Affectionis Aestimatio: Vom Ursprung Des Affektionsinteresses Im Romischen Recht Und Seiner Rezeption 9783428137565, 9783428537563, 9783428837564, 3428137566

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Affectionis Aestimatio: Vom Ursprung Des Affektionsinteresses Im Romischen Recht Und Seiner Rezeption
 9783428137565, 9783428537563, 9783428837564, 3428137566

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einführung
I. Gegenstand der Arbeit
II. Die affectio in den Quellen – Beispiele für die besondere Zuneigung
III. Stand der Forschung
IV. Gang der Untersuchung
Erster Teil: Hermeneutische Fragestellung: Die Suche nach dem Ersatz des Affektionsinteresses in den römisch-rechtlichen Quellen
§ 1 Das autonome Verstehen vergangenen Rechts
§ 2 Der Grundsatz der Geldverurteilung und seine Überwindung
§ 3 Die affectio im Strudel des Interessebegriffs
Zweiter Teil: Die Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio
§ 1 Grundlagen
§ 2 Actiones arbitrariae
I. Vindicatio in servitutem und rei vindicatio
1. Die Vorschläge zur sedes materiae
2. Servus artifex und mediastinus
3. Die (servi) delicati
4. Die juristische Bewertung dieser Beziehung
5. Nochmals zur sedis materiae
6. Die Haftung im Freiheitsprozess
7. Herkunft der condemnatio pecuniaria
8. Begründung des Ausschlusses der affectio im Allgemeinen
9. Begründung der Lösung im Besonderen
10. Ergebnis
11. Exkurs Venul. D. 46,8,8,2 (15 stipul.)
II. Klagen nach der lex Falcidia
III. Actio Fabiana
1. Ulpian D. 38,5,1,15 (44 ad ed.) als Ausgangsquelle
2. Beispiele für affectio
3. Die Lösung des Falles durch Ulpian
4. Widerspruch zu Javolen D. 38,2,36 (8 epist.)?
5. Exkurs: Weitere Beispiele für affectio
6. Synopse von Ulpian D. 38,5,1,15 und Javolen D. 38,2,36 und Ergebnis
IV. Interdictum quod vi aut clam
V. Gesamtergebnis zu den actiones arbitrariae
§ 3 Gemischte Strafklagen
I. Actio legis Aquiliae
1. Der schadensrechtliche Ausgangspunkt Paulus D. 9,2,33pr. (2 ad Plaut.)
2. Paulus D. 35,2,63pr. als Parallelfall?
3. Nähere Betrachtung der Beispiele für affectio
4. Übertragung des Pedius-Gedanken aus D. 35,2,63pr. auf das Schadensrecht in D. 9,2,33pr. durch Paulus?
5. Die Begründung für den Ausschluss der affectio
6. Ergebnis
II. Actio servi corrupti utilis
III. Ergebnis zu den gemischten Strafklagen
§ 4 Iudicia bonae fidei
I. Actio mandati
1. Die Voraussetzungen
2. Der erste Fall: nullum mandatum
3. Der zweite Fall: ut manumitteretur
4. affectus ratione agi
5. Der dritte Fall
II. Kaufpactum
1. Die Voraussetzungen
2. Papinians Lösung
3. Parallele zu Papinian D. 18,7,6
4. Die Abwandlung in Pap. D. 18,7,7
5. Zusammenfassung des Gedankens Papinians
6. Alternative Lösung – begünstigende Klausel als Ausgangspunkt
7. Die rechtliche Konstruktion
8. Die Rolle des beneficium in der Lösung Papinians
9. Das Verhältnis von D. 18,7,6,1 (27 quaest.) und D. 17,1,54pr. (27 quaest.)
10. Ergebnis
III. Weitere Belege im Rahmen von bonae fidei iudicia
IV. Gesamtergebnis zu den bonae fidei iudicia
§ 5 Strenge Klagen
I. Stipulatio duplae
II. Das Interesse am Unterbleiben der Eviktion nach Paulus
III. Die paterna affectio
IV. Ergebnis
§ 6 Besondere Verfahren
I. Klagen nach dem Edikt ne quis eum qui in ius vocabitur vi eximat
II. In integrum restitutio als prätorischer Rechtsbehelf
1. In integrum restitutio bei Übervorteilung des minor
2. Übervorteilung bei einer Versteigerung?
3. Bedeutung der affectio
4. Ergebnis
§ 7 Nachklassische Entwicklungen bis und unter Justinian
§ 8 Ergebnisse zu den Fällen des klassischen Rechts
Dritter Teil: Die Bedeutung der affectio für die Selbstschätzung durch den Kläger: iusiurandum in litem und seine Wirkungsgeschichte
§ 1 Der Schätzungseid im klassischen Recht
I. Einführung
II. Litis aestimatio
III. Modifikation der Schätzung – Straffunktion als Grund für die Selbstschätzung
IV. Folgen der Verurteilung – Quasikauf als Begründung für die Selbstschätzung
V. Anwendung und Inhalt des Schätzungseids – Schätzung über den Marktwert?
VI. Ergebnis
§ 2 Der Bedeutungswandel der Selbstschätzung
I. Die nachklassische und weitere Entwicklung
II. Die Entwicklung im kanonischen Recht und die moraltheologische Restitutionslehre
III. Das Vernunftrecht und die Naturrechtsgesetzbücher
§ 3 Ergebnis
Schlussbetrachtung
Thesen zur Arbeit
Literaturverzeichnis
Quellenregister
Antike
I. Juristische Quellen
1. Vorjustinianisch-römisches Recht
a) Gai Institutiones
b) Justinian, Constitutio Dedoken
c) Lex XII Tabularum
d) Pauli sententiae
e) Ulpiani epitome
2. Justinianisch-römisches Recht
a) Codex Iustinianus
b) Institutiones
c) Digesta
d) Novellae Iustiniani
3. Weltliches und kirchliches Recht
II. Literarische Quellen
Mittelalter
Stichwortverzeichnis

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Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Band 58

Affectionis aestimatio Vom Ursprung des Affektionsinteresses im römischen Recht und seiner Rezeption

Von

Martin Kindler

Duncker & Humblot · Berlin

MARTIN KINDLER

Affectionis aestimatio

Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Herausgegeben von Prof. Dr. Martin Schermaier, Bonn Prof. Dr. Reiner Schulze, Münster Prof. Dr. Elmar Wadle, Saarbrücken Prof. Dr. Reinhard Zimmermann, Hamburg

Band 58

Affectionis aestimatio Vom Ursprung des Affektionsinteresses im römischen Recht und seiner Rezeption

Von

Martin Kindler

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany

©

ISSN 0937-3365 ISBN 978-3-428-13756-5 (Print) ISBN 978-3-428-53756-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-83756-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2011 von der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn als Dissertation angenommen. Bis zu diesem Zeitpunkt fand auch die Literatur Beachtung. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Martin J. Schermaier, der mir neben hilfreichen Ratschlägen für diese Arbeit auch die Möglichkeit gab, als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bonner Institut für Römisches Recht und Vergleichende Rechtsgeschichte tätig zu sein. Herrn PD Dr. Jakob F. Stagl danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens und seine wertvollen Hinweise. Außerdem gilt mein Dank den Herausgebern der Schriftenreihe für die Aufnahme der Arbeit in die „Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte“. Weiterhin möchte ich meinen Kollegen am Bonner Institut für die angenehme und freundliche Arbeitsatmosphäre danken, besonders Katharina Stypulkowski und Kathrin Annika Wiesche für die Mithilfe bei der Erstellung der Register. Außerdem bedanke ich mich bei meinen Eltern. Sie haben mich während des Studiums und der Promotionszeit immer unterstützt. Von ganzem Herzen möchte ich schließlich Julia Zeisler dafür danken, dass sie die Arbeit in Höhen und Tiefen mitgetragen hat. Köln, im September 2012

Martin Kindler

Inhaltsverzeichnis Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Gegenstand der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Die affectio in den Quellen – Beispiele für die besondere Zuneigung . . 13 III. Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Erster Teil Hermeneutische Fragestellung: Die Suche nach dem Ersatz des Affektionsinteresses in den römisch-rechtlichen Quellen § 1 Das autonome Verstehen vergangenen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 § 2 Der Grundsatz der Geldverurteilung und seine Überwindung  . . . . . . . 24 § 3 Die affectio im Strudel des Interessebegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Zweiter Teil Die Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio § 1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 § 2 Actiones arbitrariae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I. Vindicatio in servitutem und rei vindicatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34   1. Die Vorschläge zur sedes materiae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35   2. Servus artifex und mediastinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37   3. Die (servi) delicati . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40   4. Die juristische Bewertung dieser Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42   5. Nochmals zur sedis materiae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44   6. Die Haftung im Freiheitsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46   7. Herkunft der condemnatio pecuniaria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47   8. Begründung des Ausschlusses der affectio im Allgemeinen . . . . . . 48   9. Begründung der Lösung im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 10. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 11. Exkurs: Venonius D. 46,8,8,2 (15 stipul.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 II. Klagen nach der lex Falcidia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 III. Actio Fabiana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

8 Inhaltsverzeichnis 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Ulpian D. 38,5,1,15 (44 ad ed.) als Ausgangsquelle . . . . . . . . . . . . 54 Beispiele für affectio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Die Lösung des Falles durch Ulpian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Widerspruch zu Javolen D. 38,2,36 (8 epist.)? . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Exkurs: Weitere Beispiele für affectio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Synopse von Ulpian D. 38,5,1,15 und Javolen D. 38,2,36 und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 IV. Interdictum quod vi aut clam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 V. Gesamtergebnis zu den actiones arbitrariae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 § 3 Gemischte Strafklagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Actio legis Aquiliae  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Der schadensrechtliche Ausgangspunkt Paulus D. 9,2,33pr. (2 ad Plaut.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Paulus D. 35,2,63pr. als Parallelfall?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3. Nähere Betrachtung der Beispiele für affectio . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4. Übertragung des Pedius-Gedanken aus D. 35,2,63pr. auf das Schadensrecht in D. 9,2,33pr. durch Paulus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 5. Die Begründung für den Ausschluss der affectio . . . . . . . . . . . . . . . 89 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 II. Actio servi corrupti utilis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 III. Ergebnis zu den gemischten Strafklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 § 4 Iudicia bonae fidei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Actio mandati . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Die Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Der erste Fall: nullum mandatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Der zweite Fall: ut manumitteretur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4. Affectus ratione agi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5. Der dritte Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Kaufpactum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112   1. Die Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113   2. Papinians Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114   3. Parallele zu Papinian D. 18,7,6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116   4. Die Abwandlung in Papinian D. 18,7,7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121   5. Zusammenfassung des Gedankens Papinians . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123   6. Alternative Lösung – begünstigende Klausel als Ausgangspunkt . . 124   7. Die rechtliche Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128   8. Die Rolle des beneficium in der Lösung Papinians . . . . . . . . . . . . . 129   9. Das Verhältnis von D. 18,7,6,1 (27 quaest.) und D. 17,1,54pr. (27 quaest.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 10. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 III. Weitere Belege im Rahmen von bonae fidei iudicia . . . . . . . . . . . . . . . 133 IV. Gesamtergebnis zu den bonae fidei iudicia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Inhaltsverzeichnis9 § 5 Strenge Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Stipulatio duplae  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 II. Das Interesse am Unterbleiben der Eviktion nach Paulus . . . . . . . . . . . 138 III. Die paterna affectio  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 § 6 Besondere Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 I. Klagen nach dem Edikt ne quis eum qui in ius vocabitur vi eximat . . 143 II. In integrum restitutio als prätorischer Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. In integrum restitutio bei Übervorteilung des minor . . . . . . . . . . . . 147 2. Übervorteilung bei einer Versteigerung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Bedeutung der affectio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 § 7 Nachklassische Entwicklungen bis und unter Justinian . . . . . . . . . . . . . . 153 § 8 Ergebnisse zu den Fällen des klassischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Dritter Teil Die Bedeutung der affectio für die Selbstschätzung durch den Kläger: iusiurandum in litem und seine Wirkungsgeschichte § 1 Der Schätzungseid im klassischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 II. Litis aestimatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 III. Modifikation der Schätzung – Straffunktion als Grund für die Selbstschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 IV. Folgen der Verurteilung – Quasikauf als Begründung für die Selbstschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 V. Anwendung und Inhalt des Schätzungseids – Schätzung über den Marktwert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 § 2 Der Bedeutungswandel der Selbstschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 I. Die nachklassische und weitere Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 II. Die Entwicklung im kanonischen Recht und die moraltheologische Restitutionslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 III. Das Vernunftrecht und die Naturrechtsgesetzbücher . . . . . . . . . . . . . . . . 187 § 3 Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Schlussbetrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Thesen zur Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Quellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

Einführung I. Gegenstand der Arbeit „Also das Vermögen ist das einzige Gut, welches das Civilrecht zu schützen hat? Alle andern Güter sind werthlose Dinge, um die der Richter sich nicht zu kümmern braucht, der Richter kennt nur die Interessen des Geldbeutels – wo der Geldbeutel aufhört, hört für ihn auch das Recht auf?“1

Zu diesem Ausruf ließ sich Jhering im Jahr 1880 hinreißen, als er in seinem „Rechtsgutachten, betreffend die Gäubahn“ der Frage nachging, ob eine Forderung einen Vermögenswert besitzen und der Richter nur solche Interessen schützen muss, die einen ökonomischen Wert haben. In dem Aufsatz sammelte er eine immense Anzahl von Quellen, die für ihn den Beleg darstellten, die Frage verneinen zu können. Auch die vorliegende Untersuchung widmet sich einem Aspekt aus diesem Problemfeld: Es geht ihr um die Berücksichtigung und die juristische Bedeutung rein subjektiver Wertschätzungen einer Sache, die über die allgemeine Wertschätzung hinausgehen, das heißt über das, was sich am Markt bei der Veräußerung der Sache erlösen ließe. Diese Art der Wertschätzung findet ihre Gründe in „bloß zufälligen Eigenschaften oder Verhältnissen einer Sache, die derselben in der Meinung ihres Besitzers einen Vorzug vor allen anderen Sachen gleicher Art beylegen“2. Die rein subjektive Beziehung zum Wert einer Sache wird auch als Liebhaberwert, Wert der besonderen Vorliebe oder Gefühlswert beschrieben, den eine Sache für den Berechtigten hat und der sich daher gerade nicht in ihrem Vermögenswert erschöpft.3 1  Jhering,

Jherings Jahrbücher 18 (1880), S. 44. die Definition im Preußischen ALR I 2 § 115. Ähnliche Definitionen finden sich auch in weiteren Gesetzen: z. B. Art. 74 des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern von 1860 / 1864: „Dagegen ist auf den Werth, welchen der Beschädigte nach seiner persönlichen Vorliebe dem Gegenstande beylegt (Affektionswerth), keine Rücksicht zu nehmen.“ 3  Siehe für das geltende Recht B. Mugdan, Die gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch II, Neudruck Frankfurt / Main 2005, S. 12 (Motive); a. a. O. S. 515 (Protokolle); vgl. z. B. auch MünchKomm  /  Oetker, 5. Auflage, München 2007, § 253 Rn. 9; Staudinger  /  Schiemann, Buch 2, Neubearbeitung Berlin 2004, § 253 Rn. 14; LG Hamburg, NJW-RR 2000, S. 653; E. Schmidt, Das Schuldverhältnis: eine systematische Darstellung des allgemeinen Schuldrechts, Heidelberg 2004, Rn. 355; J.  Esser / E.  Schmidt, Schuldrecht I8, Heidelberg 2000, § 30 II 3a; H. Stoll, Haftungsfolgen im bürgerlichen Recht: eine Darstellung auf rechtsvergleichender 2  So

12 Einführung

Zwar ist die Diskussion, ob der Inhalt eines Schuldverhältnisses einen Vermögenswert besitzen muss und also das Affektionsinteresse Gegenstand einer Obligation sein kann, im modernen Recht überwunden.4 Regelungen aber, die sich in anderem Zusammenhang mit dem Gefühlswert beschäftigen, finden sich z. B. im ABGB von 1811 in § 1331: Wird jemand an seinem Vermögen vorsätzlich oder durch auffallende Sorglosigkeit eines anderen beschädigt, so ist er auch den entgangenen Gewinn, und wenn der Schaden vermittelst einer durch ein Strafgesetz verbotenen Handlung oder aus Mutwillen und Schadenfreude verursacht worden ist, den Wert der besonderen Vorliebe zu fordern berechtigt.5

Im modernen Recht handelt es sich bei dem Gefühlswert um ein immaterielles Rechtsgut, welches – anders als vermögenswerte Rechtsgüter – nur in besonderen Fällen geschützt wird. So bestimmt z. B. § 253 Abs. 1 BGB, dass Geldersatz für einen immateriellen Schaden nur in gesetzlich geregelten Fällen gewährt wird. Den Untersuchungsgegenstand der Arbeit nennen wir heute Affektionsinteresse und diskutieren vornehmlich dessen Ersatz im Rahmen vertraglicher und deliktischer Haftung. Dabei gilt das Dogma, dass bloße Affektionsinteressen im Allgemeinen nicht als ersatzfähige Einbußen gelten.6 Der Grundstein für dieses Dogma liegt am Ende einer fast 2.000-jährigen Entwicklung. Gelegt wurde er in der Pandektistik, als man zu einer generellen Ablehnung des Affektionsinteresseersatzes zurückfand. Der Steinbruch selbst ist so alt wie das römische Recht, dem diese Arbeit in ihrem Schwerpunkt gewidmet ist. Unbeantwortet lassen wir die Frage, inwieweit die Rechtspraxis heute dem Dogma der Nichtberücksichtigung von Affektionen tatsächlich Folge leistet.7 Auf Ebene der Gesetzgebung sei auf § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB verwiesen. Grundlage, Heidelberg 1993, Rn. 247; E. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht2, Köln 1996, Rn. 835. Zum schwachen Schutz des Affektionsinteresses durch die europäischen Rechtsordnungen vgl. auch C. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, München 1999, Rn. 3. 4  Vgl. z. B. noch F. C. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts I, Berlin 1840, S. 339 f.; G. Puchta, Pandekten10, Leipzig 1866, S. 338; dazu auch HKK / Jansen, §§ 249–253 Rn. 38. 5  In der Rechtswirklichkeit läuft die Norm indes fast völlig leer, es findet sich kaum eine veröffentlichte Entscheidung, die das Affektionsinteresse zugesprochen hat, vgl. M. Schwimann, Praxiskommentar zum ABGB, Band 72, Wien 1997, § 1331 Rn. 3. 6  Vgl. die Nachweise in Fn. 3. 7  Siehe zu modernrechtlichen Fragestellungen z.  B. noch E.  Deutsch / H.-J.  Ahrens, Deliktsrecht: unerlaubte Handlungen, Schadensersatz, Schmerzensgeld4, Köln 2002, § 34; auch Oetker, NJW 1985, S. 345 ff.; S. Meder, Schadensersatz als Enttäuschungsverarbeitung: zur erkenntnistheoretischen Grundlegung eines modernen Schadensbegriffs, Berlin 1989, I. 3. b); zur „Liebhaberei“ im Steuerrecht siehe z. B.

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Nur angedeutet werden soll hier z. B. die Kfz-Rechtsprechung zum Integritätszuschlag in Höhe von 30% über dem Verkehrswert. Dieser Zuschlag wird dem Geschädigten im Falle einer Reparatur zugesprochen, weil nur durch die Wiederherstellung des ihm vertrauten Fahrzeugs regelmäßig dessen Inte­ gritätsinteresse zu befriedigen sei.8 Anfügen wollen wir noch den „Modellbootfall“9, in dem der BGH für den Grenzfall zwischen materiellem und immateriellem Interesse einen Marktwert eines in viel investierter Freizeit selbst gebastelten Modellboots angenommen hatte, der weit hinter dem Affektionsinteresse des Geschädigten zurückblieb. Dabei erschienen dem Gericht „Bastlerglück und Bastlerstolz“10 nicht ersatzfähig. Schließlich sei auf eine aktuelle Entscheidung des LAG Baden-Württemberg11 verwiesen, das sich wegen eines Wertfestsetzungsbeschlusses mit der Bewertung eines Anspruchs auf Reduzierung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG beschäftigt und damit in neuester Zeit ein Beispiel aufgreift, das bereits Jhering12 bei seiner Argumentation vorgebracht hatte. Abschließend führt das Gericht noch aus, dass auch bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten Affektionsinteressen bei der Bewertung gemäß § 3 ZPO herangezogen werden könnten, wenn gerade diese Anlass für den Rechtsstreit seien und diesem seinen Sinn verliehen.13

II. Die affectio in den Quellen – Beispiele für die besondere Zuneigung Die affectio begegnet uns in den römischen Rechtsquellen bei Sachverhalten oder besser bei Klagen, in denen der Wert, den die Sache nur für den Kläger hat, in Rede steht. Ausgehend von der zwingenden Differenzierung zwischen Wort und Begriff14 finden wir Texte, die ausdrücklich zur Beschreibung des Begriffs des Liebhaberwertes das Wort affectio benutzen.15 Weber-Grellet, DStR 1992, S. 561 ff. und 602 ff.; W.  Blümich / B.  Heuermann, Kommentar zum EStG103, München 2009, § 15 Rn. 36 ff. 8  Z. B. BGH, NJW 2005, S. 1108 ff. 9  BGHZ 92, S. 85 ff. 10  Medicus, JZ 1985, S. 42. 11  JurBüro 2008, S. 250. 12  Oben Fn. 1, S. 101 f. 13  Mit Verweis auf BGH, FamRZ 1991, S. 547 f. Die Bedeutung von § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO haben wir oben schon angerissen. 14  Vgl. dazu nur M. Bierwisch, Semantische und konzeptuelle Repräsentation lexikalischer Einheiten, in R. Ruzicka / W. Motsch (Hrsg.), Untersuchungen zur Semantik, Berlin 1983, S. 61 ff. 15  Diese Bedeutung findet sich nämlich sehr wohl in den Quellen, methodisch ist lediglich festzuhalten, dass wir nicht immer mit dem Wort rechnen dürfen, wenn auch der Begriff zum Ausdruck kommen soll.

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Der Ausdruck affectio findet sich dabei aber in vielen für die Untersuchung unbrauchbaren Fällen, wenn er in keinem Zusammenhang mit einer Wertschätzung im technischen Sinne steht, sondern als Umschreibung bloßer zwischenmenschlicher Zuneigung z. B. als paterna affectio, affectio maritalis bei erbrechtlichen oder familienrechtlichen Fragestellungen dient.16 Es geht der Arbeit nicht um die Verfolgung eines Ausdrucks in den römischen Quellen. Diese Herangehensweise ist allein wegen der fehlenden terminologischen Durchbildung des klassischen römischen Rechts verfehlt. Zugleich bedeutete sie einen unüberwindbaren Anachronismus bei der Arbeit an und Auslegung der auf uns gekommenen Quellen. Insofern darf nicht übersehen werden, dass uns weit über anderthalb Jahrtausende von den klassischen Juristen und ihren Rechtsansichten trennen, in denen ihre Gedanken nicht nur rezipiert, sondern auch weiterentwickelt wurden. Geht es also sehr weit weniger um die Verwendung des Ausdrucks affectio, muss die Lösung eines bestimmten Rechtsproblems in den Vordergrund treten. Dessen Identität (oder Kongruenz) mit der heute so bezeichneten Figur und die der Problemlösung eröffnen dem Betrachter einen unmittelbaren Zugang zum vergangenen Recht.17 Nicht der Terminus bestimmt damit den Ausgangspunkt der Untersuchung, sondern die Frage, inwieweit und warum der Gefühlswert des Klägers juristische Beachtung findet.18 Schon einleitend soll festgehalten werden, dass die Worte affectio und affectus in ganz anderem begrifflichen Zusammenhang von der Schule der Stoa verwendet werden. Entscheidend für die Frage, in welcher Bedeutung uns das Wort in den Rechtstexten gegenübertritt, ist, dass im stoischen Begriffssinne zumeist affectus als Synonym für voluntas und als Gegensatz zu ratio auftaucht.19 So ist es einfach, die Texte, in denen sich der philosophi16  Z. B. Ulp. D. 1,7,17,1: sanctissima affectione ducti adoptarent; Ulp. D. 3,5,3,9: nam si affectione coactus; Paul. D. 4,2,8,3: pro affectu parentes; Ulp. D. 11,7,14,7: misericordiae vel pietati tribuens vel affectioni; Ulp. D. 12,3,4pr.: tantam affectionem pupillo suo vel adulescenti tutores vel curatores praestare volunt; Ulp. D. 17,1,10,7: affectionem amicalem; Ulp. D. 24,1,3,1: affectione uxoris; Paul. D. 24,1,28,2: inter coniunctos maximo affectu; Ulp. D. 24,1,32,13: maritalis affectio; Pap. D. 26,2,28: si legata filii non affectione propria, sed in honorem patris meruerunt; Scaev. D. 32,39pr.: affectionem tuam circa eos; und noch der „Liebesbrief“, von dem wir bei Scaevola lesen, D. 44,7,61,1: Seia, cum salarium constituere vellet, ita epistulam emisit: „lucio titio salutem. si in eodem animo et eadem affectione circa me es, quo semper fuisti, ex continenti acceptis litteris meis distracta re tua veni hoc.“. 17  Vgl. Wieacker, Notizen zur rechtshistorischen Hermeneutik, Göttingen 1963, S. 96. 18  Diese Unterscheidung ist ganz essenziell für die korrekte methodische Annäherung an die zu behandelnde Fragestellung. Sie wurde in der Vergangenheit nicht immer ausreichend beachtet, vgl. z. B. unten Fn. 47. 19  Z. B. Ulp. D. 21,1,17,3: Item apud vivianum relatum est fugitivum fere ab affectu animi intellegendum esse, non utique a fuga; Paul. D. 44,7,34pr.: iniuria enim

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sche Begriff manifestiert, für unsere Fragestellung auszuscheiden. Für die Untersuchung können also nach diesen Maßgaben diejenigen Texte ausgewählt werden, die wir im zweiten Abschnitt näher betrachten werden. Auch den nichtjuristischen Quellen sind unzählige Belege für eine affectio (bzw. einen affectus) zu entnehmen, die vornehmlich den erwähnten philosophischen Zusammenhang und damit nicht unseren Untersuchungsgegenstand behandeln. Eine reine Wortanalyse bringt demgemäß keine belastbaren Ergebnisse. Vielversprechender erscheint ein Suchfeld, mit dem die literarischen Quellen nach Hinweisen auf eine besondere Schätzungsmethode hin untersucht werden. Dazu bietet es sich an, mittels der Bibliotheca Teubneriana Latina nach Belegen für die Verwendung von aestima* re* oder preti* re* oder aestima* actor* zu suchen. Das Ergebnis der Durchsicht der Quellen soll hier vorweggenommen werden: Es finden sich keine Belege für die Berücksichtigung der affectio als Maßstab für das rechtliche Interesse in den nichtjuristischen Quellen. Zwar handelt Cicero in seiner „Kornrede“ gegen Verres20 von der willkürlichen und betrügerischen Verwechslung von tatsächlichem lokalen Markt- und abstraktem Schätzpreis, wobei der Schätzpreis dabei auch allgemein bestimmt ist. Über eine besondere subjektive Wertschätzung indes sagt der Redner nichts. Eher in der Bedeutung von „allgemeiner Geldbuße“21 begegnet uns commumen litium aestimationem ebenfalls in der Verres-Rede.22 Direkt Bezug auf die richterliche Schätzung nimmt Cicero in der Rede für Tullius23: Iudicium vestrum est, recuperatores, Qvantae pecvniae paret dolo malo familiae P. Fabi vi hominibvs armatis coactisve damnvm datvm esse M. Tvllio. eius rei taxationem nos fecimus; aestimatio vestra est; iudicium datum est in quadruplum. Es ist Euer Urteil, Richter, in welcher Höhe dem M. Tullius gewaltsam durch das dolose Verhalten der Familie des P. Fabius, durch bewaffnete und zusammengerottete Leute, ein Schaden zugefügt wurde. Wir haben den Schaden festgestellt. Die Schätzung ist an Euch. Das Urteil geht auf das Vierfache [des Geschätzten]. ex affectu fit; Ulp. D. 47,10,3,1: cum enim iniuria ex affectu facientis consistat. Bei Gai. 2,50: furtum enim sine affectu furandi non committitur. Siehe zur stoischen ἡ πάθη und dem affectus die hervorragende Arbeit von Cloud, SZ 123 (2006), S. 19 ff. Für unsere Fragestellung erweist sich eine nähere Untersuchung einzig zur Abgrenzung und zur Auswahl der einschlägigen vorzustellenden Texte als angebracht. Siehe auch Aulus Gellius Noctes Atticae I, 26, 11: Nam sicut aliorum omnium, quos Latini philosophi „affectus“ vel „affectiones“, Graeci πάθη appellant, ita huius quoque motus animi, qui, cum est ulciscendi causa saevior, „ira“ dicitur, non privationem esse utilem censuit, quam Graeci στέρησις dicunt, sed mediocritatem, quam μετριότης illi appellant. Vgl. zu affectio und affectus auch noch bei Fn. 334. 20  Cic. in Verrem, II, 3, 189. Vgl. dazu auch Pennitz, S. 210 f. 21  Vgl. dazu Georges8, Handwörterbuch, Eintrag aestimatio. 22  Cic. in Verrem II, 2, 45; auch Cic. in Verrem I, 13, 38. 23  Cic. pro M. Tullius, 7.

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Zwar werden hier taxatio und aestimatio miteinander vermengt, obschon taxatio eigentlich die richterliche Begrenzung der klägerischen Schätzung meint.24 Doch wird klar, dass der Richter den Schaden zu schätzen hat. Auch hier spricht nichts dafür, eine subjektive Abschätzung durch den Kläger zu vermuten. In dieselbe Richtung weisen die Ausführungen Ciceros in der Rede für Cluentius Habitus, in denen von der Festsetzung von Strafsummen die Rede ist.25 Auch in den zivilrechtlichen Prozessreden Ciceros finden sich keine weiteren Belege. Einzig im Schadensersatzprozess pro Quinto Roscio Comodeo klingt eine Berechnungsmethode an, wenn auf die besondere Ausbildung des getöteten Sklaven hingewiesen wird.26 Wir werden später noch auf ähnliche „Wertsteigerungen“ eingehen. Schließlich sind auch die Werke der übrigen Redner, wie z.  B. die Controversiae Senecas des Älteren oder die Deklamationen Quintilians, nicht ergiebig. Im Zusammenhang mit der Rhetorausbildung finden wir zwar die technische Verwendung von litis aestimatio, jedoch keine weiteren verwertbaren Hinweise für unsere Fragestellung.27 Wenngleich sich in den rhetorischen Quellen keine ausdrücklichen juristischen Belege für die affectio finden lassen, so soll doch ein bekanntes Motiv dieser Kunst hier Erwähnung finden. Es handelt sich um die dreizehnte der größeren Deklamationen Quintilians.28 Darin klagt ein pauper gegen einen divis mit der actio legis Aquiliae. Dem Reichen nämlich missfielen die Bienen, deren Stock der Arme bewirtschaftete und welche auf dem Grundstück des Reichen Blütennektar sammelten. Er brachte daher – so behauptet es der Arme – auf seinen eigenen Pflanzen Gift auf, das die Bienen zu sich nahmen und verendeten. Die Tat sei deswegen so niederträchtig, der Verlust der Bienen deswegen so schwerwiegend, weil der Arme sie als Beschäftigung im Alter sozusagen großgezogen habe, circumspicienti, quod conveniret opus inva24  Dazu

ausführlicher bei Fn. 733. Cic. pro. A. Cluentio, par. 116. Auch in den zivilrechtlichen Prozessreden Ciceros finden sich keine weiteren Belege. Einzig im Schadensersatzprozess pro Quinto Roscio Comodeo (par. 28) klingt eine Berechnungsmethode an, wenn auf die besondere Ausbildung des getöteten Sklaven hingewiesen wird. 26  Par. 28: Quid erat enim Fanni? Corpus. Quid Rosci? Disciplina. Facies non erat, ars erat pretiosa. Ex qua parte erat Fanni, non erat, ex qua parte erat Rosci, amplius erat; nemo enim illum ex trunco corporis spectabat sed ex artificio comico aestimabat; nam illa membra merere per se non amplius poterant duodecim aeris, disciplina quae erat ab hoc tradita locabat se non minus. 27  Z. B. als späteres Zeugnis (Ende 4. Jh.) Iulius Victor, Ars rhetorica, S. 10: … sicut etiam de aestimatione litis aut de modo poenae constituendo iis … Vgl. zum Autor nur Reuter, Hermes 28 (1893), S. 73 ff. Bei Quintilian findet sich dabei gar kein Beleg, siehe aber sogleich im Text. 28  Eine tiefer gehende Darstellung dieser Deklamation ist indes einer anderer Stelle vorbehalten. 25  Z. B.

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lidae senectutis curae, succurrebat sequi pecora, fetuque placidi gregis paupertatem tueri.29 Mit den verendeten Tieren habe der Arme daher seinen gesamten Lebensinhalt, seine gesamte Freude verloren, non flosculos perdidi, nec caduca folia proximo lapsura vento; suffugium tenuitatis meae, solacium senectutis amisi; numquam me alias pauperem putavi.30 Zudem verherrlicht, eigentlich vergöttlicht der Arme seine Bienen sogar, um seinen Verlust zu unterstreichen, quid credas aliud quam divinae partem mentis his animis inesse … quid non divinum habent, nisi quod moriuntur.31 Auch wenn der Redner die affectio nicht ausdrücklich anspricht, verwendet er doch den besonderen Bezug des Geschädigten zu „seinen“ Bienen, um die Klagerede zu untermalen und den Fall zu dramatisieren. Soll der Richter den Schaden schätzen, werden ihm auf diese Weise, wenn auch keine handgreiflichen, so doch subtile Eckmaße einer Wertbestimmung geliefert.32 Als Beispiele für die affectio ziehen die römischen Juristen bestimmte, häufig wiederkehrende Fälle heran. In den Quellen begegnet uns das Beispiel des servus filius naturalis oder des servus delicatus.33 Daneben treffen wir sepulcra parentium, ein Grundstück actoris illic educati oder eine res maiorum.34 Die Glossatoren erweitern die vorgefundenen Beispiele der Affektion: So findet sich bei Baldus35 ein liber bene apostillatus manu mea propria. Entscheidend ist dabei, dass das Buch von seinem (klagenden) Eigentümer durchgearbeitet wurde und in erster Linie oder sogar ausschließlich dieser den Nutzen aus den Notizen und Verweisen ziehen kann.36 Heute würden wir vielleicht an für uns wertvolle Notizen oder Skizzen denken. Später will Thomasius die Affektion weiter differenzieren, 29  Quintilian,

Decl. mai. 13, 3. 5. 31  Ebd. 17 und 18. 32  Die literarischen Motive vom Gegensatz arm zu reich und vom „Haus“-Tier sind indes wesentlich älter. Bereits im Alten Testament finden wir in Nathans Strafrede gegen David im zweiten Buch Samuel, Kapitel 12, Vers 1 die Geschichte vom Reichen und vom Armen. Der Reiche besitzt zahlreiche Herdentiere und Weideland. Der Arme hingegen kann nur ein Schaf sein Eigen nennen. Dieses lebt aber wie ein Kind mit ihm im Haushalt, so sehr kümmert er sich darum. Als der Reiche einmal Gäste empfangen will, sind ihm seine eigenen Tiere zu schade für ein Gastmahl. Daher nimmt er das Schaf des Armen und lässt es für sein Festmahl zubereiten. 33  Z. B. Paul.-Ped. D. 9,2,33pr.; Ulp. D. 7,7,6,2. 34  Z. B. Ulp. D. 38,5,1,15; Hermog. D. 4,4,35. 35  Baldus, C. 7, 47 n. 38. 36  Vgl. dazu E. Bussi, La formazione dei dogmi di diritto privato nel diritto ­comune – Diritti reali e diritti di obbligazione, Padova 1937, S. 196 f. Wir finden das Beispiel auch bei anderen Juristen, vgl. Lange, S. 28. 30  Ebd.

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indem er zwischen ersetzbarem Liebhaberwert, der sich auf ehrenhafte ambitio gründet, und einem nicht zu ersetzenden Liebhaberwert unterscheidet. Letzterer beruht auf voluptas und wird als lasterhaft angesehen.37 Als Beispiele nennt der Naturrechtler dafür einerseits das uns schon bekannte Grundstück der Vorfahren, auf das mit Stolz geblickt werden kann, andererseits führt er linteolum aliquod aut ligamentum amoris testimonium38 an. Heute diskutieren wir z. B. einen letzten Brief als besonderes Erinnerungsstück oder ein für uns einmaliges Foto; beide besitzen außer dem Materialwert des Papiers keinen weiteren (schadensrechtlich bedeutsamen) Sachwert. Der Begriff „Liebhaberwert“ darf heute nicht missverstanden werden: Es soll in unserem Zusammenhang nicht um den „Liebhaberwert“ gehen, wie er z. B. von Münzsammlern für ein seltenes Stück auf einer Münzbörse gezahlt wird. In diesem Fall ergibt sich der „Liebhaberwert“ auf dem relevanten „Liebhabermarkt“.39 Entscheidend ist dabei, dass es für das nachgefragte Gut einen Markt gibt, auf dem das Liebhaberstück auch gehandelt werden kann. Demgemäß differenzieren wir heute entlang der Trennungslinie der Marktgängigkeit von Affektionswerten. Auf der einen Seite sind diese ersatzfähig, weil handelbar, auf der anderen Seite hingegen fehlt die Tausch- und damit auch die Kompensationsfähigkeit.40 Abschließend sei angemerkt, dass mit Affektion im hier einschlägigen Sinne ausschließlich der rein subjektive, gerade nicht auf einem Markt erzielbare Wert gemeint ist.

III. Stand der Forschung Obschon das Affektionsinteresse, um an dieser Stelle den modernrecht­ lichen Begriff zu entlehnen, ein „lohnendes und mehrschichtiges Thema“ ist und an die „Grundlagen rationalen Rechtsgüterschutzes“41 rührt, ist seine Bedeutung für das römische Recht monographisch noch nicht untersucht ­ worden. Grundlegend (deutschsprachig) zum römisch-rechtlichen Interesse 37  Chr. Thomasius, Dissertatio inauguralis juridica de pretio affectionis in res fungibles non cadente, Halae Magdeburgicae 1739, cap. 1 § 25 f. 38  Wohl im Sinne eines als Liebesbeweis hingegebenen besonderen Wäschestücks. 39  Vgl. z. B. zum Sammlerwert bei einem Unikat BGHZ 92, S. 85 ff., und dazu Medicus, JZ 1985, S. 42 ff.; E. Schmidt, JuS 1985, S. 517 ff. Man bedenke, dass sich im Fall einer Versteigerung, wenn man so will, das stärkste Affektionsinteresse sogar als Marktpreis durchsetzt. 40  Köndgen, AcP 177 (1977), S. 12. Vgl. kritisch zur Marktgängigkeit als Krite­ rium H. A. Fischer, Der Schaden nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche für das Deutsche Reich, Jena 1903, S. 299 ff. 41  So die Formulierung bei Wacke, S. 565.

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(-ersatz) sind zwar die Arbeiten von Kaser42, Medicus43 und Honsell44, zur Rezeption und zur weiteren Entwicklung die Arbeiten von Lange45 und Wieling46. Doch setzen sie sich höchstens in Teilaspekten mit dem Untersuchungsgegenstand auseinander und sind bisweilen auch noch überzogen textkritisch. Genau den hier gewählten Untersuchungsgegenstand zu treffen, scheint – zumindest dem Titel seiner Dissertation nach – Störmer47. Allerdings widmet er sich nur auf knappem Raum den Aussagen der klassischen Juristen. Das Hauptaugenmerk liegt in der Verfolgung des Affektionsersatzes ab den Glossatoren über die Entstehung des BGB bis in die heutige Zeit. Aktueller geht Sicari48 auf die Probleme der Affektion ein, trifft aber nicht immer den Kern der Frage und wertet vor allem nicht alle Quellen aus. Aus der Aufsatzliteratur grundlegend (aber noch zu textkritisch) zu nennen ist Marchi49. Aus neuerer Zeit gibt es Beiträge von Raber50, Vigneron51 und ak42  M. Kaser, Quanti ea res est, Studien zur Methode der Litisästimation im klassischen römischen Recht, München 1935. 43  D. Medicus, Studien zum römischen Recht des Schadensersatzes, Köln  / Wien 1962. 44  H. Honsell, Id qoud interest im bonae-fidei-iudicium, München 1969. Für die italienische Literatur sei hier nur auf P. Voci, Risarcimento del danno e processo formulare nel diritto romano, Mailand 1939, verwiesen. Aus dem 19. Jh. ist zu erwähnen R. Cohnfeldt, Die Lehre vom Interesse nach Römischem Recht, Leipzig 1865. 45  H. Lange, Schadensersatz und Privatstrafe in der mittelalterlichen Rechtstheorie, Münster / Köln 1955. 46  H. J. Wieling, Interesse und Privatstrafe vom Mittelalter bis zum BGB, Köln / Wien 1970. 47  D. Störmer, Der Ersatz des Affektionsinteresses in geschichtlicher Entwicklung, Dissertation, Hamburg 1977, 137 Seiten. Die Arbeit ist schon deshalb fragwürdig, weil häufig nicht hinreichend genau auf den Liebhaberwert abgestellt, sondern Allgemeines zum Ersatz immaterieller Schäden gesagt wird. Zudem verfolgt Verf. einen Ausdruck durch die Rechtsquellen, mehr, als nach dem damit verbundenen recht­ lichen Problem zu fragen. 48  A. Sicari, Gli interessi non patrimoniali in Giavoleno, Studio su D. 38,2,36, Bari 2007. 49  A. Marchi, Il risarcimento del danno morale, BIDR 16 (1904), S. 206 ff. Der umfangreiche Beitrag geht dem immateriellen Schadensersatz (danno morale) im Allgemeinen nach. Dabei werden zwar viele Quellen gesammelt, doch gehen die Interpolationsvermutungen zu weit. Verf. will zudem den Kontraktsklagen Strafcharakter beimessen; zugleich gibt er aber einen guten Überblick über den Stand der älteren Literatur. Dafür sei hier nochmals auf Jhering, A. 1, verwiesen. 50  F. Raber, Zum „pretium affectionis“, in Festgabe für Arnold Herdlitczka, München / Salzburg, 1972, S. 197 ff., der nur einen Ausschnitt des Problems, nämlich das pretium affectionis, untersucht und demgemäß nicht zu allen Quellen vorstößt. 51  R. Vigneron, L’interêt d’affection en droit romain, BIDR 100 (1997), S. 193 ff. Der (vom Titel her vielversprechende) Aufsatz ist allerdings wenig ergiebig, was nicht zuletzt an der mangelnden hinreichenden Differenzierung zwischen allgemei-

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tuell von Wacke52. Ansonsten beschränken sich die Stellungnahmen innerhalb der Literatur auf einzelne Quellen, die (wenn überhaupt) nur ganz oberflächlich in den Zusammenhang gesetzt werden. Der Versuch, einen geschlossenen Überblick über die Entscheidungen der klassischen Juristen zu geben und Widersprüche dabei ohne bloße Interpolationskritik zu streichen, ist noch nicht unternommen worden. Der Ausgangspunkt der modernen Forschung lässt sich insoweit den Bemerkungen Kasers und Knütels entnehmen. Im Handbuch53 lesen wir: „Immaterielle Interessen oder ein Liebhaberwert (Affektionsinteresse) werden in der Regel nicht berücksichtigt.“ Aus dieser Aussage ist wenig Erhellendes für unsere Fragestellung gewonnen. Ausnahmefälle will Kaser nur für den Ersatz anderer immaterieller Interessen als des Affektionsinteresses anerkennen. Im Studienbuch54 wird vorsichtiger formuliert: „Eine Berücksichtigung des individuellen Liebhaberwertes ist offenbar fallweise zugelassen worden.“ Nach einer Begründung für oder gegen diese Berücksichtigung wurde in den eben angeführten Werken und Beiträgen bislang immer nur vereinzelt gefragt oder – vom Standpunkt der generellen Nichtberücksichtigung aus – anders lautendes Quellenmaterial als verdorben angesehen oder schlicht nicht aufgeführt. Wir werden daher jeweils im Zusammenhang auf die unterschiedlichen Auffassungen einzugehen haben. Eine großzügigere und umfassendere Antwort auf die Frage nach der Nichtbeachtung der Affektion findet sich hingegen z. B. bei Wacke55 mit dem Hinweis auf den Grundsatz der Geldverurteilung: Ohne ein nachweisbares Interesse könne keine actio nem immateriellen Interesse und Affektionsinteresse im Speziellen liegt. Zudem geht Verf. vom Ansatzpunkt der Untersuchung her nur Freilassungsklauseln in Sklavenkaufverträgen nach. 52  A. Wacke, Das Affektionsinteresse: heute und im römischen Recht, FS Behrends (2009), S. 555 ff. Verf. setzt einen Fokus seiner Untersuchung auch auf die neuere Entwicklung des Affektionsersatzes, spricht demgemäß nicht alle römischen Quellen an und geht nicht allen Antworten nach den „Gründen für die unterschiedliche Berücksichtigung von Affektionsinteressen (S. 560) [im klassischen römischen Recht]“ nach. 53  Kaser, RP I2, S. 491 mit A. 26. 54  Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht18, § 34 Rn. 5. Ganz eindeutig scheint es aus jüngster Zeit allerdings Kroppenberg, SZ 121 (2006), S. 631, auf den Punkt zu bringen, wenn sie ausführt, dass der Ersatz des affektiven Interesses dem römischen Recht ohnehin fremd gewesen sei. 55  Vom „Schmachgeld“ zum Schmerzensgeld und wieder zurück, in O. Depenheuer, im Auftrag des Vereins zur Förderung der Rechtswissenschaft (Hrsg.), Fakultätsspiegel Wintersemester 2006 / 2007 (Köln 2007), S. 23 f.; ergänzt in FS Wadle (2008), S. 1163 ff. In dem neueren Beitrag von 2009 taucht dieser Aspekt hingegen nicht mehr auf.

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gewährt werden und für die Verurteilung in Geld müsse das Interesse eben ein pekuniäres sein, weswegen ein reiner Liebhaberwert nicht erstattet56 werde. Damit wird Bezug genommen auf das Problem, welches auch Jhering in seinem eingangs erwähnten umfangreichen Beitrag behandelt, nämlich auf die grundlegende Frage nach dem Geldwert der Obligation.57 Ähnlich formuliert finden wir diesen Begründungsnexus wohl auch im Studienbuch58, wenn dort das „Affektionsinteresse“ im Zusammenhang mit der geldwerten Leistung behandelt wird. Allein diese grobe Antwort kann nicht begründen, warum es Quellen gibt, nach denen die Affektion auch im Rahmen der condemnatio pecuniaria sehr wohl Berücksichtigung findet.59 Zudem besagt der Grundsatz der Geldverurteilung, dass die Leistung in Geld a b s c h ä t z b a r sein muss.60 Damit dürften wir aber eher bei der Frage der Schätzungsmethode sein als bei der Frage der grundsätzlichen Nichtberücksichtigung des Gefühlswertes. Wenn die Sache für den Kläger besonders wertvoll ist, ist dies häufig auch in Geld schätzbar. Die entscheidende juristische Frage ist dann, in welchen Fällen der Kläger die lis schätzen darf. Dabei lassen sich hinter dieser „fallweisen Berücksichtigung“ der Affektion durch die römischen Juristen Gemeinsamkeiten und gewisse Regelmäßigkeiten erblicken, denen in dieser Untersuchung nachgegangen werden soll, so dass sich die Arbeit als Versuch begreift, die als „fallweise“ anerkannte Affektion in einen größeren Rahmen zu stellen und so das Verständnis dessen, was wir modernrechtlich Affektionsinteresse(-ersatz) nennen, in den klassischen Quellen und darüber hinaus zu fördern.

IV. Gang der Untersuchung Am Beginn der Arbeit soll im ersten Teil die Klärung hermeneutischer Grundfragen stehen. Das Affektionsinteresse des geltenden Zivilrechts hat nämlich – so werden wir sehen – nur in begrenztem Maße mit der affectio in den römischen Quellen zu tun. Vielmehr handelt es sich bei der Suche nach dem Affektionsinteresse in weiten Teilen um die Rückprojektion gemeinrechtlicher und moderner Vorstellungen in die antiken Texte. 56  Auch hier kommt wohl das angesprochene Problem um den „Ersatz“ zum Tragen. 57  Zu der Frage vgl. z. B. Pernice, Labeo III 1, S. 172 ff., 180 f.; Kaser, RP I2, S. 491; Raber, S. 198. 58  Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht18, § 34 Rn. 5. Parallel dazu auch Kaser, RP I2, S. 491. 59  Vgl. z. B. Pap. D. 17,1,54pr.; Paul. D. 11,3,14,1, weswegen diese Quellen freilich umso mehr dem Interpolationsverdacht ausgesetzt waren. 60  Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass dies der genaue Zusammenhang im Studienbuch (oben Fn. 54) ist.

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Dem Topos der Berücksichtigung der besonderen Vorliebe soll in zwei getrennten Richtungen nachgegangen werden. Einerseits geht es im zweiten Teil um die konkreten Fallgestaltungen in den römischen Quellen, die sich mehr oder weniger ausdrücklich mit der affectio beschäftigen. Dabei lassen wir die einschlägigen Texte zu Wort kommen und leuchten ihren Gehalt aus. Denn auf ihnen fußt die Ausbildung des modernen Begriffs des Affektionsinteresses. Andererseits ist im dritten Teil abstrakter nach der Bedeutung und der Reichweite der besonderen Wertschätzung im Rahmen der Geldverurteilung zu fragen. Dabei wird untersucht, inwieweit der Kläger seine Vorliebe über den Marktwert der Streitsache hinaus in der Urteilssumme in Anschlag bringen kann. Zu diesem Zweck betrachtet die Arbeit den Schätzungseid und fragt, ob und wie dieser möglichen individuellen Vorstellungen und Erwartungen Raum gibt. Daran schließt sich eine rezeptionsgeschichtliche Betrachtung der Selbstschätzung an, die zum Abschluss aufzeigt, dass der Wandel im Verständnis der Selbstschätzung den Grund für das Dogma des Affektionsersatzes darstellt. Damit können diejenigen Lösungen in der Rechtsgeschichte erklärt werden, die bei vorsätzlicher Schädigung eine volle Genugtuung des Geschädigten unter Einschluss seiner besonderen Wertschätzung gewähren.

Erster Teil

Hermeneutische Fragestellung: Die Suche nach dem Ersatz des Affektionsinteresses in den römisch-rechtlichen Quellen § 1  Das autonome Verstehen vergangenen Rechts Der lateinische Name „Affektionsinteresse“ legt die klassische Herkunft des Rechtsinstituts zwar nahe. Tatsächlich handelt es sich nicht um einen quellenmäßigen Ausdruck. Ohne einen fest ausgebildeten und umrissenen Interessebegriff konnte es bei den römischen Juristen kein fachsprachliches Wort „Affektionsinteresse“ geben.61 Medicus verdanken wir die Untersuchung des Vorkommens des, wie er ihn nennt, „quantitativen Interessebegriffs“ als Ausdruck eines Leistungsinhalts in den nichtjuristischen Quellen. Demnach wird interesse vor allem bei Cicero nicht in dem für uns entscheidenden Kontext gebraucht, sondern beschreibt einen Unterschied oder eine Anteilnahme.62 Einzig einen Gelliustext kann Medicus als Beleg der juristischen Verwendung anführen.63 Zu einer Komprimierung der losen Wendungen um das id quod interest hin zu einem einheitlichen Begriff des Interesses64 kommt es erst durch die Systematisierungsversuche der Glossatoren im Mittelalter.65 Allein das Fehlen eines Begriffs sagt natürlich noch nichts darüber aus, ob und wie die römischen Juristen ein dahinterstehendes rechtliches Problem sehen und lösen. Das Gleiche gilt auch für die ihnen zeitlich folgenden Juristen. Denn mit der Idee des Liebhaberwertes beschäftigen sich Juristen zu aller Zeit. Die Verwendung des modernen Ausdrucks „Afdazu Medicus, S. 249 f., 299 ff.; Honsell, S. 174 f. Cic. de off. 1,4,11; Cic. ad fam. 16,4,4 oder Cic. pro S. Roscio 96. 63  Es handelt sich um Noctes Atticae 4,4,2, wo der Autor den Juristen Servius Sulpicius zur Stipulationsklage zitiert. Siehe zu alledem Medicus, S. 297 A. 10. 64  Seit Martinus wird interesse substantivisch verwendet, vgl. Lange, S. 13 ff. 65  Vgl. hier nur Dedek, Negative Haftung, S. 127. Auffällig ist dabei, wie bereits Medicus, Id quod interest, S. 296 ff. (ähnlich auch Kaser, RP II2, S. 251 f.), festgestellt hat, dass die Formulierung des id quod interest in den juristischen Texten nach Diokletian nicht wieder verwendet wird und eher sogar verschwindet, weil man sie in ihrer gesamten Komplexität und Fallbezogenheit nicht mehr versteht, und erst der Klassizismus Justinians die Formulierung wieder aufnimmt. 61  Vgl.

62  Z. B.

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1. Teil: Hermeneutische Fragestellung

fektionsinteresse“ findet sich, soweit ersichtlich, erstmals als interesse affectionis bei Bartolus.66 In der deutschsprachigen Literatur taucht das Wort ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auf, z. B. bei Puchta.67 Dennoch gibt der Begriff des „Affektionsinteresses“ dem damit umfassten Problemkreis den Anschein einer antiken Herkunft und einer langen Geschichte. Deshalb droht der Rechtshistoriker gerade in Bezug auf das „Affektionsinteresse“ durch die unreflektierte Anwendung anachronistischer Begriffe und Institutionenmodelle die Bestimmung seines Auftrags zum autonomen Verstehen vergangenen Rechts aus den Augen zu verlieren.68 Man darf nicht von der Prämisse ausgehen, die bei den Klassikern entwickelten Entscheidungen liefen ununterbrochen und an einem Ausdruck haftend bis zur heutigen Zeit fort.69 Aus modernrechtlicher Sicht ist der Schadensersatz der Ort der Diskussion um die besondere Vorliebe. Auch für das römische Recht findet sich ein Hauptbeleg gegen die Berücksichtigung der affectio im Deliktsrecht (Paul.-Ped. D. 9,2,33pr.). So liegt die Verortung der affectio beim Schadensersatz nahe. Allerdings gilt es zu bedenken, dass es für die römischen Juristen bei der Frage der besonderen Vorliebe um die Wertbestimmung der res litigosa geht. Daher finden wir ein „Affektions­ interesse“ nicht nur im Rahmen eines Schadensersatzes, sondern eigentlich bei allen Klagen. Um das römische Recht autonom begreifen zu können, müssen wir uns deshalb zunächst von der Vorstellung lösen, die besondere Vorliebe sei Teil des Schadensrechts.

§ 2  Der Grundsatz der Geldverurteilung und seine Überwindung In den Quellen begegnet uns der Liebhaberwert – wie gerade angesprochen – in erster Linie bei Aussagen über die Wertbestimmung von res liti66  Opera omnia, Basel 1562, n. 4 zu D. 2,14,24, auch n. 12 zu C. 7,47. Sehr häufig sprechen die Glossatoren und Kommentatoren von pretium affectionis, wenn es um die Wertbestimmung einer Sache geht, vgl. nur die Nachweise bei Störmer, S. 25 ff. Auch im Usus modernus wird das Problem meistens unter pretium affectionis gefasst, siehe z. B. die Abhandlung H. von Cocceji, De pretio affectionis et amoenitatis, Lemgovia 1722. 67  G. F. Puchta, Pandekten8, Leipzig 1856, § 220 mit A. 1. Siehe auch K. L. Arndts von Arnesberg, Lehrbuch der Pandecten, München 1852, S. 288 m. w. N. Aber auch schon bei F. C. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, Berlin 1841, S. 466. C. F. v. Glück, Ausführliche Erläuterungen der Pandecten nach Hellfeld, Band 12,2, Erlangen 1810, z. B. S. 422, redet (noch) ausschließlich vom „Affek­ tionswerth“ und dem „singulären Interesse“. 68  Dazu Wieacker (oben Fn. 17), S. 93. 69  Vgl. B. Biondi, Prospettive romanistiche, Milano 1933, S. 17.



§ 2  Der Grundsatz der Geldverurteilung und seine Überwindung 25

gosae. Einerseits kann diese Wertbestimmung notwendig werden, weil die Sache beschädigt wurde oder ihre Herausgabe nach Untergang unmöglich ist. Dann nämlich muss an ihre Stelle eine geldmäßige Ersatzleistung treten, was ganz der modernrechtlichen Vorstellung vom Ersatz des Affektionsinteresses entspricht. Andererseits geht, wofür Gaius in seinen Institutionen (4,48) unser Gewährsmann ist, im klassischen Formularprozess jedes Leistungsurteil auf eine Geldzahlung, weshalb sich zum Abschluss eines jeden Prozesses die Frage nach der wertmäßigen Schätzung der lis stellt. Der Grundsatz der condemnatio pecuniaria erweitert also den Anwendungsbereich der Sachschätzung oder der Wertbestimmung und macht diese für nahezu jeden Prozess notwendig.70 Kennen wir modernrechtlich z. B. eine Naturalvollstreckung durch gerichtliche Wegnahme und sind daran gewöhnt, dass auf diese Weise der Eigentümer seine Sache vom Besitzer wiedererlangen kann, muss sich der Kläger im römischen Formularprozess unter Umständen mit einer Geldzahlung zufriedengeben. Eine geldmäßige Schätzung auf der Grundlage der Affektion erwarten wir also entgegen unserem modernen Verständnis nicht nur im Rahmen eines Schadensersatzes im technischen Sinne. Vielmehr kommt es für die römischen Juristen der Klassik regelmäßig zu einer Leistung der im Urteil geschätzten und festgelegten Geldsumme. Je nach Klageformel hat der iudex hierfür einen Ermessensspielraum. Geht die Klage z. B. auf ein restituere, wird die Urteilssumme anhand der Formel des quanti ea res erit in der condemnatio ermittelt. Größeren Spielraum hat der Richter bei Klagen auf ein incertum z. B. bei den bonae fidei iudicia.71 Hier schätzt er regelmäßig, quidquid dare facere oportet ex bona fide. Entscheidend ist die Feststellung der regelmäßigen Geldverurteilung, damit wir uns von der Vorstellung lösen, ein Affektionsinteresse im Zusammenhang mit einem Schadensersatz im engen Sinne zu diskutieren. Die Berücksichtigung der besonderen Wertschätzung wird auch bei vielen anderen Klagen thematisiert. Die Arbeit sieht sich daher aus methodischer Sicht dem Problem gegenüber, dass modernrechtlich das Affektionsinteresse vornehmlich im Zusam70  Hinsichtlich der Ausnahmen zur Geldverurteilung siehe nur Kaser / Hackl, § 54 IV. 2.ff. m. w. N. Zum Grundsatz der condemnatio pecuniaria siehe hier nur Pennitz, S. 249 ff. 71  Siehe dazu an dieser Stelle nur Medicus, SZ 115 (1998), S. 66 ff.; vertiefend sei auf die Arbeiten von Kaser, Restituere; ders., Quanti, verwiesen. Cicero (de off. 3,70) zählt dazu die vier Konsensualkontrakte, daneben fiducia, Tutel, Geschäftsführung ohne Auftrag, u. a., vgl. auch Kaser / Hackl, § 45 IV. 2. und 3. Justinian unternimmt die systematisierende Einteilung der in der Klassik noch eher individuell beurteilten actiones in bonae fidei iudicia und iudicia stricti iuris.

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1. Teil: Hermeneutische Fragestellung

menhang mit dem Schadensersatz diskutiert wird.72 Diese Parallele lässt sich für das klassische römische Recht nur im Rahmen des Schadensersatzes nach der lex Aquilia finden.73 Daher stellt sich methodisch die Frage, ob nicht unsere Vorstellung von der Beachtlichkeit der Affektion ganz entscheidend durch die Verbindung mit dem Ersatzgedanken geprägt ist und schon deswegen eine methodensaubere Sicht auf die Quellen erschwert. Vielleicht offenbaren sich gerade für die Diskussion um das Affektionsinteresse die Umformung des römischen Rechts im Mittelalter und eine überformte Problemsicht durch uns Heutige.74 Für das klassische Recht gilt es daher zu untersuchen, ob es den Juristen um die Wertbestimmung der Streitsache entsprechend der Klageformel geht oder ob damit schon die Vorstellung verbunden ist, mit der Geldverurteilung einen Ersatz für die Streitsache zu leisten. Zur Klärung der Frage sei hier die folgende Entwicklung skizziert: Als Urteilsinhalt kommt für die klassischen Juristen nur die Zahlung eines zuvor durch Schätzung bestimmten Geldbetrags in Betracht, unabhängig davon, welche Leistung der Kläger eingeklagt hat. Allerdings bildet schon diese Beschreibung den klassischen Zustand nicht zutreffend ab und ist maßgeblich von unserem modernen Verständnis von Anspruch und dessen prozessualer Durchsetzung geprägt. Der Kläger schildert im klassischen Prozess sein Anliegen und die Leistung, die er vom Beklagten fordert.75 Er wendet sich an den Prätor, welcher ihm daraufhin Rechtsschutz gewährt, gemäß seinem Edikt oder als faktische Klage für den konkreten Sachverhalt. Im Klägervortrag kann eine bestimmte vom Beklagten ersuchte Leistung liegen, z. B. die Herausgabe einer Sache. Erzwingbar ist diese Leistung aber durch das Urteil nicht. Dieses lautet auf eine vom Richter (unter Umständen auch vom Kläger) abgeschätzte Summe entsprechend der Formel – im Vindikationsprozess z. B. entsprechend der Formel quanti ea res erit. An der Sache vorbei geht es aber, diese Geldzahlung als Ersatz, vielleicht sogar als Schadensersatz zu be72  Aus diesem dogmatischen Zusammenhang folgen auch einige der spezifischen Antworten auf die Frage nach dem Liebhaberwert, vgl. z. B. den erwähnten § 1331 ABGB, wo der Haftungsumfang nach Verschuldensgrad abgestuft wird und das Affektionsinteresse bei Vorsatz zu ersetzen ist, also die Entscheidung für die Berücksichtigung an der besonderen subjektiven Vorwerfbarkeit anknüpft, vgl. dazu hier nur HKK / Jansen, §§ 249–253 Rn. 25. 73  Es gibt in den Quellen darüber hinaus keine Anhaltspunkte für die Berücksichtigung der Affektion bei vertraglichem Schadensersatz, siehe dazu Zweiter Teil, § 4 III. 74  Zum Problem der Überformung am Beispiel des praecise cogi vgl. Schermaier, SZ 115 (1998), S. 640 ff. (zu T. Repgen, Vertragstreue und Erfüllungszwang in der mittelalterlichen Rechtswissenschaft, Paderborn 1994). 75  Gai. 4,41: intentio est ea pars formular, qua actor desiderium suum concludit. Das Begehren des Klägers (desiderium) wird in Form einer Schlussfolgerung in die Klageformel übernommen, vgl. Kaser / Hackl, § 45 II.



§ 2  Der Grundsatz der Geldverurteilung und seine Überwindung 27

zeichnen. Aus der Geldverurteilung folgt nicht etwa, dass ein Schadens­ ersatzanspruch die notwendige prozessuale Auswirkung eines jeden Leistungsanspruchs darstellt.76 Für die klassischen Juristen kann in diesem Fall gar nicht von einem Schaden und einem geldmäßigen Ersatz die Rede sein, weil die Verurteilung eben immer auf Geld geht.77 Diese Auffassung trägt unsere modernrechtliche Distinktion von Sachleistung und Schadensersatz an die Quellen heran. Zugleich unterstellt sie dem klassischen Recht, eine solche selbst nicht vorzunehmen, ergo einen „Schadensersatzbegriff im Sinne eines b e s o n d e r e n Leistungsinhalts“ nicht zu kennen,78 weil eben jedes Urteil einen Schadensersatz darstelle. Ohne sich hier diesem Problemfeld eingehender widmen zu können, sei doch darauf hingewiesen, dass die Verwendung unseres Begriffs „Schadensersatz“ den Blick auf die klassische Lösung verzerrt, wenn nicht gar verfälscht.79 Man würde nämlich den Eigenheiten des römischen Prozesses nicht hinreichend gerecht, verknüpfte man die Geldverurteilung mit dem Aspekt des Schadensersatzes. Vielmehr geht es dem klassischen römischen Recht, welchem in erster Linie nur die Geldverurteilung bekannt ist, bei der condemnatio pecuniaria um die Frage der Wertberechnung der Streitsache. Wir haben es nicht mit einer Diskussion entlang der Trennlinie zwischen Sachleistung und Ersatzleistung zu tun. Es handelt sich schlicht um den historisch aus der Haftungslösung80 zu begründenden „Bruch“ zwischen gefordertem Rechtsschutz und tatsächlich gewährtem. Diese Frage darf aber keineswegs in unsere modernrechtlichen Kategorien von Sach- und Ersatzleistung gepresst werden.81 76  So aber z. B. Jörs / Kunkel3, § 106 2 a; unverändert in der 4. Auflage, ebd. Dabei wird auch Schaden mit Interesse gleichgesetzt, was für das klassische römische Recht so nicht zutreffen kann. Vgl. hier nur HKK / Schermaier, §§ 280–285 Rn. 48, und B. Keuk, Vermögensschaden und Interesse, Bonn 1972, S. 53. 77  Prozessual gesehen ist die geldmäßige Verurteilung eben erst Teil der condemnatio, nicht des geschilderten desiderium, was in die intentio aufgenommen wird. 78  Siehe Jörs / Kunkel (oben Fn. 76). Vgl. auch HKK / Jansen, §§ 249–253 Rn. 7. 79  Methodisch bleibt natürlich die Frage, inwiefern wir sowieso bei der condemnatio pecuniaria unsere Vorstellung von einer sachgerechten Lösung unterstellen. Vgl. dazu nur Blank, SZ 99 (1982), S. 303 ff. (zu Düll, SZ 96 (1976), S. 291 ff.), besonders S. 310: „… [es] drängt sich die Frage auf, ob es nicht ein ‚Zugeständnis an den Geist der eigenen Zeit‘ darstellt, wenn man diese rechtliche Erscheinung der Antike [sc. die condemnatio pecuniaria] als … unbillig … charakterisiert.“ Es ließe sich auch weiter fragen, ob der Erhalt der Sache in der römischen Vorstellung wirklich z. B. „das Interesse des Klägers befriedigen kann (R. Sohm, Institutionen: ein Lehrbuch der Geschichte und des Systems des römischen Privatrechts10, Leipzig 1901, S. 264)“. 80  Vgl. dazu eingehender unten, Zweiter Teil, § 2 I. 7. Vgl. schon hier Pennitz, S. 258 ff. 81  Nur beim Schätzungseid, dem wir eine eigene Betrachtung widmen werden, kristallisiert sich auch für die Klassik das Spannungsfeld zwischen eigentlich ge-

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1. Teil: Hermeneutische Fragestellung

Der Blickwinkel auf eine mögliche Geldleistung ändert sich erst, als die condemnatio pecuniaria im Kognitionsprozess und mit dem Verschwinden des Formularprozesses obsolet wird und die Naturalvollstreckung den Sachzugriff in Fällen wie der Vindikation zulässt.82 Die Verurteilung in Geld kommt nur noch in Betracht, wenn die Herausgabe der Sache unmöglich ist, also tatsächlich eine Ersatzleistung in Rede steht. Gibt es demnach ab dieser Zeit die Alternative zwischen Sach- und Ersatzleistung, wird es für die Juristen notwendig, den Übergang von der Primär- zur Sekundärleistung näher zu bestimmen.83 Die Frage nach dem Geldersatz erhält dabei klarere Konturen in ­Abhängigkeit zum Verschuldensgrad, überhaupt wird die Frage nach der Geldverurteilung nunmehr in den Zusammenhang mit der Ersatzleistung gebracht; wenn man so will, behandelt man die Frage jetzt auf der Sekundärebene. Damit geht ein Verständnis- und Funktionswandel einher: Man begreift die Schätzung der Streitsache und die geldmäßige Verurteilung nicht mehr als Problem im Rahmen der regelmäßigen condemnatio pecuniaria. Vielmehr ordnet man sie nun dem eigenständigen Problembereich der Ersatzleistung zu. Die Glossatoren, des Formularprozesses und seiner Eigenheiten nicht mehr gewahr, gelangen ohne den Zwang zur Geldverurteilung zur Diskussion um die präzise Durchsetzung von Ansprüchen und entwickeln den Vorrang der Naturalerfüllung weiter.84 Diese bietet überhaupt erst die Grundlage für eine ausgedehnte Problematisierung von Fällen, in denen die Sachleistung nicht möglich (und nicht nur verweigert!) ist. Diese Ersatzleistung ist dann wert- und geldmäßig zu bestimmen; sie stellt aber nicht mehr die klassische Frage nach der Wertbestimmung der lis dar. Erst hier finden wir den Übergang zur Trennung zwischen Primär- und Sekundärleistung. schuldeter und tatsächlich möglicher und hingegebener Leistung heraus. Dabei verfolgen die Arbiträrklagen aber ein anderes Rechtschutzziel. Bei diesen Klagen kann der Beklagte die Sache dem Kläger restituieren und so ein Urteil gegen sich abwenden (vgl. hier nur Kaser / Hackl, § 48). Dabei geht es nicht nur darum, dem Kläger billigerweise den Rückerhalt der Sache zu ermöglichen. Die Arbiträrklagen dienen zugleich dazu, den Beklagten durch die Rückgabe vor einem ihn belastenden Urteil zu bewahren und den Prozess zu beschleunigen. Der das Recht des Klägers feststellende Zwischenbescheid, pronuntiatio, e r m ä c h t i g t insofern den Beklagten zu restituieren, um die Verurteilung abzuwenden, vgl. Kaser / Hackl, § 48 III. Siehe auch A. Herdlitczka, Zur Lehre vom Zwischenurteil (pronuntiatio) bei den sogenannten actiones arbitrariae, Wien 1930, S. 19. 82  Z. B. Inst. 4,6,32: … certae pecuniae vel r e i sententiam [iudex] ferat …; Inst. 2,7,2; Ulp. D. 6,1,68 (dazu noch unten Dritter Teil, § 1 II.). Die Frage ist allerdings in den Quellen nicht einheitlich gelöst, vgl. Repgen (oben Fn. 74), S. 46 ff.; R. Zimmermann, Law of Obligations: Roman foundations of the civilian tradition, Paperback Edition, Oxford 1996, S. 773; Dilcher, SZ 78 (1961), S. 282 f. 83  Vgl. Medicus, S. 341 f.; Bussi (oben Fn. 36), S. 191 ff.; siehe auch HKK / Schermaier, vor § 275 Rn. 25. 84  Siehe dazu hier nur Dedek, Negative Haftung, S. 126 ff., 138 ff. m. w. N.



§ 3  Die affectio im Strudel des Interessebegriffs

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§ 3  Die affectio im Strudel des Interessebegriffs Die Glossatoren stoßen darüber hinaus im Steinbruch der römischen Quellen auf ein „patchy picture“85 von lockeren Belegen für und gegen die Berücksichtigung der affectio. Diese gebrochenen Stücke beginnen die Juristen zu einem größeren Ganzen zusammenzusetzen. Den Hauptbeleg für die Frage nach der besonderen Wertschätzung finden sie im Schadensrecht der lex Aquilia, weshalb Paul.-Ped. D. 9,2,33pr. den Nukleus der weiteren juristischen Erörterung bildet. Damit bekommt die ablehnende Haltung des Paulus bzw. des Pedius die entscheidende Aussagekraft gegen die Berücksichtigung der besonderen Wertschätzung. Die anderen, teilweise widersprechenden Belege der klassischen Juristen treten dazu in den Hintergrund. Diese hatten ihre Begründungen noch am Einzelfall gesucht ohne den Willen oder das Bedürfnis, die Probleme um die affectio systematisch durchzubilden. Im Gegensatz dazu geht es den Glossatoren und ihren Nachfolgern um die Synthese der Aussagen und die generelle Beantwortung der Frage, wann die affectio zu berücksichtigen ist. Losgelöst vom Fall soll die Entscheidung über die Gewährung oder Nichtgewährung des Affektionsinteresses aus abstrakten Sätzen abgeleitet werden. Wie wir noch genauer sehen werden, wird die besondere Wertschätzung im Rahmen des interesse problematisiert, womit nach Maßgabe des klassischen Rechts eigentlich zwei Sorten im gleichen Steinbruch gebrochen werden. Mit den Glossatoren beginnt daher eine neue Diskussion um die affectio, die nur noch die quellenmäßigen Belege mit dem klassischen Recht gemeinsam hat. Auf das Engste mit der Frage nach der affectio verbunden sind daher die Entwicklung und die Ausbildung des interesse-Begriffs. Ohne den Grundsatz der Geldverurteilung können die Glossatoren die Differenzierung zwischen primär geschuldeter Leistung und der – später bei ihnen – als inte­ resse bezeichneten Sekundärleistung herausarbeiten, womit das interesse gleichzeitig zum Zentralbegriff des Schadensersatzrechts erhoben wird.86 Solange aber die fallbezogenen und unsystematischen römischen Quellen den Ausgangspunkt der mittelalterlichen Rechtstheorie bilden, kann das interesse nur ein Sammelbegriff sein, der versucht, die Verschiedenartigkeit der Quellen, die prolixitas, von der schon Justinian gesprochen und die der Kaiser mit seinem Instrumentarium nicht zu überwinden vermochte, zu verbinden. Stärkster Ausdruck für diese prolixitas ist die Unterteilung des interesse, welche die Glosse kontrastiv in interesse circa rem und interesse extra rem vornimmt. Das Erste bezieht sich auf den unmittelbaren Schaden 85  Zimmermann 86  Vgl.

(oben Fn. 82), S. 773. dazu Medicus, S. 341.

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1. Teil: Hermeneutische Fragestellung

und ist auf den Sachwert begrenzt, das Zweite hingegen erfasst alle darüber hinausgehenden Schadensposten.87 Quer dazu führen die Juristen eine Dreiteilung in interesse commune, interesse conventum und interesse singulare ein.88 Damit umschreiben die Juristen unterschiedliche Schätzungsarten des Schadens, je nachdem, ob auf den Marktwert, den vereinbarten Preis oder die Bewertung durch den Geschädigten abgestellt wird.89 Bei dieser Systematisierung geht es den Glossatoren um die Bestimmung des Sachwertes,90 wobei sie durch die Identifizierung des interesse commune mit dem Sachwert die klassische Differenzierung zwischen quanti ea res est und quod interest zugunsten eines Interesseoberbegriffs auflösen. Den Ausgangspunkt der Diskussion um das interesse finden wir bei Placentinus, der aus Ulp. D. 19,1,1pr., Paul.-Ped. D. 9,2,33pr. und Paul. D. 35,2,63pr. die Unterteilung in pretium commune, pretium conventum und pretium singulare entwickelt91: Venditor condemnabitur ultra duplum si nolit tradere id, quod a se est venditum, verbi gratia, si singulare interesse, id est singulare rei pretium ultra duplum communis pretii coniunctive precossisse deprehenditur, eo tempore quo iudicium agitur. Tria enim sunt pretia rerum, conventum, commune, singulare, ut D. 19,1,1pr. et D. 35,2,63pr. Ist die Differenzierung nach ihrem Grundsatz noch an den Sachwert geknüpft, nennt Placentinus drei zu unterscheidende Inhalte des Schadensersatzes: Sachwert, vereinbarter Preis und das Interesse. Hier entsprechen die Anwendungsbereiche von pretium commune und pretium singulare der Dichotomisierung zwischen interesse circa rem und interesse extra rem.92 Die prolixitas steigert sich indes noch weiter, als Azo – Placentinus in dessen Unterscheidung missverstehend – statt pretium nunmehr interesse näher bestimmen will93: Sciendum est igitur, quod interesse aliud commune, aliud conventum, alius singulare, ut probatur in D. 19,1,1pr. Ad idem tendit, si dicas, precium aliud commune, aliud conventum, aliud singulare. Diese 87  Accursius, Digestum vetus, Lugduni 1569, Gl. dupli zu C. 7,47,1; vgl. zum Inhalt des interesse extra rem auch Wieling, S. 29 ff. 88  Vgl. nur H. Dilcher, Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, Frankfurt / Main 1960, S. 126 ff.; siehe auch HKK /  Jansen, §§ 249–253 Rn. 13. 89  Schermaier führt im HKK, §§ 280–285 Rn. 52, diese Gegenüberstellung auf Placentinus in Summa Codicis, Mainz 1536, ad C. 7,47, zurück. Vgl. zu der inhaltlichen Differenzierung auch Dedek, Negative Haftung, S. 126 ff. 90  Damit betrachten sie eine Frage, die sich für die klassischen römischen Juristen bei nahezu jeder Klage stellte, dazu im Text sogleich mehr. 91  Summa Codicis, Mainz 1536, ad C. 7,50. 92  Wieling, S. 68, allerdings zu ungenau: Verf. unterstellt bereits Placentinus hier die Unterteilung in interesse commune und interesse singulare. Die Einteilung nimmt der Jurist indes gerade (noch) nicht vor. 93  Summa codicis, Lugduni 1585, C. 7,47 n. 1.



§ 3  Die affectio im Strudel des Interessebegriffs

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Einteilung des Azo deckt sich nicht mehr mit der ursprünglichen Aussage des Placentinus, sondern steht quer zur Zweiteilung von interesse circa rem und interesse extra rem. Durch das Missverständnis des Azo entstehen nunmehr fünf zu unterscheidende Interessen. Diente bei Placentinus die Unterteilung noch zur Bestimmung der Schadensposten und des Inhalts des Schadensersatzes, müssen die „Interessetypen“ bei Azo einen anderen Aussagegehalt einnehmen. Für Azo ergibt sich damit, dass die erstgenannte Differenzierung die zu ersetzenden Folgen der schädigenden Handlung bestimmt, die Unterteilung in interesse commune, conventum und singulare hingegen die Schätzungsart des interesse festlegt. Aus der klassischen Frage nach der Geldbewertung der Streitsache und der daraus folgenden Festlegung der Methode der Schätzung (durch wen die Schätzung durchgeführt wird) entwickelt sich somit infolge der prolixitas die Frage nach dem Inhalt des Ersatzes und in einem weiteren Schritt die Frage nach der Bestimmung seiner Höhe. Daneben ist die Glosse zunächst bemüht, die Quellen zur affectio zu sammeln und gegenüberzustellen. Häufig bleibt es dabei, ohne die Texte miteinander zu vereinbaren oder abzugleichen.94 Daraus leitet man als wohl einzige Erkenntnis ab, dass für die Schätzung grundsätzlich das verum pretium rei gelten soll und nicht das pretium affectionis.95 Sind diese Systematisierungsversuche der Glosse zu Beginn noch nicht ganz konsequent und überzeugend,96 geht Bartolus einen Schritt weiter. Einerseits differenziert er (deutlicher) zwischen utilitas und affectio97– eine Trennung, welche den klassischen Juristen fernlag. Gleichzeitig versucht er, die Frage nach der Berücksichtigung der affectio systematisch(er) danach zu beantworten, ob sie Klagegrund oder Klageinhalt darstellt.98 Schließlich kehrt der Jurist (wenigstens zum Teil) zum ursprünglichen Verständnis des Placentinus zu94  Z. B. Gl. Mandati agetur zu D. 17,1,54pr.: … hic considerari affectum … sed ar. contra … 95  Z. B. Gl. Fungi zu D. 9,2,33pr.; Gl. Fuguntur zu D. 35,2,63pr.; Gl. Referentur zu D. 50,16,193. 96  Siehe dazu nur die ausführliche Darstellung bei Lange, S. 48 ff. 97  Omnia, quae extant, opera 7, Venetiis 1590, C. 7,47 n. 3. 98  Vgl. z. B. a. a. O., C. 7,47 n. 12; D. 2,14,24 n. 4: tu dic quod in bonae fidei iudiciis interesse affectionis facit ut ei detur actio, cui alias non daretur, non tamen quod in plus detur propter affectionem. Vgl. auch Wieling, S. 125. Diese Differenzierung wird bis in die Pandektistik hinein beibehalten und liefert noch dort eine Erklärung für die teils widersprüchlichen Quellen. Vgl. z. B. G. Puchta, Pandekten8, Leipzig 1856, § 220 mit A. 1: „Die Handlung muß einen Vermögenswerth haben, … nur wo die Forderung für den Gläubiger zugleich eine sittliche Pflicht ist, wird auch ein Affectionsinteresse zur Begründung derselben zugelassen, D. 17,1,54pr. … Niemals kann das Affectionsinteresse Gegenstand der Forderung sein.“ Siehe auch die weiteren Nachweise bei Störmer, S. 100 f.

