v. contingo II B 2) zählt 25 Stellen mit dieser Wendung. Ähnlich häufig ist sonst nur noch liberatio fit (9 Stellen), vgl. VIR s.v. liberatio I. Daß die Schuldbefreiung ipso iure eintritt, erklärt aber auch die kaum zählbaren Nachweise für liberari (oder aliquem liberare) im VIR s.v. libero II A. 124 Anders natürlich bei einem bloßen Befreiungsanspruch; vgl. dazu etwa D 34.3.25 Paul 10 quaest (competit ultro ad liberandum debitori actio) und C 2.5.1 Diocl/Max (condictio liberationis tibi competit). 125 S.v. competo und s.v. liberatio I. 126 Übersetzung: Titius, der mir unter Pfändern Geld schuldete, hat mir, als er Schuldner des Fiskus war, gezahlt, was er schuldete. Später hat der Fiskus von seinem Recht Gebrauch gemacht und mir das Geld weggenommen. Es wurde gefragt, ob die Pfänder freigeworden seien. Marcellus meinte zu Recht, daß die Befreiung der Pfänder nicht zustehe, wenn der Fiskus das, was mir gezahlt worden ist, weggenommen hat. Ich meine, daß auch die Unterscheidung derjenigen nicht zu billigen ist, die glau-

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Titius schuldet dem Pfandgläubiger Ego und dem Fiskus Geld. Er bezahlt die Pfandschuld, aber der Fiskus, dessen Forderung durch eine Legalhypothek am Vermögen des Titius gesichert ist, macht von seinem Privileg Gebrauch und zieht das Geld bei Ego ein. Die Frage, ob die Pfänder freigeworden sind, beantwortet Paulus zunächst mit einem Zitat: Marcellus habe zu Recht angenommen, daß die pignorum liberatio nicht zustehe, wenn der Fiskus dem Pfandgläubiger das zur Tilgung der gesicherten Forderung Geleistete wieder entzieht. Im Schlußsatz erstreckt Paulus diese Lösung auf den umstrittenen Fall, daß nicht das Geleistete selbst herausverlangt wird, sondern nur sein Gegenwert. Wie Schmidt-Ott127 gezeigt hat, geht es in dieser Variante um die Folgen der consumptio nummorum. Wenn Ego die empfangenen Geldstücke mit eigenen vermischt, verliert er seine Forderung gegen Titius128, und der Fiskus kann jetzt zwar nicht mehr mit der actio Serviana auf die nummi selbst zugreifen, als umfassend privilegiertem Gläubiger steht ihm aber eine condictio auf den gezahlten Betrag zu.129 Zum Ausgleich erhält Ego nach Kaiserrecht eine neue Klage gegen den befreiten Titius130, der Fortbestand seines Pfandrechts ist allerdings umstritten: Während Paulus die Pfandhaftung – vermutlich mit Hilfe einer actio Serviana utilis131 – auf den neu entstandenen Ausgleichsanspruch erstreckt, hält die von ihm zitierte Gegenansicht daran fest, daß die Pfänder mit dem Erlöschen der ursprünglich gesicherten Forderung freigeworden sind. In dieser Entscheidung hat jede der in fr. 61 genannten Voraussetzungen ihre Entsprechung: Die Pfänder werden nicht frei, weil das gezahlte Geld nicht endgültig in das Vermögen des Gläubigers gelangt ist (in perpetuum . . . ad te pervenit); denn zunächst ist das Eigentum an den Münzen mit dem ius fisci belaben, es komme darauf an, ob genau das, was gezahlt worden ist, oder nur ebensoviel zurückgefordert wird. 127 26 f.; vgl. auch schon Wieling SZ 106 (1989) 419, unklar insoweit Wagner Legalhypotheken 129, dagegen zutreffend Medicus SZ 93 (1976) 431, wN. bei SchmidtOtt 25 A. 22. 128 Zur befreienden Wirkung der consumptio nummorum o. A. 29. Bis zur Konsumption besteht die gesicherte Forderung nach allgemeinen Regeln (s. o. A. 104) fort, weil die gezahlten nummi mit einem Pfandrecht belastet sind. 129 Vgl. D 49.14.18.10 Marci l s de delator: Papinianus tam libro sexto quam undecimo responsorum scribit ita demum publicam auferri pecuniam ei, qui, cum erat creditor, in solutum pecuniam accepit, si aut sciebat, cum accipiebat, publicum quoque esse debitorem, aut postea cognovit, antequam consumeret pecuniam. sed placet omnimodo ei pecuniam auferendam esse, etiamsi ignoravit, cum consumeret: et postea quidam principes directam actionem competere ablata pecunia rescripserunt, ut et Marcellus libro septimo digestorum scribit. Von der condictio ist in diesem Text zwar nicht die Rede, daß sie für den Zahlungsanspruch des Fiskus zuständig ist, ergibt sich aber aus tantundem repetatur in fr. 21; vgl. Schmidt-Ott 26 und zur technischen Bedeutung von repetere o. § 12 A. 69. 130 Vgl. D 49.14.18.10 Marci l s de delator (o. A. 129). 131 Vgl. D 49.14.20 Pap 11 resp, wo Papinian dem Gläubiger eine actio utilis gegen den befreiten Schuldner gewährt.

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stet (tibi nihil absit 132), und nach der Konsumption ist der Gläubiger der Kondiktion des Fiskus ausgesetzt (nec quod solutum est repeti possit). Schon wegen dieser Parallelen ist es wahrscheinlich, daß der in fr. 61 überlieferte Satz zu einem solchen Fall gehört, und das bedeutet: Er bezieht sich nicht auf die liberatio des Schuldners, sondern auf die Befreiung einer verpfändeten Sache. Die Palingenesie des 5. Buchs ad Plautium bestätigt diese Vermutung: Paulus handelt hier zwar nicht vom pignus, wohl aber von der fiducia, und wenn ein Fiskalschuldner an seinen fiduziarisch gesicherten Gläubiger zahlt, stellt sich nicht nur das gleiche Problem wie bei einem Pfandgläubiger, in einem solchen Fall stimmt auch der Ausdruck liberatio competit. Denn während das akzessorische Pfandrecht mit der gesicherten Forderung erlischt (pignus liberatur), muß die Remanzipation einer sicherungshalber übereigneten Sache mit der actio fiduciae erstritten werden.133 Fr. 61 paßt also nicht nur seinem Wortlaut, sondern auch seinem Kontext nach auf die in fr. 21 behandelte Problematik, und erst die Verbindung beider Texte erklärt die eigentümliche und nur in ihnen belegte Wendung liberatio competit: Sie ist ein verkürzter Ausdruck dafür, daß dem Schuldner eine Klage auf ,Freigabe‘ der fiduziarisch übereigneten Sachen zusteht.134 132 Vgl. dazu vor allem D 46.3.27 Ulp 28 ad ed (quamdiu aliquid iuri rei deest, adhuc tamen ipsa res petenda est), aber auch die übrigen o. A. 104 aufgeführten Quellen. 133 Vgl. die Nachweise für pignus liberatur im VIR s.v. libero III und vor allem quaerebatur, an liberata essent pignora in fr. 21 gegenüber an habet [fiduciae] actionem quasi soluta pecunia quaeritur in D 13.7.24.1 Ulp 30 ad ed; dazu Lenel Paling. II 618 (Ulpian 904) mit A. 12. Dieser Ausdrucksweise entspricht recte [fiduciae] ad recipiendum Cornelianum agere possim in D 23.3.50.1 Afr 8 quaest – Lenel Paling. I 30 (Afrikan 101) mit A. 1 – und aget [fiduciae] iudicio in D 46.2.12 Paul 31 ad ed – Lenel Paling. I 1027 f. (Paulus 483) mit A. 1. In D 12.2.40 Iul 13 dig – Lenel Paling. I 353 (Julian 211) mit A. 5 und 6 – heißt es allerdings iusiurandum a debitore exactum efficit, ut [fiducia] liberetur. 134 Der palingenetische Kontext von fr. 21 steht dem nicht entgegen: Im 3. Buch der Quaestionen handelt Paulus zwar nur de pignoribus – vgl. Lenel Paling. I 1190 ff. (Paulus 1304 bis 1311) – und Texte zur fiducia sind nicht überliefert, müßten aber im 4. Buch gestanden haben. Denn der erste Teil der Quaestionen folgt dem Ediktsaufbau (Lenel Paling. I 1181 A. 3), aus dem 4. Buch sind eine Reihe von Texten zur actio de peculio et in rem verso erhalten (Paulus 1312 bis 1315), und diese Klage steht im Edikt vor der fiducia (Lenel EP 273 ff. und 291 ff.). Dies schließt aber nicht aus, daß das Marcelluszitat mit non competere pignorum liberationem zur fiducia gehört. Denn daß sich Paulus bei der Lösung eines pfandrechtlichen Problems auf eine Entscheidung Marcells beruft, die selbst nicht zum pignus, sondern zum entsprechenden Problem bei der fiducia gehört, läßt sich auch an anderer Stelle beobachten: In D 13.7.16.1 Paul 29 ad ed handelt Paulus selbst von der actio pigneraticia contraria – vgl. Lenel Paling. I 1023 (Paulus 448) –, er zitiert aber aus dem 6. Buch von Marcells Digesten, und dort kann nach dem Ediktsaufbau nicht mehr vom pignus die Rede sein, sondern nur von der fiducia – vgl. Lenel Paling. I 598 f. (Marcellus 61) mit 599 A. 1. Ebenso dürfte es sich in fr. 21 verhalten. Dafür sprechen zum einen der Wechsel im Ausdruck (quaerebatur, an liberata essent pignora . . . non competere pignorum

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Nach alledem ist davon auszugehen, daß der in fr. 61 überlieferte Satz erst durch seine isolierte Aufnahme in die justinianische Kompilation zu einer allgemeinen Regel über die schuldtilgende Wirkung der Gläubigerbefriedigung entwickelt worden ist. Der Widerspruch zu den Quellen, in denen der Schuldner lediglich durch eine exceptio doli geschützt wird, ist danach ebenfalls den Kompilatoren zuzuschreiben.135 Denn bei Paulus hat der Satz noch eine völlig andere Bedeutung. Er handelt nicht von der liberatio des Schuldners, sondern von der actio fiduciae: Wenn die geschuldete Leistung vollständig und endgültig in das Vermögen des Gläubigers gelangt ist, kann der Schuldner auf Freigabe der fiduziarisch übereigneten Sachen klagen. Daß es im klassischen Recht Fälle gibt, in denen die Befriedigung des Gläubigers schuldrechtlich nur vom Prätor, durch die Gewährung einer exceptio doli, berücksichtigt wird, läßt sich damit ohne weiteres vereinbaren.136 Daher besteht auch kein Widerspruch zu der Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat und zu

liberationem) und die Ausführlichkeit des Zitats: Wenn Marcell genau den gleichen Fall entschieden hätte, bestünde es zum größten Teil aus überflüssigen Wiederholungen. Liest man dagegen si id quod mihi solutum est fiscus abstulit, non competere [fiduciae] liberationem, dann schildert Paulus einen neuen, wenn auch parallelen Sachverhalt. Zum anderen gibt es auch einen sachlichen Grund für die Annahme, daß Paulus seine pfandrechtliche Lösung am Vorbild der fiducia entwickelt hat. Denn hier stellt sich das Problem der Akzessorietät, an dem die Gegenansicht den Fortbestand des Pfandrechts scheitern läßt (s. o. nach A. 131), nicht: Anders als das pignus erlischt die fiducia nicht automatisch mit der ursprünglich gesicherten Forderung. Bei ihr ist vielmehr im Rahmen der bona fides zu entscheiden, ob sie auch die neu entstandene Ausgleichsklage sichert, und darum ist es gut möglich, daß die von Paulus vertretene, allein sachgerechte (vgl. Schmidt-Ott 27) Lösung bei der fiducia längst anerkannt ist. Aus diesen Gründen – und vor allem wegen der Parallele zu D 46.3.61 – wird das Marcelluszitat in fr. 21 entgegen Lenel Paling. I 596 f. (Marcellus 49) nicht unter De pigneraticia actione in das 5., sondern unter De fiducia in das 6. Buch der Digesten einzuordnen sein. Es könnte zwar auch zu dem in D 49.14.18.10 Marci de delator (o. A. 129) überlieferten Zitat aus dem 7. Buch gehören, wie Schmidt-Ott 26 A. 25 vermutet. Der weitere Kontext bliebe dann aber unklar. Denn nach dem Ediktsaufbau kann im 7. Buch nicht mehr von der fiducia und erst recht nicht mehr vom pignus die Rede gewesen sein, und nach Lenel Paling. I 605 (Marcellus 95) mit A. 1 ist das bei Marcian überlieferte Zitat selbst nur Teil eines Exkurses. 135 Dies gilt auch dann, wenn man die hier vorgeschlagene Palingenesie ablehnt und fr. 61 mit Lenel (o. A. 119) auf den Mandatsregreß bezieht. Denn dann kann mit liberatio zwar nur die Schuldbefreiung gemeint sein, der Satz bezieht sich aber nicht auf den eigentlichen Gegenstand der Entscheidung, sondern nur auf eine Vorfrage, und dies auch noch in einem speziellen Fall (s. o. A. 120). Er kann daher nicht als allgemeingültige Regel über den Zusammenhang zwischen Gläubigerbefriedigung und liberatio verstanden werden. 136 Denn daß eine exceptio perpetua dem zivilrechtlichen Erlöschen der gesicherten Forderung gleichsteht, ist nicht nur für das Pfandrecht bezeugt (vgl. etwa D 20.6.5 pr. Marci l s ad form hyp zur exceptio pacti), sondern auch für die fiducia; vgl. D 20.2.40 Iul 13 dig zur exceptio iurisiurandi und dazu Lenel Paling. I 353 (Julian 211) mit A. 5 und 6.

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ihrer Anwendung auf solche Fälle, in denen der Gläubiger vollständig und endgültig befriedigt ist. Das Ergebnis der Exegesen von D 17.1.28, D 46.3.95.10 und D 46.1.69 muß also wegen D 46.3.61 weder revidiert noch ergänzt werden: Wenn ein Dritter dem Gläubiger Schadensersatz in Höhe einer fremden Schuld leistet, befreit er den Schuldner nicht, weil er weder auf dessen Schuld zahlt noch wie ein Bürge für sie haftet. Tryphonin entscheidet zwar in einem Sonderfall anders, er stellt den zu seiner Zeit unbestrittenen Grundsatz aber nicht in Frage, Papinian erstreckt ihn sogar auf das Kreditmandat und das receptum argentarii, um bei diesen bürgschaftsähnlichen Instituten den Zessionsregreß gegen den Hauptschuldner ermöglichen, und Ulpian billigt diese Lösung. Der in D 46.3.61 überlieferte Satz des Paulus scheint dem zwar insgesamt zu widersprechen, in seinem ursprünglichen Kontext bezieht er sich aber nicht auf die Befreiung des Schuldners, und darum läßt er auch nicht auf eine abweichende Auffassung schließen. § 19 Ergebnisse I. Drittleistung und Haftung für fremde Schuld In den Paragraphen 16 und 17 wurden die Quellen untersucht, die alieno nomine und pro alio solvere dem komplementären suo nomine und pro se solvere gegenüberstellen. Dadurch sollte in erster Linie die Bedeutung dieser beiden für die Drittleistung technischen Wendungen ermittelt werden. Da alle einschlägigen Texte von der solutio eines Bürgen oder eines adjektizisch haftenden Dritten handeln, betrifft jedoch ein wesentlicher Teil der Ergebnisse die besondere Problematik dieser beiden Fallgruppen: Die Exegesen haben gezeigt, daß auch derjenige, der selbst für eine fremde Schuld haftet, als Dritter auf diese Schuld leisten kann und daß diese Form der solutio streng von der Leistung auf seine eigene zivil- oder honorarrechtliche Haftung unterschieden wird. Dieser Befund ist deshalb bemerkenswert, weil die Rechtsfolgen der solutio in der Regel nicht davon abhängen, auf welche Schuld der Bürge oder der adjektizisch haftende Dritte leistet. Nur die Konstruktion ist verschieden: Während die Leistung auf eigene Schuld in erster Linie den Leistenden selbst befreit und nur mittelbar auch den Hauptschuldner, erlischt bei der Drittleistung primär die fremde Hauptschuld und erst in zweiter Linie die eigene Haftung. Dieser konstruktive Unterschied ist in den Quellen klar herausgearbeitet, und zwar sowohl in abstrakt-theoretischer Form (D 14.1.1.24 Ulp 28 ad ed) als auch bei der Lösung konkreter Rechtsprobleme. Daß er sich im Einzelfall sogar auf das Ergebnis auswirken kann, zeigen D 46.3.59 Paul 2 ad Plaut und D 13.5.2 Iul 11 dig für die dem Umfang nach beschränkte Pekuliarhaftung und D 46.1.69 Tryph 9 disp für den Sonderfall, daß ein Bürge, der zugleich Vormund des Gläubigers

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ist, se auctore an den Mündel zahlt. Dasselbe gilt für die nach der lex Furia geteilte Haftung eines Sponsionsbürgen: In D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer korrigiert Julian zwar die dogmatisch konsequente Lösung eines älteren Juristen, dies aber nur deshalb, weil sie zu einer unbilligen Entlastung der Mitbürgen führt. Auch Papinian, der diese Wertung auf den gesamtschuldnerisch haftenden fideiussor überträgt, weist in D 46.1.51.1 Pap 3 resp noch einmal ausdrücklich auf den konstruktiven Unterschied der beiden Zahlungsweisen hin. Die Erkenntnis, daß auch derjenige, der selbst für eine fremde Schuld haftet, als Dritter auf diese Schuld leisten kann, setzt voraus, daß die Drittleistung als Leistung auf fremde Schuld von der ebenfalls drittwirkenden Leistung auf die eigene Haftung unterschieden wird. Bei der Bürgschaft läßt sich diese Unterscheidung bis in die Frühklassik zurückverfolgen, bei der adjektizischen Haftung scheint sie dagegen auf Julian zurückzugehen. Diese Verspätung dürfte damit zu erklären sein, daß die solutio des adjektizisch haftenden Dritten ohne die – auch sonst erst bei Julian belegte – Vorstellung einer eigenen honoraria obligatio nur als Drittleistung konstruiert werden konnte. Ein älterer Rechtszustand, in dem die beiden Zahlungsweisen noch nicht unterschieden waren, ist aber auch für die Bürgschaft zu vermuten. Denn die Ausdrücke pro alio und alieno nomine solvere werden hier – wie bei der adjektizischen Haftung – nicht nur zur Bezeichnung der Drittleistung, sondern auch dann verwendet, wenn der Bürge auf seine eigene Verbindlichkeit zahlt. Dieses Nebeneinander von technischem und untechnischem Sprachgebrauch läßt sich wohl nur historisch erklären: Die Drittleistung wird erst nach und nach von den anderen Fällen drittwirkender solutio unterschieden, und obwohl diese Entwicklung seit Julian abgeschlossen ist, hält sich die überkommene Terminologie – vermutlich wegen ihres ediktalen Gebrauchs – bis zum Ende der klassischen Zeit. Wenn dies zutrifft, dann gehört es zu den Leistungen der klassischen Jurisprudenz, daß sie die Drittleistung von den Fällen unterscheidet, in denen die solutio eines Dritten den Schuldner nur deshalb befreit, weil die eigene Verbindlichkeit des Dritten mit der des Schuldners identisch ist. Obwohl sich diese Unterscheidung nur selten auf das Ergebnis auswirkt, darf man ihre systematische Bedeutung nicht unterschätzen. Denn die Drittleistung kann nur dann zu einer Kategorie des allgemeinen Schuldrechts entwickelt werden, wenn die jedermann mögliche Leistung auf fremde Schuld zuvor von den besonderen Tatbeständen drittwirkender solutio unterschieden wird, die bestimmten Personen vorbehalten sind.

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II. Pro alio und alieno nomine solvere als Leistung auf fremde Schuld Die Wendungen pro alio und alieno nomine solvere werden bei der Drittleistung des Bürgen und des adjektizisch haftenden Dritten synonym verwendet, und zwar in einer klar umrissenen technischen Bedeutung: Sie stehen für die Leistung auf fremde Schuld im Unterschied zur Leistung auf die eigene ziviloder honorarrechtliche Haftung, welche ihrerseits mit den komplementären Synonymen pro se und suo nomine solvere bezeichnet wird. Bei dieser Unterscheidung geht es nicht um die vom Recht zu beantwortende Frage, für wen die Leistung wirkt. Sie bezieht sich vielmehr auf einen tatsächlichen Umstand, und zwar auf den konkreten Leistungszweck: Soll das Geleistete auf eine eigene oder auf eine fremde Schuld angerechnet werden? Hierüber bestimmt allein der Leistende. Seine Entscheidung bindet nicht nur den Gläubiger, sondern auch den Juristen: Der Dritte kann auch dann auf eine fremde Schuld leisten, wenn er selbst für diese Schuld haftet und durch die von ihm gewählte Art der Leistung einen unbeabsichtigten und unangemessenen Nachteil erleidet. In solchen Fällen wird die dogmatisch gebotene Lösung zwar teilweise aus Billigkeitsgründen korrigiert, diese Eingriffe beschränken sich jedoch auf die Rechtsfolgen der Drittleistung. Der Tatbestand des pro alio oder alieno nomine solvere bleibt davon unberührt. Für ihn hat das Bestehen einer eigenen Schuld keine selbständige Bedeutung. Als äußerer Umstand wird es nur berücksichtigt, wenn eine ausdrückliche Erklärung fehlt, und selbst dann begründet es nur die Vermutung, daß der Dritte die eigene Schuld tilgen wollte. Entscheidend bleibt also stets der erklärte oder aus den Umständen erschlossene Wille des Leistenden. Auch wenn hier nur ein begrenzter Ausschnitt der Quellen zu pro alio und alieno nomine solvere behandelt werden konnte, ergab sich ein klares Bild von der Bedeutung dieser Ausdrücke. Als aufschlußreich erwies sich vor allem die Gegenüberstellung der komplementären Wendungen pro se und suo nomine solvere. Denn sie wird von den Juristen eingesetzt, um die Drittleistung von benachbarten Fällen der drittwirkenden solutio abzugrenzen, und läßt darum den allgemeinen Tatbestand der Leistung auf fremde Schuld besonders deutlich hervortreten. Aus diesem Grund erscheint auch der Schluß gerechtfertigt, daß die Ausdrücke pro alio und alieno nomine solvere in den übrigen Quellen zur Drittleistung dieselbe technische Bedeutung haben. Sie bezeichnen den Tatbestand der Leistung ,auf fremde Schuld‘ und damit ein bestimmtes Merkmal des Leistungsvorgangs: den bei der solutio erklärten einseitigen Wille des Dritten, eine fremde Schuld zu tilgen.

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III. Pro alio und alieno nomine solvere im Tatbestand der Drittleistung 1. Daß die solutio eines Dritten den Schuldner nur befreit, wenn der Dritte ausdrücklich auf die fremde Schuld leistet, versteht sich in den meisten Fällen von selbst. Denn ohne eine solche ,Tilgungsbestimmung‘ könnte regelmäßig gar nicht ermittelt werden, wer durch die Leistung befreit werden soll. Die Quellen halten aber auch dann am Erfordernis des pro alio oder alieno nomine solvere fest, wenn sich die Person des Schuldners und die zu tilgende Schuld nach anderen Kriterien eindeutig identifizieren lassen. Dies gilt zum einen für die – hier nicht untersuchte – Leistung des Putativschuldners: Wer als Selbstschuldner (suo nomine) auf eine zwar fremde, im übrigen aber genau bestimmte Schuld leistet, befreit den wahren Schuldner nicht. Bezeugt ist dies unter anderem1 für den Erbschaftsbesitzer, der sich selbst für den Erben hält (oder auch nur ausgibt) und als solcher an einen Nachlaßgläubiger leistet. Im Zusammenhang mit einem solchen Fall ist auch der allgemeine Satz überliefert, daß ein Dritter den Schuldner nicht befreit, wenn er auf eigene, und nicht auf fremde Schuld leistet (quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat). Das zweite Beispiel ist D 46.3.17 Pomp 19 ad Sab. Die dort zitierte Entscheidung des Cassius betrifft zwar ein spezielles Problem des Zahlungsauftrags, sie ist aber gerade deshalb besonders aufschlußreich. Denn sie zeigt nicht nur, daß der Tatbestand des alieno nomine oder pro alio solvere schon im frühklassischen Recht eine selbständige, über die Identifikation der Schuld hinausgehende Bedeutung hat, wegen der besonderen Fallgestaltung läßt sich auch die dahinterstehende Ratio erschließen: Wenn der Zahlungsbeauftragte mit dem ihm anvertrauten Geld des Schuldners auf eine eigene Schuld bei demselben Gläubiger zahlt, scheitert die Befreiung des Schuldners daran, daß nicht auf seine Schuld gezahlt wird. Auch die anschließende Konsumption der Geldstücke ändert daran nichts; sie befreit vielmehr den Zahlungsbeauftragten. Der Schuldner bleibt verpflichtet, obwohl das geschuldete Geld aus seinem Vermögen in das des Gläubigers gelangt ist und obwohl es nach dem Zahlungsauftrag auch zur Tilgung seiner Schuld bestimmt war. Daß diese Umstände außer Betracht bleiben, dient allein dem Schutz des Gläubigers: Er sieht nur, daß der Zahlungsbeauftragte suo nomine leistet, und darauf soll er sich auch verlassen können. Die Entscheidung zeigt also an einem modellhaften Fall, warum die Befreiung des Schuldners selbst dann eine entsprechende ,Tilgungsbestimmung‘ des Dritten voraussetzt, wenn die fremde Schuld auch unabhängig von ihr ermittelt werden könnte: Der Gläubiger verlöre sonst einen Schuldner, ohne davon zu wissen und ohne die empfangene Leistung entsprechend verbuchen zu können. 1

S. o. § 15 bei A. 10 ff.

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In den Entscheidungen zur dritten und letzten Fallgruppe sind Schuld und Schuldner nicht nur eindeutig identifizierbar, sondern auch allen Beteiligten bekannt: Der Dritte haftet dem Gläubiger zwar nicht als Bürge oder Gesamtschuldner, sondern aus einem selbständigen Rechtsverhältnis, aber der Umfang seiner Haftung richtet sich nach dem Betrag der fremden Schuld. Trotzdem befreit er den Schuldner nicht, wenn er auf seine eigene, der Höhe nach identische Schuld zahlt. Dies gilt sowohl für die nach dem Betrag einer fremden Schuld berechneten Deliktsbußen als auch für den nichtdeliktischen Schadensersatz und nach Papinian und Ulpian sogar für die bürgschaftsähnliche Haftung aus Kreditmandat und receptum. Bei den rein pönalen Deliktsklagen leuchtet das Ergebnis unmittelbar ein: Wenn die Bußzahlung den Verlust einer Forderung nach sich zöge, würde sie dem Gläubiger keine Genugtuung verschaffen. In den übrigen Fällen greift diese Erklärung nicht. Denn hier führt die solutio des Dritten zur vollständigen und endgültigen Befriedigung des Gläubigers, und damit ist der wirtschaftliche Zweck der Obligation erreicht. Für die zivilrechtliche Befreiung des Schuldners genügt dies jedoch nicht. Sie setzt außerdem voraus, daß die eigene Verbindlichkeit des Dritten gerade den Zweck hat, die fremde Schuld zu sichern. Bei den sachverfolgenden Deliktsklagen und beim nichtdeliktischen Schadensersatz ist dies nicht der Fall. Ihr Gegenstand stimmt nur zufällig mit dem Erfüllungsinteresse überein, und darum wird die Befriedigung des Gläubigers auch nur vom Prätor durch die Gewährung einer exceptio doli sanktioniert. Papinian erstreckt diese Lösung auf das Kreditmandat und das receptum argentarii. Hier haftet der Dritte zwar nicht nur in Höhe, sondern auch zur Sicherung der fremden Schuld, seine Haftung beruht aber auf einem selbständigen Rechtsverhältnis, und damit läßt sich konstruktiv ohne weiteres begründen, daß die fremde Schuld fortbesteht, während die eigene Verbindlichkeit erlischt. Mit der Befriedigung des Gläubigers als dem – jedenfalls primären – Zweck beider Obligationen, hat diese Lösung jedoch nichts mehr zu tun. Sie dient allein dem Rückgriff des Dritten: Die fremde Schuld besteht fort, damit sie für den Zessionsregreß zur Verfügung steht. Der Fortbestand der Schuld wird in den Quellen zu allen drei Fallgruppen damit begründet, daß der Dritte suo nomine geleistet hat. Diese Argumentation bestätigt die allgemeine Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat und zeigt damit, daß die auf fremde Schuld gerichtete ,Tilgungsbestimmung‘ des Dritten nicht nur zur Identifizierung dieser Schuld erforderlich ist, sondern ein besonderes ,Tatbestandsmerkmal‘ der befreienden Drittleistung darstellt. Als solches, das heißt: als notwendige Voraussetzung für die Befreiung des Schuldners ist sie schon bei Cassius belegt. Wie unter I dargelegt wurde, erlangt sie im Laufe der klassischen Zeit aber noch eine weitere, eher systematische Bedeutung: Bei der solutio des Bürgen und des adjektizisch haftenden Dritten findet die Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat keine Anwendung. Trotzdem unterscheiden die Quellen

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auch hier zwischen suo und alieno nomine oder pro se und pro alio solvere. Die befreiende Drittleistung wird damit als Leistung ,auf fremde Schuld‘ von den besonderen Erscheinungsformen drittwirkender solutio abgegrenzt und zu einer Kategorie des allgemeinen Schuldrechts entwickelt. 2. Aus dem Erfordernis des alieno nomine oder pro alio solvere hat Jhering2 Rückschlüsse auf den materiellen Grund für die befreiende Wirkung der Drittleistung gezogen: „Der Dritte . . . nimmt ein negotium alienum vor, das ihn selbst gar nichts angeht, zu dem weder der Gläubiger ihn zwingen kann, noch das für ihn Wirkungen äußert, und zwar lediglich in der Absicht, daß der Schuldner liberirt werden soll. Ich wüßte nicht, was ihm zum Stellvertreter fehlen sollte. Die Befreiung des Schuldners stützt sich nicht darauf, daß der Gläubiger das, was er vom Schuldner zu fordern, erhalten hat, nicht auf den Gesichtspunkt des bloßen Habens. Unter dieser Voraussetzung müßte der Schuldner auch dann frei werden, wenn der Dritte in der Meinung, selbst Schuldner zu sein, Zahlung geleistet hätte. Dies ist aber bekanntlich nicht der Fall. Nicht also der Erfolg der Zahlung für den Gläubiger, daß sie nämlich ihm das verschafft hat, was er haben soll, liberirt den Schuldner, nicht eine, so zu sagen, subjectiv beziehungslose Zahlung, sondern der Umstand, daß dieser Erfolg von ihm selbst hervorgebracht wird, daß nicht ein beliebiger Dritter, sondern daß, wenn auch durch dessen Vermittelung, immer der Schuldner es ist, der zahlt.“ Dem ist zuzugeben, daß der Tatbestand der befreienden Drittleistung mit dem alieno nomine oder pro alio solvere ein – im modernen Sinn – rechtsgeschäftliches Element umfaßt und daß die „subjectiv beziehungslose“ Leistung eines Dritten auch dann nicht zur Befreiung des Schuldners führt, wenn „der Gläubiger das, was er vom Schuldner zu fordern, erhalten hat.“ Zwingend ist auch der Schluß, daß die befreiende Wirkung der Drittleistung nicht auf dem „Gesichtspunkt des bloßen Habens“ beruhen kann.3 Mit Stellvertretung hat die Drittleistung darum jedoch nichts zu tun. Dies zeigt sich schon daran, daß sie ohne und sogar gegen den Willen des Schuldners zulässig ist. Jherings Erklärung ist aus diesem Grund zu Recht auf Ablehnung gestoßen.4 Sie überschätzt aber auch 2 JherJb. 2 (1858) 94 f. mit Hinweis auf die Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat in D 5.3.31 pr. Ulp 15 ad ed und andere Quellen zur Leistung des Putativerben in A. 36 und auf D 17.1.28 Ulp 14 ad ed in A. 37. 3 So aber die in der Pandektistik vorherrschende Auffassung; vgl. unter anderem Oertmann 390 f. und Hertz 10 f. Letzterer beruft sich auf D 46.3.61 Paul 5 ad Plaut. Wie in § 18 III 5 dargelegt, kann dieses aus dem Zusammenhang gerissene Fragment für das klassische Recht jedoch nicht herangezogen werden; zu der von Oertmann behaupteten „Analogie der Zahlung fremder Schuld mit dem concursus duarum lucrativarum causarum“ bereits o. § 3 bei A. 7 und 18 ff. 4 Vgl. vor allem Oertmann 371 ff., 446 ff., 465 und Hertz 8 ff. sowie aus der romanistischen Literatur Kretschmar 27, Frese 429 f., Solazzi estinz. 12, Pastori 265 und Cruz 336. Jhering selbst (o. A. 2) 90 ff. und vor allem JherJb. 1 (1857) 286 mit A. 14 (Zitat) erklärt die Drittleistung invito debitore als besondere Ausprägung einer – in den Quellen nicht belegten – Fiktion: Wer im Namen des Schuldners zahle, gelte als

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die Bedeutung von alieno nomine und pro alio solvere. Die Drittleistung führt zwar zur Tilgung einer fremden Schuld, sie wird dem Schuldner aber nicht als eigene zugerechnet. Ihr rechtsgeschäftliches Element ist nicht der materielle Grund für die Befreiung des Schuldners, sondern nur die Voraussetzung dafür, daß die Drittleistung als solutio wirken kann: Die ,Tilgungsbestimmung‘ des Dritten ordnet seine Leistung der fremden Schuld zu. Sie ist damit eine qualifizierte Form des animus solvendi. Als solutio ist die Drittleistung aber nicht nur Leistung auf (fremde) Schuld, sondern auch Leistung des Geschuldeten, und insofern beruht ihre befreiende Wirkung auf dem „Erfolg der Zahlung für den Gläubiger, daß sie nämlich ihm das verschafft hat, was er haben soll.“ IV. Exkurs: ,Fremdtilgungswille‘ und ,Empfängerhorizont‘ 1. Die Ergebnisse dieses Kapitels stimmen mit der eingangs5 referierten herrschenden Auffassung in der Romanistik überein. Sie weichen jedoch von dem ab, was Müller-Ehlen6 zum Thema ,Leistung debitoris nomine und Fremdtilgungswille der heutigen Dogmatik‘ schreibt. Auch sie ist zwar der Ansicht, „daß die Klassiker unter der Leistung debitoris/suo nomine die Leistung mit dem Willen, eine fremde/eigene Schuld zu begleichen, verstanden haben.“ Bei den Kriterien, nach denen dieser Wille bestimmt wird, kommt sie jedoch zu einem anderen Ergebnis: „Entscheidend könnte sowohl der innere Wille des Leistenden als auch die übereinstimmende Sicht von Leistendem und Empfänger gewesen sein. Hingegen ist eine Beurteilung aus dem Empfängerhorizont des Gläubigers . . . unwahrscheinlicher.“ Zu dieser Einschätzung wird in dem folgenden Exkurs Stellung genommen. 2. Die historisch-rechtsvergleichenden Betrachtungen von Müller-Ehlen stehen unter dem Vorbehalt einer umfassenden „Auswertung aller Belege zur Leistung nomine alicuius“7 und sind – ihrer schmalen Quellenbasis entsprechend – vorsichtig formuliert. Daher ist zunächst noch einmal darauf hinzuweisen, daß sie mit den hier untersuchten Texten nicht zu vereinbaren sind: Nach D 46.1.69 Tryph 9 disp und D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer kommt es gerade nicht auf den – wie auch immer zu ermittelnden – inneren Willen des Leistenden an, sondern in erster Linie auf seine ausdrückliche Erklärung, und selbst wenn es – wie in D 15.3.15 Ulp 2 disp – an einer solchen ,Tilgungsbestimmung‘ fehlt, wird nicht nach den ,wahren‘ Absichten des Leistenden geforscht, sondern aus den Umständen auf den typischen Willen geschlossen. In D 46.3.17 Pomp 19 ad Sab dessen Bote, und „die Fiction, daß der Zahlende Bote des Schuldners gewesen, wird bis zu dem Grade durchgeführt, daß selbst der entgegenstehende Wille des Schuldners nicht in Betracht kommt“. 5 S. o. § 15 II 2. 6 129 ff.; Zitate 130 und 132 f. 7 132.

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wird zudem deutlich, warum der bei der Leistung erklärte oder zumindest erkennbare Wille über deren Zuordnung entscheidet: Der Gläubiger hat ein berechtigtes Interesse daran zu wissen, welcher seiner Schuldner frei wird und welcher ihm verpflichtet bleibt. Dieses Ergebnis entspricht – wenn es sich mit den modernen Kategorien der Rechtsgeschäftslehre überhaupt vergleichen läßt – am ehesten der Lehre vom Empfängerhorizont. Gegen „eine klassische Konzeption, wonach die Sicht des Empfängers darüber entscheidet, ob der Leistende eine eigene oder eine fremde Schuld tilgen wollte“, besteht nach Müller-Ehlen8 vor allem „das Bedenken, daß den Klassikern bei der Beurteilung von Rechtsgeschäften eine Aufspaltung in die Elemente Wille und Erklärung fremd ist“. Mit diesem Argument werden die Grenzen einer historisch-rechtsvergleichenden Betrachtung überschritten: Selbst wenn alieno nomine solvere etwas ähnliches bezeichnen sollte wie den ,Fremdtilgungswillen der heutigen Dogmatik‘, so folgt daraus noch nicht, daß die klassischen Juristen die ,Tilgungsbestimmung‘ des Dritten als ,Rechtsgeschäft‘ und damit auf die gleiche Weise beurteilen wie zum Beispiel einen Konsensualvertrag. Denn diese Schlußfolgerung unterstellt dem klassischen Recht nicht nur eine – schon für sich genommen zweifelhafte – Klassifizierung der ,heutigen Dogmatik‘, sie übersieht auch, daß die abstrakte Kategorie des Rechtsgeschäfts in den Quellen nicht bezeugt ist. Daß seine verschiedenen Erscheinungsformen trotzdem einheitlich beurteilt werden, wäre also gerade zu beweisen.9 Kaum stichhaltiger ist Müller-Ehlens zweites Argument: Es trifft zwar zu, „daß Pomp. D. 12,6,19,1 das Auftreten des Putativerben gegenüber dem Nachlaßgläubiger überhaupt nicht anspricht“, dies bedeutet aber nicht, daß „die Falllösung ausschließlich über die inneren Fehlvorstellungen des Leistenden entwikkelt“ würde.10 Denn in fr. 19.111 löst Pomponius keinen Fall, er gibt lediglich ein Beispiel dafür, daß die condictio indebiti auch dann zuständig ist, wenn der Empfänger zwar erhält, was ihm geschuldet wird, der Leistende aber etwas nicht Geschuldetes gibt: Wer sich irrtümlich für den Erben hält und in diesem Glauben (heredem se vel bonorum possessorem falso existimans) an einen Nachlaßgläubiger leistet, befreit den wahren Erben nicht und kann das Gelei8 132 mit Hinweis auf Kaser RP I 235. Dort wird aber lediglich klargestellt, warum die moderne Unterscheidung zwischen Irrtum und Dissens beim Vertragsschluß für das klassische Recht nicht paßt. Über die solutio (die Kaser 635 ff. weder als Vertrag noch überhaupt als Rechtsgeschäft bezeichnet) ist damit nichts gesagt. 9 Vgl. nur Kaser RP I 227 f. 10 132, vgl. auch 130 und 133; zum Text 59 ff. mwN. in A. 16. 11 D 12.6.19.1 Pomp 22 ad Sab: Quamvis debitum sibi quis recipiat, tamen si is qui dat non debitum dat, repetitio competit: veluti si is qui heredem se vel bonorum possessorem falso existimans creditori hereditario solverit: hic enim neque verus heres liberatus erit et is quod dedit repetere poterit: quamvis enim debitum sibi quis recipiat, tamen si is qui dat non debitum dat, repetitio competit.

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stete kondizieren. Für das Thema des Fragments sind ,die inneren Fehlvorstellungen des Leistenden‘ in der Tat von Bedeutung. Denn die condictio indebiti steht nur dem zu, der per errorem auf eine Nichtschuld leistet12, und darum genügt es auch beim Putativerben nicht, daß er etwas gibt, was er selbst nicht schuldet. Kondizieren kann er nur, weil er sich außerdem irrtümlich für den Schuldner hält. Für die Befreiung des wahren Erben gilt dies jedoch nicht. Sie scheitert nach D 5.3.31 pr. Ulp 15 ad ed an der Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat 13, und entgegen Müller-Ehlen14 kann falso existimans solverit in fr. 19.1 auch nicht mit dem Tatbestand des suo nomine solvere identifiziert werden. Denn in fr. 31 pr. wendet Ulpian die Regel auch auf den praedo an, und dieser bösgläubige Erbschaftsbesitzer leistet suo nomine, obwohl er sich gerade nicht für den Erben hält.15 Die entscheidende Parallele liegt vielmehr im ,Auftreten gegenüber dem Nachlaßgläubiger‘: Putativerbe und praedo leisten beide als Selbstschuldner – der eine, weil er glaubt, der andere, weil er vorgibt, Erbe zu sein. Der Vergleich von fr. 31 pr. und fr. 19.1 spricht also nicht gegen die Ergebnisse dieses Kapitels, er bestätigt sie vielmehr, und mit seiner Hilfe läßt sich auch leicht erklären, warum Pomponius nur die Fehlvorstellungen des Leistenden beschreibt: Von der kondiktionsfesten Leistung des praedo unterscheidet sich die solutio des Putativerben nur durch den kondiktionsbegründenden Irrtum. Dagegen versteht es sich von selbst, daß jemand, der sich für den Schuldner hält, gegenüber dem Gläubiger auch als solcher auftritt, und deshalb bedarf der Umstand, daß der Putativerbe suo nomine leistet, keiner besonderen Erwähnung.16

12 Vgl. nur Gai 3.91 (o. § 3 bei A. 4); weitere Stellen – auch zur Geltung dieser Regel für das bloß ,subjektive indebitum‘ des Putativschuldners – bei Müller-Ehlen 125 A. 25. 13 S. o. § 15 A. 10. 14 130. 15 Müller-Ehlen 131 bemerkt dazu: „Daß Ulpian im ersten Satz von fr. 31 pr. auch für den bösgläubigen possessor die Leistung suo nomine und die fehlende Liberation des Erben bejaht, scheint deshalb gegen die These von der möglichen Maßgeblichkeit des inneren Willens zu sprechen und für eine Betrachtung des Tilgungswillens aus der Perspektive des Gläubigers. Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch, weshalb diese Argumentation gegen die Maßgeblichkeit des inneren Willens nicht zutreffen kann: In bezug auf einen bösgläubigen Erbschaftsbesitzer braucht nämlich das Abstellen auf seinen inneren Willen keinesfalls dazu zu führen, daß seine Leistung die für ihn günstigste Rechtsfolge nach sich zieht. Vielmehr wird dem Ansatz von der Maßgeblichkeit des inneren Willens des Leistenden auch durch eine Lösung entsprochen, die darauf abstellt, daß der Bösgläubige willentlich gegenüber dem Gläubiger den Eindruck erweckt, er sei der Erbe und leiste auf eigene Schuld.“ 16 Auch Ulpian setzt dies als selbstverständlich voraus, wenn er in fr. 31 pr. die Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat auf den Sachverhalt si quid possessor solvit creditoribus anwendet, obwohl dort nicht eigens mitgeteilt wird, daß der Erbschaftsbesitzer als Selbstschuldner geleistet hat.

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3. Nach dem bisher Gesagten ist trotz der beiden Einwände von Müller-Ehlen daran festzuhalten, daß es für das pro alio oder alieno nomine solvere im Tatbestand der Drittleistung auf die erklärte oder für den Gläubiger erkennbare Tilgungsabsicht des Dritten ankommt. Weitere Argumente, die für einen Vorrang des inneren Willens oder aber dafür sprechen könnten, daß „die römischen Juristen ihren Entscheidungen stets den Regelfall zugrunde legten, in dem Leistender und Gläubiger übereinstimmend von einer Leistung auf fremde oder auf (vermeintlich) eigene Schuld ausgehen“17, trägt Müller-Ehlen nicht vor. Andererseits konnte die von ihr geforderte ,Auswertung aller Belege‘ auch in diesem Kapitel nicht geleistet werden. Die hier entwickelte These stützt sich lediglich auf eine begrenzte Anzahl allerdings gezielt ausgewählter und ausgewerteter Quellen. Zur Ergänzung soll deshalb abschließend noch auf einen Text hingewiesen werden, der Müller-Ehlens Vorstellungen eindeutig widerspricht, weil er nur dann verständlich wird, wenn man vom Vorrang des erklärten Willens ausgeht: D 3.5.44.2 Ulp 4 opin Titius pecuniam creditoribus hereditariis solvit existimans sororem suam defuncto heredem testamento extitisse. quamvis animo gerendi sororis negotia id fecisset, veritate tamen filiorum defuncti, qui sui heredes patri sublato testamento erant, gessisset: quia aequum est in damno eum non versari, actione negotiorum gestorum id eum petere placuit.18

Titius hat als Dritter Nachlaßverbindlichkeiten bezahlt, wobei er seine Schwester für die testamentarische Erbin hielt und die Absicht hatte, ihre Geschäfte zu führen. In Wahrheit führte er aber die Geschäfte der sui heredes, denn der Erblasser hatte das Testament aufgehoben und war von seinen Söhnen beerbt worden. Ulpian19 berichtet, es habe sich die Meinung durchgesetzt, daß Titius mit der actio negotiorum gestorum contraria bei den sui heredes20 Re-

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Müller-Ehlen 131 f. Übersetzung: Titius hat Geld an die Nachlaßgläubiger gezahlt im Glauben, seine Schwester sei durch Testament Erbin des Verstorbenen geworden. Obwohl er das in der Absicht getan hatte, Geschäfte der Schwester zu führen, hatte er doch in Wirklichkeit (Geschäfte) der Söhne des Verstorbenen geführt, die nach dem Wegfall des Testaments Hauserben des Vaters waren. Weil es recht und billig ist, daß er keinen Schaden erleidet, hat sich die Meinung durchgesetzt, daß er es mit der Geschäftsführungsklage einfordert. 19 Oder der nachklassische Verfasser der libri opinionum. Der in der Inskription überlieferte Name wird hier nur der Einfachheit halber beibehalten. Ob das Werk mit Santalucia I ,Libri Opinionum‘ di Ulpiano I (1971) 195 ff. und passim Ulpian zuzuschreiben oder – was vor Santalucia als gesichert galt und seither vor allem von Liebs TR 41 (1973) 279 ff. vertreten wird – in das 4. Jahrhundert zu datieren ist, kann hier nicht beurteilt werden. Für die folgende Exegese von fr. 44.2 kommt es aber auch nicht darauf an. Denn auch nach Liebs 295 ff. sind die libri opinionum jedenfalls teilweise aus klassischen Quellen geschöpft, und gerade fr. 44.2 nimmt mit placuit – in zutreffender Weise (dazu sogleich im Text) – auf das überkommene Recht Bezug. 18

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greß nehmen kann. Denn aus Billigkeitsgründen dürfe Titius keinen Nachteil erleiden. Ulpian beschäftigt sich nur mit der Frage, ob der Irrtum über die Person des Geschäftsherrn die actio negotiorum gestorum contraria ausschließt, und in diesem Punkt stimmt sein Bericht mit allen anderen Quellen überein: Verpflichtet wird nicht der vermeintliche, sondern der wirkliche dominus negotii.21 Daß sich diese Lösung deshalb durchgesetzt hat, weil dem Geschäftsführer andernfalls ein unangemessener Nachteil entstünde, ist zwar sonst nicht mehr bezeugt, leuchtet aber unmittelbar ein. Denn ein Anspruch gegen den vermeintlichen Geschäftsherrn scheitert am Erfordernis der utilitas22: Das Geschäft nützt nicht ihm, sondern einem anderen. Aus diesem Grund wäre es aber auch unbillig, dem irrenden negotiorum gestor jeden Ausgleich zu versagen. Seine Aufwendungen muß vielmehr derjenige ersetzen, dem das Geschäft in Wahrheit zugute gekommen ist. Was ihr eigentliches Thema, den Irrtum über die Person des Geschäftsherrn, angeht, ist also weder die Entscheidung selbst zu beanstanden noch ihre Begründung. Der Schlußsatz von fr. 44.2 ist aber aus einem anderen Grund problematisch: Er setzt stillschweigend voraus, daß Titius die sui heredes befreit hat und daß er das Geleistete nicht von den Nachlaßgläubigern zurückverlangen kann. Denn nur die befreiende solutio wird als negotium utiliter gestum behandelt23, und nur beim Ausschluß der condictio droht Titius ein damnum. Die Quellen zur solutio des Putativschuldners lassen jedoch das Gegenteil erwarten. Denn hätte Titius’ Schwester selbst auf eine vermeintlich eigene Nachlaßverbindlichkeit gezahlt, dann könnte sie das Geleistete kondizieren, und die wahren Erben blieben verpflichtet.24 Ein entscheidungserheblicher Unterschied zu dem Fall, daß Titius als Dritter auf eine vermeintliche Schuld seiner Schwester zahlt, ist nicht ersichtlich, und aus diesem Grund galt der Schlußsatz lange als unklassisch.25 20 Daß sich die Klage gegen die sui heredes und nicht gegen die Schwester richtet, wird zu Recht allgemein angenommen; vgl. etwa Riccobono APal. 3/4 (1917) 259, Rabel St. Bonfante IV (1930) 294 A. 47, Maier 496, Santalucia (o. A. 19) II 200, Reichard AcP 193 (1993) 572 A. 21 und Müller-Ehlen 207. Denn nach D 3.5.5.12 Ulp 10 ad ed kommt eine Klage gegen den vermeintlichen Geschäftsherrn nur in Betracht, wenn dieser genehmigt, und nach § 13 desselben Fragments scheidet auch diese Möglichkeit aus, wenn das Geschäft einem anderen (dem wahren Geschäftsherrn) zugute gekommen ist. 21 Dieser Grundsatz ist nicht nur in abstrakter Form überliefert, er wird auch in zahlreichen Entscheidungen angewandt; vgl. die u. A. 33 und 36 aufgeführten Stellen und dazu Seiler 27 f. mit A. 28, der auch fr. 44.2 als Belegstelle zitiert. 22 Dazu o. § 11 II. 23 S. o. § 11 bei A. 13 f. 24 Vgl. D 5.3.31 pr. Ulp 15 ad ed (o. § 15 A. 10), D 12.6.19.1 Pomp 22 ad Sab, D 12.6.65.9 Paul 17 ad Plaut und D 46.3.38.2 Afr 7 quaest. 25 Riccobono (o. A. 20) 258 ff. hält die gesamte Entscheidung für interpoliert: Ulpian habe die actio negotiorum gestorum versagt und statt dessen eine condictio gegen

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Eine harmonisierende Interpretation hat bislang nur Reichard26 versucht. Er behauptet, die klassischen Juristen hätten bei der Drittleistung „nicht zwischen Innen- und Außenverhältnis unterschieden“, für sie gehe vielmehr „die Geschäftsführungsklage . . . selbstverständlich Hand in Hand mit der Liberation.“ Dementsprechend führe die Leistung auf eine vermeintlich eigene Schuld weder zur Befreiung des wahren Schuldners noch zu einem Regreßanspruch, während der Irrtum des Dritten über die Person des Schuldners insgesamt nach den Regeln der negotiorum gestio beurteilt werde, weshalb der wahre Schuldner in diesem Fall sowohl befreit als auch zum Ausgleich verpflichtet werde. Müller-Ehlen27 hat sich dieser Erklärung angeschlossen, weil „sie ausgezeichnet mit dem Wortlaut in der Passage quamvis . . . gessisset harmoniert: Titius hat bei der Zahlung den animus aliena negotia gerendi. Sein animus ist auf die Schwester als Geschäftsherrin gerichtet. In Wahrheit sind die Erben seine Geschäftsherrn

die Nachlaßgläubiger gewährt. Gegen diese von der interpolationenkritischen Literatur (vgl. Ind. Suppl. I ahl.) übernommene und noch von Santalucia (o. A. 19) 200 mwN. in A. 42 vertretene Auffassung spricht vor allem das Fehlen eines Interpolationsmotivs. Insbesondere gibt es entgegen Riccobono keinen Beleg dafür, daß Justinian die Regel quod quis suo nomine solvit, non debitoris, debitorem non liberat abgeschafft hätte – im Gegenteil: Die Regel ist in der justinianischen Kompilation überliefert, und zwar gerade im Zusammenhang mit der solutio des Putativerben (D 5.3.31 pr Ulp 15 ad ed). Da sie zudem noch in zahlreichen anderen Digestenstellen auf diesen Fall oder auf andere Fälle angewendet wird (s. o. § 15 A. 11 und 17), können die wenigen Entscheidungen, die ihr widersprechen oder zu widersprechen scheinen (s. o. § 15 A. 13 f.), nicht mit einer justinianischen Reform erklärt werden. Gegen Riccobonos Interpolationsvermutung wendet sich auch Müller-Ehlen 213 A. 22, allerdings mit dem unzutreffenden Argument, „daß die hier im Anschluß an Reichard vertretene These eine überzeugende Erklärung für die Liberation der Erben und die actio negotiorum gestorum in fr. 44(45),2 bietet“ (dazu sogleich im Text). – Weniger radikal ist die Textkritik von Maier 496 f.; vgl. auch Rabel (o. A. 20) 294 A. 47 und Solazzi estinz. 50 A. 1. Er erklärt zwar den Schlußsatz (ohne Begründung) für unklassisch, hält die Entscheidung aber der Sache nach für echt: Die utilitas gestionis sei deshalb zu bejahen, weil die wahren Erben den Nachlaßgläubigern wegen der Zahlung des Titius die exceptio doli entgegenhalten könnten. Diese Lösung ist zwar auch in D 5.1.74.2 Iul 5 dig (o. § 18 A. 108) belegt, dort aber nur für einen Fall, in dem die Kondiktion des Putativschuldners aus besonderen Gründen ausgeschlossen ist. Für die Interpretation von fr. 44.2 kann sie daher nicht herangezogen werden. Denn hier liegt ein solcher besonderer Grund nicht vor, und solange die Nachlaßgläubiger der condictio ausgesetzt sind, besteht kein Anlaß, die Erben durch eine exceptio doli zu schützen (vgl. dazu Müller-Ehlen 207 ff.). – Die Frage, ob der Schlußsatz von fr. 44.2 auf einem Irrtum (eine bewußte Abweichung kommt wegen placuit wohl nicht in Betracht) seines nachklassischen Verfassers beruht, wird in der Diskussion über den Ursprung und die Quellen der libri opinionum (o. A. 19) soweit ersichtlich nicht gestellt. Sie dürfte aber ebenfalls zu verneinen sein. Die zutreffenden Ausführungen zum Irrtum über die Person des Geschäftsherrn rechtfertigen vielmehr die Annahme, daß der Fall entweder insgesamt aus einer klassischen Quelle stammt oder von einem sachkundigen Juristen nach klassischem Recht (placuit) entschieden wurde. 26 (O. A. 20) 572 A. 21. Seiler 11 A. 9, 28 A. 28 und 49 A. 12 äußert ebenfalls keine Bedenken gegen die Klassizität des Schlußsatzes. 27 210 ff., Zitat 211.

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und er führt ihr Geschäft. Genau so mußte Ulpian formulieren, wenn er in diesem Fall die Regel zum Irrtum des Gestors über die Person des Geschäftsherrn anwenden und dabei Innen- und Außenverhältnis als Einheit behandeln wollte.“ Daß ihre durch keine andere Quelle bestätigte28 Interpretation den klassischen Juristen einen offensichtlichen Zirkelschluß unterstellt, nehmen Reichard und Müller-Ehlen bewußt in Kauf.29 Entgangen sind ihnen jedoch die in § 11 besprochenen Quellen zur Drittleistung30, nach denen die Befreiung des Schuldners und seine Haftung aus der actio negotiorum gestorum auch auseinanderfallen können. Diese Texte widerlegen die – nicht näher begründete oder belegte – ,Einheit von Innen- und Außenverhältnis‘ und entziehen damit der Interpretation von fr. 44.2 die Grundlage. Entscheidend ist jedoch, daß das Fragment selbst dieser Interpretation widerspricht. Die Befreiung der wahren Erben wird hier nämlich gerade nicht aus den Regeln der negotiorum gestio abgeleitet – im Gegenteil: Titius erhält die Geschäftsführungsklage nur quia aequum est in damno eum non versari, und wie bereits dargelegt, setzt diese Begründung voraus, daß er zwar nicht seine Schwester, wohl aber die wahren Erben befreit hat und daß er deshalb weder kondizieren noch von seiner Schwester Ersatz verlangen kann. Die befreiende Wirkung der solutio ist also der Grund und nicht die Folge seines Regreßanspruchs.31 Auch was den Satz quamvis . . . gessisset an28 Reichardt (o. A. 20) 572 A. 21 beruft sich zu Unrecht auf D 3.5.38 Gai 3 de verb obl, D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav und D 12.6.8 Paul 6 ad Sab. Keiner dieser Texte handelt von dem nur in fr. 44.2 belegten Fall, „daß nicht der Putativschuldner selbst, sondern für diesen ein anderer leistet“ (und zwar auch nicht nach Muscheler Juristische Schulung 1988, 632, dem Reichard diese Beobachtung zuschreibt). MüllerEhlen 210 ff. gibt keine weiteren Belegstellen an. 29 Vgl. Müller-Ehlen 211: „Diese Argumentation enthält – wie sich erweisen wird, nur aus heutiger Sicht – ein logisches Problem, auf das Reichard hinweist: Daß Titius mit seiner Zahlung nomine sororis die Erben befreit, kann nur dadurch erklärt werden, daß er aufgrund der allgemeinen Regel in einem Geschäftsführungsverhältnis zu den Erben steht. Zugleich ist aber das Freiwerden der Erben notwendige Voraussetzung für dieses Geschäftsführungsverhältnis.“ Noch pointierter formuliert Reichard (o. A. 20) 572/573 A. 21 selbst: „Der Fremdgeschäftsführungswille rechtfertigt das Freiwerden, dieses begründet die Utilität, die wiederum dafür sorgt, daß der Fremdgeschäftsführungswille nicht ins Leere geht.“ 30 Vgl. vor allem D 3.5.42 Lab 6 post a Iav epit, D 17.1.50 pr. Cels 38 dig und D 17.1.53 Pap 9 quaest, aber auch D 17.1.40 Paul 9 ad ed zur Bürgschaft. 31 Auch Müller-Ehlen 212 erkennt an, daß „eine vollständig befriedigende Erklärung des Schlußsatzes“ auf der Grundlage von Reichards Interpretation nicht gegeben werden kann. Sie sieht darin aber „kein Defizit der hier befürworteten Auslegung“, sondern ein Problem, das sich jedem Interpreten stelle, „der – was zwingend ist – aus veritate tamen (negotia) filiorum gessisset, folgert, daß Titius ein Geschäft der Erben führte, sie also befreite.“ So kritisiert Müller-Ehlen zu Recht, daß Maier 496 dieses Problem umgeht, indem er „den Schlußsatz kurzerhand für nicht klassisch“ erklärt. Dies ist jedoch kein Argument für ihr eigenes Textverständnis, zumal eine der von ihr selbst vorgeschlagenen Erklärungen („Der Schlußsatz könnte von einem späteren Bearbeiter stammen, der von einem Kontroversenbericht Ulpians nur das Ergebnis übernahm“) auf dasselbe hinausläuft. Auch die andere Erklärung (aus der pietas) kommt

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geht, ist es mit der „Nähe zum Wortlaut“, die Müller-Ehlen32 Reichards Interpretation bescheinigt, nicht weit her. Denn hier werden die Regeln zum Irrtum über die Person des Geschäftsherrn weder auf das Innen- noch auf das Außenverhältnis angewandt, sondern lediglich klargestellt, daß ihr Tatbestand erfüllt ist: Obwohl Titius in der Absicht gezahlt hat, die Geschäfte seiner Schwester zu führen, hat er doch objektiv betrachtet (veritate tamen) die Geschäfte der sui heredes geführt. Daß er trotz seines Irrtums bei ihnen Regreß nehmen kann, ist damit noch nicht gesagt. Dies wird vielmehr erst im Schlußsatz ausgesprochen und mit der aequitas begründet.33 Andererseits setzt veritate tamen filiorum defuncti . . . gessisset bereits voraus, daß die wahren Erben freigeworden sind.34 Eine Erklärung, die fr. 44.2 mit den Quellen zur Leistung des Putativschuldners in Einklang bringt, steht also noch aus. Der Grund ist, daß alle modernen Interpreten ohne weiteres unterstellen, Titius habe sororis nomine gezahlt.35 Dies steht jedoch weder im Text, noch kann es aus existimans sororem suam defuncto heredem testamento extitisse oder aus quamvis animo gerendi sororis negotia id fecisset erschlossen werden. Denn in dem einen Passus ist nicht von der Zahlung selbst die Rede, sondern nur von dem Irrtum über die Person des nicht ohne die Annahme aus, daß der Schlußsatz oder der darin enthaltene Gedanke „verkürzt“ sei. Denn im Text ist keine Rede davon, daß es Titius den Erben gegenüber nicht zum Nachteil gereichen dürfe, wenn eine Klage gegen seine Schwester aus Gründen der pietas ausgeschlossen wäre. Im übrigen stünde die pietas einer solchen Klage nicht entgegen; vgl. C 2.18.16 Gallus/Volus. Dies räumt auch Müller-Ehlen 212 A. 21 ein, „doch ist außer dem Pietätsverhältnis zwischen Geschwistern kein Grund ersichtlich, der in diesem Fall zu Streit geführt haben kann.“ 32 211. 33 Anders Müller-Ehlen 211: „wenn Titius veritate tamen (negotia) filiorum . . . gessisset, wie der voraufgehende Satz formuliert, wenn er also die Söhne mit Fremdgeschäftsführungswillen befreit, dann bedeutet dies bereits, daß ihm die actio negotiorum gestorum contraria zusteht“. Hier werden Tatbestand und Rechtsfolge verwechselt. Daß diese Unterscheidung den klassischen Juristen bekannt ist und daß sie gerade auch beim Irrtum über die Person des Geschäftsherrn streng durchgehalten wird, zeigen neben fr. 44.2 auch die anderen Quellen zu diesem Problem; vgl. etwa D 3.5.5.1 Ulp 10 ad ed (si, cum putavi Titii negotia esse, cum essent Sempronii, ea gessi, solus Sempronius mihi actione negotiorum gestorum tenetur) und D 10.3.14.1 Paul 3 ad Plaut (negotiorum gestorum actio datur adversus eum cuius negotia curavi, cum putarem alterius ea esse), aber auch D 3.5.5.12 Ulp 10 ad ed (adquin alienum negotium gestum est: sed ratihabitio hoc conciliat: quae res efficit, ut tuum negotium gestum videatur) und 13 (alterius re ipsa gestum negotium sit, nec possit, quod alii adquisitum est ipso gestu, hoc tuum negotium videri). 34 So zutreffend Rabel (o. A. 20) 294 A. 47 und Maier 496 gegen Riccobono (o. A. 20), der die actio negotiorum gestorum contraria verdächtigt und annimmt, Ulpian habe Titius die condictio indebiti gegen die Nachlaßgläubiger gewährt. 35 Vgl. vor allem Riccobono (o. A. 20) 259, Santalucia (o. A. 19) II 200 und Müller-Ehlen 211; auch Maier 496 und Reichard (o. A. 20) 572 A. 21 setzen dies stillschweigend voraus; zweifelnd nur Rabel (o. A. 20) 294 A. 47 („wie hätte unter dieser Voraussetzung der Jurist schreiben können, dass Titius veritate das Geschäft der wirklichen Erben führte?“), der allerdings auf eine eigene Erklärung verzichtet und statt dessen auf Maier verweist.

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

Erben; der andere bezieht sich zwar auf die mit der Zahlung verfolgte Absicht, ihm steht aber das adversative veritate tamen filiorum defuncti . . . gessisset gegenüber36, und damit wird klargestellt, daß Titius gerade nicht für seine Schwester gezahlt hat, sondern ,in Wahrheit‘ für die sui heredes. Dieser Gegensatz bleibt unauflöslich, solange man mit Müller-Ehlen annimmt, daß die Person des Schuldners nach dem inneren Willen des Leistenden oder aus der übereinstimmenden Sicht von Leistendem und Empfänger bestimmt wird. Geht man dagegen vom Vorrang des erklärten Willens aus, dann ergibt die Gegenüberstellung von animo und veritate einen Sinn. Denn bei der Begleichung von Nachlaßverbindlichkeiten kann der Irrtum über die Person des Erben leicht zur Folge haben, daß die den Gläubigern gegenüber abgegebene ,Tilgungsbestimmung‘ von der inneren Vorstellung des Leistenden abweicht. Um eine Nachlaßverbindlichkeit zu identifizieren, genügt nämlich der Name des Erblassers. Sie kann darum auch für den Nachlaß als solchen beglichen werden37, und der Name des Erben muß bei der Leistung nicht genannt werden. Wenn nun ein Dritter an den Nachlaßgläubiger leistet, ohne zu erwähnen, wen er für den Schuldner hält, dann führt ein Irrtum über die Person des Erben dazu, daß er ,in Wahrheit‘ für einen anderen leistet. Daß fr. 44.2 von einem solchen Fall handelt, hat schon die Glosse38 angenommen. Denn die Entscheidung und ihre Begründung lassen sich nur dann mit den Quellen zur solutio des Putativschuldners in Einklang bringen, wenn man annimmt, Titius habe nicht sororis, sondern ,hereditario nomine‘ geleistet. Eine ähnliche Distinktion (der Putativerbe selbst leiste nicht suo, sondern ,hereditario nomine‘), die die Glosse zur Harmonisierung anderer Entscheidungen entwickelt hat39, wird in der Romanistik zu Recht als quellenfremd abgelehnt.40 36 Die übrigen Quellen zum Irrtum über die Person des Geschäftsherrn drücken sich ähnlich aus; vgl. etwa D 3.5.5.1 (si, cum putavi Titii negotia esse, cum essent Sempronii, ea gessi), 10 (si Titii servum putans qui erat Sempronii, dedero pecuniam ne occideretur) und 12 (si Titii debitorem, cui te heredem putabam, cum esset Seius heres, convenero) Ulp 10 ad ed, D 5.4.10 Pap 6 quaest (cum heredis ex parte instituti filius, qui patrem suum ignorabat vivo testatore decessisse, partem hereditatis nomine patris ut absentis administraverit) und D 10.3.14.1 Paul 3 ad Plaut (cuius negotia curavi, cum putarem alterius ea esse). 37 Am deutlichsten ist dies bei der Zahlung für den noch erblosen Nachlaß; vgl. dazu D 28.5.23.3 Pomp 1 ad Sab und D 42.7.1.2 Paul 57 ad ed, aber auch D 28.8.5.1 Ulp 70 ad ed. Ein anderer Fall ist die – für den jeweiligen Erben wirkende – solutio eines Erbprätendenten während der Anhängigkeit des Erbschaftsprozesses; vgl. D 35.3.4.3 Paul 75 ad ed und dazu Müller-Ehlen 163 ff. 38 Zu non versari in fr. 44.2 („licet enim hic contemplatione eius, qui non erat heres, solvit: nomine tamen hereditario solvit“). 39 Vgl. die Glosse zu solvisses und liberarer in D 3.5.48 Afr 8 quaest, zu solvit creditoribus in D 5.3.31 pr. Ulp 15 ad ed, zu solutum est in D 12.6.44 Paul 14 ad Plaut, zu repetere poterit in D 12.6.19.1 Pomp 22 ad Sab, zu quod ille suo nomine in D 46.3.38.2 Afr 7 quaest und zu bona fide in C 3.31.5 Ant. Diese harmonisierende Interpretation hat sich in der gemeinrechtlichen Literatur durchgesetzt; vgl. nur Oert-

§ 19 Ergebnisse

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Für fr. 44.2 trifft dieser Einwand jedoch nicht zu. Auch hier wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, daß Titius, ohne den Namen seiner Schwester zu erwähnen, auf die Nachlaßverbindlichkeiten als solche geleistet hat, die Gegenüberstellung von animo und veritate paßt aber nur auf diesen Fall, und daß das – von seinem inneren Willen abweichende und trotzdem maßgebliche – Auftreten des Dritten als ,Geschäftsführung für den Schuldner‘ beschrieben wird, war bereits in einer anderen Quelle zu beobachten: In D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer41 wird die Leistung eines Mitbürgen mit den Worten solvisset, tamquam negotium reo gessisset bezeichnet und so nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als Drittleistung auf die Hauptschuld qualifiziert, obwohl dies den Interessen und dem mutmaßlichen inneren Willen des Bürgen zuwiderläuft. Dementsprechend kann auch veritate tamen (negotia) filiorum defuncti . . . gessisset als Ausdruck dafür verstanden werden, daß Titius gegenüber den Nachlaßgläubigern als Geschäftsführer der Erbschaft aufgetreten ist und damit trotz seines Irrtums für die wahren Erben gezahlt hat.42 D 3.5.44.2 ist also ein weiterer Beleg dafür, daß der ,Tilgungswille‘ des Dritten aus der Sicht des Gläubigers bestimmt wird: Der Text setzt als selbstverständlich voraus, daß Titius die wahren Erben befreit hat, obwohl er für seine Schwester leisten wollte, und dies läßt sich nur erklären, wenn man von einer – mann 466 ff., der den Meinungsstand ausführlich referiert, die Distinktion der Glosse als „communis opinio“ bezeichnet und sie auch selbst für „quellenmäßig vollauf begründet“ hält (470). 40 Vgl. etwa Maier 488 („die Juristen wissen von jenem Unterschied nichts“) und Solazzi estinz. 51 („la distinzione non è neanche lontanamente accennata nei testi“), aber auch Riccobono (o. A. 20) 251 A. 3 und 262 A. 1 und Muscheler (o. A. 28) 632 sowie vor allem Müller-Ehlen 113 f., 137 ff., 163 ff. und 180 ff., die zu einem differenzierten Urteil gelangt (181): „Daß die Leistung eines Erbschaftsbesitzers an den Nachlaßgläubiger während des Erbschaftsprozesses für denjenigen, der sich als wahrer Erbe erweisen wird (hereditatis nomine), erfolgen kann, ist eine plausible These, die durch Paul. D. 35,3,4,3 bestätigt wird. Eine Leistung des Putativerben hereditatis nomine vor Prozeßbeginn widerspricht, als Ausnahme verstanden, weder der Logik noch der Lebenserfahrung; sie kann daher auch in der Klassik anerkannt gewesen sein, einen Quellenbeleg gibt es hierfür allerdings nicht.“ Um so erstaunlicher ist es, daß Müller-Ehlen diese Möglichkeit bei ihrer Exegese von fr. 44.2 nicht in Betracht zieht. 41 S. o. § 17 III 2 und dort vor allem bei A. 90 f. 42 Ob quamvis . . . gessisset diesen Sachverhalt beschreibt oder als rechtliche Würdigung an eine nicht vollständig überlieferte Sachverhaltsschilderung anknüpft, wie Rabel (o. A. 20) 294 A. 47 vermutet, läßt sich nicht entscheiden. Der Konjunktiv Plusquamperfekt deutet – wenn er nicht dem ,schlechten Latein‘ des nachklassischen Opinionenverfassers (s. o. A. 19) zuzuschreiben ist – eher auf eine Textkürzung. Denn er kann aus sachlichen Gründen nicht als Irrealis verstanden werden, könnte aber aus einem von respondit oder einer anderen Vergangenheitsform abhängigen Zitat (quamvis . . . fecisset, tamen . . . gessisse) stammen. Eine solche Kürzung würde auch die Ungenauigkeit des Ausdrucks erklären. Sie ist aber nicht die einzig denkbare Erklärung. Die parallele Formulierung in D 46.3.37 zeigt nämlich, daß die klassischen Juristen noch keine klare Terminologie für das Auseinanderfallen von erklärtem und innerem Tilgungswillen entwickelt haben.

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4. Kap.: Pro alio und alieno nomine solvere

im modernen Sinn – irrtümlichen Tilgungsbestimmung ausgeht, bei der der erklärte Wille dem wahren Willen vorgeht. Müller-Ehlens Annahme, die klassischen Juristen hätten entweder nach dem inneren Willen des Leistenden entschieden oder die übereinstimmende Sicht des Gläubigers stillschweigend unterstellt, wird durch fr. 44.2 widerlegt. Denn die Befreiung der sui heredes entspricht gerade nicht dem animus gerendi sororis negotia und kann darum weder auf den inneren Willen des Titius noch auf seine mit den Gläubigern übereinstimmende Sicht zurückgeführt werden. Müller-Ehlen vermeidet diesen zwingenden Schluß, indem sie die Regeln zum Irrtum über die Person des Geschäftsherrn auf die solutio durchschlagen läßt. Diese von Reichard übernommene Erklärung hält einer kritischen Überprüfung jedoch nicht stand.

Fünftes Kapitel

Vertretbare und unvertretbare Leistungen § 20 Vorbemerkungen In der Romanistik besteht Einigkeit darüber, daß die Drittleistung bei bestimmten Schuldverhältnissen ausgeschlossen ist. Als entscheidendes Kriterium gilt die Art der geschuldeten Leistung. Welche Leistungen ,unvertretbar‘ sind, wird allerdings unterschiedlich beurteilt. Der wohl überwiegende Teil der Literatur1 ist mit Solazzi2 der Auffassung, daß die Drittleistung bei Obligationen auf dare uneingeschränkt zulässig, bei solchen auf facere (und non facere3) dagegen von vornherein ausgeschlossen ist und daß erst Justinian die strenge Unterscheidung des klassischen Rechts aufgegeben hat. Andere Autoren4 gehen von einem weniger formalen Kriterium aus. Ihrer Ansicht nach kommt es im klassischen Recht nur darauf an, ob die Leistung ihrem Inhalt nach an die Person des Schuldners gebunden ist oder nicht. Dies entspricht in etwa der gemeinrechtlichen Doktrin.5 Unvertretbar sind danach nur solche facta, deren Qualität von den besonderen Kenntnissen oder Fähigkeiten des Schuldners abhängt. Bei Verbalobligationen machen Kaser6 und andere Vertreter dieser Ansicht noch eine weitere Einschränkung: Nur bei aktivisch gefaßter Formel (te . . . facturum) komme ein Ausschluß der Drittleistung überhaupt in Betracht, Stipulationen auf 1 Vgl. etwa De Robertis 163 f., Schulz 629, Betti Appunti 288, Cruz 333 mit A. 594, Pastori 264 A. 4, Sargenti ED 31 (1981) 536 und Hernández-Tejero DRO 183 mit A. 23; vorsichtiger Longo NNDI 12 (1957) 318 mit A. 8 f. und Branca ED 1 (1958) 551. 2 Estinz. 39 ff. 3 In den Quellen erscheinen die Unterlassungspflichten nicht als selbständige Kategorie. So unterscheidet D 45.1.2 pr. Paul 12 ad Sab nur zwischen Stipulationen in dando und in faciendo. Daß die Unterlassungspflichten zur zweiten Gruppe gerechnet werden, zeigt § 5 desselben Fragments (item si in facto sit stipulatio, veluti si ita stipulatus fuero: ,per te non fieri neque per heredem tuum, quo minus ire agere liceat?‘); vgl. auch D 45.1.49.2 Paul 37 ad ed, D 45.1.50 pr. Ulp 50 ad ed, D 45.1.83 pr. Paul 72 ad ed, D 45.1.133 Scaev 13 dig, D 50.16.189 Paul 34 ad ed und – für das justinianische Recht – I 3.15.7 (non solum res in stipulatum deduci possunt, sed etiam facta: ut si stipulemur fieri aliquid vel non fieri); dazu etwa Grosso obbl. 28 f. und Cuena Boy DRO 97. 4 Vgl. etwa Siber 271, Kaser RP I 636, Kunkel/Honsell 263 und Zimmermann 752. 5 Vgl. etwa Windscheid/Kipp II 392, Hertz 7 f. und Oertmann 382 ff. 6 SZ 90 (1973) 184 ff., 200 ff; zustimmend Knütel SZ 100 (1983) 365 und 370 ff.; vgl. auch schon Segré Bull. 42 (1934) 548 f. und Cannata Colpa 142 mit A. 1.

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

fieri könnten dagegen ohne weiteres durch die Handlung eines Dritten erfüllt werden. Die beiden Ansichten führen nur bei Obligationen auf facere zu unterschiedlichen Ergebnissen. Sie stimmen aber darin überein, daß Zahlungs- und andere Übereignungspflichten ohne weiteres von jedem Dritten erfüllt werden können. Daß die solutio eines Dritten befreiende Wirkung hat, ist mehrfach in abstrakter, regelhafter Form überliefert.7 Von unvertretbaren Leistungen ist in diesen Quellen nicht die Rede – im Gegenteil: Die Art der geschuldeten Leistung wird überhaupt nicht erwähnt, und dies erweckt den Eindruck, als sei sie für die obligationstilgende Wirkung der Drittleistung ohne Bedeutung. Dieser Schluß ist jedoch nicht zwingend. Denn in D 3.5.38 Gai 3 de verb obl und D 46.3.53 Gai 5 ad prov erklärt Gaius zwar den Widerspruch des Schuldners und die Person des Dritten für unbeachtlich8, nicht aber die Art der geschuldeten Leistung. Zudem handelt er nur vom solvere eines Dritten, und dieser Ausdruck, der auch in den anderen regelhaft formulierten Quellen zur Drittleistung verwendet wird, bezeichnet vornehmlich die Zahlung geschuldeten Geldes oder die Übereignung geschuldeter Sachen.9 Bei anderen Leistungen wird er vergleichsweise selten gebraucht10, und im Zusammenhang mit facere ist er sogar nur vereinzelt belegt.11 Cruz12 zieht daraus den Schluß, daß das klassische Recht nur die Erfüllung einer auf (pecuniam oder certum) dare gerichteten Schuld als solutio qualifiziere und sie dadurch von der – als satisfactio bezeichneten – Erfüllung anderer Verbindlichkeiten unterscheide. Diese von Melillo und Kaser13 bestrittene These kann hier zwar nicht überprüft werden, aber selbst wenn sie sich nicht oder nicht in vollem Umfang halten läßt, kann D 3.5.38, D 46.3.53 und den übrigen regelhaft formulierten Texten zur solutio eines Dritten nicht entnommen werden, daß die befreiende Drittleistung unabhängig von der Art der geschuldeten Leistung bei allen Obligationen anerkannt wäre. Denn daß mit sol7

Vgl. die o. § 1 III 1 zusammengestellten Quellen. S. o. § 1 bei A. 72 und nach A. 99. 9 Vgl. die bei Cruz 68 ff. und 133 ff. zusammengestellten Quellen. 10 In D 12.6.26.12 Ulp 26 ad ed, D 12.6.40 Marci 3 reg, D 19.2.19.9 Ulp 32 ad ed und D 38.1.9.1 Ulp 34 ad Sab bezeichnet er die Leistung geschuldeter operae, in D 27.1.24 Pap 11 quaest (= vat. 225) die fideikommissarische Freilassung, in D 16.3.1.43 Ulp 30 ad ed, D 16.3.11 Ulp 41 ad Sab und D 46.3.35 Alfen 2 dig a Paulo epit die Rückgabe einer deponierten Sache, in D 10.2.44.7 Paul 6 ad Plaut, D 23.3.24 Pomp 15 ad Sab, D 23.4.26.4 Pap 4 resp, D 24.3.2 pr. Ulp 35 ad Sab, D 24.3.22.1 Ulp 33 ad ed, D 24.3.29.1 Ulp 3 disp, D 25.1.5.2 Ulp 36 ad Sab und D 46.3.34.6 Iul 54 dig die Herausgabe der dos. 11 Vgl. vor allem D 50.16.176 Ulp 45 ad Sab (solvere dicimus eum, qui fecit quod facere promisit) aber auch D 46.3.98.6 Paul 15 quaest (nemo enim dixit facto pro facto soluto liberationem contingere . . . quia non factum pro facto solvere videtur). 12 65 ff., 132 ff. und 227 ff. 13 Vgl. Melillo 4 ff. sowie Kaser RP I 635 A. 7 und 636 A. 6, aber auch die differenzierte Stellungnahme von Hernández-Tejero DRO 182 f. 8

§ 20 Vorbemerkungen

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vere zumindest regelmäßig eine Übereignung – und zwar typischerweise die Zahlung – gemeint ist, läßt sich kaum bestreiten.14 Ein besonderer Hinweis auf die Unvertretbarkeit anderer Leistungen könnte also schon deshalb entbehrlich sein, weil die klassischen Juristen auch bei der nicht näher qualifizierten solutio eines Dritten stets den Regelfall einer als vertretbar anerkannten datio solvendi causa vor Augen haben. Die übrigen Quellen zur Drittleistung bestätigen diese Vermutung. Denn soweit dies erkennbar ist15, handeln sie fast ausschließlich von Geldschulden, und zwar aus unterschiedlichen Rechtsverhältnissen16: aus Judikat17, Darlehen18, Bürgschafts-19 und anderen Stipulationen20, Kauf21, locatio conductio22 und aus öffentlichen Steuer- und Zollpflichten23. Für Obligationen anderen Inhalts ist die Drittleistung nur selten belegt. So zeigt D 12.6.8 Paul 6 ad Sab24, daß die auf dotem reddere gerichtete Verpflichtung des geschiedenen Ehemanns der Drittleistung zugänglich ist, und nach D 46.3.72.2 Marcell 20 dig25 endet der 14

Vgl. etwa Steiner 34 ff., Solazzi estinz. 32 und Sargenti (o. A. 1) 534. Keine Angaben zur Art der geschuldeten Leistung enthalten (neben den in § 1 III 1 zusammengestellten Quellen, auf die bereits in A. 7 hingewiesen wurde) D 12.6.44 Paul 14 ad Plaut, D 17.1.12.5 Ulp 31 ad ed, D 20.6.12.1 Paul 5 resp, D 46.1.31 Ulp 23 ad ed, D 46.1.69 Tryph 9 disp, D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer, D 46.3.40 Marci 3 inst und C 4.29.9 Gord. 16 Keine Angabe zum Schuldgrund enthalten PS 2.9.1, D 3.5.31 pr. Pap 3 resp, D 3.5.42 Lab 6 post a Iav epit, D 3.5.44.2 Ulp 4 opin, D 12.6.36 Alf 5 dig a Paul epit, D 15.3.3.1 Ulp 29 ad ed, D 15.3.10.7 Ulp 29 ad ed, D 16.1.4.1 Ulp 29 ad ed, D 16.1.5 Gai 9 ad ed prov, D 17.1.53 Pap 9 quaest, D 20.1.16.3 Marci l s ad form hyp, D 20.4.11.4 Gai l s de form hyp, D 20.5.5 pr. Marci l s de form hyp, D 20.6.1 pr. Pap 11 resp, D 46.1.51.1 Pap 3 resp, C 2.18.3 Sev/Ant, C 2.18.12 Alex, C 4.29.1 Ant, C 4.29.4.1 Alex und I 4.7.4 a, b. 17 C 5.58.1 Sev/Ant, vgl. auch Livius 6.14.3 bis 5. 18 D 6.1.65 pr. Pap 2 resp, D 20.4.12.6 Marci l s ad form hyp, D 22.1.37 Ulp 10 ad ed, C 8.13.22 Diocl/Max und C 8.17.1 Sev/Ant. 19 D 17.1.12.1, 2 Ulp 31 ad ed und D 17.1.26.3 Paul 32 ad ed; vgl. auch D 17.1.50 pr. Cels 38 dig. 20 D 32.33.2 Scaev 15 dig und D 46.3.59 Paul 2 ad Plaut; vgl. auch CIL IV 3340 XLIX (= FIRA III Nr. 128). 21 D 24.1.7.7 Ulp 31 ad Sab und D 24.1.50 pr. Iav 13 epist; vgl. auch D 24.1.7.4 Ulp 31 ad Sab, C 4.50.6.1 Diocl/Max und C 5.16.9 Gord zum Barkauf. 22 D 13.7.11.5 Ulp 28 ad ed, D 16.1.28.1 Scaev 1 resp, vgl. auch C 2.18.15 Gordian zum Honorar eines magister und C 7.73.3 Ant zur Steuerpacht. 23 D 24.1.21 pr. Ulp 32 ad Sab, C 2.18.16 Gall/Volus, vgl. auch C 4.31.11 Diocl/ Max. 24 S. o. § 11 bei A. 36; vgl. auch D 10.2.44.7 Paul 6 ad Sab: Usu fructu uxori legato donec ei dos solvatur, per arbitrium familiae erciscundae tam id, quod coheredis nomine ex dote solutum sit, reciperare potest, quam ut coheres solvat effici posse Cassius ait: et verum est. 25 Sed quid si ignorante debitore ab alio creditor eum stipulatus est? hic quoque existimandus est periculo debitor liberatus, quemadmodum si quolibet nomine eius servum offerente stipulator accipere noluisset. 15

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

Schuldnerverzug, wenn ein Dritter dem Gläubiger den geschuldeten Sklaven anbietet. Der typische Fall der Drittleistung – und der solutio überhaupt – ist also die Zahlung. Über die Vertretbarkeit anderer Leistungen ist damit allerdings noch nichts gesagt. Diese Frage wird in den außerjustinianischen Quellen gar nicht behandelt, und auch in den Digesten ist nur ein einziges Fragment überliefert: In D 46.3.31 erörtert Ulpian die Frage, ob die Verpflichtung aus einer auf facere oder non facere gerichteten Stipulation durch die Drittleistung des Bürgen erlischt. Dieser zentrale Text wird in § 22 besprochen. Vor seiner Exegese ist jedoch zunächst (in § 21) auf zwei justinianische Konstitutionen einzugehen, in denen die überkommene Lehre ausdrücklich kritisiert und aufgegeben wird. Denn diese Reformgesetze sind nicht nur für die Textkritik von fr. 31 bedeutsam, sondern auch als Quelle zum klassischen Recht. § 21 Justinians Reform und das klassische Recht I. C 8.37.13 Iust (530) 1. Die wichtigste Quelle für Justinians Neuregelung ist C 8.37.13 Iust (530) Veteris iuris altercationes decidentes generaliter sancimus omnem stipulationem, sive in dando sive in faciendo sive mixta ex dando et faciendo inveniatur, et ad heredes et contra heredes transmitti, sive specialis heredum fiat mentio sive non: cur enim, quod in principalibus personis iustum est, non ad heredes et adversus eos transmittatur? (§ 1) Et sic existimentur huiusmodi stipulationes, quasi tantummodo in dandum fuerant conceptae, cum nihilo minus et heredes factum possint adimplere: illa subtili et supervacua scrupulositate explosa, per quam putabant non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est. (§ 2) Et quare, cum paene similis omnium natura est, non et facta omnes vel plus vel paulo minus adimplere possint, ne ex huiusmodi subtilitate cadant hominum voluntates?1 1 Übersetzung: Die Streitfragen des alten Rechts entscheidend legen wir allgemein fest, daß jede Stipulation, ob sie in einem Übereignen, in einem Handeln oder einer Mischung aus Übereignen und Handeln besteht, sowohl auf die Erben als auch gegen die Erben übergeleitet wird, ob die Erben nun besonders erwähnt sind oder nicht. Warum nämlich soll das, was bei den ursprünglich beteiligten Personen rechtmäßig ist, nicht auf die Erben und gegen die Erben übergeleitet werden? (§ 1) Und derartige Stipulationen sollen so angesehen werden, als wären sie nur auf eine Übereignung gerichtet, weil ebensogut auch die Erben eine Handlung erfüllen können, nachdem jene spitzfindige und unnötige Bedenklichkeit verworfen ist, deretwegen man glaubte, es sei nicht möglich, daß eine Handlung, die dem einen obliegt, von einem anderen vollständig erfüllt wird. (§ 2) Und warum sollen, wenn die Natur aller fast gleich ist, nicht alle auch die Handlungen mehr oder kaum weniger erfüllen können, damit nicht durch eine derartige Spitzfindigkeit der Wille der Menschen zu Fall kommt?

