Staatliche Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege [1 ed.] 9783428504688, 9783428104680

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Staatliche Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege [1 ed.]
 9783428504688, 9783428104680

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PHILIPP L A U R E N Z ROGGE

Staatliche Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 862

Staatliche Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

Von Philipp Laurenz Rogge

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Vereins zur Förderung von Wissenschaft und Forschung im Bereich der freien Wohlfahrtspflege e.V., Freiburg

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Rogge, Philipp Laurenz:

Staatliche Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege / Philipp Laurenz Rogge. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 862) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10468-4

Alle Rechte vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10468-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier

entsprechend ISO 9706 Θ

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2000 von der juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Mai 2000 abgeschlossen. Die offene und freundliche Unterstützung von Praktikern hat wesentlich zu dieser Arbeit beigetragen, vor allem hat sie ein scheinbar trockenes Thema mit Leben gefüllt. Besonders bedanken möchte ich mich auf Seiten der Finanzkontrolle bei Herrn Ministerialdirigenten Dr. Harald Schultze und Herrn Oberrechnungsrat Hans Neubauer vom Niedersächsischen Landesrechnungshof, bei Frau Ministerialdirigentin Elke Siebenbaum und Frau Regierungsdirektorin Christa Ahrendt vom Schleswig-Holsteinischen Landesrechnungshof sowie beim Direktor am Rechnungshof Berlin Lutz Becker. Auf seiten der Wohlfahrtsverbände ein herzliches Dankeschön an Herrn Stefan Kutter, Leiter der Prüfstelle des Präsidiums des Deutschen Roten Kreuzes in Bonn, Frau Bombien-Teilmann von der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, Herrn Cord Wellhausen, Landesvorsitzender des DPWV Nordrhein-Westfalen, an den Geschäftsführer Herrn Wolfgang Medrisch vom DPWV Schleswig-Holstein und den dortigen Finanzreferenten Herrn Brust. Angeregt und betreut wurde die vorliegende Dissertationsschrift von Herrn Prof. Dr. Werner Heun, Leiter des Instituts für allgemeine Staatslehre an der Universität Göttingen. Stets hilfsbereit und interessiert, kann man seine Betreuung nur vorbildlich nennen, insbesondere die rekordverdächtig schnelle Korrektur. Die Zweitkorrektur hat mein langjähriger akademischer Lehrer und Chef Prof. Dr. Ralf Dreier übernommen. Neben manchen wichtigen Anregungungen und Kontakten half er mir vor allem dadurch, daß er mir an seinem Lehrstuhl optimale Arbeitsbedingungen bot. Ein besonderer Dank gilt der Friedrich-Ebert-Stiftung für das Promotionsstipendium und dem Verein zur Förderung von Wissenschaft und Forschung im Bereich der freien Wohlfahrtspflege, der den Druckkostenzuschuß übernommen hat. Schließlich möchte ich mich bei meinem Freund Dr. Andreas Harms für seine wertvolle Hilfe bei der Durchsicht der Arbeit, bei meiner Freundin Dr. Katrin Werner für ihren seelischen Zuspruch sowie bei meinen Eltern Thekla und Dr. Dirk Itel Rogge für ihre allseitige Unterstützung bedanken. Philipp Laurenz Rogge

Inhaltsverzeichnis Einleitung

13

Α. Anlaß und Ziel der Untersuchung

13

B. Die freie Wohlfahrtspflege

15

I. Begriff

15

II. Aufgaben und Bedeutung

16

III. Strukturwandel und Kritik

18

IV. Finanzierung

20

1. Leistungsentgelte

21

2. Zuwendungen

21

3. Zuschüsse aus Lotterien

23

4. Eigenmittel

24

Teil 1 Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz des Rechnungshofes zur Prüfung Privater A. Verfassungsunmittelbarer Auftrag zur Prüfung Privater aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG? I. Prüfung bei Privaten als Folge der Verwaltungskontrolle? II. Prüfung Privater aus dem Gebot lückenloser Finanzkontrolle?

26

27 27 30

1. Geltung nur innerhalb des Generalauftrags

31

2. Erweiterte Prüfungsaufgaben aus dem Gebot der Lückenlosigkeit

31

3. Zwischenergebnis

33

8

Inhaltsverzeichnis

Β. Prüfung Privater auf Grundlage des Gesetzesvorbehaltes in Art. 114 Abs. 2 S. 3 GG I. Ermächtigung zu zusätzlichen Befugnissen? II. Grenzen des Gesetzesvorbehalts

34 34 35

1. Problemstellung

35

2. Historische Auslegung

38

3. Demokratieprinzip als Grenze

38

4. Zwischenergebnis

40

C. Begrenzung durch die finanzverfassungsrechtliche Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes

41

I. Funktionale Grenze: Finanzverantwortung durch Bewirtschaftung öffentlicher Mittel

41

1. Verfassungssystematische Trennung der Finanzfunktionen

42

2. Aufgabentrennung zwischen Haushaltsrecht und Verwaltungsrecht

44

a) Schutzzweck

47

b) Budgetmäßigkeit versus Gesetzmäßigkeit

48

c) Konsequenz: Unterschiedliche Regelungsadressaten

51

3. Delegation und Kontrolle von Finanzverantwortung

54

a) Finanzverantwortung, Zweckbindung, Rechenschaftspflicht und Kontrolle in abgestuften Entscheidungsebenen

54

b) Zweckbindung als Grenze

57

c) Komplementäre Kontrollfunktion des Bundesrechnungshofes

59

II. Grenzen aus Stellung des Bundesrechnungshofes in der Finanzverfassung

60

1. Grenzen aus Zurechnung zur Exekutive

60

2. Akzessorietät der Entscheidungsbefugnisse eines Hilfsorgans

60

3. Beschränkung auf Umfang parlamentarischer Entlastung?

62

III. Zwischenergebnis D. Prüfungsmaßstäbe der Finanzkontrolle I. Ordnungsmäßigkeit

64 64 64

II. Wirtschaftlichkeit

66

1. Bedeutung

66

Inhaltsverzeichnis 2. Zweckbestimmung

67

3. Nutzenmessung

70

4. Konsequenzen der Wirtschaftlichkeitsproblematik

70

a) Graduelle Abstufungen

71

b) Wirtschaftlichkeit durch Verfahren

72

(1) Wirtschaftlichkeitskontrolle als Verfahrenskontrolle

73

(2) Wirtschaftlichkeitskontrolle als Verfahrensbeitrag

74

E. Zwischenergebnis

80

Teil 2 Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte A. Grundrechtseingriff durch Finanzkontrolle? I. Zur Grundrechtsrelevanz der Finanzkontrolle

81 81 81

1. Eingriff durch Untersuchungen

82

2. Eingriff durch Bemerkungen

83

3. Eingriff durch Prüfungsmitteilungen

84

a) Beeinträchtigung durch Beanstandungen

84

b) Eingriff

85

c) Kein selbständiger Eingriff durch Kontrolle der Nebenbestimmungen

88

4. Zusammenfassung

91

II. Einwilligung in Prüfung?

91

III. Grundrechtsverlust durch Einbindung in staatliches Planungs- und Finanzierungssystem? B. Abwehrrechte freier Wohlfahrtspflege gegen staatliche Finanzkontrolle I. Bekenntnisfreiheit II. Kirchliches Selbstbestimmungsrecht 1. Vereine außerhalb der verfaßten Kirche

93 95 97 98 98

2. Die Schranke des „für alle geltenden Gesetzes"

101

a) Bereichsscheidung und Jedermann-Formel

102

10

Inhaltsverzeichnis b) Güterabwägung

105

(1) Nicht einschränkbare Materien

106

(2) Abwägung nach betroffenem Bereich

107

(3) Kirchliches Selbstverständnis als Maß der Betroffenheit?

108

3. Zwischenergebnis

110

4. Exkurs: Die Entzauberung des Helfens - oder: Vom Bedeutungsverlust religiöser Orientierung in der Wohlfahrtspflege

110

a) Bestandsaufnahme konfessioneller Wohlfahrtspflege: Verlust des Propriums

110

(1) Von milieubezogener Solidarität zu öffentlich geplanten und finanzierten Leistungssystemen

111

(2) Rechtliche Verkirchlichung, inhaltliche Abkopplung der konfessionellen Wohlfahrtspflege

114

(3) Sinkende Konfessionalität der Mitarbeiter

116

b) Zukunft des Propriums

117

(1) Leitbilder

118

(2) Entwicklungstendenzen

119

(a) Private Konkurrenz

120

(b) Neue Steuerungsmodelle

120

(c) Entkonfessionalisierung

121

c) Zusammenfassung 5. Normative Konsequenzen

121 123

III. Staatskirchenrechtliches Kooperationsgebot

125

IV. Vergleich mit Abwehrrechten der nichtkonfessionellen Wohlfahrtspflege

126

1. Berufsfreiheit

127

2. Allgemeine Handlungsfreiheit

128

3. Eigentumsgarantie

129

V. Stärkerer Schutz der konfessionellen Wohlfahrtspflege?

130

C. Verhältnismäßigkeit der Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

133

I. Eignung der Finanzkontrolle zur Wirtschaftlichkeitsoptimierung im Zuwendungsbereich 133 II. Denkbare mildere Mittel

135

1. Subsidiarität gegenüber interner Kontrolle?

136

2. Subsidiarität gegenüber Prüfungen durch Vergabestellen?

139

Inhaltsverzeichnis III. Zur Angemessenheit der Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

141

IV. Zusammenfassung

148

Teil 3 Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege nach §§ 91,104 BHO unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben A. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

149 150

I. Voraussetzungen

150

1. Zuwendungen

150

a) Stellen außerhalb der Bundesverwaltung

150

b) Leistungen

151

c) Zweckbindung

151

(1) Zweckbindung und unterschiedliche Zuwendungsarten

152

(2) Institutionelle Förderung

152

(3) Projektförderung

153

(4) „Etikettenschwindel"

154

d) Freiwilligkeit

158

2. Weiterleitung von Zuwendungen an Dritte

160

3. Abgrenzung zur Zuwendungsvergäbe durch Beliehene

161

II. Prüfungsgegenstände 1. Sind Zuwendungsempfänger selbst Prüfungsobjekte?

163 163

a) Meinungsstand

163

b) Die Bewirtschaftung der Zuwendung als Prüfungsobjekt

165

2. Prüfung der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung

169

a) Meinungsstand

169

b) Zuwendungsbezug als maßgebliches Kriterium

170

c) Institutionelle Förderung

171

d) Projektförderung

172

(1) Nicht abgrenzbare Projekte

172

(2) Mischfinanzierung

173

(3) Haushaltsrechtlicher Subsidiaritätsgrundsatz

174

12

Inhaltsverzeichnis e) Sonderproblem: Zuwendungskontrolle nach Art. 56 Abs. 4 LV, § 104 Abs. 1 Nr. 1 LHO Schleswig-Holstein

179

f) Keine Wirtschaftlichkeitskontrolle

184

III. Prüfungsmaßstäbe

185

1. Prüfung der bestimmungsgemäßen Verwendung

185

2. Prüfung der wirtschaftlichen Verwendung

190

a) Gründe für Wirtschaftlichkeitsdefizite

190

b) Rechnungshöfe als Wirtschaftlichkeitspriifer der freien Wohlfahrtspflege

194

(1) Sparsamkeitsprüfungen

196

(2) Erfolgskontrollen

197

(3) Organisationsuntersuchungen

201

B. Kontrolle gesetzlicher Zuschüsse nach § 104 BHO I. Voraussetzungen II. Prüfungsgegenstände III. Prüfungsmaßstäbe C. Verfahren I. Rechtliches Gehör

203 203 205 206 207 208

1. Rechtliches Gehör vor Erhebungen

209

2. Rechtliches Gehör im Prüfungsverfahren

212

II. Mitteilungsempfänger III. Jahresberichte / Bemerkungen

214 215

Zusammenfassung und Schlußbemerkung

218

Literaturverzeichnis

221

Sachwortverzeichnis

240

Hinsichtlich der verwendeten Abkürzungen wird verwiesen auf Hildebert kürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Auflage, Berlin 1993.

Kirchner,

Ab-

Einleitung Α. Anlaß und Ziel der Untersuchung Die Krise der öffentlichen Haushalte hat in den letzten Jahren die Rechnungshöfe zunehmend ins öffentliche und wissenschaftliche Bewußtsein gerückt. Früher war das Haushaltsrecht ein Stiefkind des Staatsrechts. Seit Ende der achtziger Jahre reiht sich eine Publikation an die andere1, auch die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer erhob die Rechnungshöfe zum Tagungsthema2. Die Rechnungshöfe sind interessant geworden, weil man sich von der modernen Finanzkontrolle im Gegensatz zur alten Rechnungsprüfung einen wirtschaftlich rationalen Gegenpol zum Parteienstaat verspricht: Die Finanzkontrolle „im Wandel" soll nicht mehr bloß die staatliche Haushalts- und Wirtschaftsführung prüfen. Sie soll den Gesetzgeber beraten, Einsparpotentiale aufdecken, Aufgabenkritik üben oder Verwaltungsreformen initiieren. Schulze-Fielitz faßt die Funktionsverschiebungen in Begriffspaaren zusammen: Von der Beleg- zur Funktionsprüfung, von der Vollzugs· zur Programmprüfung, von der Vollzugs- zur Aufgabenkritik und von der prüfenden Kritik zur Beratung.3 Das sprengt den hergebrachten Rahmen der Rechnungsprüfung und wirft Fragen nach der Legitimation der Finanzkontrolle auf. 4 Um so mehr muß dies gelten, wenn Rechnungshöfe den staatlichen Innenbereich verlassen und Private prüfen. Der Staat erfüllt längst nicht mehr alle Aufgaben selbst. Er privatisiert, gründet Trabanten und finanziert oder bezuschußt außerhalb 1 Als Sammelbände seien genannt: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel (1989); Zavelberg (Hg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen - Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer (1989); Böning/v. Mutius (Hg.), Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System (1990); Engelhardt/Schulze/Thieme (Hg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel? (1993); Brauneder (Hg.), Internationalität der Finanzkontrolle (1995); U. Müller (Hg.), Haushaltsreform und Finanzkontrolle (1998); als Monografien: Knöpfle, Die Zuständigkeit der Rechnungshöfe für die Prüfung der Körperschaften des öffentlichen Rechts (1989); Diederich u. a., Die diskreten Kontrolleure (1990); Rischer, Finanzkontrolle staatlichen Handelns: Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als Prüfungsmaßstäbe (1995); Lehment, Rundfunkfreiheit und Finanzkontrolle (1996); Sie rig, Die Grenzen staatlicher Finanzkontrolle (1998). Zudem ist eine mittlerweile fast unüberschaubare Zahl an Aufsätzen erschienen. 2 Zweiter Beratungsgegenstand der Tagung 1995, VVDStRL 55 (1996). 3 Schulze-Fielitz, in: VVDStRL 55 (1996), S. 243-250. 4 S. hierzu die Beiträge in den oben genannten von v. Arnim und Engelhardt/Schulze/ Thieme herausgegebenen Sammelbänden.

14

Einleitung

seiner Staatsorganisation stehende Dritte. 5 Im Jahr 1993 vergab allein der Bund Zuwendungen in Höhe von 23,2 Mrd. DM. 6 Die Rechnungshöfe richten ihr Augenmerk seit einigen Jahren verstärkt auf diese Ausgabensektoren.7 Hier vermuten sie erhebliche Reserven. Die Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder ermächtigen in den §§91 und 104 die Rechnungshöfe zur Kontrolle der Empfänger von Zuwendungen und öffentlichen Zuschüssen. Sie können prüfen, ob die Mittel ordnungsgemäß und wirtschaftlich eingesetzt wurden. Bei Bedarf können sie die Prüfung über die Staatsmittel hinaus auf die sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung der Empfänger erstrecken. Zu den größten Empfängern zählt die freie Wohlfahrtspflege. Nach der bislang einzig bekannten Schätzung erhielt sie 1986 Zuwendungen und Subventionen in Höhe von 5,23 Mrd. DM. 8 In den letzten Jahren kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen den Wohlfahrtsverbänden und den Landesrechnungshöfen, so in Nordrhein-Westfalen 19879, in Baden-Württemberg 199110, in SchleswigHolstein 199311 und in Sachsen 199912. Die Verbände argumentieren, daß sie - ungeachtet der öffentlichen Mittel - als Private keiner staatlichen Aufsicht unterliegen. Die Zuwendungen dienten der Förderung ihrer eigenverantwortlichen gemeinnützigen Werke. Durch die staatliche Finanz- und Wirtschaftlichkeitskontrolle würde aber eine Aufsicht durch die Hintertür eingeführt und die freie Wohlfahrt zum staatlichen Werkzeug degradiert. Besonders die konfessionellen Träger Caritas und Diakonisches Werk wehren sich gegen die Rechnungsprüfer. 13 Sie meinen, daß das staatskirchenrechtlich verbürgte Selbstbestimmungsrecht eine staatliche Finanzkontrolle ausschließe. Aus diesen Auseinandersetzungen gingen die bislang einzigen Monografien zum Thema hervor. 14 5 S. hierzu vor allem Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten. 6 Vi Köckritz!Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 2. 7 Lange, in: Festschrift General-Rechen-Kammer, S. 279 (279); Schulze, in: Engelhardt/ Schulze/Thieme (Hg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel?, S. 33 (34). s Göll, Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftssektor, S. 290-292. Die Gesamtsumme dürfte wegen der deutschen Einheit und wegen dem Wachstum der freien Wohlfahrtspflege (s.u.) mittlerweile wesentlich höher liegen, neuere Schätzungen existieren aber bislang nicht. 9 S. hierzu die Zusammenfassung der Auseinandersetzungen von Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 14-20. 10 S.LT-Drs. 10/6572 u. 10/5535. 11

Hier kam es zu den bislang heftigsten Streitigkeiten. Die Wohlfahrtsverbände verweigerten dem Rechnungshof über Monate die Einsichtnahme in bestimmte Unterlagen, s. Bemerkungen 1994 des Landesrechnungshofes, Tz. 4.2.2. 12 S. Jahresbericht 1999, Nr. 25, Tz. 2.6 u. 3.4. 13 Vgl. den sächsischen (Jahresbericht 1999, Nr. 25, Tz. 2.6 u. 3.4) und den schleswig-holsteinischen (Bemerkungen 1994 Tz. 4.2.2.) Jahresbericht. 14 Hierbei handelt es sich um Gutachten im Auftrag der Wohlfahrtsverbände: Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater; ders., Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Ein-

Β. Die freie Wohlfahrtspflege

15

In dieser Arbeit soll untersucht werden, ob der Widerstand der Wohlfahrtspflege berechtigt ist. Zu Beginn sind die staatsorganisationsrechtlichen Grenzen der Finanzkontrolle zu bestimmen. Es stellt sich die Frage, ob die Funktion und verfassungsrechtliche Stellung des Bundesrechnungshofes die Prüfung Privater erlaubt. Die Ergebnisse des ersten Teiles beanspruchen Geltung nicht nur für die Kontrolle der sozialen Organisationen, sondern aller privaten Mittelempfänger. Im zweiten Teil ist zu prüfen, ob Grundrechte der freien Wohlfahrtspflege und insbesondere das kirchliche Selbstbestimmungsrecht die staatliche Finanzkontrolle ausschließen oder beschränken. Hierbei ist auch der Frage nachzugehen, ob die kirchlichen Werke einen größeren Schutz vor staatlichen Wirtschaftlichkeitskontrollen genießen als die nichtkirchlichen Einrichtungen. Im abschließenden dritten Teil sollen die Prüfungsbefugnisse im einzelnen sowie das Prüfungsverfahren unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben geklärt werden. Die Ergebnisse gelten für alle Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder, da sich die einschlägigen Normen gleichen. Auf die Regelung in Schleswig-Holstein wird gesondert eingegangen.

B. Die freie Wohlfahrtspflege Zum besseren Verständnis der Prüfungsprobleme und der Auseinandersetzungen zwischen Staat und Verbänden soll zunächst ein kurzer Überblick über die freie Wohlfahrtspflege und ihre Finanzierung gegeben werden.

I. Begriff Der Gesetzgeber übernahm in § 10 und 93 BSHG sowie in § 75 Abs. 3 SGB VIII den Begriff der freien Wohlfahrtspflege. Unter „freier Wohlfahrtspflege" versteht man weit überwiegend alle in den folgenden sechs Spitzenverbänden der Wohlfahrt organisierten Werke und Vereinigungen: Deutscher Caritasverband, Diakonisches Werk, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, Deutsches Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt und Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband. 15 Teilrichtungen; Delbrück, Gutachten zu den Prüfungsrechten des Landesrechnungshofes Schleswig-Holstein gegenüber den Freien Wohlfahrtsverbänden. Als Aufsätze erschienenen zusätzlich: Delbrück, Staatliche Finanzkontrolle und freie Wohlfahrtsverbände, ZevKR 40 (1995), S. 21 ff.; Mainusch, Staatliche Rechnungsprüfung gegenüber kirchlichen Einrichtungen, NVwZ 1994, S. 736 ff. und Brenner, Staatliche Rechnungsprüfung gegenüber kirchlichen Einrichtungen, NVwZ 1995, S. 454 ff. 15 Umfassend Bauer, Wohlfahrtsverbände in der Bundesrepublik, S. 117 ff. Vgl. zudem die Selbstdarstellung der Verbände in: Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (Hg.), Gesamtstatistik der Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege, S. 54 ff.

16

Einleitung

weise wird ein weiterer Begriff vertreten, der alle nicht öffentlichen und nicht gewerblichen sozialen Organisationen und Einrichtungen einschließt. Sonst würden die traditionellen Verbände ungerechtfertigt privilegiert. Unabhängige Vereinigungen würden zur Mitgliedschaft in einem der sechs Verbände genötigt.16 In dieser Untersuchung wird der Begriff im weiten Sinne verstanden. Denn es macht keinen Unterschied, ob ein Empfänger öffentlicher Mittel in einem der Verbände organisiert oder unabhängig ist.

II. Aufgaben und Bedeutung Von A wie Altenhilfe bis Ζ wie Zivildienstschulen - das Tätigkeitsspektrum der freien Wohlfahrtspflege ist beinahe unüberschaubar. Es läßt sich in folgende große Bereiche einteilen: • Krankenhäuser, • Jugendhilfe (ζ. B. Heime und Kindergärten, Schulen und Lehrwerkstätten), • Familienhilfe (ζ. B. Erholungsheime, Ehe- und Schwangerschaftsberatungsstellen, Sozialstationen der ambulanten sozialpflegerischen Dienste, mobile soziale Dienste), • Altenhilfe (ζ. B. Altenheime und Altentagesstätten, Altenpflegedienste), • Behindertenhilfe (ζ. B. Heime, Tagesstätten, Sonderkindergärten und -schulen, Werkstätten), • „Einrichtungen und Dienste für Personen in besonderen sozialen Situationen sowie sonstige Einrichtungen und Dienste" (unter diese Sammelbezeichnung fallen ζ. B. Heime für Obdachlose, Suchtkranke, Asylbewerber oder Studenten, Werkstätten für Arbeitslose, zahlreiche Beratungsstellen für Suchtkranke, Schuldner, Flüchtlinge und andere sowie allgemeine Sozialberatungsstellen. Schließlich gehören hierher die Rettungsdienste und Blutspendedienste).17

Die Größe der freien Wohlfahrtspflege wird vielfach unterschätzt. Das mag daher rühren, daß sie erst in den letzten 25 Jahren mit der Ausweitung des Sozialstaates erheblich gewachsen ist: Die Zahl der von den sechs Spitzenverbänden insgesamt unterhaltenen Einrichtungen stieg von ca. 52.500 im Jahr 1970 auf ca. 91.200 im Jahr 1996, die der Beschäftigten (Voll- und Teilzeit) von ca. 382.000 auf ca. 1,12 Mio. 1 8 Zum Vergleich: 1998 beschäftigten die drei größten deutschen Arbeitgeber Daimler-Chrysler, Siemens und Volkswagen weltweit zusammen ca. 1.14 Mio. Arbeitnehmer. 19 Der Gesamtumsatz der Branche wurde 1991 auf 16

S. ausf. Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 131-141 m. w. N. Angaben aus der Gesamtstatistik der freien Wohlfahrtspflege, hg. von der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, S. 54 ff. 18 Gesamtstatistik der freien Wohlfahrtspflege, hg. von der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, S. 11. 19 Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 06. 07. 1999, Β 1. S. zudem den Vergleich der (abnehmenden) Beschäftigungszahlen in diesen drei größten deutschen Industrieunternehmen 17

Β. Die freie Wohlfahrtspflege

17

rund 60-65 Mrd. geschätzt.20 Die Caritas ragt als mit Abstand größter Verband 21 heraus: 1994 zählte sie ca. 24.100 Einrichtungen (gesamte Wohlfahrtspflege 1993: ca. 81.000) und ca. 431.000 hauptberuflich Beschäftigte (gesamte Wohlfahrtspflege 1993: ca. 937.500)22. Damit ist die Caritas der größte private Arbeitgeber Europas. 23 Neben den Haupt- und Vollzeitbeschäftigten arbeiten geschätzte 1,5 Mio. Menschen ehrenamtlich in den Wohlfahrtsverbänden. 24 Verläßliche Zahlen finden sich hierzu kaum. „Bei der von Verbandsseite angegebenen Zahl von 1,5 Mio. Ehrenamtlichen in den Verbänden und Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege stehen Validität und Réhabilitât im entgegengesetzten Verhältnis zur Häufigkeit der Nennung und Verbreitung dieser Größe". 25 Die Wohlfahrtsverbände tendieren dazu, die Zahl der Ehrenamtlichen hochzurechnen. Ehrenamtliches Engagement ist Teil des Selbstverständnisses der gemeinnützigen sozialen Arbeit. Ehrenamtliche legitimieren die Privilegierung der frei-gemeinnützigen vor den gewerblichen Anbietern sozialer Leistungen. Drohen Kürzungen der staatlichen Leistungen, dann wird stets betont, daß die Ehrenamtlichen den Staat entlasten; übernähme er selbst die sozialen Dienste, dann würde die öffentliche Hand erheblich mehr belastet.26 Die aktuelle Gesamtstatistik der Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege weist zusammen mit den in Selbsthilfegruppen Organisierten sogar 2,5 bis 3 Mio. Ehrenamtliche und Freiwillige aus.27 Die Tendenz geht aber wohl eher dahin, daß nur die Selbsthilfegruppen florieren 28 während das Ehrenamt in der modernen Wohlfahrtspflege seine Bedeutung einbüßt29. mit denen in der Wohlfahrtspflege von Rauschenbach und Schilling in:. Rauschenbach / Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 321 (338 f.). 20 Oppi, Soziale Arbeit 1992, S. 152 (155). 21

Die Angaben beziehen sich auf alle Einrichtungen und Vereinigungen, die in der Caritas organisiert sind. Die Caritas selbst ist kein Konzern. Eigentlich handelt es sich um hunderte einzelner Arbeitgeber. Diese Vergleiche sind daher insoweit schief; vgl. etwa Batkiewicz! Speckert, Caritas '97 (Jb.), S. I l l (111 f.). 22 S. die Statistik von Speckert, Caritas '96 (Jb.), S. 391 (393) einerseits und die Gesamtstatistik der Bundesarbeitsgemeinschaft (Hg.) andererseits (S. 11). 23

Rauschenbach / Schilling, in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 321 (338 f.). 24 Meyer, Sozialer Fortschritt 1997, S. 158 (159). 25 Göll, Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftssektor, S. 250. 26 S. etwa Batkiewicz!Speckert, Caritas '97 (Jb.), S. 111 (117, 120) u. Stellungnahme der Arbeiterwohlfahrt zum Gutachten der Monopolkommission vom September 1998 (im Internet unter www.awo.de), der zufolge der volkswirtschaftliche Nutzen der ehrenamtlichen Arbeit auf ca. 50 Mrd. DM geschätzt wird. Dagegen Meyer, Sozialer Fortschritt 1997, S. 158 (159): ca. 8 Mrd. DM. 27 Bundesarbeitsgemeinschaft (Hg.), Gesamtstatistik, S. 28. 28 Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 17 ff. 29 Backhaus-Maul, NDV 1996, S. 280 (286); Heinze / Strünck, in: Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 294 (303 f.); Meyer, Sozialer Fortschritt 1997, S. 158 (165); ausf. 2 Rogge

18

Einleitung

I I I . Strukturwandel und Kritik Der Bedeutungsverlust der ehrenamtlichen Mitarbeit ist nur ein Ausschnitt der derzeitigen Probleme der freien Wohlfahrtspflege, die hier nur einführend skizziert werden. 30 Im Verlauf der Untersuchung sind die Phänomene ausführlicher darzustellen, insbesondere bei der Bestandsaufnahme der karitativen Arbeit. 31 Über lange Jahre waren die Wohlfahrtsverbände in einer komfortablen Situation. Sie pflegten gute Beziehungen zum politischen System, das sich dem Ausbau des Sozialstaates verschrieben hatte.32 Unter Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip wurde die Ausführung der Aufgaben vornehmlich der freien Wohlfahrtspflege überlassen. Die Verbände erweiterten und vergrößerten ihre Leistungen. Untereinander arrangierten sie sich in den sogenannten Bundes- und Landesarbeitsgemeinschaften 33 - weiterer Konkurrenz brauchten sie sich kaum zu stellen. In dem Maße, wie die Verbände so zu großen Dienstleistungsunternehmen heranwuchsen, entfernten sie sich von ihrem Selbstverständnis als selbstorganisierte, gesellschaftliche Initiativen. 34 Sie wurden zunehmend als behördenähnliche Organisationen wahrgenommen. Hierunter litt ihr Ansehen35, ehrenamtliche Mitarbeit wurde unattraktiv 36, das Spendenaufkommen sank 37 . Neue, „basisnahe" soziale Bewegungen formierten sich und machten der freien Wohlfahrtspflege das Feld streitig. 38 Auf der anderen Seite gerät ihre privilegierte Stellung durch die Konkurrenz privat-gewerblicher Anbieter ins Wanken.39 Aufgrund der Krise der öffentlichen Haushalte und Sozialversicherungssysteme mußte das Sozialsystem wirtschaftlicher gestaltet werden. So wurden marktwirtschaftliche Elemente eingeführt. Die Rauschenbach/Schilling, in:. Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 321 (333 ff.). 30 Einen knappen und informativen Überblick bietet die Einführung von Rauschenbach, Sachße und Olk, in: dies. (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 11-33. 31 S.u. S. 110ff. 32 S. u.S. 93 f. 33 S.u.S. 191. 34 Vgl. die Darstellung von Horch, in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 280 ff. 35 S. Hegner, Zeitschrift für Sozialreform 38 (1992), S. 165 (181 f.) unter Berufung auf Umfragestudien. 36 Vgl. zu diesen „Organisationsdilemmata" Grunow, in: Rauschenbach / Sachße / Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 253 (265 ff.). 37 Oppi, Theorie und Praxis der sozialen Arbeit 1991, S. 128 (134 f.). 38 S. ausführlich zu den Neuen Sozialen Bewegungen und den Defiziten der freien Wohlfahrtspflege Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 26 ff. 39 Zu dieser Klemme zwischen Selbstorganisierten und Gewerblichen s. Nokielski IP ankoke, in: Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 146 ff.

Β. Die freie Wohlfahrtspflege

19

Pflegeversicherung leitete den Übergang ein; jetzt müssen die frei-gemeinnützigen Organisationen mit gewerblichen Pflegediensten konkurrieren und ihre Kosten rechtfertigen. Der als Verbändeprivileg verstandene Subsidiaritätsgrundsatz hat ausgedient. 40 Die freie Wohlfahrtspflege wehrte sich vergeblich. Sie befürchtet, daß durch den Ökonomisierungsdruck die Qualität der Leistungen sinkt und ihr spezifisches Profil verblaßt. Zudem interessierten sich die Öffentlichkeit und die Rechnungshöfe nun für die Finanzen der freien Wohlfahrtspflege. Die Medien recherchierten in einem bis dato weitgehend unbehelligten Bereich und deckten vermeintliche oder tatsächliche Skandale auf. 4 1 Kungelei, MißWirtschaft, Betrug und Bereicherung wurde der Branche vorgeworfen. 42 Soweit sich die Wohlfahrt damit verteidigte, daß es in 40 Vgl. die Zusammenfassung von Backhaus-Maul, Von Subsidiarität zu „outcontracting": Zum Wandel der Beziehungen von Staat und Wohlfahrtsverbänden in der Sozialpolitik, in: W. Streeck (Hg.), Staat und Verbände, PVS-Sonderheft 25/1994, Opladen 1994, S. 100135. 4

' S. etwa Der Spiegel 25/1988, S. 52ff.: „Nur noch saugen und mauscheln"; Nr. 1 /1990, S. 45 ff.: „Einige Bomben"; Nr. 52/1995: „Konzerne unterm Kreuz"; Capital 12/1996, S. 148 ff.: „Wohlfahrt im Rolls-Royce"; Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30. 12. 1995, S. 13: „Das teure Wohlfahrtskartell". 42 Aufsehen erregten in den letzten Jahren ζ. B. folgende Fälle: • Der Bericht des Landesrechnungshofes Schleswig-Holstein über Zuwendungen für mobile soziale Dienste, von denen nach Ansicht des LRH 13 Mio. DM zurückverlangt werden sollten, s. Bemerkungen 1994 Tz. 4 und aus der umfangreichen Presseberichterstattung ζ. B. Der Spiegel 5/1994, S. 94 ff.: „Knete in der Tasche"; Die Welt v. 2. 2. 1994: „Rechnungshof entlarvt schmutzige Tricks der freien Wohlfahrt; Frankfurter Rundschau v. 2. 2. 1994: „Wohlfahrtsverbände unter Betrugs verdacht". • Der Blutspendeskandal um das Bayerische Rote Kreuz. Der Blutspendedienst hatte ohne Ausschreibungen überteuerte Blutbeutel eingekauft sowie das Blut nach einem unverhältnismäßig kostspieligen Verfahren testen lassen und dafür angeblich Zuwendungen in Millionenhöhe von den begünstigten Firmen erhalten. S. Süddeutsche Zeitung" vom 12. 11. 1998, S. 44: „Beim Roten Kreuz geht die Polizei ein und aus" sowie v. 2. 11. 1998, S. 3: „Der Höchstpegel ist erreicht"; Der Spiegel 11 /1999, S. 99: „System Hiedl". Zudem wurde das Rettungswesen des Bayerischen Roten Kreuzes des Abrechnungsbetruges verdächtigt, s. Süddeutsche Zeitung v. 17. 9. 1999: „Brisanter Betrugsverdacht im BRK-Rettungswesen". • Untreue und Subventionsbetrug im „Landeskuratorium der katholischen Dorfhelferinnen und Betriebshelfer Bayern e.V.". Der Freistaat forderte vom Kuratorium 1,5 Mio. DM an Landesmitteln zurück. Der Geschäftsführer soll unter anderem Provisionen für die betrieblichen Versicherungen und für die Altersvorsorge nicht an das Kuratorium, sondern in die eigene Tasche gesteckt haben, sich davon teure Dienstlimousinen und einen aufgeblähten und überbezahlten Mitarbeiterstab geleistet haben. Dem Kuratorium drohte daraufhin der Konkurs, ihm wurde die Gemeinnützigkeit entzogen, s. Süddeutsche Zeitung v. 17. 11. 1998: „Hilfsorganisation nach Millionenbetrug vor der Pleite". • Die Affäre um die Caritas-Träger-Gesellschaft Trier (CTT). Dem Geschäftsführer der CTT wurden mehrere dubiose Geschäfte vorgeworfen. U. a. soll er mit Mitteln der gemeinnützigen CTT Fußballvereine mit Millionenbeträgen unterstützt haben. Danach entstand der Verdacht, daß auf Veranlassung des im Fußballvereinsvorstand sitzenden saarländischen Ministerpräsidenten die Caritaskliniken bei der Bedarfsplanung von Streichungen verschont wurden, s. Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 17. 9. 1999, S. 7: „Krankenhausmanager 2*

Einleitung

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jeder Branche schwarze Schafe gebe 4 3 , wurde dem entgegengehalten, daß sie sich an ihrem eigenen hohen moralischen Anspruch als gemeinnützige Organisationen messen lassen müsse. Überwiegend haben die Verbände den Handlungsbedarf längst erkannt: „Die freie Wohlfahrtspflege ist in die Schlagzeilen geraten. Dies schmerzt. Von Korruption, Filz und Inkompetenz i m System der Deutschen Wohlfahrtsverbände wird gesprochen ( . . . ) . Kann es akzeptabel sein, so lautet eine andere Frage, daß soziale Dienste nur als Markenartikel und Hilfsbedürftige nur als marktpolitische Ressource gelten? A l l diese Vorwürfe und Fragen machen uns tief betroffen( · · · V 4 4 Die Verbände treiben seit einigen Jahren Reformen voran. 4 5 Die freie Wohlfahrt reagiert auf den steigenden Ökonomisierungsdruck. 46 Sie befürchtet jedoch, daß ihre Eigenart als soziale Organisationen dabei auf der Strecke bleibt. Vor diesem Hintergrund ist die Abwehrhaltung gegen staatliche Wirtschaftlichkeitskontrollen zu sehen.

IV. Finanzierung Die freie Wohlfahrtspflege finanziert sich auf ungleich komplexere Art als andere Unternehmungen. 47 Eine Übersicht wird dadurch erschwert, daß die Verbände Doerfert verhaftet". Der ehemalige saarländische Ministerpräsident Klimmt trat wegen der Vorwürfe am 16. 11. 2000 von seinem Amt als Bundesverkehrsminister zurück. • Eher gegen die Verwaltungen richteten sich Filzvorwürfe: In Brandenburg wurde ein Strafverfahren gegen den Staatssekretär im Sozialministerium Affeid wegen „Haushaltsuntreue" eröffnet, nachdem er zusammen mit anderen Fördermittel i. H. v. über 20 Mio. DM für den Ausbau sozialpflegerischer Strukturen haushaltsrechtswidrig für die Empfänger geparkt hatte, um sie am Jahresende nicht zurückzahlen zu müssen. Das Strafverfahren wurde jedoch eingestellt, s. Der Spiegel 6/1998, S. 80. Zudem sollen sich beim Ausbauprogramm für Altenpflegeheime in Höhe von 3 Mrd. DM Wohlfahrtsmanager durch gute Kontakte zum Ministerium „eine goldene Nase verdient" haben, s. hierzu Sengbusch, Falsche Samariter - Hinter den Kulissen der Wohlfahrt (hierbei handelt es sich allerdings mehr um einen journalistischen, etwas reißerischen Politkrimi denn um ein Sachbuch). Der Hamburger Senat richtete einen „Filz-Untersuchungsausschuß" ein. Ein Prüfbericht des Landesrechnungshofes von 1994 monierte die Zuwendungspraxis und die fehlende Kontrolle der Zuwendungsempfänger. Der Sozialbehörde wurden auch persönliche Kontakte zu Zuwendungsempfängern vorgeworfen (s. Sen-Drs. 16/665). Der damaligen Sozialsenatorin wird zudem vorgeworfen, daß sie einen internen Prüfbericht über die Filzvorwürfe zum „Nonpaper" erklärt und in einer „Aktion Reißwolf' vernichtet hätte, s. Tagesspiegel v. 7. 4. 1999. « Vgl. für den DPWV Schneider, NDV 1996, S. 156 (157). 44 So der ehemalige Präsident des DPWV Sengling, zit. nach Oppi, Theorie und Praxis der sozialen Arbeit 1991, S. 128 (129). 45 S. u. S. 193. 46 Zur erwarteten weiteren Entwicklung der freien Wohlfahrtspflege, bezogen auf die konfessionellen Verbände, s. noch unten S. 120 ff. 47 Batkiewicz I Speckert, Caritas '97 (Jb.), S. 111 (113); Göll, Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftssektor, S. 160 ff.

Β. Die freie Wohlfahrtspflege

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föderal organisiert sind. Der Bundesverband, der Landesverband, der Kreisverband und die angeschlossenen Einrichtungen sind selbständig. Ζ. B. bezieht sich die Bilanz des Caritasverbandes nur auf den Zentralverband in Freiburg, nicht auf dessen Mitglieder. Zudem sind die Verbände wenig publizitätsfreudig. 48 Typisch für die freie Wohlfahrtspflege ist die sogenannte Misch- oder Stoppelfinanzierung, d. h. daß die Kosten aus vielen unterschiedlichen Töpfen bestritten werden. 49 Im Rahmen einer Studie stellte Oppi fest, daß einige Einrichtungen - neben anderen Einnahmen - Mittel aus bis zu 16 verschiedenen Förderprogrammen erhielten. 50 Wie hoch der Anteil einzelner Quellen ist, hängt wesentlich von der jeweiligen Leistung ab. 51

1. Leistungsentgelte Die wichtigsten Einnahmen stellen Leistungsentgelte dar. 52 Entgelte werden für eine bestimmte Leistung von den Kostenträgern erbracht. Kostenträger sind ζ. B. die Sozial- und Jugendhilfeträger, die Sozialversicherungsträger und die privaten Krankenversicherungen. Leistungsentgelte umfassen Pflegesätze, Kostenerstattungen sowie Beiträge des Leistungsempfängers. 53

2. Zuwendungen Den zweitgrößten Anteil machen die hier interessierenden staatlichen Zuwendungen aus. Ihr Einnahmenanteil schwankt ebenfalls. Während ζ. B. im Krankenhauswesen und mittlerweile auch überwiegend in der Pflege 54 nur Baumaßnahmen und andere Investitionen durch Zuwendungen und gesetzliche Zuschüsse gefördert werden, müssen Länder und Kommunen die Betriebskosten von Kindergärten erheblich bezuschussen55. Nach Schätzungen beträgt der Anteil der Zuwendungen 48 Oppi, Soziale Arbeit 41 (1992), S. 152 (152); Oliva ! Oppi/ Schmid, Rolle und Stellenwert freier Wohlfahrtspflege, S. 156. 49 S. Göll, Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftssektor, S. 160 ff.; Thamm, in: Rauschenbach / Sachße / Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 356 (360 ff.). so Theorie und Praxis des Soziale Arbeit 1991, S. 128 (134). 51

Vgl. die Untersuchung von Oliva / Oppi / Schmid zu den Einnahmequellen in den verschiedenen Leistungsbereichen Altenheime, Psychiatrie, Offene Behindertenarbeit und ambulante soziale Dienste: Rolle und Stellenwert freier Wohlfahrtspflege, S. 156 ff. 52

Bei der Caritas insgesamt ca. 60%, s. Batkiewicz/ Speckert, Caritas '97 (Jb.), S. 111 (113). 53 Batkiewicz!Speckert, Caritas '97 (Jb.), S. 111 (114). 54 S. Heinze ! Striinck, in: Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 294 (302), denen zufolge die Kommunen die Zuwendungen im Pflegebereich nach und nach einstellen werden. 55 Weil die Beiträge der Eltern bei weitem nicht kostendeckend sind, s. Oppi, Theorie und Praxis der sozialen Arbeit 1991, S. 128 (134).

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Einleitung

an der gesamten Wohlfahrtsfinanzierung zwischen 10 56 und 25% 57 . Im einzelnen wird der Zuwendungsanteil davon abhängen, ob in dem jeweiligen Leistungsbereich Entgelte erwirtschaftet werden können. Für kirchliche Sozialstationen ermittelte Eberle ζ. Β. einen Zuwendungsanteil von ca. 40%. 58 Bei manchen Beratungsdiensten dürften die Kosten komplett von Zuschüssen bestritten werden. Weil die Verbände selbst kaum Leistungsentgelte erwirtschaften (nur die angeschlossenen Einrichtungen), werden sie ebenfalls zu einem wesentlich höheren Anteil aus Zuwendungen bzw. aus Verwaltungskostenanteilen weitergeleiteter Zuwendungen finanziert. Nach Untersuchungen von Hüdepohl beträgt der Anteil der Zuwendungen am Haushalt des Deutschen Caritas-Verbandes ca. 35 % 5 9 , beim Deutschen Roten Kreuz sind es sogar 57 % 6 0 . Besonders die Verbände, aber auch einzelne Träger erhalten Zuwendungen aus den unterschiedlichsten Förderprogrammen. So können beispielsweise Modellförderungen 61 des Bundes, verschiedene Förderprogramme des Landes und Zuwendungen der Kommunen in ein Projekt fließen. Das bringt Probleme mit sich: Die Zuwendungsgeber verlieren den Uberblick; und da sie den Zuwendungen ihre eigenen Richtlinien zugrunde legen, ist der Verwaltungsaufwand für die Empfänger immens (besonders bei den Verbänden, die für die angeschlossenen Träger Zuwendungen organisieren, weiterleiten und abwickeln62). Weil Zuwendungen zudem dem Geldgeber als „goldener Zügel" dienen und die Planung erschweren, da sie nur jährlich gewährt werden, würden die Wohlfahrtsverbände gerne von Zuwendungen auf andere Finanzierungsinstrumente umsatteln.63 Die Sozialverwaltungen sind dem nicht abgeneigt, wenn sie so den Verwaltungsund Kontrollaufwand reduzieren können.64 Neben der Umstellung auf Leistungsentgelte ist derzeit vor allem das sogenannte Kontraktmanagement im Rahmen des Neuen Steuerungsmodells im Gespräch.65 Danach schließt der Kostenträger mit dem - im Idealfall über eine Ausschreibung ermittelten - Anbieter einen Vertrag 56

Göll, Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftssektor, S. 290 f. 57 Heinze/Strünck, in: Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 294 (312). Bei der Caritas stellen die Zuwendungen insgesamt ca. 20% der Einnahmen, s. Batkiewicz / Speckert, Caritas '97 (Jb.), S. 111(113). 58 Eberle, Sozialstationen in kirchlicher Trägerschaft, S. 28. 59 Ähnlich Batkiewicz!Speckert, Caritas '97 (Jb.), S. 111 (119), nach denen sich der DCV 1995 zu 34% aus Zuwendungen finanzierte. 60

Organisationen der Wohlfahrtspflege, S. 58. Modellförderungen deshalb, weil der Bund auf Landesebene nur Modelle fördern darf, S. u. S. 186. 62 Heinze/Strünck, in: Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 294 (315). 61

63 S. zur Kritik des Zuwendungsrechts noch unten, S. 88 f.; ferner Deutscher Verein, NDV 1986, S. 338-344; Batkiewicz/Speckert, Caritas '97 (Jb.), S. 111 (113f.); Junge, Caritas '89 (Jb.), S. 41 (44 f.). 64 S. ζ. B. Mehls, NDV 1996, S. 127 (127 ff.). 65 S. noch u.S. 120 f.

Β. Die freie Wohlfahrtspflege

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über einen längeren Zeitraum. In diesem Vertrag werden präzise die erwarteten Leistungen beschrieben, etwa eines Jugendzentrums. Die Mittel werden budgetiert. Der Anbieter hat also über Jahre ein festes Budget, über das er selbständig verfügen kann. Die Kurzformel lautet „von der Input- zur Outputsteuerung". 66 Würden die Zuwendungen eingestellt, dann wäre das Problem der öffentlichen Finanzkontrolle erledigt, die Rechnungshöfe hätten bei der freien Wohlfahrt nichts zu suchen. Die vorliegende Untersuchung hätte nur noch historischen Wert. Denn Leistungsentgelte und Leistungsverträge sind Austauschgeschäfte und damit keine zweckgebundenen Haushaltsmittel, deren Verwendung die Rechnungshöfe kontrollieren könnten.67 Die Zuwendungen fallen allerdings auf absehbare Zeit nicht weg, und das nicht nur, weil Rechnungshöfe dagegen opponieren 68. Die Verbandsarbeit wird weiter durch Zuwendungen finanziert werden müssen, da die Verbände keine berechenbare Leistung erbringen. 69 Das neue Steuerungsmodell erproben nur die Kommunen, während die Bundes- und Landesministerien bislang am Zuwendungsrecht festhalten. 70 Im übrigen braucht die Zuwendungsfinanzierung nicht ersetzt werden, da sie sich reformieren läßt. In Verträgen lassen sich längerfristige, genau bezifferte Zuwendungen vereinbaren und die Bewirtschaftung der Zuwendung ist flexibler gestaltbar. Außerdem schließt das Zuwendungsrecht genaue Leistungsvereinbarungen nicht aus, sondern fordert sie sogar. 71 Daher werden auch in Zukunft öffentliche Zuwendungen die gemeinnützige soziale Arbeit mitfinanzieren.

3. Zuschüsse aus Lotterien Lotterien vergeben Zuschüsse an die Wohlfahrtsverbände. Teilweise handelt es sich um direkte Zuschüsse der Lotterien, teilweise werden Konzessionsabgaben 66 Vgl. die Darstellungen von Heinze / Striinck, in: Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 294 (311 ff.) und Tschoepe, in: BBJ Servis GmbH (Hg.), Sozialstaatsgebot und gemeinnützige Träger, S. 23 (23-26). 67 S. unten S. 57 und 151. Wirtschaftlichkeitsprüfungen werden im entgeltfinanzierten Krankenhaus- und Pflegebereich deshalb nicht durch die Rechnungshöfe, sondern gem. § 113 SGB V und gem. § 79 SGB X I durch von den Kranken- und Pflegekassen bestellte Prüfer durchgeführt. 68 Vgl. LRH Berlin, Jahresbericht 1995, AbgH-Drs. 12/5452, S. 31. 69 Backhaus-Maul, NDV 1996, S. 286. 70 Tschoepe, in: BBJ Servis GmbH (Hg.), Sozialstaatsgebot und gemeinnützige Träger, S. 23 (23). Tschoepes Ansicht, nach der man in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg fortschrittlicher sei, trifft in Bezug auf Berlin nicht mehr zu. In Berlin war zwar zunächst geplant, die Zuwendungen an die Wohlfahrtsverbände auf Leistungsverträge umzustellen (s. Mehls, NDV 1996, S. 127 (127ff.) u. Bericht des Berliner LRH 1995, AbgH-Drs. 12/5452, S. 31). Statt dessen werden die Zuwendungsmittel nun aber treuhänderisch von den Spitzenverbänden verwaltet, s. u. S. 162 f. mit Fn. 72. 7 1 S.u.S. 199 f.