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1. Teil: Hermeneutische Fragestellung

rück, lehnt die doppelte Differenzierung des interesse ab und gibt (wieder) eine dreigliedrige Einteilung vor.99 In diesem Hin und Her verfängt sich auch die affectio der antiken Quellen. Sie wird dabei weg vom allgemeinen Schätzungsproblem im Rahmen eines jeden Urteils hin zum Interesse gerückt.100 Die besondere Vorliebe wird daher im Strudel der interesse-Problematik beim Schadensersatz angesiedelt – dort, wo wir auch heute die besondere Vorliebe diskutieren. Für die klassischen Juristen hingegen ist dieser nur ein kleiner Ausschnitt der Fragen um die affectio.

99  Vgl. hier nur Wieling, S. 79. Für die anderen Ansichten und besonders die Auffassung der französischen Juristen vgl. auch noch HKK / Schermaier, §§ 280–285 Rn. 52. 100  Zu dieser Entwicklung übersichtlich kurz Dedek, Negative Haftung, S. 128 ff. Vgl. auch den arbor super interesse des Rebuffus (Abbildung bei Lange, S. 30), dem es gelingt, aus den römischen Quellen 48 (!) unterschiedliche „Interessen“ herauszuarbeiten.

Zweiter Teil

Die Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio § 1  Grundlagen Bei der Untersuchung der konkreten Fallentscheidungen soll beleuchtet werden, wann sich die Affektion in Geld niederschlägt, wann also im Rahmen der Sachschätzung der Liebhaberwert als problematisch erörtert wird. Diese Fragestellung steht in Ausschnitten auch dem modernen Affektionsersatz nahe, wir begegnen ihr aber für die römischen Quellen weitaus häufiger. Daneben soll untersucht werden, wann darüber hinaus die Affektion gleichsam als argumentatives Vehikel benutzt wird, um zu billigen Ergebnissen zu gelangen. Dabei stoßen wir auf Sachverhalte, in denen gerade nicht die geldmäßige Bewertung der affectio im Rahmen der condemnatio pecuniaria im Vordergrund steht. Schließlich soll auch der Vermutung nachgegangen werden, inwiefern sich der unterschiedliche und changierende Ermessensspielraum des iudex bei Klagen strengen Rechts und solchen nach Treu und Glauben auf die Entscheidung über die Frage nach der affectio auswirkt. Die Vermutung wird nahegelegt durch die bekannte PapinianFormulierung in D. 17,1,54pr.: placuit enim prudentioribus affectus rationem in bonae fidei iudiciis habendam. Für die Untersuchung der Quellen sind in der Vergangenheit unterschiedliche Wege eingeschlagen worden. Lange101 differenziert die Quellenlage nach dem Vorkommen und der Berücksichtigung der affectio bei der Privatstrafe einerseits und andererseits nach der Stellung der affectio bei der „Interessenberechnung“. Dieses Raster erscheint aber nur für die Fragestellung Langes nach dem mittelalterlichen Interessebegriff brauchbar. Um die Frage an die klassischen Texte heranzutragen, eignet es sich, wie Lange102 selbst einräumt, jedoch in Ermangelung eines durchdacht-systematischen und konsequenten Interessebegriffs nicht. Zurückführen auf Mommsen will Wacke103 eine Unterteilung des Untersuchungsstoffs in die Frage der affectio als Klagegrundlage und als möglichen 101  S. 46. 102  S. 16.

103  S. 561 f. Er kann sich dabei auch auf Pernice, Labeo III 1, S. 186, und aus neuerer Zeit Medicus, S. 191 f., stützen.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

Klageinhalt. Diese Unterteilung mag vom Ergebnis betrachtet ihre Berechtigung haben. Uns erscheint eine solche Trennlinie jedoch nicht quellenmäßig. Das Problem der causa actionis, die Frage nach Inhalt und Grundlage der Klage, stellt sich für die römischen Juristen nur bei der Aktionenkonkurrenz und kann für die Berücksichtigung der affectio keinen Aufschluss geben. Zudem sprechen die Quellen selbst gegen eine solche Unterscheidung, kennen sie doch gerade eine Systematisierung nicht.104 An dieser Stelle genügt es für unsere Herangehensweise festzuhalten, dass der eben erörterte „Systematisierungsgedanke“105 den klassischen Juristen ebenso fernlag, wie wenig er uns daher heute bei der Untersuchung der affectio nützen kann. Um den Standpunkt der klassischen Juristen einnehmen zu können, müssen wir vielmehr ausgehend von ihrem aktionenrechtlichen Verständnis jede einzelne actio analysieren und diese nach dem Oberbegriff der gemeinsamen Klageformel zusammenstellen.106 Daneben kann man die zu untersuchenden Texte bezogen auf das ausgesprochene Rechtsschutzziel unterteilen in solche, bei denen die condemnatio pecuniaria zum Zuge kommt, und solche, in denen es nicht um eine Verurteilung in Geld geht, die sich insofern als besondere Verfahren darstellen, wie z. B. die restitutio in integrum.

§ 2  Actiones arbitrariae I. Vindicatio in servitutem und rei vindicatio Einen ausdrücklichen Hinweis auf die affectio finden wir in D. 7,7,6,2 (Ulp. 55 ad ed.). Der Text lautet im Zusammenhang: Cum de servi operis artificis agitur, pro modo restituendae sunt, sed mediastini secundum ministerium: et ita Mela scribit. 1. Si minor annis quinque vel debilis servus sit vel quis alius, cuius nulla opera esse apud dominum potuit, nulla aestimatio fiet. 2. Item voluptatis vel affectionis aestimatio non habebitur, veluti si dilexerit eum dominus aut in deliciis habuerit. 3. Ceterum deductis necessariis impensis fiet aestimatio. muss Wacke (vorherige Fn.) auch zugeben. Wacke, S. 562. 106  Dieses Verfahren wird zumindest für eine Untersuchung des klassischen Rechts auch von Lange, S. 16, gefordert. Auch die oben genannten Arbeiten von Kaser, Medicus und Honsell verfolgen diesen Untersuchungsansatz. Vgl. auch den für unsere Herangehensweise fruchtbaren Hinweis bei HKK / Schermaier, §§ 280–285 ­ Rn. 46, unter dem Regime der Geldverurteilung müsse der Richter jeden klagbaren Anspruch danach entscheiden, wie viel er dem Gläubiger [eben in Geld] wert sei. Damit ist auch für die Untersuchung des Liebhaberwerts klar, dass jede Klage für sich dahin gehend untersucht werden sollte. 104  Das 105  So



§ 2  Actiones arbitrariae35 Wenn der Prozess um die Dienste eines handwerklich ausgebildeten Sklaven geführt wird, so sind diese der Ausbildung entsprechend zu ersetzen; geht es um die Dienste eines bloßen Hausknechtes, wird Ersatz nur entsprechend diesen Diensten geleistet: So schreibt auch Mela. 1. Wenn ein Sklave jünger als fünf Jahre oder gebrechlich ist oder anderweitig als Arbeitskraft beim Herrn nicht nützlich ist, erfolgt keine Schätzung. 2. Ebenso wird das Vergnügen oder die besondere Zuneigung nicht ersetzt, so wenn der Herr ihn gern oder ihn unter seinen Lieblingen hatte. 3. Im Übrigen geschieht die Schätzung unter Abzug der notwendigen Aufwendungen.

Der Spätklassiker Ulpian107 behandelt hier in einem Text aus dem Werk ad edictum praetoris, einem 81 Bücher umfassenden Kommentar,108 die Frage des Ersatzes von entgangenen Sklavendiensten und die Art ihrer Wertschätzung. Dabei kommt er zu der deutlichen Aussage, dass eine besondere Zuneigung für die Höhe des Ersatzes nicht von Belang ist. Im Folgenden werden wir die Vorschläge zur sedes materiae betrachten und einen Blick auf die servi delicati des Textes werfen, um im Anschluss nach dem Grund für den Ausschluss der affectio zu suchen. 1. Die Vorschläge zur sedes materiae Lenel109 verortet die Stelle ursprünglich unter der Rubrik de liberali causa. Behandelt werde dort im Rahmen von si ex libertate in servitutem peteatur, quanti condemnetur adsertor.110 Raber seinerseits hält eine abweichende sedes materiae für möglich, die besser zum Digestentitel D. 7,7 (de operis ser107  Er stammt aus Tyros in Phönikien (Ulp. D. 50,15,1pr.); vgl. Kunkel / Schermaier, S. 149, 161; schon E. Schulze, SZ 12 (1891), S. 100 ff., 130. Zur Kolonie Tyros siehe auch M. Rostovtzeff, Gesellschaft und Wirtschaft im römischen Kaiserreich II, Leipzig 1931, S. 9. Domitius Ulpianus dient unter Septimius Severus und Caracalla als Assessor dem praefectus praetorio Papinian, dessen Schüler er auch war (Ulp. D. 4,2,9,3; vgl. Honoré, Ulpian2, S. 14 f.). Im Jahre 222 bekleidete er selber dieses Amt unter Severus Alexander. Als dessen Gardepräfekt wie auch als sein ständiger Berater nimmt er enormen Einfluss auf die Staatsführung. Auf sein umstrittenes Todesjahr 223 / 224 soll hier nicht weiter eingegangen werden (vgl. dazu Honoré, Ulpian2, S. 32 ff.). 108  Entgegen der Angabe im Index Florentinus, der Ulpians Werk 83 Bücher zuschreibt, vgl. Honoré, Ulpian2, S. 159; D. Liebs, Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, Berlin 1987, S. 152 f. Der Kommentar stammt überwiegend aus der Zeit, in der der Jurist unter Caracalla wirkte, vgl. Honoré, Ulpian2, S. 176. 109  Paling. II, S. 758. 110  Lenel, EP, S. 383. Der bekannte Virginia-Fall einer vindicatio in libertatem ist bei Liv. 3,44 / 45 geschildert. Vgl. dazu hier nur die Nachweise bei Kaser, RP I2, S. 115 A. 22, und Kaser / Hackl, § 10 A. 20. Auch bei den Rhetoren findet sich der Freilassungsprozess als Motiv, z. B. Quint. decl. min. 342 (dort vielleicht im Zusammenhang mit einer revocatio in servitutem, vgl. T. Wycisk, Quidquid in foro fieri potest – Studien zum römischen Recht bei Quintilian, Berlin 2008, S. 63).

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vorum) passt. Er geht davon aus, dass die Stelle im Zusammenhang mit durch Legat vermachten Sklavendiensten stand, welche bei verweigerter Herausgabe durch den Beschwerten im Prozess geschätzt werden mussten.111 Hier soll daher zunächst auf die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte der Quelle eingegangen werden. Um kurz Lenels Gedanken zu vertiefen, sei darauf hingewiesen, dass es sich beim adsertor in libertatem um eine Rechtsfigur eigener Art handelt.112 Sein prozessuales Mitwirken wird notwendig, weil derjenige, um dessen Freiheit der Prozess geführt wird, nicht zugleich Objekt und Subjekt des Verfahrens sein kann.113 Erweist er sich zudem als Sklave, wäre er nicht parteifähig und der gesamte Prozess wäre nichtig.114 Gleichzeitig wird man eine tiefe sittliche Beistandspflicht innerhalb der römischen Bevölkerung annehmen müssen, die es dem Umstrittenen ermöglichte, ohne Schwierigkeiten durch das proclamare ad libertatem die notwendige Prozesshilfe zu finden.115 Das agere alieno nomine bedeutet in diesem Sinne aber auch, dass der adsertor, wenngleich formell Partei, im Rahmen des Prozesses zurücktritt; es ist am Umstrittenen selbst, Beweise für seine Freiheit zu beschaffen und die Verhandlung maßgeblich zu beeinflussen. Der adsertor erhebt dabei gegen die Partei, welche die Freiheit des serviens in Frage stellt, die vindicatio in libertatem, die andere die vindicatio in servitutem. Ob der adsertor Kläger oder Beklagter ist, hängt vom tatsächlichen Geschehen ab, also davon, wer die Prozessführung angestrengt hat. Dabei läuft der adsertor jedoch Gefahr, im Falle des Unterliegens dem dominus seines Schützlings auf restituere zu haften116 und ihm auch die Früchte während der Prozesszeit, das heißt die Arbeitsleistung des Sklaven, vergüten zu müssen,117 obwohl der Umstrittene ja während dieser Zeit als 111  Raber,

S. 204. SZ 79 (1962), S. 391 ff., 397; den Meinungsstand gibt wieder G. Franciosi, Il processo di libertà in diritto romano, Napoli 1961, S. 150 ff., der ebenfalls eine eigenartige Rechtsfigur annimmt. Vgl. zum adsertor allgemein auch Var. de ling. Lat. 6, 64; Gai. 4,14. 113  R. Reggi, Liber homo bona fide serviens, Milano 1958, S. 68, 75; M. Nicolau, Causa liberalis: étude historique et comparative du proces de liberté dans les législations anciennes, Paris 1933, S. 128; Franciosi (vorherige Fn.), S. 147 f. 114  Kaser / Hackl, § 9 II.; § 28 II. 1. 115  Vgl. Schulz, Prinzip, S. 158 ff.; Kaser, SZ 79 (1962), S. 391 ff., 397; siehe auch D. 40,5,53: libertas non privata, sed publica res est. Zur Rolle des adsertor in der frühen Republik Ferenczy, Studi Guido Donatuti 1, S. 387 ff. 116  Zur restituere-Regel vgl. Levy, SZ 36 (1915), S. 1 ff., 29 ff.; Kaser, Restituere, S. 6 ff. 117  Als erzielbare Früchte, vgl. Pernice, Labeo II 1, S. 348 ff.; Keller, SZ 53 (1933), S. 566; Steinwenter, Krit. Vjschr. 26 (1933), S. 74. Vgl. auch Paul. D. 6,1,33: fructus qui percepti honeste potuerunt. 112  Kaser,



§ 2  Actiones arbitrariae37

Freier gilt.118 Im Rahmen der Klage in servitutem haftet der adsertor nämlich wie bei der rei vindicatio, das heißt, er hat die obsiegende Partei so zu stellen, als wäre der vindizierte Sklave zur Zeit der Litiskontestation herausgegeben worden.119 Zu beachten ist weiter, dass der adsertor weder Rückgriff beim Sklaven nehmen, noch während der Prozesszeit auf die Arbeitsleistung zugreifen kann, was für ihn ein gewisses wirtschaftliches Risiko bedeutet.120 Bei der Verortung unseres Textes durch Lenel ginge es also um die Art und Höhe der Schätzung dieser Arbeitsleistung im Prozess gegen den adsertor. Raber hingegen legt seinen Fokus auf eine erbrechtliche Lokalisierung des Problems. Ausgehend vom Befund, dass Sklavendienste in Legatsform vermacht werden konnten,121 folgert er, dass die Arbeitsleistung auch im Falle der Nichtherausgabe an den Legatar durch den Beschwerten geschätzt werden muss. Je nach der Art des vermachten Dienstes muss der enttäuschte Vermächtnisnehmer mit der actio confessoria oder actio ex testamento vorgehen. In dem jeweiligen Rahmen muss dann aufgrund der condemnatio pecuniaria der Wert des Dienstes in Geld ermittelt werden. Wenn auch die Frage nach der tatsächlichen sedes materiae hier nicht abschließend geklärt werden kann, so geht doch aus dem Fragment hervor, dass es um die aestimatio von Sklavendiensten in Geld geht.122 2. Servus artifex und mediastinus Diese Schätzung soll zunächst davon abhängen, ob es sich um die Dienste123 eines ausgebildeten (servus artifex) oder eines ungelernten, „normalen“ (servus mediastinus) Sklaven handelt. Quer dazu steht die Differenzierung zwischen operae fabriles und operae officiales.124 Dabei geht es im Rahmen der Letzteren um Dienste, welche 118  Vgl. die XII-Tafel (6,6) und den darin zum Ausdruck kommenden favor libertatis. Siehe auch Paul. D. 40,12,24pr.; Pomp. D. 1,2,2,24; insgesamt auch Franciosi (oben Fn. 112), S. 198 ff. 119  Kaser, SZ 79 (1962), S. 391 ff., 395, 396 A. 20; vgl. Lenel, EP, S. 384. 120  Kaser (vorherige Fn.). 121  Vgl. Ulp. D. 7,9,5,3; Windscheid / Kipp, Pandekten9, § 208 Anm. 5. 122  Vgl. dazu auch W. Waldstein, Operae libertorum: Untersuchungen zur Dienstpflicht freigelassener Sklaven, Stuttgart 1986, S. 361. 123  Zu den operae siehe F. M. De Robertis, Lavoro e lavoratori nel mondo romano, Bari 1963, S. 11 ff. 124  Z. B. Ulp. D. 12,6,26,12; D. 38,1,6; D. 38,1,9,1; Marc. D. 19,5,2,23.

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durch das individuelle Verhältnis als Ehren- und Liebesdienste auf die Beziehung zwischen Patron und Freigelassenem bezogen sind. Erstere allerdings können von jedem an jedem anderen vorgenommen werden und sind hinsichtlich einer bestimmten Fertigkeit als Profession spezifiziert.125 Aus dieser Unterscheidung kann allein also nichts für die Dienste von artifex und mediastinus gewonnen werden. Demgegenüber meint Waldstein, die Gegenüberstellung von operae fabriles und operae officiales entspreche der von operae servi artificis und mediastini, wobei die operae mediastini wiederum den operae officiales entsprechen.126 Der Nachweis einer solchen Entsprechung kann aber nicht geführt werden. Die verwendeten Begriffe bezeichnen operae in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen, die so sehr voneinander entfernt liegen, dass eine Gleichsetzung nicht in Betracht zu ziehen ist. In unserem Fall geht es um die Arbeitsleistung von ausgebildeten Sklaven einerseits und ungelernten andererseits. Mit Ehrendiensten aus dem Patronatsverhältnis haben wir es hier und auch sonst bei einem servus mediastinus nicht zu tun. Eine Gleichsetzung – auch nur dem Charakter nach127 – ist wenig sinnvoll und bringt vor allem keine neuen Erkenntnisse für den vorliegenden Fall. Zurück zur Quelle: Die Leistung eines servus artifex wird pro modo, also nach ihrer Art und damit nach ihrem jeweiligen Wert, geschätzt, die Arbeit eines servus mediastinus hingegen generell nach der Art der allgemeinen nicht weiter qualifizierten Dienste. Die unterschiedliche aestimatio muss aber näher erläutert werden. Einerseits gibt es zu jeder Zeit, in der Zahl freilich abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklungsstufe, Sklaven, die ungelernt in Massenbetrieben, z. B. in Manufakturen, Bergwerken oder in der Schifffahrt, beschäftigt sind.128 Seit Anbeginn gibt es zudem ungelernte Tätigkeiten in Haus und Hof wie z. B. atriarii und focarii, Türwärter und Küchendiener.129 Aufschlussreich für das Verständnis ist auch, dass dem servus mediastinus in den Quellen der servus ordinarius als Obersklave und der (servus) dispensator als der die Wirtschaftskasse verwaltende Sklave entgegengesetzt werden.130 Diese Sklaven besitzen eine besondere Unterweisung, mitunter sogar hervorragende Ausbildungen, die ihnen teilweise bereits im Heimatland dazu Mitteis, SZ 23 (1902), S. 143 ff.; Kaser, RP I2, S. 300. (oben Fn. 122), S. 361; noch deutlicher in FG Kaser 1986, S. 324 f. 127  Vgl. aber Waldstein, FG Kaser 1986, S. 324. 128  Vgl. Jhering II4, S. 166 ff.; M. Weber, Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht, Stuttgart 1891, S. 236 ff.; v. Lübtow, Das römische Volk: sein Staat und sein Recht, Frankfurt / Main 1955, S. 115 ff.; Westermann, RE Suppl. 6, S. 894 ff. 129  Ulp. D. 4,9,1,5. 130  Ulp. D. 47,10,15,44; zum dispensator auch J. Carlsen, Vilici and Roman estate managers until AD 284, Rome 1995, S. 147 ff. 125  Siehe

126  Waldstein



§ 2  Actiones arbitrariae39

zuteil wurden oder welche ihr dominus ihnen gewährte. Dabei ist eine solche Ausbildung auch besonders ökonomisch attraktiv, weil der dominus dadurch den Wert und die Einsatzmöglichkeit der Sklaven erhöht.131 Gleichzeitig investiert der Eigentümer so für die Zukunft in eine Art Alterssicherung. Schließlich stehen Ausbildungsniveau des Sklaven und emotionale Affinität des Herrn in direktem Bezug zueinander.132 Auch aus den eben angeführten Stellen lässt sich entnehmen, dass nicht nur selten Sklaven sehr spezialisierte und auch verantwortungsvolle Aufgaben ausführen. In diesen Zusammenhang ist der servus artifex zu setzen als einer, der eine handwerkliche Ausbildung genossen hatte und eine Art Facharbeiter war.133 Seine Dienste sollen nun also nach dem Wert geschätzt werden, der allgemein einer solchen Fachtätigkeit beigemessen wird. Die Berechnung soll sich abstrakt am Ausbildungsstand des Sklaven orientieren. Der servus mediastinus ist hingegen universeller einzusetzen: Er kann vielfältige Aufgaben im Betrieb oder Haushalt übernehmen, weswegen für die Schätzung der Dienste in diesem Fall der konkrete Tätigkeitsbereich zu betrachten ist. Die Differenzierung pro modo einerseits und secundum ministerium andererseits knüpft demnach daran an, dass sich für ausgeübte Tätigkeiten, die eine Ausbildung voraussetzen, auf der einen Seite, für ungelernte Tätigkeiten auf der anderen Seite unterschiedliche Märkte ausgebildet haben. Indes ist ein Fachmann immer seine Ausbildung wert. So konnte mit einer Fachkraft ein Verkaufspreis von bis zu 20.000 Sesterzen, mit einem Landarbeiter ein solcher bis zu 2.000 Sesterzen erzielt werden.134 Weil der ausgebildete Sklave aber immer seine Ausbildung wert ist, bleibt auch der Preis und damit der Wert der Tätigkeit konstant. Dagegen fehlt ein solches abstraktes Kriterium des Ausbildungsniveaus für ungelernte Sklaven, so dass im Einzelfall die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit den Ausschlag gibt. Hierbei ist nun der Schluss zulässig, dass sich für die servi mediastini ein Markt gebildet hat, der unterschiedliche Preise hervorbringt.135 So kann der Ofenwächter wertvoller, das heißt teurer sein als der Türwärter und dieser wiederum wertvoller als der Küchendiener. Die Schätzung hängt in Knoch, Sklavenfürsorge, S. 194 f. S. 190, vgl. z. B. auch Plin. epist. 9, 36,4. 133  Herrmann-Otto, Ancilla, S. 313 A. 46, nennt in diesem Zusammenhang z. B. Handwerker und Bühnenkünstler und verweist auf Florent. D. 18,1,43pr. und Plut. Cato maior 21. Zugleich zeigt der Blick in Plut. Crass. 2 einige weitere Beispiele wie Vorleser, Schreiber, Münzschläger, Tafeldecker. 134  Vgl. für die Zeit Justinians zur Wertsteigerung von ausgebildeten Sklaven Herrmann-Otto, Ancilla, S. 329 ff.; dort A. 73 der Verweis auf Josef Ceska zur Untersuchung der Situation im 1. und 2. Jh. n. Chr. – allerdings bleiben Luxussklaven bei der Betrachtung außer Betracht. 135  Vgl. allgemein zur Marktpreisbildung für Sklaven Sicari, Gli interessi, S.  219  ff. m. w. N. 131  Vgl.

132  Ebd.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

diesem Falle also von der zu der relevanten Zeit ausgeübten Tätigkeit ab und kann nicht allgemein pro modo vorgenommen werden. 3. Die (servi) delicati Im Rahmen dieser Schätzung schließt Ulpian eindeutig die Berücksichtigung einer affectio aus. Gleichzeitig macht er deutlich, was in diesem Fall die affectio ausmacht: diligere et in deliciis habere. Dabei kommt diligere als zusammengesetzte Form von legere und meint ursprünglich „auslesen“. Daneben tritt die Verwendung als „hochschätzen“ und – ganz entscheidend – „achten“ bzw. „lieben“.136 Die Bedeutung von deliciae ist fast schon dazu konträr. Es werden so die Lieblingssklaven bezeichnet, gleichzeitig schwingt bei deliciae die Bedeutung von „Genüsse“ und „Wollust“ mit.137 Das Wort beschreibt auch die sinnliche, fast schon überzogen schlüpfrige und obszöne Form der besonderen Beziehung zwischen zwei Menschen. Ulpian zeigt also hier im Beispiel einen Gegensatz zwischen platonischer und sinnlicher Zuneigung auf.138 Was sind aber die deliciae genau? Gewöhnlich handelt es sich bei den deliciae (oder auch delicati139) um kindliche und jugendhafte Luxussklaven, die zur Bedienung und vor allem zur Unterhaltung auch beim (Gast-)Mahl eingesetzt werden.140 Sie können daneben Spielkameraden für die Hauskinder sein. Daher genießen sie anderen Sklaven gegenüber einen Vorzug und haben eine Sonderstellung inne, weil besonders ihre garnulitas, ihre vorwitzige Geschwätzigkeit, hoch geschätzt wird.141 Auch Zwerge und Missgebildete sind unter den deliciae zu finden.142 Es handelt sich in den meisten Fällen um gekaufte Sklaven exotischer Herkunft, zu denen der dominus Heumann / Seckel11, Eintrag diligere. Georges8, Handwörterbuch, Eintrag deliciae. Andererseits verwendet Suet. Divus Titus 1,1 zur Beschreibung des Kaisers den Ausdruck amor ac deliciae generis humani, vgl. dazu Price, The Classical Weekly 39 (1945), Nr. 8, S. 58 ff. In unserem Zusammenhang ist der Bezug zu den Lieblingssklaven und deren Funktion (dazu sogleich im Text) und damit auch die hier angegebene Konnotation indes eindeutig. 138  Daher ist nicht unbedingt verständlich, warum nach Wacke, S. 576 f., der Unterschied der beiden Beispiele hier unklar sein soll. 139  Vgl. Plut. Anton. 59, 4. Die Begriffe decken sich wohl zum größten Teil, vgl. Aurigemma, Dizionario Epigrafico 2, 2, Roma 1910, S. 1603. 140  Mau, RE IV, 2, S.  2433; zu allem siehe auch Herrmann-Otto, Ancilla, S. 310 ff. 141  Vgl. auch Suet. Aug. 83; Sen. de constantia 11,3. Aber auch Quint. inst. or. 1,2,7. 142  Quint. decl. min. 298; Suet. Tib. 61. In Rom gibt es ja für diese „Kuriositäten“ einen eigenen Marktplatz, vgl. Plut. de curios. 10. 136  Siehe 137  Siehe



§ 2  Actiones arbitrariae41

keine tiefer gehende Bindung besitzt. Vielmehr stellen sie in gewisser Weise austauschbare Lustobjekte dar, in der Rolle von ἐρώμενοι143 sind sie teure Statussymbole und mit zunehmendem Alter umso uninteressanter für ihren dominus.144 Petronius Arbiter lässt seinen Trimalchio145 im Satyricon146 Entscheidendes sprechen: Tam magnus ex Asia veni, quam hic candelabrus est. Ad summam, quotidie me solebam ad illum metiri, et ut celerius rostrum barbatum haberem, labra de lucerna ungebam. Tamen ad delicias ipsimi annos quattuordecim fui. Nec turpe est, quod dominus iubet. Ego tamen et ipsimae satis faciebam. Scitis quid dicam: taceo, quia non sum de gloriosis. „Wie ich aus Asien kam, war ich nicht grösser, als dieser Leuchter. Kurz! ich pflegte mich täglich mit ihm zu messen, und damit ich bald einen Bart bekäme, so salbt’ ich mich aus dieser Lampe. Unterdessen war ich vierzehn Jahre die Geliebte, die Wollust meines Herrn; denn warum sollt ich es nicht gestehen? Was der Herr befiehlt, ist nicht schändlich. Aber doch that ich auch der Gemahlin dabey Gnüge. Ihr versteht mich! Ich schweige davon, weil ich mich nicht gern selbst rühme.“147

Meistens werden den delicati eine ordentliche Ausbildung und auch eine charakterliche Bildung nicht zuteil. Ist das Interesse des Herrn erst einmal verloren, drohen ganz akut die Verelendung und der steile Abstieg.148 Insgesamt überwiegt der Aspekt des Luxusgutes in den meisten Fällen eine wahrhafte tiefe innere Beziehung zwischen dominus und delicatus.149 Dennoch ist im Einzelfall der emotionale Bereich schwer fassbar, so dass zwar ein delicatus – wohl überwiegend – als bloßes Sexobjekt zu begreifen sein wird, aber gelegentlich auch eine Ersatzfunktion an Tochter oder Sohnes statt erfüllen kann.150 Mit Blick auf die nähere Bedeutung der affectio lässt sich bereits hier ein Unterschied zu einem schon eingangs erwähnten anderen Beispiel feststellen. Geht es z. B. in Paul.-Ped. D. 9,2,33pr. um ein paternales Näheverhält143  Sen. epist. 47, 7; 95, 24; Suet. Nero 28, 1; vgl. dazu H. P. Obermayer, Martial und der Diskurs über männliche „Homosexualität“ in der Literatur der frühen Kaiserzeit, Tübingen 1998, S. 108 f. A. 55, welcher dort auch den Meinungsstand über die sexuelle Deutung von deliciae wiedergibt. Herrmann-Otto, Ancilla, S. 310 A. 41, weist ausdrücklich auf die körperlichen und gesundheitlichen Risiken dieser Form des Missbrauchs hin. 144  Knoch, Sklavenfürsorge, S. 185. 145  Zu seinem „Werdegang“ siehe nur Herrmann-Otto, Ancilla, S. 389 und A. 92 m. w. N. 146  LXXV, 10. 147  Übersetzung von W. Heinse, Begebenheiten des Enkolp, Rom 1773. 148  So stellt Horaz sehr aufschlussreich den „Niedergang“ eines delicatus als Metapher für das Schicksal seines eigenen Buches dar, Hor. ep. 1, 20. 149  Knoch, Sklavenfürsorge, S. 186. 150  Herrmann-Otto, Ancilla, S. 401 f.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

nis zum filius naturalis, der über den eigentlichen Sachwert hinaus wertvoller ist,151 klingt doch an dieser Stelle deutlich eine andere Form von affectio mit. Der Ausdruck in deliciis habere unserer Stelle lässt diese erahnen und erspüren. Die besondere Beziehung vollzieht sich zu gewissen Teilen auf einer Ebene, die weniger familiär als schlicht erotisch und sexuell ausgestaltet ist. Die delicati sind eben nur vereinzelt emotional genauso väterlich mit ihren domini verbunden wie filii naturales.152 In der Mehrzahl bleiben sie austauschbare Lustobjekte.153 Als diese besitzen sie zwar einen Marktwert, stiften aber je nach Vorliebe des einzelnen dominus einen darüber hinausgehenden einzigartigen Mehrwert. Die Quelle spielt darauf deutlich an. Der durchaus auch familiär bezogene Begriff affectio wird, wenn auch nicht verschoben, so jedenfalls überlagert. Ulpian hätte auch hier entsprechend den anderen Fällen vom filius naturalis sprechen können. Der Schätzung der Dienste an dieser Stelle liegt jedoch eine andere Beziehung zwischen dominus und Sklaven zugrunde. 4. Die juristische Bewertung dieser Beziehung Aus juristischer Sicht lassen sich zwei klare Rückschlüsse auf die Bewertung dieser vornehmlich affektuösen Beziehung ziehen.154 Zum einen gibt die lex Aelia Sentia weiteren Aufschluss, nach der es für delicati im Gegensatz zu den filii naturales155 keine iusta causa für eine vorzeitige Entlassung gibt.156 Die lex (4 n. Chr.157) gehört in den Rahmen der Reformgesetzgebung des Augustus, mit denen er die strengen Sitten der guten Tradition – wie schon mittels der Luxusgesetze – wiederherstellen wollte.158 Sie setzt für eine 151  Siehe

dazu unten, Zweiter Teil, § 4 I. 1. nicht gesagt ist, dass es auch den umkehrten Fall gibt, in dem der Vater zu seinem leiblichen Sohn ein weniger inniges Verhältnis aufbaut als zu einem delicatus. Über diese Ersatzfunktion wurde eben schon gesprochen. 153  So auch M. Garrido-Hory, „Puer“ et „Minister“ chez Martial et Juvénal, in G. Cordiano / M. Pettinato (Hrsg.), Schiavi e dipendenti nell’ambito dell’oikos e della familia: atti del XXII Colloquio GIREA, Pontignano (Siena), 1995, Pisa 1997, S. 313, 317. 154  So auch Hermann-Otto, Ancilla, S. 312. 155  Dazu sogleich im Text. 156  Ulp. D. 40,2,16pr.: … in causis probandis … non ex luxuria … neque enim deliciis sed iustis affectionibus; zur lex siehe Gai. 1,13–34 und 36–41 und 65–70. 157  M. De Dominicis, Scritti romanistici, Padova 1970, S. 181; A. Watson, Roman slave law, Baltimore 1987, S. 29. 158  Kaser, RP I2, S. 296 f.; vgl. De Dominicis, APer. 52 (1932), S. 91 ff.; 58 (1949), S. 109 ff. 152  Womit



§ 2  Actiones arbitrariae43

wirksame Freilassung bestimmte Altersgrenzen fest: So muss der Freilasser mindestens 20, der Freigelassene wenigstens 30 Jahre alt sein. Nur bei Bestehen einer iusta causa dürfen Sklaven vorzeitig und ohne Rücksicht auf die Altersgrenzen freigelassen werden.159 Diese causae sind in der lex exakt bestimmt und lassen deutlich erkennen, welche emotionale Beziehungen zwischen dominus und Sklaven maßgeblich sein sollen: z. B. filii naturales, nutrices, paedagogi.160 Es gilt nur eine honesta causa: non ex luxuria sed ex affectu, non deliciis sed iustis affectionibus.161 Daraus lässt sich aber in einem weiteren Schritt auf diejenigen iustae affectiones schließen, die im Rahmen der lex Aelia Sentia Beachtung finden.162 Darunter befindet sich die „delikate“ Beziehung zwischen dominus und deliciae nicht. Vielmehr gehört diese Form der zwischenmenschlichen Beziehung gerade deshalb nicht zu den iustae affectiones, weil sie eine andere emotionale Ebene anzusprechen scheint und nicht so sehr auf gefühlsmäßiger Verbundenheit denn auf schlichter Prunksucht und Triebbefriedigung beruht. Die Gegensatzpaare, welche die lex hier bildet, sind luxuria gegenüber affectus und deliciae gegenüber affectiones. Das Gesetz erkennt bestimmte Affektionen als für die Freilassung rechtlich relevant an und verwirft zugleich anrüchige als nicht ausreichend, um die Ebene einer die zwischenmenschliche Beziehung prägenden Emotionalität zu erreichen. Ganz entscheidend ist an dieser Stelle die Erkenntnis, dass dem Begriff der affectio unterschiedliche Bedeutungs- und Konnotationsebenen zugrunde gelegt werden. Neben die paternale Affektion, die bei der lex Aelia eine iusta causa darstellt, tritt die amouröse Affektion, die bei den delicii in D. 7,7,6,2 sinngebend für den Begriff und aber auch verpönt zu sein scheint. So oszilliert die Bedeutung des Begriffs je nachdem, welche Art der Beziehung angesprochen wird. Das bedeutet aber einmal mehr, dass es sinnlos und verfehlt ist, Begriffen in den Quellen hinterherzujagen, ohne auf ihren Kontext und ihre Verwendung im Einzelfall zu sehen. Insofern ist es kein Widerspruch, wenn einerseits die affectio zum filius naturalis im Rahmen des Schadensersatzes bei Paul.-Ped. D. 9,2,33pr. unberücksichtigt bleibt, sie gleichzeitig aber eine iusta causa für eine vorzeitige Freilassung darstellt. Es erscheint in diesem Zusammenhang wahrscheinlich, dass mit der lex einem Sittenverfall in der konkreten Form von übersteigertem und zum Teil pervertiertem emotionalen Näheverhältnis zwischen dominus und Sklave Buckland, Slavery, S. 539. 1,18; auch Ulp. D. 40,2,11–15. 161  Ulp. D. 40,2,16. 162  Knoch, Sklavenfürsorge, S. 196. 159  Vgl. 160  Gai.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

entgegengetreten wird und dass daher diese Form der affectio keine Billigung erfährt. Gleichzeitig können die freigelassenen delicati in Ermangelung einer Ausbildung auch keinen förderlichen Beitrag zur Bürgerschaft erbringen, weswegen ihre „Einbürgerung“ verhindert werden soll.163 Die lex zielt demnach darauf ab, die Zahl der Einzubürgernden zu verringern, um ungeeignete und unerwünschte Neubürger außen vor zu lassen.164 Den anderen Aufschluss über die rechtliche Bewertung der besonderen Beziehung zwischen dominus und Sklave gibt die hier untersuchte Stelle. Sie kann auch dafür herangezogen werden, die Geringschätzung und rechtliche Zurückweisung dieser „delikaten“ Wertschätzung des Sklaven durch seinen dominus zu verdeutlichen, indem die besonderen Dienste nicht veranschlagt werden.165 5. Nochmals zur sedis materiae Hierbei muss man sich fragen, wessen affectio dabei überhaupt in Rede steht. Für die eindeutige Aussage der Quelle ist eine solche Überlegung eher gleichgültig, doch kann sie das Verständnis für die hinter der Entscheidung liegende Begründung fördern. Der Wortlaut des Paragraphen zwei ist insofern eindeutig, wenn er davon spricht, dass der dominus den Sklaven besonders gern gehabt hat (dominus eum dilexerit). Demnach ist im Rahmen der persönlichen Wertschätzung auf den dominus abzustellen, also nach der von Raber angebotenen Verortung des Ulpian-Fragments auf den Erblasser bzw. auf den eigentlichen dominus im Fall 163  Kaser, RP I2, S. 296 f., spricht von „unwürdigen Elementen“. Vgl. auch Suet. Aug. 40,3: magni praeterea existimans sincerum atque ab omni colluvione peregrini ac servilis sanguinis incorruptum servare populum, et civitates parcissime dedit et manumittendi modum terminavit. 164  Die Bedeutung von colluvio (vorherige Fn.) geht mit Unrat und Mischmasch klar in diese Richtung. Ob daneben weitere differenziertere Argumente für die angesprochene Gesetzgebung des Augustus zu finden sind, soll hier nicht weiter untersucht werden, vgl. dazu E. G. Atkinson, The Irish Jurist 1 (1966), S. 356 ff., 358 ff. und 367 ff., die darauf verweist, dass sich die meisten Autoren die Sicht Suetons für die Bewertung der augusteischen Gesetze zu eigen gemacht haben. Sie verweist auf A. Duff, Freedmen in the early Roman Empire, Cambridge 1958, S. 30 und 31 mit A. 1; W. Buckland, A Text-book of Roman law from Augustus to Justinian, Cambridge 1963, S. 79; De Dominicis (oben Fn. 157), S. 181 ff. Sie selber rückt insgesamt den Aspekt des Gläubigerschutzes stärker in den Vordergrund (S. 370 ff.). 165  So verfährt auch Herrmann-Otto, Ancilla, S. 312, wenn sie für die juristische Bewertung der besonderen Beziehung von servus delicatus und dominus zusammenfasst, dass einerseits für seine Freilassung keine iusta causa i. S. d. lex Aetia Sentia besteht, andererseits seine Dienste gerade nicht zur Grundlage der schätzbaren operae servorum gemacht werden.



§ 2  Actiones arbitrariae45

der condemnatio adsertoris nach Lenel.166 Unverständlich erscheint aber die Annahme Rabers, die Zuneigung des Legatars sei entscheidend.167 Aus dieser unzutreffenden Annahme zieht er im Weiteren den Schluss, geschuldet gewesen sei eben nur die Dienstleistung an sich und nicht die spezielle Leistung durch den individualisierten Sklaven. Dies trägt aber als sachliche Begründung nicht den Ausschluss der affectio. Gerade der Fall des Lieblingssklaven macht deutlich, dass es – unterstellt, Rabers Verortung träfe zu – dem Erblasser nicht um eine „mittlere“ Sklavenleistung (deswegen diligere, in deliciis habere) gegangen ist, sondern er das Legat besonders ausgestaltet hat. Hier wird die Quelle in einer Bedeutung begriffen, die ihrer eigentlichen Aussage nicht gerecht wird. Infolge dieser Überlegungen erscheint die von Raber vorgeschlagene sedes materiae eher als eine Art petitio principii, wenn er den Ausschluss der affectio durch die sedes materiae des Problems erklären will. Zudem lässt der in der Stelle erwähnte Aufwendungsersatz eher auf die Zuordnung Lenels schließen, weil im Rahmen der rei vindicatio ein solcher plausibler erscheint als im Erbfall nach der Zuordnung durch Raber. Schließlich fügt sich auch die explizite Erwähnung der delicati besser in das Bild des Freiheitsprozesses ein. Wie bereits gesehen, werden diese eben nicht selten freigelassen oder es wird ihnen die Freilassung versprochen. Dass sich die Meinung des dominus darüber durchaus auch wieder ändern und es daher zum Streit im Prozess kommen kann, ist gut vorstellbar, wenn man sich die besondere Situation und die affektuösen zwischenmensch­ lichen Beziehungen zwischen delicatus und dominus klarmacht. In diesem Zusammenhang soll noch einmal auf die besondere Nähe und gleichzeitig auf die durchaus mögliche Ersatzfunktion hingewiesen werden, welche die deliciae bisweilen einnehmen können. Dabei kann die Statusgrenze verwischen, so dass erst ein Prozess Klarheit bringen muss. Zwar sind dies nur Annahmen, aber dennoch nicht weniger geeignet, die erörterte gefühlsmäßige Gemenge- und Interessenlage im Freiheitsprozess zu umschreiben. Im Ergebnis erscheint es insgesamt sinnvoller, bei der von Lenel vorgeschlagenen Verortung zu bleiben, den ursprünglichen Kontext beim Freiheitsprozess und dort nach weiteren, vielleicht über die spezielle verpönte affectio hinausgehenden Gründen für den Ausschluss der besonderen Wertschätzung zu suchen.

diesen beiden sedes materiae siehe schon oben Zweiter Teil, § 2 I. 1. S. 204. Konsequenter für Raber – und vor allem dem Wortlaut gemäß – wäre hier die Annahme, die Beschränkung der Bewertung des Vermächtnisses erfolge aus den gleichen Gründen, die von ihm, S. 202, auch im Rahmen von Paul.Ped. D. 35,2,62 ins Feld gebracht werden. 166  Zu

167  Raber,

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

6. Die Haftung im Freiheitsprozess Hat im Prozess der adsertor die Freiheit des serviens erfolglos verteidigt, kann der dominus Ersatz für den Ausfall der Dienste während der Prozesszeit verlangen.168 Ausgehen müssen wir dazu von der Feststellung Lenels, dass die Formel der Klage in servitutem „genau die Gestalt der rei vindicatio hat“ und also die petitio in servitutem nur eine Form der rei vindicatio ist.169 Dabei geht das formelmäßige Klageziel auf quanti ea res erit.170 Mit dem Zwischenbescheid (pronuntiatio) fordert der iudex den Beklagten auf, in natura zu restituieren (iussum de restituendo).171 Aus der futurischen Umschreibung der Formel ergibt sich der Ersatz der Prozessfrüchte.172 Bei Unmöglichkeit der Sachherausgabe, vielleicht auch bei Unmöglichkeit der Herausgabe der Früchte ist ein iussum de restituendo entbehrlich, weil sinnlos, und der Beklagte wird sofort nach der quanti-Formel auf den Schätzwert in Geld verurteilt.173 Aber auch in allen anderen Fällen erfolgt die Verurteilung im Formularprozess nach dem Grundsatz der condemnatio pecuniaria in Geld.174 Der Richter hat im Rahmen der dafür nötigen litis aestimatio den Streitgegenstand in Geld abzuschätzen.175

168  Siehe

dazu schon oben, Zweiter Teil, § 2 I. 1. EP, S. 384. 170  Man beachte indes, dass die Klage eine actio arbitraria ist. Dazu noch eingehender unten Dritter Teil, § 2 II. 171  Zu allem vgl. Herdlitczka (oben Fn. 81), S. 91 ff.; Levy, SZ 68 (1951), S. 363 f. 172  Lab.-Paul. D. 6,1,79; Ulp. D. 6,1,17,1. Vgl. Kaser / Hackl, § 42 II.; Kaser, SZ 98 (1981), S. 77 ff.; auch M. Wimmer, Besitz und Haftung des Vindikationsbeklagten, Köln 1995, S. 76 f. 173  Kaser / Hackl, § 45 IV. 2. m. w. N.; zur Entbehrlichkeit des iussum de restituendo bei Unmöglichkeit vgl. § 48 III. 174  Gai. 4,48; Ulp. D. 2,9,5; 42,1,6,1. Siehe auch Wubbe, FS Kaser (1976), S. 179 ff.; A. Romano, Labeo 28 (1982), S. 131 ff.; Koschaker, SZ 37 (1916), S. 355 ff.; Wenger, SZ 59 (1939), S. 315 ff.; Burdese, Scritti (1990), S. 175 ff.; a. A. Düll, SZ 96 (1979), S. 290 ff., der ein Wahlrecht des Sachherausgabeklägers zwischen corpus und pecunia nachzuweisen versucht; dagegen aber überzeugend Blank, SZ 99 (1982), S. 303 ff. Ob auch bereits im Legisaktionenprozess die Verurteilung nur in Geld oder auch in die Sache erfolgte, soll hier nicht weiter untersucht werden. Entscheidend dafür sind das Verständnis und die möglichen Ergänzungen von Gai. 4,48: Es geht dabei um das Hinzufügen eines sed vor sicut olim. Vgl. nur Erhardt, SZ 55 (1935), S. 36 ff.; Wenger, SZ 59 (1939), S. 315 ff.; Bonifacio, IURA 3 (1952), S. 260 ff.; und die Nachweise bei Kaser / Hackl, § 54 IV. 1. A. 24a entgegen der Vorauflage. 175  Vgl. Kaser, Krit. Vjschr. 28 (1936), S. 67 ff., 73 ff. Erst im Kognitionsprozess erfolgt sicher eine Sachkondemnation, vgl. an dieser Stelle nur A. Romano, Labeo 28 (1982), S. 147 f. 169  Lenel,



§ 2  Actiones arbitrariae47

7. Herkunft der condemnatio pecuniaria Dieser Grundsatz hat seinen Ursprung zum einen bereits im altrömischen Haftungsrecht und – mag dieses auch bei der Verurteilung in Geld gerade abwegig erscheinen – in der Personalexekution. Die manus iniectio war nur für Geldansprüche gestattet,176 so dass es bei Ansprüchen in rem erst eines arbitrium litis aestimandae als Schätzungsverfahren bedurfte, um die Vollstreckung zu ermöglichen.177 So konnte sich der Gläubiger die Befriedigung seiner Rache durch die Zahlung eines Lösegelds abkaufen lassen.178 Dieser Modus, die Bestimmung eines Lösegelds, setzte sich zum Schutz des Schuldners durch, um seine Haftungsablösung durch Dritte zu erleichtern, und bildete damit die Grundlage der condemnatio pecuniaria im klassischen Prozess.179 Eine andere Notwendigkeit der Schätzung der lis in Geld lag seit jeher in der Festsetzung der Höhe des sacramentum, je nachdem, ob der Wert der Streitsache über oder unter 1.000 asses lag.180 Gleichzeitig musste im Rahmen gewisser Delikte der XII-Tafeln nicht selten als Buße ein duplum oder triplum als poena geleistet werden, wozu ebenfalls eine Schätzung notwendig war.181 Die Geldschätzung war demnach ein althergebrachtes und bewährtes Mittel im Prozess.182 Schließlich musste bei der dinglichen Klage im Legisaktionenprozess der Besitzer vor Einlassung auf die Klage praedes litis et vindiciarum stellen. Ob und wie sich der siegreiche Kläger an die praedes halten konnte, ist im Einzelnen umstritten und unklar.183 Auf jeden Fall setzten die praedes für den Fall der Nichtrestitution der Sache ihre Person als Haftungsobjekt ein. Allerdings hafteten sie nicht wie die Bürgen des klassischen Rechts neben dem besitzenden Beklagten, sondern sie waren Geiseln, die an seine Stelle traten. Dadurch waren sie selbst in einer solch riskanten Situation, dass sie gehörigen Druck auf den Vindizienträger ausübten, die Sache zu restituieren. Sie konnten aber die Vollstreckung in ihre Person durch die Zahlung 176  Gai. 4,21 ff.; siehe nur Kaser, Quanti, S. 1; auf den Streit um die Gaiusstelle soll hier nicht näher eingegangen werden, vgl. Wenger, SZ 59 (1939), S. 339 und A.  3 m. w. N. 177  Kaser, Krit. Vjschr. 28 (1936), S. 67 ff., 70 ff.; Levy, SZ 54 (1934), S. 305 ff. 178  Koschaker, SZ 37 (1916), S. 354. 179  Kaser / Hackl, § 54 IV. 1. 180  Gai. 4,14; vgl. auch Wenger, SZ 59 (1939), S. 348 ff. 181  Z. B. XII-tab. 6,8; 8,15a; 8,16; 8,19; 8,10b. Vgl. auch Pennitz, S. 258. Wir werden das Problem unten, Zweiter Teil, § 3 I. 5., noch vertiefen. 182  Darauf weist besonders Pennitz, S. 262 f. hin. 183  Zu alldem v. Lübtow, SZ 68 (1951), S. 320 ff., 329 ff.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

einer Lösungssumme abwenden.184 Da zudem der unterliegende Besitzer hinsichtlich der Früchte der Sache seinerseits aus dem Delikt der vindicta falsa185 haftete, bei dem die Buße auf das duplum der arbitrio abgeschätzten Früchte ging, erschien es sinnvoll, die Schätzsumme jeweils nach dem Wert der Sache bzw. ihren Früchten zu bestimmen. Im späteren Sponsionsprozess hat das sacramentum als tatsächliche Strafe ausgedient und wird durch die (einseitige) Prozesswette abgelöst, in der sich der Kläger vom Beklagten einen Geldbetrag versprechen lässt für den Fall, dass die (Vor-) Frage nach dem Eigentum des Klägers positiv beantwortet wird. Um aber die Restitution tatsächlich zu gewährleisten, leistet der Beklagte anstelle der praedes eine cautio pro praede litis et vindiciarum als Sicherheit, aus welcher er neben zusätzlich gestellten sponsores selbst auf den Geldwert der Restitution haftet.186 Auch hier zeigt sich wiederum die Nähe von Sachurteil und Schätzung, die durch den Grundsatz der condemnatio pecuniaria zusammengeführt werden. Alles in allem erscheinen Ursprung und Hintergrund der condemnatio pecuniaria somit „glaubhaft gedeutet“.187 8. Begründung des Ausschlusses der affectio im Allgemeinen Wenden wir uns nach diesem kurzen Abriss wieder der Sachentscheidung unserer Quelle zu. Nach der quanti-Formel ist im klassischen Prozess also alles in Geld zu ersetzen, was der Kläger gehabt hätte, wenn er die vindizierte Sache zum Zeitpunkt der Litiskontestation bekommen hätte.188 Im Rahmen der litis aestimatio muss der Richter auch den Wert der Früchte schätzen. Warum dies aber ausdrücklich unter Ausschluss der affectio geschieht, soll nunmehr vertieft werden. In einem ersten Zugang scheint die Erwähnung durch Ulpian in D. 7,7,6,2 die Vermutung nahezulegen, dass der Ausschluss der affectio nichts Außergewöhnliches für den Juristen ist. Bereits Mommsen hat für die Arbiträrklagen auf den Zusammenhang zwischen litis aestimatio und iuramentum in litem hingewiesen und den Fokus auf deren zusammenspielende Gegensätzlichkeit gelegt.189 Er stellt die unparteiische Schätzung durch den Richter in Form der Litisästimation Provera, Contributi, S. 74 f.; Pennitz, S.  258  f. m. w. N. 12,3; vgl. auch Broggini, Origini, S. 129 f. 186  Gai. 4,89; 4,91–95. Zur cautio pro praede vgl. Lenel, EP, S. 516 ff. 187  So die Formulierung bei Kaser / Hackl, § 54 IV. 2. 188  Dazu Medicus, S. 246 ff.; Kaser, Restituere, S. 6 ff.; 68 ff.; ders., Quanti, S. 9 ff. Siehe auch Paul. D. 50,16,35; Paul. D. 5,3,40pr.; Gai. D. 6,1,20. 189  Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 103. Das Problem des iusiuran­ dum in litem wird später noch ganz ausführlich zu behandeln sein. 184  Vgl.

185  XII-tab.



§ 2  Actiones arbitrariae49

der Schätzung durch den Kläger für den Fall der contumacia in Form des iuramentum in litem entgegen. Bedenkt man nun weiter, dass die Anweisung Ulpians in der Quelle sich an den Richter wendet, soll dieser bei seiner objektiven Schätzung nur auf den allgemeinen Wert der Dienste für jeden möglichen Berechtigten, das heißt nach unserer Lesart der Quelle für jeden möglichen Eigentümer, abstellen. Der mutmaßliche Wert für jeden gedachten Eigentümer ist dabei der Ausgangspunkt seiner Überlegung.190 Die Bemessung des quanti ea res erit geschieht durch den iudex, im Gegensatz zum später möglichen iuramentum in litem, bei dem der Kläger seine eigene Wertvorstellung formulieren und im Anschluss in Geld zugesprochen bekommen kann. Daraus folgt also, dass für die Bestimmung der zu schätzenden Sache ein subjektiver Maßstab angelegt wird: Der Richter hat die Streitsache, die lis191, die herauszugeben oder zu schätzen ist, aus der Warte und mit dem subjektiven Blick des Klägers zu bestimmen.192 Allein die Schätzung dieser Sache erfolgt nach objektiven Kriterien, um insofern den Beklagten ohne contumacia nicht schon dem schärfsten Druckmittel, nämlich der Schätzung nach der Werthaltigkeit für den Kläger, also dem sich möglicherweise anschließenden iuramentum in litem, auszusetzen.193 Auch bei der Bewertung der Dienste als Prozessfrüchte muss der Richter diese Maßgabe und dieses Zusammenwirken der Prozessphasen berücksichtigen und daher den Wert ohne affectio bestimmen. Zudem ist im Fall der Sklavendienste ihre Herausgabe nach Prozessende sowieso unmöglich, so dass das Druckmittel des iuramentum in litem ins Leere liefe und die Zulassung eines subjektiven Bewertungsmaßstabs gar nicht zur Sachherausgabe an dieser Stelle motivieren könnte.194 Daher ist auch unter prozessualen Gesichtspunkten eine höhere Schätzung in diesem Fall nicht angebracht.

190  Kaser,

Quanti, S. 63. im Fall des restituere eigentlich die restitutio rei, d. h. nicht nur die Sache als solche, sondern eben auch die Prozessfrüchte, vgl. Kaser, Quanti, S. 11 ff. 192  Vgl. Kaser, Quanti, S. 11 ff., zusammenfassend S. 64. 193  Siehe zum Druckmittel des iuramentum in litem Kaser / Hackl, § 48 IV. und § 54 IV. 1.; Wenger, SZ 59 (1939), S. 357 und 360 f., der darauf – was häufig genug übersehen wird – hinweist, dass der Beklagte auch aus Gerechtigkeitssinn und Pflichtgefühl dem Restitutionsbefehl nachgekommen sein kann. Zum Druckmittel siehe auch noch Blank, SZ 99 (1982), S. 309, 311, der den Begriff des mittelbaren Zwangs anführt. v. Lübtow, SZ 68 (1951), S. 350 f., nennt es indirekten Zwang. 194  Zur Motivations- und Straffunktion eingehender noch unten, Dritter Teil, § 1 III. 191  Genauer

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

9. Begründung der Lösung im Besonderen Bei der Entscheidung gegen die Berücksichtigung der affectio wird man für den Freiheitsprozess zudem noch Folgendes bedenken müssen: Der adsertor ist einerseits weder durch die Dienste des serviens während der Prozesszeit bereichert, weil dieser als Freier ihm solche ja nicht schuldet.195 Andererseits kommt der adsertor einer moralischen Verpflichtung nach. Das heißt, er selbst zieht keinen direkten wirtschaftlichen Nutzen aus dem Freiheitsprozess. Daher erscheint es auch in diesem Zusammenhang nicht sachgerecht, ihn damit zu beschweren, dass die Sklavendienste aus Klägersicht und damit möglicherweise höher als allgemein üblich bewertet werden. Insofern ist das Auftreten als adsertor nämlich nicht contumax, also störrisch, sondern folgt aus einem gewünschten und edlen Motiv. Man könnte sagen, der favor libertatis erstrecke sich über den serviens hinaus auch auf seinen Fürsprecher. Ihn zu betrachten, als sei er contumax, und daher die klägerische der richterlichen Bewertung vorzuziehen, würde ihn über Gebühr belasten und den favor aushebeln. Ein anderer Grund ist der eigentümlichen Situation während des Prozesses und dem favor libertatis immanent: Gilt der serviens als frei, kann sein dominus die Dienste, zu denen er einen subjektiv stärkeren Bezug hat, das heißt, die ihm wegen der Einzigartigkeit des serviens teurer sind, nicht von ihm verlangen. Er müsste sie also am Markt nachzufragen versuchen. Dem Wesen der affectio entspricht es aber, dass das Angebot einmalig ist, ein darüber hinausgehendes Angebot und vice versa eine Nachfrage unmöglich sind. Der dominus kann sich freilich nur zum Marktpreis mit Ersatzdiensten eindecken. Der darüber hinausgehende Teil seines Geldersatzes würde aber den favor libertatis konterkarieren und fingieren, es hätte während der Prozesszeit ein solches Angebot gegeben. Ein solches Angebot kam aber bezüglich des serviens wegen seines Statuswechsels gerade nicht in Betracht. Gibt es demnach im Prozess keinen „Lieblingssklaven“, können auch nicht seine wertvolleren Dienste zur Grundlage der Berechnung gemacht werden. Der Statuswechsel schlägt insofern gerade auch auf das besondere Verhältnis zwischen Sklave und dominus durch. Allerdings bliebe dann zu klären, warum der adsertor die Impensen gegen den dominus in Anschlag bringen kann. Ist der serviens während des Prozesses frei, muss er für sich selbst aufkommen und sich unterhalten. Ob er dies im Einzelfall auch kann, ist wohl fraglich. Die Quelle scheint eher den Schluss nahezulegen, dass der 195  Der serviens ist dem adsertor als einer Art Patron in der Prozesszeit vielleicht zu operae officiales verpflichtet. Jedenfalls gibt es seit dem 2. Jh. zwischen Patron und libertus eine im Kognitionsverfahren vor dem Konsul durchsetzbare Unterhaltspflicht, die der von Eltern und Kindern ähnelt. Vgl. Ulp. D. 25,3,5 und §§ 18–26 und Kaser, SZ 58 (1938), S. 110 ff.



§ 2  Actiones arbitrariae51

adsertor im Zweifel auch den Unterhalt des serviens in der Prozesszeit übernimmt, wenn er die Impensen gegen die Ersatzzahlung in Stellung bringen kann. 10. Ergebnis Als Ergebnis bleibt Folgendes zu Ulp. D. 7,7,6,2 festzuhalten: Einerseits haben wir den schillernden Begriff der affectio kennengelernt und gesehen, dass dieser durchaus auch negativ besetzt sein kann. Andererseits haben wir einleuchtende Gründe dargestellt, warum der adsertor im Freiheitsprozess lediglich den objektiven Wert der entgangenen Dienste des servus ersetzen muss. Gleichzeitig lässt sich die Aussage Ulpians aber sinnvoll auch für die rei vindicatio verallgemeinern. Nach der Formel des quanti ea res erit wird die Sache geldmäßig durch den iudex bestimmt, der dabei eine am von ihm bestimmten Sachwert orientierte Schätzung vornimmt. Unabhängig von dieser Schätzungsmethode ist zunächst die Frage nach dem Schätzungseid des Klägers für den Fall der contumacia durch den Beklagten. 11. Exkurs: Venonius D. 46,8,8,2 (15 stipul.) Eine weitere im Zusammenhang mit dem Freiheitsprozess häufig als Beleg für die Berücksichtigung der affectio genannte Quelle findet sich bei Venuleius196 in D. 46,8,8,2 (15 stipul.): Si quis a procuratore status controversiam patiatur, satis accipere debet a procuratore, ne impune saepius pro suo statu conveniretur et, si dominus venientesque ab eo personae ratum non habuerunt, quod procurator eum in servitutem petierit vel adversus procuratorem ex servitute in libertatem petitus fuerit, quanti ea res est, ei praestetur, scilicet cum de libertate eius constiterit, i d e s t q u a n t i i n t e r f u e r i t e i u s d e s t a t u s u o r u r s u s n o n p e r i c l i t a r i et propter impendia, quae in litem fecerit. sed Labeo certam summam comprehendendam existimabat, quia aestimatio libertatis ad infinitum extenderetur. ex quo autem dominus ratum non habuerit, committi videtur stipulatio, sed non ante ex ea agi poterit, quam de libertate iudicatum fuerit, quia, si servus sit iudicatus, inutilis fit stipulatio, cum et, si qua sit actio, eam domino adquisisse intellegitur. Wenn jemand von einem Prokurator in einen Rechtsstreit über seinen Status verwickelt worden ist, muss ihm vom Prokurator Sicherheit geleistet werden, dafür dass er nicht ungesühnt noch einmal in einen Statusprozess verwickelt wird. Wenn der dominus und die von ihm abstammenden Personen nicht genehmigt haben werden, dass der Prokurator ihn in servitutem geklagt hat, oder andersherum, dass gegen den Prokurator aus der Sklaverei in libertatem geklagt wurde, so soll ihm geleistet werden, was die Sache wert ist, wenn seine Freiheit festgestellt ist: Das 196  Zu

seiner Person vgl. nur Kunkel, Herkunft, S. 181 ff.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

heißt, s o h o c h s e i n I n t e r e s s e i s t , n i c h t n o c h m a l h i n s i c h t l i c h s e i n e s S t a t u s v o r G e r i c h t g e b r a c h t z u w e r d e n , und wie hoch seine Auslagen für die Gerichtskosten waren. Aber Labeo hielt es für richtig, dass eine feste Summe geschätzt werden müsse, weil ansonsten die Schätzung der Freiheit ins Unermessliche ausgedehnt werden würde. Die Stipulation scheint aber zu verfallen ab dann, wenn der dominus die Genehmigung nicht erteilt hat. Aber es wird nicht eher aus der Stipulation zu klagen sein, bis ein Urteil über die Freiheit gesprochen sein wird, weil, wenn es auf Unfreiheit lautet, die Stipulation ja sowieso wirkungslos ist, weil, auch wenn eine Klage vorhanden sein sollte, sie als dem dominus erworben verstanden wird.

Die Quelle ist nicht leicht zu verstehen, die Satzreihungen machen eine Übersetzung schwierig.197 Nicht sicher zu sagen ist, ob die Übersetzung von praestetur korrekt ist. Otto / Schilling / Sintenis reihen das Prädikat neben debet verbunden durch et. Dann muss der Konjunktiv beachtet werden und so wie hier mit „soll“ wiedergegeben werden. Geht man von der vorgeschlagenen Zeichensetzung aus, wäre praestetur Prädikat in einem zweiten durch et angehängten ne-Satz, was den Konjunktiv erklärt, den Sinn der Stelle aber wohl entstellt. Zu dieser Schwierigkeit finden sich allerdings in den Editionen und bei den Übersetzern keinerlei Hinweise. Vielleicht wurde verkürzend und damit den Sinn verstellend in den Paragraphen eingegriffen. Allerdings wird mit der Übersetzung klar, dass es auch nicht um die affectio in unserem Sinne geht. Mögen hier andere immaterielle Aspekte eine Rolle spielen, z. B. Genugtuung für erlittene Aufregung oder die Beeinträchtigung des guten Rufes.198 Mag es auch um tatsächliche Vermögensnachteile gehen, weil die wiederholte Bestreitung des Status sich vielleicht auf die Kreditwürdigkeit auswirken kann.199 Eine besondere Wertschätzung wird jedenfalls weder ersetzt noch irgendwie berücksichtigt.

II. Klagen nach der lex Falcidia Ein deutlicher und für die Rezeptionsgeschichte bedeutsamer Beleg für den Ausschluss der besonderen Wertschätzung ist in D. 35,2,63pr. (Paul. 2 ad l. Iul. et Pap.) auf uns gekommen. P re t i a re r u m n o n e x a f f e c t u n e c u t i l i t a t e s i n g u l o r u m , s e d c o m m u n i t e r f u g u n t u r. Nec enim qui filium naturalem possidet tanto locupletior est, quod eum, si alius possideret, plurimo redempturus fuisset. Sed nec ille, qui filium alienum possidet, tantum habet, quanti eum patri vendere potest, nec exspectandum est, dum vendat, sed in praesentia, non qua filius alicuius, sed qua dazu Tafaro, Quanti, S. 30 f. S. 157; schon Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 125, deutet die Nähe zur actio iniuriarum an. 199  Vgl. Wacke, S. 572 A. 71; Medicus, S. 268. 197  Vertiefend 198  Honsell,



§ 2  Actiones arbitrariae53 homo aestimatur. Eadem causa est eius servi, qui noxam nocuit: nec enim delinquendo quisque pretiosior fit. Sed nec heredem post mortem testatoris institutum servum tanto pluris esse, quo pluris venire potest, Pedius scribit: est enim absurdum ipsum me heredem institutum non esse locupletiorem, antequam adeam, si autem servus heres institutus sit, statim me locupletiorem effectum, cum multis causis accidere possit, ne iussu nostro adeat: adquirit nobis certe cum adierit, esse autem praeposterum ante nos locupletes dici, quam adquisierimus. D e r We r t v o n S a c h e n w i r d n i c h t n a c h d e r p e r s ö n l i c h e n Z u n e i gung und dem Nutzen für den Einzelnen bestimmt, sondern a l l g e m e i n . Und daher ist derjenige, der einen leiblichen Sohn besitzt, nicht um das vermögender, für das er ihn teurer zurückkaufen würde, wenn ein anderer ihn besäße. Und auch derjenige, der einen fremden Sohn besitzt, hat nicht so viel in seinem Vermögen, für wie viel er den Sohn dem leiblichen Vater verkaufen könnte. Denn der Wert des Sohnes ist nicht in dem Zeitpunkt zu betrachten, zu dem er tatsächlich verkauft, sondern in der Gegenwart, in der nicht der Wert irgendeines Sohnes geschätzt wird, sondern konkret dieser Mensch. Und genauso ist es in dem Fall, dass ein Sklave der Noxalhaftung unterliegt: Denn auch hierbei ist der Delinquent durch seine Tat nicht etwa wertvoller geworden. Und auch ein Sklave, der nach dem Tod des Erblassers als dessen Erbe eingesetzt ist, ist nicht das mehr wert, das man für ihn bekommen kann. Pedius schreibt nämlich, es sei abwegig, dass, wenn man selber als Erbe eingesetzt sei, vor Antritt der Erbschaft nicht bereichert sei, wenn aber ein Sklave eingesetzt sei, man sofort bereichert sei. Denn es könne viele Gründe dafür geben, dass der Sklave auf unser Geheiß nicht antritt. Mit Sicherheit erwerbe er für uns, wenn er die Erbschaft antrete. Uns, bevor wir angetreten haben, aber bereichert zu nennen, sei vorgegriffen.

Paulus berichtet uns hier im Rahmen der Wertberechnung von Nachlassen und Legaten sehr eindeutig davon, dass pretia rerum nur communiter bestimmt werden. Obschon der Aufbau der Untersuchung nach Klagen es gebietet, die Quelle hier im Rahmen der Arbiträrklagen zu nennen, werden wir sie ganz ausführlich in Zusammenschau mit Paul.-Ped. D. 9,2,33pr. und damit im Rahmen der gemischten Strafklagen betrachten müssen.200 Die parallelen angeführten Beispiele legen dieses Vorgehen nur allzu nahe. Hier sei im Vorgriff allein festgehalten, dass sich für die Berechnung von Nachlassen und Legaten nach dem allgemeinen Wert sehr plausible Gründe finden lassen werden, so dass am Ausschluss der affectio kein Zweifel bestehen kann. Um das Ergebnis hier nur anzudeuten, sei gesagt, die Wertbestimmung nach objektiven Grundsätzen ist dann sehr sinnvoll, wenn nach teleologischen Gesichtspunkten die lex Falcidia nicht unterlaufen werden soll. Die Berechnung der „Falzidischen Quart“ muss nach dem allgemeinen Wert und nicht nach der subjektiven Einschätzung des Erblassers geschehen, damit die Pflichtteile der Erben auch tatsächlich den vierten Teil der Erbschaft am Markt erlösen können und nicht dahinter zurückbleiben. 200  Siehe

dazu unten, Zweiter Teil, § 3 I. 2.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

III. Actio Fabiana Im Rahmen der fraudulösen Schädigung des Patrons durch seinen libertus finden wir ebenfalls einen wertvollen Hinweis zur Berücksichtigung der affectio. 1. Ulpian D. 38,5,1,15 (44 ad ed.) als Ausgangsquelle Et alias videamus, si dicat patronus rem quidem iusto pretio venisse, verumtamem hoc interesse sua non esse venundatam inque hoc esse fraudem, quod venierit possessio, in quam habet patronus affectionem vel opportunitatis vel vicinitatis vel caeli vel quod illic educatus sit vel parentes sepulti, an debeat audiri volens revocare. Sed nullo pacto erit audiendus: fraus enim in damno accipitur pecuniario. Ob der Patron, der einen Widerruf ausüben will, gehört werden muss, sehen wir anders, wenn er sagt, dass irgendeine Sache zum normalen Preis verkauft wurde, gleichwohl es nicht sein Interesse war, dass die Sache verkauft wurde, und dass er dabei benachteiligt wurde, weil es sich beim verkauften Grundstück um eines handelt, zu dem der Patron eine besondere Vorliebe hat, wie zum Beispiel zu seiner günstigen Lage, seiner Nachbarschaft, dem Himmel darüber, dem Umstand, dass er dort großgezogen wurde oder dass seine Eltern dort begraben liegen. Vielmehr wird er auf keine Art und Weise gehört: Denn eine Benachteiligung [des Patrons] wird nur bei einem Vermögensschaden angenommen.

Ulpian begegnet uns hier mit einem Paragraphen aus dem Titel si quid in fraudem patroni factum sit.201 Es geht um die Frage, wann der Patron ein Rechtsgeschäft seines Freigelassenen widerrufen kann, weil dieser in arglistiger Weise seinem Freilasser zu schaden versucht hat. Voraussetzung für die Gestattung des Widerrufs durch den Patron ist die fraudulöse Handlung des libertus.202 Entscheidend ist die Absicht des Freigelassenen, unabhängig von der Kenntnis oder der Absicht des Leistungsempfängers.203 Die Voraussetzung des dolus muss also nur in der Person des libertus vorliegen.204 Der Freilasser kann bei mehreren alienati in gleicher Weise gegen alle vorgehen, um den ihm zustehenden Anteil zu erhalten.205 Ulpian spielt im ersten Fragment des einschlägigen Titels alle denkbaren Möglichkeiten des Verbleibs 201  D. 38,5;

siehe auch C. 6,5. D. 38,5,1,3: omne autem, quodcumque in fraudem patroni gestum est, revocatur und Ulp. D. 38,5,4pr.: quodcumque dolo malo liberti alienatum est, faviana actione revocatur. 203  Leist / Glück, S. 553; Voci, DER II2, S. 752; D’Ors, IURA 30 (1979), S. 94 ff., 95; Levy, Privatstrafe, S. 70; Kaser, Restituere, S. 35. 204  Ulp. D. 38,5,1,4: dolum accipere nos oportet eius qui alienavit, non eius cui alienatum est. 205  Ulp. D. 38,5,1,11: aequaliter patronus adversus omnes in partem sibi debitam sive faviana sive calvisiana experietur. 202  Ulp.



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der „weggegebenen“ Sache durch und handelt die Fälle deduktiv und eingängig ab. Dem libertus ist es untersagt, mortis causa oder auch inter vivos über sein Vermögen in Schädigungsabsicht zulasten seines Patrons zu verfügen. Hintergrund dieser Regelung ist der Umstand, dass dem Patron, der sich von seinem Freigelassenen keine Dienste hatte versprechen lassen,206 die Hälfte der Erbschaft des libertus als debita portio,207 als Pflichtteil, zusteht, wenn der Freigelassene nicht von eigenen Kindern beerbt wird.208 Wendet der Freigelassene dem Patron hingegen weniger als diesen Teil zu, kann dieser mit der bonorum possessio contra tabulas die Einweisung in die debita portio verlangen.209 Von der bonorum possessio contra tabulas muss man die querela inofficiosi testamenti unterscheiden.210 Infolge des abnehmenden Familienbewusstseins und der Missbräuche der Testierfreiheit in der späten Republik setzt man zum Schutz grundlos Enterbter nicht etwa bei den bestehenden prätorischen Regeln contra tabulas an, sondern schafft einen davon stark ab­ weichenden Schutz durch die querela inofficiosi testamenti mit dem Anknüpfungspunkt der Pflichtwidrigkeit bzw. des color insaniae211 und der Möglichkeit einer iusta causa irascendi, somit einer Rechtfertigung der Enterbung.212 Der Prätor213 unterstellt diesen Pflichtteil zusätzlich aber einem weiter gehenden Schutz gegen schädigende fraudulöse Verfügungen durch den Freigelassenen, damit die debita portio dem Patron ungeschmälert und un206  Vgl. PS 3,2,5 = D. 37,14,20. Siehe zu den Verpflichtungen des libertus allgemein z. B. Quint. decl. min. 388, 23: ‚huic‘ inquit ‚debeo manus, operas, testamentum‘. Vgl. dazu auch Wycisk (oben Fn. 110), S. 61. 207  Gai. 3,41; Ulp. D. 38,2,3,10: totiens ad bonorum possessionem contra tabulas invitatur patronus, quotiens non est heres ex debita portione institutus. Vgl. dazu auch Masi Doria, Bona libertorum, S. 228 ff.; La Pira, Successione, S. 386. Sicari, Gli interessi, S. 58 A. 63. Siehe auch C. 6,4,4,15–16b: Justinian setzt die debita portio später auf ein Drittel herab, weswegen dimidia pars in den Digesten getilgt wurde, vgl. z. B. Ind. Int. zu D. 38,2,1,2; Zoz De Biasio, I rimedi, S. 12; Kaser, RP II2, S. 522 mit A. 65. 208  Siehe nochmals Gai. 3,41 = Inst. 3,7,1; vgl. Francke, S. 487, 490. Voci, DER II2, S. 752. Vgl. aber auch Gai. 3,40: olim itaque licebat liberto patronum suum inpune testamento praeterire; dazu und zur Entstehung und Entwicklung La Pira, Successione, S. 376 ff.; vgl. auch Lavaggi, Studi Vassalli II, S. 997 ff. 209  Vgl. zu allem auch prägnant Oliviero, Labeo 50 (2004), S. 239 ff., 244 f. 210  Vgl. D. 5,2; Inst. 2,18. 211  Marc. D. 5,2,5. 212  Vgl. dazu Kaser, RP I2, S. 705 f., 709 ff.; Voci, DER II2, S. 670 ff. 213  Die Bestimmungen über die bonorum possessio contra tabulas werden später noch durch die lex Papia Poppaea modifiziert, Gai. 3,42; Ulp. D. 37,14,16; vgl. auch Voci, DER II2, S. 741 ff. Zur lex siehe auch noch unten Fn. 419.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

vermindert verbleibt. Geschützt wird so der Bestand des Pflichtteils in seiner dem Freilasser zustehenden Höhe. Zu unterscheiden sind als Rechtsmittel des Patrons in diesem Fall die actio Fabiana im Falle einer vom libertus testamentarisch angeordneten Erbfolge und analog dazu die actio Calvisiana für den Fall, dass es keine Testamentserben des libertus gibt.214 Der Prätor gestattet dem Patron demnach, die für den Pflichtteil nachteiligen, weil diesen vermindernden Geschäfte seines Freigelassenen zu widerrufen und Herausgabe des Erlangten von jedem Zuwendungsempfänger zu fordern. Diese Möglichkeit besteht freilich nur, soweit die Rückabwicklung der Geschäfte bis zur Deckung der ursprünglichen portio debita erforderlich ist.215 Daraus folgt für die Anstrengung der actio Fabiana als erste Voraussetzung, dass der Patron die bonorum possessio contra tabulas nachsuchen muss, was er, wie gesehen, nur kann, wenn ihm nicht seine Hälfte des Nachlasses zugewendet wurde.216 Diese Hälfte muss sich logischerweise unter Hinzurechnung der möglicherweise dolos veräußerten Gegenstände errechnen, denn anderenfalls könnte der libertus den Patron auf ½ zum Erben seines tatsächlich noch vorhandenen Nachlasses einsetzen und damit die bonorum possessio contra tabulas und die actio Fabiana ausschließen.217 Weitere Voraussetzung für die Gewährung der Klage ist, wie wir bereits kurz gesehen haben,218 dass der libertus dolo malo gehandelt hat, er also in schädigender Absicht sein Vermögen zulasten des Teils, der seinem Patron zusteht, vermindert hat. Ulpian kommt gleich zu Beginn des Fragments in der ersten lex auf die alienatio dolo malo zu sprechen. Eine solche wird in jedem Fall widerrufen. Auf die Voraussetzung und den Nachweis des dolus wird verzichtet, wenn es sich um eine Veräußerung mortis causa handelt. Dann muss der Patron lediglich den Nachweis bringen, dass die alienatio mortis causa geschah; in diesem Fall kommt es auf eine Arglist des Freigelassenen nicht an. Denn nach Ulpians (unausgesprochener) Argumentation wohnt jeder Veräußerung von Todes wegen auch ein lukrativer Anteil inne, 214  Francke, S. 490; Quadrato, Labeo 27 (1981), S. 370; Leist / Glück, S. 539. Zur geschichtlichen Entwicklung und vor allem Herkunft dieser Rechtsbehelfe vgl. nur Zoz De Biasio, I rimedi, S. 12 ff., und Masi Doria, Bona libertorum, S. 181 ff. 215  C. 6,5,1: quatenus legitima pars deminuta est. Siehe Voci, DER II2, S. 752; Masi Doria, Bona libertorum, S. 179; Zoz De Biasio, I rimedi, S. 30. 216  Nochmals Gai. 3,41, siehe oben Fn. 207. Anders nur ausnahmsweise, wenn der Patron vom libertus zum Universalerben ernannt wurde und daher keine bonorum possessio contra tabulas nachsuchen konnte, Ulp. D. 38,5,3,2. Vgl. Leist / Glück, S. 540; Francke, S. 491. Man gestattet in diesem Fall dem Patron ausnahmsweise die actio Fabiana auch ohne bonorum possessio contra tabulas. 217  So die herrschende Meinung, vgl. nur Schulz, SZ 48 (1928), S. 197 ff., 255 ff., besonders S.  257 m. w. N.; Francke, S. 490. Vgl. auch Ulp. D. 38,2,3,20. 218  Siehe oben bei Fn. 204.