§ 21 Justinians Reform und das klassische Recht

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Im principium dieser Reformkonstitution nimmt Justinian Streitfragen des klassischen Rechts (veteris iuris altercationes) zum Anlaß, die Rechtsnachfolge in Verbalobligationen zu vereinheitlichen. Nach seiner Neuregelung sind alle derartigen Verbindlichkeiten aktiv wie passiv vererblich, und zwar unabhängig von ihrem Inhalt (sive in dando sive in faciendo sive mixta ex dando et faciendo inveniatur) und ohne Rücksicht darauf, ob die Erben in der Stipulationsformel erwähnt sind oder nicht (sive specialis heredum fiat mentio sive non). In den beiden folgenden Paragraphen wird allerdings nur ein Teil dieser umfassenden Regelung näher begründet, nämlich die Erbenhaftung bei Obligationen auf facere: Alle Stipulationen seien so zu behandeln, als richteten sie sich auf eine Übereignung. Denn die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung könne ebenfalls von den Erben erfüllt werden. Die Gegenansicht, nach der die dem Schuldner obliegende Handlung unmöglich von einem anderen vorgenommen werden kann, kritisiert Justinian als spitzfindig und bedenkenträgerisch. Er verwirft sie, weil alle Menschen von Natur aus nahezu gleich2 und deshalb auch ihre Handlungen nicht so verschieden seien, daß die Durchsetzung des Parteiwillens daran scheitern dürfe. 2. Schindler3 kommt in seiner Monographie über die justinianischen Reformkonstitutionen zu dem Ergebnis, in C 8.37.13 werde „die eigentliche klassische Problematik absichtlich verdeckt und generalisierend entschieden.“ Diese Kritik wird dem Text jedoch nicht gerecht. Es ist zwar richtig, daß Justinian keinen genauen Kontroversenbericht gibt, sondern seine eigene Neuregelung ganz in den Vordergrund stellt. Das klassische Recht wird dadurch aber nicht verdeckt – im Gegenteil: Schon das principium enthält deutliche Hinweise auf die grundlegenden Unterscheidungen, und im nachfolgenden Text setzt sich Justinian nicht nur mit der abweichenden Lösung eines bestimmten Problems auseinander, sondern auch mit ihren Gründen: Die Klarstellungen sive in dando sive in faciendo sive mixta ex dando et faciendo inveniatur und sive specialis heredum fiat mentio sive non sind neben generaliter sancimus und omnem stipulationem überflüssig. Sie können daher nur als Anspielung auf die eingangs erwähnten altercationes verstanden werden. In den Klassikerkontroversen ist es also von Bedeutung, ob die Stipulation auf dare oder auf facere (oder auf beides) gerichtet ist und ob die Erben in der Formel genannt sind oder nicht. Die Neuregelung der Erbenhaftung begründet Justinian sogar anhand des klassischen Rechts. So beruft er sich einerseits auf das Vorbild der Obligationen auf dare und bringt damit zum Ausdruck, daß deren passive Vererblichkeit allgemein anerkannt ist.4 Andererseits betont er, daß nach neuem Recht auch Obligationen 2 Zur Bedeutung dieses christlichen Gedankens im nachklassischen Recht Kaser RP II 112 mwN. in A. 3 f. 3 306, vgl. auch 305 mit A. 75; kritisch dazu Liebs Index 1 (1970) 144 mit A. 5 und Kaser SZ 90 (1973) 196 A. 66. 4 Dies räumt auch Schindler 305 A. 75 ein.

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

auf facere von den Erben erfüllt werden können, und läßt damit sogar erkennen, warum diese Verbindlichkeiten bislang von der Gesamtrechtsnachfolge ausgenommen waren. Die weitere Argumentation richtet sich gegen die Ratio der klassischen Unterscheidung und geht damit über den Gegenstand der Konstitution hinaus. Justinian berichtet, daß Obligationen auf facere nach klassischer Auffassung nur vom Schuldner selbst erfüllt werden können (putabant non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est). Nach diesem allgemeinen Prinzip ist nicht nur die Erfüllung durch die Erben unmöglich (und damit die Erbenhaftung ausgeschlossen), sondern auch und zuallererst die befreiende Drittleistung. Auch Justinians Reform beseitigt nicht nur die erbrechtlichen Konsequenzen, sondern das gesamte Prinzip (illa subtili et supervacua scrupulositate explosa, per quam . . . impositum est). Die ,allzu spitzfindigen und überflüssigen Bedenken‘, über die sie sich hinwegsetzt, werden zwar nicht ausdrücklich benannt, sie lassen sich aber aus der rhetorischen Frage in § 2 der Konstitution erschließen. Denn hier erklärt Justinian die Unterschiede zwischen den Menschen und ihren Handlungen für zu gering, als daß man ihretwegen den Willen der Vertragsparteien mißachten dürfe. Er beschreibt damit sowohl das Ziel seiner Reform als auch den Grundgedanken des klassischen Rechts: Ihm geht es um die Durchsetzung des Parteiwillens5, der bisher offenbar aus prinzipiellen Gründen – nämlich wegen der Individualität und Unvertretbarkeit menschlichen Handelns – außer Betracht geblieben ist.6 Liest man C 8.37.13 als Quelle zum klassischen Recht, dann ergibt sich somit folgendes Bild: Aus einer auf dare gerichteten Stipulation haften auch die Erben des Promittenten. Bei allen übrigen Leistungsinhalten (sive in faciendo sive mixta ex dando et faciendo) ist die Rechtsnachfolge umstritten. Der – oder jedenfalls ein7 – Schwerpunkt der Kontroverse erschließt sich aus sive specialis heredum fiat mentio sive non: Geht eine grundsätzlich unvererbliche Obligation dann auf die Erben über, wenn sie in der Stipulation besonders erwähnt sind? Wie die §§ 1 und 2 der Konstitution zeigen, stellt sich diese Frage vor allem8 5 Dies bestätigt nobis sensum contrahentium discutientibus in C 8.37.15 pr. Iust; dazu sogleich unter II. 6 So auch Voci DER I 231: „Bisogna piuttosto pensare al facere come tale, che o è atto di quella persona o non è più quell’atto. . . . La titolarità di un diritto è separabile dalla persona dell’attuale titolare; ma l’azione non conserva la sua identità quando è compiuta da uno invece che da un altro.“ 7 In seiner Untersuchung über die Vererblichkeit von Stipulationen auf facere kommt Scherillo Bull. 36 (1928) 29 ff. zu dem Ergebnis (95 f.), daß im klassischen Recht überhaupt nur die Wirkung der heredis mentio umstritten ist. Ihm folgen unter anderem Bonfante VI 131 mit A. 2, De Robertis 99 f., Biondi DER 92 ff. und Schindler 305 f. Nach Kaser RP II 382 A. 70 ist diese These jedoch „in ihrer Absolutheit nicht zu halten.“ 8 Für stipulationes mixtae dürfte das gleiche gelten.

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bei Stipulationen auf facere. Daß solche Obligationen passiv unvererblich sind, hat keine erbrechtlichen, sondern schuldrechtliche Gründe: Mit dem Tod des Schuldners ist die Leistung unmöglich geworden. Denn anders als eine datio ist ein factum immer an die Person des Leistenden gebunden und damit unvertretbar: Geschuldet ist eine Handlung des Promittenten, und diese kann von niemand anderem vorgenommen werden. Die Unvertretbarkeit der versprochenen Leistung steht der Erbenhaftung dann nicht entgegen, wenn von vornherein ein factum des Promittenten oder seiner Erben versprochen wird. Die Wirksamkeit derartiger Stipulationen ist aber aus anderen Gründen problematisch, und zwar vor allem deshalb, weil niemand die Handlung eines anderen wirksam versprechen kann.9 Auch im Wege der specialis heredum mentio kann die Vererblichkeit also nur unter Verstoß gegen schuldrechtliche Grundsätze erreicht werden. Dies dürfte zumindest ein Grund für die Kontroversen sein, von denen Justinian berichtet.10 Das gleiche Problem stellt sich auch bei unpersönlich gefaßten Stipulationen auf fieri oder non fieri. Da sie dem Wortlaut nach nicht auf ein Verhalten des Promittenten beschränkt sind, ließe sich die Erbenhaftung hier sogar ohne specialis heredum mentio begründen, ihr stünde aber wiederum der Grundsatz nemo alienum factum promittendo obligatur entgegen. Daß auch die passive Vererblichkeit solcher Stipulationen unter den klassischen Juristen umstritten ist11, läßt sich nach dem Wortlaut von C 8.37.13 nicht ausschließen. Denn Justinian erwähnt eine Mehrzahl von altercationes, ohne ihren Gegenstand genauer zu bestimmen. Trotz dieser offenen Formulierung ist andererseits kaum anzunehmen, daß die passive Unvererblichkeit von Stipulationen auf facere schon in klassischer Zeit prinzipiell in Frage gestellt wird.12 Denn obwohl Justinian die Rechtsnachfolge insgesamt reformiert, geht er in seiner Begründung nur auf diesen einen Fall ein. Er setzt sich dabei ausführlich mit der abweichenden Lösung des klassischen Rechts auseinander und deutet nicht einmal an, daß auch seine Neuregelung Vorbilder hätte. Gerade dieser Teil der Konstitution scheint also nicht nur alte Streitfragen zu entscheiden, sondern das klassische Recht grundlegend zu reformieren. Aus dem gleichen Grund ist auch bei der schuldrechtlichen Vorfrage, ob Obligationen auf facere von Dritten erfüllt werden können, nicht mit einer Kontroverse 9 Vgl. D 45.1.38 pr. Ulp 49 ad Sab (nemo alienum factum promittendo obligatur) sowie D 45.1.83 pr. Paul 72 ad ed, D 46.1.65 Herm 6 iur ep und I 3.19.3 und 21, aber auch D 45.1.81 pr. Ulp 77 ad ed; dazu Kaser RP I 490 A. 18 mwN. 10 Vgl. etwa Segré Bull. 42 (1934) 548 f., Voci DER I 225 A. 68 und Kaser (o. A. 3) 200. 11 Dies nehmen vor allem Voci DER I 225 und Kaser (o. A. 3) 195 f. und 200 f. an. Nach Kaser 201 ist bei solchen Stipulationen sogar „ohne weiteres anerkannt, daß der Promissor auch durch Handeln eines Dritten befreit wird“, dazu u. bei A. 40. 12 Anders Kaser (o. A. 3) 200 A. 82 mwN. Seines Erachtens lassen die altercationes „damit rechnen, daß es an Ansätzen zu einer Vererblichkeit schon nach einer Meinung wenigstens eines Teils der Klassiker nicht gefehlt hat.“

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zu rechnen. Zudem beziehen sich die am Anfang der Konstitution erwähnten altercationes veteris iuris nur auf das dort behandelte Problem der Rechtsnachfolge und nicht auf den in § 1 zitierten Satz non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est. Daß dieses Prinzip bei den klassischen Juristen außer Streit steht, zeigt schließlich auch das unpersönliche putabant, das gerade nicht durch quidam oder auf ähnliche Weise eingeschränkt wird. 3. In C 8.37.13 gibt Justinian zwar kein vollständiges Bild der klassischen Rechtsauffassung, er deutet aber immerhin an, auf welche Fragen sich die Kontroverse zur Vererblichkeit von Verbalobligationen bezieht, und gerade bei der Vertretbarkeit von facta läßt er sogar die Tragweite seiner Reform erkennen: Im klassischen Recht gilt der Grundsatz, daß die geschuldete Handlung nur vom Schuldner selbst vorgenommen werden kann. Die Haftung der Erben kann deshalb allenfalls durch eine entsprechende Fassung der Stipulationsformel erreicht werden, und zwar durch die specialis heredum mentio, möglicherweise aber auch durch eine unpersönliche Formulierung, die das Handeln der Erben nicht ausschließt. Die Wirksamkeit solcher Klauseln ist jedoch umstritten. Erst Justinian gibt den schuldrechtlichen Grundsatz auf und gelangt so zu einer einheitlichen Regelung der Erbenhaftung. II. C 8.37.15 Iust (532) Die aus C 8.37.13 gezogenen Rückschlüsse auf den klassischen Rechtszustand werden durch eine spätere Konstitution bestätigt: C 8.37.15 Iust (532) Si quis spoponderat insulam, cum moriebatur, aedificare stipulatori, impossibilis veteribus videbatur huiusmodi stipulatio. sed nobis sensum contrahentium discutientibus veri simile esse videtur hoc inter eos actum, ut incipiat quidem contra morientem obligatio, immineat autem heredibus eius, donec ad effectum perducatur. nemo enim ita stultus invenitur, ut tali animo faceret stipulationem, ut putaret posse tantum aedificium in uno momento horae extollere, vel eum qui moritur talem habere sensum, quod ipse sufficiet ad huiusmodi operis completionem. (§ 1) Sancimus itaque, si quid tale evenerit, heredes teneri, ut factum, quod mortis tempore facere promisit, hoc heredes eius adimpleant quasi speciali heredis mentione habita, licet hoc minime fuerit expressum. quemadmodum enim, si in dando fuerit stipulatio, et contra heredes transmittebatur, ita et si in faciendo est, licet in mortis tempus colligatur, attamen ad similitudinem in dando conceptae stipulationis et heredes obligari, ut non discrepet factum a datione, sed sit lex nostra per omnia sibi consentanea. (§ 2) Quod et in legatis simili modo relictis observari censemus.13 13 Übersetzung: Wenn jemand versprochen hatte, im Zeitpunkt seines Todes ein Mietshaus für den Stipulationsgläubiger zu bauen, hielten die Alten eine derartige Stipulation für unmöglich. Aber wir untersuchen den Willen der Vertragsparteien und halten es für wahrscheinlich, daß dies zwischen ihnen vereinbart wurde, damit die

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Justinian wendet hier seine zwei Jahre zuvor erlassene Neuregelung auf den Sonderfall an, daß jemand ein factum – die Errichtung eines Mietshauses – auf den Zeitpunkt seines Todes versprochen hat. Solche Verpflichtungen sollen nicht mehr, wie im klassischen Recht, wegen Unmöglichkeit nichtig sein, sondern in der Person des Erblassers entstehen und dann auf die Erben übergehen. Diese Lösung wird wiederum in erster Linie mit dem Parteiwillen begründet: Die Vertragspartner können vernünftigerweise nur gewollt haben, daß das Gebäude erst von den Erben errichtet wird. Daher sind solche Stipulationen so zu behandeln, als wären die Erben des Promittenten in der Formel ausdrücklich mitverpflichtet worden. Unter Hinweis auf seine eigene Reformkonstitution argumentiert Justinian aber auch erneut ad similitudinem in dando conceptae stipulationis: Die Befristung auf den Todesfall kann die Erbenhaftung bei Stipulationen auf facere ebensowenig ausschließen wie bei Stipulationen auf dare. In § 2 wird die Neuregelung schließlich noch auf Legatsschulden erstreckt. Auch hier geht also die Verpflichtung zu einem facere auf die Erben des Belasteten über, obwohl sie erst mit dessen Tod und damit zu einem Zeitpunkt entsteht, in dem er sie selbst nicht mehr erfüllen kann. Die Konstitution nennt nicht nur das Ziel (ut non discrepet factum a datione) und das Motiv (nobis sensum contrahentium discutientibus) der justinianischen Reform, sie enthält auch zahlreiche Hinweise auf das klassische Recht. So setzt die Analogie in § 1 voraus, daß Obligationen auf dare vererblich sind, und zwar selbst dann, wenn sie erst mit dem Tod des Schuldners fällig werden. Die Fiktion quasi speciali heredis mentione habita bestätigt zudem, daß Obligationen auf facere allenfalls dann auf die Erben übergehen, wenn die Stipulationsformel entsprechend gestaltet ist. Die Klarstellung in § 2 zeigt schließlich noch, daß sich die Erbenhaftung (und damit die Vertretbarkeit) nicht nur bei Stipulationsverbindlichkeiten, sondern auch bei anderen strengrechtlichen Obligationen nach der Art der geschuldeten Leistung richtet.

Verbindlichkeit zwar gegen den Sterbenden entsteht, aber auf seinen Erben lastet, bis sie zur Ausführung gebracht wird. Es wird nämlich niemand so einfältig sein, die Stipulation in der Vorstellung abzuschließen, daß er glaubt, ein so großes Gebäude in einem Augenblick errichten zu können oder der Sterbende habe die Vorstellung, daß er selbst für die Vollendung eines derartigen Werks genüge. (§ 1) Wir ordnen deshalb an, daß die Erben haften, wenn so etwas geschieht, so daß seine Erben die Handlung, von der er versprochen hat, sie im Zeitpunkt seines Todes vorzunehmen, so erfüllen, als habe eine besondere Erwähnung des Erben stattgefunden, obwohl dies nicht ausgesprochen wurde. Wie nämlich die Stipulation, wenn sie sich auf eine Übereignung richtete, auch gegen die Erben übergeleitet würde, so sollen, auch wenn sie sich auf eine Handlung richtet, obwohl sie mit dem Zeitpunkt des Todes verknüpft ist, dennoch nach dem Vorbild einer auf Übereignung gerichteten Stipulation auch die Erben verpflichtet werden, damit die Handlung nicht von der Übereignung abweiche, sondern unser Gesetz in allem mit sich selbst in Einklang stehe. (§ 2) Wir bestimmen, daß dies auch bei Vermächtnissen, die auf ähnliche Weise ausgesetzt sind, beachtet wird.

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Am Anfang des Textes wird das klassische Recht sogar ausdrücklich referiert (impossibilis veteribus videbatur huiusmodi stipulatio). Die Verpflichtung, im Augenblick seines Todes ein Mietshaus zu errichten, kann vom Schuldner selbst nicht mehr erfüllt werden und ist daher nichtig. Eine Haftung seiner Erben scheidet für die veteres also von vornherein aus. Sie scheitert nicht etwa daran, daß die Klausel cum morieris gegen den Grundsatz ab heredis persona obligatio incipere non potest verstieße. Nichtigkeitsgrund ist vielmehr, wie Justinian zuverlässig berichtet14, die Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung. Sie beruht nicht allein darauf, daß es tatsächlich ausgeschlossen ist, im Moment des Todes ein Haus zu bauen. Denn das gleiche Problem stellt sich auch bei Stipulationen wie ,cum morieris, dari spondes‘, und hier wird es mit dem Gedanken der logischen Sekunde gelöst15, um die Haftung der Erben zu ermöglichen und so dem Willen der Vertragsparteien Geltung zu verschaffen. Bei Obligationen auf facere hilft diese Konstruktion jedoch nicht weiter. Denn sie sind schon deshalb unvererblich, weil sie nur vom Schuldner selbst erfüllt werden können.16 Die Lösung des klassischen Rechts beruht also auf dem gleichen Grundsatz, den Justinian schon in C 8.37.13.1 verworfen hat. Sie wird wiederum als allgemeine Ansicht der klassischen Juristen dargestellt (veteribus videbatur)17 und kann deshalb nicht zu den in der Reformkonstitution erwähnten altercationes gerechnet werden. Dies ist vor allem deshalb auffällig, weil Justinians Einwand, 14 Dies zeigt auch die außerjustinianische Überlieferung; vgl. vor allem Gai 3.100: Denique inutilis est talis stipulatio, si quis ita dari stipuletur: post mortem meam dari spondes? vel ita: [post mortem tuam dari spondes? utilis est autem stipulatio, si quis ita dari stipuletur: cum moriar, dari spondes? vel ita:] cum morieris, dari spondes? id est, ut in novissimum vitae tempus stipulatoris aut promissoris obligatio conferatur: nam inelegans esse visum est ab heredis persona incipere obligationem. Zu der Ergänzung post mortem . . . ita nur Nelson/Manthe 129 f.; vgl. außerdem Gai 2.232 (u. A. 15) und Paul vat. 98, aber auch D 35.2.32 pr. Maec 9 fideic, D 42.5.7 Gai 23 ad ed prov und D 45.1.45.1, 3 Ulp 50 ad Sab; dazu Voci DER I 251 f., Kaser RP I 492 und Nelson/Manthe 130 f. 15 Vgl. das novissimum vitae tempus in Gai 3.100 (o. A. 14), aber auch Gai 2.232 (ita autem recte legatur: cum heres meus morietur; quia non post mortem heredis relinquitur, sed ultimo vitae eius tempore) sowie zum Bedingungsrecht D 28.5.5 Marcell ad Iul 29 dig (quod si etiam novissimo tempore impleri potest, veluti ,si decem Titio dederit, heres esto‘) und D 28.7.28 Pap 13 quaest (quae potuit etiam extremo vitae momento impleri, veluti ,si decem Titio dederit, filius heres esto‘). 16 Für den umgekehrten Fall aktiver Unvererblichkeit ist ein ähnlicher Gedanke in D 33.2.5 Paul 3 ad Sab belegt: Usum fructum ,cum moriar‘ inutiliter stipulor. idem est in legato, quia et constitutus usus fructus morte intercidere solet. Da der geschuldete Nießbrauch unvererblich ist, kann die von den Vertragspartnern gewollte Rechtsfolge auch nicht mit dem Gedanken der logischen Sekunde erreicht werden. Ebenso entscheidet Modestin (9 diff) in D 7.1.51. Auch in D 23.3.20 Paul 7 ad Sab wird die logische Sekunde nicht bemüht, weil das Ergebnis mit den für die versprochene Leistung geltenden Regeln unvereinbar wäre: Die Stipulation cum morieris, dotis nomine tot dari ist nichtig, denn es ist unzulässig ab initio in id tempus stipulari, quo matrimonium futurum non sit.

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die Haftung der Erben sei offensichtlich von beiden Vertragspartnern gewollt, kaum von der Hand zu weisen ist. Daß der Parteiwille im klassischen Recht nur bei Stipulationen auf dare, nicht aber bei solchen auf facere berücksichtigt wird, macht deutlich, wie streng der Grundsatz non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est beachtet wird: Er verhindert eine sachgerechte Lösung, die dem Willen beider Vertragspartner entspricht und darum bei Stipulationen auf dare auch allgemein anerkannt ist. C 8.37.15 bestätigt damit die Vermutung, daß in der Klassik weder die schuldrechtliche Regel noch ihre erbrechtlichen Konsequenzen grundsätzlich in Frage gestellt werden. Erst Justinian gibt die prinzipielle Unterscheidung zwischen Handlungs- und Übereignungspflichten auf, damit alle Verbindlichkeiten nach den gleichen Regeln erfüllt und vererbt werden (ut non discrepet factum a datione). III. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen In C 8.37.13 geht es Justinian nicht um die authentische Überlieferung des klassischen Rechts, sondern um die Begründung seiner eigenen Reform. Sein Bericht ist daher polemisch formuliert (illa subtili et supervacua scrupulositate) und vielleicht auch in der Sache vereinfachend, einseitig oder überspitzt. Daß er das klassische Recht falsch wiedergibt, ist jedoch unwahrscheinlich. Dies gilt vor allem für die prinzipielle Unvertretbarkeit von facta, die Justinian kaum erfunden haben wird, um sie gegen seine eigene Reform einzuwenden und dann gleich wieder abzuschaffen. Auch die ausdrückliche Gleichstellung von Stipulationen auf dare und facere ist nur sinnvoll, wenn die beiden Fälle im klassischen Recht unterschiedlich behandelt werden. Der Grundgedanke dieser Unterscheidung ist zwar der Hauptgegenstand von Justinians Polemik, gerade er wird aber durch ein Zitat belegt (putabant) und durch die in C 8.37.15 überlieferte Entscheidung bestätigt. Die mutwillige Fälschung solch konkreter, der eigenen Regelung widersprechender Aussagen würde die Autorität der Reform nur untergraben. Bei aller Skepsis gegen die Glaubwürdigkeit seiner historischen Berichte18 ist sie Justinian daher nicht zuzutrauen. Die beiden hier untersuchten Konstitutionen sind also durchaus zuverlässige Quellen für den klassischen Rechtszustand. Als solche sind sie nicht nur für die Rechtsnachfolge in Verbalobligationen von Bedeutung, sondern auch und vor allem für die Drittleistung.19 Der Grundsatz, daß Obligationen auf facere nur 17 Daß sie noch von Paulus vertreten wird, zeigt D 45.1.46.1 Paul 12 ad Sab: Id autem, quod in facto est, in mortis tempus conferri non potest, veluti ,cum morieris, Alexandriam venire spondes?‘ 18 Vgl. nur Schindler 53 ff. und 341 ff. 19 Letzteres ist in der Romanistik kaum beachtet worden. C 8.37.13 und 15 werden nur für die Textkritik von D 46.3.31 Ulp 7 disp herangezogen (s. u. § 22 bei A. 21) und in den Arbeiten zur solutio überhaupt nicht erwähnt. Dies gilt insbesondere für

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vom Schuldner selbst erfüllt werden können, ist nämlich nur hier überliefert: in C 8.37.13.1 für alle Stipulationen auf facere und in C 8.37.15 pr. speziell für das Versprechen, ein Mietshaus zu errichten. Nach Justinians Darstellung gilt er im klassischen Recht ausnahmslos und unbestritten. Er ist der Disposition der Vertragsparteien entzogen und läßt sich normativ kaum erklären. Denn er schützt den Gläubiger nicht nur vor der Leistung eines weniger qualifizierten Dritten, sondern schließt auch die Erbenhaftung aus und wirkt damit zu seinem Nachteil. Der Satz non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est ist daher mit Justinian als Dogma zu verstehen und auf die dem Recht vorgelagerte Vorstellung zurückzuführen, daß das factum eines Dritten wegen der Individualität menschlichen Handelns notwendig etwas anderes ist als das geschuldete factum des Promittenten. Da Justinian die Unvertretbarkeit von facta beseitigt hat, ist davon auszugehen, daß die Kompilatoren die auf diesem Grundsatz beruhenden Entscheidungen anweisungsgemäß20 entweder gar nicht in Digesten aufgenommen oder dem neuen Recht angepaßt haben. Dies erklärt zum einen, warum in den justinianischen Quellen nur ein einziger Text zur Drittleistung bei Obligationen auf facere überliefert ist. Zum anderen ist in diesem Fragment mit Interpolationen zu rechnen. Da die von Justinian entschiedenen Streitfragen ebenfalls gestrichen worden sind21, läßt sich zwar nicht sicher ausschließen, daß das Dogma von der Unvertretbarkeit menschlichen Handelns schon unter den klassischen Juristen umstritten ist; wie bereits dargelegt, ist dies jedoch nach Justinians eigener Darstellung in C 8.37.13 kaum wahrscheinlich. Hinzu kommt das Fehlen außerjustinianischer Quellen, das bei einer unstreitigen Frage eher zu erklären ist als bei einer grundlegenden Kontroverse. Die von Justinian entschiedenen Streitfragen sind freilich nicht vollständig aus den Digesten entfernt worden.22 So wird gerade die Rechtsnachfolge in Verbalobligationen häufig behandelt, obwohl sie in C 8.37.13 und 15 abschlieSolazzi estinz. 39 ff., der seine These, die Drittleistung bei Obligationen auf facere sei erst seit Justinian zulässig, statt dessen mit C 6.51.1.9 b, c Iust belegt (40 A. 1 und 2); ebenso schon Frese 446 mit A. 214 und noch Cruz 333 mit A. 594. Diese Konstitution handelt jedoch nicht von der solutio, sondern von der condicionis implendae causa erbrachten Leistung eines Dritten. Sie bezeugt daher lediglich, daß Justinian auch hier die klassische Unterscheidung zwischen vertretbaren dationes und unvertretbaren facta abgeschafft hat (in D 28.7.28 Pap 13 quaest ist sie allerdings noch erkennbar). Dasselbe gilt für D 40.7.39.5 Iav 4 ex post Lab, Solazzis (40 A. 2) zweiten Beleg. In diesem Fragment werden zudem nicht facere und dare gegenübergestellt, sondern operas dare und pecuniam dare, und hier ist darum auch die Parallele zur solutio zweifelhaft. Denn es ist nicht eindeutig bezeugt, daß das klassische Recht die Drittleistung bei operae ebenso kategorisch ausschließt wie bei facta (dazu näher u. § 23 III). 20 Vgl. Const. Deo auct §§ 7 und 10 sowie Const. Tanta § 10. 21 Vgl. Const. Deo auct §§ 8 f. sowie Const. Tanta §§ 10 und 14 f. 22 Vgl. die Einschränkungen am Ende von Const. Deo auct § 9 und Const. Tanta § 14 sowie Kaser MRQF 83 f. mit A. 189 gegen Schindler 14.

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ßend geregelt ist. Dies gilt nicht nur für Obligationen auf dare, bei denen Justinian das klassische Recht übernommen hat. Auch die nach seiner eigenen Darstellung umstrittene Erbenhaftung bei Stipulationen auf facere wird in zahlreichen Digestenstellen23 erörtert oder zumindest vorausgesetzt. Hier kann Justinian also auf klassische Entscheidungen zurückgreifen, die im Ergebnis mit seiner Reform übereinstimmen. Wie der folgende Exkurs zeigen wird, finden sich aber auch in diesen Quellen keine Hinweise auf eine Durchbrechung des Grundsatzes non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est. IV. Exkurs: Zur Unvererblichkeit von Obligationen in faciendo 1. Die meisten Texte zur Erbenhaftung in faciendo handeln von solchen Stipulationen, in denen die Erben ausdrücklich mitverpflichtet werden.24 Sie zeigen nur, daß die specialis heredum mentio seit der Hochklassik jedenfalls bei bestimmten Versprechen – wie etwa ratum haberi oder non fieri, quominus ire agere liceat – als wirksam anerkannt ist.25 Daß die Unvertretbarkeit solcher facta grundsätzlich in Frage gestellt würde, läßt sich diesen Texten nicht entnehmen. Die Häufigkeit der specialis heredum mentio spricht vielmehr dagegen. Denn wenn das Verhalten der Erben dem geschuldeten factum des Promittenten gleichstünde, müßte es in der Stipulationsformel nicht eigens erwähnt werden. In einigen Entscheidungen wird die Erbenhaftung bei unpersönlich gefaßten Stipulationen sogar ohne besondere Erwähnung der Erben anerkannt. Aber auch diese Quellen lassen nicht auf die Vertretbarkeit der versprochenen Handlung oder Unterlassung schließen. Dies gilt vor allem für

23 Einige von ihnen werden sogleich unter IV vorgestellt. Einen vollständigen Überblick gibt Scherillo (o. A. 7) 31 ff.; vgl. außerdem Voci DER I 226 ff. 24 So D 4.8.27.1 Ulp 13 ad ed, D 4.8.32.19 Paul 13 ad ed, D 4.8.49.2 Iul 4 dig, D 10.2.25.12 Paul 23 ad ed, D 10.2.44.5 Paul 6 ad Sab, D 45.1.2.5 Paul 12 ad Sab, D 45.1.4 pr., 1 Paul 12 ad Sab, D 45.1.38.14 Ulp 49 ad Sab, D 45.1.49.2 Paul 37 ad ed, D 45.1.83 pr. Paul 72 ad ed, D 45.1.85.3 Paul 75 ad ed, D 45.1.131 pr. Scaev 13 quaest, D 45.1.133 Scaev 13 quaest und D 46.8.18 Pomp 26 ad Sab. 25 Es fällt auf, daß die specialis heredum mentio für andere Handlungspflichten, insbesondere für die Herstellung eines Werks, in den klassischen Quellen nicht belegt ist. Entgegen Scherillo (o. A. 7) 51 folgt daraus jedoch nicht „che esse fossero assolutamente intrasmissibili“ (so aber auch De Robertis 100). Denn in C 8.37.15.1 ordnet Justinian an, daß die auf Errichtung einer insula gerichtete Stipulation so zu behandeln sei, als wären die Erben in der Formel genannt. Diese Hilfsargumentation ist nur sinnvoll, wenn zumindest ein Teil der klassischen Juristen die specialis heredum mentio auch bei solchen Stipulationen anerkennt.

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D 45.1.38 pr. Ulp 49 ad Sab Stipulatio ista: ,habere licere spondes?‘ hoc continet, ut liceat habere, nec per quemquam omnino fieri, quo minus nobis habere liceat. quae res facit, ut videatur reus promisisse per omnes facturum, ut tibi habere liceat: videtur igitur alienum factum promisisse, nemo autem alienum factum promittendo obligatur, et ita utimur. sed se obligat, ne ipse faciat, quo minus habere liceat: obligatur etiam, ne heres suus faciat vel quis ceterorum successorum efficiat, ne habere liceat. (§ 1) Sed si quis promittat per alium non fieri, praeter heredem suum dicendum est inutiliter eum promittere factum alienum. (§ 2) At si quis velit factum alienum promittere, poenam vel quanti ea res sit potest promittere. sed quatenus habere licere videbitur? si nemo controversiam faciat, hoc est neque ipse reus heredes eius heredumve successores.26

Die stipulatio habere licere enthält ihrem Wortlaut nach die Zusage, daß die Kaufsache von niemandem evinziert wird.27 Ein solches Versprechen wäre aber auf ein Verhalten Dritter gerichtet und darum nach dem Grundsatz nemo alienum factum promittendo obligatur unwirksam. Mit dieser Begründung beschränkt Ulpian den Gegenstand des Unterlassungsversprechens auf die Eviktion durch den Promittenten, seine Erben und deren Rechtsnachfolger. In § 1 stellt er dann klar, daß auch die ausdrückliche Erwähnung eines sonstigen Dritten unwirksam wäre, und in § 2 verweist er statt dessen auf die Möglichkeit einer Garantiestipulation28: Der Käufer kann sich Schadensersatz oder eine 26 Übersetzung: Die Stipulation „Versprichst du die Erlaubnis zum Besitz?“ umfaßt folgendes: daß es erlaubt ist zu besitzen und daß durch überhaupt niemanden bewirkt wird, daß uns nicht erlaubt ist zu besitzen. Dies hat zur Folge, daß der Stipulationsschuldner so angesehen wird, als habe er versprochen, daß durch alle bewirkt wird, daß es dir erlaubt ist zu besitzen. Er scheint also eine fremde Handlung versprochen zu haben; aber niemand wird durch das Versprechen einer fremden Handlung verpflichtet, und dies befolgen wir. Aber er verpflichtet sich, nicht selbst zu bewirken, daß es dir nicht erlaubt ist zu besitzen; er wird auch verpflichtet, daß sein Erbe nicht bewirkt oder ein anderer der Rechtsnachfolger nicht herbeiführt, daß es nicht erlaubt ist zu besitzen. (§ 1) Aber wenn jemand verspricht, daß es durch einen anderen nicht bewirkt wird, außer seinem Erben, muß man sagen, daß er unwirksam eine fremde Handlung verspricht. (§ 2) Aber wenn jemand eine fremde Handlung versprechen will, kann er eine Buße versprechen oder wieviel dies wert ist. Aber wie weit wird die Erlaubnis zu besitzen verstanden? Wenn niemand einen Streit herbeiführt, das heißt: weder der Stipulationsschuldner selbst noch seine Erben oder die Rechtsnachfolger der Erben. 27 Daß sie ursprünglich auch die Funktion eines umfassenden Garantieversprechens hatte, ergibt sich aus Varro de re rust. 2.2.5 und 2.3.5; vgl. außerdem D 19.1.11.18 Ulp 32 ad ed. Auch der erste Satz von fr. 38 pr. geht noch davon aus. Arangio-Ruiz Compr. 340 und Kaser (o. A. 3) 192 schreiben ihn daher Sabinus zu und sehen Ulpians Kommentar als Beleg dafür an, daß sich die Funktion der stipulatio habere licere im Lauf der Klassik gewandelt hat. 28 Durch eine solche Stipulation wird der Verkäufer immerhin mittelbar gezwungen, der Eviktion entgegenzuwirken. Knütel Stipulatio poenae (1976) 50 zieht deshalb aus D 45.1.38.2 den Schluß: „Die unechte Vertragsstrafe bietet demnach einen Ausweg, wenn die primär angestrebte Leistung nur unter den Parteien selbst nicht selbständig stipuliert werden kann, wenn zum Beispiel . . . die Leistung eines Dritten promittiert werden soll.“ Einen weiteren, schon von Celsus anerkannten Ausweg schildert Ulpian

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poena für den Fall versprechen lassen, daß die Kaufsache von einem Dritten evinziert wird. Gegen die Wirksamkeit einer solchen Stipulation bestehen keine Bedenken. Denn sie richtet sich auf eine Zahlung, und das factum alienum ist nicht Gegenstand der Verpflichtung, sondern nur die Bedingung für ihr Entstehen. Der Schlußsatz hebt dann noch einmal hervor, daß das Verhalten der Erben und ihrer Rechtsnachfolger ohne weiteres von der stipulatio habere licere umfaßt ist. Bei diesen Personen bedarf es also keines Garantieversprechens, und wegen der unpersönlich gefaßten Stipulationsformel ist sogar die specialis heredum mentio entbehrlich. Die prinzipielle Unvertretbarkeit menschlicher Handlungen (und Unterlassungen) wird durch diesen Text nicht in Frage gestellt. Ulpian geht vielmehr einen anderen Weg: Er legt die stipulatio habere licere ihrem Wortlaut und Zweck entsprechend dahin aus, daß der Verkäufer nicht nur das Unterlassen einer eigenen Handlung verspricht (se obligat, ne ipse faciat, quo minus habere liceat), sondern zusätzlich noch das Unterlassen seiner Erben und ihrer Rechtsnachfolger (obligatur etiam, ne heres suus faciat vel quis ceterorum successorum efficiat, ne habere liceat 29). Mit dieser Lösung schränkt Ulpian den Grundsatz nemo alienum factum promittendo obligatur ein, um die interessengerechte Haftung der Erben zu begründen. Er knüpft damit an die bei der specialis heredum mentio entwickelte Lösung an und hält gleichzeitig daran fest, daß das Verhalten der Erben gesondert versprochen werden muß, weil es etwas anderes ist als das factum des Promittenten. Auch die Stipulation dolum malum esse afuturumque esse ist ohne besonderen Formelzusatz für die Erben verbindlich. Venuleius begründet dies mit dem Wort afuturumque, das er wegen seiner weiten, über den Tod des Promittenten hinausreichenden Bedeutung der ausdrücklichen heredis mentio gleichstellt.30 (77 ad ed) in D 45.1.81 pr.: Celsus ait, etsi non est huic stipulationi additum ,nisi steterit, poenam dari‘, in id quanti interest sisti, contineri. et verum est, quod Celsus ait: nam qui alium sisti promittit, hoc promittit id se acturum, ut stet. Wird die Handlung eines Dritten (hier: alium sisti) ohne Strafzusatz versprochen, so ist der Promittent verpflichtet, auf diese Handlung hinzuwirken. Bleibt sie aus, dann haftet er ebenso, als hätte er Schadensersatz versprochen. Ähnlich D 45.1.50 Ulp 50 ad ed und D 45.1.83 pr. Paul 72 ad ed. 29 Dieser Satz wird von Scherillo (o. A. 7) 59 ff. und anderen zu Unrecht verdächtigt; vgl. Kaser (o. A. 3) 193 f. Ulpian legt die stipulatio habere licere wegen des Grundsatzes nemo alienum factum promittendo obligatur restriktiv aus, der Zusatz praeter heredem in § 1 zeigt jedoch, daß er die ausdrückliche Verpflichtung des Erben zuläßt, obwohl sie gegen diesen Grundsatz verstößt. Daher besteht kein Grund, dieselbe Ausnahme im pr. zu verdächtigen. Zudem läßt Ulpian auch in § 13 desselben Fragments die Erbenhaftung aus einer unpersönlich gefaßten Stipulation ohne specialis heredum mentio zu (dazu sogleich im Text). 30 D 46.7.19 pr. Ven 9 stip: Novissima clausula iudicatum solvi stipulationis ,dolum malum abesse afuturumque esse‘ et in futurum permanens factum demonstrat. itaque si forte decesserit is, qui dolo fecerit, tenebitur heres eius: verbum enim ,afuturumque esse‘ plenissimum est et ad omne tempus refertur, ut, si aliquo tempore non afuerit

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

Ulpian dagegen erkennt die Erbenhaftung auch bei dieser Stipulation ohne weiteres an: D 45.1.38.13 Ulp 49 ad Sab Si quis dolum malum promissoris heredisque eius abesse velit, sufficere ,abesse afuturumque esse‘ stipulari: si vero de plurium dolo cavere velit, necessarium esse adici: ,cui rei dolus malus non abest non afuerit, quanti ea res erit, tantam pecuniam dari spondes?‘31

Der Text bestätigt nicht nur, daß Ulpian bei bestimmten unpersönlich gefaßten Stipulationen auf die specialis heredum mentio verzichtet.32 Er enthält auch wieder die Klarstellung, daß das Verhalten Dritter im übrigen nicht wirksam versprochen33, sondern nur garantiert werden kann.34 Solche Garantieversprechen sind eine weitere Möglichkeit, die Unvererblichkeit von Stipulationen auf facere zu umgehen35: Sie richten sich auf (poenam oder quanti ea res erit, tantam pecuniam) dare und sind daher ohne weiteres vererblich. Inhalt der Bedingung kann aber jedes Verhalten eines beliebigen Dritten sein – auch das der Erben. Ist die Bedingung passivisch gefaßt oder werden die Erben sogar ausdrücklich genannt, dann sind sie mittelbar zur Vornahme der jeweiligen Handlung oder Unterlassung gezwungen, da sie andernfalls aus der Garantiestipuladolus, quoniam verum sit non afuisse, committatur haec clausula. Zumindest die Begründung (plenissimum, ad omne tempus, aliquo tempore) bezieht sich auch auf die Haftung des Erben für eigenen dolus. Denn die bereits entstandene Haftung des Promittenten ist auch ohne futurische dolus-Klausel vererblich (vgl. D 45.1.121.3 Pap 11 resp). Auch § 1, wo Venuleius die Haftung für den dolus eines Dritten behandelt, spricht eher für diese Interpretation; anders jedoch Kaser (o. A. 3) 197, der fr. 19 pr. nur auf die Haftung für den dolus des Erblassers bezieht. 31 Übersetzung: Wenn jemand (sicherstellen) will, daß Arglist des Promittenten und seines Erben unterbleibt, genüge es, sich versprechen zu lassen, ,daß (sie) unterbleibt und unterbleiben wird‘. Wenn er sich aber vor der Arglist mehrerer schützen will, sei es erforderlich hinzuzufügen: ,Versprichst du für den Fall, daß dieser Angelegenheit Arglist nicht unterbleibt und unterbleiben wird, soviel Geld zu zahlen, wieviel dies wert sein wird?‘ 32 Scherillo (o. A. 7) 74 hält heredisque eius vor allem wegen des folgenden § 14 (suae personae adiungere quis heredis personam potest) für interpoliert. Mit Kaser (o. A. 3) 196 ist jedoch eher anzunehmen, „daß diese ausdrückliche Erwähnung von einer älteren klassischen Auffassung gefordert wurde, daß aber schon Ulpian auf sie verzichtet hat.“ Dafür spricht vor allem D 7.6.5 pr. Ulp 79 ad ed: Huic stipulationi ,dolum malum abesse afuturumque esse‘ continetur: et cum in rem sit doli mali mentio concepta, omnium dolum comprehendere videtur successorum et adoptivi patris. Vgl. dazu Kaser 196 f. mwN. in A. 68 f. 33 Daß die Regel nemo alienum factum promittendo obligatur auch bei der Auslegung der Stipulation dolum malum abesse afurumque esse angewandt wird, zeigt D 45.1.83 pr. Paul 72 ad ed. 34 Das gleiche gilt für Fragment D 46.7.19 Ven 9 stip: Nachdem Venuleius im pr. die Stipulation dolum malum esse afuturmque esse auf die Erben erstreckt hat (s. o. A. 30), stellt er in § 1 klar, daß für den dolus eines extraneus nur im Rahmen eines Garantieversprechens gehaftet wird. 35 Vgl. dazu Voci DER I 229 f. und Knütel (o. A. 28) 85.

§ 21 Justinians Reform und das klassische Recht

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tion in Anspruch genommen werden können. Belegt ist diese Lösung für Handlungen wie iter fieri und ratum haberi 36 sowie für non fieri, ut ire agere liceat 37 und andere Unterlassungen38. 2. Die Quellen, in denen die Erbenhaftung unabhängig von einem besonderen Garantieversprechen und ohne specialis heredum mentio anerkannt wird, enthalten keinen Hinweis darauf, daß die Unvertretbarkeit von facta generell oder auch nur für einzelne Fälle in Frage gestellt würde. Sie lassen vielmehr keinen Zweifel daran, daß der Promittent grundsätzlich nur sein eigenes Verhalten wirksam versprechen kann und daß ein factum alienum auch bei unpersönlich gefaßten Stipulationen nicht zum Schuldinhalt gehört. Belegt ist dies jedoch nur für die unter 1 erwähnten Unterlassungspflichten. Kaser39 zieht daraus den Schluß, daß Stipulationen auf non fieri „wegen der Regel nemo alienum factum promittendo obligatur zunächst nur als das Versprechen eines eigenen Verhaltens des Promissors ausgelegt“ und auch „nach jüngerer Auslegung“ nur auf seine Erben erstreckt werden. Um eine Haftung für das Verhalten Dritter zu begründen, sei daher ein Garantie- oder Strafversprechen erforderlich. Für Stipulationen „auf ein facere im engeren Sinn, also auf ein Tätigwerden“ gelte diese Einschränkung jedoch nicht. Hier hafte der Promittent unabhängig von solchen Klauseln für jedes Ausbleiben der geschuldeten Leistung. Auch bei der Erbenhaftung und bei der Drittleistung vermutet Kaser besondere Regeln: Wenn „in passivischer Wendung ein fieri versprochen wird, von dem es gleichgültig ist, wer tätig wird“, sei zwar „primär der Promissor (oder sein Erbe) zu handeln verpflichtet. Es ist aber ohne weiteres anerkannt, daß der Promissor auch durch Handeln eines Dritten befreit wird.“ Selbst bei aktivisch gefaßten Stipulationen sei die Drittleistung im Einzelfall zulässig und „mit Ansätzen zu einer Vererblichkeit“ zu rechnen. Der grundlegende Unterschied zwischen Handlungs- und Unterlassungspflichten, von dem Kaser in seiner Argumentation ausgeht, läßt sich nicht bestreiten: Während derjenige, der ein non fieri schuldet, grundsätzlich nur für eigene Zu36 Beides in D 45.1.4.1 Paul 12 ad Sab; vgl. auch D 46.8.18 Pomp 26 ad Sab und D 46.8.22.6 Iul 56 dig. In diesen beiden Texten wird die Klausel ,si ita factum non erit sive quid adversus ea factum erit, quanti ea res erit, tantam pecuniam dari spondesne?‘ zwar nicht ausdrücklich erwähnt, sie gehört aber zur ediktalen cautio ratam rem haberi; vgl. nur Lenel EP 541 und Kaser (o. A. 3) 187 A. 16. 37 D 45.1.83.3 Paul 75 ad ed. 38 So in D 45.1.4.1 Paul 12 ad Sab für amplius non agi; hierher gehört wahrscheinlich auch D 50.16.69 Ulp 78 ad ed: Haec verba ,cui rei dolus malus aberit afuerit‘ generaliter comprehendunt omnem dolum, quicumque in hanc rem admissus est, de qua stipulatio est interposita. Das Fragment bezieht sich nach seinem palingenetischen Kontext auf die dolus-Klausel der cautio iudicatum solvi, die zumindest auch in Form einer Interessestipulation belegt ist; vgl. Lenel Paling. II 871 f. (Ulpian 1708) und Kaser (o. A. 3) 199 mwN. in A. 81. 39 (O. A. 3) 184 ff. und 200 ff. (Zitate 200 f.); vgl. auch die o. § 20 A. 6 zitierten Autoren.

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

widerhandlungen haftet, ist die Verpflichtung zu einem facere oder fieri im engeren Sinn immer dann verletzt, wenn die versprochene Handlung ausbleibt, also weder vom Schuldner selbst noch von einem Dritten vorgenommen wird. Daraus folgt aber nicht, daß der Schuldner nur in diesem Fall haftet, daß er also frei wird, sobald ein Dritter die versprochene Handlung vornimmt. Dieser Umkehrschluß setzt vielmehr voraus, daß der Schuldner nicht (nur) sein eigenes, sondern ein beliebiges factum versprochen hat. Kaser selbst behauptet dies nur für Stipulationen auf fieri.40 Bei solchen Versprechen ist es zwar vorstellbar, daß sie wegen ihrer unpersönlichen Fassung auf Handlungen Dritter erstreckt werden. In den Quellen gibt es jedoch keinen Beleg für eine solche Auslegung41, und auch sonst werden Stipulationen auf facere und fieri, soweit ersichtlich, nicht unterschieden. Kasers These widerspricht zudem der Regel nemo alienum factum promittendo obligatur, deretwegen gerade auch unpersönlich gefaßte Stipulationen als Versprechen eines eigenen Verhaltens ausgelegt werden.42 Mit Justinians Bericht in C 8.37.13 ist sie ebenfalls nicht zu vereinbaren. Denn der dort zitierte Satz non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est unterscheidet nicht danach, ob das factum aus einer aktivisch oder aus einer passivisch gefaßten Stipulation geschuldet wird, und Justinian erklärt ihn auch nicht aus dem Inhalt des Versprechens, sondern aus der dem Recht vorgegebenen Individualität menschlichen Handelns.

40 Bei aktivisch gefaßten Stipulationen auf te . . . facturum komme es darauf an, ob die Drittleistung im Einzelfall zulässig sei. Hierfür verweist Kaser (o. A. 3) 201 A. 88 auf sein Lehrbuch. Auch dort (RP I 636) nennt er jedoch nur die allgemeine Ausnahme „wenn die Leistung nicht nach ihrem Inhalt an die Person des Schuldners gebunden ist.“ Wonach sich dies im Einzelfall bestimmt, sagt er nicht. 41 Kaser (o. A. 3) 202 und 198 f. mwN. in A. 78 beruft sich zum einen darauf, daß die Defensionsklausel in der cautio iudicatum solvi auch die Defension durch Stellvertreter oder Erben umfaßt. Doch wird diese Klausel – entweder allein (Lenel EP 532) oder zusammen mit der Judikatsklausel (Kaser 188 A. 19 mwN.) – durch eine Interessestipulation ergänzt. Für die anderen Stipulationen, die Kaser 202 f. anführt, gilt dies zwar nicht, bei ihnen ist aber auch weder die Erbenhaftung noch die Drittleistung bezeugt. Kaser 203 selbst zitiert lediglich D 7.9.5 pr. Ulp 79 ad ed für die cautio usufructuaria. Diese Stelle handelt jedoch von der Erbenhaftung aus der dolus-Klausel und damit von einer Unterlassungspflicht, die – wie o. bei A. 31 ff. gezeigt – in der Spätklassik auf die Erben des Promittenten erstreckt wird. 42 Vgl. vor allem D 45.1.38 pr., 2 und dazu o. nach A. 26. Nach Kaser (o. A. 3) 202 A. 89 darf dieser Text „nicht irremachen: Das factum alienum ist hier nicht jedes beliebige Handeln eines Dritten, sondern nur dasjenige, von dem im Zusammenhang die Rede ist: die Erhaltung des habere licere.“ Gegen eine derartige Begrenzung seiner Aussage spricht jedoch zum einen der Text selbst: Ulpian entwickelt die allgemeine Regel gerade nicht aus den Besonderheiten der stipulatio habere licere, er wendet sie vielmehr auf diesen speziellen Fall an. Zum anderen ist die Regel auch noch im Zusammenhang mit weiteren Stipulationen belegt, vgl. vor allem D 45.1.83 pr. Paul 72 ad ed (dolum malum abesse afuturumque esse und neque per te neque per heredem tuum fieri, quo minus fiat), aber auch D 45.1.81 pr. Cels bei Ulp 77 ad ed (alium sisti).

§ 22 D 46.3.31 Ulp 7 disp

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3. Nach den Quellen zur Erbenhaftung aus Stipulationen in faciendo besteht kein Anlaß, an Justinians Bericht zu zweifeln. Sie haben vielmehr gezeigt, daß der Promittent grundsätzlich nur sein eigenes Verhalten wirksam versprechen kann, daß die specialis heredum mentio und andere Ausnahmen nur im Interesse der Erbenhaftung zugelassen werden und daß die klassische Jurisprudenz mit der auf dare gerichteten Straf- oder Garantiestipulation auch für alle übrigen Fälle eine geeignete Ersatzlösung zur Verfügung stellt. Daß sie die befreiende Drittleistung bei bestimmten Handlungspflichten oder bei unpersönlich gefaßten Stipulationen auf fieri anerkannt hätte, ist dagegen nicht bezeugt, und dies, obwohl Justinian solche auf der Linie seiner Reform liegenden Entscheidungen kaum unterschlagen hätte. § 22 D 46.3.31 Ulp 7 disp: Eine spätklassische disputatio über die Unvertretbarkeit von facta I. Überblick Im siebten Buch seiner Disputationen handelt Ulpian unter anderem de stipulationibus.1 Aus diesem Zusammenhang stammt der einzige klassische Text zur Drittleistung bei Obligationen auf facere: D 46.3.31 Ulp 7 disp Inter artifices longa differentia est et ingenii et naturae et doctrinae et institutionis. ideo si navem a se fabricandam quis promiserit vel insulam aedificandam fossamve faciendam et hoc specialiter actum est, ut suis operis id perficiat, fideiussor ipse aedificians vel fossam fodiens non consentiente stipulatore non liberabit reum. quare etiam si illis stipulationibus fideiussor accesserit: ,per te non fieri, quo minus mihi ire agere liceat?‘, prohibens ire fideiussor stipulationem non committit et, si patientiam praestet, non efficiet, quo minus committatur stipulatio.2

Das Fragment gliedert sich in zwei Teile. Im ersten geht es um die Stipulation von Werkleistungen (dazu unter II): Der Unternehmer hat den Bau eines Schiffes, die Errichtung eines Mietshauses oder die Aushebung eines Grabens 1

Vgl. Lenel Paling. II 412 ff. (Ulpian 128 bis 138). Übersetzung: Zwischen Handwerkern besteht ein großer Unterschiede sowohl in der natürlichen Fähigkeit und Begabung als auch in der erlernten Fertigkeit und Ausbildung. Wenn deshalb jemand versprochen hat, daß ein Schiff von ihm gebaut, ein Mietshaus errichtet oder ein Graben ausgehoben werde, und dies besonders vereinbart worden ist, daß er das in Eigenleistung vollbringt, dann wird der Bürge, indem er selbst baut oder den Graben aushebt, ohne daß der Stipulator zustimmt, den Schuldner nicht befreien. Auch wenn daher ein Bürge zu jenen Stipulationen hinzugetreten ist „daß es nicht durch dich geschieht, daß es mir nicht erlaubt ist zu gehen und zu fahren“, dann bringt der Bürge, indem er das Gehen verbietet, die Stipulation nicht zum Verfall, und wenn er Duldung gewährt, bewirkt er nicht, daß die Stipulation nicht verfällt. 2

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

versprochen und dabei besonders vereinbart, daß das Werk in eigener Arbeit (suis operis3) hergestellt werden soll. Diese Stipulation ist durch eine Bürgschaft gesichert worden. Ulpian behandelt die Frage, ob der Bürge den Unternehmer befreien kann, indem er selbst das Mietshaus errichtet oder den Graben aushebt.4 Nach seiner Entscheidung ist dies wegen der höchst unterschiedlichen Begabung und Qualifikation von Handwerkern nur mit Zustimmung des Gläubigers möglich. Der zweite Teil des Fragments handelt von dem ebenfalls durch Bürgschaft gesicherten Versprechen, die Ausübung eines Wegerechts zu dulden (dazu unter III). Auch hier ist das Verhalten des Bürgen unbeachtlich. Der Verfall der Stipulation wird weder durch sein Verbot ausgelöst noch durch seine Duldung verhindert. II. Zum Ausschluß der Drittleistung bei Stipulationen auf facere 1. Der Bau eines Schiffes oder eines Mietshauses und die Aushebung eines Grabens sind typische Beispiele für Werkleistungen und damit für facta, die in einer Stipulation versprochen werden.5 Ulpian entscheidet also keinen Einzelfall, sondern erörtert anhand exemplarischer Fälle ein allgemeines Problem der stipulatio (operis) faciendi 6: Kann ein solches Versprechen von dem zu seiner Absicherung gestellten Bürgen erfüllt werden? Diese Frage berührt ein Grundproblem des klassischen Bürgschaftsrechts: Daß Stipulationen auf facere durch Bürgschaft gesichert werden können, ist auch in anderen Quellen belegt.7 Die Einzelheiten sind jedoch nicht überliefert und daher umstritten. Dies betrifft vor allem die Statthaftigkeit der einzelnen Bürgschaftsformen und die damit eng zusammenhängende Frage, worauf der 3 Der Ausdruck opera wird auch metonymisch in der Bedeutung ,Arbeiter‘ verwendet; vgl. D 45.1.137.3 Ven 1 stip und Heumann/Seckel s.v. opera 2. In fr. 31 kann operis suis jedoch nicht in diesem Sinn verstanden werden; vgl. Cannata Colpa 142 f. 4 Der im Sachverhalt an erster Stelle genannte Schiffsbau wird später nicht mehr erwähnt. Da keine Gründe für eine unterschiedliche Behandlung ersichtlich sind, dürfte es sich hierbei wohl um ein Schreibversehen handeln. Mayer-Maly 100 f. ergänzt daher ipse [fabricans vel] aedificans; zustimmend Cannata Colpa 143 A. 1. 5 Vgl. nur D 45.1.75.7 Ulp 22 ad ed (qui id, quod in faciendo aut in non faciendo consistit, stipulatur, incertum stipulari videtur: in faciendo, veluti ,fossam fodiri‘ ,domum aedificari‘ ,vacuam possessionem tradi‘) oder D 45.1.72 pr. Ulp 20 ad ed (et si quis faciendum aliquid stipulatus sit, ut puta . . . fossam fodiri vel insulam fabricari). 6 Ebenso Scherillo Bull. 36 (1928) 89. Diese Darstellungsweise entspricht dem Charakter von Ulpians Disputationen und ist daher unverdächtig; vgl. Mayer-Maly 101 und Cannata Colpa 143 A. 1 gegen Kerr Wylie 171 A. 3. 7 Vgl. vor allem D 45.1.14 Pomp 5 ad Sab: Si ita stipulatus essem abs te ,domum aedificari?‘ vel heredem meum damnavero insulam aedificare, Celso placet non ante agi posse ex ea causa, quam tempus praeterisset, quo insula aedificari posset: nec fideiussores dati ante diem tenebuntur.

§ 22 D 46.3.31 Ulp 7 disp

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Bürge in solchen Fällen haftet: Nach Flume8 übernimmt der sponsor eine eigene Leistungspflicht, die ihrem Inhalt nach mit der des Hauptschuldners identisch ist, während der fideiussor für eine fremde Verbindlichkeit einsteht, selbst also immer nur Geld schuldet. Obligationen auf facere und andere unvertretbare Leistungen können danach nicht durch sponsio, wohl aber durch fideiussio gesichert werden. Nach der vor allem von Frezza9 vertretenen Gegenansicht besteht zwischen den Bürgschaftsformen kein grundlegender Unterschied: Auch die fideiussio begründet eine auf idem gerichtete Leistungspflicht und ist daher bei unvertretbaren Leistungen ausgeschlossen. Hier muß der Hauptschuldner zunächst eine poena oder das Interesse für den Fall versprechen, daß er die Hauptschuld nicht erfüllt. Erst für diese auf (pecuniam) dare gerichtete Stipulation kann dann ein sponsor oder ein fideiussor gestellt werden.10 Nach Frezza11 ist allerdings nicht jedes factum unvertretbar. Er nimmt vielmehr an, daß bestimmte Obligationen auf facere auch unmittelbar durch Bürgschaft gesichert werden können, und zwar durch sponsio ebenso wie durch fideiussio. Diese bürgschaftsrechtlichen Fragen können hier nicht vertieft werden. Es bleibt lediglich festzuhalten, daß fr. 31 nach Flumes Theorie ohne weiteres aufgeht, während die Gegenansicht den Sachverhalt ergänzen muß: Schon die Fragestellung setzt voraus, daß der Bürge nur zur Zahlung des Interesses verpflichtet ist. Schuldete er nämlich dasselbe wie der Hauptschuldner, also die Herstellung des Werks, dann wäre es selbstverständlich, daß er auch mit befreiender Wirkung leisten kann. Flume12 kann den Text daher als Beleg dafür anführen, „daß die Verpflichtung des fideiussor nur in der Haftung für die Hauptverbindlichkeit besteht.“ Frezza13 muß dagegen unterstellen, daß der Unternehmer nicht nur das Werk, sondern auch eine Vertragsstrafe versprochen hat: „Evidentemente i fideiussori di cui si parla nel testo (che avrebbero potuto essere anche sponsores) sarebbero costituti invano, se non rispondessero per una penale stipulata in caso di inadempimento della prestazione dedotta in stipulazione.“ Der für das Verständnis von fr. 31 entscheidende Punkt steht somit außer Streit: Der Bürge selbst ist – als fideiussor oder weil er sich für eine Strafstipulation verbürgt hat – nur zur Zahlung verpflichtet und nicht zur Herstellung des Werks. Ulpian behandelt also die Frage, ob er als Dritter auf die Schuld des Unternehmers leisten kann. Aus diesem Grund entscheidet er auch nicht über 8

Akzessorietät 27 ff. und 54 ff., wN. o. § 17 A. 1. I 43 ff.; wN. o. § 17 A. 1 und in den folgenden Anmerkungen. 10 Vgl. Frezza I 42 f. und Sacconi Obbl. sol. 187. Diese Form der Bürgschaft ist in D 44.7.44.6 Paul 74 ad ed belegt; vgl. auch D 46.1.44 Iav 11 epist. 11 I 39 ff.; zustimmend Kaser SZ 90 (1973) 200 A. 83; vorsichtiger Sacconi Obbl. sol. 187 mit A. 31; vgl. auch Mayer-Maly 99 mit A. 10. 12 Akzessorietät 55; ebenso De Robertis 90 f. 13 I 43; ebenso Sacconi Obbl. sol. 186 f.; anders Segré Bull. 42 (1934) 548 f. und Kaser (o. A. 11) 200 A. 93 die den Text – trotz ihres von Flume abweichenden Ansatzes – auf die fideiussio beziehen. 9

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

die Befreiung des Bürgen, sondern über die des Unternehmers (non liberabit reum). Das Interesse des Bürgen wird zwar darauf gerichtet sein, seine eigene Haftung zu vermeiden. Durch die Herstellung des Werks kann er jedoch allenfalls mittelbar – über die Befreiung des Unternehmers – zum Ziel kommen. Der ,Selbsteintritt des Bürgen‘14 ist demnach kein besonderes bürgschaftsrechtliches Institut, sondern Drittleistung, wenn auch mit der bereits mehrfach beobachteten15 Besonderheit, daß der Dritte als fideiussor selbst für die Erfüllung der Hauptschuld haftet und durch seine Leistung mittelbar auch sich selbst befreien will. Ulpian erklärt den Selbsteintritt des Bürgen – und mit ihm die Drittleistung überhaupt – für unzulässig. Nur wenn der Gläubiger zustimmt, kann der Bürge den Unternehmer (und sich selbst) durch die Herstellung des Werks befreien. Die ratio decidendi steht schon im ersten Satz (inter . . . institutionis. ideo . . .). Danach beruht die Entscheidung auf folgender Überlegung: Talent und Ausbildung von Handwerkern sind höchst unterschiedlich. Der Wert eines Hauses oder eines Schiffes hängt aber entscheidend von der fachlichen Qualifikation dessen ab, der es baut. Der Gläubiger einer solchen Werkleistung kann daher darauf bestehen, daß sie vom Schuldner selbst erbracht wird. Mit der Leistung des Bürgen oder eines sonstigen Dritten muß er sich nicht zufriedengeben. Er kann ihr aber zustimmen, wenn er diese Personen für ebenso qualifiziert hält wie seinen Vertragspartner. Nach dieser Argumentation ist jede Werkleistung unvertretbar. Im überlieferten Text bezieht sie sich jedoch auf eine Stipulation, bei der die persönliche Leistung des Schuldners eigens vereinbart worden ist (et hoc specialiter actum est, ut suis operis id perficiat). Wenn es auf diese Vereinbarung ankäme, wäre es „höchst überflüssig, die Entscheidung, die gegeben wird, damit zu begründen, dass inter artifices ein grosser Unterschied nach Beanlagung und Ausbildung sei“ – ein Hinweis auf die besondere Abrede hätte genügt. Mit dieser Begründung hat schon Eisele16 den Passus et hoc . . . perficiat verdächtigt. Die Interpolation ist seither allgemein anerkannt.17 Sie wird durch zahlreiche for14

So treffend Mayer-Maly 100. S. o. § 17 II und III. 16 SZ 18 (1897) 36 f.; ebenso De Robertis 38 f. und 106; kritisch (aber nicht überzeugend) Mayer-Maly 100 und Cannata Colpa 142. 17 Vgl. etwa Kerr Wylie 171 f., Scherillo (o. A. 6) 89, Bonfante VI 131 A. 1, Frese 432 mit A. 147 und 446 mit A. 213, Flume Akzessorietät 55 A. 2, Segré (o. A. 13) 548 f., Solazzi estinz. 39 mit A. 2, De Robertis 38 f., 90 f., 106, 145 f. und 164, Schulz 632, Biondi DER 99, Betti Appunti 288 f., Frezza I 43, Cruz 333 mit A. 594, Sacconi Obbl. sol. 186 A. 27, Kaser RP I 571 A. 85 (zurückhaltender RP II 440 A. 4) und Martin The Roman Jurists and the Organization of Private Building in the Late Republic and Early Empire (1989) 135 A. 42, aber auch Mayer-Maly 100 f. und Cannata Colpa 141 f.; nur Litewski Iura 24 (1973) 337 setzt sie Echtheit von et hoc . . . perficiat voraus, wenn er über fr. 31 schreibt: „Ungültig war dort die Bürgschaft beim 15

§ 22 D 46.3.31 Ulp 7 disp

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male Indizien wie den Moduswechsel (promiserit . . . actum est), die Wendung specialiter actum18 und den mißverständlichen Gebrauch von operis suis19 erhärtet und durch die Basiliken20 bestätigt. Nahezu bewiesen wird sie durch C 8.37.13 und 15. Diese Konstitutionen sind nicht nur das Interpolationsmotiv21, sie erklären auch die Art und Weise, in der Ulpians Entscheidung dem neuen Rechtszustand angepaßt wird: Justinian gibt den Grundsatz non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est auf, um dem Willen der Vertragspartner Geltung zu verschaffen. Ob eine Stipulationsverbindlichkeit nur vom Schuldner selbst oder auch von Dritten erfüllt werden kann, ist für ihn Auslegungsfrage22, grundsätzlich ist die Drittleistung jedoch bei allen Obligationen zulässig.23 Ihr Ausschluß ist für die Kompilatoren also nur durch eine besondere vertragliche Vereinbarung zu rechtfertigen. Durch die Interpolation et hoc . . . perficiat wird Ulpians Entscheidung auf solche Werkleistungen begrenzt, die kraft besonderer Vereinbarung unvertretbar sind. Sie ist zur Angleichung an das justinianischen Recht erforderlich. Wie in § 21 IV dargelegt, ist auch nicht anzunehmen, daß die Unvertretbarkeit von facta schon im klassischen Recht von der Fassung der Stipulationsformel abhängt, daß Ulpian also bei einem unpersönlich formulierten Versprechen (navem fieri) anders entschieden hätte.24 Das persönliche a se fabricandam ist wahrscheinlich ebenfalls den Kompilatoren zuzuschreiben25, für das klassische Recht hat es jedenfalls keine Bedeutung. Denn sonst wäre die Interpolation et hoc . . . perficiat neben a se fabricandam unnötig26 und Ulpians Begründung Werkvertrag nur dann, wenn es ausdrücklich vorbehalten wurde, dass der Schuldner die Leistung persönlich zu vollbringen hat.“ 18 Sie wird von den Kompilatoren häufig verwendet, um klassische Entscheidungen auf den Fall zu beschränken, für den sie auch noch nach justinianischem Recht gültig sind; vgl. nur die Beispiele bei Apathy AN 227 ff. 19 Vgl. Cannata Colpa 142 f. 20 In Bas. 26.5.31 ist von einer besonderen Abrede über die persönliche Leistung nicht die Rede; vgl. Scherillo (o. A. 6) 89 A. 1. 21 So zutreffend Scherillo (o. A. 6) 89, Segré (o. A. 13) 548, Biondi DER 99, Frezza I 43 und Sacconi Obbl. sol. 186 A. 27; das gleiche Motiv vermuten auch Frese 431 f. und 446, Solazzi estinz. 39 f., De Robertis 38 f. und 90 f., Mayer-Maly 101 und Cruz 333. 22 Vgl. C 8.37.13.2 Iust (ne ex huiusmodi subtilitate cadant hominum voluntates) und C 8.37.15 pr. (sed nobis sensum contrahentium discutientibus veri simile esse videtur hoc inter eos actum). 23 Vgl. I 3.29 pr. (tollitur autem omnis obligatio solutione eius quod debetur . . . nec tamen interest, quis solvat). 24 So aber Cannata Colpa 141 f. 25 Dafür spricht, daß der Inhalt einer Stipulation nirgends sonst mit a se oder a te faciendam, fabricandam bzw. aedificandam umschrieben wird, während das bloße Gerundivum gerade für Ulpian belegt ist; vgl. D 45.1.38.21 Ulp 49 ad Sab (si quis insulam faciendam promiserit) und D 45.1.72 pr. Ulp 20 ad ed (si quis faciendum aliquid stipulatus sit).

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

aus der differentia inter artifices für das klassische Recht ebenso unpassend wie für das justinianische.27 2. Ulpian erklärt die Unvertretbarkeit von Werkleistungen aus der besonderen Schutzbedürftigkeit des Gläubigers: Weil Handwerker im allgemeinen sehr unterschiedlich qualifiziert sind, kann die Leistung eines Dritten minderwertig sein, und darum hat sie auch keine befreiende Wirkung (ideo . . . non liberabit reum). Anders als im justinianischen Recht geht es hier nicht um Vertragsauslegung. Geschützt wird nicht der Parteiwille, sondern das typischerweise bestehende Interesse des Gläubigers an der persönlichen Leistung des Schuldners. Ulpian fragt auch nicht danach, ob der leistungsbereite Dritte tatsächlich weniger qualifiziert ist als der Schuldner und ob die geschuldete Leistung im konkreten Fall überhaupt eine bestimmte Qualifikation voraussetzt. Wenn dies nicht der Fall ist, hat der Gläubiger immer noch die Möglichkeit, der Drittleistung zuzustimmen, seine Interessen bleiben also gewahrt. Die Unvertretbarkeit wirkt dann allerdings zu Lasten des Schuldners und des Dritten, zumal des Bürgen, ohne daß dies zum Schutz des Gläubigers erforderlich wäre. Ulpians Argumentation stimmt also nur für den Regelfall. Sie erklärt aber nicht, warum die Drittleistung bei allen Obligationen auf facere ausgeschlossen ist. Ulpians Erklärung weicht auch von dem ab, was Justinian in C 8.37.13 und 15 über das klassische Recht berichtet. Denn danach schließt die Regel non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est auch die Erbenhaftung aus. Sie wirkt also nicht nur zugunsten des Gläubigers, sondern auch zu seinem Nachteil und läßt sich darum auch nicht auf den normativen Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes zurückführen. Ihr scheint überhaupt keine Wertung zugrunde zu liegen, sondern der dem Recht vorgelagerte Gedanke, daß die Handlung eines Dritten gegenüber der geschuldeten Handlung des Promittenten notwendig ein aliud ist. Vor diesem Hintergrund erscheint Ulpians Begründung in einem anderen Licht. Sie ist der Versuch, den Gerechtigkeitsgehalt einer überkommenen Regel zu ermitteln und ihr dadurch einen neuen Sinn zu verleihen: Die Handlung eines Dritten hat regelmäßig auch eine andere Qualität und damit einen anderen Wert als die des Schuldners. Im Interesse des Gläubigers ist es daher gerechtfertigt, die Drittleistung bei Obligationen auf facere auszu26 Cannata Colpa 141 f. sieht gerade hierin ein Indiz für die Unechtheit von et hoc . . . perficiat; ähnlich schon De Robertis 38 f. 27 Dies übersieht Cannata Colpa 142, wenn er gegen Eiseles Begründung (s. o. bei A. 16) einwendet: „se trasportato al tenore dei verba, il ragionamento dell’Eisele dovrebbe condurre anche a cancellare le parole ,a se‘, cosa impossibile, poichè una promessa formale di ,insulam fieri‘, senza altra specificazione, non avrebbe potuto comportare l’infungibilità della prestazione ai fini dell’adempimento.“ Ulpians Begründung gilt nämlich auch für unpersönlich formulierte Stipulationen. Daß die Leistung in diesen Fällen vertretbar wäre, läßt sich fr. 31 also nicht entnehmen. Auch die Texte zur sublocatio, die Cannata 142 A. 1 anführt, beweisen dies nicht (dazu sogleich unter 3).

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schließen. Die Regel non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est hat im Bereich des Schuldrechts also ihren guten Sinn, und darum ist sie hier – anders als bei der Erbenhaftung28 – auch streng einzuhalten. Diese Erkenntnis hebt Ulpian als den eigentlichen Ertrag seiner disputatio hervor, indem er die Worte inter artifices longa differentia est et ingenii et naturae et doctrinae et institutionis als eine Art Leitsatz an den Anfang stellt.29 Der Vorbehalt non consentiente stipulatore liegt ganz auf dieser Linie: Wenn die Unvertretbarkeit von facta ausschließlich seinen wirtschaftlichen Interessen dient, muß der Gläubiger auch auf diesen Schutz verzichten können. Denn andernfalls könnte er sich leicht zu seinem Nachteil auswirken – etwa dann, wenn der Bürge ausreichend qualifiziert und zur Herstellung des Werks bereit ist, sich auf diese Weise aber gar nicht befreien kann. Ulpians Argumentation geht also nur auf, wenn der Gläubiger die Leistung des Dritten mit schuldtilgender Wirkung annehmen kann. Für einen kompilatorischen Eingriff fehlt dagegen jedes Motiv. Denn anders als der Zusatz et hoc . . . perficiat ist die Einschränkung non consentiente stipulatore zur Harmonisierung mit C 8.37.13 nicht erforderlich.30 Entgegen einer verbreiteten Ansicht31 besteht daher kein Anlaß, an ihrer Echtheit zu zweifeln. Zudem ist das einzige Argument, das für eine Interpolation vorgebracht wird, in doppelter Hinsicht fragwürdig: Daß die Kompilatoren „es lieben, bei jeder Gelegenheit derartige selbstverständliche Vorbehalte anzubringen“32, steht nicht nur in direktem Widerspruch zu ihrem Auftrag, die klassischen Texte zu kürzen33, die Einschränkung non consentiente stipulatore ist auch keineswegs selbstverständlich. Daß das mit Zustimmung des Gläubigers geleistete factum eines Dritten den Schuldner befreit, dürfte vielmehr als spätklassische oder sogar ulpianische Neuerung anzusehen sein: Ulpian behandelt die Drittleistung bei Obligationen auf facere wie eine Leistung an Erfüllungs Statt.34 Eine datio in solutum durch Dritte ist zwar auch bei Gaius35 bezeugt, außer fr. 31 gibt es aber keinen Beleg dafür, daß ein factum überhaupt an Er28 Daß Ulpian in diesem Bereich großzügiger verfährt, zeigen D 45.1.38 pr. und 13 Ulp 49 ad Sab; s. o. § 21 IV 1. 29 Andere Fragmente aus Ulpians Disputationen – Lenel Paling. II 387 ff. (Ulpian 26 bis 169) – sind ähnlich aufgebaut; vgl. etwa D 12.6.29 (44), D 20.4.7 (67), D 35.1.19 (104), D 22.3.19 (121), D 46.2.14 (133) und D 46.4.16 (134). 30 Sie wird außerdem durch Bas. 26.5.31 bestätigt. 31 Eiseles (o. A. 16) 37 noch recht vorsichtig formulierte Annahme „vermuthlich ist auch non consentiente stipulatore von den Compilatoren“ ist vielfach übernommen worden, allerdings ohne zusätzliche Argumente; vgl. etwa Frese 432 mit A. 147, Solazzi estinz. 39 mit A. 2, Schulz 632, De Robertis 106 und 163, Mayer-Maly 100, Cruz 333 mit A. 594 und Cannata Colpa 143 A. 1. 32 Eisele (o. A. 16) 37. 33 Const. Deo auct. § 7; vgl. nur Wieacker RG I 158 mwN. in A. 15. 34 Diese Parallele betont schon Oertmann 384 f. 35 Vgl. D 16.1.5 Gai 9 ad ed prov.

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füllung Statt geleistet werden kann. Vielmehr heißt es noch bei Paulus36: nemo enim dixit, facto pro facto soluto liberationem contingere. Ulpian setzt sich über diesen Satz hinweg, um Nachteile für den Gläubiger zu vermeiden. Er zieht damit die Konsequenz aus seiner neuen Erkenntnis: Die Regel non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est soll verhindern, daß dem Gläubiger eine möglicherweise minderwertige Werkleistung aufgezwungen werden kann. Sie schließt daher aus, daß der Schuldner durch die Leistung eines Dritten stets und ohne weiteres befreit wird. Einer nach dem Vorbild der datio in solutum gestalteten Drittleistung steht sie jedoch nicht entgegen. Denn deren Zulässigkeit ist für den Gläubiger nicht nur ungefährlich, sondern sogar wünschenswert. 3. Nach D 46.3.31 kann die stipulatio operis faciendi ohne Zustimmung des Gläubigers nur vom Unternehmer selbst erfüllt werden. An anderer Stelle setzt Ulpian dagegen ohne weiteres voraus, daß Werkleistungen einem Subunternehmer übertragen werden können: D 45.1.38.21 Ulp 49 ad Sab Si quis insulam faciendam promiserit aut conduxerit, deinde ab aliquo insulam stipulatori fieri stipulatus sit: aut si quis, cum promisisset Titio fundum Maevium daturum aut, si is non dedisset, poenam se daturum, stipulatus a Maevio fuerit fundum Titio datu iri: item si quis id locaverit faciendum, quod ipse conduxerit: constat habere eum utilem ex locato actionem.37 36 D 46.3.98.6 Paul 15 quaest: . . . at ubi merum factum stipulor, puta insulam in meo solo aedificari aut in Titii loco, numquid, si in Titii loco aedificet, non contingat liberatio? nemo enim dixit, facto pro facto soluto liberationem contingere. sed verius est liberationem contingere, quia factum pro facto solvere videtur, sed electio promissoris completur. In der Entscheidung geht es zwar nicht um einen mit der datio in solutum vergleichbaren Fall, sondern um die Wirksamkeit einer solutionis causa adiectio. Dies spricht jedoch nicht gegen die Echtheit von nemo . . . contingere. Diese Passage enthält nur die ratio dubitandi und ist als solche durchaus sinnvoll: Ob dem solutionis causa adiectus bei einer entsprechend gefaßten Stipulation etwas anderes geleistet werden kann als dem Schuldner, ist umstritten (vgl. D 44.7.44.4 Paul 74 ad ed und D 45.1.141.5 Gai 2 de verb obl einerseits sowie D 46.3.34.2 Iul 54 dig andererseits). Wie der Anfang von fr. 98.6 ergibt, unterscheidet Julian bei dieser Frage zwischen dationes und facta: nam si diversa facta sunt, ut Iulianus putat, diversa res est. sed cum praevalet causa dandi, liberatur. Nach Paulus ist der Grund dieser Unterscheidung, daß der Gläubiger zwar eine andere als die geschuldete Sache an Erfüllungs statt annehmen kann, aber kein factum. Dies scheint Julian auf den Inhalt der solutionis causa adiectio übertragen zu haben. Auch Paulus wendet sich nicht gegen die Unwirksamkeit des factum pro facto solvere, wohl aber gegen die Übertragung dieses Grundsatzes auf die solutionis causa adiectio. Denn hier geht es um ein von Anfang an bestehendes Wahlrecht des Schuldners. Entgegen Cugia L’adiectus solutionis causa (1919) 64 ff., Steiner 131 A. 2 und Solazzi estinz. 166 mit A. 3 (vgl. auch 67) bestehen daher keine Bedenken gegen die Echtheit dieser Entscheidung. 37 Übersetzung: Wenn jemand in einer Stipulation versprochen oder sich durch Werkvertrag verpflichtet hat, ein Mietshaus zu errichten, und sich dann von jemandem stipulationsweise hat versprechen lassen, daß das Mietshaus für den Stipulationsgläubiger hergestellt wird; oder wenn jemand, weil er Titius in einer Stipulation versprochen

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Im Kontext dieses Fragments geht es um die Regel alteri stipulari nemo potest: Sie wird in § 17 damit erklärt, daß der Gläubiger kein wirtschaftliches Interesse daran hat, einen Dritten zu begünstigen: inventae sunt enim huiusmodi obligationes ad hoc, ut unusquisque sibi adquirat quod sua interest: ceterum ut alii detur, nihil interest mea. In § 20 zieht Ulpian den Umkehrschluß, daß eine Stipulation auf Leistung an einen Dritten dann wirksam ist, wenn der Stipulationsgläubiger ausnahmsweise selbst an dieser Leistung interessiert ist. Er beruft sich dabei auf eine Entscheidung Marcells, der er in § 21 unter anderem das folgende Beispiel hinzufügt: Ein Unternehmer, der dem Besteller aus Stipulation oder locatio conductio zur Errichtung eines Mietshauses verpflichtet ist, kann sich die Errichtung dieses Hauses seinerseits stipulationsweise38 von einem Subunternehmer versprechen lassen.39 Nach dem zuvor Gesagten setzt dies voraus, daß der Unternehmer ein eigenes Interesse an der Leistung des Subunternehmers hat. Ein solches Interesse besteht aber nur dann, wenn er von seiner eigenen Verpflichtung gegenüber dem Besteller frei werden kann. Ulpian geht also davon aus, daß die Leistung eines Subunternehmers sowohl bei der stipulatio operis faciendi als auch bei der locatio conductio operis befreiende Wirkung hat. Da sowohl D 46.3.31 als auch D 45.1.38.21 von Ulpian stammen, ist ein Widerspruch zwischen den beiden Entscheidungen unwahrscheinlich. Cannata40 bezieht fr. 38.21 daher auf eine unpersönlich formulierte Stipulation (insulam fieri), die seiner Ansicht nach41 auch von Dritten erfüllt werden kann. Ebensogut ließe sich die Übereinstimmung mit fr. 31 dadurch herstellen, daß man die Zustimmung des Bestellers unterstellt. Eine solche vom Text nicht gedeckte Harmonisierung ist jedoch nur erforderlich, wenn man davon ausgeht, daß die hatte, daß Maevius ihm ein Grundstück übereignet oder daß er selbst, wenn dieser nicht übereignen sollte, eine Strafe zahlt, sich von Maevius stipulationsweise hat versprechen lassen, daß er Titius das Grundstück übereignen werde; ebenso wenn jemand einen Werkvertrag über eine Handlung abgeschlossen hat, zu der er sich selbst durch Werkvertrag verpflichtet hat, so steht fest, daß er eine analoge Klage aus dem Werkvertrag hat. 38 Der entsprechende Konsensualkontrakt ist ebenfalls klagbar, und zwar mit einer actio utilis ex locato. Marcell gewährt hier sogar die actio directa; vgl. D 19.2.48 pr. Marcell 8 dig: Si cui locaverim faciendum quod ego conduxeram, constabit habere me ex locato actionem. Dieses Fragment stammt aus dem gleichen Kontext wie das Zitat in fr. 38.20; vgl. Lenel Paling. I 606 f. (Marcellus 108). Ulpian dürfte also auch dieses Beispiel von Marcell übernommen haben. 39 In der überlieferten Fassung des Textes fehlt der Hauptsatz und mit ihm die Entscheidung. Aus dem Kontext ergibt sich jedoch, daß Ulpian die Stipulation für wirksam hält. Die offensichtlichen sprachlichen Mängel sprechen eher für ein Abschreibeversehen (vgl. etwa die Emendation von Mommsen ahl.) als für einen kompilatorischen Eingriff; gegen entsprechende Interpolationsvermutungen Kaser Fg. von Lübtow (1970) 491 und Fs. Seidl (1975) 77 mit A. 15. 40 Colpa 142 mit A. 1. 41 Dazu bereits o. bei A. 24, vgl. auch § 21 IV 2.

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Werkleistung des Bürgen denselben Regeln unterliegt wie die des Subunternehmers, und diese Annahme ist keineswegs zwingend. Denn die beiden Fälle unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt: Der Unternehmer haftet für das Verhalten des von ihm eingeschalteten Subunternehmers, nicht aber für den ohne seine Veranlassung erfolgten ,Selbsteintritt des Bürgen‘. Aus der stipulatio operis faciendi oder der locatio conductio operis wird der Unternehmer grundsätzlich nicht zur eigenhändigen Herstellung des Werks verpflichtet. Er ist vielmehr berechtigt und sogar gehalten, die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen.42 Für das Verschulden solcher Hilfspersonen haftet er dem Besteller. Dies ist zwar nur für die locatio conductio bezeugt43, wird aber bei der Stipulation kaum anders sein. Denn die in diesem Fall zuständige44 actio incerti ex stipulatu lautet auf quidquid . . . dare facere oportet 45 und bietet daher ebenfalls einen ausreichenden Ermessensspielraum46 für die bei der locatio conductio als sinnvoll anerkannte Lösung. Der Unternehmer wird zwar in der Regel Sklaven oder freie Lohnarbeiter einsetzen, die Einschaltung eines Subunternehmers ist aber nicht nur in fr. 38.21 bezeugt, sondern auch bei Marcellus47, und zum Frachtvertrag ist sogar eine Entscheidung Labeos48 überliefert, aus der sich ergibt, daß und nach welchen Grundsätzen der Unternehmer in solchen Fällen haftet: D 19.2.13.1 Ulp 32 ad ed Si navicularius onus Minturnas vehendum conduxerit et, cum flumen Minturnense navis ea subire non posset, in aliam navem merces transtulerit eaque navis in ostio fluminis perierit, tenetur primus navicularius? Labeo, si culpa caret, non teneri ait: ceterum si vel invito domino fecit vel quo non debuit tempore aut si minus idoneae navi, tunc ex locato agendum.49

42 Vgl. zur stipulatio operis faciendi vor allem D 45.1.137.3 Ven 1 stip. Von der locatio conductio operis handeln D 7.8.12.6 Ulp 17 ad Sab, D 14.3.5.10 Ulp 28 ad ed und D 19.2.25.7 Gai 10 ad ed prov; dazu etwa Mayer-Maly 27 ff. 43 Vgl. insbesondere D 19.2.25.7 Gai 10 ad ed prov; eingehend zur Haftung für Hilfspersonen Knütel SZ 100 (1983) 340 ff.; dort 407 ff. zur locatio conductio und 419 ff. zu dem zentralen Gaiusfragment. 44 D 45.1.75.7 Ulp 22 ad ed. 45 Gai 4.136; vgl. Lenel EP 151 ff. 46 Vgl. etwa D 45.1.137.2, 3 Ven 1 stip und D 45.1.15 Pomp 27 ad Sab; dazu vor allem Arangio-Ruiz Resp. 181 ff. und 188 f., aber auch Biondi Contr. 364 und Cannata Colpa 152 ff. 47 D 19.2.48 pr. Marcell 8 dig (o. A. 38). 48 Zu diesem Text eingehend Knütel (o. A. 43) 415 ff. 49 Übersetzung: Wenn ein Frachtschiffer eine Ladung zum Transport nach Minturnae übernommen und, weil das Schiff in den Minturnensischen Fluß nicht einlaufen konnte, die Waren auf ein anderes Schiff umgeladen hat und wenn dieses Schiff an der Mündung des Flusses untergegangen ist, haftet dann der erste Frachtschiffer? Labeo sagt, wenn es am Verschulden fehle, hafte er nicht; wenn er im übrigen entweder gegen den Willen des Geschäftsherrn gehandelt hat, oder zu einem Zeitpunkt, als er es

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Ein Frachtschiffer hat das ihm zur Beförderung übergebene Gut auf das Schiff eines Dritten umgeladen, weil sein eigenes Schiff die vorgesehene Strecke nicht befahren konnte. Labeo entscheidet, unter welchen Voraussetzungen der Frachtschiffer für einen anschließenden Schiffbruch einstehen muß: Als conductor50 haftet er zwar grundsätzlich nur für culpa, die Umladung kann jedoch eine Zufallshaftung begründen. Dies gilt einmal dann, wenn sie nach dem Frachtvertrag generell verboten oder zumindest unter den konkreten Umständen unzulässig war (si vel invito domino fecit vel quo non debuit tempore).51 Aber auch bei einer erlaubten Umladung haftet der Reeder für die Eignung des von ihm ausgewählten Schiffes. Ein entsprechendes Verschulden bei der personellen Auswahl zieht Labeo nicht in Betracht. Dies wird aber damit zu erklären sein, daß nach dem Sachverhalt – der Schiffbruch ist typischerweise ein Ereignis höherer Gewalt – keine Anhaltspunkte für die fehlende Eignung oder ein Verschulden des Subunternehmers bestehen.52 Denn die haftungsbegründende Wirkung der culpa in eligendo ist in zahlreichen anderen Quellen bezeugt.53 Die Einschaltung eines Subunternehmers ist für den Gläubiger einer Werkleistung mit dem gleichen Risiko verbunden wie die Leistung eines nicht beauftragten Dritten. Denn auch der Subunternehmer kann weniger qualifiziert sein als der Schuldner. Der Gläubiger wird aber auf andere Weise geschützt: Der Unternehmer darf nur einen geeigneten Subunternehmer beauftragen, und dies auch nur nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung. Andernfalls haftet er aus culpa in eligendo oder aufgrund seines vertragswidrigen Verhaltens.54 Die handwerkliche Qualifikation des Subunternehmers fällt damit in seinen Risikobereich: Er haftet ebenso wie bei eigener55 imperitia. Zum Schutz des Gläubigers ist es daher nicht erforderlich, der Leistung eines Subunternehmers von nicht durfte, oder wenn er auf ein weniger geeignetes Schiff (umgeladen hat), dann könne aus dem Frachtvertrag geklagt werden. 50 Labeo leitet die Haftung aus dem Frachtvertrag (ex locato) und nicht aus dem konkurrierenden (D 4.9.3.1 Ulp 14 ad ed) receptum nautarum her; vgl. Knütel (o. A. 43) 416. Daher dürfte seine Entscheidung auch auf andere Werkverträge übertragbar sein. 51 Vgl. dazu auch D 19.2.10.1 Lab 1 pith a Paul epit. 52 Vgl. Knütel (o. A. 43) 416 mwN. in A. 318. 53 Vgl. Knütel (o. A. 43) 440 f.: „Die culpa in eligendo ist vermutlich schon Servius geläufig; sie ist Labeo (D 19.2.13.1) bekannt, während der weiteren Entwicklung stets gegenwärtig, und sie stellt ein Hauptmittel der Bewältigung unseres Haftungsproblems dar.“ Beispiele sind etwa D 3.5.20.3 Paul 9 ad ed zur negotiorum gestio (dazu Knütel 345 ff.), D 9.2.27.9 Ulp 18 ad ed zur locatio rei (Knütel 399 ff.), D 13.6.11 Paul 5 ad Sab und D 13.6.20 Iul 3 ad Urs Fer zum commodatum (Knütel 384 f.), D 17.2.23 pr. Ulp 30 ad Sab zur societas (Knütel 424 f.) und D 19.2.11 pr. Ulp 32 ad ed zur locatio rei (Knütel 401 ff.); vgl. auch D 11.6.2.1 Paul 25 ad ed zur dolus-Haftung des agrimensor, der die von einem Dritten ermittelten Maße ohne Prüfung übernimmt. 54 Zu diesen und weiteren Zurechnungsgründen zusammenfassend Knütel (o. A. 43) 440 ff.