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Einleitung

und Einnahmen aus dem „Tronc" an die Wohlfahrtsverbände weitergegeben. Nach einer Umfrage von 1986 wendeten die staatlichen Lotterien den Wohlfahrtsverbände ca. 84 Mio. DM aus der „Glücksspirale", dem „Spiel 77" und anderen Spielgeschäften zu. 72 Inzwischen dürften die Einnahmen wesentlich höher liegen. Im Jahr 1999 sollten allein die niedersächsischen Verbände aus Lottokonzessionsabgaben ca. 40 Mio. DM erhalten. 73

4. Eigenmittel Die Bandbreite der Eigenmittel reicht von Spenden, Sammlungserlösen, eigenen Lotterien wie der „Aktion Mensch" (vormals „Aktion Sorgenkind") und Wohlfahrtsmarken über Bußgelder bis zu Mitgliedsbeiträgen, Vermögenserträgen und kirchlichen Zuwendungen.74 Die Verbände argumentieren in Sachen Eigenmittel doppelbödig. Einerseits müssen sie in der Öffentlichkeit den Eindruck aufrechterhalten, daß sie sich mit erheblichen Eigenmitteln an der Erbringung sozialer Dienste beteiligen. Andererseits wollen sie mit den Kostenträgern und Vergabestellen möglichst kostendeckende Entgelte und Zuwendungen aushandeln.75 Tatsächlich spielen Eigenmittel nur bei Investitionen und der Verbandsarbeit eine größere Rolle 76 , während in die laufenden Betriebskosten der Einrichtungen überwiegend kaum Eigenmittel fließen. Deshalb betonen die Verbände den Eigenbeitrag durch Ehrenamtliche. 77 Bei Zuwendungen zu den laufenden Betriebskosten geben die Empfänger häufig andere öffentliche Zuwendungen oder Leistungsentgelte als den geforderten Eigenanteil an. 78 Mangels offizieller Daten ist gleichfalls nur schwer zu beurteilen, wieviele Kirchensteuermittel in die Arbeit der konfessionellen Verbände fließen. 79 Die Verbände sind rechtlich selbständig, sie erhalten Steuermittel nur als Zuwendungen der Kirchen. Göll errechnete für die Diakonie eine „Kirchenquote" von 4,5-5% und für die Caritas von 16, 7%. 8 0 Auch hier wird ein Teil der Einrichtungen allein 72

S. Göll, Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftssektor, S. 299. § 7 NLottoG. Durch die Neufassung des NLottoG wurden diese Mittel erstmals als gesetzliche Zuschüsse ausgestaltet, s. zu den Prüfungsrechten des LRH unten, S. 203 ff. 74 S. Thamm, in: Rauschenbach /Sachße /Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 356 (365 f.). 7 5 Oppi, Soziale Arbeit 1992, S. 152 (156). 73

76

Vgl. für Investitionen Oliva / Oppi ! Schmid, Rolle und Stellenwert freier Wohlfahrtspflege, S. 156 ff. und für die Verbandsarbeit die Tabelle von Göll über Einnahmestrukturen der Verbandszentralen, Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftssektor, S. 108. 77 S. Batkiewicz!Speckert, Caritas '97 (Jb.), S. 111 ff., sowie oben bei und in Fn. 47. 78 S. z. B. LRH Schleswig-Holstein, Bemerkungen 1994, Tz. 4.5.7. 79 Zur zurückhaltenden Offenlegung von Zahlen im kirchlichen Bereich fragt sich Stolleis, ZevKR 1996,435 (438), „Ist es ein diffuses schlechtes Gewissen des Reichtums oder die Vornehmheit großer Häuser, in denen von Geld zu reden als unfein gilt?" 80 Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftssektor, S. 305 ff.

Β. Die freie Wohlfahrtspflege

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mit Entgelten und Zuwendungen seine Betriebskosten decken können und nur für Investitionen kirchliche Mittel benötigen. Dagegen müssen sich ζ. B. die kirchlichen Kindergartenträger in Nordrhein-Westfalen stärker an den Betriebskosten beteiligen als andere, weil nach dem Kindergartengesetz arme Träger weniger Zuwendungen erhalten als reiche und die Kirchen als reiche Träger eingestuft werden. 81 Diese Differenzierung stellt aber eine Ausnahme dar. In der Regel werden die Wohlfahrtsverbände von den Zuwendungsgebern unabhängig von deren Vermögen gleich behandelt. Im Fall der Kindergärten dürfte es eine Rolle spielen, daß die konfessionellen Kindergärten zum Großteil nicht von der Caritas oder der Diakonie, sondern von den Gemeinden betrieben werden. 82 Generalisierende Aussagen zur Finanzierung der Wohlfahrtsverbände und ihrer Einrichtungen verbieten sich mithin, die Bandbreite der Einnahmen entspricht der Bandbreite ihrer Werke. Auf die Folgen der Mischfinanzierung für die Kontrolle der freien Wohlfahrtspflege wird später zurückzukommen sein 83 .

81 S. zur Differenzierung zwischen armen und reichen Trägern im Kindergartenbereich Neumann, ZSR 1991, S. 277 (294 f.). 82 Vgl. Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 16. S3 S. unten S. 173 f., 185 ff.

Teil 1

Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz des Rechnungshofes zur Prüfung Privater Nach §§91 und 104 BHO kann der Bundesrechnungshof seine Prüfung auf private Stellen erstrecken. In der bisher umfassendsten Studie zur Zulässigkeit der Rechnungsprüfung Privater lehnt Leisner die Kontrolle der Wohlfahrtspflege nicht nur aus grundrechtlichen Erwägungen ab, sondern weil diese dem verfassungsrechtlichen Auftrag der Rechnungshöfe widerspräche. Ihr Kontrollauftrag beschränke sich auf staatliche Stellen, mit der Prüfung Privater überschritten Rechnungshöfe die ihnen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben. 1 Im ersten Teil dieser Untersuchung sind die staatsorganisationsrechtlichen Grundlagen der Rechnungsprüfung zu bestimmen, Gegenstand sind zusammengefaßt folgende Fragestellungen zur Reichweite der staatlichen Finanzkontrolle, und zwar unabhängig von Schranken aus Grundrechten Privater 2: Zählt die Prüfung Privater zum Generalauftrag des Rechnungshofes nach Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG? Oder darf der Gesetzgeber zumindest nach Art. 114 Abs. 2 Satz 3 regeln, daß der Rechnungshof Private prüfen kann? Inwiefern sind erweiterte Befugnisse der Rechnungshöfe durch ihre Funktion und ihre Stellung im Grundgesetz eingeschränkt? Das einfache Recht wird zusätzlich behandelt, soweit es sich um Grundsätze der Finanzkontrolle handelt, welche die Verfassung konkretisieren. 3 Ansonsten wird auf einfaches Recht Bezug genommen, um nachzuweisen, wie sich funktionale und strukturelle Anforderungen an eine wirksame Finanzkontrolle in der Rechtsordnung niederschlagen.

1

Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 96 ff. 2 S. Teil 2, S. 81 ff. 3 Zu Abgrenzungsproblemen zwischen Verfassungsrecht und einfachgesetzlicher Ausformung s. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (356), der zutreffend daraufhinweist, daß Verfassungskonkretisierung kein einfacher Ableitungsvorgang ist, aber Basiselemente im einfachen Recht ausgemacht werden könnten, die verfassungsnotwendig vorausgesetzt sind.

Α. Verfassungsunmittelbarer Auftrag

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Α. Verfassungsunmittelbarer Auftrag zur Prüfung Privater aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG? Ist die Finanzkontrolle von Zuwendungsempfängern der freien Wohlfahrtspflege nicht etwa verfassungswidrig, wie vielfach behauptet, sondern im Gegenteil sogar vom Grundgesetz vorgeschrieben? Verschiedene Stimmen in der Literatur meinen, die Prüfung zumindest „bei" Privaten gem. § 91 BHO finde ihre verfassungsrechtliche Absicherung in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG. 4 Diese Betätigungsprüfung zähle zu den Kernaufgaben, welche dem Bundesrechnungshof verfassungsunmittelbar zugewiesen sind. Damit würde sie teilhaben an einer Institutsgarantie5, die nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers steht. Die Prüfung Privater wäre nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, geschweige denn verfassungswidrig, sondern von der Verfassung selbst angeordnet. Daher ist zunächst der Frage nachzugehen, ob die Prüfung privater Zuwendungsempfänger unter den Prüfungsauftrag des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG fällt.

I. Prüfung bei Privaten als Folge der Verwaltungskontrolle? Art. 114 Abs. 2 GG weist dem Bundesrechnungshof die Aufgabe zu, die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu prüfen, wobei die zu überprüfenden Stellen nicht benannt werden. Jedoch ergeben sich Anhaltspunkte für die Reichweite der Prüfung aus dem systematischen Zusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm. Zum einen ist Art. 114 Abs. 2 GG im Zusammenhang mit Abs. 1 zu interpretieren, welcher die Rechnungslegungspflicht des Bundesfinanzministers regelt. Vor der Haushaltsreform 1969 war der Bezug zur Rechnungslegung des Bundes noch deutlicher.6 Danach sind zunächst alle Bereiche der Finanzkontrolle unterworfen, die der Rechnungslegungspflicht unterliegen.7 Die Rechnungslegungspflicht betrifft vorrangig die Haushaltsführung des Rechtssubjekts Bund8, d. h. die unmittel4 Lange, in: FS General-Rechen-Kammer S. 279 (293); Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 190 (221), Fn. 242; Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes^. 83 f. 5 Im Schrifttum ist mittlerweile unbestritten, daß der Rechnungshof mit seinen Kernfunktionen institutionell garantiert ist. S. Maunz (1984), in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 114 Rdn. 9 ff.; Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, S. 47 ff.; Stern, Staatsrecht II, § 34 II 3; Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (194). 6 Art. 114 GG a. F. lautete: (1) Der Bundesminister der Finanzen hat dem Bundestage und dem Bundesrate über alle Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden jährlich Rechnung zu legen. (2) Die Rechnung wird durch einen Rechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, geprüft 7 Heuer (1986), in: ders., KHR, Art. 114 GG Anm. 51. 8 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 GG Anm. 21.

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Teil 1: Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

bare Staatsverwaltung sowie seine Vermögensrechnung (§ 80 Abs. 3 BHO) 9 . Die Haushaltsführung privater Zuwendungsempfänger ist nicht von der Rechnungslegungspflicht umfaßt 10 , so daß hierdurch zumindest eine verfassungsobligatorische Kontrolle der Zuwendungsempfänger nicht begründet werden kann 11 . Anders verhält es sich mit der Kontrolle bei Privaten als der sog. Betätigungsprüfung. Kontrollobjekt ist hier nach h. M. die Vergabestelle, nicht jedoch der private Zuwendungsempfänger. 12 Hieraus folgert Tiemann, daß die Kontrolle bei Privaten gem. § 91 BHO vom verfassungsunmittelbaren Generalauftrag mit umfaßt sei, da hier nicht das eigenständige Finanzgebaren der Privaten geprüft werde, sondern es sich nur um eine mittelbare Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Bundesorgane handele.13 Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Reichweite der notwendigen Prüfungszuständigkeiten nach Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt sich nicht danach, ob diese mit der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zusammenhängen. Dieses Kriterium begrenzt erst die erweiterten fakultativen Prüfungszuständigkeiten gem. Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG. 1 4 Für die notwendigen, von der Verfassung selbst vorgeschriebenen Zuständigkeiten genügt nicht jedweder Zusammenhang mit der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Vielmehr ist hier zu fordern, daß die Prüfungszuständigkeit notwendig aus dem Auftrag zur Prüfung der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung folgt. Die Prüfung der Vergabestellen ist zwar regelmäßig vom Kontrollauftrag des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 mit umfaßt. Hieraus folgt indes nicht notwendig die inzi9 Da sich die Rechnungslegungspflicht auch auf das Vermögen bezieht, sollen auch Sondervermögen und ausgegliederte Bundesbetriebe der Prüfung unterliegen, welche hier indes nicht weiter interessieren, s. Heuer, in: ders., KHR, Art. 114 GG Anm. 51, u. ausf. Puhl, Budgetflucht, S. 331 f. 10 Puhl, Budgetflucht, S. 307 f., folgert aus dem Demokratieprinzip, daß auch private Zuwendungsempfänger der Rechnungslegungspflicht unterlägen. Dies gilt freilich auch nach seiner Ansicht nur für diejenigen Empfänger, die überwiegend vom Bund finanziert werden und deshalb der staatlichen (Finanz-)Gewalt zuzurechnen seien. S. hierzu die Aufstellung S. 98 ff. Für mischfinanzierte Träger freier Wohlfahrtspflege trifft dies in der weit überwiegenden Zahl der Fälle nicht zu. 11

Einen hier nicht weiter zu behandelnden Sonderfall bildet das Bayerische Rote Kreuz. Dieses ist nicht privat verfaßt, sondern als Körperschaft der öffentlichen Rechts. Nach der wohl überwiegenden Ansicht fallen Körperschaften des öffentlichen Rechts wegen der prinzipiell unitaristischen Haushaltsverfassung unter das Prüfungsgebot des Art. 114 Abs. GG; BayVGH, DVB1. 1992,1606 (1607); Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (215); Knöpfte, Die Zuständigkeit der Rechnungshöfe für die Prüfung der Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 40 ff., 79 ff. 12 Es wird indes noch nachzuweisen sein, daß § 91 zur Prüfung der zuwendungsbezogenen Haushalts- und Wirtschaftsführung der Empfänger selbst ermächtigt, s. u. S. 163 ff. 13 Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, S. 83, s. auch die Autoren in Fn. 4. 14 S. Puhl, Budgetflucht, S. 412 und unten S. 36 ff.

Α. Verfassungsunmittelbarer Auftrag

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dente Prüfung beim Zuwendungsempfänger. 15 Die vorgeschriebene Kontrolle des Rechtssubjektes Bund führt zunächst allein zur Kontrolle der Vergabestellen. Daß hierfür bei Privaten Erhebungen durchgeführt werden, mag zwar zweckdienlich sein. Es ist aber keine notwendige Konsequenz. So könnten Private die Mittelverwendung durch Dritte prüfen lassen, ebenso ist ein Verzicht auf die Kontrolle der Mittelempfänger theoretisch denkbar. 16 Hinzu kommt, daß die Prüfung bei oder von Privaten eine absolute Ausnahme im Haushaltsrecht (§§ 91, 92, 104 BHO) darstellt. Das entspricht dem herkömmlichen Verständnis der öffentlichen Finanzkontrolle, nach dem der Rechnungshof den Staat, nicht jedoch Private kontrollieren soll. Deswegen ist der Zuwendungsempfänger in den Nebenbestimmungen auf das Prüfungsrecht hinzuweisen.17 Daß diese Ausnahmen von den verfassungsrechtlichen Kernaufgaben mit umfaßt sein sollen, hätte vom Verfassungsgeber ausdrücklich angeordnet werden müssen.18 Entsprechend läßt sich aus der Entstehungsgeschichte des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 nicht erkennen, daß die Betätigungsprüfung mit der Neufassung zu den Kernaufgaben zählen sollte. 19 Vielmehr war beabsichtigt, Befugnisse, die nicht eindeutig zu den Kernaufgaben der Kontrolle des Rechtssubjekts zählten, durch Satz 3 verfassungsrechtlich abzusichern. 20 Auch die Beauftragung zur Kontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung im Gegensatz zur bloßen Kontrolle der Rechnungslegung vor der Haushaltsreform erweitert die möglichen Prüfungsobjekte nicht. Hierdurch sollte der Rechnungshof zunächst ermächtigt werden, nicht mehr allein nachträglich, sondern gegenwartsnah zu prüfen. 21 Seitdem braucht der Rechnungshof nicht mehr das Vorlegen der 15 Dagegen auch Heuer (1986), in: ders., KHR, Art. 114 GG Rdn. 51; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 Rdn. 21 ff.; Krämer ! Schmidt (1995), Zuwendungsrecht, Η III S. 1 f.; Vogel!Kirchhof (1973), in: Bonner Kommentar Art. 114 Rdn. 120; Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195, 319 (344 f.). 16

S. a. Puhl, Budgetflucht, S. 345 zum entsprechenden Fall der notwendigen oder fakultativen Prüfung rechtlich selbständiger Haushaltstrabanten. Dort wie hier bedeutet die Ausnahme von den verfassungsunmittelbar zugewiesenen Aufgaben des Bundesrechnungshofes nicht, daß die Kontrolle dieser Gegenstände nicht verfassungsrechtlich zulässig oder sogar geboten wäre. Dem kann aber der Gesetzgeber durch die Ermächtigung des Art. 114 II Satz 3 nachkommen. π Nr. 7. 3 ANBest-P/Gk, Nr. 8.3 ANBest-I. i g S. dagegen die Regelung in Art. 56 Abs. 3 der Landesverfassung für Schleswig-Holsteins: „Der Landesrechnungshof überwacht die Haushalts- und Wirtschaftsführung der juristischen Personen des privaten Rechts, wenn sie Mittel aus dem Landeshaushalt verwalten, Landesvermögen verwalten oder dem Landesrechnungshof ein Prüfungsrecht eingeräumt ist. S. u. S. 179 ff. 19 S. Heuer (1986), in: ders., KHR, Art. 114 Rdn. 51. 20 Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195, 319 (342f.) m. w. N.; zur Ermächtigung des Art. 114 II S. 3 s. sogleich unten. 21 Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195, 319 (342 f.); Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, S. 86 f.; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 Rdn. 5, 6, 21; Leicht, Haushaltsreform, S. 66 f.; Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 190, (212).

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

Rechnung abzuwarten, selbst wenn er ex post prüft. 22 Desweiteren kann der Bundesrechnungshof nun ebenso die Organisation und Personalwirtschaft kontrollieren. 23 Schließlich umfaßt die Wirtschaftsführung die nicht im Haushaltsplan enthaltene finanzwirtschaftliche Betätigung des Bundes.24 Das Wirtschaften privater Zuwendungsempfänger fällt aber in keinem Fall unter die Wirtschaftsführung des Bundes. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, daß weder die Prüfung der Privaten gem. § 104 BHO noch die Prüfung bei ( Betätigungsprüfung) gem. § 91 BHO zu den Pflichtaufgaben des Bundesrechnungshofes nach Art. 114 Abs. 2 Satz 2 zählt.

II. Prüfung Privater aus dem Gebot lückenloser Finanzkontrolle? Die Rechnungshöfe könnten aufgrund des Gebots lückenloser Finanzkontrolle verfassungsrechtlich beauftragt sein, Private zu prüfen. 25 Der Grundsatz der Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle wurde bereits 1958 von Huber entwickelt 26 , und ist seit der Grundgesetz- und Haushaltsreform 196927 allgemein anerkannt 28. Dieser Grundsatz besagt, daß potenziell die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung kontrolliert werden kann und damit prüfungsfreie Räume ausgeschlossen sind. Seit der Haushaltsreform können nun auch Bereiche kontrolliert werden, die von der Rechnungsprüfung ausgenommen waren, wie beispielsweise geheime 22

Zavelberg, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 17 (20 f.).

23

Zavelberg, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 17 (20 f.). Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 Rdn. 21. Zurückhaltend Lange in Böning/ v. Mutius, Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, S. 83, 85 f. 2 5 So Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231, (241 f.); Sauer ! Blasius, DÖV 1986, S. 554 f. für die ebenfalls nicht vom verfassungsunmittelbaren Prüfungsauftrag erfaßten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten; Haverkate, Prüfungsfreie Räume, in: FS GeneralRechen-Kammer, S. 197 (198 f.), der die Erweiterung von Prüfungsrechten über die Staatsverwaltung hinaus mit der Fundierung des Lückenlosigkeitsgebots im Demokratieprinzip begründet; zum Demokratieprinzip s. sogleich unten. 24

2

6 Huber, FS Nikisch, S. 331 (334, 347 ff.); zur Diskussion vor 1969 s. Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195, 319 (239) mit Fn. 132. 27 Das gesetzgeberische Ziel wurde vom Haushaltsausschuß wie folgt formuliert: „Nach der Neufassung des Art. 114 ist beim Bund die Zulassung prüfungsfreier Räume nicht mehr statthaft"; s. Schriftl. Bericht des Haushaltsausschusses zu BT Drs. V/4378, V/4379, S. 7. 2 « Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195, 319 (238); Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, S. 77 f.; Vogel!Kirchhof (1973), in: Bonner Kommentar, Art. 114 Rdn. 135 f.; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 Rdn. 21; Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 180; Maunz (1984), in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 114 Rdn. 4, 33; Heun, Staatshaushalt, S. 506; Zavelberg, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 43 (53 f.); aus der Rechtsprechung BVerwG, NVwZ 1995, 889, 891 (zur Prüfung bei Handwerkskammern) = BVerwGE 98, 163 = DVB1. 1995, S. 1091 = GewArch 1995, S. 377, 379 = DÖV 1996, S. 29.

Α. Verfassungsunmittelbarer Auftrag

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Ausgaben.29 Uneinigkeit besteht jedoch hinsichtlich der Frage, ob durch den Grundsatz der Liickenlosigkeit die verfassungsunmittelbaren Kompetenzen des Rechnungshofes erweitert werden, oder ob dieser Grundsatz nur innerhalb des Prüfungsauftrags aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 Geltung beanspruchen kann.

1. Geltung nur innerhalb des Generalauftrags Die wohl h. M. geht davon aus, daß der Grundsatz der Lückenlosigkeit nur innerhalb des Generalauftrages der Finanzkontrolle zur Prüfung der Haushaltsund Wirtschaftsführung des Bundes gilt und daher die Kompetenzen des BRH nicht zu erweitern vermag. 30 Diese Ansicht läßt sich vor allem mit der Genese des Grundsatzes begründen. Vor der Haushaltsreform 1969 waren bestimmte „sensible" Bereiche von der Finanzkontrolle ausgenommen. So durfte der Fonds für Verfassungsschutz, der Geheimfonds des Auswärtigen Amtes, der Fonds für In- und Auslandsinformationen und der allgemeine Verfügungsfonds des Bundeskanzlers nicht geprüft werden. Desweiteren war die Prüfung in den Ministerien gem. § 98 RHO von der Zustimmung des Ministers abhängig.31 Diese bis dahin prüfungsfreien Räume sollten durch die Haushaltsreform gleichfalls der Prüfung unterworfen werden. 32 Nachdem oben festgestellt wurde, daß weder die Betätigungsprüfung gem. § 91 Nr. 3 BHO noch die Prüfung des eigenständigen Finanzgebarens gem. § 104 BHO auf den Generalauftrag der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung gestützt werden können, kann daher nach dieser Ansicht auch der Grundsatz der Lückenlosigkeit des Kontrollauftrags nichts an diesem Befund ändern.

2. Erweiterte Prüfungsaufgaben aus dem Gebot der Lückenlosigkeit Demgegenüber wird teilweise die Auffassung vertreten, aufgrund dieses Grundsatzes müsse über die Kontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung hinaus geprüft werden. So meinte das BVerwG, nach der Haushaltsreform 1969 gelte ein 29 Dem Bedürfnis nach Geheimhaltung wird hier dadurch Rechnung getragen, daß der Kreis der beteiligten Entscheidungsträger und Prüfungsbeamten enger festgelegt werden kann, s. § 10 a BHO i. V. m. § 19 S. 1 BRHG und Kaltebach, Internationale Zeitschrift für Staatliche Finanzkontrolle, Juli 1993, S. 12 (13 ff.); Vogel / Kirchof ( 1973), in: Bonner Kommentar, Art. 114 Rdn. 125 f. 30 Zavelberg, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 43 (53); Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195, 319 (238); Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, S. 77; Heuer, (1986), in: ders., KHR, Art. 114 Rdn. 78; Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (241); Krempel, Rechnungshöfe und Rundfunkbeteiligungsunternehmen, S. 51 f. 31

Zavelberg, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 43 (53); ders., in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 17 (21). 52 Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195, 319 (240f.).

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

Verbot prüfungsfreier Räume für die gesamte finanzwirtschaftliche Betätigung des Bundes, unabhängig von der Organisationsform, und unterwarf daher auch die Handwerkskammern der Prüfung. 33 Haverkate meint, der Grundsatz der Lückenlosigkeit folge aus dem Demokratieprinzip. Er folgert hieraus eine umfassende Prüfungspflicht der gesamten öffentlichen Verwaltung, soweit nicht ausnahmsweise in weniger wichtigen Bereichen hieran kein öffentliches Interesse besteht.34 Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur öffentlichen Verwaltung ist dabei nach Haverkate die Erfüllung staatlicher Zwecke und die Bewirtschaftung öffentlicher Mittel. 35 Nach diesen Vorgaben könnte die Tätigkeit der freien Wohlfahrtspflege ebenso dem Grundsatz der lückenlosen Finanzkontrolle unterworfen sein: Sie erfüllt nach eigenem Verständnis öffentliche Zwecke 36 und wirtschaftet bei Unterstützung durch Zuwendungen mit öffentlichen Mitteln. Es ist trotzdem fraglich, ob Haverkate die freie Wohlfahrtspflege in die öffentliche Verwaltung mit einbeziehen würde. Nach ihm sind zumindest öffentlich-rechtliche Unternehmen, Rundfunkanstalten und die gesetzlichen Krankenkassen der öffentlichen Verwaltung zuzuordnen. 37 Auch Puhl votiert dafür, den Grundsatz lückenloser Prüfungskompetenz über den unmittelbaren Anwendungsbereich von Art. 114 Abs. 2 Satz 1 hinaus auf alle Nebenhaushalte38 auszudehnen.39 Nach seiner Ansicht ergibt sich dies notwendig aus dem Demokratieprinzip. Jedoch sind nach seiner - weiten - 4 0 Definition Zuwendungsempfänger aus dem Bereich der Wohlfahrtspflege regelmäßig nicht als Nebenhaushalte der zuwendenden Körperschaft zu qualifizieren, da sie nicht überwiegend aus staatlichen Zuwendungen finanziert werden. 41 Ob indes mit diesen Ansichten aus dem Lückenlosigkeitsgebot ein verfassungsunmittelbarer Auftrag zur Kontrolle bei oder der freien Wohlfahrtspflege folgt, kann dahingestellt bleiben. Die Erweiterung des Grundsatzes über den Anwendungsbereich des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 hinaus vermag nämlich nicht zu überzeugen: Selbst Puhl und Haverkate verkennen nicht, daß das Prinzip lückenloser Kontrolle im Zusammenhang mit den notwendigen Prüfungszuständigkeiten nach Art. 114 Abs. 2 Satz 1 entwickelt wurde. Als Begründung für die Ausweitung die33 BVerwG, NVwZ 1995, 889, 891. 34 Haverkate, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 197 (197 f., 219 f.). 35 Haverkate, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 197 (198). 36 Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 19 f.; Delbrück, ZevKR 1995, S. 21, (28); dabei wird jedoch stets betont, daß es sich um Erfüllung öffentlicher Aufgaben in Wahrnehmung privater Freiheit handele, s. Leisner, S. 100 u. Delbrück, S. 28 f. 37 Haverkate, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 197 (198). 38 Zum Begriff des Nebenhaushaltes s. noch unten S. 43. 39 Puhl, Budgetflucht, S. 347 ff. 40 Puhl, Budgetflucht, S. 52 f. Puhl, Budgetflucht, S. 352 f.

. Verfassungsunmittelbarer Auftrag

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ses Grundsatzes berufen sie sich auf das Demokratieprinzip, das die Kontrolle aller öffentlichen Mittel erfordere. Deswegen dürfe der Gesetzgeber nicht durch Ausgliederung von Verwaltungstätigkeiten oder durch Übertragung von Aufgaben an Private „aus dem Budget flüchten" und damit selbst über die Reichweite der Finanzkontrolle bestimmen. Nun wäre aber mit der Annahme, daß das Demokratieprinzip eine Kontrolle auch dieser finanzwirksamen Tätigkeit außerhalb der Haushalts- und Wirtschaftsführung erfordert, noch keine Aussage darüber getroffen, wie die Verwendung der Mittel kontrolliert werden muß. Ob diese durch präventive Steuerung oder durch nachträgliche Kontrolle erfolgt, ist damit ebensowenig festgelegt wie die Frage, ob die Kontrolle notwendig durch die Rechnungshöfe erfolgen soll. 42 Desweiteren muß diese Auffassung in Kauf nehmen, daß der Grundsatz der Lückenlosigkeit durch seine Ausweitung wieder aufgeweicht wird. Soweit der Prüfung Selbstverwaltungs- oder Grundrechte entgegenstehen, muß sich die Prüfung an diesen messen und gegebenenfalls einschränken lassen.43 Das aber widerspricht dem Sinn des Lückenlosigkeitsgebots, absolut keine Ausnahmen von der Prüfungspflicht mehr zuzulassen44. Durch die Verbindung des Lückenlosigkeitsprinzips mit dem Demokratieprinzip ist schließlich nicht viel gewonnen: Art. 114 Abs. 2 S. 3 ermächtigt den Gesetzgeber, Prüfungsbefugnisse über den Anwendungsbereich von Satz 1 hinaus festzulegen.45 Sofern nach dem Demokratieprinzip weitere Prüfungsbefugnisse nicht nur möglich, sondern geboten sein sollten, kann der einfache Gesetzgeber dem hierdurch nachkommen. Der Grundsatz der Lückenlosigkeit vermag daher die notwendigen Prüfungszuständigkeiten nicht zu erweitern.

3. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis läßt sich mithin festhalten, daß weder Finanzkontrollen Privater selbst noch solche in der Form der sog. Betätigungsprüfung zum verfassungsunmittelbaren Prüfungsauftrag aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 zählen. Damit ist freilich nicht gesagt, daß die Verfassung die Finanzkontrolle Privater nicht zuläßt. Art. 114 Abs. 2 Satz 3 ermächtigt den Gesetzgeber, „im übrigen" die Befugnisse des Bundesrechnungshofes durch Bundesgesetz zu regeln. Im folgenden ist zu untersuchen, ob Satz 3 den Gesetzgeber dazu ermächtigt, die Prüfungsbefugnisse des Bundesrechnungshofes auf Private zu erstrecken.

42 Auch Puhl gibt zu, daß sich aus seiner Interpretation des Lückenlosigkeitsprinzips nicht notwendig ein Prüfungsrecht gerade der Rechnungshöfe ergibt, Budgetflucht, S. 351. 43 S. Haverkate, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 197 (220), der Ausnahmen für nicht „wichtige" Bereiche zulassen will und Puhl, Budgetflucht, S. 415 f. 44 S.o.S. 31 ff. 4 5 S. u.S. 34 ff.

3 Rogge

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Teil 1: Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

B. Prüfung Privater auf Grundlage des Gesetzesvorbehaltes in Art. 114 Abs.2S.3GG I. Ermächtigung zu zusätzlichen Befugnissen? Nach Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG werden „im übrigen ... die Befugnisse des Bundesrechnungshofes durch Bundesgesetz geregelt". Aus dem Wortlaut läßt sich nicht eindeutig entnehmen, ob nur eine konkretisierende Regelung der Befugnisse aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 und 2 gemeint ist, oder ob der einfache Gesetzgeber hierdurch dem Rechnungshof darüber hinaus gehende Tätigkeitsfelder eröffnen darf. Zudem ist der Begriff „Befugnisse" klärungsbedürftig. Bereits aus den parlamentarischen Behandlungen geht indes hervor, daß Satz 3 dem Gesetzgeber die Möglichkeit einräumen sollte, dem Bundesrechnungshof zusätzliche Aufgaben zu übertragen: „Der Gesetzesvorbehalt des Satzes 3 läßt zu, dem BRH weitergehende Befugnisse durch Bundesgesetz einzuräumen. Unter Befugnissen im Sinne dieses Satzes sind sowohl neue - im Grundgesetztext nicht vorgesehene - Aufgaben als auch Regelungen zu verstehen, die nähere Einzelheiten der Zuständigkeiten des Rechnungshofes aus den Sätzen 1 und 2 betreffen. Damit soll ermöglicht werden, daß ohne verfassungsrechtliche Zweifel dem BRH Zuständigkeiten und Aufgaben übertragen werden, die er entweder bisher aus Tradition, kraft Übertragung durch einfache Gesetze oder aufgrund von Vereinbarungen selbst oder durch seinen Präsidenten (ζ. B. Gutachten als Beauftragter für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung - „Sparkommissar") ausgeübt hat. Andererseits hat es das Parlament dann in der Hand, eine entsprechende Begrenzung dieser Befugnisse vorzusehen".46 Zuerst wurde vom Haushaltsausschuß noch die Fassung vorgeschlagen „Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt". Durch die endgültige Fassung sollte demgegenüber klar zum Ausdruck kommen, daß dem Rechnungshof zusätzliche Befugnisse eingeräumt werden können.47 Dies ist heute ganz h. M . 4 8 Bei näherer Aufschlüsselung der etwas „saloppen"49 Terminologie ergibt sich, daß unter Befugnissen neue Aufgaben und Zuständigkeiten verstanden werden müssen. Aufgaben im engeren Sinne lassen sich als neue Handlungsformen neben dem Prüfen und Berichten verstehen, hauptsächlich ist hiermit die Beratung gemeint. 50 Demgegenüber bezeichnen Zuständigkeiten neue Prüfungsgegenstände über die Haushalts- und Wirtschaftsführung hinaus.51 46 Bericht des Rechtsausschusses des BT - Abg. Dr. Arndt, Zu Art. I Nr. 14 (Art. 114), BT-Drs. V/3605. 47 S. Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195, 319 (344). 48 S. nur BVerwGE 74,58 (60f.); Vogel!Kirchhof (1973), in: Bonner Kommentar, Art. 114 Rdn. 129; Heuer (1986), in: ders., KHR, Art. 114 Rdn. 52; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 Rdn. 22; Stern, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 11 (28); Maunz (1984), in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 114 Rdn. 64 f.; zu den Einschränkungen s. sogleich unten. 49 Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195, 319 (345). so Vogel/Kirchhof ( 1973); in: Bonner Kommentar, Art. 114 Rdn. 197 ff.

Β. Prüfung Privater auf Grundlage des Gesetzes Vorbehaltes

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Vereinzelt wird hingegen die Auffassung vertreten, Satz 3 könne nur zu konkretisierenden, nicht aber zu zusätzlichen Befugnissen ermächtigen. 52 Knöpfle begründet dies mit dem engen systematischen Zusammenhang des Abs. 2 mit Abs. 1, der nur die Rechnungslegung im Bereich des Bundes und die Entlastung der Bundesregierung zum Gegenstand habe. Hätte die Rechnungsprüfung auf andere Rechtssubjekte mit eigenen unabhängigen Etats ausgedehnt werden sollen, so hätte es eines „transzendierenden" Regelungsvorbehalts wie in Art. 93 Abs. 2 GG bedurft. Hierzu ist zu bemerken, daß zwar Abs. 2 in engem Zusammenhang mit Abs. 1 steht und sich somit auf die Rechnungslegung des Bundesfinanzministers bezieht. 53 Doch schon die Erweiterung der Prüfungskompetenzen auf die Haushaltsund Wirtschaftsführung zeigt, daß der Kompetenzumfang des Bundesrechnungshofes nicht von der Rechnungslegungspflicht abhängig ist. Die Haushaltsreform von 1969 mit der Änderung des Art. 114 GG wies dem Rechnungshof nunmehr die Funktion zu, allgemein die Rationalität des staatlichen Finanzgebarens, nicht mehr allein die Rechnungslegung des Finanzministers zu prüfen. 54 Dieser Bedeutungszuwachs hätte ebenso darin zum Ausdruck kommen können, daß der Rechnungshof einen eigenen Grundgesetzartikel erhält. Aber selbst in dieser Form wird hinreichend deutlich, daß der Rechnungshof nicht mehr auf den Regelungsgegenstand des Abs. 1 beschränkt sein sollte. Daher ist der überwiegenden Auffassung Recht zu geben. Art. 114 Abs. 2 Satz 3 ermächtigt den Bundesgesetzgeber nicht nur zu konkretisierenden, sondern gleichfalls zu darüber hinausgehenden Regelungen. Daher ist auch die Prüfung Privater vom Gesetzesvorbehalt des Satz 3 gedeckt, soweit nicht andere Schranken greifen.

II. Grenzen des Gesetzesvorbehalts 1. Problemstellung Diese Ermächtigung stellt freilich dem Gesetzgeber keine Blankovollmacht aus, nach der er dem Bundesrechnungshof beliebige neue Aufgaben übertragen könnte. Schon konkretisierende Regelungen sind durch die Prinzipien der Organadäquanz55 und der Wahrung der Unabhängigkeit der Rechnungshöfe 56 begrenzt. si Vogel!Kirchhof 52

(1973); in: Bonner Kommentar, Art. 114 Rdn. 129ff.

Knöpfle, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 259 (260), spez. Fn. 4; Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 104 f. 53 S. o. S. 27 bei Fn. 4 f. 54 S. zusammenfassend Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (242 f.). 55 Zum Begriff der Organadäquanz s. Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 98 m. w. N. 56 Heuer, (1986), in: ders., KHR, Art. 114 Rdn. 52; Maunz (1984), in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 114 Rdn. 65; Stern, DÖV 1990, S. 261 (263); Puhl, Budgetflucht, S. 412 m. w. N. 3*

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Teil 1: Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

Zusätzliche Kompetenzen sollten die Pflichtaufgaben nicht „überwuchern". 57 Diese Einschränkungen sollen die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit des Bundesrechnungshofes garantieren. Eine konkrete Grenze ist freilich kaum zu ziehen. Zudem ist nicht ersichtlich, daß der Bundesrechnungshof gerade durch die Kontrolle Privater unzumutbar belastet wäre. Wesentlich bedeutsamer sind in diesem Zusammenhang die immanenten Grenzen der Erweiterung der Prüfungsbefugnisse auf neue Gegenstände außerhalb der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, und zwar zunächst unabhängig von eventuell entgegenstehenden Selbstverwaltungs- oder Grundrechten 58. Hier ist fraglich, ob die Ermächtigung des Art. 114 Abs. 2 Satz 3 noch die scheinbar systemfremde Kontrolle Privater deckt. Die Stellung der Finanzkontrolle im Grundgesetz legt den Schluß nahe, daß die Kontrolle auf staatliche Stellen begrenzt sein müßte. Die Finanzverfassung ist Teil des Staatsorganisationsrechts, die Haushaltsgesetze und die Haushaltsordnungen zählen zum staatlichen Innenrecht 59 . Geprüft werden sollte deshalb prima facie das staatliche Finanzgebaren. Die Kontrolle (nicht ausgegliederter, sondern ursprünglich) Privater erscheint als ein systemwidriger Fremdkörper, welcher nicht pauschal damit legitimiert werden kann, daß „im übrigen" i. S. d. Art. 114 Abs. 2 Satz 3 die Kontrolle Privater einbeziehe. Dementsprechend meinen Vertreter der Wohlfahrtsverbände, die Finanzkontrolle der Rechnungshöfe gelte der Kontrolle staatlicher Einrichtungen und habe daher bei den privaten Wohlfahrtsverbänden „nichts zu suchen".60 Damit würde über die Hintertür der Finanzkontrolle eine unzulässige Aufsicht über private Tätigkeit ausgeübt. Insbesondere Leisner wendet sich mit dieser Argumentation gegen die Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege. 61 Zusätzliche Bedeutung über die hier zu behandelnde Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege hinaus erlangt dieses Problem durch die zunehmende Verwaltungsdiversifizierung und die hierdurch verschwimmenden Grenzen zwischen Staat und Gesellschaft. 62 Aufgrund von Kontrolldefiziten widmet sich die Rech57

Puhl, Budgetflucht, S. 412. Deshalb warnen auch Reger und Stern davor, „Befugnisse" mit „Aufgaben" gleichzusetzen. Würden dem Rechnungshof nach Satz 3 neue Aufgaben als Pflichtaufgaben übertragen, so könnte der Rechnungshof mit seiner schon jetzt ungenügenden Kapazität davon abgehalten werden, seinen verfassungsunmittelbaren Kontrollauftrag hinreichend zu erfüllen; s. Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195, 319 (344 f.) und Stern in: FS General-Rechen-Kammer, S. 11 (28 f.). 58 S. dazu unten S. 81 ff. 59 Zur Innenwirkung des Haushaltsrechts s. Ρ Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 ff.; kritisch gegenüber einer starren Grenzziehung zwischen innen und außen: v. Mutius, VVDStRL 42 (1984), S. 147 (206 f.). 60

So salopp gibt auch Heuer die den Ausführungen Leisners (Staatliche Rechnungsprüfung Privater) zugrundeliegende Einstellung wieder, s. Finanzarchiv 49 (1991/92), S. 249 (254). 61

Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 35 ff., 96 ff. Diese Trennlinie ist in Zeiten des sich differenzierenden und kooperativen Staates zunehmend schwieriger zu bestimmen. Gleichwohl kann die Rechtsdogmatik auf diese Basis62

Β. Prüfung Privater auf Grundlage des Gesetzesvorbehaltes

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nungsprüfung verstärkt Bereichen außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung.63 Hieraus ergibt sich die Frage, ob die Finanzkontrolle den für diesen Zwischenbereich entwickelten Kriterien der Abgrenzung zwischen Staat und Gesellschaft, öffentlich und privat, innen und außen folgt 64 , so daß die Kontrolle Privater unzulässig oder eine nur eine seltene Ausnahme ist? Oder orientiert sich öffentliche Finanzkontrolle an anderen Kriterien? Damit werden zugleich Grundfragen der Legitimation der Finanzkontrolle aufgeworfen. Nach einhelliger Ansicht grenzt nun die Funktion des Bundesrechnungshofes und seine verfassungsrechtliche Stellung die beliebige Ausweitung seiner Kompetenzen auf andere Kontrollfelder ein. 65 Die Erweiterung von Aufgaben und Befugnissen müsse „stets der spezifischen Stellung dieses Organs im Gefüge des Grundgesetzes Rechnung tragen" 66 und einen Zusammenhang mit den Pflichtaufgaben aus Art. 114 Abs. 2 Satz 1 aufweisen 67. Worin dieser Zusammenhang bestehen soll und wie eng dadurch die Grenzen für erweiterte Befugnisse gezogen sind, ist aber weitgehend ungeklärt. Nur Schattenhaushalte68, auf die Entlastung bezogene Finanzabläufe 69, Finanzabläufe mit haushaltsmäßigem Bezug 70 , Zusammenhang mit bisherigem Aufgabenspektrum des Bundesrechnungshofes 71, VerwaltungsVerantwortung 72, mögliche Inanspruchnahme öffentlicher Mittel 7 3 , Reichweite des Unterscheidung nicht verzichten. S. hierzu nur Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, spez. S. 21 ff.; aus neuerer Zeit prägnant: Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 237 (277) m. w. N. 63 Schulze, in: Engelhardt /Schulze /Thieme (Hg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel?, S. 33 (34); Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (245); nach v. Mutius ist die Praxis der Kontrolle außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung noch erweiterungsbedürftig und bleibt hinter dem Bedürfnis nach effektiver Finanzkontrolle zurück, s. v. Mutius in: Finanzkontrolle im föderativen Staat, S. 26 (32). Freilich datiert diese Aussage von 1982. Die Prüfungspraxis der letzten Jahre läßt doch ein verstärktes Augenmerk der Rechnungshöfe auf diese Bereiche erkennen. w So Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (244 f., 254), nach dem der Kreis der Prüfungsadressaten die „verblassende Idee" der Einheit der Verwaltung widerspiegelt. 65

Maunz (1984) in: Maunz/Dürig Grundgesetz, Art. 114 Rdn. 65; Vogel ! Kirchhof (1973), in: Bonner Kommentar, Art. 114 Rdn. llOf., 129ff., 185, 197ff., 210; Puhl, Budgetflucht, S. 412f.; Heuer (1986), in: ders., KHR, Art. 114 Rdn. 56; ders., DÖV 1986, S. 516, (517); HansmeyerI König I Oppermann, Öffentliche Finanzkontrolle bei externen Dienstleistungen, S. 67 ff.; Stober/ Kluth, Zur Rechnungsprüfung von Kammern, S. 61 f.; Krempel, Rechnungshöfe und Rundfunkbeteiligungsunternehmen, S. 47 ff. 66

Maunz (1984) in: Maunz/Dürig Grundgesetz, Art. 114 Rdn. 65. 67 BVerwGE 74, 58 (61) (VW-Stiftung) und dazu Anm. Heuer, DÖV 1986, S. 516 (517). 68 Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 104 f. 69 Hansmeyer / König / Oppermann, Öffentliche Finanzkontrolle bei externen Dienstleistungen, S. 72. 70 BVerwGE 74, 58 (61). 71 Stern, FS General-Rechen-Kammer S. 11 (29). 72 Stober ! Kluth, Zur Rechnungsprüfung von Kammern, S. 61 f. 73 Heuer, DÖV 1986, S. 516 (517).

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Teil 1: Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

Demokratieprinzips 74 oder der Finanzgewalt75 oder praktisch keine justitiablen Grenzen 76? 2. Historische Auslegung Zumindest die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Zuwendungskontrolle könnte bereits durch eine historische Interpretation von Art. 114 Abs. 2 Satz 3 belegt werden: Nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers sollte Satz 3 einerseits Befugnisse rechtlich absichern, die der Bundesrechnungshof aus Tradition, kraft Übertragung durch einfache Gesetze oder aufgrund von Vereinbarungen ausgeübt hatte, sowie andererseits den Gesetzgeber ermächtigen, die Befugnisse neuen Anforderungen anzupassen.77 Vor der Haushaltsreform bestimmten bereits die Richtlinien und Bewilligungsbedingungen zu § 64a RHO 7 8 ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofes. Gem. Ziffer 12 der Richtlinien der Bundesregierung waren der Gewährung von Zuwendungen stets die allgemeinen Bewilligungsbedingungen zu Grunde zu legen, in denen insbesondere über die Prüfungsrechte der Verwaltung und des Bundesrechnungshofes Bestimmung getroffen werden mußte. Nach Ziffer 8 der Bewilligungsbedingungen durfte der Bundesrechnungshof sowohl die bestimmungsgemäße Verwendung der Mittel als auch die sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung des Zuwendungsempfängers prüfen. Indes legitimiert die Vorgeschichte allein nicht die Prüfung Privater: § 104 BHO hatte keinen Vorläufer in der RHO, sondern stellt eine neue Regelung dar. Die Begründung zur Reform des Art. 114 GG läßt nicht eindeutig erkennen, daß gerade die Prüfung von privaten Zuwendungsempfängern verfassungsrechtlich abgesichert werden sollte. Die Ermächtigung, die Befugnisse „neuen Anforderungen" anzupassen, gibt kaum dogmatisches Rüstzeug her. Angesichts der aufgeworfenen systematischen Fragen reicht die historische Interpretation nicht aus. Dies gilt um so mehr, als der Wortlaut der Vorschrift („im übrigen") derart vage gehalten ist und theoretisch eine unbegrenzte Ausdehnung erlaubt.

3. Demokratieprinzip als Grenze Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang die Ansicht, die Finanzkontrolle sei wesentlich ein vom Demokratieprinzip gefordertes Element 74 Puhl, Budgetflucht, S. 348, wobei sich dies nicht mit dem Demokratieprinzip als Grenze (s. ders., Budgetflucht, S. 412 f.) verträgt. 75 Vogel / Kirchhof (1973); in: Bonner Kommentar, Art. 114 Rdn. 131; Krempel, Rechnungshöfe und Rundfunkbeteiligungsunternehmen, S. 49. 76 Puhl, Budgetflucht, S. 412 f. 77 S. schriftl. Bericht des Rechtsausschusses zu BT-Drs. V/3605, S. 13. 78 Beide abgedr. bei Viaion, Haushaltsrecht, S. 822 ff., 835 ff.

Β. Prüfung Privater auf Grundlage des Gesetzesvorbehaltes

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der Kontrolle staatlicher Gewaltausübung. Die Kontrolle des staatlichen Finanzgebarens wird hier hauptsächlich damit begründet, daß die staatliche Befugnis, über die Verwendung von Geld zu entscheiden, immer auch ein Mittel der Staatsgewalt sei. Verfügungsgewalt über Geld bedeute gleichsam „materialisierte" Macht. 79 Damit würde jede Finanzkontrolle gleichzeitig zur Machtkontrolle. 80 Geld ist danach nicht nur eine Ressource zur Erhaltung der Staatsfunktionen, sondern auch ein Steuerungsinstrument im Innen- und Außenbereich. Der moderne Staat setzt zunehmend auf die gegenüber der Steuerung durch Recht flexiblere und wirksamere Steuerung durch Geld. 81 Diese Möglichkeit, durch Geld Einfluß auf den Willen anderer zu nehmen, sei Ausübung von Staatsgewalt und bedürfe daher der demokratischen Legitimation. Gemeint ist hier also nicht allein die negative Ausgabenkontrolle, die den Steuerzugriff des Staates beschränken soll. Haushaltsrecht und Finanzkontrolle sollen nicht nur die sparsame Mittelverwendung sichern, sondern die staatliche Geldmacht in demokratisch legitimierte und gemeinwohlorientierte Bahnen lenken. Der Schutzzweck deckt sich mit dem des Verwaltungsrechts, nur daß Haushaltsrecht und Finanzkontrolle eine andere staatliche Handlungsform erfassen. Die Finanzkontrolle reicht dann notwendig so weit wie das Demokratieprinzip. 82 Dementsprechend wird der Finanzkontrolle vermehrt die Rolle des Hüters des Gemeinwohls angedient.83 Das staatliche Ausgabenverhalten müsse wie jede staatliche Tätigkeit rational und gemeinwohlorientiert sein. 84 Finanzkontrolle könne zum parteienstaatlich durchdrungenen parlamentarischen Regierungssystem ein neutrales Gegengewicht sein 85 , die zwar nicht durch (da selbst nicht in sachlicher Legitimationskette stehend, sondern unabhängig) aber für das Volk auf rationale Förderung des Gemeinwohls drängen sollte. 86 Vor allem bei v. Arnim klingt hier ein Mißtrauen gegenüber dem wohl seiner Ansicht nach irrationalen politischen Entscheidungssystem an. Die „rationale" Finanzkontrolle erscheint dann als Rettungsanker für eine durch den Parteienstaat gefährdete Demokratie.

79 Brunner, Kontrolle in Deutschland, S. 185; Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (199). 80

Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz, Art. 114 Rdn. 24. si Vogel/ Waldhoff (1997), in: Bonner Kommentar z. GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rdn. 313 ff.; P. Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 (506); ders., Verwalten durch mittelbares Einwirken, S. 112. 82 So vor allem Puhl, Budgetflucht, S. 11 f., 116 ff., 159 ff.; Haverkate, in: FS GeneralRechen-Kammer, S. 197 (219 f.) sowie ders., VVDStRL 46 (1988), S. 217 (223 ff.). 83 So vor allem von v. Arnim, s. hierzu Nw. sogleich im Text; ähnlich Müller, DVB1. 1994, S. 1267 (1277 f.) und Blasius, JZ 1990, 954 (958): „Interpreten des Gemeinsinns und Grundpfeiler einer partikulare Belange überschreitenden Kontrollsicht". 84 V. Arnim, in: ders. (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 39 (44 f.); ders. DVB1. 1983, S. 664 (664). 85 Stern, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 10 (41). 86 V. Arnim, in: ders. (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 39 (55 ff.).