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so dass die Veräußerung mit einer Schenkung verglichen werden kann.219 Der Jurist vergleicht dann die Schenkungen auf den Todesfall mit den Legaten.220 Im Fall einer donatio mortis causa ist das Vorliegen von dolus malus unerheblich, sie ist aus sich heraus für die Anerkennung des Pflichtteils beachtlich, ebenso wie ein Legat. In D. 38,5,1,15 wird das Vorliegen von dolo malo nicht ausdrücklich erwähnt, so dass wir eventuell darauf schließen können, dass es sich hier um eine (bloße) Veräußerung mortis causa handelt. Anders läge der Rechtsbehelf ja von vornherein fern. Vielleicht kann der Patron im vorliegenden Fall die Schädigungsabsicht auch nicht nachweisen und sucht deshalb den Weg über die Veräußerung mortis causa.221 Allerdings erscheint eine Schädigungsabsicht nach den Angaben im Sachverhalt, dass das Grundstück iusto pretio verkauft wurde, auch eher fernliegend. Dennoch muss bereits an dieser Stelle auffallen, dass die Lösung des Problems nicht etwa am dolus aufgehängt, sondern eine andere Begründung gesucht wird. Als dritte Voraussetzung zur Gewährung der actio Fabiana erschließt sich uns das Vorliegen von fraus.222 Im Ausdruck in fraudem patroni schwingt zwar immer ein absichtlich schädigendes Moment mit.223 Richtig begriffen umschreibt fraus zusätzlich aber auch das Ergebnis der Handlung, nämlich als dritte Voraussetzung den Eintritt einer Benachteiligung für den Patron.224 219  In Ulp. D. 38,5,1,1 fällt jedoch ein gewisser logischer Bruch auf: Ulpian spricht zu Beginn (wohl) allgemeiner noch von alienatio, um dann, ohne den im Text erwähnten argumentativen Schritt zu gehen, gleich auf die donatio abzustellen, anhand derer er die Argumentation fortführt. Dazu sofort im Text. 220  Ulp. D. 38,5,1,1: … mortis causa enim donationes comparantur legatis et sicut in legatis non quaerimus, dolo malo factum sit an non sit, ita nec in mortis causa donationibus. Zur Schenkung auf den Todesfall vgl. E. Bruck, Die Schenkung auf den Todesfall im griechischen und römischen Recht, Breslau 1909, passim; M. Amelotti, La „donatio mortis causa“ in diritto romano, Milano 1953, passim; Kaden, SZ 79 (1959), S. 621 ff. Zur Annäherung von donatio mortis causa und Legat siehe nur Kaser, RP I 2, S. 764. 221  Ganz so, wie es Ulpian in D. 38,5,1,1 selbst beschreibt. 222  Zum Begriff Krüger / Kaser, SZ 63 (1943), S. 117 ff. Die Formulierung bei Ulpian im Prinzipium ergibt folgenden Zusammenhang: Der Umstand, dass quo minus quam pars debita bonorum perveniat, stellt einen durch den Prätor auszugleichenden fraus dar. 223  Für die Klassik so auch Krüger / Kaser, SZ 63 (1943), S. 154 f., 160 f.: Anders ist vielleicht die Frage zu beantworten, ob fraus auch schon in älterer Zeit ein subjektives Element beinhaltete. 224  Vgl. zu den Bedeutungen von fraus auch Heumann / Seckel11: „Arglist“, „betrügerische Handlung“, „Benachteiligung“ und schließlich als Ergebnis „Nachteil“. Siehe auch Zoz De Biasio, I rimedi, S. 39. In diesem Zusammenhang ist die Wendung cognoscit praetor et operam dat, ne ea res ei fraudi sit am Ende von D. 38,5,1pr. auch als Paraphrase des Edikts und nicht als tatsächlicher Ausdruck Ulpians aufgefasst worden, vgl. Krüger / Kaser, SZ 63 (1943), S. 153 f. Anders aber

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

Zurück beim Fragment D. 38,5,1,15 wird gleich klar, warum die Überlegungen zu fraus so wichtig sind. Unproblematisch ist, obschon der Sachverhalt nicht ganz aufzuklären ist, dass der Patron eine Veräußerung des libertus rückgängig machen will, die auf den ersten Blick kein absichtlich schädigendes Moment und einen darauf beruhenden Nachteil aufweist. Vielmehr hatte der libertus ein Grundstück zum Marktpreis veräußert,225 wobei wir wohl davon ausgehen können, dass der Kaufpreis noch in der Erbschaft vorhanden war, der Freigelassene diesen also nicht wie z. B. in D. 38,1,5,14 oder eod. § 16 weiter verschenkt hat. Der Mehrwert, der zugunsten des Patrons in Anschlag gebracht werden soll, liegt in seiner besonderen Wertschätzung des Grundstücks, weil ihm das Grundstück über das iustum pretium hinaus lieb und teuer ist, so dass eine Veräußerung zum iustum pretium aus seiner Sicht doch eine Benachteiligung darstellt. 2. Beispiele für affectio An dieser Stelle erhalten wir wiederum einen tieferen Einblick in die Konnotationen, welche bei der Verwendung des Wortes affectio mitschwingen: Dem Patron geht es hier um die günstige Lage des Grundstücks, seine Nachbarschaft, den Luftraum darüber, sein Großwerden dort oder die Tatsache, dass seine Eltern dort begraben liegen. Als günstige Lage kommt hier zunächst also nur eine solche in Frage, die sich in dieser Gestalt für den Freilasser bietet. Es kann keine Lage des Grundstücks gemeint sein, die sich bereits im allgemeinen Wert niederschlägt, wie z. B. eine besondere Aussicht.226 Denn diesen hatte der libertus ja ausweislich der Quelle erzielen können. Es ist der Phantasie überlassen, sich hier einen passenden Fall zu konstruieren; Ulpian schweigt zur näheren Ausgestaltung. Interessanter ist dagegen die Erwähnung der vicinitas. Raber227 übersetzt schlicht mit „Nähe“. Otto / Schilling / Sintenitz IV nehmen wesentlich spezieller „Nachbarschaft“ an. Auch Palma228 folgt die dort auf S. 154, A. 20 Genannten. Der Sinn sei hier an „Schaden“ angenähert, eher farblos und passe nicht zu Ulpian, sondern in spätere Zeit. Das Problem um die mögliche nachklassische Formulierung ist aber zunächst für unsere Betrachtung nicht weiter relevant, es genügt hier der Hinweis auf den absichtlich herbeigeführten Eintritt eines Nachteils als Bedeutung von fraus. 225  Dazu Masi Doria, Bona libertorum, S. 209. Zum iustum pretium allgemein vgl. Arangio-Ruiz, Compravendita, S. 141 ff.; De Francisci, Studi Paoli, S. 211 ff.; Mayer-Maly, IURA 6 (1955), S. 138; Albertario, BIDR 31 (1921), S. 9 ff. Der Streit um die Echtheit des Ausdrucks muss hier nicht weiter verfolgt werden. 226  Vgl. modernrechtlich den „Venusberg-Fall“, RGZ 161, S. 330 ff., 338. Dazu näher MünchKomm / H.P. Westermann, 5. Auflage, München 2008, § 433 Rn. 73. 227  Raber, S. 211. 228  Iura vicinitatis: solidarietà e limitazioni nel rapporto di vicinato in diritto romano dell’età classica, Torino 1988, S. 48 f.



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dieser Deutung, wenn er feststellt, dass die affectio vicinitatis an dieser Stelle, wenn sie auch Relevanz in der „sfera personale“ besitzt, so doch gerade keinen verfolgbaren vermögensmäßigen Schaden begründen kann. Meines Erachtens wird durch die Übersetzung mit „Nachbarschaft“ der Sinn der Stelle am besten getroffen. Es wird für den Patron mehr von Belang gewesen sein als die bloß räumliche Nähe vielleicht zu seinen eigenen Grundstücken. Dieser Umstand ist am ehesten mit der auch hier gewählten Übersetzung angesprochen. Als weitere Beispiele führt Ulpian die Tatsachen an, dass der Patron auf dem Grundstück groß wurde und dass seine Eltern dort ihre Grabstätten haben.229 3. Die Lösung des Falles durch Ulpian Aus Sicht des Freilassers sollen diese Aspekte den Grund darstellen, das Geschäft des libertus widerrufen und die Veräußerung rückgängig machen zu können. Hier ergeben sich nun Schwierigkeiten im Verständnis des geltend gemachten Rechtsbehelfs, die sich zwar wegen der insoweit klaren Aussage Ulpians für den vorliegenden Fall nicht auf die Lösung auswirken, die aber das Verständnis der Stelle verbessern können. Es ist nämlich zu klären, was der Patron mit einem Widerruf erreicht hätte, oder konkreter aus der Warte des Rechtsschutzsuchenden, ob der Patron das Grundstück überhaupt für sich erhalten kann oder ob er gegebenenfalls nur wertmäßig entschädigt wird, was ihn nach der Fallkonstellation und seinem Begehren nicht weiterbringt. Dazu muss die Art der Klage näher untersucht werden. Insoweit lässt sich feststellen, dass die actio Fabiana arbiträr ist,230 das heißt, erstes Ziel ist die Herausgabe des Erlangten in Natur. Dieses Klageziel käme dem Patron hier zwar gut zupass. Damit ist aber noch nicht geklärt, ob die Sache auch dem Patron selber zufällt. Ulp. D. 38,5,1,26231 stellt insoweit zumindest klar, dass die Klage eine eigene des Patrons ist, die nicht aus der Erbschaft entspringt, sondern ihren Grund im eigenen Pflichtteilsrecht des Freilassers findet.232 Der Patron ist also zur Klage aktiv legitimiert und wird den Gegenstand an sich herausverlangen können. Die actio Fabiana bietet ihm daher grundsätzlich den gewünschten Rechtsschutz. Allerdings verneint Ulpian die Voraussetzungen der Klage im Ergebnis, weil fraus nur bei einem Vermögensschaden angenommen werden 229  Das Beispiel der parentes sepulti findet sich ja ganz ähnlich auch in Iavol. D. 38,2,36, worauf später noch näher einzugehen sein wird. 230  Paul. D. 38,5,5,1. Siehe nur Voci, DER II2, S. 753; B. Biondi, Studi sulle actiones arbitrariae e l’arbitrium iudicis, Neudruck Rom 1970, S. 165 ff. 231  Siehe auch Paul. D. 46,3,98,1. 232  Leist / Glück, S. 550; Zoz De Biasio, I rimedi, S. 54; Quadrato, Labeo 27 (1981), S. 372.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

könne. Das ist insofern eine eigentümliche Begründung, als Ulpian in diesem Fall auch auf das Fehlen des dolus abstellen könnte. Wir haben oben bereits erörtert, dass nicht geklärt war, ob ein dolus des Freigelassenen vorlag. Das bedeutet, die Art und Weise, in der der libertus das Rechtsgeschäft zulasten des Patrons geführt hat, kann nicht das den Fall entscheidende Kriterium sein. Vielmehr stellt der Jurist hier auf eine quasi nachgelagerte Tatsache ab, nämlich den Eintritt eines Nachteils für den Patron, der sich nach der gegebenen Begründung vermögensmäßig beziffern lassen muss. Die Ablehnung der actio Fabiana nullo pacto ist dann sinnvoll, wenn man das Ende von Ulp. D. 38,5,1pr. in den Blick nimmt: ne ea res [patroni] fraudi sit. Ein messbarer Nachteil ist dem Patron aber gerade nicht entstanden, weil das Grundstück iusto pretio (unabhängig vom Vorliegen einer Schädigungsabsicht beim libertus) veräußert wurde. Fraus kann dann in diesem Zusammenhang wiederum nur das Ergebnis der Handlung meinen, nämlich den Eintritt eines Nachteils bzw. eines Schadens.233 Wir sehen also, dass Ulpian an dieser Stelle mit Sinn und Zweck der actio argumentiert und sie ohne Vorliegen einer Benachteiligung nicht gestatten will.234 Ist es nämlich Sinn der Klage (Ulp. D. 38,1,5pr.: praetor operam dat, ne ea res ei fraudi sit, wobei ne ja final aufzufassen ist), dass dem Patron aus dem Geschäft des libertus kein Nachteil erwächst, wird genau dieser gewahrt, wenn bei der Veräußerung der objektiv erzielbare Marktpreis gezahlt wurde.235 So weit die Argumentation Ulpians; die Frage aber, warum denn die subjektive Beziehung des Patrons zum Grundstück ohne Belang für die Bewertung als nachteilhafte Veräußerung sein soll, haben wir damit noch nicht beantwortet. Warum genügt die Erzielung des objektiven Marktpreises 233  Ist insoweit die Verwendung des Begriffs fraus im Vergleich mit Ulp. D. 38,5,1pr. konsistent, spricht viel dafür, dass fraus (auch) dort tatsächlich ulpianischen Ursprungs ist und in der „farblosen“ Bedeutung Schaden als Ergebnis der absichtlichen Handlung verwendet wird (gegen die oben in Fn. 224 Genannten). 234  Auf diesen Sinn und Zweck, dem Patron den ihm gebührenden Wert der bona liberti zu erhalten, weist schon Levy, Privatstrafe, S. 72, hin. 235  Auch Masi Doria, Bona libertorum, S. 209, und Zoz De Biasio, I rimedi, S. 39, tendieren im Ergebnis zu diesem Verständnis der Stelle, wenn sie auch leider nicht zur Frage nach der Begründung für dieses Ergebnis kommen. Ebenso setzen Leist / Glück, S. 539, einen „in Geld taxierbaren Schaden“ voraus. Auf einen weiteren Aspekt weist Wacke, S. 578, hin, wenn er meint, der Patron hätte seine Affektion an der Sache ja selber schon gelockert, indem er das Grundstück dem libertus überlassen hatte. Wacke meint wohl, dass dadurch die Beeinträchtigung des Patrons i. S. v. fraus fragwürdig wird. Allerdings hätte doch der Jurist dann eher auf ein widersprüchliches Verhalten des Patrons rekurrieren können, wenn der Patron einerseits die Sache an den libertus weggegeben hatte, andererseits nunmehr seine ganz besondere Beziehung dazu geltend machen will.



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für die Verneinung von fraus als Nachteil im Sinne der Bestimmung der actio Fabiana? Oder noch konkreter: Warum soll die fraus überhaupt objektiv bewertet werden? Hier nun lässt sich zunächst eine mehr oder weniger formale Begründung geben. Wir haben schon oben gesehen, dass die Berechnung des Wertes von Gegenständen aus der Erbschaft, wie z. B. durch Legat übertragene Sklaven, nur objektiv erfolgen kann, dass hierfür nur der Marktpreis ausschlaggebend, auf die subjektive Bewertung des Erblassers gerade nicht abzustellen ist.236 Diesen Gedanken kann man durchaus auf die bloße Veräußerung mortis causa übertragen, so dass auch hier eine verobjektivierte Berechnung Platz greift. Dahinter steht zudem eine Wertung, die besonders im hier behandelten Fall offen für den Ausschluss der subjektiven Wertschätzung streitet. Der libertus hatte das Grundstück an einen Dritten veräußert; auf ein agere dolo malo kommt es einerseits beim Erwerber nicht an, andererseits stützt sich die Argumentation gerade nicht auf ein solches Verhalten des libertus. Abzuwägen sind die Interessen des Patrons am Wiedererhalt des geliebten Grundstücks gegen die Interessen des Käufers der streitbefangenen Sache. Der Käufer hat einen „fairen“ Preis für das Grundstück bezahlt und ist daher schutzwürdig. Er soll und darf darauf vertrauen, dass seine rechtlich fehlerlose Beziehung zum libertus Bestand hat.237 Es liegt gerade kein lukrativer Erwerb auf Seiten des jetzigen Eigentümers vor,238 so dass hier gut der Unterschied zu D. 38,5,1,14 hervortritt. Dort hat ein libertus bona fide eine Sache veräußert (auf den Todesfall) und den erhaltenen Preis weiterverschenkt. Der übergangene Patron kann gerade nicht die Sache vom Käufer zurückverlangen, wohl aber den weiterverschenkten Kaufpreis beim lukrativen Erwerber eben desselben einziehen. Auch hier zeigt sich, dass der Käufer in seinem Austauschverhältnis mit dem libertus unangetastet bleiben soll. Er hat durch die Kaufpreiszahlung – dem iustum pretium aus § 15 entspricht in § 14 die Veräußerung bona fide – eine dauerhafte und zu sichernde Position erlangt, aus der er nicht mehr verdrängt werden soll. Am 236  Siehe

oben, Zweiter Teil, § 2 II., und unten, Zweiter Teil, § 3 I. 2. ist die Formulierung bei Kaser, RP I2, S. 626, zu ungenau, wenn er behauptet, die actio Fabiana würde a u c h gegen den r e d l i c h e n Dritterwerber erteilt. Sachgemäßer erscheint es, davon zu sprechen, dass die actio Fabiana gänzlich unabhängig von der Redlichkeit des Dritterwerbers ist. Es kommen nämlich – wie gesehen – auch Fälle in Frage, in denen die Klage nicht gegen den redlichen Erwerber erteilt wird. 238  Zur causa lucrativa allgemein vgl. z. B. S. Pfeil, Der concursus duarum causarum im klassischen römischen Recht, Frankfurt / Main 1997, S. 7 ff. Kaser, RP I2, S. 602, weist auf die „Abneigung der Römer gegen Schenkungen hin“. Vgl. auch Kunkel, SZ 72 (1955), S. 478 ff. 237  Insofern

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deutlichsten wird diese Wertung in § 16, in dem Ulpian den Fall behandelt, dass sowohl vilius (also nicht dem iustum pretium gemäß) verkauft als auch der empfangene Kaufpreis weiterverschenkt wird. In diesem Fall sollen beide („lukrativen“) Erwerber Gegner der actio Fabiana sein. Das Interesse des Patrons am Erhalt der bona liberti überwiegt die nur schwachen Interessen der Erwerber. In unserem Fall des iustum pretium kann die bloße affectio ein überwiegendes Interesse des Patrons gerade nicht begründen – das Interesse des Erwerbers am Fortbestand seines Rechtsverhältnisses ist schützenswerter. Zudem haben wir bereits im Rahmen der vindicatio in servitutem gesehen, dass für Arbiträrklagen im Zusammenspiel von aestimatio iudicis und iusiurandum in litem in erster Linie auf eine objektive und nach allgemeinen Kriterien durchzuführende Bestimmung der Streitsache abgestellt wird. Für die actio Fabiana erweist sich dieses prozessuale Ineinandergreifen bereits bei der tatbestandlichen Frage nach dem Nachteil als ausschlaggebend: Ein solcher wird objektiv nach dem Sachwert ermittelt. Ansonsten bestünde die Gefahr, die besondere Wertschätzung durch den Kläger quasi zweifach in Anschlag bringen zu können: einerseits zur Bejahung überhaupt der Voraussetzungen der Klage, andererseits bei der Berechnung der Kondemnationssumme. Da diese Verdoppelung überdies nicht den Interessen des Falles gerecht wird, weil der Patron ja sowieso das erhalten hat, was er nach richterlicher Schätzung bekommen hätte, muss die Bestimmung der fraus gleich wie die aestimatio nach allgemeinen Kriterien vorgenommen werden. Schließlich kann auch noch der Ursprung der actio Fabiana zur Begründung für die Irrelevanz der subjektiven Beziehung herangezogen werden. Die Klage ist nach ihrer Entstehungsgeschichte als pönal aufzufassen.239 Konstatieren wird man allerdings, dass dieser Ursprung in der Klassik verblasst ist. Trotzdem kann der Pflichtteil, den die actio Fabiana in seiner Höhe erhalten will, als Straf- oder Abfindungssumme begriffen werden, mit der das nicht erteilte obsequium des libertus geahndet werden soll.240 Im Rahmen einer Deliktsklage werden die res aber nach allgemeingültigen Kriterien geschätzt.241 Somit findet sich auch unter diesem Gesichtspunkt eine Erklärung für den Ausschluss der subjektiven Beziehung zur 239  Levy, Privatstrafe, S. 69 ff., prägnant S. 80; Kaser, Restituere, S. 35 ff.; vgl. aber noch Kaser, RPI1, S. 526, nunmehr zusammenfassend für verblasste Pönalität, Kaser, RP I2, S. 626. 240  Leist / Glück, S. 448, 451. 241  Mit dieser Begründung zum Ausschluss der affectio an dieser Stelle auch Pernice, Labeo III 1, S. 181, allerdings auch für die actio Fabiana viel zu undifferenziert.



§ 2  Actiones arbitrariae63

Erbschaftssache. Überdies greift man auch für die Berechnung der anderen Pflichtteile auf objektive Kriterien zurück und zieht eine zur lex Falcidia analoge Berechnung heran.242 In deren Zusammenhang haben wir ebenfalls bereits gesehen, warum für die römischen Juristen eine objektive Bewertung sachgerecht ist. 4. Widerspruch zu Javolen D. 38,2,36 (8 epist.)? Ein anderes Fragment, das nahezu gleiche Beispiele für eine affectio bringt, bewertet diese nach verbreiteter Ansicht243 fast diametral anders und bedarf daher der Klärung. Es handelt sich um D. 38,2,36 (Iavol. 8 epist.): Libertus, qui solvendo non erat, praeterito patrono extrarios relinquit heredes: quaero, an possit patronus petere contra tabulas bonorum possessionem. respondit: cum a scriptis heredibus adita est hereditas, patronus contra tabulas bonorum possessionem petere potest, quia solvendo hereditas est, quae inveniat heredem. Et sane absurdum est ius patroni in petenda bonorum possessione contra tabulas aliorum computatione, non iudicio ipsius aestimari auferrique patrono, quod modicum vindicaturus est. Multi enim casus intervenire possunt, quibus expediat patrono petere bonorum possessionem, quamvis aeris alieni magnitudo, quam libertus reliquerit, facultates patrimonii eius excedat, veluti si praedia sunt aliqua ex bonis liberti, in quibus maiorum patroni sepulchra sint, et magni aestimat patronus bonorum possessione iura pro parte ea ad se pertinere, vel aliquid mancipium, q u o d n o n p r e t i o , s e d a f f e c t u s i t a e s t i m a n d u m . Non ergo ideo minus habere debet ius petendae bonorum possessionis, qui animo potius quam aliorum computatione bona liberti aestimat, cum eo ipso sufficere patrimonium videri possit, quod et heredem habeat et bonorum possessorem. Ein libertus, der überschuldet war, hinterließ unter Übergehung seines Patrons nur Außenerben. Fraglich ist, ob der Patron die bonorum possessio contra tabulas begehren kann. Die Antwort ist: Der Patron kann die bonorum possessio contra tabulas beantragen, wenn von den eingesetzten Erben die Erbschaft angetreten ist, weil die Erbschaft, die einen Erben findet, zahlungsfähig ist. Denn es ist gänzlich unsinnig, das Recht des Patrons in Bezug auf die Forderung der bonorum possessio contra tabulas nach der Berechnung anderer und nicht nach der Beurteilung des Patrons selbst zu schätzen und dem Patron damit zu entziehen, was er Geringes beanspruchen kann. Es können nämlich viele Fälle vorkommen, in denen die Beantragung der bonorum possessio contra tabulas dem Patron nutzen kann, obwohl die Schulden, die der Freigelassene hinterlässt, sein Vermögen übersteigen. So zum Beispiel, wenn sich irgendwelche Grundstücke im Nachlass des Freigelassenen befinden, auf denen die Grabstätten der Vorfahren des Patrons liegen, und der Patron viel daran setzt, dass die Rechte daran durch die bonorum posses242  Vgl. nur Voci, DER II2, S. 677. Ein Hinweis auf diesen Zusammenhang findet sich in Ulp. D. 5,2,8,11. Vgl. auch C. 3,28,31 und Krüger, BIDR 47 (1940), S. 73. Kaser, RP II2, S. 519 mit A. 41. 243  Z. B. Raber, S. 212 f.; Sicari, Gli interessi, S. 145 ff.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

sio contra tabulas teilweise an ihn gelangen. Oder irgendein Sklave, der n i c h t n a c h d e m We r t , s o n d e r n n a c h d e r s u b j e k t i v e n We r t s c h ä t z u n g f ü r d e n P a t r o n z u s c h ä t z e n i s t . Deshalb darf also derjenige, der den Nachlass des Freigelassenen lieber nach seinem Gefühl als nach der Berechnung anderer schätzt, nicht weniger das Recht haben, die bonorum possessio contra tabulas zu fordern, weil das Vermögen schon allein dadurch auszureichen scheinen kann, dass es einen Erben und auch einen Nachlassbesitzer hat.

Mit diesem Javolen-Fragment haben wir zusammen mit dem Sextus Pedius-Zitat aus D. 9,2,33pr. bzw. D. 35,2,63pr. die älteste Aussage zur Berücksichtigung der affectio in den Digesten. Javolens Schaffen können wir an den Anfang der Hochklassik ins erste Jahrhundert verorten.244 Sein Werk besteht zum größten Teil aus der Kommentierung älterer Juristen. Dazu kommt das eigenständige Werk der 14 Bücher epistularum.245 Insofern folgt die hier betrachtete Stelle einem wiederkehrenden dreiteiligen Aufbau: Sachverhaltsschilderung, Fragestellung (quaero) und Beantwortung eben dieser (respondit).246 An einen relativ simplen Sachverhalt werden sehr wortreiche und ausgeschmückte Ausführungen geknüpft. Ein überschuldeter Freigelassener hat seinen Patron übergangen und stattdessen Außenerben eingesetzt.247 Gefragt wird, ob der Patron die bonorum possessio contra tabulas auch bei einem überschuldeten Nachlass248 verlangen kann. Die Frage wird bejaht für den Fall, dass die eingesetzten Erben die Erbschaft angetreten haben. Dann wird die insolvente Erbschaft nämlich als zahlungsfähig angesehen. Darauf folgt die (scheinbare) Plausibilität des Ergebnisses mit einem Absurditätsbeweis.249 244  Kunkel / Schermaier, S. 155; Kunkel, Herkunft, S. 86 f.; W. Kalb, Roms Juristen, Leipzig 1890, S. 53 f.; P. Krüger, Geschichte der Quellen und der Litteratur des römischen Rechts2, München 1912, S. 176 f.; Mayer-Maly, RE Suppl. 12, S. 500 ff. Seine Geburt dürfen wir demnach wohl im Jahre 49 vermuten. 245  Vgl. Sicari, Gli interessi, S. 34 ff. Nach Schulz, Geschichte, S. 281 f., gehören die epistulae wie responsa, disputationes usw. allesamt zur Gattung „Literatur der Problemata“ oder schlicht „Problemliteratur“. 246  Zu diesem Aufbau siehe nur Misera, SZ 98 (1981), S. 457 ff., 462; zu den Abweichungen von diesem Aufbau in den epistulae Eckardt, Iavoleni Epistulae, S. 61 ff. und 77 ff. 247  Darauf, dass extrarius und extraneus gleichbedeutend sind, weist zutreffend Masi Doria, Bona libertorum, S. 292, hin. Vgl. auch Heumann / Seckel11, Eintrag extrarius. 248  Sicari, Gli interessi, S. 154 f. A. 12, nennt die Erbschaft hereditas damnosa. In unserem Zusammenhang taucht diese Formulierung indes nicht auf, dafür in Iul. D. 17,1,32; Afric. D. 24,3,32pr.; Gai. D. 29,2,57,1; Pomp. D. 50,16,119. 249  Zur re- oder deductio ad absurdum vgl. z. B. Talamanca, BIDR 80 (1977), S. 255; Giaro, SZ 105 (1988), S. 207 ff.; Wacke, Melanges F. Sturm 1, S. 547 ff. Zur Formulierung sane absurdum im Vergleich zu satis absurdum vgl. Waldstein, SZ 97 (1980), S. 232 ff., 238 f.



§ 2  Actiones arbitrariae65

Zu diesem Fall findet sich kein weiteres Beispiel in den Digesten.250 Auf den ersten Blick scheint die Lösung nicht nur richtig, sondern sogar ganz unproblematisch. Ulpian stellt später für die Forderung der bonorum possessio contra tabulas durch den Patron einzig die Voraussetzung auf, ut patronus contra tabulas bonorum possessionem accipere possit, oportet hereditatem aditam esse aut bonorum possessionem petitam.251 Zudem weist er schlicht darauf hin, dass für die bonorum possessio auch ein überschuldeter Nachlass bona zu nennen ist.252 Auch bei überwiegender Schuldenlast sind also bona vorhanden, in die der Patron sich einweisen lassen kann. In diesen Zusammenhang gehört ein Paulus-Fragment aus D. 50,16,39,1 (53 ad ed.), in dem klargestellt wird, dass bona intelleguntur cuiusque, quae deducto aere alieno supersunt.253 Zunächst werden demnach die Schulden des Nachlasses abgezogen, bevor der Jurist von bona sprechen kann. In unserem Fall reichen die bona insgesamt nicht aus, um die Verbindlichkeiten zu decken. Die bona weisen also wohl ein Soll auf; denn libertus solvendo non erat. Zur Erfüllung der Voraussetzungen für die bonorum possessio contra tabulas taugt ein solches Vermögen gleichwohl. Dass Javolen mit dieser Entscheidung noch größere Schwierigkeiten hatte, beweist einmal die von ihm überlieferte Regel in D. 50,16,83: propie bona dici non possunt, quae plus incommodi quam commodi habent. Zum anderen erschließt sich die von ihm gegebene Begründung in unserem Fall, dass nämlich die angetretene Erbschaft als solvent anzusehen ist, nur dann völlig, wenn sie als Entkräftung des gegen den Patron in Stellung gebrachten Arguments aufgefasst wird, für dessen bonorum possessio seien zahlungsfähige bona vorauszusetzen.254 250  Vgl. dazu und im Weiteren Eckardt, Iavoleni Epistulae, S. 191 f.; wohl ihm folgend Sicari, Gli interessi, S. 145 ff. 251  Ulp. D. 38,2,3,5. Vgl. zum Ulpian-Fragment La Pira, Successione, S. 381 f. und S. 434 A. 2. Siehe zu dieser Voraussetzung nur Kaser, RP I2, S. 709 A. 34. Auf die Solvenz der Erbschaft kommt es in diesem Zusammenhang folglich gar nicht an; erst recht nicht auf die Schätzmethode, die der Berechnung des Nachlasses zugrunde gelegt wird. Dazu sogleich näher. 252  Ulp. D. 37,1,3pr.: bona autem hic, ut plerumque solemus dicere, ita accipienda sunt universitatis cuiusque successionem, qua succeditur in ius demortui suscipiturque eius rei commodum et incommodum: nam sive solvendo sunt bona sive non sunt, sive damnum habent sive lucrum, sive in corporibus sunt sive in actionibus, in hoc loco proprie bona appellabuntur. 253  Vgl. nur Bonfante, Scritti I, S. 291 m. w. N. Ulp. D. 37,1,3pr. übersieht er aber wenigstens, wenn er, S. 292, das gleich im Text folgende Javolen-Zitat als unumstößlich hinstellt. 254  C. A. Schmidt, Das formelle Recht der Noterben, Leipzig 1862, S. 71 A. 116, merkt an, dass im justinianischen Recht die Frage nach der bonorum possessio contra tabulas des Patrons als beseitigt angesehen sein müsste, weil der Patron gegen den minor centenario ja nicht mehr pflichtteilsberechtigt ist, Inst. 3,7,3 und C. 6,4,4.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

Zahlungsfähig ist die Erbschaft aber – ganz entscheidend auch nach der Argumentation Javolens –, wenn und weil sie hier im Fall durch die Erben angetreten wurde.255 In diesem Zusammenhang kann man durchaus davon sprechen, dass der Patron in einer gewissen Weise auch für die Verbindlichkeiten der Erbschaft einstehen muss. Voci256 meint insofern, der Patron „sopporta l’onere dei debiti“ und verweist auf PS III 2, 4. Dieser Hinweis bringt für unseren Fall der Übergehung nicht viel, weil Paulus an dieser Stelle nur davon spricht, dass p a t r o n u s vel p a t r o n i l i b e r i ex parte dimidia h e r e d e s i n s t i t u t i aes alienum liberti pro portionibus e x s o l v e r e c o g u n t u r . Unverständlich ist dann aber weiter Vocis Ausführung, wenn er andererseits vom „l’onere del pagamento dei debiti“ spricht. Aber selbst wenn der Patron für die Nachlassschulden ähnlich den Erben haften sollte für den Fall, dass er die bonorum possessio contra tabulas verlangt, müssen doch die Gründe für diese Entscheidung ihm überlassen bleiben (in diesem Sinne versteht Voci wohl das untersuchte Javolen-Fragment). Zwar haftet der Patron materiell-rechtlich nicht wie die Erben. Doch berechnet sich sein Pflichtteil erst nach Abzug der Schulden vom Nachlass,257 so dass er auch von den Schulden des Nachlasses betroffen wird und andererseits die Nachlassgläubiger in ihren Rechten durch die bloße petitio bonorum possessio contra tabulas nicht verkürzt werden.258 Allein die sozusagen inneren Gründe, die für die Forderung des Pflichtteils beim Patron sprechen können, werden im Weiteren beispielhaft aufgezählt. Trotz der Schuldenlast kann der Nachlass für den Patron interessant sein, weil sich darunter vielleicht ein Grundstück oder auch ein Sklave befindet, zu dem er eine besondere Beziehung hat.259 Hierbei fällt auf, dass Dagegen aber überzeugend schon Leist / Glück, S. 452 f., die Verringerung der Aktiva unter centum aureis kann ja auch erst nach dem mortis tempus eingetreten sein. 255  Warum die Erben auch immer eine insolvente Erbschaft antreten, erfahren wir in diesem Fall allerdings nicht, so dass diese Frage offenbleibt. 256  DER II2, S. 747. 257  Leist / Glück, S. 510, 529 gehen davon aus, dass der Patron die Schulden mitträgt bzw. Anteil an der Schuldenzahlung hat, weil er als Universalsukzessor in den ihm gewährten Teil eintritt. Ein quellenmäßiger Beleg für diese Aussage ist aber nicht ersichtlich. Der angeführte „Anwendungsbeleg“ Pap. D. 13,7,40,1 trägt dafür nicht. Dort ist nur die Rede davon, dass si patronus debitoris contra tabulas eius possessionem acceperit, dominii partem optinebit. Für eine erbenähnliche Haftung ergibt sich auch daraus nichts. 258  Vgl. Masi Doria, Bona libertorum, S. 294 A. 142. Eingehender zur Interessenabwägung hinter diesem Ergebnis gleich im Text. 259  Das erkennt richtig Masi Doria, Bona libertorum, S. 293 f. M. E. den falschen Schluss aus dieser Stelle zieht hingegen Sicari, Gli interessi, besonders prägnant z. B. S. 188, wenn sie von einer „valenza eppure giuridicamente rilevante di richiedere la b.p. di una hereditas damnosa“ spricht. An anderer Stelle, S. 152 f., behaup 



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die Begründung Javolens (ab et sane absurdum est) nicht unbedingt seine Entscheidung trägt. Vor allem darf seine „Argumentation“ nicht dahin gehend verstanden werden, dass es nunmehr am Patron ist, die bona (wert-) zuschätzen. Die Formulierung und die Kontrastierung von computatio aliorum und iudicium ipsius lassen auf den ersten Blick einen solchen Schluss vielleicht zu. Um die Frage der Schätzung der bona, ihrer Bilanzierung also, geht es Javolen im Fall aber gar nicht, weil die Erbschaft sowieso durch den Antritt wieder ausgeglichen ist (quia solvendo hereditas est260). Dass sich im Nachlass Dinge von besonderem Wert für den Patron befinden, ist ein beliebtes Motiv bei den Juristen und wird wohl auch in der Praxis häufig Stein des Anstoßes gewesen sein.261 Diese Tatsache ist aber nicht der Grund dafür, dass die abwägende Berechnung des Nachlasses auf ein Plus kommt.262 Nicht weil der subjektive Mehrwert für den Patron die Erbschaft aktiviert, sondern weil sie durch den Antritt der eingesetzten Erben solvent ist, kann der Patron auch die bonorum possessio contra tabulas verlangen. Die bona werden also ganz unspektakulär allgemein geschätzt, nicht der besondere Wert, den sie für den Patron haben, wird veranschlagt. Der Absurditätsbeweis ist bei näherer Betrachtung nur vorgeschoben. Er gibt gar nicht die Begründung für die Entscheidung im Fall. Javolen nimmt hier vielleicht die Beispiele auf, die er in einer Anfrage vorgefunden hat; vielleicht die Beispiele aus dem Fall, der ihm vom übergangenen Patron geschildert wurde. Juristische Bedeutung misst er hier der affectio aber nicht zu.263 Um noch einmal prägnant den Sinngehalt dieser Stelle zu fortet sie, nach Javolen sei es absurd, dass die „legittimità del diritto del patrono a richiedere la b.p.c.t.“ von der aliorum computatio statt von der subjektiven des Patrons abhänge. Ganz deutlich auf S. 257, wenn sie sagt, dass „criteri soggettivi possano assumere rilevanza nell’ordinamentro giuridico romano“. Eine solche juristische Relevanz (in Form sogar der Rechtmäßigkeit der Forderung der bonorum possessio contra tabulas) hat die affectio aber hier – wie wir gleich noch deutlicher machen werden – gerade nicht; sie gibt nur die inneren Beweggründe des Patrons wieder, warum dieser überhaupt ein Interesse am Nachlass haben kann. Juristisch relevant ist nach Javolen nur der Umstand, dass die eingesetzten Erben die Erbschaft angetreten haben und somit bona vorhanden sind, auf deren Pflichtteil sich der übergangene Patron einsetzen lassen kann. Das sieht so ganz ausdrücklich und richtig La Pira, Successione, S. 408. 260  Zur Klassizität des Satzes quia solvendum – heredem vgl. nur Masi Doria, Bona libertorum, S. 293 A. 135 m. w. N. 261  Zu den Dingen, namentlich sepulchra und servus affectus, sogleich noch eingehender. 262  So formuliert Wacke, S. 580, durchaus problematisch, dass die Überschuldung des Nachlasses durch das Affektionsinteresse des Patrons an bestimmten Nachlassgegenständen aufgewogen werden könne. 263  Anders wohl Raber, S. 212 f., der diese Stelle als Beleg für die rechtliche Relevanz rein subjektiver Beziehungen werten will. Zudem will er dem Patron hier

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

mulieren: Nicht weil der Patron eine besondere Zuneigung zu den Nachlassgegenständen hat, nicht weil es ihm nützlich ist, kann er die bonorum possessio contra tabulas verlangen, sondern weil die eingesetzten Erben durch ihren Antritt für die Voraussetzungen der bonorum possessio contra tabulas gesorgt haben.264 Dass Javolen darüber hinaus mit seiner Begründung und dem neuerlichen Hinweis auf den Antritt der Erben und damit die Solvenz der Erbschaft am Ende dieses Fragments den Gläubigern möglicherweise ihre Sorge um die Haftung für die Nachlassschulden nehmen will, ist gut denkbar.265 Unter diesem Aspekt ist die Entscheidung auch interessengerecht:266 Der Patron erhält einen Teil aus dem Nachlass267 (und schmälert ihn so), während den Gläubigern mit den Erben nach der aditio hereditatis nunmehr solvente Schuldner gegenüberstehen. Dazu passt auch der Hinweis des Juristen, auferri patrono, quod modicum vindicaturus est: Der Patron wolle und werde doch nur etwas Geringes aus dem Nachlass entfernen, weswegen man die Entscheidung und die Sache ihm überlassen solle. Dahinter stehen die Aussage, dass für die Schulden ja sowieso die Erben aufkommen werden, und die sachgerechte Lösung, die alle Interessen berücksichtigt. 5. Exkurs: Weitere Beispiele für affectio Wir wollen die Quelle noch etwas näher wegen der Beispiele und des Begriffs animus betrachten. Das Beispiel der sepulchra268 ist bereits aus D. 38,5,1,15 bekannt. Dazu gehören die iura sepulchri und damit ganz eng unzutreffend die actio Fabiana gegen die eingesetzten Erben gestatten. Es fehlt aber jeder Hinweis auf ein Geschäft zum Nachteil des Patrons. In diesem Fall beantragt der übergangene Patron schlicht die Einweisung in den Pflichtteil, vgl. Zoz De Biasio, I rimedi, S. 12; Kaser, RP I2, S. 709; Leist / Glück, S. 510. Die Quellen reden schlicht von partem debitam vindicare (Afric. D. 38,2,26) und partes debitas auferre (Pap. D. 38,2,43). 264  Diesen Umstand übersieht Raber, S. 212 f., völlig. Stattdessen legt er hier eine entsprechende Wertung wie oben bei D. 38,5,1,15 an, bei der die lukrativen Interessen der Erben weniger schützenswert seien als die subjektiven Interessen des Patrons. Zu dem richtigen Verständnis der Stelle dringt aber Eckardt, Iavoleni epistulae, S. 192 f., vor. Auch Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 127, erkennt schon zutreffend, dass es in dieser Stelle gar nicht um die rechnerische Relevanz der Affektion geht. 265  Masi Doria, Bona libertorum, S. 295, anerkennt auch diese Ebene des Fragments. 266  Zu oben, Zweiter Teil, § 2 III. 3. 267  Wohlgemerkt aus dem „bereinigten“ Nachlass; die portio debita berechnet sich, wie oben in Fn. 344 gesehen, nach Abzug der Schulden. 268  Für einen allgemeinen Einblick vgl. Fabbrini, NNDI, S. 510 ff.; Düll, FS Schulz I, S. 191 ff.; Biondi, IURA 1 (1950), S. 160 ff.



§ 2  Actiones arbitrariae69

verbunden die sacra familiaria.269 Im Familienkult findet für die Römer eine essenzielle Kontinuität statt. Die sepulchra gehören zu den res religiosae und sind daher dem Privatrechtsverkehr entzogen.270 Erwähnenswert ist dies besonders deswegen, weil die Totenbestattung (im Kontrast zur Totenverbrennung) die Grundlage der sepulkralen Lehren der Pontifices über die Natur eines Grabes als res religiosa bildet.271 Nicht nur Körper und Knochen oder der Ruheplatz des Toten in engem Verständnis gelten dabei als res religiosae, sondern die Begräbnisstätte an sich, als gesamte Grabanlage mit Monumenten, Zier- und Gartenanlagen.272 Dabei handelt es sich beim Recht an der Grabstätte also um das sakrale, nicht private Recht, auf einem bestimmten Grund und Boden bestattet zu werden.273 Rechtlich problematisch könnte im Zusammenhang mit den hier behandelten Stellen erscheinen, wie der libertus zu den Grundstücken des Patrons kommt, wenn diese doch als res religiosae dem Privatrechtsverkehr entzogen sind.274 Die Unveräußerlichkeit der Grabstätten stellt insofern die erste und wichtigste Folge der „Religiosität“ der Grabstätte dar. Sie folgt direkt aus der Eigenschaft der sepulchra als einer Sache iuris divini, die den dii Manes geweiht ist.275 Entgegen Mommsen276, der hierbei eine absolute Inalienabilität annimmt, geht die vorzuziehende Ansicht davon aus, dass unter Wahrung der Funk­ tion der Grabstätte und der Vorrechte der dii Manes eine Veräußerung durchaus in Betracht kommt.277 de Visscher spricht in diesem Zusammenhang von der Erhaltung der „fonction sépulcrale“ und Gewährleistung der „affectation funéraire“.278 Es ist also durchaus ein Fall vorstellbar, wie der liber269  Vgl. Cic. de legibus 2,9,22: sacra privata perpetua manento. deorum Manium iura sancta sunto. 270  Siehe nur Kaser, RP I2, S. 378 f.; siehe auch Gai. D. 11,7,5: Davon zu trennen ist das private Grabrecht, das als sepulchrum familiare entweder an die Familie gekoppelt oder als sepulchrum hereditarium vererblich ist, so dass es auch an familienfremde Erben gehen kann. Vgl. dazu Sicari, Gli interessi, S. 207 ff.; Lazzarini, Studi Biscardi V, S. 217 ff. Justinian kennt später nur noch die zweite Form, vgl. Voci, DER I2, S. 329 f. 271  Vgl. F. de Visscher, Le droit des tombeaux romains, Milano 1963, S. 26 ff. 272  Ebd., S. 55 ff.; ein engeres Verständnis hat Düll, FS Schulz I, S. 198. Zum Provinzialboden siehe Gai. 2,7. Vgl. auch de Visscher, RIDA 1 (1948), S. 199 ff. 273  Vgl. nur Voci, DER I2, S. 323 A. 6 m. w. N.; daneben stehen (privatrechtliche) prätorische Rechtsmittel, z. B. Ulp. D. 11,7,2,2 oder Gai. D. 11,7,7pr.; siehe auch Sicari, Gli interessi, S. 207 ff. 274  Die Frage wirft zwar auch Sicari, Gli interessi, S. 212 ff., auf. Jedoch verzichtet sie auf die juristische Anknüpfung und geht das Problem auf dem „livello della fenomenologia sociale“ an. 275  Siehe auch Kaden, SZ 82 (1965), S. 385. 276  Römisches Strafrecht, Leipzig 1899, S. 812 ff. 277  de Visscher (oben Fn. 271), S. 55, 70 ff., 110 f.; a. A. Voci, DER I2, S. 330 f. 278  de Visscher (vorherige Fn.).

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

tus in unseren Fällen an ein Grundstück mit einem sepulchrum des Patrons gelangt. Einer Übertragung (aus welchen Motiven auch immer) steht nichts entgegen, wenn man sich klarmacht, dass die Einordnung der sepulchra unter die Kategorie der res religiosae nur den Sinn hat, sie jedweder Zweckentfremdung zu entziehen. Wird diese Zielrichtung durch die Veräußerung nicht tangiert, kann der Patron seinem libertus das Grundstück zuwenden.279 Außerdem lässt sich der Fall vorstellen, dass der libertus dem Patron gestattete, auf seinem eigenen Grundstück die avi des Patrons zu bestatten, und somit die Grabstätte erst als solche schuf.280 Denkbar, wenngleich die untersuchten Fragmente solche Fälle eher nicht nahelegen, ist allerdings auch, dass die Grundstücke als Grabstätten noch nicht befugtermaßen belegt und daher für den Patron noch veräußerlich waren.281 Diese Grabstätte ist jedenfalls der Grund für das Interesse des Patrons am Nachlass seines libertus. An ihr hängt Javolen seine Diskussion darüber auf, dass animo potius quam aliorum computatione aestimare gelten soll. Diese Kontrastierung nimmt Javolen dazu noch im Beispiel um den servus affectus auf, wenn er pretium und affectus gegenüberstellt. Interessant ist hier nur noch die Verbindung der affectio mit animus. Eine solche Nähe findet sich ganz auffällig auch in D. 44,7,61,1.282 Dort berichtet uns Scaevola von folgender Begebenheit: Seia, cum salarium constituere vellet, ita epistulam emisit: „Lucio Titio salutem. si in eodem animo et eadem affectione circa me es, quo semper fuisti, ex continenti acceptis litteris meis distracta re tua veni hoc: tibi quamdiu vivam praestabo annuos decem. scio enim quia valde me bene ames“. quaero, cum et rem suam distraxerit lucius titius et ad eam profectus sit et ex eo cum ea sit, an ei ex his epistulis salarium annuum debeatur. respondit ex personis causisque eum cuius notio sit aestimaturum, an actio danda sit.

Es wird gefragt, inwiefern sich aus dem Schreiben der Seia eine Obligation ergeben kann. Sie hatte dem Lucius Titus geschrieben, er solle seine Zelte abbrechen, sein Hab und Gut veräußern und zu ihr ziehen. Sie wolle ihm ein jährliches Gehalt in Höhe von 10.000 Sesterzen geben. „Grund“ für ihre Entscheidung sei die Gesinnung und Zuneigung des Lucius, die er schon immer für sie empfunden habe. Abseits der Frage, ob es Scaevola hier um die Affektion als Klagegrund und nicht als Klageinhalt (denn dieser auch Kaden, SZ 82 (1965), S. 385. scheint Sicari, Gli interessi, S. 212, zu denken. Ob eine solche „Erlaubnis“ aber tatsächlich in den Rahmen des obsequium des libertus zu setzen ist, kann bezweifelt werden. Zudem denkt Sicari, ebd., an die Möglichkeit einer geteilten Grabstätte als sepulchrum in condominium. 281  Darauf weist Kaser, RP I2, S. 379 A. 30 m. w. N., hin. 282  Zur Stelle vgl. auch Rodriguez Montero, RIDA 46 (1999), S. 465 ff. 279  Vgl.

280  Daran



§ 2  Actiones arbitrariae71

ist wohl die ausgelobte Summe von 10.000 Sesterzen) oder um das stipulationsweise Versprechen über diese Summe geht,283 interessiert an dieser Stelle vornehmlich die Nennung von animus und affectio als Gesinnung und Zuneigung. Deutlich wird mit Blick auf Iavol. D. 38,2,36, dass affectio und animus einen außerrechtlichen Bereich umschreiben. Auch in Scaev. D. 44,7,61,1 geht es um die Motivlage, die Lucius „in die Arme“ der Seia bewegt. Animus et affectio sind hier nicht von rechtlicher Bedeutung.284 6. Synopse von Ulpian D. 38,5,1,15 und Javolen D. 38,2,36 und Ergebnis Der Vergleich mit dem Seia-Brief bestätigt noch einmal unser für die Javolen-Quelle gefundenes Ergebnis: Es geht mehr um die inneren Beweggründe als um die Art der Wertschätzung, so dass die Wertschätzung als Grund vielmehr vorausgesetzt ist. Man kann dies auch milder als „nicht gerade dem streng-sachlichen juristischen Argumentationshaushalt“ folgend oder als „Temperamentsausbruch“285 werten. Den Fehler, hier die Berücksichtigung immaterieller Interessen und konkret des Liebhaberwertes zu erblicken,286 muss man vermeiden, wenn man nicht seine schon vorher gefundene Auffassung über den behandelten Inhalt, das heißt über die Bedeutung subjektiver Belange in der Rechtsordnung, nur bestätigt wissen will. Zudem verstünde man die affectio auch entgegengesetzt zur Quelle, weil Javolen gar nicht die uns interessierende affectio behandelt. Vielmehr dienen die sepulchra und der servus affectus dem Juristen als Beispiel für eine subjektive Beziehung des Gläubigers zur streitbefangenen Sache. Diese hat im konkreten Fall aber keine juristische Bedeutung und bleibt daher im außerrechtlichen Bereich. Anders verhält es sich mit dem Beispiel aus D. 38,5,1,15. Dort will der Patron „seinen“ Mehrwert am Grundstück gerade als Voraussetzung zur Erfüllung des Tatbestands der Benachteiligung machen und somit seine affectio in den rechtlichen Bereich übertragen. Die Entscheidung des Juristen ist genauso eindeutig wie der Versuch des Patrons: Die außerrechtliche Bedeutung der subjektiven affectio kann nicht zur Annahme eines Vermögensschadens dieser Problemstellung vgl. Trinkner, ZVglRWiss 86 (1987), S. 368 f. würde man hier nach dem Rechtsbindungswillen fragen müssen. Vgl. zu dieser Lösung der antiken Quelle auch Plachy, BIDR 57 / 58 (1953), S. 371 ff. 285  Eckardt, Iavoleni epistulae, S. 192. Masi Doria, Bona libertorum, S. 293 A. 137, macht darauf aufmerksam, dass wahrscheinlich gerade diese „ragionamenti metagiuridici con i sentimenti“ den Interpolationsverdacht so angeheizt haben. 286  Siehe oben bei Fn. 263. 283  Zu

284  Modernrechtlich

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

führen, insofern wird fraus eben objektiv bestimmt. Die beiden Fragmente stehen nicht in einem widersprüchlichen Verhältnis zueinander. Man kann nicht sagen, der Jurist entscheide gleiche Fälle einmal, indem er der subjektiven Beziehung Relevanz zumisst, das andere Mal, indem er sie ihr abspricht.287 Vielmehr ist deutlich geworden, dass die affectio bei D. 38,5,1,15 sachgerecht keinen Einfluss auf die Wertschätzung des Grundstücks haben kann, während im zweiten Fall die affectio das Motiv für das Ansinnen des Patrons ist und deshalb keine eigene rechtliche Bedeutung hat.

IV. Interdictum quod vi aut clam Bei den Arbiträrklagen soll in unserem Zusammenhang auch eine Quelle genannt werden, die sich mit Fragen des restitutorischen interdictum quod vi aut clam288 beschäftigt. Es handelt sich dabei um Paulus D. 43,24,16,1 (67 ad ed.): Si quis vi aut clam arbores non frugiferas ceciderit, veluti cupressos, domino dumtaxat competit interdictum. sed si amoenitas quaedam ex huiusmodi arboribus praestetur, potest dici et fructuarii interesse propter voluptatem et gestationem et esse huic interdicto locum. Wenn jemand nicht fruchttragende Bäume, wie zum Beispiel Zypressen, heimlich oder gewaltsam gefällt hat, so steht das Interdikt nur dem Eigentümer zu. Aber wenn einem anderen durch diese Bäume eine Annehmlichkeit gewährt wird, kann man sagen, dass auch der Nießbraucher wegen des Vergnügens und des Spazierwegs ein Interesse hat und daher hier das Interdikt anzuwenden ist.

Der erste Satz des Paulus-Fragments versteht sich von selbst und wäre eigentlich keiner weiteren Erwähnung wert. Es handelt sich insofern um das interdictum quod vi aut clam.289 Der zweite Satz ist hingegen von größerem Gewicht. Den Ausgangspunkt stellt Paul. D. 43,24,16pr. dar, wo der Interdiktenschutz auch auf den Nießbraucher ausgedehnt werden soll. Ohne Weiteres kann er sich einerseits auf das Interdikt berufen, wenn er in seinem Recht auf Fruchttragung290 beeinträchtigt wird, es also um fruchttragende Bäume geht.291 Andererseits beaber doch Raber, S. 212, und Wacke, S. 580. Interdikt vgl. nur Kaser, RP I2, S. 409 ff.; Niedermeyer, St. Riccobono I, S. 253 ff. Siehe auch Ulp. D. 43,24,1pr. und 1: Praetor ait: „quod vi aut clam factum est, qua de re agitur, id cum experiendi potestas est, restituas“. Hoc interdictum restitutorium est et per hoc occursum est calliditati eorum, qui vi aut clam quaedam moliuntur: iubentur enim ea restituere. 289  Vgl. Lenel, EP, S. 482 f. und die vorherige Fn. 290  Kaser, RP I2, S. 450. 291  Vgl. Raber, S. 210. 287  So

288  Zum



§ 2  Actiones arbitrariae73

deutet der Nießbrauch auch die Befugnis, die Sache vollständig zu gebrauchen.292 Dieser vollständige Gebrauch umfasst im Falle des Zypressengrundstücks in erster Linie die Nutzung als schattenspendendes Areal, auf dem man Kühlung erfahren kann. Wird diese (einzige) Gebrauchsmöglichkeit aufgehoben, muss dem Nießbraucher rechtlicher Schutz gewährt werden. Den Gebrauch umschreibt der Jurist hier als Befindlichkeit, als amoenitas, voluptas, gestatio. In diesem Fall muss der Interdiktenschutz eigens begründet werden. Nach Paulus rechtfertigt auch die Befindlichkeit der besonderen Gebrauchsmöglichkeit ein Interesse, Unterlassung und vor allem Restitution fordern zu können. Der Nießbraucher kann, weil die Wiederherstellung nach dem Fällen der Bäume nicht möglich ist, seinen Verlust in Form einer Geldentschädigung kompensiert verlangen, die auf sein Interesse an den Annehmlichkeiten gerichtet ist.293 Unter unserer Fragestellung müssen wir hier aber feststellen, dass es nicht um den besonderen Wert in unserem Sinne geht. Das wäre nämlich der Wert, den das Grundstück nur für den jetzigen Nießbraucher und ausschließlich in seiner Person hat. Die Annehmlichkeiten der schattenspendenden Zypresse möchte wohl jeder Nießbraucher des Grundstücks auskosten.294 Ansonsten oder darüber hinaus haben die Bäume ja nach dem Sachverhalt keinen Nutzen für ihn. Paulus selbst bringt aber diesen Hintergrund der Lösung nicht deutlich zum Ausdruck: Er spricht gerade nicht davon, dass das Grundstück wegen der Zypressen einen höheren Wert hat. Dennoch werden wir die Quelle in diese Richtung zu verstehen haben: Für jeden usufructuar ergibt sich ein Interesse an nichtfruchttragenden Bäumen wohl aus deren Naturschönheit, damit werden sie ihren (einzigen) Zweck an dieser Örtlichkeit erfüllen. Wenn dieser nun beeinträchtigt oder völlig aufgehoben wird, muss sich (auch) der Nießbraucher dagegen zur Wehr setzen können. Begründungsbedürftig ist an dieser Stelle, dass das Interdikt überhaupt dem Nießbraucher offensteht. Da es sich beim Nießbrauch um ein höchstpersönliches Recht handelt,295 muss für die Antwort auf die Frage nach dem „Ob“ auch die Befindlichkeit des usufructuar maßgeblich sein. Auf die Frage nach dem „Wie viel“ der Verurteilung will Paulus hier aber nicht eingehen. Zwar wird der Text häufig als Beleg für die Berücksichtigung von 292  Inst. 2,4 = D. 7,1,1: ius utendi; vgl. auch Ulp. D. 7,1,12,1 zum Nießbrauch an Schiffen, der sich im bloßen Gebrauch erschöpft. 293  Ulp. D. 43,24,15,7 ff.; Venul. D. 43,24,22,2; Venul. D. 43,24,12. Siehe dazu auch Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 130. 294  Vielleicht haben sich diese Begebenheiten ja auch in der Höhe des Mietzinses niedergeschlagen, so dass der Nießbraucher ein nachweisbares monetäres Interesse an der schönen Bepflanzung des Grundstücks hat. Vgl. schon Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 129 f.; auch Wieling, SZ 89 (1972), S. 468. 295  Vgl. Gai. 2,30; Paul. D. 45,3,26.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

Affektionen angeführt,296 doch trifft diese Verortung, wie gesehen, nicht den Aussagegehalt der Quelle. Es geht darin nicht um die Berechnung bzw. den Ersatz einer nur subjektiven Wertschätzung in unserem Sinne.297

V. Gesamtergebnis zu den actiones arbitrariae Wir konnten für die Arbiträrklagen sehen, dass die Streitsache nach der quanti-Formel durch den Richter nach ihrem Sachwert bestimmt wird. Einen abschließenden Beleg für diesen allgemeinen Ausgangspunkt der Sachschätzung im Rahmen der Formel finden wir denn auch in Ulp. D. 50,16,179: Inter haec verba „quanti ea res erit“ vel „quanti eam rem esse paret“ nihil interest: in utraque enim clausula placet veram rei aestimationem fieri. Zwischen den Worten „quanti ea res erit“ oder „quanti eam rem esse paret“ besteht kein Unterschied: Bei beiden Klauseln nämlich soll eine wahre Schätzung der Sache stattfinden.

Leicht anders ist dieser Zusammenhang in Ulp. D. 50,16,193 formuliert, gleichzeitig wird dort der Kontrast zur Formel id quod interest verdeutlicht: Haec verba „quanti eam rem paret esse“ non ad quod interest, sed ad rei aestimationem referuntur. Die Worte „quanti eam rem paret esse“ beziehen sich nicht auf das „quod interest“, sondern auf die Schätzung der Sache.

Der Grund für die objektive Schätzung im Rahmen dieser Formel liegt – wie wir gesehen haben – einerseits bereits im Grundsatz der condemnatio pecuniaria. Andererseits kann das prozessuale Zusammenwirken von litis aestimatio gemäß der Formel und dem iusiurandum in litem für die Erklärung herangezogen werden. Für die actio Fabiana konnten wir zudem nachweisen, dass dort das Zusammenspiel von richterlicher und klägerischer Schätzung bereits auf der Ebene der Voraussetzungen der Klage bedeutsam wird und zur Nichtberücksichtigung subjektiver Belange führt. Im Rahmen der vindicatio in servitutem haben wir gesehen, dass sich die Ergebnisse dort sinnvoll und schlüssig auch für die rei vindicatio verallgemeinern lassen und sich somit durchweg eine glaubwürdige Erklärung für den Ausschluss der besonderen Wertschätzung im Rahmen der quanti-Formel finden lässt. Schließlich ist bei Iavol. D. 38,2,36 deutlich geworden, dass die affectio lediglich eine Idee der Motivation des Klägers vermittelt, die juristische Lösung hingegen nicht von der subjektiven Beziehung zur Streitsache abhängt. 296  Z. B. Honsell, S. 156: „Entscheidung auf der Grenze zwischen pekuniärem und immateriellem Interesse“; Lange, S. 51 A. 29 zur Glosse. 297  So auch Wacke, S. 572.



§ 3  Gemischte Strafklagen75

§ 3  Gemischte Strafklagen I. Actio legis Aquiliae 1. Der schadensrechtliche Ausgangspunkt Paulus D. 9,2,33pr. (2 ad Plaut.) Wie wir bereits oben gesehen haben, nähern wir uns modernrechtlich der Affektion stets als einem Fall des Ersatzes des Affektionsinteresses. Dieser, wenn man aus unserer Sicht so will, „Hauptanwendungsfall“ findet sich auch in den klassischen Quellen, wo er jedoch nur einen kleinen Ausschnitt des Problems ausmacht. Für die Rezeptionsgeschichte der Berücksichtigung der besonderen Wertschätzung hingegen liegt der entscheidende Schlüssel in einer einschlägigen Quelle. Es handelt sich um einen Fall des Paulus in D. 9,2,33pr. (2 ad Plaut.), bei dem es um Schadensersatz nach der lex Aquilia geht: Si servum meum occidisti, n o n a f f e c t i o n e s a e s t i m a n d a s esse puto, veluti si filium tuum naturalem quis occiderit quem tu magno emptum velles, sed quanti omnibus valeret. Sextus quoque Pedius ait p r e t i a r e r u m n o n e x a f f e c tione nec utilitate singulorum, sed communiter fungi: itaque eum, qui filium naturalem possidet, non eo locupletiorem esse, quod eum plurimo, si alius possideret, redempturus fuit, nec illum, qui filium alienum possideat, tantum habere, quanti eum patri vendere posset. In lege enim Aquilia damnum consequimur: et amisisse dicemur, quos aut consegui potuimus aut erogare cogimur. Für den Fall, dass du meinen Sklaven getötet hast, so meine ich, i s t d i e p e r sönliche Zuneigung (für die Höhe des Schadensersatzes) nicht m i t z u s c h ä t z e n , sondern nur wie viel er für alle anderen wert ist; wie wenn jemand deinen eigenen Sohn, den du bereitwillig teuer gekauft hast, getötet hat. Auch Sextus Pedius sagt, dass der We r t v o n S a c h e n n i c h t n a c h d e r persönlichen Zuneigung und dem Nutzen für den Einzelnen bestimmt wird, sondern allgemein. Daher sei derjenige, der einen leiblichen Sohn besitzt, nicht deswegen vermögender, weil er ihn teurer zurückkaufen würde, wenn ein anderer ihn besäße. Und derjenige, der einen fremden Sohn besitzt, hat nicht so viel, für wie viel er ihn seinem Vater verkaufen könnte. Nach der lex Aquilia nämlich erhalten wir nur einen Schaden ersetzt: und man nimmt eine Einbuße bei denen an, die entweder etwas erlangen konnten oder zu Aufwendungen gezwungen waren.

Zu Beginn dieses Fragments berichtet uns Paulus einen Gedanken des Pedius. Jener Spätklassiker und Scaevola-Schüler298 beeindruckt durch seine tiefen Kenntnisse der Rechtsmaterie einerseits. Andererseits finden sich bei 298  Siehe

Paul. D. 28,2,19 mit dem dortigen Scaevola-Zitat.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

ihm die Wurzeln für eine dogmatischere Gliederung des klassischen beweglichen Systems.299 Mehr im Dunkeln liegt der von Paulus zitierte Sextus Pedius. Er findet sich darüber hinaus nur noch bei Ulpian zitiert und noch einmal bei einem unbekannten Autor erwähnt. Man hielt ihn für einen Zeitgenossen des Grammatikers Valerius Probus in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus.300 Richtig erscheint es jedoch, ihn als Zeitgenossen Julians anzusehen, was seine Lebensdaten in die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts nach Christus verlegt.301 Als Werk ist uns nur ein Ediktskommentar bekannt. Paulus schildert den Fall eines getöteten Sklaven. Für diesen schuldet der Schädiger Ersatz nach der lex Aquilia.302 Nach dem ersten Kapitel geht die Buße auf den Höchstwert des Sklaven im letzten Jahr.303 Es geht der lex nach ihrem Wortlaut nicht um die Wirkung des Delikts auf das gesamte Vermögen des Geschädigten. Anknüpfungspunkt für die Wertberechnung ist vielmehr die Formulierung quanti id plurimi fuit. In diesem Zusammenhang gilt die Ästimation nach dem reinen Sachwert als die ursprüngliche.304 Kaser ist insofern zuzustimmen, als nach allgemeiner historischer Erfahrung der komplizierten Methode die einfachere vorausging und nur eine Berech299  In erster Linie verfasste Paulus breit angelegte Kommentarwerke, die durchaus einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erfüllen suchen; zwei der umfangreichsten Werke in hochklassischer Kasuistik stammen von Paulus: die quaestiones und die responsa. Er war Assessor des praefectus praetorio Papinian und gehörte mit ihm zusammen dem consilium von Septimius Severus und Alexander Severus an, was seine Schaffenszeit um die zweite Jahrhundertwende taxiert, vgl. dazu Bassanelli Sommariva, Lezioni di Storia del diritto Romano2, Bologna 2003, S. 194; Kunkel / Schermaier, S. 162; Kunkel, Herkunft, S. 244. 300  Kunkel, Herkunft, S. 168 m. w. N. 301  P. Krüger (oben Fn. 244) S. 189 f.; Berger, RE, XIX, S. 41 (Pedius Nr. 3); Sicari, Gli interessi, S. 49; C. Giachi, Studi su Sesto Pedio: la tradizione, l’editto, Milano 2005, S. 4. 302  Siehe zu ihrer Datierung und möglichen Entstehungsgeschichte nur die umfangreiche Darstellung bei M. F. Cursi, Iniuria cum damno: antigiuridicità e colpevolezza nella storia del danno Aquiliano, Milano 2002, S. 147 ff.; kürzer bei Valditara, Damnum, S. 6 ff. 303  Gai. D. 9,2,2pr.; Ulp. D. 9,2,21pr.; Gai. 3,210 = Inst. 4,3pr. H. Kaufmann, Rezeption und Usus modernus der Actio legis Aquiliae, Köln 1958, S. 8, sieht in der Berechnung der Schadenshöhe die „augenfälligste Eigentümlichkeit“ der lex. v. Lübtow, Lex Aquilia, S. 120, nennt sie „eigenartig“. Pernice, Sachbeschädigung, S. 239, spricht in diesem Zusammenhang von einer „eigenthümlichen Berechnungsart“, die „nicht recht zu erklären“ ist. Der ursprüngliche Grund für diese Regelung bleibt im Dunkeln und ist umstritten, vgl. Jansen, S. 188, A. 31 m. w. N. Zur Buße vgl. Kaser, RP I2, S. 161; v. Lübtow, Lex Aquilia, S. 120 ff. 304  Valditara, Superamento, S. 178; Hausmaninger, Schadensersatzrecht, S. 28; Pernice, Sachbeschädigung, S. 240 f.; Levy, Privatstrafe, S. 138; Ankum, Studi Sanfilippo II, S. 49.



§ 3  Gemischte Strafklagen77

nung nach dem objektiven Sachwert zu dieser Rückrechnung passt.305 Allerdings ist hierbei bereits auffällig, dass schon die ursprüngliche Rechtsfolge nicht beim Sachwert der konkreten Sache306 stehen blieb und eben nicht den Marktwert zum Zeitpunkt der Beschädigung der Berechnung zugrunde legte. Vielmehr ließ bereits die Rückrechnung des Höchstwertes zu, dass unter Umständen mehr zu ersetzen war als der reine Sachwert zum Zeitpunkt der Schädigung.307 Zwar bestimmte der Sachwert die Berechnung. Die zurückzurechnende Jahresfrist aber ermöglichte es zudem, vergangene Werte, die dem konkret Geschädigten günstig waren, mit zu berücksichtigen.308 Hierin zeigt sich vielleicht am deutlichsten, dass es wenigstens ursprünglich nicht auf den Unterschied zwischen objektiver Berechnung nach dem Sachwert und subjektiver Berechnung nach dem Interesse ankam. Vielmehr löste sich dieser Gegensatz zumindest teilweise bereits in der Höchstwertformel auf. Auf dieser Ausgangslage können die späteren Juristen im weiteren zeit­ lichen Verlauf aufbauen, den Schadensbegriff zunehmend erweitern und somit den Ersatz immer weiter verfeinern.309 Zu Beginn scheinen diese Verfeinerungen noch als Mehrwert durch die quanti-Formel gedeckt zu sein.310 Es werden bestimmte Umstände zum Marktpreis der Sache als Akzessionen hinzugezählt, die über die bloße aestimatio corporis hinausgehen.311 In der weiteren klassischen Zeit dürfte sich die Schätzung dem Gedanken des id quod interest angenähert haben.312 305  Kaser, Quanti, S. 168; siehe auch Medicus, S. 238; in Abwendung von Savigny (oben Fn. 67), S. 444 c. A.  A. Daube, Studi Scholazzi, S. 93 ff., besonders S. 139 ff.; siehe dazu nur die ablehnende Haltung von Medicus, S. 238 ff. 306  Die Klausel nennt nicht schlicht res, sondern mit id das individuell beschädigte oder zerstörte Objekt. Vgl. Lenel, EP, S. 201; Kaser, Quanti, S. 168. 307  Z. B. in Ulp. D. 9,2,23,3: Obgleich der Sklave zur Zeit der Tötung schon amputiert und damit fast wertlos war, musste der Höchstwert des gesunden Sklaven ersetzt werden. Vgl. auch Ankum, Studi Sanfilippo, S. 57 f.; N. Natali, La Legge Aquilia: ossia il damnum iniuria datum, Roma 1970, S. 167 f.; Pugsley, TR 50 (1982), S. 1. Das gibt auch v. Tuhr, Schätzung, S. 3, zu. 308  Vgl. v. Lübtow, S. 40; Schebitz, Berechnung, S. 272. 309  Z. B. Gai. 3,212: plus dominus capiat damni, quam pretium servi sit, id quoquo aestimatur und Gai. 3,214: plus interdum consequatur, quam ei damnum datum est. Vgl. auch v. Lübtow, Lex Aquilia, S. 122 ff.; Hausmaninger, Schadensersatzrecht, S. 28 f.; MacCormack, SDHI 41 (1975), S. 1 ff., 70 f.; Kaser, Quanti, S. 183; Kaufmann (oben Fn. 303), S. 9.; v. Tuhr, Schätzung, S. 9. 310  Honsell, S. 143 A. 8; Gerke, SDHI 23 (1957), S. 63; Medicus, SZ (1998), S. 74 f. 311  Z. B. Ner.-Ulp. D. 9,2,23pr.; vgl. Gerke (vorherige Fn.), S. 77. 312  Ob diese fließende Entwicklung über das Stadium der Unterscheidung bei Pedius, Julian und Paulus zwischen affectiones, utilitas singulorum und utilitas

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

Schwierigkeiten bereitet dabei exemplarisch Ulpians allgemeine Äußerung in D. 9,2,21,2: Sed utrum corpus eius solum aestimamus, quanti fuerit cum occideretur, an potius interfuit nostra non esse occisum? Et hoc iure utimur, ut eius quod interest fiat aestimatio. Schätzen wir aber nur seinen Körper, wie viel er wert war, als er getötet wurde, oder eher unser Interesse daran, dass er nicht getötet wurde? Und es ist geltendes Recht, dass das zu schätzen ist, was das Interesse darstellt.

Ulpians Interpretation des ersten Kapitels der lex Aquilia geht von einer Berechnung des Interesses des Geschädigten aus, nicht von einer Bestimmung des reinen Sachwertes. Beseler313 und von Lübtow314 halten die Stelle für verfälscht, Kaser315 sieht sie als Paraphrase eines klassischen Kontroversenberichts, wobei Levy316 hierin die angesprochene Hinwendung zur Interessenberechnung erblickt.317 Diesen Streit weiterzuverfolgen, ist die vorliegende Arbeit nicht berufen. Vielmehr soll hier die Feststellung genügen, dass es zwischen den Formulierungen quanti id fuit und id quod interest im Laufe der Entwicklung keinen strikten Gegensatz gab und vielmehr der Übergang von Sachwert- zu Interessenberechnung ist.318 Deutlich wird diese Entwicklung in einem Zitat von Tuhrs für das klassische Recht319: „Nicht die Differenz im Vermögen des Klägers wird geschätzt, sondern immer noch die Sache, nur sollen dabei alle Umstände in Betracht kommen, vermöge deren der Eigentümer durch Vernichtung der Sache einen weiteren Nachteil erleidet.“320 communis verlief, so Schebitz, Berechnung, S. 363 f., soll hier nicht vertieft werden. Zu dieser Entwicklung allgemein Kaser, Quanti, S. 174 ff., und Medicus, SZ (1998), S. 74 f.; Valditara, Superamento, S. 13 ff., 178 f.; De Robertis, SDHI 32 (1966), S. 117; schon Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 47 ff. 313  SZ 50 (1930), S. 26. 314  Lex Aquilia, S. 122. 315  Kaser, Quanti, S. 173 f. 316  Levy, Privatstrafe, S. 149. 317  Vgl. insgesamt dazu v. Lübtow, Lex Aquilia, S. 122 ff. 318  Rainer gibt in SZ 111 (1994), S. 572 ff., eine gute Übersicht über den Meinungsstand und die umstrittenen Stufenfolgen. Vgl. auch Medicus, SZ (1998), S. 75; Levy, Privatstrafe, S. 148 f.; v. Tuhr, Schätzung, S. 9; eine andere Lösung bietet Bonfante IV, S. 426 f., an, wenn er die res der Formel als „negozio, fatto, relazione giuridica“ begreift und damit die Formeln inhaltlich zur Deckung bringen will. Auch Daube, Studi Scholazzi (1948), S. 139 ff., will (zumindest im 3. Kapitel der lex Aquilia) res als „affair“ verstehen und damit die interesse-Berechnung herleiten; dagegen Medicus, S. 238 f. Vgl. auch Behrends, JuS 1985, S. 881. Jansen, S. 243 ff., stellt diese Entwicklung unter dem Blickpunkt des Übergangs von Sanktion zum Ersatz dar. 319  Welches v. Lübtow, Lex Aquilia, S. 129, Kaser, Quanti, S. 176, und Gerke, SDHI 23 (1957), S. 116, wörtlich übernehmen. 320  v. Tuhr, Schätzung, S. 10.



§ 3  Gemischte Strafklagen79

Entscheidend für unsere Betrachtung ist die von Paulus zitierte Aussage des Sextus Pedius, dass die pretia rerum communiter berechnet werden. Regelartig321 wird hier der Gedanke referiert, nach dem sich der Wert einer Sache allein nach allgemeinen Kriterien bestimmen lässt. Die Vorliebe und die Zuneigung des Einzelnen sollen für die Bestimmung des Wertes keine Rolle spielen. Wird nun also ein Sklave getötet, richtet sich der Schadensersatz aus der lex Aquilia nur auf den objektiv bestimmbaren allgemeinen Wert. Zunächst muss allerdings geklärt werden, was pretium überhaupt bedeutet.322 Es kann nämlich mit unserem „Preis“ übersetzt werden, aber auch mit „Sachwert“, wobei dies die ursprüngliche Bedeutung ist. Das Wort hat indogermanische Wurzeln und schon im Altindischen bedeutet „apratâ“ „umsonst“, „unentgeltlich“. Im Lateinischen ist es die Substantivierung eines Adjektivs der nicht quellenmäßig belegten, aber sprachwissenschaftlich erschlossenen Form „pretjos“, was am ehesten mit dem deutschen „gegenüber befindlich“, „gleichwertig“, „das einer Sache Gegenüberstehende“ oder kurz „Gegenwert“ wiederzugeben sein dürfte.323 Zunächst bezeichnet pre­ tium den Wert als Fähigkeit, einen Preis zu erzielen, später dann das vereinbarte Entgelt.324 Ist auch im Einzelfall nicht prima facie zu unterscheiden, ob der Wert oder der Preis gemeint ist, bedeutet dies keineswegs ein Fehlen dieser Unterscheidung325 oder ein Gleichsetzen beider Aspekte326 bei den Römern.327 Das zu behandelnde Prinzipium lässt durch die Formulierung pretia rerum keinen Zweifel an der Bedeutung Sachwert. Zurück zur Ausgangsquelle: Paulus selbst gibt zunächst nur das Fallbeispiel, in dem Vorliebe und Zuneigung des Einzelnen sich auf die Bewertung einer Sache auswirken können: die Tötung eines Sklaven, für dessen Erwerb der leibliche Vater wegen seiner (familiären) Zuneigung einen höheren Kaufpreis zu bezahlen bereit war. Dabei muss man sich kurz über das Verhältnis der Beteiligten im Fall klar werden und darüber, dass der Status des Kindes vom Status der Mutter 321  Diese Tendenz zu allgemeinen Formulierungen des Sextus Pedius zeigt sich auch in Ulp.-Ped. D. 2,14,1,3; zum regula-Begriff vgl. Wieling, SZ 87 (1970), S. 242 ff.; siehe auch Hausmaninger, TR 36 (1968), S. 469 ff. m. w. N. 322  Vgl. zum Folgenden Honsell, S. 14. 323  Vgl. A. Walde / J. B. Hofmann, Lateinisches Etymologisches Wörterbuch2, Heidelberg 1938, Eintrag pretium. 324  Vgl. auch die Erklärung bei Paul. D. 18,1pr.: aliud merx, aliud pretium vocabatur … nec ultra merx utrumque, sed alterum pretium vocatur. 325  So P. Oertmann, Die Volkswirtschaftslehre des Corpus iuris civilis, Neudruck Aalen 1971, S. 38. 326  So Windscheid / Kipp, Pandekten9, S. 394, A. 1. 327  Vgl. dazu Honsell, S. 14.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

abhängt,328 so dass es sich in dem Beispiel wohl um den getöteten Sklaven als das gemeinsame Kind eines dominus mit seiner Sklavin gehandelt hat. War nun dieses Kind Sklave eines anderen dominus, war dem Vater über Gebühr viel daran gelegen, sein Kind in seine Gewalt (zurück-)zuerwerben.329 Dieser Umstand der besonderen Vorliebe des Einzelnen (nämlich hier des leiblichen Vaters) soll ihm aber im Schädigungsfall nicht zugutekommen. Erstattet werden soll nur, quanti omnibus valeret. Eine nähere Begründung gibt Paulus für seine Entscheidung nicht. Stattdessen zitiert er Pedius mit der formulierten „Regel“ und dem entsprechenden Beispiel des filius naturalis. Pedius begründet die Lösung damit, dass der paterfamilias nicht als um den Betrag vermögender anzusehen ist, den er bereit wäre zu zahlen, um seinen filius naturalis (zurück-)zuerwerben, non eo locupletiorem esse, quod eum plurimo, si alius possideret, redempturus fuit. Das letzte von Paulus zitierte Pedius-Beispiel des Prinzipiums beschäftigt sich mit einem Aspekt des entgangenen Gewinns, wenn darauf abgestellt wird, dass nicht der mögliche, virtuelle Wert eines filius alienus beim Verkauf an dessen leiblichen Vater in Anschlag gebracht werden kann.330 2. Paulus D. 35,2,63pr. als Parallelfall? Diese Beispiele finden sich fast wortgleich in D. 35,2,63pr. (Paul. 2 leg. Iul. et Pap.) wieder. Auch hier wird die „Regel“ des Pedius genannt und weiter exemplifiziert, was eine gemeinsame Betrachtung nahelegt. Wir haben den Text bereits oben erwähnt und übersetzt; zum einfacheren Verständnis noch einmal das Prinzipium: P re t i a re r u m n o n e x a f f e c t u n e c u t i l i t a t e s i n g u l o r u m , s e d c o m m u n i t e r f u g u n t u r. Nec enim qui filium naturalem possidet tanto locupletior est, quod eum, si alius possideret, plurimo redempturus fuisset. Sed nec ille, qui filium alienum possidet, tantum habet, quanti eum patri vendere potest, nec exspectandum est, dum vendat, sed in praesentia, non qua filius alicuius, sed qua homo aestimatur. Eadem causa est eius servi, qui noxam nocuit: nec enim delinquendo quisque pretiosior fit. Sed nec heredem post mortem testatoris institutum servum tanto pluris esse, quo pluris venire potest, Pedius scribit: est enim absurdum ipsum me heredem institutum non esse locupletiorem, antequam adeam, si autem servus heres institutus sit, statim me locupletiorem effectum, cum multis nur Kaser, RP I2, S.  284 m. w. N. dazu auch R. Willvonseder, Kinder mit Geldwert: zur Kollision von Sachwert und persönlicher Wertschätzung im römischen Recht, in H. Bellen / H. Heinen (Hrsg.), Fünfzig Jahre Forschungen zur antiken Sklaverei an der Mainzer Akademie, Stuttgart 2001, S. 103 ff. 330  Siehe nur Below, Lucrum cessans, S. 31 f. 328  Siehe 329  Siehe



§ 3  Gemischte Strafklagen81 causis accidere possit, ne iussu nostro adeat: adquirit nobis certe cum adierit, esse autem praeposterum ante nos locupletes dici, quam adquisierimus. D e r We r t v o n S a c h e n w i r d n i c h t n a c h d e r p e r s ö n l i c h e n Z u n e i gung und dem Nutzen für den Einzelnen bestimmt, sondern a l l g e m e i n . Und daher ist derjenige, der einen leiblichen Sohn besitzt, nicht um das vermögender, für das er ihn teurer zurückkaufen würde, wenn ein anderer ihn besäße. Und auch derjenige, der einen fremden Sohn besitzt, hat nicht so viel in seinem Vermögen, für wie viel er den Sohn dem leiblichen Vater verkaufen könnte. Denn es ist nicht der Zeitpunkt zu betrachten, zu dem er tatsächlich verkauft, sondern die Gegenwart, in der nicht irgendeines Sohnes geschätzt wird, sondern konkret dieser Mensch. Und genauso ist es in dem Fall, dass ein Sklave der Noxalhaftung unterliegt: Denn auch hierbei ist der Delinquent durch seine Tat nicht etwa wertvoller geworden. Und auch ein Sklave, der nach dem Tod des Erblassers als dessen Erbe eingesetzt ist, ist nicht das mehr wert, das man für ihn bekommen kann. Pedius schreibt nämlich, es sei abwegig, dass, wenn man selber als Erbe eingesetzt sei, vor Antritt der Erbschaft nicht bereichert sei, wenn aber ein Sklave eingesetzt sei, man sofort bereichert sei. Denn es könne viele Gründe dafür geben, dass der Sklave auf unser Geheiß nicht antritt. Mit Sicherheit erwerbe er für uns, wenn er die Erbschaft antrete. Uns, bevor wir angetreten haben, aber bereichert zu nennen, sei vorgegriffen.