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

vornherein die befreiende Wirkung zu versagen. Anders bei der Drittleistung: Weil der Unternehmer den Dritten weder auswählt noch überhaupt in die Abwicklung des Vertrags einschaltet, können ihm seine imperitia und sein Verschulden auch nicht zugerechnet werden. Eine haftungsrechtliche Lösung kommt hier also nicht in Betracht. Da dies auch für den ,Selbsteintritt des Bürgen‘ gilt, besteht kein Widerspruch zwischen D 46.3.31 und D 45.1.38.21: Die differentia inter artifices steht zwar einer Drittleistung entgegen, nicht aber der Einschaltung eines Subunternehmers. Denn hier ist der Gläubiger durch die Haftung des Unternehmers hinreichend geschützt. Bei Werkleistungen wird das Dogma von der Unvertretbarkeit menschlicher Handlungen also im Interesse einer sachgerechten Lösung modifiziert: Der Unternehmer muß das Werk nicht unbedingt eigenhändig herstellen, wohl aber in eigener Verantwortung. Er kann daher einen Subunternehmer beauftragen, muß dem Gläubiger aber für dessen Fehler einstehen. Wie Labeos Entscheidung zeigt, ist diese haftungsrechtliche Lösung schon in der Frühklassik anerkannt. Die Erklärung dürfte nicht nur darin zu suchen sein, daß größere Aufträge, wie der Bau einer insula, ohne Hilfspersonen überhaupt nicht zu bewältigen sind. Daß der Unternehmer außer Sklaven und Lohnarbeitern auch selbständig tätige Subunternehmer einsetzen kann, wird vielmehr mit dem besonderen Charakter der Werkleistung zusammenhängen: Wenn das geschuldete factum in der Herbeiführung eines Erfolges besteht56, kann es auch dadurch erbracht werden, daß der Unternehmer einen Dritten veranlaßt, den Erfolg zu verwirklichen. Nur so läßt sich erklären, daß das klassische Recht die befreiende Leistung eines Subunternehmers anerkennt, im übrigen aber auch bei Werkleistungen an der Regel non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est festhält: Die Drittleistung (D 46.3.31) und die Leistung der Erben (C 8.37.13 und 15) haben keine befreiende Wirkung, weil sie nicht vom Schuldner selbst veranlaßt sind. 4. Der erste Teil von D 46.3.31 hat Justinians Bericht in C 8.37.13 bestätigt. Bei der Herstellung eines Werks, einem typischen Gegenstand von Stipulationen in faciendo, hat die Drittleistung (eines Bürgen) keine befreiende Wirkung. Ulpian begründet dies allerdings nicht mehr mit der Regel non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est, sondern aus der Interessenlage: Der Gläubiger muß vor der Leistung eines möglicherweise weniger qualifizierten Handwerkers geschützt werden. In der Konsequenz seiner neuen Begründung liegt es, daß Ulpian nur noch eine als solutio gestaltete Drittleistung ausschließt, während er der mit Zustimmung des Gläubigers – in solutum – erbrachten Leistung eines Dritten befreiende Wirkung zuerkennt: Hier hat der Gläubiger selbst das Risiko der handwerklichen Qualifikation übernommen. 55 Dazu D 19.2.9.5 Ulp 32 ad ed, D 19.5.13.5 Ulp 32 ad ed und D 9.2.27.9 Ulp 18 ad ed. 56 Vgl. D 50.16.5.1 Paul 5 ad ed.

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Auf der anderen Seite ist der Schuldner für die Eignung seiner Hilfspersonen verantwortlich. Er haftet auch für selbständig arbeitende Subunternehmer, und darum wird er – auch schon nach frühklassischem Recht – durch deren Leistung befreit, ohne daß es der Zustimmung des Gläubigers bedürfte. Ulpian handelt zwar nur von einzelnen Werkleistungen, dies aber in exemplarischer Form. Seine Entscheidung gilt also für die stipulatio operis faciendi im allgemeinen. Sie enthält keine Anhaltspunkte dafür, daß eine solche Stipulation, wenn sie passivisch gefaßt ist (opus fieri), ohne weiteres von jedem Dritten erfüllt werden könnte. Da in fr. 31 nur von Werkleistungen die Rede ist und deren Unvertretbarkeit nicht mehr mit der Individualität menschlicher Handlungen, sondern mit den Interessen des Gläubigers begründet wird, läßt sich nicht ausschließen, daß Ulpian die befreiende Drittleistung bei anderen Handlungen anerkennt, sofern sie ohne Nachteil für den Gläubiger von einem Dritten vorgenommen werden können. Denkbar wäre dies zum Beispiel bei einer anderen typischen stipulatio in faciendo57: dem Versprechen ,vacuam possessionem tradi‘. Da Justinian solche in der Tendenz seiner Reform liegenden Ausnahmen nicht erwähnt, ist es jedoch wahrscheinlicher, daß auch Ulpian an der prinzipiellen Unvertretbarkeit von facta festhält.58 Gegenstand seiner disputatio ist danach nicht die Beschränkung, sondern nur die Rechtfertigung dieses Grundsatzes. III. Zum Ausschluß der Drittleistung bei Stipulationen auf non facere 1. Im zweiten Teil von fr. 31 behandelt Ulpian die Stipulationen auf non facere, und zwar wiederum anhand eines exemplarischen Falls59: Der Eigentümer eines Grundstücks hat sich in einer Stipulation verpflichtet, die Ausübung eines Wegerechts zu dulden. Sein Versprechen wurde durch einen Bürgen gesichert. Wenn dieser den Gläubiger an der Überquerung des Grundstücks hindert, verfällt die Stipulation nicht. Andererseits kann der Bürge ihren Verfall auch nicht verhindern, indem er den Gläubiger passieren läßt. Seine Haftung hängt damit allein vom Verhalten des Promittenten ab. Dies bestätigt: D 45.1.49.1 Paul 37 ad ed Si stipulatus sim ,per te non fieri, quo minus mihi ire agere liceat‘ et fideiussorem accepero: si per fideiussorem steterit, neuter tenetur, si per promissorem, uterque.60 57 Vgl. D 45.1.75.7 Ulp 22 ad ed, aber auch D 45.1.72 pr. Paul 20 ad ed (fundum tradi) und Gai 4.131 a. 58 Ebenso im Ergebnis Scherillo (o. A. 6) 89, Solazzi estinz. 39 f., De Robertis 90 f., Cruz 333 und Sacconi Obbl. sol. 185. 59 Das Versprechen ,per te non fieri, quo minus mihi ire agere liceat‘ verwendet Ulpian auch in D 45.1.75.7 Ulp 22 ad ed als typisches Beispiel für Stipulationen in non faciendo; vgl. auch D 45.1.2 pr. Paul 12 ad Sab.

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

Wenn der Bürge den Gläubiger an der Ausübung seines Wegerechts hindert, haften weder er selbst noch der Hauptschuldner, und wenn der Hauptschuldner seine Duldungspflicht verletzt, haften beide. Während Paulus nur das Ergebnis interessiert (neuter tenetur . . . uterque), geht es Ulpian darum zu zeigen, daß das Verhalten des Bürgen nicht Gegenstand der Stipulation ist: Die patientia des Bürgen ist weder geschuldet (prohibens ire fideiussor stipulationem non committit), noch hat sie befreiende Wirkung (si patientiam praestet, non efficiet, quo minus committatur stipulatio). Nach der ersten Entscheidung kann der Bürge das versprochene Wegerecht nicht verletzen. Er ist also weder zur Duldung verpflichtet, noch wird sein Verhalten dem duldungspflichtigen Hauptschuldner zugerechnet. Das eine erklärt sich aus der Regel nemo alienum factum promittendo obligatur61, das andere daraus, daß der Bürge nicht zu den Hilfspersonen des Schuldners gehört. Wie der Paulustext zeigt, ist aus diesen Gründen nicht nur die Haftung des Hauptschuldners ausgeschlossen. Auch der Bürge selbst wird aus seinem Verhalten nicht verpflichtet (si per fideiussorem steterit, neuter tenetur).62 Er haftet lediglich für die Erfüllung der Hauptschuld und damit nur für die patientia des Promittenten.63 Ulpians zweite Entscheidung ist von rein theoretischem Interesse und nur aus dem Zusammenhang der disputatio verständlich: Die Stipulation verfällt, wenn der Hauptschuldner den Gläubiger an der Überquerung des Grundstücks hindert. Gerade für diesen Fall hat sich der fideiussor verbürgt, und darum kann er seiner Haftung auch nicht dadurch entgehen, daß er selbst den Durchgang gestat60 Übersetzung: Wenn ich mir stipulationsweise habe versprechen lassen, ,daß es nicht durch dich geschieht, daß es mir nicht erlaubt ist zu gehen und zu fahren‘, und einen Bürgen angenommen habe, haftet, wenn es am Bürgen liegt, keiner von beiden, wenn es am Promittenten liegt, (haften) beide. 61 S. o. § 21 bei A. 9 und 26 ff. 62 Der Gläubiger wird auch nicht durch besondere actiones utiles oder de dolo geschützt, wie dies bei anderen Obligationsverletzungen des Bürgen der Fall ist: Nach D 4.3.19 Pap 37 quaest haftet der Bürge mit der actio de dolo, wenn er das vom Hauptschuldner versprochene Tier getötet hat, und nach D 22.1.32.5 Marci 4 reg haftet er für die Tötung des geschuldeten Sklaven mit einer actio utilis; vgl. auch D 45.1.49 pr. Paul 37 ad ed, D 45.1.91.4 Pomp bei Paul 17 ad Plaut, D 46.3.38.4 Iul bei Afr 7 quaest und D 46.3.95.1 Pap 28 quaest; dazu Flume Akzessorietät 105 ff. einerseits und Frezza I 87 ff. andererseits. Daß in D 45.1.49.1 und D 46.3.31 keine Klage gegen den Bürgen gewährt wird, dürfte auf die unterschiedlichen Schuldinhalte zurückzuführen sein: Während die Erfüllung der Hauptschuld mit der Tötung des geschuldeten Sklaven unmöglich wird, bleibt das Wegerecht bestehen, auch wenn der Gläubiger vorübergehend an seiner Ausübung gehindert wird. Hier wirkt sich das treuwidrige Verhalten des Bürgen also nicht auf den Fortbestand der Hauptschuld aus. 63 Nach Flume Akzessorietät 54 erklärt sich dies aus dem „Charakter der fideiussio als eines Einstehens für die Verbindlichkeit des Hauptschuldners.“ Frezza I 43 dagegen muß hier – wie schon im ersten Teil von fr. 31 (s. o. bei A. 9 ff.) – unterstellen, daß sich Bürgschaft auf eine im Text nicht erwähnte Strafstipulation bezieht.

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tet. Ulpian geht es nicht um diese recht banale Erkenntnis. Er fragt nicht danach, wie sich die patientia des Bürgen im Sicherungsfall auf seine eigene Haftung auswirkt. Ihn interessiert allein der Fortbestand der Hauptschuld: Obwohl der Bürge die geschuldete Leistung erbringt, bleibt die Stipulationsverbindlichkeit bestehen (non efficiet, quo minus committatur stipulatio). Mit dieser Feststellung knüpft Ulpian an den ersten Teil des Fragments an: Die befreiende ,Drittleistung‘ kommt bei einer auf non facere gerichteten Stipulation ebensowenig in Betracht wie bei einer stipulatio operis faciendi. Auf diese für das Thema der disputatio entscheidende Parallele zielt auch das quare etiam, mit dem Ulpian die beiden im übrigen grundverschiedenen Fälle verbindet. Eine eigene Begründung enthält der zweite Teil von fr. 31 nicht. Auch die im ersten Teil erwähnte differentia inter artifices spielt bei Unterlassungspflichten keine Rolle. Übertragbar ist lediglich der Gedanke des Gläubigerschutzes: Das Unterlassen eines Dritten kann für den Gläubiger einen zusätzlichen Vorteil bedeuten, es kann die patientia des Schuldners aber niemals ersetzen. Die Stipulation ,per te non fieri, quo minus mihi ire agere liceat‘ wäre wertlos, wenn ihr Verfall durch die Duldung des Bürgen ausgeschlossen würde. Denn dann könnte der Hauptschuldner das ire agere ungestraft verhindern, solange der Bürge die geschuldete patientia leistet. Ulpians Beispiel ist deshalb besonders anschaulich, weil nur der Hauptschuldner als Eigentümer berechtigt ist, den Gläubiger am Betreten des Grundstücks zu hindern. Seine Duldung kann deshalb nicht durch das bloße Unterlassen des Bürgen oder eines sonstigen Dritten ersetzt werden.64 Daß andere auf non facere gerichtete Stipulationen von Dritten erfüllt werden könnten, ist nicht bezeugt und zudem äußerst unwahrscheinlich. Denn auch bei Stipulationen wie dolum malum abesse afuturumque esse65 oder neque per te neque per heredem tuum vim fieri 66 kann das Unterlassen eines Dritten den dolus oder die vis des Schuldners nicht wettmachen. Außerdem wird der Gläubiger stets in besonderem Maß am Verhalten desjenigen interessiert sein, von dem er sich das non facere hat versprechen lassen. Daher besteht kein Zweifel, daß der in fr. 31 behandelte Fall exemplarischen Charakter hat: Ulpian macht an einem besonders anschaulichen Beispiel deutlich, daß und warum eine befreiende Drittleistung bei Unterlassungspflichten nicht in Betracht kommt. 2. Im zweiten Teil von D 46.3.31 setzt Ulpian die disputatio fort. Mit der Stipulation ,per te non fieri, quo minus mihi ire agere liceat‘ bringt er ein weiteres Beispiel für ein Versprechen, das wegen seines Inhalts nur vom Schuldner 64 Cannata Colpa 143 sieht hierin die seiner Ansicht nach erforderliche „ragione sostanziale che stava alla base dell’espressa menzione della persona.“ Er geht also offenbar davon aus, daß die Unterlassungspflicht aus einer unpersönlich gefaßten Stipulation von Dritten erfüllt werden kann. 65 Vgl. etwa D 45.1.38.13 bis 15 Ulp 49 ad Sab. 66 Vgl. etwa D 45.1.133 Scaev 13 dig.

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

selbst erfüllt werden kann. Das Verhalten Dritter ist hier weder geschuldet, noch kann es den Schuldner befreien. Gegenstand der Stipulation ist die patientia des Eigentümers. Sie kann durch die Duldung des Bürgen oder eines anderen Dritten nicht gleichwertig ersetzt werden und ist deshalb unvertretbar. An diesem Beispiel zeigt Ulpian, daß es mit den Interessen des Gläubigers unvereinbar wäre, wenn eine Unterlassungspflicht durch Dritte erfüllt werden könnte. Für sich genommen wirkt diese Erkenntnis recht banal. Um so bemerkenswerter ist es, daß Ulpian die Stipulation auf non facere überhaupt zum Gegenstand seiner disputatio macht und daß er sie mit der im ersten Teil behandelten stipulatio operis faciendi in Zusammenhang bringt.67 Denn dies zeigt, daß er die Unvertretbarkeit als allgemeine Kategorie begreift und daß er sie als solche auf einen einheitlichen Grundgedanken zurückführen will. D 46.3.31 belegt also nicht nur den Ausschluß der Drittleistung bei Obligationen auf facere und non facere, sondern auch die theoretische Erfassung dieses Problems durch die spätklassische Jurisprudenz. § 23 Ergebnisse und Ausblick I. Ergebnisse Die Exegesen von C 8.37.13 und D 46.3.31 haben die in der Romanistik vorherrschende Auffassung bestätigt: Im justinianischen Recht gibt es keine Obligationen mehr, bei denen die Drittleistung ohne weiteres – das heißt: unabhängig vom Parteiwillen – ausgeschlossen ist. Dies geht auf eine Reform zurück, in der Justinian die klassische Unterscheidung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Leistungen beseitigt hat. Die dadurch überholten Entscheidungen sind nicht in die Kompilation aufgenommen und die einzige Ausnahme, D 46.3.31 Ulp 7 disp, ist dem neuen Rechtszustand angepaßt worden. 67 Auch Kretschmar 29 betont die „völlige Parallele, welche bei der Erörterung der Frage, ob ein Dritter eine höchstpersönliche Obligation wirksam für den Schuldner erfüllen kann, in l. 31 D. de solut. 46, 3 zwischen den obligationes faciendi und non faciendi gezogen wird.“ Er sieht darin einen Beleg für „die konsequente Ausgestaltung des Begriffs der solutio im Sinne der Verwirklichung des Obligationsinhalts“, die zu dem Ergebnis führe, „daß jede gültige Obligation auch ihr Ende durch Erfüllung finden kann“ (28). Diese Argumentation geht am Thema des Fragments vorbei: Ulpian zieht zwar auch bei Unterlassungspflichten die (theoretische) Möglichkeit in Betracht, daß der Schuldner durch das dem Obligationsinhalt entsprechende Verhalten eines Dritten befreit wird. Er lehnt eine solche Drittleistung aber gerade ab, und dies, obwohl die solutio eines Dritten den Schuldner im allgemeinen befreit. Von einem einheitlichen Begriff der solutio, der auch die Erfüllung von Unterlassungspflichten umfaßt, kann also nicht die Rede sein. Zudem werden die Begriffe solvere oder solutio in fr. 31 nicht verwendet, und bei Obligationen auf facere und non facere sind sie insgesamt nur selten belegt (s. o. § 20 A. 11). Dies läßt eher den Schluß zu, daß die Vornahme einer (unvertretbaren) Handlung oder Unterlassung gerade nicht als solutio im technischen Sinn angesehen wird.

§ 23 Ergebnisse und Ausblick

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Trotz der spärlichen Überlieferung läßt sich mit einiger Sicherheit sagen, daß das klassische Recht die Drittleistung bei Zahlungs- und anderen Übereignungspflichten ohne Einschränkung zuläßt und daß es sie bei strengrechtlichen Verbindlichkeiten auf facere (und non facere) ebenso uneingeschränkt ausschließt. Denn dies ergibt sich nicht nur aus Justinians glaubhaftem Bericht, sondern auch aus dem Ulpianfragment. In der Begründung weichen die beiden Quellen allerdings voneinander ab: Während Ulpian die Unvertretbarkeit von facta auf den Gedanken des Gläubigerschutzes zurückführt, wendet sich Justinian gegen eine allzu doktrinäre Haltung der klassischen Jurisprudenz. Dieser Widerspruch ist nicht allein der tendenziösen Darstellung des Reformgesetzgebers zuzuschreiben. Er läßt sich vielmehr wie folgt auflösen: Der von Justinian zitierte Grundsatz non esse possibile factum ab alio compleri, quod alii impositum est hat den Charakter eines Dogmas. Er beruht auf dem Gedanken, daß ein factum alienum dem – allein geschuldeten – factum debitoris gar nicht entsprechen kann, weil jede menschliche Handlung durch die Person des Handelnden individualisiert wird. Ulpian gibt sich damit nicht mehr zufrieden und sucht nach einer normativen Rechtfertigung. Er zeigt, daß die Unvertretbarkeit von Werkleistungen und Unterlassungen im Interesse des Gläubigers geboten ist. Die Leistung eines Dritten hat in diesen Fällen eine andere Qualität und damit einen anderen Wert als die des Schuldners. Die Befriedigung des Gläubigers ist deshalb nicht oder zumindest nicht mit der gleichen Sicherheit gewährleistet wie bei einer datio. In der Konsequenz dieser neuen Sichtweise liegt es, daß Ulpian die befreiende Wirkung anerkennt, wenn der Gläubiger die Handlung eines Dritten als Erfüllung annimmt oder wenn er, wie bei der Leistung eines Subunternehmers, haftungsrechtlich hinreichend geschützt ist. Letzteres ist schon seit der Frühklassik anerkannt. Weitere Einschränkungen oder Ausnahmen sind jedoch nicht belegt. Insbesondere unterscheidet Ulpian nicht zwischen persönlich und unpersönlich gefaßten Stipulationen. Erst Justinian ermittelt die Vertretbarkeit einer Leistung durch Auslegung des schuldbegründenden Rechtsgeschäfts, und nach seiner Darstellung ist dies ein grundlegend neuer Ansatz. Gegenüber der zwar klaren, aber auch starren Unterscheidung des klassischen Rechts stellt Justinians Reform einen erheblichen Fortschritt dar.1 Dies gilt vor allem für die Erbenhaftung, deren Ausschluß bei Obligationen auf facere den Gläubiger unangemessen benachteiligt. Aber auch der Ausschluß der Drittleistung ist nur dann sinnvoll, wenn er dem Willen der Vertragspartner entspricht. Die Art der geschuldeten Leistung ist zwar ein entscheidendes Kriterium bei der Ermittlung dieses Willens, für sich genommen bildet sie aber keinen zwingenden Maßstab. Die Unterscheidung zwischen Obligationen auf dare und fa1 Anders Biondi DER 95, der allerdings auch Justinians ideologische Begründung in C 8.37.13.2 (cum paene similis omnium natura est) überbewertet, wenn er schreibt: „Tali affermazioni sono alquanto discutibili, ed il livellamento umano è contradetto da quella realtà che avevano messo bene in evidenza i giuristi romani.“

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

cere führt deshalb zwar häufig, aber nicht in allen Fällen zu interessengerechten Ergebnissen. II. Exkurs: Zur Vertretbarkeit von facta im bonae fidei iudicium D 46.3.31 und C 8.37.13 handeln ausschließlich von der stipulatio, und in C 8.37.15.2 erstreckt Justinian seine Reform auf das Legat. Dies rechtfertigt die Annahme, daß die Drittleistung nach klassischem Recht bei allen strengrechtlichen Obligationen auf facere (und non facere) ausgeschlossen ist. Weitere Verallgemeinerungen sind dagegen problematisch. Wegen der allgemein gehaltenen Begründung aus der differentia inter artifices liegt es zwar nahe, daß Ulpians Entscheidung in fr. 31 nicht nur für die stipulatio operis faciendi gilt, sondern auch für die locatio conductio operis.2 Aber selbst dies ist nicht zwingend. Denn die actio locati gehört zu den bonae fidei iudicia, und daß die Unvertretbarkeit von facta bei diesen Klagen nicht streng durchgehalten wird, zeigt das Beispiel der actio rei uxoriae: Sie richtet sich zwar auf dotem reddere3 und damit auf ein facere4, nach D 12.6.8 Paul 6 ad Sab5 kann aber auch ein Dritter mit befreiender Wirkung an die geschiedene Ehefrau leisten. Einen weiteren, wenn auch indirekten Hinweis darauf, daß die Vertretbarkeit im Rahmen der bona fides nach anderen Kriterien beurteilt wird als bei den strengrechtlichen Verbindlichkeiten, gibt ein Text, der bereits in anderem Zusammenhang behandelt wurde6: In D 17.1.12.5 zitiert Ulpian eine Entscheidung des Neraz, nach der dem Vater die Klage aus dem Zahlungsauftrag seines gewaltunterworfenen Sohnes auch dann zusteht, wenn er selbst an den Gläubiger des Auftraggebers gezahlt hat. Ulpian stimmt dieser Lösung zu, weil es für den Auftraggeber keinen Unterschied macht, ob der Beauftragte selbst zahlt oder ein Dritter (nihil enim mea interest, quis solvat). Die Entscheidung bezieht sich zwar wahrscheinlich nicht auf die reguläre actio mandati contraria, sondern auf eine in factum konzipierte Sonderformel, Ulpians Begründung setzt jedoch voraus, daß der Vater die Verpflichtung aus dem Mandat seines Sohnes erfüllt hat, und sie erklärt dies mit dem Gegenstand des konkreten Auftrags: Beim mandatum solvendi hat der Auftraggeber kein besonderes Interesse an der persönlichen 2 Dies entspricht allgemeiner Ansicht; vgl. etwa Bonfante VI 131 mit A. 1, De Robertis 163, Biondi DER 99, Mayer-Maly 100 f., Kaser RP I 571 mit A. 85 und Kunkel/Honsell 263 mit A. 6. 3 Vgl. etwa D 24.3.22.9 Ulp 33 ad ed; wN. bei Lenel EP 305 A. 1 und Kaser RP I 337 A. 3. 4 Vgl. D 50.16.175 Pomp 22 ad Sab: ,Faciendi‘ verbo reddendi etiam causa continetur. 5 S. o. § 11 bei A. 36. 6 S. o. § 10 bei A. 26 und § 14 bei A. 51.

§ 23 Ergebnisse und Ausblick

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Leistung des Beauftragten. Mit der Vorstellung, daß die geschuldete Handlung nur vom Schuldner selbst vorgenommen werden kann, ist diese Argumentation nicht zu vereinbaren. Sie zeigt vielmehr, daß die bona fides eine differenzierte Beurteilung zuläßt. III. Exkurs: D 46.3.31 und die angebliche Unvertretbarkeit von operae De Robertis7 zitiert D 46.3.31 als Beleg für die prinzipielle „insostituibilità della persona nelle obbligazioni di lavoro.“ Seiner Ansicht nach sind im klassischen Recht nicht nur Werk-, sondern auch Dienstleistungen (operae) unvertretbar, und zwar unabhängig davon, ob sie aus einer Stipulation geschuldet werden oder aus locatio conductio.8 Die Drittleistung hält er nur für zulässig, wenn die Pflicht zur persönlichen Leistung abbedungen worden ist.9 Da sich diese These auf die Besonderheiten des Dienstvertragsrechts bezieht, kann und muß hier auf eine abschließende Stellungnahme verzichtet werden. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf einige grundsätzliche Bedenken. Ulpians Argumentation aus der differentia inter artifices paßt der Sache nach auch auf die handwerklichen Dienste von Lohnarbeitern und Freigelassenen. Sie bezieht sich aber nur auf die stipulatio operis faciendi und enthält eine auf diesen Fall beschränkte Rechtfertigung des überkommenen Grundsatzes, daß die Drittleistung bei strengrechtlichen Obligationen auf facere ausgeschlossen ist. Die Dienstleistungspflicht richtet sich nach klassischem Verständnis gerade nicht auf facere.10 Die entsprechenden Stipulationen lauten vielmehr auf operas dare11 und werden mit der condictio certae rei 12 oder mit der ihr nachgeformten13 actio operarum geltend gemacht. Lohnarbeiter und Freigelassene schulden also kein unvertretbares facere, sondern ein dare14, und darum kann auch Ulpians Argumentation in fr. 31 nicht entnommen werden, ob sie frei werden, 7 106; ebenso 36 mit A. 2, 38 f. und 145 f.; vgl. auch 90 f. und 163 f.; ähnlich Flume Akzessorietät 31 A. 1, Cruz 337 und Kunkel/Honsell 263 mit A. 6. 8 Vgl. De Robertis 35 ff. und 105 f. zur Unvertretbarkeit im allgemeinen sowie 144 ff. zur locatio conductio operarum. 9 Vgl. De Robertis 38 ff. 10 So auch De Robertis 55 ff.; vgl. außerdem Thélohan Ét. Girard I (1912) 357 ff., 371 ff., Kaufmann Die altrömische Miete (1964) 331 ff. und Waldstein Operae libertorum (1986) 222 f., 352 ff. 11 Vgl. etwa D 38.1.24 Iul 54 dig (,operas tuas pictorias centum hodie dare spondes‘) zur Stipulation des Lohnarbeiters sowie D 38.1.10 pr. Pomp 15 ad Sab (,operas mihi dare spondes‘) zur Stipulation und D 38.1.8 pr Pomp 8 ad Sab (iuraverit libertus operas se daturum) zum eidlichen Versprechen des Freigelassenen; wN. bei Thélohan (o. A. 10) 357 A. 2 und Waldstein (o. A. 10) 222 A. 30. 12 Vgl. Thomas Bull 64 (1961) 233 und vor allem Kaufmann (o. A. 10) 331 ff. Zur begrifflichen Erfassung von operae als res etwa D 38.1.22 pr. Gai 14 ad ed prov (aliud enim est de operis, aliud de ceteris rebus).

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

wenn ein Dritter die versprochenen operae leistet. Nach dem unter II Gesagten gilt dies erst recht für die der bona fides unterstehende locatio conductio operarum. Auch die beiden anderen Stellen, die De Robertis als Beleg für die Unvertretbarkeit von operae anführt, lassen keine eindeutigen Schlüsse zu. Dies gilt zum einen für das in D 12.6.26.12 Ulp 26 ad ed überlieferte Celsuszitat zur causa operarum.15 Danach unterscheidet sich jedes einzelne ,Tagewerk‘ sowohl durch die Person des Leistenden und des Empfängers als auch durch die äußeren Gegebenheiten von allen übrigen. Celsus handelt aber nicht von der Vertretbarkeit, sondern ausschließlich von der Kondiktion rechtsgrundlos geleisteter operae, und hier läßt er den Einwand aus der causa operarum gerade nicht durchgreifen16: Die geleisteten operae können zwar nicht wiederholt und darum als solche auch nicht wieder herausgegeben werden, sie sind aber der aestimatio zugänglich und damit kondizierbar. Auch D 40.7.39.5 Iav 4 ex post Lab17, De Robertis’ zweiter Beleg, ist nicht unmittelbar einschlägig. In diesem Text geht es vielmehr um die Erfüllung testamentarischer Bedingungen18: Ein Sklave ist

13 So schon Lenel EP 338 ff.; ihm folgen Kaser SZ 83 (1966) 17 ff. – vgl. auch SDHI 46 (1980) 135 – und Waldstein (o. A. 10) 352 ff. unter ausdrücklicher Ablehnung anderer Rekonstruktionsversuche. 14 D 45.1.72 pr. Ulp 20 ad ed (idem puto et si quis faciendam aliquid stipulatus sit, ut puta fundum tradi vel fossam fodiri vel insulam fabricari vel operas vel quid his simile) steht dem nicht entgegen; vgl. Théleohan (o. A. 10) 355 A. 2, De Robertis 56 f., Kaufmann (o. A. 10) 331 A. 31 und Waldstein (o. A. 10) 292 A. 9. Denn operas facere ist sonst nicht mehr belegt und für operas dare weist das VIR s.v. do II B 1 insgesamt 36 Stellen nach; vgl. auch Waldstein 222 A. 30 und 292 mit A. 4 ff. zu den konkurrierenden Ausdrucksweisen. 15 Der von De Robertis 37 zitierte Teil des Fragments lautet: Celsus libro sexto digestorum putat eam esse causam operarum, ut non sint eaedem neque eiusdem hominis neque eidem exhibentur: nam plerumque robur hominis, aetas temporis opportunitasque naturalis mutat causam operarum. Vgl. dazu auch Waldstein (o. A. 10) 367 ff. und Fg. Kaser (1986) 325 ff. sowie zuletzt Harke 95 ff. mwN. in A. 383. 16 Dies ergibt sich nicht nur aus dem Kontext in fr. 26.12, sondern auch aus dem Fortgang des Zitats: . . . et ideo nec volens quis reddere potest. sed hae, inquit, operae recipiunt aestimationem: et interdum licet aliud praestemus, inquit, aliud condicimus: ut puta fundum indebitum dedi et fructus condico: vel hominem indebitum, et hunc sine fraude modico distraxisti, nempe hoc solum refundere debes, quod ex pretio habes: vel meis sumptibus pretiosiorem hominem feci, nonne aestimari haec debent? sic et in proposito, ait, posse condici, quanti operas essem conducturus. 17 Si servus operas extraneo dare iussus esset, nullus nomine servi suas operas dando liberare servum potest: quod in pecunia aliter observatur, utpote cum exraneus pro eo servo dando pecuniam servum liberaret. In diesem Text sieht nicht nur De Robertis 36 A. 5, 38 und 106, sondern auch Pastori 264 mit A. 4 einen Beleg für die Unvertretbarkeit geschuldeter operae; vgl. auch Solazzi estinz. 40 A. 2 und Sargenti ED 31 (1981) 536, die ihn zu Unrecht auf die klassische Unterscheidung zwischen Obligationen in dando und in faciendo beziehen (dazu bereits o. § 21 A. 19). 18 Ebenso Waldstein (o. A. 10) 121 und Voci DER II 593 A. 15. Nach Lenel Paling. I 307 f. stammt das Fragment (Javolen 196) aus dem Kontext De manumissionibus.

§ 23 Ergebnisse und Ausblick

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unter der Bedingung freigelassen worden, daß er einem extraneus Dienste leistet. Er wird nicht frei, die Bedingung tritt also nicht ein, wenn ein Dritter diese Dienste erbringt. Eine auf Zahlung gerichtete Bedingung kann dagegen auch von Dritten erfüllt werden. Denn „hier steht das Interesse an der Geldzuwendung im Vordergrund“19, während es bei testamentarischen Potestativbedingungen im allgemeinen darauf ankommt, daß der Begünstigte selbst dem Testament Folge leistet.20 Da sich die Entscheidung in fr. 39.5 auf diese Weise ohne weiteres erklären läßt, ist sie ebenfalls kein Beweis für die Unvertretbarkeit geschuldeter operae. Zwei weitere Texte, die De Robertis in diesem Zusammenhang vernachlässigt, sprechen sogar dagegen: Nach D 45.2.5 Iul 22 dig21 steht nicht nur außer Zweifel, daß fremde operae wirksam versprochen werden können22, es ist auch anerkannt, daß sich zwei Handwerker mit der gleichen Ausbildung als Gesamtschuldner verpflichten können23 und daß sie in diesem Fall dieselben Dienste (easdem operas) versprechen. Für operae gilt also weder die Regel nemo alienum factum promittendo obligatur, noch werden sie – wie ein factum – durch die individuellen Eigenschaften einer bestimmten Person definiert. Der JulianVgl. auch UE 2.6 sowie D 12.6.53 Proc 7 epist, D 39.6.41 Pap 2 resp und D 28.7.28 Pap 13 quaest (zu alterius nomine dare im Bedingungsrecht). 19 So Waldstein (o. A. 10) 121. 20 Sie können erst nach dem Tod des Erblassers erfüllt werden si in hoc fiant, ut testamento pareatur. Dies gilt für ,si Capitolium ascenderit‘ ebenso wie für ,si decem dederit‘; vgl. D 35.1.11.1 Paul 4 ad Sab, D 35.1.2 Ulp 5 ad Sab und dazu Schindler 132 ff. Überträgt man diesen Gedanken auf fr. 39.5, dann versteht es sich von selbst, daß die operae vom statuliber geleistet werden müssen (ebenso wie die Bedingung ,si Alexandriam ierit, filius heres esto‘ nach D 28.7.28 Pap 13 quaest nur vom Erben erfüllt werden kann): Er selbst muß dem Testament Folge leisten und die vom Erblasser geforderte Handlung vornehmen. Auffällig ist vielmehr, daß für Zahlungen etwas anderes gilt. Dies wird jedoch durch den genannten Papiniantext bestätigt und in einem anderen (D 39.6.41 Pap 2 resp) damit begründet, daß die im Namen des statuliber erfolgte Zahlung eines Dritten prope est, ut ab ipso datum intellegatur. Dahinter wird die Überlegung stehen, daß die Zahlungsbedingung nur den Zweck hat, dem Empfänger das Geld zu verschaffen. Sie kann daher – ebenso wie eine Obligation – von Dritten erfüllt werden. Bei der Leistung von operae scheint die wirtschaftliche Begünstigung des extraneus dagegen nicht im Vordergrund zu stehen; hier soll zumindest auch zum Ausdruck kommen ut servus testamento pareatur. Damit stehen die dem statuliber auferlegten Dienste denen eines Freigelassenen näher als den – ausschließlich wirtschaftlichen Zwecken dienenden – operae eines freien Lohnarbeiters. 21 Nemo est qui nesciat alienas operas promitti posse et fideiussorem adhiberi in ea obligatione. et ideo nihil prohibet duos reos stipulandi constitui vel promittendi, sicuti si ab eodem fabro duo rei stipulandi easdem operas stipulentur: et ex contrario duo fabri eiusdem peritiae easdem operas promittere intelleguntur et duo rei promittendi fieri. Vgl. dazu etwa Théleohan (o. A. 10) 371 ff., Sacconi Obbl. sol. 178 ff. und Waldstein (o. A. 10) 236 f., aber auch De Robertis 78 f., 88 f. und 140. 22 Vgl. auch D 33.2.3 Paul 3 ad Sab: Hominis quoque liberi operae legari possunt, sicut locari et in stipulationem deduci. 23 Vgl. auch D 19.2.13.9 Ulp 32 ad ed: Duo rei locationis in solidum esse possunt.

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

text handelt zwar nicht von der befreienden Drittleistung, er zeigt aber immerhin, daß ihr nicht die gleichen konstruktiven Hindernisse entgegenstehen wie bei Obligationen auf facere. In der anderen Quelle (D 38.1.9.1 Ulp 34 ad Sab24) ist sogar ausdrücklich von der solutio eines Dritten die Rede. Ulpian erörtert hier die Frage, ob die Dienste eines Freigelassenen auf Anweisung des Patrons einem Dritten versprochen oder geleistet werden können.25 In der Begründung geht Ulpian aber auch auf die Leistung durch Dritte ein, um so den höchstpersönlichen Charakter bestimmter Dienste zu verdeutlichen: Operae officiales werden in ihrer Eigenart durch die Person des Leistenden und des Empfängers geprägt (proprietas earum et in edentis persona et in eius cui eduntur constitit). Für operae fabriles aliaeve gilt dies jedoch nicht. Sie gehören vielmehr zu den Schuldgegenständen, die von jedermann an jedermann geleistet werden können (eius generis sunt, ut a quocumque cuicumque solvi possunt). Dieses obiter dictum ist eine wichtige Quelle zur Vertretbarkeit von Dienstleistungen, und weil es sich in den Gedankengang der Entscheidung einfügt, ist es auch nicht verdächtig.26 Seine Auswertung wird allerdings dadurch erschwert, daß in der Romanistik umstritten ist, worauf sich die Gegenüberstellung von operae officiales27 und fabriles aliaeve bezieht: Nach Mitteis28 vergleicht Ulpian die Dienste, die der Freigelassene dem Patron aufgrund seines officium verspricht, mit denen eines unabhängigen Lohnarbeiters; nach Waldstein29 unterscheidet er innerhalb der operae 24 Sed officiales quidem futurae nec cuiquam alii deberi possunt quam patrono, cum proprietas earum et in edentis persona et in eius cui eduntur constitit: fabriles autem aliaeve eius generis sunt, ut a quocumque cuicumque solvi possunt. sane enim, si in artificio sint, iubente patrono et alii edi possunt. 25 Nach seinem palingenetischen Kontext – dazu Lenel Paling. II 1149 (Ulpian 2791) mit A. 4 – dürfte das Fragment mit Mitteis SZ 23 (1902) 145, 151 f., 157 f. und Waldstein (o. A. 10) 229, 255 f. auf folgenden Fall zu beziehen sein: Der Ehemann hat einen Dotalsklaven freigelassen und wird nach Auflösung der Ehe mit der actio rei uxoriae in Anspruch genommen. Da die wirtschaftlichen Vorteile, die ihm als Patron zustehen, zur dos gerechnet werden, muß er herausgeben quidquid ad eum ex bonis liberti vel ex obligatione pervenisset (D 24.3.24.4 Ulp 33 ad Sab), und dazu gehört auch sein Anspruch auf die noch nicht fälligen operae libertorum. Nach fr. 9.1 können solche – grundsätzlich höchstpersönlichen – Dienste aber nur dann im Wege der Delegation auf die Frau übertragen werden, wenn sie in einer handwerklichen Leistung bestehen und darum ausnahmsweise wie die operae eines unabhängigen Lohnarbeiters behandelt werden. 26 Anders De Robertis, der die Entscheidung bei seinen Ausführungen zur Vertretbarkeit als nicht zum Thema gehörig ausklammert (36 A. 4) und sie an anderer Stelle (215 f., vgl. auch schon 40 A. 6) ohne nähere Begründung für justinianisch erklärt. 27 Dieser Ausdruck ist nur bei Ulpian belegt; vgl. neben fr. 9.1 auch D 38.1.6 und D 12.6.26.12 (beide 26 ad Sab). 28 (O. A. 25) 143 ff., vgl. vor allem 151 ff. Seinen Thesen (Zusammenfassung 156 f.) folgen unter anderem Nörr SZ 86 (1969) 515 und Behrends in: Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit (1981) 184 ff.; wN. bei Waldstein (o. A. 10) 224 A. 3.

§ 23 Ergebnisse und Ausblick

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libertorum zwischen persönlichen Ehrendiensten und solchen Dienstleistungen, die in der Ausübung des erlernten Berufs bestehen und darum nach den gleichen Regeln behandelt werden wie die Dienste eines Lohnarbeiters. Beide Auffassungen führen zu dem Ergebnis, daß entgeltlich versprochene operae grundsätzlich vertretbar sind, und nach Waldstein30 gilt für die handwerklichen Dienste eines Freigelassenen dasselbe. Sollte Mitteis’ Interpretation zutreffen, dann wäre fr. 9.1 zudem ein Beleg dafür, daß die Drittleistung auch unabhängig von der Vertretbarkeit der geschuldeten Leistung ausgeschlossen sein kann31: Im 29 Fg. Kaser (1986) 322 ff., aber auch schon (o. A. 10) 223 ff., 229 f., 251 ff. und 276 ff. 30 (O. A. 10) 236 f.; vgl. auch 275, wo Waldstein aus D 38.1.44 Scaev 4 quaest (si libertus moram in operis fecerit, fideiussor tenetur: mora fideiussoris nulla est. at in homine debito fideiussor etiam ex sua mora in obligatione retinetur) den Schluß zieht, daß sogar die persönlichen Ehrendienste nicht nur vom Freigelassenen selbst geleistet werden können, sondern zumindest im Verzugsfall auch vom Bürgen: „Der Text gibt jedenfalls keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß der fideiussor dann nur auf den Schätzwert der operae haftete. Er mußte sie wohl auch leisten können.“ Dem ist zum einen entgegenzuhalten, daß sich im Verzugsfall nicht einmal mehr der Freigelassene selbst durch die Leistung der operae befreien könnte: Seine Verpflichtung wird an dem in der indictio des Patrons festgesetzten Tag fällig und nach dessen Ablauf schuldet der libertus nur noch den Schätzwert der operae praeteritae (vgl. nur D 38.1.8.1 Pomp 8 ad Sab). Die Forderung des Patrons wird zu diesem Zweck als fortbestehend fingiert, es sei denn, der Freigelassene hat die Nichtleistung – etwa wegen Krankheit – nicht zu vertreten; vgl. dazu vor allem Kaser SDHI 46 (1980) 135 f., dem auch Waldstein 353 f. mit A. 66 f. zustimmt. Da die mora demnach stets mit der Unmöglichkeit der Leistung zusammenfällt, kann auch mit fideiussor tenetur nur die Haftung auf den Schätzwert gemeint sein. Dies bestätigt der Gegenfall. Denn auch hier geht es – wie in obligatione retinetur zeigt – um die perpetuatio obligationis beim Untergang der geschuldeten Sache während des Verzugs. Zum anderen läßt sich der Gegensatz zwischen mora fideiussoris nulla est und etiam ex sua mora in obligatione retinetur nur dadurch erklären, daß der Bürge des libertus von vornherein nur auf den Schätzwert der geschuldeten operae haftet, während er im zweiten Fall zur Übereignung des Sklaven verpflichtet ist und daher auch selbst in Verzug geraten kann; vgl. Flume Akzessorietät 111 f. Drittens schließlich ist weder in fr. 44 noch in anderen Texten davon die Rede, daß operae libertorum von einem Bürgen geleistet werden könnten. Dies widerspräche vielmehr dem in D 38.1.9.1 überlieferten Satz proprietas earum et in edentis persona et in eius cui eduntur constitit. Eine Harmonisierung läßt sich auch nicht dadurch erreichen, daß man in der Annahme des Bürgen zugleich die Erklärung des Patrons sieht, er sei auch mit dessen Leistung einverstanden; so aber Waldstein 275 f. Denn wie sich in dem spiegelbildlichen Fall der Leistung an Dritte zeigt, ist die Höchstpersönlichkeit als proprietas der operae libertorum auch nicht abdingbar: Der Freigelassene kann sich weder wirksam anweisen lassen noch mit befreiender Wirkung an einen vom Patron akzeptierten solutionis causa adiectus leisten; vgl. dazu D 38.1.10.1 und 12 Pomp 15 ad Sab. 31 Weitere Beispiele für eine solche höchstpersönliche Verbindlichkeit sind nicht belegt. Dies gilt insbesondere für die im Gemeinen Recht umstrittene Frage (vgl. nur Oertmann 392 ff.), ob rein pönale Deliktsbußen wegen ihres Sühnezwecks vom Täter selbst bezahlt werden müssen. Die passive Unvererblichkeit dieser Obligationen ist zwar mehrfach bezeugt (vgl. etwa Gai 4.112, D 47.1.1 pr. Ulp 41 ad Sab oder D 48.19.20 Paul 18 ad Plaut), daraus kann jedoch nicht ohne weiteres auf die Unstatthaftigkeit der Drittleistung geschlossen werden. Denn nach D 46.1.8.5 Ulp 47 ad Sab

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5. Kap.: Vertretbare und unvertretbare Leistungen

Gegensatz zu den vertretbaren Diensten eines Lohnarbeiters können die operae libertorum nur vom Freigelassenen selbst geleistet werden. Denn sie gehören zu seinem officium32 und sind damit Teil einer ,höchstpersönlichen‘ Ehr- und Dankesschuld gegenüber dem Patron.

ist die Zulässigkeit der Bürgschaft zumindest umstritten (vgl. nur Kaser RP I 614 mwN. in A. 41), und dies zeigt, daß nicht nur die Zahlung des Täters dem Geschädigten Genugtuung verschaffen kann. 32 Vgl. etwa D 38.1.1 Paul l s de var lect (operae sunt diurnum officium) oder D 38.1.22 pr. Gai 14 ad ed prov (cum enim operarum editio nihil aliud sit quam officii praestatio). Daß die Höchstpersönlichkeit der operae libertorum aus ihrem ,offizialen‘ Charakter zu erklären ist, läßt D 45.3.38 Pomp 5 ad Q Muc (si servus meus a liberto meo ,operas sibi dari‘ stipuletur, inutilem stipulationem esse Celsus scribit: aliter atque si non adiecto hoc verbo ,sibi‘ stipulatus fuerit) vermuten: Der Sklave des Patrons kann sich zwar operae libertorum versprechen lassen, dies aber nur mit den Worten operas dari oder operas patrono dari. Denn die Stipulation operas mihi dari spondes ist unwirksam (vgl. auch D 38.1.10 pr. Pomp 15 ad Sab), obwohl sie zu einem wirtschaftlich gleichwertigen Ergebnis führen würde und daher bei anderen Stipulationen auf dare auch gleich behandelt wird (vgl. D 45.3.1 pr. Iul 52 dig: Cum servus stipuletur, nihil interest sibi an domino an vero sine alterutra eorum adiectione dari stipuletur). Daß diese Entscheidung auf dem höchstpersönlichen Charakter der stipulatio operarum beruht, hält auch Waldstein (o. A. 10) 249 mwN. für möglich. Sie zeigt darüber hinaus, daß die Höchstpersönlichkeit weder vom wirtschaftlichen Wert noch von der Art der versprochenen Leistung abhängt.

Sechstes Kapitel

Drittleistung invito debitore § 24 Einführung und Überblick I. Justinian, Gaius und Pomponius 1. Bei der Darstellung der solutio im Institutionentitel über die Erlöschensgründe geht Justinian – anders als Gaius (3.168) – auch auf die Drittleistung ein. Sein Interesse gilt dabei vor allem der Frage, ob die solutio des Dritten der Zustimmung des Gläubigers und des Schuldners bedarf. I 3.29 pr. Tollitur autem omnis obligatio solutione eius quod debetur, vel si quis consentiente creditore aliud pro alio solverit. nec tamen interest, quis solvat, utrum ipse qui debet an alius pro eo: liberatur enim et alio solvente, sive sciente debitore sive ignorante vel invito solutio fiat.1

Nach dem lehrbuchhaft abstrakten Institutionentext hängt die obligationstilgende Wirkung der solutio nicht davon ab, wer die geschuldete Leistung erbringt. Anstelle des Schuldners kann vielmehr auch ein Dritter mit befreiender Wirkung leisten, und zwar ohne Zustimmung des Gläubigers, aber auch ohne Wissen und Zustimmung des Schuldners. Auf ersteres zielt die bereits an anderer Stelle behandelte2 Gegenüberstellung von Drittleistung und datio in solutum, letzteres hebt Justinian im Schlußsatz (liberatur rell.) ausdrücklich hervor. Die Aufzählung sive sciente debitore sive ignorante vel invito ist unvollständig. So fehlt in ihrem ersten Teil das Gegenstück zu invito, während die Unterscheidung sive sciente . . . sive ignorante vollständig ausgeführt ist. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß der ungenannte Fall der Drittleistung consentiente debitore anders zu behandeln wäre als die drei ausdrücklich erwähnten Tatbestände – im Gegenteil: Wie sich aus der durchdachten Disposition des Institutionentextes ergibt, ist die Aufzählung umfassend gemeint. Sie soll klarstellen, daß die Befreiung des Schuldners weder von seiner Kenntnis 1

Übersetzung: s. o. § 4 A. 24. S. o. § 4 II 2. Eine datio kann ohne Mitwirkung des Gläubigers zwar nicht vorgenommen werden; die Entbehrlichkeit der Zustimmung führt aber dazu, daß der Gläubiger – anders als bei der datio in solutum – in Annahmeverzug gerät, wenn er die von einem Dritten angebotene Leistung ablehnt; vgl. die Nachweise in § 4 A. 17 und 18. 2

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noch von seiner Zustimmung abhängt. Um dies herauszuarbeiten, werden aber nur die Fälle aufgeführt, in denen mindestens eines der beiden Merkmale fehlt. Hierzu gehört zwar die bloße Kenntnis, nicht aber die Zustimmung des Schuldners; denn deren Erteilung setzt die Kenntnis der beabsichtigten solutio zwingend voraus.3 Die Drittleistung consentiente debitore wird also nur deshalb nicht eigens erwähnt, weil sich ihre befreiende Wirkung von selbst versteht und eine entsprechende Klarstellung – anders als im Fall der bloßen Kenntnis – entbehrlich ist. Die Drittleistung invito debitore ist das Gegenstück zu dem ungenannten, aber mitgedachten Fall der Zustimmung. Das mehrdeutige invitus ist daher nicht eng, im Sinne von ,gegen den Willen‘, zu verstehen. Es wird vielmehr in seiner weiten Bedeutung gebraucht, die neben dem entgegenstehenden Willen auch alle anderen Fälle fehlender Zustimmung umfaßt.4 Entsprechend vielgestaltig ist der Tatbestand der Drittleistung ,ohne Willen‘ des Schuldners. Er reicht vom erklärten Widerspruch über den inneren Vorbehalt bis hin zum bloßen Fehlen einer ausdrücklichen Zustimmungserklärung und deckt zugleich fast alle Fälle der Drittleistung ,ohne Wissen‘ des Schuldners ab. Eine Zustimmung des debitor ignorans ist nämlich – außer bei der Leistung des procurator omnium rerum5 – nur als nachträgliche Genehmigung vorstellbar. Zum Zeitpunkt der solutio ist der ignorans dagegen regelmäßig auch invitus in der weiten Bedeutung des Wortes. Justinians Sprachgebrauch, der dem der klassischen Juristen entspricht, macht zunächst eine terminologische Klarstellung erforderlich: Das invito debitore solvere der Quellen deckt sich weitgehend mit dem hier verwendeten Begriff der Drittleistung, der in der Einleitung als freiwillige, nicht autorisierte solutio eines Dritten definiert wurde.6 In-vitus (,nicht wollend‘7) ist der Schuldner aber auch und gerade dann, wenn gegen seinen Willen geleistet wird. Genau das soll im folgenden mit dem Begriff der ,Drittleistung invito debitore‘ und seiner deutschen Übersetzung als ,eigenmächtige Drittleistung‘ zum Ausdruck gebracht werden. Gemeint ist also nicht nur der – weiterhin als ,verbotene Drittleistung‘ bezeichnete8 – Fall des ausdrücklichen Widerspruchs; in Anlehnung an den 3 Der Sonderfall des procurator omnium rerum ist hier vernachlässigt; dazu sogleich bei A. 5. 4 Vgl. nur D 3.3.8.1 Ulp 8 ad ed (invitus procurator non solet dari. invitum accipere debemus non eum tantum qui contradicit, verum eum quoque qui consensisse non probatur); weitere Nachweise für beide Bedeutungen von invitus o. § 1 A. 70. 5 Der procurator omnium rerum gilt schon mit seiner Bestellung als ermächtigt, die Gläubiger des Geschäftsherrn zu befriedigen (vgl. etwa D 46.3.87 Cels 20 dig, D 12.6.6 pr. Paul 3 ad Sab und dazu o. 14 II). Er kann daher ignorante und zugleich consentiente debitore leisten. 6 S. o. § 1 II 1 a. E. 7 So die treffende Übersetzung bei Heumann/Seckel s.v. invitus. 8 S. o. § 1 II 1.

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Sprachgebrauch der nun zu untersuchenden Quellen wird lediglich betont, daß der allgemeine Tatbestand der Drittleistung diesen Sonderfall einschließt. In Justinians Institutionen wird die Drittleistung nolente, vetante oder prohibente debitore9 nicht eigens erwähnt, sondern mit den übrigen Fällen fehlender Zustimmung unter einem einheitlichen Begriff zusammengefaßt. Die verbotene Drittleistung erscheint hier also lediglich als Unterfall der eigenmächtigen Drittleistung und der entgegenstehende Wille des Schuldners als ein Fall der fehlenden Zustimmung. Begrifflich leuchtet dies unmittelbar ein; bei wertender Betrachtung fällt jedoch auf, daß gerade im Fall der Drittleistung nicht ohne weiteres von der Entbehrlichkeit der Zustimmung auf die Unbeachtlichkeit des Widerspruchs geschlossen werden kann: Da die befreiende Wirkung der solutio für den Schuldner rechtlich und wirtschaftlich von Vorteil ist, kann sein Einverständnis regelmäßig unterstellt und deshalb auf eine ausdrückliche Zustimmung verzichtet werden. Nur bei der verbotenen Drittleistung reicht diese Erklärung nicht aus. Denn hier steht der Wille des Schuldners im Widerspruch zu dem objektiven – oder besser: typischen – Interesse am Erlöschen der eigenen Schuld, und darum kann die fehlende Zustimmung in diesem Fall gerade nicht durch das Argument der mutmaßlichen Einwilligung ersetzt werden. Damit stellt sich zum einen die Frage, warum der Schuldner nicht nur ohne, sondern auch gegen seinen Willen befreit werden kann. Zum anderen erscheint es nicht mehr selbstverständlich, daß Justinian diese beiden unterschiedlichen Fälle zu dem einheitlichen Tatbestand der Drittleistung invito debitore zusammenfaßt: Dient dies lediglich der begrifflichen Vereinfachung, oder gibt es einen einheitlichen Grundgedanken, der die befreiende Wirkung der Drittleistung sowohl bei der bloß fehlenden als auch bei der verweigerten Zustimmung erklärt? 2. In den Quellen zum klassischen Recht wird die befreiende Wirkung der Drittleistung nirgends von der Zustimmung des Schuldners abhängig gemacht oder auf sie zurückgeführt10, und in drei Texten wird die Drittleistung invito debitore sogar ausdrücklich erwähnt. Zentrale Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den beiden Gaiusfragmenten zu, die bereits in der Einleitung11 als Hauptquellen für den allgemeinen Grundsatz vorgestellt wurden, daß die solutio eines Dritten den Schuldner befreit: In D 3.5.38 betont Gaius, daß dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn die Leistung ohne Wissen und ohne Willen des 9 Diese Bezeichnungen für das verbotswidrige Handeln eines Dritten sind im Kontext der negotiorum gestio überliefert, und zwar auch bei Justinian; vgl. nur C 2.18.24 Iust (si quis nolente et specialiter prohibente domino rerum administrationi earum sese immiscuit) und D 17.1.40 Paul 9 ad ed (si pro te praesente et vetante fideiusserim); dazu o. § 11 III. 10 Zu D 12.6.6 pr. Paul 3 ad Sab und D 46.3.87 Cels 20 dig bereits o. § 14 II. 11 S. o. § 1 III.

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Schuldners erfolgt (solvendo quisque pro alio licet invito et ignorante liberat eum), in D 46.3.53 handelt er nur von diesen Fällen (solvere pro ignorante et invito cuique licet), und in beiden Texten gibt er eine im wesentlichen übereinstimmende Erklärung dafür, daß die Unkenntnis und die fehlende Zustimmung des Schuldners der Befreiung nicht entgegenstehen: Nach allgemeinen Rechtsprinzipien könne jeder die Lage eines anderen auch ohne dessen Wissen und ohne oder sogar gegen dessen Willen verbessern. Die zweifellos authentischen12 Gaiusfragmente stimmen nicht nur in der Sache mit der justinianischen Regelung überein; auch in der Darstellung lassen sich Parallelen zum Institutionentext feststellen. So fällt zum einen auf, daß die Drittleistung invito debitore auch bei Gaius in lehrbuchhaft abstrakter Form abgehandelt wird, obwohl die beiden Fragmente gerade nicht aus seinen Institutionen stammen, sondern aus der Monographie De verborum obligationibus und aus dem Kommentar zum Provinzialedikt. Zum anderen bildet Gaius die gleichen Tatbestände wie Justinian: Er verwendet invitus in der weiten Bedeutung ,ohne Willen‘13 und faßt so die fehlende Zustimmung und den entgegenstehenden Willen des Schuldners unter einem einheitlichen Begriff zusammen. Gleichzeitig unterscheidet er die Drittleistung ignorante debitore von der Drittleistung invito debitore, obwohl sich die beiden Tatbestände nicht nur überschneiden, sondern sogar weitgehend decken.14 3. Dieselben Parallelen zu Justinians Institutionen finden sich auch in der dritten Quelle zum klassischen Recht: D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab Solutione vel iudicium pro nobis accipiendo et inviti et ignorantes liberari possumus.15

Der isoliert überlieferte Satz aus dem 24. Buch ad Sabinum16 zeigt, daß auch Pomponius die befreiende Wirkung der eigenmächtigen Drittleistung aner12

Zur Interpolationenkritik o. § 1 bei A. 78 ff. und 111 ff. S. o. § 1 bei A. 70. 14 S. o. nach A. 4. 15 Übersetzung: Durch Leistung oder dadurch, daß sich jemand für uns verklagen läßt, können wir sowohl ohne unseren Willen als auch ohne unser Wissen befreit werden. 16 Zum palingenetische Kontext Lenel Paling. II 134 ff. Das Fragment (Pomponius 716) stammt aus dem ersten von vier Büchern De verborum obligationibus (Pomponius 712 bis 738). Von der solutio ist in den hier überlieferten Fragmenten ebensowenig die Rede wie von der Prozeßdefension, Lenel 134 A. 3 hält aber wegen Ulp 46 ad Sab eine Rubrik De novationibus für möglich. Unter diese Rubrik könnte auch Pal. 716 gehören (vgl. Lenel 134 A. 8 und Solazzi estinz. 47): Nach D 46.2.8.5 Ulp 46 ad Sab (dazu u. § 25 bei A. 93 ff.) kann der Schuldner auch im Wege der Novation gegen seinen Willen befreit werden. Deshalb ist die Vermutung gerechtfertigt, daß Pomponius von dieser Möglichkeit handelt und die Befreiung solutione vel iudicium pro nobis accipiendo zum Vorbild nimmt, dies um so mehr, als eine solche fallvergleichende Argumentation nicht ohne Beispiel ist; vgl. insbesondere D 45.1.56.7 Iul 52 13

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kennt.17 Er ist ebenso abstrakt gehalten wie die beiden Gaiusfragmente und unterscheidet zwar zwischen der Drittleistung ignorante und invito debitore, aber nicht zwischen dem entgegenstehenden Willen des Schuldners und den übrigen Fällen fehlender Zustimmung. Darüber hinaus enthält der Text trotz seiner Kürze auch Neues: Der Schuldner kann nicht nur im Wege der Drittleistung ohne seinen Willen und ohne sein Wissen befreit werden, sondern auch dadurch, daß sich ein Dritter für ihn verklagen läßt (iudicium pro nobis accipiendo). In diesem Fall ergibt sich die Befreiung aus den bei Gaius18 überlieferten zivilrechtlichen Folgen der litis contestatio. Mit der Streiteinsetzung wird die Klage verbraucht, das heißt: Die rechtshängig gemachte Forderung erlischt ipso iure.19 An ihre Stelle tritt zunächst das condemnari oportere und dann – im Fall der Verurteilung – das iudicatum facere oportere. Adressat dieser neuen prozessualen Verbindlichkeiten ist dig, wo die befreiende Wirkung der Novationsstipulation eines Dritten ebenfalls an der solutio gemessen wird, aber auch die übrigen o. § 2 A. 39 ff. zitierten Belege für die Vorbildfunktion der solutio als regelmäßigem Tilgungsgrund. Daß Pomponius’ Ausführungen zur Novation invito debitore nicht in die Digesten aufgenommen worden sind, ließe sich ebenfalls leicht erklären: Dieses Thema ist durch das – im einschlägigen Titel De novationibus et delegationibus (D 46.2) überlieferte – Ulpianfragment bereits abgedeckt und für die Rubrik De solutionibus et liberationibus (D 46.3) nicht unmittelbar von Bedeutung. 17 Der Text hat in diesem Zusammenhang weniger Beachtung gefunden als die beiden Gaiusfragmente; vgl. aber etwa Oertmann 387 und 491, Hertz 15 f., Kretschmar 27, Betti Appunti 291, Solazzi estinz. 43, Kunkel/Honsell 354 A. 10 und die Interpolationsvermutung von Frese 444 A. 210; gegen ihn Solazzi 47, der lediglich et ignorantes als „gradazione a rovescio“ verdächtigt (dazu bereits oben § 1 A. 92). 18 3.180: Tollitur adhuc obligatio litis contestatione, si modo legitimo iudicio fuerit actum: nam tunc obligatio quidem principalis dissolvitur, incipit autem teneri reus litis contestatione. Sed si condemnatus sit, sublata litis contestatione incipit ex causa iudicati teneri. Et hoc est, quod apud veteres scriptum est ante litem contestatam dare debitorem oportere, post litem contestatam condemnari oportere, post condemnationem iudicatum facere oportere. Vgl. auch Gai 3.181 und 4.107 und dazu Kaser/Hackl 299 f. mwN. Daß die Folgen der litis contestatio auch dann eintreten, wenn ein Dritter anstelle des Schuldners beteiligt ist, bestätigt D 44.2.11.7 Ulp 75 ad ed: . . . adversus defensorem qui agit, litem in iudicium deducit. 19 Nach Gaius 3.180 (o. A. 18) hat die litis contestatio nur im iudicium legitimum obligationstilgende Wirkung, während sie im iudicium imperio continens lediglich die exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae begründet. Pomponius geht auf diese Unterscheidung nicht ein; wegen der Parallele zur – zivilrechtlich wirkenden – solutio liegt es jedoch nahe, den Text auf den Regelfall des iudicium legitimum zu beziehen. Hierfür spricht auch die technische Bedeutung von liberare (s. o. § 18 bei A. 110 ff.). Allerdings wird dieser Begriff gerade im Zusammenhang mit rein ,liberatorischen‘ exceptiones auch für die ,prätorische Befreiung‘ verwendet (s. o. § 18 bei A. 110 mwN.), und darum läßt sich nicht mit Sicherheit ausschließen, daß die Defension im iudicium imperio continens bereits vom Wortlaut des Textes erfaßt ist. Im Ergebnis kommt es auf diese rein terminologische Frage jedoch nicht an. Denn die exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae hat den Zweck, die zivilrechtlichen Folgen der litis contestatio nachzubilden, und deshalb besteht kein Zweifel, daß sie nach Pomponius’ Auffassung auch dem debitor invitus et ignorans zusteht.

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nicht mehr der Schuldner, sondern der Dritte, der als sein ,Prozeßvertreter‘ die Rolle des Beklagten übernimmt und dadurch selbst Partei wird: Auf ihn lautet die condemnatio der Klagformel20, und gegen ihn richtet sich auch die actio iudicati 21, sofern er nicht als förmlich bestellter cognitor22 oder in ähnlich offenkundiger Form zur Prozeßführung für den Schuldner ermächtigt ist.23 Durch die litis contestatio wird der Schuldner also immer dann endgültig befreit, wenn ein Dritter für ihn auftritt, dessen Legitimation nicht zweifelsfrei feststeht.24 Dies gilt sowohl für den procurator25, der außerhalb des Prozesses formlos und ohne Mitwirkung des Prozeßgegners bestellt wird26, als auch für den defensor27, 20 Gai 4.87: Ab adversarii quoque parte si interveniat aliquis, cum quo actio constituitur, intenditur dominum dare oportere, condemnatio autem in eius personam convertitur, qui iudicium acceperit. Vgl. dazu nur Kaser/Hackl 210 und 342 mwN. 21 Vgl. die Nachweise u. A. 25 (zum procurator) und u. A. 27 (zum defensor). Auch die u. A. 24 aufgeführten Stellen zur cautio iudicatum solvi setzen voraus, daß sich die actio iudicati gegen den kautionspflichtigen ,Prozeßvertreter‘ des Schuldners richtet. 22 Hat die Klage gegen den – nicht in rem suam handelnden – cognitor Erfolg, so richtet sich die actio iudicati gegen den Schuldner, vgl. vat. 317 (cognitore enim interveniente iudicati actio domino vel in dominum datur; non alias enim cognitor experietur vel ei actioni subicietur, quam si in rem suam cognitor factus sit) und 331, D 3.3.42.2 Paul 8 ad ed, D 42.1.4 pr. Ulp 58 ad ed, D 44.4.9 Paul 32 ad ed und dazu Kaser/Hackl 212 f. mwN. 23 Dies gilt insbesondere für den ,Prozeßvertreter‘ des bei der Streiteinsetzung anwesenden Schuldners (procurator praesentis), der aufgrund seiner offenkundigen Legitimation dem certis verbis in litem coram adversario (Gai 4.83) bestellten cognitor gleichsteht, vgl. vat. 317, 326 und 331. Dazu und zu weiteren Fällen Kaser/Hackl 216 ff. mwN. 24 Um den Gläubiger gegen das mit dem Schuldnerwechsel verbundene Insolvenzrisiko zu schützen, läßt der Prätor einen solchen Dritten nur zu, wenn er zuvor die – durch Bürgen gesicherte – cautio iudicatum solvi geleistet hat, vgl. Gai 4.90 und 4.101, vat. 317 sowie D 3.3.28 Ulp 1 disp, D 4.6.21.3 Ulp 12 ad ed, D 26.7.1.2 Ulp 35 ad ed und D 46.7.10 Mod 4 pand, aber auch D 3.3.43.6. Paul 9 ad ed; dazu Kaser/ Hackl 216, 280 f. und 283 mwN. Steht dagegen die Legitimation des ,Prozeßvertreters‘ zweifelsfrei fest, so hat der Schuldner die cautio iudicatum solvi zu leisten; vgl. Gai 4.101, vat. 326, D 46.7.7 Gai 27 ad ed prov, D 46.7.10 Mod 4 pand und dazu Kaser/Hackl 212 f., 217 A. 69 und 281 mwN. 25 Vgl. vor allem vat. 317 (interveniente vero procuratore iudicati actio ex edicto perpetuo ipsi et in ipsum, non domino vel in dominum competit) und 332 (procurator absentis qui pro domino vinculum obligationis suscepit, onus eius frustra recusat; et ideo nec iudicati actio post condemnatum procuratorem in dominum datur aut procuratori qui vicit denegatur), aber auch D 3.3.28 Ulp 1 disp und die übrigen o. A. 24 zitierten Quellen zur cautio iudicatum solvi; dazu Kaser/Hackl 216 mwN. 26 Vgl. zur Bestellung des procurator nur Gai 4.84 und Kaser/Hackl 214 mwN. 27 Vgl. D 3.3.28 Ulp 1 disp (per contrarium autem si procurator meus iudicatus solvi satisdederit, in me ex stipulatu actio non datur. sed et si defensor meus satisdederit, in me ex stipulatu actio non datur, quia nec iudicati mecum agi potest), aber auch D 17.1.58 pr. Paul 4 quaest und D 5.1.74.2 Iul 5 dig, wo die Forderung nur deshalb nicht ipso iure erlischt, weil der Prozeß, den der defensor für den vermeintlich abwesenden, in Wahrheit aber bereits verstorbenen Schuldner geführt hat, nichtig ist; s. o. § 18 A. 108 f. mwN.

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der sich ohne jede Ermächtigung aus eigenem Antrieb für den Schuldner verklagen läßt.28 Von letzterem handeln zahlreiche Quellen aus dem Kontext der negotiorum gestio.29 Sie bestätigen nicht nur, daß die Defension des Schuldners kein entsprechendes Mandat voraussetzt30 und darum von jedem Dritten31 übernommen werden kann, sondern belegen darüber hinaus sogar eine rechtspolitische Erklärung für diese prozessuale Regel: Weil dem abwesenden Schuldner als indefensus die missio in bona droht, liegt es in seinem und zugleich im öffentlichen Interesse, daß ein Dritter für ihn auftritt und die für den einzelnen wie für das Gemeinwesen nachteilige Gesamtvollstreckung abwendet. Mit dieser magna utilitas absentium begründet Ulpian in seiner laudatio des Edikts De negotiis ges28 Defensor wird im folgenden ausschließlich in dieser engen technischen Bedeutung gebraucht. Die Terminologie der Quellen ist zwar nicht einheitlich, da der Ausdruck – ebenso wie defendere – jede Form der Vertretung im Prozeß bezeichnen kann, vgl. nur Heumann/Seckel s.v. defensor b) und s.v. defendere 2 c) sowie Kaser/Hackl 210 A. 215 A. 46; in aller Regel meint defensor jedoch speziell den ohne Auftrag – sponte (vgl. D 49.17.18.5 Maec 1 fideic) – handelnden ,Prozeßvertreter‘ des Beklagten im Gegensatz zu dessen procurator (vgl. etwa D 3.3.28 Ulp 1 disp oder D 12.2.34.3 Ulp 26 ad ed), cognitor (Gai 4.101), tutor (D 26.7.1.2 Ulp 35 ad ed) und curator (D 42.4.7.10 Ulp 59 ad ed und D 42.5.5 Ulp 60 ad ed). Besonders deutlich zeigt dies die Aufzählung nec procurator meus vel defensor vel tutor vel curator in D 3.2.6.2 Ulp 6 ad ed (vgl. auch D 44.2.11.7 Ulp 75 ad ed). 29 Vgl. D 3.5.1 Ulp 11 ad ed, D 3.5.30.2, 7 Pap 2 resp, D 3.5.39 Paul 10 ad Sab, D 3.5.40 Paul 30 ad ed, D 5.1.74.2 Iul 5 dig, D 11.1.20 pr. Paul 2 quaest und D 17.1.58 pr. Paul 4 quaest, aber auch etwa D 15.3.10.3 Ulp 29 ad ed oder D 42.4.5.1 Ulp 59 ad ed sowie die o. A. 28 und u. A. 31 angeführten Stellen und die o. § 11 A. 3 zitierte Literatur. Nach Kaser/Hackl 210, 214 f. mit A. 46 und 351 mit A. 8 hat sich die Zulassung des defensor absentis erst in klassischer Zeit durchgesetzt, und zwar als Lockerung gegenüber dem auch für die ,Prozeßvertretung‘ auf Beklagtenseite geltenden Erfordernis der Ermächtigung durch den dominus litis. Ob und inwieweit diese Auffassung mit den genannten Quellen vereinbar ist, kann hier nicht überprüft werden. Die von Kaser/Hackl angeführten Belege beziehen sich allerdings zumeist auf die Vertretung des Klägers, bei der die Ermächtigung aus unmittelbar einleuchtenden Gründen erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für die 214 A. 40 und 41 zitierten Texte D 3.3.1 pr. ff. Ulp 9 ad ed und Gai 4.84 (vgl. Lenel EP 95 f. mwN.), nach dem palingenetischen Kontext aber wohl auch für das 214 A. 44 zur Vertretung des Beklagten zitierte Fragment D 5.1.56 Ulp 30 ad Sab, vgl. Lenel Paling. II 1128 (Ulpian 2736). Der zweite dort genannte Text (D 46.3.7.2 Ulp 77 ad ed) gehört palingenetisch zur cautio pro praede litis et vindiciarum, vgl. Lenel Paling. II 870 (Ulpian 1704), und auch das Reskript C 7.56.1 Alex, auf das sich Kaser/Hackl 351 A. 8 berufen, handelt nicht von der Defension des abwesenden Schuldners, sondern von einer actio in rem. In der an gleicher Stelle zitierten Entscheidung D 5.1.74.2 Iul 5 dig schließlich ist die Nichtigkeit des Prozesses nicht auf die fehlende Ermächtigung des defensor zurückzuführen, sondern auf den im Prozeß verborgen gebliebenen Tod des Schuldners; s. o. § 18 A. 108 mwN. 30 Vgl. D 17.1.58 pr. Paul 4 quaest (quod si sine mandatu defensionem suscepisti). 31 Vgl. D 3.3.33.2 Ulp 9 ad ed (publice utile est absentes a quibuscumque defendi), D 4.6.22 pr. Paul 12 ad ed (ita enim absens defendi non videtur, si actor ultro interpellat nec quisquam defensioni se offerat) und D 42.4.3.5 Ulp 59 ad ed (,recte defendetur‘ hoc est vel a se vel ab alio quocumque).

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tis32 die Notwendigkeit schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche zwischen dem defensor und dem von ihm ,vertretenen‘ Schuldner, und an anderer Stelle33 führt er die prozessuale Zulässigkeit der defensio absentis auf dasselbe öffentliche Interesse zurück. Die Parallele zwischen der Befreiung solutione und iudicium pro nobis accipiendo, die Pomponius in fr. 23 zieht, legt es nahe, den für die defensio überlieferten Gedanken auf die Drittleistung zu übertragen und den Text als Beleg für eine von Wollschläger34 entwickelte Hypothese heranzuziehen. Danach „erklärt die Härte des römischen Vollstreckungsrechts, warum die unerbetene Drittleistung in Rom zulässig war und als nützliche Geschäftsführung galt.“ Bei genauerer Betrachtung ergeben sich jedoch Zweifel an dieser zunächst einleuchtenden Gleichung. Denn zum einen stimmt Ulpians rechtspolitische Erklärung der defensio absentis nicht mit Gaius’ Rechtfertigung der eigenmächtigen Drittleistung überein, zum anderen trifft sie nicht auf alle Fälle des Handelns invito debitore gleichermaßen zu: Mit dem Ziel, die unerwünschte Gesamtvollstrekkung abzuwenden, läßt sich zwar ohne weiteres begründen, daß Defension und Drittleistung ohne Kenntnis und Zustimmung des Schuldners zulässig sind; wenn aber der Schuldner selbst den Schutz vor der Gesamtvollstreckung ausdrücklich ablehnt, dann fällt zugleich ein wesentlicher Gesichtspunkt für das öffentliche Interesse an ihrer Vermeidung weg. So handeln denn auch die übrigen Quellen zur defensio ausschließlich vom debitor absens, während vom debitor invitus nur bei Pomponius in fr. 23 die Rede ist. 4. Insgesamt ergeben die Quellen zur Drittleistung invito debitore ein ebenso klares wie einheitliches Bild: Der Dritte befreit den Schuldner auch dann, wenn er ohne oder gegen dessen Willen an den Gläubiger leistet. Dies wird in Justinians Institutionen, aber auch von Gaius und Pomponius mehrfach ausdrücklich betont, und zwar stets in abstrakter, regelhafter Form und ohne eine genauere 32 D 3.5.1 Ulp 10 ad ed: Hoc edictum necessarium est, quoniam magna utilitas absentium versatur, ne indefensi rerum possessionem aut venditionem patiantur vel pignoris distractionem vel poenae committendae actionem, vel iniuria rem suam amittant. Dazu bereits o. § 11 I mwN.; vgl. auch D 44.7.5 pr. Gai 3 aur. 33 D 3.3.33.2 Ulp 9 ad ed: Publice utile est absentes a quibuscumque defendi: nam et in capitalibus iudiciis defensio datur. Ubicumque itaque absens quis damnari potest, ibi quemvis verba pro eo facientem et innocentiam excusantem audiri aequum est et ordinarium admittere: quod et ex rescripto imperatoris nostri apparet. 34 79 mit A. 19; vgl. auch Zimmermann 437 A. 31 und Liebs Römisches Recht (6. Aufl. 2004) 231, der schon die Drittlösung des verhafteten Schuldners im frührömischen Recht auf dasselbe öffentliche Interesse zurückführt: „Gegen die Interessen der Gläubiger, die im Zweifel rechtzeitig abgewogen hatten, ob der in Aussicht genommene Schuldknecht das dafür ausgeworfene Geld wert war, und bei Verwirklichung der Haftung regelmäßig besser abgeschnitten haben werden als bei Rückerhalt des Kredits, setzte die Rechtsgemeinschaft, die solche Verringerung des Bestandes an freien Rechtsgenossen nicht sich selbst überlassen durfte, durch, daß jeder von Privathaft bedrohte Bürger durch jedermann ausgelöst werden konnte.“

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Unterscheidung einzelner Fälle. So wird vor allem der Widerspruch des Schuldners in keiner der Stellen besonders hervorgehoben, sondern stets mit den übrigen, weniger problematischen Fällen fehlender Zustimmung zu einem einheitlichen Tatbestand zusammengefaßt und dem verwandten Fall der Drittleistung ignorante debitore an die Seite gestellt. Näherer Betrachtung bedarf neben dieser eigentümlichen Tatbestandsbildung vor allem Gaius’ Rechtfertigung der eigenmächtigen Drittleistung aus dem allgemeinen Rechtsprinzip, daß man die Lage eines anderen auch ohne dessen Wissen und ohne oder sogar gegen seinen Willen verbessern darf. Denn dieser Grundsatz, in dem Mitteis35 „eine wirklich zureichende Erklärung“ der befreienden Drittleistung zu finden hofft, ist sonst nicht mehr belegt, und wie Beseler36 gezeigt hat, wird er im Zivilrecht auch nicht streng durchgehalten. Andererseits trifft er nach Pomponius nicht nur auf die Drittleistung, sondern auch auf die Defension zu, und hier konkurriert er mit Ulpians Erklärung aus der magna utilitas absentium, die sich ihrerseits – mit gewissen Einschränkungen – auf die Drittleistung übertragen läßt. II. Labeos ,Sondermeinung‘ und die romanistische Literatur In einen schon von Mitteis37 „längst schmerzlich empfundenen Widerspruch“ zu den bisher behandelten Quellen tritt eine Äußerung Labeos, die bei Paulus überliefert und kommentiert ist: D 46.3.91 Lab 6 pith a Paulo epit Si debitor tuus non vult a te liberari et praesens est, non potest invitus a te solvi. Paulus: immo debitorem tuum etiam praesentem etiam38 invitum liberare ita poteris supponendo, a quo debitum novandi causa stipuleris: quod etiamsi acceptum non feceris, tamen statim, quod ad te attinet, res peribit: nam et petentem te doli mali praescriptio excludet.39 35 SZ 30 (1909) 440; ähnlich Seidl RP 121 f. und Claus 159; vgl. auch Stein Fs. Daube (1974) 311 f., Behrends SZ 97 (1980) 464 f. und Fargnoli 74; dazu bereits o. § 1 bei A. 25 ff. 36 V 17: „dann müßte sowohl ein obligatorischer wie ein dinglicher Vertrag zugunsten eines Dritten und mit unmittelbarer Wirkung für ihn möglich sein“; dazu bereits o. § 1 bei A. 79 und 98. 37 SZ 30 (1909) 441. 38 Etiam del. Mo. 39 Übersetzung: Wenn dein Schuldner nicht von dir befreit werden will und anwesend ist, kann er ohne seinen Willen nicht von dir gelöst werden. Paulus: Keineswegs, du kannst deinen Schuldner auch in seiner Anwesenheit auch gegen seinen Willen befreien, indem du jemanden einschaltest, von dem du dir das Geschuldete motivationshalber versprechen läßt. Auch wenn du dann nicht förmlich erläßt, wird der Anspruch dennoch, was dich betrifft, sofort untergehen; denn auch wenn du klagst, wird dich der Arglisteinwand ausschließen.