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

Wenn Haushaltsrecht und Finanzkontrolle so weit reichen sollen wie das Demokratieprinzip, dann hängt dies von der Zurechnung des Bewirtschafters zum Staat ab. 87 Maßgeblich ist hierfür nach h. M. außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung die staatliche Bestimmungsmacht88, für die der Finanzierungsanteil nur ein Indiz unter anderen ist 89 . Damit sind die Grenzen der Finanzkontrolle leicht zu bestimmen. Adressaten der Finanzkontrolle sind alle Stellen, die der Staatssphäre zugerechnet werden, d. h. entweder übt ein Bewirtschafter öffentliche Gewalt aus und unterliegt deshalb sowohl dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip als auch den Bindungen des demokratischen Haushaltsgesetzgebers und der Finanzkontrolle, oder die Stelle handelt in Wahrnehmung gesellschaftlicher Freiheit, so daß sie weder dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip, noch den Bindungen des Haushaltsrechts und spezifisch der Finanzkontrolle unterworfen wäre. Der Geltungsbereich des Haushaltsrechts spiegelt dann die Idee der Einheit der Verwaltung wieder. 90 Folglich dürften private Zuwendungsempfänger nicht geprüft werden. Werden öffentlich Gelder auf Private übertragen wie bei Zuwendungen an die freie Wohlfahrtspflege, dann mögen diese hierdurch über faktische Macht verfügen. Private Wohlfahrtspflege bleibt aber selbst dann Handeln in privater Freiheit, wenn sie durch die Zuwendungen mit finanziert wird. 91 Die freie Wohlfahrtspflege übt keine öffentliche Gewalt aus und ist damit nicht Adressat des Demokratieprinzips. 92 Die Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege kann deshalb durch diesen Ansatz nicht legitimiert werden. 93 4. Zwischenergebnis Nach Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG können dem Bundesrechnungshof durch Bundesgesetz neue Befugnisse übertragen werden. Die historische Auslegung kann nicht dafür herangezogen werden, daß damit die Kontrolle privater Empfänger 87 Puhl, Budgetflucht, S. 162 ff. 88 Trute, DVB1. 1996, S. 950 (957); Schmidt-Aßmann, AöR (116) 1991, S. 329 (346) sowie die Autoren nachstehend in Fn. 89, jeweils m. w. N. 89 Puhl, Budgetflucht, S. 52; Schuppert, Die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 171. 90 Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (242). 91 S. Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 100 f. und unten, S. 93 f. Von diesem Standpunkt aus würden die öffentlichen Mittel in Händen der Privaten nun nicht Macht übertragen, sondern Freiheit fördern, s. zu diese beiden Funktionen des Geldes Vogel/ Waldhoff ( 1997), in: Bonner Kommentar z. GG, Vorbem. z. Art. 104a, Rdn. 281 ff. 92 Ausnahmsweise wäre das nur dann der Fall, wenn ein Privater für die mit den öffentlichen Mitteln wahrzunehmende Aufgabe beliehen wird, so bei § 44 III BHO. 93 Entsprechend lehnt Lehment es ab, die staatliche Finanzkontrolle der Rundfunkanstalten mit dem Demokratieprinzip zu legitimieren; Rundfunkfreiheit sei keine mittelbare Staatsverwaltung und müsse daher nicht demokratisch legitimiert werden, s. ders., Rundfunkfreiheit und Finanzkontrolle, S. 210.

C. Begrenzung durch Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes

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öffentlicher Mittel ermöglicht werden sollte. Nach einhelliger Meinung gilt die Ermächtigung nicht uneingeschränkt. Besondere Beachtung verdiente die Ansicht, nach der die Finanzkontrolle so weit reiche wie das Demokratieprinzip. Begründet wird dies damit, daß Rechnungshöfe die zunehmende staatliche Steuerung durch Geld kontrollieren müßten. Private dürften demnach nicht kontrolliert werden, da sie nicht Adressaten des Demokratieprinzips sind.

C. Begrenzung durch die finanzverfassungsrechtliche Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes I. Funktionale Grenze: Finanzverantwortung durch Bewirtschaftung öffentlicher Mittel Die Verbindung von Demokratieprinzip und Finanzkontrolle erscheint einleuchtend. Allein der Bundeshaushalt beträgt 1999 ca. 485 Mrd. DM. Nach der Regel „Wer zahlt, schafft an" 9 4 , könnte die Verfügungsgewalt über diese enormen Mittel dem Haushälter die Macht verleihen, staatliche und private Geschicke zu bestimmen. Dies gilt sowohl für den Innenbereich, da praktisch jede staatliche Tätigkeit Geld benötigt, als auch im Außenbereich, gerade wenn der durch eine hohe Staatsquote gekennzeichnete moderne Wohlfahrtsstaat zunehmend mit Geldleistungen auf die Gesellschaft einwirkt. Haushaltsrecht und Finanzkontrolle sollten eine sinnvolle und gemeinwohlorientierte Mittelverwendung sicherstellen, das Haushaltsgesetz den Geldeinsatz der öffentlichen Verwaltung demokratisch rückbinden. Im folgenden ist jedoch darzulegen, daß das Haushaltsrecht nicht adäquat als Ordnung der staatlichen Finanzgewalt95, als Machtausübung mit Geld beschrieben werden kann, denn die Ausübung von Staatsgewalt ist nicht Regelungsgegenstand des Haushaltsrechts, sondern des Verwaltungsrechts. Das Haushaltsrecht richtet sich an Bewirtschafter öffentlicher Mittel, unabhängig davon, ob diese öffentliche Gewalt ausüben oder nicht. Es regelt nicht die öffentliche Aufgabenerfüllung, sondern die öffentlichen Ausgaben. Indem das Haushaltsrecht nur diese Teilrationalität erfaßt und ansonsten Kompetenzen, Handlungsziele und Maßstäbe der Aufgabenerfüllung unberührt läßt, kann es sich von der Kompetenzordnung emanzipieren, ohne sie zu unterminieren. So begründet das Haushaltsrecht Finanzverantwortung unabhängig von der Auf94 p. Kirchhol NVwZ 1983, S. 505 (506). 95 Der Begriff der Finanzgewalt ist etwas unscharf und schillernd (Kilian, Nebenhaushalte, S. 246 f.; Maunz (1984), in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 104 Rdn. 2) und verdeckt, daß es hier vornehmlich nicht durch Gewaltausübung durch die Verfügung über Geld, sondern um die Verantwortung für das öffentliche Vermögen geht.

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Teil 1: Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

gabenverantwortung und erlaubt daher prinzipiell auch die Einbeziehung Privater, die Haushaltsmittel bewirtschaften. Daraus folgt, daß die Grenze des Haushaltsrechts i. w. S. an Hand der Unterscheidung zwischen der Bewirtschaftung öffentlicher Mittel und privatem Finanzgebaren verläuft, mithin unabhängig von der Zurechnung des Adressaten zu Staat oder Gesellschaft. Die folgende Grafik soll einleitend die unterschiedlichen Regelungsfunktionen von Haushaltsrecht und Verwaltungsrecht veranschaulichen. Aufgabenordnung

Finanzordnung m 1 1 #3

Volk, Art. 14 GG

Volk, Art. 20 GG

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privat··

Haushaltsrecht i. w. S.

Funktionale Differenzierung der Delegation und Kontrolle von Aufgaben- und Finanzverantwortung

1. Verfassungssystematische Trennung der Finanzfunktionen Die Verfassung trennt die Regelung der staatlichen Wirtschaftsführung durch einen gesonderten Abschnitt vom sonstigen Staatsorganisationsrecht und damit insbesondere von den Regelungen der Gewaltenausübung. In der Finanzverfassung werden die finanziellen Teilaspekte des (staatlichen) Handelns von der allgemeinen Systematik der Gewaltengliederung abgeschichtet96, „gebündelt" 97 , die 96 Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (202); Siekmann, in: Sachs, GG Kommentar, vor Art. 104 a Rdn. 3. 97 Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (201); Vogel! Waldhoff (1997), in: Bonner Kommentar z. GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rdn. 11.

C. Begrenzung durch Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes

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„Finanzfunktionen" 98 zusammengefaßt. Rechnungsgröße ist hierbei stets Geld 99 , das damit zum Substrat der gesamten Finanzverfassung wird 1 0 0 . Insofern könnte die Finanzverfassung auch als „Geldverfassung" bezeichnet werden. 101 Regelungsgegenstand ist die Bewirtschaftung von Geld. Bewirtschaftung meint dabei nach Puhl „alle mit der Einnahme oder Ausgabe von Geld zusammenhängenden Tätigkeiten, also insbesondere deren vorbereitende Planung, ihr Vollzug, Rechnungslegung und Kontrolle" 102 . Maßgeblich für die Regelungsfunktionen ist also eine bestimmte Handlungsmodalität, eine Tätigkeit 103 , genauer: ein Entscheidungsaspekt 104 . So beziehen sich die in Art. 110 Abs. 1 begründeten Budgetprinzipien der Einheit und Vollständigkeit 105 , auf denen die Haushaltsfunktionen basieren 106, auf die Einnahmen und Ausgaben von Geld. Nebenhaushalte als Ausnahmen dieser Grundsätze setzen keine organisatorische Verselbständigung des Bewirtschafters voraus, sondern nur die außerbudgetäre Bewirtschaftung von Geld 1 0 7 ; es geht um „nebenhaushalten", nicht um „Nebenhaushalt sein" einer Organisationseinheit. Die Regelungsfunktionen knüpfen an Zahlungen in und aus dem Bundeshaushalt an. Weder werden Geldbewegungen staatlicher Organisationen außerhalb des Bundeshaushaltes erfaßt, noch wirtschaftliche Werte, die sich nicht in Zahlungen ausdrücken. 108 Die Finanzverfassung regelt nicht die Wirtschaft der öffentlichen Stellen, sondern die Bewirtschaftung von Zahlungen aus dem Bundeshaushalt. 98 Wache, Das Finanzwesen in der Bundesrepublik, S. 11 ff.; s. hierzu auch die Erörterung des Begriffs „Finanzfunktionen" bei Vogel / Waldhoff ( 1997), in: Bonner Kommentar z. GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rdn. 4f. 99 Puhl, Budgetflucht, S. 37 m. w. N. 100

Zum Geld als Substrat der Finanzverfassung s. Vogel / Waldhoff (1997), in: Bonner Kommentar z. GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rdn. 267 ff. 101 Jedoch besteht hier eine Verwechslungsgefahr mit dem Begriff des „Geldrechts" bzw. „Währungsrechts", s. Vogel / Waldhoff (1997), in: Bonner Kommentar z. GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rdn. 16. 102 Puhl, Budgetflucht, S. 38. 103 Genau genommen handelt es sich nicht um eine Tätigkeit, sondern nur um die finanziellen Teilaspekte des Handelns der Normadressaten. Ein und dieselbe Handlung kann als Bewirtschaften öffentlicher Mittel haushaltsrechtlich relevant sein und sich gleichzeitig als materielles Verwaltungshandeln darstellen, was wiederum nur am Maßstab des Verwaltungsrechts zu messen wäre. 104 Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (216).

i° 5 S. hierzu nur Fischer-Menshausen, in: von Münch, GG-Komm., Art. 110 Rdn. 9 m. w. N. ι 0 6 Puhl, Budgetflucht, S. 3 ff., zeigt, daß sich alle Haushaltsfunktionen auf die Grundsätze der Einheit und Vollständigkeit zurückführen lassen. 107 Puhl, Budgetflucht, S. 35 ff., weist in Abgrenzung zu Kilians Definition von Nebenhaushalten nach, daß Nebenhaushalte gerade nicht organisatorisch verselbständigt sein müssen. Als Beispiel nennt Puhl das ERP-Sondervermögen, welches vom Bundeswirtschaftsminister verwaltet wird. Hier bewirtschaftet eine organisatorisch nicht verselbständigte Institution (Bundeswirtschaftsminister) öffentliches Vermögen außerhalb des Budgets. S. dagegen die Definition von Kilian, Nebenhaushalte des Bundes, S. 275. los Deshalb geraten ζ. B. Verschonungssubventionen oder auch versteckter Staatsbedarf nicht unter das Regime des Haushaltsrechts s. Puhl, Budgetflucht, S. 71.

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

2. Aufgabentrennung zwischen Haushaltsrecht und Verwaltungsrecht Die den Haushaltsmitteln zugeordneten Verwendungszwecke legitimieren Ausgaben, setzen aber nicht das Demokratieprinzip um. Im Mittelpunkt des Demokratieprinzips steht nämlich die „Innehabung und maßgebliche Steuerung der im Hinblick auf die Erledigung der gemeinsamen Angelegenheiten des Volkes organisierten staatlichen Gewalt". 109 Materiell meint Staatsgewalt jede Wahrnehmung von Staatsaufgaben, wobei Staatsaufgaben mangels einer abstrakten Staatsaufgabenlehre 110 diejenigen sind, derer sich der Staat in verfassungskonformer Weise annimmt. 111 Staatlich sind alle Stellen, die überwiegend staatlich bestimmt sind. Formell liegt in dem Begriff der Gewalt indes eine Einschränkung: Es muß sich notwendig um regelnde Entscheidungen handeln, die sich zwar nicht auf Außen beziehen müssen (daher nicht allein Gebote- und Verbote), aber Rechtsverbindlichkeit statuieren. 112 Das Spezifikum staatlicher Machtausübung liegt also in der rechtsverbindlichen Entscheidung. Daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht heißt folglich, daß alle regelnden Entscheidungen von maßgeblich staatlich bestimmten Stellen demokratisch legitimiert sein müssen. Legitimiert werden diese Entscheidungen durch das Verwaltungsrecht. Das Verwaltungsrecht (einschließlich des Verfassungsrechts) regelt in Gesetzen und Verordnungen die Zuständigkeiten, Aufgaben und Maßstäbe der Ausübung öffentlicher Gewalt. Hiernach bestimmt sich das Wer, Was und Wie staatlicher Entscheidungen, Verantwortlichkeiten und Kontrollmechanismen. Die Erwartung an das Haushaltsrecht, die „Gewalt" durch den Einsatz der staatlichen Mittel demokratisch zu legitimieren und am Gemeinwohl auszurichten, überfordert und verkennt die Aufgabe des Haushaltsrechts. Der im Haushalt jeder Ausgabe zugeordnete Verwendungszweck steuert regelmäßig nicht das finanzierte Verwaltungshandeln. Diente man dem Haushaltsrecht nämlich einen derartigen Steuerungsauftrag an, dann würde es mit dem Verwaltungsrecht konkurrieren und in Konflikt geraten. Verwaltungsrechtliche Ausgabeverpflichtungen wie Leistungsgesetze können aber im Haushaltsverfahren nicht erneut problematisiert werden. Zudem drohte so die Finanzordnung die Kompetenzordnung zu unterlaufen. Denn der Haushälter hat nicht notwendig die Kompetenz für die von ihm finanzierten Aufgaben. Der Haushaltsplan stellt alle Einnahmen und Ausgaben ein, unabhängig davon, ob der Haushälter die Sachkompetenz zur Aufgabenerfüllung besitzt. Wäre der Haushaltsgesetzgeber allgemein zur Steuerung aufgerufen, dann müßte er so eine Sachkompetenz für Materien beanspruchen, für die die Länder die Verwaltungskompetenz besitzen oder die autonomiegeschützt sind. 113 Es würde also 109 Böckenförde,

in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, S. 289 (300).

no Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 154 f., Puhl, Budgetflucht, S. 45. in Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 248 f. h 2 Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 261 m. w. N.

C. Begrenzung durch Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes gerade der Grundsatz „ Wer zahlt, schafft an" 114

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gelten, obwohl die Empfänger vor

inhaltlicher Einflußnahme durch den Haushälter geschützt sein sollen. Entsprechend reduziert sich auch das Steuerungspotential der „Haushaltsmilliarden". Denn gerade in Zeiten knapper Kassen ist der finanzielle Gestaltungsspielraum eingeschränkt. Der weitaus größte Teil der Haushaltsmittel deckt den Staatsbedarf. 1 1 5 Das Ausgabenvolumen wird zu 80 bis 95% durch außerbudgetär gesetzte Bewilligungspflichten sowie faktische Bewilligungszwänge festgelegt. 1 1 6 Hier ist das Geld nur Ressource, nicht Instrument staatlichen Handelns. Die Steuerungsmöglichkeiten 1 1 7 einzelner Vorhaben durch Haushalte und Haushaltsrecht bleiben hier sowohl faktisch als auch rechtlich begrenzt. 1 1 8 Das Haushaltsrecht 113 R Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 (508); s. a. v. Mutius, VVDStRL 42 (1984), S. 147 (166). Zur unbedenklichen Einbeziehung von Autonomieträgern in den Bundeshaushalt s. Puhl, Budgetflucht, S. 46 f. im Ρ Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 (506). us P. Kirchhof,

NVwZ 1983, S. 505 (506).

116

Moeser, Die Beteiligung des Bundestages an der staatlichen Haushaltsgewalt, S. 74 ff., 124 ff.; es wird kaum möglich sein, die Bindung des Haushaltsgesetzgebers genauer zu quantifizieren, s. zu den damit verbundenen Schwierigkeiten Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 176ff., 328 ff.; daher wird diese Schätzung zumeist übernommen, s. etwa P. Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 (508 bei und in Fn. 19); Puhl, Budgetflucht, S. 8 f. Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 329 f., meint dagegen, die Bindungen würden überschätzt, da auch die gemeinhin als gebunden angesehenen Ausgaben noch erhebliche Kürzungsreserven bergen würden. 117

Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 276, vertritt einen weiten Steuerungsbegriff, der nicht alleine programmatische Steuerung umfaßt, sondern „jede Beeinflussung des Verhaltens Dritter (Personen oder Organisationen) mit dem Zweck, bestimmte Ziele zu erreichen ( . . . )"; für die Unterscheidung von Kompetenzordnung und Finanzordnung kommt es aber gerade auf die programmatische Steuerung an. Damit wird nicht ausgeschlossen, daß spezifisch haushaltsrechtliche Bindungen auch die Bewirtschaftung öffentlicher Mittel steuern. Die Entwicklung der Steuerungstheorie wurde instruktiv von Mayntz in PVS Sonderheft 26 / 1995, S. 149-168 dargestellt. h 8 Zurückhaltend gegenüber Steuerungswirkungen des Haushaltsrechts etwa: Schuppert, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (218 ff.); Ρ Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 (506 ff.); Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 337 ff.; als Gegenpositionen seien genannt: Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 406 ff.; v. Mutius, VVDStRL 42 (1984), S. 157 ff. Das Budget kann die allgemeinen Gesetze für Innenbereich und Außenbereich kaum ersetzen: es ist zeitlich begrenzt, entsteht in einem anderen Gesetzgebungsverfahren (hier ist vor allem die besondere Stellung des Finanzministers im Verfahren der Haushaltsplanaufstellung und die gegenüber allgemeinen Gesetzen veränderte Beteiligung von Ausschüssen zu nennen) und verpflichtet nicht, sondern ermächtigt allein (so die ganz h. M., s. nur Fischer-Menshausen, in: von Münch, GG-Komm., Art. 110 Rdn. 5; Kisker, HbdStR § 89 Rdn. 25, 28, 52; P. Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 (508), Stern, Staatsrecht II, S. 1207; anders Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 409 ff., der den im Haushaltsgesetz festgelegten politischen Willen des Parlaments hervorhebt und hieraus eine, wegen der Entscheidungsprärogative der Verwaltung indes begrenzte, Vollzugsbindung vertritt; ähnlich Schuppert, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (230 f.)). Bewilligungszwecke eignen sich nicht dazu, Verwaltungsentscheidungen inhaltlich zu programmieren (,Schuppert, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (235); P. Kirchhof,

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Teil 1: Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

erschöpft sich insoweit in der Ermächtigungsfunktion und der negativ begrenzenden Kontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Regierung 119. Gleichzeitig wird hier die Kernfunktion des Haushaltsrechts deutlich: Das Haushaltsrecht ist die Ordnung des staatlichen Wirtschaftens, nicht der Aufgabenerfüllung, und sei es mit Geld. Das Haushaltsrecht hat eine andere Funktion als die allgemeinen Gesetze. Haushaltsrecht und Verwaltungsrecht konkurrieren nicht, sondern sind getrennte Ordnungen mit eigenem Schutzzweck, Regelungsgegenstand und schließlich Regelungsadressaten. Der Haushaltsplan ist unter die allgemeinen Gesetze subordiniert, nicht weil er kein oder nur ein formelles Gesetz ist 1 2 0 , nicht wegen des unterschiedlichen Ranges, sondern weil der Haushaltsplan eine andere Regelungsfunktion hat. Wenn das Verwaltungsrecht das Haushaltsrecht verdrängt, während das Haushaltsrecht dem Verwaltungsrecht dient 121 , dann beschreibt dies nicht vornehmlich das Verhältnis konkurrierender 122, sondern unterschiedlicher, sich ergänzender Ordnungen. So sollte auch nicht der Begriff der Folgeordnung verwendet werden 123 , denn damit kommt nicht hinreichend zum Ausdruck, daß die Ordnung des staatlichen Finanzgebarens eigene Regelungsfunktionen hat, spezifische finanzielle Zuständigkeiten und Handlungsmaßstäbe normiert.

NVwZ 1983, S. 505 (509); Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 338). Dies liegt nicht allein daran, daß sie Zwecke, aber keine Tatbestände formulieren (zur Unterscheidung von Zweck- und Konditionalprogrammen Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 166 ff.), sondern daran, daß sie nicht Ziele setzen, sondern Ausgaben rechtfertigen. 119 Schuppen, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (220 f.). Die Haushaltsreform sollte eine grundlegend neue Haushaltsbetrachtung mit sich bringen (so die Begründung zu den Grundzügen der Reform, BT-Drs. V/3040, Rdz. 43, S. 37) mit der Folge, daß nicht mehr allein der Staatsbedarf kontrolliert und legitimiert, sondern der Haushalt zur Grundlage einer Ordnungsfinanzpolitik wird. Damit wurde nicht allein negativ begrenzende Kontrolle, sondern positiv gestaltende Planung angestrebt. Das Reformziel galt aber eher der makroökonomischen, „keynesianischen" Steuerung. 120 Die von Laband formulierte, lange herrschende Ansicht begründete die Unterordnung des Haushaltsplanes noch damit, daß dieser nur ein formelles Gesetz sei. Inzwischen scheint sich die Meinung durchgesetzt zu haben, daß diese Unterscheidung zweifelhaft und auch nicht notwendig ist, um das Verhältnis von Haushaltsplan und allgemeinen Gesetzen zu bestimmen; s. Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 7 ff., 353 ff.; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 79ff., 15Iff. Für Heun entfällt mit dieser Unterscheidung auch die grundsätzlich Unterordnung des Haushaltsplanes unter die allgemeinen Gesetze (a. a. O., S. 165). 121 Isensee, Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 42 (1984), S. 268. 122 y Mutius, VVDStRL 42 (1984), S. 147 (167): „ . . . eine echte Normenkollision findet nicht statt". 123 So F. Kirchhof,

VVDStRL 52 (1993), S. 71 (80).

C. Begrenzung durch Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes

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a) Schutzzweck Das Haushaltsrecht kann so auf seinen eigentlichen Schutzzweck zurückgeführt werden: Seine Aufgabe besteht vornehmlich darin, den Staatsbedarf zu begrenzen. Die öffentlichen Mittel sind Vermögen der Gemeinschaft 124 und werden vom Staat gleichsam treuhänderisch verwaltet 125 . Ausgaben müssen rational begründbar sein 126 , der Staat darf nichts verschenken 127. Die Finanzen werden kontrolliert, „weil die Allgemeinheit ein Interesse daran hat, wie mit den Mitteln der Allgemeinheit umgegangen wird". 1 2 8 Der „Volksnutzen" von Haushaltsrecht und Finanzkontrolle liegt daher nicht in der Steuerung und Begrenzung staatlicher Machtausübung mit Geld, sondern vornehmlich in der Begrenzung des staatlichen Steuerzugriffs 129, Grundlage der Finanzkontrolle ist weniger Art. 20 Abs. 2 GG, sondern Art. 14 GG 1 3 0 . Die Gewalt des Finanzstaates ist der Steuerzugriff, der durch Haushaltsrecht und Finanzkontrolle begrenzt werden soll. Für die Haushaltskontrolle gilt der Auftrag: „Alles Geld geht vom Volke aus". Das Haushaltsrecht dient daher vorwiegend dem Steuerzahler, nicht den vom Leistungsstaat betroffenen Bürgern. Dies entspricht dem Selbstverständnis der Rechnungshöfe 131, der Erwartung der Öffentlichkeit an die Rechnungshöfe 132 wie auch etwa des im Haushaltsentscheidungsverfahren zentralen Haushaltsausschusses133. Das Gemeinwohl wird durch die Finanzkontrolle eher beschnitten als gefördert, indem Ausgaben auf das Notwendige begrenzt werden. Gemeinwohlorientiert ist Finanzkontrolle nur insofern, als sie Ausgaben drosseln hilft und diese Mittel dann anderweitig das Gemeinwohl fördern können oder die steuerliche Belastung zurückgeführt wird. 1 3 4 124 Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195 (195). 125 Stern, StaatsR II § 34 I I 3 (S. 425); zum Begriff der Treuhand s. unten Fn. 199. 126 Kilian, Nebenhaushalte, S. 554 f. m. w. N. 127 BGH, DÖV 1967, 385; Vogel/ Waldhoff (1997), Bonner Kommentar, Vorbem. z. Art. 104a-115, Rdn. 617; R Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 (510). 128 BSG, SgB 1982, S. 449, (451)= BSGE 52, 294; Sigg, Stellung der Rechnungshöfe, S. 27. 129 Zu den verschiedenen Legitimationsgrundlagen der Rechnungslegung s. auch Lüder, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel S. 133 (136 ff.) mit Unterscheidung nach ethisch-normativen, rechtlichen und sonstigen Legitimationsgrundlagen. 130

Selmer, in: Engelhardt/Schulze/Thieme (Hg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel? S. 67 (81 f.); v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 72 f., 81 f.; die Versuche v. Arnims, aus Art. 14 GG eine justiziable Ausgabenbeschränkung abzuleiten (Besteuerung und Eigentum, S. 310 ff., Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 72 f.), sind freilich kaum durchführbar und tragen die Gefahr in sich, das staatsorganisationsrechtliche Haushalts verfassungsrecht zu unterlaufen; daher hat die Literatur diesen Ansatz beinahe einhellig abgelehnt, s. nur Papier (1994), in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 14 Rdn. 179 („Traumfabrik des Staatsrechts") und Vogel/ Waldhoff (1997); in: Bonner Kommentar, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rdn. 621. 131

Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, S. 92. 132 Blasius, NWVB1. 1998, S. 367 (370). 133 Walther, in: FS General-Rechen-Kammer: S. 145 (153).

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

b) Budgetmäßigkeit versus Gesetzmäßigkeit Das Haushaltsrecht normiert das staatliche Wirtschaften, nicht die staatliche Gewaltausübung. Der Staatshaushalt finanziert den Staatsbedarf, normiert nicht die Aufgabenerfüllung. 135 Die - weitgehend prozeduralen 136 - Regelungen des Finanzwesens betreffen überwiegend nicht materielle Gegenstände der Staatstätigkeit. 1 3 7 Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ist keine inhaltliche Direktive, sondern ein modales Kriterium, das Aufgaben bzw. haushaltsrechtlich Zwecke voraussetzt. Materielle Maßgaben des Staatshandelns normiert das Verwaltungsrecht, und zwar prinzipiell unabhängig von finanziellen Erwägungen. 138 „Der Staatshaushalt schafft die finanzwirtschaftliche Grundlage, das Verwaltungsrecht zeichnet die Wirkungen staatlichen Handelns vor". 1 3 9 Die fehlende Außenwirkung folgt nicht allein daraus, daß das Haushaltsgesetz nur als Organgesetz zwischen Parlament und Regierung wirkt, sondern allgemein daraus, daß im Haushaltsrecht die Wirkungen staatlichen Handelns nicht problematisiert werden. 140 Auch im Leistungsstaat werden die Maßstäbe des Leistens durch Leistungsgesetze oder aber durch Verwaltungsrichtlinien als Eigenprogramme der Verwaltung bestimmt, nicht jedoch durch haushaltsrechtliche Bewilligungen.

141

134 „Gemeinwohl des Steuerzahlers", so P. Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 (509); zur Gemeinwohlproblematik aus rechtswissenschaftlicher Sicht ausführlich Häberle, in: ders., Europäische Rechtskultur, S. 323 ff. 135 Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 311. 136 F. Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), S. 77; Schuppert, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (238 f.). 137 Wacke, Das Finanzwesen der Bundesrepublik, S. 12 f.; außer Betracht bleiben können hier die makroökonomischen Maßgaben des Art. 109 GG. 138 Zum Verhältnis von Verwaltungsrecht und Haushaltsrecht s. instruktiv R Kirchhof NVwZ 1983, S. 505-515; freilich gibt es auch Einbruchsteilen des Haushaltsrechts in das Verwaltungsrecht. So können freiwillige Staatsleistungen unter einen Haushaltsvorbehalt gestellt werden. Das Wirtschaftlichkeitsgebot kann nach der Rechtsprechung des BVerwG die Ermessensentscheidung über den Widerruf von Subventionsbewilligungen lenken, so daß im Regelfall die Bewilligung zu widerrufen ist, s. zuletzt BVerwG, DVB1. 1998, 145. 139 R Kirchhof NVwZ 1983, S. 505 (505). 140 Der Haushaltsplan wirkt nicht nach außen. Dieser Grundsatz ist in § 3 Abs. 2 BHO und § 3 Abs. 2 HGrG einfachgesetzlich positiviert und läßt sich zudem verfassungsrechtlich herleiten (Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 341 ff.). Der Haushaltsgesetzgeber ist deshalb nach h. M. nicht an die Grundrechte gebunden (Vogel! Waldhoff (1997), in: Bonner Kommentar z. GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rdn. 620 m. w. N.). Bürger oder Gerichte können dem Haushaltsplan allein nicht entnehmen, ob noch Mittel zur Verfügung stehen. Der Haushaltsplan kann deshalb rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit der Gesetze nicht genügen (Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 169 f.). Die Wirkungen auf den Einzelnen können durch den Haushaltsplan kaum berücksichtigt werden (P. Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 (507)). 141 Schuppert, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (236 f.).

C. Begrenzung durch Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes

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Verwaltungsträger sind damit „zweigleisig" 142 gebunden, sie müssen budgetmäßig und gesetzmäßig handeln. Beide Bindungen legitimieren und begrenzen zugleich, sind aber nicht austauschbar.143 Der Haushaltsplan legitimiert nicht die mit dem Geld finanzierten Aufgaben, sondern die hierfür notwendigen Zahlungen. 144 Er beschränkt nicht die staatliche Gewalt, sondern die staatlichen Ausgaben, indem er die Bewirtschafter verpflichtet, die Haushaltsmittel wirtschaftlich und sparsam sowie allein für den bewilligten Zweck einzusetzen. In der gesetzesfreien Verwaltung kann der Haushalt eine legitimatorische Auffangfunktion wahrnehmen, so etwa bei staatlichen Beschaffungen wie Waffensystemen oder bei Subventionen. Wenn nach Rechtsprechung und h. M . 1 4 5 dem Gesetzesvorbehalt damit Genüge getan ist, daß für Subventionen Haushaltsmittel bewilligt werden, mag diese parlamentarische Willensäußerung als „demokratische Nabelschnur" 146 ausreichen. Das Haushaltsrecht ersetzt hier aber nicht das Verwaltungsrecht. 147 Die Bewilligungen ermächtigen den Bewirtschafter nicht im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes148, sondern finanzieren allein nicht ermächtigungsbedürftiges Handeln 149 . Die Bewirtschaftung von Geld ist eben kein „regelndes Entscheiden" i. S. d. Demokratieprinzips. Geld ist zwar selbst Bedingung der Möglichkeit zur Wahrnehmung von Staatsaufgaben, vermittelt aber keine Befugnisse zum verbindlichen Entscheiden.150 Erhalten Private öffentliche Mittel, dann 142

Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 313. Koller, Der öffentliche Haushalt als Instrument der Staats- und Wirtschaftslenkung, S. 195, Anm. 104; s. a. Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 408; Schuppert, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (235 f.). 143

144

Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 311; a.A. Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 280, nach dem die Bewilligungen das gesamte, vom Bewilligungszweck getragene Handeln legitimieren, wenn dieses nicht von anderen Gesetzen abgedeckt ist. BVerwGE 6, 282 (287); 58, 45 (48); Janas, in: Jarass/Pieroth, Art. 110 Rdn. 14 m. w. N. »46 Schuppert (VVDStRL 42 (1984), S. 216 (237)) meint, daß im Bereich der Subventionsverwaltung die Haushaltsbewilligungen die Funktion „einer demokratische Legitimität vermittelnden Nabelschnur" hätten. Hier läßt sich darüber streiten, ob wegen der Grundentscheidung des Parlaments die demokratische Legitimation gewahrt bleibt (so Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 419, Fn. 63) oder ob es sich nicht letztlich um Eigenprogramme der Verwaltung handelt (so Schuppert, a. a. Ο.; s. a. Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, S. 41). Letztlich ist wohl beides richtig: Indem das Parlament Subventionen bewilligt, ermächtigt es die Verwaltung, nach Eigenprogrammen, d. h. gesetzesfrei zu handeln. Dies mag dem demokratischen Vorbehalt genügen. Indes kann die Bewilligung nicht die Funktion eines Gesetzes übernehmen. Damit soll nicht prinzipiell die Möglichkeit der Steuerung durch Zuwendungen bestritten werden. Es muß nicht notwendig das Parlament selbst „steuern", auch die Steuerung des Verhaltens Dritter durch Eigenprogramme der Verwaltung bleibt „Steuerung". Nur ist dies keine Steuerung durch Haushaltsrecht. 147 Schuppert, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (235 f.). 1 48 S. zum Vorbehalt des Gesetzes BVerfGE 40, 237 (248); 49, 89 (126); Herzog (1980), in: Maunz/Dürig, Art. 20 Rdn. 55, Stern, Staatsrecht I, S. 802, 805 f. 1 49 Siekmann, in: Sachs (Hg.), Grundgesetz, Art. 110 Rdn. 40; Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 311 f. 4 Rogge

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

wird auch nicht eine gesetzliche Grundlage gefordert, da hiermit Macht übertragen würde. 151 Selbst wenn hier durch Haushalte faktisch gesteuert werden kann, bleibt das Haushaltsrec/tf eine Wirtschaftsordnung, die zweckneutral finanzielle Rationalität sichern soll, Machtausübung als spezifisches Moment staatlichen Handelns aber weder erfaßt noch legitimiert. Haushaltsrechtlich ist allein entscheidend, daß Zwecke festgelegt werden. Wer die Zwecke setzt - ob allgemeine Gesetze, der Haushaltsgesetzgeber, die Verwaltung durch Eigenprogramme in Form von Verwaltungsvorschriften oder Private, deren selbstbestimmtes Wirken vom Staat durch Zuwendungen unterstützt wird - läßt das Haushaltsrecht weitgehend offen. Daß das Haushaltsrecht nicht die Aufgabensteuerung und -kontrolle durch den Geldgeber voraussetzt, zeigt sich schließlich auch in den Prüfungsmaßstäben der Finanzkontrolle. Rechnungshöfe prüfen allein die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung. 152 Weder sind sie dazu berufen, allgemein die Rechtmäßigkeit der staatlichen Aufgabenerfüllung zu prüfen 153 (so ist für die Finanzkontrolle nicht maßgeblich, ob durch Subventionen Konkurrenten rechtswidrig benachteiligt werden oder die Nebenbestimmungen den Empfänger unverhältnismäßig belasten) noch prüfen sie deren Zweckmäßigkeit und Gemeinwohlorientierung, auch nicht im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung 154. Hiermit entfällt auch ein wesentliches Argument für die Verknüpfung von Haushaltsrecht und Demokratieprinzip. Zwar soll das Demokratieprinzip nicht allein die Machtentfaltung gegenüber dem Bürger legitimieren - damit ist der engere Regelungsbereich des Rechtsstaatsprinzips umschrieben - sondern alle rechtserheblichen staatlichen Entscheidungen.155 Wenn jedoch die Verknüpfung damit begründet wird, daß Geld es ermöglicht, auf den Willen anderer Einfluß zu nehmen 1 5 6 , dann ist damit doch wesentlich die Einflußnahme auf den Einzelnen gemeint, welche gerade nicht vom Haushaltsrecht erfaßt wird. Gleichzeitig entstehen hierdurch aber keine Freiräume ungehinderter Machtentfaltung mit Geld. Denn auch im modernen Leistungsstaat wird der Einsatz staatlicher Mittel vornehmlich durch das Verwaltungsschuldrecht in Form von Leistungsgesetzen geregelt. Die Aufsicht als Kontrolle der Aufgabenerfüllung kann prüfen, ob die mit dem Geldeinsatz verfolgten Zwecke recht- und zweckmäßig sind. 150 S. auch Luhmann, Macht, S. 102 f., der hierin den prinzipiellen Unterschied zwischen dem über Macht kommunizierenden staatlichen System und dem über Geld kommunizierenden Wirtschaftssystem erblickt. 151 Vogel / Waldhoff ( 1997), in: Bonner Kommentar z. GG, Vorbem. z. Art. 104a-115 Rdn. 326. 152 S. u.S. 64 ff. 153 S. u. S. 64. 154 S. u.S. 74 ff., 79. 155 Jestaedt, Demokratieprinzip und KondominialVerwaltung, S. 256 f. 156 Puhl, Budgetflucht, S. 159.

C. Begrenzung durch Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes

c) Konsequenz: Unterschiedliche

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Regelungsadressaten

Diese Beschränkung des Haushaltsrechts auf die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einer Aufgabenerfüllung ermöglicht es erst, zwischen Aufgabenwahrnehmung und Finanzverantwortung zu differenzieren. Jedes Staatshandeln muß demokratisch legitimiert sein. In Grenzbereichen gibt es keine abstrakte Lehre der Staatsaufgaben, daher sind Staatsaufgaben solche, derer sich der Staat annimmt 157 . Ob der Staat handelt, kann nur eindeutig positiv oder negativ 158 nach dem Kriterium der staatlichen Bestimmungsmacht159 beurteilt werden. Staatlich bestimmte Aufgabenwahrnehmung ist daher staatliche Gewaltausübung. Hiernach bestimmt sich die Grenze zwischen innen und außen, demokratisch zu legitimierender Staatsgewalt und grundrechtlicher Freiheit. 160 Haushaltsrechtlich kommt es nicht auf die Bestimmung des Bewirtschafters durch den Haushälter an. Das Haushaltsrecht setzt nicht voraus, daß ein Verhalten insgesamt gesteuert ist. Es verlangt, daß Zwecke bestimmt werden, nicht jedoch, daß diese Zwecke der Geldgeber selbst bestimmt. 161 Es ist somit nicht maßgeblich, ob durch die Geldzuweisung der Bewirtschafter zum Werkzeug des Geldgebers wird, oder ob er die Mittel für selbstgewählte Zwecke einsetzt, an denen der Geldgeber ein Interesse hat. Daher ist der Geldgeber nicht notwendig für das Verhalten des Bewirtschafters verantwortlich, erst recht ist es ihm nicht zuzurechnen. Das Haushaltsrecht erfaßt nur die finanziellen Teilaspekte von Entscheidungen, während das Handeln selbst einer anderen Körperschaft oder Privaten zugerechnet werden kann. Es kann und soll das Verhalten des Bewirtschafters weder umfassend determinieren, noch fragt das Haushaltsrecht danach, ob diese Zwecke recht- und zweckmäßig sind. Maßgeblich ist allein, daß der Haushaltsplan eingehalten wird und die Mittel ordnungsgemäß und wirtschaftlich verwaltet werden. Daher ist es nur eine notwendige Folge der funktionalen Differenzierung, daß sich der Kreis der Regelungsadressaten von Haushaltsrecht i. w. S. und Finanzkontrolle von dem der staatlichen Aufgabenordnung und somit von der Zuordnung zu Bund oder Ländern, Staat oder Gesellschaft, innen und außen löst. Der Regelungsgegenstand des Haushaltsrechts i.w.S. ist unabhängig davon, ob der Bewirtschafter 157 Bauer, in: VVDStRL 54 (1995), S. 234 (249 f.); Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), S. 165 (171 f.). 158 Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (343). 159 Puhl, Budgetflucht, S. 41 ff. 160 Vgl. die Grafik oben S. 42. 161 Dies gilt nach richtiger Auslegung auch für den Begriff der Zuwendung gem. § 23 BHO. Auch hier ist gleichgültig, ob der Zuwendungsempfänger den mit der Zuwendung verbundenen Zweck aus eigenem Interesse verfolgt, oder allein, um in den Genuß der Zuwendung zu kommen. Der Bund muß ein Interesse an der Leistung haben, so daß er sich die Ziele des Zuwendungsempfängers zu eigen macht, er muß aber nicht notwendig das Verhalten des Empfängers damit steuern, s. Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (285). 4*

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

noch der Sphäre des Haushälters zugerechnet werden kann oder nicht. 162 Denn nicht dessen Aufgabenerfüllung, sondern dessen Geld wird kontrolliert. So begründet die Verwendung von EG-Mitteln durch den Bund Prüfungsrechte des europäischen Rechnungshofes 163, obwohl damit Bundesgewalt ausgeübt wird. Werden Aufgaben von den Ländern als eigene ausgeführt, obwohl der Bund die Finanzierungsverantwortung trägt, so darf der Bundesrechnungshof prüfen. 164 Hier ist der Bund also nicht zur Machtkontrolle 165 , jedoch zur Finanzkontrolle befugt. Während die Ausübung hoheitlicher Befugnisse noch die Machtkontrolle in Form der Aufsicht erfordert 166 , kann bei geringem finanziellem Interesse von der Finanzkontrolle abgesehen werden 167 . Bei Bundesbetrieben müssen allein Zuführungen und Ablieferungen im Haushaltsplan aufgeführt werden. 168 Globalhaushalte können haushaltsrechtlich zulässig sein, wenn hierdurch die eigenverantwortliche wirtschaftliche Verwendung der Mittel gefördert wird. 1 6 9 Das Parlament gibt dadurch seinen Steuerungsanspruch auf 1 7 0 , bedenkliche Freiräume ungehinderter Machtentfaltung entstehen hingegen nicht. Denn die demokratische und rechtsstaatliche Kontrolle bleibt von haushaltsrechtlichen Freistellungen unberührt. Fraktionen müssen sich dagegen vor der Finanzkontrolle verantworten, unterliegen jedoch keiner Aufsicht. 171 Auch Beliehene unterliegen der Aufsicht 172 , aber nicht notwendig der Finanzkontrolle, wenn ihre Kosten nicht staatlich erstattet werden 173 . 162 Insoweit war die Regelung über die Rückforderung von Zuwendungen in der BHO (§ 44 a) zwar rechtssystematisch fehlplaziert, da die BHO allein Innenrecht statuiert (hierzu s. Sachs, NVwZ 1996, S. 1185 (1186) und Heße, NJW 1996, S. 2779 (2780)). Jedoch kann sie auch nach ihrer Verlegung in das VwVfG als haushaltsrechtliche Regelung i. w. S. verstanden werden. 163 Der Bundesrechnungshof kann dann zwar vom Europäischen Rechnungshof mit eingeschaltet werden, initiiert jedoch selbst nicht die Prüfung; s. hierzu nur die Darstellung von Magiern, Finanzkontrolle in der Europäischen Gemeinschaft, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 221 (231). 164

Maunz (1984), in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 114 Rdn. 41. Stern in: Böning/v. Mutius, Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, S. 11 (23 f.). 165

166 Zu den Aufsichtsrechten gegenüber Körperschaften des öffentlichen Rechts s. Knöpfle, Die Zuständigkeit der Rechnungshöfe für die Prüfung der Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 22 f., für Anstalten Maurer, Allg. VerwR, § 23 Rdn. 51. 167 s. § 111 I I BHO.

168 S. die kritische Darstellung bei Puhl, Budgetflucht, S. 284 ff. 169 F. Kirchof, DÖV 1997, S. 749 (756); Rürup, in: Müller (Hg.), Haushaltsreform und Finanzkontrolle, S. 45 (49 f.). 1 70 Rürup, in: Müller (Hg.), Haushaltsreform und Finanzkontrolle, S. 45 (49). 171

§ 53 AbgG; nach Abs. 2 sind allein politische Entscheidungen von der Rechnungsprüfung ausgenommen; s. hierzu Becker, ZG 1996, S. 260 f.; zur Diskussion vor der Novelle des AbgG: v. Arnim, Staatliche Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle?, S. 50ff.; Heuer, Kontrollauftrag gegenüber den Fraktionen, in: Böning/v. Mutius (Hg.), Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, S. 107 ff.; jeweils m. w. N. 172 Maurer, Allg. VerwR, § 23 Rdn. 58.

C. Begrenzung durch Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes

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Die Flucht ins Privatrecht kann nicht mit der Flucht aus dem Budget gleichgesetzt werden. Während sich der Staat im Verwaltungsprivatrecht nicht seiner Grundrechts- und Gemeinwohlbindung und damit der Machtkontrolle begeben kann 174 , besteht nicht notwendig ein Anlaß zur Finanzkontrolle. Nebenhaushalte als Ausnahmen von den Grundsätzen der Einheit und Vollständigkeit, die sich allein auf das Rechtssubjekt Bund beziehen 175 , sind vorwiegend dann bedenklich, wenn sie Zahlungen aus dem Bundeshaushalt erhalten, Verbindlichkeiten des Bundes übernehmen, der Bund für sie haftet oder wenn sie sich über Zwangsabgaben finanzieren. 176 Ist das nicht der Fall, besteht aus Sicht des Volkes als Abgabenschuldner kein Bedürfnis zur Finanzkontrolle, obwohl sie öffentliche Gewalt ausüben. 177 Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob eine privatrechtlich organisierte Stelle vormals staatlich war oder immer schon privat. 178 Der Staat kann gleichermaßen „aus dem Budget flüchten 179 ", indem er eine Aufgabe durch eigene, nun privatrechtlich organisierte Träger ausrichten läßt oder indem er die Aufgabe auf Private überträgt. Es zeigt sich also: Maßgeblich und kompetenzbegründend ist nicht, daß der Bewirtschafter der öffentlichen Gewalt zuzurechnen ist, sondern daß öffentliche Mittel eingesetzt werden. Anknüpfungspunkt für Verantwortung und Kontrolle ist nicht die Organisation oder Institution, ob unmittelbare Staatsverwaltung oder Selbstverwaltungskörperschaft, öffentlich oder privat. Haushaltsrechtlich entscheidend ist die Tätigkeit, die Handlungsmodalität: Die Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln, welche der Zweckbindung unterliegen und damit Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht begründen. 180 Hierdurch wird nicht die überkommene Trennung von Staat und wesensverschiedenem Fiskus wiederbelebt 181, sondern nur eine Summe von Haushaltsbewirtschaftern bezeichnet.

173 Puhl, Budgetflucht, S. 59. 174 St. Rechtsprechung und h. L., vgl. BGHZ 29, 76 (80); 33, 230 (233); 37, 1 (27); 52, 325 (327) sowie Höfling in: Sachs (Hg.), Grundgesetz, Art. 1 Rdn. 94; Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, Rdn. 219 f. sowie aus neuerer Zeit Unruh, DÖV 1997, S. 653 ff. 175 Puhl, Budgetflucht, S. 286 ff. 176 Siekmann, in: Sachs (Hg.), Grundgesetz, Art. 110 Rdn. 70 f. 177 Entgegen Puhl, Budgetflucht, S. 297 ff. Auf Basis der bisherigen Erörterungen, die die funktionale Trennung zwischen staatlicher Wirtschaftsordnung und staatlicher Gewaltordnung betonen, fällt damit eine zentrale These dieser profunden und „geradezu akribischen" (Rezension von Heun, DÖV 1998, S. 612) Habilitationsschrift. ι 7 » So aber Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 99f.; diese Unterscheidung ist erst für die Frage relevant, ob der Prüfung Selbstverwaltungs- oder Grundrechte entgegenstehen. 179 S. hierzu nur Puhl, Budgetflucht, S. 1 ff.; Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195 (241 f.); Kilian, Nebenhaushalte, S. 538 ff. 180 Puhl, Budgetflucht, S. 27, 36, 38, 78 f. zeigt auf, daß Nebenhaushalte durch Handlungsmodalitäten, nicht durch ihre Organisationsform gekennzeichnet sind. 181 Hierzu Puhl, Budgetflucht, S. 164 mit Fn. 262.

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

Wenn Leisner meint, der Hauptauftrag der Rechnungshöfe sei die Kontrolle der Verwaltung, die Kontrolle der privaten Wohlfahrtspflege deswegen system- und damit verfassungswidrig 182, dann verkennt er, daß die causa der Finanzkontrolle nicht die Kontrolle staatlicher Machtentfaltung, sondern die Kontrolle der staatlichen Mittel ist 1 8 3 . Finanzverfassungsrechtlich ist allein die Bewirtschaftung von Steuergeldern maßgeblich. Die für die Machtkontrolle und somit für die gesamte Rechtsordnung konstitutive Trennlinie zwischen Staat und Gesellschaft 184 ist damit nicht die maßgebliche Orientierung für die Finanzkontrolle. Der qualitative Sprung ergibt sich nicht beim Ubergang von öffentlichen zu privaten Stellen, sondern, wie im folgenden zu zeigen ist, wenn Haushaltsmittel nicht mehr zweckgebunden sind, sondern voraussetzungslos an Dritte ausgezahlt werden.

3. Delegation und Kontrolle von Finanzverantwortung Entscheidend eingegrenzt wird der Bereich möglicher Prüfungsbefugnisse erst durch den notwendigen Zusammenhang von Kontrolle und Verantwortlichkeit: „Rechenschaft muß nur derjenige geben, der die Verantwortung für das zu rechtfertigende Verhalten trägt, und zwar nur insoweit, als seine Verantwortung reicht" 185 . Maßgeblich ist daher nicht irgendein Bezug zum Haushalt, sondern die Verantwortung für öffentliche Mittel. 1 8 6 a) Finanzverantwortung, Zweckbindung, Rechenschaftspflicht und Kontrolle in abgestuften Entscheidungsebenen Ihre besondere Bedeutung erhalten die Rechnungshöfe durch die Delegation von Finanzverantwortung in einem zunehmend ausdifferenzierten Staatsapparat, wodurch in immer stärkerem Maße eine eigenständige Finanzkontrolle des Parlaments erschwert wird. Im abgestuften Prozeß staatlicher Entscheidungsverantwortung wird jeweils nachgeordneten Organisationseinheiten die eigenständige Bewirtschaftung von 182

Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 35 ff., 96 ff. Allein Art. 114 I I Satz 1 knüpft an die Organisationsform an: wenn danach die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zu prüfen ist, so verlangt dies die Zuordnung der möglichen Kontrollobjekte zu Bund oder nicht Bund. 184 Diese Trennlinie ist in Zeiten des sich differenzierenden und kooperativen Staates zunehmend schwieriger zu bestimmen. Gleichwohl kann die Rechtsdogmatik auf diese Basisunterscheidung nicht verzichten. S. hierzu prägnant: Di Fabio, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 237 (277). 185 Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195 (197). Heuer, DÖV 1986, S. 516; zum gleichen Ergebnis gelangt Krebs an Hand des Kriteriums der Entscheidungskompetenz, Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 189 f.