Paulus wird hier aus seinem im Index Florentinus nicht genannten Kommentar zu den bevölkerungs- und sozialpolitischen leges Iulia de maritandis ordinibus et Papia Poppaea zitiert.331 Unter Augustus wurden 18 v. Chr. bzw. 9 v. Chr. diese (und weitere) Gesetze erlassen als Maßnahme gegen die zunehmende Ehe- und Kinderlosigkeit besonders innerhalb der oberen Schichten der römischen Gesellschaft. Beide Erscheinungen wurden durch Regelungen im Rahmen der erbrechtlichen Erwerbsfähigkeit sanktioniert: Ehelose (caelibes) konnten aus Erbfolge oder Legat nichts, Kinderlose (orbi) lediglich die Hälfte des eigentlich Zugewendeten erben.332 Zudem konnten Ehegatten untereinander nur ein Zehntel des (gesamten) Vermögens des anderen als Erbe erwerben.333 Der Überschuss am Erbe verfiel (cadutum) und ging an die anderen Bedachten oder letztlich an den fiscus. Wortgleich zu D. 9, 2, 33pr. referiert Paulus auch in der Stelle aus dem 35. Buch den Maßstab, nach dem der Sachwert zu bestimmen ist: non ex 331  Bereits in klassischer Zeit wurden die Gesetze als Einheit gesehen, lex Iulia et Papia, vgl. zu den augusteischen Ehegesetzen Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 59 ff.; A. Mette-Dittmann, Die Ehegesetze des Augustus, Stuttgart 1991, passim; D. Nörr, FS Schelsky, S. 313 ff. 332  Die Gesetze verfehlen ihre Ziele und werden im 4. und 5. Jh. zum größten Teil aufgehoben oder geraten außer Übung. Lediglich die Beschränkung der Wiederverheiratung und bestimmte Eheverbote bleiben bis zur Aufhebung durch Justinian in Kraft, siehe Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht18, § 58 Rn. 29. 333  Siehe dazu Kaser, RP I2, S. 331; P. E. Corbett, The roman Law of Marriage, Neudruck Aalen 1979, S. 119.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

affectu (affectione), sed communiter. Zwar spricht D. 9,22,33pr. von ex affectione, D. 35,2,63pr. hingegen von ex affectu. Der Unterschied ist jedoch unbeachtlich.334 Beide Vokabeln kommen von afficere (dt.: in einen Zustand versetzen, anregen), wobei affectio die Substantivierung der Grundform afficere darstellt, affectus vom Intensivum affectare stammt. Die Abweichung ließe sich eventuell dann erklären, wenn Paulus in D. 9,2,33pr. einerseits Pedius direkt zitiert, in D. 35,2,63pr. hingegen seine eigenen Worte wiedergegeben werden.335 Letztlich müssen diese Erwägungen aber hier genügen dürfen. Des Weiteren bringt Paulus in D. 35,2,63pr. zwei aus der behandelten Stelle zur lex Aquilia bekannte Beispiele: Paulus spricht neuerlich vom paterfamilias, der seinen filius naturalis teurer (zurück-)erwerben würde, und vom filius alienus, für dessen Bewertung es auch nicht auf die Verkaufsmöglichkeit an seinen leiblichen Vater ankommen kann. Auffällig ist hierbei die Ergänzung um nec exspectandum […] qua homo aestimatur.336 Paulus gibt hiermit eine erste Begründung für seine Entscheidung, warum pretia rerum communiter fuguntur gelten soll. Unbeachtlich für die Schätzung muss der mögliche Zeitpunkt eines Verkaufs bleiben, zu dem ein höherer Wert festzustellen sein könnte. Vielmehr ist der Sklave in praesentia zu schätzen, zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verkauf lediglich virtuell und ersinnbar, damit aber noch nicht berücksichtigungsfähig ist. Als weiteren Fall und zur Erklärung bemüht Paulus über Pedius im Anschluss den Fall einer noxae deditio, bei welcher der Sklave nicht deswegen wertvoller ist, weil sein dominus ihn als Ersatzleistung ausliefern kann. 334  Vgl. nur Heumann / Seckel11, Eintrag affectio, es werden beide Vokabeln synonym genannt; auch Valditara, Superamento, S. 34; Wacke, S. 568. Siehe auch schon oben in Fn. 247. 335  So vermutet Schebitz, Berechnung, S. 282, dass Paulus sogar auf noch ältere juristische Ausführungen als Pedius zurückgegriffen hat. Das hätte Schebitz vielleicht über einen Vergleich der Verwendung der beiden Substantive untermauern können, was er allerdings verpasst. M.E. müsste ein solcher Nachweisversuch aber scheitern. Die Endung -io findet sich vornehmlich in der Zeit der goldenen Latinität, die Endung -us lässt auf silberne Latinität schließen. Im Werk Ciceros findet sich vornehmlich die Verwendung von affectio (32 Treffer, nur einer für affectus). Vgl. dazu und zum Nachweis des stoischen Einflusses auf die Quellen Cloud, SZ 123 (2006), S. 19 ff. 336  Anscheinend macht die korrekte Zuordnung und Übersetzung dieser Stelle Schwierigkeiten, was seinen Grund im falschen Bezug des qua findet. Dieses ist grammatikalisch nur auf in praesentia zu beziehen. Vgl. aber nur Honsell, S. 155 Rn. 25, der qua wohl als „qua“ i. S. d. deutschen „gemäß“ auffassen will. Zur Auffälligkeit der Stelle auch Valditara, Superamento, S. 35, 58.



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Erst dann kommt der neue Fall des als Erben eingesetzten Sklaven, zu dessen Begründung Paulus wiederum Sextus Pedius anführt. Der Sklave heres institutus kann vor Antritt der Erbschaft nicht so viel mehr wert sein, für wie viel man ihn nach dem Tod des Erblassers teurer verkaufen könnte. Die Begründung liefert – wie gesagt – Pedius für Paulus: Abwegig sei es, den Widerspruch zuzulassen, dass ein eingesetzter Erbe vor Antritt zwar nicht als bereichert gelte, der dominus eines eingesetzten Sklaven jedoch sogleich mit dem Tod des Erblassers als bereichert anzusehen sei. Interessant ist hier zwar die Argumentation um das absurdum est. Paulus legt – zumindest nach der Einteilung der Florentina – Pedius hier eine reductio ad absurdum in den Mund.337 Dieses letzte Beispiel ist allerdings für unsere Fragestellung nach der persönlichen Zuneigung wenig ergiebig.338 Wichtiger erscheint, näher zu untersuchen, was Paulus an dieser Stelle zu so allgemeinen Erwägungen über die pretia rerum bewogen hat. So nimmt Lenel an, D. 35,2,63pr. hätte im ursprünglichen Zusammenhang unter der Überschrift de decimis computandis gestanden.339 Betrachtet man aber D. 35,2,63pr. mit der Aussage zur lex Falcidia in D. 35,2,62,1 (Ulp. 1 ad l. Iul. et Pap.), corpora si qua sunt in bonis defuncti, secundum rei veritatem aestimanda erunt, hoc est secundum praesens pretium,340 liegt auch ein ursprünglicher Zusammenhang mit der lex Falcidia nahe, wofür die Einordnung unter den Titel ad legem Falcidiam durch die Kompilatoren spricht.341 Ulpian verweist für die Berechnung des Wertes 337  Raber, S. 200, weist darauf hin, dass der Absurditätsbeweis durchaus auch von Paulus selber stammen kann (mit Bezug auf E. Seidl, Römische Rechtsgeschichte und römisches Zivilprozessrecht3, Köln 1971, Rn. 224). 338  Auch wenn die Wendung cum multis causis accidere possit, ne iussu nostro adeat durchaus weitere Erörterungen provoziert, vgl. zur Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts Schebitz, Berechnung, S. 282. Raber sieht – wenig nachvollziehbar – in der Begründung die Wertung, den dominus nicht in seiner Entscheidungsfreiheit über den Erbschaftsantritt einschränken zu wollen. Nichtsdestoweniger ist der Widerspruch zu Ulp. D. 9,2,23pr. und Iul. D. 9,2,51,2 unübersehbar, vgl. MacCormack, SDHI 41 (1975), S. 70 ff.; zusammenfassend Cannata, SDHI 58 (1992), S. 387 f.; ausführlich Valditara, Superamento, S. 15 ff., zu Pedius besonders S. 45 ff.; auch Below, Lucrum cessans, S. 32, weist auf die Widersprüche hin. 339  Paling. I, S. 1127 A. 2; Paling. II, S. 941 A. 1; vgl. auch Marchi, BIDR 16 (1904), S. 237. 340  Siehe auch Ulp. D. 35,2,42: in falcidia aestimatio pretii rerum ex veritate facienda est. 341  Marchi, BIDR 16 (1904), S. 237 A. 2, S. 239. Auch Voci, DER I2, S. 439 A. 14, zählt die Stelle zur lex Falcidia. U. Wesel, Rhetorische Statuslehre und Gesetzesauslegung der römischen Juristen, Köln 1967, S. 52 A. 36, hingegen hat Zweifel an diesem ursprünglichen Zusammenhang des Pedius-Zitats. Vgl. insgesamt Raber, S. 201.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

auf den gegenwärtigen Wert der Sache und die vera aestimatio.342 Die Bewertung nach dem pretium formale lehnt er ab.343 Die lex Falcidia (von 40 v. Chr.) schränkte die Testierfreiheit eines Erblassers in der Gestalt ein, dass wenigstens ein Viertel der Erbschaft, die „Falzidische Quart“, den Erben frei von Belastungen durch Legate erhalten bleiben musste.344 Wurde dieser Teil belastet, kam es zu einer anteilsmäßigen Kürzung aller Belastungen, so dass und bis im Ergebnis das unbelastete „Pflichtviertel“ für die Erben wieder erreicht war. Bei der Bewertung dieses den Erben vorbehaltenen, vierten Teils konnte nun nicht auf die persönliche Zuneigung des Erblassers abgestellt werden. Die Quart musste vielmehr communiter und nach dem Grundsatz quanti omnibus valeret errechnet werden, wenn nicht die Gefahr bestehen sollte, dass den Erben tatsächlich ein Wert der Erbschaft verblieb, der weniger als ein Viertel darstellte. Die Erben hätten sonst den nur subjektiven vierten Teil der Erbschaft frei von Belastungen erhalten.345 Diesen Wert hätten sie aber am Markt bei Verkauf der Erbschaft nicht realisieren können, so dass der Zweck der lex Falcidia, den Anreiz zum Erbantritt zu setzen, unterlaufen zu werden drohte. Die Regeln über die lex Falcidia kommen als sedes materiae somit auch in Betracht. Andererseits gibt auch die von Lenel346 vorgeschlagene Verortung der Aussage über die pretia rerum bei der computatio decimarum Sinn.347 Wie schon angesprochen, konnten sich Ehegatten gegenseitig nur den zehnten Teil ihres Vermögens hinterlassen.348 Auch hier erscheint eine Berechnung nach der persönlichen Wertschätzung kontraproduktiv. Zum einen liefe die Regelung wiederum Gefahr, unterlaufen zu werden; andererseits könnte die Wertschätzung der beiden Ehegatten stark differieren und so zu vielen Unklarheiten führen. auch Honsell, S. 155 A. 25. Begriff ist insgesamt jedoch mehr als unklar, vgl. nur Valditara, Superamento, S. 177 ff. 344  Paul. D. 35,2,1pr.; Gai. 2,227; Inst. 2,22pr. Zur lex Falcidia siehe Wacke, Studien im römischen Recht, Max Kaser zum 65. Geburtstag, S. 209 ff.; Schwarz, SZ 63 (1943), S. 314 ff.; D. Schanbacher, Ratio legis Falcidiae: die falzidische Rechnung bei Zusammentreffen mehrerer Erbschaften in einer Hand, Berlin 1995, passim. Hauptzweck der lex ist es, mit dem unbelasteten Viertel den Erben einen Anreiz zu setzen, die Erbschaft anzutreten. 345  Raber, S. 202; auch Honsell, S. 155 A. 25. Auch Valditara, Superamento, S. 38, sieht diesen Zusammenhang. 346  Siehe oben Fn. 339. 347  Ihm folgen Voci, DER I2, S. 441 A. 50, und R. Astolfi, La lex Iulia et Papia4, Padova 1996, S. 249 A. 43. 348  Siehe oben bei Fn. 333. 342  So

343  Dieser



§ 3  Gemischte Strafklagen85

Erscheinen damit beide sedes materiae als möglich, hat sich jedenfalls gezeigt, dass die Aussage pretia rerum non ex affectu nec utilitate singulorum, sed communiter fuguntur von Paulus in D. 35,2,63pr. jedenfalls in einem erbrechtlichen Zusammenhang gemacht wurde. Die beiden hier untersuchten parallelen Quellen sind in der Vergangenheit mehr oder weniger stark verdächtigt worden.349 Teilweise wird daraus geschlossen, dass der generelle Ausschluss der affectio in der aestimatio nicht klassisch war.350 Hinsichtlich des Ausschlusses der utilitas singulorum ist man sich auch nicht einig.351 Allerdings wiegen die Mängel nicht so schwer, als dass an der Klassizität der Entscheidung gegen die affectio gezweifelt werden müsste. Ein Eingriff der Kompilatoren in Bezug auf den Aussagegehalt ist unwahrscheinlich, liegt diesen doch sowieso der umfassendere Interessestandpunkt näher.352 3. Nähere Betrachtung der Beispiele für affectio Als aufschlussreich erweist es sich, die in den Stellen vorgebrachten Beispiele unter unserer Fragestellung nach dem Wert der persönlichen Zuneigung zu untersuchen und zu vergleichen. Paulus spricht in D. 9,2,33pr. als erstem Beispiel zunächst nur vom filius servus, den der paterfamilias wegen seiner Zuneigung zu einem höheren Preis über den Marktwert hinaus erworben hatte (velles und emptum, im Gegensatz zum folgenden redempturus).353 Diese Konstellation dient Paulus als Beispiel für die affectio, die keine Berücksichtigung im Rahmen der Schadensberechnung finden 349  Beseler, SZ 66 (1948), S. 267; ders., SZ 50 (1930), S. 28 f.; Bülow, Lucrum cessans, S. 32 f.; auch Kaser, Quanti, S. 168 A. 8, hält die Stelle für „schwer überarbeitet“, so dass die Meinung des Pedius nicht mehr ganz sicher zu erkennen sei. 350  Pamploni, Archivio Giuridico 31 (1884), S. 413. 351  Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 214 ff.; vgl. Gerke, SDHI 23 (1957), S. 73 f. Dazu eingehender noch sogleich im Text. 352  Dazu Gerke, SDHI 23 (1957), S. 74; Schebitz, Berechnung, S. 280; auch Honsell, S. 155 A. 25, hält die Zitate für klassisch. Vgl. auch Pernice, Sachbeschädigung, S. 244. Marchi, BIDR 16 (1904), S. 238, hegt auch keine Zweifel an der Echtheit der getroffenen Aussage. Schließlich bringt auch Kaser, Quanti, S. 176 A. 30, nichts gegen den Ausschluss der affectio vor. Zum Ganzen auch Hausmaninger, Schadensersatzrecht, S. 30 und dort insbes. A. 68. 353  Raber, S. 203, meint hier einen Fall zu erkennen, in dem der paterfamilias den Sohn zu einem höheren Preis gekauft h ä t t e . Das besagt die Quelle aber nicht. M.E. geht das erste Beispiel des Paulus nicht von einer solchen hypothetischen Situation aus. Diese ist vielmehr dem zweiten Beispiel vorbehalten (redempturus). Bülow, Lucrum cessans, S. 31, geht wie Raber auch von einem irrealen Kauf aus; wohl ihm folgend macht Schebitz, Berechnung, S. 277, den gleichen Fehler. Beachte aber die korrekte Übersetzung bei Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler, CIC II.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

kann. Wert erhöhend war der familiäre Bezug des Käufers zur Kaufsache. Der jetzige dominus und gleichzeitig pater des Sklaven hat daher mehr ausgegeben, als der Markt tatsächlich gefordert hatte. Nicht quanti omnibus valeret, sondern ein höherer Kaufpreis war entrichtet worden. Wird nun dieser servus filius von dritter Seite getötet, richtet sich der Ersatz aber nur nach dem Marktwert, nicht nach dem infolge der affectio höheren und auch hingegebenen Kaufpreis. Der Mehrwert, den der Sklave für seinen Vater hatte, geht demnach im Rahmen der actio legis Aquiliae nicht zulasten des Schädigers.354 In dem folgenden Pedius-Zitat geht es über den Ausschluss der affectio hinaus auch um die Nichtberücksichtigung der utilitas singolorum für die Wertberechnung (non ex affectione nec utilitate singulorum). Dieses Zitat übernimmt Paulus auch in D. 35,2,63pr. In welchem Verhältnis steht die utilitas singulorum aber zur affectio? Die vorherrschende Auffassung nimmt an, dass utilitas singulorum und quod interest in Ermangelung einer festumrissenen, durchgebildeten Begrifflichkeit in den Quellen denselben Bezugspunkt haben und insofern austauschbar sind.355 Teilweise wird es auch als eine Umschreibung des Wesens des Interesses angesehen.356 Cohnfeldt357 hält die utilitas singulorum für einen Teil des Interesses und grenzt sie klar zur affectio ab: Der besondere Nutzen sei im Rahmen des Interesses messbar, der subjektive Maßstab der affectio gerade nicht zu ermessen und daher auch kein Wert im eigentlichen Sinne. Unter dieser Annahme kann man durchaus folgern, dass Pedius in den untersuchten Stellen eine einschränkende Haltung gegenüber der Interessenberechnung verfolgte.358 354  Dabei erscheinen die Verknüpfung und der Zusammenhang von servum meum occidisti und filium tuum naturalem nicht rund. Ungenau mutet der Umstand an, dass der tu den filius servus alienus umbringt (occidisti). Im nächsten Beispiel geht es dann um einen weiteren tu, dessen affectio keine Berücksichtigung findet. Hier ist wohl von einem verkürzenden Eingriff in den Text auszugehen, wofür auch der seltsame Satzbau spricht. Vgl. aber auch hier die zutreffende Übersetzung bei Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler, CIC II. 355  Vgl. Kaser, RP I2, S. 500; Medicus, S. 3 f.; Hausmaninger, Schadensersatzrecht, S. 55; auch Honsell, S. 47. 356  Gerke, SDHI 23 (1957), S. 85 f. A. 100 mit Bezug auf Cohnfeldt (oben Fn. 44), S. 68 f. Daraus aber meistens den Schluss auf eine Interpolation zu ziehen, ist wohl verfehlt. Die Argumentation von Schebitz, Berechnung, S. 287, leuchtet demgegenüber eher ein: Warum sollten die Kompilatoren das bevorzugt verwendete Interesse noch durch eine weitere Kategorie der utilitas aufgeweicht haben? 357  Die Lehre vom Interesse nach Römischem Recht, Leipzig 1865, S. 8. 358  Kaser, Quanti, S. 168 A. 8; v. Lübtow, Lex Aquilia, S. 123 A. 173; Gerke, SDHI 23 (1957), S. 73 ff.; v. Tuhr, Schätzung, S. 9 f. A. 2; a. A. Pernice, Sachbeschädigung, S. 244. Für unsere Betrachtung der affectio indes muss dieser Aspekt



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Bringt man diese Überlegungen nun mit den in D. 9,2,33pr. gefundenen Beispielen überein, wird recht deutlich, was Paulus mit affectio meinte. Der familiäre Bezug zum filius servus konnte, weil es bloß um affectio ging, den Wert nicht erhöhen. Das nächste Beispiel aus dem Pedius-Zitat359 itaque eum, qui filium naturalem possidet, non eo locupletiorem esse, quod eum plurimo, si alius possideret, redempturus fuit verlagert den Blickwinkel lediglich auf eine hypothetische Situation, in der der paterfamilias den filius naturalis sowieso besitzt, ohne dafür einen höheren Kaufpreis entrichtet zu haben. Diesen Fall hat Paulus selbst schon im ersten Beispiel behandelt.360 Das dritte und letzte Beispiel des Prinzipiums von D. 9,2,33 – nec illum, qui filium alienum possideat, tantum habere, quanti eum patri vendere posset – handelt, wie schon festgestellt, eher vom entgangenen Gewinn und kann daher hier außer Betracht bleiben. Die weiteren Beispiele in D. 35,2,63pr. – der servus heres institutus und die noxae deditio – können unter diesem Gesichtspunkt nicht als solche für einen Ersatz der affectio dienen, sondern sollen vielmehr den Ersatz der utilitas singulorum verdeutlichen. Es fällt in diesem Zusammenhang nicht leicht zu ermitteln, was Paulus selbst bei der Wertberechnung ausgeschlossen hat. Wie gesehen, stammt der Ausschluss der utilitas singulorum ja eigentlich aus dem Zitat des Pedius. Daher mussten besonders die Vertreter der Interessenlehre annehmen, Paulus hätte hier ein überschießendes Zitat gebracht.361 Aus seinen Ausführungen wird aber für uns gerade der Ausschluss der affectio deutlich.

nicht weiter verfolgt werden. Nochmals aber: Für die Berechnung der pretia rerum kann nach Paulus und Pedius weder die affectio noch die utilitas singulorum berücksichtigt werden. Dass sich eventuell aus der von Pedius gemachten Einteilung die interesse-Einteilung in interesse singulare, interesse commune und interesse conventum der Glossatoren entwickelte, ist hier nicht weiter zu verfolgen, siehe schon oben, Erster Teil, § 3. Vgl. dazu nur Lange, S. 19, 22. 359  Die Tatsache, dass Paulus hier Sextus Pedius zitiert, ergibt sich aus der indirekten Rede, in der die folgenden Beispiele wiedergegeben werden. 360  M. E. ist es daher verfehlt, wie Raber, S. 203, dies annimmt, die verschiedenen Fälle als gleich hypothetisch zu behandeln (das hypothetische „hätte“ ist nur auf das zweite Beispiel zu beziehen, im ersten Fall hat der paterfamilias mehr als den Marktpreis aufgewendet). 361  Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 214; v. Tuhr, Schätzung, S. 9 f. A. 2; vgl. auch Gerke, SDHI 23 (1957), S. 73 f.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

4. Übertragung des Pedius-Gedanken aus D. 35,2,63pr. auf das Schadensrecht in D. 9,2,33pr. durch Paulus? Wir haben gesehen, dass die angeführten Beispiele sich nahezu decken. Daher kann in einem weiteren Schritt die Überlegung angestellt werden, inwieweit eventuell Paulus die Lösung des Pedius im Fall der lex Falcidia, die Bestimmung des Sachwertes communiter, auf das Schadensrecht übertragen wollte. Raber362 hat vermutet, dass Paulus bei der Frage nach der Sachwertbemessung die Schätzungsmethode des Pedius auf den Fall der lex Aquilia übertrug. Belege führt Raber dafür jedoch keine an. In der Tat dürfte eine solche Ableitung schwierig nachzuweisen sein. Es findet sich in D. 35,2,63pr. kein Hinweis auf die Urheberschaft des Pedius für die Aussage, dass pretia rerum communiter fuguntur. Vielmehr wird Pedius erst mit dem Absurditätsargument in die juristische Erörterung eingeführt. In D. 9,2,33pr. hingegen wird die Aussage pretia – communiter fungi direkt dem Pedius zugeschrieben. Aus der textlichen Überlieferung lässt sich also der Schluss Rabers so nicht belegen. Halten kann man die Vermutung nur, wenn man davon ausgeht, dass Paulus das gesamte Prinzipium von D. 35,2,63 von Pedius übernommen hat, ihn aber erst im siebten Satz auch ausdrücklich als Quelle für den Absurditätsbeweis nennt. Alternativ kann man auch einen Texteingriff annehmen, der uns um den Beleg der Autorenschaft des Pedius gebracht hat. Einen anderen Ansatzpunkt kann das puto aus D. 9,2,33pr. darstellen. Entweder ist es ein Beleg für die Übertragung des Ausschlusses der affectio ins Schadensrecht.363 Oder die Formulierung deutet, was nach dem Textbefund zu D. 35,2,63pr. näherliegt, auf abweichende Meinungen unter den Juristen hin. In diesem Sinne berief sich Paulus für die lex Aquilia auf die Meinung des Pedius, die seine eigene Position untermauern sollte.364 Das puto lässt darauf schließen, dass im Rahmen der unterschiedlichen Schadensposten und Akzessionen, die wir oben schon kurz angerissen haben,365 unter den Juristen auch die Frage aufkam, ob ein filius naturalis eben nicht nur nach dem Sachwert zu ersetzen sein soll. Die Stellungnahme des Paulus bedeutete deshalb, dass es vielleicht auch andere Meinungen zu dieser Frage gab, die aber nicht quellenmäßig auf uns gekommen sind. In den Quellen zur lex Aquilia findet sich daher kein Beleg für eine von Paulus’ Auffassung abweichende Meinung hinsichtlich des pretium rei. Die Frage nach einer Kontroverse einerseits und nach der Übertragung des Ausschlussgedankens andererseits kann somit nicht eindeutig beantwortet werden. 362  S. 203.

Beleg, den Raber allerdings nicht anführt. macht Wacke, S. 579, kurz aufmerksam. Gleichzeitig „fehlt“ das puto aber auch bei D. 35,2,63pr. 365  Vgl. oben in Fn. 309. 363  Ein

364  Darauf



§ 3  Gemischte Strafklagen89

5. Die Begründung für den Ausschluss der affectio Versuchen wir aber, uns den inhaltlichen Gründen für diesen Ausschluss zu nähern. Die actio legis Aquiliae ist eine Bußklage mit klar pönalem Element.366 Es geht darum, für die Zerstörung einer Sache eine Buße in Form des Höchstwertes innerhalb des letzten vergangenen Jahres vor der Tat zu leisten. Nicht so sehr das Schädigen steht im Mittelpunkt der Sanktion, sondern vielmehr die Hybris, mit der die Schädigung geschieht.367 Als Begründung für die Pönalität wird neben der passiven Unvererblichkeit, der Noxalhaftung und der Aktionenkonkurrenz368 auch Gai. 3,214369 herangezogen: quo fit, ut quis plus interdum consequatur, quam ei damnum datum est. Schon die Berechnungsweise lässt also die Straftendenz erkennen.370 Auch die klassischen Juristen haben die deliktische Abstammung noch als entscheidend für den pönalen Charakter der lex Aquilia angesehen.371 Nach Julian D. 9,2,51,2 ging es bei der lex Aquilia (eben auch) um die Bestrafung von maleficia: neque impunita maleficia esse oporteat.372 Durch die Bußzahlung galt daneben gleichzeitig auch der Vermögensschaden als abgegolten.373 366  Pernice, Sachbeschädigung, S. 118 ff.; Kaser, Quanti, S. 167; F. Schulz, Classical Roman Law, Oxford 1951, S. 589 ff.; Cardascia, Daube noster (1974), S. 63, lehnt einen ursprünglich pönalen Charakter der lex Aquilia hingegen ab. Dagegen wieder Valditara, Damnum, S. 56. Später trat wohl auch eine reipersekutorische Funktion hinzu, die actio legis Aquiliae galt als actio mixta, siehe nur Kaser, Quanti, S. 130 ff., 165 ff., und Valditara, Superamento, S. 184 f. 367  V. Lübtow, Lex Aquilia, S. 40; vgl. allgemein auch Burdese, BIDR 69 (1966), S. 344. 368  Dazu A. Corbino, Il danno qualificato e la lex Aquilia, corso di diritto, Padova 2005, S. 84; Ankum, Studi Sanfilippo II, S. 58. Allgemein Rotondi, S. 493; Voci, Risarcimento, S. 13; zum Sühnezweck Kaser, RP I2, S. 612 f. 369  Siehe dazu schon oben Fn. 309. 370  Levy, Privatstrafe, S. 148; v. Lübtow, Lex Aquilia, S. 40; Hausmaninger, Schadensersatzrecht, S. 28; Valditara, Damnum, S. 57. Dagegen wird allerdings teilweise vorgebracht, dass aus der Höchstwertberechnung lediglich eine Beweiserleichterung folge und diese daher über die pönale Funktion keine Aussage treffen könne. Letztlich wird aber dennoch der Strafcharakter der lex Aquilia bejaht, so dass der Streit für ihre pönale Tendenz an dieser Stelle nicht weiter relevant ist, vgl. v. Tuhr, Schätzung, S. 7 f.; Schebitz, Berechnung, S. 68; auch Pugsley, TR 50 (1982), S. 1 ff., lehnt den Strafcharakter der Höchstwertberechnung ab. 371  Lenel, SZ 43 (1922), S. 575 ff.; Gerke, SDHI 23 (1957), S. 64 A. 8; Rotondi, S. 497 f.; Kaser, Quanti, S. 168 f.; Natali (oben Fn. 307), S. 186; Kaufmann (oben Fn. 303), S. 10; Valditara, Superamento, S. 187. 372  Siehe dazu Rotondi, S. 495; v. Lübtow, Lex Aquilia, S. 37. 373  Levy, Privatstrafe, S. 15 und 138; M. Kaser, Das altrömische Jus, Göttingen 1949, S. 221; Voci, SDHI 64 (1998), S. 30.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

Aus dem Strafcharakter heraus ist die Ablehnung der affectio für die Berechnung des Wertes, wie wir gleich sehen werden, verständlich. Im Geltungsbereich der XII-Tafeln war die Durchsetzung von Ansprüchen infolge einer Schädigung eine Privatangelegenheit.374 Diese Ansprüche waren primär solche auf Vergeltung, auf rächende Sühne. Es ging nicht um die Zuweisung eines Schadens an eine schädigende Partei, sondern um die Wiederherstellung des Rechtsfriedens durch eine privat organisierte Sanktion.375 Für die Haftung nach der lex Aquilia muss man sich vergegenwärtigen, dass mit ihrer Einführung in der poena nunmehr eine direkte obligatio ex delicto zu sehen war, welche nicht mehr bloß die Möglichkeit des Loskaufs von der persönlichen Haftung bedeutete.376 In seinen Anfängen zielte auch der Anspruch aus der lex Aquilia in der Hauptsache nicht auf eine wirtschaftliche Kompensation des erlittenen Verlustes, sondern auf einen Ausgleich des erlittenen Unrechts.377 Es erfolgte keine „complessiva considerazione della posizione del dominus rei“378, eher ging es um eine gerechte Bemessung der poena als um eine faire Schadensverteilung zwischen Geschädigtem und Schädiger.379 So diente die Verpflichtung zum Schadensersatz mehr einem normativen Interesse, der Ermittlung der Strafsumme, als dem Ersatz wirtschaftlicher Einbußen.380 Dafür bedurfte es aber objektivierbarer Maßstäbe, so wie die Bußsätze einstmals in den XII-Tafeln von vornherein festgesetzt und objektiv bemessen waren.381 Jeder Schädiger sollte auch im Rahmen der actio legis Aquiliae wissen, was ihn erwartet. Um diesen Zweck zu erreichen, konnte nur der objektive Wert der beschädigten Sache maßgeblich sein. Daher blieb folglich auch bei der Bestimmung des Sachwertes im Rahmen des Schadensersatzes nach der lex Aquilia kein Raum für die Berücksichtigung subjektiver Zuneigung. Diese Tendenz bleibt im weiteren zeitlichen Verlauf erhalten und führt auch bei den Klassikern 374  W. Kunkel, Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens, München 1962, S. 136 f.; Kaser, RP I2, S. 26; vgl. auch Burdese, BIDR 69 (1966), S. 342 ff. 375  Vgl. Jansen, S. 195 f., 202; siehe auch Voci, Risarcimento, S. 10 ff. 376  Vgl. C. A. Cannata, Delitto e obbligazione, in F. Milazzo (Hrsg.), Illecito e pena privata in età republicana: Atti del convegno internazionale di diritto romano Copanello 4–7 giugno 1990, Napoli 1992, S. 28 ff.; Kaser, RP I2, S. 150. 377  Voci, SDHI 64 (1998), S. 45; Jansen, S. 208 f.; auch noch in späterer Zeit, vgl. Jansen, S. 246 und sogleich. 378  Valditara, Damnum, S. 44. 379  Jansen, S. 221. 380  Jansen, S. 207. 381  Vgl. nur Kaser, AJ, S. 225, und speziell zur durch die lex Aquilia verdrängte XII-Tafel Bestimmung S. 133 f.



§ 3  Gemischte Strafklagen91

zum Ausschluss der affectio als persönliche Zuneigung von der Berechnung des Wertes der zerstörten Sache.382 Der Schlusssatz aus D. 9,2,33pr. macht darüber hinaus klar, dass die angestellten Erwägungen zur unbeachtlichen affectio nur auf die lex Aquilia und ihre besondere Berechnungsmethode des pretium rei in der Formel quanti id / ea res plurimi fuit zutrafen und nicht übertragbar waren.383 Pernice384 führt seinerseits für den Ausschluss der affectio an, dass für das ersatzfähige quod consequi potuimus nicht alle denkbaren Aspekte relevant sein können. Eine affectio bedeute insofern eine außerhalb der gewöhnlichen, ökonomischen Gesichtspunkte liegende Wertsteigerung, die nicht beweisbar und zu unsicher sei. Beweisen ließe sich nur der Wert, den die Sache communiter habe. Gerke385 meint, die Behauptung aufstellen zu können, dass die Berücksichtigung „stark subjektiver Belange“ nicht mehr mit dem Sachwert der quanti ea res est-Formel in Einklang zu bringen ist und daher abgelehnt wird. Schließlich bringe es Schwierigkeiten des Beweises, aber auch Unwägbarkeiten mit sich, eine bloße persönliche Zuneigung zu beziffern. Die Berücksichtigung solcher Werte sei zu subjektiv gefärbt und zu ungewiss, als dass der Richter im Prozess den Affektionswert zu schätzen vermocht hätte.386 Es erscheint allerdings schwierig und seltsam, davon zu sprechen, dem Richter sei eine Ermittlung des rein subjektiven Wertes nicht zumutbar, weil zu kompliziert. Das Argument leuchtet insbesondere deswegen nicht ein, weil auch der höchste Sachwert im letzten Jahr nicht immer einfach zu beweisen ist. Zwar können hier vielleicht zahlenmäßig mehr Zeugen vorgeauch Raber, S. 203; Honsell, S. 155, 143 A. 8. Honsell, ebd. Zu wiederholen ist aber, dass andere Begebenheiten hingegen Einfluss auf die aestimatio nehmen und zu einer erweiterten Sachwertschätzung führen konnten, vgl. z. B. Paul. D. 9,2,22,1: Tötung eines Ensemblemitglieds; Paul. D. 9,2,55: Alternativobligation; Iavol. D. 9,2,37,1: Noxalhaftung. Vgl. zu allem abschließend v. Lübtow, Lex Aquilia, S. 121 ff. Die Entwicklung stellt kürzer auch Valditara, Damnum, S. 44 f., dar. 384  Pernice, Sachbeschädigung, S. 244. 385  Gerke, SDHI 23 (1957), S. 75 und 77; in Bezug auf die Entfernung von der Sachwertberechnung ähnlich v. Tuhr, Schätzung, S. 3. 386  Dabei geht Gerke wohl von der bereits von Jhering, Geist II4, S. 109, festgestellten Neigung des römischen Rechts aus, rein mechanisch und schablonenartig anzuwendende Rechtssätze zu formulieren, die es dem Richter ersparen und auch verwehren, das rein Individuelle eines Falles zu berücksichtigen. So weist Gerke (vorherige Fn.) darauf hin, dass es stets das Bestreben der (klassischen) Juristen war, eine für den Richter ohne schwierige Erhebungen im Einzelfall mögliche allgemeine Regel zu finden. Indes bleibt aber zu berücksichtigen, dass Paulus selbst keine Begründung für den Ausschluss der affectio liefert, so dass man Gefahr läuft, ihm diese Begründung nur unterzuschieben. 382  So

383  Vgl.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

bracht werden, doch läuft dieses Argument gerade in dem von Paulus beschriebenen Fall leer, dass der paterfamilias infolge seiner affectio für den filius naturalis tatsächlich einen höheren Kaufpreis entrichtet hatte. Dies zu beweisen, dürfte ihm doch kaum besonders schwerfallen. Es zeigt sich an dieser Stelle vielmehr, dass die gegebene Begründung die Entscheidung nicht trägt. Um die Frage der Beweisbarkeit geht es Paulus im ersten geschilderten Fall in D. 9,2,33pr. nicht. Auch erscheint es fernliegend, den Richter vor einer umständlichen Beweisführung zu schützen. Wie so oft muss man sich davor hüten, Begründungen in die Quellen zu tragen, die sie uns (ausdrücklich) gar nicht liefern. Einen anderen Aspekt will Schebitz387 in den Vordergrund rücken, wenn er auf die Wahrscheinlichkeit und Vorhersehbarkeit des Schadenseintritts abstellt. Wenn es nicht zu erwarten war, dass der getötete Sklave filius naturalis eines Dritten und damit mehr als bloß quanti omnibus valeret wert war, sollte dieser Mehrwert unbeachtlich sein. Dabei stellt Schebitz auf die Formulierung nec expectandum aus D. 35,2,63pr. ab, auf die er die im Prinzipium folgende Aussage multis causis accidere possit anwenden will. Aus beiden Aussagen ergebe sich, dass auch die seit Labeo in D. 9,2,29,3 anerkannte Wahrscheinlichkeit388 Einfluss auf die Berechnung des Sachwertes für den Schadensersatz nehme. Es dürfte allerdings bei der Erwähnung der Wahrscheinlichkeit um die Beispiele des entgangenen Gewinns gehen, auf den sich die von Pedius gebrachten Fälle beziehen. Dabei kann der nur virtuelle Wert im Rahmen eines möglichen Verkaufs an den Vater, weil eben noch nicht realisierbar, den Wert nicht erhöhen. Der Schwerpunkt des Ausschlusses liegt somit auf dem hypothetischen Element des Verkaufs.389 Mit der Nichtberücksichtigung der affectio im Zusammenhang mit der Sachwertberechnung indes hat dieser Aspekt wenig zu tun. Mögen die angeführten Gründe durchaus für einen Ausschluss der affectio im Rahmen des Sachwertes sprechen, werden sie jedoch von Paulus und Pedius dafür gerade nicht vorgebracht. 6. Ergebnis Modernrechtlich stellt das Recht des Schadensersatzes die sedes mate­ riae der Frage nach dem Affektionsinteresse dar. Die Aussagen der klassi387  Berechnung,

S. 282. D. 9,2,29,3: … sed ubi damni iniuria agitur ob retia, non piscium, qui ideo capti non sunt, fieri aestimationem, cum incertum fuerit, an caperentur. idemque et in venatoribus et in aucupibus probandum. 389  Siehe dazu oben; Zweiter Teil, § 3 I. 1. a.  E.; vgl. auch Below, Lucrum ­cessans, S.  31. 388  Lab.



§ 3  Gemischte Strafklagen93

schen Juristen in diesem Bereich des Problemfelds390 sind nicht zahlreich, dafür aber eindeutig.391 Den Maßstab des deliktischen Ersatzes bildet mit quanti id plurimi fuit der höchste Sachwert der beschädigten oder zerstörten Sache. Dieser Sachwert ist nur nach allgemeinen Kriterien zu bestimmen, eine besondere Beziehung zur Sache erhöht nicht ihren zu ersetzenden Wert. Den Grund für diesen Ausschluss haben wir versucht in der Herkunft der lex Aquilia nachzuweisen. Ausgehend vom objektiv festgesetzten Bußgeld können die Juristen auch im Rahmen der entwickelten lex Aquilia nicht zu einem bei den subjektiven Verhältnissen des Geschädigten ansetzenden Ersatz vordringen und erst recht nicht den Sachwert nach der affectio bestimmen. Gleichzeitig haben wir gezeigt, warum im Rahmen erbrechtlicher Nachlass- und Legatsberechnungen eine Berücksichtigung der affectio den Sinn und Zweck der einschlägigen Normen konterkariert und daher auch dort nur eine Bestimmung nach dem allgemeinen Wert der Gegenstände in Frage kommt.

II. Actio servi corrupti utilis Als weiterer Beleg für die Behandlung der affectio im Sinne eines tatsächlichen Ersatzes des Affektionsinteresses392 wird häufig eine Quelle angeführt, bei der es um einen Fall der actio servi corrupti utilis und damit ebenfalls um eine Strafklage geht. Es handelt sich um ein Paulus-Fragment in D. 11,3,14,1 (19 ad ed.): De filio filiave familias corruptis huic edicto locus non est, quia servi corrupti constituta actio est, qui in patrimonio nostro esset, et pauperiorem se factum esse dominus probare potest dignitate et fama domus integra manente: sed utilis competit officio iudicis aestimanda, quoniam interest nostra animum liberorum nostrorum non corrumpi. Bei Verführung eines Haussohns oder einer Haustochter ist im Rahmen dieses Edikts kein Raum, weil die Klage eingerichtet wurde für den Fall eines verführten Sklaven, der zu unserem Vermögen gehört: Der Eigentümer, wobei die Würde und der gute Ruf der Familie unangetastet bleiben, kann beweisen, dass er vermögensmäßig ärmer wurde. Aber es kann eine analoge Klage gewährt werden, wobei der Richter vermöge seiner Amtspflicht den Verlust schätzen muss, weil es in unserem Interesse liegt, dass der Charakter unserer Kinder nicht verdorben wird. 390  Die Fragestellung weicht selbstverständlich schon als solche von unserer modernrechtlichen nach dem Interesse ab. Es geht den klassischen Juristen, wenn auch fließend, so doch immer noch um die Sachwertbestimmung als Ausgangspunkt des Ersatzes. 391  Aus dem puto aus Paul.-Ped. D. 9,2,33pr. lassen sich – wie gesehen – keine weiteren Schlüsse herleiten. 392  Zuletzt Wacke, S. 585 f.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

Paulus geht es in diesem Text um die Anwendung der actio servi corrupti auf Hauskinder. Mit dieser Klage (mit pönalem Element)393 kann der dominus Schadensersatz nachsuchen, wenn ein Sklave von einem Dritten charakterlich verdorben wurde.394 Ulpian spricht in D. 11,3,1pr. eine deutliche Sprache: Ait praetor: „qui servum servam alienum alienam recepisse persuasisseve quid ei dicetur dolo malo, quo eum eam deteriorem faceret, in eum quanti ea res erit in duplum iudicium dabo.“ Der Prätor spricht: „Ich werde gegen denjenigen eine Klage in die doppelte Summe dessen, was die Sache wert sein wird, geben, von dem vorgetragen wird, dass er einen fremden Sklaven oder eine fremde Sklavin an sich genommen oder arglistig zu etwas überredet hat, so dass er ihn oder sie an Wert verschlechtert hat.“

Das Ende des hier zu untersuchenden Paulus-Paragraphen ist übermäßig stark verdächtigt worden. Der sed utilis-Satz sei nicht klassisch, Paulus könne so nicht gesprochen haben. Es müsse sich um eine justinianische Ausdehnung von unerlaubter Handlung nicht nur gegen das Eigentum, sondern nunmehr auch gegen die bloße Moral handeln.395 Zwar verfängt der Hinweis Kasers396, eine Schätzung des „Verlustes“ sei reine Willkür. Doch hat bereits Pernice397 darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fragment mehrere Ebenen nebeneinander erscheinen: Im ersten Teil bei pauperiorem spricht Paulus klar von einem Vermögensschaden, den der dominus erleidet, weil der Sklave infolge der corruptio einen geringeren Marktwert aufweist. Insoweit ist die actio servi corrupti der actio legis Aquiliae deshalb angenähert, weil diese die Wertminderung eines Sklaven corpore, also seine körperliche Entwertung, jene animo, also seine seelische Verschlechterung, abdeckt.398 In Ulp. D. 11,3,9,3 finden wir eine Bestätigung dafür: Sed quaestionis est, aestimatio utrum eius dumtaxat fieri debeat, quod servus in corpore vel in animo damni senserit, hoc est quanto vilior servus factus sit, an vero et ceterorum. et neratius ait tanti condemnandum corruptorem, quanti servus ob id, quod subpertus sit, minoris sit. 393  Vgl. dazu nur Levy, Konkurrenz II 1, S. 32. Ulp. D. 11,3,13pr.: haec actio perpetua est, non temporaria: et heredi ceterisque successoribus competit, in heredem non dabitur, quia poenalis est. 394  Zu den Voraussetzungen der folgenden Formel recipere und persaudere siehe ausführlich B. Bonfiglio, Corruptio servi, Milano 1998, S. 13 ff., 19 ff. Zur actio servi corrupti vgl. grundlegend auch Albanese, APal. 27 (1959), S. 61 ff.; Kaser, Quanti, S. 182 ff. 395  Vgl. die im Ind. Int. Genannten. Besonders Albanese, APal. 27 (1959), S. 106 A. 154. Aus neuerer Zeit auch Bonfiglio (vorherige Fn.), S. 110 f., 215. 396  Quanti, S. 186 A. 19. 397  Labeo III 1, S. 181 ff. 398  Kaser, RP I2, S. 629 m. w. N. Ders. schon sehr prägnant, Quanti, S. 182.



§ 3  Gemischte Strafklagen95 Es ist aber fraglich, ob eine Schätzung dessen vorgenommen werden muss, was der Sklave in Bezug auf seinen Körper oder seinen Charakter als Schaden erlitt, das meint, um wie viel der Wert des Sklaven gemindert wurde, oder ob auch eine Schätzung anderer Aspekte vorzunehmen ist. Und Neraz sagt, dass der Schädiger auf das zu verurteilen ist, was der Sklave deswegen weniger wert ist, weil er verdorben wurde.

Die Möglichkeit für den dominus, seinen Schaden zusammen mit der poena399 geltend zu machen, leuchtet ein und ist nicht weiter erklärungsbedürftig. Im zweiten Teil des Paragraphen überträgt Paulus nun die Wertung und Erscheinung der actio servi corrupti in Form einer actio utilis auch auf verdorbene Hauskinder. Dass damit kein Schaden (mehr) ersetzt werden soll, ist aus sich heraus verständlich. Hauskinder haben in dem vorgenannten Sinne keinen Marktwert, dessen Minderung ausgeglichen werden müsste. Gleichwohl ist die corruptio bei Hauskindern noch verwerflicher und hat auf die Familie weit größere Auswirkungen: Während sich der dominus doch von korrumpierten Sklaven trennen kann, ist die Wahrung des Hausfriedens und der Familienbande gerade für die Römer existenziell.400 Im Rahmen dieser actio utilis wandelt sich die Funktion der Klage weg vom Schadensersatz hin zur „Privatstrafklage auf willkürliche Geldbuße“401. Die von Kaser so angegriffene Willkür402 bezüglich der Höhe der Buße wird von Paulus selbst beschränkt, indem der Richter in Ausübung seiner Pflicht eine Summe für das quanti ea res erit als Ausgangspunkt für das Strafduplum festlegt. Es handelt sich also nicht so sehr um eine willkürliche Strafe, wie um eine, deren Umfang richterlicher Bemessung und richterlichem Augenmaß unterliegt. Um den Ersatz der subjektiven Wertschätzung geht es Paulus nicht. Die Begründung quoniam interest nostra – non corrumpi spricht nicht ein Affektions­ interesse aus, das durch die Verführung verletzt wurde. Vielmehr geht es um die Auferlegung einer angemessenen Strafe für den Schädiger. Denn die hier erwähnte actio utilis hat weniger mit der Ersatzfunktion der actio servi corrupti als mit der Strafklage der actio iniuriarum gemein. Durch die Anwendung der actio utilis schließen die römischen Juristen nämlich eine sich ergebende Rechtsschutzlücke: Die Korruption von Hauskindern erfüllt zunächst den Tatbestand der actio iniuriarum. Allerdings 399  Dazu

schon oben Fn. 393. bildreich geht Wacke, S. 585, auf diese Aspekte ein. 401  Pernice, Labeo III 1, S. 182. Auch Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 125: „Der Gegenstand der Klage ist aber in der That eine reine Strafe. … Die erwähnten Worte können auf ein [Affektions-]Interesse im technischen Sinne nicht bezogen werden“ (Ergänzung M. K.). Leicht anders Honsell, S. 156: „keine poena im technischen Sinne, wohl eine der Satisfaktion dienende Geldsumme“. 402  Oben Fn. 396. 400  Sehr

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

setzt diese den Nachweis einer Kränkungsabsicht voraus. Im Rahmen der actio utilis verzichtet man auf eben diesen Nachweis und gelangt so zu einem umfänglicheren Rechtsschutz.403 Das folgt, inhaltlich konsequent und widerspruchsfrei passend zu Paul. D. 11,3,14,1 und daher für die Echtheit streitend,404 auch aus Paul. D. 47,10,26: Si quis servum meum vel filium ludibrio habeat licet consentientem, tamen ego iniuriam videor accipere: veluti si in popinam duxerit illum, si alea luserit. sed hoc utcumque tunc locum habere potest, quotiens ille qui suadet animum iniuriae faciendae habet. atquin potest malum consilium dare et qui dominum ignoret: et ideo incipit servi corrupti actio necessaria esse. Wenn jemand mit meinem Sklaven oder meinem Haussohn, auch mit dessen Einverständnis, Spott treibt, erleide dennoch ich offensichtlich eine Beleidigung. Wie wenn ihn jemand in eine Spelunke geführt und dort Glücksspiel mit ihm betrieben hat. Das liegt aber nur dann vor, wenn der, der ihn dazu überredet, auch die Absicht hat, eine Beleidigung herbeizuführen. Jedoch kann so einen schlechten Vorschlag auch jemand machen, der den dominus gar nicht kennt, weshalb dann auch eine actio servi corrupti notwendig sein kann.

Der Begriff popina ist hier abwertend und negativ zu verstehen. In diesem Zusammenhang muss nicht nur an eine Kaschemme gedacht werden, vielmehr drängt sich die Annahme eines Bordells auf.405 Der Aufenthalt eines Sklaven oder Hauskindes dort stellt eine mittelbare Injurie dar; sie wird dem dominus durch den Umgang mit seinem Sklaven oder Hauskind zugefügt.406 Dazu muss der Täter aber wissen, wessen Sklaven oder Kind er überredet, weil er genau diesen dominus schädigen wollen muss. Die Kenntnis ist Voraussetzung für die Kränkungsabsicht. Fehlt diese Kenntnis, fehlt auch die Kränkungsabsicht für die actio iniuriarum und es kommt bezüglich des Sklaven nur die actio servi corrupti in Betracht.407 Glücksspiel und Hurerei verderben ohne Zweifel den Sklaven auf eine die actio servi corrupti begründende Art und Weise, genauso wie das Hauskind, ohne dass hierfür aber ohne Weiteres eine actio zur Verfügung stünde.408 403  Zum animus iniuriandi* siehe nur Raber, Grundlagen, S. 107 ff. Zum Begriff selbst auch Schulz (oben Fn. 366), S. 597. 404  Siehe schon Pernice, Labeo III 1, S. 182 bei A. 2; Wacke, S. 585 A. 107, übersieht diesen früheren Hinweis wohl, kommt aber zu demselben Ergebnis hinsichtlich der Echtheit der hier untersuchten Stelle. 405  J. Marquardt-Mau, Das Privatleben der Römer I, 1886, Nachdruck, Darmstadt 1964, S. 470. 406  Vgl. Wittmann, SZ 91 (1974), S. 354; Raber, Grundlagen, S. 139 f. 407  Dieses Verständnis der Stelle ist dem von R. Maschke, Die Persönlichkeitsrechte des römischen Injuriensystems: eine Vorstudie für das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Breslau 1903, S. 48, deutlich vorzuziehen. Es muss um die Kränkungsabsicht, nicht um das bloße Wissen um die Identität des dominus gehen, die im zweiten Fall gerade fehlt. Vgl. nur Raber, Grundlagen, S. 140 f. Auch Wittmann, SZ 91 (1974), S. 354 f., folgt ganz offensichtlich diesem Verständnis.



§ 3  Gemischte Strafklagen97

Hier tritt allerdings zugleich ein Problem zutage: Paulus spricht in D. 47,10,26 indirekt auch von der actio servi corrupti für den Haussohn. In D. 11,3,14,1 hingegen lehnt er die direkte Anwendung der actio auf den Fall des korrumpierten Haussohns gerade ab und spricht sich für eine insoweit eigenständige actio utilis aus. Aus diesem Grund ist auch vel filium in D. 47,10,26 immer wieder verdächtigt worden.409 Die Zusammenschau der Texte lässt aber vermuten, dass Paulus uns hier unverfälscht gegenübertritt. Juristen sprechen häufig von actiones utiles oder actiones in factum in Bezug auf necessariae, wie wir z. B. in Paul. D. 6,1,23,5, Ulp. D. 16,1,8,8 oder Pap. D. 48,23,3 bestätigt finden,410 so dass zu vermuten ist, dass Paulus auch in D. 47,10,26 für den Haussohn von einer actio utilis ausgeht, ohne das noch näher auszuführen. Dieser Befund spricht also für die Konsistenz der beiden paulinischen Texte in dem Sinne, dass der Jurist im zweiten Text die actio utilis für den korrumpierten Sohn nicht ausdrücklich anspricht, zumal es ihm in der Hauptsache um den servus corruptus geht und der Haussohn nur beiläufig erwähnt wird.411 Damit ist einerseits die Verdächtigung der letzten Stelle entkräftet,412 andererseits streitet deren Existenz auch für die Stichhaltigkeit der ersten hier untersuchten Quelle. 408

An das oben bereits zu Pernice Gesagte anknüpfend kann in Bezug auf die actio utilis bei corruptio von Hauskindern also ein Bedeutungswandel hin zu einer reinen Privatstrafklage festgestellt werden. Mit der actio utilis wird eine Buße verfolgt, nicht ein – hinsichtlich verführter Hauskinder auch gar nicht möglicher413 – vermögensmäßiger Wertersatz.414 Ist die actio servi corrupti mit ihrer Verwandtschaft zur actio legis Aquiliae zwar eine ge408  So auch Albanese, APal. 27 (1959), S. 28 f., der aber daraus nicht die richtigen Schlüsse zieht, wenn er malum consilium verdächtigt. 409  Z. B. Levy, Konkurrenz I, S. 507 A. 6; Albanese, APal. 27 (1959), S. 28 A. 34. Auch Wittmann, SZ 91 (1974), S. 356, hält an der Interpolation von vel filium fest und begründet dies mit der Interpolation von Paul. D. 11,3,14,1. Seine sprachlichen Argumente können aber wenig überzeugen, vgl. dazu auch M. F. Cursi, Il danno non patrimoniale e i limiti storico-sistematici dell’art. 2059 C.C., in R. Cardilli et alii (Hrsg.), Modelli teorici e metodologici nella storia del diritto privato, Napoli 2003, S. 124 A.  66. 410  Vgl. zu dieser Beziehung zwischen necessitas und utilitas auch Mayer-Maly, Studi Grosso I (1968), S. 189 f. 411  Paul. D. 47,10,26 stammt nach Lenel, Paling. I, S. 1001 Paul. Nr. 308, aus dem Kommentar zur actio servi corrupti und folgt auf das Paulus-Fragment in D. 11,3,14. Paulus kann also seine Ausführungen zur actio utilis voraussetzen, wenn er nunmehr nur noch von necessaria spricht. 412  So im Ergebnis auch Raber, Grundlagen, S. 143. 413  Das stellt Honsell, S. 156, klar heraus. 414  Pernice, Labeo III 1, S. 182. Darin liegt ganz entscheidend der Unterschied zum Schusterjungen-Fall aus D. 9,2,5,3 (Ulp. 18 ad ed.): Dort wird die actio legis Aquiliae auch auf einen Freien angewendet. Dabei geht es darum, Vermögensschä-

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

mischte Strafklage415, verliert die actio utilis in diesem Fall jedoch die Funktion des Schadensausgleichs und nähert sich der reinen Strafklage der actio iniuriarum an416, deren enge Voraussetzungen bezüglich der Kränkungsabsicht sie – wie gesehen – partiell aufweicht.417 Bemerkenswert ist der Hinweis Pernices418 auf Ulp. D. 27,3,1,2: Sed et si non mortis causa donaverit tutore auctore, idem Iulianus scripsit plerosque quidem putare non valere donationem, et plerumque ita est: sed nonnullos casus posse existere, quibus sine reprehensione tutor auctor fit pupillo ad deminuendum, decreto scilicet interveniente: veluti si matri aut sorori, quae aliter se tueri non possunt, tutor alimenta praestiterit: nam cum bonae fidei iudicium sit, nemo feret, inquit, aut pupillum aut substitutum eius querentes, quod tam coniunctae personae alitae sint: quin immo per contrarium putat posse cum tutore agi tutelae, si tale officium praetermiserit. Aber auch wenn das Mündel nicht von Todes wegen verschenkt hat mit der Zustimmung des Tutors, schreibt Julian, dass die Meisten davon ausgehen, dass die Schenkung nicht wirksam ist, und gewöhnlich ist dem auch so. Aber es können einige Fälle bestehen, in denen der Tutor dem Pupillus eine Vermögensminderung korrekterweise zufügt, nämlich wenn ein Dekret eingreift: Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Tutor der Mutter oder der Schwester, die anderweitig nicht für sich sorgen können, Unterhalt gewährt. Denn der Prätor sagt, weil es sich um eine Klage nach Treu und Glauben handelt, wird niemand dem Pupillus oder den Ersatzerben hören, wenn sie sich beschweren, dass so nahverwandte Personen unterhalten wurden. Im Gegenteil geht er sogar davon aus, dass der Tutor mit der actio tutelae verklagt werden kann, wenn er diese Pflicht übersieht.

Entscheidend ist hier der Schluss: Vernachlässigt der Tutor die sittliche Pflicht, den nahen Angehörigen des Mündels im Bedarfsfall Unterhalt zu leisten, kann das Mündel mit der actio tutelae gegen seinen Vormund vorgehen. Hintergrund ist nach Pernice, dass das Mündel vermittelt durch das Verhalten des Tutors „lieblos und unanständig“419 erscheint. Zwar fehle es dem Vormund an der Kränkungsabsicht, so dass eine actio iniuriarium nicht in Betracht kommt. Aber die hier gewährte actio tutelae richtet sich ebenfalls auf eine angemessene Geldbuße. Ganz so wie bei Paul. D. 11,3,14,1 zeigt sich auch hier eine Nähe zur actio iniuriarum. den, nämlich die Erwerbsminderung und Heilungskosten auszugleichen. Zum Fall vgl. Honsell, S.  143  f. m. w. N. 415  Schon oben in Fn. 393; vgl. dazu nur Kaser, Quanti, S. 182. 416  Dazu Kaser, RP I2, S. 623 ff. 417  Auf diesen Zusammenhang weist schon Odofredus, Lectura super Degisto Veteri I, Neudruck Bologna 1967, ad D. 11,3,14,1, S. 294v, gl. ut tantum veniat, hin. Auch A. Faber, Rationalia II, Genf 1619, ad D. 11,3,14,1, S. 2045, legt solche Erwägungen nahe. 418  Pernice, Labeo III 1, S. 182 A. 3. 419  Ebd.



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Wenn es demnach aber um eine richterlich zu schätzende Strafe geht, ist Paul. D. 11,3,14,1 gerade kein Beleg für die Berücksichtigung der affectio, sondern spricht höchstens allgemeiner von einer immateriellen Beeinträchtigung, die nicht ersetzt, aber eben parallel zur actio iniuriarum gesühnt wird.420 Die affectio patris in der hier untersuchten Quelle gibt somit wenig für unsere Fragestellung her.421

III. Ergebnis zu den gemischten Strafklagen Aus modernrechtlicher Sicht ist der deliktische Schadensersatz der Aufhänger der Diskussion um den Ersatz des Affektionsinteresses. Demgemäß erwarten wir auch im Rahmen der actio legis Aquiliae eine Erörterung des Themas durch die klassischen Juristen. Allerdings haben wir schon vorher festgestellt, dass für diese der deliktische Schadensersatz nur einen Teil des Problemfelds ausmacht. Nichtsdestoweniger ist die Aussage der Juristen für den Ersatz eindeutig: Der Wert der Ersatzleistung richtet sich nicht nach der besonderen Vorliebe, sondern wird allgemein nach dem (höchsten vergangenen) Sachwert bestimmt. Den Grund dafür finden wir in der altzivilen Haftung nach objektiven Bußsätzen, die auch in der Klassik noch den objektiven Ausgangspunkt der Berechnung bestimmt. Demnach kommt für die Klassiker ein Schadensersatz aus Delikt nur nach dem objektiven Wert der beschädigten Sache in Betracht.

§ 4  Iudicia bonae fidei I. Actio mandati Den Hauptbeleg für eine Berücksichtigung der affectio, ja sogar für ihren Ersatz, sehen viele Autoren422 in Papinian D. 17,1,54pr. (27. quaest.): Cum servus extero se mandat emendum, nullum mandatum est. Sed si in hoc mandatum intercessit ut servus manumitteretur nec manumiserit, et pretium consequetur dominus ut venditor et affectus ratione mandati agetur: finge filium naturalem vel fratrem esse (placuit enim prudentioribus affectus rationem in bonae fidei iudiciis habendam). Quod si de suis nummis emptor pretium dederit (neque enim aliter iudicio venditi liberari potest), quaeri solet, an utiliter de peauch Lange, S. 46. undifferenziert aber Cursi (oben Fn. 409), S. 124 ff., 129, die die UlpianQuelle mit Paul.-Ped. D. 9,2,33pr. zusammenbringen will, gleichsam im Spannungsfeld zwischen reipersekutorischer und pönaler actio. 422  Zuletzt Wacke, S.  582 m. w. N. 420  Vgl. 421  Zu

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culio agere possit. Et verius et utilius videtur praetorem de huiusmodi contractibus servorum non cogitasse, quo se ipsi mala ratione dominis auferent. Der Auftrag ist nichtig, wenn ein Sklave einen Außenstehenden beauftragt, ihn zu kaufen. Wenn aber zu diesem Auftrag hinzukam, dass der Sklave freigelassen werden sollte, es aber nicht wurde, kann der Eigentümer sowohl, da er der Verkäufer war, den Kaufpreis verfolgen als auch wegen seiner Affektion aus dem Auftrag klagen. Man stelle sich vor, [der Sklave] sei der natürliche Sohn oder der Bruder [des Verkäufers] (es hat sich nämlich unter den einsichtsvollen Gelehrten die Einsicht durchgesetzt, dass bei Klagen nach Treu und Glauben die Affektion Berücksichtigung finden muss). Hat der Käufer den Kaufpreis aber mit eigenem Geld hingegeben (denn auf andere Weise kann er von der Haftung aus der Kaufklage nicht befreit werden), so fragt man gewöhnlicherweise, ob er erfolgreich423 wegen des Peculiums klagen kann. Richtiger und sachgerechter ist anzunehmen, dass der Prätor nicht an solche Verträge von Sklaven gedacht hatte, durch die sie selbst sich in schlechter Absicht ihren Eigentümern entziehen.

Papinian konfrontiert uns hier mit einem Ausgangsfall und zwei Abwandlungen und Ergänzungen. Es handelt sich um einen Fall aus dem Titel mandati vel contra, der uns von dem Spätklassiker überliefert ist.424 Mit der Erwähnung der prudentes kommt die auctoritas prudentium in den Sinn, von der Papinian an anderer Stelle spricht (Pap. D. 1,1,7pr., ius autem civile est, quod ex legibus, plebis scitis, senatus consultis, decretis principum, auctoritate prudentium venit). Andererseits denkt man an die imprudentes, die Ulpian in D. 21,1,17,4 (plerumque ab imprudentibus dici solet) erwähnt. Wer nun die „klügeren“ Juristen sind, erfährt man in unserem Text nicht.425 Einem ersten Impuls folgend könnte man auch übersetzen: … kann sowohl der Eigentümer als Verkäufer den Kaufpreis verfolgen als auch die Affektion mit Rücksicht auf Mandat eingeklagt werden. 423  Zur richtigen Bedeutung von utiliter hier vgl. nur D. Daube, Collected studies in Roman law 2, Frankfurt / Main 1991, S. 939 f., und auch B. 14,1,54. 424  In seiner kasuistischen Entscheidungssammlung, den quaestiones, erfährt die römische Jurisprudenz noch einmal eine Blüte, und so galt denn Aemelius Papinianus den Nachklassikern als der größte Jurist aller Zeiten. Als sein Todesjahr können wir 212 oder 213 vermuten, je nach dem Verständnis von modo si in C. 9,12,2; vgl. Honoré, Emperors and Lawyers2, Oxford 1994, S. 40 A. 109 und S. 58 A. 45 ff. Siehe auch Kunkel, Herkunft, S. 224 ff., 326. 425  Siehe aber unten, Zweiter Teil, § 4 III. Vgl. zudem die Ausführungen bei Behrends, St. Sanfilippo 5, S. 35 f., der insoweit auf die „Beziehungen zwischen den großen Gesinnungsjuristen am Beginn der spätklassischen Zeit und den aristokratischen veteres der Republik“ hinweist, „die sich vor allem in dem gemeinsamen Glauben an die teilweise Verrechtlichungsfähigkeit des Ideals des bonus vir ausdrücken“. Allerdings gibt Behrends für diese „Beziehung“ keine Belege an. Wir behandeln die Frage der moralischen Einstellung Papinians noch unten, Zweiter Teil, § 4 II. 8.



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Dann wäre affectus als Nominativ das Subjekt des Passivverbs agetur und mandati Genitivattribut zu ratione. Grammatikalisch lässt sich eine solche Übersetzung durchaus vertreten. Gleichzeitig würden so Interpolationsvorwürfe um agetur ausgeräumt.426 Dieses Verständnis hätte zudem den Vorteil, dass der Streit um die Berücksichtigung immaterieller Interessen an dieser Stelle wegfiele. Inhaltlich erscheint dieses Verständnis der Stelle deswegen stimmig, weil so das Problem um die Wirksamkeit des Mandats umgangen und nur auf den emotionalen Inhalt des Auftrags abgestellt würde, ohne diesem rechtliche Bedeutung beizumessen.427 Diese Lesart ist aber nie erwogen worden. Es spricht allerdings auch im weiteren Text nichts für diese Auffassung von ratione mandati. Besonders affectus rationem habendam, aber auch die Formulierungen bei Pap. D. 18,7,7 sprechen gegen die eben diskutierte Wortbeziehung. Allein die passive Formulierung und der blanke Genitiv mandati überzeugen auch nicht völlig. Am ehesten ist an ein ausgefallenes actio(ne) zu denken. Wollte man die Auffassung dennoch beibehalten, müsste man beweisen, dass einerseits der Klammerzusatz nicht im Ursprungstext vorkam und andererseits die anderen Formulierungen um affectus / affectionis ratione mit dieser Stelle nichts zu tun haben. Diese Nachweise sind schwerlich zu führen. Im Gegenteil, gerade die Formulierung in Pap. D. 17,1,54,1 contraria mandati actione agi posse constat spricht für den Wegfall des Wortes actio(ne) und das hier zugrunde gelegte Verständnis. 1. Die Voraussetzungen Das Fragment handelt vom Freikauf eines Sklaven. Ein tüchtiger und treuer Sklave hatte (ab dem Prinzipat sicher) in städtischen Verhältnissen gute Aussichten, früher oder später freigelassen zu werden.428 Eine dahin getroffene Abrede zwischen dominus und Sklaven jedoch ist rechtlich nicht bindend, vielmehr als pactum eine soziale Tatsache mit nur moralischer Verpflichtung für den dominus.429 Ab dem Prinzipat lässt sich eine ein­ 426  Vgl.

dazu auch in Fn. 466. sogleich im Text. 428  Vgl. dazu Brunt, Journal of Roman Studies 48 (1958), S. 164 ff.; K. Bradley, Slaves and masters in the Roman Empire: a study in social control, Bruxelles 1984, S. 107 ff.; Alföldi, RSA 2 (1972), S. 120 f. Ältere Quellenbelege finden sich z. B. in Polyb. 10,17,9 und 14; Colum. de re. rust. 1,8,19; juristische Belege für Freilassungen und vor allem Freilassungsabreden finden sich zahlreich: z. B. Alf. D. 40,1,6; Iavol. D. 45,1,104; Ulp. D. 4,3,7,8. Insgesamt diente seit alters her die Aussicht auf Freilassung sowohl dem Ansporn zu loyaler Tätigkeit als auch der Beruhigung und Befriedung der Sklaven. Zu der sich entwickelnden Verrechtlichung dieser „Exspektanz“ siehe sogleich im Text. 429  Behrends, Prinzipat, S. 57; Knütel, Mandat, S. 354. Zu den Umgehungsgeschäften und Alternativen sogleich. 427  Dazu

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hergehende Verrechtlichung dieses Beziehungsgeflechts von dominus und Sklaven erkennen. Einerseits wird unter Augustus auch das Freilassungsfideikommiss klagbar, zudem differenzieren im Anschluss verschiedene Senatuskonsulte das Verfahren noch weiter aus, so dass der Sklave im Prinzipat die Erben auf Freilassung verklagen kann und damit in gewisser Hinsicht Rechtsfähigkeit oder wenigstens Aspekte eines Persönlichkeitsrechts erlangt.430 Daneben gibt es für den Sklaven eine andere Möglichkeit, bereits zu Lebzeiten des dominus freizukommen, noch dazu in einem Verfahren mit höherer Rechtssicherheit und größerem Wirkungsgrad für den Sklaven. Dieser muss von einem Dritten, aber mit seinen eigenen Mitteln seinem dominus abgekauft werden, suis nummis redemptio.431 Die Kaiser Mark Aurel und Verus verrechtlichen diesen Freikauf mit eigenen Mitteln dahin gehend, dass der Käufer dem Sklaven zur Freilassung verpflichtet ist432 und dem Sklaven besondere Rechtsmittel zur Durchsetzung der Freilassung an die Seite gestellt werden.433 Die rechtlichen Probleme dieser Umwegkonstruktion über die suis nummis redemptio liegen auf der Hand, so dass auch die klassischen Juristen mit der Begründung Schwierigkeiten haben: Ulpian434 spricht im Zusammenhang mit der Herkunft des Kaufgelds davon, dass man für die Bestimmung der sua numma beide Augen zudrücken müsse, coniventibus oculis; insofern muss das Geld ja aus dem peculium des Sklaven stammen, das freilich dem dominus zugeordnet ist.435 Die Kaufabrede des Sklaven mit dem Dritten rückt sehr in die Nähe eines mandatum; es finden sich viele Belege für ein solches Vorgehen von Sklaven,436 einer von ihnen ist das hier untersuchte Papinian-Fragment. 430  Inst. 2,23,1; Pomp. D. 40,5,44; vgl. dazu näher Kaser, RP I2, S. 295; G. Impallomeni, Le manumissioni mortis causa. Studi sulle fonti autoritative romane, Milano 1963, S. 59 ff., 157 ff.; zur fideicommissaria libertas Gai. 2,263–266; D. 40,5. Zum Begriff „Rechtsfähigkeit“ in diesem Zusammenhang vgl. Behrends, Prinzipat, S. 58 f., 62. 431  Zu den Beweggründen, die hinter diesem Umweg stehen können, siehe nur Knütel, Mandat, S. 355 f.; vgl. zu den Gründen, warum der dominus den Sklaven nicht selber freilässt, nun auch knapp Wacke, S. 555 f., 582. 432  Ulp. D. 40,1,4pr.ff. 433  Ulp. D. 40,1,5pr. Dieser Freilassungszwang hat sich an das beim Fideikommiss entwickelte Verfahren angelehnt, vgl. Behrends, Prinzipat, S. 60; auch Ulp. D. 5,1,67. 434  Ulp. D. 40,1,4,1: … verum coniventibus oculis credendum est suis nummis eum redemptum, cum non nummis eius, qui eum redemit, comparatur. Gleichzeitig können durch die insoweit „verschwommene“ rechtliche Bewertung auch weitere Provenienzen des Kaufgeldes Berücksichtigung finden, vgl. Knütel, Mandat, S. 365. 435  Behrends, Prinzipat, S. 60, weist an dieser Stelle zutreffend auf den Widerspruch zwischen außerordentlichem Kaiserrecht und klassischem Privatrecht hin, der Ulpian hier quasi in den Augen brennt. 436  Vgl. oben Fn. 428 und Knütel, Mandat, S. 365.



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2. Der erste Fall: nullum mandatum So kommt es also, dass Papinian in D. 17,1,54pr. zunächst kurz und zutreffend den Fall erörtert, dass ein Sklave einen Dritten mit dem eigenen Kauf beauftragt. Zwar können in diesem Zusammenhang Tätigkeiten aller Art Inhalt eines Mandats sein.437 Interessant ist der Ausgangsfall hier aber unter der Fragestellung, warum der Auftrag nichtig sein soll.438 Eine Erklärung lässt sich in dem Umstand finden, dass der Sklave nicht rechtsfähig ist und daher nicht mit Wirkung für sich Verträge schließen kann.439 Ein Blick in C. 4,36,1 (Diocletian im Jahr 293) bestätigt diese Begründung, wenn dort nahezu wortgleich440 zu unserem Fragment abgehandelt wird: Si extero servus se mandaverit emendum, quamvis nec ex persona servi (quia hoc441 liber mandare non potest) nec ex domini (quoniam qui mandat, ut a se res 437  Gai. 3,155; vgl. die Beispiele bei Gai. 3,162 und die Voraussetzungen, die in Gai. 3,157, Ulp. D. 17,1,6,2, Paul. D. 17,1,6,3; 22,6; 12,11 formuliert sind. Zu allem auch Arangio-Ruiz, Mandato, S. 101 ff.; Kaser, RP I2, S. 577. 438  Knütel, Mandat, S. 369, stellt insofern klar, dass es sich nicht um die Unwirksamkeit eines Mandats tua gratia handelt, vgl. dazu Gai. 3,156; Inst. 3,26,6; Gai. D. 17,1,2pr. und 6; Arangio-Ruiz, Mandato, S. 118 ff. Insofern liegt hier gerade nicht nur ein Ratschlag vor. 439  Vgl. schon E. Costa, Papiniano I, Bologna 1927, S. 89. Von dieser Frage zu unterscheiden ist die Fähigkeit, rechtlich zu handeln, wobei die Wirkungen von der Unterworfenheit unter die potestas des dominus bestimmt werden. Der Sklave ist demnach rechtsunfähig, weil er als res im Eigentum seines Herrn steht; vgl. nur Kaser, RP I2, S. 285; W. Waldstein, Zum Menschsein von Sklaven; R. Gamauf, Zur Frage „Sklaverei und Humanität“ anhand von Quellen des römischen Rechts, beide in H. Bellen / H. Heinen (Hrsg.), Fünfzig Jahre Forschungen zur antiken Sklaverei an der Mainzer Akademie, Stuttgart 2001, S. 31 ff. und S. 51 ff. 440  Was Knütel, Mandat, S. 369, unter Hinweis auf die dort in A. 72 Genannten zu der überzeugenden Vermutung bewegt, den kaiserlichen Juristen habe das Papinian-Fragment vorgelegen. 441  Hier ist kurz auf die Lesart von Krüger einzugehen, der anstelle des hoc ein nisi annimmt. Dementsprechend wäre der deutsche Sinngehalt des Klammersatzes als Begründung für die Unwirksamkeit der Mandatserteilung durch den Sklaven derjenige, dass nur ein Freier – und damit eben kein Sklave – einen solchen Auftrag zum Freikauf erteilen kann. Vgl. dazu auch Knütel, Mandat, S. 371 und A. 83. Indes vermag ich aus inhaltlichen Gründen dieser Lesart und dem Eingriff nicht zu folgen. Ein Freier kann nicht mit dem Inhalt mandatieren, dass er selbst freigekauft werde (dass man beim bona fide serviens infolge des dort geltenden favor libertatis diesen Umstand abweichend beurteilte, fällt für den wirklichen liber nicht ins Gewicht, vgl. Pap. D. 17,1,54,1 und zur Wirksamkeit des Mandats dort G. Segrè, Scritti 1, Cortona 1930, S. 280 A. 1). Der Erwerb des liber wäre als solcher wohl unmöglich. Vgl. zum Kauf eines Freien als Sklaven im Grundsatz Pomp.-Paul. D.18,1,4; zur Stipulation eines Freien Mod. D. 45,1,103. Ist dieser Auftragsinhalt also schon für einen Freien nicht möglich (zum Verstoß gegen die guten Sitten vgl. auch Gai. 3,157; Arangio-Ruiz, Mandato, S. 105 f.), kann er erst recht nicht für einen Sklaven möglich sein. In diesem Sinne verstanden, bedarf es hier keiner eingreifenden Lesart.

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comparetur, inutiliter mandat) consistere credebatur actio, tamen optima ratione, quia non id agitur, ut ex ipso mandato, sed propter mandatum ex alio contractu nascatur actio, domino quaeri placuit obligationem. Obwohl man, wenn ein Sklave einen Außenstehenden beauftragt, ihn zu kaufen, annahm, dass weder aus der Person des Sklaven (weil diesen Auftrag [auch] ein Freier nicht erteilen kann) noch aus der des Eigentümers (weil derjenige, der einen anderen beauftragt, eine Sache von ihm selbst zu kaufen, damit einen nichtigen Auftrag erteilt) eine Klage begründet wird, wird dennoch aus den besseren Gründen angenommen, dass dem Eigentümer eine Forderung zukommt, weil nicht daran gedacht ist, dass die Klage nur aufgrund des Auftrags, sondern aufgrund eines anderen Vertrags infolge des Auftrags entsteht.

Zudem wird ein weiterer Grund erwähnt, warum der Sklave auch nicht für seinen Herrn ein solches Mandat abschließen kann. Auch hier würde eine Art juristische Unmöglichkeit vorliegen: In der Person des Eigentümers als Auftraggeber fallen Käufer- und Verkäuferrechte zusammen, wenn er dem Mandatar Aufwendungsersatz leistet und ihm danach vom MandatarKäufer die actio empti abgetreten wird.442 3. Der zweite Fall: ut manumitteretur Papinian ergänzt diesen Auftrag im zweiten Satz nun um den Aspekt der manumissio des Sklaven durch den Erwerber. Das Mandat beinhaltet neben dem Kauf vom Eigentümer noch die Freilassung durch den Erwerber. Auch hier ist die Schilderung des Falles nach Papinian eher dunkel. Klar wird zunächst nur, dass nunmehr sowohl die actio venditi als auch die actio mandati für den dominus in Frage kommen. Allein die Ergänzung des Auftrags um die sich an den Kauf anschließende Freilassung verhilft diesem443 (und dem Kauf!) zur Wirksamkeit.444 Eine nähere Begründung für dieses überraschende Ergebnis fehlt indes. Papinian führt nur an, dass im Rahmen der Mandatsklage auch die Affektion des veräußernden dominus berücksichtigungsfähig ist. Über die Gründe für die Wirksamkeit des Kaufmandats aber schweigt er. Ohne Texteingriff kommt wohl auch Buckland, Slavery, S. 216, aus, wenn er die Begründung an dieser Stelle wiedergibt, „since, if he were free, his mandate to buy him would be null“. 442  Knütel, Mandat, S. 369, mit Hinweis auf Voci, Obbligazioni I 1, S. 263. 443  Auch in Pomp.-Ulp. D. 17,1,19 wird von der Wirksamkeit des Mandats des Sklaven zum Freikauf ausgegangen, da lautet der Auftrag: ut servus redimatur. Allerdings werden dort wohl zwei Käufe hintereinandergeschaltet. Vgl. dazu J. Partsch, Aus nachgelassenen und kleineren verstreuten Schriften, Berlin 1931, S. 64; ähnlich Ankum, Daube Noster, S. 6; Knütel, Mandat, S. 364, spricht von „zweimaliger Bezeichnung eines Kaufvorgangs“. 444  Die Kaiser gewähren allerdings in C. 4,36,1 die Klagen in elektiver Konkurrenz, vgl. auch Solazzi I, S. 214.