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Der „räthselhafte erste Satz“40 dieses Fragments scheint auf den ersten Blick in direktem Gegensatz zu der für Gaius, Pomponius und Justinian belegten Auffassung zu stehen, daß die Drittleistung den Schuldner auch ohne und sogar gegen dessen Willen befreit. Auch bei näherer Betrachtung löst sich der Widerspruch nicht vollständig auf: Labeo handelt zwar nicht speziell von der Drittleistung, sondern von der Befreiung im allgemeinen. Er erklärt aber den entgegenstehenden Willen des anwesenden Schuldners bei jeder Form der ,Lösung‘ für beachtlich und macht für den Fall der ,Leistung‘ keine Ausnahme.41 Nimmt man diese allgemeingültige Aussage beim Wort, dann gilt sie also auch für die Drittleistung. Andererseits widerspricht sie den unter I vorgestellten Quellen nur für den Fall der verbotenen Drittleistung. Denn im Unterschied zu Gaius, Pomponius und Justinian handelt Labeo ausschließlich vom entgegenstehenden Willen des Schuldners (si debitor tuus non vult a te liberari) und faßt diesen Fall nicht mit den übrigen Fällen fehlender Zustimmung zu einem einheitlichen Tatbestand zusammen. In der Romanistik wird die Möglichkeit einer Klassikerkontroverse zur Drittleistung invito debitore kaum in Betracht gezogen. Die gemeinrechtliche Dissertation von Hertz, in der Labeos Auffassung als ,Sondermeinung‘ bezeichnet wird42, ist unbeachtet geblieben. Zahlreiche Nachfolger hat dagegen Oertmanns Versuch einer harmonisierenden Interpretation gefunden. Sie alle beseitigen den ,schmerzlich empfundenen Widerspruch‘ zu den unter I vorgestellten Quellen, indem sie Labeos Äußerung nicht auf die Befreiung im allgemeinen, sondern auf bestimmte Tilgungsgründe beziehen und die Drittleistung hiervon ausnehmen. Oertmann selbst43 zieht aus der Paulusnote den Schluß, daß auch Labeo vom Erlaß einer Stipulationsschuld durch acceptilatio handelt. Er kommt auf dieser Grundlage zu einer in sich geschlossenen Deutung des gesamten Fragments: Nach Labeo sei eine acceptilatio gegen den Willen des Schuldners nicht möglich, was sich aus dem Formalcharakter des Geschäfts ohne weiteres erkläre. Zur Überwindung dieses formalen Hindernisses habe es schon des „ingeniösen Umweges“ bedurft, den Paulus in seiner Note aufzeigt. Manenti44, der unabhängig von Oertmann und ohne dessen harmonisierende Absicht zu ähnlichen Ergebnissen kommt, hält den Rückschluß aus der Paulusnote deshalb für zulässig, weil sich Labeos Äußerung auf eine kasuistische Entscheidung beziehe, die Paulus zwar nicht in seine Epitome aufgenommen, wohl aber der Note zugrun40

Eisele Beiträge 36 A. 20. Zu den beiden Grundbedeutungen von solvere o. § 2 II. 42 Hertz 16. 43 388 ff., vgl. auch 384. 44 Bull. 23 (1911) 29 ff.; die Ausführungen im Text beziehen sich insbesondere auf S. 33 Mitte („Quale fosse . . . qui Paolo“) und 35 unten: „il debitore presente (appunto perchè si tratta di acceptilatio)“. 41

§ 24 Einführung und Überblick

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degelegt habe. Einen Hinweis auf die acceptilatio sieht Manenti vor allem in der Anwesenheit des Schuldners. Die von Oertmann und Manenti entwickelte Deutung ist teils auf Zustimmung gestoßen45, teils wird Labeos Äußerung aber auch auf die solutio per aes et libram bezogen. Eine entsprechende Vermutung findet sich bereits bei Eisele46. Sie stützt sich auf das altertümliche a te solvi, das ebenso wie a te liberari an die bei Gaius (3.174) überlieferte Formel des libralen Erlasses erinnert. Diese Beobachtung ist auch der gemeinsame Ausgangspunkt für die im übrigen divergierenden Harmonisierungsversuche von Kretschmar und Steiner. So nimmt Kretschmar in seiner Monographie über ,Die Erfüllung‘47 an, Labeo handele nicht von der Befreiung im allgemeinen, sondern vom Erlaß eines Damnationslegats. Hier habe der Legatar ein Interesse daran, den Erben zu befreien, um sich der Last der sacra zu entziehen. Nach frühklassischem Recht sei dies aber nur im Wege der solutio per aes et libram möglich und darum an die Mitwirkung des Erben gebunden.48 Der von Paulus vorgeschlagene Weg über die Expromission durch einen Dritten mit anschließender acceptilatio sei Ausdruck eines veränderten Rechtszustands, in dem die Novation auch gegenüber der Damnationsschuld als vollgültiger Tilgungsakt anerkannt sei. Steiner49 bezieht den Text auf das Judikat als „den allgemeinsten Anwendungsfall der nexi liberatio.“ Hier habe sich das Erfordernis der förmlichen Tilgung bis in Labeos Zeit erhalten mit der Folge, daß der debitor iudicatus nicht ohne seine Mitwirkung und darum auch nicht gegen seinen Willen habe befreit werden können. Für Paulus gelte dies nicht mehr, weil es zu seiner Zeit möglich sei, auch eine Judikatsschuld durch Novation zu tilgen. Keiner dieser Harmonisierungsversuche vermag ohne weiteres zu überzeugen. Sie alle verengen Labeos Äußerung auf den Erlaß50 und setzen sich damit über ihren Wortlaut hinweg. Darüber hinaus unterstellen sie weitere, jeweils unterschiedliche Fallkonstellationen, für die der überlieferte Text keinen ausreichenden Anhalt gibt. Schließlich reduzieren sie das Pithanon auf die – doch recht banale – Erkenntnis, daß dem Schuldner nicht gegen seinen Willen erlassen 45

So bei Koschaker SZ 37 (1917) 354 A. 1, Frese 450 f. und Bonifacio 157 A. 19. Beiträge 36 A. 20. 47 19 ff. Zu Kretschmars zweiter Bearbeitung des Fragments in der SZ 38 (1917) 317 ff. unten bei A. 51 f. und in § 25 IV 2. 48 In seiner Rezension von Kretschmars ,Erfüllung‘ weist Mitteis SZ 30 (1909) 441 zutreffend darauf hin, daß diese Deutung einer der Hauptthesen des Werks (dazu näher o. § 1 I 2) widerspricht, weil sie voraussetzt, daß die solutio per aes et libram nur vom Schuldner selbst vorgenommen werden kann. Im übrigen hält er Kretschmars Interpretationsansatz für „ansprechend“, vermißt aber eine befriedigende Erklärung für die Worte et praesens est (dazu u. § 25 II 3). 49 25 f. A. 1. 50 Unter der Bezeichnung ,Erlaß‘ werden im folgenden die acceptilatio und die solutio per aes et libram zusammengefaßt. 46

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werden kann, weil der Erlaß an seine förmliche Mitwirkung gebunden ist. Andererseits ist ihnen zuzugeben, daß in der Paulusnote ausschließlich vom Erlaß die Rede ist. Ob dies allerdings einen Rückschluß auf das kommentierte Pithanon zuläßt, hängt zum einen vom Werkcharakter der Pithana und der paulinischen Epitome ab. Zum anderen bedarf es einer genauen Analyse des gesamten Fragments, um zu ermitteln, ob dieser Rückschluß überhaupt erforderlich ist, ob also die Paulusnote nur dann einen Sinn ergibt, wenn man auch Labeos Äußerung entgegen ihrem Wortlaut auf den Erlaß beschränkt. Kretschmar selbst hat den Versuch einer harmonisierenden Interpretation später weitgehend aufgegeben. In einer 1917 erschienen Miszelle51 setzt er sich ein zweites Mal mit D 46.3.91 auseinander und kommt zu dem Ergebnis, daß Labeo dem entgegenstehenden Willen des anwesenden Schuldners größere Bedeutung beimißt als später Gaius und Pomponius.52 Hinter dieser Kontroverse vermutet Kretschmar nun sogar zwei grundlegend verschiedene Denkweisen: Labeo habe den Schuldner aus Gründen der Selbstbestimmung vor einer aufgedrängten Bereicherung schützen wollen, sich mit dieser philosophisch beeinflußten Auffassung aber nicht dauerhaft gegen die bei Gaius überlieferten Opportunitätsgründe behaupten können. Die neuere Romanistik hat weder diese Thesen noch die vorausgegangenen Harmonisierungsversuche weiterverfolgt – im Gegenteil: Der Widerspruch zwischen D 46.3.91 und den Quellen zur eigenmächtigen Drittleistung scheint seit 1917 beinahe in Vergessenheit geraten zu sein. Während sich die wenigen jüngeren Bearbeitungen des Textes ganz auf die Probleme der Paulusnote konzentrieren53, wird Labeos Pithanon weder in den Monographien zur solutio54 noch 51

SZ 38 (1917) 317 ff. Trotz des gegenteiligen Ergebnisses hält Kretschmar SZ 38 (1917) 318 an wesentlichen Elementen seiner früheren Deutung fest. So gesteht er sich nicht nur zu, die an die Formel der nexi liberatio anklingende Wendung a te solvi schließe „jedenfalls die rechtsförmliche Befreiung durch Libralakt“ ein, womit „vielleicht der Erlaßgedanke vorzugsweise unterstrichen“ werde. Wenig später behauptet er sogar ohne jede Einschränkung, Labeos Pithanon unterscheide sich von den widersprechenden Stellen unter anderem dadurch, „daß die Absicht der Befreiung hier vom Gläubiger ausgeht, während in den übrigen Fällen der Ausgangspunkt von dem spontanen Auftreten des Drittleisters genommen wird.“ Auch mit dieser – nicht weiter begründeten – Annahme bleibt Kretschmar seinem ursprünglichen Textverständnis verhaftet. Er geht also weiterhin davon aus, daß Labeo von einem anderen Fall handelt als Gaius und Pomponius, vermeidet damit einen direkten Widerspruch und entwickelt seine neue These von den widerstreitenden Grundauffassungen allein aus einer unterschiedlichen Tendenz bei der Lösung verschiedener Fälle. 53 Dies gilt nicht nur für Sacconi Delegazione 203 A. 51 und Apathy AN 211 ff., die sich nach dem Gegenstand ihrer Monographien auf die Fragen der Novation beschränken, sondern auch für die umfassend angelegte Exegese von Formigoni Piqanwn a Paulo epitomatorum libri VIII. Sulla funzione critica del commento del giurista Iulius Paulus (1996) 151 ff., die Kretschmar zwar mehrfach als „parere diverso“ zitiert (152 A. 121, vgl. auch 152 A. 124 und 154 A. 129), seine Hauptthese 52

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in den einschlägigen Kapiteln der meisten Lehrbücher und Nachschlagewerke55 erwähnt. Nur bei Kaser56 findet sich ein entsprechendes Zitat und ein Verweis auf Kretschmars Miszelle, aber auch dies hat den Widerspruch zu D 3.5.38, D 46.3.23, D 46.3.53 und I 3.29 pr. nicht wieder in den Blick der Forschung gerückt. Die Frage nach einer Klassikerkontroverse zur Drittleistung invito debitore wird seither nur noch vereinzelt gestellt, und zwar unabhängig von Kretschmar und ohne Bezug zu D 46.3.91.57 Im übrigen besteht offenbar Einigkeit darüber, daß der bei Gaius, Pomponius und Justinian belegte Grundsatz ius receptum ist. Er wird zwar nicht so bezeichnet, aber regelmäßig ohne jeden Vorbehalt als klassische Rechtsauffassung dargestellt.58 Der Widerspruch zu Labeos Pithanon bleibt dabei außer Betracht59, obwohl Kretschmars Vermutung einer grundlegenden Kontroverse das letzte Wort zu diesem Problem geblieben ist und die verschiedenen Ansätze zu einer harmonisierenden Interpretation seither nicht mehr weiterverfolgt worden sind. Nach dem dargestellten Forschungsstand bedarf die Frage, ob der ,räthselhafte erste Satz‘ von D 46.3.91 den Quellen zur eigenmächtigen Drittleistung widerspricht, erneuter Untersuchung. Da sie sich nur durch eine eingehende Exegese des gesamten Fragments beantworten läßt, wird zunächst (in § 25) nicht nur Labeos Pithanon, sondern auch die Note des Paulus zu erörtern sein. Ausgangspunkt und Schlüssel für die Interpretation ist der Werkcharakter der Pithana und ihrer kommentierten Epitome. Erst im zweiten Schritt kann dann (in § 26) Gaius’ eigentümliche Rechtfertigung der Drittleistung invito debitore näher betrachtet werden. Denn für ihr Verständnis ist es von entscheidender Bedeutung, ob sie als Teil einer Kontroverse über den Sonderfall der verbotenen Drittleistung zu lesen ist oder als theoretische Reflexion über den Geltungsgrund des allgemeinen Satzes solvendo quisque pro alio liberat eum. Nicht zuletzt hiervon dürfte es auch abhängen, ob sie – wie Mitteis60 hofft – „eine wirklich zureichende Erklärung des ganzen Satzes“ bietet. aber ebensowenig erwähnt wie den Widerspruch zwischen Labeos Pithanon und den Quellen zur Drittleistung invito debitore. Zu ihrer Deutung des Textes § 25 A. 14, 20 und 82. 54 Solazzi estinz. 41 ff. und Cruz 333 ff. 55 Vgl. etwa Siber 271, Schulz 629, Betti Ist. II 458, Branca ED 1 (1958) 550, Seidl RP 121 f., Longo NNDI 12 (1965) 318 mit A. 5 f., Sargenti ED 31 (1981) 536 mit A. 21 und Kunkel/Honsell 354 A. 10, aber auch Betti Appunti 290 f., Pastori 264 ff., Zimmermann 752 und 755 f. oder Hernández-Tejero DRO 183. 56 RP I 636 A. 13. 57 Vgl. Stein Fs. Daube (1974) 311 f. und Behrends SZ (1980) 465; dazu näher u. § 26 bei A. 179, 189 und 191. 58 Vgl. neben den o. A. 54 f. Zitierten etwa Meylan 34 f., Maschi 274 ff., Claus 159, Stein Fs. Daube (1974) 311 f., Below 88 f., Müller-Ehlen 54 mit A. 3. oder Fargnoli 73 f. 59 Erwähnt wird der Text in diesem Zusammenhang – soweit ersichtlich – nur von Apathy 68 A. 11.

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§ 25 D 46.3.91 Lab 6 pith a Paulo epit: Eine Kontroverse zur Befreiung invito debitore? I. Zur Inskription Labeos Pithana1 folgen in ihrer äußeren Gestaltung einem einheitlichen Muster. Es sind einzelne kurze Sätze mit einem streng zweigliedrigen konditionalen Aufbau2: Der einleitende Bedingungssatz gibt die Tatsachen vor, und der nachfolgende Hauptsatz zieht eine rechtliche Schlußfolgerung, ohne sie zu begründen oder zu erläutern. In der Darstellungsform erscheinen die Pithana somit als Vorläufer der libri regularum.3 Ihr oft kasuistischer Inhalt steht dagegen den problematischen Schriften näher4 und erinnert eher an die Leitsätze höchstrichterlicher Entscheidungen als an abstrakte Rechtsnormen. Der singuläre Werktitel5 zeigt denn auch, daß Labeo keine strengen Regeln formuliert, sondern Erfahrungssätze. Er ist der stoischen Erkenntnislehre entlehnt und bezeichnet nach der Definition von Schmidlin6 „eine Aussage, die allgemeine Zustimmung findet. Sie ist aber nicht auf strenge Weise aus ersten Sätzen abgeleitet. Sie will überzeugen, sie soll einleuchten, ohne daß man den Grad ihrer Gewißheit nach absoluten Kriterien messen dürfte.“ Labeos Pithana sind fast ausschließlich in einer kommentierten Epitome des Paulus überliefert.7 Sie werden dort stets in direkter Rede wiedergegeben und den mit der Signatur Paulus eingeleiteten Anmerkungen ihres spätklassischen Herausgebers vorangestellt. Die äußere Gestalt der Epitome spricht also für eine klare Trennung zwischen Zitat und Kommentar. Seit Pernice8 wird daher auch überwiegend angenommen, daß „die labeonischen Sätze aller Wahrscheinlichkeit nach in ihrem ursprünglichen Wortlaute“ überliefert sind. Nur Thomas9 60

SZ 30 (1909) 440. Lenel Paling. I 528 ff. (Labeo 193 bis 228); vgl. dazu Pernice I 35 ff., Jörs RE 1 (1894) 2551 f., Krüger Quellen 142, 156 f. und 228, Berger RE 10 (1918) 723 f., Schulz Geschichte 256 und 286, Schmidlin Rechtsreg. 123 ff. und ANRW II 15 (1976) 111 ff., Bretone Par. del Pass. 28 (1973) 170 ff., Thomas Fs. Daube (1974) 317 ff., Talamanca IURA 26 (1975) 1 ff. und zuletzt Formigoni Piqanwn a Paulo epitomatorum libri VIII. Sulla funzione critica del commento del giurista Iulius Paulus (1996). 2 Vgl. dazu vor allem Schmidlin Rechtsreg. 124 und ANRW II 15 (1976) 112 f. sowie Talamanca IURA 26 (1975) 9 ff. und Formigoni (o. A. 1) 20 ff. 3 So ausdrücklich Schmidlin Rechtsreg. 126. 4 In der Romanistik ist daher umstritten, welcher Gattung das Werk zuzuordnen ist, vgl. nur Krüger Quellen 142 und Schmidlin Rechtsreg. 125 f. einerseits sowie Schulz Geschichte 286 und Thomas Fs. Daube (1974) 318 andererseits, aber auch Formigoni (o. A. 1) 13 mwN. in A. 39 bis 41. 5 Vgl. dazu vor allem Pernice I 36, Schmidlin Rechtsreg. 123 ff. und ANRW II 15 (1976) 112 f., Talamanca IURA 26 (1975) 5 ff. und Formigoni (o. A. 1) 18 ff. 6 Rechtsreg. 123. 7 Hinzu kommen zwei Zitate in D 46.4.8.2 Ulp 48 ad Sab und D 50.16.246 pr. Pomp 16 epist. 1

§ 25 D 46.3.91 Lab 6 pith a Paulo epit

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zweifelt an ihrer Authentizität.10 Er vermutet hinter den Pithana einen nicht von Labeo selbst verfaßten Auszug der libri posteriores und äußert darüber hinaus den Verdacht, „that Paul may further have modified the language and, perhaps, the substance of what came into his hands.“ Dieser vereinzelten Annahme steht jedoch vor allem11 der einheitliche Aufbau der bei Paulus überlieferten Pithana entgegen: Die Form des zweigliedrigen Bedingungssatzes wird in allen Fragmenten streng durchgehalten.12 Sie entspricht der stoischen Implikation und bezieht sich damit unmittelbar auf den Titel des Werks.13 Die Gleichförmigkeit der Pithana spricht deshalb nicht nur gegen sprachliche Eingriffe ihres spätklassischen Herausgebers, sie bezeugt auch einen ausgeprägten Gestaltungswillen, wie er bei einem unselbständigen Auszug fremder Schriften nicht zu erwarten ist. Die Noten des Paulus dienen nicht zur Erläuterung oder Vertiefung, sondern allein der Kritik. Wegen dieser ablehnenden Grundtendenz, aber auch wegen ihres schroffen Tons und ihrer oft übertriebenen Spitzfindigkeit gelten sie gemeinhin als polemisch und unangemessen.14 Mehr als die Hälfte von ihnen beginnt mit immo oder immo contra15, andere mit noch stärkeren Negationen16, und fast alle weisen Labeos Aussagen als zu pauschal oder sogar als insgesamt

8 I 36; vgl. außerdem vor allem Schulz Geschichte 256, Talamanca IURA 26 (1975) 3 f. und Formigoni (o. A. 1) 7 f., 27 f., aber auch Jörs RE 1 (1894) 2551 f., Berger RE 10 (1918) 723 f. und Bretone Par. del Pass. 28 (1973) 172. 9 Fs. Daube (1974) 317 ff., vgl. dort insbesondere 319 und 323 (Zitat). 10 Vgl. außerdem die eher beiläufige Bemerkung von Wieacker Textst. 144, Paulus habe bei der Epitomierung der Pithana das Original bereits nicht mehr vorgelegen, und dazu Talamanca IURA 26 (1975) 3 A. 9. 11 Vgl. außerdem die überzeugende Kritik bei Talamanca IURA 26 (1975) 4 f. A. 13. 12 Die einzige Ausnahme ist das in D 50.16.246 pr. Pomp 16 epist zitierte Pithanon. Entgegen Thomas Fs. Daube (1974) 317 und 318 läßt dieses Zitat jedoch nicht den Schluß zu, daß Paulus die von ihm herausgegebenen Texte manipuliert hat. Denn bei dem anderen Pithanon, das außerhalb der Epitome (in D 46.4.8.2 Ulp 48 ad Sab) überliefert ist, findet sich – trotz indirekter Rede – der typische konditionale Aufbau wieder, und darum liegt es näher, daß Pomponius den labeonischen Text verkürzt oder ungenau zitiert. 13 Vgl. dazu Schmidlin Rechtsreg. 124 f. und ANRW II 15 (1976) 112 f., Talamanca IURA 26 (1975) 5 ff. und passim sowie Formigoni (o. A. 1) 20 ff. 14 Vgl. etwa Pernice I 38, Eisele Beiträge 36 A. 20, Jörs RE 1 (1894) 2551, Bretone Par. del Pass. 28 (1973) 172 oder Thomas Fs. Daube (1974) 321 ff.: weitere Nachweise bei Formigoni (o. A. 1) 2 ff. A. 3 bis 6, die dieser Einschätzung allerdings entgegentritt und am Ende ihrer Untersuchung ,sulla funzione critica del commento del giurista Iulius Paulus‘ (163) zu einer erheblich freundlicheren Neubewertung kommt: „Il rapporto fra massima e commento, invece, ha confermato l’idea che all’epitome paolina si possa guardare come ad una rilettura critica dell’opera di Labeone, volta a cercare le ragioni per cui gli asserti del maestro augusteo fossero stati, proprio da chi li aveva formulati, indicati come Piqana.“ 15 Die Stellen sind nachgewiesen bei Thomas Fs. Daube (1974) 325 A. 48 und 49.

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verfehlt zurück. Begründet wird die Kritik vor allem mit kasuistischen Mitteln: Paulus konstruiert Sachverhaltsvarianten und Fallabwandlungen mit einer abweichenden Rechtsfolge, um auf diese Weise die regelhaft formulierten Pithana zu widerlegen oder zumindest ihren Geltungsbereich einzuschränken. Ein in jeder Hinsicht typisches Beispiel für Labeos Pithana und die Noten des Paulus ist D 46.3.91. Der Text dieses bereits im vorausgehenden Paragraphen vorgestellten Fragments findet sich dort im Abschnitt II unter 1. Er wird an dieser Stelle nicht noch einmal abgedruckt, da das Pithanon und die Note im folgenden zunächst isoliert betrachtet werden. II. Labeos Pithanon 1. Der erste Satz von D 46.3.91 lautet: Si debitor tuus non vult a te liberari et praesens est, non potest invitus a te solvi. Er steht in direkter Rede und wird durch die Signatur Paulus vom nachfolgenden Text getrennt. Nach seiner äußeren Gestaltung ist Labeos Pithanon also ein wörtliches Zitat. Es beginnt mit einem Konditionalsatz, der den ,Sachverhalt‘ gedrängt und scheinbar unvollständig wiedergibt. Die Schilderung selbst beschränkt sich auf zwei Informationen: Der debitor tuus will nicht befreit werden, und er ist anwesend. Vorausgesetzt wird damit ein nicht näher qualifiziertes Schuldverhältnis zwischen dem debitor und seinem Gläubiger Tu. Offen bleiben dagegen nicht nur die Hintergründe des eigentümlichen Falls (warum will der debitor nicht befreit werden?) und die Situation, in der er spielt (wobei ist der debitor anwesend?), sondern auch der zur Entscheidung stehende Streit. Der Konditionalsatz benennt nämlich weder die Parteien noch den Anlaß dieses Konflikts. Auch der nachfolgende Hauptsatz gibt darüber keine Auskunft. Die dort mitgeteilte ,Entscheidung‘ macht zwar deutlich, von welchem Rechtsproblem das Pithanon handelt, sie enthält aber keine ergänzenden Informationen über den zugrundeliegenden Sachverhalt. Labeo ist der Auffassung, der debitor könne nicht ohne (oder gegen17) seinen Willen von seinem Gläubiger Tu befreit werden (non potest invitus a te solvi). Er handelt also von der Befreiung invito debitore und setzt damit voraus, daß der debitor mit einer Person in Konflikt gerät, die ihn befreien will. Wer diese Person ist und auf welche Art der debitor befreit werden soll, bleibt dagegen nach wie vor offen: Will Tu die Schuld erlassen oder ist noch ein Dritter beteiligt, der für den Schuldner leisten (oder verklagt werden) möchte?

16 Vgl. etwa falsum in D 32.31 Lab 1 pith a Paul epit, D 41.1.65.2 Lab 6 pith a Paul epit und D 50.16.244 Lab 4 pith a Paul epit oder minime in D 19.1.53.1 Lab 1 pith und D 19.1.54 pr. Lab 2 pith. 17 Dazu näher u. bei A. 29 f.

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Eine dritte Person wird im Text zwar nicht ausdrücklich erwähnt, doch bei der auch im übrigen lückenhaften Schilderung des ,Sachverhalts‘ genügt dies nicht, um ausschließen zu können, daß Labeo zumindest auch den Fall der Drittleistung im Auge hat. Denn nach seinem Wortmaterial und seiner grammatischen Struktur setzt der Text auch nicht voraus, daß gerade Tu es ist, der den debitor befreien will. So bezeichnet liberare nicht nur den vom Gläubiger ausgehenden Erlaß, sondern jede Form der Befreiung, und dasselbe gilt für solvere, wenn es – wie hier18 – im Sinne von ,lösen‘ gebraucht wird.19 Auch die Verbformen lassen Tu nicht als handelndes Subjekt erscheinen. Die Befreiung wird vielmehr passivisch, aus der Sicht des debitor beschrieben, so daß offen bleibt, wer sie herbeiführen will. Diese Ausdrucksweise findet sich sowohl im Konditional- als auch im Hauptsatz. Sie ist weder grammatisch noch stilistisch geboten und fällt vor allem deshalb auf, weil die persönliche Anrede des Gläubigers Tu eher das aktivische non potes invitum a te solvere erwarten läßt. Indem Labeo diese Formulierung vermeidet, legt er sich gerade nicht auf Tu als Handelnden fest, und darum können auch aus dem ohnehin mehrdeutigen a te vor liberari und solvi keine entsprechenden Schlüsse gezogen werden20 – im Gegenteil: Da die Befreiung ,durch den Gläubiger‘ einfacher und eindeutig hätte beschrieben werden können, liegt es näher, daß mit a te liberari und a te solvi nur die Befreiung ,vom Gläubiger‘ gemeint ist. Nach dem bisher Gesagten finden sich im Wortlaut des Pithanon keine Hinweise auf die acceptilatio oder den libralen Erlaß einer Damnations- oder Judikatsschuld und erst recht keine Anhaltspunkte dafür, daß Labeo ausschließlich von einem dieser Fälle handelt.21 Auch die Textpassagen, auf die sich die Anhänger einer harmonisierenden Interpretation für ihre unterschiedlichen Annahmen berufen22, erweisen sich bei näherer Betrachtung als wenig aussagekräftig. Dies gilt zum einen für das altertümliche a te solvi, auf dem Kretschmar und Steiner ihre Interpretationen aufbauen.23 Es erinnert zwar an die Worte me eo nomine a te solvo liberoque in der Formel der solutio per aes et libram; die 18 Das persönliche aliquem solvere kann – auch im Passiv (potest aliquis solvi) – nicht mit ,leisten‘, sondern nur mit ,lösen‘ übersetzt werden; s. o. § 2 bei A. 24 f. 19 Vgl. etwa D 42.1.4.7 Ulp 58 ad ed oder D 46.3.54 Paul 56 ad ed; näher zu den beiden Grundbedeutungen von solvere o. § 2 II. 20 So aber offenbar Formigoni (o. A. 1) 151, die a te liberari ohne nähere Erläuterung als einzigen Beleg für den – ihres Erachtens vorausgesetzten – Lösungswillen des Gläubigers zitiert. 21 Auch die Palingenesie gibt dafür nichts her; vgl. Kretschmar SZ 38 (1917) 317 f., 322 f. und 323 f. gegen Manenti Bull. 23 (1911) 36 f. einerseits und Steiner 24/25 A. 1 andererseits. Denn aus dem sechsten Buch der Epitome sind keine Texte zur acceptilatio, zur solutio per aes et libram oder zum Damnationslegat überliefert, und das gesamte Werk läßt eine feste Ordnung nicht erkennen; vgl. Lenel Paling. I 528 f. A. 3, Pernice I 37, Bretone Par. del Pass. 28 (1973) 170, Thomas Fs. Daube (1974) 318 f., Schmidlin ANRW II 15 (1976) 116 und Formigoni (o. A. 1) 14. 22 S. o. § 24 II 2, Nachweise finden sich dort in A. 43 ff.

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

alte Bedeutung von solvere hat sich aber nicht nur bei der Libralzahlung und beim Judikat24 erhalten – im Gegenteil: In den meisten Stellen läßt sie sich gerade nicht auf den überkommenen Sprachgebrauch einer Formel zurückführen. Solvere (,lösen‘) wird vielmehr überwiegend ohne besonderen Anlaß als Synonym für liberare verwendet.25 Das altertümliche a te solvi im Hauptsatz des Pithanon kann also ohne weiteres als bloße Variation zu a te liberari im vorausgegangen Konditionalsatz gelesen werden26 und macht daher keinen Beweis für die Interpretation von Kretschmar und Steiner. Noch geringere Beweiskraft hat zum anderen die Wendung et praesens est, in der Manenti einen Hinweis auf die acceptilatio erblickt. Diese Worte können nach ihrer syntaktischen Stellung kaum als Anspielung auf die zufälligen Umstände eines im übrigen nicht mitgeteilten Sachverhalts verstanden werden. Als Teil des Konditionalsatzes beschreiben sie nämlich eine der beiden Voraussetzungen für die rechtliche Schlußfolgerung, daß der debitor invitus nicht befreit werden kann. Bei der acceptilatio ist die Anwesenheit des Schuldners aber – gerade umgekehrt – Voraussetzung dafür, daß er überhaupt befreit werden kann. Zudem ist eine verkürzte Wiedergabe des entscheidungserheblichen Sachverhalts, wie sie nicht nur von Manenti, sondern – stillschweigend – auch von Kretschmar und Steiner vorausgesetzt wird, in der Epitome des Paulus ohne Beispiel.27 Die folgende Interpretation wird zeigen, daß trotz der bereits beschriebenen offenen Fragen auch der ,räthselhafte erste Satz‘ von fr. 91 ohne die Annahme einer solchen Textveränderung erklärt werden kann. 2. Das scheinbar lückenhafte und ergänzungsbedürftige Pithanon wird verständlich, wenn man dem eingangs beschriebenen Werkcharakter Rechnung trägt und die für ihn typische Darstellungsform ernst nimmt: Labeo entscheidet keinen Einzelfall, sondern stellt eine regelhafte Behauptung auf, die in ihrer Allgemeinheit einleuchten und überzeugen will. Der Konditionalsatz ist daher nicht als verkürzte Sachverhaltsschilderung zu verstehen, sondern als ,Tatbestand‘. Er enthält die Bedingungen, unter denen die nachfolgende Aussage steht: Der debitor invitus kann immer dann nicht befreit werden, wenn er nicht befreit werden will und anwesend ist.

23 Der palingenetische Zusammenhang mit dem Judikat, den Steiner 24/25 A. 1 als zusätzliches Argument anführt, ist zwar denkbar, aber – wie Kretschmar SZ 38 (1917) 323 f. zutreffend bemerkt – durch nichts belegt. 24 S. o. § 2 bei A. 10 ff. 25 Vgl. die Nachweise in § 2 A. 28 und speziell für Labeo das Zitat in D 2.13.6.3 Ulp 4 ad ed: Rationem autem esse Labeo ait ultro citroque dandi accipiendi, credendi, obligandi solvendi sui causa negotiationem. 26 Eine solche Variation des Ausdrucks findet sich etwa in D 46.4.16 pr. Ulp 7 disp (liberatur . . . liberantur . . . solutus est). 27 S. o. bei A. 8 ff.

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Der regelhafte Charakter des Textes und sein konditionaler Aufbau erklären zum einen, warum Labeo weder die Art des Schuldverhältnisses nennt noch mitteilt, auf welche Weise und von wem der debitor befreit werden soll oder warum und zwischen wem es deswegen zum Streit kommt: All dies ist für die Aussage non potest invitus a te solvi ohne Bedeutung. Sie setzt nur voraus, daß der Schuldner nicht befreit werden will und anwesend ist, und sie gilt immer dann, wenn diese Bedingungen erfüllt sind. Die Schilderung weiterer Umstände ist darum nicht nur entbehrlich, für Labeos Zwecke wäre sie sogar schädlich: Sie würde den Geltungsbereich seiner Aussage auf einen bestimmten Sachverhalt beschränken und damit ihren Nutzen für die Lösung anderer Fälle schmälern. Aus diesem Grund wird man dem regelhaften Satz, der gerade in seiner Allgemeinheit überzeugen soll, auch nicht gerecht, wenn man ihn auf einen bestimmten Anwendungsfall zurückführt und aus diesem erklärt. Es mag zwar sein, daß er nach Art eines Leitsatzes aus der Entscheidung eines Einzelfalls entwickelt worden ist.28 Die besonderen Umstände dieses Falls teilt Labeo jedoch gerade nicht mit, um seinem ,Pithanon‘ dadurch die gewünschte Allgemeingültigkeit zu verleihen. Der werktypische konditionale Aufbau bestätigt nicht nur, daß Labeos Pithanon für alle Formen der Befreiung Geltung beansprucht und damit den vom Gläubiger betriebenen Erlaß ebenso umfaßt wie die Leistung eines Dritten. Das logische Verhältnis von Bedingung und Folge ist auch noch in einem anderen Punkt für das unmittelbare Textverständnis von Bedeutung: Es zeigt, daß das mehrdeutige invitus im Folgesatz nicht eng, im Sinne von ,gegen den Willen‘, zu verstehen ist, sondern weit, im Sinne von ,ohne Willen‘.29 Wenn nämlich auch der Folgesatz vom entgegenstehenden Willen des debitor handelte, dann wäre die Bedingung si debitor tuus non vult a te liberari überflüssig und die Schlußfolgerung insoweit zirkulär – es hätte genügt zu schreiben si debitor tuus praesens est, non potest invitus a te solvi. Angesichts des streng konditionalen Aufbaus und der äußerst knappen, regelhaften Form des Textes wird man aber kaum unterstellen können, daß der Bedingungssatz zur Hälfte bedeutungslos ist. Bei der Übersetzung des Folgesatzes ist daher der weite Wortsinn von invitus zugrunde zu legen. Er umfaßt alle Fälle fehlender Zustimmung und beläßt damit der Bedingung si debitor tuus non vult a te liberari ihre einschränkende Bedeutung: Der anwesende debitor kann dann nicht ohne seine Zustimmung befreit werden, wenn er nicht befreit werden will. Ist er dagegen einverstanden oder unentschlossen, dann bedarf es seiner Zustimmung ebensowenig wie im Fall der Abwesenheit. Mit anderen Worten: Der debitor hat ein Vetorecht. Er

28 Ein solcher kasuistischer Hintergrund ist bei dem in fr. 91 überlieferten Pithanon allerdings eher unwahrscheinlich; s. u. bei A. 32. 29 Vgl. dazu auch schon o. § 24 bei A. 41 und zu den beiden Grundbedeutungen von invitus im allgemeinen o. § 24 bei A. 4.

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muß seiner Befreiung zwar nicht ausdrücklich zustimmen, kann sie aber durch seinen Widerspruch verhindern.30 Das prädikative invitus ist allerdings auch dann nicht zwingend erforderlich, wenn man es in seiner weiten Bedeutung (,ohne Willen‘) versteht. Denn der entgegenstehende Willen des Schuldners ist ein Fall der fehlenden Zustimmung, und darum ergibt sich bereits aus der Bedingung si debitor tuus non vult a te liberari, daß der debitor im Folgesatz ein invitus ist. Ginge es Labeo allein um das Vetorecht des anwesenden Schuldners, dann hätte er sich also auf die Worte non potest a te solvi beschränken können. Die logische Struktur des Textes ist jedoch komplexer. Das Pithanon enthält nämlich noch eine bedeutsame Implikation: Der Hauptsatz gibt nicht nur eine einfache Schlußfolgerung wieder, er beschreibt diese vielmehr in der Form einer Negation. Labeo sagt nicht nur, daß die Befreiung des Schuldners unter bestimmten Voraussetzungen unmöglich ist, er verneint zugleich die allgemeine Aussage, daß der Schuldner ohne seine Zustimmung befreit werden kann. Auch diese Negation steht allerdings unter den Bedingungen des Vordersatzes, das heißt: Labeo lehnt die negierte Aussage nicht insgesamt ab, er behauptet lediglich eine Ausnahme und bestreitet damit ihre Allgemeingültigkeit. Um die soeben beschriebene Implikation vollständig zu entfalten, könnte man das Pithanon wie folgt übersetzen: „Wenn dein Schuldner nicht von dir befreit werden will und anwesend ist, dann kann er nicht von dir befreit werden, und deshalb ist es nicht wahr, daß er stets auch ohne seinen Willen von dir befreit werden könnte.“ Diese Explikation verdeutlicht die zweite Aussage des Textes und mit ihr die Absicht des Autors: Labeo verwendet das Vetorecht des anwesenden Schuldners als Argument gegen den Satz debitor tuus potest invitus a te solvi. Er zeigt, daß diese regelhafte Aussage in ihrer Allgemeinheit nicht zutrifft, weil ihr ,Tatbestand‘ zu weit gefaßt ist: Invitus ist auch der anwesende Schuldner, der nicht befreit werden will, und in seinem Fall ist die Befreiung invito debitore nicht möglich. Da Labeo gegen eine Regel argumentiert, liegt es nahe, daß deren Geltung von anderen Juristen seiner Zeit behauptet (oder zumindest erörtert) wird, daß also die für Gaius, Pomponius und Justinian belegte Auffassung zur Drittleistung invito debitore auf eine vor- oder frühklassische Lehre zurückgeht, nach der die Befreiung des Schuldners sowohl ohne als auch gegen dessen Willen 30 Der Text sagt zwar nicht ausdrücklich, daß der debitor seinen entgegenstehenden Willen äußert, er setzt dies aber voraus. Denn wenn der anwesende Schuldner der Befreiung nicht widerspräche, könnte seine Zustimmung unterstellt werden; vgl. vat. 331 Pap 2 resp (praesentis procuratorem pro cognitore placuit haberi) für den Fall der Defension (dazu o. § 24 I 3 bei A. 23), aber auch D 17.1.6.2 Ulp 31 ad ed (o. § 10 bei A. 21), D 50.17.60 Ulp 10 disp (semper qui non prohibet pro se intervenire, mandare creditur) und die übrigen § 10 A. 15 zitierten Stellen zur actio mandati in factum.

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möglich ist. Der Wortlaut des Pithanon läßt darüber hinaus vermuten, daß diese Lehre nicht nur für bestimmte Tilgungsakte wie die solutio oder die litis contestatio vertreten wird, sondern für jede Form der ,Lösung‘ (solvi) und daß Labeo ihr auch in diesem Umfang widerspricht: Er hält den entgegenstehenden Willen des anwesenden Schuldners stets für beachtlich und lehnt daher einen einheitlichen Tatbestand der Befreiung invito debitore ab. Die weitreichenden Schlußfolgerungen, die soeben aus dem Wortlaut und der logischen Struktur eines einzelnen Satzes entwickelt wurden, rechtfertigen sich allein aus Titel, Form und Absicht dieses ,Pithanon‘. Ihr Ergebnis ist daher bislang nur eine begründete Vermutung. Gegenüber den harmonisierenden Deutungen von Oertmann, Manenti, Kretschmar und Steiner31 hat diese Vermutung jedoch den Vorzug, daß sie den überlieferten Text aus sich heraus erklärt, ohne dessen Aussage zu verkürzen, und daß sie darum auch ohne die Unterstellung eines bestimmten Sachverhalts und die Annahme entsprechender Textveränderungen auskommt. Die bisher gezogenen Schlüsse stehen aber auch in Einklang mit der sonstigen Überlieferung. Dies gilt zum einen für die in § 24 unter I vorgestellten Quellen zur eigenmächtigen Drittleistung. Sie alle betonen in lehrbuchhaft abstrakter Form, daß die Befreiung des Schuldners nicht von dessen Willen abhängt, und formulieren dabei einen einheitlichen Tatbestand der Drittleistung (oder Defension) invito debitore, ohne dessen Anwendungsfälle zu unterscheiden. Dem entspricht der allgemeine Satz debitor tuus potest invitus a te solvi, gegen den sich Labeo in seinem Pithanon wendet. Nur er hebt dabei den problematischen Fall des entgegenstehenden Willens hervor und lehnt die Befreiung des debitor invitus insoweit ab. Die Quellen zur eigenmächtigen Drittleistung lassen sich also ohne weiteres als Teil einer Kontroverse verstehen, in der sich Labeo mit seiner abweichenden Lösung dieses Falls und der darauf gestützten Kritik an dem einheitlichen Tatbestand der Befreiung invito debitore nicht durchgesetzt hat. Damit wäre auch das auffällige theoretische Interesse an der eigenmächtigen Drittleistung erklärt, das durch diese Quellen belegt wird: Die Befreiung des debitor invitus wird mehrfach ausdrücklich erwähnt und von Gaius sogar eingehend begründet, obwohl hierzu keinerlei Kasuistik überliefert ist. Ein praktischer Fall ist auch nur schwer vorstellbar.32 Die befreiende Wirkung der Drittleistung bietet schließlich kaum Anlaß für einen Rechtsstreit: Der Gläubiger hat alles bekommen, was ihm zusteht, und kann es auch behalten33, 31

S. o. § 24 bei A. 43 bis 49. Der von Kretschmar 20 gebildete Fall (s. o. § 24 bei A. 47), in dem der Schuldner ausnahmsweise daran interessiert sein kann, seine Befreiung zu verhindern, wirkt eher konstruiert und zeigt damit die Schwierigkeit, ein praktisches Beispiel zu finden. 33 D 12.6.44 Paul 14 ad Plaut: Repetitio nulla est ab eo qui suum recepit, tametsi ab alio quam vero debitore solutum est. Vgl. dazu o. § 11 bei A. 48, aber auch § 13 unter 4 a. E. 32

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der Schuldner ist seiner Verbindlichkeit ledig, und die Interessen des Dritten werden – wie sich im dritten Kapitel gezeigt hat34 – gerade nicht bei den Rechtsfolgen der solutio, sondern ausschließlich im ,Deckungsverhältnis‘ zwischen ihm und dem Schuldner berücksichtigt. Als Gegenstand theoretischer Erkenntnis ist die eigenmächtige Drittleistung hingegen durchaus von Interesse, und zwar vor allem dann, wenn eine Autorität wie Labeo ganz allgemein die Auffassung vertritt, daß der Schuldner jede Form der Befreiung durch seinen Widerspruch verhindern kann. Das Ergebnis der logischen Analyse von Labeos Pithanon fügt sich aber nicht nur mit den Quellen zur Drittleistung invito debitore zu einem stimmigen Gesamtbild, in dieses Bild paßt auch eine weitere Labeostelle, die bereits in anderem Zusammenhang35 erörtert wurde: D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav Cum pecuniam eius nomine solveres, qui tibi nihil mandaverat, negotiorum gestorum actio tibi competit, cum ea solutione debitor a creditore liberatus sit: nisi si quid debitoris interfuit eam pecuniam non solvi.

Tu hat als Dritter ohne entsprechenden Auftrag des Schuldners an den Gläubiger geleistet. Labeo entscheidet, daß er mit der actio negotiorum gestorum (contraria) Regreß nehmen kann, weil er den Schuldner durch die Leistung befreit hat. Der kurze Text aus Javolens Epitome der nachgelassenen Schriften ist ähnlich abstrakt gehalten wie das bei Paulus überlieferte Pithanon. Er zeigt in aller Deutlichkeit, daß Labeo Kenntnis und Zustimmung des Schuldners nicht zu den Voraussetzungen der befreienden Drittleistung zählt. Denn obwohl Tu als negotiorum gestor ohne Auftrag und – zumindest typischerweise – auch ohne Wissen und Wollen des abwesenden36 Schuldners gehandelt hat, wird die befreiende Wirkung seiner Leistung im Begründungssatz als selbstverständlich vorausgesetzt (cum ea solutione debitor a creditore liberatus sit).37 Diese Argumentation steht aber nicht im Widerspruch zu der Aussage des Pithanon.38 Sie besagt nämlich nicht, daß der Schuldner auch dann frei wird, wenn er der Leistung des Dritten widerspricht. Eine Zusammenschau der beiden Stellen bestätigt vielmehr die Annahme, daß Labeo den Tatbestand der befreienden Drittleistung enger faßt als Justinian, Gaius und Pomponius: Er verlangt zwar nicht die Zustimmung des Schuldners, hält aber den entgegenstehenden Willen für be34

Die Ergebnisse dieses Kapitels sind in § 13 zusammengefaßt. S. o. § 11 II 1; die Übersetzung findet sich dort in A. 10. 36 Dazu o. § 11 A. 9. 37 Die Einschränkung nisi si quid debitoris interfuit eam pecuniam non solvi bezieht sich nicht auf die in der Begründung vorausgesetzte Befreiung des Schuldners, sondern auf die Gewährung der actio negotiorum gestorum contraria und die hierfür erforderliche utilitas der Drittleistung; s. o. § 11 A. 11 f. 38 So aber Oertmann 389 f., der D 3.5.42 als Argument für seine (o. § 24 bei A. 43 dargestellte) harmonisierende Interpretation von fr. 91 anführt. 35

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achtlich und lehnt darum einen einheitlichen Tatbestand der Drittleistung invito debitore ab. Dieses Ergebnis ist schließlich auch in der Sache selbst plausibel. Denn die hier vermutete Kontroverse betrifft den einzigen Fall der Befreiung invito debitore, bei dem überhaupt ein Interessenkonflikt besteht, und die beiden Lösungsmöglichkeiten dieses umstrittenen Falls sind in sich gleichermaßen konsistent: Der Schuldner hat aus der Befreiung von seiner Verbindlichkeit rechtlich wie wirtschaftlich nur Vorteile. Seine Zustimmung ist daher nicht nur bei einer rein objektiven Betrachtung der Interessenlage entbehrlich, sie kann vielmehr in aller Regel unterstellt werden und ist deshalb auch dann verzichtbar, wenn man den Willen grundsätzlich für beachtlich hält. Anders ist es nur beim ausdrücklichen Widerspruch. Hier fallen der subjektive Wille des Schuldners und seine objektiven Interessen auseinander, ohne daß ihre Differenz durch den Gedanken der mutmaßlichen Einwilligung überbrückt werden könnte. Labeo zeigt an diesem – kaum praktischen, für die Theorie aber um so bedeutsameren – Fall, daß die Befreiung des Schuldners grundsätzlich von seinem Willen abhängt, während die Gegenansicht auch hier nach der Interessenlage entscheidet und so zu einer einheitlichen Lösung für die Befreiung invito debitore gelangt. 3. „Aber wozu dann die Worte ,et praesens est‘?“ Diese Frage, die Mitteis39 der harmonisierenden Deutung von Kretschmar entgegenhält, stellt sich bei jeder Interpretation von D 46.3.91, erst recht dann, wenn man von Darstellungsform und Werkcharakter der Pithana ausgeht und deren konditionalen Aufbau ernst nimmt. Sie wurde bisher zurückgestellt, weil die logische Struktur des Pithanon bei der Antwort kaum weiterhilft: Labeo setzt im Bedingungssatz nicht nur den entgegenstehenden Willen des Schuldners, sondern auch dessen Anwesenheit voraus. Bei formallogischer Betrachtung bestätigt diese zweite Bedingung aber lediglich die Annahme, daß er nicht nur vom Erlaß, sondern von der Befreiung im allgemeinen handelt. Denn sie wäre sinnlos, wenn die Aussage des Folgesatzes ohnehin auf solche Tilgungsakte beschränkt wäre, die – wie der Erlaß – an die Anwesenheit des Schuldners gebunden sind. Die weitere Interpretation hängt jedoch entscheidend davon ab, ob et praesens est als bloß hinreichende oder zugleich auch als notwendige, dem Umkehr39 SZ 30 (1909) 441. Mitteis selbst beantwortet die Frage mit einer Interpolationsvermutung. Er hält auch den Passus etiam praesentem etiam invitum in der Paulusnote für „schwerfällig“ (dazu u. A. 75) und stellt darum die weitere Frage: „Darf man etwa glauben, daß die Kompilatoren, als sie die Stelle herrichteten und auf Realzahlung bezogen, daran Anstoß nahmen, daß sie sonst die Zahlung pro invito et ignorante anerkannt hatten und die Sache dadurch zu harmonisieren suchten, daß sie wenigstens den a praesente eingelegten Widerspruch gelten ließen?“ Mit dieser Interpolationsvermutung werden die Probleme des Textes allerdings nicht gelöst, sondern nur verlagert: Warum sollten die Kompilatoren eine Stelle, die vom Erlaß durch solutio per aes et libram handelt, auf die Realzahlung beziehen und in den Titel D 46.3 aufnehmen, wenn sie der justinianischen Lehre de solutionibus et liberationibus widerspricht?

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schluß zugängliche Bedingung zu verstehen ist: Kann also nur der anwesende Schuldner die Befreiung durch seinen Widerspruch verhindern, oder steht das gleiche Vetorecht auch dem abwesenden zu? Diese Frage läßt sich aus der logischen Struktur des Textes nicht beantworten. Der erste Teil des Bedingungssatzes ergibt zwar nur dann einen Sinn, wenn man ihn – wie dargelegt40 – als Einschränkung zu invitus und damit als notwendige Bedingung für die negative Aussage des Folgesatzes begreift. Der Charakter der ersten Bedingung läßt jedoch nicht notwendig auf den der zweiten schließen, und auch der Folgesatz enthält keinen dem invitus vergleichbaren Hinweis darauf, daß die Bedingung et praesens est ebenso umkehrbar wäre wie si debitor tuus non vult a te liberari. Auch der Werkcharakter der Pithana hilft hier nicht weiter: Labeo geht es nicht um strenge Deduktion oder gar um Systembildung, sondern darum, mit der Aussage selbst unmittelbar zu überzeugen. Von seinen regelhaften Erfahrungssätzen ist deshalb auch nicht unbedingt ein abschließender Tatbestand zu erwarten, der sämtliche Anwendungsfälle erfaßt und damit einen Umkehrschluß zuläßt. Für ihre Zwecke genügt vielmehr ein besonders anschauliches Beispiel, das die Evidenz der Aussage erhöht. In der Sache selbst kann man et praesens est durchaus als notwendige Bedingung verstehen und mit Kretschmar41 aus der Interessenlage erklären: „War der Schuldner abwesend, so sollte offenbar durch Untersuchung der Willensfrage die Befreiung nicht aufgehalten werden. Die Zustimmung des Schuldners . . . ist ja in der Regel selbstverständlich.“ Dieser einleuchtende Gedanke erklärt den Umkehrschluß aus et praesens est allerdings nicht vollständig. Er greift nämlich dann nicht durch, wenn der entgegenstehende Wille des abwesenden Schuldners allen Beteiligten bekannt ist. In diesem Fall ist auch sonst kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, anders zu entscheiden als beim debitor praesens. Daher liegt es näher, das Verbot des anwesenden Schuldners als typisches Beispiel für einen ,offenen‘ – das heißt: allseits bekannten – Widerspruch zu begreifen. Die gleiche exemplarische Bedeutung hat die Anwesenheit des Schuldners auch in einem Paulustext, der bereits an anderer Stelle42 besprochen wurde: D 17.1.40 Paul 9 ad ed Si pro te praesente et vetante fideiusserim, nec mandati actio nec negotiorum gestorum est: . . .

Paulus behandelt am Beispiel der Bürgschaft die Geschäftsführung gegen den Willen des Geschäftsherrn, die nach der unter den klassischen Juristen vorherrschenden und von Justinian übernommenen Auffassung dann keine Regreßan40 41 42

S. o. bei A. 29. SZ 38 (1917) 321. S. o. § 11 III; die Übersetzung findet sich dort in A. 55.

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sprüche begründet, wenn der Geschäftsherr ausdrücklich widerspricht. Dabei beschreibt er das Erfordernis eines ,offenen‘ Widerspruchs nicht mit der bei Justinian43 überlieferten abstrakten Formulierung nolente et specialiter prohibente domino, sondern ebenfalls exemplarisch, nämlich anhand des besonders anschaulichen Falls einer Geschäftsführung gegen das Verbot des anwesenden Geschäftsherrn. Wenn die Bedingung et praesens est in Labeos Pithanon genauso zu verstehen ist wie te praesente in der Paulusstelle, dann läßt sie keinen Umkehrschluß zu. Sie beschreibt dann nämlich nicht die einzige, sondern nur eine besonders evidente Ausnahme vom Tatbestand der Befreiung invito debitore, und auch ihr exemplarischer Charakter rechtfertigt allenfalls die Vermutung, daß Labeo weitere Ausnahmen nur bei einem vergleichbaren ,offenen‘ Widerspruch anerkennt, nicht aber beim geheimen Vorbehalt, im Fall der nachträglich verweigerten Genehmigung, oder wenn der Schuldner seinen entgegenstehenden Willen nur Dritten gegenüber geäußert hat. Die Funktion von et praesens est und der Charakter dieser zweiten Bedingung lassen sich dem Pithanon selbst also nicht mit Sicherheit entnehmen. In der Sache erscheint es aber immerhin plausibel, daß Labeo die Anwesenheit des Schuldners nur deshalb erwähnt, weil die – seines Erachtens unbillige – Tragweite des Satzes debitor tuus potest invitus a te solvi dann besonders ins Auge fällt, wenn der Befreiungsakt auch räumlich und zeitlich mit dem Widerspruch des Schuldners zusammentrifft. 4. Die hier vorgeschlagene Interpretation findet ihre Bestätigung in einem weiteren Labeozitat, das bisher nicht mit dem Pithanon in Zusammenhang gebracht worden ist, obwohl es das Verständnis des Textes in doppelter Hinsicht befördert. Das bei Ulpian überlieferte Zitat zeigt nämlich nicht nur, daß Labeo auch den Widerspruch des abwesenden Schuldners für beachtlich hält, es bestätigt vor allem, daß seine Aussage zur Befreiung invito debitore den Fall der Drittleistung einschließt: D 13.5.27 Ulp 14 ad ed Utrum praesente debitore an absente constituat quis, parvi refert. hoc amplius etiam invito constituere eum posse Pomponius libro trigensimo quarto scribit: unde falsum putat opinionem Labeonis existimantis, si, postquam quis constituit pro alio, dominus ei denuntiet ne solvat, in factum exceptionem dandam: nec immerito Pomponius: nam cum semel sit obligatus qui constituit, factum debitoris non debet eum excusare.44

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C 2.18.24; s. o. § 11 A. 52. Übersetzung: Ob jemand in Anwesenheit des Schuldners konstituiert oder in seiner Abwesenheit, macht kaum etwas aus. Darüber hinaus könne er sogar gegen den Willen (des Schuldners) konstituieren, schreibt Pomponius im 34. Buch; und deshalb hält er die Ansicht Labeos für falsch, der meint, wenn – nachdem jemand für einen anderen konstituiert hat – der Geschäftsherr ihm verbietet zu zahlen, müsse eine exceptio in factum gewährt werden. Und Pomponius (sagt dies) nicht zu Unrecht; denn 44

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Das im Digestentitel 13.5 überlieferte Ulpianfragment handelt nach seinem palingenetischen Kontext nicht vom constitutum debiti, sondern vom receptum argentarii.45 In seinem Text ist also recipere statt constituere zu lesen und mit weiteren redaktionellen Änderungen zu rechnen.46 Für einen sachlichen Eingriff der Kompilatoren gibt es dagegen keine Anhaltspunkte. Gegenstand des Fragments ist die Frage, ob der Schuldner, dessen Zahlung der Bankier ,übernimmt‘, auf die Abgabe eines solchen Garantieversprechens und die dadurch begründete Haftung Einfluß nehmen kann. Im Eingangssatz stellt Ulpian klar, daß es für den Abschluß des receptum nicht darauf ankommt, ob der Schuldner anwesend ist oder nicht. Er berichtet dann von einer Kontroverse zwischen Labeo und Pomponius: Pomponius ist der Ansicht, der Bankier könne das Garantieversprechen sogar gegen den Willen des Schuldners (etiam invito) abgeben, und hält aus diesem Grund Labeos Meinung zu einer anderen Frage für falsch: Entfällt die Haftung aus dem receptum, wenn der Schuldner (dominus) seinem Bankier untersagt zu zahlen, nachdem dieser gegenüber dem Gläubiger bereits eine entsprechende Garantie übernommen hat?47 Labeo läßt weil derjenige, der konstituiert hat, einmal verpflichtet ist, darf eine Handlung des Schuldners ihn nicht befreien. 45 Diese von Lenel SZ 2 (1880) 62 ff. und Paling. II 491 A. 4 bis 6, 492 A. 1 (Ulpian 472) nachgewiesene Interpolation ist seither allgemein anerkannt; vgl. Partsch SZ 29 (1908) 413 f., Frezza I 275 f., Diaz Bautista RIDA 29 (1982) 178 A. 48 und Bürge SZ 104 (1987) 533 sowie zum receptum argentarii im allgemeinen die o. § 1 A. 100 nachgewiesene Literatur. 46 Weil das receptum im Unterschied zum constitutum debiti dem Bankier vorbehalten ist, lesen Lenel Paling. II 491 A. 6 im zweiten Satz argentarium statt eum und Partsch (o. A. 45) 414 A. 1 im dritten Satz argentarius statt quis. Aus dem gleichen Grund können auch quis im ersten und qui constituit im letzten Satz für argentarius interpoliert sein. Unsicher ist auch pro alio im zweiten Satz; dazu sogleich A. 47. 47 Bürge (o. A. 45) 533 versteht den Sachverhalt anders. Seines Erachtens bezeichnet dominus ei denuntiet ne solvat nicht das an den Bankier gerichtete Zahlungsverbot des Schuldners, sondern den bloßen Widerruf der eigenen Zahlungsbereitschaft im Deckungsverhältnis. Diese Interpretation ist mit dem Wortlaut nicht zu vereinbaren. Denn im Unterschied zu denuntiare mit a.c.i. meint denuntiare ne nicht die Ankündigung eigenen Verhaltens, sondern ein Verbot; vgl. nur Heumann/Seckel s.v. denuntiare a), wo D 13.5.27 als erster Beleg für diese prohibitive Bedeutung zitiert ist. Ähnlich zweifelhaft erscheint Bürges weitere Annahme, neben argentarius, debitor und creditor sei noch eine vierte Person beteiligt, nämlich der vom Schuldner verschiedene Auftraggeber (dominus). Bürge ist zwar zuzugeben, daß man bei einem Dreipersonenverhältnis einen mehrfachen Wechsel in der Bezeichnung des Schuldners (pro alio, dominus, debitor) hinnehmen muß, der „reichlich unelegant“ wirkt und Mißverständnissen Vorschub leistet. Das „Nebeneinander von alius und dominus“, das Bürge sogar für „unkorrekt“ hält, dürfte jedoch gerade wegen dieses rein stilistischen Mangels zu den o. A. 46 erwähnten redaktionellen Änderungen zu zählen sein: Die Kompilatoren haben recipiat durch constituit pro alio ersetzt, weil sich die Garantie auf eine fremde Schuld bezieht, was beim constitutum debiti – im Unterschied zum receptum argentarii – keineswegs selbstverständlich, sondern eher die Ausnahme ist. Danach bleibt allein der Wechsel zwischen dominus und debitor, der sich ohne weiteres durch den Übergang vom Zitat zur eigenen Begründung erklären läßt und darum als Argument

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das Zahlungsverbot des Schuldners auf das Verhältnis zwischen Bankier und Gläubiger durchschlagen, indem er dem Bankier eine eigens für diesen Fall konzipierte Einrede gewährt, die seine Haftung aus dem Garantieversprechen entkräftet. Ulpian teilt Pomponius’ Kritik an dieser Entscheidung und führt zur Begründung aus, das Verhalten des Schuldners dürfe den Bankier nicht von seiner bereits entstandenen Garantiehaftung entlasten. Pomponius’ eigene Begründung wird zwar nicht ausdrücklich mitgeteilt, sie erschließt sich aber aus dem einleitenden unde: Das receptum argentarii kann auch invito debitore abgeschlossen werden und deshalb – das heißt: weil sogar der anfängliche Widerspruch des Schuldners unbeachtlich ist – kann auch das nachträgliche Zahlungsverbot die Haftung des Bankiers nicht mehr entkräften.48 In der Sache leuchten beide Argumente unmittelbar ein. Um so erstaunlicher ist es, daß Labeo nicht nur zu einem anderen Ergebnis gelangt, sondern zu diesem Zweck sogar eine eigene exceptio in factum konstruiert, und um so schwieriger ist die Frage nach seinen Gründen. Partsch49 nimmt an, das receptum gehöre zum „Kontokorrentverkehr zwischen Guthabensinhabern, in welchem der argentarius als direkter Stellvertreter eines Kunden handelt.“ Labeo habe den hier auftretenden Umständen Rechnung tragen wollen, und zwar insbesondere „bei bedingten Leistungsversprechen, deren Erfüllung der Schuldner gesichert hatte, indem er seinem Gläubiger durch das receptum ein selbständiges Schuldrecht gegen den das Guthaben verwaltenden Bankier bestellen ließ.“ Wenn der Schuldner in einem solchen Fall den Eintritt der Bedingung bestreite, sei die „labeonische exceptio doli bis zum Austrag der Sache . . . wohl das Gegebene.“ In eine ähnliche Richtung geht die Erklärung von Frezza50, der fr. 27 als Beleg für die „indipendenza del receptum dalla obbligazione del debitore“ zitiert und aus der Kontroverse zwischen Labeo und Pomponius den Schluß zieht: „evidentemente il carattere di astrattezza del receptum si era venuto sviluppando dalla età di Augusto alla età di Adriano, probabilmente sollecitato dall’esigenza del Mondo degli affari, cui tornava opportuno un negozio di sollecita e semfür Bürge ausscheidet, zumal dieser ebenfalls von einem solchen einfachen Wechsel (zwischen alius und debitor) ausgeht. Gegen das von Bürge angenommene Vierpersonenverhältnis spricht aber vor allem Ulpians Begründung: Denn wenn dominus und debitor verschiedene Personen sind, dann ist völlig offen, von welchem factum debitoris Ulpian handelt. Bürge sieht hier den Grund „angedeutet“, der den dominus dazu bewogen hat, seine Zahlungsbereitschaft „mit Rücksicht auf das Grundverhältnis zum alius, das zuvor seinen Auftrag zum receptum motiviert hatte“, zu widerrufen. Diese Erklärung ist nicht nur unnötig kompliziert, sondern auch deshalb unbefriedigend, weil unklar bleibt, wie Ulpian einen Grund ,andeuten‘ kann, der weder von Pomponius noch von Labeo selbst mitgeteilt wird. Geht man dagegen von der Identität zwischen dominus und debitor aus, dann ist klar, was das (rückbezügliche) factum debitoris meint: das Zahlungsverbot des dominus (dazu näher bei A. 56). 48 Insoweit zutreffend Bürge (o. A. 45) 533. 49 SZ 29 (1908) 414 mit A. 2. 50 I 280.

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plice realizzazione, e la cui protezione venisse realizzata stralciando il rapporto fra banchiere e creditore da quello fra il banchiere ed il debitore-cliente.“ Der Text gibt indessen keinen Hinweis auf den von Partsch vermuteten Mangel der Hauptschuld und erst recht keinen Anhalt dafür, daß Labeo einen solchen Mangel auf die Klage gegen den Bankier durchschlagen ließe und dadurch den ,abstrakten‘ Charakter in Frage stellte, der dem receptum argentarii als selbständigem Garantieversprechen eigen ist51 – im Gegenteil: Ulpian bezeichnet den dominus ohne jede Einschränkung als debitor, weshalb von einer unbedingten, durchsetzbaren und unbestrittenen Hauptschuld auszugehen ist. Labeo gewährt dem Bankier auch keine exceptio doli, wie dies bei einem Mangel der Hauptschuld zu erwarten wäre, sondern eine eigene in factum konzipierte Einrede, die nach dem mitgeteilten Sachverhalt allein auf das Zahlungsverbot des Schuldners gestützt sein kann. Der Text des Fragments läßt daher allenfalls daran denken, daß der Bankier deshalb vor der Klage des Gläubigers geschützt werden soll, weil er aufgrund dieses Verbots die Berechtigung verloren haben könnte, das Guthaben des Schuldners zu belasten oder auf andere Weise52 Rückgriff zu nehmen. Danach hätte Labeo die actio recepticia noch nicht vom ,Deckungsverhältnis‘ zwischen Bankier und Schuldner unterschieden.53 Auch hiergegen spricht jedoch, daß Labeo dem Bankier eine eigens für diesen Fall entwickelte exceptio in factum gewährt. Denn dies zeigt, daß die Formel der actio recepticia das ,Deckungsverhältnis‘ außer Betracht läßt und damit bereits die Unabhängigkeit der Garantieverpflichtung voraussetzt. Im übrigen fehlt in den Quellen nicht nur jedes Beispiel dafür, daß der Bestand einer Verbindlichkeit von den Rückgriffsmöglichkeiten im Verhältnis zu einem Dritten abhängig wäre54, es widerspräche auch den – gerade bei Labeo belegten – Grundsätzen 51 Vgl. C 4.18.2.1 Iust, wo Justinian anläßlich der Abschaffung des receptum argentarii berichtet (und kritisiert), daß dieses Versprechen im Gegensatz zum constitutum debiti vom Bestand der Hauptschuld unabhängig ist: sed sit pecuniae constitutae actio per nostram constitutionem sibi in omnis sufficiens, ita tamen, ut hoc ei inhaereat, ut pro debito fiat constitutum (cum secundum antiquam recepticiam actionem exigebatur et si quid non fuerat debitum), cum satis absurdum est et tam nostris temporibus quam iustis legibus contrarium est permittere per actionem recepticiam res indebitas consequi et iterum multas proponere condictiones, quae et pecunias indebitas et promissiones corrumpi et restitui definiunt. Dazu außer den A. 49 f. Zitierten Lenel SZ 2 (1880) 65 f. und 70 ff. 52 Zu den hier in Betracht kommenden Rechtsbehelfen des argentarius sogleich in A. 55. 53 So neben Frezza (s. o. bei A. 50) auch Bürge (o. A. 45) 533: „Labeo hatte offenbar vorgeschlagen, eine exceptio in factum zu geben, wenn im Verhältnis auf der Schuldnerseite (,Deckungsverhältnis‘) der dominus seine Zahlungsbereitschaft gegenüber dem argentarius widerruft. Ulpian und Pomponius verteidigen hingegen – wie wir gesehen haben, erfolgreich – die abstrakte Natur des receptum“. 54 Bei der delegatio obligandi begründen Mängel des Deckungsverhältnisses grundsätzlich keine Einrede im Verhältnis zwischen Angewiesenem und Anweisungsempfänger (vgl. nur D 46.2.12 Paul 31 ad ed, D 46.2.13 Ulp 38 ad ed oder D 46.2.19

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der negotiorum gestio, wenn sich der Schuldner den Regreßansprüchen des Bankiers durch ein nachträgliches Zahlungsverbot entziehen könnte.55 Labeos Entscheidung muß daher auf einem anderen Grund beruhen. Auf welchem, zeigt ein Vergleich mit dem Pithanon zur Befreiung invito debitore: Labeo geht es nicht um einen Mangel der Hauptschuld oder um den Rückgriff des argentarius, sondern allein darum, dem Zahlungsverbot des Schuldners Geltung zu verschaffen: Da der Schuldner nicht gegen seinen erklärten Willen befreit werden kann, hätte die Zahlung des argentarius keine befreiende Wirkung, und deshalb soll sie auch nicht mehr mit der actio recepticia erzwungen werden können. Für diese Erklärung spricht zunächst der Wortlaut von fr. 27. Denn in dem dort überlieferten Labeozitat geht es – ebenso wie im Tatbestand des Pithanon – ausschließlich um den Widerspruch des Schuldners. Die Hintergründe des Zahlungsverbots werden gerade nicht mitgeteilt, so daß es für die exceptio in factum auch nicht darauf ankommen kann, ob der Schuldner Einwände gegen die Hauptschuld durchsetzen, Regreßansprüche des Bankiers ausschließen oder eine Belastung seines ,Bankkontos‘ verhindern will. Entscheidend ist allein der Umstand, daß er der Zahlung widersprochen hat. Eben dieses56 factum debitoris Paul 69 ad ed), die Stellen zum Widerruf der Anweisung handeln ausschließlich von der delegatio solvendi (vgl. D 46.3.12.2 Ulp 30 ad Sab, D 46.3.18 Ulp 41 ad Sab und D 46.3.38.1 Afr 7 quaest), und bei der Bürgschaft ist es weder belegt noch vorstellbar, daß das nachträgliche Zahlungsverbot des Hauptschuldners oder andere Mängel des Innenverhältnisses die Klage gegen den Bürgen entkräften könnten. 55 Nach D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav (s. o. bei A. 35) steht einem Dritten, der ohne Auftrag des Schuldners an den Gläubiger leistet, grundsätzlich die actio negotiorum gestorum contraria zu, weil er den Schuldner durch die Leistung befreit. Dasselbe gilt für den fideiussor, der sich für einen Abwesenden verbürgt hat und darum nicht mit der actio mandati Rückgriff nehmen kann (vgl. D 17.1.20.1 Paul 11 ad Sab). Frezza I 281 nimmt daher zu Recht an, daß die actio negotiorum gestorum contraria unter den gleichen Voraussetzungen auch für den Regreß des argentarius zuständig ist. Bei einer Geschäftsführung nolente et specialiter prohibente domino ist diese Klage zwar nach der im klassischen Recht herrschenden Meinung ausgeschlossen, dies gilt jedoch nur, wenn der Geschäftsherr im Vorhinein widerspricht; vgl. allgemein C 2.18.24 Iust und speziell zur Bürgschaft D 17.1.40 Paul 9 ad ed (dazu o. bei A. 42 und § 11 III). Der nachträgliche Widerspruch ist dagegen grundsätzlich unbeachtlich. Auf die Genehmigung des Geschäftsherrn kommt es nämlich nur an, wenn er kein Interesse an der Geschäftsführung hatte, und dies ist bei einer befreienden Zahlung nur ausnahmsweise der Fall; vgl. D 17.1.50 pr. Cels 38 dig (nec refert, ratum habuit nec ne), aber auch D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav und dazu o. § 11 II 1. Auch insoweit dürfte für den argentarius nichts anderes gelten. Denn nach der überkommenen, erst von Papinian in Frage gestellten Rechtsauffassung (dazu sogleich bei A. 63) hat seine Zahlung ebenfalls befreiende Wirkung für den Schuldner. – Wenn der Schuldner das receptum geduldet, gebilligt oder sogar veranlaßt hat, dann haftet er nicht aus Geschäftsführung, sondern aus Auftrag (vgl. Frezza I 281 und o. § 10 II zur actio mandati in factum). In diesem Fall besteht erst recht kein Grund, den Regreß zu versagen, wenn er seine Meinung nachträglich ändert und die Zahlung verbietet. 56 Anders nur Bürge (o. A. 45) 533; dazu o. A. 47.

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ist schließlich auch nach Ulpians Begründung der einzige Anlaß für Labeos Entscheidung. Wie das dem Zitat vorangestellte unde zeigt, besteht zudem ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Frage, ob das receptum gegen den Willen des Schuldners (pro invito) abgeschlossen werden kann. Da Ulpian schon hier die Autorität des Pomponius bemüht, liegt es nahe, daß sich die anschließend berichtete Kontroverse auch auf diese Frage erstreckt, daß Labeo also auch den anfänglichen Widerspruch des Schuldners für beachtlich hält, und zwar aus dem gleichen Grund wie das nachträgliche Zahlungsverbot: Die Zahlung, die der Bankier pro invito ,übernimmt‘, hätte keine befreiende Wirkung und soll darum auch nicht erzwungen werden können. Im Wortlaut von fr. 27 findet sich zwar kein Hinweis auf die Befreiung des Schuldners und ihre Bedeutung für die Haftung des Bankiers. Der Vergleich mit Labeos Pithanon unterstellt aber keinen neuen Sachverhalt, er erklärt lediglich eine Entscheidung, die weder von Labeo selbst begründet57 noch von Pomponius oder Ulpian erläutert wird. Er stützt sich zudem nicht nur auf die Ähnlichkeit der beiden Fälle (dominus ei denuntiet ne solvat – si debitor tuus non vult a te liberari), sondern auch auf andere, bereits erörterte Quellen. Dies gilt zum einen für D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab58, wo gerade Pomponius die befreiende Wirkung der eigenmächtigen Drittleistung ohne jede Einschränkung anerkennt und sich damit gegen Labeos Pithanon ausspricht. Denn dieser Text zeigt, daß Pomponius im Fall des argentarius nicht nur die Haftung anders beurteilt als Labeo, sondern auch die befreiende Wirkung der solutio. Der Zusammenhang zwischen dem receptum pro invito und der Befreiung invito debitore wird aber vor allem durch einen anderen Text bezeugt. Wie bereits in der Einleitung59 erwähnt, stammt nämlich eine der beiden Hauptquellen zur Drittleistung aus der Kommentierung des Edikts De receptis und damit aus dem Kontext des receptum argentarii: Nach D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov hat jedermann das Recht, pro ignorante et invito zu leisten. Gaius leitet diese Befugnis aus einer – sonst nicht belegten – ,Bestimmung‘ des Zivilrechts ab, die es ganz allgemein erlaubt, die Rechtslage eines anderen auch ohne dessen Wissen und ohne oder sogar gegen seinen Willen zu verbessern. Diese Begründung, die im folgenden Paragraphen noch näher untersucht wird, gehört offenbar zu einem Analogieschluß: Gaius führt die Drittleistung invito debitore auf ein allgemeines Prinzip zurück, das auch für das receptum pro invito gelten soll.60 Da 57 Daß Labeos Begründung von Pomponius, Ulpian oder den Kompilatoren gestrichen wurde, ist zwar denkbar, aber keineswegs zwingend. Die Kürze und der zweigliedrige konditionale Aufbau des Zitats legen vielmehr die Vermutung nahe, daß es zu den – nie ausdrücklich begründeten – Pithana gehört, die gerade von Pomponius (16 epist D 50.16.246 pr.) und Ulpian (48 ad Sab D 46.4.8.2) auch an anderer Stelle zitiert werden. 58 S. o. § 24 I 3. 59 S. o. § 1 bei A. 100.

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das receptum selbst den Schuldner gerade nicht befreit61 und ihm auch sonst keinen rechtlichen Vorteil bringt, ist diese Analogie allerdings aus sich heraus kaum überzeugend.62 Sie wird nur verständlich, wenn man sie der Argumentation Labeos gegenüberstellt, die sich aus der Zusammenschau von D 13.5.27 und D 46.3.91 ergibt: Labeo lehnt die Haftung aus der actio recepticia ab, weil der Bankier nach dem Widerspruch des Schuldners nicht mehr mit befreiender Wirkung für ihn leisten kann. Gaius hält dem entgegen, daß die Befreiung dem Schuldner nur Vorteile bringt und darum auch gegen seinen Willen möglich ist. Er greift die von Labeo vorgegebene Analogie also lediglich auf, um sie zu entkräften: Wenn der Schuldner trotz seines Widerspruchs befreit werden kann, dann besteht auch kein Grund, die Haftung des Bankiers an diesem Widerspruch scheitern zu lassen. Der palingenetische Kontext von D 46.3.53 bestätigt somit die Annahme, daß sich die durch Labeos Pithanon belegte Kontroverse zur Befreiung invito debitore in dem Meinungsstreit zum receptum pro invito fortsetzt, von dem Ulpian in D 13.5.27 berichtet. Verständlich wird dieser Zusammenhang, wenn man berücksichtigt, daß die Zahlung des argentarius erst in spätklassischer Zeit von der befreienden Drittleistung und ähnlichen Fällen ,drittwirkender‘ solutio unterschieden wird. Auch dies war bereits Gegenstand eines früheren Kapitels63 und soll darum nur kurz in Erinnerung gerufen werden: In D 17.1.28 Ulp 14 ad ed berichtet Ulpian von einer Entscheidung Papinians, nach der die Leistung des Kreditmandatars keine befreiende Wirkung für den Darlehensschuldner hat, weil sie propter mandatum suum und suo nomine erfolgt. Wie der palingenetische Kontext des Fragments zeigt, wollen Papinian und Ulpian diese neu entwickelte Lösung auf das receptum argentarii übertragen mit dem Ergebnis, daß auch der argentarius den Schuldner nicht befreit, wenn er auf seine eigene Haftung aus dem receptum leistet. Dies wiederum läßt den Rückschluß zu, daß die Leistung des Bankiers nach der überkommenen, erst von Papinian in Frage gestellten Lehre die gleiche doppelte Wirkung hat wie die eines Bürgen: Sie tilgt sowohl die eigene Verpflichtung aus dem Garantieversprechen als auch die fremde ,Hauptschuld‘. Als ,drittwirkende‘ solutio steht sie der befreienden Drittleistung zumindest nahe, und selbst die von Partsch64 geäußerte Vermutung, „daß der argentarius auch aus dem receptum alieno nomine zahle“, ist jedenfalls für die frühklassische Zeit nicht von der Hand zu weisen. Denn auch in anderen Fällen der Haftung für fremde Schuld hat sich gezeigt, daß die bloß ,drittwirkende‘ solutio des Haftenden ursprünglich nicht von einer Drittleistung

60 61 62 63 64

So bereits Lenel SZ 2 (1880) 66. Vgl. D 13.5.28 Gai ad ed prov (o. § 1 A. 109). S. o. § 1 bei A. 106. S. o. § 18 III 2. SZ 29 (1908) 413 mit A. 6.

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auf fremde Schuld unterschieden worden ist65, und während eine solche Unterscheidung bei der Bürgschaft bereits in frühklassischer Zeit zu beobachten ist66, geht sie bei der adjektizischen Haftung erst auf Julian zurück.67 Danach ist es ohne weiteres vorstellbar, daß Labeo die solutio des argentarius ebenfalls als befreiende Drittleistung begreift. Es verwundert auch nicht, daß er den anfänglichen Widerspruch beim receptum pro invito deshalb für unwirksam hält, weil hier von vornherein feststeht, daß der argentarius nicht mit befreiender Wirkung für den Schuldner leisten kann. Damit räumt er zwar dem Willen des Schuldners den Vorrang vor den Interessen des Gläubigers ein, nach seiner Auffassung zur Befreiung invito debitore ist dies jedoch nur folgerichtig. Auffällig bleibt allerdings, daß Labeo auch das nachträgliche Zahlungsverbot des Schuldners auf die actio recepticia durchschlagen läßt. Denn damit nimmt er sogar in Kauf, daß der Gläubiger eine bereits erworbene Sicherheit verliert. Ulpians Einwand cum semel sit obligatus qui [recepit], factum debitoris non debet eum excusare scheint ihn also nicht zu kümmern.68 Dies macht deutlich, daß er im receptum argentarii noch kein bürgschaftsähnliches Garantieversprechen sieht, sondern lediglich ein Mittel zur Erleichterung des Zahlungsverkehrs, bei dem der Bankier als bloße Zahlstelle seines Kunden (dominus) fungiert.69 Wie die Analyse von D 13.5.27 gezeigt hat, lassen sich das dort überlieferte Labeozitat und die Kontroverse zum receptum pro invito nur damit erklären, daß Labeo die Haftung des argentarius von der befreienden Wirkung seiner Zahlung abhängig macht. Der Schlüssel zum Verständnis des Ulpianfragments liegt also in Labeos Pithanon zur Befreiung invito debitore. Der Vergleich der beiden Texte ist aber auch für die Interpretation des Pithanon von Bedeutung. So bestätigt das Zahlungsverbot in fr. 27 vor allem die Annahme, daß Labeo den Widerspruch des Schuldners nicht nur beim Erlaß für beachtlich hält, sondern gerade auch bei der solutio eines Dritten. Sein Pithanon steht damit in direktem Gegensatz zu der von Gaius und Pomponius vertretenen Auffassung, daß die Drittleistung den Schuldner auch gegen seinen Willen befreit. Eine harmonisierende Interpretation erscheint nach dem Labeozitat in fr. 27 kaum mehr möglich, zumal der Widerspruch des Pomponius hier sogar unmittelbar überliefert ist. Für Gaius bezeugt der palingenetische Kontext von D 46.3.53 nicht nur die gleiche abweichende Auffassung zum receptum pro invito, sondern auch deren Zusammenhang mit der Kontroverse zur Drittleistung invito debitore. 65

S. o. § 16 III zur adjektizischen Haftung und § 17 IV 3 zur Bürgschaft. S. o. § 17 III 2 zu D 46.3.37 Iul 2 ad Urs Fer und dort vor allem A. 87. 67 S. o. § 16 bei A. 45 ff. 68 Daß ihm diese naheliegende Überlegung entgangen ist, erscheint kaum möglich. 69 Dieser nicht nur für die dogmatische Entwicklung des ,Bankrechts‘, sondern auch sozial- und wirtschaftsgeschichtlich bedeutsame Aspekt des Textes kann hier nicht weiterverfolgt werden. 66

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Das zweite Ergebnis aus fr. 27 ist die Bedeutung von et praesens est: In dem Labeozitat zum Zahlungsverbot des Schuldners wird nur vorausgesetzt, daß der argentarius noch nicht geleistet hat.70 Der Text enthält jedoch keinen Hinweis darauf, daß der Schuldner gerade während der solutio interveniert. Die Parallele zum receptum pro invito zeigt vielmehr, daß Labeo dem Widerspruch auch dann zur Geltung verhilft, wenn er schon vor oder bei der Abgabe des Garantieversprechens erklärt worden ist. Für das Pithanon bedeutet dies: Das Vetorecht kann nicht nur während des Tilgungsgaktes ausgeübt werden und ist darum auch nicht an die Anwesenheit des Schuldners gebunden. Der zweite Teil des Konditionalsatzes ist also – wie bereits vermutet – nicht als notwendige Bedingung zu verstehen, sondern nur als hinreichende. Die Worte et praesens est sind darum aber auch nicht überflüssig. Sie stärken vielmehr die Überzeugungskraft des Pithanon. So dienen sie zunächst einmal der besseren Anschauung. Daß der Widerspruch des debitor invitus seiner Befreiung entgegensteht, wird nämlich dann besonders deutlich, wenn er räumlich und zeitlich mit ihr zusammentrifft. Die Anwesenheit des Schuldners erhöht also die Evidenz des Pithanon, indem sie seine abstrakte Aussage in tatsächlicher Hinsicht zuspitzt und dadurch anschaulich macht. Eine andere – beinahe argumentative – Funktion wird durch den zweiten Satz von fr. 27 nahegelegt: Die suggestive Gleichung von absens und invitus, die dort für Pomponius und Ulpian bezeugt ist, rechtfertigt die Vermutung, daß der von Labeo abgelehnte Satz debitor tuus potest invitus a te solvi auf einem ähnlichen Gedanken beruht, auf der Schlußfolgerung nämlich, die Befreiung könne deshalb nicht vom Willen des Schuldners abhängen, weil sie auch in seiner Abwesenheit und mithin ohne seine Zustimmung möglich sei.71 Indem Labeo seine Kritik auf den Widerspruch des anwesenden Schuldners konzentriert, entzieht er sich dieser typisierenden Argumentation und stellt sie zugleich auf die Probe: Wer den debitor absens mit einem invitus gleichsetzt, schließt von der Entbehrlichkeit der Zustimmung auf die Unbeachtlichkeit des Widerspruchs. Bei wertender Betrachtung ist dieser Schluß aber keineswegs zwingend. Denn die Einwilligung des abwesenden Schuldners ist schon deshalb verzichtbar, weil sie aufgrund der Interessenlage regelmäßig unterstellt werden kann. Ob die generalisierende Gleichung von absens und invitus tragfähig ist, zeigt sich daher erst, wenn man sie auf den Widerspruch des debitor praesens anwendet. 5. Die Analyse von Labeos Pithanon und der Vergleich mit D 13.5.27 haben folgendes ergeben: Labeo wendet sich in der für seine Pithana typischen regelhaften Form gegen den Satz debitor tuus potest invitus a te solvi. Er macht die 70 Denn andernfalls wäre die Haftung aus der actio recepticia bereits erloschen, und der argentarius müßte nicht mehr durch eine exceptio in factum geschützt werden. 71 Vgl. auch D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab (dazu o. § 24 I 3), wo wiederum Pomponius die befreiende Wirkung der defensio absentis auf den debitor invitus überträgt.

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

Befreiung zwar nicht von der Zustimmung des Schuldners abhängig, hält aber den ausdrücklichen Widerspruch für beachtlich und lehnt darum einen einheitlichen Tatbestand der Befreiung ohne Willen des Schuldners, wie er dort – offenbar von anderen Juristen seiner Zeit – formuliert wird, als zu weitgehend ab. Im Pithanon selbst beschränkt sich Labeo auf den Widerspruch des anwesenden Schuldners, weil dieses Beispiel besonders geeignet ist, um seine Kritik an der Befreiung invito debitore zu verdeutlichen. Wie fr. 27 zeigt, gibt er aber auch dem debitor absens die Möglichkeit, seiner Befreiung im vorhinein zu widersprechen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Pithanon erstreckt sich dieses Vetorecht auf alle Formen der Befreiung, und das Zitat in fr. 27 bestätigt es gerade auch für die solutio eines Dritten. Labeo vertritt also eine andere Auffassung als Gaius und Pomponius, die sich rund 150 Jahre später uneingeschränkt für die befreiende Wirkung der Drittleistung invito debitore aussprechen und damit – jedenfalls bei diesem Tilgungsgrund – zu dem Satz debitor tuus potest invitus a te solvi zurückkehren. Für die Harmonisierungsversuche von Oertmann, Kretschmar und Steiner, die diesen Widerspruch vermeiden, indem sie Labeos Pithanon auf ein Erlaßgeschäft beziehen, haben sich keine Anhaltspunkte ergeben. Allerdings muß sich die hier vorgeschlagene Interpretation noch an der Paulusnote bewähren. Denn diese handelt gerade vom Erlaß und ist damit wohl das stärkste Argument für eine harmonisierende Deutung. III. Die Note des Paulus 1. Paulus leitet seine Note72 mit der für die Epitome typischen Negation immo ein und stellt damit von vornherein klar, daß er Labeos Pithanon für falsch hält. Im ersten Satz (bis stipuleris) beschreibt er dann einen Weg, auf dem der Gläubiger Tu den debitor auch in seiner Anwesenheit und gegen73 seinen Willen befreien kann: Tu schaltet einen Dritten ein, von dem er sich das Geschuldete novandi causa versprechen läßt. Der zweite Satz der Note (von 72

Text und Übersetzung finden sich o. § 24 II bei A. 39. Mit etiam praesentem etiam invitum faßt Paulus den ,Tatbestand‘ des Pithanon zusammen. Invitus hat hier also die gleiche Bedeutung wie si debitor tuus non vult a te liberari. Es kann daher nur mit ,gegen den Willen‘ übersetzt werden und nicht – wie im Hauptsatz des Pithanon – mit der weiten Bedeutung ,ohne Willen‘. Andernfalls fehlte es auch an dem – wegen immo zu erwartenden – Gegensatz zwischen Pithanon und Note. Denn nach Labeo ist die Befreiung des debitor invitus nur dann ausgeschlossen, wenn er nicht befreit werden will; die fehlende Zustimmung genügt hierfür gerade nicht; s. o. bei A. 30. Diese sprachliche Ungenauigkeit betrifft einen zentralen Punkt in Labeos Argumentation und dürfte daher kaum unbeabsichtigt sein. Angesichts der rhetorischen Mittel, die Paulus gerade im ersten Satz der Note einsetzt (dazu sogleich im Text), ist sie vielmehr als bewußte Spitze zu verstehen: Paulus nutzt die Doppeldeutigkeit von invitus, um Labeos Unterscheidung zwischen ausdrücklichem Widerspruch und fehlender Zustimmung, die er in der Sache ablehnt, auch sprachlich als willkürlich erscheinen zu lassen. 73

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quod bis excludet) behandelt dann die weiteren Folgen dieser Novation: Tu verliert seine Forderung sofort, ohne daß es noch einer förmlichen acceptilatio bedürfte. Seiner Klage steht nämlich, wie Paulus abschließend erläutert, der Arglisteinwand entgegen. Im Unterschied zu Labeo beschäftigt sich Paulus nicht mit der Befreiung des debitor invitus im allgemeinen, sondern ausschließlich mit der Frage, ob und wie sie gerade vom Gläubiger herbeigeführt werden kann. Dies ergibt sich nicht nur aus dem aktivischen liberare . . . poteris, das den Gläubiger Tu als Subjekt der Befreiung ausweist. Auch das nachfolgende supponendo74 zeigt eindeutig, daß der Dritte sein Novationsversprechen nicht aus eigenem Antrieb abgibt, sondern auf Betreiben des Tu. In ihrem Gegenstand deckt sich die Paulusnote also nicht mit Labeos Pithanon. Sie beschränkt sich vielmehr auf einen bestimmten Fall der Befreiung invito debitore: auf den vom Gläubiger selbst betriebenen Erlaß. Für diesen Fall widerspricht Paulus dem Pithanon ausdrücklich und in aller Schärfe. Er betont seine Ablehnung nicht nur durch das einleitende immo, sondern auch durch Wortwahl und Satzbau. So stellt er das Ergebnis seiner Lösung an den Anfang der Note und greift dabei die von Labeo verwendeten Begriffe auf, damit der Gegensatz der beiden unmittelbar aufeinanderfolgenden Aussagen um so deutlicher hervortritt. Dem gleichen Zweck dient die Anapher etiam praesentem etiam invitum: Sie unterstreicht noch einmal, daß Paulus weder dem entgegenstehenden Willen noch der Anwesenheit des Schuldners irgendeine Bedeutung beimißt und darum einen Erlaß auch dann für möglich hält, wenn nach Labeos Ansicht jede Befreiung ausgeschlossen ist.75 Im weiteren Verlauf der Note (ab supponendo) geht Paulus auf das Pithanon nicht mehr ein. Er erklärt auch nicht, warum er sich im Fall des Erlasses über Labeos Bedenken hinwegsetzt. Statt dessen befaßt er sich mit einem formalen Problem, das sich gerade und nur in diesem Fall stellt: Mit den herkömmlichen Mitteln des Zivilrechts kann der Gläubiger seine Forderung schon deshalb nicht gegen den Willen des Schuldners erlassen, weil er nach den Formeln der acceptilatio76 und der solutio per aes et libram77 auf dessen Mitwirkung angewiesen ist. Aus diesem Grund konstruiert Paulus ein besonderes Erlaßgeschäft per sup74

Dazu näher u. bei A. 98. Die sprachlich auffällige Wendung paßt also sowohl der Sache nach als auch in ihrer rhetorischen Zuspitzung in den unmittelbaren Kontext zu Beginn der Paulusnote. Sie muß daher weder durch die von Mommsen vorgeschlagene Konjektur (s. o. § 24 A. 38) entschärft, noch kann sie mit Mitteis SZ 30 (1909) 441 und Frese 450 f. als Indiz für eine Interpolation herangezogen werden. 76 Vgl. Gai 3.169: Quod enim ex verborum obligatione tibi debeam, id si velis mihi remittere, poterit sic fieri, ut patiaris haec verba me dicere ,quod ego tibi promisi, habesne acceptum?‘ Et tu respondeas ,habeo‘. 77 Vgl. Gai 3. 174: Is qui liberatur, ita oportet loquatur: ,quod ego tibi tot milibus condemnatus sum, me eo nomine a te solvo liberoque hoc aere aeneaque libra. hanc 75

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positam personam, bei dem sich der Gläubiger die geschuldete Leistung stipulationsweise von einem eigens zu diesem Zweck eingeschalteten Dritten versprechen läßt (supponendo, a quo debitum novandi causa stipuleris). Der Form nach ist dieses Geschäft eine Novation mit Schuldnerwechsel. Die Stipulation wird novandi causa abgeschlossen und hat daher die Wirkung einer privativen Schuldübernahme. Sie verpflichtet den Dritten zu der geschuldeten Leistung und befreit zugleich den debitor invitus, weil sie nach der vereinbarten Zweckbestimmung dazu dient, die bestehende Verbindlichkeit in der Person des Dritten zu ,erneuern‘. Der Sache nach ist aber gerade keine solche ,Erneuerung‘ gewollt, sondern allein die Befreiung des debitor invitus. Der Weg über die Novation wird nur pro forma beschritten, nämlich deshalb, weil dieser Tilgungsakt – im Unterschied zu den zivilen Erlaßgeschäften – ohne die förmliche Mitwirkung des Schuldners vollzogen werden kann. Materiell wird die Novation damit auf ihre befreiende Wirkung reduziert und so zu einem Erlaßgeschäft umgestaltet. Ihre primäre und charakteristische Folge, die Begründung einer ,neuen‘ Forderung, tritt bei dieser atypischen Verwendung in den Hintergrund: Der Dritte verspricht die geschuldete Leistung nur, weil er vom Gläubiger damit beauftragt wird und weil sein Versprechen erforderlich ist, um den debitor invitus zu befreien.78 Nachdem Paulus im ersten Satz der Note gezeigt hat, daß und wie der Gläubiger seinen Schuldner etiam praesentem etiam invitum befreien kann, befaßt er sich im zweiten Satz mit den weiteren Rechtsfolgen des zuvor beschriebenen Geschäfts. Er stellt klar, daß sie trotz der – primär schuldbegründenden – Novation den Wirkungen eines Erlasses gleichkommen, und führt damit den Gedanken des ersten Satzes zuende79: Tu verliert seinen Anspruch gegen den debitor invitus ersatzlos (res peribit 80), und zwar schon mit dem Vollzug der Novation (statim). Einen späteren Erlaß der ,neuen‘ Forderung, wie er nach der gesamten tibi libram primam postremamque expendo secundum legem publicam.‘ Deinde asse percutit libram eumque dat ei a quo liberatur, veluti solvendi causa. 78 Bei der Novation erlischt die alte Schuld, weil sie in eine neue überführt wird. Nach Gai 3.176 gilt dies auch und gerade für das Novationsversprechen eines Dritten (interventu novae personae nova nascitur obligatio et prima tollitur translata in posteriorem). Die Befreiung des alten Schuldners setzt also zwingend das schuldbegründende Versprechen des neuen voraus. Sie tritt allerdings auch dann ein, wenn dieses Versprechen unwirksam ist – etwa, weil es auf den Todesfall oder ohne die erforderliche auctoritas tutoris abgegeben wird; vgl. Gai 3.176 mit 3.100 und 3.107. 79 Ähnlich Kretschmar SZ 38 (1917) 319: „Paulus will nur einem möglichen Einwand gegen den von ihm vorgeschlagenen Tilgungsweg zuvorkommen und hervorheben, daß das Gesamtergebnis schon nach bloßem Novationsvollzug sachlich einer völligen Tilgung gleichstehe.“ Anders jedoch Beseler IV 168, der den Schlußsatz verdächtigt und zur Begründung unter anderem ausführt: „Für den Gedanken des Paulus ist es gleichgültig, ob die Novationsstipulation effektive Haftung erzeugt oder nicht.“ Dagegen wiederum Apathy AN 212 A. 8 unter Berufung auf Kretschmar. 80 Eine ganz ähnliche Bedeutung hat dieser Ausdruck in dem bei Gai 3.179 überlieferten Responsum des Servius.