C. Begrenzung durch Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes

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Geld bewilligt. Das Parlament bewilligt Ausgaben der Regierung und Verwaltung. Diese Bewilligungen sind zweckgebunden. Damit kann der Befugte nicht frei über die Mittel verfügen, sondern muß sie im Sinne des ursprünglich Verantwortlichen verwenden. Uber die zweckentsprechende Verwendung muß der Ermächtigte Rechenschaft ablegen. Handelt der Ermächtigte nicht gemäß den Auflagen, dann kann der Bewilligende das Verhalten des Empfängers sanktionieren. So können Mittel zurückgefordert oder in Zukunft nicht mehr oder nur eingeschränkt bewilligt werden. Finanzverantwortung meint dann, daß die ermächtigende Stelle den Empfänger verantwortlich machen und daß der Empfänger zur Verantwortung gezogen, also sanktioniert werden kann. Die Entscheidung darüber, ob der Empfänger die Mittel entsprechend der Bewilligung eingesetzt hat, setzt die Kontrolle des Empfängers voraus. Jede bedingte Weitergabe von Geldmitteln muß notwendig mit der Möglichkeit verbunden sein, die Einhaltung der Bedingungen zu kontrollieren, um im negativen Fall das Verhalten des Empfängers sanktionieren zu können. 187 Die Bewilligungen üben hiernach eine Doppelfunktion aus, indem sie Finanzverantwortung zuweisen und als Grundlage der nachträglichen Rechnungsprüfung dienen. 188 Die in der nachgängigen Kontrolle gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen dann Korrekturen bei zukünftigen Entscheidungen. Die Kontrolle ist damit im wesentlichen zukunftsgerichtet. 189 Im Haushaltsplan muß jeder Ausgabe ein Zweck zugeordnet werden. Die Zweckbestimmungen setzen nach den bisherigen Feststellungen weniger Gemeinwohlziele in determinierte Zweck-Mittel-Beziehungen um. 1 9 0 Vielmehr ordnen sie Tätigkeit und Ausgaben einander zu, schaffen Transparenz und Budgetklarheit. 191 Dies erlaubt erst rationale Bewertung des staatlichen Ausgabenverhaltens und damit Finanzverantwortung und Finanzkontrolle. 192 Diese Zwecksetzung läßt sich auch als Widmung verstehen: Jeder Betrag im Haushalt ist einem bestimmten Zweck gewidmet und darf nur für diesen verwendet werden. Dieser Grundsatz der qualitativen Spezialität 193 wird indes nur sehr unterschiedlich durchgehalten. Während im Bereich der gesetzesgebundenen Ausgaben und 187 Insgesamt zum Verhältnis von Rechenschaftspflicht, Verantwortung und Kontrolle s. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 43 f. m. w. N. iss Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 278. 189 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 502. 190 So Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (233). Die Gemeinwohlbindung ist weniger eine materielle Vorgabe (so aber v. Arnim, DVB1. 1983, S. 39 (45 ff.)), denn das Gebot einer staatlichen Organisationsstruktur, die durch die Definitionen von Zwecken eine möglichst rationale Aufgabenerfüllung garantiert, s. hierzu Haverkate, VVDStRL 46 (1988), S. 217 (231 m. Fn. 44. u. w. N.).

191 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 434 m. w. N. 192 Moeser, Die Beteiligung des Bundestages an der staatlichen Haushaltsgewalt, S. 50f.; Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 278. 193 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 434.

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Teil 1 : Finanz verfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

Bedarfsdeckung die Zwecke noch hinreichend konkretisiert sind, werden frei verfügbare Mittel vielfach relativ unbestimmt final programmiert 1 9 4 . Die relativ geringe Direktionskraft der parlamentarischen Zweckvorgaben ist sogar durchaus funktional, da hierdurch die Empfänger die Mittel f l e x i b l e r 1 9 5 und gegebenenfalls wirtschaftlicher verwalten k ö n n e n 1 9 6 , auch wenn die tatsächliche Steuerungsfähigkeit des Budgetrechts dadurch begrenzt w i r d 1 9 7 . Die offene Bindung führt dazu, daß die mittelverwaltenden Stellen nicht allein einen Programmauftrag vollziehen, sondern eigene Entscheidungsmacht über die Bewirtschaftung der Mittel erhalten 1 9 8 und damit selbst treuhänderisch 199 Verantwortung für das öffentliche Vermögen tragen. Sie müssen den Stellen gegenüber Rechenschaft ablegen, die ihnen die Mittel bewilligt haben und weiterhin für das Finanzgebaren der untergeordneten Stellen verantwortlich b l e i b e n 2 0 0 . Damit ist die Verwaltung der Regierung 2 0 1 , die Regierung dem Parlament und letztlich das Parlament der Öffentlichkeit als Abgabenschuldner gegenüber verantwortlich und rechenschaftspflichtig. Als notwendiges Korrelat der Delegation kontrolliert das Parlament die Regierung und die Regierung die Verwaltung.

194 Schuppert, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (235 f.). Heun meint, der Bundeshaushalt sei zwar in sehr unterschiedlichem Maße, insgesamt jedoch hochgradig spezialisiert, s. ders., DÖV 1995, S. 182(183). 195 Der Haushaltsplan ist eben nur ein Plan, der dem Planungsträger Raum für Feinsteuerung und Anpassungen an Entwicklungen läßt, s. Ρ Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 (508). 196 Lüder / Budäus, Effizienzorientierte Haushaltsplanung und Mittelbewirtschaftung, S. 90 ff.; Fischer-Menshausen, in: von Münch, GG-Komm., Art. 110 Rdn. 12. 197 S. a. Greifeld, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, S. 39 ff. 198 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 414 f., 495 f. 199 Vielfach wird statt Verantwortlichkeit der Begriff „Treuhänder für das öffentliche Vermögen" verwendet. Die Verwendung ist aber sehr uneinheitlich und daher wenig trennscharf: v. Arnim bezeichnet einmal den Staat als Treuhänder der Steuermittel (Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 74) und einmal den Bundesrechnungshof (DVB1. 1983, S. 667). Nach Puhl sind auch Zuwendungsempfänger Treuhänder (Budgetflucht, S. 348), nach der haushaltsrechtlichen Kommentierung jedoch nur Stellen, die Bundesmittel für Bundesaufgaben verwalten CDommach (1995), in: Heuer, KHR, § 44 BHO Rdn. 14; v. Köckritz ! Ermisch I Lamm (1997), BHO, §44 Rdn. 82.2). 200 Puhl, Budgetflucht, S. 348. 201 Regierung und Verwaltung können nicht allein unter dem Oberbegriff der Exekutive als Einheit begriffen werden. Die Verwaltung verfügt regelmäßig über die größere Sachkompetenz und entzieht sich daher einer umfassenden Steuerung durch die Regierung. Daher werden auch hier finanzielle Entscheidungsbefugnisse delegiert und damit Verantwortlichkeiten der Verwaltung gegenüber der Regierung begründet, während die Regierung dem Parlament gegenüber für das Finanzgebaren der Verwaltung verantwortlich bleibt. S. Sigg, Stellung der Rechnungshöfe, S. 26; sowie allgemein Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 104 f.

C. Begrenzung durch Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes

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b) Zweckbindung als Grenze Die Bindungskraft des Haushaltes sowie die Finanzverantwortlichkeit von Regierung und Parlament reicht so weit, wie die Zweckwidmung noch besteht. Gleichzeitig ist dies die Grenze für den Begriff der „öffentlichen Mittel". Die Ausführung des Haushaltsplanes und die Bewirtschaftung öffentlicher Mittel endet also dort, wo Geld nicht mehr auf den Bewilligungszweck verpflichtet ist, sondern frei bewirtschaftet werden kann und somit nicht mehr öffentlich verantwortet werden muß. 202 Dies ist etwa dann der Fall, wenn Haushaltsmittel für Erwerbsgeschäfte oder für nicht zweckgebundene Sozialleistungen (Wohngeld, Kindergeld, BAföG) verausgabt werden. Entscheidend ist nicht, daß der Geldgeber einen bestimmten Zweck mit der Weiterleitung der Mittel verfolgt, denn dies tut er regelmäßig bei jeder Ausgabe. Es kommt allein darauf an, daß die Zweckbindung an den Empfänger weitergeleitet wird. Dies läßt sich an Hand der Unterscheidung zwischen Leistungsentgelten und Zuwendungen als Finanzierungsinstrumente der freien Wohlfahrtspflege verdeutlichen: Auch bei Leistungsentgelten verfolgt der Bund einen bestimmten Zweck, für den die Leistung eingekauft wird. Es ist jedoch unerheblich, wie der Empfänger mit dem Entgelt verfährt. Bei Zuwendungen oder zweckgebundenen gesetzlichen Zuschüssen ist der Bewirtschafter dagegen noch an den Bewilligungszweck gebunden. Es kann nur eine formale Frage sein, ob eine Förderung als Leistungsentgelt oder als Zuwendung ausgestaltet wird, dennoch endet damit die Verantwortlichkeit für öffentliche Mittel. Bis hierhin gilt das Prinzip von Finanzverantwortung, Rechenschaftspflicht und Kontrolle. Die parlamentarischen Bewilligungen bestimmen die Zuwendungszwecke regelmäßig nur sehr allgemein. Die Konkretisierung des Programmes erfolgt dann erst durch Verwaltungsrichtlinien. 203 Aber selbst die auf diesen Richtlinien beruhenden Bewilligungen der Vergabestellen überlassen dem Empfänger noch einen weiten Entscheidungsspielraum. 204 Insofern tragen die Zuwendungs202 p, Kirchhof, NVwZ 1983, S. 505 (514): „Die Zuordnung von Vermögen zu öffentlicher oder privater Hand bleibt stets eine verläßliche Grenze für die Gestaltungskraft von Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle", ähnlich Heuer, DÖV 1986, S. 516. 203 Krämer/Schmidt (1992), Zuwendungsrecht, Β I S. 2. 204 Als Beispiel seien Zuwendungen an die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege genannt. Im Bundeshaushaltsplan (Kapitel 1702 Titel 68404 -236) wird der Zuwendungszweck wie folgt bestimmt: Zuschüsse für die zentralen und internationalen Aufgaben der Spitzenverbände, insbesondere Führungs-, Koordinierungs- und Beratungsaufgaben, sowie Zuschüsse für die bundeszentrale Fortbildung von Mitarbeitern in zentralen Fortbildungsstätten. In den Förderrichtlinien des BMFSFJ werden unter Ziff. 2.1. die Zwecke konkretisiert. Diese lassen den Empfängern aber noch einen erheblichen Spielraum. Zum einen sind die Zwecke immer noch relativ unbestimmt („Aufgreifen sozialer Notstände, Entwicklung von Initiativen und Modellen", „Besondere Aufgaben beim Aufbau wohlfahrtspflegerischer Strukturen zur Herstellung gleicher Lebens Verhältnisse"; diese Zwecke beschreiben eher das weite selbstgesetzte Aufgabenspektrum der Spitzen verbände, steuern deren Tätigkeit mithin kaum). Zum anderen bestimmen die Richtlinien nicht, wie die Fördergelder auf die einzelnen Zwecke verteilt werden sollen (inkl. Unterzwecken werden 12 verschiedene Aufgaben benannt).

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

empfänger genauso Verantwortung für das öffentliche Vermögen. Nebenbestimmungen verpflichten die Zuwendungsempfänger auf haushaltsrechtliche Maßgaben, überbrücken damit die herkömmliche Grenze des Haushaltsrechts. Staatsmittel sind sparsam und wirtschaftlich zu verwalten, Gefährdungen des Zuwendungszweckes und Bedarfsänderungen der Vergabestelle mitzuteilen. 205 Rechenschaft ist vor allem mit der Vorlage der Verwendungsnachweise zu leisten. Es läßt sich noch weiter fortsetzen: Leitet der private Erstempfänger Zuwendungen an Untereinheiten weiter, welche die Mittel u. U. nochmals selbst weiterleiten (beispielsweise an einen Ortsverein) 206 , dann gilt hier abermals das Prinzip von Zweckbindung, Verantwortung, Rechenschaftspflicht und Kontrolle. Der Letztempfänger wird auch hier entweder vom beliehenen Privaten direkt oder aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages auf die Nebenbestimmungen verpflichtet. 207 In allen Fällen bleiben die Mittel an den öffentlichen Zweck gebunden. Die Regierung bleibt dem Parlament gegenüber für diese Ausgabensektoren verantwortlich. 2 0 8 Werden die Mittel nicht benötigt oder zweckwidrig verwendet, so können sie zurückgefordert werden. Der Bezug zur staatlichen Haushaltswirtschaft ergibt sich also nicht allein aus der Ausgabebewilligung, sondern zudem daraus, daß Gelder wieder in den Bundeshaushalt zurückfließen können. Insoweit kann das Bewirtschaften von Zuwendungen zur Haushaltswirtschaft im weiteren Sinne gerechnet werden. 209 Durch die Zuwendung gerät dabei nicht das gesamte Verhalten der geförderten Organisation in den Regelungsbereich des Haushaltsrechts i. w. S., sondern nur die Bewirtschaftung der Zuwendung. 210 Ähnlich verhält es sich im übrigen im Verwaltungsrecht. Daß auch hier die Organisation nicht entscheidend 211 ist, zeigt sich bei Beliehenen. Bei diesen wird nicht die gesamte Organisationseinheit durch die Beleihung dem öffentlichen Bereich unterstellt, sondern nur die Ausübung von hoheitlichen Befugnissen. 212 205 S. die VV zu §§ 44, 44 a BHO, abgedr. bei Dommach (1996), in: Heuer, KHR, zu §§ 44, 44 a BHO, S. 37f.; kommentiert bei v. Köckritz/Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 44 Rdn. 44. 206 Gerade die Bundesverbände der Wohlfahrt haben vielfach die Aufgabe, Bundesmittel an ihre Untergliederungen weiterzuleiten. Dabei muß aber die Finanzierungsaufteilung zwischen Bund und Ländern beachtet werden, s. Krämer / Schmidt (1997), Zuwendungsrecht, Β III, S. 12. 207 208 209 210

Zu diesen Alternativen s. Köckritz!Ermisch/Lamm (1997), BHO § 44 Rdn. 79f. Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (253 f.). Puhl, Budgetflucht, S. 405 in Fn. 654. Dies sei als These schon vorweggenommen, s. ferner unten S. 165 ff.

211 Auch Böckenförde hat in seiner vielbeachteten Abhandlung (Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, S. 22 f.) bereits betont, daß die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft nicht an Personen, sondern an Verhaltensbereiche anknüpft. Statt dessen spricht er von organisierten Wirkeinheiten. Diese Terminologie kann indes verdecken, daß es nicht um die Verfaßtheit der Akteure in einer bestimmten Organisation wie Kirche oder Bund geht, sondern um organisierte Machtausübung, die sich, wie das Beispiel der Beliehenen zeigt, nicht an der Organisationsform der Akteure orientiert.

C. Begrenzung durch Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes

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Dieses Prinzip läßt sich ebenso auf gesetzlich begründete Zuschüsse übertragen: Immer dann, wenn diese Zuschüsse zweckgebunden, d. h. final programmiert sind, sind diese noch nicht aus den Bindungen des Haushaltsrechts entlassen und begründen ein Kontrollinteresse der öffentlichen Hand.

c) Komplementäre Kontrollfunktion

des Bundesrechnungshofes

Das Parlament selbst ist nicht in der Lage, das gesamte Ausgabenverhalten des ausdifferenzierten Verwaltungsapparates zu kontrollieren. 213 Es kann Soll und Ist von Haushaltsplan und Rechnungslegung vergleichen. 214 Aber schon die Kontrolle des ordnungsgemäßen und erst recht die des wirtschaftlichen Finanzgebarens ist dem Parlament faktisch nicht möglich. Der Bundestag verfügt hierfür allein nicht über die notwendigen Daten 215 und wäre quantitativ und fachlich überfordert. Dies gilt um so mehr, wenn offene Finalprogramme die Kontrolle zusätzlich erschweren. 216 Erst recht gilt dies für Bewirtschafter außerhalb der Bundesverwaltung. Hier setzt die Funktion des Bundesrechnungshofes an. Erst durch seine Vorarbeit ist das Parlament in der Lage, seinen Kontrollauftrag wahrzunehmen. 217 Damit wird der Rechnungshof zum wichtigsten Träger der Finanzkontrolle. 218 Seine Befugnisse können nach Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG neuen Anforderungen angepaßt werden. Wenn der Staat zunehmend fremde Träger außerhalb des Rechtssubjekts Bund finanziell fördert, dann ergeben sich neue Anforderungen für die öffentliche Finanzkontrolle. Die Funktion der Finanzkontrolle erlaubt Prüfungsbefugnisse, solange die Träger zweckgebundene Haushaltsmittel bewirtschaften. Abschließend bleibt allein zu klären, ob die Stellung des Bundesrechnungshofes in der Finanzverfassung die Erweiterung der Prüfungsbefugnisse auf Private begrenzt.

212 Schmidt-Aßmann, AöR 1991, S. 329 (346). Das obige Schema (S. 42) vereinfacht insoweit, als daß es Beliehene insgesamt der materiellen Verwaltung zuordnet. 213 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 507 f.; Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (199 f.); Haverkate, VVDStRL 46 (1988), S. 217 (231); v. Arnim, DVB1. 1983, S. 664 (665 f.). 214 Durch die Rechnungslegung erhält das Parlament erst einen umfassenden Überblick über die Tätigkeit von Regierung und Verwaltung, s. Vogel / Waldhoff (1997), in: Bonner Kommentar z. GG, Vorbem. z. Art. 104a-115, Rdn. 611. 215 Bericht des Bundestages zu BT-Drs. V 3605, S. 13. 216 Puhl, Budgetflucht, S. 348. 217 Die Tätigkeit des Rechnungsprüfungsausschusses erschöpft sich praktisch darin, sich mit den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zu befassen, s. Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 500. 218 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 503; Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 170ff.; Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (235).

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Teil 1: Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

II. Grenzen aus Stellung des Bundesrechnungshofes in der Finanzverfassung 1. Grenzen aus Zurechnung zur Exekutive Leisner meint, daß der Bundesrechnungshof zur Exekutive zähle, seine Befugnisse müßten deshalb relativiert werden. 2 1 9 Der Rechnungshof läßt sich indes nach der inzwischen wohl h. M . keiner der drei klassischen Teilgewalten zuordnen. 2 2 0 Einerseits liegt dem Grundgesetz kein ihm vorgeordnetes festes Gewaltenteilungsschema zugrunde, in das jedes staatliche Organ wie auch der Rechnungshof einzufügen w ä r e . 2 2 1 Andererseits sind die Finanzfunktionen von der allgemeinen Systematik der Gewaltengliederung abgeschichtet. 222 Maßgeblich für die systematische Einordnung des Bundesrechnungshofes ist daher keine abstrakte Zuordnung zu einer Teilgewalt, sondern seine konkrete Stellung in Art. 114 Abs. 2 GG und innerhalb der Finanzverfassung. 223

2. Akzessorietät der Entscheidungsbefugnisse eines Hilfsorgans Nach Art. 114 Abs. 2 wird der Bundesrechnungshof nun sowohl für die Zwecke der Regierung (verwaltungsinterne Kontrolle) als auch des Parlaments (parlamentarische Kontrolle) tätig. M i t der Haushaltsreform 1969 sollte der Bundesrechnungshof näher an das Parlament herangeführt und damit die parlamentarische 219

Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 35 f. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 178 ff.; Kisker, NJW 1983, S. 2167 (2170); Stern, in: FS General-Rechen-Kammer S. 11 (41 f.); Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (235 f.); sowie Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (192 f.) und Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195, 319 (212 ff., 221) m. w. N. zur früheren Diskussion. 221 Sigg, Stellung der Rechnungshöfe im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, S. 21 ff.; Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 178 ff.; Stern, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 11 (41 f.); Krempel, Rechnungshöfe und Rundfunkbeteiligungsunternehmen, S. 42 ff. 222 Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (202); F. Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), S. 71 (78 f.). 223 Ob der Bundesrechnungshof ein Verfassungsorgan ist, braucht an dieser Stelle nicht geklärt zu werden, s. nur Duk-Yeon, Stellung und Funktion des Bundesrechnungshofes im politischen Entscheidungsprozeß, S. l l l f . ; Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 93ff., jew. m. w. N. Die Rechtsprechung hat die Rechnungshöfe als Behörden, nicht als Verfassungsorgane eingeordnet, s. OVG Münster, DÖV 1979, 682 (683); VGH Kassel, NVwZ-RR 1994, 511 (512); VfG Brandenburg, DÖV 1998, S. 200 (200); VG Düsseldorf, NJW 1991, 1396 (1397). Für diese Untersuchung ergeben sich hieraus keine Konsequenzen: Weder ermächtigt die Einordnung als Verfassungsorgan zu mehr Befugnissen im Außenverhältnis, noch kann im anderen Falle hierdurch seine Prüfungsbefugnis relativiert werden, wie dies Leisner versucht (Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 28 ff.). Auch Wieland, DVB1. 1995, S. 895 f., meint, daß diese Einordnungsversuche mehr wissenschaftliche Übungen seien, jedoch für die Dogmatik außer der Rechtswegfrage (§ 40 VwGO) wenig hergeben. 220

C. Begrenzung durch Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes

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Budgetkontrolle gestärkt werden. 2 2 4 Dies kommt darin zum Ausdruck, daß der Bundesrechnungshof jährlich dem Bundestag berichtet. Der Bundesrechnungshof ist Hilfsorgan von Legislative und Exekutive. 2 2 5 Er entscheidet nicht selbst, sondern berät die Legislative und Exekutive bei deren Entscheidungsfindung. 226 Die Finanzkontrolle ist damit wie jede Kontrolle akzessorisch. Als Vorbereitung und Mitbestimmung von Entscheidungen richtet sich der Umfang der Finanzkontrolle notwendig nach dem Umfang der Entscheidungskompetenz. 2 2 7 „Soweit die Entscheidungskompetenzen Parlament und Exekutivorganen inhaltlich, gegenständlich und zeitlich begrenzt sind, können die Rechnungshöfe keine darüber hinaus gehenden, überschießenden Kontrollkompetenzen besitzen". 2 2 8 Aus diesem Kontrollprinzip wird vielfach geschlossen, die öffentliche Finanzkontrolle müsse auf den Umfang der Staatsaufsicht begrenzt werd e n . 2 2 9 Diese Ansicht geht jedoch doppelt fehl: Zunächst verkennt sie, daß Finanzkontrolle nicht öffentliche Aufgabenerfüllung, sondern öffentliche Finanzen kontrolliert, damit zur Aufsicht wesensverschieden ist und sich nicht nach ihrem Umfang richtet. Ferner verkennt sie, daß der Bundesrechnungshof Hilfsorgan für

224 s. Bericht der Abg. Bayerl und Arndt, zu BT-Drs. V 3605, S. 13; ferner Kisker, HStR IV, § 89 Rdn. 102. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß Präsident und Vizepräsident des Bundesrechnungshofes nach § 5 Abs. 1 des BRHG v. 1985 von Bundestag und Bundesrat gewählt werden. Bis zum Inkrafttreten des BRHG wurden diese noch von der Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorgeschlagen. Die Öffentlichkeit ist in Art. 114 nicht erwähnt. Sie ist aber durch die Mittlerfunktion der Opposition zum eigentlichen Adressaten der Rechenschaftspflicht der Regierung geworden (s. Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, 109; Lehment, Rundfunkfreiheit und Finanzkontrolle, S. 207), zumal das Parlament sich vielfach nicht als Ausgabenbremser erwiesen hat, sondern im Gegenteil ausgabensteigernd wirkt, s. v. Arnim, DVB1. 1983, S. 664 (666); F. Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), S. 71 (85 f.); Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (199). 225 Durch die Einschätzung als Hilfsorgan wird freilich weder seine Bedeutung noch seine eigenständige Funktion relativiert, wie dies Leisner (Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 35 f.) versucht. 226 Krebs, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 65 (77); Der Begriff „Hilfsorgan" wird teilweise als problematisch angesehen, da er sich nicht mit der Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes vertrage (so ζ. B. Walther, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 145 (152). „Helfen" kann aber auch zwanglos als unabhängige Tätigkeit verstanden werden; damit wird nur der Umstand bezeichnet, daß der Bundesrechnungshof, auch ungefragt, Parlament und Regierung zuarbeitet. 227 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 143 f., 189. 228 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 190; hieraus darf freilich nicht geschlossen werden, daß Private nicht geprüft werden dürften (so aber Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 55 f.): Die Finanzkontrolle setzt nicht an der öffentlichen Gewalt, sondern an öffentlichen Mitteln an. Krebs hatte sichtlich den Sonderfall Privater nicht mit berücksichtigt, da sich seine Untersuchung auf Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen bezieht. 229 Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und Rechnungsprüfung, S. 51, 63 ff.; Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 67 f.; Fröhler ! Kormann, Haushaltsaufsicht, S. 10 ff.

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

Exekutive und Legislative ist. Die Kontrollbefugnisse sind insoweit nur durch die Entscheidungskompetenzen des Parlaments begrenzt. 230 Die Kompetenzen des Parlaments sind freilich kaum beschränkt: In der Finanzverfassung hat der Gesetzgeber eine „überragende verfassungsrechtliche Stellung", er besitzt grundsätzlich „die rechtlich umfassende, alleinige Entscheidungs- und Feststellungskompetenz".231 Dem Parlament vorbehalten sind das Bewilligungsrecht, das Kontrollrecht und das Entlastungsrecht. 232 Jede staatliche Ausgabe bedarf der Bewilligung des Parlaments. 233 Mit diesem Entscheidungsrecht korrespondiert die ursprüngliche Verantwortlichkeit des Parlaments für das gesamte öffentliche Vermögen gegenüber dem Volk als Abgabenschuldnern. 234 Auch wenn sich das Parlament durch Bewilligungen der Entscheidungsmacht über die konkrete Finanzwirtschaft begibt, kann diese Delegation widerrufen werden. Die Gestaltungsmöglichkeiten des Parlaments bleiben davon ebenso unberührt wie dessen Verantwortlichkeit für das öffentliche Vermögen. Die Finanzkontrolle kann daher so weit wie die staatliche Ausgabenverantwortung reichen. 235

3. Beschränkung auf Umfang parlamentarischer Entlastung? Hansmeyer, König und Oppermann meinen, daß nur auf die Entlastung bezogene Finanzabläufe der Finanzkontrolle unterworfen seien. 236 Ist man zusätzlich der Auffassung, daß sich die Entlastung nur auf Finanzabläufe bezieht, die der Rechnungslegungspflicht unterliegen 237 , dann wäre die Kontrolle Privater nicht zulässig 238 . Die Kontrollbefugnisse des Bundesrechnungshofes können indes spätestens seit der Haushaltsreform nicht mehr auf den Umfang der parlamentarischen Entlastung beschränkt werden. Zwar dient die Kontrolltätigkeit des Bundesrechnungshofes 230 Puhl, Budgetflucht, S. 424 f.; Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 190. 23 * BVerfGE 45, 1 (32), s. hierzu auch Kilian, Nebenhaushalte des Bundes, S. 81 ff. 232 Fischer-Menshausen, in: v. Münch, GG-Komm., Art. 110 Rdn. 20. 233 Puhl, Budgetflucht, S. 4, erläutert, daß auch die Feststellung des Haushaltsplanes durch das Haushaltsgesetz dem Grunde nach eine parlamentarische Bewilligung darstellt. 23 * Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 492. 235 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 509; Fischer-Menshausen, in: von Münch, GG-Komm., Art. 114 Rdn. 12 a. 236 Hansmeyer / König / Oppermann, Öffentliche Finanzkontrolle bei externen Dienstleistungen, S. 67 ff., 72. 23 7 BVerwGE 74, 58 (61); Vogel/ Kirchhof (1973); in: Bonner Kommentar, Art. 114 Rdn. 151 f., a. A. Kisker, Staatshaushalt, in: HStR IV, § 89 Rdn. 94. 238 Denn die Haushalts- und Wirtschaftsführung privater Zuwendungsempfänger, die nicht allein vom Staat finanziert werden, sowie die der Empfänger gesetzlich begründeter Zuschüsse ist nicht rechnungslegungspflichtig, s. o. S. 27 f.

C. Begrenzung durch Funktion und Stellung des Bundesrechnungshofes

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der parlamentarischen Finanzkontrolle. Diese erschöpft sich jedoch keineswegs in der Entlastung. Die Entlastung führt entgegen der Verfassungskonzeption seit jeher ein Schattendasein.239 Schon vor der Haushaltsreform war die mitlaufende Kontrolle durch den Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschuß in Auseinandersetzung mit den Prüfungsberichten des Bundesrechnungshofes bedeutsamer als die parlamentarische Entlastung. Denn die Kontrolle der Staatsfinanzen ist ein permanenter begleitender Prozeß. 240 Die Ausrichtung auf einen Haushaltszyklus mit dem Endpunkt der Entlastung der Regierung ist eher ein Modell. 241 Die Möglichkeit der Erweiterung der Befugnisse des Bundesrechnungshofes nach Art. 114 Abs. 2 Satz 3 ohne entsprechende Anpassung des Umfangs der Entlastung läßt sich zudem nur so verstehen, daß nach dem Willen des historischen Gesetzgebers dem Bundesrechnungshof gerade Befugnisse übertragen werden dürfen, die über den Umfang der Entlastung hinausgehen.242 Dem entspricht das Anliegen der Haushaltsreform, den Bundesrechnungshof nicht allein mit der Prüfung der Rechnung zu beauftragen, sondern den Gesetzgeber in der Wahrnehmung seiner Verantwortlichkeit für das öffentliche Vermögen zu beraten. 243 Festzuhalten bleibt daher, daß mögliche Erweiterungen der Prüfungszuständigkeit zunächst nur durch die Ausgabenverantwortung des Parlaments begrenzt sind. Zusammenfassend ergeben sich daher aus der Stellung des Bundesrechnungshofes in der Finanzverfassung keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Einbeziehung Privater in die staatliche Finanzkontrolle.

239 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 497; Tomuschat, Der Staat 19 (1980) S. 1 (18 f.); Siekmann in: Sachs, Grundgesetz, Art. 114 Rdn. 18; hier fällt regelmäßig des Zitat vom „Wegschaffen der Budgetleiche" von Heinig. Dieser Umstand mag beklagt werden. Die Entlastung bezieht sich indes hauptsächlich auf zurückliegende, wenig aktuelle Vorgänge und ermöglicht daher kaum eine Profilierung der Opposition (Kisker, HStR IV, § 89, Rdn. 95). Daher erscheinen auch Reformversuche (s. ζ. B. Fischer-Menshausen, in: von Münch, GGKomm., Art. 114 Rdn. 23 f.) wenig erfolgversprechend. 240 Krebs, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 65 (76 f.). 241 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 18, 493; Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 203 f. 242 s. Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses, Bericht des Abg. Arndt, Zu Art. I Nr. 14 (Art. 114), BT-Drs. V/3605, S. 13; diesen historischen Willen betont auch das BVerwG, BVerwGE 74, 58, 61.; der Einwand von Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 106, der Wille des Gesetzgebers sei hier nicht zum Ausdruck gekommen, da Satz 3 den Gesetzgeber nur zur Regelung neuer Befugnisse, nicht hingegen zur Regelung neuer Aufgaben ermächtige, verfehlt den Wortsinn von „Befugnissen", der hier sowohl neue Zuständigkeiten im Sinne der Prüfung Privater als auch neue Aufgaben neben der Prüfungs- und Kontrolltätigkeit meint. 243 Zavelberg, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 43 (55 f.).

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

I I I . Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzustellen: Die Ermächtigung des Art. 114 Abs. 2 GG sollte es dem Gesetzgeber ermöglichen, die Aufgaben des Bundesrechnungshofes neuen Anforderungen anzupassen. Begrenzt wird diese unbestimmte Ermächtigung durch die Stellung und Funktion des Bundesrechnungshofes. Die funktionale Abgrenzung ergab, daß das Haushaltsrecht das Machtpotential des Geldes nicht ordnet, legitimiert und kontrolliert, sondern allein das Finanzieren regelt. So orientieren sich die Finanzfunktionen nicht daran, ob und wie öffentliche Gewalt ausgeübt wird, sondern alleine daran, ob Haushaltsmittel budgetmäßig bewirtschaftet werden. Dementsprechend erstreckt sich die Regelungsfunktion von Haushaltsrecht und Finanzkontrolle gleichfalls auf nichtstaatliche Bewirtschafter öffentlicher Mittel; der Adressatenkreis verselbständigt sich von der Trennlinie zwischen Staat und Gesellschaft. Wenn der Staat zunehmend durch die finanzielle Unterstützung Privater seine Aufgaben wahrnimmt, dann begründet eben dies neue Anforderungen an die staatliche Finanzkontrolle. Art. 114 Abs. 2 GG ermächtigt damit den Gesetzgeber auch dazu, die Kontrollbefugnisse des Bundesrechnungshofes einfachgesetzlich auf private Bewirtschafter öffentlicher Mittel auszudehnen.

D. Prüfungsmaßstäbe der Finanzkontrolle Dieses Zwischenergebnis bedarf noch der Gegenkontrolle an Hand der Prüfungsmaßstäbe. Im folgenden soll insbesondere untersucht werden, ob die Prüfungsmaßstäbe - insbesondere der schwierige Wirtschaftlichkeitsmaßstab - die Finanzkontrolle tatsächlich auf die Kontrolle der Finanzen beschränken, ob mithin Rechnungshöfe nur eine Teilkontrolle durchführen. Das Ergebnis erlaubt Rückschlüsse auf die Prüfungskompetenzen, denn Prüfungsmaßstäbe und Prüfungsgegenstände bedingen sich gegenseitig244. Nach Art. 114 Abs. 2 GG hat der Bundesrechnungshof die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsund Wirtschaftsführung zu prüfen.

I . Ordnungsmäßigkeit Ordnungsmäßigkeit meint hauptsächlich eine Prüfung der Einhaltung der Regeln von Bilanz- und Buchungstechnik, insbesondere, „ob die gelegte Rechnung in sich folgerichtig, vollständig, übersichtlich und im einzelnen belegt ist". 2 4 5 Dies 244

Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 183. 45 Vogel/Kirchhof (1973); in: Bonner Kommentar, Art. 114 Rdn. 85; so auch Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 184; Krempel, Rechnungshöfe und Rundfunkbeteiligungsunternehmen, S. 62. 2

D. Prüfungsmaßstäbe der Finanzkontrolle

ist im wesentlichen die klassische Rechnungsprüfung gleicht 247 .

246

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, welche Soll und Ist ver-

Da diese Grundsätze inzwischen beinahe vollständig rechtlich positiviert sind, ist in der Ordnungsmäßigkeitsprüfung die Rechtmäßigkeitsprüfung enthalten. Rechnungshöfe prüfen dabei die Einhaltung von Regeln haushaltsrechtlicher Provenienz, eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle ist nicht ihre Aufgabe. 248 Zwar wird teilweise die Rechtmäßigkeit als Maßstab der Rechnungsprüfung angesehen 2 4 9 . Das kann aber nur in eingeschränktem Maße richtig sein: Die Finanzkontrolle soll die ordnungsgemäße Haushalts- und Wirtschaftsführung kontrollieren, nicht die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der öffentlichen Verwaltung. Dies kommt in § 90 BHO zum Ausdruck, der den Bundesrechnungshof allein dazu beauftragt zu prüfen, ob die für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze eingehalten wurden. 250 Dient man dem Rechnungshof hingegen eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle an, so verwischt man die funktionale Trennung zwischen Aufsicht und Finanzkontrolle. Auf die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen kommt es für die Finanzkontrolle nur in den Fällen an, in denen eine rechtswidrige Entscheidung gleichzeitig unwirtschaftlich ist. Wird eine nach dem Gesetz nicht gerechtfertigte Leistung gewährt, so handelt es sich zugleich um eine unwirtschaftliche Entscheidung. Ob Leistungen dagegen zu Unrecht verweigert werden, muß der Rechnungshof nicht prüfen. Allerdings wird diese Funktionentrennung durch die Gesetzesbindung der Verwaltung aufgeweicht. Rechnungshöfe dürfen natürlich nicht sehenden Auges Rechtsverstöße ignorieren. Fallen ihnen „bei Gelegenheit"251 der haushaltsrechtlichen Prüfung sonstige Rechts verstoße auf, so werden sie auch diese monieren können. Hierbei geht es aber allenfalls um eine Evidenzkontrolle. 252 Werden öffentliche Mittel an Private weitergeleitet, so fällt unter die Ordnungsmäßigkeitsprüfung die Kontrolle, ob die Nebenbestimmungen beachtet wurden, der Verwendungsnachweis korrekt ist und der Zuwendungszweck eingehalten wurde. 253

246 Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (207). 247 Reinermann, Die Verwaltung 14 (1981), S. 483 (489 f.). 248 Lange, in: Böning/v. Mutius (Hg.), Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, S. 83 (89); Krempel, Rechnungshöfe und Rundfunkbeteiligungsunternehmen, S. 63; Krebs, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 65 (65 f.); Degenhart, in: VVDStRL 55 (1996), S. 190 (207). 249 s. etwa Maunz (1987), in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 114 Rdn. Anm. 3.; Stern, Staatsrecht II, S. 434; Heun, DÖV 1995, S. 182 (185); Blasius DÖV 1988, S. 819 (821). 250 Demgegenüber hieß es in § 96 RHO noch: „ob ... nach den bestehenden Gesetzen und Vorschriften ... verfahren worden ist". 251 So Krebs, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 65 (66). 252 Vgl. Stern, Staatsrecht II, S. 434. 253 S. noch unten, S. 185 ff. 5 Rogge

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

I I . Wirtschaftlichkeit Neben der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit verpflichtet Art. 114 GG den Bundesrechnungshof dazu, die Wirtschaftlichkeit des Finanzgebarens zu kontrollieren. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip ist seit seiner Einführung eines der strittigsten Themen des Haushaltsrechts. Das liegt an seiner - im folgenden nachzuzeichnenden relativen Unbestimmtheit. Ein derart offener Prüfungsmaßstab kann dazu führen, daß sich die Finanzkontrolle nicht auf die Prüfung der finanziellen Teilaspekte von Entscheidungen beschränkt 254, sondern zu einer allgemeinen Aufsicht gerät. Mit der Prüfung anderer Entscheidungsaspekte sehen sich die Kontrollierten daher in ihrer Eigenständigkeit und spezifischen Fachkompetenz gefährdet, sei es im Bereich der Politik, der Wissenschaft, der Rundfunkanstalten oder eben der Wohlfahrtspflege. Hier soll keine weitere umfassende Erörterung des Wirtschaftlichkeitsprinzips erfolgen. Die hinlänglich bekannten Schwierigkeiten sollen nur nachgezeichnet und hieraus die Konsequenzen für den Kontrollbegriff gezogen werden.

1. Bedeutung Das Wirtschaftlichkeitsprinzip verlangt ein möglichst optimales Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag. 255 Damit bezeichnet es eine Relation, noch keinen Maßstab. Vielfach wird formuliert, daß mit möglichst geringem Aufwand ein möglichst hoher Ertrag erzielt werden sollte. 256 Innerhalb eines Maßstabes können jedoch nicht zwei voneinander abhängige Werte variabel sein, sonst ergibt sich ein logischer Widerspruch. 257 Weitgehend Einigkeit 258 herrscht daher, daß das Wirtschaftlichkeitsprinzip in die Teilmaximen des Nutzenmaximierungs- und des Kostenminimierungsprinzips aufgelöst werden muß 2 5 9 . Das Kostenminimierungs254

Dies sei hier nur vorausgeschickt, vgl. den Problemaufriß bei Vogel/ Kirchhof (1973); in: Bonner Kommentar, Art. 114 Rdn. 90 f., sowie sogleich im Text. 2 55 S. nur Luhmann, VerwArch 51 (1960), S. 97 (97 f.); Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (208); Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (254 f.); jew. m. w. N. 256

S. ζ. B. Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 156; Kisker, in: Brauneder (Hg.), Internationalst der Finanzkontrolle, S. 122; Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, S. 132. 257

Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, S. 8. 58 Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (255), Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitspriifer, S. 8; Sigg, Stellung der Rechnungshöfe im politischen System, S. 46; so auch § 7 BHO. 2

259 Vereinzelt wird auch darauf hingewiesen, daß das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht verlange, daß eine Größe als fest vorgegeben ist. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip könne auch zu der Folgerung führen, mit mehr Kosten mehr Nutzen zu erreichen (Kosten-Nutzen-Maximierung), bzw. mit weniger Kosten entsprechend weniger Nutzen (Kosten-Nutzen-Minimierung), s. Krebs, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 65 (67); v. Arnim, Wirt-

D. Prüfungsmaßstäbe der Finanzkontrolle

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prinzip verlangt die Minimierung des Mitteleinsatzes bei konkret vorgegebenem Zweck. Damit deckt es sich mit dem Sparsamkeitsgrundsatz. 260 Dagegen zielt das Nutzenmaximierungsprinzip auf einen möglichst großen Erfolg bei konkret vorgegebenen M i t t e l n . 2 6 1 Die Probleme des Wirtschaftlichkeitsprinzips beginnen aber erst hier. Schwierigkeiten bestehen vor allem bei der Bestimmung der mit Entscheidungen verbundenen Zwecke sowie bei der Meßbarkeit des mit der Entscheidung intendierten Erfolges. 2 6 2 2. Zweckbestimmung Voraussetzung für eine durchführbare Messung der Zweck-Mittel-Relation ist, daß isolierte Zwecke zum Maßstab genommen werden können. Zwecke bezeichnen hierbei die beabsichtigten, positiven Wirkungen einer Maßnahme. 2 6 3 Zunächst müßten klar umrissene Zwecke durch die Verwaltung definiert sein. Dies ist jedoch keineswegs immer der Fall. Zumeist wird das allein für die Phase der Haushaltsaufstellung so gesehen, in der die Zwecke noch nicht festgelegt s i n d 2 6 4 . Fraglich ist dann, ob der Rechnungshof die Zwecksetzung der politischen Planung kritisieren kann, u. U. unter Einbeziehung makroökonomischer Aspekte. 2 6 5 Daher gelte schaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 21 ff. Für die Kontrolle einzelner Behörden oder der freien Wohlfahrt können diese Ausprägungen des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes vernachlässigt werden: Die Vergleichbarkeit von variablen Zielgrößen setzt eine feste Größe voraus. Zudem lassen die Festsetzungen des Haushaltsplanes eine Kosten-Nutzen-Maximierung nicht zu. 260

Dies ist absolut h. M., s. nur Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 185; Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, S. 36; Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (255) m. w. N. Luhmann (VerwArch 51 (1960), S. 97 (104)) versteht dagegen Sparsamkeit als eine Tugend, hiermit reduziert er indes einen gefestigten Rechtsbegriff auf seinen alltagssprachlichen Sinn. 261 Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (255) m. w. N. 262 Statt Zwecken kann auch von Nutzen, Folgen oder Ertrag gesprochen werden. Wenn Luhmann nahelegt, Zwecke durch Folgen zu ersetzen, dann liegt diese Unterscheidung mehr in seiner eigenen Begriffssystematik begründet, bei der Zwecke die Vorstellung der Folgen bei der Entscheidung bezeichnen, während für die Messung der Wirtschaftlichkeit nur die tatsächlichen Folgen herangezogen werden könnten. S. Luhmann, VerwArch 51 (1960), S. 97 (98) und ders., Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 124. Hier kommt es dann darauf an, ob die Kontrolle die Entscheidung selbst betrifft, oder ob sie eine Rückkopplungsfunktion im Sinne einer Erfolgskontrolle ausübt. 263 Reinermann, Die Verwaltung, 14 (1981), S. 483 (491). 264 Schuppert, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (259 f.); Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 512m. w. N. 265 Zur Unterscheidung zwischen makro- und mikroökonomischen Wirtschaftlichkeitsanalysen s. Rischer, Finanzkontrolle staatlichen Handelns, S. 317 ff. Hier liegt der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen um die Frage, ob der Bundesrechnungshof sich auch zu „politischen" Entscheidungen äußern darf. Dieser ewige Streit soll hier nicht referiert werden. Die einschlägigen Veröffentlichungen und Argumente ebenso wie die Selbstdarstellung des Bundesrechnungshofes werden bei Rischer, Finanzkontrolle staatlichen Handelns, S. 330f., 51

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Teil 1: Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

das Nutzenmaximierungsprinzip hauptsächlich für diese Entscheidungssituationen, während für den Vollzug die Zweckbestimmungen des Haushalts verbindlich seien und somit nur noch das Sparsamkeitsprinzip zur Anwendung komme. Dies ist insofern richtig, als nach der Zweckbestimmung durch den Haushalt nicht mehr problematisiert werden muß, ob Mittel eher für Wirtschaftsförderung oder eher für soziale Maßnahmen bereitgestellt werden sollten. Gleichzeitig wird dabei aber das Problem beiseite geschoben 2 6 6 , daß die Zwecke vielfach gerade nicht konkret bestimmt wurden, sondern dem Bewirtschafter noch einen erheblichen Spielraum zur eigenständigen Aufgabenerfüllung bleibt und zwar gleichermaßen bei der Verwaltung wie bei Zuwendungsempfängern oder Empfängern gesetzlicher Zuweisung e n 2 6 7 . Weniger, wenngleich nicht unproblematisch 2 6 8 sind Titel für eng abgegrenzte Zwecke wie ζ. B. Bauvorhaben. Oft, wenn nicht regelmäßig bleibt dem Empfänger jedoch Raum dafür, selbst „Unterzwecke" zu setzen. Das bedeutet zunächst, daß der Rechnungshof kontrollieren muß, ob diese Unterzwecke mit dem in der Zuwendung bestimmten Oberzweck i m Einklang stehen. 2 6 9 Diese Unterzwecke sind indes zumeist nicht dokumentiert. 2 7 0 Ebensowenig sind die Nebenzwecke dokumentiert, die mit einer ausgabenrelevanten Entscheidung verbunden werden. Denn Verwaltung wie auch die Tätigkeit etwa der freien Wohlfahrtspflege läßt sich nicht auf einen Zweck reduzieren. 2 7 1 In Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 ff., sowie bei Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 ff. vollständig wiedergegeben. Angemerkt sei allein, daß a) der Begriff des „Politischen" konturlos ist und sich daher nicht als Abgrenzungskriterium eignet (politisch ist, womit sich die Politik beschäftigt), b) Der Rechnungshof kritisiert, aber nicht entscheidet, zur Rechtfertigung einer Entscheidung nötigt, diese aber nicht kassieren kann (s. u.); wenn Entscheidungen gegen die Kritik des Rechnungshofes aufrecht erhalten werden, dann wird der politische Wille bekräftigt. Das Primat der Politik ist folglich nicht gefährdet. 266 Oder nur beiläufig erwähnt, s. Schuppert, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (260). 267 Der Kreis möglicher Ziele wird eingegrenzt, nicht aber eine konkrete Handlungsanweisung gegeben. Es geht nicht mehr darum, ob Eurofighter gebaut oder die Hochschulen besser ausgestattet werden. Wie im Rahmen einer Hochschulförderung der Nutzen maximiert werden kann, wird durch die Haushaltszwecke nicht abschließend bestimmt. 268 Freilich können auch bei Bauvorhaben unterschiedliche Zwecke miteinander konfligieren und somit ein sicheres Wirschaftlichkeitsurteil erschweren. S. das Beispiel bei Luhmann, VerwArch 51 (1960), S. 97 (104) zum Bau einer Schule, bei der „pädagogische, hygienische, ästhetische, bautechnische und Sicherheitswünsche in Widerstreit" treten könnten. Ein illustratives Beispiel ist auch die Kritik des hessischen Landesrechnungshofes an der Ausstattung des Strafvollzugs Weiterstadt. 269 Hierzu ist er bereits im Rahmen der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit verpflichtet, s. S. 64 f. und speziell zu Zuwendungsempfängern S. 185 f. 270 So verpflichtet auch Ziffer 1.5 der Vorläufigen Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung die Verwaltung erst bei Investitionen über DM 1.000.000,- bzw. Maßnahmen, die jährlich über DM 500.000,- kosten zur Dokumentation der Entscheidungsprämissen. 271 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 510; s. exemplarisch für die Pluralität der abzuwägenden Gesichtspunkte bei Verwaltungsentscheidungen das Beispiel von Luthe, in: Autonomie des Helfens, S. 138 (173), Fn. 172, der aus einer Entscheidung des BayVGH zur Kontrolle von Energieversorgungsunternehmen zitiert: „Dabei ist die Genehmigungsbehörde

D. Prüfungsmaßstäbe der Finanzkontrolle

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eine Oberzwecksetzung, etwa der Sicherstellung häuslicher Pflege, können viele Entscheidungsaspekte als Unterzwecke einfließen (Qualität der Arbeit, Entlastung von Familienangehörigen, spezifisch christliche Elemente der Nächstenliebe), die sich zudem vielfach widersprechen und daher gegeneinander abgewogen werden müssen.272 Soweit Abwägungen auch anders ausfallen könnten, sind solche Zielalternativen nicht dokumentiert. Aus diesem Umstand wird geschlossen, der Rechnungshof müsse selbst die Zwecke nachvollziehen. Dabei herrscht vielfach die Vorstellung, es gebe einen „feinzieselierten Baum" 2 7 3 , ausgehend entweder von einer Wertordnung 274 oder von politischer Planung 275 , der in hierarchischen Zweck-Mittel Beziehungen deduktiv bis zum untersten Zweck führe. Diese Vorstellung geht freilich sowohl an der Wirklichkeit als auch an der Rechtsordnung vorbei. Die konkrete Zweckbestimmung ist nicht allein das Ergebnis einer Ableitung aus Normen 276 oder Zweckvorgaben, sondern eine Entscheidung nach vielfach eigenen Gesichtspunkten, die von oberen Planungsebenen oder durch Normen nicht umfassend determiniert wird. 2 7 7 Dies ist kein pathologischer Zustand mangelnder Steuerung, sondern wird neben dem Haushaltsrecht gleichermaßen im Verwaltungsrecht vorausgesetzt und anerkannt 278 und ist funktional gerechtfertigt, da Zweckvorgaben flexibel für die größere Problemnähe unterer Entscheidungsebenen sowie für Veränderungen sein müssen279. Das gilt um so mehr, wenn der Staat die freie Wohlfahrtspflege für verpflichtet, die rechtlich anerkannten, widerstreitenden Interessen zutreffend zu ermitteln und zu einem schonenden Ausgleich zu bringen; sie muß die sachlichen Gegebenheiten richtig erfassen, die normative Entscheidung für eine privatwirtschaftliche Elektrizitätsversorgung, damit für die Anerkennung von Unternehmensverantwortung und Gewinnerzielung ebenso in ihren Konsequenzen ausloten wie den Schutz der Tarifkunden und das generelle Ziel einer sicheren und kostengünstigen Energieversorgung und schließlich in einer der Sache und den zu berücksichtigenden Interessen nicht unangemessenen Weise entscheiden"; Die Vielzahl zu berücksichtigender Aspekte spiegelt sich auch in den Zweckbestimmungen moderner Gesetze wieder, s. etwa § 2 BNatSchG für die Grundsätze des Naturschutzes oder § 1 BauGB für Aufgabe und Grundsätze der Bauleitplanung. 272 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 510; dies im Unterschieds zum privaten kommerziellen Sektor, der sich auf die Bewertung des betrieblichen Nutzens beschränken kann; s. Bartel, PVS 1993, S. 613 (631 f.). 273 So das plastische Bild bei Schuppert, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (243). 2 74 V. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 41 ff.