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Die in der Literatur gegebenen Antworten zur Wirksamkeit von Mandat und Kauf im zweiten Fall sind ebenso unterschiedlich wie unbefriedigend. Im Gegenteil, in Bezug auf das Kaufmandat wird vertreten, es sei unwirksam, allein sei der vollzogene Kauf mit einem Auftrag zur Freilassung verbunden.445 Im klassischen Privatrecht kann darüber hinaus ein vom Sklaven erteiltes Mandat (eigentlich) nur ein Rechtsverhältnis zwischen dem dominus und dem Mandatar hervorbringen.446 Allerdings ist unser Fall in diesem Zusammenhang mehr als dunkel. Daher wird auch in Betracht gezogen, der dominus hätte der Mandatserteilung durch seinen Sklaven zugestimmt.447 Zu beachten ist nämlich, dass ausweislich der Quelle der dominus die actio mandati anstellen können soll, was er nur kann, wenn er und nicht der Sklave der Mandant ist.448 Diese Konstruktion, die dem Mandat zu seiner Wirksamkeit verhilft, ist jedoch reine Unterstellung und findet auch bei Papinian keinen Anhaltspunkt.449 Vielmehr liegt der Schluss nahe, dass hier andere Erwägungen die Wirksamkeit herbeiführen.450 Einen wertvollen Hinweis zur Auflösung des Problems hat Knütel451 gegeben: Erlangt der Sklave infolge der erwähnten Verrechtlichung des Freikaufs suis nummis die (Rechts-)Stellung, dass er die Freiheit erlangen kann,452 ist es nur sachgerecht und konsequent, auch solche Vorbereitungshandlungen wie das Mandat als rechtsverbindlich, das heißt in gewisser Weise wirksam anzuerkennen.453 Schon Pomp.-Ulp. D. 17,1,19454 liegt also 445  Buckland,

Slavery, S. 639. Prinzipat, S. 61, 70 A. 54; Kaser, RP I2, S. 286. 447  Partsch (oben Fn. 443), S. 67 A. 181, allerdings zu Pomp.-Ulp. D. 17,1,19. Dort liegen die Probleme aber ganz ähnlich zu denen des Papinian-Fragments, auch dort wird nach der Wirksamkeit des Mandats gefragt, wenn auch unter dem Eindruck einer abweichenden und entscheidenden Anschlussfrage. 448  Auch hier wird ein gewisser Widerspruch deutlich: Konnte der Sklave sicherlich nach der epistula der dives frates (oben Fn. 432) selber die Freilassung einklagen, bereitet es an dieser Stelle (noch) Schwierigkeiten, das Mandat ihm gegenüber als wirksam zu erachten, den Sklaven also insofern als rechtsfähig anzuerkennen. Näher dazu sogleich im Text. 449  Vgl. Knütel, Mandat, S. 366, zu Pomp.-Ulp. D. 17,1,19. 450  Siehe schon Voci, Obbligazioni I 1, S. 264. 451  Mandat, S. 367, 370. 452  Ulp. D. 40,1,4pr.: … in eam condicionem redigitur, ut libertatem adipiscatur. Schon oben Fn. 432. 453  Das kann dadurch geschehen, dass die in Fn. 442 angesprochenen Konfusionsfolgen deswegen nicht mehr eintreten, weil das Mandat insofern hinter den Freikauf zurücktritt, oder dass das Sklavenmandat nur einseitig den Käufer verpflichtet und deshalb den dominus nicht belastet und deswegen wirksam ist. Vgl. zu allem Knütel, Mandat, S. 366 f. und 370. 454  Siehe dazu auch Fn. 443; vgl. Behrends, Prinzipat, S. 61 A. 27, der auf die Begründungsschwierigkeiten hinweist, die Pomponius (noch) mit der konsequenten 446  Behrends,

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eine erweiternde Interpretation der Ausnahmekompetenzen zugrunde, die das Kaiserrecht ursprünglich für die Freilassung durch Fideikommiss eingeführt hatte und die sich in der Folge immer weiter ausdifferenzierten. Mit „zugedrückten Augen“ kann der Sklave demnach auch im Papinian-Fragment mit Rechtswirkung für den dominus ein Mandat abschließen. 4. Affectus ratione agi Es scheint nun so, als begründe Papinian dieses schon von Pomponius gefundene Ergebnis noch weiter. Papinian nämlich bringt die affectio des dominus zu seinem Sklaven in die Argumentation ein. Neben die Begründung der ausgehenden Klassik, die – wie gesehen – ihrerseits eine erweiternde Interpretation der kaiserrechtlichen Sonderstellung freizulassender Sklaven war, tritt später, wenn man so will, noch ein emotionaler Aspekt, warum das Mandat wirksam sein muss.455 Papinian bestärkt in D. 17,1,54pr. also die Ansicht des Pomponius aus D. 17,1,19. Interessant ist aber, dass auch bei der späteren Begründung erneut die Sicht des dominus entscheidend ist. Sein Affekt wird in den Blickpunkt gerückt. Auch Papinian geht nicht so weit, das Mandat für den Sklaven klagbar zu machen.456 Das wäre vielleicht die praktischere Lösung, gleichzeitig bedeutete es aber auch einen harschen Widerspruch zur Privatrechtsordnung, gestünde man dem Sklaven insofern tatsächlich und ganz offen Rechtsfähigkeit zu – allerdings im Rahmen des favor libertatis.457 Es zeigt sich einmal mehr die Tendenz römischer Juristen, Vorhandenes bestehen zu lassen und nur fallweise und auf „Schleichwegen“458 weiterzuentwickeln und anzupassen, als Veränderungen an Überkommenem vorzunehmen. Zu untersuchen ist aber, warum die affectio hierbei Bedeutung gewinnt, welche Idee oder welcher Grund dahintersteht. Es scheint dabei sehr glaubwürdig, dass der Richter in seine Ermessensentscheidung auch höherrangige Ziele und Vorstellungen einfließen lassen kann. Dann drängt sich als Erklärung für den Fall aus D. 17,1,54pr. besonders der bereits früher angesprochene favor libertatis auf. Kann man aus dem bloßen Auftrag zum Kauf im ersten Satz von D. 17,1,54pr. noch keine Aussage über den Verbleib des Weiterführung und Weiterentwicklung dieser rechtlichen Zwischenstellung des Sklaven hatte, wenn er nur auf den Kauf abstellt und das (für uns eigentliche) Problem des Mandats übergeht. 455  Solazzi I, S. 216, meint, das Mandat sei hier „sul fondamento della ratio affectus“ wirksam. 456  Vgl. dazu Behrends, Prinzipat, S. 61, 70 A. 54. 457  Siehe dazu auch schon oben in Fn. 430. 458  Diesen Begriff verwendet Behrends, Prinzipat, S. 58, für das Freikaufmandat.



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Sklaven in Unfreiheit machen, geht es dabei sozusagen nur um das „Auswechseln des dominus“, kommt im zweiten Satz ein ganz anderer und entscheidender Aspekt ins Spiel: Der Sklave soll auch freigelassen werden. In dieser Konstellation des Kaufmandats erweitert um die Freilassung streitet der favor libertatis für die Wirksamkeit und damit besonders für die Erzwingbarkeit der Freilassung im Rahmen der actio mandati. Wenn aber hinter dieser Entscheidung die Ermöglichung der Erzwingbarkeit der Freilassung steht, muss gefragt werden, wie diese tatsächlich zu erreichen ist. Aus der actio mandati (directa) kann der Mandant auf die abredegemäße Ausführung des Auftrags klagen.459 Das folgt aus der condemnatio der Klage quidquid dare facere opportet ex bona fide.460 Allerdings ist die Formulierung „Ausführung des Auftrags“ per se schon zu ungenau. Wegen des geltenden Grundsatzes der condemnatio pecuniaria konnte der Mandant nur Geldersatz verlangen, der Richter gerade nicht die Freilassung als tatsäch­ lichen Akt anordnen. Hier ist auf Gai. 3,161 zu verweisen461: Cum autem is, cui recte mandaverim, egressus fuerit mandatum, ego quidem eatenus cum eo habeo mandati actionem, quatenus mea inter e s t i m p l e s s e e u m m a n d a t u m , si modo implere potuerit. Wenn derjenige, den ich wirksam beauftragt habe, das Mandat überschreitet, habe ich gegen ihn die actio mandati, und zwar soweit ich ein Interesse daran habe, dass er den Auftrag ausführt, wenn er ihn nur erfüllen konnte.

Für den Fall, dass der Auftrag nicht ausgeführt wurde,462 haftet der Mandatar auf quod interest impleri mandatum. Dieses Interesse ist geldmäßig zu beziffern. Zwar folgt das nicht direkt aus der Klageformel.463 Doch versteht man das quidquid dare facere opportet ex bona fide bereits als die Umwertung des Mandatsinhalts in Geld.464 Damit wird allerdings schon das weitere Problem in unserem Fall deutlich: Wie soll die Beziehung zwischen Mandant und Sklaven, im Fall von D. 17,1,54pr. also zwischen Vater und Sohn oder Bruder, überhaupt in Geld zu bewerten sein? Dieser Frage sind wir für die Affektion schon begegnet. Teilweise haben wir gesehen, dass die damit verbundene Beweisnot als 459  Ulp. D. 17,1,8,10; Ulp. D. 17,1,10,1; vgl. Arangio-Ruiz, Mandato, S. 159 ff.; Honsell, S. 150; daneben geht die Klage auch auf alles, was der Mandatar infolge des Auftrags erlangt hat, Paul. D. 17,1,20pr.; vgl. dazu Arangio-Ruiz, Mandato, S. 164 f. 460  Vgl. Kaser / Hackl, § 45 III. A. 21. 461  Auch Ulp. D. 17,1,8,6; vgl. dazu näher Medicus, S. 187 f. 462  Egredi mandatum ist zutreffend mit Honsell, S. 151, als Nichtausführung (und nicht als Überschreiten) des Auftrags zu verstehen – Zweites wird in den Quellen finem mandati excedere genannt, vgl. nur Inst. 3,26,8 und Paul. D. 17,1,5,1. 463  Vgl. auch Medicus, S. 186 f. 464  Kaser / Hackl, § 45 IV. 3.; Honsell, S. 151.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

Argument gegen die Berücksichtigung nur vorgeschoben wurde.465 In D. 17,1,54pr. hat diese Frage in der Vergangenheit viele Autoren zu dem Ergebnis kommen lassen, die Stelle müsse interpoliert sein.466 Eine solche Frage unbeantwortet zu lassen, traut man Papinian an dieser Stelle nicht zu.467 Medicus468 meint, Papinian habe nur den Vermögenswert über die actio mandati ersetzt, zu dem der Sklave – mit Rücksicht auf das Mandat – günstiger (also unter dem eigentlichen Sachwert) verkauft wurde.469 Die Affektion hätte also zu einem günstigeren Kaufpreis geführt, der über die actio mandati ohne Heranziehung immaterieller Gesichtspunkte bis zum wahren pretium „aufgefüllt“ wird, wenn der beauftragte Käufer den Sklaven nicht freilässt. Die Affektion habe den Klassikern insofern nur als Rechtfertigung für die Klage gedient, nicht dazu, den Ersatz des immateriellen Affektionswertes zu bestimmen.470 Demgegenüber hat Honsell471 darauf hingewiesen, dass sich, so verstanden, der Fall und die Begründung nicht mehr decken.472 Denn solange materielle und eindeutig bestimmbare geldwerte „Interessen“ verletzt seien, bedürfe es keiner Rechtfertigung der Klage mithilfe des affectus.473 Der beauftragte Käufer müsse dann vielmehr das Erlangte herausgeben, was sich aus der Differenz zwischen dem Wert des Sklaven und dem bezahlten Kaufpreis leicht errechnen lässt. Es wäre dann aber zu überlegen, ob dieses Interesse nicht allein durch die actio venditi zu verfolgen ist.474 Man bräuchte die actio mandati zu diesem Zweck wohl nicht und die Diskussion Papinians liefe leer. 465  Siehe

dazu schon oben, Zweiter Teil, § 3 I. 5. a. E. nur die im Ind. Int. Genannten, besonders Marchi, BIDR 16 (1904), S. 261 ff.; Pernice, Labeo III 1, S. 185 f.; jünger noch P. Grossi, Ricerche sulle obbligazioni pecuniarie nel diritto comune, Milano 1967, S. 157; Lange, SZ 72 (1955), S. 233; Medicus, S. 191 f. (in A. 14 zu den formellen Gründen); zu ihrer Entkräftung Honsell, S. 154 A. 18; Kaser, RP I2, S. 491 A. 26; De Robertis, ABari 1 (1965 / 1966), S.  223  ff. 467  Medicus, S. 192. 468  Ebd. 469  Zur Begründung führt Medicus, ebd., Pap. D. 18,7,6,1 an: quoniam hoc minoris homo venisse videatur. 470  Medicus, S. 191 f., im Anschluss an Pernice, Labeo III 1, S. 186. Schon in der Pandektistik bereitete diese Stelle wegen des Widerspruchs (?) zu Paul.-Ped. D. 9,2,33pr. Schwierigkeiten, z.  B. Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 122 ff., 133; dagegen aber Jhering (oben Fn. 1), S. 64 ff. 471  S. 154. 472  Ihm folgend Raber, S. 205 f. 473  Honsells Argumentation wird mit Blick auf die beschriebene Beweisnot im Rahmen der condemnatio pecuniaria zu verstehen sein. Allerdings übersieht Honsell hier, dass das Problem in der Wirksamkeit des Mandats zu sehen ist. Dazu sogleich im Text. 474  Siehe auch unten, Zweiter Teil, § 4 II. 3. 466  Siehe



§ 4  Iudicia bonae fidei

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An dieser Stelle fällt auf, dass auch Honsell475 in diesem Zusammenhang nicht die Probleme um die Wirksamkeit des Mandats anspricht, die wir oben festgestellt haben. Er scheint zu übersehen,476 dass die actio mandati nicht ohne weiteren Begründungsaufwand zu geben ist, weil die Wirksamkeit des Mandats Papinian nach dem im ersten Satz Gesagten problematisch erscheint. Wie wir gesehen haben, ist das Mandat nur dann wirksam, wenn es zugleich mit dem Kauf auch um eine Freilassung geht. Diese Freilassung findet ihre innere Begründung wiederum in der besonderen Beziehung zwischen dem beauftragenden Verkäufer und dem Sklaven. Es geht Papinian im vorliegenden Fall also nicht um die Rechtfertigung der Klage aus der Warte der condemnatio pecuniaria oder um eine geldwerte affectio, die unter Umständen nicht zu beweisen ist.477 Vielmehr bedarf die Wirksamkeit des Mandats hier einer Erklärung. Es steht also nicht eine Werterhöhung durch die affectio im Vordergrund478 oder die Berücksichtigung immaterieller Interessen im Rahmen eines Ersatzes, sondern die Notwendigkeit, die Freilassung mithilfe der actio mandati (wenigstens) für den dominus erzwingbar zu machen.479 Für unseren Fall bedeutet dies, der Mandant, dessen leiblicher Sohn oder Bruder nach dem Verkauf immer noch nicht freigelassen ist, kann mithilfe der actio mandati indirekten Zwang auf den Mandatar-Käufer ausüben, den Sklaven freizulassen: ein Ergebnis, das durch die actio venditi allein in dieser Konstellation nicht erreicht werden kann. Denn mit dieser kann der Verkäufer lediglich den Kaufpreis verlangen.480 Das vendidit der Formel481 lässt für unseren Fall eine weiter gehende Interpretation offensichtlich nicht zu.482 Selbst wenn man annimmt, mit der actio venditi könne der Verkäufer nach Rücktritt die Kaufsache zurückverlangen,483 ist ihm damit hier gerade nicht geholfen. Im Rahmen der actio mandati kann der Mandant aber nunmehr einen in erster Linie finanziellen Druck auf den kaufenden Mandatar ausüben, indem er seine besondere Zuneigung zum veräußerten Sklaven nach dem Grundsatz übrigens auch Raber, S. 205 f. Medicus, S. 191 f., spricht dieses Problem der Quelle nicht an. 477  Nochmals: Hierum dreht sich die Kontroverse zwischen Honsell und Medicus, vgl. dazu ab Fn. 468. 478  Das ist der Fall von Paul.-Ped. D. 9,2,33pr. oder Ulp. D. 7,7,6,2. 479  Vgl. dazu oben, Zweiter Teil, § 4 I. 3. 480  Z. B. Paul. D. 19,1,11,2; vgl. nur Kaser, RP I2, S.  551 m. w. N. 481  Dazu Lenel, EP, S. 299. 482  So auch Solazzi I, S. 215; Knütel, Mandat, S. 370. Ob dies gegebenenfalls in einem anderen Fall abweichend zu entscheiden sein kann, dazu unten, Zweiter Teil, § 4 II. 3. 483  Vgl. Pomp. D. 18,1,6,1; näher dazu Kaser, RP I2, S. 562. 475  Wie

476  Auch

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

der condemnatio pecuniaria in Geld umgewandelt einklagen kann. Gleichzeitig entsteht für den sich weigernden Käufer ein weiterer Zwang, der mit der Wirkung einer möglichen Verurteilung zusammenhängt. Nach der lex Iulia municipalis484 und nach dem Edikt droht in diesem Fall eine Minderung der Ehrenstellung.485 Die Verurteilung des Mandatars wirkt infamierend.486 Infolge der prätorischen Infamie kann der mit der actio mandati Verurteilte z. B. nur noch beschränkt postulieren487 oder seine parentes oder seinen Patron nicht mehr vor Gericht laden.488 Man sollte den Druck, den diese Infamie aufzubauen imstande ist, nicht unterschätzen, so dass neben den negativen finanziellen Anreiz für den die Freilassung verweigernden Mandatar auch noch dieser drohende soziale Nachteil tritt. Zusammen können diese „Zwangsmittel“ sehr wohl auf die Leistungsbereitschaft des Beauftragten einwirken, die Freilassung doch noch vorzunehmen, weswegen es vor deren Hintergrund so maßgeblich ist, der actio mandati zur Wirksamkeit zu verhelfen. Nähert man sich so dem Problem, wird klar, dass es Papinian im Fall in erster Linie nicht um den E r s a t z eines immateriellen Interesses geht. Vielmehr muss im Lichte des favor libertatis das Mandat zur Freilassung wirksam sein und somit dem Sklaven zur Freiheit verholfen werden können. Der favor libertatis streitet für die Berücksichtigung der Affektion. Es verschiebt sich der Fokus, der auf das Papinian-Fragment zu werfen ist. Anstatt nach der Klassizität des Ersatzes immaterieller Interessen und besonders des Affektionswertes zu fragen, erschließt sich die Bedeutung der Aussage Papinians in D. 17,1,54pr. nur dann zutreffend, wenn das Problem der notwendigen Wirksamkeit des Mandats in den Blick genommen wird. Der Schwerpunkt des Problems und der Aussage liegt somit für Papinian gar nicht in der tatsächlichen Verurteilung des Käufers und den damit verbundenen Schwierigkeiten, sondern – dem vorgelagert – in der Realisierung des favor libertatis.489 Einen davon abweichenden Weg beschreitet Raber490, wenn er behauptet, affectio in D. 17,1,54pr. hätte nichts mit dem Wert der besonderen Vorliebe vgl. dazu Kaser, SZ 73 (1956), S. 220 ff., 235 ff. dazu Kaser / Hackl, § 55 II. 1. und § 40 A. 9. 486  Gai. 4,182. Die Fallgruppen der Infamie sind sehr differenziert, vielschichtig und teilweise auch unübersichtlich, worauf hier aber nicht näher einzugehen ist. Erst Justinian will einen einheitlichen Infamiebegriff schaffen, vgl. nur Kaser, SZ 73 (1956), S.  220  ff. m. w. N. 487  Iul. D. 3,2,1; Ulp. D. 3,1,1,11; Ulp. D. 3,1,3pr. 488  Gai. 4,183; Ulp. D. 2,4,10,12; vgl. zu allem Kaser, SZ 73 (1956), S. 220 ff., 245 ff. 489  Gegen Medicus, S. 192. Auch Knütel, Mandat, S. 368 ff., nimmt die Durchsetzung der Freilassung als Ausgangspunkt des Fragments an. 490  S. 205 f. 484  Z. 111;

485  Vgl.



§ 4  Iudicia bonae fidei

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an sich zu tun, sondern bedeute hier eine „auf Freundschaft oder Verwandtschaft beruhende Zuneigung“491. Damit bestreitet er auch, dass es um einen Ersatz des Affektionsinteresses geht. Er vergleicht das Fragment etwa mit D. 9,2,33pr. und stellt fest, dass dort vom pretium affectionis explizit die Rede ist492 (wie wir gesehen haben, allerdings in Abgrenzung zum pretium iustum). In den bonae fidei iudicia solle lediglich die Zuneigung per se berücksichtigt werden. Dabei bleibt unklar, ob sich Raber damit auf das hier vorgestellte Wirksamkeitsproblem bezieht. Das zumindest hätte wohl weiterer Argumentation bedurft. Vielmehr erscheint seine Vorgehensweise als Versuch, aus der althergebrachten Debatte um das Fragment auszubrechen, ob Papinian hier den Ersatz immaterieller Interessen behandelt. Begreift man den Sinngehalt aber so, wie er gerade entwickelt wurde, tritt diese Frage in den Hintergrund. Wir haben nämlich erkannt, dass die Relevanz der affectio hier einen zweiten Begründungsstrang neben Pomp.Ulp. D. 17,1,19 darstellt. Dieser Begründung bedarf die Entscheidung, damit der favor libertatis mittels der wirksamen actio mandati durchgesetzt werden kann. Die Erklärung für die Berücksichtigung der Affektion an dieser Stelle liegt also im höherrangigen Prinzip des Freikaufs. Diesen kann der Richter im Rahmen seines größeren Ermessens im bonae fidei iudicium493 der actio mandati zumindest indirekt realisieren, indem überhaupt die actio gestattet wird und damit der Mandatar-Käufer unter Druck gerät. Zudem konnte gezeigt werden, dass es Papinian gar nicht um den Ersatz eines möglichen Liebhaberwertes geht. Höchstens an nachgeordneter Stelle wird für Papinian die Frage nach dem konkreten Inhalt des Urteils aus der actio mandati interessant. Die eigentliche Aussage des Fragments ist eine andere. 5. Der dritte Fall Der Vollständigkeit halber sei noch kurz die zweite Abwandlung Papinians in D. 17,1,54pr. skizziert, bevor wir uns einem weiteren PapinianFragment zuwenden, was Aufschluss darüber geben kann, worum es ihm mit der Formulierung placuit enim prudentiores – habendam eigentlich geht. Papinian will dem Käufer abschließend die actio mandati contraria 491  Im Anschluss an J. Cujaz, Opera omnia IV, Neapoli 1722, S. 1563, der von benigna et humana propensitas erga aliquem spricht. Siehe auch Pernice, Labeo III 1, S. 185 f., und Honsell, S. 153 A. 15. 492  Angemerkt sei, dass sich Raber auch nur mit den pretia rerum beschäftigt, obgleich natürlich im Papinian-Fragment hier auch eine Aussage zur rechtlichen Relevanz der „auf Freundschaft beruhenden Zuneigung“ getroffen wird. 493  Vgl. zur freieren Handhabung des Interesseprinzips an dieser Stelle auch Behrends, SZ 119 (2002), S. 111 A. 135.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

auf Erstattung des Kaufpreises versagen in dem Fall, dass der Käufer den Freikauf mit eigenem Geld bewerkstelligt hat. Wie jedoch bereits gesehen, ergibt sich aus dem Mandat keine Verbindlichkeit des dominus auf Aufwendungsersatz.494 Es wird aber nicht (mehr) der Fall des ut manumitteretur behandelt. Anknüpfungspunkt für einen solchen Anspruch des Mandatar-Käufers bliebe nur, die Konträrklage als actio de peculio zu begreifen.495 Es fehlt dafür aber an einem Geschäft, das der Sklave im Rahmen seiner administratio getätigt hat.496 Insofern gilt der prätorische Rechtsschutz nicht für solche Verträge, quo [servi] se ipsi mala ratione dominis aufferent.

II. Kaufpactum Bei dem weiteren Papinian-Fragment handelt es sich um Papinian D. 18,7,7 (lib. 10 quaest.): Servus ea lege veniit, ne in Italia esset: quod si aliter factum esset, convenit citra stipulationem, ut poenam praestaret emptor. Vix est, ut eo nomine vindictae ra­ tione venditor agere possit, acturus utiliter, si non servata lege in poenam quam alii promisit inciderit. Huic consequens erit, ut hactenus agere possit, quatenus alii praestare cogitur: quidquid enim excedit, poena, non rei persecutio est. Quod si, ne poenae causa exportaretur, convenit, e t i a m a f f e c t i o n i s r a t i o n e r e c t e a g e t u r. Nec videntur haec inter se contraria esse, cum beneficio adfici hominem intersit hominis: enimvero poenae non inrogatae indignatio solam duritiam continet. Ein Sklave wurde unter der Auflage verkauft, dass er sich nicht in Italien befinden durfte. Ohne Stipulation wurde für den Verstoß dagegen vereinbart, dass der Käufer eine Vertragsstrafe zahlen muss. Man kann kaum der Meinung sein, dass der Verkäufer aufgrund der Rache klagen kann, während er mit Erfolg497 vorgehen kann, wenn er bei Verstoß gegen die Bedingung einem Dritten, dem er für diesen Fall eine Strafe versprochen hat, eben diese leisten muss. Daraus folgt, dass er in der Höhe klagen kann, in der er dem Dritten zur Strafe verpflichtet ist. Denn alles was darüber hinaus geht, ist Strafe und nicht die Verfolgung einer Sache. Wenn jedoch vereinbart ist, dass der Sklave nicht zu seiner Bestrafung ins Ausland geschafft werden soll, kann auch wegen der Affektion geklagt werden. Und diese Ansichten stehen auch nicht im Widerspruch zueinander, weil der Mensch daran interessiert ist, dass einem Menschen eine Wohltat erwiesen wird. Die Aufregung hingegen über eine nicht verhängte Strafe beinhaltet nur Härte.

494  Oben

Fn. 442. Mandat, S. 371; Solazzi I, S. 216 f. 496  Voci, Obbligazioni I 1, S. 266; Buckland, Slavery, S. 214. 497  Zur richtigen Bedeutung von utiliter hier vgl. nur Daube, IURA 11 (1960), S. 95 f. und B.  19,7,6 f. 495  Knütel,



§ 4  Iudicia bonae fidei

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1. Die Voraussetzungen Der Sachverhalt ist schnell und prägnant im ersten Satz geschildert: Ein Sklave ist unter der Auflage verkauft worden, ihn in aliam civitatem vel provinciam498 zu verbringen, so dass er sich nicht mehr in Italien aufhalten sollte. Die Motive für einen solch ausgestalteten Verkauf sind vielfältig, die Vereinbarung als solche aber in Rom nichts Ungewöhnliches.499 Am ehesten ist daran zu denken, dass der verkaufende dominus sichergehen will, dass der Sklave ihm zukünftig keinen Schaden zufügen werde oder ihm in sonstiger Weise gefährlich werde könne.500 Diese Auflage gehört inhaltlich mit der Abrede ne manumittatur zu der Gruppe von Bestimmungen, durch welche die Sklaven bei ihrem Verkauf benachteiligt werden. Im Gegensatz dazu gibt es auch Sklaven begünstigende Vereinbarungen: zum einen ne exporteretur501, zum anderen ne prostituatur502 und schließlich ut manumittatur503. Rechtlich handelt es sich bei dieser Abrede entweder um eine eigenständige Stipulation oder wie hier um eine conventio504 als pactum adiectum.505 Solche leges dictae werden in Fällen wie hier bei der emptiovenditio durch schlichtes Einverständnis des Vertragspartners wirksam und gehen im Inhalt des Kaufpactum auf.506 Insofern geht ihr Inhalt über die z. B. die Umschreibung bei J. Cujaz, Opera IX, Prati 1839, S. 2581. zeigt allein die Häufigkeit dieser Problemlage in den Quellen: D. 18,7; C. 4, 55. Beispiele in Ulp. D. 18,7,1 und 2; Pap. D. 18,7,5–7 und 9. Vgl. Sicari, Leges, S. 291 A. 11; auch McGinn, SZ 107 (1990), S. 316 A. 4 m. w. N. Meistens sprechen die Quellen in diesem Fall von ut exportetur, worunter dann ein transferre ad barbaros zu verstehen ist. 500  Zwar ist das Beispiel in Ulp. D. 18,7,1, ne periculum subeat, krass, aber dennoch glaubwürdig. Vgl. auch die Beispiele in Paul. D. 18,7,9; Pap. Vat. 6 und C. 4,55,1 f.; siehe auch schon Costa (oben Fn. 439), S. 84 f. 501  Pap. D. 18,7,7 (4. Satz). 502  Z. B. Pap. D. 18,7,6pr.; Paul. D. 18,1,56; Ulp. D. 2,4,10,1. Mit dieser Klausel beschäftigt sich sehr tiefgründig McGinn, SZ 107 (1990), S. 316, der zudem darauf hinweist, dass zumindest den Spätklassikern viel an der Differenzierung zwischen den dominus begünstigenden und den Sklaven begünstigenden Abreden liegt (S. 320). 503  Z. B. Paul. D. 18,7,3; Marcell. D. 18,7,4; Pap. D. 18,7,8; Scaev. D. 18,7,10. 504  Beachte die Verbalform convenire im Fragment. 505  Börner, SZ 71 (1954), S. 360; schon Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 127; zu den pacta vgl. nur Kniep, Praescriptio und pactum, Jena 1891; Talamanca, Labeo 6 (1960), S. 278 ff. Sogleich dazu näher. Der Verkäufer konnte sich daneben auch ein Zugriffsrecht auf den Sklaven, manus iniectio, vorbehalten und den Sklaven wieder an sich bringen, vgl. dazu Kaser, AJ, S. 204 A. 50; Georgescu, SZ 64 (1944), S. 376. 506  Vgl. V. Georgescu, Essai d’une théorie générale des leges privatae, Paris 1932, S. 99 ff.; Buckland, RHDJ 17 (1938), S. 666 ff. 498  So

499  Das

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essentialia negotii hinaus und regelt demgemäß weitere objektbezogene Eigenschaften oder auch das Verhalten.507 Im Ausgangsfall hat sich der Verkäufer in eben dieser conventio eine Strafzahlung ausbedungen für den Fall, dass der Sklave sich doch in Italien aufhält. Das Strafgedinge dient somit der Einhaltung und Durchführung der Exportklausel. Dieses pactum ist grundsätzlich nicht anspruchsbegründend und klagbar,508 sondern kann im Einzelfall lediglich eine exceptio bewirken.509 Bei Geschäften, die mit einem bonae fidei iudicium klagbar sind, wird eine solche Nebenabrede jedoch als Vertragsinhalt angesehen, wenn sie – so wie hier – gleichzeitig510 mit dem Hauptvertrag (in continenti) abgeschlossen und vereinbart werden.511 Die Auflage könnte somit hier im Rahmen und mithilfe der actio venditi eingeklagt werden. Das ist umso entscheidender, als nach dem mitgeteilten Sachverhalt gerade keine Stipulation vorliegt, aus der der Verkäufer gegen den sich nicht abredegemäß verhaltenden Käufer vorgehen kann.512 2. Papinians Lösung Nicht so leicht verständlich wie die Hintergründe der besonderen Abrede ist die uns von Papinian präsentierte Lösung im Fall der Zuwiderhandlung gegen die conventio.513 Sprachlich folgt das aus der umständlichen Satzkonstruktion ab vix est bis acturus utiliter. Letzteres kann, wie wir oben bereits Holthöfer, Ius commune 1 (1967), S. 154 f. und A. 25. z. B. Ulp. D. 2,14,7,4 f.; C. 2,3,10. Zu den Ausnahmen, den sog. pacta praetoria*, siehe Kaser, RP I2, S. 526 mit A. 29 und S. 583 A. 1. 509  Knütel, Consensus, S. 61; Ulp. D. 2,14,7,4; vgl. auch die prätorische Rechtsschutzverheißung in Ulp. D. 2,14,7,7; dazu A. Magdelain, Le consensualisme dans l’edit du préteur 1958, S. 49 ff.; zu allem auch Kaser, RP I2, S. 487 A. 30. 510  Sie mussten in continenti, nicht erst ex intervallo abgeschlossen sein, vgl. Kaser, RP I2, S. 487; Holthöfer, Ius commune 1 (1967), S. 156 A. 36. 511  Pap. D. 18,1,72pr.; Ulp. D. 2,14,7,5; dazu auch Knütel, Consensus, S. 64 ff., 67 ff.; F. Kniep, Praescriptio und pactum, Jena 1891, S. 108 f.; Biondi, APal. 7 (1918), S. 22 f. 512  Ausdrücklich: citra stipulationem. Auch die Verwendung von citra hat den Interpolationsverdacht angefeuert, vgl. Beseler, Beiträge II, S. 39; zu seiner Widerlegung Börner, SZ 71 (1954), S. 361, und Riccobono, SZ 35(1914), S. 263 A. 2. Überhaupt kann schon hier gesagt werden, dass das Interpolationenfeuer über dieser Stelle als nahezu erstickt gelten kann, vgl. schon F. Wieacker, Textstufen klassischer Juristen, Göttingen 1975, S. 354 bei A. 106; Medicus, S. 176 f.; aktuell siehe McGinn, SZ 107 (1990), S. 332 f.; Sicari, Leges, S. 291 A. 10; Behrends, SZ 119 (2002), S. 111 A. 135; Wacke, S. 555 ff., 584. 513  Den Verstoß gegen die Auflage müssen wir unterstellen, ansonsten gäbe es hier kein behandlungswürdiges Problem. 507  Vgl. 508  Vgl.



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gesehen haben, nur bedeuten, dass der Verkäufer erfolgreich514 gegen den Käufer vorgehen kann, si non servata lege in poenam quam alii promisit inciderit, der Verkäufer also seinerseits einem Dritten eine Strafe für den Verstoß gegen die Exportklausel versprochen hat.515 Allein woraus er klagen kann, wird nicht mitgeteilt. Einzig denkbar ist hier aber, nach oben zum Kaufpactum Gesagtem, die actio venditi.516 Der Inhalt des vorhergehenden Satzes (ut eo nomine) ist dunkel und klärungsbedürftig. Behrends / Knütel /  Kupisch / Seiler übersetzen dabei vindictae ratione mit „aus dem Gesichtspunkt der Strafe“. Holthöfer517 hingegen stellt sehr interpretierend auf die Emotion „Rache“ ab. Die zweite Auffassung steht gut im Zusammenhang mit dem folgenden affectionis ratione und öffnet den juristischen Diskurs zu einer subjektiv-emotionalen Ebene hin. Die neuere Digestenübersetzung ihrerseits ist zwar ähnlich dunkel wie Papinian selbst, hat aber gegen sich, dass der Begriff „Strafe“ in diesem Fragment durch das Wort poena518 ausgedrückt wird. Wäre es Papinian also darum gegangen, hier auf die Strafe – also sozusagen auf die Rechtsfolgenseite der conventio – abzustellen, hätte er hier bei poena bleiben können. Näher liegt danach eher die Kontrastierung vindictae ratione und affectionis ratione und daher die Übersetzung mit „Rache“.519 Bei diesem Verständnis lässt sich ein Anspruch des Verkäufers also nur bejahen, wenn er selber einem Dritten gegenüber infolge der Verletzung der Klausel haftet. Der Verstoß gegen die Abrede allein gibt dem Verkäufer noch keinen Anspruch, auch wenn er aus Rachegelüsten gegen den Käufer (und vor allem aus Rachegelüsten gegen den Sklaven, wenn der Inhalt der Exportklausel realisiert würde) klagen will.520 Dabei 514  Vgl. oben Fn. 423; auch Börner, SZ 71 (1954), S. 359 ff.; Medicus, S. 175 A. 14. Siehe auch die zutreffende Übersetzung bei Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler, CIC II, im Gegensatz zu Otto / Schilling / Sintenis II. 515  Diese Voraussetzung hingegen ist textlich wieder leicht verständlich. 516  Vgl. zu diesem Ergebnis auch die in Fn. 514 Genannten. 517  Ius commune 1 (1967), S. 158. Obgleich er gar nicht auf das Problem mit der ersten Bedeutung von vindicta, nämlich Strafe, eingeht. Als Strafe verstehen wohl auch die meisten anderen Autoren vindictae ratione, vgl. Sicari, Leges, S. 292: „agire per uno scopo punitivo“, v. a. dort A. 13 m. w. N. Voci, Obbligazioni I 1, S. 255, nimmt im Text auch „un desiderio di vendetta“ an, obschon er vorher mit „un suo intento punitivo“ übersetzt, was doch einen gewissen Widerspruch darstellt. 518  Wir werden aber gleich noch sehen, dass auch dieser Begriff in vielerlei Hinsicht schillert. 519  Vgl. auch Bonfante IV, S. 73: „la pura ragione di vendetta“; und F. Pastori, Sponsio e stipulatio, Milano 1958, S. 279: „un motivo di vendetta“. 520  Dabei hat Holthöfer, Ius commune 1 (1967), S. 158, zutreffend darauf hingewiesen, dass Rache bei Weitem nicht das einzig denkbare Motiv des Verkäufers sein muss. Er nennt vor allem den Druck, den der Verkäufer durch Klageerhebung auf den Käufer ausüben will, den Sklaven (doch noch) zu entfernen. Nach unserem Verständnis spricht Papinian aber nur diese Emotion an.

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wird der nächste Satz entscheidend, in dem Papinian die Höhe des Anspruchs des Verkäufers auf die Summe begrenzt, die er dem Dritten versprochen hatte, hactenus agere possit, quatenus alii praestare cogitur. Die vereinbarte poena gelangt demnach gegebenenfalls nicht (einmal) in voller Höhe an den Verkäufer. 3. Parallele zu Papinian D. 18,7,6 Diese Auffassung deckt sich mit der Aussage Papinians in D. 18,7,6,1, die aus dem 27. Buch der Quaestionen stammt und die er selbst im Anschluss als überholt verwirft. Aber uns soll auch der vorangehende Teil interessieren, Pap. D. 18,7,6 lautet daher im Ganzen: Si venditor ab emptore caverit, ne serva manumitteretur neve prostituatur, et aliquo facto contra quam fuerat exceptum evincatur aut libera iudicetur, et ex stipulatu poena petatur, doli exceptionem quidam obstaturam putant, Sabinus non obstaturam. sed ratio faciet, ut iure non teneat stipulatio, si ne manumitteretur exceptum est: nam incredibile est de actu manumittentis ac non potius de effectu beneficii cogitatum. ceterum si ne prostituatur exceptum est, nulla ratio occurrit, cur poena peti et exigi non debeat, cum et ancillam contumelia adfecerit et venditoris affectionem, forte simul et verecundiam laeserit: etenim alias remota quoque stipulatione placuit ex vendito esse actionem, si quid emptor contra quam lege venditionis cautum est fecisset aut non fecisset. 1.  Nobis aliquando placebat non alias ex venditio propter poenam homini irrogatam agi posse, quam si pecuniae ratione venditoris interesset, veluti quod poenam promisset: ceterum viro bono non convenire credere venditoris interesse, quod animo saevientis satisfactum non fuisset. Sed in contrarium me vocat Sabini ­sententia, qui utiliter agi ideo arbitratus est, quoniam hoc minoris homo venisse videatur. Wenn ein Verkäufer mit dem Käufer die Abrede getroffen hat, dass die verkaufte Sklavin nicht freigelassen werden darf oder521 nicht prostituiert werden darf, sind einige Juristen der Meinung, dass die exceptio doli entgegensteht in dem Fall, dass, nachdem sie nach Bruch dieser Bestimmung beim Käufer von einem Dritten evinziert oder infolge eines Freiheitsprozesses frei wird, nunmehr die stipulierte Vertragsstrafe eingeklagt wird. Sabinus hingegen glaubte, dass die Einrede der Stipulation nicht entgegensteht. Aber vernünftig ist es, dass die Stipulation von Rechts wegen nicht gilt, wenn ausbedungen war, dass sie nicht freigelassen werden durfte. Denn es ist nur schwer zu glauben, dass nur an die Handlung des Freilassers und nicht vielmehr an die Wirkung dieser Wohltat gedacht wurde. Wenn anderenfalls verabredet war, dass sie nicht prostituiert werden soll, spricht nichts dagegen, warum man die Strafe nicht verlangen und einklagen darf, weil der Käufer sowohl die Sklavin geschmäht hat als auch die Affektion des Verkäu521  Beachte hier die (insofern selten) unzutreffende Übersetzung bei Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler, CIC III. Besser hingegen, Manthe, Orbis Iuris Romani 10 (2005), S. 143 ff., 156 f.



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fers verletzt hat: Denn auch über die Stipulation hinaus nimmt man an, dass aus dem Kauf eine Klage zusteht, wenn der Käufer etwas gegen eine Bestimmung aus dem Kaufvertrag getan hat oder gerade nicht getan hat. 1.  Einst vertraten wir die Auffassung, man könne nur dann aus dem Kauf wegen einer einem Menschen auferlegten Strafe klagen, wenn der Verkäufer ein pekuniä­ res Interesse daran hat, zum Beispiel weil er selbst eine Strafe versprochen hatte. Im Übrigen passt es nicht auf einen redlichen Mann, ein Interesse des Verkäufers anzunehmen, weil seine Absicht, [mit dem Sklaven] streng zu verfahren, nicht befriedigt wurde. Aber die Ansicht des Sabinus hat uns vom Gegenteil überzeugt, nach der man deswegen erfolgreich klagen kann, weil man annehmen kann, der Sklave sei deswegen [wegen der Vertragsbestimmung] günstiger verkauft worden.

Zwar sind auch diese Erläuterungen spärlich und müssen für uns sinnvoll ergänzt werden.522 Sie geben aber im Prinzipium bis zur genannten Meinungsänderung Papinians im ersten Paragraphen genau die in D. 18,7,7 bis zum dritten Satz gefundene Lösung wieder: Nur im Regressfall hat der Verkäufer ein eigenes pekuniäres Interesse, das er mit der actio venditi verfolgen kann. Papinian denkt in beiden Fällen noch nicht an die später gefundene Lösung, die auf Sabinus’ Meinung fußt, dass man wegen der vereinbarten Klausel gewöhnlicherweise von einem geringeren Kaufpreis und damit von einem pekuniären Interesse des Verkäufers (wegen eben dieser Differenz) ausgehen kann.523 Zurück zu Pap. D. 18,7,7: Die Begründung in D. 18,7,7, warum die Klagesumme auf die Höhe des Regresses begrenzt ist,524 bereitet mehr Schwierigkeiten und muss näher betrachtet werden. Papinian sagt, die volle Höhe der vereinbarten Strafe übersteige das Interesse an der rei persecutio und 522  Vgl. zur „forma rapida e concettosa“ Papinians S. Riccobono, Lineamenti della stroia delle fonti e del dirtitto romano2, Milano 1949, S. 86; zur Kürze und gedanklichen Tiefe Papinians vgl. auch Ankum, Orbis Iuris Romani 2 (1996), S. 5 ff., 13, zu seiner „Dunkelheit“ dort S. 18 ff. m. w. N. Zur Bedeutung der Ausgangsfälle im Fragment ne manumitteretur neve prostituatur vgl. nur Voci, Obbligazioni I 1, S. 257 ff. 523  Das ist die Lösung, die er im 27. Buch der Quaestionen vorschlägt; unser Fall der ausdrücklich behandelten Exportklausel in D. 18,7,7 stammt hingegen – wie gesehen – aus dem 10. Buch. Vgl. aber zu einer abweichenden Auffassung von quoniam in D. 18,7,6,1 Sicari, Leges, S. 317, die mit „sempre che“, entsprechend vielleicht dem deutschen „falls“ oder „unter der Voraussetzung, dass“, übersetzen will. Sie verweist als Beleg der Verwendung Papinians in diesem Sinne auf D. 41,2,44pr. Indes ist an der kausalen Verknüpfung mit quoniam nicht zu zweifeln. Sicari hätte ihre Auffassung anhand der überlieferten Fragmente stärker belegen müssen. Vielmehr wird quoniam seit der silbernen Latinität als Synonym zu quia / quod (mit ganz eindeutig kausalem Bezug) verwendet, in älterer Zeit kann man eine nachzeitige, wenngleich aber gerade auch und entscheidend kausale Tendenz feststellen, vgl. M. Leumann / J. B. Hofmann / A. Szantyr, Lateinische Grammatik 2, München 1972, S. 627. 524  Quidquid enim excedit, poena, non rei persecutio est.

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stelle eine poena dar, weswegen der Verkäufer mit der actio venditi, wenn man so will, nur von der Regressforderung gegen ihn freigestellt zu werden verlangen kann. Ein Anspruch auf die Vertragsstrafe als solche bestehe gerade nicht.525 Was aber meint poena in diesem Zusammenhang?526 Wir haben poena bereits als die vereinbarte Vertragsstrafe kennengelernt.527 Diese Bedeutung kann der Begriff im begründenden fünften Satz von D. 18,7,7 schwerlich haben, problematisch ist ja gerade die Höhe der Klageforderung, also die Vertragsstrafe als solche. Aber auch eine stipulierte Vertragsstrafe wird poena genannt.528 Vielleicht will Papinian auf den Unterschied zwischen stipulierter Vertragsstrafe und bloßer conventio hinaus: Aus einer Stipulation könnte der Verkäufer ganz unabhängig von der actio venditi gegen den Käufer vorgehen; es kann also darum gehen, dass der Verkäufer, wollte er sich der gesamten Vertragsstrafe sicher sein, sich diese auch in D. 18,7,7 hätte stipulieren lassen müssen. Und letztlich begegnet uns poena noch in einer weiteren Bedeutung im sechsten und im letzten Satz des Fragments, ne poena causa exportaretur und poena non inrogatae. Hier geht es nicht so sehr um eine Strafzahlung als vielmehr um eine konkrete physische Bestrafung des Sklaven. Der Begriff schillert also in diesem Fragment in den verschiedenen Bedeutungen,529 so dass er allein keine Antwort liefern kann auf die Frage, warum Papinian nur für eine Freistellung des Verkäufers plädiert und da­ rüber hinaus den Verfall der Vertragsstrafe verneint. Dafür gibt es mehrere Erklärungen. Einerseits steht dahinter die Aussage, dass eine nicht stipulierte Vertragsstrafe nicht zu erzwingen ist.530 Wir haben bereits gesehen, dass 525  Holthöfer,

Ius commune 1 (1967), S. 159. oben Fn. 518. 527  So gleich zu Beginn des Fragments ut poenam praestaret emptor und auch im zweiten Satz in poenam, quam alii promisit, inciderit. Ob die Strafe des Verkäufers dem Dritten mithilfe einer Stipulation versprochen war, lässt sich ohne Weiteres nicht sagen, obwohl promisit darauf hindeutet, erscheint aber doch sehr wahrscheinlich, vgl. nur Voci, Obbligazioni I 1, S. 255 A. 44. 528  Kaser, RP I2, S. 319 A. 4. 529  Umso mehr erscheint die Formulierung vindictae ratione in dem oben in Fn. 604 angesprochenen Licht nicht auch noch als Strafe, sondern besser als Rache. In diesem Sinne verwendet Papinian vindicta z. B. auch in D.47,12,10: neque id capiatur, quod in rei persecutione, sed in sola vindicta sit constitutum. 530  Insofern hätte der Verkäufer sich die Strafe eben stipulieren lassen müssen, vgl. auch Sicari, Leges, S. 292 f. Das folgt auch schon aus dem Aufbau von D. 18,7,6pr. und 1. Papinian beginnt seine Ausführungen mit einer stipulierten Strafe, um danach auf ein bloßes pactum einzugehen (remota stipulatione). Zum Aufbau in der Kompilation gleich im Text. Siehe ausdrücklich zu dem Problem einer Stipulation anstelle eines bloßen pactum auch Paul. D. 11,7,11: Quod si locus monumenti hac lege venierit, ne in eum inferrentur, quos ius est inferri, pactum quidem ad hoc non sufficit, sed stipualtione id caveri oportet. 526  Zu



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sich die Berücksichtigung einer solchen Abrede, einer Auflage, ohne Stipulation nur im Rahmen der Klage aus dem Rechtsgeschäft der emptio-venditio ergibt. Es ist also zu entscheiden, inwiefern die conventio hier in der actio venditi aufgehen und Berücksichtigung finden kann, wie weit also das richterliche Ermessen im bonae fidei iudicium reicht, die im pactum vereinbarte Vertragsstrafe mitberücksichtigen zu können.531 Dabei geht es nicht um die Frage, ob die Klausel bei Verstoß einen immateriellen Schaden abdecken sollte oder ob hier das Affektionsinteresse geschützt und berücksichtigt werden soll.532 Denn auch eine Exportklausel ohne ausbedungene Strafe hätte keinen Anspruch auslösen können.533 Entscheidend ist doch für den Verkäufer, ob die Strafsumme als solche in Anspruch genommen werden kann, weil der Käufer sie ihm (insofern aber unselbständig) versprochen hatte. Im Gegensatz zu Pap. D. 17,1,54pr., wo es zumindest nach verbreiteter, aber hier bestrittener Meinung um die Frage geht, ob ein Affektionsinteresse mit der acito mandati eingeklagt werden kann,534 liegt hier der Fokus auf dem tatsächlichen und bezifferbaren Vermögensinteresse der durch das pactum versprochenen Summe, die ihrerseits eine Motivation für den Käufer darstellen soll, nicht vertragsbrüchig zu werden. Dazu aber muss die Strafklausel in einem engen Zusammenhang mit der actio venditi und damit mit dem auf der bona fides gegründeten Geschäft der emptio-venditio stehen. Der Charakter dieses Geschäfts als eines vollkommen zweiseitigen Vertrags jedoch zeichnet sich gerade durch den Austausch von Vermögenswerten aus, was sich ja allein schon im Doppelnamen ausdrückt.535 Für Papinian könnte nun also der ausbedungenen Strafe gerade kein Vermögenswert gegenüberstehen, der Erhalt der Strafsumme könnte daher nicht mehr vom Synallagma536 des Rechtsgeschäfts gedeckt sein.537 Auf den Zusammenhang zwischen Kaufpreiskalkulation und Strafabrede in der Form, dass die Abrede in den Kaufpreis eingepreist wurde, also das 531  Papinian spricht allerdings einschränkend in D. 19,1,13,26 davon, dass die lex des Kaufvertrags nicht improbata sein darf: Ibidem papinianus respondisse se refert, si convenerit, ut ad diem pretio non soluto venditori duplum praestaretur, in fraudem constitutionum videri adiectum, quod usuram legitimam excedit: diversamque causam commissoriae esse ait, cum ea specie, inquit, non faenus illicitum contrahatur, sed lex contractui n o n i m p r o b a t a dicatur. 532  Vgl. nur Börner, SZ 71 (1954), S. 368 f. 533  Vgl. Daube, IURA 11 (1960), S. 96; Holthöfer, Ius commune 1 (1967), S. 160; Medicus, S. 177. 534  Siehe oben S. 109 ff. 535  Kaser, RP I2, S. 529, 545, Arangio-Ruiz, Compravendita2, S. 214 ff.; H.-P. Benöhr, Das sogenannte Synallagma in den Konsensualkontrakten des klassischen römischen Rechts, Hamburg 1965, passim. 536  Zu diesem Begriff nur Kaser, RP I2, S. 529 und A. 16. 537  Holthöfer, Ius commune 1 (1967), S. 161; Daube, IURA 11 (1960), S. 97.

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Synallagma berührt, wäre Papinian dann für D. 18,7,7 im 10. Buch noch nicht gekommen. Erst in D. 18,7,6,1, im 27. Buch, entscheidet er anders. Denn dort hat Sabinus’ Ansicht ihn überzeugt, dass sich die Klausel im Synallagma des Rechtsgeschäfts niedergeschlagen hat, weil sich der Verkäufer die Klausel ja etwas hatte kosten lassen.538 Papinian ist erst im 27. Buch der funktionale Zusammenhang zwischen Strafe und Preis klar geworden, den er im 10. Buch noch nicht sah oder so nicht gelten lassen wollte.539 Für Papinian steht demnach in D. 18,7,7 fest, dass nach der bona fides der Verkäufer kein schützenswertes Interesse daran hat, im Rahmen der bloßen actio venditi die Strafsumme zugesprochen zu bekommen.540 Im Gegenteil, die conventio ist völlig belanglos, solange sie formlos abgegeben ist. Regress nehmen kann der Verkäufer wegen seiner eigenen Haftung, wegen seines eigenen pekuniären Interesses also, sowieso im Rahmen der actio venditi, unabhängig von der Strafklausel, weil dieses Interesse an der Freistellung gegenüber dem Dritten beim freieren richterlichen Ermessen im bonae fidei iudicium ohnehin beachtlich ist.541 Aber auch eine andere Lösung scheint erwägenswert. Unterstellt man die Wirksamkeit des pactum insofern, als dass es grundsätzlich mit der actio venditi eingeklagt werden kann, könnte Papinian dennoch in diesem Fall die Klage versagen, weil sie gegen die bona fides verstößt.542 Anknüpfungspunkt wäre dabei der vir bonus, der uns auch in D. 18,7,6,1 begegnet ist. Der Verkäufer müsste demnach durch treuwidrige Gründe zur Klage veranlasst worden sein. In diesem Zusammenhang lesen wir bei Papinian zwar von saevitia und duritia543. Jedoch zeigt z. B. auch Pap. D. 18,7,1, dass ganz andere Motive für den Abschluss einer Exportklausel streiten können.544 Schwerlich wird sich also in der häufigen und alltäglichen Vereinbarung einer Exportklausel mit Strafbewehrung ein relevanter treuwidriger Sittenverstoß erblicken lassen, der zum Ausschluss der Klage führt.545 Es Jhering (oben Fn. 1), S. 45. auch Holthöfer, Ius commune 1 (1967), S. 163. 540  Es zeigt sich hier eben (so dunkel wie das Fragment ist) die Schwäche des bloßen Pönalpactum im Gegensatz zur Stipulation. Vgl. dazu auch Holthöfer, Ius commune 1 (1967), S. 161 A. 54, 56. Vgl. auch schon Stoll, SZ 50 (1930), S. 552. 541  Vgl. Daube, IURA 11 (1960), S. 98; ausführlicher gleich im Text. 542  Diese Lösung denkt Börner, SZ 71 (1954), S. 359 ff., 363 ff., an. Vgl. zu diesem Ansatz auch Bonfante IV, S. 73 und Pastori (oben Fn. 519), S. 279. Ihnen folgend wohl Sicari, Leges, S. 293 f. 543  Pap. D. 18,7,6,1 animo saevientis und Pap. D. 18,7,7 am Ende. 544  Vgl. oben Fn. 500 und noch F. Haymann, Freilassungspflicht und Reurecht, Vahlen 1905, S. 1 A. 4. 545  Zu diesem Schluss kommt auch Börner, SZ 71 (1954), S. 366. Holthöfer, Ius commune 1 (1967), S. 161 A. 53, scheint das aber nicht bemerken zu wollen. Bör538  Vgl. 539  So



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erscheint nach alledem also aus Papinians Sicht sehr wahrscheinlich und überzeugend, dass er aufgrund der zuerst dargestellten Gründe wegen des unzureichenden Schutzes des formlosen pactum gegen die Klagbarkeit der Vertragsstrafe entschieden hat.546 4. Die Abwandlung in Papinian D. 18,7,7 Lässt sich demnach eine glaubwürdige Erklärung für die erste Entscheidung Papinians in D. 18,7,7 finden, kommen wir nun zur interessanteren Abwandlung des Falles, quod si, ne poenae causa exportaretur, convenit, etiam affectionis ratione recte agetur. Wenn beim Kauf vereinbart worden war, dass der Sklave nicht zur Bestrafung außer Landes gebracht werden durfte, soll der Verkäufer bei Verstoß dagegen nunmehr affectionis ratione klagen können. Im Fall einer negativen Exportklausel als begünstigende Klausel547 also kann der Verkäufer die Vertragsstrafe einklagen. Wir werden annehmen dürfen, dass es sachlich zum Ausgangsfall keine Veränderung dahin gehend gibt, dass nunmehr die poena stipuliert wäre. Einerseits gibt es für diesen Unterschied keinen Hinweis im Text, andererseits wäre dann das Ergebnis nicht besonders erwähnenswert. Papinian geht demnach auch in der Abwandlung von einem pactum adiectum aus.548 Allerdings wird nicht deutlich, woraus der Verkäufer klagen können soll. In Betracht kommt nach oben Gesagtem einerseits die actio venditi, andererseits besteht aber auch die Möglichkeit, dass die rechtliche Bewertung des pactum aufgrund der affectio in der Abwandlung anders ausfällt und es daher nunmehr klagbar ist.549 Diener, a. a. O., S. 371, meint dann allerdings weiter, diese nach klassischem Recht nicht anzufechtende Entscheidung habe ein nachklassischer Bearbeiter nicht mehr verstanden und daher die Argumentation über die bona fides in den Text eingebracht. Börner ist dabei unübersehbar davon geleitet, den Interpolationsverdacht um dieses Fragment zu bestätigen. 546  Nochmals für die bessere Übersichtlichkeit in diesem nicht leicht zu überblickenden Fragment Pap. D. 18,7,7: Die Entscheidung gegen die Klagbarkeit ergibt sich aus dem ersten Beispiel des vix est-Satzes, nämlich vindictae ratione venditor agere possit. Schuldet der Verkäufer hingegen einem Dritten eine Vertragsstrafe wegen der Nichtbeachtung der Klausel im Verhältnis zu seinem Käufer, muss der Käufer ihn in dieser Höhe schadlos stellen: Das folgt aus dem Teil ab acturus utiliter – rei persecutio est. 547  Zu diesem Klauseltypus schon oben in Fn. 501 ff. 548  Vgl. nur Medicus, S. 177. 549  Das entspräche in gewisser Weise der Lösung über Mandat aus Pap. D. 17,1,54pr. Mehr dazu gleich im Text. Dass daneben noch eine actio in factum in Betracht gezogen werden kann, erscheint nach dem Text nicht denkbar, vgl. Holthöfer, Ius commune 1 (1967), S. 164 A. 67. Insofern ist auch nicht mit einer Textverkürzung zu rechnen, da ja gerade im Kontrast zum Ausgangsfall eine actio in factum entscheidend zu erwähnen wäre.

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se Frage gilt es näher zu untersuchen, weil sich aus der Antwort auch Rückschlüsse auf Papinians Vorgehen und seine Auffassung in D. 17,1,54pr. ziehen lassen. Im Hinblick auf eine Klagbarkeit der Vertragsstrafe im Rahmen der actio venditi ist daran zu denken, dass Papinian für den Fall der Affektion und des beneficium550 im Gegensatz zur duritia und vindicta im Ausgangsfall bereits an eine ähnliche Lösung gedacht hat, wie sie ihm ab dem 27. Buch durch Sabinus für alle Fälle einer verabredeten Klausel vorschwebt (nämlich in D. 18,7,6,1: hoc minoris homo venisse videatur). Dem Jurist lag vielleicht ein solcher Gedanke näher, dass der Verkäufer sich eine den Sklaven begünstigende (beneficium!551) Klausel „etwas“ hat kosten lassen, das heißt, dass er den Kaufpreis niedriger als üblich und eigentlich realisierbar ansetzte. Diese Differenz stellt zugleich die Höhe der einklagbaren Vertragsstrafe dar.552 Die Lösung steht ganz im Einklang mit Papinians Auffassung aus D. 18,7,6,1, eben der Auffassung im 27. Buch seiner Quaestionen. Er ging vielleicht davon aus, dass man im Hinblick auf positive Emotionen zum Sklaven bereit war, tatsächlich auch vermögensmindernde Absprachen in Kauf zu nehmen, bevor ihn später die Argumentation Sabinus’ überzeugt hat, dass auch negative Gefühle wie saevitia553 „ihren Preis“ haben können. Das Ende von D. 18,7,7 stellte somit den Übergang vom bloßen vindictae ratione venditor554 zum pecuniae ratione venditor555 dar. Dabei könnten wir davon ausgehen, dass er im 10. Buch, also aliquando im Sinne der Ausführungen im 27. Buch, die Begründung Sabinus’ noch nicht gelten lassen wollte556 und daher die begünstigenden Abreden einseitig privilegiert. Zu dieser Einstufung der Lösung um die Klage affectionis ratione würde auch die Erklärung im letzten Satz des Fragments 7 von D. 18,7 passen, 550  Vgl. zum beneficium Sen. de ben. 1,6,1 und 4,21,3; siehe auch Gilberti, Scritti Guarino 4, S. 1844 ff. 551  McGinn, SZ 107 (1990), S. 335, meint, der Kaufpreis sei aufgrund von „convenants, which benefitted the slave“, niedriger vereinbart worden. 552  Und passt so gesehen zu den Ausführungen in D. 18,7,6,1: aliquando: pecuniae ratione venditoris interesset. 553  Vgl. oben in Fn. 543. 554  Aus Pap. D. 18,7,7 Ausgangsfall und Pap. D. 18,7,6,1 viro bono non convenire und saevientis animo. 555  Aus Pap. D. 18,7,6,1 am Ende, nachdem Sabinus’ Meinung Papinian überzeugt hat. 556  Für C. F. Glück, Pandekten 17 Abt. 1, Erlangen 1815, S. 209, zeigt sich hierin eine Fähigkeit des größten Rechtsgelehrten, von anderen zu lernen. Siehe schon Cujaz (oben Fn. 498), S. 1570: haec ingenuitas Papiniani mihi valde placet et debet omnibus esse documento.



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nach der ein Mensch ein (in Geld ausgedrücktes und damit das Synallagma der Kaufklage berührendes) Interesse haben kann, einem anderen eine Wohltat zukommen zu lassen. Es ist durchaus denkbar, dass Papinian das schillernde intersit hier bereits im Sinne von pecuniae ratione venditoris interesset begreift, wohingegen er eben noch nicht einsehen will, dass duritia auch in Sabinus’ Sinne verstanden werden kann.557 5. Zusammenfassung des Gedankens Papinians Zur Klarstellung sei die gedankliche Entwicklung Papinians hier noch einmal abschließend skizziert: Aliquando hielt er nur einen Freistellungsanspruch im Rahmen der actio venditi für realisierbar; nur wenn der Verkäufer einem Dritten infolge der Nichtbefolgung der Klauselabrede regresspflichtig wurde, konnte er in dieser Höhe vom widerspenstigen Käufer Schadloshaltung verlangen. Diese Ausgangslage finden wir in D. 18,7,6,1 (27. quaest.). In D. 18,7,7 (10. quaest.) – insofern ungeschickt hintereinandergesetzt – lässt Papinian zu, dass eine Vereinbarung, die den Sklaven aufgrund von affectio und beneficium des dominus begünstigen sollte, über die actio venditi zu verfolgen war, wahrscheinlich, weil er dachte, dass der dominus dafür beim Preis Nachlass gegeben hatte und so auch ein vermögenswertes Interesse tangiert ist. Das wäre das konsequente Verständnis des Hinweises auf aliquando. Oder, ebenfalls denkbar, Papinian behandelte alle Kaufabreden gleich, die für den Sklaven positiv waren, weil er diese in einer analogen Fortbildung zu den übrigen Freiheitsbegünstigungen für relevant hielt.558 Es bliebe bei diesem Verständnis die Frage, warum z. B. eine Exportklausel, also eine den Sklaven belastende Abrede, gerade nicht den Preis drückt, warum der Verkäufer sich diese weiter reichende Motivation nicht auch in diesem Sinne etwas kosten lässt. Allein Papinian hat diese Argumentation aliquando eben noch nicht gesehen oder er ist ihr nicht gefolgt. Die Begründung aus D. 18,7,6,1 deutet klar darauf hin: Bei belastenden Klauseln ist das Interesse des Verkäufers (noch) nicht selbständig gegeben. Wir haben also mit D. 18,7,6 und 7 ein lebendiges Beispiel einer Entwicklung von Begründungssträngen durch Papinian vor uns. Später – und das lesen wir in D. 18,7,6,1 a. E. – hat die Argumentation Sabinus’ ihn überzeugt, dass jede Klausel, ob begünstigend oder belastend, Einfluss auf die Preisgestal557  Dieser Gedanke scheint meistens als Lösung für diese Stelle gar nicht in den Sinn zu kommen, vgl. nur z. B. Costa (oben Fn. 439), S. 86: „fuori da qualsivolgia interesse pecuniario concorrente o sottostante“, als sei es so abwegig, dass auch eine begünstigende Klausel für die Höhe des Kaufpreises relevant sein kann; auch diese beschränkt den Käufer in seiner Disposition über den Sklaven und „drückt“ so den Preis. 558  Zu diesem Ansatz gleich im Text.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

tung hat und damit auch der Inhalt einer den Sklaven belastenden Abrede mit der actio venditi verfolgt werden kann; eine Lösung, auf die Papinian ausweislich seiner eigenen Worte früher noch nicht gekommen ist. Dies alles vorausgesetzt, hätten die Kompilatoren dann das Ergebnis einer gedanklichen und argumentativen (Weiter-)Entwicklung in D. 18,7,6,1 gleichsam vor den Ausgangspunkt und einen weiter gehenden Gedankenschritt in D. 18,7,7 gestellt, ohne sich über die induktive Herleitung des Ergebnisses in D. 18,7,6,1 im Klaren gewesen zu sein.559 Dafür spricht die Abfolge der Gedanken und Lösungen Papinians in seinen Quaestionen. Unterstellt man eine solche Entwicklung Papinians in seinem Werk, ist seine Entscheidung in D. 18,7,7 am Ende nur konsequent und steht – wie er selber sagt560 – nicht im Widerspruch zum Ausgangsfall.561 Vielmehr fügt sich die Entscheidung, dass aus positiver Affektion der Verkäufer bereit ist, etwas aufzuwenden, genau in das beschriebene Bild des Synallagmas, welches im Rahmen der actio venditi Berücksichtigung finden kann. Allein den Gedanken, dass sich der Verkäufer die Affektion hat etwas kosten lassen, verschweigt Papinian. 6. Alternative Lösung – begünstigende Klausel als Ausgangspunkt Im Rahmen von D. 18,7,7 kann man an eine weitere Erklärung für das Problem um affectionis ratione agere denken, ohne der radikalen Interpolationskritik zu diesem Fragment folgen zu müssen.562 Bei näherer Betrachtung einzelner Maßnahmen Papinians stellt man seine Tendenz fest, konsequent rechtliche Besonderheiten weiterzudenken, die sich schon vorfinden ließen.563 Entscheidend für unsere untersuchten Texte ist vor 559  Man beachte auch, dass Pap. D. 18,7,8 wiederum ins 27. Buch der Quaestionen gehört. Die Kompilatoren haben demnach wohl das Sinngefüge Papinians nicht mehr zutreffend nachgezeichnet; vgl. auch den kurzen Hinweis bei Voci, Obbliga­ zioni I 1, S. 257 f. 560  Mit diesem Verständnis entfällt auch das Bedürfnis, besonders das Ende des Fragments als interpoliert anzusehen, vgl. dazu nur Börner, SZ 71 (1954), S. 371 f.; Daube, IURA 11 (1960), S. 101. 561  Vgl. aber z. B. Voci, Obbligazioni I 1, S. 261 f., der in dem „Widerspruch“ keine Gedankenkette und Entwicklung Papinians sehen kann, sondern kompilatorische Eingriffe annimmt („Il giurista non aveva ragione di mutare, nel libro 27, un’opinione che aveva sostenuto nel libro 10, per seguire una tesi di Sabino …“). Siehe auch Sicari, Leges, S. 326 A. 50. 562  Dazu schon oben in Fn. 512. 563  Vgl. zu den Analogieschlüssen Papinians Ankum, Orbis Iuris Romani 2 (1996), S. 10. Wenn in diesem Zusammenhang später von Analogieschlüssen die



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allem, dass Papinian großen Wert auf das Recht der kaiserlichen Konstitu­ tionen legt und darauf seine Aufmerksamkeit lenkt.564 Man kann nun daran denken, Papinian habe die negative Exportklausel in eine Reihe mit den anderen Nebenabreden gestellt, die für Sklaven begünstigend waren.565 Die Abreden ne prostituatur und ut manumittatur führten bei Nichtbeachtung seit Mark Aurel566 ipso iure zur Freiheit des Sklaven.567 Bereits auf Vespasian geht in Mod. D. 37,14,7pr.568 eine Bestimmung zurück, nach der eine Sklavin, die unter der Kaufvereinbarung ne prostituatur veräußert worden war, frei wurde, wenn gegen diese Vereinbarung verstoßen wurde; zudem erhielt sie die Freiheit ex lege venditionis, wenn man sie im Anschluss ohne die Klausel an einen Dritten weiterveräußert hatte. Von der Konstitution des Mark Aurel569 berichtet Scaevola in D. 18,7,10 indirekt im Zitat aus Claudius Tryphonin: Divus Marcus ex lege dicta libertatis in vendendo quamvis non manumissos fore liberos in semenstribus constituit, licet in mortis tempus emptoris distulit venditor libertatem. Rede sein wird, sind die Probleme um eine konkrete Definition sehr wohl bewusst; sie sollen für uns aber keine übergeordnete Rolle spielen, vgl. eingehend F. Horak, Rationes dicendi, Entscheidungsbegründungen bei den älteren römischen Juristen bis Labeo, Aalen 1969, S. 34 ff. und 242 ff. Für die folgenden Ähnlichkeitsschlüsse könnten wir aber genauso gut von ausdehnender Interpretation sprechen. 564  Giuffrè, Papiniano, in ANRW II, 15, 1975, S. 651. Was nicht weiter überrascht, wenn man bedenkt, dass Papinian über acht Jahre magister libellorum war, vgl. auch Wieacker, SZ 94 (1977), S. 34, 36. Vgl. zu seiner Laufbahn auch die oben in Fn. 424 Genannten. 565  Zu diesen begünstigenden Klauseln siehe schon oben ab Fn. 501. 566  Unter Abwendung von einer älteren Konstitution Hadrians, vgl. Scaev. D. 18,7,10. Siehe zu den beiden Klauseln McGinn, SZ 107 (1990), S. 325 ff.; vgl. auch schon Glück (oben Fn. 556), S. 199 f. 567  Vgl. sogleich die Quellen und auch Buckland, Slavery, S. 70 f. Bereits Antoninus Pius hatte angeordnet, dass bei testamentarischen Freilassungen nach Rechnungslegung in dem Fall, dass der Erbe diese verzögerte, der Sklave auch ohne Rechnungslegung freikam (Pap. D. 40,7,34,1). Der Sklave musste aber zur Durchsetzung (noch) den Freiheitsprozess führen. Erst ab Mark Aurel war dieser überflüssig (vgl. Ulp. D. 47,4,1,7). Zu alledem auch Liebs, BIDR 83 (1980), S. 179 f. Vgl. zur moralisch, sozial und philosophisch fundierten Herrschaftsideologie der Adoptivkaiser und deren Einfluss auf die juristischen Wertungen auch Wieacker, SZ 94 (1977), S. 29 ff. 568  Divus vespasianus decrevit, ut, si qua hac lege venierit, ne prostitueretur et, si prostituta esset, ut esset libera, si postea ab emptore alii sine condicione veniit, ex lege venditionis liberam esse et libertam prioris venditoris. Vgl. die zutreffende Übersetzung bei Otto / Schilling / Sintenis III. Das Satzgefüge ist wegen der unübersichtlichen Reihung von ut- und si-Sätzen auf den ersten Blick nicht ganz klar. 569  Zu weiteren Fragen hinsichtlich der Konstitution vgl. McGinn, SZ 107 (1990), S. 322 ff.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

Der vergöttlichte Kaiser Mark Aurel hat in einer seiner halbjährlichen Konstitu­tion bestimmt, dass die Sklaven sofort frei seien, die unter dieser Auflage verkauft wurden, auch wenn der Verkäufer die Freiheit bis zum Tod des Käufers aufgeschoben hat.

Dazu passt das Marcian-Fragment in D. 40,8,6570: Si quis obligatum servum hac lege emerit, ut manumittat, competit libertas ex constitutione divi marci, licet bona omnia quis obligaverit, quae habet habiturusve esset. tantundem dicendum est et si hac lege emerit, ne prostituatur, et prostituerit. Wenn jemand einen verpfändeten Sklaven unter der Bedingung verkauft hat, ihn freizulassen, so erlangt er nach einer Konstitution des göttlichen Mark die Freiheit, obgleich jemand sein ganzes gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen verpfändet hat. Dasselbe ist auch dann zu sagen, wenn er eine Sklavin unter der Bedingung verkauft hat, dass sie nicht prostituiert werde, er sie aber doch prostituiert hat.

Zudem finden sich in C. 4,57,2 und 3, in zwei Konstitutionen des Alexander Severus aus den Jahren 222 und 224, Hinweise auf die besagte Konstitution Mark Aurels. Von den begünstigenden Klauseln bliebe nur mehr die negative Exportklausel ohne „automatische“ Realisierungsmöglichkeit, wenn sie nicht durch Stipulation oder vorbehaltene manus iniectio verabredet war.571 Vorstellbar ist, dass Papinian diese „Lücke“ schloss und auch die Wirksamkeit der dritten begünstigenden Klausel nicht nur der Anständigkeit572 des Käufers überlassen wollte. Dazu berücksichtigt er im bonae fidei iudicium ausnahmsweise die Affektion, die Motiv für die Wohltat am Sklaven war. Sollten Rachegelüste keine Auswirkung haben, steht die Lösung Papinians doch in guter Gesellschaft mit den anderen begünstigenden Klauseln und ist so wiederum sachgerecht und durch höhere Ideen gerechtfertigt, nämlich durch den favor libertatis.573 Diese zu berücksichtigen, sieht sich der Jurist demnach im bonae fidei iudicium in der Lage. Dieses erweiternde und übertragende Vorgehen ist für Papinian insofern auch besonders im Hinblick auf die Konstitution Mark Aurels nichts Neues. Papinian lobt vielmehr den Kaiser in anderem Zusammenhang als princeps providentissimus et iuris religiosissimus.574 Papinian stellt dabei auf die Gewissenhaftigkeit des Prinzeps als Wahrer des Rechts ab, der seine Entscheidungen auf dazu auch Kaser, RP I2, S. 293, wo sich noch weitere Beispiele für die Begünstigungen von Freilassungen für Sklaven finden. 571  Vgl. dazu auch Holthöfer, Ius commune 1 (1967), S. 166 f.; siehe auch schon oben in Fn. 592. Zu C. 4,57,2 und 3 siehe auch Vigneron, BIDR 100 (1997), S. 198 ff., und Liebs, BIDR 83 (1980), S. 179 ff. 572  Oder der Rechtsunkenntnis und dem falschen Vertrauen des Verkäufers in die Redlichkeit seines Vertragspartners. 573  McGinn, SZ 107 (1990), S. 345, spricht in diesem Zusammenhang von einem „ideological framework“. 574  Pap. D. 31,67,10 (19 quaest.). 570  Siehe



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die religio baut. Dem Richter soll das als Beispiel dienen, bei seiner Ermessensentscheidung auf sein Inneres zu horchen.575 Inhaltlich ist auch Pap. D. 40,8,8 (9 resp.) ein Beweis dafür, dass der Jurist die besagte Kaiserkonstitution konsequent weiterdachte und für andere Fälle fruchtbar machte: Mancipia mater filiae donaverat, ut filia curaret ea post mortem suam esse libera: cum donationis legi non esset obtemperatum, ex sententia constitutionis divi marci libertates obtingere matre consentiente respondi: quod si ante filiam mater vita decessit, omnimodo. Eine Mutter hatte ihrer Tochter Sklaven geschenkt, wobei die Tochter dafür sorgen sollte, dass diese nach ihrem (der Mutter) Tod freikämen: Weil sie aber der Auflage der Schenkung nicht nachkam, wurde ihr geantwortet, dass n a c h d e m S i n n d e r K o n s t i t u t i o n M a r k A u r e l s mit dem Willen der Mutter [den Sklaven] Freiheit zuteil wird. Auf jeden Fall, wenn die Mutter vor der Tochter gestorben ist.

Die Konstitution Mark Aurels galt nur für eine lex venditionis, Papinian übertrug die Regelung gleichwohl auch auf den Fall einer lex donationis.576 Der Grund, der hinter dieser Analogie steht, wird genannt: libertates obtingere.577 Wiederum spielt der favor libertatis eine ganz entscheidende Rolle. So ist es sehr gut denkbar, dass Papinian die negative Exportklausel den übrigen begünstigenden Abreden gleichstellen wollte. Dass diese Analogie dabei unausgesprochen bleibt und Papinian nicht darauf hinweist, ist jedenfalls kein Beleg gegen ihre Annahme. Entweder war ihm die Erstreckung der Konstitution so klar und bewusst, dass er sie nicht weiter erwähnen musste, was im Übrigen bei den unzähligen Privilegierungen durch die kaiserlichen Konstitutionen578 nicht wundernähme, oder wir haben es hier mit einem verkürzenden Texteingriff zu tun.579 Entscheidend ist aber vor auch Manthe, Orbis Iuris Romani 10 (2005), S. 165. Cujaz (oben Fn. 498), S. 1255, hat auf diesen Analogieschluss Papinians hingewiesen. Vgl. auch Holthöfer, Ius commune 1 (1967), S. 167. Bestätigt wird diese Ausdehnung in der oben schon erwähnten Konstitution Alexander Severus’ C. 4,57,1: placuit non solum ad venitos, sed etiam ad donatos eam legem ut manumittantur, pertineri; siehe dazu auch Buckland, Slavery, S. 71. 577  Vgl. auch Pap. D. 40,4,48: Si socius testamento libertatem ita dederit: „pamphilus, si eum socius manumiserit, liber esto“, servius respondit socio manumittente communem fieri libertum familiae atque manumissoris: neque enim novum aut incognitum est vario iure communi mancipio libertatem optingere. Diese Stelle gehört ins 10. Buch der Quaestionen und folgt nach Lenel gleich hinter Pap. D. 18,7,7. Das zeigt auch den inneren Zusammenhang der Stellen für Papinian, vgl. sogleich im Text. 578  Von denen wir oben ab S. 128 nur einen kleinen Ausschnitt betrachtet haben. 579  Zu weit geht aber die Kritik von Schulz, Geschichte, S. 296 f.; vgl. auch seine Kritik in RIDA 1 (1952), S. 561 ff., wenn er meint, dass die Kompilatoren eine 575  Vgl.

576  Schon

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

allem, dass sich D. 18,7,7 (10 quaest.) dann inhaltlich an D. 40,8,8 (9 resp.) anschließen lässt.580 Es ergäbe sich so ein inhaltlicher Zusammenhang, der den scheinbaren Widerspruch innerhalb des untersuchten Fragments plausibel auflöst. 7. Die rechtliche Konstruktion Damit ist aber noch nicht die Frage geklärt, wie Papinian die Geltendmachung näher ausgestaltet hat, konkret, welche Klage der Verkäufer in D. 18,7,7 anstellen kann, affectionis ratione agere. Denn Papinian schweigt, wie wir bereits gesehen haben, darüber, ob der Verkäufer aus dem Kaufvertrag oder aus dem Pönalpactum klagen kann. Insofern scheint im Rahmen der Analogiebildung auch möglich, dass Papinian das pactum selber vielleicht als actio in factum klagbar erschien. Das deutet zumindest Holt­ höfer581 an. Dann wäre das pactum, das die negative Exportklausel sichern soll, in diesem Fall infolge einer – wenn man so will – Gesamtanalogiebildung aus den übrigen die Sklaven begünstigenden Regelungen wegen sittlicher Gründe wirksam und klagbar. Vergleicht man diese Lösung mit dem Ergebnis zu Pap. D. 17,1,54pr., liegt allerdings die Parallele der Entscheidung auf der Hand: Auch das Mandat war aus höherrangigen Motiven als wirksam angesehen worden, um dem Verkäufer die Möglichkeit zu geben, die Freilassung (doch noch) zu erzwingen.582 Nach den oben gefundenen Ergebnissen zu den unterschiedlichen „Entwicklungsstufen“ Papinians scheint es jedoch näherzuliegen, dass der Jurist als richtige Klage affectionis ratione hier die actio venditi annimmt. Letztlich kann die Frage aber nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden, wenngleich eine Lösung über das klagbare pactum eher die unwahrscheinlichere zu sein scheint. Vielleicht wäre diese außergewöhnliche Lösung Papinian einige Worte wert gewesen, mit denen er auf die Neuerung hinwies. Das Ergebnis – und das steht insofern fest – bleibt auf beiden Wegen identisch.

Ausgabe der Papinian-Texte benutzten, die den ursprünglichen Text infolge von frühnachklassischen Eingriffen nicht mehr enthielten. Dagegen zu Recht Ankum, Orbis Iuris Romani 2 (1996), S. 19 ff. Siehe auch schon kritisch zu Schulz Wieacker (oben Fn. 512), S. 359. 580  Zur chronologischen Abfolge der Werke, von denen die Responsen das jüngere darstellen, vgl. nur Ankum, Oribs Iuris Romanis 2 (1996), S. 9. 581  Ius commune 1 (1967), S. 168. Vielleicht hat sich Papinian darüber aber auch gerade keine tiefer gehenden Gedanken gemacht oder sie uns schlicht nicht weiter mitgeteilt. 582  Zu dieser inhaltlichen Nähe von Mandat und pactum noch unten bei Fn. 600.