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Anlage des Geschäfts zu erwarten81 und bei rein ziviler Betrachtung auch erforderlich ist, erklärt Paulus ausdrücklich für entbehrlich (etiamsi acceptum non feceris). Zur Begründung verweist er abschließend auf das prätorische Recht: nam et petentem te doli mali praescriptio excludet. Wenn Tu klagt (gemeint ist natürlich: aus der Novationsstipulation gegen die persona supposita82), wird er mit der exceptio83 doli ausgeschlossen. Im Ergebnis leuchtet dies unmittelbar ein: Die Klageerhebung wäre treuwidrig, weil der Dritte das Novationsversprechen nur pro forma, nur auf Betreiben des Tu und nur zu dem Zweck abgegeben hat, den debitor invitus zu befreien. Worin genau der einredebegründende Vorwurf besteht, teilt Paulus allerdings nicht mit. Darum läßt sich auch nicht mit Sicherheit sagen, ob die exceptio doli gerade auf dem „stillschweigend vorausgesetzten Geschäftszweck“84 als einer „causa mediata“85 der Novation beruht. Denn sie kann ebensogut damit erklärt werden, daß Tu bei der Einschaltung der persona supposita den Erlaß in Aussicht gestellt, ein stillschweigendes pactum de non petendo86 geschlossen oder ein Mandat erteilt hat, aus dem er seinerseits zur Erstattung der Aufwendungen und damit zur Rückzahlung des eingeklagten Betrags verpflichtet wäre.87 Für Paulus’ Argumentation kommt es aber auch nicht darauf an, warum genau die exceptio doli Platz greift. Entscheidend ist allein, daß sie die Klage aus der Novationsstipulation von vornherein entkräftet. Denn damit nimmt das prätorische Recht die Wirkungen des zivilrechtlichen Erlasses vorweg und macht die Novation selbst zu einem Erlaßgeschäft, das im Unterschied zur acceptilatio und zur solutio per aes et libram ohne die förmliche Mitwirkung des Schuldners vollzogen werden kann. 81

Vgl. D 46.4.13.10 Ulp 50 ad Sab und dazu sogleich unter 2. Vgl. etwa Salpius Novation und Delegation (1864) 151, Manenti Bull. 23 (1911) 31 f., Kretschmar SZ 38 (1917) 319, Wacke RIDA 17 (1970) 352 A. 37 und TR 40 (1972) 235 oder Apathy AN 212; anders nur Formigoni (o. A. 1) 153 ff., die ihre gesamte Interpretation auf diesem Mißverständnis aufbaut: Formigoni nimmt an, die exceptio doli stehe dem debitor zu. Sie zieht daraus den Schluß, die novierte Obligation sei noch nicht erloschen. Um dies zu erklären, bezieht sie die Paulusnote auf eine bedingte Novation und die bei Gaius 3.179 überlieferte exceptio doli mali aut pacti conventi. Ausgehend hiervon führt sie schließlich auch die Kritik an Labeos Pithanon darauf zurück, daß Paulus zur bedingten Novation eine andere Auffassung vertrete, als sie für Labeo in D 23.3.80 Iav 6 ex post Lab belegt sei. 83 Eine praescriptio (pro reo) im technischen Sinn von Gai 4.133 ist hier ersichtlich nicht gemeint. Der Ausdruck ist vielmehr als Synonym für exceptio zu verstehen. Diese untechnische Ausdrucksweise ist zwar selten (vgl. die Nachweise bei Partsch Die longi temporis praescriptio (1906) 73 A. 1), aber gerade in der Epitome des Paulus noch einmal belegt (D 44.1.23 Lab 6 pith a Paul epit) und darum entgegen Beseler IV 168 und Kaser/Hackl 487 A. 18 mwN. nicht unbedingt verdächtig. 84 So Wacke RIDA 17 (1970) 352 bei A. 37 unter Hinweis auf D 4.3.7.8 Ulp 11 ad ed; vgl. auch TR 40 (1972) 235. 85 So schon Manenti Bull. 23 (1911) 32. 86 Vgl. D 44.4.2.4 Ulp 76 ad ed: dolo enim facere eum, qui contra pactum petat, negari non potest. 87 So Hertz 16 unter Hinweis auf die Glosse zu excludet. 82

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2. Oertmann88 schließt von der beschränkten Fragestellung der Paulusnote auf Labeos Pithanon zurück und kommt so zu einer denkbar einfachen Deutung des gesamten Fragments: Labeo habe den Erlaß invito debitore aus rein formalen Gründen abgelehnt, weil ihm der ,ingeniöse Umweg‘ über die Novation noch nicht bekannt gewesen sei. Diese einfache und darum ansprechende Erklärung erweist sich bei genauerer Betrachtung als kaum tragfähig. So hat bereits die Analyse des Pithanon gezeigt, daß Labeo von der Befreiung im allgemeinen handelt und nicht nur von den besonderen formalen Hindernissen beim Erlaß. Zudem ist auch das von Paulus entwickelte Erlaßgeschäft per suppositam personam keineswegs so originell, wie Oertmann meint. Dies belegen zwei Ulpianstellen, die im folgenden kurz zu erörtern sind, bevor das recht komplexe Verhältnis zwischen Pithanon und Note genauer untersucht werden kann. Die erste Stelle handelt von der Novation als Erlaßgeschäft: D 46.4.13.10 Ulp 50 ad Sab Tutor, curator furiosi acceptum ferre non potuit, nec procurator quidem potest facere acceptum: sed hi omnes debent novare (possunt enim) et sic accepto facere. ne his quidem accepto fieri potest, sed novatione facta potuerunt liberari per acceptilationem. nam et in absentium persona hoc remedio uti solemus: stipulamur ab aliquo id novandi causa, quod nobis absens debet, et ita accepto liberamus, a quo stipulati sumus: ita fiet, ut absens novatione, praesens acceptilatione liberetur.89

Da die acceptilatio als Formalakt an die Person gebunden ist, kann sie von einem ,Stellvertreter‘ (tutor, curator oder procurator) nicht mit Wirkung für und gegen den ,Vertretenen‘ vorgenommen werden. Nach Ulpian kann dieses formale Hindernis mit Hilfe der Novation aber ohne weiteres umgangen werden: Der ,Vertreter‘ des Gläubigers läßt sich die geschuldete Leistung novandi causa versprechen, wozu er kraft seines Amtes ohne das sonst erforderliche iussum creditoris90 berechtigt ist. Er wird auf diese Weise Inhaber der Forderung, und als solcher kann er sie dann auch erlassen. Der ,Vertreter‘ des Schuldners behilft sich ebenfalls mit einer Novationsstipulation, in der er die Verbindlichkeit ,übernimmt‘, damit er anschließend selbst im Wege der acceptilatio befreit werden kann. Die Novation mit Schuldnerwechsel ersetzt aber nicht nur die Stellvertretung des Schuldners bei der acceptilatio. Da sie weder beson88

S. o. § 24 bei A. 43. Ähnlich Frese 450. Übersetzung: Der Vormund und der Pfleger eines Geisteskranken können nicht (durch acceptilatio) erlassen, und auch der procurator kann einen Erlaß nicht vornehmen. Sie alle müssen vielmehr novieren (das können sie nämlich) und sodann erlassen. Auch kann ihnen nicht erlassen werden, aber nach Vollzug der Novation können sie durch Erlaß befreit werden. Denn auch im Fall des Abwesenden verwenden wir gewöhnlich dieses Hilfsmittel: Wir lassen uns von irgend jemandem novationshalber das versprechen, was der Abwesende uns schuldet, und dann befreien wir denjenigen durch Erlaß, von dem wir uns das Versprechen haben geben lassen. So kommt es, daß der Abwesende durch Novation und der Anwesende durch Erlaß befreit wird. 90 Vgl. dazu nur Gai 2.38. 89

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ders legitimierten Personen vorbehalten ist noch ein iussum debitoris voraussetzt, gibt sie vielmehr auch dem Gläubiger die Möglichkeit, seine Forderung in Abwesenheit des Schuldners zu erlassen: Er läßt sich die geschuldete Leistung von einem beliebigen Dritten novandi causa versprechen und vollzieht anschließend mit diesem Dritten die förmliche acceptilatio. Ulpian bezeichnet diese Vorgehensweise als üblich (hoc remedio uti solemus) und nimmt sie sogar zum Anlaß für eine neue Klassifizierung der Erlaßgeschäfte: ita fiet, ut absens novatione, praesens acceptilatione liberetur. Obwohl man den systematischen Wert dieser Bemerkung sicher nicht überschätzen darf91, zeigt sie doch zum einen, daß der Umweg über die Novation, den Paulus im Fall des debitor invitus beschreitet, beim debitor absens längst bekannt und anerkannt ist. Die Form der acceptilatio ist also jedenfalls für Paulus kein ernsthaftes Problem, auch wenn seine Note diesen Anschein erweckt, und selbst Labeo kann man die formale Argumentation von Oertmann nicht mehr ohne weiteres unterstellen.92 Zum anderen belehrt Ulpians Sentenz über die rechtliche Einordnung der Novation: Durch den Vergleich mit der acceptilatio macht Ulpian deutlich, daß es dem Gläubiger nicht um die Begründung einer ,neuen‘ Forderung geht, sondern allein um die Befreiung des debitor absens. Wegen dieser atypischen Funktion qualifiziert er die Novation bereits als Erlaßgeschäft. Im Gegensatz zu Paulus betont er allerdings noch nicht, daß sie auch in ihren Wirkungen einem Erlaß gleichkommt, weil die neu begründete Forderung von vornherein durch eine exceptio entkräftet ist. Er bleibt vielmehr auf der Ebene des ius civile und geht darum von einem zweiaktigen Geschäft aus, das erst durch den förmlichen Erlaß der neuen Forderung vollendet wird. Der entscheidende Unterschied zur Paulusnote liegt jedoch im Anwendungsbereich dieses atypischen Erlaßgeschäfts: Üblicherweise wird die förmliche Mitwirkung des Schuldners nur im Fall der Abwesenheit durch die Novation ersetzt. Dies zeigt sich daran, daß Ulpian seine Auffassung zum tutor, curator und procurator mit der herkömmlichen Lösung dieses Fall begründet (nam et in absentium persona hoc remedio uti solemus). Eine solche fallvergleichende

91 Ulpians Sentenz ist nur eine Schlußfolgerung aus den vorangegangenen Ausführungen (ita fiet, ut . . .). Sie faßt auf induktive Weise das Ergebnis einer Beobachtung zusammen, hat aber keinerlei normative Bedeutung. Sie ist daher auch keine Erklärung für et praesens est in Labeos Pithanon. Ihr ausschließlich beschreibender Charakter rechtfertigt nämlich nicht den Schluß, daß der entgegenstehende Wille des anwesenden Schuldners deshalb beachtlich ist, weil die vom Willen unabhängige Novation per suppositam personam nur beim debitor absens statthaft wäre. Eine solche Argumentation könnte Labeo nur bei einer fest vorgegebenen Systematik der Erlaßgeschäfte unterstellt werden, aber nicht aufgrund der bloß typisierenden Einteilung, die Ulpian zwei Jahrhunderte später vornimmt. Zu dem gleichen Ergebnis kommt Kretschmar SZ 38 (1917) 320. 92 Darauf weist vor allem Kretschmar 20 und SZ 38 (1917) 320 hin; vgl. auch Steiner 24/25 A. 1.

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

Argumentation ergibt nämlich nur dann einen Sinn, wenn die Novation zu Erlaßzwecken noch nicht uneingeschränkt anerkannt ist. Aus der pointierten Gegenüberstellung von absens und praesens im Schlußsatz des Fragments ergibt sich ferner, daß auch Ulpian selbst diesen Umweg nur zuläßt, wenn der Schuldner – als absens, aber auch als impuber oder furiosus – gehindert ist, die acceptilatio persönlich vorzunehmen. Erst Paulus erstreckt diese Lösung auf den Fall, daß der Schuldner gar nicht befreit werden will. Daß auch dies ohne konstruktive Schwierigkeiten möglich ist, zeigt der zweite Ulpiantext: D 46.2.8.5 Ulp 46 ad Sab Si ab alio promissam sibi dotem maritus ab uxore dotis nomine stipulatus sit, non duplari dotem, sed fieri novationem placet, si hoc actum est: quid enim interest, ipsa an alius quilibet promittat? quod enim ego debeo si alius promittat, liberare me potest, si novationis causa hoc fiat: si autem non novandi animo hoc intervenit, uterque quidem tenetur, sed altero solvente alter liberatur. non tamen si quis stipuletur quod mihi debetur, aufert mihi actionem, nisi ex voluntate mea stipuletur: liberat autem me is qui quod debeo promittit, etiamsi nolim.93

Im ersten Teil des Fragments (bis alter liberatur) unterscheidet Ulpian zunächst am Beispiel einer dos promissa und dann in allgemeiner Form zwischen der Novation und dem nicht novierend wirkenden Stipulationsversprechen eines Dritten.94 Der Schlußsatz, der hier allein von Interesse ist, hat keinen unmittelbaren Bezug mehr zu dieser Unterscheidung. Er handelt nur noch von der Novation und vergleicht deren Voraussetzungen beim Schuldnerwechsel mit dem spiegelbildlichen Fall des Gläubigerwechsels: Läßt sich ein Dritter vom Schuldner die dem Gläubiger Ego geschuldete Leistung versprechen, so verliert Ego seine Forderung nur dann, wenn er der Novation zustimmt. Verspricht dagegen ein Dritter dem Gläubiger das, was Ego ihm schuldet, so wird Ego auch dann frei, wenn er dies nicht will. Kürzer gesagt: Durch Novation kann eine Forderung zwar nur mit Zustimmung des Gläubigers übertragen, eine Schuld aber auch gegen den Willen des Schuldners übernommen werden.

93 Übersetzung: Wenn sich der Ehemann die von einem anderen versprochene Mitgift von der Ehefrau als Mitgift hat versprechen lassen, so ist allgemein anerkannt, daß die Mitgift nicht verdoppelt wird, sondern daß eine Novation geschieht, wenn dies beabsichtigt ist. Denn was macht es für einen Unterschied, ob sie selbst oder ein beliebiger anderer das Versprechen leistet? Wenn nämlich ein anderer verspricht, was ich schulde, kann er mich befreien, wenn dies novationshalber geschieht. Wenn es aber nicht in Novationsabsicht geschieht, haften zwar beide, aber sobald einer leistet, wird der andere frei. Doch wenn sich jemand in einer Stipulation versprechen läßt, was mir geschuldet wird, entzieht er mir die Klage nicht, es sei denn, er läßt sich nach meinem Willen versprechen. Es befreit mich aber derjenige, der verspricht, was ich schulde, auch wenn ich nicht will. 94 Vgl. dazu nur Apathy AN 106 ff. und 181 ff., jeweils mwN.

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Dieser scheinbare Gegensatz, der durch die ,Spiegelung‘ der beiden Fälle95 nahegelegt und durch ihre adversative Verknüpfung noch unterstrichen wird, läßt sich angesichts der unterschiedlichen Interessenlage ohne weiteres auflösen. Denn während der Verlust der Forderung das Vermögen des Gläubigers schmälert, bringt die Befreiung dem Schuldner nur Vorteile. Hier greift die Novation also nicht in die Rechte eines anderen ein, sie setzt sich allenfalls über seinen Willen hinweg. Bei rein wirtschaftlicher Betrachtung besteht daher kein Grund, den Wechsel des Schuldners genauso zu behandeln wie den des Gläubigers. Auch die Form der Novation gebietet dies nicht – im Gegenteil: Beim Gläubigerwechsel ergibt sich das Zustimmungserfordernis gerade nicht aus den allgemeinen Voraussetzungen der (Novations-)Stipulation, sondern daraus, daß diese ausnahmsweise den Charakter einer Verfügung hat. In den Institutionen des Gaius (2.38) wird die Novation mit Gläubigerwechsel darum auch bei den Verfügungsgeschäften behandelt und von einem iussum des Gläubigers abhängig gemacht, während der Schuldnerwechsel als regelmäßiger Anwendungsfall der Novation bei den Erlöschensgründen (3.176) dargestellt und nicht an zusätzliche Voraussetzungen gebunden wird.96 Der letzte Satz von fr. 8.5 steht also im Einklang mit den allgemeinen Regeln der Novation. Er ist allerdings der einzige unmittelbare97 Beleg dafür, daß der Wechsel des Schuldners nicht nur ohne, sondern auch gegen dessen Willen möglich ist. Für die Interpretation von fr. 91 ist er darum in doppelter Hinsicht von Bedeutung. Er belegt zum einen eine weitere, bisher noch nicht erörterte Möglichkeit der Befreiung invito debitore und steht damit selbst in direktem Gegensatz zu Labeos Pithanon. Ulpian hält den Widerspruch des Schuldners bei der Novation mit Schuldnerwechsel für ebenso unbeachtlich wie Gaius und Pomponius bei der Drittleistung und bei der Defension. Die Befreiung invito debitore ist damit für drei verschiedene Tilgungsgründe bezeugt, nämlich für die novatio, die solutio und die litis contestatio. Allen drei Fällen gemeinsam ist dagegen das Subjekt der Befreiung: Die Initiative geht stets von einem Dritten aus, der sich – jeweils aus eigenem Antrieb – über den Willen des Schuldners hinwegsetzt und dessen Rolle einnimmt, indem er an den Gläubiger leistet, sich verklagen läßt oder die Schuld insgesamt ,übernimmt‘. Von einem Erlaß invito debitore, bei dem der Gläubiger selbst aktiv wird, handelt nur Paulus in seiner Note zu Labeos Pithanon. Er setzt dabei als selbstverständlich voraus, daß der vom Gläubiger eingeschaltete Dritte den Schuldner etiam praesentem etiam invitum befreien kann. Genau hier liegt die zweite Bedeutung des Schlußsatzes von fr. 8.5. Er zeigt nämlich, daß es nach den Regeln der Novation ohne 95 Auf diese bereits o. § 1 bei A. 64 erwähnte Darstellungsform wird noch zurückzukommen sein; s. u. § 26 II 1. 96 Vgl. etwa Bonifacio 159 f. oder Sacconi Delegazione 203 A. 51. 97 Nach seinem palingenetischen Kontext könnte auch D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab zur Novation invito debitore gehören; s. o. § 24 A. 16.

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

weiteres möglich ist, den beim debitor absens geläufigen Umweg auch beim debitor invitus zu beschreiten: Die für den Erlaß erforderliche Mitwirkung des Schuldners kann auch hier durch eine Novation mit Schuldnerwechsel ersetzt werden, weil dieser Tilgungsgakt nicht nur ohne, sondern auch gegen den Willen des Schuldners vorgenommen werden kann. Wie der Blick auf D 46.4.13.10 und D 46.2.8.5 gezeigt hat, löst Paulus das formale Problem beim Erlaß invito debitore keineswegs ,ingeniös‘, sondern auf einem ebenso naheliegenden wie einfachen Weg: Er überträgt lediglich die beim debitor absens übliche Lösung auf den debitor invitus, was ihm deshalb keine Schwierigkeiten bereitet, weil er mit Ulpian der Ansicht ist, daß der entgegenstehende Wille des Schuldners auch bei der herkömmlichen Novation mit Schuldnerwechsel unbeachtlich ist. Trotzdem geht die Paulusnote sowohl in konstruktiver als auch in materieller Hinsicht über eine bloße Kombination der beiden Ulpianstellen hinaus. So behandelt Paulus die Novation mit der persona supposita nicht mehr nur als ersten Teil eines zweiaktigen Erlaßgeschäfts. Im Schlußsatz seiner Note arbeitet er vielmehr heraus, daß es überhaupt keines zweiten Aktes mehr bedarf, weil die alte Forderung ipso iure erlischt und die neue durch eine exceptio doli entkräftet ist. Seine konstruktive Leistung besteht also in der Erkenntnis, daß das prätorische Recht die Novation selbst zu einem reinen und zugleich vollwertigen Erlaßgeschäft macht, indem es sie auf ihre befreiende Wirkung reduziert. Auch in materieller Hinsicht überschreitet Paulus die Grenzen des ius civile: Die zivilen Erlaßgeschäfte setzen die förmliche Mitwirkung des Schuldners und damit auch seine Zustimmung voraus. Das Formerfordernis wird nach Ulpian zwar üblicherweise mit Hilfe der Novation umgangen, dies jedoch nur beim debitor absens und in vergleichbaren Fällen, wo der Schuldner lediglich an der Mitwirkung gehindert ist, seine Zustimmung aber aufgrund der eindeutigen Interessenlage unterstellt werden kann. Erst Paulus überträgt diese Lösung auf den Fall, daß die acceptilatio gerade am entgegenstehenden Willen des Schuldners scheitert. Hier läßt sich die Umgehung der zivilen Form nicht mehr mit dem Gedanken der mutmaßlichen Einwilligung rechtfertigen. Auch die Regeln der Novation, die sich Paulus zunutze macht, sind keine materielle Begründung für seine Entscheidung. Die Novation ist zwar nicht an die förmliche Mitwirkung des Schuldners gebunden, so daß der – auch für Ulpian belegte – Schluß auf die Unbeachtlichkeit des Widerspruchs von den formalen Vorgaben des ius civile gedeckt ist. Dies gilt jedoch nur für die herkömmliche Novation mit Schuldnerwechsel, nicht dagegen für ein Erlaßgeschäft, das nur deshalb als Novation gestaltet wird, weil die regulären Formen des Erlasses von der Zustimmung des Schuldners abhängig sind. Hier bleibt nur noch die Erklärung, daß Paulus den entgegenstehenden Willen des Schuldners auch beim Erlaß für unbeachtlich hält, weil er dem Zustimmungserfordernis des ius civile keinerlei materielle Bedeutung beimißt.

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Genau dies bringt Paulus auch zum Ausdruck. Er begründet seine Entscheidung zwar nicht, aber seine Wortwahl läßt keinen Zweifel daran, daß er sich bewußt über die Vorgaben des ius civile hinwegsetzt. Denn mit dem eindeutigen supponendo charakterisiert er die Novation als Umgehungsgeschäft und die persona supposita als ,Strohmann‘98 des Gläubigers. Er hebt also ausdrücklich hervor, daß die Einschaltung dieses Dritten nur dazu dient, die in der Form des Erlasses begründete Bindung an den Willen des Schuldners zu unterlaufen. Die rechtliche Konsequenz, die das Wort supponendo erwarten läßt99, zieht Paulus allerdings nicht – im Gegenteil: Er läßt die Umgehung der zivilen Form nicht nur zu, sondern befördert sie sogar noch mit den Mitteln des Honorarrechts, indem er durch die exceptio doli gerade die Umgehungsabsicht des Gläubigers zur Geltung bringt und die Novation auf diese Weise in ein vollwertiges Erlaßgeschäft umgestaltet. Paulus könnte kaum deutlicher zum Ausdruck bringen, daß er in der Mitwirkung des Schuldners bei der acceptilatio und bei der solutio per aes et libram eine bloße Förmlichkeit sieht, aber kein materielles Hindernis für den Erlaß invito debitore. IV. Das Verhältnis zwischen Pithanon und Note In den beiden vorausgehenden Abschnitten wurden Labeos Pithanon und die Note des Paulus isoliert betrachtet. Dabei hat sich bereits gezeigt, daß Oertmanns einfache, aber auch vordergründige Deutung weder dem Pithanon noch der Note gerecht wird: Labeo handelt nicht von den besonderen formalen Hindernissen beim Erlaß invito debitore, sondern von der Befreiung im allgemeinen, und auch für Paulus ist die Konstruktion des Erlaßgeschäfts nicht das Problem. Die Lösung über die Novation ist beim debitor absens längst geläufig, und ihre Übertragung auf den debitor invitus ist keine konstruktive, sondern eine Wertungsfrage. Das Verhältnis zwischen Pithanon und Note ist damit aber noch nicht geklärt. Bislang ist nämlich offengeblieben, warum Paulus seinen äußerst scharf formulierten Widerspruch in der Sache auf den Erlaß beschränkt. In dieser Frage liegt die eigentliche Schwierigkeit des Textes, und nur wenn sie beantwortet ist, kann auch der gemeinsame Ansatz aller Harmonisierungsversuche als widerlegt gelten, der Rückschluß nämlich, daß auch Labeos Pithanon ausschließlich vom Erlaß handelt. Labeos Pithana sind aufgrund ihres regelhaften Charakters anfällig für kasuistische Kritik. Ihre allgemeingültigen Aussagen sind nämlich bereits dann 98 Vgl. zu dieser Ausdrucksweise vor allem D 29.2.91 Paul 15 resp, aber auch D 48.19.34.1 Pap 16 resp und PS 2.13.4 sowie Heumann/Seckel s.v. supponere 2) mwN. 99 Das von einer persona supposita vorgenommene Geschäft wird üblicherweise nach den Regeln behandelt, die durch die Einschaltung dieses ,Strohmanns‘ umgangen werden sollten; vgl. nur die o. A. 98 nachgewiesenen Stellen.

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widerlegt, wenn sie sich in einem einzigen Fall als unzutreffend erweisen. Der Erlaß invito debitore könnte daher als mehr oder weniger beliebiges Gegenbeispiel zu verstehen sein, mit dem nur gezeigt werden soll, daß Labeos Pithanon in seiner Allgemeinheit falsch und darum als Regel untauglich ist. Nicht ausgeschlossen wäre danach, daß Paulus in anderen Fällen – also etwa bei der Drittleistung – zum gleichen Ergebnis kommt wie Labeo. Diese Interpretation bietet aber keine Erklärung für den argumentativen Aufwand, den Paulus in seiner Note betreibt: Um das Pithanon in seiner Allgemeinheit zu widerlegen, hätte der Hinweis genügt, daß ein Dritter den Schuldner etiam praesentem etiam invitum befreien kann, indem er dem Gläubiger die geschuldete Leistung novandi causa verspricht. Genau dies setzt Paulus nämlich als selbstverständlich voraus. Er verwendet die herkömmliche Novation mit Schuldnerwechsel aber nicht als selbständiges Argument gegen Labeos Pithanon, sondern konstruiert mit ihrer Hilfe ein Erlaßgeschäft per suppositam personam, das er trotz seines Umgehungscharakters anerkennt und mit den Mitteln des Honorarrechts vollendet. Ihm geht es also nicht nur darum, die Allgemeingültigkeit des regelhaft formulierten Satzes durch ein beliebiges Gegenbeispiel in Frage zu stellen. Er will vielmehr zeigen, daß gerade der Erlaß gegen den Willen des anwesenden Schuldners möglich ist. Paulus greift damit den Tilgungsakt heraus, bei dem Labeos Auffassung am schwersten zu widerlegen ist. Die Wahl dieses Beispiels und die Lösung, die Paulus hier zuläßt, machen deutlich, daß er das Pithanon insgesamt für verfehlt hält. Dies zeigen folgende Überlegungen: Labeo wendet sich gegen den allgemeinen Satz debitor tuus potest invitus a te solvi und billigt dem Schuldner ein Vetorecht gegen jede Form der Befreiung zu. Dieses Recht geht über die formalen Vorgaben des ius civile hinaus. Denn es steht dem Schuldner auch bei solchen Tilgungsakten zu, die – wie die solutio, novatio und litis contestatio – nicht an seine Mitwirkung oder Zustimmung gebunden sind und darum ohne weiteres von einem Dritten vorgenommen werden können. Hier mißt Labeo dem Willen des Schuldners also eine Bedeutung bei, die ihm nach den zivilen Tatbeständen nicht zukommt. Insoweit ist seine Auffassung auch schon lange vor Paulus auf Ablehnung gestoßen. So läßt Gaius die befreiende Drittleistung auch gegen den Willen des Schuldners zu, Pomponius teilt diese Auffassung und erstreckt sie auf die Defension, und nach Ulpian gilt für die Novation mit Schuldnerwechsel das gleiche. All dies setzt Paulus in seiner Note als bekannt voraus. Er konzentriert seine Kritik statt dessen auf den einzigen Tilgungsakt, bei dem sich Labeos Auffassung bereits aus den formalen Vorgaben des ius civile ergibt und darum wohl auch noch unangefochten ist. Dabei beschränkt er sich nicht darauf zu zeigen, daß und wie der Gläubiger seine Forderung gegen den Willen des Schuldners erlassen kann. Er legt vielmehr Wert auf die Erkenntnis, daß die Novation per suppositam personam in ihren Wirkungen den herkömmlichen Erlaßgeschäften gleichkommt, obwohl sie nur dazu dient, die

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förmliche Mitwirkung des Schuldners zu umgehen. Denn dies läßt das Zustimmungserfordernis bei der acceptilatio und bei der solutio per aes et libram als bloße Formalität erscheinen. Mit seinen Ausführungen zum Erlaß invito debitore entzieht Paulus dem Pithanon also nicht nur die einzige zivilrechtsdogmatische Grundlage, er beseitigt zugleich den letzten Anwendungsfall des im übrigen längst überholten Satzes. Seine Note bringt damit eine Diskussion, in der sich das von Labeo behauptete Vetorecht des Schuldners bei keinem einzigen Tilgungsgrund durchsetzen konnte, zum Abschluß und stellt so die uneingeschränkte Geltung des Satzes debitor tuus potest invitus a te solvi wieder her. Auch wenn Paulus dem Pithanon nur für den Fall des Erlasses ausdrücklich widerspricht, könnte seine Kritik daher grundsätzlicher kaum sein. Das komplexe Verhältnis zwischen Pithanon und Note erschließt sich erst nach einer umfassenden Analyse beider Textteile und unter Berücksichtigung der bei Gaius, Pomponius und Ulpian belegten Entwicklungen, die Paulus in seiner Anmerkung voraussetzt. Das Ergebnis rechtfertigt diesen Aufwand. Denn es erklärt nicht nur, warum Paulus dem Pithanon insgesamt in aller Schärfe widerspricht, obwohl er seine Kritik in der Sache auf den Erlaß beschränkt. Es entkräftet zugleich den Rückschluß auf den Gegenstand des Pithanon und widerlegt damit dessen harmonisierende Deutung. V. Zusammenfassung und Stellungnahme zu Kretschmars Deutung 1. Die Exegese von D 46.3.91 hat gezeigt, daß diesem Text eine Schlüsselrolle für das Verständnis der eigenmächtigen Drittleistung zukommt. Er bezeugt nämlich, daß sich die römische Jurisprudenz vom Beginn bis zum Ende der klassischen Epoche mit der ebenso allgemeinen wie grundsätzlichen Frage auseinandergesetzt hat, ob und in welchem Umfang das Erlöschen der Obligation dem Willen des Schuldners unterworfen ist. Die Quellen zur Drittleistung invito debitore sind Teil dieser theoretischen Diskussion und darum nur vor dem Hintergrund von fr. 91 verständlich. Ausgangspunkt der Diskussion ist der von Labeo abgelehnte Satz debitor tuus potest invitus a te solvi. Er stammt vermutlich von einem Juristen der späten Republik und bringt in abstrakter, regelhafter Form zum Ausdruck, daß der Schuldner sowohl ohne als auch gegen seinen Willen befreit werden kann. Diese Aussage gilt für alle Tilgungsgründe und setzt damit voraus, daß der Wille des Schuldners keinerlei Bedeutung für das Erlöschen der Obligation hat. Auch Labeo macht die Befreiung des Schuldners nicht von seiner Zustimmung abhängig. Er widerspricht dem Satz debitor tuus potest invitus a te solvi

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

aber für den Fall, daß der anwesende Schuldner nicht befreit werden will. Die Anwesenheit des Schuldners erwähnt er hierbei nur zur besseren Anschauung; entscheidend ist das Vetorecht, das er nach einem bei Ulpian überlieferten Zitat (D 13.5.27) auch dem debitor absens zubilligt. Dieses Recht hat zwar kaum praktische Relevanz, weil der Schuldner in aller Regel nicht daran interessiert ist, seine Befreiung zu verhindern, für die Theorie ist es aber um so bedeutsamer. Denn seinetwegen lehnt Labeo den von anderen Juristen seiner Zeit formulierten einheitlichen Tatbestand der Befreiung invito debitore ab und betont damit die prinzipielle Bedeutung des Willens: Angesichts der objektiven Interessenlage kann zwar auf die ausdrückliche Zustimmung des Schuldners verzichtet werden, dies ändert jedoch nichts daran, daß das Erlöschen der Obligation grundsätzlich von seinem Willen abhängt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Pithanon gilt dies nicht nur für den Erlaß durch acceptilatio oder solutio per aes et libram, sondern für die Befreiung im allgemeinen und damit auch für solche Tilgungsakte, die nicht schon ihrer Form nach an die Zustimmung des Schuldners gebunden sind. Labeos Auffassung beruht also nicht auf formalen Gründen, sondern auf – gewissermaßen vorgelagerten – prinzipiellen Erwägungen, deren Tragweite die in D 13.5.27 zitierte Entscheidung zur Haftung des argentarius deutlich macht: Der Schuldner kann die befreiende solutio eines Dritten verbieten und sogar die bereits begründete Haftung aus der actio recepticia entkräften, obwohl er damit zugleich verhindert, daß der Dritte den Gläubiger befriedigt. Labeo hat sich mit seiner Auffassung nicht durchsetzen können, aber eine mehr als zwei Jahrhunderte dauernde Diskussion über die theoretische Frage der Befreiung invito debitore angestoßen. Die späteren Quellen handeln allerdings nicht mehr von der Befreiung im allgemeinen, sie stellen die Frage vielmehr für jeden einzelnen Tilgungsgrund gesondert. Der Schwerpunkt liegt dabei eindeutig auf der solutio, aber auch zur Defension und zur Novation invito debitore findet sich in den Digesten jeweils ein Fragment, und beim receptum argentarii geht die – ebenfalls von Labeo angeregte – Diskussion sogar über die Frage der Schuldbefreiung hinaus. Der Tenor der überlieferten Quellen ist eindeutig: Alle Tilgungsakte, die nicht an die förmliche Mitwirkung des Schuldners gebunden sind, können auch gegen dessen Willen von einem Dritten vollzogen werden. Da Justinian diesen Grundsatz bei der befreienden Drittleistung in seine Institutionen aufgenommen hat (I 3.29 pr.), ist die – ausschließlich justinianische – Überlieferung zwar nicht unbedingt repräsentativ, es gibt aber auch keine Hinweise darauf, daß Labeos Auffassung von anderen klassischen Juristen verteidigt worden wäre. Sie scheint sich vielmehr nur beim Erlaß bis in die spätklassische Zeit gehalten zu haben. Paulus kann sich daher in seiner kritischen Note auf diesen letzten noch verbleibenden Anwendungsfall beschränken. Er hält Labeo entgegen, daß der

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Gläubiger seine Forderung auch gegen den Willen des anwesenden Schuldners erlassen kann, indem er sich die geschuldete Leistung novandi causa von einem Dritten versprechen läßt. Konstruktiv ist diese Lösung nicht neu. Nach Ulpian (D 46.4.13.10) ist sie aber nur dann statthaft, wenn der Schuldner wegen Abwesenheit oder aus anderen Gründen gehindert ist, am Erlaß mitzuwirken. Erst Paulus erweitert ihren Anwendungsbereich auf den Erlaß invito debitore, was nach den Regeln der Novation ohne weiteres möglich ist (D 46.2.8.5), aber die in der Form der zivilen Erlaßgeschäfte begründete Bindung an den Willen des Schuldners unterläuft. Dabei hebt er den Umgehungscharakter der Novation per suppositam personam sogar ausdrücklich hervor und arbeitet gleichzeitig heraus, daß sie nach prätorischem Recht die vollen Wirkungen eines Erlasses hat. Dieser scheinbare Widerspruch treibt die Kritik an Labeos Pithanon auf die Spitze. Er bringt nämlich zum Ausdruck, daß der Wille des Schuldners bei materieller Betrachtung nicht einmal dort von Bedeutung ist, wo er der zivilen Form nach erforderlich wäre. Paulus führt damit die von Labeo eröffnete Diskussion zuende, indem er zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt. 2. Wie zu Beginn dieses Kapitels100 erwähnt, kommt Kretschmar bei seiner zweiten Auseinandersetzung mit D 46.3.91 trotz eines weiterhin abweichenden Textverständnisses zu ähnlichen Ergebnissen. Er sieht zwar nach wie vor keinen direkten Widerspruch zwischen Labeos Pithanon und den Quellen zur Drittleistung invito debitore, erkennt aber immerhin an, daß Labeo die Befreiung des Schuldners an dessen Willen scheitern läßt und damit nach anderen Grundsätzen entscheidet als Gaius, Pomponius und Ulpian. In seinen Schlußfolgerungen geht Kretschmar sogar noch weiter. So bringt er101 Labeos Pithanon mit dem Satz invito beneficium non datur in Zusammenhang und führt es auf die Erwägung zurück, „daß man auch nicht den Schein zu dulden braucht, man lasse sich die Schuld von seinem Gläubiger schenken.“ Diese „auf dem Stolz der Selbstbestimmung beruhende Regel“ entspreche nicht nur Labeos politischer Biographie, sondern auch „dem Geiste der stoisch angehauchten Popularphilosophie der beginnenden Kaiserzeit.“ Als Beleg führt Kretschmar zwei Stellen aus Senecas Schrift De beneficiis an, in denen der Philosoph zum einen rät, genau zu prüfen, von wem man sich ein – zum Dank verpflichtendes – beneficium erweisen läßt102, und zum anderen solche Zuwendungen, die man nicht verhindern kann, ausdrücklich von diesem Begriff ausnimmt.103 100

S. o. § 24 bei A. 51. SZ 38 (1917) 320 ff.; Zitate 321 und 322. 102 Seneca benef. 2.18.5: Itaque eligendum est, a quo beneficium accipiam; et quidem diligentius quaerendus beneficii quam pecuniae creditor. Huic enim reddendum est, quantum accepi, et, si reddidi, solutus sum ac liber; at illi et plus solvendum est, et nihilo minus etiam relata gratia cohaeremus; debeo enim, cum reddidi rursus incipere, manetque amictia . . . 103 Seneca benef. 2.19.2: . . ., quia non est beneficium accipere cogi, non est beneficium debere, cui nolis. Ante des oportet mihi arbitrium mei, deinde beneficium. 101

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

Diese Schlußfolgerungen sind der Versuch, die fehlende Begründung in Labeos Pithanon zu ersetzen. Sie stützen sich allerdings nicht auf das Pithanon selbst, sondern auf biographische Umstände und auf andere – philosophische und juristische – Quellen, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Labeos Auffassung zur Befreiung invito debitore stehen und darum jedenfalls für sich genommen wenig aussagekräftig sind: Daß Labeo „die Ehre des Konsulats ausschlug, weil sie ihm vom politischen Gegner angeboten wurde“, spricht zwar für seine charakterliche Integrität, sagt aber nichts über die Kriterien, von denen er sich bei der Lösung konkreter Rechtsprobleme leiten läßt. Senecas Traktat De beneficiis kann Labeo nicht beeinflußt haben, weil er – wie Kretschmar selbst bemerkt – erst „mehr als ein Menschenalter“ nach seinem Tod entstanden ist, und selbst wenn die zitierten Passagen dem philosophischen Zeitgeist des beginnenden Prinzipats entsprechen sollten, kämen sie als Grundlage für Labeos Auffassung kaum in Betracht. Denn ihnen zufolge begründet eine Zuwendung, die der Empfänger nicht freiwillig annimmt, gerade keine Dankesschuld104, so daß auch keine Notwendigkeit besteht, den debitor invitus vor seiner Befreiung zu schützen. Der in D 50.17.69 überlieferte Satz invito beneficium non datur stammt aus Paulus’ Monographie De adsignatione libertorum und bezieht sich nach Lenels einleuchtender Zuordnung auf das Recht des begünstigten Abkömmlings, die ihm übertragenen Patronatsrechte auszuschlagen.105 Er ist also – wie auch Kretschmar einräumt – „anläßlich eines Sonderfalls formuliert“ und kann darum nicht ohne weiteres als Erklärung für die Lösung anderer Fälle herangezogen werden.106 Dies gilt erst recht für Labeos 104 Vgl. neben dem von Kretschmar selbst angeführten Zitat aus benef. 2.19.2 (o. A. 103) auch benef. 2.18.7 (nemo in id accipiendo obligatur, quod illi repudiare non licuit) und 2.18.8 (non refert, quid sit, quod datur, nisi a volente, nisi volenti datur). 105 Vgl. Lenel Paling. I 951 (Paulus 5) A. 5 und die dort zitierten Stellen D 38.4.1.7 Ulp 14 ad Sab und D 38.4.4 Pomp 4 sen consult. 106 Eine ähnliche Maxime ist allerdings auch in Ulpians Kommentar zur exceptio legis Cinciae überliefert und damit für das Recht der donatio bezeugt. So heißt es in D 39.5.19.2 Ulp 76 ad ed: Non potest liberalitas nolenti adquiri. Dieser Satz bezieht sich aber nur auf das Zustandekommen einer Schenkung und damit auf den schenkweisen Erwerb durch Rechtsgeschäft. Er besagt darum nicht, daß eine unentgeltliche Zuwendung auch dann am entgegenstehenden Willen des Empfängers scheitert, wenn sie nicht in einer Übereignung besteht und darum keiner iusta causa donationis bedarf. Zu diesen keineswegs seltenen Fällen (vgl. die o. § 12 A. 22 angeführten Beispiele) gehört insbesondere die in § 12 II behandelte Drittleistung donandi animo, bei der dem Schuldner die Befreiung auch ohne seine Zustimmung und damit ohne eine wirksame Schenkungsabrede zugewandt werden kann. Hier wäre zwar theoretisch denkbar, daß Labeo den Widerspruch des Schuldners deshalb für beachtlich hält, weil er das Zustandekommen der beabsichtigten Schenkung von vornherein ausschließt. In D 46.3.91 findet sich jedoch kein Hinweis auf eine Schenkung oder gar darauf, daß Labeo die Befreiung des Schuldners an der mangelnden causa scheitern ließe. Dies würde auch nicht erklären, warum er die Befreiung invito debitore nur im Fall des entgegenstehenden Willens ablehnt, und widerspräche zudem der klaren Trennung zwischen solutio und ,Deckungsverhältnis‘, wie sie bei der schenkweisen Drittleistung vor allem in den Fällen der donatio inter virum et uxorem zu beobachten ist (s. o. § 12

§ 25 D 46.3.91 Lab 6 pith a Paulo epit

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Pithanon zur Befreiung invito debitore, dem Paulus selbst in seiner Note ausdrücklich widerspricht. Kretschmars Schlußfolgerungen erweisen sich also bei näherer Betrachtung als kaum tragfähig. Sie haben keine Grundlage im Text, und aus den dort mitgeteilten Umständen läßt sich auch nicht herleiten, daß Labeo dem Schuldner gerade die Zurückweisung einer unerwünschten Freigiebigkeit ermöglichen will. Die Befreiung von einer Verbindlichkeit führt zwar stets zu einer Bereicherung des Schuldners, aber weder im Pithanon selbst noch in dem bei Ulpian überlieferten Zitat zum Zahlungsverbot beim receptum argentarii findet sich ein Hinweis darauf, daß dieser Gesichtspunkt für Labeos Entscheidung erheblich oder gar tragend wäre. In beiden Texten ist auch nicht von einer freigiebigen Absicht des Gläubigers oder des Dritten die Rede. Labeo schließt also nicht aus, daß die Befreiung im Wege der negotiorum gestio107 oder im eigenen Interesse des Befreienden108 vorgenommen werden soll. Der Stolz, sich nichts schenken zu lassen, ist schließlich auch nicht das einzig denkbare Motiv für den Widerspruch des Schuldners. Ein anderer, zumindest ebenso naheliegender Grund ist die Gefährdung des eigenen Kredits: Nach der lex Iulia municipalis109 ist der Zugang zur Munizipalmagistratur unter anderem demjenigen versperrt, dessen sponsor gezahlt hat (prove quo datum depensum est erit), und noch bei Gaius110 ist überliefert, daß ein Gläubiger den Tatbestand der iniuria erfüllt, wenn er statt des zahlungsbereiten Schuldners einen Bürgen in Anspruch nimmt. Dies zeigt, daß der Schuldner durchaus ein handfestes Interesse daran haben kann, seine Verbindlichkeiten selbst zu erfüllen und damit seine Zahlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Von einer Gefährdung des Kredits ist in III): Die Drittleistung ist primär Leistung auf Schuld und hat solche auch dann befreiende Wirkung, wenn keine wirksame Schenkung zwischen dem Dritten und dem Schuldner zustande kommt. 107 Der Widerspruch des Schuldners steht dem nicht entgegen. Das Verbot des Geschäftsherrn schließt zwar nach der unter den klassischen Juristen vorherrschenden Ansicht den Rückgriff über die actio negotiorum gestorum contraria aus (s. o. nach A. 42 und § 11 III), dies bedeutet jedoch nicht, daß die fremdnützige Geschäftsführung prohibente domino wegen der fehlenden Regreßklage als Schenkung angesehen würde. 108 Zu den überlieferten Fällen der ,Drittleistung im eigenen Interesse‘ o. § 8 II 2. Daß auch beim Erlaß invito debitore nicht nur freigiebige, sondern auch eigennützige Absichten des Gläubigers denkbar sind, hat Kretschmar 20 f. selbst bei seiner ersten Bearbeitung von D 46.3.91 gezeigt. 109 Z. 115 (FIRA I Nr. 13); vgl. dazu Eisele Beiträge 34 f. und Kaser Sodalitas VII (1984) 3159 ff. 110 D 47.10.19 Gai 22 ad ed prov: Si creditor meus, cui paratus sum solvere, in iniuriam meam fideiussores meos interpellaverit, iniuriarum tenetur. Vgl. dazu und zu anderen Fällen der Kreditschädigung Raber Grundlagen klassischer Injurienansprüche (1969) 150 ff. und 160 f., aber auch Wittmann SZ 91 (1974) 336 und Kaser (o. A. 109) 3159 ff. Daß auch die Drittleistung den Tatbestand der iniuria erfüllen kann, vermutet Hertz 41 f.; vgl. auch Kretschmar 26.

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

Labeos Pithanon zwar ebensowenig die Rede wie von einem aufgedrängten beneficium, das Beispiel macht aber deutlich, daß der Widerspruch des Schuldners keineswegs zwingend auf ein bestimmtes Motiv schließen läßt. Auch für Labeos Entscheidung kann es deshalb nicht darauf ankommen, warum der Schuldner seiner Befreiung widerspricht. Sie beruht vielmehr allein auf dem Willen und unterscheidet gerade nicht danach, ob der Widerspruch im Einzelfall von einem schutzwürdigen Interesse gedeckt ist. Daher dürfte Kretschmars weitgehend spekulativer Erklärung immerhin darin zuzustimmen sein, daß es Labeo um die Selbstbestimmung des Schuldners geht. Andere Kriterien, die für seine Entscheidung erheblich sein könnten, sind nicht ersichtlich, und zwar weder im Pithanon selbst noch in der Note oder in dem Zitat zum Zahlungsverbot beim receptum argentarii. Eine deduktive oder systematische Entscheidungsfindung, wie sie für die Pithana ohnehin untypisch wäre111, läßt sich sogar mit einiger Sicherheit ausschließen. Denn Labeo handelt nicht nur vom Erlaß, sondern von der Befreiung im allgemeinen und damit von höchst unterschiedlichen Erlöschenstatbeständen, aus deren Systematik ein übergreifendes Vetorecht des Schuldners kaum abgeleitet werden kann. Andererseits spricht gerade die Allgemeinheit des Pithanon für eine prinzipielle Entscheidung, und seine eher theoretische Fragestellung zeigt, daß es dabei um die grundsätzliche Bedeutung des Willens geht: Labeo lehnt den Satz debitor tuus potest invitus a te solvi nur wegen des praktisch kaum relevanten Falls ab, daß der Schuldner seiner Befreiung widerspricht. Er macht damit deutlich, daß der Schuldner grundsätzlich selbst über seine Befreiung bestimmen kann, auch wenn seine Zustimmung aufgrund der eindeutigen Interessenlage regelmäßig unterstellt wird. Das Pithanon ist darum aber noch kein Beleg für ein universales Prinzip der Selbstbestimmung, das dem gesamten Privatrecht – also etwa auch den Regeln über den Vertragsschluß – zugrunde liegt und auf philosophischen, politischen oder anderen vorrechtlichen Anschauungen beruht.112 Denn Labeo handelt nur 111

S. o. bei A. 6. Zu weitgehend auch Kretschmar SZ 38 (1917) 322, der eine unterschiedliche Grundhaltung der beiden Rechtsschulen vermutet: „Beachtenswert ist, daß es gerade zwei Juristen der Sabinianischen Schule sind (Gaius und Pomponius), die über den seiner Befreiung entgegenstehenden Willen des Schuldners als erste leicht hinwegschreiten. Die weit höhere Beachtung, welche das Willenselement bei Labeo und seiner Schule findet, ist demgegenüber typisch.“ Die Belege, die Kretschmar anführt, handeln indessen nicht von der Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten und haben darum auch keinen unmittelbaren Bezug zu der Kontroverse über die Befreiung invito debitore. So geht es in D 3.5.5.5, 8 und D 3.5.9.1 (beide Ulp 10 ad ed) um den subjektiven Tatbestand der negotiorum gestio (wo Labeos Auffassung im übrigen teilweise auch von Pomponius gebilligt wird), und die „Begründung des constitutum possessorium durch Celsus“ in D 41.2.18 pr. Cels 23 dig ist in erster Linie eine konstruktive Leistung (dazu Harke 103 ff. mwN.). Der Schulenstreit zum Erwerb des Vindikationslegats, von dem Gaius (2.195 und 2.200) berichtet, betrifft schließlich allein die Frage, in welcher Form der Erwerbswille des Legatars berücksichtigt wird: als posi112

§ 26 Gaius’ Erklärung der Drittleistung

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von der Befreiung des Schuldners, und hier läßt sich seine Auffassung ebensogut aus einer bestimmten Vorstellung der obligatio erklären, also etwa aus der persönlichen Bindung des Schuldners oder aus dem Gedanken, daß das gesamte Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten der Disposition seines Inhabers unterworfen ist. § 26 Gaius’ Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung I. Einführung 1. Die Frage, warum die eigenmächtige solutio eines Dritten den Schuldner befreit, wird in den Quellen zweimal behandelt. Beide Texte stammen von Gaius und stimmen nicht nur in der Sache, sondern auch in ihrem Aufbau und in der Wortwahl derart überein, daß sich der eine schon bei äußerer Betrachtung als Kurzfassung des anderen darstellt: D 3.5.38 Gai 3 de verb obl Solvendo quisque pro alio licet invito et ignorante liberat eum: quod autem alicui debetur, alius sine voluntate eius non potest iure exigere. naturalis enim simul et civilis ratio suasit alienam condicionem meliorem quidem etiam ignorantis et inviti nos facere posse, deteriorem non posse.

D 46.3.53 Gai 5 ad ed prov Solvere pro ignorante et invito cuique licet,

cum sit iure civili constitutum licere etiam ignorantis invitique meliorem condicionem facere.

Die beiden Gaiusfragmente wurden bereits in der Einleitung1 als Hauptquellen zur befreienden Drittleistung vorgestellt. Denn der allgemeine Grundsatz, daß jeder Dritte mit befreiender Wirkung für den Schuldner leisten kann, ist nirgends genauer und vollständiger formuliert als hier. Gaius beschreibt nicht nur den Tatbestand der Drittleistung mit dem technischen Ausdruck pro alio solvere2, er stellt auch klar, daß ihre befreiende Wirkung weder von der Person des Dritten abhängt (quisque – cuique) noch von der Kenntnis oder vom Willen tive Voraussetzung für den Übergang des Eigentums oder bloß negativ durch die Befugnis, das Legat rückwirkend auszuschlagen. Daß der Legatar über den Erwerb bestimmen kann, ist dagegen unstreitig. Die von Kretschmar zitierten Quellen zeigen daher allenfalls, daß Labeo und andere Juristen der auf ihn zurückgeführten Schule dem ,Willenselement‘ in bestimmten Bereichen besondere Beachtung schenken. Sie sind aber kein Beleg dafür, daß Labeos Auffassung zur Befreiung invito debitore eine allgemeine Grundhaltung der prokulianischen Schule repräsentiert. Auch der Umstand, daß Gaius und Pomponius 150 Jahre später zu anderen Ergebnissen kommen, macht hierfür keinen Beweis. Denn ihre Auffassung zur Drittleistung und zur Defension invito debitore muß keineswegs zwingend auf spezifisch sabinianischen Überzeugungen beruhen. 1 S. o. § 1 III 2 und 3; die Übersetzungen finden sich dort in A. 63 und 99.

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

des Schuldners (licet invito et ignorante – pro ignorante et invito). Darüber hinaus findet sich in beiden Texten eine theoretische Rechtfertigung der eigenmächtigen Drittleistung, die – obwohl sonst nicht mehr belegt – von Gaius selbst als allgemeiner Rechtsgedanke (naturalis enim simul et civilis ratio) und sogar als verbindliche ,Bestimmung‘ (constitutum) des ius civile dargestellt wird: Jedermann kann die Rechtslage eines anderen auch ohne dessen Wissen und ohne oder sogar gegen dessen Willen verbessern. Diese Erklärung soll im folgenden näher untersucht werden. Das Verhältnis der beiden eng verwandten Stellen wurde ebenfalls schon in der Einleitung3 erörtert. Dabei hat sich gezeigt, daß Gaius in D 46.3.53 nicht nur den wesentlichen Inhalt von D 3.5.38 zusammenfaßt, sondern auch neue Akzente setzt, die sich allerdings ohne weiteres aus dem palingenetischen Kontext erklären lassen: Fr. 53 gehört zur Kommentierung des Edikts De receptis und dort zum receptum argentarii. Es ist Teil einer fallvergleichenden Argumentation, die sich gegen Labeos Auffassung zum receptum pro invito richtet.4 Gaius will zeigen, daß der Schuldner das Garantieversprechen des argentarius ebensowenig verbieten kann wie die solutio eines Dritten. Er handelt darum nur von der Drittleistung pro ignorante et invito und betont auch nicht deren befreiende Wirkung, sondern die vom Willen des Schuldners unabhängige Leistungsbefugnis des Dritten (cuique licet). Diese Befugnis führt er auf einen Rechtssatz (constitutum) zurück, der es jedermann erlaubt (licere), die Lage eines anderen auch gegen dessen Willen zu verbessern. Die Argumentation in fr. 53 ist damit ganz auf die Analogie zum receptum argentarii zugeschnitten, auf die Schlußfolgerung nämlich, daß auch der argentarius von Rechts wegen befugt ist, sich bei der Abgabe des Garantieversprechens über den Willen des Schuldners hinwegzusetzen. Im Mittelpunkt der folgenden Betrachtungen steht deshalb der in D 3.5.38 überlieferte Text. Er ist nicht nur wesentlich ausführlicher und darum ergiebiger als die Kurzfassung in fr. 53, seine Aussage wird auch nicht durch einen sachfremden Kontext überlagert. Fr. 38 stammt nämlich aus dem einschlägigen Abschnitt über die Erlöschensgründe in Gaius’ Monographie De verborum obligationibus5, und dies rechtfertigt die Annahme, daß der Text die Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung in ihrer vollständigen und wohl auch ursprünglichen6 Fassung wiedergibt. Bei der Analyse wird daher insbesondere die charakteristische Darstellungsform zu beachten sein, die in der Einleitung7 mit einem 2 Diese Wendung wurde im vierten Kapitel näher untersucht; vgl. dort vor allem § 15 I und II sowie § 19 II und III. 3 S. o. § 1 III 3. 4 Vgl. D 13.5.27 Ulp 14 ad ed und dazu auch o. § 25 II 4, insbesondere bei A. 59 ff. 5 S. o. § 1 A. 62. 6 Dazu näher oben § 1 bei A. 110 ff.

§ 26 Gaius’ Erklärung der Drittleistung

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Begriff von Schmidt-Ott als ,Spiegelung‘ bezeichnet wurde: Anders als in fr. 53 handelt Gaius nicht nur von der Leistung auf fremde Schuld, er vergleicht sie vielmehr mit dem spiegelbildlichen Fall der Einziehung einer fremden Forderung. Diese Spiegelung setzt sich auch in der Begründung fort (meliorem quidem . . . nos facere posse, deteriorem non posse) und gehört damit unmittelbar zum Gegenstand der folgenden Untersuchung. 2. Gaius beschränkt sich weder in D 3.5.38 noch in D 46.3.53 auf den streitigen Fall, daß der Schuldner der solutio des Dritten widerspricht. Er handelt vielmehr von dem allgemeinen Tatbestand des solvere pro ignorante et invito, den er in fr. 38 sogar als Anwendungsfall des noch allgemeineren Grundsatzes darstellt, daß jeder Dritte – also auch der autorisierte Repräsentant des Schuldners8 – mit befreiender Wirkung leisten kann: Solvendo quisque pro alio . . . liberat eum. Ihrem Wortlaut nach bezieht sich Gaius’ Begründung also nicht nur auf Labeos Auffassung zum Widerspruch des Schuldners, sondern auf die befreiende Drittleistung im allgemeinen. Als authentische Erklärung „des ganzen Satzes“ steht sie damit – wie Mitteis9 zurecht betont – in Konkurrenz zu Kretschmars Versuch, die Drittleistung als unbewußte Nachwirkung eines überkommenen haftungsrechtlichen Solutionsbegriffs zu deuten10; aber auch in Konkurrenz zu den anderen Erklärungsversuchen der modernen Romanistik, also vor allem zu der aus der Pandektenwissenschaft übernommenen Lehre von der Erreichung des Obligationszwecks11 und zu Wollschläger12, der die Zulässigkeit der Drittleistung auf die „Härte des römischen Vollstreckungsrechts“ und damit auf die gleichen rechtspolitischen Gründe zurückführt, mit denen Ulpian13 die negotiorum gestio im allgemeinen und die defensio absentis im besonderen rechtfertigt. Auf der anderen Seite besteht nach den Ergebnissen des vorausgehenden Paragraphen Anlaß zur Vorsicht gegenüber allzu weitreichenden Schlußfolgerungen. Denn Gaius’ Begründung steht im Kontext einer Kontroverse, die mit Labeos Pithanon zur Befreiung invito debitore beginnt und einen völlig anderen Gegenstand hat als die moderne Diskussion über die Theorie der befreienden Drittleistung. Sie erstreckt sich nämlich einerseits auf sämtliche Tilgungsgründe 7

S. o. § 1 bei A. 64 ff. Vgl. zur solutio des Repräsentanten o. § 14 und dort vor allem bei A. 47 ff. 9 SZ 30 (1909) 440. 10 Diese ,historische‘ Erklärung, die Kretschmar in seiner Monographie über ,Die Erfüllung‘ (26 ff., vgl. auch 23, 24, 25, 36 f. und 126) entwickelt hat, und ihre Rezeption durch die moderne Romanistik wurden bereits in der Einleitung dargestellt; s. o. § 1 I 2 und 3. 11 S. o. § 1 bei A. 28 f. mwN. auch für die übrigen Erklärungsversuche der Romanistik. 12 79 mit A. 16; dazu bereits o. § 24 bei A. 34. 13 D 3.5.1 Ulp 10 ad ed und D 3.3.33.2 Ulp 9 ad ed; s. o. § 24 A. 32 f. 8

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

und beschränkt sich andererseits auf die Frage, ob der Schuldner gegen seinen erklärten Willen befreit werden kann. Daß dies ohne sein Wissen und ohne seine ausdrückliche Zustimmung möglich ist, steht dagegen außer Streit. Daraus ergibt sich nicht nur eine weiterer Gesichtspunkt für die Interpretation von Gaius’ Begründung (nämlich ihr Verhältnis zu Labeos Pithanon), sondern vor allem die Notwendigkeit, zunächst das Problem zu bestimmen, auf das sie sich bezieht: Handelt Gaius nur von dem Unterschied zwischen der solutio durch und an nicht autorisierte Dritte, wie es nach der spiegelbildlichen Darstellung den Anschein hat, oder erklärt er zugleich die befreiende Wirkung der Drittleistung, und wenn ja: Geht es ihm dabei um eine Erklärung ,des ganzen Satzes‘, um die Besonderheiten der Drittleistung pro ignorante et invito oder sogar nur um den streitigen, aber nicht eigens genannten Fall, daß der Schuldner der Leistung widerspricht? Im folgenden sollen daher zuerst (unter II) die genaue Fragestellung und die ratio dubitandi ermittelt werden, bevor in einem zweiten Schritt die Begründung selbst untersucht wird. Deren Analyse gliedert sich wiederum in zwei Abschnitte. Der erste (III) beschäftigt sich mit dem Sachargument, es sei im allgemeinen ohne weiteres möglich, die Rechtslage eines anderen zu verbessern, der zweite (IV) mit der naturalis simul et civilis ratio, aus der Gaius diese Möglichkeit herleitet. Erst in der abschließenden Gesamtbetrachtung (unter V) kann dann der Frage nachgegangen werden, wie sich Gaius’ Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung zu den modernen Theorien verhält. II. Die Darstellung und das Rechtsproblem 1. In D 3.5.38 vergleicht Gaius zwei abstrakte Rechtssätze mit einem spiegelbildlichen Tatbestand: Im ersten Satz wird der Dritte anstelle des Schuldners tätig und erbringt die geschuldete Leistung, im zweiten übernimmt er die Rolle des Gläubigers und zieht die Forderung ein. Beides ist zwar grundsätzlich möglich, aber an unterschiedlich strenge Voraussetzungen geknüpft. Um die Forderung einzuziehen, bedarf der Dritte der Zustimmung des Gläubigers, die geschuldete Leistung kann er dagegen auch ohne Wissen und ohne oder sogar gegen den Willen des Schuldners erbringen. Das gemeinsame Thema der spiegelbildlichen Tatbestände ist die Drittbeteiligung bei der solutio. Sie passen damit beide in den palingenetischen Kontext von fr. 3814 und sind systematisch sogar eng verwandt. Dies erklärt jedoch nur, warum sie zusammen abgehandelt und miteinander verglichen werden, auffällig bleibt dagegen die Art und Weise, in der dies geschieht. Gaius interessiert sich nämlich gerade nicht für die Parallele, daß bei der solutio sowohl die Position des Gläubigers als auch die des Schuldners von einem Dritten eingenommen werden kann. Statt dessen formu14

S. o. bei A. 5.

§ 26 Gaius’ Erklärung der Drittleistung

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liert er die beiden Tatbestände so, daß sich der Unterschied bei den Voraussetzungen in gegenläufigen Rechtsfolgen auswirkt (liberat eum . . . non potest iure exigere). Dieser Gegensatz prägt und ordnet den Gedankengang des gesamten Fragments. Er wird durch die Fassung der beiden ersten Sätze aufgebaut, durch ihre adversative Verknüpfung unterstrichen und in der anschließenden Begründung wieder aufgelöst. Die äußere Disposition des Textes erweckt damit den Eindruck, als liege sein Problem in dem Unterschied zwischen der solutio durch und an Dritte. Dieser Schluß von der Darstellung auf die Rechtsfrage ist jedoch gerade bei der Gegenüberstellung spiegelbildlicher Sachverhaltsvarianten keineswegs zwingend. Nach Schmidt-Ott15, der ähnliche Spiegelungen in den Quaestionen des Paulus beobachtet und analysiert hat, führt diese ,mechanische‘ Technik der Fallanknüpfung nämlich nur zu formal verwandten Sachverhalten, die jedoch fast immer grundlegend verschiedene Rechtsprobleme aufwerfen. Die Lösungen beruhen dann auch nicht auf Analogie- oder Gegenschlüssen, wie sie bei einer fallvergleichenden Argumentation zu erwarten wären, sondern auf jeweils eigenen, häufig disparaten Gesichtspunkten, die durch die äußere Verwandtschaft des Sachverhalts sogar eher verdeckt werden. Gleichlaufende Entscheidungen lassen also nicht notwendig auf eine einheitliche Ratio schließen, und Gegensätze sind häufig nur das zufällige Ergebnis der formalen Anknüpfung, sie bringen aber weder einen inneren Widerspruch zum Vorschein, noch verweisen sie auf eine gemeinsame Rechtsfrage, die in beiden Fällen unterschiedlich zu beantworten wäre. Denn „zum Teil ist nur einer der beiden Sachverhalte überhaupt problematisch, zum Teil ergibt sich in der Abwandlung ein ganz anderes dogmatisches Problem als im Ausgangsfall.“ Ganz ähnlich verhält es sich mit der Spiegelung in fr. 38: Daß die Einziehung einer fremden Forderung nur mit einer entsprechenden Ermächtigung des Gläubigers wirksam ist, weil sie zum Verlust des Forderungsrechts und damit zu einer Minderung seines Vermögens führt, ist ebenso selbstverständlich wie unstreitig.16 Auf die befreiende Drittleistung paßt diese zwingende Argumentation indes nicht. Denn hier greift der Dritte gerade nicht in ein fremdes Recht ein, er mehrt das Vermögen des Schuldners sogar, und darum ist dessen Zustimmung unter dem Gesichtspunkt der Ermächtigung oder des Güterschutzes entbehrlich. Auch dieser Unterschied ist unmittelbar einsichtig und bedarf deshalb keiner Erklärung. Der Gegensatz der beiden Rechtssätze ist also weder selbst problematisch, noch beruht er auf der unterschiedlichen Lösung eines gemeinsamen Rechtsproblems. Er ist lediglich Ausdruck der grundverschiedenen Rechts- und Interessenlage bei der Leistung durch und an Dritte17, und seine Auflösung ist

15 16

152 ff. (Zitat 178) und 235. Vgl. die Nachweise in § 1 A. 74 f.

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

nur deshalb erforderlich, weil Gaius die beiden spiegelbildlichen und systematisch benachbarten Tatbestände so pointiert gegenüberstellt. Die Darstellungsform der Spiegelung verweist also nicht auf die ratio dubitandi, sondern auf ein Scheinproblem, das durch sie überhaupt erst entsteht. Sie hat allerdings eine andere rhetorisch-persuasive Funktion, die bei der Analyse des Begründungssatzes nicht übersehen werden darf. Mit den Worten deteriorem non posse löst Gaius nämlich nicht nur einen scheinbaren Widerspruch auf, er deutet zugleich einen Gegenschluß an, der durch die adversative Verknüpfung der beiden ersten Sätze vorbereitet wird: Weil die Zustimmung des Betroffenen bei einer Verschlechterung seiner Rechtslage (wie dem Verlust einer Forderung) erforderlich ist, kann bei einer Verbesserung (wie der Befreiung von einer Verbindlichkeit) auf sie verzichtet werden. Dieser unausgesprochene Gedanke verleiht dem ersten Teil der Begründung suggestive Kraft, er setzt allerdings voraus, daß das Zustimmungserfordernis ausschließlich dem Schutz vor rechtlichen oder wirtschaftlichen Nachteilen dient. 2. Das Rechtsproblem, von dem Gaius in D 3.5.38 handelt, ergibt sich aus dem ersten Satz des Fragments. Es ist die Frage, warum die solutio eines Dritten den Schuldner auch dann befreit, wenn sie ohne sein Wissen und ohne oder sogar gegen seinen Willen vorgenommen wird. Daß dies einer Erklärung bedarf, hebt Gaius durch das konzessive licet invito et ignorante ausdrücklich hervor, und in der Begründung nimmt er mit etiam ignorantis et inviti genau hierauf Bezug. Während diese eindeutigen sprachlichen Hinweise in fr. 38 durch die Darstellungsform der Spiegelung überlagert werden, geht es in fr. 53 von vornherein nur um die Drittleistung pro ignorante et invito. Auch wenn die dort überlieferte Argumentation verkürzt ist und aus einem sachfremden Kontext stammt18, läßt sie doch einen gewissen Rückschluß auf den Gegenstand der längeren Fassung zu. Denn die weitgehend identische Begründung könnte in fr. 53 kaum zur Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung verwendet werden, wenn sie sich in fr. 38 auf die Leistung an nicht autorisierte Dritte oder auf den Unterschied der beiden spiegelbildlichen Tatbestände bezöge. Die Fragestellung ist also in beiden Texten die gleiche. Sie beschränkt sich auf die befreiende Drittleistung pro ignorante et invito und gibt damit bereits einen ersten Hinweis auf die ratio dubitandi: Gaius setzt als selbstverständlich voraus, daß ein Dritter dann mit befreiender Wirkung leisten kann, wenn der Schuldner zugestimmt hat. Er stößt sich also nicht an der Drittwirkung der solutio, sondern nur daran, daß sie unabhängig von der Kenntnis und vom Willen des Schuldners eintritt. Der Stein des Anstoßes wird erst in der Begründung selbst sichtbar. Dort handelt Gaius ganz allgemein von nicht autorisierten Ein17 Dasselbe gilt für die thematisch eng verwandte Spiegelung am Ende von D 46.2.8.5 Ulp 46 ad Sab; dazu o. § 25 bei A. 95. 18 S. o. nach A. 3.

§ 26 Gaius’ Erklärung der Drittleistung

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griffen in eine fremde Rechtssphäre (condicio aliena), und dies zeigt, daß er die befreiende Wirkung der eigenmächtigen Drittleistung deshalb für erklärungsbedürftig hält, weil sich der Dritte ohne Erlaubnis oder auch nur Kenntnis des Schuldners in dessen Angelegenheiten einmischt. 3. Nach dem bisher Gesagten richtet sich Gaius’ Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung unmittelbar gegen Labeos Pithanon zur Befreiung invito debitore: Während Labeo in D 46.3.91 einen solchen einheitlichen Tatbestand ablehnt, weil er den Widerspruch des Schuldners aus Gründen der Selbstbestimmung für beachtlich hält, läßt Gaius die Drittleistung pro invito et ignorante uneingeschränkt zu, obwohl der Dritte dabei in die Rechtssphäre des Schuldners eingreift. Dieser Bezug, der sich in fr. 38 aus der parallelen Fragestellung erschließen läßt, ergibt sich in fr. 53 sogar unmittelbar aus dem palingenetischen Kontext. Denn dort verwendet Gaius die befreiende Wirkung der eigenmächtigen Drittleistung als Argument für das receptum pro invito, das Labeo aus den gleichen Gründen ablehnt wie die Befreiung invito debitore.19 Die Fragestellung in den beiden Gaiustexten deckt sich allerdings nicht vollständig mit dem Gegenstand von Labeos Pithanon. Dabei ist es nicht weiter verwunderlich, daß Gaius im Kontext der solutio und des receptum argentarii nicht von der Befreiung im allgemeinen, sondern nur von der Leistung eines Dritten handelt. Es fällt aber auf, daß er den von Labeo abgelehnten Tatbestand der Befreiung invito debitore einerseits um den unstreitigen Fall des debitor ignorans erweitert und andererseits mit keinem Wort auf die allein streitige Frage eingeht, ob der ausdrückliche Widerspruch des Schuldners genauso zu behandeln ist wie die übrigen Fälle fehlender Zustimmung. Die Unterscheidung zwischen dem debitor ignorans und dem debitor invitus findet sich auch in den beiden anderen Quellen zur eigenmächtigen Drittleistung, die in der Einführung zu diesem Kapitel vorgestellt worden sind.20 Dabei wurde schon auf die weitgehende Überschneidung der beiden Tatbestände hingewiesen21: In seiner weiten Bedeutung umfaßt invitus sämtliche Fälle fehlender Zustimmung, und zwar unabhängig von der Kenntnis des Schuldners. Der debitor ignorans ist dagegen regelmäßig auch invitus im weiten Sinne des Wortes. Denn außer bei der ,Generalermächtigung‘ des procurator omnium rerum ist eine Einwilligung des Schuldners nur vorstellbar, wenn er von der beabsichtigten solutio Kenntnis hat. Daß der Tatbestand der Drittleistung ignorante debitore praktisch keinen selbständigen Anwendungsbereich hat, wird in fr. 38 sogar besonders deutlich.

19

S. o. bei A. 4. Vgl. I 3.29 pr. (sive sciente sive ignorante vel invito) und dazu o. § 24 I 1 sowie D 46.3.23 (et inviti et ignorantes) und dazu o. § 24 I 3. 21 S. o. § 24 bei A. 4 f. 20

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

Hier ergibt sich nämlich aus der Darstellungsform der Spiegelung, daß pro invito et ignorante im ersten Satz die gleiche Bedeutung hat wie sine voluntate im zweiten. Wie bereits in der Einleitung dargelegt wurde22, folgt daraus zunächst, daß mit invito nicht nur der entgegenstehende Wille des Schuldners gemeint sein kann. Denn dann wären – trotz der Ergänzung durch ignorante – nicht alle Fälle fehlender Zustimmung erfaßt. Der Begriff ist also im weiten Sinne zu verstehen, und das heißt: gleichbedeutend mit sine voluntate. Aus dem Verhältnis der beiden spiegelbildlichen Tatbestände ergibt sich damit zugleich, daß die Fassung des ersten redundant ist: Der Zusatz et ignorante ist überflüssig, weil invito bereits die gesamte Bedeutung von sine voluntate abdeckt. Die Unkenntnis des Schuldners ist auch kein besonders problematischer Fall oder Aspekt der eigenmächtigen Drittleistung, der als solcher eigens hervorgehoben werden müßte – im Gegenteil: Selbst Labeo erkennt die Befreiung des debitor ignorans uneingeschränkt an23, und auch nach Gaius’ eigener Begründung liegt das Problem allein beim Willen des Schuldners. Der Eingriff in die Rechtssphäre eines anderen wird nämlich – wie sich gerade in dem spiegelbildlichen Fall der Einziehung einer fremden Forderung zeigt – nicht schon durch die Kenntnis des Betroffenen autorisiert, sondern erst durch dessen Zustimmung. Ist die Zustimmung dagegen entbehrlich, so hat der Betroffene zwar ein Interesse daran, über die Veränderung seiner rechtlichen Situation unterrichtet zu werden. Diesem Informationsbedürfnis kann aber auch im Nachhinein Rechnung getragen werden. Das Musterbeispiel zur Drittleistung ist die Doppelzahlung des debitor ignorans. Seine Lösung ist zwar nicht unmittelbar überliefert, läßt sich aber aus einer Ulpianstelle zur solutio des Bürgen erschließen24: Leistet der Schuldner in Unkenntnis seiner Befreiung noch einmal auf die bereits erloschene Verbindlichkeit, so kann er das Geleistete als indebitum kondizieren. Er selbst schuldet dem Leistenden keinen Regreß, sondern nur die Zession der condictio, so daß ihm aus seiner Unkenntnis kein Nachteil entsteht. Das Risiko trägt allein der Leistende, der es versäumt hat, ihn rechtzeitig zu unterrichten. Der einzigen Quelle, die ausschließlich von der Drittleistung ignorante debitore handelt, läßt sich ebenfalls keine eigene ratio dubitandi entnehmen:

22

S. o. § 1 bei A. 70. Vgl. D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav und dazu o. § 25 bei A. 35 ff. In D 46.3.91 Lab 6 pith a Paul epit lehnt Labeo die Befreiung des debitor invitus nur für den Fall des ausdrücklichen Widerspruchs ab und setzt damit die Kenntnis des Schuldners voraus. 24 D 17.1.29.3 Ulp 7 disp: Hoc idem tractari et in fideiussore potest, si, cum solvisset, non certioravit reum, sic deinde reus solvit quod solvere eum non oportebat. et credo, si, cum posset eum certiorare, non fecit, oportere mandati agentem fideiussorem repelli: dolo enim proximum est, si post solutionem non nuntiaverit debitori: cedere autem reus indebiti actione fideiussori debet, ne duplum creditor consequatur. Zu dieser oft verdächtigten Stelle zuletzt Fargnoli 228 ff. mwN. 23

§ 26 Gaius’ Erklärung der Drittleistung

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D 46.3.40 Marci 3 inst Si pro me quis solverit creditori meo, licet ignorante me, adquiritur mihi actio pigneraticia. item si quis solverit legata, debent discedere legatarii de possessione: alioquin nascitur heredi interdictum, ut eos deicere possit.25

Marcian erörtert im Zusammenhang mit den Erwerbsregeln26 zwei Fälle der Drittleistung, in denen der Schuldner nicht nur befreit wird, sondern zugleich einen restitutorischen Anspruch gegen den Gläubiger erlangt. Im ersten Fall leistet der Dritte auf eine pfandgesicherte Forderung, so daß das Pfandrecht erlischt und der Gläubiger aus der actio pigneraticia zur Rückgabe der verpfändeten Sache verpflichtet ist.27 Im zweiten befriedigt er Legatare, die zur Sicherung ihrer Forderungen in den Besitz des Nachlasses eingewiesen worden sind. Auch hier ist der Sicherungszweck erreicht, und es entsteht eine Verpflichtung zur Herausgabe der beschlagnahmten Nachlaßgegenstände, die derjenigen des befriedigten Pfandgläubigers entspricht28, wenngleich sie nicht klageweise, sondern mit einem speziellen Interdikt durchgesetzt wird.29 Das Problem ist in beiden Fällen dasselbe: Der Erwerb der Klage und des Interdikts beruht auf der Handlung eines gewaltfreien Dritten und scheint daher der Regel per extraneam personam nobis adquiri non posse30 zu widersprechen. Die Lösung wird zwar nicht ausdrücklich mitgeteilt, sie läßt sich aber leicht 25 Übersetzung: Wenn jemand für mich an meinen Gläubiger leistet, obwohl ich nichts davon weiß, wird mir die Klage auf Rückgabe der Pfandsache erworben. Ebenso müssen Vermächtnisnehmer, wenn jemand die vermachten Gegenstände leistet, aus dem Besitz weichen; andernfalls entsteht dem Erben ein Interdikt, daß er sie vertreiben kann. 26 Vgl. Lenel Paling. I 656 (Marcian 80). 27 Die entsprechende Kondemnationsbedingung der in factum konzipierten Formel lautet ,eamque pecuniam solutam‘; vgl. Lenel EP 254 f. und Kaser TR 47 (1979) 201 ff. (= Pfandrecht 65 ff.), jeweils mwN. 28 Die materiellrechtlichen Folgen der missio in possessionem werden häufig mit dem Pfandrecht verglichen; vgl. die Nachweise bei Kaser/Hackl 392 A. 45 und – speziell zur missio legatorum servandorum causa – D 36.4.5.21 Ulp 52 ad ed (cum exemplum pignorum sequimur). Auch Marcian selbst behandelt in seiner Monographie zum Pfandrecht einen Fall der missio in possessionem und bezeichnet dort das durch die Beschlagnahme begründete Recht als pignus (D 42.5.35 Marci l s ad form hyp). 29 Von dem gleichen Interdikt handelt D 36.3.11 Gai 13 (Lenel Paling. I 299 A. 1: 18) ad ed prov. Lotmar SZ 31 (1911) 99 ff. bezieht beide Stellen auf das interdictum quod legatorum; dagegen überzeugend Lenel Mél. Girard II 81 ff., der auf die parallele Problematik in D 42.4.5.2, 3 Ulp 59 ad ed und D 25.5.1.2 Ulp 34 ad ed hinweist und ein besonderes Interdikt annimmt, das je nach Maßgabe des Einzelfalls verschieden formuliert wird. Riccobono in: Vinogradoff (Hrsg.), Essays in Legal History (1913) 71 f. hält dieses Interdikt für überflüssig und alioquin . . . possit für interpoliert; ihm folgt Solazzi estinz. 43 A. 5; wie Lenel dagegen Betti Appunti 291. 30 Gai 2.95; vgl. auch D 44.7.11 Paul 12 ad Sab und D 45.1.126.2 Paul 3 quaest zum Forderungserwerb sowie Gai 3.103, D 45.1.38.17 Ulp 49 ad Sab und C 8.38.3 pr. Diocl/Max zur Stipulation; dazu Kaser RP I 491 mwN. in A. 28 sowie Brutti StSen 80 (1968) 261 ff., Schmidlin Rechtsreg. 70 ff., Nörr SZ 89 (1972) 56 ff., Behrends St. Sanfilippo V (1984) 1 ff., Flume Rechtsakt 81 f., 95 ff. und Zimmermann 34 ff.

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

erschließen: Die solutio des Dritten ist gerade kein schuldbegründender Vertrag, sondern Tilgungsakt.31 Sie wird auch nicht dadurch zu einem Erwerbsgeschäft, daß mit dem Erlöschen der Forderung ein Anspruch des Schuldners auf Herausgabe der zu ihrer Sicherung verpfändeten oder beschlagnahmten Gegenstände entsteht. Diese Konsequenz tritt vielmehr ipso iure ein und fällt darum auch nicht unter das Verbot des Rechtserwerbs durch Gewaltfreie. Die Unkenntnis des Schuldners wird nur im ersten Fall erwähnt. Sie ist für die übergreifende Fragestellung des Textes auch nicht unmittelbar von Bedeutung, weil die zitierte Regel den rechtsgeschäftlichen Erwerb per extraneam personam auch im Fall der Kenntnis ausschließt. Durch das konzessive licet ignorante me weist Marcian vielmehr auf ein Folgeproblem hin, das sich nur dann stellt, wenn die Regel nicht eingreift: Kommt es bei einem ausnahmsweise zulässigen Rechtserwerb durch Gewaltfreie auf die Kenntnis des Erwerbers an? Auch in dieser Frage leuchtet Marcians Entscheidung ohne weiteres ein.32 Sie ist zum einen folgerichtig, weil sie den Erwerb der actio pigneraticia auch beim debitor ignorans als Konsequenz der befreienden Drittleistung behandelt. Zum anderen ist der Rechtserwerb durch Dritte, wann immer er zugelassen wird, von der Kenntnis des Erwerbers unabhängig. Dies gilt sowohl für den vom Verbot ausgenommenen Erwerb durch Sklaven und Hauskinder33 als auch für Gewaltfreie, wenn sie als tutor oder procurator ausnahmsweise dem Mündel oder Geschäftsherrn erwerben34, und für die Darlehenshingabe alterius nomine, die als einzige Form des Forderungserwerbs jedem Dritten offensteht.35 Die befreiende Wirkung der Drittleistung ist für Marcian kein Problem. Sie wird in fr. 40 nicht einmal ausdrücklich erwähnt, sondern als selbstverständlich vorausgesetzt. Aus dem Text ergibt sich daher lediglich, daß das Verbot des Rechtserwerbs durch Gewaltfreie zwar den forderungsbegründenden Vertrag zu31 Vgl. Gai 3.91, wo die condictio indebiti von den Obligationen ex contractu unterschieden wird, quia is, qui solvendi animo dat, magis distrahere vult negotium quam contrahere; dazu o. § 3 I 1. 32 Der Hinweis auf die Unkenntnis des Erwerbers hat also eher klarstellende Bedeutung. Das konzessive licet ist darum jedoch nicht zu beanstanden. Ähnliche Klarstellungen finden sich nämlich auch in anderen Texten; vgl. etwa die in A. 33 bis 35 angeführten Stellen, aber auch D 3.5.2 Gai 3 ad ed prov (si quis absentis negotia gesserit licet ignorantis, . . . tamen habet eo nomine actionem). 33 Vgl. I 2.9.3 (item vobis adquiritur, quod servi vestri ex traditione nanciscuntur sive quid stipulentur vel ex qualibet alia causa adquirunt. hoc enim vobis et ignorantibus et invitis obvenit), aber auch D 5.3.35 Gai 6 ad ed prov (etiam ignoranti adquireretur) sowie D 23.3.46 pr. Iul 16 dig, D 41.1.32 Gai 11 ad ed prov, D 45.1.62 Iul 2 ex Minic und D 46.3.22 Ulp 45 ad Sab (alle zum Erwerb invito domino); nach Gai 2.87 ist lediglich den Antritt einer Erbschaft vom iussum des Gewalthabers abhängig. 34 Vgl. D 41.1.13 pr. (adquiritur etiam ignoranti) und 1 (adquirit etiam ignorantibus) Ner 6 reg zum Erwerb der Kaufsache. 35 Vgl. D 12.1.9.8 Ulp 26 ad ed (absente te et ignorante Aristo scribit adquiri tibi condictionem).

§ 26 Gaius’ Erklärung der Drittleistung

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gunsten Dritter umfaßt, nicht aber die schuldtilgende Drittleistung, die nur deshalb mit den Erwerbsgeschäften in Zusammenhang gebracht wird, weil sie im Pfandrecht und in verwandten Fällen einen Anspruch auf Herausgabe von Sicherheiten nach sich zieht. Ihre primäre Rechtsfolge wird dagegen nicht als ,Erwerb‘ der Befreiung verstanden und deshalb auch nicht an der Regel per extraneam personam nobis adquiri non posse gemessen.36 Insofern hat Marcians Entscheidung auch für Gaius’ Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung Bedeutung. Denn sie schließt eine – zwar eher fernliegende, aber immerhin denkbare37 – ratio dubitandi aus. Weitergehende Rückschlüsse läßt sie allerdings nicht zu. So ist vor allem das konzessive licet ignorante me im ersten Satz von fr. 40 kein Anhaltspunkt dafür, daß die Befreiung des debitor ignorans mit besonderen Schwierigkeiten verbunden wäre. Denn es bezieht sich allein auf den Erwerb der actio pigneraticia, während die befreiende Wirkung der Drittleistung auch in diesem Fall stillschweigend vorausgesetzt wird. In den beiden Gaiusstellen hat der Tatbestand der Drittleistung pro ignorante also weder einen eigenen Anwendungsbereich, noch bezieht er sich auf einen besonders problematischen Fall oder Aspekt der Drittleistung pro invito. Die Erwähnung des debitor ignorans ist darum aber nicht verdächtig.38 Sie entspricht nämlich nicht nur der üblichen Tatbestandsbeschreibung in den Quellen zur eigenmächtigen Drittleistung39, die Verbindung von ivitus und ignorans ist vielmehr auch in anderen Zusammenhängen gebräuchlich und hat in ihrer Häufigkeit beinahe formelhaften Charakter. So finden sich in den Digesten insgesamt vierzehn40, im Codex sieben41 und in den Institutionen drei42 Nachweise, 36 Die im englischen Recht vertretene Auffassung, der zwischen dem Gläubiger und einem ,voluntary intervener‘ geschlossene ,executory contract‘ könne nach der ,privity of contract‘-Doktrin keine unmittelbare Wirkung für den Schuldner entfalten (s. o. § 1 A. 7), entspricht also offenbar nicht den Vorstellungen der römischen Juristen. 37 Vgl. die o. § 1 A. 7 a. E. zitierte Bemerkung von Beatson/Birks, aber auch die Rechtslage beim pactum de non petendo; dazu u. bei A. 111 ff. 38 So jedoch Frese 444 f. A. 210 und 211, dem insoweit auch Solazzi estinz. 44 A. 5 und Below 89 zustimmen; dazu bereits o. § 1 bei A. 90 ff. 39 S. o. § 24 I 1 bis 3. 40 Vgl. neben D 3.5.38, D 46.3.23 und D 46.3.53 auch D 12.3.4 pr. Ulp 36 ad ed (grave enim videbatur et ignorantes et invitos tutores sub alieni compendii emolumento etiam periurium anceps subire), D 17.1.53 Pap 9 quaest (pro invito vel ignorante alterutrius mandatum secutus fideiussit), D 22.1.25 pr. Iul 7 dig (fructus, quos . . . perceperit invito vel ignorante socio), D 29.5.27 Call 1 de iure fisci (si de pluribus heredibus quibusdam invitis aut ignorantibus apertum erit testamentum), D 36.1.67 pr. Maec 5 fideic (servo invito domino vel ignorante non recte restituetur hereditas), D 39.1.1.5 Ulp 52 ad ed (et adversus absentes etiam et invitos et ignorantes operis novi nuntiatio procedit), D 39.4.16.4 Marci l s de delat (ne . . . in potestate servorum sit invitis vel ignorantibus dominis fugae se tradendo potestati dominorum se subtrahere), D 40.10.3 Marci 1 inst (ius anulorum datum ademit illis, qui invitis aut ignorantibus patronis acceperant), D 46.1.16 pr. Iul 53 dig (Sempronii vero persona in hoc solum interposita videbitur, ut solvi ei ante litem contestatam et ignorante vel

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

die durch die außerjustinianische Überlieferung um je eine Stelle aus den Institutionen des Gaius und den Paulussentenzen ergänzt werden.43 Ähnlich verbreitet ist eine Variante dieser Wortverbindung, in der invitus mit inscius kombiniert wird.44 Die zumeist paarweise Verbindung mehrerer Begriffe mit gleicher oder ähnlicher Bedeutung gehört zu den stilistischen Eigenarten der juristischen Fachsprache.45 Die älteste und zugleich markanteste Form dieser sogenannten Synonymenhäufung ist das zweigliedrige Asyndeton, das zahlreiche technische Ausdrücke (wie emptio venditio, pactum conventum, dare facere, ire agere oder invecta illata46) hervorgebracht und beim ususfructus sogar zur Verschmelzung der beiden Begriffe geführt hat. Es stammt aus der Ritualsprache, wo mit der Verwendung von zwei Worten dem Fall vorgebeugt werden soll, daß eines seinen Zweck verfehlt. In der Gesetzes- und Formularsprache dient es dazu, Zweifel und Mißverständnisse auszuschließen. So wird der eine Begriff durch den anderen nicht nur ergänzt47, sondern oft auch in seiner Bedeutung genauer beinvito Titio possit), D 47.22.3.2 Marci 2 iudic public (servos . . ., ne invito aut ignorante domino in collegium tenuiorum reciperent) und D 50.16.79.1 Paul 6 ad Plaut (quorum nomine onerari mulierem ignorantem vel invitam non oportet). Nicht hierher gehören D 26.5.6 Ulp 8 de omn trib (nec non ignoranti et invito) und D 50.17.26 Ulp 30 ad Sab (qui potest invitis alienare, multo magis et ignorantibus et absentibus potest). 41 Vgl. C 3.32.3 pr. Alex (maritus fundum tuum invita vel ignorante te vendere iure non potuit), C 3.44.2 Ant (invito vel ignorante te ab alio illatum corpus in puram possessionem tuam vel lapidem locum religiosum facere non potest), C 4.39.3 = C 8.41.1 Alex (nominis venditio et ignorante vel invito eo, adversus quem actiones mandantur, contrahi solet), C 8.25.3 Alex (si ignorante vel invito te debitor tuus, qui universa bona sua . . . tibi obligaverat, . . . postea contraxit, ius tuum non laesit), C 8.42.12 Diocl/Max (invito vel ignorante creditore qui solvit alii, non se liberat obligatione), C 8.51.1 Alex (si invito vel ignorante te partus ancillae . . . tuae expositus est) und C 8.53.10 Diocl/Mac (nec ignorans nec invitus quisque donat). 42 Vgl. neben I 3.29 pr. auch I 2.9.3 (item vobis adquiritur, quod servi vestri . . . adquirunt. hoc enim vobis et ignorantibus et invitis obvenit) und I 3.7.4 (hominem, si invito vel ignorante patrono ad civitatem venire ex beneficio principis festinavit). 43 Vgl. Gai 3.72 (si Latinus invito vel ignorante patrono ius quiritium ab imperatore consecutus sit) und PS 2.21a.9 (filia familias si invito vel ignorante patre servo alieno se iunxerit). 44 Sie findet sich in D 9.2.27.30 Ulp 18 ad ed, D 23.3.34 Ulp 33 ad Sab, D 43.24.15 pr. Ulp 71 ad ed, D 46.3.78 Iav 11 ex Cass, D 47.2.48.4 Ulp 42 ad Sab, D 48.15.6.2 Call 6 de cogn, C 8.15.8 = C 11.48.17 Honor/Theodos und vat 269 Ulp 46 ad Sab. Weitere Varianten sind ignorante vel nolente (in C 5.17.8.3 Theod/Valent), invito vel ignaro und nolente vel inscio (beide in C 12.5.4.4 Leo). 45 Vgl. dazu und zum folgenden Kalb Juristenlatein 37 ff. und Wegweiser 132 ff., Hofmann/Szantyr 786, Kühner/Stegmann 568 und zuletzt Wolf in: Mandatum 80 f. 46 Nachweise und weitere Beispiele bei Kalb Juristenlatein 37 ff. und Wegweiser 134 ff. 47 So etwa bei der Aufzählung der männlichen und weiblichen Verwandten in der lex Pompeia de parricidiis; vgl. D 48.9.1 Marci 14 inst (patrem matrem, avum aviam, fratrem sororem etc.).