275 So die Vorstellung beim Planning-Programming-Budgeting-System (PPBS) in den USA, s. hierzu Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 442 f. 2 76 Ablehnend auch Wieland, DVB1. 1995, S. 894 (897). 111

Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitspriifer, S. 71. 78 Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 (364) mit Bezug auf Ausführungen des BVerfG in der Whyl-Entscheidung. 279 s. zur Verhältnis Zeit - Zwecke Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 122 f.; Luthe in: Autonomie des Helfens, S. 151; s. auch Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 113 f., der hervorhebt, daß das Regelwissen sich mit der Zeit und Anwendungspraxis verändert. 2

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

gemeinsame Aufgaben unterstützt. Hier steuert der Staat nicht eine untergeordnete Verwaltungseinheit, sondern bedient sich Organisationen mit eigener Funktionslogik und spezifischen Wertmaßstäben. Die Wohlfahrtsverbände werden nur auf den Zuwendungszweck verpflichtet, nicht aber auf die gesamte Wertordnung der Verfassung oder übergeordnete politische Zwecksetzungen.

3. Nutzenmessung Gleichermaßen schwierig gestaltet es sich, den Nutzen staatlicher Maßnahmen zu messen. Wenn rational Aufwand und Ertrag in Beziehung gesetzt werden sollen, so muß der Ertrag quantifiziert werden können. Im kommerziellen Sektor wird die Dienstleistung vom Kunden bezahlt. Dadurch liefert er dem Anbieter ein laufendes Feedback darüber, welchen Wert er der Ware zumißt. 280 Der Nutzen öffentlicher Leistungen besteht dagegen meist in nicht in Geld meßbaren Effekten. Während die Erstellung von Personalausweisen oder die Bearbeitung von Steuererklärungen noch relativ einfach bemessen und so etwa mit anderen Dienststellen verglichen werden kann, bereitet der überwiegende Teil staatlicher Tätigkeit weitaus größere Schwierigkeiten. Wie soll die Verschönerung von Stadtteilen, die Tätigkeit des Außenministeriums, das „Produkt" einer Frauenbeauftragten oder allgemein die Steigerung des Gemeinwohls quantifiziert werden? Hierzu fehlt es weitgehend an ausreichend komplexen Parametern. Geradezu exemplarisch sind die Messungsprobleme im Sozialbereich 281.

4. Konsequenzen der Wirtschaftlichkeitsproblematik Zusammengefaßt bestehen die Probleme der Wirtschaftlichkeitspriifung darin, daß das Handeln der öffentlichen Verwaltung wie auch das privater nichtgewerblicher Institutionen regelmäßig viele verschiedene Zwecke verfolgt, die zum großen Teil nicht dokumentiert sind, sich aber auch nicht lückenlos aus Oberzwecken ableiten lassen, und deren Erfolg (Nutzen) mangels geeigneter Parameter nur schwer im voraus kalkuliert und im nachhinein gemessen werden kann. Die Determinanten eines Wirtschaftlichkeitsurteils sind daher derart komplex, daß eine alles umfassende Wirtschaftlichkeitspriifung sogar selbst unwirtschaftlich sein könnte. 282 Und mehr noch: selbst eine solche umfassende Prüfung würde nicht zu einem einzig richtigen Ergebnis führen. Wirtschaftlichkeit kann somit nicht einfach subsumiert werden, sondern muß als Optimierungsgebot verstanden werden. 283 Das ist für sich genommen kein unlösbares Problem. Auch sonst wird in 280 Burla, in: Öhlschläger/Brüll (Hg.), Unternehmen Barmherzigkeit, S. 171 (172). 281 S. hierzu unten, S. 194 ff. sowie Pitschas, DÖV 1994, S. 973 (985 f.); Delbrück, Gutachten, S. 32 ff.; Leisner, Rechnungsprüfung Privater, S. 81 ff. 282 Greifeld, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, S. 15.

D. Prüfungsmaßstäbe der Finanzkontrolle

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der juristischen Dogmatik mit Optimierungsgeboten operiert. Schon hier ist indes umstritten, inwieweit eine rationale Abwägung zwischen verschiedenen Werten/ Prinzipien als Optimierungsgeboten möglich ist. 2 8 4 Für Urteile über die Wirtschaftlichkeit von Verwaltungshandeln lassen sich aber kaum Vorrangrelationen 285 entwickeln, ohne die eine rationale Abwägung schlechterdings unmöglich erscheint. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip selbst soll dabei nach herkömmlichen Verständnis nicht der Abwägung zugänglich sein, da es selbst keinen Wert enthält, sondern nur eine Relation bestimmt. 286 Alle diese Schwierigkeiten sind hinnehmbar, wenn die Wirtschaftlichkeitsprüfung als Selbstkontrolle ausgestaltet ist. Sofern aber Rechnungshöfe die Verwaltung oder Private kontrollieren, erscheint es nicht mehr gewährleistet, daß sich die Kontrolle auf nur finanzielle Teilaspekte beschränkt, nur eine Teilrationalität prüft. Die Rationalität des Urteils wird fragwürdig. a) Graduelle Abstufungen Was für Konsequenzen folgen aus diesen Erkenntnissen? Die umfangreiche Darstellung der Schwierigkeiten könnte den Eindruck vermitteln, der Versuch von Wirtschaftlichkeitsanalysen sei von vornherein zum Scheitern verurteilt. Es liegt aber der Verdacht nicht ganz fern, daß diese theoretischen Schwierigkeiten zur Abwehr lästiger Kritik und Reformen überbetont werden. 287 Im übrigen würde damit implizit vorausgesetzt, daß der eigene Tätigkeitsbereich gänzlich auf wirtschaftlicher Irrationalität gegründet ist. 2 8 8 Zunächst ist daher hervorzuheben, daß die Schwierigkeiten der Wirtschaftlichkeitsanalyse bereichspezifisch höchst unterschiedlich zutage treten. 289 So sind in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung wie etwa in den Hochschulen Verwaltungsreformer dabei, Produkte zu definieren, Controllingformen einzurichten, zu evaluieren. Selbst bei komplexen Leistungen wie Gesundheitsversorgung oder Pflege sind Leistungskataloge erarbeitet worden. Indes bedurfte es hierzu eines erheblichen fachlichen und politischen Aufwandes 283

Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, S. 9; Krebs in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 65 (66 f.); Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 511; v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 19, 33, 36ff.; Reinermann, Die Verwaltung 14 (1981), S. 483 (492). 284 S. hierzu vor allem Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff. 285 Zur Komplexität von Vorrangrelationen nach Gewichtungsregeln bei juristischen Abwägungen s. Buchwald, Der Begriff der rationalen juristischen Begründung, S. 328 f. 28 6 V. Arnim, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 259 (263); ders., Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 36 f.; Budäus, in: Naschold et al. (Hg.), Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, S. 82. 287 Dies wird auch auf Seiten der Wohlfahrtstheorie so gesehen, s. Burla in: Ohlschläger/ Brüll, Unternehmen Barmherzigkeit, S. 171 (176). 288 So treffend für den Forschungsbereich: Trute, Forschungsförderung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, S. 479. 289 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 187 f.

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

unter Einbeziehung der Leistungserbringer. Dies können Rechnungshöfe nicht autonom leisten. b) Wirtschaftlichkeit

durch Verfahren

Die zumindest früher herrschende Ansicht meint daher, daß die Rechnungshöfe sich auf eine Vertretbarkeits- 290 oder Brauchbarkeitskontrolle 291 beschränken müßten. Hier werden vielfach Parallelen gezogen zur gerichtlichen Kontrolldichte von Ermessensentscheidungen.292 Demgegenüber wird in letzter Zeit zunehmend die Auffassung vertreten, die Rechnungshöfe bräuchten sich nicht zu beschränken, da sie Entscheidungen nicht kassieren, sondern nur kritisieren könnten. Insoweit sei Finanzkontrolle nicht mit gerichtlicher Kontrolle vergleichbar. 293 Der Ansatz weist in die richtige Richtung, da erst die fehlende Sanktionsgewalt es ermöglicht, die Rechnungshöfe als Beteiligte mit spezifischer Funktion in einem diskursiven Verfahren der Wirtschaftlichkeitsoptimierung zu betrachten: Rationalisierung durch Organisation und Verfahren bietet sich immer dann an, wenn Entscheidungen nicht aufgrund eindeutiger, ableitbarer Prämissen gefällt werden können. 294 Das gilt zunächst für moralische Fragen, für den Ausgleich zwischen widerstreitenden Interessen, zeigt sich aber auch zunehmend in kooperativen Verwaltungsverfahren, „in denen Ziele, Maßstäbe und Befugnisse des Verwaltungshandelns unscharf und damit konkretisierungsbedürftig sind und nach entsprechenden Organisationsstrukturen verlangen". 295 Der Vorteil des diskursiven Modells liegt darin, daß Verfahrensregeln die Bedingungen der Möglichkeit für rationales, richtiges Entscheiden definieren. Daß durch solche Diskurse kein einzig richtiges, objektives Ergebnis erzielt wird, erscheint dann nicht wie bei theoretischen Entscheidungstheorien als Defizit 296 , sondern wird vorausgesetzt. Gleich290 VogelIKirchhof (1973); in: Bonner Kommentar, Art. 114 Rdn. 90f., 105; Sigg, Stellung der Rechnungshöfe im politischen System, S. 54 f.; Piduch, Kommentar, Art. 114 Rdn. 20; Tiemann, Stellung der Finanzkontrolle, S. 136; Stern, Staatsrecht II, S. 439. 291 Luhmann, VerwArch 51 (1960), S. 97 (105 ff.). 292 Stern, Staatsrecht II, S. 434. 293 Grupp, DÖV 1983, S. 661 (663 f.); Kisker, NJW 1983, S. 2167 (2168 f.); Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 200f.; Schuppert, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (261). 294 Reinermann, Die Verwaltung 14 (1981), S. 483 (498 f.); Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, S. 480. 295 Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (266); zu kooperativen Verwaltungsverfahren s. nur Schneider, VerwArch 87 (1996), S. 38 ff., der zutreffend darauf hinweist, daß solche Entscheidungsspielräume nicht allein bei Ermessens-, sondern auch bei gebundenen Verwaltungsentscheidungen bestehen können (S. 51 f.). 296 Zur Unterscheidung von theoretischer und praktischer Rationalität s. Buchwald, Der Begriff der rationalen juristischen Begründung, 2. Kapitel einerseits (S. 69 ff.) und 3. Kapitel andererseits (S. 147 ff.).

D. Prüfungsmaßstäbe der Finanzkontrolle

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wohl bleibt die Richtigkeit eine regulative Idee, die die Diskursteilnehmer anstreben müssen.297 Die im Diskurs getroffene Entscheidung kann dann das Prädikat „rational" für sich beanspruchen, ohne mit dem schalen Beigeschmack der Imperfektion behaftet zu sein. Dieses Rationalitätskonzept bietet sich für die Ermittlung wirtschaftlicher Rationalität im öffentlichen Bereich erkennbar an. Die Offenheit, Komplexität und Wertungsabhängigkeit des Wirtschaftlichkeitsbegriffs und damit der Abschied von einer einzig-richtigen Entscheidung bedingt dann nicht den Abschied von rationaler Erkenntnis, sondern verlangt nach Verfahren, in die Sachverstand, Interessenlagen und Weitungen der verschiedenen Beteiligten eingebracht werden und sich dort der argumentativen Auseinandersetzung stellen müssen. Hierdurch können bedeutende Rationalitätsgewinne erzielt werden, so daß die schließlich getroffene Entscheidung wirtschaftlich rational, wenn auch kontingent ist. Soweit Wirtschaftlichkeit ein Gesamturteil meint, das die Abwägung bereits in sich enthält 298 , dann findet die Abwägung in diesem Prozeß statt. Die Rolle des Bundesrechnungshofes im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsoptimierung durch Verfahren muß differenziert betrachtet werden. Einerseits kann der Bundesrechnungshof Kontrolleur wirtschaftlichkeitsfördernder Entscheidungsverfahren, andererseits selbst Teilnehmer an diesen Verfahren sein.

(1) Wirtschaftlichkeitskontrolle als Verfahrenskontrolle Erstere Aufgabe ist unbestritten und wird vielfach als Mittel gegen ein Übergreifen der Wirtschaftlichkeitskontrolle in politische oder autonomiegeschützte Bereiche betrachtet. 299 Als Kontrolleur wirtschaftlichkeitsfördernder Entscheidungsverfahren bieten sich nach Reinermann etwa folgende Fragen an: „Wurden Ziele geplant, ( . . . ) , wurden Zweck-Mittel-Analysen angestellt? Wurden Erfahrungen anderer genutzt? Wurden Vorkehrungen getroffen, die tatsächlichen Folgewirkungen aufzufinden und zu dokumentieren?" 300 Ähnlich schlägt Kitterer vor zu prüfen, ob und inwieweit die Zielsetzungen und Programme öffentlicher Tätigkeit hinreichend erkennbar sind, die kurz- und mittelfristigen Kosten und soweit wie möglich die Alternativkosten staatlicher Programme in vollem Umfang berücksichtigt wurden, und ob die Instrumente und Verfahren zieladäquat sind. 301 Hier handelt es 297 Alexy, in: ders., Recht - Vernunft - Diskurs, S. 109 ff. (118 ff., 122). 298 V. Arnim, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 259 (264 f.). 299 Reinermann, Die Verwaltung 14 (1981), S. 483 (498); ders., Diskussionsbeitrag, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 312; Kitterer, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 221 (233); Rischer, Finanzkontrolle staatlichen Handelns: Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als Prüfungsmaßstäbe, S. 319; v. Arnim, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 259 (270). 300 Reinermann, Die Verwaltung 14 (1981), S. 483 (498). 301

Kitterer, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 221 (233); ders., in: Böning/v. Mutius (Hg.), Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, S. 173 (176 f.).

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

sich also um Verfahren, die bei der geprüften Stelle die Bedingungen der Möglichkeit wirtschaftlicher Rationalität sichern sollen. In dieser Funktion würde der Rechnungshof mithin nicht zu Inhalten oder Ergebnissen der geprüften Entscheidungen Stellung nehmen, sondern auf eine wirksame Eigenkontrolle hinwirken (Kontrolle ΛΛΛ

der Kontrolle)

, weshalb die Kontrolle für die Geprüften schonender ist

.

(2) Wirtschaftlichkeitskontrolle als Verfahrensbeitrag Nicht mehr bloß Verfahrenskontrolleur ist der Rechnungshof, wenn er selbst als Teilnehmer eines Wirtschaftlichkeitsdiskurses verstanden wird. Danach könnte das gesamte Verfahren vom Gespräch mit den Geprüften über die Bearbeitung der Prüfungsergebnisse bis zur parlamentarischen und öffentlichen Diskussion über die Bemerkungen als ein stufenweiser Diskurs interpretiert werden. Die rechtliche Ausgestaltung der öffentlichen Finanzkontrolle orientiert sich freilich nicht an theoretischen Rationalitätsmodellen wie etwa einem idealen Diskurs: Nur wenige Rechnungshöfe haben Prüfungsordnungen, über die Prüfung entscheiden sie eigenmächtig, und für Private ist kein Recht auf Gehör gesetzlich positiviert. Rechnungshöfe üben außerdem beträchtlichen Einfluß aus, selbst wenn sie nicht entscheiden können. So meinen Sauer und Blasius, zumindest die Bemerkungen als verbindliche Erklärung eines verfassungskräftig eingerichteten Organs mit beträchtlicher politischer Wirkung könnten nicht als „schlichter Diskussionsbeitrag" gewertet werden. 304 Die Sanktionslosigkeit der Finanzkontrolle ermöglicht es aber, so Kisker, seine Tätigkeit insgesamt, nicht nur im engen haushaltsrechtlichen Sinne, als Beratung in haushaltsrelevanten Entscheidungsprozessen zu qualifizieren. 305 Nun klingt der Begriff „Beratung" für die Tätigkeit der Rechnungshöfe vielleicht etwas zu freundlich und harmlos. Ohne das Drohpotential der Berichte und Bemerkungen würde die öffentliche Finanzkontrolle zudem kaum wirken können. Daher sollte seine Arbeit eher als Kritik denn als Beratung bezeichnet werden. Charakteristisch bleibt aber, daß sie nicht durch Dezision, sondern durch Information wirken. 306 Damit unterscheidet sich die Finanzkontrolle 302

Zavelberg, in: Eichhorn / Kortzfleisch (Hg.), Erfolgskontrolle bei der Verausgabung öffentlicher Mittel, S. 103 (109 f.). 303 Eine solche Wirtschaftlichkeitskontrolle bietet sich gerade in grundrechtsgeschützten Bereichen an, s. Trute, Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, S. 480. 504 Sauerl Blasius, DVB1. 1985, S. 548 (555); ferner Blasius, DÖV 1988, S. 819 (826), der jedoch hieraus alleine Beschränkungen in politischen Fragen ableitet, während auf Verwaltungsebene die Rechnungshöfe zur Wirtschaftlichkeitskontrolle befugt seien (827 f.); s. schließlich ders., NWVB1. 1997, S. 367. Hier wendet sich Blasius dezidiert gegen eine Verlagerung der Rechnungshoftätigkeit vom Prüfen zum Beraten. Dies spricht jedoch nicht gegen die Interpretation auch der Prüfung als eine Form des Beratens im weiteren Sinne. 505 Kisker, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 195 (212 f.). 506 Heuer, FinArch 49 (1991/92), S. 248 (252f.); Kisker, NJW 1983, S. 2167 (2168f.).

D. Prüfungsmaßstäbe der Finanzkontrolle

75

grundlegend von Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen. Kompetenzabgrenzungen zwischen Rechtsprechung und Verwaltung oder zwischen Aufsicht und Selbstverwaltung sind folglich nicht einfach übertragbar. Statt dessen bietet es sich an, für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit einen anderen Kontrollbegriff zu entwickeln. Die Wirtschaftlichkeitskontrolle ist nach diesem Verständnis - im Gegensatz zum herkömmlichen Kontrollbegriff - nicht der abschließend feststellende Vergleich von Ist- und Sollwert von Verwaltungsentscheidungen; Wirtschaftlichkeit als Bindungsnorm und als Kontrollnorm können partiell auseinanderfallen. 307 Der Kontrolleur muß nicht notwendig den Blickwinkel des Kontrollierten einnehmen. Seine Perspektive ist sowohl enger als auch weiter als die des Kontrollierten. Sie ist enger, da sie nicht alle zu berücksichtigenden Aspekte mit einbezieht, sondern ein spezifischer Beitrag der Ressourcenschonung im funktionengegliederten Staatsaufbau mit eigenen Fragestellungen und Kriterien 308 und somit ergänzungsbedürftig 309 ist Sie ist weiter, da sie nicht allein den Programmvollzug, sondern das Programm selbst, also mehrere Ebenen untersuchen kann und nicht allein auf den Zeitpunkt der Entscheidung abstellen muß, sondern neue Erkenntnisse mit einbeziehen kann. Neuere Prüfungsformen wie Struktur-, Querschnitts 310-, Systemund Programmprüfungen 311, Organisations- und Personalwirtschaftsuntersuchungen 3 1 2 sind fach- und ressortübergreifend und lassen sich damit nicht unter den herkömmlichen Kontrollbegriff fassen. Ihr Informationsgewinn gründet sich erst darauf, daß die begrenzte Perspektive des Bewirtschafters verlassen wird. Erfolgskontrollen müssen nicht in dem Vorwurf münden, daß ein geringer Erfolg vorhersehbar war, sondern sie können den Kontrollierten aus seiner unverschuldeten „Blindheit" helfen 313 . Es zeigt sich, daß eine solche Wirtschaftlichkeitskontrolle

307 V. Arnim, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 259 (261). 308

Greifeld, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, S. 45. Die Ergänzungsbedürftigkeit von Wirtschaftlichkeitsfeststellungen der Rechnungshöfe durch die (politischen) Entscheidungsträger betont auch Lange, in: Böning/v. Mutius, Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, S. 98 ff. Während Lange damit die Beurteilungskompetenz einschränken möchte, handelt es sich dabei nach der hier vertretenen Ansicht indes um eine Selbstverständlichkeit, da die Wirtschaftlichkeitskontrolle durch den Bundesrechnungshof nur ein Beitrag ist, der immer von den Entscheidungsträgern durch eigene Einschätzungen, Informationen, Wertungen und Zielsetzungen ergänzt wird. 310 Bei Querschnittsprüfungen wird nicht nur bei einer, sondern bei einer Vielzahl von Behörden geprüft. 309

311 Hierbei geht es um die Zweckmäßigkeit eines zusammenhängenden Regelwerks, Verfahrenssystems oder der Konzeption mehrerer einheitlicher bzw. in sich abgestimmter Verfahren. 312 Zu allen Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (259f.) m. w. N. 3 3

1 Ähnlich Stackmann, DVB1. 1994, S. 383 (388): „ M i t h i n greifen die Rechnungshöfe insoweit nicht in Entscheidungskompetenzen ein, sondern sie verhelfen im Gegenteil den entscheidungsbefugten Gremien durch ihre Prüfungsmitteilungen zu einem höheren Informationsstand und damit besseren Entscheidungsvermögen."

76

Teil 1: Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

nicht zwingend das Fehlverhalten eines Amtswalters brandmarkt, sondern Kritik an sachlichen Lösungen aus spezifischer Sicht der Ausgabenkontrolle übt. 3 1 4 Das Dilemma der Wirtschaftlichkeitsprüfung läßt sich mithin dahingehend auflösen, daß der Bundesrechnungshof nicht als unabhängiger, objektiver Richter über die Wirtschaftlichkeit verstanden wird, sondern als Beteiligter in einem Prozeß der Wirtschaftlichkeitsoptimierung. Die Ausgestaltung der Kontrolle als Kritik ermöglicht es, Wirtschaftlichkeit erst als Gesamtergebnis eines diskursiven Prozesses315 verschiedener Parteien mit alternativer Selektivität der Beurteilungsmaßstäbe und mit spezifischen Stärken zu begreifen. 316 In diesem Diskurs können Argumente ausgetauscht, Informationen gesammelt und Alternativen aufgezeigt werden. Dies ginge verloren, wollte man die Rechnungshöfe im Sinne einer Vertretbarkeitskontrolle auf den Nachvollzug der Perspektive der Bewirtschafter verengen. Ein Behördenleiter mag sich aus seiner Sicht rational verhalten, wenn er möglichst viel Geld für sein Amt fordert, eine eingeübte Verwaltungspraxis nicht ändert oder das Output seines Amtes rühmt. 317 Der Blick der Rechnungshöfe ist unabhängig von Interessen der Bürokratie oder deren Klientel und kann sich auch auf die Entscheidungsprogramme selbst richten. Wie erwähnt ist die Perspektive der Wirtschaftlichkeitsprüfer andererseits enger als die der Kontrollierten. Im Sinne der Rollenteilung sind Rechnungshöfe die entlastende Vor-, Nach- und Zuarbeit anderer Stellen, insbesondere der Geprüften angewiesen.318 Sie brauchen und können Entscheidungssituationen nicht in ihrer ganzen Komplexität überprüfen. Diese Arbeitsteilung darf jedoch nicht als Kompetenzabgrenzung mißverstanden werden. Die Vorgaben der Beteiligten werden nicht wie in mehrstufigen Entscheidungsverfahren mit abgegrenzten Zuständigkeiten als richtig unterstellt 319 , sondern können gegenseitig hinterfragt werden. Dies ist der essentielle Unterschied zwischen einer Kompetenzordnung mit eindeutiger Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten einerseits und institutionalisierter Beratung bzw. Kritik andererseits, und diese „Einmischung" ermöglicht erst das Aufdecken wirtschaftlicher Defizite. Der Rationalitätsgewinn diskursiver Verfahren beruht gerade wesentlich auf der Pflicht aller Teilnehmer, ihre Behauptungen argumentativ zu begründen 320, also Informationen offenzulegen und nur überprüfbare Wertungen einzubringen 321. Dadurch können Widersprüche, Inkonsistenzen, 314

Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 228. 315 So bereits Vogel/Kirchhof (1973), in: Bonner Kommentar, Art. 114 Rdn. 91 f. 316

Greifeid', Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, S. 48 f. S. auch die Beispiele von v. Arnim zu typischen Widerständen gegen Wirtschaftlichkeitsbemühungen in der öffentlichen Verwaltung, die aus Sicht des Amtswalters durchaus rational sind, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 259 (268 f.). 317

318

Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitspriifer, S. 45 f. Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, S. 48. 320 S. zu Begriindungszwängen als Wirtschaftlichkeitsmaßnahmen in der öffentlichen Verwaltung Budäus in: Naschold et al. (Hg.), Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, S. 81 (87). 319

32

1 Alexy, in: ders., Recht - Vernunft - Diskurs, S. 127 (135 ff., 159).

D. Prüfungsmaßstäbe der Finanzkontrolle

77

Schutzbehauptungen oder Ideologisierungen aufgedeckt und herausgefiltert werden. Dieser Rationalitätsgewinn wird vergeben, wenn man den Rechnungshöfen von vorneherein Prüfungen und Stellungnahmen zu Entscheidungsaspekten verwehrt, die allein die kompetenteren, legitimierteren oder autonomiegeschützten Stellen beurteilen könnten. So legen Sauer und Blasius an dem gerne verwendeten Beispiel der Forschungsreise 322 nach Australien dar, daß die wissenschaftliche Notwendigkeit der Reise nicht von den Rechnungshöfen beurteilt werden dürfte. 323 Soweit Sauer und Blasius aber einschränken, daß eine Reise nach Australien nicht von der Wissenschaftsfreiheit gedeckt sei, wenn sie aufgrund des angenehmen Klimas erfolge 324 , dann zeigt dies, daß die Notwendigkeit der Reise zumindest gerechtfertigt werden muß, daß die Frage danach nicht tabu sein darf. Gleiches gilt für Zwecksetzungen: Wenn Zwecke tabu wären, dann könnte die Finanzkontrolle nicht einmal schlüssig prüfen, ob Zweckvorgaben eingehalten wurden. Auch hier sollte der Rechnungshof danach fragen, ob konkrete Zielvorstellungen bestehen, wie Prioritäten begründet werden, welche Informationen eine Einschätzung rechtfertigen, warum eine Erfolgskontrolle nicht möglich sein soll. Rechtfertigung zwingt zur Rationalisierung, ohne die Verantwortlichkeit der Entscheidungsträger zu verdrängen. 325 Ein Hauptauftrag der Rechnungshöfe bei der Wirtschaftlichkeitskontrolle ist es, Informationen (zusammen mit den Geprüften) zu gewinnen und an die entscheidungsbefugten Organe weiterzuleiten. Nach Greifeid sollte die Wirtschaftlichkeitskontrolle in folgende operable Aufgaben übersetzt werden, die sich sämtlich als Informationstransfer verstehen lassen: Sparsamkeit (Ermittlung des tatsächlichen Bedarfs), Fehlermeldung, Alternativenmobilisierung, Entideologisierung, Stofftransfer von Verwaltung zu Mandatsträgern und Programmevaluation. 326 Die letzten beiden Aufgaben lassen sich so zusammenfassen, daß die Kosten der Politik aufgezeigt werden. 327 Reine Informationsvermittlung ist weniger einschneidend als Bewertung von Informationen. 328 Freilich ist die Informations Vermittlung nicht frei von Weitungen. Bereits die Auswahl von Informationen ist bei komplexen Zusammenhängen beschränkt und verhindert daher Objektivität. 329 Werden Kosten 322 S. etwa Knöpfle, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 259 (275) sowie die Diskussionsbeiträge von Heuer (S. 292) und Blasius (S. 296 f.). 323 Sauerl Blasius, DÖV 1986, S. 554 (559 f.). 324 Sauer/Blasius, DÖV 1986, S. 554 (559). 32 5 Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (211). 326 Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, S. 71 ff. 327 Rivlin, Systematic Thinking, S. 58, zit. nach Greife Id, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, S. 78. 328 Deshalb wird diese Unterscheidung geme herangezogen, um die Debatte um Prüfungsrechte zu entschärfen, s. z. B. Heuer, Diskussionsbeitrag, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S.317f. 329 Auch in der Auswahl der Prüfungsobjekte kann i. Ü. eine Wertung gesehen werden. Der Rechnungshof ist nicht in der Lage, objektiv nach Maßgabe rationaler Kriterien die

78

Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

und wirtschaftlichere Alternativen aufgezeigt, dann ist die Alternativenauswahl bewertend. Hier wie in anderen Fällen wird der Rechnungshof seine Erwartung ausdrücken, daß seine Informationen nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern angemessen berücksichtigt werden. Das Gewicht seiner Informationen für die zu treffende Entscheidung wird er indes häufig anders bewerten als die Entscheidungsträger. Bewertung ist daher unvermeidlich. Allgemein gilt: Jede rationale Kontrolle kann nur annähernde Objektivität erreichen, da sie von Menschen durchgeführt wird und daher nie frei von dezisionistischen und voluntativen Elementen ist. 3 3 0 Dies ist indes unschädlich, wenn der Rechnungshöf als Verfahrensbeteiligter verstanden wird, der zwar rational, aber nicht allein objektiv urteilt. 331 Die Interpretation der Wirtschaftlichkeitskontrolte der Rechnungshöfe als ein diskursiver Beitrag zu haushaltsrelevanten EntscheWngsprozessen geht keineswegs allein zu Lasten der Geprüften. Denn sie macht deutlich, daß die Rechnungshöfe nicht allein die Gralshüter wirtschaftlicher Rationalität sind, sie setzt voraus, daß die Rechnungshöfe nur im Wege der Kommunikation und Argumentation mit den Geprüften zu Ergebnissen gelangen können, und sie bindet die Rechnungshöfe ebenfalls an Regeln rationaler Argumentation: Zwar erscheint Kritik hinnehmbar, die rational auf tönernen Füßen steht, wenn sie Entscheidungen nicht aufzuheben vermag. Gleichzeitig bleibt sie aber auch folgenlos. Denn die „Ritter ohne Schwert" können nur mit der Kraft ihrer Argumente Entscheidungen mitbestimmen. 3 3 2 Die Rechnungshöfe wären folglich schlecht beraten, wenn sie laufend fehlbare Wirtschaftlichkeitsurteile fällten, sie würden ihre eigene Autorität untergraben. 333 Andererseits können die Rechnungshöfe selbst nicht autonom und abschließend über die Wirtschaftlichkeit komplexer Entscheidungen urteilen. Die oben geschilderten Informationsdefizite und methodischen Schwierigkeiten können nicht von Prüfern gelöst werden, die sowohl in ihrer Kapazität als auch in ihrer Sachkompetenz beschränkt sind. Nun ist dies allein kein rechtlich ausschlaggebendes Argument: Weder kann Sachkompetenz Befugnisse normativ begründen, noch kann Überforderung Befugnisse einschränken. 334 Daher wird vielfach betont, daß die zurückhaltende Wirtschaftlichkeitsprüfung durch den Bundesrechnungshof wegen der genannten Schwierigkeiten zwar verständlich, jedoch nicht rechtlich zwingend sei. 335 Seine eingeschränkte Kapazität und Sachkompetenz beschränken ihn aber auf Sachverhalte, zu denen er fundierte und begründete Aussagen treffen dringlichsten Wirtschaftlichkeitsdefizite aufzuspüren, sondern muß nach Maßgabe seiner „Prüfernase" Prüfungsgegenstände bestimmen. 330 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 17 m. w. Nachw. 331 V. Arnim, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 259 (273). 332 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 516; Schulze-Fielitz, S. 231 (264). 333

VVDStRL 55 (1996),

Kisker, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 195 (210) Zimmer, Funktion-Kompetenz-Legitimation, S. 171. 33 5 Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 512; Schuppert, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (261). 334

D. Prüfungsmaßstäbe der Finanzkontrolle

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kann. Eine starre Grenze braucht und kann nicht gezogen werden. 336 Etwas anderes kann für die Veröffentlichung von Wirtschaftlichkeitskontrollen gelten. Grundrechte oder Selbstverwaltungsrechte der Geprüften beschränken die Veröffentlichung von ungenügend begründeten Wirtschaftlichkeitsbewertungen, die zudem noch als richterliches Urteil formuliert werden. 337 Damit beantwortet sich das Problem, ob nicht die offene und alle Entscheidungsaspekte umfassende Wirtschaftlichkeitskontrolle die Beschränkung der Finanzkontrolle auf eine Teilrationalität unterlaufe. Zwar gewährleistet der Wirtschaftlichkeitsbegriff eine solche Beschränkung nicht. Diese Wirtschaftlichkeit läßt sich aber auch nur in einem Diskurs unter Beteiligung der Rechnungshöfe bestimmen, und selbst dort nur annähernd. Der Beitrag des Rechnungshofes besteht darin, aus unabhängiger Position auf die Ausgaben zu achten. Er soll dagegen nicht die Wissenschaft stärken oder die Städte verschönern. Insofern bleibt Wirtschaftlichkeitskontrolle spezifisch finanzielle und mithin Teilkontrolle. Hierin liegt ihre besondere Aufgabe gegenüber anderen Institutionen und Kontrollformen im funktionengegliederten Staatsaufbau. Sie sind nicht Hüter der Rationalität im allgemeinen noch Wahrer des Gemeinwohls an sich, sondern Hüter des Budgets. Schließlich muß noch auf die Konsequenzen des modifizierten Kontrollbegriffs hingewiesen werden. Zunächst bedeutet dies nicht, daß Wirtschaftlichkeitskontrollen von Selbstverwaltungs- oder Grundrechtsträgern immer hinzunehmen seien. Die Möglichkeit von Eingriffen in Selbstverwaltungs- oder Grundrechte wird durch dieses Verständnis nicht ausgeschlossen.338 Desweiteren muß zwischen Wirtschaftlichkeit als Rechtsnorm für Gerichte und als Kontrollnorm unterschieden werden. Soweit Gerichte gelegentlich die Wirtschaftlichkeit von Verwaltungsentscheidungen prüfen 339 , muß die Einhaltung der Bindungsnorm durch den Bewirtschafter kontrolliert werden. Das spricht dafür, daß Wirtschaftlichkeitskontrolle durch Gerichte zurückhaltender als die durch Rechnungshöfe sein müßte. 340 Dies hat Konsequenzen für das Verhältnis zwischen Wirtschaftlichkeits- und Ordnungsmäßigkeitskontrolle. Die Ordnungsmäßigkeitskontrolle entspricht noch dem herkömmlichen Kontrollmodell, sie spürt Verstöße auf. Dort kann gefordert werden, daß diese Verstöße von Politik und Verwaltung geahndet werden. Ebenso könnten Feststellungen zur Ordnungsmäßigkeit von Gerichten übernommen werden. Gleiches verbietet sich für Wirtschaftlichkeitskritik, welche sich selbst noch der öffentlichen Argumentation stellen muß.

336 Krebs, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 65 (78). 337 S. dazu unten S. 215 f. 338 s. sogleich S. 81 ff. 339 s. Beispiele bei v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 28 ff. 340 Ebenso Krebs, in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 65 (69).

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Teil 1 : Finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Prüfung Privater

E. Zwischenergebnis Art. 114 Abs. 2 GG erlaubt die Finanzkontrolle Privater. Weder die Kontrolle der noch die Kontrolle bei Privaten zählt zu den verfassungsunmittelbaren Kernaufgaben des Bundesrechnungshofes. Nach Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG können Befugnisse des Bundesrechnungshofes erweitert werden, soweit die Funktion und die verfassungssystematische Stellung der Finanzkontrolle dies zuläßt. Entscheidend ist, daß die Funktion der Finanzkontrolle nicht in der Ordnung staatlicher Machtausübung, sondern allein in staatlicher Ausgabenkontrolle besteht. Finanzkontrolle überwacht die Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln, unabhängig davon, ob die Bewirtschafter öffentliche Gewalt ausüben oder in Wahrnehmung privater Freiheit handeln. Sie kontrolliert nicht die Zweckmäßigkeit des Staatshandelns, sondern die finanzielle Teilrationalität der Haushaltsbewirtschaftung. Sie ist keine Staatsaufsicht, sondern Ausgabenkontrolle. Dieses Ergebnis konnte durch die Untersuchung der Prüfungsmaßstäbe bestätigt werden. Damit emanzipiert sich der Kreis der Regelungsadressaten der Finanzkontrolle notwendig und zwanglos von dem der Kontrolle staatlicher Institutionen.

Teil 2

Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte A. Grundrechtseingriff durch Finanzkontrolle? Die staatliche Finanzkontrolle Privater ist verfassungsrechtlich von zwei Seiten begrenzt. Im ersten Teil wurden staatsorganisationsrechtliche Grenzen untersucht, die sich aus dem finanzverfassungsrechtlichen Auftrag des Bundesrechnungshofes ergeben. Dabei wurde festgestellt, daß öffentliche Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe nicht auf die Kontrolle staatlicher Einrichtungen beschränkt ist. Wendet sich die Finanzkontrolle an nichtstaatliche Bewirtschafter öffentlicher Mittel, dann muß sie sich gleichwohl an den Grundrechten der geprüften Stellen messen lassen. Bevor die einzelnen Abwehrrechte der freien Wohlfahrtspflege untersucht werden, ist zunächst der Frage nachzugehen, ob staatliche Finanzkontrollen überhaupt in Grundrechte der freien Wohlfahrtspflege eingreifen können. Das kann unter folgenden Gesichtspunkten zweifelhaft sein. Zunächst ist danach zu fragen, ob Rechnungshofkontrollen in Grundrechte Privater eingreifen können, obwohl sie das Verhalten der Privaten nicht rechtsverbindlich zu sanktionieren vermögen. Desweiteren ist danach zu fragen, ob eine Grundrechtsverletzung ausgeschlossen ist, weil Zuwendungsbescheide eine Nebenbestimmung über die Prüfungsrechte der Rechnungshöfe enthalten. Insofern könnte die Zuwendungsempfänger in die Prüfung einwilligen und auf ihren Grundrechtsschutz verzichten. Ein Eingriff bei Zuwendungsempfängern der freien Wohlfahrtspflege könnte schließlich ausscheiden, falls die freie Wohlfahrtspflege durch ihre enge Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen und durch die staatliche Teilalimentation zum Verwaltungstrabanten mutiert und deshalb ihren Grundrechtsschutz einbüßt.

I . Zur Grundrechtsrelevanz der Finanzkontrolle Private können nur dann ihre Grundrechte gegen Rechnungshöfe geltend machen, falls die Kontrollen die Eingriffsschwelle überschreiten. Wenn Prüfung und Bericht gar nicht in Grundrechte eingreifen, dann bedarf es keiner näheren Untersuchung der Grundrechte der freien Wohlfahrtspflege. Ob Rechnungshöfe durch Kontrollen in Grundrechte eingreifen, läßt sich nicht allgemein beantworten.1 Zwar wird oft allgemein behauptet, die staatliche Finanz6 Rogge

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

kontrolle könne nicht in Grundrechte eingreifen, da sie nur kritisieren, nicht verbindlich entscheiden könne.2 Damit wird aber übersehen, daß zumindest die örtliche Prüfung „der" oder „bei" Privaten bereits einen Eingriff darstellt.

1. Eingriff durch Untersuchungen Daß die Anordnung von Prüfungen einen Eingriff in Grundrechte darstellt, kann im Ergebnis nicht ernsthaft bezweifelt werden. Rechnungshöfe ordnen eine Prüfung zu bestimmter Zeit und an einem bestimmten Ort an und geben dieser Stelle u. a. auf: - zur Vorbereitung auf diese Erhebungen binnen bestimmter Frist bestimmte Auskünfte zu erteilen und im einzelnen bezeichnete Unterlagen zu übersenden, - für die Zeit der örtlichen Erhebungen ausreichende Räumlichkeiten mit fernamtsberechtigtem Telefonanschluß zur Verfügung zu stellen und den Prüfungsbeamten vor Orts- und Ferngespräche sowie die Herstellung von Kopien von Prüfungsunterlagen (auf Kosten der geprüften Stelle) zu ermöglichen, - zu gewährleisten, daß die für den angegebenen Prüfungsgegenstand verantwortlichen Mitarbeiter anwesend und auskunftsbereit sind, sowie - die Prüfungsbeamten bei ihrer Prüfungstätigkeit in jeder Weise zu unterstützen.3 Der Kontrollierte ist also verpflichtet, die Maßnahmen zu dulden und zu unterstützen. Hiergegen spricht weder, daß Rechnungshöfe keine Sanktionen erlassen können, noch daß sie ihr Prüfungsbegehren nach h. M. nicht zwangsweise durchsetzen können4. Letzteres befreit die Prüfungsadressaten nicht von Duldungs- und Mitwirkungspflichten. Die Anordnung bleibt eine Anordnung und keine bloße Bitte. Und der erste Einwand der mangelnden Sanktionsgewalt, maßgeblich vertreten von Hockenbrinck 5 und Haverkate6, verkennt, daß die Sachverhaltsermittlung nicht notwendig den gleichen Rechtscharakter wie die Verwertung der Ergebnisse haben muß. Daher kann die Anordnung eine belastende Maßnahme sein, unabhängig davon, wie mit den Ergebnissen verfahren wird. Fittschen vergleicht die Sachverhaltsermittlung zutreffend mit dem Bundesstatistikgesetz.7 Auch dort wird die Erhebung von Informationen bei Privaten angeordnet, ohne daß diese in eine Maß1

So auch Lehment, Rundfunkfreiheit und Finanzkontrolle, S. 175. 2 S. etwa BayVGH, DVB1. 1992, 1606 (1608); Selmer, Die Verwaltung 1990, S. 1 (18); Kisker, HdbStaatsR Bd. IV, § 89 Rdn. 118. 3 Fittschen, VerwArch 83 (1992), S. 165 (169 f.); Krämer ! Schmidt (1995), Zuwendungsrecht, H III S. 8; s. a. § 25 Abs. 2 der Prüfungsordnung des Bundesrechnungshofes. 4 Zum Meinungsstand s. Fittschen, VerwArch 83 (1992), S. 165 (184 ff.). 5 DÖV 1991, S. 241 (242). 6 AöR 107 (1982), S. 539 (548). 7 VerwArch 83 (1992), S. 165 (182).

Α. Grundrechtseingriff durch Finanzkontrolle?

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nähme mündet. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Schloß sich der Ansicht Fittschens an und sah in der Prüfungsanordnung des Landesrechnungshofes gegenüber den Handwerkskammern eine belastende Regelung.8 Die Sachverhaltsermittlung greift folglich in Grundrechte der Prüfungsunterworfenen ein.9 Damit ist aber nur ein Randaspekt der Zulässigkeit der staatlichen Finanzkontrolle geklärt. Denn die Prüfungsunterworfenen wehren sich hauptsächlich nicht dagegen, daß die Prüfer ins Haus kommen. Würden sich die Belastungen hierauf konzentrieren, dann genügte es, die örtliche Prüfung an Art. 13 GG, am Recht auf informationelle Selbstbestimmung und an der allgemeinen Handlungsfreiheit mit Blick auf die Mitwirkungspflichten zu messen.10 Einzeluntersuchungen zur Kontrolle der Rechnungshöfe bei Forschungseinrichtungen und Universitäten11, Rundfunkanstalten 12, Kultureinrichtungen 13 oder eben Wohlfahrtsverbänden würden sich erübrigen. Es macht keinen großen Unterschied, ob das Büro einer Rundfunkanstalt, einer Handwerkskammer, eines Theaters oder eines Wohlfahrtsverbandes die Sachverhaltsermittlung erdulden muß. Der eigentliche Streitpunkt ist daher auch nicht die Zumutbarkeit der örtlichen Prüfung, sondern die Reichweite der Datenerhebung und die Bewertung der Informationen.

2. Eingriff durch Bemerkungen Nicht hinreichend ist ferner der Verweis auf mögliche Grundrechtsbeeinträchtigungen durch Prüfungsbemerkungen. Die Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse in den Bemerkungen mag in die Grundrechte der Kontrollierten eingreifen, zumal wenn Feststellungen fehlerhaft oder unvollständig sind. 14 Ebenso wie bei Warnungen15 greifen unzutreffende und schädigende hoheitliche Äußerungen in die Grundrechte der Betroffenen ein. Die freie Wohlfahrtspflege ist ein besonders sensibler Bereich. Vermeintliche oder tatsächliche Verschwendung öffentlicher Mittel wird gerade bei gemeinnützigen Unternehmen mit hohem moralischen Anspruch von der Öffentlichkeit skandalisiert. Das schreckt potentielle Spender und Ehrenamtliche ab. 8 BayVBl. 1992, 655 (655, 657). In der Revision meinte das Bundesverwaltungsgericht, diese Auslegung der bayrischen LHO sei mit dem Bundesrecht vereinbar: BVerwG NVwZ 1995, 889 (889). 9 Ebenso Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (268 f.) m. w. Nachw. 10 So wie Stackmann, DVB1. 1994, S. 383 (384). 11 Redeker, DÖV 1986, 946ff.; Sierig, Die Grenzen der staatlichen Finanzkontrolle; Sigg, Stellung der Rechnungshöfe im politischen System der Bundesrepublik Deutschland. 12 Lehment, Rundfunkfreiheit und Finanzkontrolle; Krempel, Rechnungshöfe und Rundfunkbeteiligungsunternehmen. 13 Becker I Kluge, Kulturpolitik und Ausgabenkontrolle. 14 S.U. 215. is S. hierzu den aktuellen Überblick bei Haussühl, VB1BW 1998, S. 90 ff. 6*

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

Der Verweis ist nicht hinreichend, weil erstens nicht vom Exzeß auf die Grundrechtsbeeinträchtigungen durch ordnungsgemäßes Handeln geschlossen werden kann und - entscheidender - zweitens, weil Veröffentlichungen nicht die Finanzkontrolle kennzeichnen. Der weitaus überwiegende Teil der Kontrollen gelangt nicht in die Öffentlichkeit und vermag daher, abgesehen von Indiskretionen 16, auch nicht den öffentlichen Ruf zu schädigen.17 Nach Angaben von Zavelberg werden von etwa 10.000 jährlich beschriebenen Seiten nur 200 bis 300 in den Bemerkungen veröffentlicht. 18 Die vorwiegende Tätigkeit der Bundesrechnungshofes besteht nicht in der Information der Öffentlichkeit, sondern in der Information der finanzverantwortlichen Stellen über die Ergebnisse von Prüfungen. Dort liegt der Kern der Auseinandersetzungen um die Prüfungsrechte der Rechnungshöfe bei Privaten und hier im besonderen der freien Wohlfahrtspflege, die sich durch staatliche Finanzkontrollen nicht hauptsächlich in ihrer Wohnungsfreiheit oder in ihrem Ruf, sondern in ihrer Eigenständigkeit gefährdet sehen. Gleichzeitig ist das auch das größte dogmatische Problem, da Rechnungshöfe keine Regelungen treffen. Demgegenüber tritt die Zulässigkeit von Sachverhaltsfeststellung und Veröffentlichung in den Hintergrund. Freilich droht die Veröffentlichung im Hintergrund und kann dadurch die Kontrollierten dazu veranlassen, der Kritik des Rechnungshofes eher Folge zu leisten.

3. Eingriff durch Prüfungsmitteilungen a) Beeinträchtigung durch Beanstandungen Wie bei der Darstellung der Prüfungsmaßstäbe deutlich wurde 19 , sehen sich die Bewirtschafter öffentlicher Mittel durch die Kontrollen der Rechnungshöfe regelmäßig in ihrer spezifischen Kompetenz verletzt. Ob Entscheidungen der Länder und Kommunen über Investitionen, für die der Bund nach Art. 104 a Abs. 4 GG Finanzhilfen gewährt, Fernsehproduktionen, Forschungsvorhaben oder Sozialstationen: Stets sollen Rechnunghöfe darin beschränkt sein, Entscheidungen zu kritisieren, die allein in die Kompetenz der Autonomie- oder Grundrechtsträger fallen. Über den Hebel der Finanzkontrolle mische sich der Geldgeber in die Gestaltung der jeweiligen Sachmaterie ein. Nach der Devise, „wer zahlt, schafft an" maßten sich die Geldgeber Mitspracherechte an, die ihnen in den kompetenzgeschützten Bereichen sonst nicht zukämen. Prüfungen und Feststellungen der Rechnungshöfe zu solchen Entscheidungen verletzten die Eigenständigkeit der Geprüften, seien sie nun durch Selbstverwaltungs- oder durch Grundrechte geschützt. 16 Die dem Rechnungshof nicht zurechenbar wären; vgl. Haverkate, S. 538 (554). π Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (266). 18

Zavelberg, in: FS General-Rechen-Kammer S. 43 (48). 19 S. 66 ff.

AöR 107 (1982),

Α. Grundrechtseingriff durch Finanzkontrolle?

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Die Kompetenzabgrenzung ist denn auch die Ebene, die eine Einzeluntersuchung zu verschiedenen Objekten der Finanzkontrolle rechtfertigt. Hier muß festgestellt werden, ob die von den Rechnungshöfen beurteilte Bewirtschaftung öffentlicher Mittel von spezifischen Normen gegen Vorgaben geschützt ist. Dort ist danach zu unterscheiden, ob der Kontrollierte die Mittel zur freien Verfügung oder zur Bewirtschaftung nach Maßgabe des Haushaltsgebers erhält, ob er Behörde oder Selbstverwaltungsträger ist, ob Forschungslabor oder christliches Krankenhaus. Zuwendungsempfänger fürchten nicht allein die Kritik durch Rechnungshöfe, sondern auch die bloße Information der staatlichen Verwaltung. Ein Großteil der Auseinandersetzungen zwischen Rechnungshöfen und der freien Wohlfahrtspflege rührt nicht daher, daß Rechnungshöfe ein bestimmtes Verhalten kritisieren, sondern daß sie genauer die Vermögenslage der Zuwendungsempfänger kontrollieren, als dies die Zuwendungsgeber verlangen, insbesondere indem sie die sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung gem. § 91 Abs. 2 S. 2 BHO prüfen. Die Einrichtungen und Verbände haben aber ein großes Interesse daran, ihre Vermögenslage nicht allzu offen zu legen. 20 Bei Zuwendungsprojekten und bei Verhandlungen um Leistungsentgelte wollen sie ihre Karten nicht offen auf den Tisch legen. Haushaltsrechtlich sollen Werke und Projekte nur nach Bedarf gefördert werden, die genaue Kenntnis der Eigenmittel kann daher Zuwendungen ausschließen oder mindern. Werden die Zuwendungsempfänger genötigt, alle Eigenmittel in dem staatlich geförderten Projekt einzusetzen, dann beeinträchtigt das ihre Eigenständigkeit. Sie können dann nicht mehr eigene Mittel für selbstgewählte soziale Aufgaben einsetzen, sondern geraten vollständig in staatliche Abhängigkeit. Die Information bedroht daher nicht nur das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung21, sondern auch die Eigenständigkeit der Zuwendungsempfänger.

b) Eingriff Nach der klassischen Eingriffsdefinition kann die Kritik der Rechnungshöfe nicht in Grundrechte eingreifen: Der klassische Grundrechtseingriff verlangt, daß eine staatliche Handlung final, unmittelbar und rechtlich auf den Grundrechtsträger einwirkt und mit Befehl und Zwang angeordnet und durchgesetzt werden kann. 22 Die Ergebnisse der Rechnungshöfe haben keine rechtlichen Wirkungen und führen 20 Oppi, Soziale Arbeit 1992, S. 152 (152 f.); zur Diskretion in kirchlichen Verbänden s. „Die Woche" v. 6. 2. 1998, S. 10 f. und in der Kirche allgemein Stolleis, ZevKR 1996, S. 435 ff. 21 BVerfGE 65, 1 (41 ff.) - Volkszählung - ; in BVerfGE 67, 100 (142 f.) läßt das Gericht offen, ob das Recht der Unternehmen auf informationelle Selbstbestimmung auf Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 1 Abs. 1 oder auf Art. 14, jeweils i. V. mit Art. 19 Abs. 3 GG gründet. 22 Pieroth! Schlink, Staatsrecht II, Rdn. 271.