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8. Die Rolle des beneficium in der Lösung Papinians Zu Papinians Tendenz, in seiner Beurteilung von Rechtsfragen offen für außerrechtliche und übergeordnete Aspekte zu sein,583 passt die Annahme der Berücksichtigung sittlicher Motive insgesamt jedenfalls überaus gut, und zwar unabhängig vom konkret eingeschlagenen Lösungsweg. Hierfür soll noch einmal kurz ein Blick auf die Begründung Papinians in D. 18,7,7 a. E. geworfen werden, wenn auf das beneficium, also die Wohltat, die der dominus dem Sklaven erweisen will, abgestellt wird. Die Formulierung in D. 18,7,7 beneficio adfici hominem intersit hominis erinnert stark an das bekannte Wort Senecas in de beneficiis 3,22,3: Beneficium dominus a servo accipit? Immo homo ab homine.584 Sehr prägnant macht der Stoiker klar, dass die Unterscheidung zwischen dominus und servus dann aufgehoben ist, wenn alle Menschen als Gemeinschaftswesen585 von Natur aus gleich sind.586 Allein das Schicksal entscheidet, auf welcher Seite des Tisches – um in Senecas Bild aus den epistulae morales zu bleiben – man sitzt,587 und diese Erkenntnis zwingt dazu, die Unterscheidung nur als eine formale aufzufassen. Hier kommt zudem ganz klar der stoische Gedanke der οἰκείωσις zum Ausdruck, nach dem alle Menschen eine communitas naturalis bilden. Dazu kann auch der vir bonus aus D. 18,7,6,1 gestellt werden.588 Insgesamt ergibt sich ein von humanitas589 geprägtes Bild der juristischen Erörterungen. Man 583  Siehe zu außerrechtlichen Argumenten und Wertungen allgemein auch Wie­ acker, SZ 94 (1977), S. 1 ff. m.w.Lit. Wieacker definiert Wertung als „Begründung fachjuristischer Entscheidungen und Rechtsmeinungen durch moralische Urteile und Zweckerwägungen, die außerhalb der positivierten römischen Rechtsordnung liegen“. In diesem Sinne soll auch hier von Papinians Wertungen gesprochen werden. 584  Vgl. zum beneficium bei Seneca nur Gilberti, Scritti Guarino 4, S. 1844 ff. 585  Vgl. Sen. epist. 95,52: natura nos cognatos edidit. 586  Vgl. Sen. epist. 47,1: „servi sunt.“ immo homines. „servi sunt.“ immo contubernales. „servi sunt.“ immo humiles amici. „servi sunt.“ immo conservi, si cogitaveris tantundem in utrosque licere fortunae. 587  Vgl. Sen. epist. 47,10: Vis tu cogitare istum, quem servum tuum vocas, ex isdem seminibus ortum eodem frui caelo, aeque spirare, aeque vivere, aeque mori! tam tu illum videre ingenuum potes, quam ille te servum. Variana clade multos splendidissime natos, senatorium per militiam auspicantes gradum, fortuna depressit: alium ex illis pastorem, alium custodem casae fecit. contemne nunc eius fortunae hominem, in quam transire, dum contemnis, potes. Vgl. zu alledem auch K. Bradley, Slavery and Society at Rome, Cambridge 1994, S. 135 ff. 588  Vgl. zur Verrechtlichungsfähigkeit dieses Ideals Behrends, St. Sanfilippo 5, S. 36. 589  Vgl. zur humanitas in den juristischen Quellen allgemein, aber nur in Ansätzen brauchbar A. Palma, Humanior interpretatio: humanitas nell’interpretazione e nella normazione da Adriano ai Severi, Torino 1992, passim, besonders zu Papinian S. 47 ff. (zu Recht kritisch Schermaier, IURA 44 (1993 / 1994), S. 343 ff.); grundlegend vor allem Schulz, Prinzip.2, S. 142 ff.

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kann feststellen, dass Papinians juristisches Denken im Ganzen durchzogen ist von moralischen und moralisierenden590 Argumenten und Wertungen innerhalb der Falllösungen.591 Besonders in den Quaestionen werden „moralische Raisonnements“592 gleichsam „überhöht“593 vorgetragen. Dazu kommt die enge Bindung des Juristen an die severische Dynastie und seine Mitwirkung in der Kanzlei.594 Besonders sein Amt unter Septimius Severus hat eine große Wechselwirkung mit den Inhalten seiner Entscheidungen, stand er doch insofern auch in der „geistigen“ Nachfolge Mark Aurels und Antoninus ­Pius.595 Es lässt sich daher also für die hier untersuchten Fragmente davon ausgehen, dass wir mit einer hohen moralischen Sensibilisierung der Einzelentscheidung596 rechnen dürfen. Ein starker Ausdruck dieser Geisteshaltung zeigt sich auch im favor libertatis, der gleichsam den Quaestionen und Responsen Papinians als eine Art Grundstimmung zugrunde liegt.597 Es ist überaus glaubwürdig, dass Papinian die Durchsetzung der Freilassung im Rahmen von actiones nach Treu und Glauben berücksichtigen wollte. 9. Das Verhältnis von D. 18,7,6,1 (27 quaest.) und D. 17,1,54pr. (27 quaest.) Interessant sind nun noch weitere Überlegungen zum inhaltlichen Verhältnis von D. 18,7,6,1 als Endpunkt des Gedankens, der für die Affektion schon in D. 18,7,7 angelegt ist, und D. 17,1,54pr. Das letztgenannte Fragment stammt nämlich ebenfalls aus dem 27. Buch der Quaestionen und folgt in Lenels Palingenesie nach zwei weiteren Fragmenten auf das erstge590  Wohlgemerkt

nicht im pejorativen Sinne. sei als ein Ausdruck seiner hohen moralischen Auffassung die Antwort auf sein Todesurteil an Caracalla (wenngleich dieses natürlich keine direkte Auskunft über die juristischen Wertungen im Einzelfall gibt): non tam facile parricidium excusari, quam fieri, vgl. Hist. Aug. 13,8,1–8. Aber auch hier wird man die Heroisierung Papinians bedenken müssen, vgl. schon oben Fn. 511. Siehe zu seiner moralischen Auffassung auch Bonfante I, S. 78: „il carattere altamente morale della sua vita e dei suoi scritti“; V. Arangio-Ruiz, Storia del diritto Romano, Napoli 1989, S. 261; schon F. Mommsen, Gesammelte Schriften 2, Berlin 1905, S. 158; Sicari, Leges, S. 336 ff.; Manthe, Orbis Iuris Romani 10 (2005), S. 143 ff. 592  Wieacker, SZ 94 (1977), S. 1 ff., 37. 593  Wieacker (oben Fn. 512), S. 339. 594  Vgl. schon oben in Fn. 424, 574. 595  Ihre wertenden Entscheidungen wurden bereits oben näher beleuchtet. 596  Wieacker, SZ 94 (1977), S. 1 ff., 36. 597  Vgl. zu den Quellen nur Costa (oben Fn. 439), S. 24 ff.; siehe auch schon oben die Quellen im Text. 591  Genannt



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nannte.598 Lenel fügt die Stellen unter dem Titel de stipulationibus zusammen. Allerdings ist dieses Verhältnis der Fragmente nicht verständlich. Es bleibt doch die Frage, inwieweit in D. 17,1,54pr. überhaupt von einer Stipulation die Rede ist. Anders liegen die Dinge, wenn man D. 17,1,54pr. nicht im 27. Buch verortet (wenngleich die Inskription dies natürlich nahelegt), sondern hinter Pap. D. 17,1,53 im 9. Buch der Quaestionen. Einerseits passt diese sedes materiae besser zum Schwerpunkt im Auftragsrecht, der eindeutig hinter der Aussage des Fragments steht. Andererseits stünde D. 17,1,54pr. dann auch wesentlich näher zu D. 18,7,7 (10. quaest.): nach Lenels Zählung Nr. 171 zu 175 oder sogar noch näher. Nimmt man indes die Inskription ernst und hält an der Verortung von D. 17,1,54pr. im 27. Buch der Quaestionen fest, lassen sich die Parallelen zwischen beiden Texten nicht im ersten Zugang erschließen. Lenel ordnet sie daher wohl auch unter verschiedene Untertitel. Allerdings fällt mit Blick auf das Mandat aus D. 17,1,54pr. auf, dass es vielleicht eine ähnliche vermögensmindernde Wirkung für den Mandanten gehabt haben könnte wie das Kaufpactum aus D. 18,7,6,1 für den Verkäufer. Dann hätte Papinian auch im Zusammenhang mit dem Mandat daran denken können, dass der Sklave gerade deswegen umso günstiger verkauft worden wäre.599 Für diesen gedanklichen Zusammenhang spricht auch die Stellung der beiden Fragmente im 27. Buch. Insoweit ist beachtlich, dass das bloße Kaufpactum und das Mandat zum einen in inhaltlicher Hinsicht eine gewisse Nähe zueinander besitzen.600 Hintergrund beider Absprachen ist die Begünstigung des Sklaven. Zum anderen nähern sich beide Vereinbarungen auch rechtlich an, weil sie die juristischen Instrumente darstellen, mithilfe derer die Begünstigung ebenfalls durchgesetzt werden kann. Will man aber auch im Rahmen von D. 17,1,54pr. nur auf den infolge der Absprache geringeren Kaufpreis abstellen, so wie dies Medicus – und in dessen Widerlegung auch Honsell – annimmt, übersieht man, dass diese Auswirkung der Affektion auf den Kaufpreis bereits unproblematisch über die actio venditi ausgeglichen werden könnte.601 Diese Lösung Papinians haben wir oben bereits herausgestellt, wenn er sagt, dass die Klausel (oder übertragen: das Mandat) „ihren Preis“ gehabt hat. Das ist das Ergebnis seiner Überlegungen im Anschluss 598  Lenel,

Paling. I, S. 866: Fragmente 325 und 323. Pap. D. 18,7,6,1: quoniam hoc minoris homo venisse videatur. Das nimmt wohl Medicus, S. 192, an, wenngleich er ja im Übrigen von der Unechtheit der Stelle ausgeht. Kaser RP II2, S. 247 A. 16, meint, die fehlende Erzwingbarkeit des Mandats hätte erst einen nachklassischen Bearbeiter gestört, weswegen er mit Blick auf den favor libertatis in den Text eingegriffen hätte. 600  Darauf hat schon Knütel, Mandat, S. 372 A. 88, hingewiesen. 601  Vgl. auch Wacke, S. 583. Allerdings verkennt auch er den Ausgangspunkt des Problems, nämlich die Wirksamkeit des Mandats. 599  Vgl.

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an Sabinus in D. 18,7,6,1: ex vendito agi posse … quoniam hoc minoris venisse videatur.602 Es zeigt sich also auch nach der Betrachtung von D. 18,7,6 und 7, dass es für D. 17,1,54pr. ganz entscheidend auf die Wirksamkeit des Mandats ankommt, weil über die actio mandati größerer Druck auf den sich weigernden Käufer ausgeübt werden kann, die Freilassung vorzunehmen. 10. Ergebnis Wir haben bei der Untersuchung gesehen, dass es Papinian im Zusammenhang mit dem Mandat nicht um die Berechnung eines Schadens geht603, sondern vielmehr die Wirksamkeit des Mandats als solches begründet werden muss.604 Nach dem Ergebnis zu D. 18,7,6 und 7 können wir sogar sagen, dass es Papinian auch in D. 17,1,54pr. nicht um das Synallagma des Kaufvertrags und damit nicht um die geldmäßige Verwertung oder Berücksichtigung der Affektion als Schaden geht, sondern darum, die Abrede als solche wirksam und damit erzwingbar zu machen. Wir haben dabei nachgewiesen, dass Papinian außerrechtliche Aspekte für seine juristischen Lösungen heranzieht. In beiden Fragmenten werden übergeordnete Motive mithilfe des rechtlichen Instrumentariums durchgesetzt, indem diese Instrumente weitergedacht und interpretiert werden. Vergleicht man beide Stellen, fällt demgemäß auf, dass mandatum und Kaufpactum eine gewisse Nähe zueinander besitzen: zum einen in inhaltlicher Hinsicht, wenn es beide Male darum geht, dem Sklaven eine Begünstigung zukommen zu lassen, zum anderen in rechtlicher Hinsicht, wenn sich das bezweckte Ergebnis des pactum (die Begünstigung als solche, nicht die verabredete Strafe) auch als Inhalt eines mandatum darstellen ließe. Geht man davon aus, dass wegen der besonderen Affektion des Herrn hinter den Vereinbarungen der Wunsch des dominus nach einem beneficium für den Sklaven steht, haben wir mit den beiden Fragmenten zwei unterschiedliche Konstruktionen vor uns, diesen zu realisieren. Die Entscheidung, dass unter allen Umständen das bezweckte Ergebnis der Abrede auch einklagbar, das heißt vor allem erzwingbar sein soll,605 ist dafür in beiden Fällen maßgeblich und läuft so betrachtet völlig parallel. 602  Es ist insofern davon auszugehen, dass im Gegensatz zum aliquando-Satz des Fragments, der ja von ex vendito agi spricht, die neue Auffassung Papinians auch noch von der Klage aus dem Kauf ausgeht. Bei einem anderen Verständnis der Stelle bräche das Fragment gänzlich in sich zusammen. 603  So aber Medicus, S. 192. 604  Siehe oben, Zweiter Teil, § 4 I. 4. 605  Und das eben auch und gerade in dem Fall, dass keine Stipulation getroffen wurde, um die Freilassung sicherzustellen.



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Papinian dürfte die begünstigenden Klauseln, die durch die Kaiser im Sinne der Freiheitsbegünstigung verrechtlicht und durchsetzbar gemacht wurden, weitergedacht und weiterentwickelt haben. So kam er wegen der Nähe von Kaufpactum und Mandat auch für das Mandat ut manumittatur zu demselben Ergebnis: nämlich zur Ermöglichung und Erzwingbarkeit der Freilassung. Dann wiederum wäre der inhaltliche Zusammenhang der Fragmente D. 17,1,54pr. und D. 18,7,6 im 27. Buch klar und gleichzeitig eine sehr wahrscheinliche Erklärung für ihre Nähe, die sich ansonsten unter dem Titel de stipulationibus nicht einfach verstehen lässt. Abschließend kann festgehalten werden, dass Papinian ganz konkrete Gründe gehabt hat, die ihn zur Berücksichtigung der affectio geführt haben: Gründe, die sich aus übergeordneten Gesichtspunkten des favor libertatis und der kaiserrechtlichen Tendenz der Begünstigung der Freiheit überzeugend und glaubhaft erklären lassen. Dabei konnte auch gezeigt werden, dass es in den untersuchten Stellen nicht um einen „Ersatz“ des Affektionswertes im modernen Sinn geht. Vielmehr hat die kontrastierende Betrachtung z. B. zu D. 9,2,33pr. dazu geführt, dass für die Frage nach dem Ersatz des subjektiven Affektionsinteresses die eigentliche Entscheidung und vor allem die Begründung dahinter nicht mehr in den Blick genommen, sondern zu häufig das Interpolationenschwert gezogen wurde. Nach unserer Erkenntnis der Stellen besteht nunmehr kein Anlass, die Fragmente als nicht papinianisch zu werten oder in ihnen byzantinische Wertungen erblicken zu wollen. Die Wertungen passen hervorragend zu dem, was wir von Papinian, seinem Werk und seiner Zeit kennen.

III. Weitere Belege im Rahmen von bonae fidei iudicia Sucht man nach weiteren Belegen für die Berücksichtigung der affectio bei bonae fidei iudicia, bleibt dieses Unterfangen ohne Ergebnis. Von einem modernrechtlichen Ansatz aus würden wir auch im vertraglichen Schadensersatz und vielleicht besonders im Rahmen des Kaufs erwarten, auf Sachverhalte zu stoßen, die unser Problem betreffen. Diese Parallele ließe sich für das römische Recht doch auch erwarten, weil – ganz so wie für das geltende Recht – die Frage nach der besonderen Wertschätzung dort auch im deliktischen Schadensersatz behandelt wird.606 Allein Aussagen für die Vertragsklagen als bonae fidei iudicia finden sich außer den behandelten Papinian-Quellen keine. Das erscheint umso verwunderlicher, als wir es hier mit Klagen nach Treu und Glauben zu tun haben, bei denen wir wegen des Ermessensspielraums mit einer freieren Handhabung der Schätzung 606  Wir

haben Paul.-Ped. D. 9,2,33pr. ausführlich besprochen.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

rechnen könnten. Zudem lässt die Formulierung in Pap. D. 17,1,54pr. placuit enim prudentioribus affectus rationem in bonae fidei iudiciis habendam doch auf weitere Nachweise der Meinung der prudentiores hoffen. Wir können uns dabei Fälle denken, in denen die bekannten Beispiele für die affectio z. B. Gegenstand von Kaufverträgen sind, die nicht erfüllt werden.607 Für die actio mandati finden wir in Ulp. D. 17,1,8,6 lediglich die Aussage: mandati actio tunc competit, cum coepit interesse eius qui mandavit: ceterum si nihil interest, cessat mandati actio, et eatenus competit, quatenus interest. ut puta mandavi tibi, ut fundum emeres: si intererat mea emi, teneberis. Hinweise auf eine affectio und eine sich daran anschließende Diskussion fehlen ansonsten. Auch im Rahmen des Titels de periculo et commodo rei venditae trifft Gaius in D. 18,6,9 nur eine allgemeine Aussage über das Käuferinteresse: venditor autem scit nec admonuit, quanti emptoris interfuerit rem aestimandam esse, si modo venit. Für die actio empti, für die der Grundsatz aus Ulp. D. 19,1,1608 gilt, gibt z. B. Paul. D. 19,1,4 ausdrücklich einen Schätzungsmaßstab vor: his casibus pro bonitate loci fiet aestimatio. Schließlich finden wir in Paul. D. 19,5,5 ein interessantes Schätzungsproblem angesprochen: an deducendum erit, quod libertum habeo? Sed hoc non potest aestimari.609 Hier wird sogar vor der schwierigen Schätzung des Patronatsrechts kapituliert. Was müsste dann erst für die Bewertung der affectio gelten? Die genannten Quellen sollen lediglich einen kurzen Einblick in die Problemstellungen geben, die wir bei den klassischen Juristen hinsichtlich der Berechnung oder Bewertung des Interesses vorfinden. Für unsere Fragestellung ist dabei nichts von Belang. Schon Pernice hat darauf hingewiesen, dass „eine praktische Anwendung“ des PapinianSatzes „bei anderen Vertragsverhältnissen … noch niemand zu entdecken vermocht“610 hat. Daran kann auch diese Arbeit nichts ändern. Jedoch 607  So bildet Honsell, S. 157, das Beispiel der Nichterfüllung eines Kaufvertrags über einen filius naturalis. Zu denken wäre auch an das elterliche Grundstück. Zu dem Beispiel Justinus Goblers des Elternhauses siehe Wieling, S. 126. Vgl. auch Wacke, S. 584, der allerdings nicht nach weiteren Belegen bzw. nach einer Erklärung für ihr Fehlen sucht. Der pauschale Verweis auf den Schätzungseid, mit dem der Kläger in diesen Fällen sein „Affektionsinteresse“ realisieren kann, geht in dieser Form am Problem vorbei. Im Rahmen des iusiurandum in litem ist die klägerische Schätzung zwar möglich, doch erfolgt sie aus anderen Gründen als die mögliche Anerkennung der affectio in Klagen nach Treu und Glauben. Siehe zum Schätzungseid ausführlich unten, Dritter Teil, § 1. 608  Si res vendita non tradatur, in id quod interest agitur, hoc est quod rem habere interest emptoris: hoc autem interdum pretium egreditur, si pluris interest, quam res valet vel empta est. 609  Vgl. dazu nur Medicus, S. 69 ff. 610  Pernice, Labeo III 1, S. 185. Zugleich weist Honsell, S. 157, darauf hin, dass bei Verträgen, die auf Güter- und Leistungsaustausch gerichtet sind, sowieso pekuniäre Interessen vorhanden sind, die man in Anschlag bringen kann. Ein immate­



§ 4  Iudicia bonae fidei

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wollen wir versuchen, eine Antwort darauf zu geben, warum wir z. B. bei den Kaufklagen keinen weiteren Fall unserer Fragestellung finden. Im Fall der Eviktion einer manzipierten Sache, wenn der Käufer also seiner besonderen Sache wieder verlustig geht, haftet der Verkäufer für auctoritas, bei erfolgreicher Eviktion also mit der actio auctoritatis auf den doppelten Kaufpreis. Bei nicht manzipierten Kaufsachen wird die Haftung durch eine stipulatio duplae nachgestaltet.611 Es liegt in unserem Zusammenhang sehr nahe, anzunehmen, dass eine besondere Wertschätzung des Käufers in der Zahlung des doppelten Kaufpreises sozusagen aufgeht und daher nicht weiter zu veranschlagen und damit für die Juristen auch nicht zu diskutieren ist. Die affectio würde in diesem Fall im Kaufpreisduplum abgegolten sein. Auf eine Bewertung der Kaufsache nach objektiven oder subjektiven Kriterien kommt es dabei nicht an, weil man den Kaufpreis als Grundlage des duplum verwenden kann.

IV. Gesamtergebnis zu den bonae fidei iudicia Lassen sich demnach neben den angeführten Quellen keine weiteren Belege für die Berücksichtigung der affectio in den bonae fidei iudicia geben, soll nunmehr versucht werden, ein Ergebnis zu formulieren. Wir haben gesehen, dass es den Quellen, die eine affectio ansprechen, tatsächlich in erster Linie nicht um eine geldmäßige Abschätzung der besonderen Zuneigung geht. Vielmehr wird die affectio als argumentatives Vehikel benutzt, um über die bona fides übergeordnete sittliche, aber auch rechtliche und verrechtlichte Prinzipien zu verwirklichen. Damit kommt aber nicht – wie oft behauptet – zum Ausdruck, dass die Juristen im Rahmen der bonae fidei iudicia einen „Affektionsersatz“ anerkennen. Vielmehr spricht das Schweigen der Quellen an allen anderen Stellen gegen eine solche Annahme. Auch folgt daraus nicht, dass die Aussage Papinians nicht auch von ihm stammt und also nachklassisch oder interpoliert sein muss. Es bleibt aber bei dem bislang gefundenen Ergebnis: Ein „Ersatz“ der affectio (nach modernrechtlicher Auffassung) findet weder deliktisch noch vertraglich statt.

rielles Interesse komme daneben nur bei Nebenabreden vor. Für uns hat sich in diesem Sinne ja auch die Nähe von mandatum und pactum gezeigt. 611  Zu alledem vgl. nur Kaser, RP I2, S. 554 ff. m. w. N. Zur stipulatio duplae noch unten, Zweiter Teil, § 5.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

§ 5  Strenge Klagen I. Stipulatio duplae Auch im Rahmen der strengrechtlichen Klagen finden wir (vermeintliche) Hinweise auf die Berücksichtigung der affectio. Es handelt sich um ein Fragment von Paulus in D. 21,2,71: Pater filiae nomine fundum in dotem dedit: evicto eo an ex empto vel duplae stipulatio committatur, quasi pater damnum patiatur, non immerito dubitatur: non enim sicut mulieris dos est, ita patris esse dici potest nec conferre fratribus cogitur dotem a se profectam manente matrimonio. sed videamus, ne probabilius dicatur committi hoc quoque casu stipulationem: interest enim patris filiam dotatam habere et spem quandoque recipiendae dotis, utique si in potestate sit. quod si emancipata est, vix poterit defendi statim committi stipulationem, cum uno casu ad eum dos regredi possit. numquid ergo tunc demum agere possit, cum mortua in matrimonio filia potuit dotem repetere, si evictus fundus non esset? an et hoc casu interest patris dotatam filiam habere, ut statim convenire promissorem possit? quod magis paterna affectio inducit. Ein Vater gab für seine Tochter ein Grundstück als Mitgift: Wenn dieses evinziert wurde, wird mit Recht bezweifelt, ob er aus dem Kauf oder aus der stipulatio duplae klagen kann, so als ob der Vater einen Schaden erleidet. Es kann nämlich nicht gesagt werden, so wie die Mitgift der Frau gehört, so gehört sie auch dem Vater, und er muss die von ihm stammende Mitgift seinen Brüdern nicht in den Ausgleich einbringen, solange die Ehe Bestand hat. Wir sollten aber überlegen, ob man nicht zutreffender sagen kann, dass auch in diesem Fall die Stipulation verfällt. Der Vater hat nämlich [einerseits] ein Interesse daran, dass seine Tochter eine Mitgift hat, und [andererseits] auch die Hoffnung, die dos irgendwann zurückzubekommen in dem Fall, dass die Tochter noch in seiner Hausgewalt ist. Wenn sie aber aus der Gewalt des Vaters entlassen wurde, kann kaum vertreten werden, dass die Stipulation sofort verfällt, weil die Mitgift dann nur in einem Fall an ihn zurückgelangen kann. Kann er also dann erst in dem Fall klagen, in dem er wegen des ehezeitlichen Ablebens seiner Tochter die Mitgift zurückfordern könnte, wenn das Grundstück nicht schon evinziert wäre? Oder ist auch in diesem Fall das Interesse des Vaters vorhanden, dass seine Tochter eine Mitgift hat, so dass er sofort gegen den Versprechenden vorgehen kann? Für Letzteres spricht mehr die väterliche Zuneigung.

Der von Paulus behandelte Fall erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Der Vater hatte ein Grundstück vom Nichteigentümer erworben, welches er seiner Tochter als Mitgift bestellt hatte. Bei deren Ehemann wird es nunmehr vom wahren Eigentümer evinziert. Den Eviktionsfall hatte sich der Vater mit einer Vertragsstrafe als stipulatio duplae absichern lassen. Obwohl nun ihm selber das Grundstück nicht evinziert wurde und er dadurch gar keinen „direkten“ Schaden erlitten hat,612 soll die Stipulation verfallen. Hier 612  Anders freilich die Situation der Tochter, für die gilt: mulieris dos est. Vgl. Pomp. D. 21,2,22,1. Siehe auch Ankum, BIDR 100 (1997), S. 70. Zum Eigentum der



§ 5  Strenge Klagen137

fragt der Jurist, ob pater damnum patiatur. Der Text ist insofern ein Sonderfall, als es für den Verfall der stipulatio duplae als Vertragsstrafeversprechen eigentlich gar keines Schadens oder Interesses auf Seiten des Stipulanten bedarf.613 Für die stipulierte Vertragsstrafe sagt Ulpian im Falle des Versprechens der Leistung an Dritte in D. 45,1,38,17614: Alteri stipulari nemo potest, praeterquam si servus domino, filius patri stipuletur: inventae sunt enim huiusmodi obligationes ad hoc, ut unusquisque sibi adquirat quod sua interest: ceterum ut alii detur, nihil interest mea. plane si velim hoc facere, poenam stipulari conveniet, ut, si ita factum non sit, ut comprehensum est, committetur stipulatio etiam ei, cuius nihil interest: poenam enim cum stipulatur quis, non illud inspicitur, quid intersit, sed quae sit quantitas quaeque condicio stipulationis. Zugunsten eines anderen kann sich niemand etwas versprechen lassen, ausgenommen wenn der Sklave für den Herrn und der Sohn für den Vater stipuliert: Denn solche Schuldverhältnisse sind dazu eingerichtet worden, dass jeder das erwirbt, woran sein Interesse besteht. Darüber hinaus habe ich kein Interesse daran, dass einem anderen etwas gegeben wird. Wenn ich dies ausdrücklich machen will, muss ich mir eine Strafe stipulieren lassen, damit, wenn es nicht so geschieht, wie es in das Strafversprechen aufgenommen wurde, die Stipulation auch für denjenigen verfällt, der kein eigenes Interesse hat. Wenn sich jemand eine Strafe stipulieren lässt, wird nicht darauf gesehen, was sein Interesse ist, sondern auf den Betrag und die Bedingung der Stipulation.

Den Grund, warum für Paul. D. 21,2,71 ausnahmsweise überhaupt auf ein Interesse des Stipulanten abgestellt wird, hat Reichard615 gut herausgearbeitet: Die stipulatio duplae hat ihren deliktischen Ursprung in der altzivilen Auktoritätshaftung. Die höhenmäßige Fixierung auf das Strafduplum des Kaufpreises hat man beibehalten, als man die Auktoritätshaftung rechtsgeschäftlich konstruierte und für unterbliebene Manzipationen die stipulatio duplae anwandte. Der eigentliche Strafzweck jedoch tritt dabei hinter die Ersatzfunktion des pauschalierten Schadensersatzes zurück. Das erscheint Frau an der dos vgl. Stagl, Favor dotis, S. 281. Der Vater ist aber hier im Fall auch nicht selbst zur Kollation (vgl. dazu Kaser, RP I2, S. 731 f.) verpflichtet, so dass er insofern auch keine eigene Einbuße erleidet. Insofern handelt es sich bei nec conferre cogitur um ein zweites Argument, warum der pater kein direktes damnum erleidet. In diesem Sinne auch Kaser, FS Lehwald (1953), S. 72 f. 613  Ulp. D. 45,1,3,1: … nam poena subiecta efficit, ut omnibus committatur, quia hic non quaerimus, cuius intersit … Vgl. Voci, Obbligazioni I 1, S. 244. Siehe auch R. Knütel, Stipulatio poenae: Studien zur römischen Vertragsstrafe, Köln 1976, S. 54, besonders zum hier fraglichen Fragment als Sonderfall eines vorausgesetzten Interesses. Ähnlich auch Ulp. D. 21,2,21,2: … cum neque corpus neque pecunia emptori absit, non oportet committi stipulationem. 614  Fast identisch lesen wir die Aussage auch in Inst. 3,19,19, vgl. auch hierzu nur Knütel (vorherige Fn.), S. 46, 54. 615  Drittschadensersatz, S. 197 f.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

auch im Hinblick auf den angesprochenen „Schaden“ zu Beginn von D. 21,2,71 schlüssig: Hier wird damnum mit Interesse verbunden. Von einem solchen Interesse konnte im Regelfall bei der Stipulation ausgegangen werden, wenn dem Käufer selber die Sache weggenommen wurde und er daher den Schaden infolge der Eviktion hatte.

II. Das Interesse am Unterbleiben der Eviktion nach Paulus Warum der Vater hier aber ein „Interesse“ am Unterbleiben der Eviktion hat, begründet Paulus mit zwei Überlegungen: interest patris filiam dotatam habere und spem recipiendae dotis [habere].616 Das zweite Argument ist klar: Der Vater erhält gegebenenfalls die dos recepticia in den ausbedungenen Fällen zurück.617 Handelt es sich um eine dos profecticia, fällt die Mitgift an den paterfamilias zurück, wenn der Ehemann verstirbt oder wenn sich die Eheleute scheiden lassen und die Ehefrau noch in seiner Gewalt stand.618 Es geht im zweiten Argument also um eine Anwartschaft des Vaters an der Mitgift, wonach im Rahmen des favor dotis619 die dos an den Besteller (hier den paterfamilias) zurückfällt. Die Eviktion des Grundstücks wirkt sich auf diese Anwartschaft zulasten des Vaters aus, so dass er ein „Interesse“ an der Stipulation hat und diese verfällt. Allerdings macht Paulus in diesem Fall nicht klar, warum die Beeinträchtigung der Anwartschaft die Stipulation sofort verfallen lässt.620 Hat hingegen der Vater die Tochter aus seiner Gewalt entlassen, kommt eine Anwartschaft für den Vater, die dos zurückzuerhalten, nur uno casu in 616  Man beachte, dass Reichard, Drittschadensersatz, S. 196, die Erwägungen in einem Argument zusammenfassen will: Interesse an der dotierten Tochter und damit die Hoffnung, die dos zurückzuerhalten. Isoliert begreift Kaser, FS Lehwald (1953), S. 73 A. 26, die beiden Erwägungen, so dass interest filiam dotatam habere einen selbständigen Grund für den sofortigen Verfall darstellt. In diesem Sinne jüngst auch die anfangs in Fn. 612 Genannten. 617  Vgl. dazu nur Kaser, RP I2, S. 335 mit A. 21. 618  UE 6, 3–6; Ulp. D. 23,3,5pr.ff. Die dos galt als dem paterfamilias und der Tochter gemeinsam zustehend, vgl. Burdese, Labeo 5 (1959), S. 284 ff. Ankum, BIDR 100 (1997), S. 71 bei A. 87, stellt (bereits) hier unzutreffend auf den Tod der Tochter ab. Allerdings bleibt eigentümlich, warum Paulus zu Beginn des Fragments erst mit dem fehlenden Anwartschaftsrecht (im Rahmen der Kollation des Vaters, oben Fn. 612) argumentiert, um es hier als Argument dann doch vorzubringen. Vgl. dazu Koschaker, SZ 49 (1929), S. 465 f., der spem recipiendae dotis daher als Glossem streichen will. 619  Vgl. Stagl, Favor dotis, S. 281. 620  Im Gegensatz dazu ist der Zeitpunkt im Falle der filia emancipata für Paulus problematischer, dazu sogleich auch im Text.



§ 5  Strenge Klagen139

Frage. Diesen Fall bringt Paulus sogleich im Anschluss (si emancipata … uno casu … mortua in matrimonio filia): Wenn die Tochter ehezeitlich verstirbt, kann der seine Tochter überlebende Vater im Fall einer dos profecticia die Mitgift zurückfordern.621 Problematisch ist dann aber der Zeitpunkt des Verfalls der Stipulation (numquid ergo tunc demum agere possit). Paulus begründet den sofortigen Verfall (statim convenire) mit dem ersten Argument, der Vater habe ein Interesse an einer dotierten Tochter, wofür die paterna affectio spreche. Nicht zuletzt deshalb erscheint die erste von Paulus herangezogene Erwägung interest patris filiam dotatam habere interessanter als das Anwartschaftsargument. Dieses Interesse des Vaters ist schließlich auch der Grund dafür, eine sofortige Auswirkung der Eviktion auf die Anwartschaft im Fall der emanzipierten Tochter anzunehmen (an et hoc casu … ut statim convenire).622 Näher beschrieben wird das Interesse am Ende des Fragments mit paterna affectio.

III. Die paterna affectio Hat der Vater deshalb ein „Affektionsinteresse“ am Erhalt der Mitgift? Warum ist es in seinem Interesse, dass die Tochter dotiert ist? Nach Mommsen623 wird hier das Affektionsinteresse als Grund der actio ex stipulatu anerkannt. Demgegenüber geht Ankum624 davon aus, dass bereits das finanzielle Interesse des Vaters genüge, um ihm die Klage aus der Stipulation zu gewähren. Auch nach Wacke625 liegt dem Fall kein Affektionsinteresse an einem bestimmten Gegenstand zugrunde. Nicht folgen kann man jedenfalls Lange626, nach dessen Ansicht bei Paulus unklar bleibt, ob es um die actio empti oder um die stipulatio duplae geht, und der davon spricht, dass dem Vater pauschal „Eviktionsansprüche“ zustehen. Das Fragment behandelt ganz klar den Stipulationsfall.627 Die Frage nach dem Interesse des Vaters an einer standesgemäßen Dotierung der Tochter kann man wohl dann ohne Probleme bejahen, wenn man 6, 4; Pomp. D. 24,3,10pr.; vgl. nur Kaser, RP I2, S. 339. Ankum, BIDR 100 (1997), S. 71. 623  Obligationenrecht II – Interesse, S. 126. 624  BIDR 100 (1997), S. 71. 625  S. 581 f. 626  S. 47. 627  Vgl. dazu und besonders zur actio empti in diesem Fragment schon Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 126 A. 18; Ankum, BIDR 100 (1997), S. 69 A. 79. 621  UE

622  Vgl.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

„Interesse“ zunächst unjuristisch begreift.628 Wie steht der pater vor allem vor der Familie des Ehemannes dar, wenn sich seine Mitgift als Luftblase erweist, die der gegründeten Familie schon wieder entzogen wird? Zudem hat er den Kaufpreis aufgewendet und schließlich nichts dafür erhalten. Ihm wird also sogar sehr viel daran gelegen sein, dass die Eviktion bei seinem Schwiegersohn unterbleibt oder er (wenigstens) die versprochene Strafe im Eviktionsfall erhält. Hier tritt wiederum die Beugefunktion der Stipulation in den Vordergrund, damit der Verkäufer sich um das Grundstück bemüht und den Käufer so noch „schadlos“ stellt. Nach gesundem Menschenverstand muss dem Vater also sehr wohl einiges daran liegen, eine wirksame Strafstipulation „in den Händen zu halten“. Auf dieser menschlichen, so­ zialen Ebene ist ein Interesse also klar zu bejahen. Allein es geht Paulus hier um ein damnum, eben auch und gerade um ein juristisches Interesse des Stipulanten.629 Warum er ausnahmsweise auf ein Interesse abstellt, um diese Voraussetzung dann in einem weiteren Schritt gleichsam wieder zu entkräften, liegt aber für uns unerkennbar hinter der mitgeteilten Entscheidung.630 Man kann zwar dieses Interesse am Unterbleiben der Eviktion an der Unterhaltspflicht festmachen,631 die ab dem Kaiserreich aufkommt.632 Allerdings erscheint dann eine parallele Lösung der Fälle von emanzipierter und nicht emanzipierter Tochter von Paulus nicht ohne Weiteres akzeptabel. Immerhin war die Unterhaltspflicht für emanzipierte Hauskinder umstritten.633 Wollte man die Unterhaltspflicht allerdings als eine solche anerkannt haben, ist es sehr wohl denkbar, dass der Jurist hier aus dieser heraus auch auf ein Interesse am Unterbleiben der Eviktion und damit auf ein Interesse an der Stipulation schließt, so dass ein sofortiger Verfall der Strafe in Betracht kommt. Für das „Interesse“ des Vaters am Unterbleiben der Eviktion ist aber vor allem entscheidend, dass der Jurist nicht auf den Ersatz (und möglicherweise die schwierige Schätzung) des Affektionswertes abstellt und somit die paterna affectio nicht in Geld zu schätzen ist. Vielmehr geht die Stipulation ohne Probleme auf den doppelten Kaufpreis, was eine Bestimmung der af628  Vgl. zur sozialen und sittlichen Verpflichtung des paterfamilias zur Dotierung Stagl, Favor dotis, S. 11 m. w. N., 15. 629  Und in diesem Sinne ist die Formulierung des Paulus hier zu verstehen, siehe oben in Fn. 699 f. 630  Bedeutet es vielleicht, dass Paulus immer ein verletztes Interesse des Stipulanten voraussetzt? Die Frage muss hier offenbleiben. 631  In diesem Sinne vielleicht Wacke (oben Fn. 625). 632  Vgl. Ulp. D. 25,3,5pr.ff. 633  Ulp. D. 25,3,5,1: magis puto.



§ 5  Strenge Klagen141

fectio unnötig macht. Der Umfang der Klage ist durch das Strafduplum vorgegeben, ein Ersatz der paterna affectio steht folglich nicht in Rede. Wiederum wird die Affektion als soziales Phänomen der Wirksamkeit der Klage nur vorgeschaltet. In diesem Sinn begreift auch Voci634 die Stelle, wenn er auf die Verpflichtung des Vaters zur Dotierung seiner Tochter abstellt. Ob es allerdings zu klassischer Zeit eine solche rechtliche Verpflichtung gab, erscheint fraglich.635 Jedenfalls kann wohl von einer sittlich-moralischen Verpflichtung zur standesgemäßen Dotierung ausgegangen werden. Das „Interesse“ erscheint dann in diesem Zusammenhang als ein sittliches.636 Um die Bedeutung der paterna affectio aufzulösen, kann jedoch noch ein weiterer als der eben angesprochene Ansatz637 verfolgt werden, indem man nämlich bei der Auslegung der Stipulation ansetzt.638 Dieser Lösungsweg wird auch durch die Verortung des Fragments durch Lenel nahegelegt.639 Demnach folgt das Fragment 71 auf D. 18,4,21 unter der Überschrift de stipulationibus. Paulus geht es demnach weniger um rechtliche Probleme hinsichtlich der Mitgift als um solche der Stipulation.640 Für den tatsächlichen Rahmen, in den die stipulatio duplae von den Parteien gesetzt wurde, kann man für unser Fragment Folgendes festhalten: Der Vater hat das Grundstück erworben, um es der Tochter zur Mitgift zu geben (nomine filiae). Eine Eviktion kann sich also nie wirklich auf sein Vermögen als damnum auswirken. In seiner Person werden die von Paulus formulierten Voraussetzungen für den Verfall kaum vorliegen.641 Wahrscheinlich geht es dem Juristen hier eher als um die Berücksichtigung von Affektionen um eine Form von Drittschadensersatz, bei der der Vater selber keinen Schaden, seine Tochter (oder ihr Ehemann) aber keinen Anspruch auf ihrer Seite hat, um ihren Verlust ausgleichen zu können. Diese besonderen Umstände können bei Paulus in die Auslegung der Klageformel so einfließen, dass einerseits die bloße Anwartschaft auf den Rückerhalt, andererseits das 634  Obbligazioni

I 1, S. 245. Wacke, S. 582 A. 93, hier davon ausgeht, dass der Vater ein anderes Grundstück schuldet, wird nicht klar. Vgl. zur Sache Kaser, RP I2, S. 335 A. 22, und ausführlich Stagl, Favor dotis, S. 37 ff. 636  Vgl. auch Kaser, FS Lehwald (1953), S. 73; Koschaker, SZ 49 (1929), S. 465. 637  Ab Fn. 631. 638  Schon Voci, Obbligazioni I, S. 246, hat darauf verwiesen, dass die Frage, ob ein Schaden des Stipulanten auch Voraussetzung des Verfalls der stipulatio poenae ist, im Einzelfall durch Interpretation des Formulars beantwortet wurde. 639  Lenel, Paling. I, S. 1216. 640  Auch Ankum, BIDR 100 (1997), S. 69 A. 78, weist darauf hin. 641  Hier zeigt sich wiederum die Frage von oben (Fn. 630), warum Paulus nicht wie gewöhnlich von der Voraussetzung des damnum absieht und den Verfall einzig an die Eviktion des Grundstücks als solche knüpft. 635  Warum

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

sittliche Interesse, welches hinter dem gesamten Rechtsgeschäft steht, nämlich die Ausstattung der Tochter mit der dos, genügt, um die Strafstipulation sofort verfallen zu lassen.642 Darüber hinaus lässt sich vermuten, dass aufgrund der Auslegung der Stipulation auch für die Voraussetzungen des Verfalls der Strafstipulation gelten muss, was in tatsächlicher Hinsicht bei deren Abschluss klar war. Das heißt, ebenso wie im Fall der Schenkung der Schenker nach Eviktion Regress nehmen könnte643, muss die Strafe auch dann verfallen, wenn der Vater sich des Grundstücks infolge der Dotierung begeben und daher keinen rechtlich bedeutsamen Schaden erlitten hat. Einen solchen konnte er ja eigentlich nie erleiden. Um die wie auch immer geartete Anerkennung einer Affektion geht es demnach auch hier höchstens auf einer zweiten Stufe. Rechtliche Relevanz dahin gehend, dass sie hier im Gegensatz zu anderen Paulus-Fragmenten644 konkreten Einfluss auf die Höhe des Anspruchs haben soll, kann ihr nicht zugemessen werden. In diesem Zusammenhang kann man auch nicht davon sprechen, dass das Affektionsinteresse der Klagegrund der Stipulation sei, eine solche Auffassung ginge an der Aussage des Juristen vorbei.645 Am Beispiel einer Exegese durch Koschaker646 lässt sich für das Paulus-Fragment besonders aufzeigen, wie der Blick auf das hinter der Quelle liegende Problem und seine Lösung bisweilen verstellt werden kann durch textkritisches Klein-Klein: Der Autor nimmt interest enim patris filiam dotatam habere ernst, streicht allerdings die zweite Erwägung Paulus’ hinsichtlich der Anwartschaft als Glossem. Ein Interesse des Vaters, welches ja nur ausnahmsweise überhaupt für den Verfall der stipulatio duplae vorausgesetzt ist, ergebe sich aus der Alimentationspflicht. Eine rechtliche Pflicht zur Redotation erkennt Koschaker für das klassische Recht nicht an. Vielmehr reiche die soziale Verpflichtung des paterfamilias zur Redotierung als taugliche Grundlage eines Eviktionsinteresses aus. Daran schließen sich weitere Probleme des Textes an und es werden zahlreiche Interpolationen und Glosseme vermutet. Die Frage aber, warum überhaupt ein Interesse des Stipulanten nötig wird, stellt er nicht und übergeht somit den eigentlichen Ausgangspunkt der Überlegung, nämlich die Strafabrede als solche und vor allem ihren verabredeten Zweck. Nimmt man aber diesen in den Blick, erschließt sich Paulus’ Lösung, ohne dass das Fragment textlich oder inhaltlich angegriffen werden 642  Siehe auch Reichard, Drittschadensersatz, S. 198, wobei stutzen lässt, warum er in diesem Zusammenhang bei Fragment 71 von „Ulpian“ spricht. Wahrscheinlich handelt es sich insofern um einen Lapsus. 643  Dazu Wacke, S. 582 A. 93. 644  Paul.-Ped. D. 9,2,33pr. und D. 35,2,63pr. 645  Siehe dazu oben in Fn. 623. 646  SZ 49 (1929), S. 463 ff.



§ 6  Besondere Verfahren143

muss. Die Lösung besteht für Paulus darin, dass die besondere subjektive Beziehung im Rahmen der Auslegung der Vertragsstrafe bedeutsam wird, ebenso wie bei Pap. D. 18,7,7.

IV. Ergebnis Wir konnten bei der Exegese des Paulus-Fragments zeigen, dass im Rahmen der stipulatio duplae der affectio keine Bedeutung beigemessen wird in dem Sinne, dass ihre Berechnung oder ihr Ersatz in Rede stehen. Das Strafduplum richtet sich unproblematisch nach dem Kaufpreis, der hier nicht etwa durch die affectio erhöht ist. Vielmehr dient die besondere Beziehung zur Tochter nur vorgelagert der Begründung für den sofortigen Verfall der Stipulation. Daneben kann man annehmen, dass sie einen Aspekt der Auslegung der Stipulationsabrede darstellt, bei der es um die Konstruktion einer Art von Drittschadensersatz geht.

§ 6  Besondere Verfahren I. Klagen nach dem Edikt ne quis eum qui in ius vocabitur vi eximat Eine weitere Schlüsselquelle für das Verständnis der unterschiedlichen Schätzmethoden ist Ulpian D. 2,7,5,1 (5 ad ed.): In eum autem, qui vi exemit, in factum iudicium datur: quo non id continetur quod in veritate est, sed q u a n t i e a r e s e s t a b a c t o r e a e s t i m a t a , de qua controversia est. hoc enim additum est, ut appareat etiam si calumniator quis sit, tamen hanc poenam eum persequi. Gegen denjenigen aber, der mit Gewalt die Ladung [des Beklagten] vor Gericht verhindert, wird eine actio in factum gegeben. Mit dieser wird nicht das, was die Sache, um die gestritten wird, tatsächlich wert ist, sondern was die Sache vom Kläger geschätzt wert ist, erhalten. Denn das ist hinzugefügt, um zu zeigen, dass, selbst wenn jemand schikanös klagt, er diese Strafe geltend machen kann.

Für den Fall, dass die in ius vocatio eines Beklagten mit Gewalt (vi exemptio) behindert wird,647 wird im Edikt eine actio in factum gewährt, 647  Ob daneben auch ein Rechtsschutz gegen eine nur dolose exemptio gewährt wurde, ist umstritten: Ausgangspunkt ist dabei Paul. D. 2,7,4,2. Vgl. einerseits Reichard, Drittschadensersatz, S. 49 f., andererseits P. Gröschler, Actiones in factum: eine Untersuchung zur Klage-Neuschöpfung im nichtvertraglichen Bereich, Berlin 2002, S. 49 f. m. w. N. Ulp. D. 2,7,1pr. bringt etwas Licht ins Dunkel, wenn der Jurist dort auf das Telos der Klage abstellt: … ut metu poenae compesceret eos, qui in ius vocatos vi eripiunt.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

mittels derer der Kläger, der durch die verhinderte Ladung in seinem Rechtsschutzgesuch beeinträchtigt ist, eine Strafzahlung durch den Täter erreichen kann.648 Besonders problematisch, für unsere Fragestellung aber entscheidend sind die Worte ab actore aestimata, nach denen sich die Schätzung der Sache, um die es in dem Verfahren geht, an dem der vocatus behindert wurde, richten soll. Für Lenel649 ist es „nicht glaublich“, dass der Prätor den Geschworenen angewiesen hat, die Kondemnationssumme blindlings nach der Schätzung des Klägers zu bestimmen. Deswegen hält er die Wendung für ein ungeschicktes Glossem und will sie streichen. Seiner Meinung nach richtet sich die Schätzung schlicht nach dem quanti ea res est. Auch Kaser650 hält sie für unklassisch und verweist auf den Index Interpolationum. Ihm folgt auch Lange651. Für eine weiter gehende Begründung der Streichung verweist Lenel auf A. Faber652, nach dem die Schätzung durch den Kläger nur beim iusiurandum in litem gilt und der Schätzungseid dem calumniator gerade nicht zusteht, sondern dem dominus. Tatsächlich muss das Beispiel des zweiten begründenden Satzes näher erläutert werden, um eine Aussage über die Glaubwürdigkeit der Worte ab actore aestimata treffen zu können. Ulpian erstreckt den Rechtsschutz auch auf denjenigen Kläger, der, ohne eine begründete Klage auf seiner Seite zu haben, den Prozess nur missbräuchlich anstrengt und den verhinderten Beklagten eigentlich grundlos geladen hat. Die Hauptsache, deren Wert ja als Buße veranschlagt werden muss, hat in diesem Fall keinen eigenen Vermögenswert, die Klage ist ja unbegründet. Die Höhe der Strafe nach der Schätzung des Klägers ist, so sagt uns der Jurist, gerade für diese Fälle eingeführt worden. In diesem Sinne kann man additum so verstehen, dass der besondere Zusatz ab actore aestimata der quanti ea res est-Formel hinzugefügt wurde, um auch beim Fehlen eines Geldwertes zu einer Strafsumme zu gelangen. Wollte man die problematischen Worte des ersten Satzes streichen, müsste man auch den zweiten Satz streichen.653 Inwiefern der zweite Satz ohne die vorangehenden Worte noch „sachlich“ zutreffen kann654, ist aber nicht klar. Zwar gibt Paulus in D. 2,7,4,1 die inhaltliche Bestätigung dafür, dass das Edikt auch bei schikanöser Klage statthat. Die Anknüpfung mit hoc enim additum in D. 2,7,5,1 ist aber nur dann sinnvoll, wenn man auch die Schätzung des Klägers beibehält. Nur unter einer Annahme kann zur Klage Lenel, EP, S. 73 f. Siehe auch Kaser / Hackl, § 30 A. 51 m. w. N. S. 74. 650  S. 163 A.  32. 651  S. 97. 652  Rationalia I, Lyon 1604, S. 109. 653  Vgl. Beseler, TR 10 (1930), S. 181. 654  So Kaser, Quanti, S. 163 A. 36. 648  Vgl. 649  EP,



§ 6  Besondere Verfahren145

man wenigstens inhaltlich die von Kaser vorgenommene Streichung beibehalten: Geht man von dem im vorliegenden Paragraphen gezeichneten Unterschied veritate – quanti ea res est ab auctore aestimata aus und begreift man veritas als Interesse655 oder als Schaden656, steht dem der Sach- bzw. Streitwert als quanti ea res est gegenüber. Diese Kontrastierung findet sich viel deutlicher in Ulp. D. 2,3,1,4: non ad id quod interest, sed quanti ea res est concluditur. Nicht ganz einleuchten kann, warum derselbe Jurist nach Kaser in D. 2,7,5,1 zur Umschreibung des Interesses veritas verwenden soll. Ein Interesse hat der calumniator nicht am missbräuchlich geführten Prozess; den Wert der res litigosa jedoch kann man (objektiv) bestimmen. Warum der Jurist dann aber additum setzt, was ja das Vorhandensein eines Formelteils voraussetzt, an den man ein Mehr anfügt, bleibt auch so unklar. Zudem tritt uns veritas eigentlich in der Bedeutung „gemeiner Handelswert“ entgegen, was Kaser657 selbst angibt. Nimmt man den Paragraphen also beim Wort, spricht vieles für die eben vorgetragene Lösung. Ist der Zusammenhang zwischen Schätzung des Klägers und Strafe geklärt, ist kein formaler Grund ersichtlich, die besondere Schätzung in diesem Fall als unklassisch zu bezeichnen. Inhaltlich wird gegen die Schätzung zwar eingewendet, sie sei weder bestimmt noch gerecht.658 Allerdings finden wir ganz parallel eine Schätzung durch den Kläger auch beim iusiurandum in litem. Es ist kein Grund ersichtlich, die Fälle der Renitenz gegenüber dem richterlichen Restitutionsbefehl anders zu bewerten als die Fälle der vi exemptio.659 Auch hier tritt der pönale Charakter der gewährten actio in factum entscheidend in den Vordergrund.660 Zudem werden wir in diesem Zusammenhang ganz parallel zum iusiurandum in litem davon ausgehen können, dass einerseits die Ernsthaftigkeit der Strafklage an sich und andererseits das Amt des Richters mithilfe der taxatio der Willkür des Klägers einen engen Rahmen stecken sollte.661 Im Vordergrund der actio mag überdies der Schutz der Rechtspflege mehr als der Umstand stehen, dass der wie Kaser, vorherige Fn. Drittschadensersatz, S. 51. 657  RP I2, S. 499 A. 7. Im Ergebnis ähnlich auch Tafaro, Quanti, S. 188 f. 658  Vgl. A. Faber (oben Fn. 417), S. 109. 659  So auch Gröschler (oben Fn. 647), S. 50 f.; Raber, S.  208 f.; vgl. auch Kretschmar, SZ 40 (1919), S. 159; Daube, SZ 76 (1959), S. 150; Tafaro, Quanti, S. 188 ff.; dagegen aber Reichard, Drittschadensersatz, S. 51 A. 31, der jedoch den pönalen Charakter nicht ausreichend in Betracht zieht. 660  Dieser folgt eindeutig aus Ulp. D. 2,7,6; Ulp. D. 2,7,5,3 und 4. Vgl. zur pönalen Natur der Klage nur Kaser, Quanti, S. 163, und Levy, Privatstrafe, S. 24 A. 8, 10. 661  Vgl. Raber, S. 208 f. A. 56; in diese Richtung auch I. Butti, Il „praetor“ e le formalità introduttive del processo formulare, Milano 1984, S. 347 f. 655  So

656  Reichard,

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

behindernde Täter vor Willkür des Klägers geschützt werden soll.662 Alles in allem sind weder Gründe ersichtlich, an der Klassizität der Worte ab auctore aestimata zu zweifeln, noch ihren Gehalt für unsere Fragestellung zu verneinen: Die Strafsumme der Klage aus dem Edikt ne quis eum qui in ius vocabitur vi eximat wird – an der Höhe des Hauptsachebetrags – durch den Kläger geschätzt und orientiert sich insofern an seiner Beurteilung der Hauptsache. Das wird besonders schön in der Kontrastierung von veritate und ab auctore aestimata deutlich. Allerdings scheint damit auch zugleich ein Bruch im Vergleich zu Paul.Ped. D. 9,2,33pr. offenbar: non ex affectu sed communiter fungi. Auch dort haben wir auf den pönalen Charakter der actio hingewiesen, der im Rahmen der lex Aquilia jedoch gerade wegen der objektivierbaren Bußsumme zu einem Ausschluss der subjektiven Berechnung führen sollte. Dieser Widerspruch muss nun umso mehr aufgelöst werden, als wir auch für das iusiurandum in litem die pönale Tendenz als Grund für die klägerische Schätzung ausgemacht haben. Wenn also auf den ersten Blick die Begründung mithilfe der Pönalität des rechtlichen Instruments zu zwei divergierenden Lösungen weist, so löst sich dieses Problem bei weiterer Abstraktion auf: Geht es um einen Schadensersatz im engeren Sinne, der für die klassischen Juristen, wie wir gesehen haben, immer die zerstörte Sache als Ausgangspunkt seiner wertmäßigen Berechnung hat, kommt wegen des altzivilen Bußcharakters nur eine Bestimmung nach dem objektiven Wert als Ersatzleistung in Frage. Wenn jedoch gar keine Ersatzleistung zur Rede steht, wie in den Fällen des iusiurandum in litem oder bei der Klage aus dem Edikt, weil dort das Instrument der Klägerschätzung als Druckmittel, hier als Schutz der reibungslosen Rechtspflege fungiert, kann die res litigosa durchaus auch in strafender Absicht nach der Wertschätzung des Klägers bestimmt werden. Einmal geht es um das Fortleben vormals fester Bußsätze als Ersatzleistung für Vermögensverluste, das andere Mal um die Festlegung einer effizienten Strafleistung für das Verhalten des Beklagten bzw. des Täters durch den Kläger, wobei der Ausgleich von Vermögenseinbußen dahinter ganz zurücktritt. Ein Widerspruch ergibt sich daraus für die klassischen Juristen aber nicht. Vielmehr offenbart sich auch hier die von uns zu Beginn aufgezeigte Schwierigkeit. Wir sprechen modernrechtlich vom Affektionsinteresse und verbinden damit sogleich seinen Ersatz, gleichzeitig brechen wir aber die Kategorien und Fälle, in denen es um die Berücksichtigung der Affektion im römischen Recht geht, auf und schmelzen sie in Richtung auf eine (bloße) Ersatzleistung ein. 662  Vgl.

Gröschler (oben Fn. 647), S. 50 f.



§ 6  Besondere Verfahren147

II. In integrum restitutio als prätorischer Rechtsbehelf Wir stoßen auch in besonderen prätorischen Rechtsbehelfen auf das Problem der affectio. Besonders finden sich ein Sachverhalt und eine Entscheidung, in der es nicht in erster Linie um eine Verurteilung in Geld und damit auch um die Frage nach der Abschätzung der affectio im Rahmen der condemnatio pecuniaria geht. Vielmehr handelt es sich um eine Quelle zur in integrum restitutio. 1. In integrum restitutio bei Übervorteilung des minor Hermogenian schildert uns in D. 4,4,35 (1. iur. epitom.) folgenden Fall: Si in emptionem penes se collatam minor adiectione ab alio superetur, implorans in integrum restitutionem audietur, si eius interesse emptam ab eo rem fuisse adprobetur, veluti quod maiorum eius fuisset: ita tamen ut id, quod ex licitatione accessit, ipse offerat venditori. Ein Minderjähriger muss in dem Fall zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gehört werden, dass er bei einem Kauf, der (schon) auf seiner Seite zustande gekommen war, (doch noch) von einem anderen überboten wurde, wenn er beweisen kann, dass ihm daran gelegen ist, dass die Sache von ihm gekauft worden ist, so zum Beispiel, weil die Sache seinen Vorfahren gehört hatte. Jedoch nur dann, wenn er das, was infolge des Gebots zum Kaufpreis noch hinzukam, selbst dem Verkäufer anbietet.

In diesem spätklassischen Text Hermogenians663 treffen wir auf ein schon bekanntes Beispiel für die besondere und subjektive Beziehung zu einer Sache. Diese Stelle ist in der romanistischen Forschung zu unserer Frage relativ selten beachtet worden und spielt in der Diskussion keine erkennbare Rolle.664 Der minor hat in Hermogenians Fall ein besonderes Interesse daran, die Sache zu haben, weil es sich dabei um ein „altes Familienstück“ – quod 663  Hermogenian gilt als Verfasser des gleichnamigen Codex. Sein Wirken verorten wir in das ausgehende 3. Jh. In den epitomae verarbeitet der Jurist spätklassische Quellen unter Beschränkung auf das unstrittige Recht ihrer Zeit, vgl. F. Wieacker, Römische Rechtsgeschichte: Quellenkunde, Rechtsbildung, Jurisprudenz und Rechtsliteratur, München 1988, S. 171 f.; Liebs, ANRW II 15, S. 319 ff. 664  Darauf macht jetzt zu Recht auch Wacke, S. 580, aufmerksam. Allerdings wurde die Quelle besonders im usus modernus aufgegriffen und von den Juristen jeweils in das eigene Argumentationsmuster eingepasst, vgl. z. B. A. Leyser, Meditationes ad Pandectas, Lipsiae 1733, § X, S. 230 f.; J. N. Hertius, Responsa, Francofurti ad Moenum 1729, Responsum CLXV, n. 8,9, S. 336, oder mit ablehnender Haltung H. v. Cocceji, De Pretio affectionis et amoenitatis, Lemgovia 1722, § 9, S. 520, und dort vor allem zu D. 4,4,35 § 15, S. 521.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

maiorum fuisse – handelt.665 Diese Tatsache genügt, um für den minor eine in integrum restitutio bewirken zu können. Der zugrunde liegende Sachverhalt ist nur schwer zu ermitteln. Ein Minderjähriger hatte eine Sache erworben (emptionem collatam), der er aber im weiteren Verlauf wieder verlustig wurde. Am ehesten lässt sich wohl an eine Auktion denken, bei welcher der minor überboten wurde. Zwar wird uns von den Juristen eigentlich kaum von solchen berichtet,666 doch sprechen in diesem Falle die benutzten Worte licitatio und adiectione superari stark dafür.667 Unklar bleibt aber, warum der Minderjährige sein Gebot nicht weiter erhöht hat. Es ist für den Fall davon auszugehen, dass die Versteigerung mit dem Mehrgebot auch ihr Ende gefunden, der Überbieter nunmehr den Zuschlag erhalten hat. Mit diesem Ergebnis ist aber das letzte Wort noch nicht gesprochen: Der minor wird nicht schutzlos gestellt, vielmehr spannt der Jurist den Schirm der in integrum restitutio auf. Dieses prätorische Rechtsinstitut schützt den Minderjährigen vor Übervorteilung,668 indem erbrachte Leistungen oder sonstige Maßnahmen, durch die er benachteiligt wurde, wieder rückgängig gemacht werden. Man bedient sich fiktizischer Formeln, um das mit dem übervorteilenden Erwerbsvorgang erwirkte Ergebnis „einzureißen“.669 Dazu werden die unrechtmäßig herbeigeführten Vorgänge 665  Scialoja I, S. 71, nennt als entscheidendes Kriterium an dieser Stelle „l’amore della famiglia“. 666  Kaser, RP I2, S. 547. Vgl. zu Auktionen überhaupt G. Thielmann, Die römische Privatauktion, Berlin 1961, passim; dazu auch Mayer-Maly, TR 31 (1963), S. 126 ff., und Thomas, Labeo 12 (1961), S. 395 ff. 667  Schon Liebs, FS Kaser (1976), S. 383, hat mit dem recht unspezifischen Hinweis auf die Glosse eine Bessergebotsklausel in der Vereinbarung zwischen minor und Verkäufer abgelehnt. So im Ergebnis auch Wacke, S. 581 A. 92. Die Bedeutung von licitatio vom Intensivum licitor zu liceor (= bieten) ist insoweit schon aussagekräftig genug. Allerdings muss noch kurz auf den Hinweis bei Otto / Schilling / Sintenis I eingegangen werden, die conferre hier mit „jemandem etwas zuwenden“ übersetzen wollen. Das ist mit der Verbindung zu se zwar denkbar; doch steht dann penes allein ohne Bezugswort da. Grammatikalisch ist diese Zuordnung zudem schwer haltbar, da se als Reflexivpronomen nur den Bezug zum Subjekt des Verbums (hier collatam) haben kann. Das Subjekt dazu ist aber gerade nicht minor, sondern emptio(nem). Die zutreffende, vor allem die formgenaue Übersetzung macht Schwierigkeiten, vielleicht wurde hier auch verkürzend eingegriffen, zumal der Sachverhalt nicht hinreichend klar wird, dazu gleich im Text. Auch Behrends / Knütel / Kupisch /  Seiler, CIC II, halten sich an den offenen Quellentext und lassen eine Entscheidung in der Sache bei Hermog. D. 4,4,35 nicht klar erkennen, obwohl sie den Bezug zu Paul. D. 18,2,7 herstellen, wo es eindeutig um eine Bessergebotsklausel geht. 668  Ulp. D. 4,4,1: praetor auxilium pollicitus est et adversus captiones opitulationem. Zum circumscribere (oder circumvenire) vgl. nur Wacke, SZ 94 (1977), S. 184 ff. 669  Sog. iudicia rescissoria, vgl. dazu Ulp. D. 4,6,28,5 f.; Diocl. C. 3,32,24; vgl. Kaser / Hackl, § 64 I. 1.; E. I. Bekker, Die Aktionen des römischen Privatrechts II, Neudruck Aalen 1970, S. 75, spricht auch von „retrograden Tendenzen“.



§ 6  Besondere Verfahren149

rechtlich wieder rückabgewickelt.670 Die Entscheidung des Prätors stellt demnach den früheren Rechtszustand wieder her. Für den Fall der Versteigerung bedeutet das aber nicht zwangsläufig, dass jetzt der minor zum Zuge kommt. Vielmehr müsste die Auktion wiederholt werden, ihr Ausgang zugunsten des Minderjährigen wäre wiederum ungewiss.671 Dieses Verfahren kürzt Hermogenian aber ab, wenn man so will, indem er dem Verkäufer das Höchstgebot zuspricht, welches der minor anstelle des besseren Bieters zu zahlen hat. Über die Inkonsequenz dieser Lösung macht sich der Jurist allerdings keine Gedanken. Die dahinterstehenden Interessen sind zu einem Ausgleich gebracht672, obwohl der rechtliche Weg dorthin eigentlich begründungsbedürftig ist. 2. Übervorteilung bei einer Versteigerung? Interessant ist hierbei auch, inwieweit im Rahmen der Auktion überhaupt von einer Übervorteilung des Minderjährigen auszugehen ist. Wesen einer Versteigerung ist ja gleichsam das gegenseitige Ausbooten. Auch hier erscheint die Quelle, so wie sie uns überliefert ist, fragwürdig. Davor noch liegt das grundsätzlichere Problem, dass gerade beim Kauf das kommerzielle Denken so im Vordergrund steht, dass die Natur des Rechtsverhältnisses eine gegenseitige Übervorteilung ja vorsieht.673 Bestätigt wird diese Erkenntnis durch Ulp. D. 4,4,16,4, wo der Jurist Papinian mit genau dieser Einsicht zitiert wird. Allerdings hat Mayer-Maly674 zu Recht auf den losen Zusammenhang innerhalb des Fragments hingewiesen, was eine Verkürzung nahelegt. Die Aussage Ulpians gilt demnach nur für volljährige Vertragsparteien, einem (weiter gehenden) Schutz Minderjähriger steht sie wohl kaum im Wege.675 Das „natürliche“ Ausbooten im Rahmen eines Kaufvertrags kann also durch Rechtsmittel zum Schutz des minor begrenzt werden. Damit ist aber noch nicht geklärt, wie einerseits der Schutz gegenüber einem Mitbieter, der ja gar nicht Vertragspartei des Minderjährigen ist, begründet wird und warum andererseits die Wiedereinsetzung dann auch bei Versteigerungen anzunehmen ist. Zunächst erscheint es demnach klärungsbedürftig, warum es für den Mitbieter nachteilig sein soll, dass nunmehr der minor zum Zuge kommt und nicht er. Interessen des Verkäufers sind zumindest 670  B. Kupisch, In integrum restitutio und vindicatio utilis bei Eigentumsübertragungen im klassischen römischen Recht, Berlin 1974, S. 119 ff.; anders aber L. Raggi, La restitutio in integrum nella cognitio extra ordinem, Milano 1965, S. 280 ff. 671  Auf diese Problemlage weist zu Recht Wacke, S. 581, hin. 672  Mit gewissen Einschränkungen, wie wir gleich sehen werden. 673  Vgl. Wacke, TR 48 (1980), S. 214 f. 674  IURA 6 (1955), S. 129. 675  Wacke, TR 48 (1980), S. 215.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

nach dem knappen Fall ersichtlich nicht tangiert.676 Im Hinblick auf die Rechtssicherheit bedeutet die Entscheidung Hermogenians eine nur schwer zu ertragende Lösung. Warum soll es dem Mitbieter schaden, dass an der Versteigerung ein minor teilnahm, von dessen Konkurrenz er vielleicht gar nichts wusste? Warum wird er passiv in den Schutzbereich der in integrum restitutio mit eingezogen, obwohl er selbst doch gar keine geschäftliche und rechtliche Beziehung zum Minderjährigen hatte? Die vorgeschlagene L ­ ösung zwischen den Bietern erweist sich in keiner Weise als „so salomonisch“.677 Die Erklärung dafür findet sich aber im Wesen des ediktalen Rechtsmittels. Die in integrum restitutio ist grundsätzlich bei Geschäften mit Beteiligung von Minderjährigen unter 25 Jahren anwendbar. Wir erfahren von Ulpian in D. 4,4,1,1, dass das Edikt schlicht von gestum esse spricht. Die Auslegung dieser prätorischen Rechtsschutzverheißung erfolgt sehr großzügig.678 Das den minor begünstigende Verständnis der Ediktsformel wird sehr anschaulich in D. 4,4,7, wenn Ulpian nicht nur in engen Fallgruppen von Übervorteilung reden will, sondern den Sinn und Zweck der Regel, eben den Schutz vor der Übervorteilung infolge der Unerfahrenheit, in die Mitte seiner Überlegung rückt und daher zu dem Schluss kommt, dass dem Minderjährigen immer geholfen werden muss, wenn er vorbringt, dass er benachteiligt wurde.679 In D. 4,4,44 schränkt Ulpian diese Ansicht zwar etwas ein, aber auch hier wird deutlich, dass es ganz entscheidend um die Schutzrichtung des Edikts geht: ab aliis circumventi vel sua faciliatate decepti. Auch das Beispiel einer Versteigerung führt der Jurist in D. 4,4,7,8 auf, allerdings aus einer anderen Perspektive: Eine Sache, die dem minor gehört, wurde versteigert, im Nachhinein hätte er ein höheres Gebot realisieren können. In diesem Fall wird ebenfalls die in integrum restitutio gewährt, so dass rursum admittatur licitatio (damit spricht Ulpian eine Folge des Wiedereinsetzens an, die wir gerade in D. 4,4,35 vermissen). Näheres erfahren wir nicht, vor allem nicht, warum auch im anderen Fall, wo der minor Bieter einer Versteigerung ist, eine in integrum restitutio im Ergebnis zulasten des Mitbieters vorzunehmen sein soll. Man kann aber annehmen, dass die Voraussetzungen des Rechtsmittels immer weiter verallgemeinert wurden – ganz der bei Ulpian aufgezeigten Tendenz entsprechend – und bei Hermogenian auch dieser Fall ohne Probleme ein solcher der Wiedereinsetzung ist. Diese Tendenz zeigt sich auch im Anknüpfungspunkt für die in integrum restitutio: Nicht mehr die Übervorteilung als solche ist Ausgangsauch Wacke, S. 581. aber Wacke, ebd. 678  Ulp. D. 4,4,7pr.: gestum sic accipimus qualiterqualiter, sive contractus sit, sive quid aliud contigit. 679  Ulp. D. 4,4,7,3. 676  So 677  So



§ 6  Besondere Verfahren151

punkt des Schutzes, sondern vielmehr die bloße Benachteiligung durch das Geschäft. Diese Entwicklung hat ihren Beginn in der lex Laetoria von 190 v. Chr., die sich gegen doloses Gebaren wandte, wurde im weiteren Verlauf aber immer weiter ausgedehnt, so dass für die in integrum restitutio kein dolus des Geschäftspartners (mehr) Voraussetzung war. Grund für die Rückabwicklung war dann einzig die Benachteiligung des minor.680 Der Schutz des Minderjährigen auch im Rahmen eines sozusagen normalen und typenimmanenten Übervorteilungsgeschäfts wie der Auktion ist demnach einzig entscheidend, so dass sich an dieser Stelle für Hermogenian auch tiefere Überlegungen nach Sinn und Zweck im Speziellen erübrigen und ohne Weiteres der Mitbieter die für ihn negativen Folgen der Wiedereinsetzung zu tragen hat. 3. Bedeutung der affectio Es bleibt aber die vordringliche Frage, warum das besondere und subjektive Verhältnis des Minderjährigen als „l’amore della famiglia“681 hier maßgeblich für die Bejahung der Übervorteilung sein soll. Dieses Verständnis lässt sich nur begründen, wenn man die Schutzbedürftigkeit des minor konsequent weiter ausweitet und als vollumfänglich begreift. Dieser Aspekt wird deutlich in der Zusammenschau mit Ulp. D. 38,5,1,15, wo der Jurist für die Bejahung von fraus im Rahmen der actio Fabiana einen objektiv bestimmbaren Vermögensnachteil verlangt und die Möglichkeit des Widerrufs durch den Patron im Falle eines Verkaufs einer „lieben“ Sache durch den libertus verneint.682 Der Patron hatte sich im Ulpian-Fall der Sache wohl bereits selbst zugunsten des libertus begeben und damit seine besondere Beziehung zur Sache gelockert.683 Entscheidend ist, dass dem Interesse des Patrons am Zurückerhalt der Sache das Interesse des Vertragspartners des libertus entgegensteht, der das Grundstück zum iustum pretium erworben hatte. In diesem Interessenausgleich kommt es nicht auf RP I2, S. 277; Wacke, TR 48 (1980), S. 205 f. oben Fn. 665. 682  Siehe oben, Zweiter Teil, § 2 II. 3. Muss für fraus ein objektiver Nachteil vorhanden sein, reicht dem minor für die Annahme einer Benachteiligung als ­Voraussetzung für die Wiedereinsetzung ein bloß ideelles Interesse am Haben der Sache. 683  Diese Begründung für die Entscheidung Ulpians trägt auch Wacke, S. 578, vor. Dabei übersieht er m. E. im Weiteren, S. 580, dass dieses Argument auch bei Iavol. D. 36,2,38 sticht, wo aber das besondere Interesse nach seiner Auffassung gerade „berücksichtigt“ wird. Warum dabei nur auf die Interessenlage zu achten sei, wird nicht deutlich. Auch bei Javolen hatte der Patron sich zugunsten seines libertus eines besonderen Grundstücks entäußert. 680  Kaser, 681  Siehe

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

den besonderen Wert der Sache für den Patron an. Anders liegt die Abwägung nun beim minor, der einen Mitbieter, der wohl auch nicht dolos handelt, aus der Versteigerung drängen kann, weil seine besondere Beziehung zur Kaufsache als beachtlich erklärt wird. Das überwiegende Prinzip des Minderjährigenschutzes wird hier deutlich: Seine Interessen scheinen insofern ausschlaggebend zu sein. Nicht nur im Rahmen seiner Geschäfte – gestum esse – muss der Unerfahrene und leicht Beeinflussbare geschützt werden, auch hinsichtlich der nur ihn ganz persönlich tangierenden Werte und Interessen erscheint er als der Schwächere und daher Schützenswertere. Auch hier spricht folglich mit dem Minderjährigenschutz eine übergeordnete Idee für die rechtliche Relevanz subjektiver Belange. Mommsen hat schon darauf hingewiesen – dabei bereits älteren Stimmen folgend684 –, dass der Minderjährige durch die Restitution nicht den Affektionswert erlangt, sondern den Gegenstand selbst.685 Um eine Schätzung des Sachwertes nach subjektiven Maßstäben geht es daher im vorliegenden Fall nicht. Nichtsdestoweniger kommt der Motivation des minor, warum er gerade diese Sache haben will, hier rechtliche Relevanz zu. Bemerkenswert erscheinen die Ausführungen Hermogenians im Anschluss daran unter dem Aspekt der Beweisbarkeit subjektiver Wertschätzung. Diese stellt im Rahmen der besonderen Zuneigung eine große, selten zu überwindende Hürde dar. Wir haben schon gesehen, dass die Juristen dem Richter nicht zumuten wollen, den subjektiven Wert zu schätzen, oder (anders gewendet) Schwierigkeiten darin sehen, diesen berechnen zu lassen. Hermogenian umschifft diese Klippe in seiner Entscheidung, weil es ihm einzig darum geht, dass der Minderjährige Eigentum an der Sache erlangt, nicht aber um ihren zu schätzenden Wert. Das Problem ist bei der Entscheidung in D. 4,4,35 ein anderes: Wie will der minor seine Affektion, die Quelle spricht vom interesse emptam ab eo fuisse rem, nachweisen, deretwegen er gegenüber dem Mitbieter in Nachteil geraten ist? Sein Interesse am Haben der Sache wird unterstellt, wenn es sich um ein „Familienstück“ handelt. Der Jurist geht wohl davon aus, dass an solchen Sachen immer ein besonderes Interesse besteht, sie wieder in die Familie zu bekommen. Für die Frage der Beweislast bedeutet diese Verknüpfung, dass der Minderjährige einzig die frühere Zugehörigkeit der Sache zum Familienvermögen nachweisen muss, das Interesse daran und daran anknüpfend auch die Benachteiligung als Voraussetzung für die Wiedereinsetzung werden damit sozusagen vermutet. So kommt der Jurist eigentlich um das Problem der 684  Freilich, ohne sie zu nennen. Vgl. aber z. B. Cocceji (oben Fn. 664), § 20, S. 522, der meint, minor propter affectum restituitur, non, ut pretium eius affectus, sed rem venditam recuperet. 685  Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 127.



§ 7  Nachklassische Entwicklungen bis und unter Justinian 153

Beweisbarkeit rein subjektiver Belange herum: Den Nachweis des Fami­ lienstücks kann man eher führen als den bezüglich der subjektiven Wertschätzung. Innere Motive müssen als solche nicht weiter offengelegt werden, sie sind vielmehr als menschliche Erfahrungsregel zu unterstellen. 4. Ergebnis Wir konnten anhand des Falles zur in integrum restitutio sehen, dass der Prätor den Minderjährigen im Hinblick auf dessen Affektion zu schützen bereit ist. Allerdings bleibt festzuhalten, dass mit der Entscheidung nicht die Schätzung und damit die geldmäßige Berücksichtigung der besonderen Beziehung zur versteigerten Sache erreicht werden, sondern der minor an die Sache selbst kommt. Weder wird hier ein „Affektionsinteresse“ in Geld geschätzt, noch geht es um seinen Ersatz. Das übergeordnete Prinzip des Minderjährigenschutzes lässt es vielmehr zu, im Rahmen der in integrum restitutio auf besondere Umstände abzustellen und aus diesen heraus eine das Rechtsmittel begründende Übervorteilung anzunehmen.

§ 7  Nachklassische Entwicklungen bis und unter Justinian Zuletzt wollen wir einen Blick darauf werfen, wie sich die differenzierten Antworten der Klassiker auf die Frage nach der Berücksichtigung der affectio in der Nachklassik und unter Justinian entwickelt und verändert haben. Der Kaiser selbst erweckt gewisse Erwartungen, wenn er in Constitutio Dedoken 10 sagt: … μηδένα τε θαρρεῖν παρατιθέναι τὰ γενόμενα νῦν τοῖς ἔμπροσθεν, ἑπειδὴ πολλὰ καὶ οὐδὲ ἀριθμηθῆναι ῤᾴδια μετατεθείκαμεν εἰς τὸ κρεῖττον … … und niemand es wagen möge, das nun geltende Recht mit dem früheren zu vergleichen, nachdem wir Vieles und schwer Zählbares verbessert haben …

Wir werden sehen, dass die affectio-Frage nach der Klassik nicht mehr behandelt wurde und auch bei Justinian keine Rolle mehr spielt. Aufs Engste damit verbunden erscheint einerseits die interesse-Problematik. Dabei markiert einen klaren Endpunkt der Entwicklung, zumindest für den vertraglichen Interesseersatz, die Konstitution Justinians C. 7,47,1 aus dem Jahr 531 im Titel de sententiis, quae pro eo quod interest proferuntur: Cum pro eo quod interest dubitationes antiquae in infinitum productae sunt, melius nobis visum est huiusmodi prolixitatem prout possibile est in angustum ­ coartare. 1.  Sancimus itaque in omnibus casibus, qui certam habent quantitatem vel naturam, veluti in venditionibus et locationibus et omnibus contractibus, q u o d h o c

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

i n t e r e s t d u p l i q u a n t i t a t e m m i n i m e e x c e d e r e : in aliis autem casibus, qui incerti esse videntur, iudices, qui causas dirimendas suscipiunt, per suam subtilitatem requirere, ut, quod re vera inducitur damnum, hoc reddatur et non ex quibusdam machinationibus et immodicis perversionibus in circuitus inextricabiles redigatur, ne, dum in infinitum computatio reducitur, pro sua impossibilitate cadat, cum scimus esse naturae congruum eas tantummodo poenas exigi, quae cum competenti moderatione proferuntur vel a legibus certo fine conclusae statuuntur. 2.  Et hoc non solum in damno, sed etiam in lucro nostra amplectitur constitutio, quia et ex eo veteres quod interest statuerunt: et sit omnibus, secundum quod dictum est, finis antiquae prolixitatis huius constitutionis recitatio. Es erschien uns besser, weil es hinsichtlich des Interesses unendlich viele alte Zweifel gab, diese Vielfalt zu begrenzen, so wie dies möglich ist. 1. Wir ordnen daher an, dass in allen Fällen, in denen es um eine bestimmte Summe geht oder die Natur der Sache eine solche bedeutet, wie bei Kaufverträgen, Mietverträgen und überhaupt allen Verträgen, das Interesse die doppelte Summe nicht übersteigen darf. In den anderen Fällen aber, die nicht auf eine bestimmte Summe gehen, sollen die Richter, die den Fall übernehmen, gründlich danach forschen, dass der wirklich entstandene Schaden ersetzt wird und dieser nicht mit irgendwelchen Kunstgriffen und unangemessenen Übertreibungen in unentwirrbare Umschweife verwandelt wird, damit die Berechnung nicht, während sie sich unendlich hinzieht, so in sich zusammenfällt und unmöglich wird. Wir wissen nämlich, dass es natürlich ist, nur diejenigen Strafen einzubeziehen, die mit einer gebührenden Mäßigung bestimmt sind oder denen durch die Gesetze eine feste Grenze gezogen ist. 2.  Und das ordnet unsere Konstitution nicht nur für den Schaden an, sondern auch für den Gewinn, weil auch die Alten aus diesem das Interesse bestimmten. Und diese Bestimmung soll, wie gesagt, in allen Fällen ein Ende der überkommenen Vielfalt darstellen.