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stimmt.48 Die klassischen Juristen bilden zwar kaum mehr neue Asyndeta49, sie greifen aber weiterhin auf das Mittel der Synonymenhäufung zurück, um sich besonders klar und unmißverständlich auszudrücken. So finden sich gerade auch bei Gaius zahlreiche streng genommen pleonastische Verbindungen paralleler oder synonymer Begriffe, die eher dem Bemühen um Genauigkeit zuzuschreiben sind als einem Hang zu Weitschweifigkeit und rhetorischer Überladung.50 Zu dieser jüngeren Form der Synonymenhäufung gehört auch die Verbindung von invitus und ignorans (oder inscius), deren fast schon stereotyper Gebrauch in der bereits mehrfach erwähnten51 Doppeldeutigkeit von invitus begründet sein dürfte: Steht der Begriff für sich allein, so bleibt häufig unklar, ob er gerade den entgegenstehenden Willen meint oder alle Fälle fehlender Zustimmung. Neben ignorans (oder inscius) bleibt für solche Zweifel oder gar Mißverständnisse dagegen kein Raum. Denn die Unkenntnis ist einerseits ein offensichtlicher, andererseits aber nicht der einzige Fall der fehlenden Zustimmung, so daß ignorans nicht nur als Ergänzung zu invitus zu verstehen ist, sondern vor allem als Hinweis darauf, daß der Begriff in seiner weiten Bedeutung (,ohne Willen‘) gebraucht wird, die eben auch den Fall der Unkenntnis umfaßt. Die Verbindung der beiden Worte bringt also in der Sache nicht unbedingt Neues, sie dient aber stets der begrifflichen Klarheit und erfüllt damit eine typische Funktion der Synonymenhäufung in der juristischen Fachsprache. Genau diesem Zweck dient auch die Erwähnung des debitor ignorans in den beiden Gaiustexten52 und in den übrigen Quellen zur eigenmächtigen Drittleistung: Sie stellt lediglich klar, daß invitus die gleiche umfassende Bedeutung hat wie in dem von Labeo abgelehnten Satz debitor tuus potest invitus a te solvi. Der Tatbestand der Drittleistung invito debitore wird aber weder unterteilt noch erweitert, sondern nur anders, nämlich unmißverständlich bezeichnet.53 48 Vgl. nur Wolf (o. A. 45) 81 A. 27 zu dare credere in den neuen pompejanischen Urkunden. 49 Vgl. Kalb Juristenlatein 39 f. 50 Kalb Wegweiser 132 ff. führt als Beispiele für „Hendiadyoin und Pleonasmus“ unter anderem vis et potestas in Gai 1.122 und sententiae et opiniones in Gai 1.7 an. In der Kommentierung der zweiten Stelle weisen David-Nelson 16 – ebenfalls beispielhaft – auf weitere Synonymenhäufungen in Gaius’ Institutionen hin, und zwar auf aguntur et fiunt (Gai 1.112) und iusta ac legitima (Gai 1.17). 51 S. o. bei A. 22, aber auch schon § 1 bei A. 70, § 24 bei A. 4, 7 und 13 sowie § 25 bei A. 29 und A. 73. 52 In D 3.5.38 wird die Bedeutung von invito (et ignorante) allerdings schon durch das korrespondierende sine voluntate eindeutig bestimmt; s. o. bei A. 22 und § 1 bei A. 70. 53 Zur Erinnerung: In D 46.3.91 ist die Erwähnung des debitor ignorans entbehrlich, weil sich hier bereits aus der logischen Struktur des Pithanon ergibt, daß invitus im Folgesatz in seiner weiten Bedeutung (,ohne Willen‘) zu verstehen ist; s. o. § 25 bei A. 29 f.

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

Die Verbindung von invitus und ignorans gehört damit ebenso zur äußeren Darstellung wie die eingangs (unter 1) behandelte Spiegelung. Sie macht zwar auch deutlich, daß die befreiende Wirkung der Drittleistung weder von der Kenntnis noch vom Willen des Schuldners abhängt. Diese zusätzliche Klarstellung ist aber bloßer Nebeneffekt und gerade kein Hinweis auf eine besondere Schwierigkeit bei der Drittleistung ignorante debitore. Das Rechtsproblem ist vielmehr dasselbe wie in Labeos Pithanon: Tritt die Befreiung unabhängig vom Willen des Schuldners ein, oder unterliegt sie der Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten? Daß Gaius diese Frage nur für die Drittleistung stellt, erklärt sich aus dem palingenetischen Kontext der beiden Fragmente. Auffällig bleibt allerdings seine pauschale Antwort. Denn Labeo lehnt einen einheitlichen Tatbestand der Befreiung invito debitore nur deshalb ab, weil er auch den ausdrücklichen Widerspruch des Schuldners umfaßt, und dieser allein streitige Fall wird weder in D 3.5.38 noch in D 46.3.53 besonders erwähnt.54 III. Das Argument aus der melior condicio – normatives Prinzip oder juristischer Topos? 1. Bei formaler Betrachtung erscheint die Begründung in D 3.5.38 und D 46.3.53 als juristische Deduktion55 im strengen Sinn: Gaius führt die befreiende Wirkung der eigenmächtigen Drittleistung darauf zurück, daß jedermann die Rechtslage eines anderen auch ohne dessen Zustimmung verbessern kann. Er leitet also einen Rechtssatz aus einem anderen, ebenfalls normativen Obersatz ab. Diese Deduktion ist als solche ebenso zwingend wie banal. Sie beschränkt sich nämlich auf die Erkenntnis, daß die Befreiung von einer Verbindlichkeit die Rechtslage des Schuldners verbessert. Die folgende Analyse kann und muß sich daher auf die Prämisse selbst konzentrieren. Dabei geht es – wie bereits angekündigt – zunächst nur um ihren sachlichen Gehalt. Die Herleitung aus der naturalis simul et civilis ratio wird in einem eigenen Abschnitt (unter IV) behandelt.

54 Aus diesem Grund hat die ausdrückliche Erwähnung der unstreitigen Drittleistung ignorante debitore eine ähnlich suggestive Wirkung wie die Spiegelung (s. o. 1 a. E.). Sie verstärkt den Eindruck eines einheitlichen und insgesamt unproblematischen Tatbestands und läßt den allein streitigen, aber ungenannten Fall des Widerspruchs in den Hintergrund treten. So wird noch leichter übersehen, daß gerade bei der Drittleistung nicht ohne weiteres von der Entbehrlichkeit der Zustimmung auf die Unbeachtlichkeit des Widerspruchs geschlossen werden kann (s. o. § 24 nach A. 9 sowie § 25 II 2 a. E. und II 4 a. E. und II 4 a. E.). Anders als bei der Spiegelung dürfte dieser persuasive Effekt allerdings kaum beabsichtigt, sondern eher der stereotypen Verbindung von invitus und ignorans zuzuschreiben sein. 55 Vgl. zur deduktiven Entscheidungsfindung bei den römischen Juristen vor allem Horak 84 ff., Wieacker RG I 576 f., ders. Fs. Kaser (1976) 3 ff. sowie zuletzt Harke 39 ff. und dazu Horak SZ 118 (2001) 418 ff.

§ 26 Gaius’ Erklärung der Drittleistung

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In der Sache fällt Gaius’ Prämisse zuallererst durch ihre Allgemeinheit und ihren prinzipiellen Charakter auf: Die Möglichkeit, die Rechtslage eines anderen ohne dessen Zustimmung zu verbessern, umfaßt nicht nur die eigenmächtige Drittleistung und alle anderen Formen der von Labeo abgelehnten Befreiung invito debitore, sondern jede rechtlich vorteilhafte Einmischung in fremde Angelegenheiten. Entgegen Mitteis56 und Kretschmar57 beruht sie auch nicht auf bloßen ,Opportunitäts‘- oder ,Zweckmäßigkeitserwägungen‘, sondern auf einer theoretischen Reflexion über die Grundlagen des Privatrechts: Gaius handelt von der Privatautonomie, genauer: von der Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten, oder noch genauer: vom Grund und von den Grenzen ihres Schutzes durch die Rechtsordnung. Er beschränkt sich nämlich gerade nicht darauf, die eigenmächtige Drittleistung mit der pragmatischen Überlegung zu rechtfertigen, daß sie dem Schuldner nur Vorteile bringt.58 Durch den Vergleich mit der Leistung an Dritte und den zweiten Teil des Begründungssatzes in fr. 38 macht er vielmehr deutlich, daß überhaupt nur nachteilige Eingriffe in eine fremde Rechtssphäre der Zustimmung bedürfen, während vorteilhafte uneingeschränkt möglich und damit dem Einfluß des Betroffenen von vornherein entzogen sind. Wie schon Seidl59 bemerkt, steht dahinter die Frage: „Wozu ist denn der Wille des Menschen im Privatrecht so geschützt?“, und die Antwort lautet: „Doch nur, daß er seine schutzwürdigen Interessen verteidigen kann.“ Gaius’ Prämisse ist in dieser allgemeinen Form nicht mehr belegt und sicher auch nicht zutreffend. So weist Beseler in seinen interpolationenkritischen ,Beiträgen‘60 mit Recht darauf hin, daß ihr zufolge „sowohl ein obligatorischer wie ein dinglicher Vertrag zugunsten eines Dritten“ möglich sein müßten, was auch nach Gaius eigener Auffassung nicht der Fall ist.61 Dieser Einwand läßt sich nicht damit entkräften, daß die solutio kein Vertrag sei.62 Er richtet sich nämlich gegen den Begründungssatz, der gerade nicht mehr nur von der Drittleistung handelt und nach seinem eindeutigen Wortlaut (alienam condicionem 56

SZ 30 (1909) 440 („Opportunitätserwägung“); s. o. § 1 nach A. 25. 28 (,rechtspolitische Zweckmäßigkeitserwägung‘); vgl. auch SZ 38 (1917) 322 (,Opportunitätsgründe‘); ähnlich Cruz 336 („motivo de opportunidade“), vgl. aber auch 335 („uma explicação curiosa, de carácter prático“). 58 Eine solche Rechtfertigung würde das Problem nur auf eine allgemeinere Ebene verlagern. Denn die ratio dubitandi besteht ja gerade darin, daß der Dritte in die Rechtssphäre des Schuldners eingreift, und wenn dies bei der Drittleistung problematisch ist, stellt sich das gleiche Problem bei jedem rechtlich vorteilhaften Eingriff in eine fremde Rechtssphäre. 59 RP 122; zustimmend Claus 159. 60 V 17; dazu bereits o. § 1 bei A. 79 und 98. 61 S. o. A. 30. Ähnlich offensichtlich ist der Widerspruch zum Vertragscharakter der Schenkung; vgl. D 39.5.19.2 Ulp 76 ad ed (non potest liberalitas nolenti adquiri) und dazu o. § 12 bei A. 20 sowie § 25 A. 106. 62 So aber Maschi 275 f., der indes einräumt, daß Gaius’ Prämisse keine Allgemeingültigkeit besitzt, sondern nur kasuistisch angewandt wird (278). 57

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statt condicionem debitoris), aber auch als Prämisse eines Deduktionsschlusses Allgemeingültigkeit für sich in Anspruch nimmt. Aus dem gleichen Grund ist Beselers Maßstab auch nicht zu streng.63 Denn die Überzeugungskraft deduktiver Begründungen hängt entscheidend von der sorgfältigen Bildung des Obersatzes ab. Wie bereits in der Einleitung dargelegt wurde64, begründet dies zwar keine Zweifel an der Authentitzität des Textes, wohl aber die Notwendigkeit, Gaius’ Prämisse auf ihre Tragfähigkeit zu prüfen: Ist der Grundsatz, daß man die Lage eines anderen auch ohne dessen Zustimmung verbessern kann, wenn schon nicht systembildend, so doch innerhalb der Vorgaben des Zivilrechts als verbindliche Norm oder wenigstens als allgemeine Maxime der Rechtsauslegung und -fortbildung anerkannt? Im folgenden (unter 2) soll gezeigt werden, daß auch dies nicht der Fall ist. Im Anschluß wird dann (unter 3) der Versuch unternommen, Gaius’ Prämisse als spezifisch juristischen Argumentationstopos zu erklären. 2. Auch wenn der Grundsatz alienam condicionem meliorem . . . nos facere posse in dieser Allgemeinheit nicht mehr belegt ist, wird doch in verschiedenen Einzelfragen mit der Verbesserung der condicio (oder causa) aliena argumentiert.65 So läßt Gaius selbst66 neben dem verfassungsmäßig berufenen Organ auch jeden vertretungsbereiten Dritten als defensor einer Körperschaft zu, quia eo modo melior condicio universitatis fit, und nach Ulpian67 findet das interdictum quod vi aut clam auf die Bestellung eines fremden Ackers keine Anwendung, si melior causa facta sit agri.68 Zu vier Problemkreisen sind sogar regelhafte Verallgemeinerungen überliefert, die eine besondere Bedeutung des Arguments für das jeweilige Rechtsgebiet bezeugen. Die erste handelt von den Befugnissen des Nießbrauchers:

63 So aber Solazzi estinz. 13 A. 3: „Ma io temo che, se noi dessimo questa immensa portata al pensiero di Gaio, egli ci griderebbe ,cave a consequentiariis‘.“ 64 S. o. § 1 bei A. 98. 65 Darauf weist schon Maschi 278 hin. In den meisten seiner Beispiele geht es allerdings nicht – wie in D 3.5.38 – um den Eingriff in eine fremde Rechtssphäre, sondern um andere Anwendungsfälle des Arguments aus der melior condicio, die hier (unter 3) gesondert behandelt werden; vgl. im übrigen u. A. 145. 66 D 3.4.1.3 Gai 3 ad ed prov; vgl. aber D 3.5.8 Iav 15 ex Cass und zu dem Verhältnis der beiden Stellen Lenel EP 101 bei A. 4 mit 100 bei A. 1 ff. sowie Kaser/ Hackl 218 A. 82 mwN. 67 D 43.24.7.7 Ulp 71 ad ed; ähnlich D 47.12.7 Marci 3 inst zur actio de sepulchro violato. 68 Vgl. auch D 41.4.2.8 (quod deterior causa pupilli non fit) und eod. 2.9 mit D 3.3.49 (ignorantis domini condicio deterior per procuratorem fieri non debet). Die drei Paulusstellen aus dem 54. Buch ad edictum sind palingenetisch unmittelbar benachbart – vgl. Lenel Paling. I 1068 (Paulus 664) – und handeln von verwandten Problemen der usucapio.

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D 7.1.13.4 Ulp 18 ad Sab Fructuarius causam proprietatis deteriorem facere non debet, meliorem facere potest . . .69

Der Nießbrauch berechtigt zum Gebrauch und zur Fruchtziehung bekanntlich nur salva rerum substantia.70 Die in fr. 13.4 formulierte generelle Erlaubnis, den Zustand der Sache zu verbessern, scheint daher die Befugnisse des Nießbrauchers zu erweitern.71 Auch sie ist jedoch nur Teil seines Nutzungsrechts und unterliegt daher denselben Schranken.72 Dies zeigen zum einen die Beispiele, die Ulpian selbst im Fortgang des Textes anführt. So erklärt er in § 7 zwar die Öffnung von Fenstern und die Ausstattung eines Hauses mit Bildern, Statuen und ähnlichem Schmuck für zulässig, nicht aber die Verbindung oder Trennung von Zimmern und andere Veränderungen des Grundrisses oder der vorhandenen Bausubstanz. In der Begründung verweist er dann sogar ausdrücklich auf die beschränkte Rechtsstellung des Nießbrauchers: excolere enim quod invenit potest qualitate aedium non immutata. Ein anderes Beispiel stammt von Neraz73 und belegt damit zugleich, daß die bei Ulpian überlieferte Formel zur Zeit des Gaius längst bekannt ist. Danach ist es dem Nießbraucher nicht gestattet, rohes Mauerwerk zu verputzen, quia tametsi meliorem excolendo aedificium domini causam facturus esset, non tamen id iure suo facere potest, aliudque est tueri quod accepisset aliud novum facere74. Hier macht vor allem die Unterscheidung zwischen tueri und novum facere deutlich, daß der Nießbrauch im Rahmen der Nutzung auch zur Erhaltung und Instandsetzung der Sache berechtigt75, nicht aber zu deren Ausbau.76 69 Übersetzung: Der Nießbraucher darf die Lage des Eigentums nicht verschlechtern, er kann sie aber verbessern. 70 D 7.1.1 Paul 3 ad Vitell = I 2.4 pr. 71 Sie galt daher lange als interpoliert; vgl. zuletzt Grosso Usufr. 113 ff. mwN. auch zu den anderen in diesem Zusammenhang verdächtigten Texten. 72 Maßstab ist offenbar das boni viri arbitratu usurum fruiturum der in D 7.1.13 pr. Ulp 18 ad Sab und D 7.9.1 pr. Ulp 79 ad ed überlieferten cautio usufructuaria; vgl. D 7.9.1.3 Ulp 79 ad ed (cavere autem debet viri boni arbitratu perceptu iri usum fructum, hoc est non deteriorem se causam usus fructus facturum), aber auch D 7.1.15.6 Ulp 18 ad Sab, D 7.1.66 Paul 47 ad ed und D 7.6.2 Pomp 5 ad Sab; zum Ganzen Grosso Usufr. 101 ff. und 110 ff. 73 D 7.1.44 Ner 3 membr. 74 So die grammatisch korrekte Lesart der Vulgata; die Florentina hat an novum faceret. 75 Zu notwendigen Reparaturen ist der Nießbraucher sogar verpflichtet; vgl. nur D 7.1.7.2, 3 Ulp 17 ad Sab, C 3.33.7 Gord und dazu Grosso Usufr. 162 ff. 76 Diese Abgrenzung wird durch D 7.1.61 Ner 2 resp und vor allem durch eine weitere, indirekt überlieferte Nerazentscheidung bestätigt. So heißt es am Ende von D 7.1.7.3 Ulp 17 ad Sab: Neratius autem libro quarto membranarum ait non posse fructuarium prohiberi, quo minus reficiat, quia nec arare prohiberi potest aut colere: nec solum necessarias refectiones facturum, sed etiam voluptatis causa (ut tectoria et pavimenta et similia) facere, neque autem ampliare nec utile detrahere posse. Die Di-

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Der allgemeine Satz in D 7.1.13.4 gestaltet die Befugnisse des Nießbrauchers also nicht nach einem übergeordneten Prinzip, sondern bestimmt deren Grenzen aus Funktion und Rechtsnatur des Nießbrauchs. Auch insofern hat der Satz keinen normativen Gehalt, sondern den Charakter einer bloßen Faustformel. Er bringt nämlich nur zum Ausdruck, daß der Ausschluß substanzverändernder Eingriffe dem Schutz des Eigentümers dient und deshalb bei einer Verbesserung der causa proprietatis nicht so streng zu handhaben ist wie bei einer Verschlechterung.77 Das Argument des meliorem facere begründet damit zwar keine neue Befugnis des Nießbrauchers, in Verbindung mit dem korrespondierenden deteriorem facere liefert es aber immerhin einen Gesichtspunkt, der die zweckgerechte Bestimmung begrifflicher Grenzen ermöglicht und insofern zu einer gewissen Erweiterung des auf die Nutzung beschränkten Rechtes führen kann. Bei der zweiten regelhaften Verallgemeinerung des Arguments ist nicht einmal dies der Fall. Sie beschreibt lediglich den regelmäßigen Umfang der Rechte aus einer Servitut: D 8.2.20.5 Paul 15 ad Sab . . . et omnino sciendum est meliorem vicini condicionem fieri posse, deteriorem non posse . . .78

In dem ersten, nicht abgedruckten Teil dieser Stelle zeigt Paulus am Beispiel des Traufrechts (servitus stillicidii), daß ein genau bestimmter modus oder locus servitutis79 den Eigentümer des herrschenden Grundstücks nicht hindert, sein Recht in einer weniger belastenden Weise auszuüben. So kann er die Traufe auch höher hängen als vereinbart, weil das Wasser dann sanfter herabfällt. Er darf sie nur nicht niedriger hängen und dadurch die Belastung des dienenden Grundstücks verstärken. Diesen Gedanken überträgt Paulus zunächst auf die gesten setzen den Satz in D 7.1.8 Ulp 40 ad ed fort: quamvis melius repositurus sit: quae sententia vera est. 77 Nach der gleichen Faustformel werden offenbar auch die dem Eigentümer als Inhaber der nuda proprietas verbleibenden Befugnisse bestimmt; vgl. etwa D 7.1.16 Paul 3 ad Sab, D 17.1.17.1 Ulp 18 ad Sab, D 39.1.2 Iul 49 dig, D 43.25.1.4 Ulp 71 ad ed und vor allem D 7.8.23 Paul 1 ad Ner: Neratius: usuariae rei speciem is cuius proprietas est nullo modo commutare potest. Paulus: deteriorem enim causam usuarii facere non potest: facit autem deteriorem etiam in meliorem statum commutata. Der Text der Florentina ist grammatisch nicht korrekt. Daher ist entweder vor etiam ein re zu ergänzen (so die Vulgata) oder etiamsi in meliorem statum commutat zu lesen (so Mommsen in Anlehnung an F1). Unabhängig davon zeigt die paradoxe Begründung der Paulusnote in aller Deutlichkeit, daß die Faustformel keinen normativen Charakter hat, sondern lediglich das aus der Rechtsnatur (hier des usus) gewonnene Ergebnis beschreibt. Vgl. im übrigen Grosso Usufr. 485 und 263 ff. 78 Übersetzung: Und überhaupt muß man wissen, daß die Lage des Nachbarn verbessert werden kann und nicht verschlechtert werden kann. 79 Vgl. zu diesen Inhaltsbestimmungen etwa Grosso Serv. 159 ff. oder Biondi Serv. 299 ff.

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Versetzung der Traufe (eadem causa retro duci potest stillicidium), um ihn dann zu abstrahieren (lenius facere poterimus, acrius non) und schließlich in dem hier interessierenden Merksatz auf alle Servituten zu erstrecken (et omnino sciendum est . . .).80 Derartige Verallgemeinerungen sind im Recht der Grunddienstbarkeiten besonders verbreitet81, nach Kaser82 werden sie „freilich nicht engherzig und starr, sondern als elastische, dem praktischen Bedürfnis angepaßte Erfahrungssätze gehandhabt.“ So scheint auch die Regel meliorem condicionem vicini fieri posse dem für iter, actus, via und aquae ductus belegten Grundsatz zu widersprechen, daß der Inhaber einer solchen Feldservitut den einmal bestimmten Verlauf des Weges oder der Wasserleitung in keiner Weise mehr verändern kann.83 Der Grund liegt jedoch nicht in einer ,elastischen Handhabung‘ der Regel, sondern in ihrer beschränkten Aussage. So ergibt sich vor allem84 aus dete80 Ob die den Digestentext abschließende Einschränkung nisi aliquid nominatim servitute imponenda immutatum fuerit von Paulus stammt, ist nicht gesichert; vgl. nur Eisele SZ 10 (1889) 303. Sie kann aber auch deshalb ausgeklammert werden, weil sie lediglich klarstellt, daß ,unabänderliche‘ Bestimmungen über den Inhalt einer Servitut nicht unter die von Paulus formulierte Regel fallen. Auch der ebenfalls von Eisele SZ 11 (1890) 5 verdächtigte Einschub id est pro stillicido flumen bedarf hier keiner Erörterung. Die weitergehenden Interpolationsannahmen von Guarneri Citati SD 2 (1936) 340 ff., die sich auch gegen die Regel selbst richten, sind dagegen nicht überzeugend; dazu näher u. A. 84. Für die Klassizität der Regel spricht vielmehr die Verbreitung des hier untersuchten Arguments aus der melior condicio, aber auch die allgemeine Tendenz zur Regelbildung im Recht der Dienstbarkeiten; dazu sogleich im Text. 81 Vgl. zum Thema von fr. 20.5 etwa D 8.1.4.1 Pap 7 quaest (modum adici servitutibus posse constat), D 8.1.5.1 Gai 7 ad ed prov (usus servitutium temporibus secerni potest) oder D 8.1.6 Paul 21 ad ed (ad certam partem fundi servitus tam remitti quam constitui potest) sowie allgemein Kaser RP I 442 f., Biondi Serv. 103 ff. und Grosso Serv. 77 ff., jeweils mwN. 82 RP I 442. 83 Vgl. D 8.3.13.1 Iav 10 ex Cass (qua primum iter determinatum est, ea servitus constitit, ceterae partes agri liberae sunt) und vor allem den zweiten Teil von D 8.1.9 Cels 5 dig (verum constitit, ut, qua primum viam direxisset, ea demum ire agere deberet nec amplius mutandae eius potestatem haberet: sicuti Sabino quoque videbatur, qui argumento rivi utebatur, quem primo qualibet ducere licuisset, posteaquam ductus esset, transferre non liceret). 84 Weitere Hinweise gibt die Argumentation in dem hier nicht abgedruckten Teil des Fragments: Paulus betont sowohl bei der Erhöhung der Traufe als auch bei deren Rückversetzung, daß sich die Ausübung des Traufrechts in beiden Fällen einem – zweifellos zulässigen – non usus annähert (cadet lenius et interdum direptum nec perveniat ad locum servientem . . . in nostro magis incipiet cadere). Entgegen Guarneri Citati (o. A. 80) 341 und 342 ist dies kein Widerspruch zu der Begründung levior enim fit eo facto servitus, sondern deren Erklärung: Paulus zeigt, daß die Lage des dienenden Grundstücks durch die Erhöhung oder Rückversetzung der Traufe zu einer vollständigen Entlastung hin verändert und damit ausschließlich verbessert wird. Auf der anderen Seite stellt Paulus unmittelbar vorher (nämlich in § 4 desselben Fragments) klar, daß eine Traufe aus Ziegeln nicht durch eine solche aus Holz oder anderem Material ersetzt werden darf, ohne danach zu unterscheiden, ob die Lage des Nachbarn durch eine solche Veränderung verbessert oder verschlechtert wird. Dieser

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riorem non posse, daß das korrespondierende meliorem fieri posse nur reine Verbesserungen meint, solche Abweichungen also, die dem Nachbarn ausschließlich Vorteile bringen. Hierzu gehört zwar die Unterschreitung des festgelegten modus, nicht aber die Verlegung des locus servitutis auf einen günstigeren, zuvor jedoch überhaupt nicht betroffenen Teil des dienenden Grundstücks. Das Beispiel der alten Wege- und Leitungsrechte macht zugleich deutlich, was das Argument des meliorem fieri in dem bei Paulus überlieferten Merksatz leistet: Es verschafft dem Servitutsberechtigten keine neuen Befugnisse, verhindert aber, daß seine Rechte über das anerkannte und gebotene Maß hinaus eingeschränkt werden. Die genannten Feldservituten erstrecken sich nämlich, wenn bei ihrer Bestellung nichts anderes bestimmt wird, auf das gesamte dienende Grundstück.85 Daß ihre Ausübung trotzdem auf den einmal gewählten Weg beschränkt wird86, dient allein dem Interesse des Nachbarn87 und läßt darum nicht den Schluß zu, daß jede Abweichung von einem einmal bestimmten locus oder modus servitutis ausgeschlossen wäre. Denn nach dem Zweck solcher Inhaltsbestimmungen bleibt eine weniger belastende Ausübung der Servitut stets zulässig. Genau dies bringt Paulus durch die Unterscheidung zwischen meliorem und deteriorem fieri zum Ausdruck. Auch er leitet seinen88 Merksatz also nicht aus einem übergeordneten Prinzip ab89, sondern entwickelt ihn – gerade umgeuneingeschränkte Ausschluß dürfte damit zu erklären sein, daß ein Austausch des Materials immer auch Nachteile für den Nachbarn haben kann und darum – im Unterschied zu einer Erhöhung oder Rückversetzung der Traufe – eben nicht als ,reine‘ Verbesserung zu qualifizieren ist. Auch er steht daher nicht im Widerspruch zu der Regel in § 5 (so aber Guarneri Citati 343), sondern bestätigt sie geradezu. 85 Vgl. etwa D 8.1.9 Cels 5 dig (in infinito, videlicet per quamlibet eius partem ire agere licebit), D 8.3.13.1 Iav 10 ex Cass (servitus . . . quae ita diffusa est, ut omnes glaebae serviant) oder D 8.3.21 Paul 15 ad Sab (totus fundus tuus servit) und dazu etwa Biondi Serv. 299 ff. 86 Vgl. den o. A. 83 zitierten Fortgang der in A. 85 nachgewiesenen Stellen. 87 Ebenso wie der in D 8.1.9 Cels 5 dig erwähnte modus civilis, der den der Inhaber einer solchen Servitut verpflichtet, bei der Wahl des Weges auf die vorhandene Bebauung und Nutzung des dienenden Grundstücks Rücksicht zu nehmen; vgl. dazu auch D 8.3.22 Pomp 33 ad Sab. 88 Daß der Satz von Paulus selbst stammt, läßt sich zwar nicht mit Sicherheit feststellen. Anders als beim Nießbrauch (s. o. bei A. 73) läßt sich das Argument aus der melior condicio bei der Servitut aber auch nicht weiter zurückverfolgen. Es ist nur noch in einer anderen – ebenfalls spätklassischen – Quelle belegt und bezieht sich hier (wie in den o. A. 77 nachgewiesenen Stellen zum Nießbrauch) gerade nicht auf die Befugnisse des Inhabers, sondern auf die des Adressaten; vgl. D 8.5.6.7 Ulp 17 ad ed: Parietem autem meliorem quidem, quam in servitute impositum est, facere licet: deteriorem si facit, aut per hanc actionem aut per operis novi nuntiationem prohibetur. Daß der Eigentümer des dienenden Grundstücks die ihm obliegende Stützung des Nachbargebäudes durch eine Verstärkung des eigenen Mauerwerks verbessern darf, ergibt sich unmittelbar aus dem Zweck der servitus oneris ferendi, die den Eigentümer des herrschenden Grundstücks nur vor solchen baulichen Maßnahmen schützt, die die Standfestigkeit seines Gebäudes gefährden. Auch hier werden mit dem Argument aus der melior condicio also keine neuen, aus übergeordneten Prinzipien abgeleiteten Be-

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kehrt – aus der besonderen Eigenart der Servituten, nämlich aus den rechtlichen Gegebenheiten bei der beschränkten Nutzung eines fremden Grundstücks. Der dritte Beleg für einen regelhaften Gebrauch des Arguments stammt ebenfalls von Paulus. Er steht am Anfang einer längeren Abhandlung über den Mandatsexzeß im 32. Buch des Ediktskommentars (D 17.1.3 und 5) und hat die Form einer generalisierenden Summe: D 17.1.3 pr. Paul 32 ad ed Praeterea in causa mandati etiam illud vertitur, ut interim90 nec melior causa mandantis fieri possit, interdum melior, deterior vero numquam.91

Wie Nörr92 in einer eingehenden Analyse des gesamten Traktats gezeigt hat, formuliert Paulus in seiner summarischen Vorbemerkung die Kriterien für das nachfolgend entfaltete System der fines mandati, das den überkommenen Schulenstreit zum Exzeß des Kaufmandatars93 in einen größeren Zusammenhang einordnet und zugleich neu interpretiert. In der Streitfrage selbst schließt sich Paulus der sabinianischen Lehre an: Wer eine Sache, die er für einen bestimmten Preis erwerben soll, zu einem höheren Preis kauft, handelt nicht auftragsgemäß und kann daher weder den tatsächlich aufgewendeten Betrag ersetzt verlangen noch – wie die Prokulianer meinen – den geringeren, im Auftrag vorgegebenen Kaufpreis. Paulus rechtfertigt diese strenge Auffassung, die Nörr94 auf ein traditionelles Verständnis von fides und amicitia zurückführt, zunächst95 unfugnisse begründet, sondern lediglich die mit der Servitut verbundenen Einschränkungen eines bestehenden Rechts (des Eigentums) ihrem Zweck entsprechend begrenzt. 89 Dies widerspräche auch seiner eigenen, in D 50.17.1 Paul 16 ad Plaut überlieferten Maxime non ex regula ius sumatur, sed ex iure quod est regula fiat. 90 Das interim der Florentina ist sprachlich korrekt und muß darum weder durch das interdum des Vulgattextes ersetzt werden noch deutet es auf eine Textveränderung; vgl. dazu nur Nörr Mél. Wubbe (1993) 362 und dens. in: Mandatum 30 A. 80 mwN. gegen Mommsen und Fraenkel Hermes 60 (1925) 427 f. einerseits und die Interpolationsannahmen von Pampaloni Bull. 20 (1908) 215 A. 4, Donatuti Bull. 33 (1923) 190, Beseler ACJI I 340 und Arangio-Ruiz Mandato 180 andererseits. 91 Übersetzung: Außerdem geht es beim Auftrag auch darum, daß die Lage des Auftraggebers zuweilen nicht verbessert, bisweilen verbessert, niemals aber verschlechtert werden kann. 92 Mél. Wubbe (1993) 355 ff., zusammenhängende Interpretationen des Traktats finden sich auch bei Cujaz Opera V (1838) 740 ff., Arangio-Ruiz Mandato 179 ff. und Watson Mandate 187 ff.; vgl. außerdem Wittmann in: Mandatum 41 f. 93 Vgl. Gai 3.161, D 17.1.4 Gai 2 rer cott, D 17.1.41 Gai 3 ad ed prov, I 3.26.9 und dazu neben den o. A. 92 genannten Arbeiten insbesondere Glück Bd. 15 (1814) 276 ff., Pringsheim St. Besta I 325 ff. und SZ 72 (1955) 54 ff., Wubbe Symb. David 246 ff., Backhaus SZ 100 (1983) 172 ff., de Buján Est. Iglesias III (1988) 1293 ff., Nörr in: Mandatum 15 ff., Choe in: Mandatum 119 ff., Behrends Fs. Waldstein (1993) 48 ff. und Nelson/Manthe 355 ff. 94 In: Mandatum 13 ff., vgl. dort vor allem 17 ff. und 31 ff.; anders Behrends Fs. Waldstein (1993) 48 ff. Ob auch Paulus’ Entscheidung von bestimmten philosophischen oder sozialethischen Vorstellungen seiner Zeit geprägt ist, wie Nörr 30 f. (vgl. auch Mél. Wubbe 386 f.) unter Hinweis auf Gell. 1.13 vermutet, kann hier ebenfalls

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ter dem ,modernen‘ Gesichtspunkt der aequitas und zieht dann96 den Schluß, daß der Mandatar die Grenzen des Auftrags stets genau einhalten muß, weil er sich im Falle ihrer Überschreitung insgesamt auftragswidrig verhält. Dieser allgemeine Gedanke gilt nicht nur für den kontroversen Fall, daß der Mandatar den festgesetzten Kaufpreis überschreitet und damit zum Nachteil des Mandanten vom Inhalt des Auftrags abweicht. Er kann vielmehr auch solche Abweichungen verbieten, die sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als vorteilhaft erweisen. Diese doppelte Konsequenz, die in der einleitenden Summe bereits vorweggenommen wurde (interim nec melior causa mandantis fieri possit, . . . deterior vero numquam), wird in fr. 5.297 an einem für sich genommen unproblematischen Beispiel verdeutlicht: Wer statt der aufgetragenen eine andere, bei weitem wertvollere Sache kauft, handelt in jedem Fall auftragswidrig, und zwar auch dann, wenn er den vorgegebenen Preis einhält oder sogar unterschreitet. Er kann das fremde Geschäft, dessen Ausführung er übernommen hat, also nicht durch ein günstigeres ersetzen, weil es allein Sache des Mandanten ist, den Gegenstand dieses – seines – Geschäfts frei zu bestimmen.98 nicht beurteilt werden. Seine eher juristisch-technische Argumentation gerade in fr. 3.2 (u. A. 95), aber auch im übrigen Traktat gibt dafür jedenfalls nichts her. 95 D 17.1.3.2 Paul 32 ad ed: Quod si pretium statui tuque pluris emisti, quidam negaverunt te mandati habere actionem, etiamsi paratus esses id quod excedit remittere: namque iniquum est non esse mihi cum illo actionem, si nolit, illi vero, si velit, mecum esse. Vgl. zu der Begründung vor allem die überzeugende Interpretation von Nörr Mél. Wubbe (1993) 364 ff., aber auch schon Pringsheim St. Besta I 329 f. und SZ 72 (1955) 61 ff., dessen Vermutung, die Kompilatoren hätten im vorausgehenden Text quidam für Sabinus et Cassius eingesetzt, trotz der Argumente von Wubbe Symb. David 249 ff. und Nörr 365 f. nicht von der Hand zu weisen ist: Diese bloß redaktionelle Änderung kann durch den unmittelbar anschließenden Einschub von D 17.1.4 Gai 2 rer cott veranlaßt sein. Denn hier entscheiden sich die Kompilatoren für die prokulianische Lehre, die in der Begründung am Ende von fr. 3.2 gerade abgelehnt wird. Wenn diese Begründung von Paulus stammt (was Nörr im Gegensatz zu Wubbe mit überzeugenden Gründen bejaht), dann läßt sie ein zustimmendes Zitat (also etwa: Sabinus et Cassius recte negaverunt) erwarten. Denn sie steht in direkter Rede und enthält auch der Sache nach ein neues Argument, das nicht zur sabinianische Lehre selbst gehört, sondern deren Richtigkeit beweisen soll (vgl. Nörr 366 ff.). Eine ausdrückliche Zustimmung wäre aber mit dem eingeschobenen fr. 4 nicht zu vereinbaren und kann darum gut durch das neutrale quidam negaverunt ersetzt worden sein. 96 D 17.1.5 pr. Paul 32 ad ed: Diligenter igitur fines mandati custodiendi sunt. (§ 1) Nam qui excessit, aliud quid facere videtur et, si susceptum non impleverit, tenetur. 97 D 17.1.5.2 Paul 32 ad ed: Itaque si mandavero tibi, ut domum Seianam centum emeres tuque Titianam emeris longe maioris pretii, centum tamen aut etiam minoris, non videris implesse mandatum. 98 Ähnlich de Buján Est. Iglesias III (1988) 1297 und Choe in: Mandatum 123, aber auch schon Cujaz Opera V (1838) 742 oder Glück Bd. 15 (1814) 276 ff.; anders insoweit Nörr in: Mandatum 363, 370 und passim, der neben fr. 5.2 (o. A. 97) auch fr. 3.2 (o. A. 95) mit fr. 5 pr., 1 (o. A. 96) und die (hier nicht behandelten) Fälle des Verkaufsmandats in fr. 5.3 und 5.4 auf nec melior causa mandantis fieri posse in fr. 3 pr. bezieht; dies offenbar deshalb, weil die causa mandantis nach der von Paulus über-

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Auf die Möglichkeit, die Lage des Mandanten zu verbessern, kommt Paulus erst am Schluß des Traktats99 zurück: Wer eine Sache unter dem im Auftrag festgesetzten Preis erwirbt oder für diesen Preis noch eine Zugabe erhält, handelt auftragsgemäß, weil er die fines mandati nicht überschreitet (utroque enim casu aut non ultra pretium aut intra pretium fecisti). Im Ergebnis ist diese Lösung allgemein anerkannt, ihre Begründung scheint dagegen neu zu sein. Denn während Gaius100 den Kauf unter Preis noch als ausnahmsweise zulässigen Mandatsexzeß begreift101 und mit einer Fiktion rechtfertigt (quia qui mandat, ut C milibus emeretur, is utique mandare intellegitur, uti minoris, si posset, emeretur102), legt Paulus den im Auftrag bestimmten Preis als Obergrenze aus, deren Unterschreitung ohne weiteres zulässig ist, weil sie die Lage des Mandanten verbessert.103 Dies bestätigt zunächst, daß Paulus die alte sabinianische Lehre nicht bloß übernimmt, sondern neu interpretiert und weiterentwickelt: Er hält zwar mit aller Strenge daran fest, daß der Mandatar an den Inhalt des Auftrags gebunden ist. Die entsprechenden Vorgaben des Mandanten versteht er aber nicht mehr als starre Festlegung auf ein in jeder Hinsicht genau bestimmtes Ge-

nommenen sabinianischen Lehre auch nicht dadurch verbessert werden kann, daß sich der Mandatar im Fall der Preisüberschreitung mit dem pretium statutum begnügt und auf die Differenz zum tatsächlich aufgewendeten Preis verzichtet. Dem steht jedoch zum einen entgegen, daß mit melior causa mandantis fieri potest in fr. 5.5 eindeutig die Geschäftsführung selbst gemeint ist, die zum Vorteil des Mandanten vom Inhalt des Auftrags abweicht. Daher dürfte sich das korrespondierende nec melior kaum auf den Fall beziehen, daß eine an sich nachteilige Überschreitung des festgesetzten Preises erst durch den späteren Verzicht auf die Mehraufwendungen ausgeglichen wird. Zum anderen würde der Mandant durch einen solchen Verzicht auch nicht besser, sondern nur genauso gestellt, wie er bei einer auftragsgemäßen Geschäftsführung stünde; melior wäre seine Lage nur im Vergleich zu dem Kaufpreis, den er selbst hätte aufwenden müssen, und dies auch nur dann, wenn die Sache für den festgesetzten Preis nicht zu bekommen war. 99 D 17.1.5.5 Paul 32 ad ed: Melior autem causa mandantis fieri potest, si, cum tibi mandassem, ut Stichum decem emeres, tu eum minoris emeris vel tantidem, ut aliud quicquam servo accederet: utroque enim casu aut non ultra pretium aut intra pretium fecisti. 100 3.161; vgl. auch I 3.26.8, wo die Fiktion allerdings entbehrlich erscheint, weil in dem dort behandelten Auftrag – anders als bei Gaius – ausdrücklich ein Preislimit bestimmt ist (si quis usque ad centum aureos mandaverit tibi, ut fundum emeres). 101 So schon Arangio-Ruiz Mandato 169, dem etwa Watson Mandate 186 und Backhaus SZ 100 (1983) 173 A. 194 ausdrücklich zustimmen. 102 Backhaus SZ 100 (1983) 173 ff. vermutet hinter dieser Begründung das – nach seiner überzeugenden Analyse topisch verwendete – Argument in maiore minus inest; ebenso Arangio-Ruiz Mandato 169, Watson Mandate 186, Nörr in: Mandatum 32 und – vorsichtiger – Mél. Wubbe (1993) 359. Wenn diese Vermutung stimmt und auch die sogleich (unter 3) entwickelte Deutung des Arguments aus der melior condicio zutrifft, dann ersetzt Paulus lediglich den einen Topos durch einen anderen. 103 Dieser Unterschied rechtfertigt die Annahme, daß die – sonst nicht mehr belegte – Argumentation aus der melior causa mandantis zur Zeit des Gaius noch nicht bekannt ist, sondern vermutlich von Paulus selbst stammt.

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schäft, sondern als fines mandati 104, die im Interesse des Mandanten stets einzuhalten sind, aber nicht unbedingt vollständig ausgeschöpft werden müssen. Hier zeigt sich aber auch, daß das Argument interdum melior (causa mandantis fieri possit) dieselbe Funktion hat wie meliorem vicini condicionem fieri posse in D 8.2.20.5: Es erweitert die rechtlichen Möglichkeiten des Mandatars zwar nicht, verhindert aber, daß ihre Beschränkung durch die fines mandati enger ausgelegt wird als im Interesse des Mandanten erforderlich. Neu ist dagegen105 die ausdrückliche Einschränkung des Arguments: Paulus schließt nicht nur jede Verschlechterung der causa mandantis aus, sondern teilweise (interim) auch deren Verbesserung. Dies erklärt sich – wie bereits dargelegt – aus der Fremdheit des übernommenen Geschäfts und bestätigt damit, daß Paulus die Möglichkeit, die Lage des Mandanten zu verbessern, wiederum nicht aus einem allgemeinen Prinzip ableitet, sondern nur anerkennt, weil und soweit sie sich aus der Rechtsnatur des Mandats ergibt. Am häufigsten wird das Argument aus der Verbesserung der condicio aliena in einem vierten und letzten Bereich verwendet, nämlich im Verhältnis zwischen Sklaven oder Hauskindern und ihrem Gewalthaber. Hier sind denn auch gleich zwei regelhafte Verallgemeinerungen überliefert, die eine sogar im Digestentitel De diversis regulis iuris antiqui: D 50.17.133 Gai 8 ad ed prov Melior condicio nostra per servos fieri potest, deterior fieri non potest.106

Die Regel, daß die Lage des Gewalthabers durch eine Handlung seiner Sklaven zwar verbessert, aber nicht verschlechtert werden kann, gilt auch für Hauskinder. Sie wird in den verschiedensten Zusammenhängen zitiert und dient zumeist als Argument gegen die Zurechnung ungünstiger Rechtsfolgen, so daß sich die Zitate häufig auf den – insofern einschlägigen – zweiten Halbsatz beschränken.107 In dieser Kurzfassung findet sie sich auch noch in einer justinia104 Gaius verwendet diese Metapher bezeichnenderweise noch nicht; vgl. Gai 3.161 (cum autem is, cui recte mandaverim, egressus fuerit mandatum) und D 17.1.41 Gai 3 ad ed prov (nam si is qui mandatum suscepit egressus fuerit mandatum), aber auch GE 2.9.20 (sed is, cui mandatur, mandati formam egredi non potest). Sie findet sich erst in D 17.1.5 pr. Paul 32 ad ed und ist offenbar von dort in Justinians Institutionen übernommen worden; vgl. I 3.26.8 (is qui exsequitur mandatum non debet excedere fines mandati). 105 Ein weiterer Unterschied zu den bisher behandelten Fällen besteht darin, daß es beim Mandatsexzeß in erster Linie um die Pflichten des Mandatars geht und nicht um seine Befugnis, in die Rechtssphäre des Mandanten einzugreifen. Diese Besonderheit verliert jedoch an Bedeutung, wenn man den – hier nicht behandelten – Fall des Kaufmandats in D 17.1.5.3 Paul 32 ad ed in die Betrachtung einbezieht. Denn dort umfaßt der Auftrag zugleich die Ermächtigung, über das Eigentum des Mandanten zu verfügen, und diese ,Eingriffsbefugnis‘ des Mandatars unterliegt denselben fines mandati wie seine schuldrechtliche Verpflichtung. 106 Übersetzung: Unsere Lage kann durch Sklaven verbessert werden, verschlechtert werden kann sie nicht.

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nischen Reformkonstitution zum Besitzrecht108, und zwar als antiqua regula, quae definivit deteriorem condicionem per servum domini nullo fieri modo. Aber auch für den hier interessierenden ersten Teil der Regel ist zumindest109 ein Anwendungsfall mehrfach belegt: Sklaven und Hauskinder können formlose pacta mit Wirkung für (aber nicht gegen) ihren Gewalthaber abschließen.110 Für diesen Fall ist sogar eine eigene regelhafte Fassung des Arguments überliefert:

107 Vgl. D 2.2.3.4 Ulp 3 ad ed (ne mea condicio deterior fiat) zum Edikt Quod quisque iuris in alterum statuerit, ut ipse eodem iure utatur, D 12.2.24 Paul 28 ad ed (ipsi autem referentes condicionem eorum, quibus subiecti sunt, non faciunt deteriorem) zum iusiurandum, D 16.3.33 Lab 6 post a Iav epit (quia servus in deponendo tuum ius deterius facere non potuisset) zur Hinterlegung bei einem sequester, D 23.4.7 Pomp 15 ad Sab (quo pacto melior condicio patris fiet . . . dicendum est paciscendo filiam patris condicionem deteriorem facere non posse) zum pactum dotale, D 24.3.3 Paul 7 ad Sab (in solvenda dote, quae communis est patris et filiae, utriusque voluntas exquiritur nec alter alterius deteriorem condicionem facere potest) zur Rückerstattung der dos, D 29.2.25.11 Ulp 8 ad Sab (si ex testamento mandavit, poterit et ab intestato, quoniam non fecit deteriorem condicionem patris) zum Antritt einer Erbschaft, D 41.3.33.6 Iul 44 dig (quantum ad usucapiones attinet, servi subtrahendo res non faciunt deteriorem dominorum condicionem) zur Unterbrechung der usucapio, C 2.3.3 Sev/Ant (servus creditoris meliorem causam domini facere potest: in deterius autem reformare novo pacto non potest) zum pactum, PS 2.21a.9 (quia facto filiorum peior condicio parentum fieri non potest) zum Verlust der Freiheit nach dem SC Claudianum und PS 5.12.12 (quia peiorem domini causam servi facere, nisi forte scierit, omnino non possunt) zum strafrechtlichen Vermögensverfall bei Falschmünzerei. Wenn sich die in D 50.17.133 Gai 8 ad ed prov überlieferte Regel, wie Lenel EP 220 A. 4 und Paling. I 209 A. 3 (Gaius 203) vermutet, auf das in D 16.3.33 Lab 6 post a Iav epit (s. o.) behandelte Problem bezieht, gehört sie ebenfalls hierher. Nur in Ausnahmefällen kann die Lage des Gewalthabers durch ein Verhalten des Gewaltunterworfenen verschlechtert werden, so beim interdictum unde vi, das nach seinen Formeln (vgl. nur Lenel EP 461 und Kaser RP I 399) auch für die gewaltsame Vertreibung durch Familienangehörige gilt. Hiervon handelt D 43.16.1.15 Ulp 69 ad ed (cum servus hoc possit domini deteriorem condicionem facere). Daß die durch einen Sklaven erworbene Sache streitbefangen oder die erworbene Forderung einredebehaftet sein kann, wird dagegen gar nicht erst als Ausnahme angesehen, vgl. D 16.1.27.1 Pap 3 resp (nec videtur deterior causa domini per servum fieri). 108 C 7.32.12.2 Iust. 109 Ein weiterer Anwendungsfall ist wohl das iusiurandum des Gewaltunterworfenen, das nach D 12.2.23 Ulp 26 ad ed und D 12.2.24 Paul 28 ad ed für den Gewalthaber wirkt. Denn im zweiten Teil von fr. 24 argumentiert Paulus – wenn auch nur für den Gegenfall der Zurückschiebung des Eides – mit der condicio deterior (s. o. A. 107). Auch das Hilfsargument maxime si etiam meliorem suam condicionem eo modo faciunt, mit dem Gaius (3 de verb obl) in D 46.2.34 pr. die Befugnis zur Novation von Pekuliarforderungen begründet, könnte sich auf den ersten Teil der Regel beziehen. 110 Vgl. D 2.14.55 Iul 35 dig (paciscendo meliorem condicionem eius facit) zum Nießbrauchssklaven, der zugunsten des Nießbrauchers ein pactum de non petendo abschließen oder aufheben kann, und D 23.4.7 Pomp 15 ad Sab (quo pacto melior condicio patris fiet) zum pactum dotale einer filia familias, das auch zugunsten (aber nicht zu Lasten, s. o. A. 107) des Vaters wirkt, aber auch D 2.14.17.7 und eod. 19 pr. beide Paul 3 ad ed sowie D 2.14.18 Gai 1 ad ed prov.

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D 2.14.59 Paul 3 reg Per quos adquiri nobis stipulatione potest, per eosdem etiam pactis conventis meliorem condicionem nostram fieri posse placet.111

Die regula des Paulus verwendet die melior condicio als tertium comparationis in einer (leicht verkürzten) Analogie und gibt damit Aufschluß über Herkunft und Funktion des Arguments: Das pactum des Gewaltunterworfenen kommt dem Gewalthaber ebenso zugute wie der Erwerb aus einer Stipulation. Denn in beiden Fällen wird seine Rechtslage durch die Handlung des Gewaltunterworfenen verbessert.112 Dieses Argument, das sich in D 50.17.133 zu einem allgemeinen Zurechnungskriterium verselbständigt hat, beruht also offenbar auf einer Verallgemeinerung des zivilen Grundsatzes, daß jeder Erwerb des Gewaltunterworfenen dem Gewalthaber zufällt113, und das korrespondierende Verbot, die Rechtslage des Gewalthabers zu verschlechtern, dürfte als einfacher Gegenschluß zu erklären sein.114 Bestätigt wird diese Erklärung durch den Umstand, daß die regula des Paulus nur für Sklaven und Hauskinder gilt, während gewaltfreie Personen kein (echtes) pactum zugunsten Dritter abschließen können115, weil nach ius civile auch der Erwerb per extraneam personam ausgeschlossen ist.116 An diesem allgemeinen Grundsatz halten die klassischen 111 Übersetzung: Daß unsere Lage durch dieselben Personen, durch die uns mittels eines Stipulationsversprechens (eine Forderung) erworben werden kann, auch mittels formloser Abreden verbessert werden kann, ist anerkannt. 112 Ähnlich D 23.4.7 Pomp 15 ad Sab, wo zugleich für den umgekehrten Fall entschieden wird, daß der Gewaltunterworfene von einem pactum des Gewalthabers nicht profitiert, weil er auch nicht durch ihn erwirbt: Si solus pater pactus esset sine filia, sive solus agat sive adiuncta filiae persona, ei soli nocebit et proderit pactum conventum nec, si sola filia aget, neque proderit neque nocebit ei. si vero filia sola pacta fuerit, quo pacto melior condicio patris fiet, proderit et patri, quoniam per filiam patri adquiri potest, per patrem filiae non potest. 113 Vgl. zu diesem Grundsatz nur Gai 2.86 f. sowie Kaser RP I 64, 262 f., 286 und 343 mwN. Seine Übertragung auf die honorarrechtliche Wirkung von pacta zeigt sich auch in der Vorstellung, der Gewalthaber ,erwerbe‘ die exceptio pacti durch den Gewaltunterworfenen; vgl. nur adquirent execeptionem in D 2.14.9 pr. Paul 3 ad ed. 114 Vgl. die Gegenüberstellungen in D 12.2.24 Paul 28 ad ed, D 23.4.7 Pomp 15 ad Sab und C 2.3.3 Sev/Ant, aber auch D 46.3.22 Ulp 45 ad Sab: Filius familias patre invito debitorem eius liberare non potest: adquirere enim obligationem potest, deminuere non potest. 115 Vgl. etwa D 50.17.73.4 Q Muc l s orwn (nec paciscendo nec legem dicendo nec stipulando quisquam alteri cavere potest) oder D 2.14.25.1 Paul 3 ad ed (personale pactum ad alium non pertinere, quemadmodum nec ad heredem, Labeo ait) und dazu nur Apathy SZ 93 (1976) 97 ff. mwN. 116 S. o. bei A. 30. Daß dies der entscheidende Grund ist, zeigt nicht nur der Umkehrschluß aus der regula des Paulus, wie er in D 23.4.7 Pomp 15 ad Sab (o. A. 112) ausdrücklich gezogen wird. Die Beachtung der zivilen Regel per extraneam personam nobis adquiri non posse entspricht auch dem Grundsatz contra iuris civilis regulas pacta conventa rata non habentur (D 2.14.28 pr. Gai 1 ad ed prov) und ist in D 2.14.27.1 Paul 3 ad ed sogar unmittelbar bezeugt. Denn hier entscheidet Paulus die umstrittene Frage, ob der Hauptschuldner wirksam vereinbaren kann ne a fideiussore petatur, mit den Worten: Ego didici prodesse fideiussori exceptionem: non sic enim

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Juristen fest, obwohl seine Umgehung durch die Figur des pactum in rem117 und das regelmäßige subsidium der exceptio doli 118 erkennen läßt, daß er nicht nur den Erfordernissen der Praxis widerspricht, sondern oft auch zu unbilligen und daher korrekturbedürftigen Ergebnissen führt. Die regula des Paulus zeigt damit eindeutig, daß der Satz alienam condicionem meliorem nos facere posse auch im prätorischen Recht weder als allgemeingültiges Prinzip noch als unverbindliche Maxime anerkannt ist – im Gegenteil: Ihr zufolge wirkt das pactum eines Gewaltunterworfenen nur ausnahmsweise zugunsten des Gewalthabers, weil dessen Rechtslage auch durch die zivilen Erwerbsgeschäfte verbessert werden kann. Die allgemeinere Regel melior condicio nostra per servos fieri potest hat offenbar denselben Ursprung und gehört damit ebenfalls zum ,Sonderrecht‘ der Hausangehörigen. Da die hier geltenden Grundsätze gerade nicht auf Gewaltfreie erstreckt werden, stehen sie sogar im Widerspruch zu Gaius’ Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung. Auch dies wird am Beispiel der pacta besonders deutlich. Denn während jeder Dritte mit befreiender Wirkung für den Schuldner leisten kann, muß das pactum de non petendo vom Schuldner selbst oder von einem Gewaltunterworfenen abgeschlossen werden. Dieser Gegensatz beruht zwar auf dem prinzipiellen Unterschied zwischen den zivilen Tilgungsakten und der ,prätorischen Befreiung‘ durch ,Erwerb‘ der exceptio pacti 119, er zeigt aber auch, daß ein (gewaltfreier) Dritter die Lage des Schuldners eben nicht uneingeschränkt verbessern kann. Die soeben betrachteten Regeln, die teils bei Gaius selbst überliefert sind und teils jedenfalls bis in seine Zeit zurückverfolgt werden konnten, sind seiner Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung formal eng verwandt: Sie alle verwenden das gleiche Argumentationsmuster, indem sie die Verbesserung der condicio (oder causa) aliena zulassen und zugleich deren Verschlechterung ausschließen. Ihr ,Tatbestand‘ ist allerdings jeweils eng begrenzt: Der Nießbraucher kann die Lage des Eigentümers verbessern, der Sevitutsberechtigte die des -belasteten, der Mandatar die seines Mandanten und der Gewaltunterworfene die seines Gewalthabers. Trotz ihrer formalen Verwandtschaft lassen sich diese Regeln auch nicht als spezielle Ausformungen des allgemeinen Grundsatzes begreifen, den Gaius in D 3.5.38 und D 46.3.53 beschreibt. Sie werden nämlich nicht aus eiilli per liberam personam adquiri, quam ipsi, qui pactus sit, consuli videmur; vgl. dazu nur Apathy (o. A. 115) 101 ff. mwN., der (105 ff.) auch die scheinbar widersprechende Lösung bei der ,prätorischen Novation‘ in D 2.14.30.1 und 2 Gai 1 ad ed prov überzeugend als honorarrechtliche Nachbildung der zivilen Novationswirkungen erklärt. 117 Vgl. nur D 2.14.21.5 Paul 3 ad ed; dazu etwa Wacke SZ 90 (1973) 234 ff. mwN. 118 Vgl. vor allem D 2.14.10.2 Ulp 4 ad ed, aber auch D 20.6.7.2 Gai l s ad form hyp (wo der Unterschied zur exceptio pacti aus dem pactum eines Gewaltunterworfenen besonders deutlich wird); dazu etwa Wacke SZ 90 (1973) 228 ff. mwN. 119 Dazu allgemein § 18 bei A. 110 ff.

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nem übergeordneten Prinzip abgeleitet, sondern erklären sich – gerade umgekehrt – aus den besonderen Gegebenheiten des jeweiligen Rechtsgebiets. Gegen die Existenz einer allgemeinen Maxime sprechen neben dieser induktiven Herleitung vor allem der unverbindliche Charakter der in D 7.1.13.4 formulierten ,Faustformel‘ zum Ausschluß substanzverändernder Eingriffe beim Nießbrauch, die ausdrückliche Einschränkung des Arguments in D 17.1.3 pr. (interim nec melior causa mandantis fieri possit) und die Beschränkung des in D 2.14.59 begründeten pactum in favorem tertii auf Gewaltunterworfene. Andererseits ist es ebenso unwahrscheinlich, daß Gaius’ Prämisse auf einer induktiv-systematisierenden Verallgemeinerung der verschiedenen Sonderregeln beruht. Denn von der condicio ignorantis et inviti ist in keinem dieser Rechtssätze die Rede, und auch in der Sache geht es nirgends um den nicht autorisierten Eingriff in eine fremde Rechtssphäre. Beim Nießbrauch und bei den Servituten wird vielmehr nur der Umfang eines bestehenden Rechts zur Nutzung fremden Eigentums bestimmt120, bei den fines mandati der genaue Inhalt einer schuldrechtlichen Verpflichtung121 und bei den Gewaltunterworfenen das Kriterium, nach dem die Wirkungen eines Rechtsgeschäfts oder anderer rechtlich relevanter Handlungen dem Gewalthaber zugerechnet werden.122 All diese Probleme sind weder mit der Befreiung des debitor invitus vergleichbar, noch läßt sich aus ihrer Lösung der allgemeine Grundsatz ableiten, daß man die Rechtslage eines anderen auch ohne dessen Zustimmung verbessern kann. 3. Der Vergleich mit den übrigen Regeln zur Verbesserung der condicio aliena hat nicht nur bestätigt, daß der Obersatz, aus dem Gaius die befreiende Wirkung der eigenmächtigen Drittleistung ableitet, keine allgemeingültige Norm ist. Er hat darüber hinaus gezeigt, daß Gaius auch kein übergeordnetes Prinzip der Rechtsauslegung und -fortbildung zitiert oder im Wege der Induktion gewinnt. Seine Prämisse entspricht jedoch einem Argumentationsmuster, das auch in anderen, ganz verschiedenartigen Zusammenhängen anzutreffen ist und dort zwar nicht durchgängig, aber überwiegend in einer bestimmten Funktion verwendet wird: Das Argument, die Rechtlage eines anderen könne verbessert, aber nicht verschlechtert werden, schafft nur in einem Fall – nämlich im Verhältnis zwischen Sklaven oder Hauskindern und ihrem Gewalthaber – neues 120 Wenn der Nießbraucher oder der Inhaber einer Servitut iure suo handelt (vgl. D 7.1.44 Ner 3 membr, dazu o. bei A. 73 ff.), bedarf er gerade nicht der Zustimmung des Eigentümers. 121 Die allerdings die Führung eines fremden Geschäfts betrifft und mit einer Ermächtigung zur Verfügung über fremdes Eigentum verbunden sein kann; s. o. A. 105. Auch insofern geht es aber gerade nicht um die Entbehrlichkeit der Zustimmung, sondern darum, ob das Verhalten des Mandatars vom Inhalt des Auftrags und das heißt: von dem erklärten Willen des Mandanten gedeckt ist. 122 Die Zurechnung vorteilhafter Rechtsfolgen dürfte allerdings ebensowenig von der Zustimmung des Gewalthabers abhängen wie der zivile Erwerb (vgl. dazu die Nachweise o. A. 33), nach dessen Vorbild sie gestaltet ist.

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Recht, indem es aus den zivilen Erwerbsregeln ein allgemeines Zurechnungskriterium gewinnt. In allen übrigen Fällen wirkt es lediglich der überschießenden Anwendung bestehender Grundsätze entgegen. So werden beim Nießbrauch solche Eingriffe in die rerum substantia zugelassen, die lediglich der Erhaltung und der bestimmungsgemäßen Nutzung der Sache dienen und darum auch für den Eigentümer von Vorteil sind; bei den Dienstbarkeiten wird eine nachträgliche Veränderung des locus oder modus servitutis gestattet, wenn sie das dienende Grundstück nur entlastet; und bei den fines mandati wird die strikte Bindung an den Inhalt des Auftrags insofern gelockert, als der Mandatar ein vorgegebenes Limit auch unterschreiten kann. In der gleichen Funktion, nämlich als Argument für eine sachgerechte Einschränkung allgemeiner Regeln, wird der Begriff der melior condicio auch noch in zahlreichen weiteren Quellen verwendet, die sich von den bisher besprochenen nur dadurch unterscheiden, daß sie nicht speziell von der condicio aliena handeln. Besonders anschaulich wird dies in: D 2.15.8.6 Ulp 5 de omn trib Eam transactionem oratio improbat, quae idcirco fit, ut quis repraesentatam pecuniam consumat. quid ergo si quis citra praetoris auctoritatem transegerit, ut quod per singulos annos erat ei relictum, consequeretur per singulos menses? aut quid si, quod per singulos menses ei relictum erat, consequeretur per singulos dies? quid deinde si, quod consummato anno ut acciperet, initio anni consequatur? et puto eam transactionem valere, quia meliorem condicionem suam alimentarius tali transactione facit: noluit enim oratio alimenta per transactionem intercipi.123

Nach einer oratio divi Marci bedarf der Vergleich über alimenta legata der Zustimmung des Prätors. Damit soll verhindert werden, daß sich der Unterhaltsberechtigte seine lebzeitigen Rentenansprüche leichtfertig mit einer einmaligen Zahlung abfinden läßt und nach dem Verbrauch dieser pecunia repraesentata mittellos wird.124 Ulpian entscheidet nun, daß eine Jahresrente ohne Zustimmung des Prätors in monatlichen Raten oder zu Beginn des Jahres fälliggestellt werden kann. Denn durch eine solche Vereinbarung125 werde die Lage des Un123 Übersetzung: Der kaiserliche Antrag mißbilligt einen solchen Vergleich, der deshalb geschlossen wird, damit jemand das vorab gezahlte Geld verbraucht. Was also (gilt), wenn sich jemand ohne Zustimmung des Prätors dahin verglichen hat, daß er das, was ihm in jährlichen Raten hinterlassen worden war, in monatlichen Raten erhalten soll? Oder was, wenn er das, was ihm in monatlichen Raten hinterlassen worden war, in täglichen Raten erhalten soll? Was schließlich, wenn er das, was er am Jahresende erhielte, zu Beginn des Jahres erhalten soll? Und ich meine, daß dieser Vergleich wirksam ist, weil der Unterhaltsberechtigte seine Lage durch einen solchen Vergleich verbessert; der kaiserliche Antrag wollte nämlich nicht, daß der Unterhalt durch einen Vergleich verkürzt wird. 124 Vgl. nur D 2.18.8 pr. Ulp 5 de omn trib: Cum hi, quibus alimenta relicta erant, facile transigerunt contenti modico praesenti: divus Marcus oratione in senatu recitata effecit, ne aliter alimentorum transactio rata esset, quam si auctore praetore facta; dazu Végh Fs. Herdlitczka (1972) 223 ff.

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terhaltsberechtigten verbessert, und die oratio divi Marci wolle nur eine Verkürzung des Unterhalts verhindern. Es ist also der Zweck der kaiserrechtlichen Regelung, der ihre einschränkende Auslegung gebietet: Die Zustimmung des Prätors schützt den Unterhaltsberechtigten vor den Gefahren eines Abfindungsvergleichs. Sie ist daher bei solchen Vereinbarungen entbehrlich, die sich nur zu seinem Vorteil auswirken.126 Ulpians zweistufige Begründung ist geradezu ein Musterbeispiel für die Funktion des Arguments aus der melior condicio: Es trägt die Entscheidung zwar nicht, liefert aber den Gesichtspunkt für eine ,teleologische Reduktion‘ des Kaiserrechts (quia meliorem condicionem suam alimentarius tali transactione facit), die dann in einem zweiten Schritt mit dem Normzweck begründet wird (noluit enim oratio alimenta per transactionem intercipi). In ähnlich vollständiger Form findet sich das Argument sonst nur noch in einer disputatio Tryphonins über das postliminium und die constitutio de redemptis.127 Bei allen übrigen Anwendungen fehlt der ausdrückliche Hinweis auf den Regelungszweck. Die melior condicio wird dadurch aber nicht zum tragenden Argument. Ihre Funktion beschränkt sich vielmehr stets auf den allgemeinen Hinweis, daß derjenige, dessen Lage verbessert wird, keines Schutzes bedarf. Wird mit dieser für sich genommen indifferenten Begründung von der Anwendung einer bestimmten Regel abgesehen, so beruht dies nicht auf der melior condicio selbst. Entscheidend bleibt vielmehr der zweite Argumentationsschritt, die teleologische Erwägung nämlich, daß die Regel nur denjenigen schützen will, der im 125 Deren Vergleichscharakter zweifelhaft erscheint, vgl. Végh (o. A. 124) 225 ff. und 229 mwN. 126 Ebenso Végh (o. A. 124) 229 ff., der aus dem Regelungszweck den weiteren Schluß zieht, daß sich nur der Unterhaltsberechtigte auf die Nichtigkeit eines ohne auctoritas praetoris geschlossenen Vergleichs berufen kann. 127 D 49.15.12.8 Tryph 4 disp: Et si ignorans captivum, existimans vendentis esse redemit, an quasi usucepisse videatur, scilicet ne post legitimum tempus offerendi pretii priori domino facultas sit, videamus. nam occurrit, quod constitutio, quae de redemptis lata est, eum redimentis servum facit, et quod meum iam usucapere me intellegi non potest. rursum cum constitutio non deteriorem causam redimentium, sed si quo meliorem effecerit, peremi ius bonae fidei emptoris vetustissimum et iniquum et contra mentem constitutionis est: ideoque transacto tempore, quanto, nisi constitutio eum proprium fecisset, usucapi potuisset, nihil ex constitutione domino superesse recte dicetur. Wer einen kriegsgefangenen Sklaven loskauft, wird nach der constitutio de redemptis Eigentümer, bis ihm der frühere dominus das Lösungsgeld erstattet. Nach altem Recht erwarb er dagegen nur ein Zurückbehaltungsrecht, während der Sklave ipso iure (postliminii) an seinen früheren dominus zurückfiel. Er konnte den servus captivus aber ersitzen, wenn er ihn bona fide, also in Unkenntnis seines Status, gekauft hatte. Tryphonin entscheidet, daß die constitutio de redemptis den Erwerb des lastenfreien Eigentums im Wege einer quasi usucapio des (nunmehr eigenen) Sklaven nicht ausschließt, und begründet dies mit einer teleologischen Reduktion: Die Konstitution habe die Lage des redemptor verbessert, und darum widerspreche der Ausschluß der Ersitzung nicht nur der Billigkeit, sondern auch dem Zweck der kaiserlichen Neuerung.

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konkreten Fall keines Schutzes bedarf. Gerade weil das Argument aus der melior condicio nur unter dieser Voraussetzung paßt, ist die Darstellung des zweiten Schritts aber in aller Regel verzichtbar. Derart verkürzte Begründungen werden nicht nur zur ,teleologischen Reduktion‘ gesetzten Rechts verwendet128, sondern auch und vor allem zur sachgerechten Einschränkung ungeschriebener Grundsätze. Das wohl bekannteste Beispiel ist die auctoritas tutoris, die den Mündel nur vor den nachteiligen Folgen seines rechtsgeschäftlichen Handelns schützen soll und darum entbehrlich ist, wenn und soweit ihm aus dem Geschäft ein rechtlicher Vorteil erwächst. Diese Einschränkung wird schon bei Gaius129 mit der melior condicio begründet, und in Justinians Institutionen (1.21 pr.) hat die condicio pupilli sogar die Form eines ,Tatbestandsmerkmals‘130 angenommen: namque placuit meliorem quidem suam condicionem licere eis facere etiam sine tutoris auctoritate, deteriorem vero non aliter quam tutore auctore.

128 Vgl. neben D 2.15.8.6 Ulp 5 de omn trib und D 49.15.12.8 Tryph 4 disp auch D 40.15.1.4 Marci l s de delat: Si quidem in deteriorem condicionem quis statum retractaret, secundum ea quae dixi praescribendum est. quid ergo si in meliorem? veluti pro servo libertus dicitur: quare non admittatur? quid enim si servus quis dicatur quasi ex ancilla natus, quae ante quinquennium mortua est? quare non liceat probare liberam fuisse? hoc enim et pro mortua est. et Marcellus libro quinto de officio consulis scripsit posse: ego quoque in auditorio publico idem secutus sum. Hier legt Marcian einen Senatsbeschluß, der Statusprozesse mehr als fünf Jahre nach dem Tod verbietet, als reine Schutzvorschrift zugunsten des Verstorbenen aus und beschränkt seine Anwendung daher auf Prozesse gegen die Freiheit; vgl. dazu nur Kaser/Hackl 488 A. 30 mwN. – Auf die teleologische Reduktion von Gesetzen und gesetzesgleichen Vorschriften kann hier nicht näher eingegangen werden; vgl. dazu etwa Wesel 65 ff. und 115 ff. oder Vonglis La lettre et l’esprit de la loi (1968) 95 ff.; zur teleologischen Gesetzesauslegung im allgemeinen außerdem Medicus Stud. Kaser (1973) 57 ff. und zuletzt Harke 67 ff. mwN. Es sei nur darauf hingewiesen, daß schon die XII Tafeln (3.4) aus teleologischen Gründen eine Verbesserung der condicio aliena zulassen (aber offenbar auch noch zulassen müssen), indem sie dem Gläubiger (ausdrücklich) gestatten, dem verhafteten Schuldner mehr als die vorgeschriebenen libras farris endo dies zu geben; vgl. Gell. 20.1.45 und dazu Kaser/Hackl 142 A. 78, aber auch A. 77 zu dem in den XII Tafeln (3.3) vorgeschriebenen Gewicht bei der Fesselung des verhafteten Schuldners. 129 2.83 (quoniam meliorem condicionem suam facere eis etiam sine tutore auctore concessum est); vgl. auch die gleichlautende Begründung in D 2.14.28 pr. Gai 1 ad ed prov. 130 In dieser Form ist es (trotz der Abschaffung des sogenannten negotium claudicans) in die heute geltenden Vorschriften zur beschränkten Geschäftsfähigkeit gelangt, um dann wiederum zur teleologischen Reduktion anderer Normen verwendet zu werden; vgl. § 107 BGB („Der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters“) und jetzt auch § 1903 Abs. 3 S. 1 BGB zur Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt sowie BGHZ 59, 236 zum Insichgeschäft des Vertreters.

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Die vereinzelt belegte Anwendung des Arguments auf die Novation des entmündigten Verschwenders131 beruht auf der gleichen teleologischen Erwägung und läßt sich daher noch als Analogie zum pupillus erklären.132 Für die übrigen, völlig anders gelagerten Fälle gilt dies jedoch nicht mehr. So legt schon Proculus133 die Fristen zur Rückgabe der dos als Höchstfristen aus, die im Interesse der Frau durch ein pactum dotale zwar nicht verlängert, wohl aber verkürzt werden können: quod ad diem reddendae dotis attinet, pacto existimo meliorem condicionem mulieris fieri posse, deteriorem non posse. Die gleiche Argumentation aus der condicio mulieris ist noch bei Paulus134 belegt, und Ulpian135 erstreckt sie auf andere pacta dotalia. Bei der Bürgschaft schließlich verwendet zuerst Julian136 die melior condicio als Argument für eine Lockerung des Akzessorietätsprinzips.137 Danach kann der Bürge durch eine abweichende Fassung der Stipulationsformel zwar nicht schlechter, wohl aber besser gestellt werden als der Hauptschuldner. Diese Argumentation findet sich auch bei Gaius138 und später in allgemeiner Form bei Paulus139 und Ulpian140. Sie führt

131 Vgl. D 46.2.3 Pomp 1 ad Sab: Cui bonis interdictum est, novare obligationem suam non potest, nisi meliorem suam condicionem fecerit. 132 Für eine solche Analogie spricht der ausdrückliche Vergleich der beiden Fälle in D 12.1.8.7 Pomp 6 ex Plaut; vgl. auch D 12.6.29 Ulp 2 disp. 133 D 23.4.17 Proc 11 epist; vgl. dazu etwa Krampe Proculi epistulae (1969) 48 ff. 134 Vgl. D 2.14.27.2 Paul 3 ad ed und vor allem D 23.4.14 Paul 35 ad ed: De die reddendae dotis hoc iuris est, ut liceat pacisci, qua die reddatur, dum ne mulieris deterior condicio fiet. 135 Vgl. vat. 120 Ulp 33 ad ed: Inter cetera de reddenda dote pacta praeter legitimam ut retentionum ratio habeatur si quidem convenit, eo pacto verendum est, ne non deterior dotis causa fiat. 136 Vgl. D 46.1.16.1 Iul 53 dig (qui certo loco dari promisit, aliquatenus duriori condicioni obligatur, quam si pure interrogatus fuisset . . . quare si reum pure interrogavero et fideiussorem cum adiectione loci accepero, non obligabitur fideiussor), aber auch die Zitate in D 46.1.8.8 (non obligari fideiussorem Iulianus ait, quia durior eius fit condicionem), 9 (idem Iulianus ait . . . non obligavit eum, quia durior eius condicio facta est) und 10 (fit enim, inquit, hoc modo fideiussoris condicio melior) Ulp 47 ad Sab oder in D 46.1.34 Paul 72 ad ed (meliorem causam esse fideiussoris Iulianus putat . . . in deteriorem causam fideiussorem acceptum fideiussorem Iulianus ait), die es wahrscheinlich machen, daß die Verwendung des Arguments bei der Bürgschaft auf Julian zurückgeht. 137 Vgl. zu der (umstrittenen) Akzessorietät der verschiedenen Bürgschaftsformen im allgemeinen die o. § 17 A. 1 zitierte Literatur und zu dem hier interessierenden Aspekt die Nachweise bei Kaser RP I 664 A. 41. 138 Vgl. D 46.1.70 pr. Gai 1 de verb obl (durior fit condicio fideiussoris nec ob id obligatur). 139 Vgl. D 46.1.34 Paul 72 ad ed: Hi, qui accessionis loco promittunt, in leviorem causam accipi possunt, in deteriorem non possunt. 140 Vgl. D 46.1.8.7 Ulp 47 ad Sab: Illud commune est in universis, qui pro aliis obligantur, quod, si fuerint in duriorem causam adhibiti, placuit eos omnino non obligari: in leviorem plane causam accipi possunt, propter quod in minorem summam recte fideiussor accipietur.

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den überkommenen Satz minus adstipulari potest, plus non potest 141 nicht nur auf ein allgemeines Prinzip limitierter Akzessorietät zurück142, sondern interpretiert dieses Prinzip zugleich als bürgenschützend und läßt darum eine Verbesserung der condicio fideiussoris zu.143 Dieser keineswegs abschließende144 Überblick belegt eine145 typische Funktion des Arguments aus der melior condicio, die auch in den meisten146 der unter 2. behandelten Quellen zur Verbesserung der condicio aliena zu beobachten war: Es verhindert die überschießende Anwendung eines allgemeinen Grundsatzes auf solche Fälle, die nicht von seinem Schutzzweck erfaßt sind, weil derjenige, dessen Interessen geschützt werden sollen, ausnahmsweise keines Schutzes bedarf. Der Überblick hat aber auch gezeigt, daß das Argument beinahe stereotyp in ganz verschiedenen Zusammenhängen verwendet wird und daß es jeweils nur auf den Gesichtspunkt für eine ,teleologische Reduktion‘ hinweist, deren Rechtfertigung sich erst aus dem besonderen Zweck des eingeschränkten Grundsatzes ergibt. Die melior condicio erscheint damit als spezifisch juristischer Topos147: Sie gehört mindestens seit Proculus zum argumentativen Repertoire der klassischen 141

Gai 3.113; vgl. auch 3.126. Dies zeigt die Begründung des Prinzips in D 46.1.8.7 Ulp 47 ad Sab (o. A. 140). 143 Demgegenüber betont Marcellus auch das begriffliche Erfordernis der Identität; vgl. D 46.1.8.8 Ulp 47 ad Sab und dazu Rastätter 158 ff. 144 Vgl. außerdem etwa D 42.1.15.5 Ulp 3 de off cons (nec videtur deterior condicio creditoris fieri) zum Vorrang des Erstpfandgläubigers oder D 47.12.6 Iul 10 dig (nec potest videri deterior fieri condicio eius, qui rei publicae causa afuit) zur restitutio in integrum. 145 Weitere spezifische Anwendungen des Arguments ergeben sich aus der technischen Bedeutung von melior condicio bei der in diem addictio (vgl. D 18.2.1 Paul 5 ad Sab und den gesamten Titel D 18.2, aber auch D 6.1.41 pr. Ulp 17 ad ed, D 18.6.4.1 Ulp 28 ad Sab, D 20.6.3 Ulp 8 disp, D 41.4.2.4 Paul 54 ad ed, D 43.24.11.10 und 12 Ulp 71 ad ed oder D 49.14.50 Paul 3 decr) und aus der Regel melior est causa possidentis mit ihren zahlreichen Anwendungen (vgl. neben D 50.17.126.2 Ulp 15 ad ed etwa D 3.3.32 Paul 8 ad ed, D 3.6.5.1 Ulp 10 ad ed, D 6.2.9.4 Ulp 16 ad ed, D 9.4.14 pr. Ulp 18 ad ed, D 14.4.6 Paul 30 ad ed, D 14.5.3 Ulp 3 disp, D 15.1.10 Gai 9 ad ed, D 15.1.52 pr. Paul 4 quaest, D 15.3.4 Gai 9 ad ed prov, D 20.1.10 Ulp 73 ad ed, D 42.1.19 Paul 6 ad Plaut, D 43.33.1.1 Iul 49 dig und Gai 2.215). Diese Sonderfälle können hier aber ebenso außer Betracht bleiben wie das unspezifische Argument, jemand dürfe nicht besser oder schlechter stehen als ein anderer oder als er selbst in einer anderen Situation; vgl. nur D 50.17.86 Paul 7 quaest (non solet deterior condicio fieri eorum, qui litem contestati sunt, quam si non essent, sed plerumque melior), D 50.17.87 Paul 13 quaest (nemo enim in persequendo deteriorem causam, sed meliorem facit), D 50.17.134.1 Ulp 21 ad ed (nemo ex suo delicto meliorem suam condicionem facere potest) oder D 50.17.175.1 Paul 11 ad Plaut (non debeo melioris condicionis esse, quam auctor meus, a quo ius in me transit). 146 Eine andere Funktion hat das Argument nur in den Quellen zur Verbesserung der Lage des Gewalthabers durch Sklaven und Hauskinder. 147 Der Begriff wird hier im Sinne von Viehweg Topik und Jurisprudenz (1953) 15 ff. verwandt, ohne daß auf die – teilweise überzogene, überwiegend aber wohl be142

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Jurisprudenz148; sie steht in keinem systematischen Ableitungszusammenhang149 und hat darum weder normative Wirkung, noch läßt sie sich einem bestimmten Rechtsgebiet oder -prinzip zuordnen; sie ist vielmehr universell einsetzbar150 und dient vor allem der Invention151; sie liefert nämlich eine Prämisse, die sich aus dem systematischen Kontext gerade nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres ergibt, die sich aber in verschiedenen anderen Zusammenhängen als geeignet erwiesen hat und immer dann in Betracht kommt, wenn jemand möglicherweise keines Schutzes bedarf, weil seine rechtliche Situation ohnehin nur verbessert wird.152 Ob diese aus dem Problem selbst gewonnene153 Prämisse im Ergebnis trägt, hängt dann aber wieder von den besonderen Gegebenheiten des jeweiligen Falls ab. Die allgemeine Charakterisierung des Arguments aus der melior condicio trifft auch auf Gaius’ Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung zu. Dies gilt zunächst für die Funktion des Arguments: Wie sich schon bei einer ersten vorläufigen Analyse des Begründungssatzes (unter 1) gezeigt hat, handelt Gaius ganz allgemein von den Grenzen der Privatautonomie. Er läßt vorteilhafte Eingriffe in eine fremde Rechtssphäre ohne Zustimmung des Betroffenen zu, weil ein invitus nur vor Nachteilen geschützt werden muß, oder anders ausgedrückt: Er beschränkt das Zustimmungserfordernis auf nachteilige Eingriffe und reduziert damit die Selbstbestimmung des Betroffenen auf ein bloßes Mittel zur Verteidigung seiner berechtigten Interessen, ohne allerdings den zweiten und rechtigte – Kritik an seiner ,juristischen Topik‘ und an seinem Verständnis von der Methode der römischen Juristen näher eingegangen werden könnte; vgl. dazu etwa Horak 45 ff., Kaser Zur Methode der römischen Rechtsfindung (2. Aufl. 1969) 50 ff. oder allgemein Wieacker Ausgewählte Schriften II (1983) 72 ff. Immerhin belegt die melior condicio, daß die römischen Juristen (auch) topisch argumentieren. Ein weiteres Beispiel ist das von Backhaus SZ 100 (1983) 136 ff. untersuchte Argument in maiore minus inest (vgl. etwa D 32.29.1 Lab 2 post a Iav epit), das sogar aus den rhetorischen Topoikatalogen stammen dürfte; vgl. Backhaus 140 ff. 148 Nach der Einteilung von Viehweg (o. A. 147) 18 ff. geht es damit um die ,Topik zweiter Stufe‘, die mit festen Topoikatalogen arbeitet. Viehweg 34 ff. selbst interpretiert den Digestentitel De diversis regulis iuris antiqui (D 50.17) als einen solchen Katalog, was in dieser Allgemeinheit sicher zu weit geht. 149 Vgl. nur Viehweg (o. A. 147) 15 ff. 150 Im Unterschied zu der von Backhaus untersuchten Regel (s. o. A. 147) läßt sie sich zwar keinem Topos aus den fächerübergreifenden Katalogen zuordnen, die – hier zugrundegelegte – Definition von Viehweg (o. A. 147) 19 umfaßt aber „nicht nur die überall verwendbaren Topoi, von denen Aristoteles, Cicero und ihre Nachfolger handeln, sondern auch solche, die für ein bestimmtes Fach approbiert sind.“ 151 Vgl. nur Viehweg (o. A. 147) 22. 152 Daß ein juristischer Topos vor allem in einer bestimmten argumentativen Funktion gebraucht wird, hat Backhaus (o. A. 147) 182 f. für das Argument in maiore minus inest gezeigt; vgl. aber auch Viehwegs (o. A. 147) 37 ff. Einordnung der rhetorischen Statuslehre. 153 Dies ist nach Viehweg (o. A. 147) 15 das entscheidende Charakteristikum der Topik als einer „Techne des Problemdenkens“.