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

allenfalls mittelbar zu Grundrechtsbeeinträchtigungen beim Kontrollierten, wenn die finanzverantwortliche Stelle Konsequenzen aus den Beanstandungen ziehen. Ebensowenig kann der Rechnungshof seine Feststellungen - im Gegensatz zu den Anordnungen - rechtlich durchsetzen. Der klassische Eingriffsbegriff erfaßt allerdings nach dem Wandel des Grundrechtsverständnisses 23 längst nicht alle Beeinträchtigungen. Doch genügt es auch nicht, nun einfach einen weiten Eingriffsbegriff zugrunde zu legen und daraufhin leichthin jegliche subjektive Belastung als Eingriff zu qualifizieren. 24 Denn die Voraussetzungen dafür, daß faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen Eingriffe darstellen, sind nach wie vor umstritten. 25 Im einzelnen braucht der Meinungsstand hier nicht wiedergegeben zu werden. 26 So ist zwar streitig, ob die Wirkungen intendiert sein müssen, ob mithin am Kriterium der Finalität, wenn auch in modifizierter Form, festzuhalten ist. Rechnungshöfe verfolgen aber gerade das Ziel, die Kontrollierten zum rationalerem Umgang mit öffentlichen Mitteln anzuhalten, was von diesen als unzulässige Einmischung in ihre Eigenständigkeit empfunden wird. Maßgeblich ist weiterhin, ob die Beeinträchtigung die Erheblichkeitsschwelle übersteigt, oder ob es sich um eine bloße Belästigung handelt.27 Die Kontrollierten können natürlich infolge von Kontrollen der Rechnungshöfe Nachteile erleiden, die über bloße Lästigkeiten weit hinaus gehen. Die Kritik der Rechnungshöfe macht den Kontrollierten zwar nicht direkt ein Verhalten unmöglich. Aber Prüfungen können zur Folge haben, daß die finanzverantwortliche Stelle oder der Bewirtschafter selbst Konsequenzen zieht. Das heißt im Falle der Zuwendungen, daß Zuwendungsgeber Mittel zurückfordern kann, in Zukunft nicht mehr oder nur in geringerem Maße bewilligt oder daß er Anregungen des Rechnungshofes in Auflagen umsetzt. Gleichermaßen kann sich der Bewirtschafter genötigt sehen, die Kritik selbst umzusetzen, also in einer Selbstzensur seine Eigenständigkeit zu beschneiden. Fraglich bleibt dann nur, ob diese mittelbare Wirkung den Rechnungshöfen zugerechnet werden muß. Mittelbare Eingriffe können darin liegen, daß auf das Grundrecht entweder durch das Verhalten oder die Entschließung eines Dritten eingewirkt wird, oder durch ein Verhalten oder eine Entschließung des Grundrechtsträgers selbst.28 Im Fall der Vermittlung durch Dritte ist die Wirkung dann dem Staat zuzurechnen, wenn dieser das Drittverhalten, wenn auch nicht imperativ, aber 23 Pieroth / Schlink, Staatsrecht II, Rdn. 273. 24 Zutreffend mit Beispielen: Lehment, Rundfunkfreiheit und Finanzkontrolle, S. 175 ff. 25 Sachs, in: ders., Grundgesetz, Vor Art. 1 Rdn. 59 ff. m. w. Nachw.; von einem „kaum noch überschaubaren dogmatischen Chaos" spricht Schulte, DVB1. 1988, S. 512 (516). 26 S. etwa Isensee, HStRV, § 111 Rdn. 58 ff.; Lerche, HStRV, § 121 Rdn. 45 ff. 27 Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rdn. 278 ff. 28 Stern, Staatsrecht III/2, § 78 III.

Α. Grundrechtseingriff durch Finanzkontrolle?

87

gezielt und bewußt steuert 29, so daß unabhängig von dem zusätzlichen Glied in der Kausalkette das Handlungsziel den Geschehensablauf zu einer einheitlichen grundrechtsbeeinträchtigenden Handlung zusammenfaßt. 30 Daß Rechnungshöfe Konsequenzen der Verwaltung gezielt und bewußt anstreben, wurde bereits gesagt. Fraglich könnte dann nur noch sein, ob Rechnungshöfe Verwaltungshandeln tatsächlich steuern, oder nur Informationen und Anregungen geben, die die Verwaltungsstellen beachten oder auch ignorieren können. Dies ist aber eine zu harmlose Beschreibung. Denn Rechnungshöfe besitzen einerseits eine hohe Autorität 31 und andererseits ein beachtliches Machtpotential. Jede von Rechnungshöfen kritisierte Stelle muß sich für ihr Verhalten rechtfertigen und gute Gründe zur Verteidigung der eigenen Praxis anführen können. In der Regel werden die Kritiken der Finanzkontrolleure ernst genommen, selbst wenn es mitunter bis zu sechs Jahren dauert, bis Rechnungshöfe einen Vorgang abschließen32. Der Rechnungshof kann gem. § 96 Abs. 1 S. 2 BHO Prüfungsergebnisse auch anderen Dienststellen und dem Haushaltsauschuß sowie gem. § 96 Abs. 2 BHO dem Finanzminister mitteilen und damit zusätzlichen Druck erzeugen. Schließlich kann er durch Aufnahme von Prüfungsergebnissen in die Bemerkungen auch die Öffentlichkeit für seine Anliegen einnehmen. Allein schon diese Sanktionsstufen bewirken, daß geprüfte Stellen genötigt sind, die Prüfungen der Rechnungshöfe zu beachten und zu beherzigen. 33 Gleiches gilt für die Selbstzensur. Werden Zuwendungsempfänger oder Empfänger gesetzlicher zweckgebundener Leistungen von den Rechnungshöfen kritisiert, dann sind sie genötigt, ihr Verhalten zu rechtfertigen. Zuwendungsempfänger sind in der Regel auf die Alimentation und damit auf das Wohlwollen der staatlichen Vergabestellen angewiesen. Sie wie auch Empfänger gesetzlicher Zuschüsse können sich gegen Kritik wehren, haben dann aber gegen die angesehenen Rechnungshöfe einen schweren Stand, gerade wenn die Auseinandersetzungen öffentlich werden. Insgesamt kann daher kaum bezweifelt werden, daß Prüfungsergebnisse in die Grundrechte Privater eingreifen können. Rechnungshöfe besitzen ausreichend Mittel, um private Bewirtschafter öffentlicher Mittel in der Eigenständigkeit der Mittelbewirtschaftung zu beeinträchtigen. 34

29 Vgl. das Urteil des BVerwG zur staatlichen Förderung einer eines Anti-Sektenvereins, BVerwGE 90, 112 (118 ff.); ferner OVG NW NVwZ 1991, 174ff.; OVG Berlin, NVwZ 1991, 798 f. 30 Bleckmann, DVB1. 1988, S. 373, (377); BVerwGE 90, 112 (118ff.).

31 Puhl, Budgetflucht, S. 420. 32 Handelsblatt v. 23. 11. 1998, S. 6. 33 Vgl. auch Sigg, nach dem Feststellungen und Beanstandungen der Rechnungshöfe Anordnungen gleichkämen, Stellung der Rechnungshöfe im politischen System, S. 101 f. m. w. Nachw. 34 s. ebenso Puhl, Budgetflucht, S. 419ff.; Sauer, DÖV 1986, S. 941 (943 f.).

Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

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c) Kein selbständiger Eingriff

durch Kontrolle der Nebenbestimmungen

Die Eigenständigkeit der Zuwendungsempfänger wird indes nicht durch die Kontrolle der ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung, daß heißt insbesondere durch die Kontrolle der Einhaltung der Nebenbestimmungen und des Zuwendungszweckes beeinträchtigt. Der grundsätzlichere Konflikt zwischen der Geldmacht der Zuwendungsgeber, die gelegentlich den Grundsatz „wer zahlt, schafft an" zu vertreten scheinen, und der Eigenständigkeit der Zuwendungsempfänger spielt sich vor der Finanzkontrolle ab und ist daher für deren Zulässigkeit unerheblich. Es geht um die Nebenbestimmungen und Zuwendungszwecke, die den Handlungsspielraum der Zuwendungsempfänger empfindlich einengen können: Allgemeine Nebenbestimmungen produzieren beim Zuwendungsempfänger einen erheblichen Verwaltungsaufwand 35, engen die Flexibilität ein, zwingen die Empfänger, sich der Struktur der öffentlichen Verwaltung anzupassen, obwohl sie gerade unternehmerisch wirtschaftlich handeln sollen 36 . Selbst Vertreter der Rechnungshöfe fordern Vereinfachungen. 37 Auf Bundesebene38 und in einigen Bundesländern 39 wurden deshalb die zuwendungsrechtlichen Vorschriften vereinfacht. Besondere Nebenbestimmungen legen den Zuwendungszweck fest und geben dem Geldgeber damit den „Goldenen Zügel" an die Hand, die Arbeit der Wohlfahrtsverbände und -einrichtungen inhaltlich zu bestimmen40. Der Hauptkonflikt zwischen Staat und freier Wohlfahrtspflege ist der Finanzkontrolle damit zeitlich vorgelagert. Er ist rechtlich schwer zu fassen. Zum einen treten im Rechtsverhältnis zwischen Wohlfahrtsverbänden und Staat die bekannten Probleme der Grundrechtsdogmatik in der LeistungsVerwaltung auf. 41 Noch kom35 Nach Schätzungen beträgt der Verwaltungsaufwand auf Seiten von Zuwendungsgeber und Zuwendungsnehmer 35 Pfennige für jede „Zuwendungsmark", s. Thamm, in: Rauschenbach / Sachße / Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 356 (363). 36 Zur Kritik des Zuwendungsrechts s. BBJ Consult (Hg.); Sozialstaatsgebot und gemeinnützige Träger - Das Zuwendungsrecht auf dem Prüfstand der Aufgabenerfüllung; Deutscher Verein, NDV 1986, S. 337 ff.; Junge, Caritas '89 (Jb.); S. 41 (45 ff.). 3 ? Larcher, DÖV 1990, S. 63 (65 ff.). 38

S. allgemein v. Köckritz ! Ermisch ! Lamm (1997), BHO, § 44 Rdn. 3.3. Etwa in Bayern, s. BayFMBl. Nr. 4 vom 27. 3. 1998 - Änderung der Verwaltungsvorschriften zur Bayerischen Haushaltsordnung; in Niedersachsen, s. Nds. Ministerialbl. Nr. 47 (1996), S. 1868, vgl. dazu die Kritik des DPWV, vermittelt durch eine parlamentarische Anfrage, LT-Drs. 13/2976, S. Iff.; für Hamburg s. Drs. 15/623; 15/725 u. Drs. 15/6975. Kritisch zu Sonderregelungen der Länder v. Köckritz! Ermisch ! Lamm (1997), BHO, § 44 Rdn. 3.1, die wegen § 14 HGrG einheitliche Vorschriften verlangen. 39

40 Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 181 m. w. Nachw. zu diesem häufig verwendeten Begriff. 41

An dieser Stelle soll ausführlicher auf Forsthoff Bezug genommen werden, der diese Probleme frühzeitig und präzise skizziert: „Die gestaltende Verwaltung arbeitet unter Bedin-

Α. Grundrechtseingriff durch Finanzkontrolle?

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plizierter gestaltet sich das Rechtsverhältnis zwischen Wohlfahrtspflege und staatlichen Stellen dadurch, daß sie diesen nicht als einzelner Hilfeempfänger - etwa von Sozialleistungen - gegenübersteht, sondern als Partner, der in die Planung und Erfüllung der sozialen Aufgaben mit eingebunden wird. Wohlfahrtspflege als gemeinsame Angelegenheit von Staat und freier Wohlfahrtspflege, Zusammenarbeit unter Achtung der Selbständigkeit, solche Formeln können das Rechtsverhältnis zwischen Staat und freier Wohlfahrtspflege umschreiben, dienen jedoch kaum der Abgrenzung i m Einzelfall. Die Problematik skizziert treffend Trute: „Die Ansatzpunkte verfassungsrechtlicher Prinzipien werden unsicher, wenn die Verwaltung die Verantwortung für die Erreichung gesetzlicher Ziele mit privaten Akteuren teilt und erst i m Zusammenwirken mit ihnen Gemeinwohlziele verwirklicht. Dann verwischen sich leicht Verantwortungen und vermischen sich staatliche Gemeinwohlbindungen und private Autonomie." 4 2 Kritik und rechtliche Zweifel an der staatlichen „Gängelung" durch Zuwendungsnebenbestimmungen und Zuwendungsrecht können aber nicht gegen Finanzkontrollen durch Rechnungshöfe ins Feld geführt werden. Zwar aktualisiert sich das Problem oft erst mit der Rechnungsprüfung. 43 Vergabestellen prüfen die Einhaltung der Nebenbestimmungen wie die Vorlage der Verwendungsnachweise und die Definition sowie das Erreichen des Zuwendungszweckes nicht immer allzu gungen, welche sich der Technik der Freiheitsverbürgung und Rechtskontrolle, wie sie der bürgerliche Sozialstaat hervorgebracht hatte, durchaus entziehen. Diese Technik ging davon aus, daß die Existenz des einzelnen autonom ist, daß der Einzelne der Verwaltung selbständig gegenüber steht. Das trifft für die moderne Verwaltung nicht mehr zu. Der Einzelne steht der modernen Verwaltung nicht mehr selbständig, sondern abhängig gegenüber. Er ist auf Verwaltungsleistungen täglich angewiesen. Seine Arbeitskraft steht weithin unter der Verfügung des Staates. Als Wirtschaftssubjekt ist er in das System staatlicher Lenkungsmaßnahmen einbezogen. Das bedeutet, daß der Einzelne in der Handhabung der Rechtsschutzmittel gegen die Verwaltung keineswegs mehr über die Freiheit verfügt, die im 19. Jahrhundert als selbstverständlich gelten konnte. Die Berührung des Einzelnen mit dem Staate aktualisiert sich nicht mehr in Einzelakten wie einer gelegentlichen Polizeiverfügung oder einer einmaligen Erlaubniserteilung. Sie ist ein Dauerzustand. Damit verschieben sich die Aspekte grundsätzlich. Für den Einzelnen kommt es vielfach nicht mehr entscheidend darauf an, im einzelnen Falle, in dem ihm Unrecht geschieht, sein Recht zu erstreiten, sondern diesen Dauerzustand so reibungslos und vorteilhaft wie möglich zu gestalten. Je sozial mächtiger er ist, um so mehr Möglichkeiten bieten sich ihm dafür, Möglichkeiten, die nicht mehr durch Einlegung von Rechtsmitteln, sondern im Verhandlungswege wahrgenommen werden. Man arrangiert sich nach den Regeln des do ut des. Die Verwaltung hat an solchen Arrangements ebenfalls Interesse, da sie, je mehr sie in das Sozialleben ausgreift, auf eine Kooperation mit den Sozialfaktoren angewiesen ist. Gegenüber dieser Art von Verwaltung ist auch eine weitere Prämisse der bürgerlich rechtsstaatlichen Technik nicht mehr vorhanden: Die Annahme nämlich, daß die für den Einzelnen relevanten Verwaltungsakte mit der Formel: Eingriff in Freiheit und Eigentum vollständig erfaßt werden. Gerade die heute wichtigsten Verwaltungsfunktionen, welche der Einbringung von Verwaltungsleistungen an den Einzelnen und der Verteilung von Verkehrsgütern dienen, werden von dieser Formel nicht mehr getroffen." Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allgemeiner Teil, S. 65. 42 Trute, DVB1. 1996, S. 950 (955). 43 In diesem Sinne auch Benda, Soziale Arbeit 1989, S. 251 (253).

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

genau. Schon aus Nähe der staatlichen Vergabestellen zu ihrer Klientel können die Empfänger oft freier walten, als das nach den Bestimmungen anzunehmen wäre. 44 Die Ärger beginnt erst dann, wenn Rechnungshöfe die genaue Einhaltung der Nebenbestimmungen prüfen und einfordern. Ein beträchtlicher Teil des Widerstandes gegen die staatliche Finanzkontrolle mag daher rühren. Indes: Zuwendungsempfänger sind mit der Annahme des Zuwendungsbescheides auf den Zuwendungszweck und die Nebenbestimmungen verpflichtet. Diese legen das Soll fest. 45 Die Kontrolle des Ist fügt dem, abgesehen von dem Kontrollvorgang an sich, keine neue Belastung hinzu. 46 Klagen über Nebenbestimmungen mögen berechtigt sein. Die Finanzkontrolle ist gehalten, etwaige Probleme des Zuwendungsrechts und des Zuwendungsverfahrens bei der Bewertung von Verstößen mit zu berücksichtigen und dadurch hervorgerufenes Fehlverhalten nicht zu skandalisieren.47 Das gilt freilich nur so lange, wie das Soll eindeutig ist und nicht selbst vom Rechnungshof nachgezeichnet werden muß. Sind Zuwendungszwecke vage, Projektbezeichnungen vorgeschoben, Unterrichtungs- und Nachweispflichten mehrdeutig, dann kann die selbständige Rekonstruktion des Solls durch den Rechnungshof die Zuwendungsempfänger zusätzlich belasten.48 Desweiteren scheidet ein Eingriff in Grundrechte durch Wirtschaftlichkeitskontrollen nicht dadurch aus, daß die Bewirtschafter öffentlicher Mittel ohnehin auf den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz verpflichtet sind. 49 Zwar verpflichten die Nebenbestimmungen die Bewirtschafter öffentlicher Mittel regelmäßig auch darauf, die Zuwendungen wirtschaftlich zu verwenden. 50 Damit wird die Wirtschaftlichkeitskontrolle aber noch zu keiner Ordnungsmäßigkeitskontrolle. Denn die Wirtschaftlichkeit läßt sich nicht in einem reinen Ist-Soll-Vergleich prüfen, wie oben festgestellt wurde 51 . Moderne Wirtschaftlichkeitsprüfung geht darüber hinaus, verabschiedet sich davon, nur nachvollziehend die ordnungsgemäße Anwendung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes zu prüfen. Daher schließt die Wirtschaftlichkeitsbindung einen Eingriff durch Wirtschaftlichkeitskontrollen nicht aus.

44 S.u.S. 139 ff. 45 Anders läge es allein, wenn die Zuwendungsbestimmungen rechtswidrig wären. Das hat zwar Leisner für die freie Wohlfahrtspflege gutachterlich behauptet (Die Lenkungsauflage). Diese These wird sich aber kaum aufrechterhalten lassen. Der Gesetzgeber hat bei der freiwilligen Förderung sozialer Dienstleistungen einen kaum begrenzten Gestaltungsspielraum; s. noch unten S. 141 ff. 46 Hockenbrinck, DÖV 1991, S. 241 (242) für die parallele Frage, ob der Soll-Ist-Vergleich eine regelnde Maßnahme ist. 47 S. u. S. 215. 48 Vgl. Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 78, 120. 49 So etwa Selmer, Die Verwaltung 23 (1990), S. 1 (18) für Rundfunkanstalten. so S. Nr. 1.1 ANBest-I und ANBest-P, abgedr. bei Heuer, KHR, zu § 44 BHO, S. 51 ff. 5i S. 74 ff.

Α. Grundrechtseingriff durch Finanzkontrolle?

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4. Zusammenfassung Staatliche Finanzkontrolle kann in mehrfacher Hinsicht in Grundrechte Privater eingreifen. Prüfungsanordnungen und Prüfungen vor Ort greifen in Grundrechte ein. Gleiches kann für die Veröffentlichung von Prüfungsergebnissen in Bemerkungen gelten. Entscheidend ist aber, daß die einzelne Kritik des privaten Verhaltens in dessen Grundrechte eingreift. Die Eigenständigkeit der Zuwendungsempfänger kann dadurch beeinträchtigt werden, daß Rechnungshöfe ζ. B. unwirtschaftliches Verhalten monieren, eine Aufgabe und damit eine Zuwendung für entbehrlich erachten oder auf einen höheren Eigenmitteleinsatz drängen und bei der Verwaltung auf die Umsetzung ihrer Ergebnisse drängen. Die Kontrolle der Einhaltung des Zuwendungsrechts und der Nebenbestimmungen ist regelmäßig kein selbständiger Eingriff, solange die Nebenbestimmungen ein eindeutiges Soll vorgeben.

I I . Einwilligung in Prüfung? Die allgemeinen Nebenbestimmungen der staatliche Vergabestellen enthalten stets auch das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofes nach § 91 BHO. 5 2 Die Nebenbestimmungen sind Bestandteil der Zuwendungsbescheides und in diesem für verbindlich erklärt. In Schleswig-Holstein versuchten die Ministerien, die umstrittene Neuregelung des § 104 LHO, nach der der Rechnungshof die Haushaltsund Wirtschaftsführung der Zuwendungsempfänger prüft, dadurch abzusichern, daß das Prüfungsrecht als Nebenbestimmung mit den Zuwendungsbescheiden verbunden wurde. 53 Gleiches gilt, wenn Einrichtungen und Verbände ausnahmsweise durch öffentlich-rechtlichen Vertrag gefördert werden. 54

52 S. etwa Nr. 8.3 ANBest-I (institutionelle Förderung); Nr. 7.3 ANBest-P (Projektförderung) (Stand 11/96); Nr. 6.3 N-BestWV (Zuwendungen an die Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege). 53 Die ursprüngliche Auflage lautete: „Diese Bewilligung ist mit der Auflage verbunden, daß Sie sich mit der umfassenden Prüfung durch den Landesrechnungshof einverstanden erklären". Das VG Schleswig hob diese Auflage auf, da sie zu unbestimmt sei. Es sei nicht zu erkennen, ob damit eine zusätzliche Rechtsgrundlage für Prüfungen geschaffen werden sollte, ob die Zuwendungsempfänger mit der Annahme auf Rechtsmittel gegen Prüfungen verzichteten, oder ob § 104 LHO besonders ausgelegt werden sollte (Urteil v. 19. 03. 1998, Az. 13 A 26/96). Im Dezember 1998 lautete die Auflage: „Die Bewilligung ist mit der Auflage verbunden, daß Sie die Prüfungsrechte des Landesrechnungshofes nach Art. 56 LV, §§ 88, 91 und § 104 LHO anerkennen." Auch gegen diese Auflage sind in Schleswig-Holstein noch Verfahren anhängig; s. ausführlich unten S. 179 ff. 54 Gem. Nr. 4.3 der VV zu § 44 BHO sind im Falle des öffentlich-rechtlichen Vertrages die Vorschriften für Zuwendungen durch Bescheid sinngemäß anzuwenden, insbes. die ANBest, s. v. Köckritz!Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 44 Rdn. 18.2.

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

Führt ein solcher mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt nicht dazu, daß die Zuwendungsempfänger das Recht der Rechnungshöfe anerkennen? Verzichten sie mit Antrag und Entgegennahme der Zuwendungen darauf, Abwehrrechte gegen die Finanzkontrolle geltend zu machen? Gilt mithin die Figur „Verwaltungsakt auf Unterwerfung", gerechtfertigt durch den Grundsatz „volenti non fit iniura"? Und erübrigt sich nicht infolgedessen jegliche grundrechtliche Erörterung, da doch die Empfänger freiwillig den Prüfungsrechten zustimmen? Wenn sie auf öffentliche Mittel verzichteten, wäre ihre Eigenständigkeit auch nicht gefährdet. Nebenbestimmungen zu begünstigenden Verwaltungsakten werfen viele Probleme auf. In diesem Fall könnte danach gefragt werden, ob überhaupt der Wille erkennbar ist, die Prüfungsrechte anzuerkennen. Die Empfänger müßten sich der Bedeutung dieser einzelnen Nebenbestimmung gewahr werden. Zumindest kleine Empfänger ohne genaue Rechtskenntnis stehen den Vergabestellen ähnlich gegenüber wie Verbraucher den Verwendern von allgemeinen Geschäftsbedingungen. 55 Die Verwaltungsvorschriften verpflichten die Vergabestellen, die Allgemeinen Nebenbestimmungen zum Bestandteil der Zuwendungsbescheide zu machen. Daher können diese weder im Zuwendungsverwaltungsverfahren noch bei öffentlichrechtlichen Verträgen problematisiert werden. Kann der Antrag auch als Wille interpretiert werden, den eigenen Grundrechtsschutz zu verkürzen? Diese Probleme können hier offen bleiben. Denn die Nebenbestimmungen wiederholen nur die gesetzlich festgelegten Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofes. Allgemeine Erörterungen zum Grundrechtsverzicht und zum Verwaltungsakt auf Unterwerfung erübrigen sich in diesem Fall. Der Verwaltungsakt auf Unterwerfung hatte seine Berechtigung vor Erlaß des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Seither richten sich Zulässigkeit und Wirkungen belastender Nebenbestimmungen bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten nach den Regelungen des VwVfG. 5 6 Die Nebenbestimmungen müssen aber selbst Regelungen treffen, eben bestimmen. Anders verhielte es sich, wenn die Nebenbestimmungen die Prüfungsrechte konkretisieren würden, insbesondere hinsichtlich der umstrittenen Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung. Da dies bislang nicht der Fall ist, sind die Nebenbestimmungen über die Prüfungsrechte der Rechnungshöfe nicht mehr als ein Hinweis auf die gesetzliche Regelung.57 Während vor der Haushaltsreform die Prüfungsrechte der Rechnungshöfe noch in den Nebenbestimmungen ausbedungen werden mußten, weil nur die Richtlinien und Bewilligungsbedingungen zu § 64 RHO 5 8 Prüfungen bei Zuwendungsempfängern vorsahen 59, 55 Diese Parallele zu den AGB ziehen auch v. Köckritz! Ermisch ! Lamm, BHO, § 44 BHO Rdn. 4; Dommach (1995), in: Heuer, KHR, § 44 BHO Rdn. 8 e. 56 Weides, JuS 1985, 364 (369 f.). 57 Krämer/Schmidt (1998), Zuwendungsrecht, D XI, S. 4; Geis, Öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 62. 58 Abgedr. bei Viaion, Haushaltsrecht, S. 822 ff., 835 ff. 59 Fittschen, VerwArch 83 (1992), S. 165 (178 f.); Krämer ! Schmidt (1995), Zuwendungsrecht, H III S. 1.

Α. Grundrechtseingriff durch Finanzkontrolle?

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entbehren solche Klauseln seit der Kodifizierung der Prüfungsrechte bei Zuwendungsempfängern jeglichen rechtlichen Gehalts. Damit können sie die Rechte der Zuwendungsempfänger nicht verkürzen und schließen insbesondere einen Eingriff in Grundrechte durch Prüfungen der Rechnungshöfe nicht aus.

I I I . Grundrechtsverlust durch Einbindung in staatliches Planungs- und Finanzierungssystem? Nach überwiegendem 60 Selbstverständnis der freien Wohlfahrtspflege ist ihr Wirken frei, d. h. nichtstaatliches gesellschaftliches Engagement. Die Entstehungsgeschichte der Verbände und ihrer Vorgänger um die Jahrhundertwende bestätigt dieses Selbstverständnis. Jedoch übernahm bereits der Weimarer Sozialstaat für den Bereich der Fürsorge und Wohlfahrtspflege die Funktion einer zentral regulierenden und finanzierenden Instanz61, und führte das „duale" System staatlicher und privater Leistungserbringung ein. Während lange noch der Subsidiaritätsgrundsatz staatlicher gegenüber privaten Leistungen galt 62 , bilden die freien Träger heute zusammen mit der staatlichen Verwaltung einen Planungs- und Leistungsverbund 63, in dem sich die Grenzen zwischen staatlicher Verwaltung und privater Autonomie verwischen 64. Sie sind nicht mehr maßgeblich selbstorganisierte Formen gesellschaftlicher Hilfe, sondern bürokratische Großunternehmen, die in Netzwerken eng mit den staatlichen Planungsbehörden „neokorporatistisch" 65 zusammenarbeiten. „So stellt sich heute das Verhältnis freier und öffentlicher Träger im Bereich von Sozial- und Jugendhilfe als komplexer Gesamtverbund dar, indem sich aus vielfältigen Verflechtungen, Abhängigkeiten und konkurrierenden Zuständigkeiten ein differenziertes, durchaus stabiles, aber schwer überschaubares System herausgebildet hat, das genuin öffentliche Aufgaben teils in öffentlicher, teils aber auch in privater Form bearbeitet." 66 Die Wohlfahrtsverbände werden quasi verstaatlicht, sie nehmen - soziologisch, nicht notwendig juristisch gesehen - einen (halb-)öffentlichen Charakter an. 67

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Zu Unterschieden etwa zwischen Caritas und Arbeiterwohlfahrt s. u. in und bei Fn. 83 ff. Kaiser, in: Rauschenbach / Sachse / Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 150 (167). 62 Sachße, in: Rauschenbach/Sachse/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 123 (135 f.). 63 Schuppert, Die Verwaltung 1995, S. 137 (163 f.). 64 Trute, DVB1. 1996, S. 950 (955); ZacherI Kessler, ZIAS 4 (1990), S. 97 (106). 65 Backhaus-Maul, in: Streeck (Hg.), PVS-Sonderheft 25/1994, S. 100 (108 ff.); Nokielski/Pankoke, in: Evers/Olk, Wohlfahrtspluralismus, S. 142 (143 ff.). 66 Sachße, in: Rauschenbach / Sachse / Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 123 (137). 61

67 Schuppert, Die Verwaltung 1995, S. 137 (163).

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

Führt die Einbindung der freien Wohlfahrtspflege in das staatliche Sozialsystem dazu, daß sie zum verlängerten staatlichen Arm, zum Verwaltungstrabanten wird und damit ihren Grundrechtsschutz verliert? Regelmäßig stellt sich die Frage, ob solchermaßen in die staatliche Verwaltung einbezogene Private noch als Private handeln, oder bereits als Verwaltungshelfer, Beliehene oder Beauftragte Verwaltungsaufgaben erfüllen. 68 Der freien Wohlfahrtspflege droht nach allgemeiner Auffassung keine solche Einverleibung, die ihr den Grundrechtsschutz nähme.69 Denn hierfür müßten die öffentlichen Stellen die Wohlfahrtsorganisationen und Wohlfahrtseinrichtungen maßgeblich bestimmen.70 Das ist aber nicht der Fall. Der Sozialstaat ist auf die Ressourcen der freien Wohlfahrtspflege angewiesen, die er selbst nicht bereitzustellen vermag. Damit verfügt die freie Wohlfahrtspflege über „eigene Quellen ihrer Kraft, die sie befähigen, dem Staat als Partner und nicht als abhängiges Werkzeug entgegenzutreten".71 Im Sinne einer solchen Partnerschaft fordern die Sozialgesetze die staatlichen Träger zur Zusammenarbeit mit den freien Einrichtungen und Organisationen auf. 72 Die staatliche Finanzierung durch Zuwendungen ändert daran prinzipiell nichts. Dies gilt schon deswegen, weil die Zuwendungen insgesamt nur einen kleineren Teil der Kosten der Wohlfahrtspflege decken, während der überwiegende Teil durch Leistungsentgelte finanziert wird. Leistungsentgelte sind aber keine direkten staatlichen Leistungen an die Einrichtungen. Bei Leistungsentgelten hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die Leistung gegen den Kostenträger. Nur aufgrund der Verwaltungsvereinfachung rechnet der Kostenträger direkt mit den Einrichtungen ab, rechtlich handelt es sich aber um ein Dreiecksverhältnis zwischen Kostenträger, Einrichtungsträger und Leistungsempfänger. 73 Aber auch wenn einzelne Werke überwiegend durch staatliche Zuwendungen (nicht durch Leistungsentgelte) finanziert werden und die Zuwendungen die Tätigkeit inhaltlich vorgeben, bleibt der Zuwendungsempfänger Privater und verliert daher nicht seine Grundrechtsfähigkeit. Denn die freie Wohlfahrtspflege erfüllt auch dann noch eigene Aufgaben, nicht staatliche.74 Diese Ansicht wird durch die Statusrechte der freien Wohlfahrtspflege in den Sozialgesetzen gestützt: Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 SGB I haben die Leistungsträger die Selbständigkeit der gemeinnützigen und freien Einrichtungen und Organisationen zu achten (spezialgesetzlich wiederholt sich das 68 Zu den Zurechnungsproblemen und der unterentwickelten Dogmatik s. Di Fabio , VVDStRL 56 (1997), S. 235 (268 ff.). 69 Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 53 ff. 70 s. o. S. 51 f. bei und in Fn. 159.

71 Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 171. Dementsprechend zählt Schuppert die freie Wohlfahrtspflege weder zu den fast-, noch zu den quasi-staatlichen Organisationen. 72 § 17 Abs. 3 Satz 1 SGB I; § 10 Abs. 2 BSHG; § 4 Abs. 1 SGB VIII. 73 Batkiewicz/Speckert, Caritas '95, S. 111 (114 f.); Gitter, Prüfungsrechte und Prüfungspflichten des Kostenträgers gem. § 93 Abs. 2 BSHG, S. 59 f. 74 Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 54.

Β. Abwehrrechte freier Wohlfahrtspflege

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Achtungsgebot in § 10 Abs. 2 BSHG, § 4 Abs. 1 SGB VIII (Jugendhilfe) sowie §11 Abs. 2 SGB X I (Pflegeversicherung)). Nach Satz 3 bleibt die Inanspruchnahme zweckentsprechender Verwendung bei der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel unberührt. Das kann nur bedeuten, daß die Träger die Selbständigkeit trotz öffentlicher Mittel nicht verlieren, außer daß sie in diesem Fall die Verwendungskontrolle dulden müssen.75 Die freie Wohlfahrtspflege wird daher durch staatliche Zuwendungen nicht zu einem staatlichen Organ. Die Förderung durch Zuwendungen dient zwar als „goldener Zügel" 76 , macht die Zuwendungsempfänger aber nicht zum „verlängerten Arm" für staatliche Aufgabenerfüllung 77. Insgesamt bleibt daher der rechtliche Status der freien Wohlfahrtspflege frei trotz korporatistischer Verflechtung und staatlicher Teilalimentation. Gleichwohl läßt die Einbindung der freien Wohlfahrtspflege in das staatliche Planungs- und Finanzierungssystem ihren grundrechtlichen Schutz nicht unberührt: Sie trägt dazu bei, daß die kirchlichen Wohlfahrtseinrichtungen ihr Proprium einbüßen und damit ihren verfassungsrechtlichen Sonderstatus gefährden. 78 Und sie legitimiert Maßnahmen, die die Wirtschaftlichkeit des Planungs- und Finanzierungssystems sichern sollen. 79

B. Abwehrrechte freier Wohlfahrtspflege gegen staatliche Finanzkontrolle Im folgenden werden zunächst die Abwehrrechte der kirchlichen Wohlfahrtseinrichtungen geprüft. Caritas und Diakonie sind die größten und einflußreichsten Wohlfahrtsverbände 80, so daß sie hervorgehobene Aufmerksamkeit verdienen. Zudem kritisieren gerade die konfessionellen Verbände die Kontrollen der Rechnungshöfe, wie in Nordrhein-Westfalen 81 und Baden-Württemberg 82. 75 Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 54 f.; Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 180 f., jew. m. w. Nachw. 76 Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 181 m. w. Nachw. zu diesem häufig verwendeten Begriff. 77 Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 109. 78 S.u.S. llOff. 7 * S. u. S. 141 ff. 80 Die beiden konfessionellen Wohlfahrtsverbände betrieben 1993 zusammen 55% der Einrichtungen, verfügten über 70% der Betten/Plätze und beschäftigten 77% aller Mitarbeiter der freien Wohlfahrtspflege, s. Rauschenbach ! Schilling in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 321 (335). 81 S. die Darstellung bei Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen, S. 11 ff. S2 S. BW LT-Drs. 10/6572 vom 22. 1. 1992 und Brenner, Diakonie im Sozialstaat, S. 100f.; desweiteren weigerten sich die konfessionellen Kindergärten in Baden-Württem-

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

Der stärkere Protest der kirchlichen Wohlfahrtspflege läßt sich damit erklären, daß die konfessionelle Wohlfahrtspflege mehr um Distanz zum Staat bemüht ist als etwa die Arbeiterwohlfahrt. Während diese die Verantwortung von Staat und Kommunen für die Wohlfahrtspflege einklagt, deren Einrichtungen die der freien Wohlfahrtspflege ergänzen sollen 83 , sieht sich die konfessionelle Wohlfahrtspflege eher im einem Gegenüber zum „sozialstaatlichen Leviathan", nicht als dessen Partner. Verstärkt durch die Erfahrungen im Nationalsozialismus werden Regelungen und Leistungen des Staates als Bedrohungen empfunden. 84 Dieses Selbstverständnis äußert sich vor allem in der Betonung der Subsidiarität staatlicher Wohlfahrtspflege. 85 Entscheidend ist, daß die konfessionelle Wohlfahrtspflege für sich einen staatskirchenrechtlichen Sonderstatus geltend macht. Caritas und Diakonisches Werk sehen sich im Vergleich zu den „weltlichen" Wohlfahrtsverbänden zusätzlich verfassungsrechtlich geschützt.86 Gutachten von Leisner und Delbrück versuchen die besondere Verfassungswidrigkeit staatlicher Finanzkontrolle gegenüber kirchlichen Einrichtungen zu beweisen.87 Die folgenden Ausführungen widmen sich daher ausführlicher einem der „Kernprobleme des Staatskirchenrechts" 88. Die Prüfung orientiert sich an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Denn seine - wohlwollenden - Entscheidungen bilden das Fundament für den reklamierten staatskirchenrechtlichen Sonderstatus der konfessionellen Wohlfahrtspflege 89, von dem gleichermaßen die „weltliche" Wohlfahrtspflege profitiert 90 . berg, einer Strukturuntersuchung durch den Landesrechnungshof zuzustimmen, s. Burkhart, BWGZ 1994, S. 784 (784). 83 Rinken, Das Öffentliche als verfassungstheoretischer Begriff, S. 326 f.; Wegener, Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, S. 151, jew. m. w. N. zu verbandlichen Positionen. 84 V. Campenhausen spricht von „alten Befürchtungen", in: ders./Erhardt (Hg.), Kirche Staat - Diakonie, S. 10 (30). 85 Rinken, Das Öffentliche als verfassungstheoretischer Begriff, S. 311-326. 86 S. etwa Isensee, in: Robert-Bosch-Stiftung (Hg.), Krankenhausfinanzierung in Selbstverwaltung, S. 97 (103 ff.); Depenheuer, Staatliche Planung und Finanzierung im Krankenhauswesen, S. 138 ff.; Kuper, in: Winter (Hg.), Diakonie im sozialen Rechtsstaat, S. 66 (72); auch Wegener gelangt zu dem Ergebnis, daß die konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen stärker als die „freien" geschützt seien, Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, S. 167 ff., 189. 87 Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen; Delbrück, Gutachten, S. 37 ff.; s. auch ders., ZevKR 1995, S. 21 -48. 88 Vgl. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 188 f.: „Die organisatorische Verkirchlichung der ursprünglich rechtlich freien christlichen Werke und Einrichtungen einerseits, die dem sozialen Rechtsstaat auferlegte Verantwortung für die soziale Gerechtigkeit andererseits und ein dementsprechendes sozial-karitatives Engagement auf beiden Seiten lassen das Verhältnis von öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege im modernen Wohlfahrtsstaat zu einem Kernproblem des Staatskirchenrechts werden". Ähnlich Weber, NJW 1983, S. 2541 (2549 f.). 89

Eine Zusammenfassung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes bietet der Band Staat - Kirche - Diakonie, hg. von v. Campenhausen und Erhardt.

Β. Abwehrrechte freier Wohlfahrtspflege

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I . Bekenntnisfreiheit Das einheitliche Grundrecht des Art. 4 Abs. 1, 2 GG schützt auch die korporative Religionsfreiheit. Grundrechtsberechtigte sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, „sondern auch Vereinigungen, die sich nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben".91 Zur Auslegung muß auch das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften herangezogen werden. Da nach dem Selbstverständnis der katholischen und evangelischen Kirche Caritas und Diakonie mit vom Auftrag der Kirche umfaßt sind, schützt Art. 4 Abs. 1, 2 GG nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen. 92 Hiernach stellt sich die Frage zum Verhältnis von Art. 4 Abs. 1, 2 GG zu Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV, nach dem die Religionsgemeinschaften ihre eigenen Angelegenheiten selbständig ordnen und verwalten. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet das Selbstbestimmungsrecht als „notwendige, wenngleich rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben unerläßliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt". 93 Die Gewährleistungen des Art. 140 GG bilden zusammen mit der Grundrechtsgaratie des Art. 4 Abs. 1, 2 GG ein organisches Ganzes und werden im Kern von der Glaubensfreiheit umfaßt. Das Schrifttum stimmte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überwiegend zu. 94 Da die Religionsfreiheit schrankenlos gewährleistet ist, während das Selbstbestimmungsrecht der Schranke des für alle geltenden Gesetzes unterliegt, muß das organische Ganze gleichwohl in einzelne Schutzbereiche aufgelöst werden. Dabei erhält Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV eigenständige Bedeutung gegenüber dem Schutzbereich des Art. 4 GG gerade in denjenigen „eigenen Angelegenheiten", die nicht im engeren Sinne zur Religionsausübung zählen, wie 90 Da der Gesetzgeber nicht zwischen konfessionellen und nichtkonfessionellen Verbänden differenzieren wollte, wirkten die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten staatskirchenrechtlichen Schranken „als Eisbrecher, in dessen Gefolge die nichtkonfessionellen Träger in sicherem Gewässer freie Fahrt hatten", Neumann, in: Schulin (Hg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 4, § 20 Rdn. 40. Ebenso Benda, Soziale Arbeit 38 (1989) S. 251 (254), nach dem die nicht-kirchlichen Verbände einen abgeleiteten faktischen Schutz genießen. 91 BVerfGE 24, 236 (246 f.) - „Lumpensammler-Fall" - . 92 Ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 24, 236 (246 f.), zuletzt BVerfGE 70, 138 (161). 93 BVerfGE 53, 366 (401). 94 Listi, in: HdbStKirchR 2, S. 439 (444); v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 62; Hesse, in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 525 ff.; Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, S. 170 f.; kritisch dagegen Wieland, Der Staat 25 (1986), S. 325 ff.

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

etwa im caritativ-diakonischen Bereich. 95 Dementsprechend mißt das Bundesverfassungsgericht in den neueren Leitentscheidungen Rechtsfragen der konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen an Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV. 96 Die Verbindung zur Glaubensfreiheit kommt dadurch zum Ausdruck, daß je nach Nähe zum religiösen Bereich die für alle geltenden Gesetze ihrerseits im Lichte des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ausgelegt werden müssen.97 Darüber hinaus eröffnet Art. 4 Abs. 1, 2 GG den konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen den Zugang zur Verfassungsbeschwerde.98

I I . Kirchliches Selbstbestimmungsrecht 1. Vereine außerhalb der verfaßten Kirche Begründungsbedürftig ist allerdings, daß die konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen von Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV geschützt sind, obwohl sie regelmäßig nicht zur verfaßten Kirche zählen. Die karitative Tätigkeit ist weit überwiegend in selbständigen juristischen Personen des Privatrechts organisiert, zumeist in Vereinen 99, zunehmend auch in Gesellschaften mbH 1 0 0 . Daneben finden sich selbständige kirchliche Stiftungen des öffentlichen Rechts. Vor allem Kindergärten und Pflegedienste sind häufig rechtlich unselbständig den Gemeinden zugeordnet und haben daher an deren Status teil. 1 0 1 Das Bundesverfassungsgericht dehnt - in ständiger und beinahe unbestrittener 102 Rechtsprechung - das kirchliche Selbstbestimmungsrecht „auf alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordnete Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform" 1 0 3 aus. Begründet wurde die Rechtsprechung mit der Goch-Entscheidung, in der die private Trägerstiftung eines katholischen Krankenhauses der verfaßten 95 Stolleis, ZevKR 18 (1973), S. 376 (396); Eberle, Sozialstationen in kirchlicher Trägerschaft, S. 56; ähnlich v. CampenhausenI Christoph, DVB1. 1985, S. 266 (267): im Fall der Krankenhäuser zwar das allgemeine Betreiben, nicht aber Details wie Ausstattung vom Kernbereich der Religionsfreiheit umfaßt. 96 BVerfGE 46, 73 (Goch); 53, 366 (St.-Marien); BVerfG NJW 1981, 1892 (Volmarstein); BVerfGE 72, 278 ff. (Berufsbildung). 97 Hesse, in: HdbStKirchR 2 I, S. 521 (526); Jürgens, Die normative Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, S. 21 f. 98 Listi, in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 445; Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 15. 99 Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 16. 100 Krämer, ZevKR 41 (1996), S. 66 (66f.) und allgemein Heinze/Strünck, (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 294 (306).

in: Evers/Olk

ιοί Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 16. ι 0 2 Als vereinzelte, wenngleich pointierte Gegenposition s. Wieland, Der Staat 25 (1986), S. 321 (342 f.). 103 BVerfGE 46, 73 (1. Leitsatz).

Β. Abwehrrechte freier Wohlfahrtspflege

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Kirche zugeordnet wurde. Maßgeblich sei, ob „sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück Auftrag der Kirche in der Welt wahrzunehmen und zu erfüllen". 104 Insoweit gelte nichts anderes, als was das Gericht im Zusammenhang mit der Auslegung des Art. 4 Abs. 2 erkannt habe. 105 Zudem ergebe sich aus Art. 138 Abs. 2 WRV, daß zur Religionsgemeinschaft auch das Vermögen der Kirchen zählt. Neben dem Zweck stellt das Gericht auch auf das Maß der institutionellen Verbindung der Einrichtung mit der Religionsgemeinschaft ab. Das Bundesverfassungsgericht prüft eingehend und kommt zu dem Ergebnis: „Nach dem mit der Gründung zusammenhängenden Umständen, nach dem Zweck der Anstalt, nach der Beteiligung der Ordensschwestern an der Erfüllung des Stiftungszwecks, nach der Zusammensetzung des Kuratoriums, nach den satzungsmäßigen Mitwirkungsbefugnissen des Ortsbischofs kann kein Zweifel bestehen, daß das Hospital der katholischen Kirche im Sinne der Verwirklichung einer ihr wesentlichen Aufgabe, nämlich der Caritas, zugeordnet ist und organisatorisch mit der Kirche satzungsgemäß mehrfach verbunden ist [ . . . ] " 1 0 6 . In der St. Marien-Entscheidung wird der Schutz auf als Verein oder GmbH organisierte Krankenhausträger ausgedehnt.107 Die Kirche sei auch in der Ordnung und Verwaltung dieser Einrichtungen frei, insbesondere könne sie sich der Organisationsformen des staatlichen Rechts bedienen, ohne daß diese Trabanten hierdurch ihre Zugehörigkeit zur Kirche verlören. 108 Diese Rechtsprechung ist konsequent. Grundrechtliche Freiheit bedeutet auch die Freiheit, sich in selbstgewählter Form zu organisieren und Unterorganisationen zu bilden, die dann gleichermaßen am Grundrechtsschutz teilhaben. 109 Gleichwohl muß beachtet werden, daß sich die konfessionellen Wohlfahrtsverbände nicht aus der Kirche selbst entwickelt haben, sondern zunächst selbständig waren. 110 Inzwischen sind die beiden Wohlfahrtsverbände indes „verkirchlicht". 111 Dies gilt zunächst für die Verbände Diakonisches Werk 1 1 2 und Deutscher Caritasver104 BVerfGE 46, 73. 105 BVerfGE 19, 129 (133); 24, 236 (247). 106 BVerfGE 24, 236 (247). 107 BVerfGE 53, 366 (391-399). los S. BVerfG NJW 1981, 1829 ff. - Volmarstein - . 109 Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, S. 391 ff. m. w. N. no Zur Geschichte von der Inneren Mission zum Diakonischen Werk s. v. Campenhausen, in: ders./Erhardt (Hg.), Kirche - Staat - Diakonie, S. 10 (16-24); zur Geschichte des Caritasverbandes ausführlich die Beiträge zu seinem hundertjährigen Bestehen in Caritas' 97 (Jb.), S. 15-90 sowie (kurz) Rinken, in: HdbStKirchR 1, Bd. 1, S. 389f. 111 V. Campenhausen, in: ders./Erhardt (Hg.), Kirche - Staat - Diakonie, S. 10 (20ff.): Die Innere Mission konnte sich finanziell nicht mehr alleine halten und mußte daher von der Kirche aufgefangen werden. Die Unterdrückung der Kirche im „Dritten Reich" verstärkte den Schulterschluß noch. 112 Zur Verbundenheit des Diakonischen Werkes mit der Evangelischen Kirche s. Winter, in: Rau/Reuter/Schiaich (Hg.), Das Recht der Kirche, Bd. III, S. 239 (240ff.). 7*

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

band 113 . Inwieweit auch die einzelnen Einrichtungen noch den Schutz des Art. 137 Abs. 3 WRV i. V. mit Art. 140 GG genießen, entscheidet sich nicht allein nach der Mitgliedschaft der Vereine in den Verbänden. 114 Neben der organisatorischen Verbundenheit kommt es auch auf die Zweckidentität an. 115 Denn die organisatorische Verbindung bedeutet für sich allein noch nicht, daß die Einrichtung eine religiöse Zwecksetzung verfolgt. Wenn ein karitatives Werk der Aufsicht der Kirchenbehörde unterliegt, dann „sagt dies über den kirchlichen Charakter eines solchen Werkes schlechthin nichts aus". 116 Dies hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof überzeugend für einen kirchlichen Brauereibetrieb dargetan und ihm folglich staatskirchenrechtlichen Schutz verwehrt. 117 Nach dem christlichen Selbstverständnis ist freilich die karitative Tätigkeit im Gegensatz zum Bierbrauen eine „Wesensäußerung der Kirche". 118 Caritas und Diakonie stehen aber in der uralten Tradition der christlichen Wohlfahrt als „praktizierter Nächstenliebe". Problematisch ist, daß allein der Freiheitsrechtsträger darüber bestimmt, ob eine Einrichtung noch von seinen Zwecken gedeckt ist. Das begründet die Frage danach, ob ein Grundrechtsträger nach seinem Selbstverständnis über die Reichweite des Grundrechtschutzes entscheiden kann. Dagegen wird regelmäßig eingewandt, daß der Staat sich damit seiner Kompetenz-Kompetenz begebe.119 Hier muß zwischen Schutzbereich und Schranken unterschieden werden. Bei der Bestimmung des Schutzbereiches ist der Rekurs auf das Selbstverständnis des Grundrechtsträgers methodisch üblich und notwendig. 120 Die Grundrechte sind persönlichkeitsbezogen und verweisen damit auf die Subjektivität des Grundrechtsträgers. Dem Staat ist es verwehrt, abstrakt-objektiv darüber zu entscheiden, was Kunst ist, welches Gewissen rechtlich anerkannt wird. Besonders religiöse 113 Zum Caritasverband s. den Überblick bei Hüdepohl Organisationen der Wohlfahrtspflege, S. 49 ff. 114 So auch Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 19. 115 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes in der Goch-Entscheidung (BVerfGE 46, 73 (87)) und in der St-Marien-Entscheidung kann nicht so verstanden werden, daß bereits ein Element genüge, s. BAG, NJW 1988, S. 3282, 3284 f.