Den Schadensersatz in Fällen, in denen eine certa quantitas vel natura vorliegt, begrenzt Justinian auf das Doppelte der Gegenleistung.686 In anderen Fällen, wenn es also wie bei Delikten an einer Gegenleistung fehlt, soll der wirkliche Schaden ohne höhenmäßige Begrenzung ersetzt werden. Als Begründung nennt der Kaiser die unüberschaubare Vielzahl von alten Zweifelsfragen über den Inhalt des Interesses. Zudem prangert er die Umständlichkeit und die Dauer (circuitus inextricabiles und computatio in infinitum) an. Ein auf die klassischen Quellen zurückwirkender Einfluss dieser Maßnahme jedoch ist nicht festzustellen. Die Kompilatoren haben vielmehr die 686  Wobei nach der missverständlichen Konstitution nicht wirklich klar ist, von was das duplum zu bestimmen ist, vgl. nur HKK / Schermaier, §§ 280–285 Rn. 48. Als Vorlage für diese pauschalierende Entscheidung kommt wohl nur Afric. D. 19,1,44 in Betracht: Dort geht es allerdings um eine Eviktionshaftung des Verkäufers, die wahrscheinlich stillschweigend parallel zur stipulatio duplae auf das Doppelte begrenzt ist, vgl. Medicus, S. 89 ff. Zur Entstehung des duplum bei der Manzipationshaftung siehe nur Kaser, AJ, S. 142 ff.



§ 7  Nachklassische Entwicklungen bis und unter Justinian 155

abweichenden Texte unberührt gelassen.687 Die Konstitution an sich stellt sich als einschneidender gesetzgeberischer Akt dar, der durchaus auch für eine gewisse Hilflosigkeit des Kaisers streitet, die Masse und auch die Widersprüche der auf seine Zeit gekommenen Rechtstexte greifbar zu machen und zusammenzuführen. Andererseits findet sich darüber hinaus bei Justinian kein weiterer Hinweis oder Kommentar zur für unsere Frage interessierenden Schätzungsmethode. In Inst. 4,3,10 gibt der Kaiser allerdings vor, wie im Rahmen der lex Aquilia ein getöteter Sklave in Geld zu bemessen ist: Illud non ex verbis legis, sed ex interpretatione placuit, non solum perempti corporis aestimationem habendam esse, secundum ea quae diximus, sed eo amplius quidquid praeterea, perempto eo corpore, damni vobis adlatum fuerit, veluti si servum tuum heredem ab aliquo institutum ante quis occiderit quam is iussu tuo adiret: nam hereditatis quoque amissae rationem esse habendam constat. Nicht aus dem Gesetzeswortlaut heraus, sondern nach [dessen] Auslegung ist anerkannt, dass nicht nur der getötete Körper [eines Sklaven], so wie wir gesagt haben, sondern auch der über den toten Körper hinausgehende Schaden, der euch zugefügt wurde, geschätzt wird, zum Beispiel wenn jemand deinen von einem Dritten als Erben eingesetzten Sklaven getötet hat, bevor er auf dein Geheiß hin die Erbschaft antreten konnte. Denn die verlorene Erbschaft muss auch mitberücksichtigt werden.

Zudem stellt er in Inst. 4,3,9 lediglich fest, dass der Schädiger wegen der Formel des quanti in eo anno plurimi fuit zuweilen auf mehr haftet, als der geschädigte Sklave tatsächlich noch wert war: non solum tanti quisque obligatur, quantum damni dederit, sed aliquando longe pluris. Aus dieser Tatsache folgert der Text lediglich die Pönalität der Klage, qua ratione creditum est poenalem. Es wird aber nichts zur Schätzungsmethode des Schadens gesagt. Justinian spricht in C. 8,36,5,2, im Titel de contrahenda et committenda stipulatione, von der vera aestimatio im Rahmen der Berechnung der Strafsumme (poena und rem transferens multetur). Demnach richtet man die Schätzung hierbei nach dem wahren Wert aus. Ebenso scheint es in C. 8,54,34,1c um die allgemeine Wertbestimmung von res mobiles vel immobiles vel moventes zu gehen, um die objektive Grenze von 500 nummi aurei zu bestimmen. Bei der Bewertung eines Sklaven, der durch Legat vermacht wurde und im Anschluss vom Vermächtnisnehmer freigelassen werden sollte, wobei der Erbe das Vermächtnis nicht erfüllt hat und nunmehr im Prozess gegen den Legatar unterlag, berücksichtigt der iudex nach C. 7,4,17pr. non solum ipsum servum, sed aestimationem litis. Damit ist freilich wiederum nicht viel über den Einfluss einer affectio auf die Urteils687  Siehe

nur die Nachweise bei Kaser, RP II2, S. 345 mit A. 18.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

höhe gesagt. Vom Einfluss der Schätzung durch den Kläger handelt zwar C. 3,1,15, im Titel de iudiciis, aus dem Jahr 531. Für den Fall, dass eine geladene Partei nicht zum Prozess erschienen ist, aber vor Beendigung des Verfahrens wegen der contumacia doch noch (verspätet) erscheint, soll der gesamte im Prozess entstandene Schaden, z. B. durch gezahlte honoraria, ersetzt werden, bevor die Partei zu Gericht zugelassen wird. Es heißt dann weiter: … aestimatione iudices quantitate eorum definienda, post-quam iuratum ab eo fuerit qui fecit expensas. Durch die Schätzung des Richters soll der Betrag dieser Dinge bestimmt werden, nachdem derjenige, der die Aufwendungen gemacht hat, geschworen hat.

Hier zeigt sich entweder, dass der klassische Gehalt der Klägerschätzung nicht mehr hinreichend erkannt wird. Oder die Quelle gibt Auskunft von einem „Freistellungsanspruch“ gegen den renitenten Beklagten, schon bevor das endgültige Urteil gesprochen, wirksam und vollstreckbar wird. Jedenfalls gibt der Kaiser hier Auskunft über eine Verquickung von klägerischem Eid und richterlicher Schätzung.688 Die Schätzung erfolgt doch aber auch hier durch den Richter. In den Novellen spricht Justinian vereinzelt von einer missbräuchlichen Schätzung der lis durch den Kläger, um nicht vor dem defensor civitatis689 verhandeln zu müssen, z. B. in Nov. 15,4. Hier handelt es sich aber insofern um eine Vorfrage für den Prozess, die keine Auswirkung auf das Urteil bzw. die Urteilssumme, die durch die falsche Klägerschätzung höher ausfallen kann, hat. Auch im Zusammenhang mit der „örtlichen Zuständigkeit“ von Gerichten kommt die Sprache auf die aestimatio rei, wohl aber immer in einem objektiv zu bestimmenden Zusammenhang, z. B. Nov. 69,1,1. Weitere Hinweise auf die Behandlung der uns gestellten Frage finden sich indes nicht, so dass wir für die Berücksichtigung der affectio wohl davon ausgehen können, dass diese Frage bei Justinian in den Wirren um den Interessebegriff aufgeht. Dazu passt auch das eingangs von Medicus festgestellte Phänomen, dass die Formulierung des id quod interest in den juristischen Texten nach Diokletian nicht neuerlich verwendet wird und eher verschwindet, weil man sie in ihrer gesamten Komplexität und Fallbezogenheit nicht mehr versteht.690 Erst Justinian greift schließlich wieder tief in die Diskussion ein. Dabei führt er in der Konstitution auch die Diskussion um Schadens- und Interesseersatz zusammen, ohne freilich zu sehen, dass damit 688  Zu weit würde es an dieser Stelle führen, die Quelle noch tiefer zu untersuchen. Über eine subjektive Schätzung sagt sie nämlich nichts weiter aus. 689  Nach Nov. 15,3,2 waren die defensores civitatis für Streitigkeiten bis zur Höhe von 300 nummi aurei zuständig. 690  Siehe oben, Erster Teil, § 3.



§ 7  Nachklassische Entwicklungen bis und unter Justinian 157

zwei unterschiedliche Konzepte zusammengefügt werden.691 Gleichzeitig scheint es, als würde die Frage nach der besonderen Wertschätzung dabei nicht mehr so wie bei den Klassikern gestellt. Eng verbunden ist damit sicherlich auch der bereits angesprochene Funktionswandel des Schätzungseids. Über die Behandlung der Frage nach der besonderen Wertschätzung in der Zeit bis zu Justinians Maßnahme könnten wir Nachweise in den Kaiserkonstitutionen finden. Untersucht man die Quellen auf Hinweise auf die lis aestimatio, auf Belege nach der aestimatio rei oder nach der affectio, lassen sie solche aber vermissen. Es gibt vereinzelte Hinweise auf den Schätzwert, der wohl nach allgemeinen Kriterien berechnet wird, z. B. in C. 8,4,7 non solum eam possidentibus reddat, verum etiam aestimationem earundem rerum restituere compellatur. Dabei handelt es sich um eine Konstitution der Kaiser Valentian, Theodosius und Arcadius aus dem Jahr 389. In diesem Zusammenhang kann neuerlich die Konstitution Zenons aus dem Jahr 477 genannt werden, durch die die Möglichkeit der klägerischen Sachschätzung durch iusiurandum in litem auf jede gewaltsame Schadensstiftung angewendet wird.692 Von der Unmöglichkeit der Restitution spricht eine Konstitution der Kaiser Diokletian und Maximian in C. 7,53,7: Si longis apertisque frustrationibus partis adversae restitutio remorata est, etiam servis rebus humanis exemptis a frustratore aestimatio eorum restituenda est. animalia quoque cum fetubus tibi intercessu praesidis repraesentabuntur. Wenn durch lange und offenkundige Verzögerungen der Gegenpartei die Herausgabe hinausgeschoben wurde, ist auch, wenn Sklaven als menschliche Wesen dabei ums Lebens gekommen sind, ihr Schätzwert vom verzögernden Gegner herauszugeben. Auch Tiere werden dir mit ihren Kindern durch das Eingreifen des Statthalters geleistet.

Hier wird deutlich, dass unter normalen Umständen der lebzeitige Schätzwert des Sklaven geschuldet wird. Wenn es auch nicht ausdrücklich gesagt wird, können wir doch davon ausgehen, dass eine objektive Schätzung der untergegangenen Sache gemeint ist. Schließlich weist auch C. 5,9,6,5 auf eine objektive Schätzung hin: mobilium rerum iustis pretiis aestimatione habita per eos. Insgesamt zeichnen die Kaiserkonstitutionen ein Bild objektiver, das heißt allgemeiner Wertschätzung. Für die Frage nach der affectio liefern sie uns keinen weiteren Aufschluss. Wir werden also für die nachklassische Entwicklung bis Justinian vermuten dürfen, dass die affectio keine größere Rolle in der juristischen Debatte 691  HKK / Schermaier, 692  Vgl.

§§ 280–285 Rn. 48. dazu den folgenden Teil.

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2. Teil: Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio

spielt. Vielleicht sind auch die Texte, die sich explizit mit ihr beschäftigen, schon hier in den Hintergrund getreten oder sind gar in ihrer Komplexität nicht mehr hinreichend verstanden worden.

§ 8  Ergebnisse zu den Fällen des klassischen Rechts Im Mittelpunkt unserer Untersuchung stand die Betrachtung der Fälle, in denen die klassischen Juristen eine subjektive Wertschätzung in Betracht ziehen und für ihre Argumentation fruchtbar machen. Dabei sind wir – der Natur des klassischen Rechts entsprechend – von einer Betrachtung nach Klagearten ausgegangen, um die „fallweise Anerkennung des Affektions­ interesses“693 in einen größeren Rahmen stellen zu können. Zunächst haben wir dabei erkannt, dass die Quellen in diesem Zusammenhang kein „Affektionsinteresse“ in unserem Verständnis kennen und diskutieren. Eng damit verbunden erscheint auch das Problem des Ersatzes, unter dem wir die besondere Zuneigung heute behandeln. Für die klassischen Juristen stellt sich indes die Frage nach der besonderen Wertschätzung im Rahmen der condemnatio pecuniaria an sehr vielen Stellen, ohne dabei zwingend von einem Ersatz auszugehen. Insofern kann eine Fragestellung nach dem „Ersatz der Affektion“ alleine die auf uns gekommenen Quellen nicht hinreichend erfassen. Als erstes und bedeutsames Ergebnis kann nunmehr festgehalten werden, dass die römischen Juristen einen E r s a t z der besonderen Wertschätzung, so wie wir ihn heute auffassen, nicht zulassen. Die Belege im Deliktsrecht sind eindeutig. Der einzige Nachweis aus dem Vertragsrecht, wenn man die moderne Unterscheidung an dieser Stelle beibehalten will, nämlich Pap. D. 17,1,54pr., erweist sich bei näherer Betrachtung nicht als ein Beispiel für den Ersatz der affectio, sondern für die Berücksichtigung höherrangiger Motive und Ideale. Denn um die besondere Wertschätzung und deren geldmäßige Berechnung geht es dem Juristen dort nicht. Vielmehr wird dort – wie auch in Hermog. D. 4,4,35 – die affectio als argumentatives Vehikel benutzt, um zu einem sachgerechten Ergebnis zu gelangen. Zudem haben wir erkannt, dass im Rahmen der Formel des quanti ea res est ebenfalls nie auf eine subjektive Bestimmung der Streitsache abgestellt wird. Der Grund dafür liegt nicht zuletzt auch im prozessualen Zusammenwirken mit dem iusiurandum in litem. Der erwähnte größere Rahmen stellt sich also wie folgt dar: Die affectio spielt für die richterliche Schätzung bei der quanti-Formel nie eine Rolle. 693  Siehe

oben bei Fn. 54.



§ 8  Ergebnisse zu den Fällen des klassischen Rechts159

Der iudex schätzt die Sache immer nach ihrem allgemeinen Wert. Das fügt sich nahtlos an das Ergebnis zur actio legis Aquiliae. Dasselbe gilt für vertragliche Klagen auf Schadensersatz. Bei den bonae fidei iudicia dürfen wir zwar nach der Aussage Papinians in D. 17,1,54pr. Abweichendes erwarten – allein Belege dafür fehlen. Keineswegs kommt ein „Ersatz des Affektionsinteresses“ in Frage. Alles in allem ersetzt der Richter im Rahmen seiner Schätzung für die condemnatio pecuniaria einen besonderen Liebhaberwert nicht. Vielmehr bemisst er den in Geld zu ersetzenden Wert der Streitsache nach objektiven Kriterien. Jedoch kann der Kläger, der zum Schätzungseid zugelassen wurde, die Streitsache über ihren tatsächlichen Wert hinaus schätzen und dabei seine besondere Beziehung zur lis geldmäßig in Anschlag bringen. Diesem Problemkreis widmet sich der folgende dritte Teil der Untersuchung.

Dritter Teil

Die Bedeutung der affectio für die Selbstschätzung durch den Kläger: iusiurandum in litem und seine Wirkungsgeschichte § 1  Der Schätzungseid im klassischen Recht I. Einführung Im Rahmen des iusiurandum in litem geben mehrere Quellen Auskunft über eine Schätzung der lis durch den Kläger und über ihren Sachwert hinaus. Es handelt sich dabei um Texte, in denen eine affectio nicht ausdrücklich erwähnt wird. Jedoch äußert sich in ihnen das Problem der Schätzung nach subjektiven Kriterien. Wir haben anfangs bereits darauf hingewiesen, dass die Entscheidungen der Juristen besonders auf Sachverhalte hin untersucht werden müssen, in denen die Schätzungsmethode eine Rolle spielt. Bislang haben wir gesehen, in welchen Fällen das materielle Recht die besondere Affektion und Beziehung zu einer Sache schützt oder eben auch nicht. Mit der folgenden Betrachtung wenden wir uns einem ganz entscheidenden prozessualen Aspekt der Wertschätzung und -ermittlung zu. Wir werden dabei auch sehen, wie aus den hier besprochenen und überlieferten Quellen die Glossatoren und die folgenden Juristen eine Systematisierung des Ersatzes von Affektionsinteressen herausgebildet haben. Einige Texte wollen wir voranstellen, weil wir später im Text auf ihre Aussagen zurückkommen werden. Ulp. D. 12,3,1 (51 ad Sab.): Rem in iudicio deductam non idcirco pluris esse opinamur, quia crescere condemnatio potest ex contumacia non restituentis per iusiurandum in litem: non enim res pluris fit per hoc, sed ex contumacia aestimatur ultra rei pretium. Wir glauben, dass eine Sache, die vor Gericht gebracht wurde, nicht schon deswegen mehr wert ist, weil die Verurteilung wegen des gegen den aus Widerwilligkeit nicht restituierenden Gegner geschworenen Schätzungseids in eine höhere Summe stattfinden kann. Denn dadurch wird nicht die Sache mehr wert, sondern wegen des Ungehorsams wird die Sache über ihren Wert hinaus geschätzt.



§ 1  Der Schätzungseid im klassischen Recht161

Ulp. D. 12,3,4,2 (36 ad ed.): I u r a r e a u t e m i n i n f i n i t u m l i c e t . Sed an iudex modum iuriiunrando statuere possit, ut intra certam quantitatem iuretur, ne arrepta occasione in immensum iuretur, quaero. Et quidem in arbitrio esse iudicis deferre iusiurandum nec ne constat: an igitur qui possit iusiurandum non deferre, idem possit et taxationem iuriiurando adicere, quaeritur: arbitrio tamen bonae fidei iudicis etiam hoc congruit. Es ist erlaubt, den Eid in unbegrenzter Höhe zu leisten. Ich frage aber, ob der Richter beim Schätzungseid eine Grenze festsetzen kann, damit nur innerhalb eines festgesetzten Umfangs und nicht missbräuchlich ins Unermessliche geschworen wird. Freilich steht fest, dass es im Ermessen des Richters liegt, den Schätzungseid zuzulassen oder nicht. Es wird weiter gefragt, ob also derjenige, der den Schätzungseid (sogar) nicht zulassen kann, ebenso auch eine Obergrenze beim Eid einziehen kann. Jedenfalls entspricht auch dies dem Ermessen des Richters nach Treu und Glauben.

Ulp. D. 6,1,68 (51 ad ed.): Qui restituere iussus iudici non paret contendens non posse restituere, si quidem habeat rem, manu militari officio iudicis ab eo possessio transfertur et fructuum dumtaxat omnisque causae nomine condemnatio fit. Si vero non potest restituere, si quidem dolo fecit quo minus possit, is, quantum adversarius in litem s i n e u l l a t a x a t i o n e i n i n f i n i t u m iuraverit, damnandus est. Si vero nec potest restituere nec dolo fecit quo minus possit, non pluris quam quanti res est, id est quanti adversarii interfuit, condemnandus est. Haec sententia generalis est et ad omnia sive interdicta, sive actiones in rem sive in personam sunt, ex quibus arbitratu iudicis quid restituitur, locum habet. Wer dem Restitutionsbefehl des Richters nicht nachkommt und behauptet, er könne nicht restituieren, dem wird der Besitz, wenn er die Sache dennoch in Besitz hat, durch Vollstreckung auf richterliche Anordnung hin entzogen, und die Verurteilung erfolgt nur wegen der Nutzungen und gesamten Rechtslage. Wenn er aber wirklich nicht restituieren kann, ist er, wenn er diesen Umstand dolos herbeigeführt hat, in das zu verurteilen, was der Gegner im Prozess ohne jede Begrenzung auch ins Unendliche beschwört hat. Wenn er aber tatsächlich nicht restituieren kann und dies nicht dolos verursacht hat, wird er nicht in mehr verurteilt, als die Sache wert ist, das heißt in die Höhe des Interesses des Gegners. Dieser Lehrsatz gilt allgemein und ist auf alle Interdikte und Klagen, sowohl dingliche wie auch persönliche, anzuwenden, bei denen nach richterlichem Ermessen etwas zu restituieren ist.

Paul. D. 6,1,71 (13 ad Sab.): Quod si possessor quidem dolo fecit, actor vero iurare non vult, sed quanti res sit adversarium condemnari maluit, mos ei gerendus est. Wenn der Besitzer zwar arglistig gehandelt hat, der Kläger aber nicht den Schätzungseid leisten will, sondern lieber will, dass der Gegner auf den Sachwert verurteilt wird, so ist ihm dies zu gestatten.

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3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

II. Litis aestimatio Bereits oben kamen wir auf den Grundsatz der Geldverurteilung zu sprechen.694 Die condemnatio pecuniaria hat sich aus der altzivilen persönlichen Haftung und deren Ablösbarkeit in Geld entwickelt.695 Dieses Prinzip muss aber dort an seine Grenzen stoßen, wo es dem Kläger um eine Sache geht, welche ihm der Beklagte nicht ohne Weiteres herauszugeben bereit ist.696 Daher wurden bestimmte Aktionen mit einem besonderen Verfahren ausgestattet, das eine Naturalrestitution ermöglicht. Diese formulae arbitrariae697 finden sich bei allen Klagen in rem, bei vielen actiones in personam und auch bei Interdikten.698 Die Formel lautet z. B. neque ea res arbitrio tuo restituetur, [condema] quanti ea res erit.699 Dazu erlässt der iudex einen Zwischenbescheid und fordert darin den Beklagten auf, die Sache zu restituieren.700 Dieser kann einen Freispruch für sich erreichen, wenn er die Sache daraufhin herausgibt.701 Wird die noch vorhandene Sache702 hingegen nicht herausgegeben, bleibt es bei der Abschätzung der Sache in Geld als Grundsatz der condemnatio pecuniaria. Die Schätzung des Sachwertes ob694  Nochmals der Hinweis auf Gai. 4,48: Omnium autem formularum, quae condemnationem habent, ad pecuniariam aestimationem condemnatio concepta est. Vgl. auch Ulp. D. 2,9,5 und D. 42,1,6,1; siehe grundlegend E. Betti, Studi sulla litis aestimatio I, II, Pavia 1915, passim; G. Brini, Della condanna nelle legis actiones, Neudruck Rom 1978, passim; Levy, SZ 42 (1921), S. 476 ff.; lesenswert auch v. Lübtow, SZ 68 (1951), S. 320 ff.; weitere Literaturhinweise bei Kaser / Hackl, § 54 A. 20. 695  Dazu schon oben Zweiter Teil, § 2 I. 7. 696  Seit der lex Iulia de vi privata war die bewaffnete Selbsthilfe verboten, so dass der „loyale“ Bürger sich mit der condemnatio pecuniaria abfinden musste, vgl. Cic. de leg. 3,18,42; siehe auch Levy, SZ 42 (1921), S. 379. Zur lex Iulia de vi siehe nur Kaser, RP I2, S.  222 m. w. N. 697  Vgl. Gai. 4,141 und 163. Auch Ulp. D. 4,2,14,4: actio arbitraria; Pap. D. 22,1,3,1: iudiucia arbitraria. 698  Vgl. zu den weiteren mit formula arbitraria ausgestatteten Klagen nur Kaser / Hackl, § 48 I. und IV., besonders A. 45. Grundlegend Levy, SZ 36 (1915), S. 6 ff.; die Namensgebung ist allerdings nicht einheitlich. 699  Z. B. bei der rei vindicatio, vgl. Gai. 4,34,51; Inst. 4,6,31; Lenel, EP, S. 185 f. 700  Vgl. zur pronuntiatio Gai. D. 44,2,15; Ulp. D. 3,3,40,2. Zum iussum de restituendo Inst. 4,17,2; Alf. D. 6,1,57. Zum Inhalt des Restitutionsbefehls vgl. nur die reichhaltigen Hinweise bei Kaser / Hackl, § 48 III. ab A. 25. Einzelheiten sind hier weniger von Interesse. 701  Vgl. nur Schulz (oben Fn. 366), S. 370. Wahrscheinlich innerhalb der alten 30-tägigen Leistungsfrist der XII-Tafeln, vgl. XII-tab. 3.1, dazu FIRA I2, 32; vgl. Pennitz, S. 320. 702  Seit der Hochklassik führt auch der nicht zu vertretende Untergang der Sache zum Freispruch des Beklagten, vgl. Kaser, Restituere, S. 68 ff., 157 ff. Einen Hinweis finden wir bei Ulp. D. 6,1,15,3.



§ 1  Der Schätzungseid im klassischen Recht163

liegt grundsätzlich dem Richter.703 Diese Abschätzung des Streitgegenstands nennen die Quellen litis aestimatio, wobei damit sowohl die Abschätzung als solche als auch die Schätzsumme als auch schließlich die Verurteilung in diese Summe gemeint sein kann.704 Ein direkter Zwang zur Restitution ist im klassischen römischen Recht demnach unbekannt,705 der Kläger hat keinen dinglichen Anspruch und verliert unter Umständen sein Eigentum, der Beklagte haftet ihm nicht auf Herausgabe.706 Schon oben wurde auf die Schwierigkeiten mit dieser „Zwangsenteignung“ hingewiesen, die einige Autoren dazu gebracht haben, sie zu verneinen.707 Die Sachherausgabe wird erst im nachklassischen Kognitionsprozess geschuldet und direkt erzwungen.708 Interessant ist, warum die Kompilatoren, für welche ja nur (noch) die Sachexekution in Frage kommt und die Geldverurteilung und damit der Eigentumsverlust nicht die Regel sind, dennoch diese Wirkungen betrachten und sie in den Digesten nicht tilgen.709 Diese Frage erscheint schon in den Basiliken bei Stephanos710 und wird später in harmonisierender Weise auf ein Wahlrecht zwischen Geld- oder Sachurteil zurechtgeschnitten.711 Wahrscheinlich hängt die Beantwortung der Frage mit einem Funktions- oder zumindest Verständniswandel der Abschätzung in Geld zusammen, worauf wir später noch zurückkommen werden.

III. Modifikation der Schätzung – Straffunktion als Grund für die Selbstschätzung Das iusiurandum in litem gibt Zeugnis einer Modifikation der Schätzung: Verweigert der Beklagte die Herausgabe der Sache nach dem iussum de restituendo oder hat der Beklagte die Herausgabe dolos unmöglich ge­ 703  Gai. 4,48: iudex aestimata re pecuniam eum condemnat; Gai. 4,51: iudex, si condemnet, certam pecuniam condemnare debet, etsi certa pecunia in condemnatione posita non sit. Vgl. in unserem Zusammenhang besonders Paul. D. 12,3,2: solum aestimatur. Auch das Marcian-Fragment D. 12,3,5 ist aufschlussreich (ähnlich wie bei Paul. D. 12,3,2) in § 3: haec enim iudex aestimat. Sogleich im Text mehr. 704  Siehe dazu Kaser, Krit. Vjschr. 28 (1936), S. 67 f. 705  Vgl. Pomp. D. 6,1,70 und Paul. D. 25,2,9. Siehe schon oben Zweiter Teil, § 2 I. 7. 706  Vgl. Wubbe, FS Kaser (1976), S. 180; Pennitz, S. 250. 707  Vgl. oben in Fn. 174. 708  Z. B. C. 3,32,28 aus dem Jahr 294; auch D. 6,1,68 (insoweit überarbeitet): manu militari, dazu ausführlich V. Scialoja, Procedura civile romana, Padova 1936, S. 231 ff., und Tafaro, Quanti, S. 209 ff. Vgl. auch Wenger, SZ 59 (1939), S. 355 ff.; zu dem „Zickzackkurs“ schon Koschaker, SZ 37 (1916), S. 356. 709  Darauf weist besonders Levy, SZ 42 (1921), S. 480, hin. 710  Zu D. 12,3,2, siehe Heimbach II, S. 577, sch. 1. 711  So z. B. bei D. 6,1,46 von J. Cujaz, Operae VII, Neapoli 1722, S. 315.

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3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

macht,712 schiebt der Richter dem Kläger den Schätzungseid713 zu.714 Nunmehr kann der Kläger selbst den Wert der Sache veranschlagen, auf den dann das Geldurteil des Richters lautet.715 Die Voraussetzung für die Delation des Eides ist die contumacia des Beklagten.716 Anknüpfungspunkt ist dabei die Widerspenstigkeit, die Unbotmäßigkeit oder die Renitenz des Beklagten gegen die Aufforderung zur Naturalrestitution.717 Der Vorwurf der contumacia knüpft dabei nicht an dolus oder culpa hinsichtlich der Verweigerung an; entscheidend ist das absichtliche, destruktive Verhalten des Beklagten, das als solches nicht fahrlässig oder arglistig sein kann.718 Infolge der contumacia bleibt zwar das zu schätzende Objekt dasselbe, die Schätzmethode aber ändert sich719: Nicht mehr der Richter legt den maßgeblichen Wert der umstrittenen res fest, sondern nunmehr der Kläger nach seiner Einschätzung der Werthaltigkeit der Sache. Iusiurandum und aestimatio gehen aber beide von derselben res aus. Ebenso wie im geltenden Recht geht es dabei zunächst um Beweisfragen.720 Die streitbefangene res, die lis, wird gerade nicht vor den Richter geführt, so dass dieser sie nicht in Augenschein nehmen und eine Schätzung vornehmen kann und es eines anderen Beweismittels hinsichtlich des für die condemnatio pecuniaria ja vorauszusetzenden Geldwertes bedarf.721 712  Paul.

D. 12,3,2. nannte man dieses prozessuale Institut auch „Würderungseid“, vgl. z. B. Glück / Leist, Pandekten 12, 2, S. 398. Vgl. noch § 260 Abs. 2 ZPO (1879): „Die Vorschriften über den Würderungseid werden aufgehoben.“ 714  Ulp. D. 12,3,4,1 f.; Diocl. C. 3,32,21. Auch aus Ulp. D. 43,24,15,9 geht das „Zusammenspiel“ der Schätzungsmethoden hervor: Sed quod interfuit, aut per iusiurandum, quod in litem actor iuraverit, aut, si iurare non possit, iudicis officio aestimandum est. Vgl. aber andererseits auch Ulp. D. 5,1,64pr.: Non ab iudice doli aestimatione ex eo quod interest fit, sed ex eo quod in litem iuratur. Zu diesem Widerspruch siehe Medicus, S. 205 ff. 715  Prägnant Grzimek, Taxatio, S. 142, der von einer Möglichkeit der Beteiligung des Klägers am Zustandekommen der Urteilssumme spricht. 716  Marc. D. 12,3,8; Iavol. D. 35,2,60,1; Paul. D. 46,1,73. 717  Chiazzese, Iusiurandum, S. 113 ff., spricht von Befehlsverweigerung als Ungehorsam gegenüber der richterlichen Restitutionsanweisung. 718  Vgl. Ulp. D. 11,1,11,4: … nam qui omnino non respondit, contumax est … quia praetorem contemnere videtur. Siehe schon Vangerow, Pandekten, § 171 A. 1. Vgl. Wubbe, FS Kaser (1976), S. 181 mit A. 13; ders., TR 35 (1967), S. 510, 519; Pennitz, S. 301 A. 229. Anders wohl aber Kaser, SZ 78 (1961), S. 212 f. 719  Siehe dazu schon oben, Zweiter Teil, § 2 I. 8.; vgl. Schröter, Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß 7 (1834), S. 398; auch Provera, Contributi, S. 81 f. 720  Vgl. § 287 Abs. 1 ZPO. 721  Mithilfe dieser These will Broggini, SZ 76 (1959), S. 601 f., das enge Verhältnis von iusiuramentum in litem und dem restituere-Gedanken geschichtlich „ver­ ankern“. Die reine Beweisfunktion nimmt er erst für den nachklassischen Prozess 713  Früher



§ 1  Der Schätzungseid im klassischen Recht165

Allerdings ergibt sich nach überwiegender Auffassung aus den Quellen noch eine weitere Funktion des iusiurandum in litem, die in unserem Zusammenhang wesentlich entscheidender erscheint. Die Selbstschätzung besitzt danach in der Hauptsache einen Straf- und Sanktionscharakter. Ob aber ein Beleg, der häufig für den Strafcharakter angeführt wird, tatsächlich trägt, wollen wir als Erstes näher betrachten. Es handelt sich um ein Paulus-Fragment aus dem für den Schätzungseid maßgeblichen Titel D. 12,3, nämlich um Paul. D. 12,3,2722: Sive nostrum quid petamus sive ad exhibendum agatur, interdum quod intersit agentis solum aestimatur, veluti cum culpa non restituentis vel non exhibentis p u n i t u r : cum vero dolus aut contumacia non restituentis vel non exhibentis, quanti in litem iuraverit actor. Ob wir etwas als unser einklagen oder ob wir auf Vorlegung klagen, manchmal wird nur das Interesse des Klägers geschätzt, zum Beispiel, wenn die Fahrlässigkeit des nicht restituierenden oder vorzeigenden Beklagten bestraft wird. Wenn es aber um Arglist und Widerwilligkeit des nicht Restituierenden oder Vorlegenden geht, wird geschätzt, wie hoch der Kläger im Schätzungseid beschworen hat.

Zwar spricht Paulus hier von punire, was inhaltlich wie gedanklich eine große Nähe zu poena und damit einen Hinweis auf einen Straf- oder Sanktionscharakter aufweist.723 Genau genommen redet der Jurist aber im Zusammenhang mit der culpa von punitur. Im zweiten Teil des Fragments (cum vero – rell.) fehlt zum einen dieses Verb, zum anderen ist der Satzbau wenig plausibel. Ein Hauptsatz, von dem der cum-Satz abhängt, ist ausgefallen. Man wird demnach den Hauptsatz (aestimatur) des vorangegangenen Gefüges ergänzen. Im cum-Satz selbst fehlt, wie angesprochen, ein Verb, dem Sinn- und Satzgefüge nach ist hier im Fall von dolus oder contumacia (!) ebenfalls punitur zu ergänzen. Damit wird aber schon klar, dass aus der Verwendung des Wortes punire kein Schluss auf einen Strafcharakter des iusiurandum in litem gezogen werden kann: Von punire spricht Paulus auch im ersten Fall der culpa, in dem, wie wir gesehen haben, der Schätzungseid ja gerade nicht zugelassen wird. Warum der Jurist also überhaupt von „bestrafen“ spricht, wird nicht klar. Jedenfalls kann die Verwendung im Zusammenhang mit in litem iuraverit actor so nichts über die spezielle Funktion des iusiurandum in litem aussagen, wenn auch (schon) die culpa, und damit unabhängig von der contumacia des Beklagten, „bestraft“ wird. Umso eran, ebd., S. 605 A. 50. Schipani, Studien im römischen Recht, Max Kaser zum 65. Geburtstag (1973), S. 173 ff., geht in diesem Zusammenhang (für actiones in rem) sogar von einer rein objektiven Beweisfunktion des Schätzungseids aus. 722  Als „ausdrücklicher“ Beleg für den Strafzweck herangezogen z. B. bei Pennitz, S. 302 A. 232; Grzimek, Taxatio, S. 145. 723  Vgl. nur Heumann / Seckel11, Eintrag punire. Siehe auch Mod. D. 1,3,7; Gai. 3,202: cum per legem Aquiliam, quae de damno lata est, etiam culpa puniatur.

166

3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

staunlicher ist dann, dass sich im gesamten Titel D. 12,3 nur dieser und in D. 12,3,8 ein weiterer Hinweis auf die Straffunktion des Schätzungseids finden lassen. Zumindest der erste erscheint nicht sehr überzeugend. Wenden wir uns dem zweiten Beleg zu, Marc. D. 12,3,8 (8 Dig.): Tutor rem adulti, quam possidet, restituere ei non vult: quaero, utrum quanti res est an quanti in litem iuratum fuerit condemnari debet, respondi: non est aequum pretio, id est quanti res est, litem aestimari, cum et c o n t u m a c i a p u n i e n d a sit et arbitrio potius domini rei pretium statuendum sit potestate petitori in litem iurandi concessa. Der Vormund will eine Sache seines Mündels, die er besitzt, diesem nicht herausgeben. Ich frage, ob er darauf verurteilt werden muss, wie viel die Sache wert ist oder was der Kläger geschätzt hat. Geantwortet habe ich, dass es nicht gerecht ist, die Sache nach dem Betrag, das heißt, was die Sache wert ist, geschätzt wird, weil einerseits auch die Störrigkeit des Beklagten bestraft und andererseits der Wert der Sache eher nach der Einschätzung des Eigentümers ermittelt werden soll, wenn schon zugelassen wurde, dass der Kläger die Möglichkeit zum Schätzungseid erhält.

Zunächst ist an dieser Stelle kurz auf die Übersetzung einzugehen. Wir haben uns bereits mit der Bedeutung von pretium auseinandergesetzt.724 Marcellus erläutert hier sein Verständnis von pretium näher: Es handelt sich insofern um quanti ea res est, also um eine objektiv zu bemessene Größe. Gleichzeitig wird am Ende des Fragments aber deutlich, dass pretium (allein) nicht immer in dieser objektiven Bedeutung Verwendung findet. Vielmehr kann der „Gegenwert“ ausweislich der Stelle ja auch nach der Meinung des Eigentümers festgestellt werden. Eine andere Nuancierung erhält die Aussage, wenn man – mit Blick auf Iul. D. 25,2,22pr. (qui litis aestimationem suffert, emptoris loco habendus est) – pretium hier mit „Preis“ übersetzt. Inhaltlich geht es dem Juristen um die Begründung, warum für die Wertbestimmung der lis nicht quanti ea res est, sondern die vom Kläger geschworene Summe entscheidend sein soll. Der Jurist gibt eine zweifache Begründung: Zum einen muss die contumacia bestraft werden, zum anderen muss der Schätzungseid nach seiner Delation auch konsequent zu Ende geführt und der Sachwert nach dem klägerischen Ermessen bestimmt werden. Das zweite Argument erscheint als ein solches a fortiori.725 Marcellus geht – ebenso wie Paulus (!) – davon aus, dass die Widerspenstigkeit des Beklagten sanktioniert werden muss. Aus der Formulierung erfahren wir, dass der Tutor contumax ist. Hier liegt aber der Gegensatz zur Aussage bei Paulus, welcher ja – wie gesehen – in allen Fällen (culpa, dolus, contumacia) von punire sprechen will und damit eine eindeutige Zuordnung der 724  Vgl.

oben in Fn. 322. SZ 36 (1915), S. 64, spricht insofern ungenauer von „logischer Deduk-

725  Levy,

tion“.



§ 1  Der Schätzungseid im klassischen Recht167

Straffunktion zum iusiurandum in litem verwässert. Alles in allem erscheint Marcellus eher als Gewährsmann für den sanktionierenden Charakter des Schätzungseids. Nehmen wir die Quellen außerhalb des dritten Titels des 12. Buchs in Augenschein, die Aufschluss über die angenommene Funktion der Schätzungseinrichtung geben; zunächst Paul. D. 46,1,73 (76 ad ed.): Cum procurator in rem agebat, cautionem dederat ratam rem dominum habiturum: postea victo eo dominus reversus iterum de eadem re agitabat, et cum reus haberet possessionem, et noluit eam restituere et ideo magno condemnatus est: in amplius fideiussores non tenentur: hoc enim non debet imputari fideiussoribus, quod ille propter suam poenam praestitit. Als ein Prokurator eine dingliche Klage anstellte, hatte er Sicherheit geleistet, dass der Geschäftsherr genehmigen werde. Später, nachdem er die Klage verloren hat, klagte der zurückgekehrte Geschäftsherr noch einmal wegen derselben Sache und weil der Beklagte die Sache noch hatte und sie nicht herausgeben wollte, wurde er daher in eine größere Summe verurteilt. Die Bürgen werden aber nicht bezüglich dieser größeren Summe in Anspruch genommen. Denn, was jeder wegen seiner Strafe zu leisten schuldig ist, darf den Bürgen nicht angerechnet werden.

Wiederum spricht Paulus von poena. Hier wird der Zusammenhang mit der contumacia aber schon klarer, noluit eam restituere. Zudem redet Javolen im Zusammenhang mit der rei vindicatio aufgrund eines Vindikationslegats726 ebenfalls davon, dass der wegen der Strafwirkung erhöhte Schätzwert nicht Grundlage der Berechnung nach der lex Falcidia727 sein kann, Iavol. D. 35,2,60,1 (14 ex Cass.): Legato petito cum in litem iuratum est, ratio legis Falcidiae non eius summae, in quam legatarius iuravit, haberi debet, sed eius, quanti re vera id fuit quod petitum est: nam id quod poenae causa adcrevit in legem falcidiam non incidit. Wenn ein Vermächtnis eingeklagt wurde und der Schätzungseid geschworen wird, muss für die Berechnung nach der lex Falcidia nicht die Summe zugrunde gelegt werden, die der Vermächtnisnehmer geschworen hat, sondern die, die dem wahren Wert der eingeklagten Sache entspricht. Denn was wegen der Strafe aufgeschlagen wird, fällt nicht unter die lex Falcidia.

Schließlich lässt die Definition Ulpians in D. 11,1,11,4 einen Schluss auf den Sanktionscharakter zu: Qui tacuit quoque apud praetorem, in ea causa est, ut instituta actione in solidum conveniatur, quasi negaverit se heredem esse. nam qui omnino non respondit, contumax est: contumaciae autem poenam hanc ferre debet, ut in solidum conveniatur, quemadmodum si negasset, quia praetorem contemnere videtur. Auch wer vor dem Prätor schweigt, ist in der Lage, dass er mit der erhobenen Klage aufs Ganze in Anspruch genommen wird, als wenn er verneint hätte, Erbe dazu nur Pennitz, S. 302 A. 232 a. E. haben wir schon oben gesehen, dass es nach dem Sinn der Vorschriften aus dieser lex ganz entscheidend war, eine objektive Bemessung der Erbschaft vorzunehmen, vgl. oben, Zweiter Teil, § 3 I. 2. 726  Vgl.

727  Hierzu

168

3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

zu sein. Denn jemand, der überhaupt nicht antwortet, ist auch störrisch. Er muss aber wegen des Ungehorsams die Strafe tragen, dass er aufs Ganze in Anspruch genommen wird, als hätte er geleugnet, weil er den Prätor offenbar missachtet.

Nichtsdestotrotz erscheint es im „Grenzbereich zwischen Privatrecht und (Privat-)Strafrecht“728 verwunderlich, dass sich die „Strafe“ aus der Schätzmethode ergeben soll. In den anderen Fällen des Privatstrafrechts erfolgt die Sanktion ja gerade über die Verdoppelung und Vervierfachung des quanti ea res est und damit des objektiv zu ermittelnden Sachwertes.729 Sollte der Schätzungseid demnach eine Strafwirkung entfalten, steht der Lösungsansatz doch etwas quer zu den übrigen Verfahren.730 Man darf vor allem bei der Diskussion um den Strafcharakter oder die Beweisfunktion des iusiurandum in litem nicht übersehen, dass die Parteiaussage des Klägers durch die Delation zum Eid direkten Einfluss auf die Höhe der Urteilssumme nimmt. Der Kläger tritt hier an die Stelle des iudex, wenn er das quanti ea res est festlegt. Wo sonst der Richter darauf angewiesen ist, nach seinem Ermessen und dazu mit anderen Beweismitteln den Wert der lis herauszufinden, wird nunmehr schlicht die Summe ausgeurteilt, die der Kläger geschworen hat. Dahinter steht die Tatsache, dass die Änderung der Schätzungsmethode jedenfalls den Druck auf den Beklagten erhöhen soll, die Sache zu restituieren. Ob daher der Schätzungseid eher ein Mittel der Prozessbeschleunigung ohne eine besondere Sanktionswirkung darstellt731 oder die Quellen 728  So

die Formulierung bezüglich des iusiurandum in litem bei Raber, S. 207. denke z. B. an die Litiskreszenz, die actio furti oder die actio vi bonorum

729  Man

raptorum. 730  In der Literatur zum iusiurandum in litem wird diese Auffälligkeit jedoch häufig nicht angemerkt, vgl. aber schon E. Betti, Studi sulla litis aestimatio I, Pavia 1915, S. 65; Schipani, Studien im römischen Recht, Max Kaser zum 65. Geburtstag (1973), S. 183 A. 35. Hinzuweisen ist aber der Vollständigkeit halber auf die pönale actio iniuriarium, bei der der Kläger seinen „Schaden“ ebenfalls (wohlgemerkt vor dem Prätor und nicht eidlich!) schätzen darf und diese Schätzung als taxatio dem iudex einen Anhaltspunkt für seine Entscheidung vorgibt, vgl. Gai. 3,224; Paul. coll. 2,6,1; Ulp. coll. 2,2,1. v. Lübtow, Labeo 15 (1969), S. 147, stellt dabei den Gedanken in den Vordergrund, dass die Verurteilung nicht über das hinausgehen sollte, was sich der Kläger selbst zugestanden hätte. Zu den weiteren Einzelheiten der Schätzung bei der actio iniuriarium vgl. nur Grzimek, Taxatio, S. 105 ff., und Nörr, FS Ankum (1995), S. 389 ff. Es lässt sich jedenfalls festhalten, dass die Schätzung durch den Kläger nicht im Vordergrund der Strafe steht und die Urteilssumme auch ohne sein Mitwirken zustande kommt (besonders im gravierenden Fall der iniuria atrox, vgl. nur Raber, Grundlagen, S. 100 ff.). 731  So z. B. vor allem Schulz (oben Fn. 366), S. 370; ihm folgend Pennitz, S. 302 A. 232; vgl. auch Nörr, SZ 112 (1195), S. 51 ff., 71 f.



§ 1  Der Schätzungseid im klassischen Recht169

tatsächlich von einer solchen ausgehen,732 erscheint nicht zuletzt wegen fehlender klarer Aussagen der Juristen im Rahmen des iusiurandum in litem fraglich. Wahrscheinlich werden wir von einem Funktionswandel des Prozessinstituts ausgehen müssen. Vielleicht stellte sich der Schätzungseid bei seinem Aufkommen tatsächlich als bloßes Schätzungsmittel dar, mit dessen Hilfe der Prozess effizient und zügig abgewickelt werden sollte. Dann hätte im Laufe der Zeit, in der auch ein Bedürfnis aufkam, die unbilligen Folgen der condemnatio pecuniaria abzumildern, eine überhöhte Schätzung als Druck- und mit der Verurteilung als Strafmittel gegen den Beklagten gewirkt, bis schließlich dem Eid durch richterliche taxatio733 Grenzen gesetzt wurden, um Auswüchse der Schätzung infolge verloren gegangener sittlicher Maßstäbe und religiöser Bindung an die Ernsthaftigkeit des Eides734 zu verhindern. Dieses Bild der Entwicklung zeichnet überaus glaubhaft Broggini.735 Er leugnet den Strafzweck nicht, macht ihn aber im ökonomisch-sozialen Bereich fest. Zu den Folgen dieses Ansatzes kommen wir noch gleich im Text. Schipani verneint für die Anfänge des Formularprozesses jede Druckwirkung des iusiurandum in litem und geht davon aus, dass der Schätzungseid sogar die einzige Form der Wertermittlung war.736 Erst im Anschluss habe man zwischen dolus und culpa hinsichtlich des non restituere unterschieden und divergierende Wertermittlungsmethoden angewendet. Zudem sei die unvollständige Sachrestitution immer mehr deliktisch aufgefasst worden, was den Wechsel der Perspektive vom bloßen non restituere hin zur Differenzierung zwischen dolus und culpa hervorgebracht habe. Wie dem auch immer sei, geben die Quellen deutliche Belege dafür, dass es sinnvoll und nötig erschien, den klägerischen Eid zu begrenzen. Die taxatio, also die im Vorfeld durch den Richter festgelegte Höchstsumme, die der Kläger nicht überschreiten konnte, ist schon genannt worden.737 Eine andere Möglichkeit, eine ausufernde Schätzung zu verhindern, liegt wohl darin, dass der Richter im Nachhinein die geschätzte Summe herabsetzen kann. Aussagen dazu finden wir bei Ulpian in D. 12,3,4,3 und bei Marcellus in D. 12,3,5,2. Auch wenn diese Stellen unübersehbare Brüche aufweiz. B. Chiazzese, Iusiurandum, S. 147 ff.; Grzimek, Taxatio, S. 145. zur taxatio als Begrenzung nur Grzimek, Taxatio, S. 152 ff., 163 ff., und schon Nörr, SZ 112 (1995), S. 51 ff., 73 f. 734  Vgl. zum Niedergang des Eides nur Schipani, Studien im römischen Recht, Max Kaser zum 65. Geburtstag (1973), S. 188 A. 45 mit reichhaltigen Hinweisen. 735  SZ 76 (1959), S. 604 ff. 736  Studien im römischen Recht, Max Kaser zum 65. Geburtstag (1973), S. 173 ff., besonders S. 186 ff. 737  Nochmals der Hinweis auf Ulp. D. 12,3,4,2 (sed an iudex – rell.) und Marc. D. 12,3,5,1. 732  So

733  Siehe

170

3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

sen, scheint doch in klassischer Zeit über die Bejahung dieser Art der Begrenzung eine Diskussion bestanden zu haben.738

IV. Folgen der Verurteilung – Quasikauf als Begründung für die Selbstschätzung Betrachten wir die Folgen der Verurteilung in die vom Kläger geschworene Summe, um vielleicht auch aus diesem Blickwinkel mehr Licht auf die Frage nach dem Grund und den Wirkungen der Selbstschätzung zu werfen. Ausgangspunkt soll die Frage sein, was rechtlich gesehen mit der lis nach der Bezahlung der Urteilssumme durch den Verurteilten geschieht. Zunächst ist festzuhalten, dass dieser durch das iudicium nicht etwa zivilrechtliches Eigentum an der lis erwirbt. Einerseits kann der Richter quiritisches Eigentum rechtsgestaltend nur bei solchen Klagen zusprechen, die eine adiudicatio enthalten.739 Andererseits fehlt es darüber hinaus bei res mancipi schon von vornherein an der nötigen Form. Aber auch eine bloße Tradition scheidet aus, weil es doch an der Besitzübertragung oder an der iusta causa fehlt.740 Dass der Kläger jedoch seine Beziehung zur lis verliert, erscheint ebenfalls klar. Durch die Bezahlung der Urteilssumme ist seine Sachbeziehung durchbrochen. In welche Rechtsposition aber der Verurteilte nach Bezahlung eintritt, dafür fehlen frühe Zeugnisse. Offensichtlich gab es eine Diskussion um die „Enteignungswirkung“ der Zahlung, an deren Ende Pomponius in D. 6,1,70 bereits ganz konkret formulierte, wann die Enteignung nicht eintritt.741 In der Hochklassik formuliert Julian das rechtliche Schicksal in D. 25,2,22pr.: qui litis aestimationem suffert, emptoris loco habendus est. Ulpian übernimmt diesen Gedanken und verallgemeinert ihn in D. 41,4,3: litis aestimatio similis est emptioni.742 Der Verurteilte wird 738  Vgl. nur Pennitz, S. 303 mit A. 236; Kroppenberg, SZ 121 (2004), S. 631; Broggini, Origini, S. 143; Provera, Contributi, S. 102 ff. Auf den sich dann jedoch ergebenden Widerspruch zu Ulp. D. 6,1,68 sine ulla taxatione und Ulp. D. 12,3,4,2 iurare autem in infinitum licet kann hier nicht eingegangen werden, vgl. dazu Grzimek, Taxatio, S. 156 ff. m. w. N., der insofern auch hier die Manifestation eines Juristenstreits erblickt. Kritisch dazu Kroppenberg, SZ 121 (2004), S. 631: Es handelt sich ja tatsächlich um ein und denselben Juristen. 739  Nur die actio familiae eriscundae, die actio communi dividundo und die actio finium regundorum, siehe Gai. 4,42; auch Ulp. D. 10,2,22,3; vgl. auch Kaser, RP I2, S. 590 ff., und Kaser / Hackl, § 50 II., jeweils m. w. N. Zur Klausel selbst siehe V. Arangio-Ruiz, Scritti II, Napoli 1974, S. 36 ff. 740  Levy, SZ 42 (1921), S. 484. Vgl. zu den weiteren Fragen nur die Nachweise bei Kaser / Hackl, § 55 II. mit A. 23. 741  Vgl. nur Pennitz, S. 311 f. auch m. w. N. 742  Aufgegriffen wird Julians Idee in Gai. D. 41,4,1, Paul. D. 25,2,9 und Ulp. D. 6,2,7,1, D. 27,9,3,2, D. 42,4,15. Dabei deutet der unterschiedliche Sprachge-



§ 1  Der Schätzungseid im klassischen Recht171

demnach als Käufer743 der lis angesehen, er erwirbt Ersitzungsbesitz pro emptore744 und wird, wenn der Kläger Eigentümer war, bonitarischer Eigentümer der Sache.745 Allerdings wendet sich Schulz746 gegen diese Ansicht, indem er die Annahme als zu weit gehend ablehnt. Gleichzeitig sieht er aber die Notwendigkeit des prätorischen Schutzes des verurteilten Besitzers, der ihm wie einem Eigentümer gewährt werden solle, anderenfalls sei die condemnatio pecuniaria sinnlos gewesen. Schulz’ Erwägungen sind zwar recht knapp gehalten, aber gewichtig. Auch Levy747 meint, „von einer Sukzession in die Rechtsstellung des Klägers kann keine Rede sein“. Zu weit geht jedenfalls wohl Ehrhardt748, der sogar den Erwerb von quiritischem Eigentum bejahen will. Dafür findet sich aber in den Quellen kein Beleg, der Begriff dominium ist neutral verwendet.749 Zuzugeben ist Schulz zweifach: Auf den ersten Blick würde somit durch ein Urteil doch Eigentum übertragen werden, was in dieser generellen Form brauch wohl nicht auf einen Unterschied in der rechtlichen Wirkung hin, vgl. Levy, SZ 42 (1921), S. 511 f. Anders sieht aber Murga, Scritti Guarino VI, S. 2607 ff., die Herkunft des emptoris loco-Gedankens, wenn er ihn nur Ulpian zuschreiben will. 743  Wichtig ist hier festzuhalten, dass es sich dabei nicht um einen Zwangskauf nach der älteren deutschen Expropriationstheorie (siehe dazu O. Gierke, Deutsches Privatrecht II, Leipzig 1905, S. 470) handelt. Den Kläger sollen nämlich in keinem Fall die Pflichten eines Verkäufers treffen. Das wird deutlich bei der Frage, ob der Kläger-„Verkäufer“ für Eviktion in Form von Prozesskautionen haften soll, vgl. z. B. Paul. D. 6,1,35,1–2; Pomp. D. 25,2,10; vgl. dazu auch A. Ehrhardt, Litis aestimatio im römischen Formularprozess: Eine Untersuchung der materiellrechtlichen Folgen der Geldverurteilung, München 1934, S. 182 ff. mit weiteren Quellen. 744  Zu den unterschiedlichen Varianten hinsichtlich des Besitzverlustes siehe nur die Ausführung der „Spielarten“ bei Levy, SZ 42 (1921), S. 495 ff. 745  Vgl. Ulp. D. 6,2,7,1; Paul. D. 6,1,46 f.; Gai. D. 41,4,1: possessor, qui litis aestimationem optulit, pro emptore incipit possidere; Argument auch aus Pomp. D. 6,1,70: actio quasi Publiciana, weil insofern der „Traditionswiderwille“ des Klägers nicht mit dem Traditionswillen der Formel (siehe Gai. 4,36: traditus est) gleichzusetzen ist, siehe Levy, SZ 42 (1921), S. 485. Vgl. auch Levy, SZ 43 (1922), S. 530 ff.; Provera, Contributi, S. 120, der sich insofern auch klar gegen eine Einigung zwischen Beklagtem und Kläger bezüglich „la transazione, che pone fine alla controversia“ ausspricht. Auf die Schwierigkeiten beim Element der traditio geht Pennitz, S. 309 A. 267 (S. 310) ein, der überhaupt einen erschöpfenden Einblick in das rechtliche Schicksal der res litigiosa gibt, S. 306 ff., 313 f.; vgl. auch Kaser, RP I2, S. 437 A. 54 m. w. N. Vorsichtiger formuliert bei Kaser / Hackl, § 55 II. 2.: „Man stellt den Beklagten einem Käufer gleich und lässt ihn Eigentümer werden.“ 746  Oben Fn. 366, S. 371. 747  SZ 42 (1921), S. 486. Einen älteren Überblick über die Meinungen und vertretenen Theorien gibt E. Carelli, L’acquisto della proprietà per litis aestimatio nel processo civile, Milano 1934, S. 3 ff. 748  Litis aestimatio, S. 162 ff. 749  Vgl. z.  B. Gai. 1,54 und 2,40; siehe Weimar, Melanges Wubbe (1993), S. 556 f.; zur Kritik an Ehrhardt auch Pennitz, S. 314 A. 285.

172

3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

offensichtlich nicht vom Ermessen des Richters gedeckt war.750 Andererseits sind die von der h. L. angegebenen Quellen in dieser Hinsicht auch nicht überzeugend genug. Der erste Einwand lässt sich jedoch dadurch entkräften, dass gerade nicht das Urteil über den Eigentumsübergang entscheidet, sondern die Zahlung der geschätzten Summe. Dem Erwerb des Eigentums ist demnach ein weiterer Schritt vorgeschaltet. Oder andersherum: Auf das Urteil des iudex folgen noch weitere Schritte, wenn über den Eigentumsübergang nicht er im iudicium entscheidet, wohl aber der Kläger durch seine Schätzung und jedenfalls der Beklagte durch die Zahlung der Summe noch mitwirken. Hinsichtlich des zweiten Einwands muss es an dieser Stelle bei der Forderung von Schulz751 bleiben: „The interpolated sources need fresh examination.“ Anzumerken ist aber, dass die Quellen das Problem um das Eigentum des Verurteilten freilich aus einem aktionenrechtlichen Blickwinkel behandeln, wenn es um den Rechtsschutz des Verurteilten geht. Der frühere Sachberechtigte wird von der Sachverfolgung ausgeschlossen, indem nunmehr der Beklagte als neuer Berechtigter, weil er zuvor die vom Kläger geschätzte Urteilssumme gezahlt hat, prätorischen Schutz erfährt.752 Ist der vormals Beklagte z. B. noch im Besitz der Sache, wird er als Besserberechtigter im Rahmen der actio Publiciana angesehen, um seine infolge der Zahlung der Schätzsumme erworbene Position zu sichern.753 Dazu kommt, dass auch ein erneuter Prozess des Klägers nicht etwa materiell-rechtlich scheitert, sondern entweder aus Konsumptionsgründen abgelehnt oder gegen einen erneuten Angriff auf die Sache die exceptio rei quasi venditae et traditae gewährt wird.754 Kommen wir auf das Verständnis dessen zurück, was die Zahlung der Schätzsumme für Konsequenzen mit sich bringt: Wirken Kläger und Beklagter doch in einer Art Kauf zusammen, welcher den Eigentumsübergang begründet, kommt der Selbstschätzung durch den actor eine tragende Rolle 750  Dass man im Fall der Folgen des Schätzungseids gerade nicht an eine adiucatio dachte, zeigt die Gegenüberstellung bei Ulp. D. 6,2,7pr. und 1. Dem Richter als iudex privatus wollte man eine solche Hoheitsgewalt nur in den genannten festgelegten Fällen zukommen lassen. 751  Oben Fn. 366, S. 371. Eine Aufforderung, der auch Pennitz nicht hinreichend nachkommt. Unter unserer Fragestellung führte eine tiefere Untersuchung indes zu weit. 752  Vgl. Levy, SZ 42 (1921), S. 483 f. 753  Z. B. Ulp. D. 6,2,7,1. Vgl. aber Pomp. D. 6,1,70 wohl für den Fall, dass der Besitz per rapinam erlangt wurde. Vgl. auch noch Paul. D. 41,4,2,21; D. 41,3,4,13; D. 47,2,85; Iul. D. 25,2,22pr.; Nerat. D. 16,3,30; Ulp. D. 13,6,5,1. 754  Siehe nur Levy, SZ 42 (1921), S. 499 f. mit zahlreichen Belegen und Fall­ varianten.



§ 1  Der Schätzungseid im klassischen Recht173

im Zusammenhang des Quasikaufvertrags zu: Er bestimmt nämlich insofern (einseitig und ohne jede Möglichkeit der Verhandlung für den Beklagten) den Kaufpreis. Diesen Ansatz verfolgt Levy755, wenn er das Zahlungsverlangen in Höhe des iusiurandum in litem als rechtsgestaltende Willenserklärung des Klägers im Rahmen des Quasikaufvertrags auffasst. Damit kann der Kläger seine subjektive Beziehung zur Sache in der Schätzsumme in Anschlag bringen, ebenso wie er diesen „Preis“ in einem normalen Kaufvertrag hätte erlösen wollen. Angedeutet finden wir diese Überlegung auch in Paul. D. 6,1,46 (10 ad Sab.): Eius rei, quae per in rem actionem petita tanti aestimata est, quanti in litem actor iuraverit, dominium statim ad possessorem pertinet: transegisse enim cum eo et decidisse videor eo pretio, quod ipse constituit. Das Eigentum an der Sache, die mit der actio in rem herausgefordert wurde und für deren Wert der Kläger den Schätzungseid geschworen hat, geht sofort auf den Besitzer über: Denn ich scheine mich mit diesem verglichen und den Streit zu dem Preis beigelegt zu haben, den er selbst festgelegt hat.

Im Rahmen des iusiurandum in litem bei der rei vindicatio wird demnach angenommen, der Kläger habe sich mit dem Beklagten über einen Eigentumsübergang zu dem Preis geeinigt, den der Kläger selbst vorgegeben hat.756 Dieser Schluss stimmt mit dem eben Gesagten überein, verkürzt aber die rechtliche Konstruktion um die Voraussetzung der Ersitzung, wenn das Eigentum statim übergehen soll. Der Aspekt der „Einigung“ passt dabei auch zu den Zeugnissen über die Funktion, die ein iuramentum an anderer Stelle haben soll, Gai. D. 12,2,1 (5 ad ed. prov.): Maximum remedium expediendarum litium in usum venit iurisiurandi religio, qua vel ex pactione ipsorum litigatorum vel ex auctoritate iudicis deciduntur controversiae. Man nutzt als bestes Mittel zur Erledigung von Rechtsstreitigkeiten die gewissenhafte Berücksichtigung des Eides, mit dem entweder durch Vereinbarung der Streitenden oder durch Veranlassung des Gerichts Streitfälle entschieden werden.

Auch hier wird doch deutlich, dass durch einen Eid757 die Streitigkeit beigelegt wird. Freilich ist der Schätzungseid infolge von contumacia kein in jeder Hinsicht mit dem Gaius-Fragment vergleichbarer Eid, weswegen 755  SZ

42 (1921), S. 488. aber die Übersetzung bei Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler, CIC II: Dort wird transegisse cum eo nicht auf actor bezogen, sondern auf den beklagten Besitzer. Dieser ist dann auch Subjekt des quod-Satzes. Damit ergibt das Fragment aber keinen Sinn (mehr). Wieso sollte der Kläger schwören (insoweit unproblematisch), aber der Beklagte den Preis selbst bestimmt haben? Das Subjekt von videor kann nur der Beklagte sein, cum eo sich nur auf actor beziehen. Vgl. die zutreffende Auflösung bei Levy, SZ 42 (1921), S. 488. 757  Siehe zu den möglichen Parteieiden nur Kaser / Hackl, §  36 m. w. N. 756  Beachte

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3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

Paulus in D. 6,1,46 auch gewissermaßen einschränkend von videor spricht.758 Gleichzeitig ergibt sich aus der Stelle ein deutlicher Hinweis auf die Vorstellung, dass die Schätzsumme die Funktion des pretium einnimmt. Dieses Verständnis zeigt auch Pomp. D. 6,1,70: ab invito domino rem iusto pretio comparare. Schließlich zeigt Paulus in D. 25,9,2 (non enim aequum est invitum suo pretio res suas vendere) deutlich den Zusammenhang zwischen Zwangskauf und einseitiger subjektiver Preisgestaltung an. Gegen den störrischen Beklagten kann der Kläger also sein Interesse an der Sache als Wertäquivalent beim Zwangskauf in Stellung bringen. „Verliert“ er die Sachberechtigung, dann soll dies (wenigstens) zu einem Preis geschehen, den er vorgegeben hat. Problematisch erscheint aber, was Levy759 für einen Zusammenhang konstruieren will, wenn er behauptet, eine Enteignung sei nur dort möglich gewesen, wo man mit dem iusiurandum in litem das letzte und schärfste Zwangsmittel zur Naturalerfüllung eingesetzt hatte. Hierbei ist nämlich zu beachten, dass die „Enteignungswirkung“ ja auch in den Fällen eintritt, in denen der Beklagte nicht contumax war und „nur“ die vom Richter geschätzte Summe zahlt. Der Verlust der Sachberechtigung des Klägers hängt also nur notwendig, aber nicht hinreichend mit der Selbstschätzung zusammen. Der Kläger bestimmt nicht in jedem Fall den Kaufpreis der Sache selber und kann somit „seinen Verlust“ kompensieren. So steht z. B. bei bloßer culpa des besitzenden Beklagten dem Kläger dieser Einfluss auf den Zwangskauf ja gerade nicht offen; er muss sich vielmehr mit dem vom Richter ermittelten „Preis“ zufrieden geben. Nichtsdestotrotz lässt sich aus dem Paulus-Fragment D. 6,1,46 der entwickelte Gedanke ablesen, dem Kläger einen angemessenen Ausgleich zukommen zu lassen760, indem man die Ausgleichssumme subjektiv bestimmen lässt. Damit scheint sich auch das Ergebnis von Grzimek761 zu decken, wenn er davon spricht, dass der Sanktionscharakter für den Beklagten und der Ausgleich von subjektiven Interessen auf Seiten des Klägers als Spiegelbilder aufzufassen sind. 758  Das übersieht Provera, Contributi, S. 120, wenn er von einem Texteingriff ausgeht (zu oben Fn. 745). 759  SZ 42 (1921), S. 487. 760  So versteht Raber, S. 208, den Grund für die Selbstschätzung einerseits im Ausgleichsgedanken, andererseits angesichts des oben besprochenen Strafcharakters in eben diesem Strafgedanken. Diese Erwägung findet sich auch bei Chiazzese, Iusiurandum, besonders S. 147 ff., der den Schätzungseid als Korrektur des absoluten Prinzips der condemnatio pecuniaria begreift. Ähnlich Provera, Contributi, besonders S. 71 ff., der von einer Korrektur der „technischen Anomalie“ spricht, die sich aus der Inkongruenz zwischen Klagebegehren und zweckmäßigem Prozessergebnis ergebe. 761  Taxatio, S. 142 f.



§ 1  Der Schätzungseid im klassischen Recht175

Allerdings wird dieser Zusammenhang mit der Preisbildung auch heftig bestritten. Ausgangspunkt ist die Unterteilung in Affektionseid und iusiurandum in litem veritatis, auf die sogleich noch einzugehen sein wird. Bei Glück762 findet sich der Hinweis auf Autoren, die davon ausgehen, dass der Kläger-Verkäufer seine Affektion gerade nicht in den Preis seiner Waren einrechnen könne und daher auch für den Schätzungseid der Affektionswert nicht zu veranschlagen ist. Eine solche Argumentation verkennt allerdings zweierlei: Zum einen handelt es sich beim iusiurandum in litem um ein prozessuales Instrument, das nicht den Marktgesetzen unterliegen muss. Es geht vielmehr um die Ermittlung des Grenzbetrags, zu dem der Kläger „bereit“ ist763, sein Eigentum zu übertragen. Zum anderen stehen eben gerade nicht marktwirtschaftliche Aspekte im Vordergrund, nach denen sich ein Marktpreis aus Angebot und Nachfrage ergibt,764 zumal selbst bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung der Verkäufer selbstverständlich frei ist, einen höheren, seine subjektive Beziehung zur Kaufsache abbildenden Preis zu fordern. Das Zustandekommen einer Einigung wird in diesem Fall eben nur dann erreicht, wenn der Käufer willens ist, die Affektionen seines Vertragspartners abzulösen. An ein solches Marktgeschehen schlösse sich dann aber die Frage an, ob man diesen zu erzielenden Preis (immer) noch den Affektionswert zu nennen in der Lage ist.765 So besteht zugleich die Gefahr eines Begründungszirkels, wenn der höhere Preis, zu dem ein Abnehmer gefunden wird, als Marktwert und nicht als Affektionswert bezeichnet wird. Vielleicht stellen die bei Glück766 Genannten auf diesen Zirkelschluss ab.767 Die Frage bleibt in den angeführten Nachweisen offen. Letztlich bleibt es aber dem Verkäufer aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten unbenommen, seine Affektion einzupreisen. Zusammenfassend erscheint neben der Motivations- und der Straffunk­ tion768 des Schätzungseids gegen den renitenten Beklagten auch die Preisgestaltung im Rahmen des Zwangskaufs eine schlüssige Erklärung dafür zu 12 II2, Erlangen 1841, S. 427 f., besonders A. 51. Formulierung ist natürlich wegen der zwingenden Geldverurteilung nicht im Sinne einer wirklichen Einigung zu verstehen, vgl. schon unten Fn. 758 bei Paul. D. 6,1,46: videor. 764  Dass dieser Umstand schon den Klassikern selbstverständlich war, zeigt doch Paul. D. 19,2,22,3: in emendo et vendendo n a t u r a l i t e r concessum est quod pluris sit minoris emere, quod minoris sit pluris vendere et ita invicem se circumscribere. Zudem kommt die laesio enormis erst in der Nachklassik auf, vgl. dazu nur Pennitz, FS Mayer-Maly 2 (2002), S. 575 ff., und Hackl, SZ 98 (1981), S. 147 ff. 765  Vgl. schon oben in Fn. 39. 766  Oben Fn. 762. 767  Grzimek, Taxatio, S. 151 A. 40, hält die Argumentation für „nicht schlüssig“. 768  Dazu noch einmal prägnant Wimmer (oben Fn. 172), S. 121. 762  Pandekten 763  Diese

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3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

liefern, warum dem Kläger eine Selbstschätzung über ultra rei pretium gestattet wurde.

V. Anwendung und Inhalt des Schätzungseids – Schätzung über den Marktwert? Es erscheint daneben noch notwendig, den Anwendungsbereich des prozessualen Instruments näher zu bestimmen und nach dem generellen Inhalt des Schätzungseids zu fragen. Oben sind wir von den Arbiträrklagen ausgegangen, bei denen das Interesse am Haben der Sachen als Kontrast zur bloßen Geldverurteilung in den Vordergrund gestellt wurde. Aber nicht nur bei den arbritären Judizien findet sich der Schätzungseid, sondern auch bei anderen Klagen, die im Einzelfall auf reddere oder restituere gehen und die Herausgabe der lis an den Kläger bezwecken wollen.769 Auch Marc. D. 12,3,5pr. spricht nicht nur von actiones in rem,770 sondern eben auch allgemein von bonae fidei iudicia.771 Man wird freilich die Äußerung des Juristen nicht allgemein auf die Zulassung des iusiurandum in litem bei allen bonae fidei iudicia verstehen dürfen, sondern nur bei solchen, die in obigem Sinne auf reddere oder restituere gehen.772 In diesen Fällen fehlt – in Ermangelung des Formelsatzes – zwar ein iussum de restituendo durch den Richter, nichtsdestotrotz wird die Androhung des Klägereids den Beklagten auch bei diesen Klagen zur Herausgabe motiviert haben, so dass das Klageziel durch das besondere Verfahren in größere Nähe rückt. Allein aufgrund der restituere-Regel in der Formel der betreffenden bonae fidei 769  Z. B. bei der actio negotiorum gestorum in Ant. C. 5,53,3; bei der actio locati in Marc. D. 19,2,48,1 (allerdings stark umstritten, vgl. nur die Nachweise bei Medicus, S. 183 f.); wie schon gesehen bei der actio tutelae in Ulp. D. 12,3,4pr.ff.; bei der actio commodati in Ulp. D. 5,1,64pr.; vgl. die ausführlichen Hinweise bei Kaser / Hackl, § 48 IV., besonders A. 45. 770  Ausnahmsweise konnte der Kläger wohl auch auf das iusiurandum in litem verzichten, vgl. Paul. D. 6,1,71: actor vero iurare non vult. 771  Auch Ulp. D. 13,6,3,2 spricht ganz allgemein: in ceteris bonae fidei iudiciis [similiter] in litem iurabitur. Vgl. dazu schon die umfangreiche Zusammenstellung bei v. Schröter, Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß 7 (1834), S. 371 ff.; C. Bertolini, Il Giuramento nel diritto privato romano, Neudruck Rom 1967, S. 224 ff.; Watson, TR 34 (1966), S. 177 ff., der mit einer großen Menge von Belegen für die Zulassung des Schätzungseids bei bonae fidei iudicia die Interpolationsverdächtigungen bezüglich des Marcian-Fragments wohl zerstreut hat; anders aber Broggini, Origini, S. 120 A. 7, der Schätzungseid bei bonae fidei iudicia sei unklassisch. Auch E. Betti, Studi sulla litis aestimatio I, Pavia 1915, S. 57 A. 86, hält die Anwendung bei bonae fidei iudicia für unklassisch. Neuerdings hält Wacke, S. 584, den Schätzungseid bei allen bonae fidei iudicia für anwendbar. 772  Mit dieser Einschränkung schon v. Schröter (vorherige Fn.). Neuerdings auch Grzimek, Taxatio, S. 147 f., ebenso Kroppenberg, SZ 121 (2004), S. 631.



§ 1  Der Schätzungseid im klassischen Recht177

iudicia ist der Beklagte (insofern unstreitig) in der Lage, durch Befriedigung des Klägers, das heißt eben durch Restitution, zwischen litis contestatio und Urteil frei zu werden.773 Restituiert der Beklagte hingegen nicht, kommt es unter gewissen Umständen zur Selbstschätzung der lis durch den Kläger und zur Verurteilung des Beklagten in diese Summe. Diese Schätzung erfolgt, wenn auch der Richter sie durch eine Höchstsumme begrenzen kann, meist höher als der eigentliche Wert der Sache. Das folgt eindeutig und unzweifelhaft aus Ulp. D. 12,3,1 (ultra rei pretium). Derselbe Jurist spricht in D. 12,3,4,2 von iurare in infinitum licet. Auch aus Marc. D. 12,3,8 geht hervor, dass die Schätzung nach dem Gutdünken (denn auch diese Bedeutung schwingt selbstverständlich bei arbitrium mit) des Eigentümers, das heißt des Klägers, geschehen soll. Es darf dabei allerdings nicht übersehen werden, dass dem Kläger die Ernsthaftigkeit seines Eides trotz der zu vermutenden Verwässerung ein allzu unbotmäßiges Verhalten und damit eine exorbitante Schätzung untersagt haben wird.774 Zudem geht es (immer noch) um die Ermittlung dessen, quanti ea res est. Schließlich entnehmen wir Paul. D. 12,3,11775 und Ulp. D. 12,3,4pr.776, dass der Kläger durchaus Gefahr laufen kann, einen Meineid zu begehen. Vielleicht ist nicht in erster Linie an ein Verfahren gegen den ein periurium begehenden Kläger zu denken, wie ja auch Paulus berichtet (non solere), immerhin ist der Eid durch das Verhalten des renitenten Beklagten veranlasst (ex necessitate iuris). Die moralische Verpflichtung zur Ernsthaftigkeit darf aber nicht unterschätzt werden. Insofern spricht Ulpian in D. 12,3,4,1 davon, dass es ohne richterliche Delation keine religiöse Bindung und damit keinen Eid geben kann (nulla religio nec ullum iusiurandum).777 Allerdings spricht der Jurist in D. 12,3,4,2 auch die Gefahr an, die gegeben ist, wenn der Kläger arrepta occasione in immensum iuretur. Hier wird ersichtlich, dass das Recht auch mit – wenngleich missbräuchlichen – Schätzungen über den Marktwert hinaus rechnet. Zwar ist uns kein Text überliefert, der sich mit dem tatsächlichen Inhalt und der Höhe des Schätzungseids beschäftigt.778 Zugleich gibt uns kein 773  Gai. 4,114; zur Ergänzung der dortigen Lücke vgl. nur Kaser, Restituere, S. 106 ff. mit Ausführungen zum Schulenstreit um omnia iudicia absolutoria esse; weitere Nachweise auch bei Kaser / Hackl, § 42 II. 3. A. 16. 774  Darauf weist besonders Schulz (oben Fn. 366), S. 370 hin. 775  De periurio eius, qui ex necessitate iuris in litem iuravit, quaeri facile non solere. 776  […] grave enim videbatur et ignorantes et invitos tutores sub alieni compendii emolumento etiam p e r i u r i u m anceps subire. 777  Vgl. Wubbe, FS Kaser (1976), S. 180; Pennitz, S. 303 A. 234. 778  Siehe nur Grzimek, Taxatio, S. 144 f., 151.

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3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

Jurist Notiz darüber, wie sich das ultra rei pretium im Konkreten darstellt. Nur indirekt lässt sich aus den Quellen schließen, dass sie gleichsam von dem Normalfall ausgehen, in dem der Beklagte die lis herausgibt und über den tatsächlichen Inhalt des Schätzungseids nicht mehr entschieden werden muss. Auf der anderen Seite berichten uns einige Quellen von Sachverhalten, in denen der Beklagte die geschätzte Urteilssumme, welche über dem Marktwert der lis liegt, zahlt, um die Sache behalten zu können.779 Ob eine solche auch immensum war, wissen wir indes nicht. Insgesamt aber können wir trotz der fehlenden quantitativen Angaben in den Quellen in den Fällen des iusiurandum in litem von der Geltendmachung der besonderen Wertschätzung durch den Kläger ausgehen. Denn dieser wird nicht auf die Schätzung des Richters verwiesen, sondern bekommt das Heft der Beurteilung und Wertschätzung der lis in die Hand.780 Das geschieht, indem der Kläger zum Parteieid über eine für das Urteil entscheidende Tatsache, nämlich über den Wert der Streitsache, zugelassen wird und er seine Einschätzung der lis als Beweis des quanti ea res est einführt.781 Das römische Recht rechnet also mit Schätzungen der Streitsache über dem Marktwert und weiß eine übergebührliche Geltendmachung und einen Missbrauch zu verhindern.

VI. Ergebnis Wir haben für das iusiurandum in litem gesehen, dass es treffende Gründe gibt, eine Schätzung ultra pretium rei zuzulassen. Es versteht sich von selbst, dass dabei der Kläger, gewisse Einschränkungen erfahrend, seine besondere Wertvorstellung der Sache gegen den renitenten Beklagten veranschlagen kann und diese in der Urteilssumme in Geld zugesprochen erhält. 779  Z. B. Iul.-Ulp. D. 6,2,7,1: Si lis fuerit aestimata, similis est venditioni: et ait Iulianus libro vicensimo secundo digestorum, si optulit reus aestimationem litis, Publicianam competere. 780  So auch Raber, S. 208; Grzimek, Taxatio, S. 150. Die krasse Kontrastierung zwischen pönalem Element und affektivem Interesse der Schätzung, wie sie Kroppenberg, SZ 121 (2004), S. 631, vornimmt, geht zu weit. Mag im iusiurandum in litem auch ein Sanktionscharakter zu erblicken sein, sagt das noch nichts über die in die Schätzung einfließenden subjektiven Befindlichkeiten im Hinblick auf die lis. Es handelt sich weniger um einen Gegensatz als eher um ein Sowohl-als-auch beider Aspekte. 781  Zu ungenau ist daher Wieling, S. 161, wenn er davon ausgeht, das iusiurandum in litem habe keine Tatsache, sondern eine Ansicht des Klägers darüber zum Inhalt, in welcher Höhe ihm ein S c h a d e n entstanden ist. Im Rahmen des Schätzungseids geht es aber, wie wir sahen, um die Schätzung der Streitsache. Nur leicht deutlicher z. B. W. Endemann, Die Beweislehre im Zivilprozess, Neudruck Aalen 1973, S. 600.



§ 2  Der Bedeutungswandel der Selbstschätzung179

Zum einen soll so vor der Urteilsfindung Druck auf den Beklagten ausgeübt werden, in natura zu restituieren. Zum anderen wird er, wenn er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, für seine contumacia bestraft. Schließlich kann auch der Gedanke der Preisgestaltung beim Zwangskauf erklären, warum im Rahmen des Schätzungseids die affectio des Klägers Berücksichtigung findet. Dabei geht es dem klassischen Recht beim Schätzungseid um die Abgrenzung verschiedenartiger Schätzungsmethoden: einerseits um die litis aestimatio durch den Richter, andererseits um die Selbstschätzung in Form des iusiurandum in litem durch den Kläger.

§ 2  Der Bedeutungswandel der Selbstschätzung I. Die nachklassische und weitere Entwicklung Das Verständnis und das Bedürfnis nach der besonderen Funktion des Schätzungseids wandeln sich, als in der Nachklassik vermehrt die Naturalrestitution aufkommt und ab Justinian sicher die Regel ist. Einen guten Beleg dafür liefert das iuramentum in Zenonianum, C. 8,4,9, aus dem Jahr 477: Si quando vis iudicio fuerit patefacta, dein super rebus abreptis vel invasis vel damno tempore impetus quaestio proponatur, si non potuerit qui vim sustinuit quae perdidit singula comprobare, taxatione ab iudice facta pro personarum atque negotii qualitate, sacramento aestimationem rerum quas perdidit manifestet nec ei liceat ultra taxationem ab iudice factam iurare: et quod huiusmodi iureiurando dato fuerit declaratum, iudicem condemnare oportet. Wenn in einem Verfahren Gewalt dargelegt wurde, dann aber die entwendeten oder mit Gewalt weggenommenen Sachen fraglich sind oder der Schaden zur Zeit der Beschädigung fraglich ist, wenn derjenige, der die Gewalt erlitten hat, seinen Verlust nicht einzeln beweisen kann, dann kann er die Wertschätzung der Dinge, die er verloren hat, durch Eid beschwören und darf nicht über die taxatio des Richters, die dieser vorher in Ansehung der Personen und der Beschaffenheit des Geschäfts vorgenommen hat, hinaus schwören: Und der Richter muss in das verurteilen, was durch den Schätzungseid festgestellt wurde.