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entscheidenden Argumentationsschritt ausdrücklich mitzuteilen. Diese verkürzte ,teleologische Reduktion‘ entspricht der eben beschriebenen typischen Funktion des Arguments aus der melior condicio. In der Sache ist sie damit als direkte Erwiderung auf Labeos Pithanon zur Befreiung invito debitore zu verstehen.154 Denn dort wird der Satz debitor tuus potest invitus a te solvi wegen des praktisch kaum relevanten Falls abgelehnt, daß der Schuldner seiner Befreiung widerspricht, und wie die Exegese in § 25155 gezeigt hat, steht dahinter die theoretische Erwägung, daß es im Prinzip auf den (subjektiven) Willen des Schuldners ankommt und nicht auf seine (objektiven) Interessen. Genau dieser Überzeugung tritt Gaius entgegen156, indem er die prinzipielle Bedeutung des Willens bestreitet und seine rechtliche Relevanz statt dessen auf den Zweck des Güterschutzes zurückführt. Im Gegensatz zu Labeo unterscheidet er daher auch nicht mehr zwischen ausdrücklichem Widerspruch und bloß fehlender Zustimmung. Denn nach seiner Auffassung kann das Einverständnis des Betroffenen bei einer Verbesserung der condicio aliena nicht nur unterstellt werden, es ist vielmehr gänzlich ohne Belang. In Gaius’ Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung zeigt sich aber auch der eben beschriebene topische Charakter seines Arguments: Gaius begründet die Befreiung des debitor invitus mit dem allgemeinen Gedanken, daß man die Lage eines anderen ohne dessen Zustimmung zwar nicht verschlechtern, wohl aber verbessern kann. Diese Prämisse hat weder normativen Charakter, noch ergibt sie sich aus dem systematischen Kontext der solutio, der Erlöschensgründe oder des Obligationenrechts. Sie wird vielmehr ad hoc, aus dem Problem selbst entwickelt, und zwar mit Hilfe eines bekannten Argumentationsmusters, das schon (und nur) deshalb in Betracht kommt, weil die befreiende Drittleistung die Lage des Schuldners verbessert. Die rein problembezogene, eben topische Invention der Prämisse zeigt sich vor allem daran, daß ihr Ergebnis mit einer echten, systembildenden Regel kollidiert. Wie bereits dargelegt157, kann nämlich die Lage eines anderen per extraneam personam weder durch obligationsbegründende Verträge noch durch den Erwerb sonstiger Rechte verbessert werden, und zwar völlig unabhängig vom Willen des Betroffenen. Diese systematische Vorgabe stellt Gaius gar nicht in Frage. Er handelt nur von dem Problem, ob die Lage eines anderen etiam ignorantis et inviti verbessert werden kann, und setzt dabei natürlich voraus, daß sich dieses Problem überhaupt stellt. Hier zeigt sich auch die erste Konsequenz aus dem topischen Charakter der Prämisse: Gaius erklärt nur, warum die Drittleistung auch den debitor invitus 154

Dazu bereits o. II 3. Vgl. dort vor allem die Schlußfolgerungen am Ende von V 2. 156 Ginge es Labeo gerade um den Schutz vor einer aufgedrängten Bereicherung, wie Kretschmar SZ 38 (1917) 320 ff. vermutet (dazu bereits o. § 25 V 2), dann wäre Gaius’ Begründung aus der melior condicio als Gegenargument kaum geeignet. 157 S. o. bei A. 30 und 61. 155

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befreit, er geht aber ohne weiteres davon aus, daß die solutio eines Dritten überhaupt befreiende Wirkung hat. Seine Begründung liefert daher nicht die von Mitteis158 erhoffte Erklärung „des ganzen Satzes“ und gibt insbesondere keine Antwort auf Kretschmars159 Frage, warum die Leistung eines Dritten „anstandslos als solutio“ begriffen wird, obwohl die obligatio nur den Schuldner selbst verpflichtet und darum auch nur von ihm persönlich ,erfüllt‘ werden kann. Der bloß topische Charakter des Arguments ist aber nicht nur für die Tragweite der Prämisse von Bedeutung, sondern auch für ihre Tragfähigkeit: Der Satz alienam condicionem meliorem quidem etiam ignorantis et inviti nos facere posse, deteriorem non posse hat nicht die Geltungskraft einer Norm, und er leitet er sich auch nicht aus übergeordneten Prinzipien oder aus den besonderen Grundsätzen der solutio her. Er liefert nur einen Gesichtspunkt, der es erlaubt, bei vorteilhaften Eingriffen in eine fremde Rechtssphäre ganz vom Willen des Betroffenen abzusehen. Die Tragfähigkeit der Prämisse hängt aber entscheidend davon ab, ob auch der zweite Argumentationsschritt überzeugt, ob also der Wille tatsächlich nur geschützt wird, damit der Betroffene seine berechtigten Interessen verteidigen kann. Streng genommen ist Gaius’ Prämisse aus der melior condicio also kein Argument gegen Labeos Pithanon, sie bestreitet nur die ihm zugrundeliegende Wertung und setzt ihr eine andere Interpretation des Zustimmungserfordernisses entgegen, die ihrerseits der Begründung bedarf. Dies erklärt zum einen, warum Gaius seine Prämisse in D 3.5.38 aus der – jetzt zu untersuchenden – naturalis simul et civilis ratio herleitet, und bestätigt zum anderen, daß ihre Bezeichnung als iure civili constitutum in D 46.3.53 aus dem palingenetischen Kontext dieses Fragments zu verstehen ist160 und gerade nicht als Ausdruck normativer Geltung begriffen werden kann. IV. Die ,doppelte ratio‘ 1. In D 3.5.38 begründet Gaius seine aus dem Topos der melior condicio entwickelte Prämisse mit ihrer naturalis simul et civilis ratio. Diese ,doppelte ratio‘, die bei Beseler, Frese und Solazzi noch als Interpolationsindiz gilt161, 158

S. o. A. 9. 23 (Zitat), vgl. auch 24, 25, 36 f. und vor allem 26 ff.; dazu bereits o. § 1 I und § 4 III, jeweils mwN. Kretschmar selbst (28) hat in Gaius’ Begründung zunächst den Versuch gesehen, die befreiende Wirkung der Drittleistung „in richtiger Erkenntnis dieser Schwierigkeit“ nicht aus dem Gedanken der Pflichterfüllung zu erklären, sondern aus einer „rechtspolitischen Zweckmäßigkeitserwägung“ und damit aus einem „obligationsfremden Gesichtspunkt“; anders dann SZ 38 (1917) 322, wo er dieselben ,Opportunitätsgründe‘ als Argument gegen Labeos Auffassung zur Befreiung invito debitore deutet. 160 S. o. nach A. 4, aber auch schon § 1 bei A. 100 ff. und § 25 bei A. 59 ff. 159

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macht den Text zu einer Quelle für die moderne Diskussion über römisches ,Naturrecht‘, in der er seither wohl die meiste Beachtung gefunden hat. Die kaum mehr überschaubare Literatur zum ius naturale kann und muß hier nicht referiert werden.162 Statt dessen soll im folgenden nur ein kurzer Überblick zum Gebrauch der Begriffe naturalis ratio und civilis ratio und zu den ,naturrechtlichen‘ Deutungen gegeben werden, die fr. 38 ihretwegen erfahren hat, bevor dann (unter 2) untersucht wird, welcher konkrete Sinn den beiden Ausdrücken in Gaius’ Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung zukommt. Naturalis ratio ist ein „Lieblingswort des Gaius“163, aber auch für Paulus und Ulpian belegt.164 Es wird in unterschiedlichen Funktionen verwendet, und zwar vor allem als Quelle des ius gentium165, aber auch zur Erklärung des ius civile166, das seinerseits in anderen Texten167 unter Berufung auf die naturalis ratio kritisiert wird. Mit dem Begriff der Natur kann hier – ebenso wie in ius naturale und ähnlichen Wendungen – Verschiedenes gemeint sein, nämlich die physische Realität als ,Natur der Sache‘168, die ,Rechtsnatur‘ materieller oder 161 Vgl. Beseler V 17, Frese 444 f. A. 210 und Solazzi Estinz. 44 mit A. 4; dazu bereits o. § 1 bei A. 87 ff. 162 Vgl. nur die umfangreichen Literaturangaben bei Wieacker RG I 510 A. 42, aber auch Kaser IG 54 ff. mwN. 163 So schon Gradenwitz Fg. Schirmer (1900) 156 A. 1; vgl. Gai 1.1 (= D 1.1.9), 1.89, 1.189, 2.66, 2.69, 2.79, 3.154, D 7.5.2.1 und D 8.2.8, D 9.2.4 pr. (alle Gai 7 ad ed prov), D 13.6.18.2 Gai 9 ad ed prov, D 41.1.1 pr. eod. 3 pr. und eod. 7.7 (alle Gai 2 rer cott) sowie D 44.7.1.9 Gai 2 aur und aus der Literatur etwa Voggensperger Der Begriff des ,Ius naturale‘ im Römischen Recht (1952) 100 ff., Nörr Rechtskritik 98 ff., Wagner Gaius 104 ff. oder Kaser IG 61. 164 Vgl. D 5.3.36.5 Paul 20 ad ed, D 17.2.83 Paul 1 manual, D 48.20.7 pr. Paul l s de port q lib dam conc und D 50.17.85.2 Paul 6 quaest einerseits und D 25.3.5.16 Ulp 2 de off cons andererseits, aber auch C 2.2.2 Gord, C 4.30.10 und C 9.1.14 (beide Diocl et Max) oder C 6.51.1.3a Iust sowie I 1.2.1, 1.10 pr., 2.1.12, 2.1.25, 2.1.35, 2.4.2 und 4.15.4. 165 Vgl. insbesondere die – in I 2.1.2 und D 1.1.9 übernommene – Definition des ius gentium in Gai 1.1 (quod vero naturalis ratio inter omnes homines constituit, id apud omnes populos peraeque custoditur vocaturque ius gentium, quasi quo iure omnes gentes utuntur) und dazu nur Kaser IG 20 ff., 40 ff., 65 ff. und passim, aber auch Gai 2.66, 2.69, 2.70, 2.73 und 2.79, D 41.1.1 pr., D 41.1.3 pr. und D 41.1.7.7 (alle Gai 2 rer cott), I 2.1.12 und 2.1.25 zu den Erwerbsgründen (Kaser IG 93 ff.), D 9.2.4 pr. Gai 7 ad ed prov zum Notwehrrecht (Kaser IG 53), Gai 1.189 zur Vormundschaft (Kaser IG 87 f.), Gai 3.154 zur societas (Kaser IG 142 f.) sowie Gai 1.89 zum Statuserwerb (Kaser IG 83 ff.). 166 Vgl. D 48.20.7 pr. Paul l s de port q lib dam conc (cum ratio naturalis quasi lex quaedam tacita liberis parentium hereditatem addiceret, velut ad debitam successionem eos vocando, propter quod et in iure civili suorum heredum nomen eis indictum est ac ne iudicio quidem parentis nisi meritis de causis summoveri ab ea successione possunt) zur Erbfolge sowie D 5.3.36.5 Paul 20 ad ed, D 13.6.18.2 Gai 9 ad ed prov und I 2.1.35 zum Verhältnis von fructus und impensae. 167 Vgl. D 7.5.2.1 Gai 7 ad ed prov (nec enim naturalis ratio auctoritate senatus commutari potuit) und Nörr Rechtskritik 98 ff. mit weiteren Quellen zu der Frage: „Naturrecht als rechtskritische Kategorie?“

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prozessualer Institute169, aber auch ,natürliche‘, das heißt: selbstverständliche, unmittelbar einsichtige Gebote der Gerechtigkeit170, die der modernen Vorstellung eines vorpositiven Naturrechts vielleicht am nächsten kommen. Der Ausdruck civilis ratio ist insgesamt seltener171 und wiederum vor allem bei Gaius172 belegt. Er bezeichnet nicht nur normative Prinzipien des ius civile173, sondern auch unverbindliche, eher der Anschauung dienende Leitgedanken wie die bekannte Metapher von der capitis deminutio als bürgerlichem Tod174. Der naturalis ratio wird die civilis ratio sonst nur noch in Justinians Institutionen an die Seite gestellt175, ähnliche Kombinationen finden sich aber

168 So vor allem die natürliche Verwandtschaft bei dem Grundsatz, daß der Status des Kindes dem der Mutter folgt (Gai 1.186) und beim Erbrecht der Kinder (D 48.20.7 pr. Paul l s de port q lib dam conc, vgl. auch legitima et simul naturalis societas, quae appellabatur ercto nocn cito in Gai 3.154a, ratio . . . naturae in D 38.6.7.1 Pap 29 quaest sowie naturali aequitate motus und sanguinis ratio in D 38.8.2 Gai 16 ad ed prov), die räumliche Situation einer Sache beim Eigentumserwerb durch traditio (Gai 2.66), occupatio (Gai 2.66 und 2.69, D 41.1.3 pr. Gai 2 rer cott, I 2.1.12) oder alluvio (Gai 2.70) und beim Miteigentum an einer gemeinsamen Mauer (D 8.2.8 Gai 7 ad ed prov) oder die Identität der Sachsubstanz bei der Fortsetzung des Miteigentums nach der Trennung von der Muttersache (D 17.2.83 Paul 1 manual) und bei der sabinianischen Lehre zum Fortbestand des Eigentums trotz Verarbeitung (Gai 2.79, D 41.1.7.7 Gai 2 rer cott: quia sine materia nulla species effici possit, I 2.1.25); vgl. dazu etwa Mayer-Maly St. Volterra II (1971) 113 ff., Waldstein ANRW II 15 (1976) 29 ff. oder Kaser IG 56 ff. 169 Vgl. vor allem D 7.5.2.1 Gai 7 ad ed prov und I 2.4.2 zum ususfructus sowie I 4.15.4 zu den petitorischen Klagen, aber auch servitutium non ea natura est in D 8.1.15.2 Pomp 33 ad Sab oder contra naturam societatis in I 3.25.2; dazu vor allem Waldstein ANRW II 15 (1976) 51 ff. 170 Vgl. vor allem D 9.2.4 pr. Gai 7 ad ed prov (nam adversus periculum naturalis ratio permittit se defendere) mit D 43.16.1.27 Ulp 69 ad ed zum Notwehrrecht, Gai 1.189 (quia id naturali ratione conveniens est, ut is qui perfectae aetatis non sit, alterius tutela regatur) mit I 1.20.6 zur Vormundschaft, D 5.3.36.5 Paul 20 ad ed (fructus intelleguntur deductis impensis, quae quaerendorum cogendorum conservandorumque eorum gratia fiunt. quod . . . naturalis ratio expostulat) sowie D 13.6.18.2 Gai 9 ad ed prov (nam cibariorum impensae naturali scilicet ratione ad eum pertinent, qui utendum accepisset) und I 2.1.25 (naturali ratione placuit fructus quos percepit eius esse pro cultura et cura) zum Verhältnis von Früchten und Verwendungen, aber auch D 44.7.1.12 Gai 2 aur (furiosum, sive stipulatur sive promittat, nihil agere natura manifestum est) zur Geschäftsunfähigkeit oder D 47.2.1.3 Paul 39 ad ed (furtum . . . quod lege naturali prohibitum est admittere) zum Diebstahl. 171 Vgl. außer den u. A. 172 angeführten Gaiusstellen C 7.65.3 Valent/Valens, I 1.10 pr., 1.15.3, 2.4.2, 3.1.11 und 4.15.4, aber auch ratio iuris civilis in D 35.1.33 pr. Marci 6 inst und UE 24.16. 172 Vgl. Gai 1.158, 2.110 und 3.153 sowie D 4.5.8 Gai 4 ad ed prov. 173 Vgl. etwa Gai 2.110 (cum alioquin peregrini quidem ratione civili prohibeantur capere hereditatem legataque, Latini vero per legem Iuniam), aber auch UE 24.16 (post mortem heredis legari non potest, ne ab heredis herede legari videatur, quod iuris civilis ratio non patitur). 174 Vgl. vor allem Gai 3.153 (quia civili ratione capitis deminutio morti coaequatur), aber auch Gai 1.158, D 4.5.8 Gai 4 ad ed prov und I 1.15.3.

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auch in den Digesten, wobei zumeist die Übereinstimmung176, teils aber auch der Gegensatz177 zwischen ,natürlichem‘ und ,bürgerlichem‘ Recht betont wird. Diese uneinheitliche Terminologie erschwert nicht nur die Lehre vom römischen ,Naturrecht‘, sie eröffnet auch große Spielräume bei der Interpretation jeder einzelnen Quelle. Entsprechend vielgestaltig sind die Deutungen der naturalis ratio in D 3.5.38. Ausführlichere Darstellungen des Textes finden sich allerdings nur bei Maschi und Stein. Nach Maschi178 verbirgt sich hinter der naturalis simul et civilis ratio die Lehre von der Erreichung des Obligationszwecks. Er sieht in der obligatio nur ein Mittel, um dem Gläubiger die geschuldete Leistung zu verschaffen, und: „Avvenuta la quale, non importa per opera di chi, si estingue naturalmente anche la obligatio, poichè il fine è raggiunto. . . . Naturalis ratio è qui il fondamento realistico (che deriva indirettamente dalla struttura della solutio, struttura materialistica, non contrattuale) del principio, secondo il quale si può fare pienamente un vantaggio a chichessia; civilis ratio indica che ciò è riconosciuto dal ius civile.“ Stein179 dagegen bringt die Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung in Zusammenhang mit dem Schulenstreit zur datio in solutum, von dem Gaius in seinen Institutionen180 berichtet. Er identifiziert die civilis ratio mit der strengen prokulianischen Lehre, nach der nur die Leistung des Geschuldeten zum Erlöschen der Obligation führen kann, und die naturalis ratio mit dem „robust common sense“ der Sabinianer, 175 Vgl. I 1.10 pr. (et civilis et naturalis ratio suadet), I 2.4.2 (neque naturali ratione neque civili recipiunt) und I 4.15.4 (et civilis et naturalis ratio facit). 176 Vgl. etwa D 12.6.59 Pap 2 def (naturale vinculum non dissolvit nec civile), D 38.10.4.2 Mod 12 pand (quaedam cognationes iure civili, quaedam naturali conectuntur, nonnumquam utroque iure concurrente et naturali et civili copulatur cognatio), D 41.5.2.1 Iul 44 dig (possessio non solum civilis, sed etiam naturalis intellegatur), D 43.18.2 Gai 25 ad ed prov (et civili et naturali iure eius est), D 45.1.1.2 Ulp 48 ad Sab (non tantum autem civiliter, sed nec naturaliter obligatur) oder D 45.1.83.5 Paul 72 ad ed (neque civile neque naturale est), aber auch Gai 3.154a (legitima et simul naturalis societas), I 1.10.3 (neque naturali neque civili iure tibi coniungitur) und I 3.1.15 (utroque enim iure tam naturali quam legitimo in hanc personam concurrente). 177 Vgl. neben D 7.5.2.1 Gai 7 ad ed prov (o. A. 167) etwa D 47.4.1.1 Ulp 38 ad ed (haec autem actio, ut Labeo scripsit, naturalem potius in se quam civilem habet aequitatem). 178 274 ff. (Zitat 276 f.). 179 Fs. Daube (1974) 311 f. (Zitate 312); zustimmend Archi Fs. Flume I (1978) 15 A. 39 und Behrends SZ 97 (1980) 465, der den Gedanken weiterführt: „Zweifellos ist das eine dezidiert normative natürliche Vernunft, da sich gegen aufgedrängte Bereicherungen auch etwas einwenden läßt – die bürgerliche Vernunft meint vermutlich das alte Drittlösungsrecht der Zwölftafeln –, und wenn Peter Stein, wie ich glaube, Recht hat, ist es zugleich die naturalis ratio der sabinianischen Rechtsschule, die ja grundsätzlich die Erfüllungswirkung vom Befriedigungszweck her bestimmte, im Gegensatz zu den Prokulianern, die hier und sonst viel stärker der Regelvernunft opferten und Verwirklichung des Obligationsprogramms forderten, das für sie nach Gegenstand und dann wahrscheinlich auch nach der Person des Leistenden starr war.“ 180 3.168; dazu o. § 4 I.

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die es genügen lassen, wenn der Gläubiger etwas anderes an Erfüllungs Statt annimmt. Stein zufolge hat diese Kontroverse allerdings keine Bedeutung für die befreiende Wirkung der Drittleistung, denn: „In such a case the obligation is extinguished and that result is accepted both by Sabinians and by Proculians; for both naturalis ratio and civilis ratio agree that the position of another can be improved without his knowledge or consent, although it cannot be made worse.“ Die übrigen ,naturrechtlichen‘ Deutungen des Fragments beschäftigen sich teils mit dem Verhältnis von naturalis und civilis ratio, das entweder als Beleg für die Anerkennung vorpositiver Prinzipien durch das ius civile181 oder als Hinweis darauf verstanden wird, daß Gaius’ Erklärung der befreienden Drittleistung sowohl den Grundsätzen des strengen Rechts als auch der Billigkeit entspreche.182 In erster Linie geht es aber darum, die naturalis ratio bestimmten vorrechtlichen Anschauungen zuzuordnen. So qualifiziert Wagner183 die „schon von der Ethik gebotene Regel“, daß man die Lage eines anderen ohne dessen Kenntnis und Zustimmung zwar verbessern, aber nicht verschlechtern kann, als „eine Ausformung des ,neminem laedere‘“, für Casavola184 gehört sie zu den „proposizioni etiche non discutibili“ im stoischen Denken, und nach Schmidlin185 spricht aus ihr „die Lehre vom Streben nach dem Guten, von dem nach der Stoa das Nützliche nicht zu trennen ist.“ Die kurze und keineswegs vollständige186 Übersicht ,naturrechtlicher‘ Interpretationen erweckt den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit, der sich noch verstärkt, wenn man sie mit Kretschmars Erklärung vergleicht. Denn danach argumentiert Gaius gerade nicht mit stoischen Vorstellungen, sondern gegen Labeos Pithanon in D 46.3.91, das Kretschmar187 seinerseits „der stoisch angehauchten Popularphilosophie“ zurechnet, und die naturalis simul et civilis ratio bezieht Kretschmar nicht auf die unterschiedlichen Standpunkte der beiden Rechtsschulen, sondern ausschließlich auf Gaius’ eigene Auffassung, die er für typisch sabinianisch hält.188

181

So neben Maschi 274 ff. auch von Koschembahr-Lyskowski St. Bonfante III

473 f. 182

So etwa Wagner Gaius 185 f. Gaius 111. 184 ANRW II 15 (1976) 167. 185 Rechtsreg. 176/177 A. 37. 186 Von der naturalis ratio in D 3.5.38 handeln auch Gradenwitz Fg. Schirmer (1900) 156, Voggensperger (o. A. 163) 105 A. 15, Honoré Gaius (1962) 106 A. 2, Nörr Rechtskritik 99 A. 71, Talamanca Bull. 80 (1977) 295 A. 213, Didier SDHI 47 (1981) 203 A. 41, 207 A. 75 und Kaser IG 61 A. 241. 187 SZ 38 (1917) 321, dazu o. § 25 bei A. 101 ff. 188 SZ 38 (1917) 322, dazu o. § 25 A. 112. 183

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Hinzu kommt, daß die eben vorgestellten Deutungen zumeist nicht vom Text selbst ausgehen, sondern von – jeweils verschiedenen – Konzepten der naturalis ratio, die aus anderen Quellen entwickelt worden sind. Sie berücksichtigen daher weder die Darstellungsform der Spiegelung noch die Funktion und den topischen Charakter des Arguments aus der melior condicio oder die (auf die Befreiung des debitor invitus) beschränkte Fragestellung189 und Labeos abweichende Auffassung zu diesem Problem, gegen die sich Gaius mit seiner Begründung wendet. Im folgenden wird daher auf eine detaillierte Auseinandersetzung mit den verschiedenen Konzepten der naturalis ratio und den darauf beruhenden Deutungen verzichtet und statt dessen versucht, die konkrete Bedeutung und Funktion der naturalis simul et civilis ratio in fr. 38 aus dem Text selbst zu ermitteln. 2. Grundlage für das Verständnis der ,doppelten ratio‘ in D 3.5.38 sind der Wortlaut und die syntaktische Struktur des Begründungssatzes: Subjekt und Prädikat dieses Satzes stehen im Singular, Gaius spricht von einer ratio, die naturalis und zugleich (simul et) civilis ist.190 Die beiden Attribute verweisen also nicht auf zwei verschiedene Rechtsprinzipien oder -standpunkte191, sondern darauf, daß die eine ,natürliche‘ ratio auch im ius civile anerkannt ist. Wie das Perfekt von suasit zeigt, hat ihre zivile ,Rezeption‘ bereits stattgefunden; Gaius beruft sich also auf geltendes Recht. Anders als in D 46.3.53 spricht er jedoch nicht von einem constitutum192, sondern von einer bloßen ,Empfehlung‘ des ius civile. Das vorsichtigere suadere betont – zumal in der Verbindung mit ratio193 – nur die Überzeugungskraft seiner Prämisse und gerade nicht ihre normative Autorität. Es steht damit eher für eine unstrenge, wertende Argumentation als für eine echte Geltungsbehauptung. Syntaktisch regiert suasit nur den nachfolgenden a.c.i., die beiden vorausgehenden Sätze sind grammatisch selbständig. 189 Dies gilt vor allem für Stein, Archi und Behrends (alle o. A. 179), die D 3.5.38 – ähnlich wie Mitteis SZ 30 (1909) 440 – als Erklärung ,des ganzen Satzes‘ von der befreienden Drittleistung verstehen; dazu bereits o. bei A. 158, Gaius’ Fragestellung wurde o. unter II analysiert. 190 Ähnlich nur noch Gai 3.154a zum consortium ercto non cito als einer legitima simul et naturalis societas. 191 So aber Wagner Gaius 185 f. sowie Stein, Archi und Behrends (alle o. A. 179); zutreffend dagegen die o. A. 181 Zitierten und teilweise auch Beseler V 17 („eine besondere civilis ratio ist nicht vorhanden: indem das Zivilrecht die naturalis ratio befolgt entsteht keine neue ratio“), der allerdings übersieht, daß die normative Anerkennung durch das ius civile der naturalis ratio eine neue Qualität verleiht. 192 Zu iure civili constitutum in fr. 53 s. o. A. 160 und nach A. 4 sowie § 1 bei A. 100 ff. und § 25 bei A. 59 ff. 193 Den Ausdruck ratio suadet verwenden von den Juristen nur Gaius und Papinian; vgl. Gai 1.190, D 28.7.22 Gai 8 ad ed prov und D 46.1.70.5 Gai 1 de verb obl sowie D 22.1.4 pr. Pap 27 quaest, D 26.7.38 pr. Pap 12 quaest, D 27.3.20 pr. Pap 2 resp, D 31.70 pr. Pap 20 quaest, D 46.3.95.10 Pap 28 quaest und D 49.17.15.3 Pap 35 quaest, aber auch C 2.4.14 Diocl/Max, C 5.51.4 pr. Alex, C 6.26.2 Sev/Ant oder C 8.52.1 Alex und vor allem I 1.10 pr. (et civilis et naturalis ratio suadet).

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Die ,Empfehlung‘ der naturalis simul et civilis ratio bezieht sich also nicht auf die konkrete Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Leistung durch und an Dritte den Schuldner befreit194, sondern nur auf die allgemeine Prämisse, nach der man die Lage eines anderen ohne dessen Kenntnis und Zustimmung zwar verbessern, aber nicht verschlechtern kann.195 Der unmittelbare sprachliche Kontext in fr. 38 grenzt somit den Spielraum für mögliche Interpretationen bereits erheblich ein. Er reicht aber noch nicht aus, um die genaue Bedeutung der ,doppelten ratio‘ zu bestimmen. Hierzu müssen vielmehr auch der allgemeine Sprachgebrauch und die Ergebnisse der bisherigen Exegese herangezogen werden. Denn angesichts der uneinheitlichen Terminologie lassen sich die Begriffe naturalis und civilis ratio nur aus ihrem jeweiligen argumentativen Zusammenhang erklären. Dies ist das Ziel der folgenden Überlegungen. Mit naturalis simul et civilis ratio suasit betont Gaius die ,Vernunft‘, das heißt: die Überzeugungskraft seiner Prämisse und beruft sich dafür sowohl auf ihre ,natürliche‘, unmittelbar einsichtige Gerechtigkeit196 als auch auf ihre Anerkennung durch das ius civile. Er stellt sie aber nicht als verbindliche Norm dar und führt sie auch nicht auf zwingende Vorgaben des ,natürlichen‘ oder ,bürgerlichen‘ Rechts zurück. Die ,doppelte ratio‘ steht also weder für eine vor194 Aus diesem Grund haben D 46.3.107 Pomp 2 enchir (verborum obligatio aut naturaliter resolvitur aut civiliter: naturaliter veluti solutione aut cum res in stipulationem deducta sine culpa promissoris in rebus humanis esse desiit: civiliter veluti acceptilatione vel cum in eandem personam ius stipulantis promittentisque devenit) und Gai 3.160 (et huic simile est quod plerisque placuit, si debitor meus manumisso dispensatori meo per ignorantiam solverit, liberari eum, cum alioquin stricta iuris ratione non posset liberari eo, quod alii solvisset quam cui solvere deberet) mit der ,doppelten ratio‘ in D 3.5.38 nichts zu tun. 195 Diese zweistufige Argumentation übersieht Behrends (o. A. 179), wenn er die civilis ratio unmittelbar auf das Drittlösungsrecht der XII Tafeln bezieht; im Ansatz zutreffend dagegen Maschi 275 („Ciò che noi dobbiamo qui considerare è la giustificazione del principio, fatta in base alla massima alienam condicionem meliorem nos facere posse, deteriorem non posse, la quale è a sua volta basata su una naturalis et civilis ratio di cui, a tutta prima, non si afferra il significato preciso“), der die ,doppelte‘ ratio allerdings trotzdem auf die ,struttura della solutio‘ und die Befriedigung des Gläubigers zurückführt (s. o. bei A. 178, aber auch u. A. 196), und Gaius’ zweistufige Begründung damit gewissermaßen einebnet. Gegen seine – in der Sache naheliegende – Erklärung spricht aber vor allem, daß Gaius gerade nicht mit der Erreichung des Obligationszwecks und den Interessen des Gläubigers argumentiert, sondern ausschließlich mit dem fehlenden Interesse des Schuldners; dazu näher u. § 27 II 4. 196 Die übrigen Bedeutungen von naturalis (s. o. A. 168 ff.) scheiden von vornherein aus. Denn Gaius’ allgemeine Prämisse hat nichts mit der physischen Realität als ,Natur der Sache‘ oder mit der ,Rechtsnatur‘ eines bestimmten Instituts zu tun. Die insbesondere von Maschi 278 vertretene Gegenauffassung („Ma tutto ciò conferma che si tratta di un principio che è desunto dalla stessa realtà delle cose e diventa principio giuridico“) bezieht die naturalis simul et civilis ratio entgegen ihrer syntaktischen Stellung auf die Aussage der beiden ersten Sätze und setzt sich damit über die – von Maschi selbst betonte – Zweistufigkeit der Begründung hinweg (s. o. A. 195).

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rechtliche Instanz noch für ein oberstes Prinzip, aus dem sich die Prämisse oder gar deren Bedeutung für die eigenmächtige Drittleistung ableiten ließe. Sie ist vielmehr ein bloßer Appell an die Evidenz des Gedankens, verstärkt durch den Hinweis auf seine – nicht näher ausgeführte – rechtliche Bedeutung. Diese unstrenge Herleitung der Prämisse entspricht dem topischen Charakter des Arguments aus der melior condicio. Sie trägt aber auch dem Umstand Rechnung, daß Labeo gerade bei der Befreiung des debitor invitus eine andere Auffassung vertritt: Ein Grundsatz, der nicht allgemein anerkannt ist, kann zwar der ,natürlichen und juristischen Vernunft‘ entsprechen, er ist aber (jedenfalls noch) kein geltendes Recht. Die ,Empfehlung‘ der naturalis simul et civilis ratio bezieht sich nicht unmittelbar auf die streitige Rechtsfrage, ob der Schuldner auch gegen seinen erklärten Willen befreit werden kann, sondern nur auf die Prämisse, mit deren Hilfe diese Frage beantwortet wird. Gaius betont also nicht bloß die ,Vernunft‘ seiner Antwort, er isoliert vielmehr zunächst das Problem und führt es einer allgemeinen wertenden Lösung zu. Mit Hilfe dieser Abstraktion verweist er dann unmittelbar auf die Evidenz seiner Lösung und gleichzeitig darauf, daß sie in anderen Fragen bereits rechtliche Anerkennung gefunden hat. Dieser Hinweis auf die ,doppelte ratio‘ der Prämisse ist aber auch nicht mehr als die Behauptung, die ihr zugrunde liegende Wertung leuchte im Ergebnis unmittelbar ein und entspreche den normativen Grundlagen des ius civile. Warum dies der Fall ist, sagt Gaius nämlich nicht. Er nennt weder die rechtlichen Prinzipien, auf die der Ausdruck civilis ratio anspielt, noch bezeichnet er den ,natürlichen‘ Grund für die uneingeschränkte Anwendung des Arguments aus der melior condicio auf jeden invitus et ignorans. Die naturalis ratio läßt sich allerdings aus der typischen Funktion dieses Arguments erschließen: Es ist die – unter III 3 beschriebene – ,teleologische Reduktion‘ der Selbstbestimmung, die Überlegung nämlich, daß der Schutz des Willens nur die Verteidigung berechtigter Interessen ermöglichen soll und darum auf solche Fälle beschränkt werden kann, in denen dem invitus ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Nachteil droht. Auch die civilis ratio, also die rechtliche Bedeutung dieses Gedankens, läßt sich nach den bisher gewonnen Erkenntnissen näher bestimmen: Wie die Analyse der äußeren Darstellung (unter II 1) gezeigt hat, vergleicht Gaius im ersten Teil von fr. 38 die eigenmächtige Drittleistung mit dem spiegelbildlichen Fall der Leistung an Dritte. Diese Spiegelung kehrt im Begründungssatz wieder und bringt hier zum Ausdruck, daß die Befreiung des Schuldners bei der Einziehung einer fremden Forderung deshalb von der Zustimmung des Gläubigers abhängt, weil die Lage eines anderen nicht ohne seine Zustimmung verschlechtert werden kann. Sie belegt damit, daß die Selbstbestimmung des Gläubigers der Verteidigung seiner wirtschaftlichen Interessen dient. Denselben Zweck erfüllt der Schutz des invitus bei allen Verfügungen eines Nichtberechtigten197 und bei sonstigen Eingriffen in fremdes Vermögen198, aber auch bei anderen Handlun-

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gen Dritter, die sich zu seinem Nachteil auswirken können.199 Daß es in solchen Fällen auf die Zustimmung des Betroffenen ankommt, versteht sich in der Tat von selbst. Die ,doppelte ratio‘ entspricht hier einem Gebot der ,natürlichen und zugleich juristischen Vernunft‘, das sich – wenn man eine solche Klassifizierung für erforderlich hält – am ehesten mit Wagner200 als spezielle Ausformung des neminem laedere begreifen läßt. Dies gilt jedoch nur für den einen Teil der Prämisse. Der andere, für die eigenmächtige Drittleistung entscheidende Teil leuchtet dagegen nicht so unmittelbar ein. Denn warum soll der invitus nicht auch das Recht haben, einen aufgedrängten Vorteil zurückzuweisen? Gaius’ Behauptung alienam condicionem meliorem quidem etiam ignorantis et inviti nos facere posse wirkt zwar zunächst plausibel, sie bezieht ihre naturalis ratio aber nur aus dem spiegelbildlichen deteriorem non posse und aus der suggestiven Kraft dieser Gegenüberstellung.201 Denn der unausgesprochene Umkehrschluß, den diese Form der Darstellung nahelegt und auch ,natürlich‘ erscheinen läßt, ist in Wahrheit eine petitio principii: Daß eine Verschlechterung der condicio aliena (wie der Verlust einer Forderung) die Zustimmung des Betroffenen voraussetzt, läßt nur dann auf die Entbehrlichkeit der Zustimmung bei einer Verbesserung (wie der Befreiung von einer Verbindlichkeit) schließen, wenn der Wille nicht auch als solcher schützenswert ist, sondern einzig und allein als Mittel zur Verteidigung rechtlicher oder wirtschaftlicher Interessen. Diese Wertung ist aber gerade die Voraussetzung für Gaius’ ,teleologische Reduktion‘, und wie Labeos Auffassung zur Befreiung invito debitore zeigt, versteht sie sich keineswegs von selbst. Ähnlich zweifelhaft ist die civilis ratio für den entscheidenden Teil der Prämisse. Das Erfordernis der Zustimmung läßt sich zwar bei der Einziehung einer fremden Forderung oder in vergleichbaren Fällen durchaus mit dem Schutz vor wirtschaftlichen Nachteilen erklären, und im ius civile finden sich umgekehrt 197

Vgl. hierzu etwa D 23.3.34 Ulp 33 ad Sab (si inscia invitave uxore vir id aurum in dotem dedisset, manet id aurum heredis matris vindicarique potest), D 46.3.78 Iav 11 ex Cass (si alieni nummi inscio vel invito domino soluti sunt, manent eius cuius fuerunt) oder C 3.32.3 Alex (maritus fundum tuum invita vel ignorante te vendere iure non potuit). 198 Vgl. etwa D 22.1.25 pr. Iul 7 dig (qui scit fundum sibi cum alio communem esse, fructus, quos ex eo perceperit invito vel ignorante socio, non maiore ex parte suos facit quam ex qua dominus praedii est) zur Fruchtziehung oder C 3.44.2 Ant (invito vel ignorante te ab alio illatum corpus in puram possessionem tuam vel lapidem locum religiosum facere non potest) zur Bestattung auf fremdem Grund. 199 Vgl. etwa D 29.5.27 Call 1 de iure fisci (si de pluribus heredibus quibusdam invitis aut ignorantibus apertum erit testamentum, non amittunt portiones suas qui culpa carent) zum SC Silanianum oder C 8.25.3 Alex (si ignorante vel invito te debitor tuus, qui universa bona sua ob pecuniam debitam tibi obligaverat, etsi cum re publica, postea contraxit, ius tuum non laesit) zur Legalhypothek des Fiskus. 200 Gaius 111; s. o. bei A. 183. 201 Dazu bereits o. II 1 a. E.

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auch Beispiele für rechtlich vorteilhafte202 oder neutrale203 Handlungen, deren Wirksamkeit nicht vom Willen des Betroffenen abhängt. Gaius’ Unterscheidung zwischen alienam condicionem meliorem und deteriorem facere ist aber sicher nicht das einzige Kriterium für den zivilrechtlichen Schutz des invitus. Denn wie bereits mehrfach erwähnt, gibt es auch Regeln, nach denen die Lage eines anderen nur mit dessen Zustimmung204 oder überhaupt nicht205 verbessert werden kann, und im allgemeinen sind wirtschaftlich vorteilhafte Eingriffe in ein fremdes Recht dem Willen seines Inhabers genauso unterworfen wie nachteilige. Dies gilt jedenfalls für Störungen des Eigentums und anderer dinglicher Rechte206, aber auch für das ius prohibendi, vermöge dessen ein Miteigentümer Maßnahmen der übrigen Gemeinschafter verhindern kann. Denn dieses Vetorecht wird in den Quellen ebenfalls nicht davon abhängig gemacht, daß die ver-

202 So setzt vor allem die o. § 11 III und § 25 bei A. 42 behandelte Kontroverse zum Aufwendungsersatz bei der negotiorum gestio nolente et specialiter prohibente domino voraus, daß eine solche nützliche Geschäftsführung gegen den Willen des Geschäftsherrn überhaupt möglich ist. Vgl. außerdem D 17.1.53 Pap 9 quaest (o. § 11 nach A. 65) und D 46.1.30 Gai 5 ad ed prov (o. § 1 nach A. 103) zur Bürgschaft pro invito vel ignorante, aber auch D 46.3.22 Ulp 45 ad Sab (o. A. 114) und die übrigen o. A. 33 aufgeführten Stellen zum Rechtserwerb gegen den Willen des Gewalthabers, die sich allerdings aus der besonderen rechtlichen Stellung von Hauskindern und Sklaven erklären dürften, sowie D 26.5.6 Ulp 8 de omn trib zur Bestellung eines Vormunds gegen den Willen des Mündels, deren Zulässigkeit sich ebenfalls aus den Besonderheiten dieses Rechtsgebiets ergibt. Die Quellen zur Defension (D 46.3.23 Pomp 24 ad Sab, o. § 24 bei A. 15) und Novation (D 46.2.8.5 Ulp 46 ad Sab, o. § 25 bei A. 93) invito debitore gehören nicht hierher. Sie sind selbst Teil der Kontroverse und setzen Gaius’ Argumentation bereits voraus. 203 Vgl. C 4.39.3 = C 8.41.1 Alex (o. A. 41) zum Forderungskauf invito debitore. 204 So bei der Schenkung; vgl. dazu vor allem D 39.5.19.2 Ulp 76 ad ed (o. A. 61). 205 So beim Rechtserwerb per extraneam personam (s. o. A. bei 30 und 61), und zwar gerade auch in dem der Drittleistung verwandten Fall einer ,prätorischen Befreiung‘ durch pactum de non petendo (s. o. bei A. 119). 206 Nach den Formeln der actiones negatoriae (vgl. dazu Lenel EP 190 ff. und Kaser RP I 437, 447 und 453) kommt es nur darauf an, ob der Beklagte berechtigt ist, eine bestimmte Handlung gegen den Willen des klagenden Rechtsinhabers vorzunehmen. Dies zeigen etwa D 7.6.5 pr. Ulp 17 ad ed (invito se negat ius esse utendi fructuario vel sibi ius esse prohibendi) und D 8.5.6 pr. Ulp 17 ad ed (intendes ius mihi non esse ita aedificatum habere invito te) für die Abwehrklage des Eigentümers (vgl. dazu nur Kaser RP I 437 mwN.) oder D 8.5.17.1 Alf 2 dig (ut cum eo ageret ius ei non esse in eo loco ea posita habere invito se) und D 39.1.2 Iul 49 dig (adversus dominum agere potest ius ei non esse invito se altius aedificare) für die Unterlassungsklagen aus Servitut (Kaser RP I 447) und Nießbrauch (Kaser RP I 453). Einen Schaden des Klägers oder eine sonstige Beeinträchtigung seiner Interessen setzt keine dieser Klagen voraus. Das Argument aus der melior condicio, das sich in D 7.1.13.4 Ulp 18 ad Sab (dazu o. bei A. 69), D 8.2.20.5 Paul 15 ad Sab (dazu o. bei A. 78) und den anderen o. A. 73, 76, 77 und 88 zitierten Stellen findet, dient nur dazu, die Rechte aus dem Nießbrauch oder einer Servitut von denen des Eigentümers abzugrenzen, es ermöglicht aber keine weiteren, iure suo unzulässigen Eingriffe in ein fremdes Recht.

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

botene Maßnahme den berechtigten Interessen des invitus oder der Gemeinschaft widerspricht.207 Das Beispiel des ius prohibendi begründet auch noch in anderer Hinsicht Zweifel an der civilis ratio von Gaius’ Prämisse. Es zeigt nämlich, daß das ius civile bei Eingriffen in eine fremde Rechtssphäre durchaus zwischen dem erklärten Widerspruch des Betroffenen und anderen Fällen fehlender Zustimmung unterscheidet.208 So heißt es in D 10.3.28 Pap 7 quaest: Sed etsi in communi prohiberi socius a socio ne quid faciat potest, ut tamen factum opus tollat, cogi non potest, si, cum prohibere poterat, hoc praetermisit. Danach kann der eine Miteigentümer zwar jede Maßnahme des anderen verbieten, doch verliert er sein Vetorecht ersatzlos, wenn er es nicht wahrnimmt und den anderen gewähren läßt. Es gibt also kein allgemeines Rechtsprinzip, nach dem alle Fälle fehlender Zustimmung gleich zu behandeln wären. Genau dies setzt Gaius aber stillschweigend voraus, wenn er den – von Labeo abgelehnten – einheitlichen Tatbestand der Drittleistung invito debitore damit begründet, daß eine Verbesserung der condicio aliena stets auch ,ohne Willen‘ des Betroffenen möglich sei. Über die naturalis ratio seiner Prämisse läßt sich in diesem Punkt ebenfalls streiten. Begrifflich leuchtet zwar unmittelbar ein, daß der ausdrückliche Widerspruch ein Fall der fehlenden Zustimmung ist. Normativ kann aber – wie schon mehrfach bemerkt209 – gerade bei vorteilhaften Eingriffen in eine fremde Rechtssphäre nicht ohne weiteres von der Entbehrlichkeit der Zustimmung auf die Unbeachtlichkeit des Widerspruchs geschlossen werden kann. Auch dieser Schluß setzt vielmehr voraus, daß man Gaius’ ,teleologischer Reduktion‘ folgt und nicht – wie Labeo – nur deshalb auf eine ausdrückliche Zustimmung verzichtet, weil eine Verbesserung der condicio aliena dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen entspricht.

207 Vgl. etwa D 10.3.28 Pap 7 quaest (Sabinus ait in re communi neminem dominorum iure facere quicquam invito altero posse. unde manifestum est prohibendi ius esse: in re enim pari potiorem causam esse prohibentis constat) oder die Begründung in D 8.5.11 Marcell 6 dig (et magis dici potest prohibendi potius quam faciendi esse ius socio, quia magis ille, qui facere conatur ut dixi, quodammodo sibi alienum quoque ius praeripit, si quasi solus dominus ad suum arbitrium uti iure communi velit) und dazu Kaser RP I 411 f. mwN. 208 Weitere Beispiele sind die actio mandati in factum concepta, nach deren Formel die stillschweigende Duldung einem Mandat gleichsteht (dazu o. § 10 II, vgl. dort vor allem die Nachweise in A. 15), die ,Prozeßvertretung‘ durch den procurator praesentis, die keine förmliche Bestellung durch den Vertretenen, sondern nur dessen Duldung voraussetzt (vgl. die Nachweise in § 24 A. 23), und die in C 2.18.24 Iust und D 17.1.40 Paul 9 ad ed überlieferte Kontroverse zur negotiorum gestio, bei der Justinian mit der auch schon in klassischer Zeit vorherrschenden Ansicht das ausdrückliche Verbot des Geschäftsherrn (nolente et specialiter prohibente domino) von den übrigen Fällen fehlender Zustimmung unterscheidet (dazu o. A. 202 sowie § 25 bei A. 42 und vor allem § 11 III). 209 S. o. A. 54, § 24 nach A. 9 sowie § 25 II 2 a. E. und II 4 a. E.

§ 26 Gaius’ Erklärung der Drittleistung

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Der Verweis auf die naturalis simul et civilis ratio kann also nicht darüber hinwegtäuschen, daß Gaius bei seiner Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung nur von einer grundlegend anderen Wertung ausgeht als Labeo in seinem Pithanon zur Befreiung invito debitore. Er steht eben nicht für eine zwingende Ableitung aus allgemein anerkannten rechtlichen oder gar vorrechtlichen Prinzipien, wie sie in einer solchen Grundfrage ohnehin kaum möglich wäre. Seine Funktion erschöpft sich vielmehr darin, die unausgesprochene Wertung, die der Prämisse zugrunde liegt, plausibel zu machen. Diese Plausibilität wird aber nicht durch weitere normative oder systematische Argumente erreicht, sondern lediglich behauptet. Die ,doppelte ratio‘ ergänzt damit die suggestive Darstellungsform der Spiegelung und das topische Argument aus der melior condicio um einen unspezifischen Appell an die ,natürliche‘ Gerechtigkeit und die normative Autorität des ius civile, der sich bei genauerer Betrachtung gerade in der problematischen Frage einer nicht autorisierten Verbesserung der condicio aliena als unergiebig erweist und den allein streitigen Fall des ausdrücklichen Widerspruchs überhaupt nicht erfaßt. V. Zusammenfassung und Einordnung 1. Gaius’ Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung ist zweimal überliefert. Die zuverlässigere und wohl auch ursprüngliche Fassung findet sich im dritten Buch seiner Monographie über die Verbalobligationen (D 3.5.38). Hier vergleicht Gaius die beiden spiegelbildlichen Fälle der solutio durch und an Dritte. Er arbeitet heraus, daß die Leistung an Dritte der Zustimmung des Gläubigers bedarf, während die Drittleistung auch ohne Kenntnis und Willen des Schuldners möglich ist. Dieser scheinbare Gegensatz, der in der anschließenden Begründung aufgelöst wird, ist aber nicht das Problem der Stelle. Auch die Drittleistung ignorante debitore bereitet keine besonderen Schwierigkeiten. Dieser Unterfall der eigenmächtigen Drittleistung wird nur deshalb besonders erwähnt, weil das mehrdeutige invitus sonst mißverstanden werden könnte. Problematisch ist allein die Drittleistung ,ohne Willen‘ des Schuldners als nicht autorisierter Eingriff in eine fremde Rechtssphäre. Gaius leitet ihre befreiende Wirkung aus dem allgemeinen Satz ab, daß man die Rechtslage eines anderen ohne dessen Zustimmung zwar nicht verschlechtern, wohl aber verbessern kann. Diese sonst nicht mehr belegte Prämisse ist kein verbindlicher Rechtssatz und auch keine anerkannte Maxime der Rechtsauslegung oder -fortbildung, sondern eine bloße Behauptung, die Gaius ad hoc aus dem Problem selbst entwickelt. Sie läßt sich weder induktiv aus den Regeln der solutio oder vergleichbarer Institute begründen noch im Wege der Deduktion aus allgemeinen Grundsätzen herleiten. Ihre Invention ist vielmehr dem spezifisch juristischen Topos der melior condicio zu verdanken, der in D 3.5.38 wie auch in zahlreichen anderen Quellen den Gesichtspunkt für eine ,teleologische Reduktion‘ liefert. Er ist

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

Ausdruck dafür, daß vorteilhafte Eingriffe in eine fremde Rechtssphäre deshalb ohne Zustimmung des Betroffenen möglich sind, weil der Wille nicht als solcher geschützt wird, sondern nur als Mittel zur Abwehr rechtlicher oder wirtschaftlicher Nachteile. Gaius bezeichnet diese teleologische Einschränkung der Selbstbestimmung als ,Empfehlung‘ der naturalis simul et civilis ratio. Er beruft sich damit auf ihre Evidenz und gleichzeitig auf ihre Anerkennung durch das ius civile. Beides überzeugt nur insofern, als nachteilige Eingriffe in eine fremde Rechtssphäre stets dem Willen des Betroffenen unterworfen sind. Der durch die suggestive Spiegelung nahegelegte Umkehrschluß, daß vorteilhafte Eingriffe keiner Zustimmung bedürfen, versteht sich dagegen weder bei ,natürlicher‘ noch bei ,juristischer‘ Betrachtung von selbst. Er setzt vielmehr eine bestimmte Bewertung des Verhältnisses zwischen Recht und Privatautonomie voraus, über deren Angemessenheit sich durchaus streiten läßt. 2. Daß tatsächlich über diese Wertungsfrage gestritten wird, zeigt ein Vergleich mit den Ergebnissen des vorausgehenden Paragraphen. Denn danach ist Gaius’ Begründung in D 3.5.38 als Erwiderung auf Labeos Pithanon in D 46.3.91 zu verstehen: Labeo unterstellt das Erlöschen der Obligation dem Willen des Schuldners und lehnt deshalb einen einheitlichen Tatbestand der Befreiung invito debitore ab, auch wenn die prinzipielle Bedeutung des Willens nur in dem eher theoretischen Fall greifbar wird, daß der Schuldner seiner Befreiung ausdrücklich widerspricht. Gaius hält dem entgegen, der debitor invitus sei niemals schutzwürdig, weil seine Befreiung stets ein Vorteil sei. Er leugnet damit die prinzipielle Bedeutung des Willens und kehrt so zu dem von Labeo abgelehnten einheitlichen Tatbestand zurück. Dieser elementare Widerspruch wird durch die geringfügige thematische Verschiebung zwischen den beiden Texten weder relativiert noch aufgehoben: Daß Gaius nicht von der Befreiung im allgemeinen, sondern nur von der Drittleistung handelt, erklärt sich aus dem palingenetischen Kontext des Fragments; daß er den umstrittenen Tatbestand der Befreiung invito debitore um den debitor ignorans erweitert, dient bloß der Klarstellung; und daß er nicht mehr zwischen dem ausdrücklichen Widerspruch und den übrigen Fällen fehlender Zustimmung unterscheidet, liegt gerade in der Konsequenz seiner Auffassung. Seine Begründung ist dagegen so allgemein gehalten, daß sie auf alle Fälle der Befreiung invito debitore paßt und Labeos Pithanon insgesamt widerspricht. Sie zielt auch genau auf den Kern dieses Satzes, indem sie ausschließlich vom Willen des Schuldners handelt und dessen prinzipielle Bedeutung bestreitet. Gaius’ Thema ist also nicht nur die eigenmächtige Drittleistung, sondern vor allem Labeos Kritik an der Befreiung invito debitore, die am Beispiel der Drittleistung widerlegt werden soll. Diese weitergehende Absicht erklärt denn auch den Aufwand, den Gaius betreibt, um den Leser von seiner Argumentation zu

§ 26 Gaius’ Erklärung der Drittleistung

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überzeugen. Sie legt zugleich die Vermutung nahe, daß er der erste ist, der sich kritisch mit Labeos Pithanon auseinandersetzt. Für diese Annahme sprechen ferner die von Gaius selbst entwickelte Prämisse aus der melior condicio und die Art, wie er sie in seinem Kommentar zum Edikt De receptis (D 46.3.53) erneut gegen Labeo verwendet, aber auch die übrigen, allesamt jüngeren Quellen zur Befreiung invito debitore. Denn dort werden weder andere Autoritäten zitiert noch eigene Argumente angeführt. Statt dessen lassen sich bei erneuter Durchsicht überall mehr oder weniger deutliche Bezüge zu Gaius’ Argumentation entdecken. So verwendet Pomponius in D 46.3.23210 nicht nur die gleiche Tatbestandsbezeichnung wie Gaius (et inviti et ignorantes liberari possumus), er handelt auch vom gleichen Tilgungsgrund (solutione) und setzt mit der eigenmächtigen Defension lediglich einen211 weiteren Fall der Befreiung invito debitore hinzu. Dieselben Parallelen finden sich auch noch in Justinians Institutionen (3.29 pr.212), wo das Problem sogar nur an dem Gaius entlehnten Beispiel der Drittleistung behandelt wird (liberatur enim et alio solvente, sive sciente debitore sive ignorante vel invito solutio fiat). Im Unterschied hierzu ist Ulpians Darstellung der befreienden Novation invito debitore im Schlußsatz von D 46.2.8.5213 zwar sprachlich und thematisch selbständig; sie folgt jedoch dem gleichen Darstellungsmuster wie Gaius’ Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung, indem sie der befreienden Novation mit Schuldnerwechsel den spiegelbildlichen Tatbestand des Gläubigerwechsels gegenüberstellt. Bleibt nur noch die Paulusnote in D 46.3.91.214 Sie ist die einzige unmittelbare Antwort auf Labeos Pithanon und markiert zugleich seine endgültige Überwindung durch die spätklassische Jurisprudenz: Paulus macht mit Hilfe eines Umgehungsgeschäfts sogar den Erlaß invito debitore möglich und bringt damit zum Ausdruck, daß die Befreiung nicht einmal dann vom Willen des Schuldners abhängt, wenn sie ihrer zivilen Form nach an dessen Mitwirkung gebunden ist. In seiner Note fehlt zwar jeder formale Bezug zu D 3.5.38, der Sache nach zieht Paulus aber nur die letzte Konsequenz aus der dort überlieferten Argumentation. Seine Auffassung zum Erlaß invito debitore stimmt nicht bloß zufällig mit Gaius’ Prämisse überein, sondern läßt sich nur mit ihrer Hilfe überhaupt erklären. Denn während der Gläubiger bei der solutio die geschuldete Leistung, bei der datio in solutum einen anderen Gegenstand und bei den übrigen Tilgungsakten zumindest eine neue Klage erwirbt, die bei der Defension zudem durch Kautionsbürgen gesichert und bei der Novation immerhin gegen einen selbst gewählten, möglicherweise auch solventeren Schuldner gerichtet ist, führt 210

Dazu o. § 24 I 3. Im palingenetischen Kontext des Fragments handelt Pomponius möglicherweise auch noch von der Novation invito debitore (s. o. § 24 A. 16). 212 Dazu o. § 24 I 1. 213 Dazu o. § 25 bei A. 93 ff. 214 Dazu o. § 25 III und IV. 211

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

der Erlaß zum ersatzlosen Verlust der Forderung. Hier geht es also nicht mehr um die Befriedigung des Gläubigers, sondern nur noch um seine Befreiungsabsicht, die als solche um nichts schutzwürdiger ist als der entgegenstehende Wille des Schuldners. Wenn Paulus nun die überkommenen Formen des Erlasses umgeht, um dieser Absicht Geltung zu verschaffen, so bleibt als mögliche Grundlage seiner Entscheidung nur die Wertung übrig, daß der Wille des Schuldners gar keines Schutzes bedarf, weil die Befreiung seine Lage nur verbessert. Die Quellen zur Befreiung invito debitore fügen sich damit zu einem ebenso klaren wie stimmigen Gesamtbild. Sie sind Zeugnisse einer über zwei Jahrhunderte währenden Diskussion über die Bedeutung des Willens für die Befreiung des Schuldners und über die entsprechende Ausgestaltung der einzelnen Erlöschenstatbestände. Ihr historischer Wert liegt weniger in dem – praktisch kaum relevanten – Problem selbst als in der selten grundsätzlichen Art und in der dogmatischen Strenge, mit der es behandelt wird. Darüber hinaus fällt auf, wie lange Labeos offenbar vereinzelte Kritik die Anerkennung des Satzes debitor tuus potest invitus a te solvi aufgehalten hat. Bemerkenswert ist aber vor allem, daß sich ausgerechnet Gaius – noch dazu mit einer wenig überzeugenden Begründung – gegen Labeos viel zitierte Autorität durchsetzen kann, und dies nicht erst im justinianischen Recht, sondern schon bei den Juristen der hochund spätklassischen Zeit, die sich ja bekanntlich nirgends ausdrücklich auf ihn berufen. § 27 Ergebnisse und Schlußfolgerungen zur Theorie der Drittleistung I. Ergebnisse 1. Die Quellen zur Drittleistung invito debitore (D 3.5.38, D 46.3.23, D 46.3.53 und I 3.29 pr.) erwecken den Eindruck, als käme es für die Befreiung des Schuldners weder nach klassischem noch nach justinianischem Recht auf seinen Willen an. Dieses einheitliche, auch in der Romanistik vorherrschende Bild bedarf jedoch der Korrektur. Denn zwei Äußerungen Labeos (in D 46.3.91 und D 13.5.27) lassen auf eine grundsätzliche Kontroverse zur Befreiung des debitor invitus schließen, die sich auch auf den Fall der Drittleistung erstreckt. Labeo macht das Erlöschen der Obligation zwar nicht von der Zustimmung des Schuldners abhängig, er räumt dem Schuldner aber ein Vetorecht gegen jede Form der Befreiung ein und wendet sich deshalb gegen den allgemeinen Satz debitor tuus potest invitus a te solvi. Dabei geht es ihm nicht um die Lösung des praktisch kaum relevanten Falls, daß der Schuldner seiner Befreiung widerspricht, sondern um die prinzipielle Bedeutung des Willens oder modern ausgedrückt: um die Selbstbestimmung des Schuldners. Seine Stel-

§ 27 Ergebnisse und Schlußfolgerungen

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lungnahme eröffnet eine längere Diskussion über diese eher theoretische Frage, sie wird aber noch in klassischer Zeit allmählich überwunden, und zwar zuerst bei der Drittleistung und nach deren Vorbild dann auch bei den übrigen Tilgungsgründen, namentlich bei Defension (D 46.3.23), Novation (D 46.2.8.5) und Erlaß (D 46.3.91). 2. Die Erklärung der eigenmächtigen Drittleistung, die Gaius in D 3.5.38 aus einem Vergleich mit dem spiegelbildlichen Fall der Leistung an Dritte entwikkelt und im Streit um das receptum pro invito noch einmal gegen Labeo verwendet (D 46.3.53), steht im Mittelpunkt der Kontroverse. Sie richtet sich unmittelbar gegen Labeos Auffassung zur Befreiung invito debitore und hat maßgeblich zu deren Überwindung beigetragen. Ihr zufolge ist die Befreiung uneingeschränkt – also auch gegen den ausdrücklichen Widerspruch des Schuldners – möglich, weil der Wille nicht als solcher geschützt wird, sondern nur zum Zweck der Verteidigung berechtigter Interessen. Gaius bestreitet aber nicht nur die prinzipielle Bedeutung, die Labeo dem Willen beimißt. Er betreibt vielmehr erheblichen Aufwand, um seine eigene grundlegend andere Wertung zu begründen. So führt er die Befreiung des debitor invitus auf den allgemeinen Satz zurück, daß man die Lage eines anderen ohne dessen Zustimmung zwar verbessern, aber nicht verschlechtern kann. Da diese Prämisse, die er eigens aus dem juristischen Topos der melior condicio entwickelt, keine normative Geltung beanspruchen kann, beruft er sich für ihre Tragfähigkeit auf die Überzeugungskraft und die rechtliche Anerkennung des Gedankens. Der Verweis auf die naturalis simul et civilis ratio wird dann zwar nicht weiter ausgeführt oder belegt, er ist aber durch die suggestive Darstellungsform der Spiegelung vorbereitet. 3. Die Kontroverse zur Befreiung invito debitore betrifft ein allgemeines Problem, das ohne Rücksicht auf die Besonderheiten der solutio allein nach prinzipiellen Erwägungen gelöst wird. Der Wille des Schuldners ist auch nur ein Gesichtspunkt der befreienden Drittleistung, und seine Relevanz zeigt sich nur in dem kaum praktischen Fall des Widerspruchs. Entsprechend beschränkt ist die Bedeutung der Kontroverse für das Thema dieser Arbeit. So hat sich vor allem gezeigt, daß Gaius in D 3.5.38 keine umfassende Theorie der Drittleistung aufstellt. Andererseits gibt seine Argumentation nicht nur einen selten unmittelbaren Einblick in die Behandlung prinzipieller Fragen, sie bezeugt auch ein besonderes theoretisches Interesse an der Drittleistung und dessen Einfluß auf ihre rechtliche Gestaltung: Der bis heute gültige Grundsatz, daß die Befreiung unabhängig vom Willen des Schuldners eintritt, ist nicht aus der Kasuistik entstanden, sondern das Ergebnis einer theoretischen Kontroverse über die Selbstbestimmung des Schuldners. Er hat schon bei Gaius die Gestalt einer abstrakten Regel und ist als solche über Justinians Institutionen (I 3.29 pr.) in das geltende Recht gelangt. Auch der Tatbestand dieser Regel spiegelt das besondere Erkenntnisinteresse ihres Autors: Mit den Worten solvendo quisque pro alio licet

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

invito et ignorante beschreibt Gaius nicht nur den Widerspruch des Schuldners. Er hebt die allein streitige Frage nicht einmal besonders hervor und faßt statt dessen alle Fälle fehlender Zustimmung unter dem Begriffspaar invito et ignorante zusammen. Dieser einheitliche Tatbestand steht für die generelle Unbeachtlichkeit des Willens und erfüllt damit die gleiche klarstellende Funktion wie quisque bei der Person des Leistenden. Gaius unterscheidet die eigenmächtige Drittleistung also gerade nicht von anderen Fällen der Leistung auf fremde Schuld. Er bestreitet vielmehr ihre Besonderheit und gelangt so zur uneingeschränkten Geltung des Satzes solvendo quisque pro alio . . . liberat eum. Insofern gewinnt die Kontroverse zur Befreiung invito debitore durch Gaius’ Beitrag sogar entscheidende Bedeutung für die dogmatische Erfassung der Drittleistung. II. Gaius’ Erklärung und die modernen Theorien zur Drittleistung 1. Wie schon in der Einleitung1 gezeigt wurde, hat Kretschmar die Theorie der Drittleistung in der modernen Romanistik entscheidend geprägt. Dies gilt vor allem für seine Behauptung, die befreiende Drittleistung und ihre tatbestandliche Erfassung als solutio seien mit dem entwickelten Solutionsbegriff des klassischen Rechts nicht zu vereinbaren. Die Leistung eines nicht verpflichteten Dritten sei nämlich keine ,Realisierung des Obligationsinhalts‘ und unterscheide sich damit grundlegend von der Pflichterfüllung durch den Schuldner. Kretschmar selbst löst diesen Widerspruch nicht auf, sondern macht ihn zum wichtigsten Beleg für seine Kernthese vom ,zwiespältigen historischen Ausgangspunkt der Solutionslehre‘: Während das klassische Recht im übrigen bereits dem materiellen Erfüllungsgedanken folge, wirkten bei der Drittleistung noch die Ursprünge der solutio in der förmlichen ,Lösung‘ des verhafteten Schuldners fort. Diese ,historische Erklärung‘ beruht nicht auf den Quellen, sondern auf den modernen Vorstellungen von der Leistungspflicht des Schuldners und ihrer Erfüllung.2 Gleichwohl hat sie sich in der Romanistik weitgehend durchgesetzt3 und auch bei ihren Kritikern das Interesse an der Frage geweckt, warum die Leistung eines nicht verpflichteten Dritten der solutio des Schuldners sowohl tatbestandlich als auch in ihren Wirkungen gleichsteht. Die Antwort suchen Kretschmars Gegner allerdings nicht in der äußeren Dogmengeschichte, sondern in einer materiellen Rechtfertigung der befreienden Drittleistung. Die einen greifen dabei auf die von der Pandektenwissenschaft ent-

1 2 3

§ 1 I 2 und 3. Vgl. dazu § 4 III und dort vor allem A. 43, aber auch schon § 1 I 3. S. o. § 1 bei A. 10 ff.

§ 27 Ergebnisse und Schlußfolgerungen

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wickelte Zweckerreichungslehre zurück4, während Mitteis und andere5 auf Gaius’ Begründung in D 3.5.38 verweisen. Die hier untersuchte Kontroverse zur Befreiung invito debitore hat einen anderen Gegenstand. Sie erstreckt sich zum einen auf sämtliche Tilgungsgründe und beschränkt sich andererseits auf die Frage, ob das Erlöschen der Obligation dem Willen des Schuldners unterworfen ist. Für Gaius’ Beitrag in D 3.5.38 gilt dasselbe. Er handelt ausschließlich von der Selbstbestimmung des debitor invitus und liefert darum weder die von Mitteis erhoffte authentische Erklärung der Drittleistung, noch läßt sich aus der nur scheinbar deduktiv-systematischen Argumentation erschließen, warum die Leistung eines Dritten dieselbe befreiende Wirkung hat wie die solutio des Schuldners. Daß dies der Fall ist, setzt Gaius vielmehr als selbstverständlich voraus. Seine topische Prämisse aus der melior condicio ist ja nur deshalb auf den debitor invitus anwendbar, weil dessen Lage durch die solutio eines Dritten überhaupt verbessert werden kann. Überraschend ist dies nicht. Denn nach dem Ergebnis der terminologischsystematischen Untersuchungen im ersten Kapitel6 ist die Drittleistung solutio im technischen Sinn, das heißt: Leistung auf Schuld und Leistung des Geschuldeten. Daß sie als solutio befreiende Wirkung hat, bedarf keiner Erklärung und kann darum auch ohne weiteres vorausgesetzt werden. Kretschmars Frage stellt sich für Gaius also gar nicht. Der Grund wurde ebenfalls schon im ersten Kapitel7 genannt: Entgegen Kretschmar ist die solutio des klassischen Rechts eben nicht das Gegenstück zu der bloß relativ wirkenden obligatio. Sie ist keine ,Erfüllung der schuldnerischen Verpflichtung‘, sondern nur die in Tilgungsabsicht erbrachte Leistung des Geschuldeten und als solche ist sie gerade nicht an die Person des Verpflichteten gebunden. Die modernen Theorien zur Drittleistung gehen also von einer anachronistischen Fragestellung aus. Für die Erkenntnis des klassischen Rechts sind sie daher nur insofern von Bedeutung, als sie das Verständnis des – vom heutigen Modell der Erfüllung abweichenden, aber in sich schlüssigen – ,Solutionsbegriffs‘ erleichtern: Hat dessen Erstreckung auf die Drittleistung (nur) äußere dogmengeschichtliche Ursachen, oder gibt es (auch) einen inneren Grund für die Geltung des Satzes solvendo quisque pro alio liberat eum? Unter diesem Gesichtspunkt soll nun zum Abschluß noch der Frage nachgegangen werden, was sich aus D 3.5.38 und den anderen hier untersuchten Quellen für die modernen Theorien ergibt.

4

Vgl. die Nachweise in § 1 A. 28 f. Vgl. die Nachweise in § 1 A. 27 und zu Mitteis selbst § 1 bei A. 25, aber auch § 24 bei A. 35 und § 26 bei A. 158. 6 Die Zusammenfassung findet sich in § 5. 7 Vgl. dazu die Kritik an Kretschmars Lehre in § 4 III. 5

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6. Kap.: Drittleistung invito debitore

2. Kretschmars ,historische Erklärung‘ der Drittleistung findet in der klassischen Kontroverse zur Befreiung invito debitore keine Stütze – im Gegenteil: Da schon Labeo den Satz debitor tuus potest invitus a te solvi grundsätzlich in Frage stellt, bricht die von Kretschmar behauptete Kontinuität zur Haftungslösung spätestens mit dem Beginn der klassischen Zeit ab. In der folgenden, bis in die Spätklassik andauernden Diskussion setzt sich Gaius mit einer neuartigen materiellen Erklärung durch. Die haftungsrechtlichen Ursprünge der solutio, die in dem altertümlichen a te solvi bei Labeo immerhin noch anklingen8, spielen in den späteren Quellen keine Rolle mehr. Die Eigenständigkeit des klassischen ,Solutionsbegriffs‘ zeigt sich aber nicht nur in der Argumentation, sondern auch in einer zunächst unscheinbaren Verschiebung des systematischen Gesichtspunkts: Während Labeo noch die Befreiung des Schuldners im allgemeinen, also die der ,Lösung‘ des Verhafteten entsprechende Rechtsfolge betrachtet, unterscheiden seine Gegner bei der gleichen übergreifenden Fragestellung streng nach den verschiedenen Befreiungstatbeständen, und hier steht die solutio des Dritten als ,Leistung‘ gleichrangig neben litis contestatio, novatio und acceptilatio. Auch sonst findet sich bei den klassischen Juristen kein Hinweis auf einen dogmengeschichtlichen Zusammenhang zwischen der förmlichen Lösung des verhafteten Schuldners und der befreienden Drittleistung des entwickelten Rechts. So ist ihnen die solutio per aes et libram nur als Erlaßgeschäft9 und nur in der Form der Selbstlösung10 bekannt, während sie den Ausdruck solvere bei Dritten ausschließlich im Sinne von ,leisten‘ verwenden.11 Die dogmatische Erfassung der Drittleistung als solutio beruht also sicher nicht auf einer bewußt gepflegten oder gar als verbindlich empfundenen Tradition der Haftungslösung. Die hier untersuchten Quellen lassen aber auch weder eine unbewußte Nachwirkung überkommener Vorstellungen noch systematische Widersprüche erkennen, die einer solchen ,historischen Erklärung‘ bedürften. Die von Kretschmar behauptete Kontinuität zwischen Drittlösung und Drittleistung ist damit allerdings nicht vollständig widerlegt. Denn immerhin ist die befreiende Drittleistung schon bei Labeo als typischer Fall der negotiorum gestio bezeugt12 und folglich lange vor Beginn der klassischen Zeit anerkannt worden. Ob sie tatsächlich aus der förmlichen Lösung des verhafteten Schuldners hervorgegangen ist, ließe sich jedoch allenfalls durch eine umfassende Untersuchung der frührömischen und vorklassischen Rechtsentwicklung ermitteln, 8 Ohne daß hieraus allzu weitreichende Schlüsse gezogen werden sollten; s. o. § 25 bei A. 23 ff. 9 Vgl. Gai 3.173 (est et alia species imaginariae solutionis, per aes et libram). 10 Vgl. Gai 3.174 (deinde is qui liberatur, ita oportet loquatur: ,quod ego tibi tot milibus condemnatus sum, me eo nomine a te solvo liberoque hoc aere aeneaque libra‘). 11 S. o. § 2 III. 12 Vgl. D 3.5.42 Lab 6 post epit a Iav; dazu o. § 11 II 1 und § 25 bei A. 35 ff.

§ 27 Ergebnisse und Schlußfolgerungen

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die nicht zum Gegenstand der vorliegenden Arbeit gehört, im Rahmen eines Exkurses kaum zu leisten ist und angesichts der Quellenlage auch wenig Erfolg verspricht.13 13 Die Überlieferung zur solutio per aes et libram und zur nexi liberatio (Festus 160; vgl. dazu nur Nelson/Manthe 404 f. mwN.) ist äußerst lückenhaft und läßt entsprechend breiten Raum zur Spekulation; vgl. beispielhaft Magdelain RIDA 28 (1981) 127 ff. Einigermaßen gesichert erscheint lediglich, daß die förmliche Zahlung per aes et libram nur bei bestimmten Schuldarten gebräuchlich war (Gai 3.173: certis in causis receptum est), nämlich vor allem beim Damnationslegat (Gai 3.175, Cic de leg 2.20.51 und 2.21.53) und anderen durch Libralakt begründeten Verbindlichkeiten (Gai 3.173) sowie beim Judikat (Gai 3.173 bis 175, Livius 6.14.3 bis 5); vgl. dazu etwa Steiner 19 ff., Solazzi estinz. 17 f., Liebs Symp. Wieacker (1970) 128 ff., Knütel SZ 88 (1971) 74 ff., Kaser SZ 100 (1983) 100 ff. sowie Nelson/Manthe 405 ff. und 411 ff. Dieser spezielle Anwendungsbereich rechtfertigt zum einen die – zudem durch Livius 6.14.3 bis 5 und die allgemeine Bedeutung des Wortes solvere (s. o. § 2 II) gestützte – Annahme, daß die förmliche Libralzahlung ursprünglich jedenfalls auch für die ,Lösung‘ des verhafteten Schuldners zuständig war; vgl. dazu neben den genannten Autoren Kretschmar 4 ff., Koschaker SZ 37 (1916) 352 ff. und Behrends Der Zwölftafelprozeß (1974) 127 ff. Zum anderen muß es neben ihr seit jeher aber auch andere formlose Arten der Leistung gegeben haben (vgl. dazu vor allem Koschaker 362 ff.), die ebenfalls als historische Vorläufer der befreienden Drittleistung in Betracht kommen. Im übrigen sind die Ursprünge der solutio per aes et libram ebenso dunkel wie umstritten. Dies zeigt sich schon bei der Herkunft und Funktion der libralen Form, die teils als actus contrarius zur Haftungsbegründung durch nexum oder andere Libralakte (so Kretschmar 5, Wieacker RG I 336 oder Zimmermann 755; vgl. aber auch Liebs 130 f. und Knütel 74 ff.), teils aus dem ursprünglich realen Zuwägen des Erzes erklärt (so etwa Solazzi 13 ff., Liebs 128 f., Behrends 131 f., Kaser 100 f. sowie Nelson/Manthe 403 und 409 f.), teils aber auch mit der angeblichen ,Rückgriffsgewalt‘ des Drittlösers in Zusammenhang gebracht wird, und zwar entweder als bloßes Beweis- oder Publizitätserfordernis (so vor allem Kaser 102 ff., vgl. aber auch schon Koschaker 361 f. oder Eisele Beiträge 28 f. und 36 f.) oder sogar als Hinweis auf einen ihr zugrunde liegenden manzipationsweisen Rück- oder Abkauf des verhafteten Schuldners (so vor allem Marchi 49 ff., Steiner 12 f., 21 f. und Knütel 75 f. mit A. 47; ablehnend Koschaker 359 ff.). Ähnlich spekulativ ist die schon in der Einleitung (s. o. § 1 A. 10) erwähnte These von der historischen Priorität der Drittlösung mit ihrem zentralen Argument, der gefesselte Schuldner könne selbst keine Zahlung mehr leisten. Bei kritischer Betrachtung bleibt sogar zweifelhaft, ob die förmliche solutio per aes et libram überhaupt von einem Dritten vorgenommen werden konnte. Das Problem ist auch hier die Quellenlage. So tritt in dem bei Gaius (3.174; s. o. A. 10) beschriebenen Ritual nur der Schuldner selbst in Erscheinung, und das einzige Zeugnis für die Drittlösung eines verhafteten Schuldners, das sich in Livius’ Bericht über die seditio Manliana des Jahres 385 findet (6.11.2 bis 12.1 und 14.1 bis 20.16; vgl. dort 6.14.3 bis 5 und dazu vor allem Behrends 138 ff.), ist zum einen von den politischen und rechtlichen Vorstellungen der jüngeren Annalistik geprägt und darum nicht sehr verläßlich (vgl. Mommsen RF II 195 ff., zuversichtlicher Münzer RE XIV 1171 s.v. Manlius und Behrends 138). Zum anderen ergibt sich auch aus Livius’ Darstellung nur, daß Manlius als Dritter an den Gläubiger geleistet hat (rem creditori palam populo solvit), während die förmliche Lösung als gesonderter Akt beschrieben wird, und zwar in einer Partizipialkonstruktion, die den Handelnden gerade nicht erkennen läßt (libraque et aere liberatum emittit). Wie Mitteis SZ 30 (1909) 440 f. zurecht betont, kann dies auch so verstanden werden, daß der die reale Zahlung begleitende Libralakt – jedenfalls nach den Vorstellungen der Annalisten – nicht von Manlius, sondern vom Schuldner selbst in der bei Gaius überlieferten Form vollzogen wurde. Auch

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3. Auch wenn die Herkunft der Drittleistung nicht abschließend geklärt werden kann, spricht mehr für eine andere Hypothese, die in den Quellen zum klassischen Recht immerhin eine gewisse Stütze findet und zumindest ebenso plausibel erscheint wie Kretschmars Kontinuitätslehre. Gemeint ist Wollschlägers14 Erklärung aus der Härte des römischen Vollstreckungsrechts. Danach wurde die befreiende Drittleistung aus dem gleichen rechtspolitischen Motiv anerkannt wie die negotiorum gestio: Sie wendet die existenzbedrohende Gesamtoder Personalvollstreckung ab und nützt damit nicht nur dem Schuldner, sondern zugleich dem ganzen Gemeinwesen. Mit diesem öffentlichen Interesse begründet Ulpian sowohl die Verheißung schuldrechtlicher Ausgleichsklagen im Edikt De negotiis gestis15 als auch die prozessuale Zulassung der defensio absentis16. Bei der Drittleistung fehlt zwar ein solcher unmittelbarer Beleg; für den Schutz des abwesenden Schuldners und des Gemeinwesens vor den wirtschaftlichen Folgen der Gesamtvollstreckung macht es aber keinen Unterschied, ob sich der Dritte auf die Klage des Gläubigers einläßt oder außergerichtlich an die übrigen, bloß mittelbaren Belege für eine Drittlösung lassen sich ebensogut mit einer solchen Kombination von realer Drittzahlung und förmlicher Selbstlösung erklären. Dies gilt sowohl für die in den XII Tafeln (3.5) vorausgesetzte Möglichkeit, den verhafteten Schuldner beim Gläubiger auszulösen, wenn er während der dies sexaginta nach der manus iniectio an drei aufeinanderfolgenden Markttagen unter Bekanntmachung der Urteilssumme zum Prätor auf das comitium geführt wurde (vgl. Gell. 20.1.46 f. und dazu vor allem Behrends 137 ff., aber auch schon Marchi 49 und 53 f. sowie Koschaker 354 f.), als auch für die actio depensi des Sponsionsbürgen, deren unmittelbare Vollstreckbarkeit vielfach auf eine librale Drittlösung und die dadurch begründete (oder käuflich erworbene) Haftungsgewalt des Lösenden zurückgeführt wird; vgl. dazu vor allem Kaser 103 ff., aber auch Eisele 26 ff., Kretschmar 26, Steiner 20, Koschaker 361 f., Liebs 131, Knütel 74, Behrends 137 ff. und Selb Gs. Kunkel (1984) 437 f. Bei dieser Klage ist außerdem zu berücksichtigen, daß sich die Zahlung des Sponsionsbürgen erheblich von der eines unbeteiligten Dritten unterscheidet: Der sponsor haftet selbst für die geschuldete Leistung, weil er sich in Anwesenheit und mit Duldung des Schuldners verbürgt hat. Der für seine Zahlung technische Ausdruck pro alio dependere (vgl. etwa Gai 3.127, 4.22 und 4.25, Lex Iulia munic. 115, Festus 208 oder Cic ad fam 1.9.9), dem die Klage ihren Namen verdankt (vgl. Gai 3.127, 4.9, 4.25, 4.102 und 4.186 sowie PS 1.19.1), kann sich also auch auf eine librale Selbstlösung beziehen, die wegen der Identität des Haftungsgrundes zugleich den Schuldner befreit (zu der entsprechenden Verwendung von pro alio solvere in Gai 3.127 und anderen Quellen zur drittwirkenden Leistung des Bürgen o. § 17 IV 3), und die Duldung des Schuldners erklärt möglicherweise den automatischen Rückgriff, der bei der Drittleistung des klassischen Rechts gerade nicht stattfindet (s. o. § 8 II 3, § 11 V und § 13 unter 1 und 4). Eine Ausnahme bildet insofern der Regreß über die actio mandati in factum, der vermutlich nicht nur jedem Bürgen, sondern auch einem nicht verpflichteten Dritten zusteht, der im Auftrag oder mit Duldung des Schuldners leistet (s. o. § 10 II und dort vor allem A. 15). Aber selbst wenn sich diese möglicherweise nach dem Vorbild der actio depensi gestaltete Klage (s. o. § 17 A. 119) auf einen haftungsrechtlichen Ursprung zurückführen ließe, wäre damit noch nichts über die Herkunft der eigenmächtigen Drittleistung gesagt. 14 79 mit A. 19; dazu bereits o. § 24 bei A. 34. 15 Vgl. D 3.5.1 Ulp 10 ad ed (o. § 24 A. 32). 16 Vgl. D 3.3.33.2 Ulp 9 ad ed (o. § 24 A. 33).

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ihn leistet.17 Diese Parallele rechtfertigt es, den historischen Ursprung der Drittleistung ebenfalls im freiwilligen Eintreten für einen abwesenden Schuldner zu suchen und in der gezielten Förderung dieses sozial erwünschten Verhaltens durch die republikanische Rechtsordnung. Für diese Vermutung spricht zunächst, daß die Drittleistung zu den wichtigsten Fallgruppen der negotiorum gestio gehört18, daß sie als solche schon bei Labeo belegt ist19 und daß ihre befreiende Wirkung in diesem Bereich außer Frage steht. Wollschlägers Hypothese paßt aber auch zu der ausdrücklichen Parallele zwischen Drittleistung und Defension, die Pomponius in D 46.3.23 zieht20, und zu den übrigen Quellen, die in diesem Kapitel untersucht wurden: In D 46.3.91 lehnt Labeo die Befreiung des debitor invitus nur für den Fall des ausdrücklichen Widerspruchs ab, für den Fall also, daß der Wille des Schuldners dem eigenen und zugleich öffentlichen Interesse an der Vermeidung der Gesamtvollstreckung entgegensteht. Dieser theoretische Fall ist von dem historischen Entstehungsgrund der negotiorum gestio, der nach Wollschläger auch zur Anerkennung der befreienden Drittleistung geführt hat, nicht mehr gedeckt. Dementsprechend ist die actio negotiorum gestorum contraria nach der im klassischen Recht herrschenden Auffassung bei der Geschäftsführung prohibente domino ausgeschlossen21, und Labeo entscheidet bei der Befreiung invito debitore genauso. Auch Gaius betont in D 3.5.38 den Gesichtspunkt der negotiorum gestio: Er klammert die Interessen des Gläubigers aus und sieht in der Drittleistung nur eine Einmischung in die Angelegenheiten des Schuldners, die wirtschaftlich vorteilhaft und darum zulässig ist. Mit seiner Begründung geht er allerdings noch einen Schritt weiter. Er erklärt die befreiende Wirkung der eigenmächtigen Drittleistung nämlich gerade nicht aus dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung der Gesamtvollstreckung, sondern dadurch, daß er die Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten auf die Abwehr nachteiliger Eingriffe beschränkt. Diese teleologische Reduktion beruht aber auf einem neuen, topischen Argument und spricht darum nicht gegen die historische Verwandtschaft von Drittleistung und negotiorum gestio. 4. Wollschlägers Hypothese steht also mit den hier untersuchten Quellen im Einklang. Sie betrifft allerdings nur historischen Ursprung der Drittleistung. 17 Dies gilt jedenfalls für unstreitige Forderungen. Bei streitigen ist dem Schuldner dagegen vorrangig an einer prozessualen Verteidigung gelegen. Dieses Interesse kann jedoch bei der Verteilung des Kondiktionsrisikos (dazu o. § 14 A. 26) oder im Rahmen der actio negotiorum gestorum berücksichtigt werden und begründet darum keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Defension und Drittleistung. 18 S. o. § 11 I. 19 S. o. A. 12. 20 Dazu o. § 24 I 3. 21 Vgl. D 17.1.40 Paul 9 ad ed, C 2.18.24 Iust und dazu o. § 11 III, aber auch § 25 nach A. 42.

444

6. Kap.: Drittleistung invito debitore

Was die von Kretschmar vermißte innere Rechtfertigung des Satzes solvendo quisque pro alio liberat eum angeht, führt sie dagegen kaum weiter als Gaius’ Erklärung in D 3.5.38. Denn auch sie betrachtet ausschließlich die Vorteile für den Schuldner, sie läßt aber die Interessen des Gläubigers außer Betracht und klärt auch nicht Kretschmars Frage, wie sich die befreiende Wirkung der Drittleistung und ihre systematische Erfassung als solutio mit der Relativität der obligatio vertragen. Die dogmatisch schlüssigste Antwort stammt – wie die Frage selbst22 – aus dem 19. Jahrhundert: Nach der von Hartmann23 begründeten Zweckerreichungslehre, deren Bedeutung für die Entstehung des § 267 BGB bereits hervorgehoben wurde24, dient die obligatio nur dazu, dem Gläubiger die geschuldete Leistung zu verschaffen. Sie erlischt deshalb, sobald der Gläubiger befriedigt ist, und zwar unabhängig davon, ob der Schuldner selbst oder ein Dritter die geschuldete Leistung bewirkt hat. In den Quellen zur Befreiung invito debitore wird weder der Zweck der obligatio noch die Befriedigung des Gläubigers erwähnt, und auch sonst weist nichts auf den Gedanken der Zweckerreichung hin. Vielmehr räumt Labeo dem Schuldner sogar ein Vetorecht ein, das die Befriedigung des Gläubigers zumindest verzögert und wohl auch gefährdet, weil es weder von einer Sicherheitsleistung noch von der Solvenz des debitor invitus abhängig ist.25 Auch seine Gegner berufen sich nicht auf den Vorrang der Gläubigerinteressen, obwohl dieses Argument aus heutiger Sicht ebenso naheliegend wie schlagend erscheint. Denn warum sollte der Schuldner die Befriedigung des Gläubigers, zu der er selbst verpflichtet ist und darum sogar gezwungen werden kann, durch seinen Widerspruch verhindern dürfen? Gaius erwähnt diesen einfachen Gedanken nicht und betreibt statt dessen erheblichen Aufwand, um Labeos Dogma von der Selbstbestimmung des Schuldners aus sich heraus zu entkräften. Pomponius, Ulpian und Justinian übernehmen seine Lösung ohne weiteres, und Paulus erstreckt sie sogar auf den Erlaß invito debitore, bei dem es gerade nicht mehr um die Befriedigung des Gläubigers geht.26

22 Das Problem wurde – soweit ersichtlich – zuerst von Jhering JherJb. 2 (1858) 93 ff. formuliert. Seine eigene Lösung, nach der der Dritte als Stellvertreter des Schuldners leistet, ist mit den Quellen – insbesondere zur Drittleistung invito debitore – nicht zu vereinbaren und auch dogmatisch nicht überzeugend; dazu näher o. § 19 III 2. 23 31 f., 46 f., 65 f. und passim; weitere Nachweise zur romanistischen und gemeinrechtlichen Literatur o. § 1 A. 28 f., vgl. auch § 3 A. 7 f. 24 S. o. § 1 bei A. 38 f. 25 Nach der in D 13.5.27 Ulp 14 ad ed (o. § 25 bei A. 44) überlieferten Entscheidung zum receptum argentarii läßt er das Verbot des Schuldners sogar auf die Haftung des Bankiers aus der actio recepticia durchschlagen, obwohl der Gläubiger dadurch eine bereits erworbene Sicherheit verliert. 26 S. o. § 26 bei A. 214.