116 Lilje, in: FS Ohl, S. 5 (5).

117 BayVGH, BayVBl. 1990, S. 308 (309 f.). 118 Keine eigene Angelegenheit ist die Erfüllung von Aufgaben, die die Sozialleistungsträger kirchlichen Einrichtungen nach § 10 Abs. 5 S. 1 BSHG übertragen. Denn dann handeln sie nicht in Wahrnehmung eigener Aufgaben, sondern werden vom Staat mit der Erfüllung bestimmter Dienste beauftragt. Ein solcher staatlicher Auftrag ist aber die absolute Ausnahme, regelmäßig nimmt die Wohlfahrtspflege eigene Aufgaben wahr. S. allgemein Roider, Die rechtlichen Beziehungen zwischen freier und öffentlicher Wohlfahrtspflege, S. 91 f. m. w. Nachw.; sowie speziell zu konfessionellen Einrichtungen Ehlers, NJW 1990, S. 800 (801, 803); differenzierend Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 48 f., gemeint seien könnten nur Befugnisse, keine Aufgaben. 119 S. etwa Herzog (1988), in: Maunz/Dürig, Art. 4 Rdn. 104. 120 Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, S. 439 ff.

Β. Abwehrrechte freier Wohlfahrtspflege

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Standpunkte dürfen nicht vom Staat als irrig, falsch oder unbegründet beurteilt werden. 121 Das staatliche Definitionsverbot erfordert daher eine zurückhaltende Schutzbereichsbegrenzung. 122 Die Schranken umschreiben hingegen die Anforderungen der sozialen Ordnung, welche intersubjektiv gilt. Dazu muß das Selbstverständnis daraufhin geprüft werden, ob es mit der objektiven Ordnung verträglich ist. So wächst den Kirchen durch die Hinzuziehung des kirchlichen Selbstverständnisses keine Dispositionsbefugnis über die staatliche Rechtsordnung zu. Denn sie können die eigenen Angelegenheiten gem. Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV nur innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes ordnen und verwalten. Gleichzeitig beinhaltet die Feststellung, die karitative Tätigkeit zähle zu den eigenen Angelegenheiten der Kirchen, noch keine Aussage darüber, ob die Wohlfahrtspflege auch eine staatliche Angelegenheit ist. 1 2 3 Die Frage, ob die moderne konfessionelle Wohlfahrtspflege staatskirchenrechtlich in besonderer Weise gegen staatliche Finanzkontrolle geschützt ist, stellt sich daher erst auf der Schrankenebene.124 Bislang bleibt festzuhalten, daß die konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen am Schutz des Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV teilhaben. Sie sind daher grundsätzlich frei in der Ordnung und Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten.

2. Die Schranke des „für alle geltenden Gesetzes" Die Bestimmung der Schranken des Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV gehört zu den strittigsten Themen des Staatskirchenrechts. 125 Kaum noch vertreten wird die sog. Heckeische Formel 126 , nach der unter dem für alle geltenden Gesetz 121 BVerfGE 12, 1 (4); Listi in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 449, 452 f. 122 Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, S. 171 ff. 123 Denn auch die eigenen können zugleich staatliche und damit gemeinsame Angelegenheiten von Staat und Kirche sein (res mixtae); s. Isensee, in: HdbStKirchR 2, Bd. 2, S. 689 f., 730, der den Begriff der gemeinsamen Angelegenheiten ablehnt, da er einen verkürzten Grundrechtsschutz insinuiere. Nach h. M. bezeichnen denn auch die res mixtae kein eigenes Rechtsinstitut, das spezifische Rechtsfolgen bedinge. Es bringt allein zum Ausdruck, daß sich auf diesem Gebiet staatliche und kirchliche Gewährleistungs- und Regelungsansprüche überschneiden; s. Ehlers, ZevKR 32 (1987), S. 158 (179 f.); v. Busse, Gemeinsame Angelegenheiten von Staat und Kirche, S. 20 f.; anders v. Campenhausen, in: Mangoldt/Klein/v. Campenhausen, das Bonner Grundgesetz, Art. 137 Abs. 3 GG Rdn. 116. Insoweit tauchen hier die gleichen Fragen auf wie beim Begriff des „Öffentlichen" (s. u. Fn. 435). Daher ist es nicht maßgeblich, ob man die kirchliche Wohlfahrtspflege zu den gemeinsamen Angelegenheiten zählt, so z. B. M. Heckel, JZ 1994, S. 425 (429), oder nicht, so Ehlers, a. a. O., S. 178 f. 124 Konsequenz dieser Auffassung ist, daß die Probleme des Wirkens der Kirche in der Welt erst auf der Schrankenebene behandelt werden; s. Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, S. 433. 125 Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 20. 126 J. Heckel, VerwArch 37 (1932), S. 280 (284).

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das für die Gesamtnation unentbehrliche Gesetz zu verstehen sein sollte 127 . Aus der Formulierung „für alle geltendes Gesetz" läßt sich zunächst ableiten, daß nur solche Gesetze das kirchliche Selbstbestimmungsrecht einzuschränken vermögen, die nicht gezielt auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht Einfluß nehmen wol1Ofi

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len. Diese formale Voraussetzung ist notwendig, jedoch nicht hinreichend. Denn sie nivelliert den Schutz des Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV auf einen allgemeinen status negativus, läßt damit die Besonderheit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts außer acht. 130 Eine allgemeine Regelung kann aber die kirchlichen Vereinigungen härter treffen als sonstige Vereinigungen. a) Bereichsscheidung und Jedermann-Formel Daher interpretiert das Bundesverfassungsgericht die Schrankenformel auch inhaltlich. In einer ersten Phase versuchte es, kirchliche und staatliche Bereiche zu scheiden.131 Während das Gericht zunächst abstrakt die eigenen inneren Angelegenheiten der Kirche nach der „Natur der Sache" bestimmte, entwickelte es in der „Bremer-Pastoren-Entscheidung" die sog. „Jedermann"-Formel: „Für alle geltende Gesetze" sind danach nur solche, „die für die Kirche dieselbe Bedeutung haben wie für Jedermann. Trifft das Gesetz die Kirche nicht wie Jedermann, sondern in ihrer Besonderheit als Kirche härter, ihr Selbstverständnis, insbesondere ihren geistig-religiösen Auftrag beschränkend, also anders als den normalen Adressaten, dann bildet es insoweit keine Schranken." 132 Maßgeblich ist danach nicht die Regelungsintention des Gesetzgebers, sondern die Wirkung. Ob eine Regelung die Kirche härter trifft als Jedermann, entscheidet sich nach dem kirchlichen Selbstverständnis. Das kirchliche Selbstverständnis wird vom Gericht hier nicht - wie noch in der „Lumpensammler-Entscheidung" - zur Auslegung herangezogen, sondern erhält selbst normative Kraft. Auf das Problem der Finanzkontrolle konfessioneller Wohlfahrtseinrichtungen angewandt folgt hieraus: Die Ermächtigungsgrundlagen der BHO vermögen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nur dann einzuschränken, wenn sich die Religionsgemeinschaften hierdurch nicht härter betroffen sehen als andere Regelungsadressaten. Der besondere Widerstand kirchlicher Wohlfahrtsverbände gegen die staatliche Finanzkontrolle spricht dafür, daß sie sich besonders hart getroffen fühlen. Nach ihrem 127

S. zur Rezeption der Formel in Rechtsprechung und Literatur Hesse, in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 545 ff.; sowie Bock, Das für alle geltende Gesetz und das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, S. 59 ff., 207 ff. 128 Ehlers, in: Sachs (Hg.), Grundgesetz, Art. 137 WRV Rdn. 12. 129 V. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 120 f. 130 Morlok, Selbstverständnis als Rechtsprinzip, S. 433; Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 151. 131 BVerfGE 18, 385 (388); 42, 312 (334). 132 BVerfGE 42, 312 (334).

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Selbstverständnis ist die Tätigkeit von Caritas und Diakonie nicht bloß soziale Arbeit, geschweige denn bloße Wirtschaftstätigkeit wie bei anderen Subventionsempfängern. Konfessionelle Wohlfahrtspflege ist Ausdruck religiösen Wirkens und insofern härter durch Kontrollen oder Wirtschaftlichkeitsvorgaben getroffen als „profane" Regelungsadressaten. Diese Rechtsprechung ist zu Recht kritisiert worden. Gegen die Bereichsscheidung ist einzuwenden, daß man in Bereichen wie der Karitas 133 , in der die Kirche in der Welt mit der staatlichen Sozial- und Finanzierungsverantwortung zusammentrifft, kaum zwischen allein staatlicher und allein kirchlichen Bereichen trennen kann. 134 Nach der Bereichsscheidungslehre sind keine Differenzierungen möglich: Entweder handelt es sich nach dieser Auffassung um eine innere Angelegenheit der Kirche, die staatlich nicht beschränkt werden darf, oder es handelt sich nicht um eine innere Angelegenheit, dann darf der Staat umfassend regeln. 135 Zudem findet eine solche Bereichsscheidung keine Stütze im Wortlaut: Art. 137 Abs. 3 WRV differenziert nicht zwischen inneren und äußeren Angelegenhei.

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ten. Auch das alleinige Abstellen auf das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften ist wenig überzeugend. Der Schutzbereich kann zulässigerweise nach dem Selbstverständnis des Freiheitsrechtsträgers bestimmt werden. Auf der Schrankenebene gilt dies nicht mehr. Wenn sich kirchliches Handeln in der Welt mit staatlichen Regelungsbedürfnissen überschneidet, dann kann nicht allein die Religionsgemeinschaft darüber das letzte Wort haben, welche Regulierungen für sie noch hinnehmbar sind und welche nicht. Hier begibt sich Staat tatsächlich seiner Kompetenz-Kompetenz.137 Grundlage dieser Rechtsprechung war die sog. Koordinationslehre 138, nach der Staat und Kirche in einem naturrechtlich begründeten Koordinationsverhältnis stehen, gleichberechtigte Partner sind und unabgeleitete Hoheitsgewalt für die jeweils eigenen Bereiche besitzen 139 . Danach kann die Verfassung nicht bestimmen, 133 „Karitas" wird auch als übergreifender Terminus für die christliche Wohlfahrtspflege verwendet, während die „Caritas" nur die katholische Wohlfahrt bezeichnet. 134 Hesse, in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 550f. m. w. N.

135 Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, S. 144f.; v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 118 f. 136

Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, S. 181 f. 137 Herzog (1988), in: Maunz/Dürig, Art. 4 GG Rd. 104; Stolleis, ZevKR 18 (1973), S. 376 (388 f.); Wieland, Der Staat 25 (1986), S. 321 (334f.). 138 s. Wieland, Der Staat 25 (1986) S. 321 (334) und Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 25, die aufzeigen, daß der Verfassungsrichter Geiger Anhänger der Koordinationslehre war und die Rechtsprechung des BVerfG prägte. 139 S. den Sammelband von Quaritsch/ Weber (Hg.), Staat und Kirchen in der Bundesrepublik; Schiaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, S. 191; Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, S. 62 ff.; sowie Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 156 f. und S. 419 mit Fn. 3: Die Koordinationslehre gründete auf der Staat-

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sondern nur deklaratorisch verdeutlichen, wo die Grenzen der Staatsmacht der Kirche gegenüber verlaufen. Die Verfassung findet ihre Grenzen präkonstitutionell vor. Die Koordinationslehre ist heute jedoch weitgehend überwunden, und ihre Vertreter sind mehr oder weniger deutlich von ihren früheren Positionen abgerückt. 140 Die Kirchen besitzen nach heutigem Verständnis keine eigene, der staatlichen Hoheitsgewalt gleichgeartete Gewalt, sie sind Kirchen unter, nicht neben dem Grundgesetz. 141 Isensee begründet die Unbedenklichkeit der alleinigen Bezugnahme auf das kirchliche Selbstverständnis nun damit, daß das Selbstverständnis der Kirchen traditionsgefestigt, institutionell diszipliniert und vorkonstitutionell konzipiert sei. 1 4 2 Das kann aber nur bedingt überzeugen: Auch wenn Caritas und Diakonie in langer Tradition zum christlichen Auftrag gehören, so können nicht unter alleinigem Hinweis auf die Geschichte Besitzstände zementiert werden. 143 Die Kirchen können trotz aller Tradition der Gefahr unterliegen, bei mißliebigen Entwicklungen und Regulierungen leichthin einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht zu reklamieren 144 oder „Beliebiges als Religionsausübung auszugeben"145, denn es „hat sich bisher in den gerichtlichen Auseinandersetzungen die Glaubens- und Kirchenfreiheit im sozialen Bereich stets noch als die bestmögliche Garantie individuell gestalteter Hilfe erwiesen". 146 Aber: „Religions- und Kirchenfreiheit gelten gerade der unverkürzten Erfüllung des kirchlichen Auftrags in dieser Welt, gelten der bekenntnismäßig geforderten, nicht einer lediglich vordergründig nützlichen Eigenständigkeit." 147 Und sie werden sich, „ - wie es wohl auch sonst der Fall sein dürfte - im Zweifel immer durch das allgemeine Gesetz angesichts der eigenen Besonderheiten schwerer getroffen fühlen als Jedermann." 148 liehen Schwäche und der gestärkten kirchlichen Autorität nach dem 2. Weltkrieg; hierzu auch Maier in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 86 ff. 140 S. v. Campenhausen, ZevKR 39 (1994), S. 370 (374 f.): nur noch historisch von Bedeutung. 141

So der Titel der Staatsrechtslehrertagung 1967. In diesen Zeitraum fällt auch die Abkehr von der Koordinationslehre, s. im einzelnen Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, S. 70ff., 112ff.; ferner//. Weber, NJW 1983, S. 2541 (2541). 1 42 Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte?, S. 60f.; ihm folgend Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 156 f. 1 43 Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 27. 1 44 S. Stolleis, nach dem ein Hang dazu besteht, jede politische Schwierigkeit bei der Abgrenzung von Sozialstaat und Diakonie in ein staatskirchenrechtliches Problem zu verwandeln, ZevKR 22 (1973), S. 124 (127). 1 45 V. Campenhausen in: ders. /Erhardt (Hg.), Kirche - Staat - Diakonie, S. 10 (41). 146 Kuper, in: Winter (Hg.), Diakonie in Bindung und Freiheit, S. 66 (72). w Link, in: FS Thieme, S. 98 (118). 1 48 Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, S. 434; s. auch das Beispiel bei Bock, Das für alle geltende Gesetz und das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, S. 182: Die katholische Kirche nahm bis weit in das 19. Jh. das Recht auf körperliche Züchtigung in Anspruch, obwohl dieses mit dem Reichsstrafgesetzbuch von 1871 in Widerspruch stand.

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Insbesondere vermögen Bereichsscheidungslehre und Jedermann-Formel den Gesetzeszweck nicht zu gewichten. Nach der Jedermann-Formel wäre nicht maßgeblich, ob das Selbstbestimmungsrecht für nebensächliche oder für unentbehrliche Regelungsbedürfnisse eingeschränkt wird. 1 4 9 Das Bundesverfassungsgericht stellt daher seit 1980 auch nicht mehr allein auf die dogmatischen Modelle der Bereichsscheidung und der Schrankenprüfung nach der Jedermann-Formel ab, sondern führte die Güterabwägung auch in das Staatskirchenrecht ein. b) Güterabwägung In der „Sankt-Marien-Entscheidung" verwendet das BVerfG nicht die Jedermann-Formel, sondern wägt in Anlehnung an seine Rechtsprechung zu Art. 5 G G 1 5 0 zwischen Selbstbestimmungsrecht und Regelungszweck ab. Schrankenzweck und kirchliches Selbstbestimmungsrecht stehen danach in einer Wechselwirkung, in die die Bedeutung des Schrankenzweckes mit einfließt, das einschränkende Gesetz aber seinerseits der wertsetzenden Bedeutung des eingeschränkten Grundrechtes gerecht werden muß. 151 In der erforderlichen Güterabwägung sei dem Eigenverständnis der Kirchen besonderes Gewicht beizumessen.152 In diesem Fall kommt das Gericht zu dem Ergebnis, daß das kirchliche Selbstbestimmungsrecht dem Gesetzgeber gebiete, „den religiösen Vereinigungen eigene Wege offen zu halten, auf denen sie die erforderlichen Strukturverbesserungen und Erneuerungen an der Organisation des Krankenhauses unter Berücksichtigung der besonderen kirchlichen Aspekte und in der vom kirchlichen Selbstverständnis gebotenen Form verwirklichen." 153 Die Weiterentwicklung der Rechtsprechung überzeugt. Die Wechselwirkungslehre ist der Jedermann-Formel insofern überlegen, als sie das Gewicht der auf beiden Seiten stehenden Rechtsgüter berücksichtigen kann. Die Güterabwägung ermöglicht es, unter Verzicht auf eine „Zauberformer' für jeden Einzelfall Schrankenzweck und Selbstbestimmungsrecht in Beziehung zu setzen und maximal zur Geltung zu bringen. 154 14

9 Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, S. 434; zur Kritik der Jedermann-Formel s. ferner v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 129f.; ders., in: ders./Erhardt (Hg.), Kirche - Staat - Diakonie, S. 10 (48). 150 Insbesondere BVerfGE 7, 198, 208 ff. (Lüth); 20, 162, 176 f. (Spiegel); Gesamtdarstellung und Kritik bei Herzog (1982), in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdn. 257 ff. 151 Die wertsetzende Bedeutung läßt sich wohl nicht wie bei Art. 5 funktional begründen, da objektiv-funktionale Argumentation dem Selbstverständnis der Kirchen zu widersprechen droht, s. Goerlich, JZ 1995, S. 955 (957). 152 BVerfGE 53, 366, 2. LS und S. 401. 153 BVerfGE 53, 366 (405). 154 M. Heckel, in: VVDStRL 26 (1968), S. 5 (47 f.); v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 118; Hesse, in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 555 f.

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

Zumindest irreführend ist die Formulierung des Bundesverfassungsgerichtes, nach der innerhalb der Abwägung dem Selbstverständnis der Kirchen ein besonderes Gewicht zuzumessen ist 1 5 5 . Wenn die eigenen Angelegenheiten nach der neueren Wechselwirkungslehre in praktischer Konkordanz mit den staatlichen Regelungszwecken in Einklang gebracht werden können, dann muß dem kirchliche Selbstverständnis nicht besonderes Gewicht beigemessen werden. Eine Auslegung in praktischer Konkordanz berücksichtigt bereits die wertsetzende Bedeutung des eingeschränkten Rechts. Dann bedarf es nicht zusätzlich noch des besonderen Gewichts. 156

(1) Nicht einschränkbare Materien Das Bundesverfassungsgericht hat die Bereichsscheidungslehre als dogmatische Figur der Bereichsscheidung nach der Jedermannformel noch nicht gänzlich aufgegeben. Es gebe Bereiche, die der Einschränkung durch das allgemeine Gesetz gänzlich entzogen seien. 157 Das Gericht scheint aber dazu zu tendieren, allein einen Kernbestand rein innerer kirchlicher Angelegenheiten vom Gesetzesvorbehalt auszunehmen.158 Das ist vertretbar, da diese Bereiche regelmäßig zusätzlich durch die vorbehaltslos gewährleistete Religionsfreiheit geschützt sein werden und daher kaum eingeschränkt werden können. 159 Zu diesem Bereich zählt die karitative Tätigkeit der konfessionellen Wohlfahrtsverbände nicht, wie noch genauer zu zeigen sein wird 1 6 0 . Davon geht das Bundesverfassungsgericht implizit ebenso

155 BVerfGE 53, 366 (401); 66, 1 (22); 72, 278 (289). 156 Hesse, in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 555 Fn. 112. 157 BVerfGE 57, 220 (243); 66, 1 (19); zutreffend ist daraufhingewiesen worden, daß das BVerfG in der Goch-Entscheidung seinem eigenen methodischen Anspruch nicht gerecht geworden ist. Denn es macht nicht plausibel, wieso die von dem konfessionellen Krankenhaus angegriffenen Regelungen (Vorschlags- und Anhörungsrechte für Mitarbeiter in fachlichen Angelegenheiten, Pflicht der leitenden Ärzte, Nachgeordnete an Privathonoraren zu beteiligen) deren Selbstbestimmungsrecht in der Organisation spezifisch christlicher Krankenhäuser verletzt. Auf der anderen Seite gewichtet das Gericht nicht die Schrankenzwecke, sondern greift sinngemäß die Heckeische Formel wieder auf, wenn nicht allein vernünftige, sondern „nur dringende Gründe des allgemeinen Wohls, auch sozialer oder wirtschaftlicher Art" das Selbstbestimmungsrecht einschränken könnten. S. die insoweit berechtigte Kritik von Friesenhahn, in: FS Klecatsky, S. 247 (268 f.); Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, S. 435 ff.; Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 52; sowie das Sondervotum des Richters Rottmann, BVerfGE 53,408 (410 ff.). 158 Bock, Das für alle geltende Gesetz und das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, S. 148 ff. 159 S. Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 248. 160 S. u. S. 110 ff.; ferner Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 21. 161 BVerfGE 53, 366 (400).

Β. Abwehrrechte freier Wohlfahrtspflege

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(2) Abwägung nach betroffenem Bereich Wirken die Kirchen, nach einer von Quaritsch geprägten 162 und vom Bundesverfassungsgericht übernommenen 163 Formulierung, in den staatlichen Bereich hinein, dann öffnen sie das Selbstbestimmungsrecht für die allgemeine Gesetzgebung. Der Staat kann auf diesen Feldern gegebenenfalls gewichtige Regelungsbedürfnisse geltend machen, sei es um Grundrechte zu gewährleisten, dem Sozialstaatsgebot nachzukommen oder um seinen Haushalt zu schonen. Im Gegensatz zur Bereichsscheidungslehre Quaritschs muß aber bei diesen gemeinsamen öffentlichen Aufgaben innerhalb der Abwägung das kirchliche Selbstbestimmungsrecht hinreichend berücksichtigt werden. 164 Aus der Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts hat Alexy folgende methodische Regel herausgearbeitet, die er als das Abwägungsgesetz bezeichnet: „Je höher der Grad der Nichterfüllung oder Beeinträchtigung des einen Prinzips ist, um so größer muß die Wichtigkeit der Erfüllung des anderen sein" 165 . Abgewogen werden nicht Grundrechte, „sondern bereichsspezifische Qualitäten der Grundrechtsgebrauchs". 166 Innerhalb der Abwägung muß mithin festgestellt werden, wie stark in das geschützte Recht - hier das kirchliche Selbstbestimmungsrecht - eingegriffen wird. Während der Schutzbereich mehr räumlich-gegenständlich die Reichweite der eigenen Angelegenheiten bestimmt, kommt es nun auf die Tiefe, auf die Schutzintensität an. Hier muß zwischen unterschiedlichen eigenen Angelegenheiten unterschieden werden. „Je ausgeprägter eine Materie das religiöse Zeugnis zur Geltung bringt, desto sorgsamer wird die kirchliche Bestimmung zu achten sein. Handelt es sich hingegen um Randgebiete kirchlichen Handelns, in denen sie tief in den weltlichen Raum hineinwirkt, so kann das Gewicht der staatlichen Regeln wachsen." 167 Daß zwischen einzelnen Bereichen differenziert werden muß, wurde vom Bundesverfassungsgericht in der St-Marien-Entscheidung bestätigt 168 und ist kaum umstritten 169 . 162 Quaritsch, Der Staat 1 (1962), S. 175 (295). 163 BVerfGE 18, 385 (387 f.); 53, 366, (400); s. ferner Leisner, DÖV 1977, S. 475 (481); DegenhartI Lerche, in: Robert-Bosch-Stiftung (Hg.), Krankenhausfinanzierung in Selbstverwaltung, S. 42 ff. 164 BVerfGE 53, 366, (400). 165 V. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 188 f.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 145 f. 166 Neumann, DVB1. 1997, S. 92 (100). 167 Scheuner, in: Jung/v. Schlotheim/Weispfennig (Hg.), Autonomie der Kirche, S. 1

(22).

168 Hier spricht das Bundesverfassungsgericht von Randbereichen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, in denen staatliche Schrankenregelungen vertretbar erschienen, BVerfGE 53, 366 (401). 169 S. ζ. B. Leisner, in: Essener Gespräche 17, S. 9 (17 ff.); v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 122 f.; Hesse, in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 555; Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 246 f.; Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 153,159 f.

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

(3) Kirchliches Selbstverständnis als Maß der Betroffenheit? Streitig ist allein, wie das Ausmaß der Betroffenheit festzustellen ist. Dazu wird nämlich regelmäßig eingewandt, allein die Kirchen dürften darüber zu entscheiden, ob sie eine staatliche Regelung nur in der Randzone oder im Kernbereich trifft. 1 7 0 Diese Ansicht kann jedoch nicht überzeugen. Das Selbstverständnis ist heranzuziehen, kann aber nicht unhinterfragt übernommen werden. 171 Die Kirche kann nicht allein auf das theologische Verständnis einer Betätigung verweisen. So genügt ζ. B. nicht die pauschale Behauptung, die Betreuung von Kranken in modernen Großkliniken sei christliche Liebestätigkeit und gehöre damit zum absoluten Innenbereich der Kirchen 172 . Die Kirchen müssen darlegen, inwieweit sich das religiöse Moment verwirklicht, veräußerlicht 173, denn der Staat kann nur schützen, was für ihn identifizierbar ist 1 7 4 . Kirchlicher „Geist des Hauses" allein entzieht sich der Subsumtion.175 Davon geht auch Stolleis aus, wenn er meint: „Allen Beteiligten ist klar, daß die verfassungsrechtlichen und verfassungsgerichtlich entfalteten Garantien der karitativen Betätigung nur dann intakt bleiben, wenn diese eine entsprechende geistige Vitalität ausstrahlt." 176 Die Kirchen müssen plausibel 177 und widerspruchsfrei begründen, inwiefern karitatives Handeln gerade glaubensbestimmt ist 1 7 8 , denn erst hieraus erfährt der Staat im konkreten Fall die Dimension und Tragweite des kirchlichen Selbstverständnisses179. „Kirchliches Selbstverständnis, das beachtet werden will, darf nicht nur realitätsfernes Ideal sein oder Proklamation eines überzogenen Anspruches. Ernst zu nehmen ist es nur, wenn sich in ihm Taten oder zumindest Wille und Kraft zu Taten verkörpern. Ein Freiheitssubjekt beansprucht legitim nur den Kreis, den seine Wirksamkeit erfüllt, nichts drunter und nichts drüber." 180 Gefordert ist die schlüssige Darstellung, daß 170 Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 246 f.; Leisner, DÖV 1977, S. 475 (483). πι Hesse, in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 543, Fn. 73. 172

So aber Leisner, DÖV 1977, S. 475 (480); als „einfache" Lösung bezeichnet dies Friesenhahn, in: FS Klecatzky, Bd. 1, S. 247 (263). ™ Rinken, in: HdbStKirchR 1, S. 363. 174 V. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 84 zum parallelen Problem, ob überhaupt eine Religionsgemeinschaft vorliegt. 175 Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 23. i™ Stolleis, ZevKR 42 (1997), S. 476 (480). 177

Eine plausible Darlegung genügt nach Ansicht von Kästner auch für das parallele Problem, ob ein Kirchengut religiöse Bezüge aufweist, in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 905 f. 178 Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung; Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 28 f.; Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 158; Schiaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, S. 263; Stolleis, ZevKR 18 (1973), S. 376 (388). Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 158. 180

Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte, S. 61.

Β. Abwehrrechte freier Wohlfahrtspflege

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die karitative Tätigkeit der Kirchen kein „leeres" 181 oder „odioses" 182 Privileg genießt, sondern vom religiösen Selbstverständnis ausgefüllt 183 , „getränkt" 184 ist. Nur so lassen sich Regelungen, die nur marginal in das Selbstbestimmungsrecht tangieren, von schweren Eingriffen unterscheiden. Diese Differenzierungen können nicht allein den Kirchen überlassen werden. 185 Das widerspricht nicht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Kündigungsschutz für kirchliche Arbeitnehmer 186. Der Senat verwarf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, nach der über Loyalitätspflichten der Arbeitnehmer abhängig von deren Nähe zum spezifisch kirchlichen Auftrag zu entscheiden sei 1 8 7 . Damit wird aber nur kritisiert, daß die Gerichte an Stelle der Kirchen über die Nähe zum kirchlichen Bereich entscheiden. Demgegenüber ist vom kirchlichen Selbstverständnis auch nach der hier vertretenen Auffassung auszugehen. Das geäußerte Selbstverständnis muß aber noch die Gegenprobe durchlaufen, inwieweit es sich artikuliert und somit objektiviert. Eingehend prüft das Bundesverfassungsgericht erstmals im Baha'i-Beschluß das religiöse Selbstverständnis 188. Hier meint es - allerdings schon bei der Bestimmung des Schutzbereiches - allein die Behauptung oder das Selbstverständnis der Gemeinde reiche nicht aus, um die Berufung auf die Freiheitsgarantie des Art. 4 Abs. 1, 2 zu rechtfertigen. Erforderlich sei der Nachweis objektiver Kriterien wie geistiger Gehalt und äußeres Erscheinungsbild. 189 Ähnlich argumentiert das Bundesverwaltungsgericht in der Frage, ob Scientology eine Religion oder eine bloße Weltanschauungsgemeinschaft ist: Das Bekenntnis müsse hinreichend objektivierbar sein; das abstrakte Bekenntnis genüge für sich nicht, es komme auf das konkrete Wirken an, in dem sich das Selbstverständnis verwirkliche. 190 Es gibt keinen Grund, warum diese Rechtsprechung nicht auch auf das Wirken der Kirche in der Welt übertragen werden kann.

181 Isensee, in: HdbStKirchR 2, Bd. 2, S. 687. Leisner, in: Essener Gespräche (Bd. 17), S. 9 (27). 183 Geiger, ZevKR 26 (1981), S. 156 (164 f.). 182

184

Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 159. 185 So aber ζ. B. Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 285 mit Fn. 24. 186 BVerfGE 70, 138, 167 f. u. LS 3 u. 4. 187 S. etwa BAGE 34, 195 = NJW 1981, 1228; BAG, NJW 1984, 826 sowie die Zusammenfassung bei Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 88 ff. iss BVerfGE 83, 341; dazu Jeand'Heur, JuS 1992, S. 830 (831); Kästner, AöR 123 (1998), S. 408 (418 ff.); Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 63 ff. 189 BVerfGE 83, 341; ebenso BVerfG, NVwZ 1993, 957; ihm folgend BAG, JZ 1995, S. 951 (952f.) mit Anm. Goerlich, s. dazu Bock, AöR 123 (1998), S. 444 -475. 190 BVerwGE61, 152(159f.).

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

3. Zwischenergebnis Die karitative Tätigkeit der konfessionellen Wohlfahrtsverbände ist von Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV geschützt. Das Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten kann durch die für alle geltenden Gesetze beschränkt werden. Hierbei ist aber die wertsetzende Bedeutung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechtes zu beachten. Je näher die geregelte Materie dem spezifisch religiösen Handeln, und insoweit der vorbehaltslos geschützten Religionsausübung steht, desto gewichtiger muß der Regelungszweck sein. Je geringer der religiöse und höher der weltliche Bezug ist, desto schwächer wirkt der Schutz des Art. 140 GG i. V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV. 1 9 1 Im folgenden ist zu untersuchen, wieviel theologisches Gewicht die Kirchen in die Abwägung zwischen staatlichen Wirtschaftlichkeitsinteressen und kirchlichem Selbstbestimmungsrecht einbringen können.

4. Exkurs: Die Entzauberung des Helfens - oder: Vom Bedeutungsverlust religiöser Orientierung in der Wohlfahrtspflege a) Bestandsaufnahme konfessioneller Wohlfahrtspflege: Verlust des Propriums In der sozialwissenschaftlichen und sozialpädagogischen Literatur wird ebenso wie in den Fachkreisen von Caritas und Diakonie seit einigen Jahren der Verlust spezifisch kirchlicher Bezüge in der karitativen Praxis beobachtet.192 Schlagwörter der Entwicklung sind ζ. B.: „Entzauberung des Helfens" 193 oder die Buchtitel „Organisierte Nächstenliebe"194, „Unternehmen Barmherzigkeit" 195 , „Diakonie als Soziale Dienstleistung" 196 , „Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen" 197 . Allgemein wird beobachtet, daß die Tätigkeit von Caritas und Diakonie nur noch bedingt als Ausprägung wertgebundener, christlicher Liebestätigkeit beschrieben werden kann.

191

Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 153 ff. Dagegen aber jetzt Meyer, der die These der Säkularisierung christlicher Sozialarbeit widerlegen möchte, in: Jahrbuch für Europa- und Nordamerikastudien, Bd. 2, S. 225 ff. 193 Seibert in: Öhlschläger/Brüll (Hg.), Organisierte Nächstenliebe, S. 28 ff. 194 So der Titel des eben genannten Sammelbandes. 195 Von Öhlschläger und Brüll (Hg.). 192

196

Von Degen. M Von Rauschenbach / Sachße / Olk (Hg.).

Β. Abwehrrechte freier Wohlfahrtspflege

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(1) Von milieubezogener Solidarität zu öffentlich geplanten und finanzierten Leistungssystemen Die christlichen Wohlfahrtsverbände haben sich ebenso wie die weltlichen zu modernen Dienstleistungsunternehmen entwickelt. „Solidarität, mitmenschliche Zuwendung und Hilfe werden immer weniger als Ausdruck traditional verbürgter Fürsorgepflichten stabiler, kleinräumiger Lebens- Arbeits- und Wertgemeinschaften (Familie, Nachbarschaft, Gemeinde) verstanden und als freiwilliger Ausdruck von Anteilnahme und Gemeinschaftssinn geregelt. An die Stelle traditionaler Gemeinschaftsbezüge und freiwilliger Barmherzigkeit tritt ein System staatlich verbürgter Zwangssolidarität und bezahlter Nächstenliebe, das auf den Elementen gesetzlicher Anspruchsrechte, bürokratischer Verwaltungsapparate und hauptamtlichen Fachpersonals aufbaut. 4 ' 198 Deren Handlungsprogramme werden von staatlichen Stellen entscheidend mitgeprägt oder gemeinsam mit anderen Wohlfahrtsorganisationen und staatlichen Stellen entwickelt. Selbst von kirchlicher Seite wird eingeräumt, daß das Proprium konfessioneller Wohlfahrtspflege verblaßt. Regelmäßig wird dies vorwiegend als Folge staatlicher Einflußnahme gedeutet.199 Staatlich vorgegebene Pflegestandards und -sätze 200 , Zuwendungszwecke wie etwa auch staatliche Krankenhausplanung ließen den kirchlichen Einrichtungen kaum noch Raum für spezifisch kirchliche soziale Arbeit. Die Freiheit der freien Wohlfahrtspflege würde zur bloßen rhetorischen Floskel. 201 Aus dieser Sichtweise scheint es ungerechtfertigt, daß der Gesetzgeber die konfessionellen Einrichtungen „schleichend" durch „eine Politik der kleinen Schritte" 202 säkularisiert und dann wegen eben dieser Säkularisierung bei weiteren Maßnahmen geringeren verfassungsrechtlichen Schranken begegnet. Dieser Einwand geht jedoch aus zweierlei Gründen fehl.

198 Olk!Rauschenbach/Sachße, in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 28; am Rande sei hier erwähnt, daß karitative Vereine teilweise bereits dazu übergegangen sind, Mitglieder nicht mehr in ihrem nachbarschaftlichen oder wertgebundenen Milieu zu rekrutieren, sondern besondere Dienstleistungsunternehmen mit der Mitgliederwerbung beauftragen, s. Frank IReis! Wolf, Ideologie, S. 80 f. 199 So ζ. B. Winter, in: ders. (Hg.) Diakonie im sozialen Rechtsstaat, S. 79 (85); ders., in: Rau/Reuter/Schiaich, Das Recht der Kirche, Bd. III, S. 238 (251 f.).; Kaspar, Caritas '98 (Jb.), S. 17 (18 f.); Kuhn/Stoiber, Caritas '93 (Jb.), S. 51 (51 ff.); Feiler, Caritas '93 (Jb.), S. 56 (58); Isensee, in: HdBStKirchR 2, Bd. II, S. 684; ders., in: Robert-Bosch-Stiftung (Hg.), Krankenhausfinanzierung in Selbstverwaltung - verfassungsrechtliche Stellungnahmen, S. 102. Differenzierend: Kirchenamt der EKD (Hg.), Herz und Mund und Tat und Leben (Denkschrift), S. 42: Reglementierung nicht vom Staat an sich, sondern von Kostenträgern. 200 In der Pflege werden einzelne Leistungen wie Morgenwäsche oder Einkaufen mit der jeweiligen Punktzahl abgerechnet. Nach Ansicht der karitativen Dienste bleibt die nicht abrechenbare allgemeine Fürsorge und Zuwendung dadurch auf der Strecke. 201 Kuhn/Staiber, Caritas '93 (Jb.), S. 51 (52ff.). 2 2

0

Benda, Soziale Arbeit 38 (1989), S. 251 (255).

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

Erstens: Die Beteiligung am staatlichen Wohlfahrtssystem und an der Förderung engt zwar den Spielraum der konfessionellen Wohlfahrtspflege ein, jedoch weitestgehend freiwillig. Die Wohlfahrtsverbände fordern selbst immer die staatliche Finanzierung ein. Stets setzt ein „Windhundrennen" 203 der Wohlfahrtsverbände um ihre Beteiligung an staatlichen Förderprogrammen ein, obwohl sie dann an die Vergabebedingungen gebunden sind und nicht allein ihre Arbeitsschwerpunkte bestimmen können. Selbst wenn sie gleichzeitig ihre Eigenständigkeit gewahrt sehen wollen 2 0 4 , so kann diese „sowohl-als-auch-Strategie" 205 nicht aufgehen. Der gegeißelte „Staatsdirigismus" 206 ist kein Selbstzweck, sondern ist Ausdruck eines gewandelten Staats- und Grundrechtsverständnisses, nach dem die Bürger subjektive Rechte auf angemessene soziale Leistungen haben 207 . Es ist widersprüchlich, gleichzeitig unter Hinweis auf das Sozialstaatsprinzip den Staat auf die Gewährleistung sozialer Einrichtungen zu verpflichten, ihm dann aber Mitspracherechte über die Verwendung der Gelder abzusprechen, denn der Staat fördert konfessionelle Einrichtungen nicht um ihrer selbst willen 2 0 8 . Zudem sind die Wohlfahrtsverbände an der Sozialplanung, an der Festlegung von Zielen und Qualitätsstandards beteiligt, mithin nicht allein Adressaten hoheitlicher Regelungen. Der Grund dafür, daß die konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen trotz der Bedrohung des Propriums weiter im staatlichen Planungs-, Leistungs- und Finanzierungssystem inkorporiert bleiben wollen, liegt weniger darin, daß sie nicht anders könnten, sondern vielmehr darin, daß sie ihre heutige Größe - und damit auch die Chance mit der „ältesten und unmittelbarsten Bezeugung des Glaubens in der Öffentlichkeit präsent zu sein" 2 0 9 - erst durch die Ausweitung des Sozialstaates erlangten. 210 Zweitens: Die „schleichende Säkularisierung" ist nicht Ergebnis gezielter staatlicher Einflußnahme, sondern Ergebnis systembedingter Programmierung. Innerhalb organisierter Systeme kann es kaum Refugien geben. Die Planung und Organisation eines rechtlich garantierten Wohlfahrtssystems erfordert Programmierung 211 und läßt damit spezifisch christlichen Sozialleistungen wenig Raum - un203

Thamm, in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 356 (361). 204 S. etwa die Selbstdarstellung der freien Wohlfahrtspflege auf S. 53 f. der Gesamtstatistik der Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege, hg. von der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege; desweiteren beispielhaft Feiler, Caritas '93 (Jb.), S. 56 (58 f.). 2 05 Kuhn/Staiber, Caritas '93 (Jb.), S. 51 (53). 206

So etwa Völkl, in: Krautscheidt /Marré (Hg.), Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Bd. 8, S. 10; von „Sozialdirigismus" sprechen v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 186 und Benda, Soziale Arbeit 1989, S. 251 (253 ff.). 2 07 Friesenhahn, in: FS Klecatsky, S. 247 (249 ff.). 2 08 S. hierzu noch unten, S. 144 f. 2 09 Stolleis, in: v. Campenhausen (Hg.), Staat - Kirche - Diakonie, S. 188 (205). 210

S. zu Überlegungen in den konfessionellen Verbänden, sich aus den sozialstaatlich reglementierten und finanzierten Bereichen zurückzuziehen unten, S. 121 f.

Β. Abwehrrechte freier Wohlfahrtspflege

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abhängig davon, ob staatliche Stellen, kirchliche oder weltliche Wohlfahrtsverbände programmieren. Für Krankenversorgung, Behindertenhilfe, Kindergärtenbetriebe oder Altenhilfe werden Programme und Standards erstellt und ausgeführt. „In diesem Rahmen ist die Entscheidung, zu helfen oder nicht zu helfen, nicht Sache des Herzens, der Moral oder der Gegenseitigkeit, sondern eine Frage der methodischen Schulung und der Auslegung des Programms, mit dessen Durchführung man während einer begrenzten Arbeitszeit beschäftigt ist". 2 1 2 Die Programmaufstellung sowie die Programmausführung bestimmen fachliche Standards, nicht mehr vorwiegend Werte wie spezifisch christliche Nächstenliebe oder Arbeitersolidarität. Es überzeugt daher nicht, den „schwarzen Peter" für den Verlust des Propriums hauptsächlich beim Staat auszumachen. Entscheidender sind die Bürokratisierung und Professionalisierung der sozialen Dienste. Die Bürokratisierung folgt schon aus der Größe heutiger Diakonie und Caritas. Als Unternehmen mit Millionenumsätzen müssen sie professionell geführt werden und entfernen sich damit von der Basis der Kirchengemeinden. 213 Moderne Sozialarbeit und GesundheitsVersorgung richten sich zunehmend ausschließlich nach wertneutralen Fachstandards. 214 Die komplexen Sozialprogramme lassen sich nicht auf ein einheitlichen Profil des „Helfens" zurückführen. 215 Die konkrete Arbeit im Gesundheitswesen, in der Alten-, Drogen- oder Arbeitslosenhilfe ist hoch spezialisiert 216 und erfolgreich oder von hoher fachlicher Qualität, jedoch kaum spezifisch katholisch, evangelisch oder arbeitersolidarisch 217. Auch die Nachfrager sozialer Dienstleistungen orientieren sich zunehmend weniger am Träger denn an der Qualität einer Einrichtung.218 211 Luhmann, in: Otto / Schneider (Hg.), Gesellschaftliche Perspektiven der Sozialarbeit, S. 21 (32 f.); s. dazu jetzt Β reuning / Nocke, in: Luthe (Hg.) Autonomie des Helfens, S. 10 ( 17 -27). 212 Luhmann, in: Otto / Schneider (Hg.), Gesellschaftliche Perspektiven der Sozialarbeit, S. 34. Diese theoretische Annahme Luhmanns wird bestätigt durch die Aussagen der Vertreter des Bundesverbandes des DRK, nach dem 90% aller Initiativen gemeinsam mit staatlichen Stellen entwickelt werden, zumal keine Möglichkeit besteht, individuelle Hilfeleistungen außerhalb der vereinbarten Programme zu gewähren, s. Hüdepohl, Organisationen der Wohlfahrtspflege, S. 490 f. 213

Prognos AG, Freie Wohlfahrtspflege im zukünftigen Europa, S. 39: keine Führung und Verwaltung nach dem Modell „stadtteilbezogener Selbsthilfegruppen" mehr möglich. 214 Manderscheid, in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 228ff., 249f.; Olk!RauschenbachISachße, ebd., S. 22. 215 Nokielski/Pankoke, in: Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 142 (159). Siehe auch die Beiträge in Luthe (Hg.), Autonomie des Helfens, in denen der Versuch überwiegend skeptisch beurteilt wird, Sozialarbeit systemtheoretisch als eigenes gesellschaftliches Subsytem zu definieren, daß über den Code helfen / nicht helfen operiert. Denn die Sozialarbeit wird überwiegend nicht bei - nach der Sozialarbeit eigenen Kriterien - festgestellter Hilfsbedürftigkeit aktiv, sondern in Ausübung rechtlicher und politischer Programme. 2 16 Baldas, Caritas '95 (Jb.), S. 202 (207 f.); Kuper, in: Winter (Hg.) Diakonie im sozialen Rechtsstaat, S. 66 (69 f.). 2 17 Klug, Aus Politik und Zeitgeschichte 1995, Β 25-26, S. 43 (40).

8 Rogge

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

Heute unterscheidet sich das Profil der Großdiakonie nicht mehr wesentlich von dem weltlicher Einrichtungen. 219 „Ob eine Tätigkeit nur kompetente Sozialarbeit oder Ausdruck religiöser Spiritualität ist, entscheidet in erster Linie die Motivation der Mitarbeiter." 220 Kennzeichnend ist die Äußerung einer leitenden Fachkraft: „Zumal die Verbände fast alle ähnliche Arbeiten verrichten, ganz egal, was sie machen. Sie haben ambulante Dienste, sie haben stationäre Einrichtungen, sie haben Beratungsdienste. [ . . . ] Wenn man die Ideologie wegläßt, machen wir alle das gleiche." 221 (2) Rechtliche Verkirchlichung, inhaltliche Abkopplung der konfessionellen Wohlfahrtspflege Die Professionalisierung führt zu Spannungen zwischen Wohlfahrtsverbänden und Kirche. 222 Die rechtliche Verkirchlichung 223 kann die inhaltliche Entkopplung nicht vermeiden. 224 „Der vielzitierten Einheit von Caritas, Liturgie und Verkündigung [ 2 2 5 ] steht ein Auseinanderfallen der drei Bereiche gegenüber." 226 Profis und Pastorale sprechen unterschiedliche Sprachen. „Typische Konzepte in der Diakonie sehen so aus: zuerst kommt eine theologische Begründung der jeweiligen sozialen Arbeit, dann gibt es in der Regel einen Bruch, und unverbunden wird ein beraterisches, sozialarbeiterisches o. ä. Produkt entfaltet. Unverbundene, isoliert stehende Theologie formuliert Sinn; wenn es um die praktische Funktion geht, brechen Denken und Sprache der Theologen ab, sozialwissenschaftliche Sprache hebt an, und sie hat keine Begriffe für Sünde und Gnade und Vergebung, vielleicht steht ihr auch nicht der Sinn danach." 227 218 Oppi, Theorie und Praxis der sozialen Arbeit 1991, S. 128 (138); es bleiben freilich Bereiche, in denen es den Kunden gerade auf die Trägerschaft ankommt, s. etwa den Fall bei VGH Baden-Württemberg, ZevKR 32 (1987), S. 90-93 mit Anm. Stolleis. 219 Lienemann, in: Rau/Reuter/Schiaich (Hg.), Das Recht der Kirche S. 495 (505, 522); ebenso schon 1973 Landsberg, in: Meurer (Hg.), Diakonie und gesellschaftliche Veränderung, S. 33 (35): „Es unterscheiden sich ein evangelischer Kindergarten, ein ev. Kinderheim, ein ev. Altenheim, ein ev. Krankenhaus kaum oder gar nicht mehr von einer entsprechenden öffentlichen Einrichtung. Auch der Dienst eines Sozialarbeiters oder Sozialpädagogen in der Diakonie ist nicht mehr von der Tätigkeit eines im öffentlichen Dienst Beschäftigten zu unterscheiden." 220 Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 23; Frank!Reis! Wolf, Ideologie, S. 150 f. 22

1 Zit. nach Frank!Reis! Wolf, Ideologie, S. 132. Nokielski ! Ρ ankoke, in: Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 142 (148 f.); Degen, in: Winter (Hg.), Diakonie im sozialen Rechtsstaat, S. 31 (33). 222

223 224

S.o.Fn. 111. Ebertz, in: Öhlschläger/Brüll (Hg.), Unternehmen Barmherzigkeit, S. 39 (45 f.).

225 So etwa Abschnitt 2.2 des Synodenpapiers „Die Not der Gegenwart und der Dienst der Kirche", zitiert nach Hilpert, Caritas '90 (Jb.), S. 9 (13). 22 6 Puschmann, Caritas '97 (Jb.), S. 105 (111); Ebertz, in: Öhlschläger/Brüll (Hg.), Unternehmen Barmherzigkeit, S. 39 (46).