Im Fall der gewaltsamen Schadensstiftung in Form von Entzug oder Beschädigung kann der Geschädigte mangels anderer Beweismöglichkeiten (si non potuerit singula comprobare) seinen Schaden selbst schätzen, wobei der Richter allerdings, um Missbrauch zu vermeiden, eine taxatio vornimmt.782 782  Vgl. Bertolini (oben Fn. 771), S. 235 ff. Gleichzeitig ist die Konstitution ein rarer Beleg für den Maßstab, den der Richter bei seiner Schätzung anlegen soll: pro personarum atque negotii qualitate. Siehe auch Grzimek, Taxatio, S. 156.

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3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

Hier wird die Tendenz deutlich, den Anwendungsbereich des iusiurandum in litem stark auszuweiten: Man verzichtet auf die Verknüpfung mit dem restituere-Gedanken einerseits, andererseits wird die Voraussetzung der contumacia durch das einfache Vorliegen von Gewalt ersetzt. Im justinianischen Recht verschwindet überdies der Gedanke der condemnatio pecuniaria schließlich völlig und Leistungsurteile können manu militari vollstreckt werden, was nunmehr einen Sachzugriff erlaubt.783 Gleichzeitig weitet Justinian den Anwendungsbereich auch auf alle Klagen aus, die auf ein solvere oder eine noxae deditio gerichtet sind.784 Damit ist der Pressionsgedanke des Schätzungseids, den Beklagten zur Herausgabe zu bewegen, überholt und es lässt sich ein Funktionswandel feststellen, der sich später entscheidend verfestigen soll.785 Geht das Urteil in klassischer Zeit immer auf Geld, kommt es nunmehr nur noch in solchen Fällen zur Geldverurteilung, in denen die Sache tatsächlich nicht herausgegeben werden kann. Die Unterscheidung zwischen iusiurandum in litem und richterlicher Schätzung verläuft nicht mehr entlang der Trennscheide zwischen contumacia als sanktionswürdiger Renitenz gegen den Herausgabebescheid des Richters bzw. einer dolosen Vereitelung der Herausgabemöglichkeit und bloßer culpa. Vielmehr kann logischerweise hinsichtlich der Unmöglichkeit der Herausgabe- oder Wegnahmemöglichkeit nur noch zwischen dem dolosen und dem nicht dolosen Beklagten unterschieden werden. Im ersten Fall wird der Kläger zum Schätzungseid zugelassen, im zweiten schätzt der Richter die lis selbst.786 Damit zusammen hängt ein Funktionswandel: Gibt es einen direkten Zwang zur Herausgabe der Sache, ist ein indirekter durch den Restitutionsbefehl hinfällig. Eine weitere Bestrafung der Auflehnung gegen diesen Befehl erübrigt sich dementsprechend, weshalb die Voraussetzung der contumacia als Verhalten des Beklagten gegen den Richterbefehl aufgeweicht wird hin zur dolosen Herbeiführung eines Zustands, nämlich der Unmöglichkeit, in die Sache zu vollstrecken. In den Vordergrund rückt so wesentlich allgemeiner und weniger spezifisch in Bezug auf die Arbiträrklagen die Bestrafung für dolus. Diese Tendenz wird durch die kanonische Rechtslehre zu ihrem Endpunkt gebracht, wenn dort der Schätzungseid als allgemeiner Rechtsbehelf gegen dolose Rechtsverletzungen anerkannt wird.787

nur Kaser, RP II2, S. 337 m. w. N., 343 f. Levy, SZ 36 (1915), S. 79 ff.; Biondi (oben Fn. 230), S. 18 ff. 785  Vgl. insofern nochmals Ulp. D. 6,1,68; auch Nov. 18,10 (536); C. 7,65,5,1; vgl. zu Folgendem auch Provera, Contributi, S. 115 ff., 122 f. 786  Vgl. wiederum Ulp. D. 6,1,68. 787  Siehe dazu sogleich im Text. 783  Siehe 784  Vgl.



§ 2  Der Bedeutungswandel der Selbstschätzung181

Neben diesem Funktionswandel finden wir in der weiteren Entwicklung des Schätzungseids zugleich eine Akzentverschiebung inhaltlicher Art bezüglich dessen, was der Beklagte zu ersetzen hat. Beim iusiurandum in litem ist den Quellen eine Diskussion entlang der strengen Linie vom Ersatz der Affektion einerseits und von wahrem Wertersatz andererseits fremd. Wie wir gesehen haben, geht es den klassischen Juristen einzig um die Abgrenzung der Schätzungsmethoden: einerseits litis aestimatio durch den Richter, andererseits iusiurandum in litem durch den Kläger. Diese können entsprechend der Prozesssituation abhängig von der contumacia oder dem dolus des Klägers angewendet werden, um, wo und wann dies sinnvoll erscheint, effizient den Druck auf den Beklagten zu erhöhen, die Sache herauszugeben oder nachträglich seine Renitenz zu sanktionieren. Dass nach der zweiten Methode auch bloß subjektive Werthaltigkeiten über den Sachwert hinaus in Anschlag gebracht werden können, ist gerade Ausdruck und Hintergrund des indirekten Zwangs. Als diese Aufgabe des iusiurandum in litem obsolet wird und es später nur noch darum geht, einen Ausgleich und gegebenenfalls eine Sanktion in Geld zu schaffen in Fällen, in denen eine Herausgabe nicht möglich (keineswegs nur nicht gewollt!) ist, ändert sich das Schätzungsobjekt.788 Es wird nunmehr zwischen iuramentum in litem affectionis und iuramentum in litem veritatis unterschieden. Aus der Gemengelage der Quellen schließen dann die Glossatoren und darauf folgend auch die Kommentatoren auf eine Unterscheidung nicht mehr zwischen denjenigen, welche die lis schätzen, sondern vielmehr zwischen demjenigen, was zu schätzen ist. So wissen wir von Accursius, dass für ihn das gesamte Interesse, also auch das Affektionsinteresse, Inhalt des Schätzungseids ist;789 dieser wird dann iuramentum affectionis genannt. Und bei Bartolus790 finden wir die Aussage: in actionibus in rem arbitrariis, et in bonae fidei, iuratur in litem secundum taxationem iudicis o b d o l u m t a n t u m : in aliis autem actionibus stricti iuris non iuratur in litem, nisi quando alias vero aestimatio probari non potest. Im weiterentwickelten Schätzungseid erkennen wir somit eine Divergenz zur klassischen Rechtslage, erst hier wird an dieser Stelle ausdrücklich der Ersatz eines Affektionsinteresses in die Quellen getragen. Die Glossatoren unterschieden daher auch zwischen iuramentum in litem affectionis und iuramentum in litem veritatis. Der Schätzungseid hat das auch Provera, Contributi, S. 115 f. für die Klage stricti iuris gilt dies nicht, dort wird das iuramentum veritatis angewendet. Vgl. Gl. ultra rei pretium zu D. 12,3,2. 790  D. 12,3,5 n. 1; auch Baldus, In primam Digesti veteris partem commentaris, Venetiis 1599, D. 12,4,5pr. n. 1 ff., nimmt diese Unterscheidung vor. Zum litem affectionis siehe Bartolus, Operae omnia I, Basel 1562, D. 12,3,2 n. 4, und Baldus, a. a. O., D. 12,4,5pr. n. 2. Vgl. dazu Wieling, S. 167 f. 788  Vgl. 789  Nur

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3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

gesamte Interesse, also auch das Affektionsinteresse, zum Inhalt, weswegen man diesen Eid auch iuramentum affectionis nennt.791 Die Lehre vom Schätzungseid wird von den Kommentatoren zum allgemeinen Rechtsbehelf gegen den dolosen Vertrags- oder Deliktsschuldner weiterentwickelt, so dass die Frage nach der affectio gänzlich ins allgemeine Schadensrecht trans­ poniert wird.792

II. Die Entwicklung im kanonischen Recht und die moraltheologische Restitutionslehre Eine weitere Weichenstellung in der Rezeption des Schätzungseids und bei der Beantwortung der Frage nach der vollständigen Genugtuung erfolgt mit der moraltheologischen Restitutionslehre. Dazu wenden wir unseren Blick auf die Moraltheologen und ihre Lehren, welche dem kanonischen Recht wie auch dem Zivilrecht ihr Gepräge gegeben haben. Maßgebliche Wirkung auf unsere Frage der affectio und auf den Schätzungseid hat dabei die moraltheologische Lehre vom Schadensersatz. Für die mittelalterliche Theologie ist die Frage des Ersatzes notwendiger Bestandteil des Seelenheils. Dabei sind zwei Aspekte zu unterscheiden: Restitution793, mit der eine Ungleichheit im Sachbesitz beseitigt wird794, und Satisfaktion795, mit der ein dem Nächsten durch Handlungen und Leidenschaften zugefügtes Unrecht wiedergutgemacht wird. Ohne die Restitution weggenommener Sachen können begangene Sünden nicht vergeben werden, weswegen eine Restitutionspflicht besteht. Schon für Augustinus war dieser Zusammenhang klar: non remittitur peccatum, nisi restituatur ablatum.796 Der Umfang der Restitutionspflicht wird an zwei biblischen Kardinalstellen erläutert. Im Alten Testament folgt aus Exodus 22,1, dass ein weggenommenes und verendetes Haustier mehrfach ersetzt werden muss. Im zu alledem hier nur Lange, S. 85 ff. dazu schon oben, Erster Teil, § 3. 793  Vgl. zur restitutio hier nur Thomas, Sentenzenkommentar 4 D. 15 q. 1 a. 5; siehe auch Weinzierl, S. 164 ff., zur Abgrenzung der Begriffe restitutio und satisfactio. 794  Thomas, Summa Theologica II / II, q. 62 a. 1: restituere est aliquid in dominum pristinum statuere; ders., Sentenzenkommentar 4 D. 15. 795  Vgl. zur satisfactio Thomas, Summa Theologica Suppl. III, q. 13 a. 2; siehe auch H. Maihold, Strafe für fremde Schuld, Köln 2006, S. 158 ff. 796  Epist. 153 ad Maced. n. 20, wenngleich der Kirchenvater dabei rein pastorale Gedanken äußert: Bliebe nämlich eine mögliche Restitution aus, sei die Buße nur geheuchelt anstatt wirklich getan. Vgl. dazu auch Wolter, S. 23. 791  Vgl.

792  Siehe



§ 2  Der Bedeutungswandel der Selbstschätzung183

Neuen Testament hat Zachäus nach dem Bericht bei Lukas 19,8 den vierfachen Schaden restituiert. Hugo von St. Cher wollte daraus noch den Schluss ziehen, dass die Entschädigung umso größer sein müsse, je wertvoller die gestohlene Sache sei und je mehr daher ihr Verlust als Schaden empfunden werde.797 Thomas  von Aquin798 erkennt, dass es sich bei Exodus 22,1 um ein durch das Neue Testament aufgehobenes Judizialgesetz handelt. Zugleich leiste Zachäus mit der vierfachen Restitution ein Werk der Übergebühr. Den Umfang der geschuldeten Restitution leitet der Theologe aus der Ungerechtigkeit im Sachbesitz her, weswegen eine einfache Restitution in erster Linie als Naturalrestitution im Sinne der Herausgabe der Sache genüge.799 Allerdings könne es nötig sein, mehr als das Empfangene wiederherzugeben, um so die Schuld der Ungerechtigkeit zu sühnen. Darin sieht er eine Strafe, die durch den Richter zu verhängen sei. Die Wiederherstellung der iustitia commutativa erfordere aber nur die Restitution. Thomas beschäftigt sich auch mit der Frage, ob etwas anderes als das Weggenommene restituiert werden muss, und kommt zum Schadensersatz.800 Noch präziser finden wir diese Herleitung bei Francisco de Vitoria801, wenn dieser Thomas’ Summe kommentiert und für die restitutio auf Schadensersatzleistungen aus Vertrag und unerlaubter Handlung abstellt. Thomas diskutiert für den Schadensersatz Fälle, in denen der volle Ausgleich nicht möglich ist. Es genüge dann, das Mögliche zu erstatten: sufficit quod recompensetur quod possibile est.802 Die Entschädigung erfolge in Geld unter der Beachtung der beiderseitigen Verhältnisse nach dem Urteil eines rechtschaffenden Mannes: … considerata conditione utriusque personae, secundum arbitrium probi viri. Auch ein Schmerzensgeld wird nach dieser Beurteilung ermittelt.803 Ein niedergerissenes Haus wird nach Thomas804 resti797  Vgl. Weinzierl, S. 221. Allerdings stieß man auch auf Ausnahmen zur vielfachen Wiedergutmachung, z. B. Hesekiel 33, 14 f. 798  Summa Theologica II / II, q. 62 a. 3. 799  Das ist die zentrale These Wolters, S. 24, 28; vgl. HKK / Jansen, §§ 249–253 Rn. 19. 800  Zuvor teilt er die Fälle der Erstattung in zwei Hauptgruppen: restitutio ratione rei acceptae und restitutio ratione acceptionis, vgl. übersichtlich G. Otte, Das Privatrecht bei Francisco de Vitoria, Köln 1964, S. 64 ff. Dabei wurde ausgehend vom erwähnten Augustinus-Wort nach und nach der Kreis der Restitutionsfälle erweitert, Wolter, S. 24. Thomas bezieht den an sich körperlich bezogenen Begriff restitutio auch auf alle Handlungen und Duldungen, die mit Ehr- oder Körperverletzungen beim Nächsten zu tun haben, Summa Theologica II / II, q. 62 a. 1. 801  II / II, q. 62 a. 4 und a. 6 n. 7; siehe Otte (A. vorherige Fn.), S. 63. 802  Summa Theologica II / II, q. 62 a. 2. 803  Summa Theologica II / II, q. 62 a. 2 ad 1. 804  Summa Theologica II / II, q. 62 a. 4.

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3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

tuiert, indem der Wert des Hauses ersetzt wird: tenetur ad tantum quantum valet domus. Ein Schaden werde immer durch die Kompensation eines Gleichwertigen ersetzt: damnum semper est restituendum secundum recompensationem aequalis. Die Notwendigkeit eines vollen und subjektiv nach der affectio ermittelten Ersatzes folgt hieraus nicht. Der Gedanke der Schätzung durch einen probus vir findet sich schon bei Albertus Magnus805, dessen zentrale Gedanken Thomas in diesem Zusammenhang übernimmt. Zur Restitution sei nicht immer ein Ersatz des vollen Wertes der weggenommenen Sache erforderlich, vielmehr genüge es manchmal auch, dass der Schuldner dem Geschädigten nur so viel ersetze, wie er nach dem Ermessen rechtschaffender Männer vermöge. Auch wenn der Geschädigte den Schuldner nicht in Gänze von seiner Restitutionspflicht freisprechen möge, sei der Schuldner vor Gott doch jedenfalls von der Verpflichtung befreit. Nach Thomas806 soll sich aber auch der Geschädigte zur Wiederherstellung der Freundschaft mit weniger begnügen, soweit es nur durch den Schuldner ermöglicht werden kann. Entscheidend ist also die Billigkeit, die dem guten Willen des einzelnen Menschen Rechnung trägt. Den Umfang des Schadens definiert Thomas als das, was einer zu wenig hat: damnum enim dicitur ex eo quod aliquis minus habet quam debet habere.807 Dabei bezieht sich der Theologe auf Aristoteles’ Ethik (V,7). Den Schaden könne man aber in zweierlei Hinsicht erleiden: Entweder könne etwas, was man tatsächlich besitze, weggenommen werden: quia aufertur ei id quod actu habebat. Dann müsse die Sache gegebenenfalls nach den eben erwähnten Grundsätzen restituiert werden. Andererseits kann man schädigen, indem man einen anderen daran hindert, eine Sache an sich zu bringen: impediendo ne adipiscatur quod erat in via habendi. In diesem Fall ist nach Thomas nicht der Wert der Sache zu restituieren.808 Denn die Aussicht, die Sache zu besitzen, sei weniger wert, als sie tatsächlich zu besitzen: qui autem est in via adipiscendi aliquid habet illud solum secundum virtutem vel potentiam. Die tatsächliche Restitution überstiege demnach die bloße Erwartung oder Möglichkeit und sei daher nicht geschuldet.809 Die Restitutionspflicht ergebe sich in diesem Fall lediglich secundum conditionem personarum et negotiorum. Es geht dem Aquinaten hier interessanterweise nicht um die konkrete Vorhersehbarkeit des Schadenseintritts und der Schadist. 15 a. 42; vgl. auch Weinzierl, S. 126. dist. 15, q. 1 a. 2; die Nähe zu Aristoteles, Eth. Nic., lib. 8 cap. 14, ist mit Händen greifbar. 807  Summa Theologica II / II, q. 62 a. 4. 808  Vgl. auch Wolter, S. 28. 809  Oben Fn. 804. Nach der Quelle ist nicht verständlich, woher Weinzierl, S. 171, die zweite Begründung des Thomas nehmen will, es sei nicht gerecht, dass der Schädiger etwas restituieren müsse, was er selbst nicht empfangen habe. 805  Lib. IV

806  Sentenzenkommentar, lib. IV,



§ 2  Der Bedeutungswandel der Selbstschätzung185

denshöhe. Vielmehr lehnt er kategorisch einen abstrakten und vollen Ersatz ab. Das erhellt sich auch aus dem Folgenden. Die Möglichkeit und die Aussicht auf einen Gewinn können multipliciter impediri, weswegen der nur mögliche Besitz (potentia) weniger Wert hat als der tatsächliche (in actu). Die so hergeleitete und begründende Restitutionspflicht wird in das Kirchenrecht übernommen. Im Decretum Gratiani findet sich unter Hinweis auf das Augustinus-Wort die Erörterung der Restitutionspflicht in C. 14, qu. 6, c. 1: quod vero penitencia agi non possit, nisi res aliena reddatur. Für Gratian ist im Rahmen der Restitution ebenfalls nur der einfache Wert geschuldet. Das folgt, wie Wolter bereits angegeben hat, aus C. 12, qu. 2, c. 11: addis etiam, quo augmento ea, que furto de ecclesiis abstulerint, reddere debeant. Sed absit, ut ecclesia cum augmento recipiat quod de terrenis rebus videtur amittere, et lucra de damnis querere.810 Der Umfang der Restitution ergibt sich indes noch deutlicher, wenn man C. 14, qu. 6, c. 2 betrachtet. Dort heißt es für den Fall, dass eine weggenommene Sache geweiht wurde und also ihre Rückgabe nicht möglich ist: si vero rem alienam quis consecrauerit, non eandem, sed estimationem eius restituere debet. In der Glosse findet sich dazu das Beispiel von geraubtem Gold oder Silber, woraus Kelche hergestellt wurden. Dem Eigentümer ist auch nach der consecratio der bloße Wert des Edelmetalls zu erstatten, quia quod semel consecratum est eis non valet ultra restitui. Im Liber Extra findet sich in 5,36,6 unter den Erörterungen de iniuriis et damno dato die schadensrechtliche Aussage811: si quis domum vel aream cuiusquam incenderit voluntarie, sublata et incensa omnia restituat, et tres annos poeniteat. Auch hier wird der Ersatz auf das Einfache gehen. In­ teressant ist daneben die Restitutionsanordnung in X 5,36,3: si laeserit quispiam agrum vel vineam, et dimiserit iumentum suum, ut depascat aliena: quicquid optimum habuerit in agro suo vel vinea, pro damno aestimationem restituet. Im dem Fall, dass jemand sein Vieh auf fremdem Grund weiden lässt, schuldet er als Schadensersatz das, was er von bester Qualität noch auf seinem Grund hat. Der Liber Sextus erkennt die allgemeine Restitutionspflicht in der Regula juris IV an.812 Eine Wertschätzung in Geld folgt demnach erst, wenn die Rückgabe nicht möglich ist, so dass sich inhaltlich keine Neuerungen gegenüber der Verpflichtung zum einfachen Ersatz ergeben. 810  Erwähnenswert ist der Hinweis Wolters, S. 31, dass Gratian im Folgenden auf die kirchliche Milde (mansuetudo) abstellt. Indes stellt die thomasische Herleitung über den Ausgleich der gestörten Tauschgerechtigkeit einen enormen Gewinn an Rationalität der Begründung dar. 811  Insofern ist der Titel falsch zitiert bei Wolter, S. 32. Zur restitutio im Liber Extra vgl. aber die ausführliche Darstellung ebd., S. 32 ff. 812  Vgl. nur Wolter, S. 36 ff.

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3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

Wie verhält es sich weiter mit der Satisfaktion?813 Ist sie möglicherweise der Anknüpfungspunkt und Grund für eine volle Genugtuung des Geschädigten in Form eines nach subjektiven Kriterien bemessenen Schadensersatzes? Bei Anselm von Canterbury finden wir die Zuspitzung dessen, was Genugtuung ist: Entweder zahlt der Sünder freiwillig, was er schuldet, oder Gott erhält es von ihm gegen seinen Willen: necesse est, ut omne peccatum satisfactio aut poena sequatur.814 Zweites geschieht, indem dem Sünder als vergeltende Strafe die Seligkeit entzogen wird. Zur Vergebung der Sünden ist demnach Genugtuung ein entscheidendes Element. Die mittelalterliche Bußtheologie bringt ein ausgefeiltes System von Reue (poenitentia), Bekenntnis (confessio) und Genugtuung (satisfactio) für die Erlangung des Seelenheils hervor.815 Gegenüber Gott kann der Mensch zwar keine volle, aber wenigstens eine verhältnismäßige Genugtuung leisten. Die Werke müssen dabei Strafcharakter für den Sünder haben und ihm etwas Wertvolles entziehen.816 Als Mittel der satisfactio sehen die Bußbücher dabei Almosen, Gebete, ein hartes Nachtlager, Nachtwachen und Ähnliches von unterschiedlicher Dauer vor.817 Satisfaktion bedeutet dabei aber weder einen sächlichen noch einen weltlichen vollen Ersatz des gesamten Schadens. Für die spanischen Moraltheologen ist der Ausgangspunkt zur Wiederherstellung der ausgleichenden Gerechtigkeit die Restitutionspflicht. Dabei schuldet der unrechtmäßige Besitzer bei Untergang der Sache die Restitution eines Äquivalents. Bereits oben haben wir gesehen, dass Francisco de Vitoria unter dem Begriff restitutio Fälle zusammenfasst, die wir heute als Schadensersatzleistung aus Vertrag818, unerlaubter Handlung819 oder Gefährdungshaftung820 begreifen. Zugleich gilt der Grundsatz des vollen Ersatzes. 813  Siehe zum Verhältnis von Restitution und Satisfaktion auch den Überblick bei Weinzierl, S. 127 ff. 814  Vgl. Anselm, Cur deus homo, I c. 15. Zum Verständnis des anselmischen Grundgedankens von einer gleichwertigen Buße und Genugtuung für die Schuld wird heute allgemein auf den Einfluss rechtssoziologischer Vorstellungen des germanischen Ehrverständnisses hingewiesen. Die gesellschaftliche Wertschätzung des Einzelnen ist ein wesentliches Datum der äußeren Ordnung; die Wiederherstellung der verletzten Ehre ist eine Forderung der Gerechtigkeit und der gesellschaftlichen Ordnung, siehe auch Hödl, TRE, Stichwort Anselm von Canterbury, S. 775 f. m. w. N. 815  Vgl. hier nur Benrath, TRE, Stichwort Buße, S. 542 ff.; Thomas, Summa Theologica Suppl. III, q. 90 a. 3. 816  Thomas, Summa Theologica Suppl. III, q. 13 a. 1 und 2. 817  Siehe näher H. Vorgrimler, Buße und Krankensalbung, in Schmaus / Grillmeier u. a. (Hrsg.), Handbuch der Dogmengeschichte, Band IV, Faszikel 3, Freiburg 1978. Zu den unterschiedlichen Bußlehren siehe ebd., S. 114 ff. m. w. N. 818  Vitoria (oben Fn. 801), II / II q. 63 a. 4 n. 3. 819  Oben Fn. 801, II / II q. 63 a. 6 n. 7. 820  Ebd., q. 64 a. 1 n. 12.



§ 2  Der Bedeutungswandel der Selbstschätzung187

Molina führt deutlich aus, qui causa est iniusta damni … tenetur ea omnia, quorom ita est causa iniusta.821 Die Höhe des Ersatzes ist im Einzelfall zwar umstritten. Besonders bei einer wahrscheinlichen Weiterveräußerung der ­Sache durch den Geschädigten werden Alternativen diskutiert. Nach Covarruvias gilt der beste Preis als geschuldet.822 Molina stellt hingegen auf den Wert der Sache zur Zeit ihres Untergangs ab.823 Ein über den objektiv zu bestimmenden Wert hinausgehender Ersatz jedoch kann seine Begründung nur im Strafgedanken haben und ist daher nicht Teil der Restitution.824 Diese umfasst nicht mehr als den einfachen, wenn auch vollständigen Ersatz. Die Höhe des Ersatzes richtet sich aber nichtsdestotrotz – wie schon bei Thomas – nach objektiven und wahrscheinlichen Kriterien.825 Auf diesem Restitutionsgedanken fußend entwickelt das Kirchenrecht aus dem Schätzungseid ganz entscheidend einen allgemeinen Rechtsbehelf gegen dolose Rechtsverletzungen. In X 1,40,7 finden wir die Aussage: probata violentia per testes res amissae probantur per iuramentum et super valore rerum amissrum taxatione iudicis praemissa, et secuto petentis iuramento fit condemnatio. In der Glosse heißt es dazu: et sic interesse, quod surgit ex maleficio, probatur per iusiurandum. Die Glosse zu X 2,2,17 stellt klar heraus, dass durch den Schätzungseid ein damnum datum per dolum, sive per violentiam, vel rapinam ersetzt wird.826 Im Kirchenrecht findet sich also die Überformung des Schätzungseids zu einem Rechtsbehelf, mit dem ein Schadensersatz verfolgt wird. Hier liegt die Schnittmenge, in der Restitution und affectio aufeinandertreffen. Damit läuft die Entwicklung im Kirchenrecht ganz parallel zu der überformenden Entwicklung bei den Glossatoren.827

III. Das Vernunftrecht und die Naturrechtsgesetzbücher Auf diesen Grundlagen aufbauend entwickeln die Naturrechtler die Restitutionspflicht und die Ersatzleistung weiter. Aus der absoluten Pflicht des ne quis alterum laedat828 folgt für Pufendorf ein ebenso weiter Begriff des 821  Luis de Molina, De iustitia et iure, Mainz 1659, tract. II disp. 726 n. 1; weitere Nachweise bei HKK / Jansen, §§ 249–253 Rn. 18. 822  Opera omnia, Francofurti 1608, § 6 n. 2. 823  Molina (oben Fn. 821), disp. 725 n. 6 ff. 824  Vitoria (oben Fn. 801), II / II q. 62 a. 3 n. 3, 4; Nufer, S. 25, 51. 825  Vgl. dazu Molina (oben Fn. 821), disp. 725 n. 9; siehe auch Nufer, S. 23. 826  Siehe dazu und zum Folgenden nur Lange, S. 86 f. 827  Darauf weist auch Lange, S. 87, ausdrücklich hin. 828  S. Pufendorf, De officio hominis et civis, Londoni Scanorum 1673, lib. 1, cap. 6, § 2.

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3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

damnum als Schaden, omnem laesionem, corruptionem, diminutionem aut sublationem.829 Im dritten Buch seiner Elementa jurisprudentiae universalis führt er dazu im ersten Kapitel zum Thema ut nemo laedatur, et si quod damnum fuit datum, reparetur aus. Bezeichnenderweise untermauert Pufendorf im dritten Kapitel die weitreichende Ersatzpflicht mit dem Beispiel der vergifteten Bienen aus Quintilians Declamatio maior XIII. Ein zugefügter Schaden muss wiedergutgemacht und ersetzt werden, soweit dies möglich ist, id, quantum eius fieri potest, ab eodem esse sarciendum830. Geschätzt werden solle nicht nur die beschädigte Sache selbst, sondern auch die vorhandene oder erhoffte Nutzung der Sache.831 Schließlich nimmt Pufendorf Bezug auf Grotius und bildet den Fall, dass eine gestohlene Sache verloren geht und daher nicht zurückgegeben werden kann. Man könne den niedrigsten, den höchsten oder, wie Grotius meint, den mittleren Wert ersetzt verlangen.832 Zu einem Ersatz der affectio gelangt Pufendorf so noch nicht, er stellt aber mit seinem weiten Schadensbegriff eine entscheidende Weiche.833 Zur affectio äußert sich dann Christian Thomasius in extenso. Er widmet eine ganze Abhandlung dem pretium affectionis834 und differenziert zunächst mit Blick auf die römischen Quellen zwischen pretium commune und pretium affectionis.835 Letzteres bestimmt er, quando res quaedam non secundum communem hominum aestimationem, sed peculiari ex affectu, inter homines tamen probato, aestimatur.836 Der Affekt wiederum entspringe drei Emo­ tionen in Bezug auf eine Sache: voluptas, avaritia, ambitio.837 Es folgen Beispiele für diese Affekte und der Naturrechtler kommt zu dem Schluss, dass bei res fungibiles keiner dieser drei Beweggründe die Berücksichtigung eines pretium affectionis trägt.838 Die voluptas folge aus einem vitium und 829  S. Pufendorf, De jure naturae et gentium, Amstelaedami 1698, lib. 3, cap. 1, § 3. Nicht gefolgt werden kann H. Denzer, Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel Pufendorf, München 1972, S. 147, wenn er meint, Pufendorfs Begriff des damnum könne nicht mit Schaden übersetzt werden, weil dieser Begriff heute eine Verengung auf Sachschaden erfahren habe. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Mit dem Begriff erfassen wir sowohl materielle wie immaterielle Einbußen. 830  Pufendorf (vorherige Fn.), lib. 3, cap. 1, § 2. 831  Pufendorf (Fn. 829), lib. 3, cap. 1, § 3. 832  Pufendorf (vorherige Fn.), lib. 3, cap. 1, § 11. 833  Vgl. Störmer, S. 61. 834  Chr. Thomasius, Dissertatio inauguralis juridica de pretio affectionis in res fungibiles non cadente, Halae Magdeburgicae 1739. Die Arbeit ist für eine dogmengeschichtliche Betrachtung der affectio zuvor noch nie hinreichend ausgewertet worden. 835  Chr. Thomasius (vorherige Fn.), cap. 1 § 14. 836  Oben Fn. 834, § 13. 837  Oben Fn. 834, § 25. 838  Oben Fn. 834, § 27 ff.



§ 2  Der Bedeutungswandel der Selbstschätzung189

sei deshalb nicht zu beachten, eine Sache, die einem ambitiosus besonders wert sei, wie eine gewonnene Siegerkrone839, sei schon keine res fungibilis. Schließlich sei der Habgierige sowieso nur auf Geld aus, weswegen er dazu keine besondere Beziehung haben könne. Für andere Gegenstände komme ein Affektionswert jedoch in Betracht.840 Thomasius gelangt zum Ersatz oder besser zur Restitution der affectio. Wenn eine Sache nicht an den Eigentümer zurückgegeben werden könne, sei zu unterscheiden, utrum res intercipiatur alterius culpa, an dolo.841 Im Falle von culpa werde nur das verum pretium geschuldet, weil wegen der menschlichen Schwäche schließlich niemand so sorgfältig sei, dass er nicht saepius quotidie erret.842 Die aequitas fordere, ut pretium affectionis exinde exigere non possim.843 Darüber wache auch der iudex, was der Jurist durch einen Bezug zum römisch-rechtlichen iusiurandum in litem belegt, wo der Beklagte auch (nur) auf quanti ea res est haftete. Dasselbe gilt aber nach Thomasius auch de aliis contractibus.844 Wenn jedoch der Schuldner die Sache dolos, ex malevolo proposito et animo malicioso, nicht herausgebe, verdiene er keine Nachsicht, non eadem gaudebit excusatione et beneficio, venia enim non dignus est. Vielmehr verdiene er eine Strafe, was auch bei culpa lata gelte.845 Der Jurist will aber nach den Regeln zu den Beweggründen auch bei dolus nur eine iustam affectionem erga rem berücksichtigen, weswegen offensichtlich sei, iudicem non adiudicaturum esse pretium affectionis si linteolum846 ab amati iuveni datum.847 Der Geschädigte könne daher also das pretium affectionis verlangen. Zur Begründung führt der Naturrechtler in D. 20,1,16,3 zum Pfand an: … sin vero dolo quidem desiit possidere, summa autem ope nisus non possit rem ipsam restituere, tanti condemnabitur, quanti actor in litem iuraverit, sicut in ceteris in rem actionibus. Hier setzt Thomasius also das pretium affectionis mit dem iusiurandum in litem gleich. Das wird umso deutlicher, als der Jurist im dritten Kapitel seines Werkes zu Beginn meint, pretium affectionis potissimam se839  Thomasius verweist für dieses Beispiel auf Aulus Gellius Noctes Atticae, lib. 5 cap. 6. 840  Oben Fn. 834, cap. 1 § 30. 841  Oben Fn. 834, cap. 2 § 16. 842  Ebd. 843  Ebd. 844  Ebd. 845  Ebd.; bemerkenswert ist die Definition, die Thomasius (ebd.) für culpa lata gibt: negligentiam affectasse videtur et potius studio neglexisse ea, quae omnes homines curanda esse sciant. 846  Siehe zum linteolum auch oben bei Fn. 38. 847  Oben Fn. 834, cap. 2 § 22.

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3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

dem habeat in doctrina de iuramento in litem.848 Dieses Missverständnis des Schätzungseids geht so weit, dass der Jurist infolge der Aussage von Paulus-Pedius in D. 9,2,33pr., pretia rerum non ex affectione nec utilitate singulorum, sed communiter fungi, gar fragt, cur in Lege Aquilia non iuretur in litem?849 Der Umstand, dass er damit gänzlich von der klassischen Bedeutung des iusiurandum in litem abweicht, ist ihm nicht klar, sed tamen superest dubium, cur formula huius legis tantum de vero pretio fuerit concepta excluso pretio affectionis.850 Er zitiert Paulus-Pedius daher auch falsch, in Lege Aquilia tantum agatur de damni restitutione.851 Bei den klassischen Juristen heißt es – ohne den Bezug auf eine Restitution – nur, in lege enim Aquilia damnum consequimur. Die Aussage ist ein guter Beleg für den Verständniswandel des Schätzungseids, welcher hier mit dem Inhalt der Restitution gleichgesetzt wird. Thomasius kann aber mithilfe des Rekurses auf den Schätzungseid und die römischen Quellen die Berücksichtigung des pretium affectionis, welche für ihn, wie wir gesehen haben, aus moralischen und sozialethischen Erwägungen Platz greift, rechtfertigen. Er legt somit eine Grundlage für die sich später noch weiter manifestierende Ansicht, dass bei dolosen Handlungen voller Ersatz nach subjektiver Wertmessung geschuldet ist. Ebenso deutlich und sehr ausführlich anhand zahlreicher Beispiele erläutert Christian Wolff das pretium affectionis. Für ihn ist zunächst klar, dass der Liebhaberwert über den wirklichen Wert hinausgeht. Auch er grenzt die beiden Bezugsgrößen ab: pretium verum dictur, quanti res valet communi hominum, vel peritorum aestimatione. Dici etiam poterat commune pretium.852 Dagegen ist der Liebhaberwert, quo res pluris aestimatur, quam communiter aestimari solet, ex singulari aliquo affectu.853 Die Höhe des Wertes ist nach Wolff ganz beliebig zu bestimmen, libertas statuendi pretium affectionis pro se, hoc est, ut nemo alius idem agnoscere teneatur infinita est. Libertas haec rem exigui pretii prorsus inaestimabilem efficere potest.854 Die Bemessung kann so weit gehen, wie sie niemanden anderen in seinen Rechten ein848  Oben

Fn. 834, cap. 3 § 1. Fn. 834, cap. 3 § 18. 850  Oben Fn. 834, cap. 3 § 29. 851  Indes erkennt er oben Fn. 834, cap. 3 § 30, ganz richtig, dass es bei der actio legis Aquiliae nicht um die Restitution einer Sache, sondern um die Abschätzung eines entstandenen Schadens geht. 852  Chr. Wolff, Jus naturae, Pars IV, Halae Magdeburgicae 1744, Neudruck 1968, Gesammelte Werke 2. Abt., Band 20, cap. IV § 905. 853  Chr. Wolff (vorherige Fn.), § 906. 854  Oben Fn. 852, § 911. 849  Oben



§ 2  Der Bedeutungswandel der Selbstschätzung191

schränkt, quamdiu nil fit cotra jus alterius.855 Einen Ersatz für die affectio will Wolff indes nicht geben, weil sich jeder Mensch von Rache und Vergeltungswünschen lösen müsse, animus enim hominis ab omni vindictae cupiditate alienus esse debet.856 Daher solle auch das Verlangen entfallen, das pretium affectionis ersetzt zu haben, ergo idem abesse quoque debet, quando ab altero exigimus, ut pretium affectionis nobis restitutatur.857 Das folge schließlich auch aus dem Gebot der Feindesliebe, amare debemus inimicum tanquam nosmenpfos.858 Der Umfang des Ersatzes steht dabei – wie schon bei den Spätscholastikern859 – in engstem Zusammenhang mit dem Bereicherungsverbot. Für Wolff steht daher fest: „Da jeder Schaden ersetzet werden muss, so ist jeder, der durch oder aus meiner Sache, die aber nicht mehr vorhanden ist, reicher worden, mir so viel zu ersetzen schuldig, als er reicher worden ist.“860 Schadensersatz meint demnach, dass „einer nicht weniger hat, als er haben sollte, wenn ihm eben so viel wieder zugestellet wird, als die Sache werth ist, die er eingebüsset hat“861. Dieses naturrechtliche Gedankengut schlägt sich vor allem in den Gesetzbüchern dieser Zeit nieder. Bereits zu Beginn haben wir die einschlägige Bestimmung des ABGB kennengelernt. Für das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten gilt zunächst ein weiter Schadensbegriff, ALR I 6 § 1, wie wir ihn bei Pufendorf gesehen haben. Nach § 7 gehört „zu einer vollständigen Genugthuung der Ersatz des gesammten Schadens und des entgangnen Gewinnes“. Ebenso wird unter gewissen Umständen ein Ersatz des „Werths der besondern Vorliebe“ gewährt, ALR I 6 § 87. Ganz wie bei Thomasius haftet der Schädiger bei Vorsatz auf volle Genugtuung unter Einbezug der affectio. Darüber hinaus wird der Kläger in diesem Fall „zur eydlichen Bestärkung eines höhern Werths, nach richterlichem Ermessen, zugelassen“, ALR I 6 § 94. Eine Beschränkung auf den doppelten Wert des von einem Sachverständigen ermittelten Wertes findet für den „Werth der besondern Vorliebe“ gerade nicht statt, ALR I 6 § 96. Die Parallele zum iusiurandum in litem ist ganz offensichtlich. Aber auch hier verwischen die klassischen Grenzen zwischen Inhalt und Umfang der Restitution einerseits und Schätzungseid andererseits, wenn sich der Grad des Verschuldens auf den Umfang der Schadensersatzpflicht auswirkt. 855  Oben 856  Oben 857  Ebd. 858  Ebd.

Fn. 852, § 910. Fn. 852, § 918.

dazu an dieser Stelle nur HKK / Jansen, §§ 249–253 Rn. 18 m. w. N. Wolff, Grundsätze des Natur- und Völckerrechts, Halle 1754, Neudruck 1980, Gesammelte Werke, 1. Abt., Band 19, § 271. 861  Chr. Wolff (vorherige Fn.), § 270. 859  Vgl. 860  Chr.

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3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

Dieser Gehalt, um einen großen Sprung zu wagen, ist entscheidend für das Verständnis der Quellen im 19. Jahrhundert. Hier wird der Wirkungsgrad des Eides sehr deutlich bei Thibaut862: „Wenn jemand eine unerlaubte That arglistig, oder culpa lata begeht, so kann der Verletzte die Existenz und das Maaß des, ihm zugefügten Schadens, auf eigenes Verlangen, durch seinen Eid geradezu bestimmen, und dabei nach der falschen Theorie der Praxis, sofern der Verlust nicht von selbst klar ist, sein singuläres Interesse, bis zur gesetzlich bestimmten Größe, in Anschlag bringen.“ Endemann863 führt diese Entwicklung darauf zurück, dass die Praxis bestrebt war, „dieses bequeme Beweismittel auszudehnen“, obwohl der eigentliche Wert des Schätzungseids bezüglich der Klagen auf restituere oder exhibere verloren gegangen war.864 Aus den Quellen hat man somit ein System entwickelt, was sich in Sinn und Zweck und in der Anwendung vom klassischen Gehalt gelöst hat, weil es dort um die Beugung der Renitenz durch indirekten Zwang ging, um einen Sinn, der im Laufe der Zeit aus den Überlegungen verschwunden war.865 Vangerow866 analysiert das Problem sehr scharf, wenn er feststellt, dass die herrschende Lehre „irrig“ den Eid „in der Lehre des Schadensersatzes“ abhandelt, und selbst die Anwendung des Schätzungseids (wieder) mit dem Umstand des non restituere verknüpft. Bezüglich des Umfangs der Schätzung verwirft er die Unterscheidung in iusiurandum in litem affectionis und veritatis und kommt auch hier (zurück) zum gemeinsamen Ausgangspunkt der Schätzung, dem quanti ea res est, welches seiner Meinung nach nur 862  System des Pandekten-Rechts III, Jena 1823, § 1166, mit Ablehnung der herrschenden Auffassung. V. Schröter, Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß 7 (1834), S. 356 ff., kommt nach eingehendem Quellenstudium allerdings wieder auf die „alte“ Meinung zurück, ein iuramentum in litem sei nur bei arbiträren Klagen und solchen bonea fidei Klagen auf restituere und exhibere anwendbar. So auch F. C. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts V, 2. Neudruck 1981, S. 145 ff. 863  Die Beweislehre des Zivilprozesses, Heidelberg 1860, Neudruck Aalen 1973, § 146, S. 603 ff. 864  Hier zeigt sich auch der Einfluss der legalen Beweistheorie: Endemann (vorherige Fn.) führt die Expansion des Schätzungseids auf die Abschwächung der Richtermacht zurück. Dagegen aber besonders für den Beleg am iusiurandum in litem Lange, S. 92 f. 865  Das erkennen schon für die Kompilation Justinians so deutlich Mommsen, Obligationenrecht II – Interesse, S. 262 f., und zuvor Savigny (oben Fn. 862), S. 145. Mommsen, a. a. O., S. 263, zieht daraus den Schluss, dass die „Bestimmungen über das juramentum in litem ihre eigentliche Grundlage … für das heutige Recht … vollends“ verloren haben. 866  Pandekten I, § 171, S. 266.



§ 3  Ergebnis193

unter divergierenden „Gesichtspunkten“ ermittelt wird.867 Damit deutet Vangerow das an, was wir eine Modifikation der Schätzungsmethode genannt haben. Er differenziert schon wesentlich klarer, wenn er im Rahmen des iusiurandum in litem nicht von S c h a d e n s e r s a t z redet, sondern wie gesehen auf ein non restituere abstellt. Auch Heffter unterscheidet deutlich. Der Schätzungseid greife Raum bei „Vo r e n t h a l t u n g einer Sache durch Arglist oder grobe Verschuldung“868, indes seien Theorie und Praxis aber stets geneigt gewesen, diesen Eid auf alle Fälle arglistiger und höchst schuldhafter Beschädigungen anzuwenden.869

§ 3  Ergebnis Wir haben in dem kurzen Abriss zur Geschichte des Affektionsersatzes im Rahmen des Schätzungseids bis zu den Naturrechtsgesetzbüchern sehen können, dass das „patchy picture“ der Quellen in ihrer Rezeption neu zusammengefügt wird. Man verbindet die Frage der affectio zunächst mit der nach dem Interesse und damit mit einer schadensrechtlichen Ersatzleistung. Darüber gelangt man zu einer allgemeinen Restitutionslehre und verknüpft damit auch die Frage nach dem Schätzungseid, der später zudem als allgemeiner Rechtsbehelf bei jedweder doloser Beschädigung gilt. Die Moraltheologen und in ihrer Folge die Vernunftrechtler legen den Schwerpunkt auf den Verschuldensvorwurf und erlauben für die krassen Fälle einen Ersatz der Affektion. Dabei können sie zur Begründung auf das iuramentum in litem verweisen. Dieses klassische prozessuale Instrument steht dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten bei der Berücksichtigung des „Werths der besondern Vorliebe“ Pate, wenngleich es nunmehr eine gewandelte Funktion einnimmt. So hat die affectio vor allem im Rahmen des Schätzungseids die Zeit überdauert, weit abgerückt von der klassischen Frage, wie sich das pretium rei für die Klageformel bestimmen lasse. Für den Schätzungseid wird mit § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO und der richter­ lichen Schätzung ein Schlussstrich unter die Entwicklung gezogen. Für das materielle Recht löst sich die Pandektistik bekanntermaßen von allen diesen dargestellten Vorgaben. Man gelangt zu einer generellen Nicht867  Ebd., § 171, S. 268. R. Osterloh, Lehrbuch des gemeinen, deutschen, ordentlichen Civilprozesses I, Leipzig 1856, S. 402, lehnt den Ersatz des Affektionswerts mit Hinweis auf D. 9,2,33pr. ab und spricht im Rahmen des Schätzungseids von einem „subjektiven Urteil“. 868  A. Heffter, System des römischen und deutschen Civil-Proceßrechts2, Bonn 1843, § 265, S. 325. 869  Ebd. A. 47.

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3. Teil: Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger

berücksichtigung der affectio. In den Motiven lehnt man es demgemäß ab, den Umfang des Schadensersatzes nach dem Ausmaß des Verschuldens abzustufen. Die Heranziehung moralisierender oder strafrechtlicher Gesichtspunkte, worauf die Abstufung beruhe, müsse bei der Bestimmung der zivilrechtlichen Folgen unerlaubten, widerrechtlichen Verhaltens ferngehalten werden.870 Damit schafft man das Dogma, welches in der Vorschrift des § 253 Abs. 1 BGB niedergelegt ist.

870  Motive II, S. 17 § 128; vgl. insgesamt auch I. Ebert, Pönale Elemente im deutschen Zivilrecht, Tübingen 2004, S. 248 ff.

Schlussbetrachtung Für die klassische Behandlung der Frage nach der besonderen Wertschätzung sei an dieser Stelle auf die oben formulierten Ergebnisse verwiesen. Wir konnten anhand des eingehenden Quellenstudiums die Problemkreise um die affectio darstellen und in einen größeren Rahmen setzen. Am Ende der Arbeit können wir daher als Ergebnis festhalten, dass die Berücksichtigung der affectio – in Abkehr von den klassischen Quellen – im gelehrten Recht ihren Nukleus im Recht des Schadensersatzes hat. Das Problem der Schätzungsmethode wird immer weiter überformt hin zum Problem des Schätzungsobjekts im Rahmen des Ersatzes, nämlich des interesse. Dieses arbeiten die mittelalterlichen Juristen als bunten Strauß heraus, in dessen Wirren und vielen Streitpunkten auch die affectio aufgeht. Die viel umfangreichere klassische Diskussion um die besondere Wertschätzung wird dabei reduziert auf das bloße Ersatzproblem. Die affectio wird darüber hinaus aufs Engste mit dem Schätzungseid verbunden, in dessen rezeptionsgeschichtlichem Fahrwasser sie als „Affektionsinteresse“ zur Diskussion um eine volle Genugtuung bei vorsätzlicher Schädigung gelangt. Letztlich haben wir mit der affectio ein lebendiges Beispiel für die Überformung klassischer Quellen in ihrer Rezeption vor uns. Dabei handelt es sich bei der Vorstellung, das „Affektionsinteresse“ habe römische Wurzeln, lediglich um eine Rückprojektion überformter, moderner Vorstellungen in die Quellen.

Thesen zur Arbeit I. Hermeneutische Fragestellungen: Die Suche nach dem Ersatz des ­„Affektionsinteresses“ in den römisch-rechtlichen Quellen. (1) Der Rechtshistoriker droht gerade bezogen auf das „Affektionsinteresse“ durch eine unreflektierte Anwendung anachronistischer Begriffe und Institutionenmodelle die Bestimmung seines Auftrags zum autonomen Verstehen vergangenen Rechts aus den Augen zu verlieren. (2) Für das römische Recht findet sich ein Hauptbeleg gegen die Berücksichtigung der affectio im Deliktsrecht (Paul.-Ped. D. 9,2,33pr.). Auch aus modernrechtlicher Sicht ist der Schadensersatz der Ort der Diskussion um das Affektionsinteresse. Allerdings gilt es zu bedenken, dass es für die römischen Juristen bei der Frage der besonderen Vorliebe um die Wertbestimmung der res litigosa geht. Diese Schätzung ist wegen des Grundsatzes der Geldverurteilung bei jedem Leistungsurteil notwendig. Daher finden wir ein „Affektionsinteresse“ nicht nur im Rahmen des Schadensrechts, sondern eigentlich bei allen Klagen. Um das römische Recht aber autonom begreifen zu können, müssen wir uns von der Vorstellung lösen, die besondere Vorliebe sei ein Teil des Schadensersatzes. (3) Ist die Geldverurteilung im römischen Recht noch der Regelfall, gelangen die Glossatoren in Überwindung dieses Prinzips zur Alternative von Sach- und Geldleistung. Mit der weiteren Ausbildung des interesse-Begriffs kommen sie zur Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärleistung. Dabei erhält der Geldersatz klarere Konturen in Abhängigkeit zum Verschuldensgrad. Überhaupt wird die Frage nach der Geldverurteilung nunmehr in den Zusammenhang mit der Ersatzleistung gebracht. Mit der klassischen Frage der regelmäßigen Abschätzung der Streitsache in Geld hat dies indes nichts mehr gemein. Im Strudel der interesseProblematik siedelt man die affectio beim Schadensersatz an. Für die klassischen Juristen hingegen ist dieser nur ein kleiner Ausschnitt der Problemstellung um die affectio.



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II. Fallentscheidungen des klassischen Rechts zur affectio: Paulus’ Aussage „affectionis aestimatio non habebitur“ versus Papinians’ Meinung „affectus rationem in bonae fidei iudiciis habendam“. Das Fehlen eines Ersatzes des „Affektionsinteresses“. (4) Als Beispiele für die affectio ziehen die römischen Juristen einen servus filius naturalis oder einen servus delicatus heran. Darüber hinaus finden wir sepulcra parentium oder ein Grundstück actoris illic educati. Häufig bezieht sich eine besondere Wertschätzung auch auf ein Erinnerungsstück, eine res maiorum. Die römischen Juristen lassen einen Ersatz der besonderen Wertschätzung im Deliktsrecht nicht zu. Mag das Problem auch diskutiert werden, die Aussage des Paulus zur lex Aquilia ist eindeutig. Die Begründung für den Ausschluss der affectio wird in der Geschichte des Haftungsrechts zu suchen sein. Ausgehend von einem vorher festgesetzten Bußgeld der XII-Tafeln können die späteren Juristen auch im Rahmen der entwickelten lex Aquilia nicht ohne Weiteres zu einem Ersatz vordringen, der bei den subjektiven Verhältnissen des Geschädigten ansetzt. Erst recht lassen sie es nicht zu, den Sachwert nach der affectio zu bestimmen. (5) Im Vertragsrecht wird die besondere Wertschätzung lediglich als argumentatives Vehikel benutzt, um eine Klage, nicht aber eine geldmäßige Verwertung der affectio zuzulassen. Ermöglicht wird dies durch die weite Verurteilungsformel der iudicia bonae fidei. Dabei werden außerrechtliche Wertungen zur Lösung herangezogen. In der romanistischen Forschung wurde dieses Verständnis der Hauptquelle Pap. D. 17,1,54pr. bislang zu häufig nicht hinreichend herausgearbeitet. Vielmehr wurde wegen des Widerspruchs zum Paulus-Fragment das Interpolationsschwert an Papinian angesetzt. Nach dem Vergleich mit Pap. D. 18,7,6–7 dürfte aber feststehen, dass uns in den Fragmenten Papinian gegenübertritt und keine byzantinische Wertung. Das Fehlen weiterer Belege für eine affectio lässt sich besonders im Kaufvertragsrecht mit der Haftung auf den doppelten Kaufpreis erklären. In der stipulatio duplae kann die besondere Wertschätzung abgegolten sein. Der Kaufpreis bildet dabei die einfach zu bestimmende Grundlage des duplum, so dass eine höhere, weil subjektive Bestimmung des Wertes gar nicht nötig ist. (6) Auch im Zusammenhang mit anderen Verfahren kommt der affectio zwar eine gewisse Bedeutung zu, z. B. bei der restitutio in integrum. Eine geldmäßige Berücksichtigung der besonderen Vorliebe findet aber auch dort nicht statt. Es geht einzig darum,

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Thesen zur Arbeit

das Rechtsmittel zu begründen und den minor dadurch wieder an die Sache kommen zu lassen. Keineswegs kommt ein „Ersatz des Affektionsinteresses“ in Frage. Überhaupt ersetzt der Richter im Rahmen seiner Schätzung für die condemnatio pecuniaria einen besonderen Liebhaberwert nicht. Vielmehr bemisst er den in Geld zu ersetzenden Wert der Streitsache nach objektiven Kriterien. III. Die Bedeutung der affectio für die Schätzung durch den Kläger. Iusiurandum in litem und seine Rezeption. (7) Jedoch kann der Kläger im Rahmen des iusiurandum in litem die Streitsache über ihren tatsächlichen Wert hinaus schätzen und diesen Betrag vom Beklagten verlangen. Der Schätzungseid ist notwendig, da eine Naturalrestitution als Urteilstenor dem klassischen Recht wegen der condemnatio pecuniaria fremd ist. Nur bei den formulae arbitrariae erlässt der Richter einen Restitu­ tionsbefehl, dem der Beklagte nachkommen kann, um der Verurteilung in Geld zu entgehen. Der Richter kann ihn jedoch nicht dazu zwingen. Denn eine gerichtliche Vollstreckung in die Sache gibt es im klassischen Prozess nicht. Voraussetzung für die Selbstschätzung ist die contumacia des Beklagten, also seine Renitenz gegen den Restitutionsbefehl. Die Gefahr der Schätzung der Streitsache durch den Kläger ultra rei pretium soll dabei den Beklagten vor allem motivieren, die Sache herauszugeben. Auch eine ökonomische Perspektive des Schätzungseids kann als Erklärung der Schätzung in infinitum dienen. Infolge des Eides kommt es nämlich zu einem Quasikauf der Streitsache durch den Beklagten für den Fall, dass er nicht restituiert. Als Kaufpreis kann der Kläger dabei sein Interesse an der Sache als Wertäquivalent realisieren. Damit ist zugleich der Betrag ermittelt, zu welchem der Kläger „bereit“ ist, seine Sache aufzugeben. (8) Im klassischen römischen Recht geht es beim iusiurandum in litem um die Abgrenzung der unterschiedlichen Schätzungsmethoden: litis aestimatio durch den Richter einerseits, Schätzungseid durch den Kläger andererseits. Die Funktion des Eides wandelt sich, als die Naturalrestitution in der Nachklassik immer stärker aufkommt und seit Justinian die Regel ist. Die Glossatoren schließlich verlagern die Diskussion: Im Rahmen der Ersatzleistung trennt man nunmehr zwischen iuramentum in litem affectionis und iuramentum in litem veritatis. (9) Die mittelalterlichen Juristen transformieren die Frage nach der Schätzungsmethode für die condemnatio pecuniaria. Für sie geht es vielmehr um das Schätzungsobjekt im Rahmen des Ersatzes,



Thesen zur Arbeit199

namentlich um das interesse. Die Frage, wer die Schätzung durchführt, wandelt sich in die Frage, was geschätzt wird. Dabei geht auch der klassische Gehalt des besonderen prozessualen Instruments des Schätzungseids verloren, weswegen die Voraussetzungen für die contumacia aufgeweicht werden. Nunmehr genügt die dolose Herbeiführung der Unmöglichkeit, in die Sache zu vollstrecken. Hier wird schon ein allgemeiner Gedanke der Bestrafung für dolus deutlich. (10) Später und besonders im Kirchenrecht dient der Schätzungseid als allgemeines Rechtsmittel gegen dolose Schädigungen. Die Naturrechtler legen bei ihrer Restitutionslehre den Schwerpunkt auf den Verschuldensvorwurf und erlauben für schwerwiegende Fälle einen Ersatz der besonderen Vorliebe. Dabei können sie zur Begründung auch auf das iuramentum in litem verweisen. Dieses klassische prozessuale Instrument stand dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten bei der Berücksichtigung des „Werths der besondern Vorliebe“ Pate. So hat die affectio die Zeit überdauert, weit abgerückt von der klassischen Frage, wie sich das pretium rei für die condemnatio pecuniaria bestimmen lässt. Für das Prozessrecht zieht § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO mit der richterlichen Schadensschätzung einen Schlussstrich unter die Entwicklung des Schätzungseids. Für das materielle Schadensrecht löst sich erst die Pandektistik von moralisierenden und strafrechtlichen Vorstellungen und hält das mate­ rielle Schadensrecht in Form von § 253 Abs. 1 BGB demgemäß von einer Abstufung nach Verschuldensgraden frei.

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Quellenregister Antike I. Juristische Quellen 1. Vorjustinianisch-römisches Recht a) Gai Institutiones 1,13–34 42156 1,18 43160 1,36–41 42156 1,54 171749 1,65–70 42156 2,7 69272 2,30 73295 2,40 171749 2,50 1519 2,227 84344 2,263 102430 2,264 102430 2,265 102430 2,266 102430 3,40 55208 3,41 55207, 208, 56216 3,42 55213 3,155 103437 3,156 103438 3,157 103437, 441 3,161 107 3,162 103437 3,202 165723 3,210 76303 3,212 77309 3,214 89 3,224 168730 4,14 47180 4,21 47176

208 Quellenregister 4,34,51 162699 4,41 2675 4,42 170739 4,48 25, 46174, 162694, 163703 4,51 163703 4,89 48186 4,91 48186 4,92 48186 4,93 48186 4,94 48186 4,95 48186 4,114 177 4,141 162697 4,163 162697 4,182 110486 b) Justinian, Constitutio Dedoken 10

153 c) Lex XII Tabularum

3,1 162701 6,8 47181 8,10b 47181 8,15a 47181 8,16 47181 8,19 47181 d) Pauli sententiae 3,2,4 66 3,2,5 55206 e) Ulpiani epitome 6,3–6 138618 6,4 139621 2. Justinianisch-römisches Recht a) Codex Iustinianus 2,3,10 114508 3,1,15 156

Quellenregister209 3,28,31 63242 3,32,21 164714 3,32,24 148669 3,32,28 163708 4,36,1 103, 104444 4,55 113499 4,55,1 113500 4,57,1 127576 4,57,2 126 4,57,3 126 5,9,6,5 157 5,53,3 176769 6,4,4 65254 6,4,4,15 55207 6,4,4,16 55207 6,4,4,16a 55207 6,4,4,16b 55207 6,5 54201 6,5,1 56215 7,4,17pr. 155 7,47 2466, 3093, 3197, 3198 7,47,1 3087, 153 7,50 3090 7,53,7 157 7,65,5,1 180785 8,36,5,2 155 8,4,7 157 8,4,9 179 8,54,34,1c 155 9,12,2 100 b) Institutiones 2,4 73292 2,7,2 2882 2,18 55210 2,22pr. 84344 2,23,1 102430 3,7,1 55208 3,7,3 65254 3,19,19 137614 3,26,6 103438 3,26,8 107462

210 Quellenregister 4,3pr. 76303 4,3,9 155 4,3,10 155 4,6,31 162699 4,6,32 2882 4,17,2 162700 c) Digesta 1,1,7pr. 100 1,2,2,24 37118 1,3,7 165723 1,7,17,1 1416 2,3,1,4 145 2,4,10,1 113502 2,7,1pr. 143647 2,7,4,1 144 2,7,4,2 143647 2,7,5,1 143, 144, 145 2,7,5,3 145660 2,7,5,4 145660 2,7,6 145660 2,9,5 46174, 162694 2,14,1,3 79321 2,14,7,4 114508, 114509 2,14,7,5 114511 2,14,7,7 114509 2,14,24 2466, 3198 3,1,1,11 110487 3,1,3pr. 110487 3,2,1 110487 3,3,40,2 162700 3,5,3,9 1416 4,2,8,3 1416 4,2,9,3 35107 4,3,7,8 101428 4,4,1 148668 4,4,1,1 150 4,4,7 150 4,4,7pr. 150678 4,4,7,3 150679 4,4,7,8 150 4,4,16,4 149

Quellenregister211 4,4,35 1734, 147, 147664, 148667, 150, 152, 158 4,4,44 150 4,6,28,5 148669 4,6,28,6 148669 4,9,1,5 38129 5,1,64pr. 164714 5,1,67 102433 5,2 55210 5,2,5 55211 5,2,8,11 63242 5,3,40pr. 48188 6,1,15,3 162702 6,1,17,1 46172 6,1,20 48188 6,1,23,5 97 6,1,33 36117 6,1,35,1 171743 6,1,35,2 171743 6,1,46 163711, 171745, 173, 174, 175763 6,1,47 171745 6,1,57 162700 6,1,68 2882, 161, 163708, 170738, 180785, 786 6,1,70 163705, 170, 172753, 174 6,1,71 161, 176770 6,1,79 46172 6,2,7pr. 172750 6,2,7,1 170742, 171745, 172750, 753, 178 7,1,1 73292 7,1,12,1 73292 7,7 35 7,7,6,2 1733, 34, 48, 51, 109478 7,9,5,3 37121 9,2,2pr. 76303 9,2,5,3 97414 9,2,21pr. 76303 9,2,21,2 78 9,2,22,1 91383 9,2,23pr. 77311, 83338 9,2,23,3 77307 9,2,29,3 92, 92388 9,2,33 87

212 Quellenregister 9,2,33pr. 1733, 24, 29, 30, 3195, 41, 53, 64, 75, 81, 85, 87, 88, 91, 92, 93391, 99421, 108470, 109478, 111, 133, 133606, 142644, 146, 190, 193, 196 9,2,37,1 91383 9,2,51,2 83338, 89 9,2,55 91383 9,22,33pr. 82 10,2,22,3 170739 11,1,11,4 164718, 167 11,3,1pr. 94 11,3,9,3 94 11,3,13pr. 94393 11,3,14 97411 11,3,14,1 2159, 93, 96, 97, 97409, 98, 99 11,7,2,2 69273 11,7,5 69270 11,7,7pr. 69273 11,7,11 118530 11,7,14,7 1416 12,2,1 173 12,3 165, 166 12,3,1 160, 177 12,3,2 163703, 710,164712,165,181789, 171790 12,3,11 177 12,3,4pr. 1416, 176769, 177 12,3,4,1 164714, 177 12,3,4,2 161, 164714, 169737, 170738, 177 12,3,4,3 169 12,3,5 181790 12,3,5pr. 176 12,3,5,1 169737 12,3,5,2 169 12,3,5,3 163703 12,3,8 164716, 166, 177 12,4,5pr. 181790 12,6,26,12 37124 13,6,3,2 176771 13,6,5,1 172753 13,7,40,1 66257 16,1,8,8 97 16,3,30 172753 17,1,2pr. 103438 17,1,5,1 107462

Quellenregister213 17,1,6,2 103437 17,1,8,6 107461, 134 17,1,8,10 107459 17,1,10,1 107459 17,1,10,7 1416 17,1,19 104443, 105, 105447, 106, 111 17,1,20pr. 107459 17,1,32 64248 17,1,53 131 17,1,54pr. 2159, 3194, 98, 33, 99, 103, 106, 107, 108, 110, 111, 119, 121549, 122, 128, 130, 131, 132, 133, 134, 158, 159, 197 17,1,54,1 101, 103441 18,1pr. 79324 18,1,4 103441 18,1,6,1 109483 18,1,43pr. 39133 18,1,56 113502 18,1,72pr. 114511 18,2,7 148667 18,4,21 141 18,6,9 134 18,7 113499, 122 18,7,1 113499, 113500, 120 18,7,2 113499 18,7,3 113503 18,7,4 113503 18,7,5 113499 18,7,6 113499, 116, 123, 132, 197 18,7,6pr. 113502, 118530 18,7,6,1 108469, 116, 117523, 118530, 120, 120543, 122, 122554, 555, 123, 124, 129, 130, 131, 131599, 132 18,7,7 101, 112, 113499, 501, 117, 117523, 118, 120, 120543, 121, 121546, 122, 122554, 123, 124, 127577, 128, 129, 130, 131, 132, 143, 197 18,7,8 113503, 124559 18,7,9 113499, 500 18,7,10 113503, 125, 125566 19,1,1 134 19,1,1pr. 30 19,1,4 134 19,1,11,2 109480

214 Quellenregister 19,1,13,26 119531 19,1,44 154686 19,2,22,3 175764 19,2,48,1 176769 19,5,2,23 37124 19,5,5 134 20,1,16,3 189 21,1,17,3 1419 21,1,17,4 100 21,2,21,2 137613 21,2,22,1 136 21,2,71 136, 137, 138 22,1,3,1 162697 23,3,5pr. 138618 24,1,3,1 1416 24,1,28,2 1416 24,1,32,13 1416 24,3,10pr. 139621 24,3,32pr. 64248 25,2,9 162705, 170742 25,2,10 171743 25,2,22pr. 166, 170, 172753 25,3,5 50195 25,3,5pr. 140632 25,3,5,1 140633 25,3,18 50195 25,3,19 50195 25,3,20 50195 25,3,21 50195 25,3,22 50195 25,3,23 50195 25,3,24 50195 25,3,25 50195 25,3,26 50195 25,9,2 174 26,2,28 1416 27,3,1,2 98 27,9,3,2 170742 28,2,19 75298 29,2,57,1 64248 31,67,10 126574 32,39pr. 1416 35,2,1pr. 84344

Quellenregister215 35,2,42 83340 35,2,60,1 164716, 167 35,2,62 45167 35,2,62,1 83 35,2,63 88 35,2,63pr. 30, 3195, 52, 64, 80, 82, 83, 85, 86, 87, 88, 88364, 92, 142644 36,2,38 151683 37,1,3pr. 65252, 253 37,14,7pr. 125 37,14,16 55213 37,14,20 55206 38,1,5,14 58 38,1,5,16 58 38,1,6 37124 38,1,9,1 37124 38,2,1,2 55207 38,2,26 68263 38,2,3,5 65250 38,2,3,10 55207 38,2,3,20 56217 38,2,36 59229, 63, 71, 74 38,2,43 68263 38,5 54201 38,5,1pr. 57224, 60, 60233 38,5,1,1 57219, 220, 57221 38,5,1,3 54202 38,5,1,4 54204 38,5,1,11 54205 38,5,1,14 61 38,5,1,15 1734, 54, 57, 58, 61, 68, 68264, 71, 72, 151 38,5,1,16 62 38,5,1,26 59 38,5,3,2 56216 38,5,4pr. 54202 38,5,5,1 59230 40,1,4pr. 102432, 105452 40,1,4,1 102434 40,1,5pr. 102433 40,1,6 101428 40,2,11 43160 40,2,12 43160 40,2,13 43160

216 Quellenregister 40,2,14 43160 40,2,15 43160 40,2,16 43161 40,2,16pr. 42156 40,4,48 127577 40,5 102430 40,5,44 102430 40,5,53 36115 40,7,34,1 125567 40,8,6 126 40,8,8 127, 128 40,12,24pr. 37118 41,2,44pr. 117523 41,3,4,13 172753 41,4,1 170742, 171745 41,4,2,21 172753 41,4,3 170 42,1,6,1 46174, 162694 42,4,15 170742 43,24,1pr. 72288 43,24,12 73293 43,24,15,7 73293 43,24,15,9 164714 43,24,16pr. 72 43,24,16,1 72 43,24,22,2 73293 44,2,15 162700 44,7,34pr. 1419 44,7,61,1 1416, 70, 71 45,1,3,1 137613 45,1,38,17 137 45,1,103 103441 45,1,104 101428 45,3,26 73295 46,1,73 164716, 167 46,3,98,1 59231 46,8,8,2 51 47,2,85 172753 47,4,1,7 125567 47,10,3,1 1519 47,10,15,44 38130, 96, 97, 97411 47,12,10 118529 48,23,3 97

Quellenregister217 50,15,1pr. 35107 50,16,35 48188 50,16,39,1 65 50,16,83 65 50,16,119 64248 50,16,179 74 50,16,193 3195, 74 d) Novellae Iustiniani 15,3,2 156 15,4 156 18,10 180785 69,1,1 156 3. Weltliches und kirchliches Recht – Augustinus Epist. 153 ad Maced.

182796

– Bibel Exodus 22,1 Exodus 22,1 Zweites Buch Samuel, Kapitel 12, Vers 1 Lukas 19,8

1732 183

– Decretum Gratiani C. 12, qu. 2,c C. 14, qu. 6, c. 1 C. 14, qu. 6, c. 2

185 185 185

182 183

– Liber Extra 1,40,7 187 2,2,17 187 5,36,3 185 5,36,6 185 – Liber sextus regula iuris IV

185 II. Literarische Quellen

Aristoteles – Ethica Nicomachaea V,7 184 VIII,14 184806

218 Quellenregister Aulus Gellius – Noctes Atticae 1,26,11 1519 4,4,2 2363 Cicero, Marcus Tullius – Ad familiares 16,4,4 2362 – De legibus 3,18,42 162696 2,9,22 69269 – De officiis 1,4,11 2362 3,70 2571 – In Verrem I,13,38 1522 II,2,45 1522 II,3,189 1520 – Pro A. Cluentio par. 116

1625

– Pro M. Tullius 7

1523

– Pro Q. Roscio Comodeo par. 28

1626

– Pro S. Roscio 96

2362

Columella – Res rustica 1,8,19 101428 Horatius – Epistulae 1,20 41148 Plinius (minor) – Epistulae 9,36,4 39132 Plutarchus – Antonius 59,4 40139

Quellenregister219 – Cato maior 21

39133

– De curiositate 10

40142

Polybius – Historiae 10,17,9 101428 10,17,14 101428 Quintilianus – Declamationes minores 298 40142 – Declamationes maiores 13,3 1729 13,5 1730 13,17 1731 13,18 1731 Scriptores Historiae Augustae 13,8,1–8 130591 Seneca (minor) – De beneficiis 1,6,1 122550 3,22,3 129 4,21,3 122550 – Epistulae morales ad Lucillium 47,1 129586 47,7 41143 47,10 129587 95,24 41143 95,52 129585 Suetonius – De vita Caesarum Augustus 40,3 Nero 28,1 Tiberius 61

44163 41143 40142

Varro, M. Terentius – De origine linguae Latinae 6,64 36112

220 Quellenregister

Mittelalter Accursius – Digestum vetus C. 7,47

3087

Albertus Magnus – Lib. IV dist. 15 a. 42

184805

Anselm – Cur deus homo I c. 15

186814

Azo – Glossa mandati D. 17,1,54 pr.

3194

– Glossa fungi D. 9,2,33 pr.

3195

– Glossa fuguntur D. 35,2,63 pr.

3195

Baldus de Ubaldis – In primam digesti 12,4,5pr. 181790 Bartolus – Operae Omnia I C. 7,47 D. 2,14,24 D. 12,3,4

2466, 3197, 98 2466, 3198 181789, 790

Placentinus – Summa codicis C. 4,47 C. 7,50

3093 3091

Thomas von Aquin – Sentenzenkommentar 4 D. 15 q. 1 a. 5 4 D. 15

182793 182794, 184806

– Summa theologica II / II q. 62 a. 1 182794, 183800 q. 62 a. 2 183802 q. 62 a. 2 ad 1 183803 q. 62 a. 4 184807

Quellenregister221 – Summa theologica suppl. III q. 13 a. 1 q. 13 a. 2

186816 182795, 186816

Neuzeit Covarruvias – Opera omnia § 6 n. 2

187822

Luis de Molina – De iustitia et iure Tract. II disp. 725 n. 6ff Tract. II disp. 725 n. 9 Tract, II disp. 726 n. 1

187823 187825 187821

G. F. Puchta – Pandekten § 220 mit A. 1

2467, 3198

Pufendorf, Samuel – De officio hominis et civis Lib. 1 cap. 6 § 2

187828

– De iure naturae et gentium Lib. 3 cap. 1 § 2 Lib. 3 cap. 1 § 3 Lib. 3 cap. 1 § 11

188830 188829, 831 188832

Thibaut, A. F. J. – System des Pandekten-Rechts III § 1166 192862 Thomasius, Christian – Diss. inaug. jur. de pretio affectionis in res fungibiles Cap. 1 § 13 188836 Cap. 1 § 14 188835 Cap. 1 § 25f 1837, 188837 Cap. 1 § 27ff 188838 Cap. 1 § 30 189840 Cap. 2 § 16 189841–845 Cap. 2 § 22 189847 Cap. 3 § 1 190848 Cap. 3 § 18 190849 Cap. 3 § 29 190850

Stichwortverzeichnis actio Calvisiana  56 actio confessoria  37 actio Fabiana  54 ff., 68, 74, 151 actio iniuriarum  52, 95 ff. actio mandati  99 ff., 104 ff., 132, 134 actio Publiciana  172 actio servi corrupti utilis  93 ff. actio tutelae  98, 176 actio utilis  95 ff. actio venditi  104, 108 f., 114 f., 117 ff., 128, 131 adiudicatio  170 adsertor in libertatem  35 ff., 45, 46, 50 f. aestimatio  15 f., 28, 31, 34, 37 ff., 46 ff., 51 f., 62, 74, 77 f., 82 ff., 91f, 94 f., 133 f., 140, 144 ff., 152, 155 ff., 160–179, 180–194, 196, 198 f. aestimatio iudicis  62 affectio vincinitatis  59 affectus  14 f., 33, 43, 67, 70, 82, 99, 101, 106, 108, 134, 152, 197 Arbiträrklagen  28, 34 ff., 48, 53, 62, 72 ff., 162, 176, 180, 198 arbitrium  47, 177, 183 auctoritas prudentium  100 beneficium  122 f., 129 ff. bona  65, 67 bona fides  119 ff., 135 bonae fidei iudicium  19, 25, 98, 111, 114, 119 f., 126, 133, 135, 159, 176 bonorum possessio contra tabulas  55 f., 63 ff. Bußtheologie  186 calumniator  143 ff.

condemnatio pecuniaria  20 f., 24–30, 33 f., 37, 46 ff., 74, 107 ff., 147, 158 f., 162 f., 169, 171, 174, 176, 180, 196 contumacia  49 ff. 156, 160, 164 ff., 173 f., 179 ff., 198 f. conventio  113 ff., 118 ff. debita portio  55 deliciae  40 f., 43, 45 dolus  54, 56 f., 60, 151, 164 f., 166, 169, 180 f., 189, 199 donatio mortis causa  57 dos profecticia / receptitia  136 ff. Ersatzleistung  25, 27 f., 82, 99, 146, 187, 193, 196, 198 exceptio  114, 116, 172 Exportklausel  114 f., 117, 119 ff., 125 ff. favor dotis  138 favor libertatis  37, 50, 103, 106 f., 110 f., 126 f., 130, 131, 133 filius naturalis  17, 42 f., 80, 82, 87 f., 92, 134, 197 filius servus  85 ff. Formularprozess  25, 28, 46, 169 fraus  54, 57 ff., 72, 151 Freigelassener  38, 43 f., 45, 54 ff., 60, 63 f., 100 f., 107, 109, 116, 155 Freikauf  101 ff., 111 f. Gefühlswert  11 f., 14, 21 Geldverurteilung  siehe condemnatio pecuniaria Geldwert  21, 48, 108 f., 144, 164

Stichwortverzeichnis223 Genugtuung, vollständige  22, 182, 186, 191 Glossatoren  17 f., 23 f., 28 ff., 87 Haftungslösung  27, 47 Höchstwertformel  77 id quod interest  23, 74, 77 f., 134, 145, 156 in integrum restitutio  147 ff. in ius vocatio  143 Interesse  13, 15, 18, 20 f., 23, 27, 29 ff., 52, 54, 61 f., 68, 70 ff., 77 f., 86 f., 90, 93, 101, 107 ff., 117, 120, 123, 134, 136 ff., 161, 165, 174, 176, 181, 192 f., 195 f., 199 interesse affectionis  24, 31 interesse circa rem  29, 31 interesse commune  30 f., 87 interesse conventum  30, 87 interesse extra rem  29 ff. interesse singulare  30, 87 iusiurandum in litem  22, 27, 48, 51, 62, 74, 134, 144 ff., 157 ff., 160 ff., 180 f., 189 ff., 198 f. iussum de restituendo  46, 162, 163, 176 iusta affectio  43 iustum pretium  54, 57 f., 60 ff., 151, 174 Kaufpactum  112 ff., 131 ff. Klageformel  25 f., 34, 107, 141, 193 Klausel – begünstigende  113, 116, 121, 123 ff. – belastende  123 Kommentatoren  24, 181 f. Kompilatoren  83, 85 f., 124, 127, 154, 163 Leistungsurteil  25, 180 f., 196 lex Aelia Sentia  42 f. lex Aquilia  26, 29, 75 f., 78, 79, 82, 88 ff., 146, 155, 197

lex Falcidia  52 f., 63, 83 f., 88, 167 lex Iulia municipalis  110 libertus  50, 54 ff., 58 ff., 63 ff., 69 f., 151 Liebhaberwert  11, 13, 18, 20 f., 23 f., 33 f., 71, 111, 159, 190, 198 lis  siehe res litigosa litis aestimatio  16, 46, 48, 74, 157, 162 f., 166, 168, 170, 171, 176, 179, 181, 198 mandatum  99, 100 ff., 107, 121, 132, 135 manus iniectio  47, 113, 126 Marktpreis  18, 39, 50, 58, 60 f., 77, 87, 175 Marktwert  13, 22, 30, 42, 77, 85 f., 94 f., 175 ff. minor  147 ff., 198 Moraltheologie  182, 186, 193 Motivations- und Straffunktion  49, 175 Naturalrestitution  162, 164, 179, 183, 198 Naturalvollstreckung  25, 28 Naturrecht  18, 187 ff., 199 non restituere  169, 192 f. noxae deditio  82, 87, 180 operae fabriles  37 f. operae officiales  37 f., 50 pactum adiectum  113, 121 paterna affectio  14, 136, 139 ff. periurium  177 Personalexekution  47 petitio in servitutem  46 poena  47, 90, 95, 115–118, 121, 137, 141, 155, 165 ff., 186 pretium  30, 53, 58, 61 f., 70, 79, 82 ff., 108, 111, 151, 166, 174, 178, 189 f. pretium affectionis  24, 31, 111, 188 ff.

224 Stichwortverzeichnis pretium commune  30, 188 pretium formale  84 pretium singulare  30 pretium verum  31 Primärleistung  28, 196 Privatstrafe  33 pronuntiatio  28, 46, 162 quanti ea res est  30, 46, 48, 51, 74, 77, 91, 144 f., 158, 166, 168, 177 f., 189, 192 Quasikauf  170 ff., 198 rei vindicatio  26, 28, 34, 37, 45 f., 51, 74, 162, 167, 173 res litigosa  21, 24, 28, 47, 49, 64, 145 f., 171, 176 ff., 180, 196 restituere  25, 36, 47 ff., 72 f., 157, 166 f., 176, 180, 189, 192 Restitution und -lehre  182 ff., 187 ff. Sachwert  18, 30, 42, 51, 62, 74, 76 ff., 88, 90 ff., 99, 108, 152, 160 f., 166, 168, 181, 197 sacramentum  47 f. Sanktionscharakter  165, 167, 174, 178 Satisfaktion  182, 186 Schadensersatz  19, 24 ff., 43, 75, 79, 90, 92, 94 f., 99, 133, 137, 146, 154, 159, 182 ff., 196 Schätzung  siehe aestimatio Schätzungseid  siehe iusiurandum in litem Schätzungsmethode  15, 21, 51, 88, 155, 160, 164, 168, 179, 181, 193, 195, 198 f.

Sekundärleistung  28 f., 196 Selbstschätzung  22, 160, 163 ff., 170 ff., 177, 179-194, 198 sepulchra  63, 67 ff. servus artifex  37 ff. servus delicatus  35, 40 ff. servus mediastinus  37 ff. stipulatio duplae  135, 136 ff., 154, 197 Strafabrede  119 f., 140, 142 Strafduplum  95, 137, 141, 143 Strafsumme  16, 90, 119 f., 144, 146, 155 suis nummis redemptio  99, 102 taxatio  16, 145, 161, 168 ff., 179, 181, 187 Überformung  26, 187, 195 Übervorteilung  147 ff. utilitas singulorum  77, 85 ff. Vermögenswert  11 f., 108, 119, 123, 14 vindicatio in servitutem  34, 36, 62, 74 Vorhersehbarkeit  92, 184 Wertbestimmung  17, 24 ff., 53, 93, 155, 166, 196 XII-Tafeln  47, 90, 162, 197 Zwangskauf  171, 174 f., 179 Zwischenbescheid  siehe pronuntiatio