§ 27 Ergebnisse und Schlußfolgerungen

445

Dieser Befund macht hinreichend deutlich, daß die befreiende Drittleistung von der klassischen Jurisprudenz nicht auf die Erreichung des Obligationszwecks zurückgeführt wird. Denn sonst wäre ein so prägender Grundgedanke auch in der Kontroverse zur Befreiung invito debitore kaum völlig außer Betracht geblieben. Weitergehende Schlüsse lassen sich daraus jedoch nicht ziehen. Denn einerseits ist die solutio des klassischen Rechts keine ,Erfüllung‘, so daß die Drittleistung auch keiner besonderen Rechtfertigung bedarf. Andererseits setzt sie als ,Leistung des Geschuldeten‘ bereits voraus, daß der Gläubiger alles bekommt, was ihm zusteht. Außerdem ergibt sich aus zahlreichen Quellen, die hier nicht im einzelnen besprochen werden können, daß die Befriedigung des Gläubigers durchaus als Zweck der obligatio begriffen wird27 und daß die befreiende Wirkung der solutio28 von der Erreichung dieses Zwecks abhängt.29 27 Indirekt kommt dies schon in den beiden berühmten Definitionen der obligatio zum Ausdruck; vgl. I 3.13 pr. (obligatio est iuris vinculum, quo necessitate adstringimur alicuius solvendae rei secundum nostrae civitatis iura) und D 44.7.3 pr. Paul 2 inst (obligationum substantia non in eo consistit, ut aliquod corpus nostrum aut servitutem nostram faciat, sed ut alium nobis obstringat ad dandum aliquid vel faciendum vel praestandum). Einen ähnlichen Hinweis gibt auch D 44.7.25.1 Ulp l s reg (ex contractu actio est, quotiens quis sui lucri causa cum aliquo contrahit), und in D 45.1.38.17 Ulp 49 ad Sab (= I 3.19.19) heißt es sogar ausdrücklich: Inventae sunt enim huiusmodi obligationes ad hoc, ut unusquisque sibi adquirat quod sua interest. Mit diesem Satz begründet Ulpian die Regel alteri stipulari nemo potest (s. o. § 26 A. 30 mwN.), um dann im weiteren Fortgang des Fragments den Schluß zu ziehen, daß der Gläubiger aus der Stipulation zugunsten eines Dritten klagen kann, wenn und soweit er ein eigenes Interesse daran hat, daß der Dritte die versprochene Leistung erhält; vgl. D 45.1.38.20 bis 23, aber auch D 45.1.118.2 Pap 27 quaest und dazu etwa Medicus 217 ff. Diese Argumentation, die das Gläubigerinteresse zu einem echten Wirksamkeitserfordernis macht, mag der Einschränkung einer als zu weitgehend empfundenen Regel dienen, sie bezeugt aber eine klare Vorstellung vom Zweck der obligatio und ist auch keineswegs singulär. Derselbe Gedanke findet sich vielmehr auch bei solchen Obligationen, die von der Regel alteri stipulari nemo potest gar nicht betroffen sind; vgl. etwa D 34.3.11 Iul 36 dig (quotiens debitor creditori suo legaret, ita inutile esse legatum, si nihil interesset creditoris ex testamento potius agere quam ex pristina obligatione) zum legatum debiti oder D 30.49.4 Ulp 23 ad Sab (fideicommissum quidem in creditoris persona non valet, quia nihil eius interest) zum Fideikommiß und vor allem D 45.1.97.1 Cels 26 dig: Possum utiliter a te ita stipulari: ,Titii nomine te soluturum?‘, neque enim hoc simile est illi ,Titium daturum?‘: sed ex ea stipulatione, dum interest mea, agere possum, et ideo, si locuples sit Titius, nihil ex hac stipulatione consequi possim: quid enim mea interest id a te fieri, quod si non feceris, aeque salvam pecuniam habiturus sum? Celsus hält das förmliche Versprechen, auf eine fremde Schuld zu leisten, für wirksam, weil es den Gläubiger gegen die Insolvenz des Schuldners sichert. Klagbar ist aber nur dieses Interesse, das Celsus bei einem zahlungsfähigen Schuldner mit null bewertet. Diese Entscheidung entspricht Ulpians Argumentation in fr. 38.17, sie zeigt aber auch, daß die klassischen Juristen bei der Drittleistung nicht nur die von Gaius betonten Vorteile für den Schuldner betrachten, sondern eben auch das Interesse des Gläubigers am Erhalt der geschuldeten Leistung. Dies bestätigt die Marcellusnote in D 34.3.3.5 Ulp 23 ad Sab: Si quod ego debeo Titio sit ei legatum mei gratia, ut ego liberer, nemo me negabit legatarium, ut et Iulianus eodem libro scribit. et Marcellus notat utriusque legatum esse tam meum quam creditoris mei, etsi solvendo fuero: interesse enim creditoris duos reos habere.

446

6. Kap.: Drittleistung invito debitore

Daß dies auch für die Drittleistung gilt, zeigt sich vor allem30 an der im dritten Kapitel31 beobachteten Trennung zwischen solutio und ,Deckungsverhältnis‘. Denn sie stellt sicher, daß der Gläubiger das Geleistete unter allen Umständen behalten kann: Für ihn ist die Drittleistung ein reiner Tilgungsakt, dessen Wirkung von der rechtlichen Beziehung zwischen Schuldner und Drittem und den dort auftretenden Problemen in keiner Weise berührt wird. Der Gläubiger steht damit genauso wie bei der solutio des Schuldners, und nur deshalb läßt sich das Erlöschen der Obligation auch mit seinen Interessen vereinbaren. In den Quellen zur condictio ist die systematische Erfassung dieses Gedankens sogar unmittelbar bezeugt. Denn hier wird die Rückforderung eines debitum Um dem Schuldner Ego die Befreiung von seiner Verbindlichkeit zuzuwenden, hat der Erblasser dem Gläubiger Titius genau das vermacht, was Ego ihm schuldet. Vermächtnisnehmer ist nach Marcell nicht nur Ego, sondern auch Titius, weil dieser – unabhängig von der Solvenz seines Schuldners – ein Interesse daran hat, die geschuldete Leistung von einem Dritten (dem Erben) zu bekommen; vgl. dazu nur Rastätter 186 ff. mwN. 28 Das gleiche gilt – mit Einschränkungen – für den concursus causarum (dazu o. § 3 II und § 18 A. 104 f.), der darum auch in der Zweckerreichungslehre des 19. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle spielt; vgl. nur Hartmann 62 ff., aber auch Oertmann 360 f. und dazu o. § 3 bei A. 7 f. und 27. Wie die Exegese von D 46.3.61 Paul 5 ad Plaut in § 18 III 5 gezeigt hat, ist die Zweckerreichung im klassischen Recht aber noch kein allgemeiner, von den anerkannten Tilgungsgründen unabhängiger Erlöschenstatbestand. 29 Vgl. dazu vor allem Cruz 60 ff. und 355 ff., aber auch Kaser RP I 635 („Die Erfüllung ist die Leistung des Geschuldeten. Als Verwirklichung des Daseinszwecks der Obligation ist sie gleichsam ihr natürliches Ende“) oder Zimmermann 748 („When such performance is effected, the raison d’ être of the obligation is materialized. At the same time, the obligatory relation between the parties has come to its natural end“). So allgemein wird dies in den Quellen allerdings nicht ausgesprochen. Insbesondere dürfte die Klassifizierung der solutio als ,natürlicher‘ Tilgungsgrund in D 46.3.107 Pomp 2 ench (verborum obligatio aut naturaliter resolvitur aut civiliter: naturaliter veluti solutione) nicht in diesem Sinne zu verstehen sein. Denn Pomponius bezeichnet auch den Untergang der geschuldeten Sache als ,natürliches Ende‘ der Obligation, und stellt dem die zivilen Tatbestände der acceptilatio und der confusio gegenüber. Diese Beispiele deuten eher auf eine rein äußerliche Unterscheidung zwischen ,tatsächlichen‘ und ,rechtlichen‘ Tilgungsgründen als auf ein bestimmtes Verständnis von der ,Rechtsnatur‘ der obligatio und der solutio (zu den verschiedenen Bedeutungen von natura o. § 26 A. 168 bis 170). Die Bedeutung der Zweckerreichung zeigt sich aber in der rechtlichen Ausgestaltung der solutio, und zwar vor allem bei der Behandlung fehlgeschlagener Leistungen. So bleibt der Schuldner verpflichtet, wenn die solutio ausnahmsweise nicht zur vollständigen und endgültigen Befriedigung des Gläubigers führt; vgl. dazu D 30.82 pr. Iul 33 (non quocumque modo si legatarii res facta fuerit die cedente, obligatio legati exstinguitur, sed ita, si eo modo fuerit eius, quo avelli non possit) und die übrigen in § 18 A. 104 zusammengestellten Quellen. Umgekehrt erlischt die Schuld, sobald eine dinglich unwirksame Leistung durch originären Erwerb ,geheilt‘ wird; vgl. D 46.3.17 Pomp 19 ad Sab und dazu o. § 18 II mwN. in A. 29. 30 Vgl. auch D 45.1.97.1 Cels 26 dig, D 34.3.3.5 Ulp 23 ad Sab und zu beiden Stellen o. A. 27. 31 Vgl. dort vor allem § 13 unter 3 und 4 sowie § 11 V a. E.

§ 27 Ergebnisse und Schlußfolgerungen

447

solutum auch bei der Drittleistung generell ausgeschlossen, und zwar mit dem Argument, der Gläubiger habe genau das bekommen, was ihm aufgrund seiner Forderung zustand (suum recepit).32 Der Gedanke der Zweckerreichung ist also weder erforderlich, um die befreiende Drittleistung zu rechtfertigen, noch wird er von den römischen Juristen selbst als Erklärung verwendet. Er erleichtert aber das Verständnis des klassischen Rechts, weil er auf einen Gesichtspunkt hinweist, der durch die moderne Vorstellung der ,Erfüllung‘ verdeckt und darum leicht übersehen wird: Die solutio setzt die Befriedigung des Gläubigers bereits tatbestandlich voraus. Sie ist nämlich die gezielte Tilgung der Schuld durch Leistung des Geschuldeten, und das bedeutet: Der Schuldner wird nicht frei, weil er tut, wozu er verpflichtet ist, sondern schon und nur deshalb, weil der Gläubiger bekommt, was ihm zusteht. Genau dies ist aber auch bei der solutio eines Dritten ohne weiteres gewährleistet. Sie ist reiner Tilgungsakt, als solcher ist sie ebenso kondiktionsfest wie die solutio des Schuldners, und auch ihrem Inhalt nach ist sie mit dieser stets identisch. Denn der Erfolg einer Zahlung oder einer anderen Übereignung hängt gerade nicht von der Person des Leistenden ab, und wie die Studie über ,Vertretbare und unvertretbare Leistungen‘ im fünften Kapitel gezeigt hat33, ist die befreiende Drittleistung – anders als im justinianischen und im geltenden Recht – bei Obligationen auf facere von vornherein ausgeschlossen. 5. Die Kontroverse zur Befreiung invito debitore wird dadurch allerdings noch nicht verständlich – im Gegenteil: Gerade weil das Erlöschen der Obligation bei dem regelmäßigen und darum exemplarischen34 Tilgungsgrund der solutio auf der vollständigen und endgültigen Befriedigung des Gläubigers beruht, stellt sich auch für das klassische Recht die Frage, warum Labeo dieses Interesse der Selbstbestimmung des Schuldners unterordnet und warum seine Gegner daran keinen Anstoß nehmen. Eine befriedigende Antwort gibt nur Wollschlägers Hypothese vom gemeinsamen Ursprung der Drittleistung und der negotiorum gestio. Denn wenn die Drittleistung dazu dient, den Schuldner und das Gemeinwesen vor den Folgen der Gesamtvollstreckung zu bewahren, dann ist die Befriedigung des Gläubigers nur ihre notwendige Voraussetzung, aber nicht – wie bei der solutio des Schuldners – ihr einziges Ziel. Dies würde zunächst erklären, warum Labeo die Interessen des Gläubigers außer Betracht läßt: Ihm 32 Vgl. D 12.6.44 Paul 14 ad Plaut (repetitio nulla est ab eo qui suum recepit, tametsi ab alio quam vero debitore solutum est) und dazu o. § 11 bei A. 48. Im Sinne dieser Regel entscheidet aber auch schon Alfen; vgl. D 12.6.36 Paul 5 epit Alf dig und dazu Roth Alfeni Digesta (1999) 53 f. Weitere Beispiele aus dem Bereich der Drittleistung sind D 12.6.8 Paul 6 ad Sab (dazu o. § 11 bei A. 36) und D 3.5.44.2 Ulp 4 opin (dazu o. § 19 IV 2). 33 Vgl. nur die Zusammenfassung der Ergebnisse in § 23 I, aber auch die Bemerkungen zum Gebrauch von solvere und solutio in § 20 bei A. 7 ff. 34 S. o. § 2 bei A. 39 ff.

448

6. Kap.: Drittleistung invito debitore

geht es nicht um den Zweck der obligatio, sondern nur um das Verhältnis zwischen der Selbstbestimmung des Schuldners und dem öffentlichen Interesse an seiner Befreiung. Er läßt die Abwehr dieses sozial erwünschten Eingriffs zu und entscheidet damit nach den allgemeinen Grundsätzen der Geschäftsführung prohibente domino. Sollte dies zutreffen, dann wäre auch verständlich, warum Gaius die Selbstbestimmung des Schuldners einschränkt und nicht einfach auf die vorrangigen Interessen des Gläubigers verweist. Seine Lösung wäre zudem als Fortschritt zu bewerten. Denn sie beurteilt die befreiende Wirkung der Drittleistung nicht mehr nach den Grundsätzen der negotiorum gestio und vollendet damit die dogmatisch elementare Trennung zwischen solutio und ,Deckungsverhältnis‘.

Quellenverzeichnis A. Vorjustinianische Rechtsliteratur Fragmenta Vaticana

2.66

94 98 105 113 120 254 266 269 317 326 331 332

2.69

89 A. 9 304 A. 14 89 A. 9 186 A. 34 418 A. 135 140 A. 22 230 A. 102 140 A. 22; 398 A. 44 342 A. 22 bis 25 342 A. 23 f. 342 A. 22 f.; 356 A. 30 342 A. 25

Gai Institutiones 1.1 1.7 1.17 1.89 1.112 1.113 1.122 1.146 1.149 1.154 1.158 1.184 1.186 1.189 1.190 2.38

33 A. 89; 423 A. 163 399 A. 50 399 A. 50 423 A. 163 und 165 399 A. 50 419 A. 141 399 A. 50 33 A. 85 204 A. 13 204 A. 13 424 A. 172 und 174 211 A. 39 424 A. 168 423 A. 163 und 165; 424 A. 170 427 A. 193 374 A. 90; 377

2.70 2.73 2.76 2.79 2.83 2.84 2.86 2.87 2.95 2.108 2.110 2.144 ff. 2.195 2.200 2.215 2.232 2.282 2.283 2.289 3.36 3.68 3.69 3.72 3.91 3.99 3.100 3.103 3.104

423 A. 163 und 165; 424 A. 168 423 A. 163 und 165; 424 A. 168 423 A. 165; 424 A. 168 423 A. 165 102 A. 53 423 A. 163 und 165; 424 A. 168 417 A. 129 211 A. 38; 272 A. 115 412 A. 113 27 A. 57; 113 A. 28; 396 A. 33; 412 A. 113 395 A. 30 33 A. 85 424 A. 172 f. 32 A. 85 386 A. 112 386 A. 112 419 A. 145 304 A. 14 f. 169 A. 20 169 A. 20 204 A. 13 32 A. 85 109 A. 4 109 A. 4 398 A. 43 44 A. 19; 50 f.; 126 A. 47; 286 A. 12; 396 A. 31 52 A. 14 304 A. 14 f.; 372 A. 78 395 A. 30 115 A. 40

450 3.107 3.112 3.115 ff. 3.115 3.116 3.118 ff. 3.119a 3.120 3.121 3.122 3.126 3.127

3.153 3.154 3.154a 3.155 3.156 3.160 3.161 3.168 ff. 3.168

3.169 3.170 3.171 3.172 3.173 3.174

3.175 3.176 3.177 3.178

Quellenverzeichnis 372 A. 78 203 A. 8 202 233 A. 109 203 A. 8 232 115 A. 40 205 A. 17 205 A. 15; 218 A. 62 und 64 f.; 221 A. 77 70 A. 11 232 A. 106; 419 A. 141 111 A. 17; 202 A. 7; 206 A. 21; 232 ff.; 236 A. 122; 442 A. 13 424 A. 172 und 174 423 A. 163 und 165 33 A. 88; 424 A. 168; 425 A. 176; 427 A. 190 115 A. 37 254 A. 58 31 A. 74 f.; 428 A. 194 407 A. 93; 409 A. 100; 410 A. 104 27; 60 34; 45 A. 25; 47; 61 A. 26; 62 A. 29; 65 A. 45; 56 ff.; 60; 272 A. 115; 337; 425 A. 180 47; 60 A. 25; 61 A. 27; 371 A. 76 45 A. 27; 60 A. 25 47; 60 A. 25 47; 60 A. 25 47; 60 A. 25; 440 A. 9; 441 A. 13 45 A. 27; 46; 60 A. 25; 347; 371 f. A. 77; 440 A. 10; 441 A. 13 60 A. 25; 441 A. 13 47; 60 A. 25; 372 A. 78; 377 60 A. 25 60 A. 25

3.179 3.180 3.181 4.9 4.21 4.22 4.25 4.69–74 4.72 4.72a 4.78 4.84 4.87 4.90 4.101 4.102 4.106 4.107 4.112 4.131a 4.133 4.136 4.186

60 A. 25; 372 A. 80; 373 A. 82 47; 60 A. 25; 200 A. 43; 264 A. 95; 341 A. 18 f. 60 A. 25; 189 A. 7; 341 A. 18 442 A. 13 46 A. 31 206 A. 21; 442 A. 13 442 A. 13 35 A. 96 195 A. 25 26 A. 55; 34 mit A. 96 52 A. 15; 115 A. 40 342 A. 26; 343 A. 29 342 A. 20 342 A. 24 342 A. 24; 343 A. 28 442 A. 13 189 A. 7 189 A. 7; 341 A. 18 335 A. 31 325 A. 57 373 A. 83 322 A. 45 442 A. 13

Gai epitome 2.9.20 410 A. 104 2.10 (18) 57 A. 7

Pauli Sententiae 1.19.1 2.2.1 2.3.18 2.9.1

2.13.4 2.17.8

442 A. 13 198 A. 37 104 A. 63 26 A. 55; 35 A. 97; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 137 A. 12; 180 A. 6; 199 A. 41; 215 A. 56; 297 A. 16 379 A. 98 53 A. 17

Quellenverzeichnis 2.17.16 254 A. 60 2.21 A. 9 398 A. 43; 411 A. 107 2.32.1 45 A. 27 3.6.8 95 A. 31 3.6.92 169 A. 20 3.16.6 94 A. 28 4.1.8 95 A. 32 5.12.12 411 A. 107

451

Ulpiani epitome 6.5 11.14 24.16 24.33

88 A. 3 204 A. 13 424 A. 171 und 173 169 A. 20

B. Justinianische Rechtsbücher Institutiones 1.2.1 1.10 pr. 1.10.3 1.15.3 1.20.6 1.21 pr. 2.1.2 2.1.12 2.1.25 2.1.28 2.1.35 2.3.9 2.4 pr. 2.4.2 2.8.2 2.9.3 2.20.4 2.20.5 2.20.6 2.20.9 2.20.10. 2.20.12 2.20.14 3.1.11 3.1.15 3.7.4

423 A. 164 33 A. 87; 423 A. 164; 424 A. 171; 425 A. 175; 427 A. 193 425 A. 176 424 A. 171 und 174 424 A. 170 417 423 A. 165 423 A. 164 f. und 168 423 A. 164 f., 168 und 170 244 A. 26 423 A. 164 und 166 39 A. 116 403 A. 70 33 A. 87; 423 A. 164; 424 A. 169 und 171; 425 A. 175 244 A. 27 27 A. 57; 396 A. 33; 398 A. 42 95 A. 32 95 A. 31 f.; 97 A. 39 52 A. 10 und 12; 53 A. 17 53 A. 17 52 A. 14 94 A. 28 52 A. 15 424 A. 171 425 A. 176 39 A. 116; 398 A. 42

3.13 pr. 3.14.1 3.15.7 3.16.1 3.19.3 3.19.19 3.19.21 3.20.4 3.20.6 3.25.2 3.26.8 3.26.9 3.27.6 3.27.7 3.29 pr.

445 A. 27 50 A. 3 295 A. 3 237 A. 3 301 A. 9 445 A. 27 301 A. 9 218 A. 65; 220 A. 70 232 A. 105 f.; 234 A. 117 424 A. 169 409 A. 100; 410 A. 104 407 A. 93 50 A. 3 169 A. 20 24 A. 50; 26 A. 56; 27; 30 mit A. 71; 39 A. 116; 41 A. 1; 49 A. 45; 56 A. 4; 58 A. 14; 60 ff.; 63; 180 A. 7; 181 A. 9; 202 A. 6; 317 A. 23; 337 ff.; 349; 382; 393 A. 20; 398 A. 42; 435; 436; 437 3.29.1 60 A. 25 3.29.2 60 A. 25 3.29.3 60 A. 25 4.6.9 184 A. 20; 198 A. 37 f. 4.6.29 146 A. 44 4.6.37 125 A. 40 4.7 pr. – 5 35 A. 96 4.7.4 195 A. 25; 215 A. 56 4.7.4a 26 A. 55 f.; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 137 A. 12; 180 A. 2; 297 A. 16

452 4.7.4b

4.14.4 4.15.4

Quellenverzeichnis 26 A. 55 f.; 34 A. 96; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 137 A. 12; 180 A. 2; 297 A. 16 33 A. 87; 232 A. 105; 234 A. 117 423 A. 164; 424 A. 169 und 171; 425 A. 175

Digesta 1.1.9 1.19.1.1 1.2.2.47 2.1.9 2.2.3.4 2.7.3.1 2.7.4.1 2.7.5 2.7.5.1 2.7.5.2 2.7.5.3 2.7.5.4 2.7.6 2.13.6.3 2.14.9 pr. 2.14.10. 2.14.11 2.14.16 pr. 2.14.17.7 2.14.18 2.14.19 pr. 2.14.21.5 2.14.25.1 2.14.27.1 2.14.27.2 2.14.27.6 2.14.28 pr. 2.14.30.1 2.14.30.2 2.14.32 2.14.51 pr.

423 A. 163 und 165 166 A. 9 59 A. 21 200 A. 44 411 A. 107 251 A. 44 253 A. 55 250 A. 43 250 A. 43; 251 A. 44 f.; 253 A. 55 251 A. 44 251 A. 44, 46 und 48 251 A. 44 250 ff.; 255 A. 66; 258 mit A. 80 45 A. 27; 354 A. 25 412 A. 113 2413 A. 118 174 A. 36 68 A. 3 411 A. 110 411 A. 110 411 A. 110 413 A. 117 412 A. 115 412 A. 116 418 A. 134 45 A. 27 412 A. 116; 417 A. 129 413 A. 116 413 A. 116 140 A. 22 272 A. 114

2.14.55 2.14.59 2.15.8.6 2.18.8 pr. 3.2.1 3.2.6.2 3.2.6.5 3.2.6.7 3.3.1 3.3.8.1 3.3.28 3.3.32 3.3.33.2 3.3.42.2 3.3.43.6 3.3.49 3.3.58 3.3.59 3.4.1.3 3.5.1 3.5.2 3.5.3 pr. 3.5.3.2 3.5.4 3.5.5.1 3.5.5.5 3.5.5.6 3.5.5.10 3.5.5.11 3.5.5.12 3.5.5.13 3.5.5.14 3.5.7 pr. 3.5.8 3.5.9.1 3.5.17

411 A. 110 412 ff. 415 ff. 415 A. 124 112 A. 19 343 A. 28 112 A. 19 112 A. 19 343 A. 29 29 A. 70; 338 A. 4 342 A. 24 f. und 27; 343 A. 28 419 A. 145 343 A. 31; 344 A. 33; 389 A. 13; 442 A. 16 342 A. 22 342 A. 24 402 A. 68 31 A. 74 109 A. 1; 164 A. 4; 173 A. 32 402 A. 66 117; 343 A. 29; 344 A. 32; 389 A. 13; 442 A. 15 396 A. 32 99 A. 45 99 A. 45 140 A. 22 291 A. 33; 292 A. 36 100 A. 48; 105 A. 70; 386 A. 112 100 A. 47 292 A. 36 100 A. 48; 169 A. 22 288 A. 20; 291 A. 33; 292 A. 36 288 A. 20; 291 A. 33 205 A. 14 205 A. 16 und 18 386 A. 112; 402 A. 66 119 A. 16; 121 A. 22; 122 A. 26; 386 A. 112 205 A. 14

Quellenverzeichnis 3.5.18 pr. 3.5.18.4 3.5.20 pr. 3.5.20.3 3.5.22 3.5.27 3.5.29 3.5.30.2 3.5.31 pr.

3.5.34 pr. 3.5.34.3 3.5.37 3.5.38

3.5.39 3.5.40 3.5.42

3.5.44.2

3.5.48 3.6.5.1 4.2.14.15 4.3.17 pr. 4.3.7.3 4.3.7.8 4.3.17 pr. 4.3.19 4.4.40.1

205 A. 14 124 A. 35 100 A. 47 323 A. 53 170 A. 24; 234 A. 118 132 A. 75 73 A. 27 343 A. 29 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 69 A. 7; 74 ff.; 78; 81 A. 24; 117 A. 2; 180 A. 3; 297 A. 16 125 A. 41; 205 A. 14 204 A. 14; 205 A. 14 205 A. 14; 206 A. 20 20 A. 26; 24 A. 50; 26 A. 56; 27 f.; 28 ff.; 35 ff.; 41; 48; 58 A. 14; 59 A. 16; 60 A. 22; 61; 139 A. 21; 170 A. 23; 177 A. 47; 180 A. 7; 181 A. 9; 290 A. 28; 296; 339 f.; 349; 387 ff.; 436 ff. 343 A. 29 343 A. 29 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 60 A. 22; 117 A. 2; 118 f.; 122; 126; 132; 180 A. 8; 290 A. 28 und 30; 297 A. 16; 358 f.; 365 A. 55; 394 A. 23; 440 A. 12 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 117 A. 2; 134 A. 78; 180 A. 4; 181 A. 14; 183 A. 17; 287 ff.; 297 A. 16; 447 A. 32 181 A. 14; 182 A. 15 und 17; 270 A. 109; 292 A. 39 419 A. 145 238 A. 6 238 A. 6 193 A. 19 373 A. 84 238 A. 6 212 A. 43; 326 A. 62 57 A. 7

4.5.8 4.6.1.1 4.6.21 pr. 4.6.21.3 4.6.22 pr. 4.8.27.1 4.8.32.19 4.8.49.2 4.9.3.1 5.1.11 5.1.56 5.1.74.2

5.3.1 5.3.13.2 5.3.16.7 5.3.17 5.3.20.18 5.3.31 pr.

5.3.35 5.3.36.5 5.4.10 6.1.3.2 6.1.5 pr. 6.1.41 pr. 6.1.48 6.1.65 pr.

6.2.9.4 7.1.1 7.1.7.2 7.1.7.3 7.1.8 7.1.13 pr.

453 424 A. 172 und 174 45 A. 27 45 A. 27 342 A. 24 343 A. 31 307 A. 24 307 A. 24 307 A. 24 323 A. 50 52 A. 15 343 A. 29 59 A. 20; 119 A. 13; 183 A. 17; 269 A. 108; 270 A. 109; 272 A. 115 f.; 289 A. 25; 342 A. 27; 343 A. 29 32 A. 85 182 A. 16 182 A. 16 182 A. 16; 184 A. 22 182 A. 16 59 A. 20; 181 ff.; 182 A. 15; 187 A. 40; 228 A. 95; 238; 270 A. 109; 272 A. 115 f.; 283 A. 2; 286 mit A. 15 f.; 288 A. 24; 289 A. 25; 292 A. 39 396 A. 33 423 A. 164 und 166; 424 A. 170 292 A. 36 244 A. 26 244 A. 26 419 A. 145 102 A. 54 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 81 A. 23 und 26; 101 A. 52 und 54; 180 A. 2; 297 A. 18 419 A. 145 403 A. 70 403 A. 75 403 A. 75 f. 404 A. 76 403 A. 72

454 7.1.13.4 7.1.13.7 7.1.15.6 7.1.16 7.1.35.1 7.1.44 7.1.51 7.1.61 7.1.66 7.5.2.1

Quellenverzeichnis

403 f.; 414; 431 A. 206 403 403 A. 72 404 A. 77 223 A. 85 403 A. 73; 414 A. 120 304 A. 16 403 A. 76 403 A. 72 33 A. 87; 423 A. 163 und 167; 424 A. 169; 425 A. 177 7.6.2 403 A. 72 7.6.5 pr. 310 A. 32; 431 A. 206 7.8.12.6 322 A. 42 7.8.23 404 A. 77 7.9.1 pr. 403 A. 72 7.9.1.3 403 A. 72 7.9.5 pr. 312 A. 41 8.1.4.1 405 A. 81 8.1.5.1 405 A. 81 8.1.6 405 A. 81 8.1.9 405 A. 83; 406 A. 85 und 87 8.1.11 52 A. 15 8.1.15.2 424 A. 169 8.2.5 29 A. 70 8.2.8 423 A. 163; 424 A. 168 8.2.20.4 405 A. 84 8.2.20.5 404 ff.; 410; 431 A. 206 8.2.27.1 29 A. 70 8.3.13.1 405 A. 83; 406 A. 85 8.3.21 406 A. 85 8.3.22 406 A. 87 8.5.6 pr. 431 A. 206 8.5.6.7 406 A. 88 8.5.11 29 A. 70; 432 A. 207 8.5.17.1 431 A. 206 9.2.4 pr. 423 A. 163 und 165; 424 A. 170 9.2.11.2 238 A. 7 9.2.16 52 A. 15 9.2.27.9 323 A. 53; 324 A. 55 9.2.27.30 398 A. 44 9.4.14 pr. 419 A. 145

9.4.34 9.4.42.1 10.2.2.25 10.2.18.5 10.2.18.7 10.2.25.12 10.2.29 10.2.36 10.2.44.5 10.2.44.7

10.3.5 10.3.7.12 10.3.14.1 10.3.22 10.3.28 10.4.9 pr. 11.1.18 11.1.20 pr. 11.6.2.1 11.6.3.5 11.6.5.1 12.1.2.1 12.1.8.7 12.1.9.8 12.1.11.2 12.1.12 12.1.13 pr. 12.1.14 12.1.18 12.1.19 pr. 12.1.19.1

12.2.23 12.2.24 12.2.28.1

223 A. 85 200 A. 44 88 A. 4 69 A. 10 90 A. 9 307 A. 24 89 A. 7; 102 A. 51 f.; 103 A. 55; 104 A. 65 und 67 269 A. 108 307 A. 24 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 15; 180 A. 8; 296 A. 10; 297 A. 24 223 A. 85 89 A. 7; 102 A. 51 291 A. 33; 292 A. 36 140 A. 22 29 A. 70; 432 mit A. 207 193 A. 19 223 A. 85 343 A. 29 323 A. 53 200 A. 44 263 A. 91 56 A. 3; 57 A. 8 418 A. 132 187 A. 36; 396 A. 35 241 A. 14; 243 A. 26; 244 A. 27; 245 A. 30 und 33 245 A. 30 241 A. 14; 245 A. 30 und 33 241 A. 15; 243 A. 26; 245 A. 29 139 A. 20 223 A. 85 177 A. 49; 241 A. 15; 243 A. 25; 244 A. 28; 245 A. 29 f. und 34; 246 A. 36; 268 A. 103 411 A. 109 411 A. 107 und 109; 412 A. 114 202 A. 6

Quellenverzeichnis 12.2.34.3 12.2.40 12.3.4 pr. 12.4.10 12.4.15 12.5.5 12.6 12.6.6 pr. 12.6.6 pr.

343 A. 28 276 A. 133 397 A. 40 48 A. 43 29 A. 70 223 A. 85 44 A. 19 – 2 168 ff. 29 A. 65; 44 A. 19; 109 A. 1; 164 ff.; 173; 234 A. 118; 338 A. 5; 339 A. 10 12.6.6.1 29 A. 65 12.6.6.2 29 A. 65 12.6.6.3 109 A. 1 f.; 164 mit A. 4; 167 A. 10; 171 A. 26 12.6.8 26 A. 56; 41 A. 2; 44 A. 20; 49 A. 45; 58 A. 15; 119 A. 12; 124 ff.; 180 A. 8; 290 A. 28; 297; 330; 447 A. 32 12.6.9 125 mit A. 43 12.6.10 125 A. 44 12.6.13 pr. 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 116 A. 42; 180 A. 8 12.6.19.1 181 A. 11; 182 A. 15; 285 f. mit A. 11; 288 A. 24; 292 A. 39 12.6.19.3 57 A. 8 12.6.20 227 A. 93 12.6.24 272 A. 114 12.6.25 227 A. 93 12.6.26.3 230 A. 102 12.6.26.4 57 A. 8 f. 12.6.26.9 241 A. 15 12.6.26.12 24 A. 43; 296 A. 10; 332; 334 A. 27 12.6.29 44 A. 21; 177 A. 49; 319 A. 29; 418 A. 132 12.6.31 182 A. 17 12.6.32.1 182 A. 17; 228 A. 95 12.6.36 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 81 A. 23; 177 A. 49; 180 A. 8; 297 A. 16; 447 A. 32

12.6.38.1 12.6.38.3 12.6.40 12.6.44

12.6.46 12.6.47

12.6.53 12.6.56 12.6.57 pr. 12.6.59 12.6.63 12.6.65.9 12.6.67.1 12.6.67.2 12.6.67.4 13.1.18 13.5.1.5 13.5.1.8 13.5.2 13.5.3 pr. 13.5.5.2 13.5.5.3 13.5.5.4 13.5.8 13.5.17 13.5.18.1 13.5.18.3 13.5.19.2

455 115 A. 40 227 A. 93; 231 A. 103 296 A. 10 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 126 mit A. 49; 180 A. 5; 181 A. 14; 182 A. 15; 292 A. 39; 297 A. 15; 357 A. 33; 447 A. 32 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 55 A. 25; 180 A. 8 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 55 A. 25; 77 A. 14; 167 A. 12; 172 A. 26; 180 A. 8; 185 A. 26; 207 A. 25; 208 A. 30; 230 ff.; 234 A. 118 187 A. 39; 333 A. 18 230 A. 102 109 A. 2; 171 A. 26; 176 A. 46 182 A. 17; 227 A. 94; 229 A. 96; 425 A. 176 268 A. 104 181 A. 11; 182 A. 17; 273 A. 116; 288 A. 24 44 A. 19; 109 A. 2; 172 A. 26 44 A. 19; 109 A. 4 184 A. 22 44 A. 19; 109 A. 1; 167 A. 10; 171 A. 26; 237 A. 4 56 A. 5 196 ff. 24 A. 47; 196 ff.; 199; 201; 278 126 A. 46 198 A. 37 198 A. 37; 199 A. 42 198 A. 36 und 38 194 A. 22 194 A. 22 197 A. 34 24 A. 48; 215 A. 53; 261 A. 88 197 A. 33

456 13.5.20 13.5.24 13.5.26 13.5.27

13.5.28 13.6.5.12 13.6.5.15 13.6.11 13.6.18.2 13.6.20 13.7.8.5 13.7.10 13.7.11.5

13.7.13 pr. 13.7.16.1 13.7.24 pr. 13.7.24.1 13.7.28 pr. 14.1.1.17 14.1.1.20 14.1.1.24

14.1.5.1 14.3.5.10 14.4.5.1 14.4.6 14.4.12 14.5.3 14.5.8 14.6.3.4 14.6.9.1 14.6.9.3 14.6.18 15.1.3.3

Quellenverzeichnis 197 A. 33 198 A. 37; 199 A. 41 198 A. 37; 199 A. 41 37 A. 102; 38 A. 106; 119 A. 12; 361 ff.; 382; 388 A. 4; 436; 444 A. 25 38 A. 109; 198 A. 38; 367 A. 61 106 A. 73 237 A. 1; 238 A. 5 323 A. 53 423 A. 163 und 166; 424 A. 170 323 A. 53 104 A. 66 47 A. 37; 59 A. 19 26 A. 56; 31 A. 74; 41 A. 2; 58 A. 15; 161 A. 1; 180 A. 6; 297 A. 22 81 A. 24 276 A. 134 57 A. 7; 58 A. 10 276 A. 133 81 A. 26; 102 A. 51 f. 189 A. 6 201 A. 45 24 A. 47; 26 A. 56; 27; 30; 41 A. 1; 48 A. 45; 58 A. 14; 59 A. 16; 61 A. 28; 180 A. 7 f.; 181 A. 9; 187 ff.; 198; 201; 216 A. 59; 278 187 322 A. 42 200 A. 44 419 A. 145 200 A. 43 419 A. 145 177 A. 49; 232 A. 105; 233 A. 110; 234 A. 117 193 A. 19 167 A. 13 140 A. 22 201 A. 47 201 A. 45

15.1.3.5 15.1.3.6 15.1.3.7

15.1.3.9 15.1.4.5

15.1.9.8 15.1.10 15.1.11.1 15.1.11.2 15.1.11.5 15.1.19.1 15.1.30 pr. 15.1.30.3 15.1.32 pr. 15.1.38.1 15.1.47.2 15.1.52 pr. 15.3.10 pr. 15.3.1.2 15.3.3.1

15.3.4 15.3.7.4 15.3.8 15.3.10 pr. 15.3.10.2 15.3.10.3 15.3.10.7

15.3.10.10 15.3.11

116 109 A. 3; 116 mit A. 44; 132 A. 76; 201 A. 45 26 A. 56; 41 A. 2; 44 A. 20; 48 A. 45; 58 A. 14; 115 f.; 176 A. 46; 180 A. 7; 231 A. 103 201 A. 45 26 A. 56; 41 A. 6; 58 A. 14; 116 A. 42; 180 A. 8; 195 A. 27 111 A. 17; 195 A. 27; 200 A. 43 f. 419 A. 145 198 A. 38 115 A. 40 200 A. 43 200 A. 43 195 A. 25 69 A. 10; 71 A. 19 219 A. 69; 237 A. 4 272 A. 114 126 A. 46 419 A. 145 227 A. 93 200 A. 43 26 A. 56; 35 A. 97; 41 A. 2; 49 A. 45; 55 A. 25; 58 A. 14; 77 A. 14; 137 A. 12; 180 A. 2; 215 A. 56; 297 A. 16 419 A. 145 109 A. 4 186 A. 34 202 A. 6; 215 A. 55 140 A. 22 343 A. 29 26 A. 56; 35 A. 97; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 14; 137 A. 12; 180 A. 2 und 7; 215 A. 56; 297 A. 16 215 A. 57; 225 A. 90; 237 A. 1 216 A. 57

15.3.15

16.1.2.1 16.1.4 pr. 16.1.4.1 16.1.5

16.1.6 16.1.7 16.1.8.3 16.1.8.5 16.1.8.10 16.1.15 16.1.16.1 16.1.21.1 16.1.24.2 16.1.27.1 16.1.28 pr. 16.1.28.1

16.3.1.43 16.3.11 16.3.33 17.1.1.1 17.1.1.2 17.1.2.2 17.1.3 17.1.3 pr. 17.1.3.2 17.1.4 17.1.5 17.1.5 pr. 17.1.5.1 17.1.5.2 17.1.5.3

Quellenverzeichnis

457

17.1.5.4 17.1.5.5 17.1.6.2

408 A. 98 409 A. 98 f. 70 A. 12; 111 A. 15; 112 f.; 116; 128 A. 54; 129 A. 58; 141 A. 25; 142 A. 31; 234; 356 A. 30 254 A. 58 205 A. 14 227 A. 93; 235 A. 120 111 mit A. 17; 227 A. 93; 256 A. 71 111 111 mit A. 17; 143 A. 34; 208 A. 30 111 A. 17 111 A. 17; 143 A. 34 26 A. 56; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 14; 111 mit A. 17; 120 A. 19; 121 A. 21; 143 f.; 180 A. 7; 297 A. 19 26 A. 56; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 14; 111 mit A. 17; 120 A. 19; 143 f.; 180 A. 7; 297 A. 19 111; 227 A. 93 111 mit A. 17; 208 A. 30; 227 A. 93 26 A. 56; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 14; 109 A. 3; 113 ff.; 176 A. 46; 178; 180 A. 7; 297 A. 15; 330 26 A. 56; 41 A. 2; 58 A. 14; 109 A. 3; 113 ff.; 117 A. 2; 176 A. 46 111 A. 14; 114 105 A. 70 113 A. 27 111 A. 17; 227 A. 93 227 A. 93 404 A. 77 111 A. 15; 235 A. 120; 256 A. 71 257 A. 75 111 A. 15; 131 A. 72; 128 A. 54; 365 A. 55

24 A. 48; 184 A. 20; 192 A. 18; 198 A. 37; 215 ff.; 261 A. 88; 284 142 A. 31 142 A. 27 26 A. 56; 41 A. 3; 58 A. 14; 141 ff.; 180 A. 2; 297 A. 16 26 A. 56; 41 A. 3; 48 A. 45; 49 A. 46; 57 A. 7; 58 A. 13 f.; 62; 142 A. 29; 180 A. 6 f.; 297 A. 16; 319 A. 35 133 A. 77 133 A. 77 47 A. 39; 182 A. 17; 229 A. 98 142 f. mit A. 29 229 A. 98 232 A. 105; 233 A. 110; 234 A. 117 223 A. 83 und 85 142 A. 28 229 A. 98 411 A. 107 142 A. 29 26 A. 56; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 14; 180 A. 7; 297 A. 22 237 A. 1; 238 A. 5; 296 A. 10 296 A. 10 411 A. 107 235 A. 120 235 A. 120 115 A. 38 205 A. 16; 407 407 ff.; 414 408 A. 94 f. und 98 407 A. 93; 408 A. 95 407 408 A. 96 und 98; 410 A. 104 408 A. 96 und 98 408 mit A. 97 f. 408 A. 98; 410 A. 105

17.1.6.4 17.1.6.6 17.1.8.7 17.1.10.11 17.1.10.12 17.1.10.13 17.1.11 17.1.12 pr. 17.1.12.1

17.1.12.2

17.1.12.3 17.1.12.4 17.1.12.5

17.1.12.6

17.1.12.7 17.1.12.9 17.1.12.13 17.1.14 pr. 17.1.14.1 17.1.17.1 17.1.18 17.1.20 pr. 17.1.20.1

458 17.1.21 17.1.22 pr. 17.1.22.1 17.1.22.7 17.1.22.8 17.1.22.10 17.1.26.2 17.1.26.3

17.1.26.4 17.1.26.5 17.1.27.5 17.1.28

17.1.29 pr. 17.1.29.1 17.1.29.2 17.1.29.3 17.1.29.5 17.1.29.6

17.1.36.2 17.1.37 17.1.38.1 17.1.40

17.1.41 17.1.45 pr. 17.1.45.2 17.1.45.3 17.1.45.4 17.1.45.5 17.1.47 pr. 17.1.47.1

Quellenverzeichnis 131 A. 69 und 74 111 A. 17; 227 A. 93 111 A. 17; 123 A. 32 241 A. 13 und 19 44 A. 21; 109 A. 3; 176 A. 46 100 A. 47; 131 A. 74 112 A. 17 f. 26 A. 56; 41 A. 2; 58 A. 14; 111 A. 17; 121 A. 21; 144; 180 A. 2; 208 A. 30; 227 A. 93; 297 A. 19 227 A. 93 111 A. 17; 208 A. 30; 227 A. 93 254 A. 60 f. und 64; 256 A. 69; 259 A. 82 24 A. 49; 71 A. 22; 255 ff.; 262; 264; 265; 272 A. 116; 278; 283 A. 2; 367 111 A. 17; 208 A. 30; 230 A. 102; 231 A. 103 111 A. 17 111 A. 17; 208 A. 30 111 A. 17; 394 A. 24 269 A. 108 111 A. 17; 182 A. 17; 206 A. 21 und 23; 207 A. 25; 228 A. 95 225 A. 91 111 A. 17; 227 A. 93 111 A. 16 70 A.12; 128 ff.; 290 A. 30; 339 A. 9; 360 f.; 365 A. 55; 432 A. 208; 443 A. 21 407 A. 93; 410 A. 104 111 A. 16 111 A. 16 111 A. 16 109 A. 3 111 A. 16 112 A. 18 57 A. 10; 111 A. 17; 208 A. 30; 227 A. 93; 241 A. 15;

17.1.48 pr. 17.1.48.1 17.1.48.2 17.1.50 pr.

17.1.51 17.1.52 17.1.53

17.1.56 pr. 17.1.56.1 17.1.58 pr. 17.1.59.1 17.1.60.2 17.2.23 pr. 17.2.65.16 17.2.66 17.2.83 18.1.6.1 18.1.16 pr. 18.1.23 18.1.34.3 18.1.41 pr. 18.1.81 pr. 18.2 18.2.1 18.2.17 18.4.5 18.5.3 18.6.4.1 19.1.5.1 19.1.11.18 19.1.13.15 19.1.28

243 A. 25; 245 A. 29; 273 A. 120 111 A. 17; 227 A. 93 225 A. 91; 254 A. 58 254 A. 58 49 A. 45; 109 A. 1; 111 A. 17; 117 A. 2; 120 ff.; 126; 129; 132; 166 mit A. 7; 180 A. 4; 202 A. 6; 290 A. 30; 297 A. 19; 365 A. 55 123 A. 31; 227 A. 93 202 A. 6; 227 A. 93 26 A. 56; 39 A. 118; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 14; 70 A. 12; 111 A. 15; 127 A. 51; 130 ff.; 180 A. 7; 202 A. 6; 290 A. 30; 297 A. 16; 397 A. 40; 431 A. 202 254 A. 59 112 A. 17 119 A. 13; 272 A. 116; 342 A. 27; 343 A. 29 f. 69 A. 5 238 A. 5 323 A. 53 88 A. 3 88 A. 3 423 A. 164; 424 A. 168 45 A. 27 52 A. 14 184 A. 22 52 A. 14 224 A. 87 227 A. 93 419 A. 145 419 A. 145 223 A. 85 77 A. 14 272 A. 114 419 A. 145 272 A. 114 308 A. 27 53 A. 17 224 A. 87

Quellenverzeichnis 19.1.29 19.1.51.1 19.1.52.1 19.1.53.1 19.1.54 pr. 19.2.9.5 19.2.10.1 19.2.11 pr. 19.2.13.1 19.2.13.9 19.2.19.9 19.2.24.8 19.2.25.7 19.2.47 19.2.48 pr. 19.2.54 pr. 19.2.60.2 19.5.13.5 20.1.1.2 20.1.2 20.1.5 pr. 20.1.10 20.1.13.2 20.1.16.3

20.1.21.3 20.1.26 20.2.40 20.4.3.1 20.4.4 20.4.7 20.4.11.4 20.4.12.6

20.4.12.9 20.4.16 20.4.19 20.5.1

53 A. 17 118 A. 11 186 A. 34 352 A. 16 352 A. 16 324 A. 55 323 A. 51 323 A. 53 322 f. 333 A. 23 296 A. 10 265 A. 96 322 A. 42 f. 69 A. 10; 70 A. 16 321 A. 38; 322 A. 47 232 A. 105; 234 A. 117 265 A. 96 324 A. 55 82 A. 31 69 A. 7; 75 A. 5; 227 A. 93 191 A. 13 82 A. 31; 419 A. 145 82 A. 31 26 A. 56; 41 A.2; 49 A. 45; 58 A. 15; 92 A. 19; 101 A. 51; 180 A. 6; 297 A. 16 102 A. 51 227 A. 93 277 A. 136 225 A. 91 48 A. 43 319 A. 29 25 A. 54; 26 A. 56; 59 A. 15 und 18; 180 A. 2; 297 A. 16 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 15; 103 A. 59; 104 A. 63 und 70; 180 A. 2; 225 A. 90; 297 A. 18 104 A. 63 104 A. 63 87 ff.; 94; 98 ff. 103 A. 57; 104 A. 63

20.5.2 20.5.5 pr.

20.5.5.1 20.5.6 20.6.1 pr.

20.6.2 20.6.3 20.6.5 pr. 20.6.5.2 20.6.6.1 20.6.6.2 20.6.7.2 20.6.8.19 20.6.11 20.6.12.1

20.6.14 21.2.9 21.2.29 pr. 21.2.41.1 21.2.41.2 21.2.65 21.2.66 pr. 21.2.71 21.2.74.3 22.1.4 pr. 22.1.25 pr. 22.1.32.5 22.1.37

22.3.19 22.3.21 22.3.23 23.2.45.5

459 69 A. 7; 70 A. 17; 71 A. 19; 75 A. 5 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 103 A. 59; 104 A. 63; 180 A. 2; 297 A. 16 69 A. 5 und 7; 75 A. 5 104 A. 69 26 A. 56; 42 A. 8; 58 A. 14; 80 ff.; 84; 87; 99 f.; 102 A. 52; 117 A. 2; 180 A. 4; 297 A. 16 81 A. 26; 102 A. 51 f. 419 A. 145 277 A. 136 76 ff.; 80 A. 23; 81 mit A. 24 59 A. 19 93 A. 24 413 A. 118 59 A. 20; 102 A. 51 186 A. 34; 193 A. 20 26 A. 56; 58 A. 14; 89 A. 7; 101 A. 51; 106 A. 72; 180 A. 6; 297 A. 15 76 A. 12 53 A. 17 53 A. 16 53 A. 17 48 A. 42 70 A. 10 101 A. 51 186 A. 34 77 A. 14 427 A. 193 397 A. 40; 430 A. 198 326 A. 62 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 81 A. 23 und 27; 99 A. 44; 105 A. 70; 117 A. 2 und 4; 119 A. 15; 124 A. 35; 180 A. 2; 297 A. 18 319 A. 29 95 A. 31; 95 A. 32 82 A. 29 29 A. 70

460 23.3.1 23.3.9 pr. 23.3.12.2 23.3.16 23.3.20 23.3.24 23.3.25 23.3.33 23.3.34 23.3.43.1 23.3.46 pr. 23.3.48.1 23.3.49 23.3.50.1 23.3.52 23.3.59.2 23.3.69.7 23.3.78.1 23.3.78.5 23.3.79 pr. 23.3.80 23.3.81 23.3.82 23.3.85 23.4.7

23.4.14 23.4.17 23.4.23 23.4.26.4 23.4.29.1 23.5.14.1 24.1.1 24.1.3 24.1.5 24.1.3.12 24.1.5.2 24.1.5.4 24.1.5.6 24.1.5.7 24.1.6

Quellenverzeichnis 88 A. 3 187 A. 35; 193 A. 20 272 A. 115 89 A. 9 304 A. 16 296 A. 10 57 A. 8 140 A. 22 398 A. 44; 430 A. 197 140 A. 22 396 A. 33 186 A. 34; 222 A. 82; 223 A. 85 48 A. 43 276 A. 133 89 A. 9 140 A. 22; 186 A. 34 89 A. 9 186 A. 34 230 A. 102 192 A. 17 373 A. 82 186 A. 34; 245 A. 31 186 A. 34 186 A. 34 186 A. 34; 411 A. 107 und 110; 412 A. 112, 114 und 116 418 A. 134 418 A. 133 186 A. 34 296 A. 10 186 A. 34 186 A. 34 151 A. 62 151 A. 62 151 A. 62 148 A. 54 149 f. 149 A. 55 140 A. 22; 153 A. 70 140 A. 22; 153 A. 70 153 A. 73

24.1.7 24.1.7.1 24.1.7.4 24.1.7.7

150 A. 62 150 A. 60; 155 A. 75 151; 297 A. 21 26 A. 56; 41 A. 3; 55 A. 24; 58 A. 15; 150 ff.; 157; 180 A. 7; 297 A. 21 24.1.21 pr. 26 A. 56; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 15; 154 ff.; 180 A. 7; 297 A. 23 24.1.28.3 147 A. 51 24.1.29 pr. 147 A. 51 24.1.31.8 155 A. 75 24.1.31.9 155 A. 75 24.1.31.10 155 A. 75 24.1.32.1 90 A. 12; 92 A. 19; 94 A. 29 24.1.32.3 90 A. 12; 94 A. 29 24.1.32.3 ff. 90 A. 13 24.1.32.4 158 A. 86 24.1.32.5 81 A. 23; 90 ff.; 98 ff. 24.1.39 148 A. 54 24.1.44 146 A. 46 24.1.50 pr. 26 A. 56; 41 A. 4; 55 A. 24; 58 A. 15; 113 A. 25; 144 ff.; 151 A. 63; 152 mit A. 69; 180 A. 3; 297 A. 21 24.1.50.1 147 f. mit A. 52; 151 24.1.52.1 45 A. 27 24.3.2 pr. 296 A. 10 24.3.3 411 A. 107 24.3.4 186 A. 34 24.3.22.1 296 A. 10 24.3.22.9 330 A. 3 24.3.24.4 334 A. 25 24.3.29.1 296 A. 10 24.3.41 231 A. 102 24.3.49.1 89 A. 9 25.1.5.2 296 A. 10 25.3.5.16 423 A. 164 25.5.1.2 395 A. 29 26.5.6 398 A. 40; 431 A. 202 26.7.1.2 342 A. 24; 343 A. 28 26.7.5.4 204 A. 14

Quellenverzeichnis 26.7.7.5 26.7.8 26.7.9.1 26.7.9.2 26.7.9.3 26.7.9.4 26.7.9.5 26.7.9.7 26.7.13.2 26.7.16 26.7.18.1 26.7.25 26.7.38 pr. 26.7.38.2 26.7.42 26.7.46.7 26.7.51 26.7.55.1 26.7.59 26.8.1 pr. 26.8.5.3 26.8.7 pr. 26.8.9.2 26.8.22 27.1.24 27.1.45.1 27.2.4 27.3.1 pr. 27.3.1.3 27.3.1.13 27.3.1.14 27.3.1.18 27.3.5 27.3.10 27.3.15 27.3.20 pr. 27.3.20.1 27.3.21

205 A. 14 187 A. 37 184 A. 20 205 A. 16; 208 A. 29 205 A. 14; 206 A. 20 205 A. 14; 206 A. 20 109 A. 2; 206 A. 20 206 A. 20 172 A. 26 187 A. 37; 225 A. 91 85 A. 43 266 A. 98 427 A. 193 70 A. 15; 251 A. 47; 265 A. 96 69 A. 9 29 A. 69; 178 A. 53 86 A. 45 238 A. 7 206 A. 20 211 A. 39; 212 A. 43 f. 212 A. 44 211 A. 39; 212 A. 43; 225 A. 91 44 A. 21; 177 A. 49; 241 A. 15; 243 A. 25; 245 A. 29 211 A. 40 296 A. 10 207 A. 27 109 A. 2; 176 A. 46 208 A. 28 208 A. 28 69 A. 9; 73 A. 27 69 A. 9; 70 A. 15; 251 A. 47; 265 A. 96 69 A. 9 205 A. 14 205 A. 18 237 A. 1; 238 A. 5 427 A. 193 266 A. 98 69 A. 9; 70 A. 15; 71 A. 20; 72 A. 24; 73 A. 25

27.3.23 27.4.1 pr. 27.4.1.4 27.4.1.5 27.4.1.6 27.4.3.2 27.5.1.5 27.6.7.2 27.6.11 27.7.7 28.1.6 pr. 28.3.6.2 28.5.5 28.5.23.3 28.5.29 28.5.47 28.6.32 28.7.22 28.7.28 28.8.5.1 29.2.25.11 29.2.30.2 29.2.91 29.5.27 30.8.1 30.34.7 30.41.2 30.45 pr. 30.45.1 30.49.4 30.57 30.69.2 30.82 pr. 30.82.2–5 30.82.6 30.84.11 30.104 pr. 30.104.1 30.104.7 30.108.1

461 272 A. 114 264 A. 96 263 A. 93 264 A. 96 264 A. 96 109 A. 2; 176 A. 46 205 A. 14 250 A. 43 250 A. 43 232 A. 105; 233 A. 109; 234 A. 117; 260 A. 83 33 A. 85 193 A. 19 304 A. 15 292 A. 37 30 A. 72 114 A. 32 und 34; 115 A. 38 224 A. 87 427 A. 193 304 A. 15; 306 A. 19; 333 A. 18 und 20 292 A. 37 411 A. 107 193 A. 19 379 A. 98 397 A. 40; 430 A. 199 237 A. 3 53 A. 17 52 A. 14 53 A. 15 f. 268 A. 104 445 A. 27 49 A. 45; 90 ff.; 98 ff. 186 A. 34 52 A. 10; 223 A. 85; 241 A. 16; 268 A. 104; 446 A. 29 53 A. 17 54 A. 21 54 A. 21 224 A. 87 222 A. 82; 223 A. 85 223 A. 85 29 A. 70; 54 A. 18

462 31.66.1 31.66.2 31.67.8 31.70 pr. 31.77.8 32.11.21 32.11.22 32.21.1 32.31 32.33.1 32.33.2

32.41.1 32.63 32.102.2 33.1.21.3 33.2.3 33.2.5 33.2.12 33.4.1.3 33.4.5 33.4.17.1 33.8.16 pr. 34.2.13 34.2.19.20 34.3.3.3 34.3.3.5 34.3.5 pr. 34.3.5.2 34.3.8 pr. 34.3.11 34.3.22 34.3.25 34.3.28.1 34.3.28.6 34.3.31.4 34.8.3.2 35.1.2

Quellenverzeichnis 52 A. 10 und 12; 53 A. 15; 54 A. 21 54 A. 21 95 A. 32 427 A. 193 95 A. 32 109 A. 4 109 A. 4 52 A. 10 352 A. 16 90 A. 12; 157 A. 82 26 A. 56; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 14; 81 A. 23; 146 A. 46; 156 ff.; 180 A. 7; 297 A. 20 186 A. 34 223 A. 85 53 A. 17 47 A. 39 333 A. 22 304 A. 16 29 A. 70 159 A. 93 159 A. 93 158 A. 91 193 A. 20; 200 A. 44 157 A. 82 193 A. 19 271 A. 110 109 A. 4; 445 A. 27; 446 A. 30 271 A. 110 125 A. 42 und 45; 201 A. 47; 271 A. 110 109 A. 4 111 A. 17; 445 A. 27 272 A. 114 274 A. 124 271 A. 111 45 A. 27 45 A. 27 52 A. 15 333 A. 20

35.1.11.1 35.1.19 35.1.33 pr. 35.1.71.3 35.2.32 pr. 35.3.4.2 35.3.4.3 36.1.67 pr. 36.3.11 36.4.5.21 37.4.12.1 37.6.4 37.6.6 37.7.1.1 37.12.1.2 38.1.6 38.1.8 pr. 38.1.8.1 38.1.9.1 38.1.1 38.1.10 pr. 38.1.10.1 38.1.12 38.1.22 pr. 38.1.23 pr. 38.1.24 38.1.37.4 38.1.44 38.2.50.6 38.4.1.7 38.4.4 38.5.1.19 38.6.7.1 38.8.2 38.10.4.2 39.1.1.5 39.1.2 39.2.13.1 39.3.2.5 39.3.11.1 39.4.16.4

333 A. 20 319 A. 29 424 A. 171 186 A. 34 304 A. 14 182 A. 16 181 A. 14; 292 A. 37; 293 A. 40 397 A. 40 395 A. 29 395 A. 28 32 A. 85 186 A. 34 174 A. 34; 186 A. 34; 192 A. 17 225 A. 91 193 A. 19 334 A. 27 331 A. 11 335 A. 30 296 A. 10; 334 ff. 336 A. 32 331 A. 11; 336 A. 32 335 A. 30 335 A. 30 331 A. 12; 336 A. 32 45 A. 27 331 A. 11 24 A. 43; 48 A. 40 335 A. 30 272 A. 114 384 A. 105 384 A. 105 140 A. 22 424 A. 168 424 A. 168 425 A. 176 397 A. 40 404 A. 77; 431 A. 206 193 A. 19 219 A. 69 237 A. 1 397 A. 40

Quellenverzeichnis 39.5.10 39.5.14 39.5.17 39.5.19.2 39.5.19.3 39.5.19.4 39.5.21 pr. 39.5.25 39.5.31.1 39.5.33.3 39.5.34 pr. 39.5.35.2 39.6.33 39.6.41 40.4.18 pr. 40.7.9.3 40.7.39.5 40.10.3 40.15.1.4 41.1.1 pr. 41.1.3 pr. 41.1.3.1 41.1.7.7 41.1.13 pr. 41.1.13.1 41.1.32 41.1.36 41.1.65.2 41.2.18 pr. 41.3.33.6 41.3.35 41.3.46 41.4.2.4 41.4.2.8 41.4.2.9 41.5.2.1

139 A. 20 140 A. 22 135 A. 1 139; 384 A. 106; 401 A. 61; 431 A. 204 140 A. 22; 193 A. 19 47 A. 39 135 A. 2 139 A. 19; 241 A. 13 und 19; 242 f. 140 A. 22; 135 A. 2 140 A. 22 140 A. 22 246 A. 36 174 A. 34; 187 A. 39; 333 A. 18 und 20 223 A. 85 241 A. 16; 243 A. 26; 244 A. 27; 245 A. 32 f. 187 A. 39; 193 A. 20; 306 A. 19; 332 f. 397 A. 40 417 A. 128 423 A. 163 und 165 423 A. 163 und 165; 424 A. 168 33 A. 85 423 A. 163 und 165; 424 A. 168 396 A. 34 396 A. 34 27 A. 57; 396 A. 33 139 A. 20 352 A. 16 386 A. 112 411 A. 107 223 A. 85 57 A. 8 419 A. 145 402 A. 68 402 A. 68 425 A. 176

42.1.4 pr. 42.1.4.3 42.1.4.4 42.1.4.7 42.1.12 42.1.15.5 42.1.19 42.1.20 42.1.41 pr. 42.1.51.1

463

342 A. 22 46 A. 29 46 A. 29 42 f.; 353 A. 19 265 A. 96 419 A. 144 419 A. 145 125 A. 43 135 A. 2 59 A. 20; 252 A. 51; 253 A. 55; 272 A. 116 42.4.3.5 343 A. 31 42.4.5.1 343 A. 29 42.4.5.2 395 A. 29 42.4.5.3 395 A. 29 42.4.7.10 343 A. 28 42.4.15 57 A. 7 42.5.5 343 A. 28 42.5.7 111 A. 17; 304 A. 14 42.5.9.4 101 A. 49 42.5.35 395 A. 28 42.7.1.2 292 A. 37 42.8.1.2 271 A. 110 f. 42.8.6.7 174 A. 36 42.8.25.2 186 A. 34 43.4.1 pr. 252 A. 51 43.4.1.5 252 A. 51; 253 A. 55 43.4.1.8 252 A. 51 43.5.3.11–14 252 A. 50 43.5.3.15 252 A. 50 f. 43.16.1.15 411 A. 107 43.16.1.27 424 A. 170 43.18.2 33 A. 88; 425 A. 176 43.24.15 pr. 398 A. 44 43.24.7.7 402 A. 67 43.24.11.10 419 A. 145 43.24.11.12 419 A. 145 43.25.1.4 404 A. 77 43.33.1.1 419 A. 145 44.1.23 373 A. 83 44.2.11.7 341 A. 18; 343 A. 28 44.4.2.4 373 A. 86

464 44.4.4.4 44.4.4.26 44.4.4.31 44.4.5.3 44.4.5.4 44.4.6 44.4.7 pr. 44.4.8 44.4.9 44.4.16 44.4.17 44.7.1.9 44.7.1.12 44.7.3 pr. 44.7.5 pr. 44.7.5.3 44.7.11 44.7.17 44.7.19 44.7.24 pr. 44.7.24.1 44.7.24.2 44.7.25.1 44.7.39 44.7.44.4 44.7.44.6 44.7.55 45.1.1.2 45.1.2 pr. 45.1.2.5 45.1.4 pr. 45.1.4.1 45.1.14 45.1.15 45.1.16 pr. 45.1.38 pr. 45.1.38.2 45.1.38.13 45.1.38.14

Quellenverzeichnis 211 A. 38 175 A. 41 f. 57 A. 7 31 A. 74 135 A. 2 161 A. 1 272 A. 114 157 A. 83 342 A. 22 175 A. 41 52 A. 10 423 A. 163 424 A. 170 43 A. 13; 445 A. 27 115 A. 37; 344 A. 32 51 A. 5 395 A. 30 52 A. 12; 268 A. 103 53 A. 17; 55 A. 24 245 A. 30 245 A. 30 245 A. 30 445 A. 27 113 A. 27 271 A. 112; 320 A. 36 315 A. 10 139 A. 20 425 A. 176 295 A. 3; 325 A. 59 65 A. 45; 307 A. 24 307 A. 24 307 A. 24; 311 A. 36 und 38 314 A. 7 322 A. 46 53 A. 16; 54 A. 21 301 A. 9; 308 f.; 312 A. 42; 319 A. 28 312 A. 42 309 A. 29; 310 f.; 319 A. 28; 327 A. 65 307 A. 24; 310 A. 32; 327 A. 65

45.1.38.15 45.1.38.17 45.1.38.20 45.1.38.21

327 A. 65 321; 395 A. 30; 445 A. 27 321 mit A. 38; 445 A. 27 317 A. 25; 320 ff.; 445 A. 27 45.1.38.22 445 A. 27 45.1.38.23 445 A. 27 45.1.45.1 304 A. 14 45.1.45.3 304 A. 14 45.1.46.1 305 A. 17 45.1.49 pr. 326 A. 62 45.1.49.1 325 f. 45.1.49.2 65 A. 45; 295 A. 3; 307 A. 24 45.1.50 309 A. 28 45.1.50 pr. 295 A. 3 45.1.54.1 45 A. 25 und 27 45.1.56.7 48 A. 41; 340 A. 16 45.1.62 396 A. 33 45.1.72 pr. 314 A. 5; 317 A. 25; 325 A. 57; 332 A. 14 45.1.75.6 203 A. 8 45.1.75.7 314 A. 5; 322 A. 44; 325 A. 57 und 59 45.1.81 pr. 301 A. 9; 309 A. 28; 312 A. 42 45.1.82 pr. 52 A. 14 45.1.83 pr. 295 A. 3; 301 A. 9; 307 A. 24; 309 A. 28; 310 A. 33; 312 A. 42 45.1.83.3 311 A. 37 45.1.83.5 33 A. 88; 425 A. 176 45.1.83.6 52 A. 10; 54 A. 18; 268 A. 104 45.1.85.3 307 A. 24 45.1.91.3 59 A. 17 45.1.91.4 326 A. 62 45.1.97.1 198 A. 38; 199 A. 40; 445 A. 27; 446 A. 30 45.1.98 pr. 53 A. 15 45.1.108 pr. 186 A. 34 45.1.113 295 A. 3 45.1.116 45 A. 27

Quellenverzeichnis 45.1.118.2 45.1.121.3 45.1.126.2 45.1.131 pr. 45.1.133 45.1.137.2 45.1.137.3 45.1.140 pr. 45.1.141.5 45.2.2 45.2.3.1 45.2.5 45.2.16 45.3.1 pr. 45.3.38 46.1.3 46.1.8.2 46.1.8.3 46.1.8.5 46.1.8.7 46.1.8.8 46.1.8.9 46.1.8.10 46.1.10.2 46.1.12 46.1.13

46.1.14 46.1.15.1 46.1.16 pr. 46.1.16.1 46.1.17 46.1.18 46.1.19 46.1.20 46.1.21.2 46.1.21.5

445 A. 27 310 A. 30 187 A. 36; 395 A. 30 307 A. 24 307 A. 24; 327 A. 66 322 A. 46 314 A. 3; 322 A. 42 und 46 52 A. 15 271 A. 112; 272 A. 115; 320 A. 36 45 A. 27; 237 A. 4 237 A. 1 und 3 333 f. 34 336 A. 32 336 A. 32 66 A. 47 191 A. 13 272 A. 114 335 A. 31 418 A. 140; 419 A. 142 418 A. 136; 419 A. 143 418 A. 136 418 A. 136 114 A. 32 und 34; 232 A. 105; 234 A. 117 201 A. 46 73 A. 26; 254 A. 60 f. und 64; 256 A. 69; 259 A. 82; 260 A. 83 f. 223 A. 85 272 A. 114 397 A. 40 418 A. 136 69 A. 8; 71 A. 19; 73 A. 26; 227 A. 93 24 A. 43; 48 A. 40 182 A. 17; 228 A. 95; 229 A. 96 182 A. 17; 208 A. 30; 228 A. 95 201 A. 45 und 47 112 A. 17; 208 A. 30

46.1.26 46.1.28 46.1.30 46.1.31

46.1.34 46.1.35 46.1.36 46.1.39 46.1.41.1 46.1.44 46.1.45 46.1.49 pr. 46.1.49.1

46.1.50 46.1.51.1

46.1.56.1 46.1.56.2 46.1.60 46.1.64 46.1.65 46.1.66 46.1.69

46.1.70 pr. 46.1.70.3 46.1.70.4 46.1.70.5 46.1.71 pr.

465 218 A. 62 218 A. 63 37; 39; 431 A. 202 26 A. 56; 41 A. 2; 42 A. 8; 48 A. 45; 58 A. 14; 116 A. 43; 119 A. 12; 123 f.; 180 A. 7; 232 A. 105; 234 A. 117; 236 f. mit A. 122; 297 A. 15 227 A. 93; 418 A. 136 und 139 196 A. 29 69 A. 5 und 7 f.; 71 A. 21; 72 A. 24; 73 A. 25 69 A. 8 69 A. 8; 260 A. 83 315 A. 10 111 A. 17 252 A. 51 182 A. 17; 220 A. 70 und 72; 227 A. 93; 269; 272 A. 116 47 A. 39 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 15; 180 A. 8; 186 A. 32; 217 ff.; 222; 224 ff.; 279; 297 A. 16 115 A. 40 245 A. 30 271 A. 111 f. 112 A. 17 301 A. 9 202 A. 6; 227 A. 93 26 A. 56; 41 A. 2; 48 A. 45; 51 A. 6; 58 A. 14; 180 A. 7; 184 A. 20; 186 A. 32; 203 ff.; 216 f.; 225; 234 f.; 266 f.; 272 A. 116; 278; 284; 297 A. 15 418 A. 138 115 A. 40 33 A. 85 427 A. 193 48 A. 42; 254 A. 60 und 62

466 46.1.72 46.2.1.1 46.2.3 46.2.7 46.2.8.4 46.2.8.5

46.2.12 46.2.13 46.2.14 46.2.19 46.2.26 46.2.31.1 46.2.33 46.2.34 46.2.34 pr. 46.3.1 46.3.2 46.3.3 46.3.4 46.3.5 46.3.5.1

46.3.7 46.3.7.2 46.3.8 46.3.10 46.3.12 pr. 46.3.12.2 46.3.12.3 46.3.12.4 46.3.14.8 46.3.15 46.3.17 46.3.18 46.3.19 46.3.20

Quellenverzeichnis 34 191 A. 13 418 A. 131 255 A. 67 216 A. 60 29 A. 65; 32; 34; 49 A. 46; 340 A. 16; 376 ff.; 383; 392 A. 17; 431 A. 202; 435 69 A. 8; 276 A. 133; 364 A. 54 364 A. 54 319 A. 29 364 f. A. 54 216 A. 60 48 A. 41 135 A. 2 34 411 A. 109 179 A. 1 179 A. 1 179 A. 1 179 A. 1 179 A. 1 26 A. 56; 41 A. 2; 58 A. 14; 180 A. 3; 222 A. 79; 224 A. 88 179 A. 1 343 A. 29 179 A. 1 194 A. 23 31 A. 74 365 A. 54 195 A. 26 31 A. 74 177 A. 49; 241 A. 15; 243 A. 25 f. und 29 175 A. 42; 211 A. 38 109 A. 3; 176 A. 46; 239 ff.; 260; 281; 284; 446 A. 29 365 A. 54 187 A. 37 57 A. 10; 241 A. 16; 268 A. 104

46.3.22 46.3.23

46.3.24 46.3.25 46.3.27 46.3.31

46.3.32 46.3.34.2 46.3.34.3 46.3.34.4 46.3.34.6 46.3.34.11 46.3.35 46.3.36 46.3.37

46.3.38.1 46.3.38.2

46.3.38.4 46.3.40

46.3.43 46.3.45 pr.

396 A. 33; 412 A. 114; 431 A. 202 24 A. 50; 26 A. 56; 27; 30 mit A. 71 f.; 34 A. 92; 39 A. 118; 41 A. 1; 48 A. 41 und 45; 49 A. 46; 58 A. 14; 59 A. 16; 61 A. 28; 180 A. 6; 181 A. 9; 340 ff.; 349; 366; 369 A. 71; 377 A. 97; 393 A. 20; 397 A. 40; 431 A. 202; 435; 436 f.; 443 202 A. 6 182 A. 17 268 A. 104; 276 A. 132 26 A. 56; 59 A. 16; 65 A. 45; 180 A. 6; 298; 305 A. 19; 313 ff.; 328 ff.; 330; 331 ff. 187 A. 37 271 A. 112; 320 A. 36 31 A. 75 31 A. 75 296 A. 10 182 A. 17; 237 A. 1; 272 A. 114 31 A. 75; 296 A. 10 222 A. 82 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 15; 180 A. 4 und 8; 218 A. 67; 220 A. 73; 221 ff.; 279; 284; 293 mit A. 42; 297 A. 15; 368 A. 66 148 A. 54; 272 A. 115; 365 A. 54 181 A. 11; 182 A. 15; 202 A. 6; 213 A. 49; 288 A. 24; 292 A. 39 326 A. 62 24 A. 50; 26 A. 56; 39 A. 118; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 14 f.; 62 A. 29; 180 A. 7; 297 A. 15; 395 ff. 202 A. 6 57 A. 7

Quellenverzeichnis 46.3.46 pr. 46.3.46.1 46.3.46.2 46.3.48 46.3.49 46.3.50 46.3.52 46.3.53

46.3.54 46.3.56 46.3.58 46.3.59

46.3.60 46.3.61 46.3.66 46.3.71.1 46.3.72.1 46.3.72.2 46.3.72.5 46.3.73 46.3.76 46.3.78

46.3.80 46.3.82 46.3.83.3 46.3.87

57 A. 8; 58 A. 10 57 A. 7; 58 A. 10 57 A. 7 48 A. 43 31 A. 74; 44; 47 A. 37; 162 A. 1 242 A. 21 47 A. 37 20 A. 26; 24 A. 50; 26 A. 56; 27 f.; 34 A. 92; 35 ff.; 41; 48 A. 45; 58 A. 14; 59 A. 16; 61 A. 28; 139 A. 21; 177 A. 47; 180 A. 7; 181 A. 9; 296; 340; 349; 366 f.; 368; 387 ff.; 436 ff. 43; 45 A. 26; 353 A. 19 109 A. 3; 174 f. 31 A. 74 24 A. 47; 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 180 A. 8; 193 ff.; 196 A. 29; 198; 201; 213; 273 A. 116; 278; 297 A. 20 57 A. 7; 245 A. 29 246 A. 36; 267 ff.; 446 A. 28 24 A. 43; 175 A. 42; 211 A. 38 206 A. 23; 227 A. 93 48 A. 41; 59 A. 17 25 A. 54; 26 A. 56; 59 A. 15 und 17; 180 A. 8; 297 268 A. 104 47 A. 38 69 A. 5 und 9; 71 A. 20 und 22; 73 A. 25; 237 A. 1 44 A. 21; 241 A. 14; 242 A. 20; 243 A. 26; 245 A. 33 und 35; 398 A. 44; 430 A. 197 45 A. 27 186 A. 34 268 A. 104 109 A. 1; 120 A. 18; 164 ff.; 173; 174 A. 32; 234

467

A. 118; 338 A. 5; 339 A. 10 46.3.89.2 179 A. 1 46.3.91 27 A. 59; 45 A. 27; 49 A. 47; 119 A. 12; 345 ff.; 350 ff.; 393; 394 A. 23; 399 A. 53; 421; 426; 434 ff.; 436 ff.; 440; 443 46.3.94 pr. 44 A. 21; 241 A. 15; 242 A. 21 46.3.94.2 208 A. 30; 245 A. 29 und 33 46.3.94.3 109 A. 1 46.3.95.1 326 A. 62 46.3.95.3–12 263 A. 94 46.3.95.5 268 A. 103 46.3.95.8 181 A. 14; 270 A. 109 46.3.95.10 24 A. 49; 71 A. 22; 209; 250 A. 43; 254 mit A. 60; 255 A. 66 bis 68; 256 A. 70; 257 A. 75 und 77; 258 A. 78; 259 A. 81 f.; 427 A. 193; 262 ff.; 272 A. 116; 278 46.3.95.11 262 A. 90 46.3.96 pr. 24 A. 43 46.3.96.1 109 A. 2; 178 A. 53 46.3.96.4 45 A. 27 46.3.97 179 A. 1 46.3.98 pr. 57 A. 9; 184 A. 22; 187 A. 35; 268 A. 104 46.3.98.5 57 A. 9 46.3.98.6 57 A. 8 f.; 296 A. 11; 320 A. 36 46.3.101 pr. 182 A. 17 46.3.101.1 47 A. 38; 179 A. 1 46.3.103 179 A. 1 46.3.107 45 A. 27; 47 A. 37; 428 A. 194; 446 A. 29 46.4.6 45 A. 27 350 A. 7; 351 A. 12; 366 46.4.8.2 A. 57 46.4.8.4 191 A. 13 46.4.19 pr. 272 A. 115

468 46.4.21 46.4.22 46.4.13.10 46.4.16 46.4.16 pr. 46.6.12 46.7.6.4 46.7.7 46.7.10 46.7.19 pr. 46.7.19.1 46.8.16 pr. 46.8.18 46.8.22 pr. 46.8.22.6 47.1.1 pr. 47.2.1.3 47.2.48.3 47.2.48.4 47.2.52.11 47.2.52.16 47.2.81.5 47.2.81.7

Quellenverzeichnis

45 A. 27 34 373 A. 81; 374 ff.; 378; 383 319 A. 29 354 A. 26 70 A. 16 193 A. 19 342 A. 24 342 A. 24 309 A. 30; 310 A. 34 310 A. 30 und 34 169 A. 22 307 A. 24; 311 A. 36 169 A. 22 311 A. 36 335 A. 31 424 A. 170 29 A. 70 398 A. 44 225 A. 91 109 A. 3; 241 A. 13 und 19 100 A. 48; 169 A. 22 32 A. 84; 119 A. 14; 164 A. 4; 167 A. 10; 170 A. 25; 171 A. 26; 174 A. 33 47.4.1.1 425 A. 177 47.10.19 385 A. 110 47.12.6 419 A. 144 47.12.7 402 A. 67 47.22.3.2 398 A. 40 47.2.52.16 176 A. 46 47.5.1.3 191 A. 13 47.6.5 200 A. 44 47.10.36 223 A. 85 48.7.4.1 251 A. 44 48.9.1 398 A. 47 48.15.6.2 398 A. 44 48.19.20 335 A. 31 48.19.34.1 379 A. 98 48.20.7 pr. 423 A. 164 und 166; 424 A. 168 49.14.18.10 275 A. 129 f.; 277 A. 134 49.14.20 275 A. 131

49.14.21 49.14.45.9 49.14.50 49.15.12.8 49.15.12.12

274 ff. 84 A. 39; 237 A. 1 209 A. 31; 419 A. 145 416 A. 127; 417 A. 128 103 A. 59; 104 A. 63 und 69 49.15.12.13 187 A. 38 49.17.15.3 427 A. 193 49.17.18.5 343 A. 28 50.8.2.8 70 A. 15; 73 A. 27 50.8.2.9 70 A. 15; 73 A. 27; 86 A. 48 50.8.2.10 86 A. 48 50.15.5 pr. 69 A. 10; 70 A. 15; 71 A. 20; 72 A. 24; 73 A. 25; 84 A. 39 50.16.47 43 50.16.69 311 A. 38 50.16.79 pr. 119 A. 15 50.16.79.1 398 A. 40 50.16.123 45 A. 27 50.16.175 330 A. 4 50.16.176 47 A. 37; 65 A. 45; 296 A. 11 50.16.189 295 A. 3 50.16.244 352 A. 16 50.16.246 pr. 350 A. 7; 351 A. 12; 366 A. 57 50.17.1 407 A. 89 50.17.26 29 A. 70; 398 A. 40 50.17.35 45 A. 27 50.17.45 pr. 52 A. 14 50.17.54 241 A. 14 50.17.57 252 A. 50 50.17.60 111 A. 15; 113 A. 24; 235 A. 120; 356 A. 30 50.17.69 384 50.17.73.4 412 A. 115 50.17.85.2 423 A. 164 50.17.86 419 A. 145 50.17.87 419 A. 145 50.17.126.2 419 A. 145 50.17.133 410 ff.

Quellenverzeichnis 50.17.134.1 50.17.175.1 50.17.176 50.17.180

419 A. 145 419 A. 145 44 31 A. 74; 48 A. 40; 175 f.

Codex 2.2.2 2.3.3 2.3.26 2.4.14 2.5.1 2.17.1 2.18.3

2.18.11 2.18.12

2.18.13 2.18.15

2.18.16

2.18.18 2.18.24

2.27.3 3.31.5 3.32.2.1 3.32.3 3.33.7 3.44.2 4.2.4

423 A. 164 411 A. 107; 412 A. 114 88 A. 4 427 A. 193 274 A. 124 59 A. 18 26 A. 56; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 14 f.; 81 A. 23; 100 A. 49; 105 A. 71; 117 A. 2; 180 A. 7; 297 A. 16 138 f.; 140; 141 A. 24 26 A. 56; 41 A. 2; 58 A. 15; 117 A. 2; 136 ff.; 180 A. 4 und 7; 297 A. 16 139 A. 18 26 A. 56; 41 A. 5; 58 A. 15; 117 A. 2; 130 A. 64; 139 A. 18; 180 A. 7; 297 A. 22 26 A. 56; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 15; 109 A. 3; 117 A. 2; 176 A. 46; 177 f.; 180 A. 4 und 7; 291 A. 31; 297 A. 23 105 A. 70; 124 A. 35 77 A. 16; 127 A. 52; 129 A. 57; 339 A. 9; 361 A. 43; 365 A. 55; 432 A. 208; 443 A. 21 187 A. 37 181 A. 13; 182 A. 15; 292 A. 39 140 A. 22 398 A. 41; 430 A. 197 403 A. 75 398 A. 41; 430 A. 198 187 A. 36

4.5.6

4.10.1 4.10.7 4.10.14 4.12.1 4.18.1 4.18.2.1 4.18.3 4.28.3 4.29.1.

4.29.4.1

4.29.9

4.30.10 4.31.2 4.31.4 4.31.11

4.34.8 4.35.2 4.35.6 4.35.10 4.35.14 4.35.18 4.39.3 4.39.8 4.40.14 pr. 4.40.14.1 4 50.6 pr. 4.50.6.1 4.65.13 5.12.1

469 26 A. 56; 41 A. 2; 48 A. 45; 55 A. 25; 77 A. 14; 171 A. 26; 180 A. 7 f.; 193 A. 20 74 A. 1 62 A. 33 88 A. 5 29 A. 68; 33 A. 86 198 A. 38 261 A. 88; 364 A. 51 233 A. 109; 260 A. 83 209 A. 31 26 A. 56; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 14; 142 A. 29 f.; 180 A. 7; 297 A. 16 26 A. 56; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 14; 142 A. 29; 180 A. 7; 297 A. 16 26 A. 56; 41 A. 2; 48 A. 45; 58 A. 14; 142 A. 29; 180 A. 7; 182 A. 17; 229 A. 98; 297 A. 15 423 A. 164 269 A. 108 48 A. 43 26 A. 56; 41 A. 2 und 4; 48 A. 45; 58 A. 15; 180 A. 7; 297 A. 23 244 A. 27 111 A. 17 111 A. 15 und 17 111 A. 16; 256 A. 71 57 A. 7 256 A. 71 78 A. 16; 398 A. 41; 431 A. 203 82 A. 30 70 A. 13 70 A. 13 146 A. 42; 152 A. 68 146 A. 42; 152 A. 68; 297 A. 21 69 A. 10 89 A. 9

470 5.13.1 5.16.6 5.16.9 5.16.11 5.16.12 5.17.8.3 5.34.8 5.43.8 5.51.4 pr. 5.52.2.3 5.54.1 5.54.3 5.58.1

5.58.2 6.26.2 6.30.16 6.37.3 6.37.10 6.37.13 6.42.6 6.51.1.3a 6.51.1.9b 6.51.1.9c 7.32.12. 7.45.8 7.56.1 7.65.3 7.73.3

7.73.7 8.13.6 8.13.14 8.13.22

8.15.8 8.17.1

Quellenverzeichnis 146 A. 44 140 A. 22 146 A. 42; 152 A. 68; 180 A. 4; 297 A. 21 155 A. 75 91 A. 17 398 A. 44 206 A. 20 85 A. 44 427 A. 193 69 A. 9; 70 A. 16 85 A. 44 205 A. 18 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 59 A. 15; 69 A. 5; 71 A. 22; 72 A. 24; 84 ff.; 180 A. 7; 237 A. 1; 297 A. 17 69 A. 9; 73 A. 27; 85 A. 44 427 A. 193 139 A. 20 94 A. 28 95 A. 32 52 A. 14 95 A. 31 423 A. 164 306 A. 19 306 A. 19 2411 A. 108 57 A. 7 343 A. 29 424 A. 171 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 58 A. 14; 83 f.; 87; 180 A. 7; 297 A. 22 84 A. 37 f. 104 A. 66 88 A. 5 26 A. 56; 59 A. 15; 103 A. 59; 105 A. 70; 180 A. 2; 297 A. 18 398 A. 44 26 A. 56; 41 A. 2; 49 A. 45; 59 A. 15; 103 A. 58;

8.17.5 8.17.8 8.18.2 8.25.3 8.31.2 8.37.13

8.37.13.1 8.37.13.2 8.37.15 8.37.15 pr. 8.37.15.1 8.38.3 pr. 8.40.2 8.40.11.1 8.40.14.1 8.40.19 8.40.21 8.40.28 8.40.28 pr. 8.40.28.1 8.40.28.3 8.41.1 8.42.1 8.42.3 8.42.5

8.42.12 8.42.16 8.42.17

104 A. 63; 180 A. 2; 297 A. 18 104 A. 63 103 A. 57 84 A. 37 398 A. 41; 430 A. 199 88 A. 4 61 A. 26; 66 A. 47; 298 ff.; 305 mit A. 19; 306; 312; 317; 318; 319; 324; 328 ff.; 330 26 A. 56; 41 A. 7; 180 A. 5; 304; 306 317 A. 22; 329 A. 1; 330 302 ff.; 305 mit A. 19; 306; 317; 318; 324 300 A. 5; 306; 317 A. 22 307 A. 25 395 A. 30 69 A. 7; 75 A. 5 69 A. 7; 71 A. 22; 75 A. 5 69 A. 5 und 7; 72 A. 24; 75 A. 5 254 A. 59 69 A. 7; 75 A. 5 237 A. 4 202 A. 5 202 A. 5 202 A. 5 78 A. 16; 398 A. 41; 431 A. 203 179 A. 1 31 A. 74 26 A. 56; 27; 30 mit A. 71; 41 A. 1; 58 A. 14; 59 A. 15; 61 A. 28; 62 A. 33; 78 ff.; 82; 84; 87; 99; 180 A. 8; 181 A. 9 30 A. 73; 398 A. 41 57 A. 7 26 A. 56; 27; 30 A. 71; 41 A. 1; 49 A. 45; 56 A. 5; 57 A. 7; 58 A. 14; 61 A. 28; 62 f.; 180 A. 7; 181 A. 9

Quellenverzeichnis 8.42.24 8.43.2 8.44.4 8.51.1 8.52.1 8.53.10 9.1.14 11.48.17 12.5.4.4

Constitutio Deo auctore

57 A. 7 135 A. 1 57 A. 7; 58 A. 10 398 A. 41 427 A. 193 398 A. 41 423 A. 164 398 A. 44 398 A. 44

7 8 f. 9 10

306 306 127 306

A. A. A. A.

20; 319 A. 33 21 53; 306 A. 22 20

Constitutio Tanta 10 14 14 f.

Constitutio Imperatoriam 6

471

62 A. 29

306 A. 20 f. 127 A. 53; 306 A. 22 306 A. 21

C. Byzantinische Rechtsquellen Basilicorum Scholia

Basilica 9.3.49.1 14.1.29.6 17.2.3 17.2.12 26.5.31 44.3.33

252 228 101 138 317 158

A. A. A. A. A. A.

51 95 49 15 20; 319 A. 30 89

3 ad 17.2.12 33 ad 14.1.29

141 A. 24 228 A. 95

D. Inschriften usw. Lex Iulia munic.

CIL

Z. 15

IV 3340 XLIX

385; 442 A. 13

Mancipatio Pompeiana (FIRA III Nr. 91) III 16 ff.

104 A. 66

26 A. 55; 41 A. 3; 180 A. 8; 297 A. 20

472

Quellenverzeichnis

E. Nichtjuristische Quellen Macrobius

Cicero de leg 2.10.51 de leg 2.20.53 ad fam 1.9.9 top 8.37

441 441 442 139

A. A. A. A.

13 13 13 20

Festus 160 208

441 A. 13 442 A. 13

407 A. 94 417 A. 128 41 A. 13

Livius 6.11.2–12.1 6.14.1–20.16 6.14.3–5 6.14.5 6.20.6

26 A. 55

Seneca benef benef benef benef

2.18.5 2.18.7 2.18.8 2.19.2

383 384 384 383 104

A. A. A. A.

102 104 104 103; 384 A.

Varro

Gellius 1.13 20.1.45 20.1.46

Sat 2.4.23

441 A. 13 441 A. 13 26 A. 55; 297 A. 17; 441 A. 13 49 A. 48 26 A. 55

de re rust 2.2.5 de re rust 2.3.5

308 A. 27 308 A. 27