Β. Abwehrrechte freier Wohlfahrtspflege

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So fragt sich, wie die Kirchenleitung noch die konkrete soziale Arbeit beschreiben und nach außen vertreten soll. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist nicht das Selbstverständnis der karitativen Einrichtungen, sondern das der Kirche maßgeblich. Diese kann nach ihrem Selbstverständnis die karitativen Einrichtungen am kirchlichen Werk teilhaben lassen. Isensee spitzt das auf die Formulierung zu, allein die Lehre der institutionellen Kirche, nicht jedoch die Ansichten „avantgardistischer Mitarbeiter" seien maßgeblich.228 Wie aber sollen die Kirchen noch die Arbeit der Wohlfahrtswerke nach ihrem Selbstverständnis definieren, wenn sich diese zunehmend von theologischen Deutungsmustern entfernen, so daß die Theologie vielfach kaum noch Aussagen zu konkreten sozialen Programmen machen kann (soweit es sich nicht um breit diskutierte Programme wie die Schwangerschaftsberatung konfessioneller Wohlfahrtseinrichtungen handelt)? 229 Wie soll die Übereinstimmung der Ziele von Kirche und Einrichtungen festgestellt werden, damit diese der Kirche zuzurechnen sind 230 , wenn kirchlicherseits kaum eine Vorstellung von der konkreten Arbeit vor Ort besteht, das kirchliche Ziel sich auf „christliche Liebestätigkeit" beschränkt? So sind die Wohlfahrtsverbände nicht allein auf Autonomie gegenüber dem Staat, sondern auch gegenüber der Kirche bedacht.231 Selbstverständigung und Fremdverständigung fallen auseinander: „Gegenüber der Kirche betont die Diakonie die Erfordernisse der weltlichen Professionalisierungserwartungen, gegenüber dem Sozialstaat verweist sie auf ein gestaltungsfähiges und verpflichtendes „Proprium". 2 3 2 Wohlfahrtseinrichtungen und Kirche werden nicht unbedingt deswegen 227 Seibert, in: Pompey (Hg.), Caritas - Das menschliche Gesicht des Glaubens, S. 129 (136). S. auch das dortige anschauliche Beispiel, S. 129: „Dienstlicher Besuch in einer diakonischen Kurklinik. Drei sitzen an einem Tisch: Der Direktor der Einrichtung, der von Beruf Pfarrer ist, der leitende Arzt und ich. Wie das Gespräch beginnen? Sagt der Arzt: „Herr Direktor, machen Sie doch ein paar allgemeine Worte; unsere Arbeit stelle ich dann schon vor". Aufschlußreich ist auch Einschätzung der theologischen Abteilungen in den Diakonischen Werken von Beck in: Winter (Hg.), Diakonie in Bindung und Freiheit, S. 106 (108): „Die Theologie in der Diakonie ist ein weites Feld, auf dem viele bunte Blumen blühen. Mitglieder und Kirche als Auftraggeber geben keine operationalisierbaren Ziele vor. [ . . . ] Die Arbeit kann in relativer Ungestörtheit getan werden. Ihre Ergebnisse drücken sich hauptsächlich in der Produktion von Papieren aus." Auch die Auseinandersetzung um die kirchliche Schwangerschaftsberatung läßt sich als ein solcher Konflikt zwischen sozialpädagogischem und theologischem Verständnis deuten. Dies gilt selbst dann, wenn sich die deutsche katholische Kirche für die Beratung in der bisherigen Form einsetzte. 228

Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte?, S. 61 f. 9 FrankIReis! Wolf, Ideologie, S. 154f. 2 30 S. etwa BAG, NJW 1988, S. 3283 (3284 ff.) im Anschluß an BVerfGE 46, 73 (87) Goch - ; 53, 366 (392) - St. Marien - . 22

2

31 Isensee, in: HdbStKirchR 2, Bd. 2, S. 665 (680). Lienemann, in: Rau/Reuter/Schiaich (Hg.), Das Recht der Kirche, Bd. III, S. 495 (506 f.). S. auch Scheuner, zitiert nach Isensee (o., Fn. 231), der die diakonischen Einrichtungen mit Küken verglich, die ausschwärmen, aber sobald der Habicht naht, sich wieder an die Glucke drängen. 232

8*

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

organisatorisch verbunden, weil die Kirche an einer Aufsicht interessiert ist; kirchliches Recht wird nicht in den Satzungen der Diakonie angeschlossener Vereine für verbindlich erklärt, weil die Kirche dies als theologisch notwendig erachtet, sondern weil nur so der staatskirchenrechtliche Sonderstatus legitimiert werden kann. 233 Anders formuliert: Das Innenverhältnis zwischen karitativem Verein und Kirche wird im Hinblick auf das Außenverhältnis des Vereins zum Staat ausgestaltet, nicht umgekehrt. Auf unterer Ebene kooperieren konfessionelle Wohlfahrtsvereine mit öffentlichen oder anderen freien Trägern und gründen gegebenenfalls gemeinsame Trägervereine. 234 Dies kann jedoch auf Skepsis seitens der Kirchenund Verbandsleitung stoßen 235 , da diese hierdurch ihr spezifisches Wertprofil bedroht sieht.

(3) Sinkende Konfessionalität der Mitarbeiter Wenn die Mitarbeitermotivation über das Proprium entscheiden soll 2 3 6 , dann hängt dies von der Spiritualität der Mitarbeiter ab. Die christliche Wohlfahrtspflege ist vom gesellschaftlichen Trend der Entkonfessionalisierung indes nicht unbeeinflußt geblieben. Die Zahl tätiger Christen sinkt ebenso kontinuierlich wie Caritas und Diakonie expandieren. Bis vor 40/50 Jahren wurde die Arbeit der Caritas noch wesentlich von Priestern, Ordensfrauen und -brüdern geprägt. 237 Der Anteil der Ordensangehörigen in der Caritas reduzierte sich von 57% im Jahr 1950 auf 4,5% im Jahr 1993. 238 Die konfessionellen Wohlfahrtsverbände sahen sich daher seit den 50'er Jahren gezwungen, vermehrt nichtreligiöse Mitarbeiter zu beschäftigen, wollten sie nicht einen Großteil der bestehenden Werke aufgeben. 239 Vielfach arbeiten auch Nichtchristen und Angehörige anderer Religionen in konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen. 240 Heute bekennen sich weniger als die Hälfte der Mitarbeiter diakonischer Einrichtungen zu einer ausdrücklich christlichen Motivation 233

Damit begründet zumindest Winter den notwendigen rechtlichen Rahmen diakonischer Einrichtungen, in: ders. (Hg.), Diakonie in Bindung und Freiheit, S. 47ff.; ders., in: Rau/ Reuter/Schiaich (Hg.), Das Recht der Kirche, S. 238, 251 f., 257f.; s. a. Isensee in: HdbStKirchR 2, Bd. 2, S. 665 (681); Leisner, in: Essener Gespräche, Bd. 17, S. 9 (25 f.); v. Campenhausen, in: ders./Erhardt (Hg.), Kirche - Staat - Diakonie, S. 10 (23f.). 234 Manderscheid, in: Rauschenbach / Sachße / Olk (Hg.), Von der Weitgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 228 (241); Pompey, Caritas '93 (Jb.), S. 11 (23). 235 S. das Beispiel von Degen, Diakonie als soziale Dienstleistung, S. 119. 23 6 S. o. Fn. 220. 23 7 Pompey, Caritas '93 (Jb.), S. 11 (19). 238

Rauschenbach/Schilling, in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 321 (337 f.). 239 BeyerINutzinger, in: Sachße (Hg.), Wohlfahrtsverbände im Wohlfahrtsstaat, S. 155 (163). 24 0 Jäger, Caritas '91 (Jb.), S. 68 (72); v. Campenhausen, Essener Gespräche Bd. 18 (1984), S. 28 f.

Β. Abwehrrechte freier Wohlfahrtspflege

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ihrer Tätigkeit. 241 Professionelle fühlen sich wohl überwiegend der Kirche loyal verbunden. Loyalität heißt jedoch nicht notwendig Identifikation, und die tägliche Arbeit wird kaum durch religiöse Maßgaben, sondern durch Fachlichkeit angeleitet. 2 4 2 Konsequenterweise gehört der Arbeitsplatzwechsel zwischen konfessionellen und nicht konfessionellen Verbänden zur Normalität. 243 Stärker christlich motiviert sind die Ehrenamtlichen, deren Zahl und Bedeutung aber sinkt. 244 Die ehrenamtlichen Vorstände der Vereine werden zunehmend mit externen Fachleuten besetzt, die zwar ehrenamtlich, aber nicht mehr notwendig christlich motiviert sind. 245 Die arbeitsrechtlichen Sonderregelungen für karitative Einrichtungen, die auf dem Ideal der Dienstgemeinschaft beruhen, lassen sich daher nur noch unabhängig von der „subjektiven Aufnahme" des konfessionellen Identitätsmoments durch die Mitarbeiter legitimieren. 246

b) Zukunft des Propriums Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes muß der Staat den Kirchen „Wege offenlassen", um Krankenhäuser nach spezifisch christlichen Maßstäben zu organisieren. 247 Wenn, wie Depenheuer meint, allein die Möglichkeit genügt, die karitativen Leistungen mit christlichen Inhalten zu füllen 248 , dann muß nach den Perspektiven des Propriums gefragt werden. Sind die konfessionellen Wohlfahrtsverbände hierzu in der Lage, bevor von der staatlichen Rechtsordnung „ein normativ-qualitativer Umschlag" 249 konstatiert wird und die konfessionelle Wohlfahrtspflege ihre verfassungsrechtliche Sonderstellung verwirkt 250 ? Die Wiederbelebung des Propriums ist natürlich eine eigene Angelegenheit von Caritas und Diakonie. 251 Es könnte sich jedoch erweisen, daß die strukturellen Voraussetzungen alle Wiederbelebungsbemühungen begrenzen. 252 241 Ebertz, in: Öhlschläger/Brüll (Hg.), Unternehmen Barmherzigkeit, S. 39 (44). 242 FrankIReis! Wolf Ideologie, S. 146ff. 243 Frank!Reis! Wolf Ideologie, S. 32ff. 244 s. o. S. 17 f.; kritisch zur Bedeutung des Ehrenamtes in der Caritas noch: Baldas, caritas'95 (Jb.), S. 205 (209 f.). 245 Frank/Reis/Wolf Ideologie, S. 75 ff.: Es werden ζ. B. Kaufleute oder Banker in die Vorstände geholt, damit die zu teilweise mittelständischen Unternehmen angewachsenen karitativen Vereine adäquat beaufsichtigt werden können. 246 Jurina, ZevKR 29, S. 171 (178). 247 BVerfGE 53, 366 (405). 248 Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 158 ff., 284 ff. 249 Stolleis, ZevKR 18 (1973), S. 376 (388). 250 Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 285. 251 Isensee, Kirchenautonomie und sozialstaatliche Säkularisierung, S. 52: „Das Verfassungsrecht gewährleistet die institutionellen Bedingungen, unter denen sich das kirchliche Proprium entfalten kann. Die tatsächliche Entfaltung ist Chance und Risiko der Kirche selbst."

Teil 2: Priifungsbeschränkungen durch Grundrechte

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(1) Leitbilder Speziell die kirchlichen Wohlfahrtsverbände suchen die Spannungen zwischen Anspruch und Wirklichkeit durch Leitbilder zu lösen. Sie sollen die Klammer bilden zwischen theologischem Selbstverständnis und karitativer Arbeit und so das Proprium wiederbeleben. 253 Die politisch und rechtlich fragwürdig gewordene Privilegierung der gemeinnützigen vor den gewerblichen Anbietern sowie die Sonderstellung der konfessionellen Wohlfahrtsverbände könnten Leitbilder relegiti254

mieren. Nur befinden sich die konfessionellen Wohlfahrtsverbände dabei in einem „strukturellen Dilemma". 255 Entweder werden Leitbilder von der konfessionellen Leitung vorgegeben, die Besonderheiten geistlicher „corporate identity" den „unbewußten" Mitarbeitern verdeutlicht. 256 Solchen Leitbildern droht das Schicksal, nicht im täglichen Handeln der Organisationsmitglieder gelebt und bestätigt zu werden, sondern nur „konfessionelle Schale" eines „entkonfessionalisierten Kerns" 257 , bloßer symbolischer Überbau zu sein, der zudem benötigte potentielle Mitarbeiter ausgrenzt 258. Oder es sollen sich ebenso die nicht spezifisch konfessionellen Mitarbeiter in dem Leitbild wiederfinden, dann unterscheidet sich dieses aber nicht mehr wesentlich von den Leitbildern anderer Wohlfahrtseinrich259

tungen. 252 Nach Isak reicht es aus, wenn sich die Kirchen bemühen, das Selbstverständnis in die Tat umzusetzen. Die kirchliche Auftrag sei notwendig auf hohe Ideale, auf Vervollkommnung gerichtet; daher dürfe der Staat den Kirchen nicht vorhalten, diese Ideale noch nicht verwirklicht zu haben (Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 148 f.). Aber: „Kirchliches Selbstverständnis, das Beachtung finden will, darf nicht nur realitätsfernes Ideal sein oder Proklamation eines überzogenen Anspruchs", so zutreffend Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte?, S. 61. Der gute Wille und das Bemühen können Vollzugsdefizite, nicht jedoch Widersprüche aufheben. 2 53 S. Zerfaß, Caritas '93 (Jb.), S. 27 (29 ff.); Ebertz, in: Öhlschläger/Brüll (Hg.), Unternehmen Barmherzigkeit, S. 39-62; Degen, Diakonie als soziale Dienstleistung, S. 85 ff., 99ff.; Nokielski/Pankoke, in: Evers/Olk, Wohlfahrtspluralismus, S. 142 (151 f.); Nokielski, in: Öhlschläger/Brüll (Hg.), Unternehmen Barmherzigkeit, S. 63 (67 ff.); Jäger, Caritas '91 (Jb.), S. 68 ff., 72 ff.; Voss, Caritas '97 (Jb.), S. 9 (10); Diedering, Caritas '98 (Jb.), S. 342 ff. Der Deutsche Caritasverband hat und die Diakonie haben 1997 Leitbilder beschlossen; s. zur Caritas Puschmann, Caritas '97 (Jb.), S. 105 (105 ff.); ders., Caritas '98 (Jb.), S. 30 (32 f.); das Leitbild der Diakonie wurde veröffentlicht in: Kirchenamt der EKD (Hg.), Herz und Mund und Tat und Leben, S. 76 ff. 2 54 Puschmann, Caritas '97 (Jb.), S. 105 (108 f.). 255

Merchel, in: Rauschenbach / Sachße / Olk (Hg.), Von der Weitgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 297 (307 ff.). 2 56 So Pompey, Caritas '93 (Jb.), S. 11 (22). 2 57 Ebertz, in: Öhlschläger/Brüll (Hg.), Unternehmen Barmherzigkeit, S. 39 (46). 258 Merchel, in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Weitgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 297 (309 f.), der aufzeigt, daß die Mitarbeiterwerbung von Caritas und Diakonie jeden konfessionellen Bezug vermissen läßt.

Β. Abwehrrechte freier Wohlfahrtspflege

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Zudem fällt auf, daß betriebswirtschaftliche Zielvereinbarung 2 6 0 mit Werteleitbildern, der „corporate identity", verklammert w i r d 2 6 1 . Damit wird das Auseinanderfallen von Rationalität und M o t i v a t i o n 2 6 2 , von Funktion und S i n n 2 6 3 , nur verdeckt. Die säkularisierte universalistische, zweckrationale Sozialarbeit wird durch zufriedenere, motiviertere Mitarbeiter nicht partikulär christlich. 2 6 4 Es ist daher anzuzweifeln, daß die „Scherenentwicklung, die aus der religionsrechtichen Gültigkeit des kirchlich-konfessionellen Identitätsmoments und seiner nachlassenden sozialen Geltung erwächst, durch Leitbildprozesse aufgehoben werden k a n n . " 2 6 5

(2) Entwicklungstendenzen Schließlich ist zu fragen ob die weitere Entwicklung in der freien Wohlfahrtspflege eine Renaissance des Propriums erwarten läßt.

259 S. Pompey, in: ders. (Hg.), Caritas - Das menschliche Gesicht des Glaubens, S. 10: „Unbestritten: fast alle Konzepte und Leitbilder der deutschen Wohlfahrtsverbände gründen bereits auf einem gemeinsamen Grundkonsens. Unterschiede im Selbstverständnis der Sozialarbeit sind kaum noch erkennbar." Weiter in Fn. 9: „Viele inhaltliche Aussagen und Konsequenzen der Leitbilddiskussion des Deutschen Caritasverbandes können heute von jeder freien Wohlfahrtsorganisation problemlos übernommen werden, wenn die christlichen Termini in allgemeine, humane Begriffe umformuliert würden. Beispielsweise könnte das DCVLeitwort des Jubiläumsjahres „Not sehen und Handeln" die Arbeiterwohlfahrt wie der Paritätische Wohlfahrtsverband ebenso für sich in Anspruch nehmen". Gegen eine solche „Selbstsäkularisierung" mit gewohnter Ausdruckskraft Isensee (oben Fn. 231, S. 686): „Sie geht dahin, Caritas nur noch als Sozialarbeit zu verstehen, allein der Funktionsgesetzlichkeit zu folgen und die religiöse Fundierung dahinstehen zu lassen oder aber sie durch eine humanitäre Legitimation, durch eine heute landläufige Sozialideologie zu ersetzen, in der sich das Seelenheil zum Sozialheil, die Nächstenliebe zum Randgruppenkult wandelt und so das soziale Prinzip, an sich ein Derivat des Christentums, zu seinem Surrogat mutiert, zum Religionsersatz, und die geistliche Legitimation verkommt zur ze/fgeistlichen Legitimation". 260 Zur rein betriebswirtschaftlichen Ziel Vereinbarung in einem Caritas-Verband s. etwa Obermair/Neubarth/ Jokisch, Caritas '96 (Jb.), S. 59 ff. 261 So bei Degen, Diakonie als soziale Dienstleistung, S. 99 ff. 262 Luhmann, Verwaltungsarchiv 1993, S. 287 (303): Es kommt dann zwar zu Bemühungen um eine bessere Organisationskultur, um „corporate identity", um Ideologisierung der Organisationsziele, die genau an dieser Bruchstelle [zwischen Rationalität und Motivation, d. Verf.] ansetzen. Aber die Bemühung selbst verrät das Problem. Sie erzeugt nur eine neue Mystifikation an der Stelle, wo wir ( . . . ) eine Paradoxie vermuten müßten. 263 Seibert, in: Pompey (Hg.), Caritas - Das menschliche Gesicht des Glaubens, S. 129 (134); ders. in: Ohlschläger/Brüll (Hg.), Unternehmen Barmherzigkeit, S. 25 (26). 264 Nur als Anmerkung: Bislang ist noch kein „weltlicher" Wohlfahrtsverband auf die Idee gekommen, daß er durch seine Leitbilder den Schutz der Weltanschauungsfreiheit erwerbe. 2

65 Ebertz, in: Öhlschläger/Brüll (Hg.), Unternehmen Barmherzigkeit, S. 39 (46); skeptisch auch Merchel, in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 308 f.; Frank ! Reis ! Wolf, Ideologie, S. 29 f.

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

(a) Private Konkurrenz Es ist absehbar, daß die freie Wohlfahrtspflege vom Staat nicht mehr privilegiert werden wird. Die Pflegeversicherung leitete den Umbruch ein, indem nach § 11 Abs. 2 SGB X I das Subsidiaritätsprinzip auf private - d. h. gewerbliche - Pflegeeinrichtungen ausgedehnt wurde. Private werden an Pflegesatzvereinbarungen beteiligt, so daß niedrigere, „gedeckelte" Leistungsentgelte von den Kostenträgern ausgehandelt werden können. 266 Die privaten Pflegedienste haben innerhalb weniger Jahre erhebliche Marktanteile gewonnen.267 Die neue Konkurrenz zwingt die freien Wohlfahrtseinrichtungen zu ökonomischen Reformen. 268 Die Konkurrenz auf dem Markt der Dienstleistungsanbieter wird sich in einer europäischen Sozialordnung noch verschärfen. 269 Selbst wenn ζ. B. die Caritas versucht, die gesicherte Stellung der freien Träger in der Zusammenarbeit mit dem Staat auf die europäische Ebene zu übertragen 270, so ist doch absehbar, daß sich das deutsche Sondermodell 271 nicht halten lassen wird, sogar die Gemeinnützigkeit ist in Gefahr 272 . (b) Neue Steuerungsmodelle Der Trend zu modernen Dienstleistungsunternehmen mit austauschbarem Leistungsprofil wird sich durch neue Steuerungsmodelle noch verschärfen. Die Kostenträger werden in Verhandlungen Leistungspakete mit den Leistungserbringern schnüren. Das Entgelt wird budgetiert, d. h. Gewinne und Verluste trägt allein die Einrichtung. Hierdurch werden die Dienste kommerzialisiert. 273 Leistungs266 s. Backhaus-Maul, NDV 1996, S. 280 (284 f.). 267 s. Heinze/Strünck, in: Evers/Olk (Hg.) Wohlfahrtspluralismus, S. 294 (308 ff.): teilweise 50-70%; nach Schätzungen der AOK werden 49% der ambulanten Pflegedienste von gemeinnützigen Trägern, 46% von Privaten und fünf Prozent von öffentlichen Trägern betrieben, s. FAZ vom 10. Nov. 1998, S. 14. 268 Einstweilen können die Wohlfahrtsverbände den harten Preiskampf noch abwehren, da sie im Gegensatz zu den Privaten auch noch Zuwendungen erhalten. 269 Prognos AG, Freie Wohlfahrtspflege im zukünftigen Europa, S. 33 f.; Schulte, ZIAS 6 (1992), S. 191-232. 270

S. die Erklärung des Zentralrates des deutschen Caritasverbandes, beschlossen auf der Jubiläumstagung zum hundertjährigen Bestehen der Caritas, FAZ vom 11. 11. 1997, S. 4; die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege fordert, von der EU als Sozialpartner anerkannt zu werden, s. Evers, ZfSozRef 1997, S. 208 (223). 271 Eine ähnlich starke Stellung der Wohlfahrtsverbände findet sich mit Modifikationen nur in Holland und Belgien, s. Schmid, in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 428 (435ff.); ders., in: Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 186 (197); Loges, Entwicklungstendenzen freier Wohlfahrtspflege im Hinblick auf die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes, S. 133 ff., 150 ff. 272 Olk, in: Rauschenbach / Sachße / Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 98 (110). 273 Wohlfahrt, Neues Beginnen 47 (1996), S. 27-32.

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pakete können ausgeschrieben werden. Die staatlichen Stellen kaufen dann nur noch vorher definierte Leistungen ein, in denen die Werteorientierung der Einrichtungen, ob katholisch oder sozialdemokratisch, ob privat oder gewerblich, keine Rolle mehr spielt. 274 „Die Einrichtungen und deren Leistungen werden nunmehr nicht den staatlichen Bürokratien, sondern denen anderer privater Anbieter immer ähnlicher werden. Von diesen unterscheiden sie sich im Extremfall nur noch durch das Logo im Briefkopf und das Schild an der Eingangspforte." 275 (c) Entkonfessionalisierung Die Entkonfessionalisierung der Bevölkerung wird sich zumindest auf absehbare Zeit nicht ins Gegenteil verkehren. Ein besonderes Problem ist für Caritas und Diakonie die weitgehend atheistische Umwelt in den neuen Bundesländern. 276 Hier ist es besonders schwierig, aktive Christen für den Dienst in den karitativen Einrichtungen zu gewinnen. 277 c) Zusammenfassung Insgesamt muß ein nüchternes Fazit gezogen werden. Das Proprium ist in den modernen Dienstleistungsunternehmen Caritas und Diakonie verblaßt, teilweise bis zur Unkenntlichkeit. Der Anspruch, nicht nur „Einrichtungen mit angebauter Kapelle zu sein" 278 , kann sich gegen Professionalisierung, Bürokratisierung, Ökonomisierung, Säkularisierung und gegen die Einbindung ins staatliche Planungsund Finanzierungssystem nicht durchsetzen, zumal wenn gegen letzteres die überkommenen verbandlichen Legitimationsmuster der Subsidiarität und der Werteorientierung nicht mehr aufrecht erhalten werden können. Gegen die säkulären Entwicklungstrends des modernen Sozialstaates kommt das kirchliche Selbstverständnis nicht an; auch Leitbildprozesse werden das Proprium nur sehr begrenzt wiederbeleben können. Zusätzliche Andachten oder theologische Worte ändern nicht die Wirklichkeit des sozialen Dienstes.279 274 Backhaus-Maid, NDV 1996, S. 280 (285 ff.). 275 Nokielski/Pankoke, in: Evers/Olk, Wohlfahrtspluralismus, S. 142 (151 f.) für den Fall, daß die konfessionellen Wohlfahrtsverbände im Wettbewerb mit privaten Anbietern konkurrieren wollen. 276 Puschmann, Caritas '97 (Jb.), S. 105 (106 f.). Zu den Bemühungen der Kirchen, durch Staatskirchen Verträge mit den neuen Bundesländern verlorenes Terrain wiederzugewinnen s. einerseits kritisch Renck, ThürVBl. 1995, S. 31 ff., sowie andererseits die Replik und Zusammenfassung von v. Campenhausen, NVwZ 1995, S. 757 (761 ff.). 277 Angerhausen / Backhaus-Maul / Schiebel, in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 377 (385); Merchel, ebd., S. 297 (311). 278 Jäger, zitiert nach Degen, Diakonie als soziale Dienstleistung, S. 138. 279 s. Meurer, in: ders. (Hg.), Diakonie und gesellschaftliche Veränderung, S. 57 (59, Fn. 9): Proprium reduziert sich auf Andachten und Tischgebete.

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

Der Verweis darauf, die Kirchen hätten genügend Zeit, um ihren Einrichtungen wieder spezifischen Geist einzuhauchen, bevor die privilegierte Stellung in Gefahr gerät 280 , ist nicht viel mehr als ein argumentativer Notnagel. Zweifel an der Besonderheit der konfessionellen Wohlfahrtspflege werden auch in kirchlichen Kreisen seit über 25 Jahren geäußert 281, vereinzelte Kritik findet sich schon in den 20'er Jahren 282. Die Widersprüche zwischen Selbstverständnis und der Realität der sozialen Arbeit sind seitdem noch deutlicher geworden, allein schon deswegen, weil die konfessionellen Wohlfahrtsverbände in diesem Zeitraum mit der gesamten freien Wohlfahrtspflege noch erheblich gewachsen sind: Die Zahl der Einrichtungen verdoppelte sich von 1970 bis 1996 beinahe, die Zahl der Beschäftigten vervierfachte sich sogar fast. 283 1994 zählte allein die Caritas mehr Beschäftigte als die gesamte freie Wohlfahrtspflege im Jahr 1970. 284 So rät Isensee der katholischen Kirche, zumindest das Wachstum der Caritas davon abhängig zu machen, inwieweit die Tätigkeit geistig geprägt und durchdrungen werden kann: „Caritas also nach Maßgabe der religiösen Potenz." 285 Denn er ahnt: „Der staatskirchenrechtliche Status, der nicht mehr vom kirchlichen Leben erfüllt wird, gerät zum leeren Privileg." 286 Stolleis überlegt bereits 1973, die Kirche solle „traditionelle Tätigkeitsgebiete verlassen, in denen das eigentliche geistliche Element verblaßt ist und der Sozialstaat mit seinem umfassenden Versorgungsanspruch nachrückt." 287 Ebenso wird von theologischer 288 und verband280

So Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 285, der meint, die Kirchen ständen nicht unter Zeitdruck. Art. 137 Abs. 3 halte „Wege offen". Dies stehe einer allzu schnellen Verwirkung dieser Verfassungsposition entgegen. 281 S. vor allem die Beiträge von Meure r, Landsberg und Le ich in dem von Meurer herausgegebenen Band: „Diakonie und gesellschaftliche Veränderung" (1973); sowie aus staatskirchenrechtlicher Sicht Stolleis, ZevKR 18 (1973), S. 376 (400 f.); Rinken, in: HdbStKirchR 1, Bd. 1 (1975), S. 362 ff., 366 ff. mit Hinweisen auf die ältere Literatur. 282

Kaiser, Caritas '97, S. 24 (31): „So beschrieb der Franzose Maurice Barrés 1921 bissig die Caritasorganisation und ihren wissenschaftlichen Anspruch als ,Ende des Geistes der Barmherzigkeit 4. Der Apparat lasse verdorren, was es eigentlich fördern wolle, das Feuer der Liebestätigkeit stehe kurz vor dem Erlöschen. Die Organisation der Caritas funktioniere nurmehr als wie der findige Mechanismus einer Zentralheizung, an deren Reglern Statistiker und Professoren säßen; die wahre Humanität bliebe dabei auf der Strecke". Ahnlich ein Zitat von Wex aus dem Jahe 1926 bei Oppi, Theorie und Praxis der sozialen Arbeit 1991, S. 128 (129): „Das ganze Programm (der freien Wohlfahrtspflege) gemahnt in nahezu erschreckender Weise an die großen Kartelle der Wirtschaft. Auch hier in den Spitzenorganisationen der freien Fürsorge ist die Rationalisierung - wenigstens der Idee und der Absicht nach - im Fortschritt begriffen... Wo bleibt aber noch das der freien Fürsorge Eigentümliche?" 283 S. die Gesamtstatistik der Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege, Stand: 01. 01. 1996, hg. v. d. BAG der freien Wohlfahrtspflege: Einrichtungen 1970: 52.478, 1996: 91.204; Beschäftigte 1970: 381.888, 1996: 1.121.043; insgesamt zum Wachstum der freien Wohlfahrtspflege Hegner, ZfSozRef 38 (1992), S. 165 (176 ff.). 284 S. die Statistik von Speckert, Caritas '96 (Jb.), S. 391 (393): 431.356 hauptberuflich Beschäftigte bei der Caritas. 28 5 Isensee, in: HdbStKirchR 2 Bd. 2, S. 687. 28 6 Isensee, in: HdbStKirchR 2 Bd. 2, S. 687.

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licher 289 Seite darüber nachgedacht, die entkonfessionalisierten sozialen Einrichtungen an weltliche Träger abzugeben und nur die dezidiert kirchlichen Einrichtungen zu halten 290 . Verschiedene Modelle werden konzipiert, die die Besonderheit konfessioneller Wohlfahrtstätigkeit sichern könnten. Konfessionelle Wohlfahrtspflege solle sich wieder an die Gemeinden rückbinden 291 oder sich vorwiegend um die kümmern, die das staatliche soziale Netz (noch) nicht erfaßt 292 . Danach müßte sich die Konfessionellen Verbände aber von den Umsatz- und personalintensivsten Bereichen des Krankenhauswesens und der Pflege trennen. Die Verbandsleitungen Verbände scheinen solch radikale Schnitte noch nicht ernsthaft zu erwägen, sondern meinen, daß die aufgezeigten Widersprüche noch aufgelöst werden könnten.

5. Normative Konsequenzen Mit dieser Bestandsaufnahme soll nicht generell bestritten werden, daß in der konfessionellen Wohlfahrtspflege noch Elemente spezifisch christlicher Tätigkeit erkennbar sind und auch verfassungsrechtlichen Schutz genießen293. Die konfessionellen Einrichtungen bleiben durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV geschützt. Auf der Schrankenebene ist das Selbstbestimmungsrecht durch allgemeine Gesetze beschränkbar. In der erforderlichen Abwägung zwischen Gesetzeszweck und eingeschränktem Selbstbestimmungsrecht ist zu prüfen, inwieweit das eingeschränkte Handeln spezifisch religiöse Inhalte aufweist. Die konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen können sich nicht mehr in der Sicherheit wiegen, daß die in der Vergangenheit wohlwollende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ihnen dauerhaften Schutz gegen den Sozialstaat bietet. 294 Die bisherige Recht287 Stolleis, ZevKR 22 (1973) S. 376 (404); ebenso v. Campenhausen, in: ders./Erhardt (Hg.), Kirche - Staat - Diakonie, S. 10 (38). 288 pompey, Caritas '93 (Jb.), S. 11 (22 ff.). 289 Hüdepohl, Organisationen der Wohlfahrtspflege, S. 44 m. w. N. 290 Hegner rät der gesamten freien Wohlfahrtspflege, standardisierte Einrichtungen aufzugeben und abzuspecken, um Selbständigkeit und Besonderheit zu wahren und damit ihre „Organisationsdomäne" ausspielen zu können: ZfSozRef 38 (1992), S. 165 (185 ff.) sowie in: Lewkowicz (Hg.), Neues Denken in der sozialen Arbeit, S. 121 (132 ff.). 291 Nokielski/Pankoke, in: Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 12 (153) ff.; Gabriel, Caritas '97, S. 23 (27). 292 Stolleis, ZevKR 22 (1973), S. 376 (404); diese Möglichkeit wurde auf der Tagung der Sektion für Soziologie der Görres-Gesellschaft v. 5.-6. Oktober 1998 in Göttingen über das Thema „Der herausgeforderte Sozialstaat und die kirchlichen Wohlfahrtsverbände in Deutschland" eingehend diskutiert. 293 S. dazu die Zusammenfassung einer vergleichenden Untersuchung über konfessionelle und profane Kindergärten von Meyer, in: Jahrbuch für Europa- und Nordamerika-Studien, Bd. 2, S. 225 ff. 294 Daß die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes in den letzten Jahrzehnten für die konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen günstig war, aber keine dauerhaftes „Ruhe-

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sprechung braucht nicht einmal aufgegeben zu werden, denn mit der Β aha'{-Entscheidung gibt das Gericht die rein subjektive Rechtsprechung auf. Der Verweis auf das Selbstverständnis allein genügt nicht. Die Kirche muß plausibel machen, daß eine bestimmte soziale Tätigkeit konfessionelle Züge aufweist. Die pauschale Behauptung, jede von christlichen Trägern ausgeübte soziale Arbeit sei spezifisch religiös, jede Behinderung karitativer Tätigkeit „für den Christen eine Art von Beschränkung des Gottesdienstes, da er Gott im Nächsten dient" 2 9 5 läßt sich empirisch nicht mehr aufrechterhalten. Geht das Proprium verloren, dann treffen staatliche Eingriffe auf weniger Widerstand als bei konfessionell geprägten Tätigkeiten. Der Verlust des Propriums ist also kein rein innerkirchliches Problem 2 9 6 , sondern wirkt sich unmittelbar auf den staatskirchenrechtlichen Status der Einrichtungen aus. Inwieweit spezifisch kirchliche Besonderheiten höhere Hürden für staatliche Ingerenzen aufstellen, ist eine Frage des Einzelfalles und kann hier nicht vorweggenommen werden. Die Spannweite reicht von starkem religiösen Bezug - etwa biblisch-therapeutischer Seelsorge oder Schwangerschaftsberatung 297 - bis zu Bereichen, die allein auf Professionalität und Rentabilität ausgerichtet sind. Nach den obigen Bestandsaufnahme sind jedoch die spezifisch religiösen Werke in der Minderheit. Gegenüber den großen Bereichen Pflege, Krankenhaus und Kindergärten erscheinen sie sogar beinahe als Nische. Des weiteren ist die Verbandsarbeit in der Regel noch eher wertgebunden als die Arbeit in den Einrichtungen. Caritas und Diakonie versuchen, sich mit der Verbandsarbeit aus spezifisch kirchlicher Sicht in die Gesellschaftspolitik einzubringen und sich dort für die Armen und Schwachen zu engagieren. Diese Anwaltsfunktion ist nicht durch staatliche oder andere Handlungsprogramme vordefiniert und läßt daher Raum für spezifisch kirchliche Schwerpunkte, welche sie von weltlichen Sozialanwälten unterscheiden. 298 Es muß nicht nur zwischen unterschiedlichen Werken, sondern auch zwischen unterschiedlichen Regelungsmaterien unterschieden werden. Die Tätigkeit selbst kann säkularisiert, mithin beschränkbar sein, während die Auswahl und Beschäftigung der Mitarbeiter größeren Schutz genießt. 299 Aber auch bei den Mitarbeitern darf der Staat Standards verlangen, wo Religiosität Kompetenz nicht ersetzen kissen" ist, meinen ζ. B. v. Campenhausen, in: ders./Erhardt (Hg.), Kirche - Staat - Diakonie, S. 10 (54); Leisner, in: Essener Gespräche 17, S. 9 (9); Simon, in: Schneider/Steinberg (Hg.), Verfassungsrecht zwischen Wissenschaft und Richterkunst, S. 87 (95). 295 Leisner, DÖV 1977, S. 475 (478); für unzureichend hält diese Behauptung auch v. Campenhausen, in: ders./Erhardt (Hg.), Kirche - Staat - Diakonie, S. 10 (34) mit Fn. 119. 296 So aber Leisner, DÖV 1977, S. 475 (479). 297 Frank/Reis/Wolf, Ideologie, S. 153f. 298 S. etwa Kuper, in: Winter (Hg.), Diakonie im sozialen Rechtsstaat, S. 66 (76 ff.). 299 Die Freiheit der konfessionellen Einrichtungen im Personalwesen hebt das Bundesverfassungsgericht hervor, BVerfGE 53, 366 (404).

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kann. „Ärzte und Schwestern müssen nicht nur beten, sie müssen auch spritzen können, und gegen schlechte Buchführung hilft keine Nächstenliebe."300 Soweit sich die Besonderheit konfessioneller Wohlfahrtspflege darin erschöpft, daß einer weitgehend säkularisierten Tätigkeit religiöser Sinn zugeordnet wird, dann ist dieser Sinn auch unabhängig von staatlichen Regulierungen der Tätigkeit. Wenn die konfessionelle Wohlfahrtspflege nur das gleiche tut wie andere freie und staatliche Wohlfahrtspflege, der Sinn sie jedoch zu etwas anderem macht 301 , dann ist nicht erkennbar, wieso Wirtschaftlichkeitskontrollen das Selbstbestimmungsrecht verletzen, denn der religiöse Sinn allein bleibt unangetastet.

I I I . Staatskirchenrechtliches Kooperationsgebot Leisner und Brenner meinen, die kirchlichen Wohlfahrtswerke dürften auch deswegen nicht geprüft werden, weil dies einem verfassungsrechtlich abgesicherten Kooperationsgebot widerspreche. 302 Gemeint ist ein staatskirchenrechtliches Kooperationsgebot, nicht die Pflicht des Staates zur Zusammenarbeit mit der freien Wohlfahrtspflege 303. Dieses Kooperationsgebot gebiete, kirchliche Angelegenheiten nicht einseitig hoheitlich zu regeln. Leisners Verständnis eines solchen Kooperationsgebotes basiert offensichtlich auf der sog. Koordinationslehre, die inzwischen kaum mehr vertreten wird und daher nur noch von historischem Interesse ist 3 0 4 . Brenner möchte das Kooperationsgebot theoretisch präzisieren. In Anlehnung an M. Heckel 305 meint Brenner, in Überlagerungsbereichen öffentlicher und konfessioneller Aufgaben, die sich einer strikten Bereichsscheidung entziehen, müsse der Staat mit den Kirchen zusammenarbeiten. Einseitige Regelungen des Staates könnten sonst regelmäßig kirchliche 300

Leisner, in: Essener Gespräche, Band 17, S. 9 (20 f.). 301 So Leisner, DÖV 1977, S. 475 (480). Deswegen wies das BSG die Klage einer Glaubensgemeinschaft ab: Die „Christlichen Wissenschafter" lehnen ärztliche Hilfe ab und vertrauen allein auf die Kraft des Gebets. Die Pflegekasse hatte sich geweigert, mit der Glaubensgemeinschaft Pflegesätze zu vereinbaren, da diese keine verantwortliche Pflegekraft beschäftigte. Das BSG sah hierin keinen Verstoß gegen Art. 4 GG; Urt. v. 06. 08. 1998, Az. 33 Ρ 8/97, zit. nach Werdermann, Der Betrieb, Beiheft 11/99, S. 1 (20f.). 302 Brenner, Diakonie im Sozialstaat, S. 90 ff., 106; Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen, S. 37 ff.; zurückhaltender gegenüber der dogmatischen Leistungsfähigkeit der Kooperationsformel zeigt sich Leisner hingegen noch in DÖV 1977, S. 475 (483) sowie in Essener Gespräche 17, S. 9 (10). 303 Obwohl Brenner beide Figuren unzulässig vermengt, Diakonie im Sozialstaat, S. 96. Zur Kooperation als Verhältnismäßigkeitsgebot s. noch unten S. 146. 304 S. o. bei und in Fn. 139 f; auch H. Simon zeigt auf, daß die Formel der Partnerschaft und Kooperation auf der Koordinationslehre beruht, in: Schneider /Steinberg (Hg.), Verfassungsrecht zwischen Wissenschaft und Richterkunst, S. 87 (88 ff.). 305 Den Kooperationsansatz wiederholt M. Heckel in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 175 ff.

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Kompetenzen verletzen. 306 Abgesehen davon, daß Brenner sodann das staatskirchenrechtliche Kooperationsgebot mit dem Verbändeprivileg der freien Wohlfahrtspflege vermengt, vermag das Kooperationsgebot auch so nicht zu überzeugen. Die Kooperation zwischen Staat und Kirche, etwa durch den Abschluß von Kirchenverträgen oder durch die Beteiligung an Gesetzgebungsverfahren oder staatlicher Wohlfahrtsplanung ist sicher geeignet, die verfassungsrechtliche Grauzone der gemeinsamen Angelegenheiten einvernehmlich und damit schonend zu regeln. 307 Für solche Verständigungen „gibt Art. 137 Abs. 3 WRV Raum" 3 0 8 , statuiert aber keine generelle Pflicht zur Kooperation. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen wird durch Art. 137 Abs. 3 WRV i. V. mit Art. 140 GG sowie durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG bereits hinreichend verfassungsrechtlich geschützt. Der Ausgleich der Rechtsgüter in praktischer Konkordanz sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip verweisen den Staat bereits auf die schonendste Regelung kirchlicher Angelegenheiten.309 Etwas anderes läßt sich auch nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes entnehmen, das zwar von der „Notwendigkeit verständiger Kooperation" spricht, dies aber mehr als politische denn als rechtliche Maßgabe formuliert. 310 Kooperation mag ein Gebot der Klugheit sein, es ist jedoch kein Gebot der Verfassung. Daher kann auch kein Kooperationsgebot die Finanzkontrolle kirchlicher Einrichtungen beschränken.

IV. Vergleich mit Abwehrrechten der nichtkonfessionellen Wohlfahrtspflege Die wohl h. M . 3 1 1 meint, daß die konfessionellen Wohlfahrtswerke durch Art. 137 Abs. 3 WRV stärker gegen staatliche Eingriffe geschützt wären als die 306 Brenner, Diakonie im Sozialstaat, S. 92 ff. 307 V. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 154; ders., in: ders./Erhardt (Hg.), Kirche Staat - Diakonie, S. 10 (38). 308 Hesse, in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 532; s. a. H. Weber, Grundprobleme des Staatskirchenrechts, S. 38, der im Abschied vom institutionellen Denken im Staatskirchenrecht und in der Hinwendung zu grundrechtlichen Figuren keine Nachteile für die Kirchen sieht. 309 Wie hier Hesse, in: HdbStKirchR 2, Bd. 1, S. 532. 310 BVerfGE 42, 312 (331) unter Hinweis auf Regierungserklärungen der Bundeskanzler Brandt und Schmidt. 3Π S. etwa Isensee, in: Robert-Bosch-Stiftung (Hg.), Krankenhausfinanzierung in Selbstverwaltung, S. 97 (103 ff.); Depenheuer, Staatliche Planung und Finanzierung im Krankenhauswesen, S. 138 ff.; Kuper, in: Winter (Hg.), Diakonie im sozialen Rechtsstaat, S. 66 (72).; auch Wegener gelangt zu dem Ergebnis, daß die konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen stärker als die „freien" geschützt seien, Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, 167 ff., 189. Ähnlich Benda, Soziale Arbeit 38 (1989), S. 251 (254), nach dem die konfessionellen Verbände durch Art. 137 Abs. 3 WRV normativ stärker geschützt seien und die sonstigen Verbände nur faktisch von diesem Schutz profitierten, da der Gesetzgeber auf Sonderregelungen verzichte; ebenso Neumann, in: Schulin (Hg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 4, § 20 Rdn. 40.

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weltlichen, welche keinen staatskirchenrechtlichen Sonderstatus geltend machen können. Nach der staatskirchenrechtlichen Bestandsaufnahme ist nun auf den grundrechtlichen Status der sonstigen Wohlfahrtswerke einzugehen, um abschließend beurteilen zu können, ob die überkommene Trennung in Verbände 1. und 2. Klasse weiterhin gilt. 1. Berufsfreiheit Die Tätigkeit der freien sozialen Einrichtungen unterfällt dem Schutz des Art. 12 GG, wenn es sich dabei um einen Beruf handelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist Beruf, jede erlaubte Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage zielt." 3 1 2 Das Grundrecht der Berufsfreiheit steht über Art. 19 Abs. 3 GG grundsätzlich auch juristischen Personen insoweit zu, als eine darunter fallende Tätigkeit ihrem Wesen und ihrer Art nach auch von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann. 313 Karitativ können sowohl Einzelpersonen als auch Vereinigungen wirken, so daß insoweit gem. Art. 19 Abs. 3 GG die Einrichtungen und Verbände der freien Wohlfahrtspflege geschützt sein könnten. Umstritten ist, ob nicht gewinnorientierte soziale Arbeit unter den Schutz fällt. Hiergegen wird eingewandt, eine nicht gewinnorientierte Tätigkeit könne nicht der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage dienen. 314 Diese Ansicht verkennt freilich die Realität gemeinnütziger Unternehmungen. Soziale Selbsthilfe in der Familie oder in der Nachbarschaft dient sicherlich nicht der Schaffung oder Erhaltung der Lebensgrundlage. Die Einrichtungen der Wohlfahrtspflege von der Behindertenwerkstatt bis zum Großkrankenhaus wirtschaften aber genauso wie andere Unternehmen. Sie müssen für die Erhaltung des Apparats und für die Entlohnung der Beschäftigten sorgen, investieren und Rücklagen bilden wie gewerbliche Unternehmen auch. Nach den oben beschriebenen Ökonomisierungstendenzen in der freien Wohlfahrtspflege unterscheidet sich diese von gewerblichen Dienstleistern oftmals nur noch dadurch, daß etwaige Überschüsse nicht entnommen werden dürfen, sondern wieder dem gemeinnützigen Zweck zufließen müssen.315 Auf lange Sicht könnte durch Privatisierungsbestrebungen und die europäische Wettbewerbsfreiheit die Gemeinnützigkeit sogar entfallen. 316 Die Gemeinnützigkeit schließt daher den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG nicht aus. 317 312 BVerfGE 7, 377 (397); 22, 380 (387); 50, 290 (362); 54, 301 (313). 313 BVerfGE 21, 261 (266); 22, 380 (383); 30, 292 (312); 41, 126 (149); 65, 196 (210). 314 Zacher, Freiheit und Gleichheit in der Wohlfahrtspflege, S. 102; Scheuner, Essener Gespräche 8 (1974), S. 69; Wieland, Urteilsanm., JZ 1995, S. 96 (97); Wegener, Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, S. 275. 315 Schneider, NDV 1998, S. 244 (246); Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 91 ff. 316 Batkiewicz!Speckert, Caritas '97 (Jb.), S. 111 (118). 317 I. E. ebenso BVerwG, JZ 1995, S. 94 (95) mit Anm. Wieland; Depenheuer, Krankenhaus wesen, S. 109 ff.; Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 11 f.;

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Als Ergebnis ist somit festzuhalten, daß Tätigkeit der freien Wohlfahrtspflege auch von Art. 12 GG geschützt ist. Gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Kontrollen der Rechnungshöfe betreffen allein die Berufsausübung der freien Wohlfahrtspflege. Nach der Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichtes kann die Berufsausübung bereits für vernünftige Gründe des Allgemeinwohles beschränkt werden. 318 Die Stufentheorie wird auch vom Bundesverfassungsgericht inzwischen als Ausprägung des Ubermaßverbots interpretiert. 319 Das heißt, daß auch hier abgewogen werden muß zwischen Schrankenzweck und wertsetzender Bedeutung des Grundrechts. Hierfür ist maßgeblich, wie schwer der Eingriff in die Berufsausübung ist.

2. Allgemeine Handlungsfreiheit Die allgemeine Handlungsfreiheit beinhaltet auch, so die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts, das „Grundrecht der freien karitativen Betätigung". 320 Über Art. 19 Abs. 3 GG wird dieses Recht auf die kollektive Wohlfahrtspflege erweitert. 321 Die Grundrechtsträger können danach grundsätzlich selbst bestimmen, welchen karitativen Aufgaben sie sich widmen. 322 Sie sind frei darin, sich etwa mehr der Behinderten-, Kranken-, oder Altenbetreuung zu widmen. Depenheuer nennt dies die „Bedarfsdefinitionskompetenz". 323 Aber nicht nur in der Auswahl der Tätigkeitsfelder sind sie grundsätzlich frei, auch die Arbeitsmethoden können innerhalb der Schranken selbst bestimmt werden. Die allgemeine Handlungsfreiheit ist nur innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet. Aufgrund der Ausweitung des Schutzbereiches von Art. 2 Abs. 1 GG sind die Eingriffsschranken herabgesetzt. Daher bedeutet „verfassungsEberle, Sozialstationen in kirchlicher Trägerschaft, S. 53; Isensee, in: Robert-Bosch-Stiftung (Hg.); Krankenhausfinanzierung in Selbstverwaltung, S. 97 ff.; Gitter, Prüfungsrechte und Prüfungspflichten des Kostenträgers gem. § 93 Abs. 2 BSHG, S. 45 f.; Roider, Die rechtlichen Beziehungen zwischen freier und öffentlicher Wohlfahrtspflege, S. 42 f. 318 BVerfGE 7, 377 (405 f.); 16, 286 (297); 65, 116 (125), st. Rspr. 319 BVerfGE 19, 330 (337); 46, 120 (138). 320 BVerfGE 20, 150 (159), s. auch Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 10; Stolleis, ZevKR 18 (1973), S. 376 (387); Wegener, Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, S. 147 f.; Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 105 ff.; Friesenhahn, in: FS Klecatsky, S. 252. 321 Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 108 m. w. N.; Wegener sieht die kollektive Ausübung dagegen eher durch Art. 9 GG geschützt (Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, S. 148.); dagegen ist aber einzuwenden, daß Art. 9 nur die Existenz des Vereins, nicht dagegen die Vereinstätigkeit schützt, s. Starck, in: Mangoldt/Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 2 Rdn. 52. 322 Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 10. 323 Krankenhauswesen, S. 108.

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mäßige Ordnung" alle formell und materiell verfassungsmäßigen Rechtssätze.324 Der Sache nach läuft dies auf einen einfachen Gesetzesvorbehalt hinaus. 325 Freilich ist auch hier eine Güterabwägung erforderlich. Wegener versucht, aus dem Selbstverständnis der Wohlfahrtsverbände Maßstäbe für staatliche Regelungsbefugnisse abzuleiten.326 Er zitiert die Leitbilder der nichtchristlichen Wohlfahrtsorganisationen Arbeiterwohlfahrt (AWO), Deutsches Rotes Kreuz (DRK) und Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (DPWV). Hieraus wird deutlich, daß die, einzelnen Wohlfahrtsorganisationen durchaus unterschiedlichen Traditionen entstammen und sich unterschiedlichen Leitbildern verpflichtet fühlen. Aber abgesehen davon, daß sich diese Leitbilder ähneln 327 , geben sie für das konkrete Rechtsproblem wenig her: Wegener bemerkt selbst, daß „das Selbstverständnis ,freier Wohlfahrtspflege 4 in erheblichem Umfang durch relativ abstrakte Werte umschrieben wird [ , . . ] " . 3 2 8 Bereits oben wurde für die konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen festgestellt, daß solche wertgebundenen Leitbilder nicht mehr geeignet sind, die heutige Wohlfahrtspflege zu charakterisieren. Die gleichen Tendenzen der Ökonomisierung, Bürokratisierung, Professionalisierung gelten natürlich gleichermaßen für die weltlichen Einrichtungen. Bei diesen ist die Frage nicht so dringlich, weil der Anspruch auf das Proprium nicht so ausgeprägt ist und damit auch der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit nicht so sehr ins Auge fällt. Für die staatlichen Einflußnahme, sei es durch Gesetzgeber, Sozialverwaltungen oder Rechnungshöfe, ist damit das Selbstverständnis, sofern es sich auf abstrakte Leitbilder beschränkt, kein Handlungsmaßstab. Dieses Selbstverständnis bleibt ja unangetastet. Die konkrete Frage - wieviele Stellen braucht ein Kindergarten, müssen die Beschäftigten nach BAT-Tarif bezahlt werden - ist von dem abstrakten Selbstverständnis losgelöst und vermag daher auch kaum eine Grenze darin zu finden. 3. Eigentumsgarantie Kann Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe in das Eigentum der kontrollierten Einrichtungen eingreifen? Die Gemeinnützigkeit steht dem Eigentumsschutz nicht entgegen.329 Insofern gilt hier nichts anderes als bei Art. 12 Abs. 1 GG. 3 3 0 Grundsätzlich schützt Art. 14 GG den Bestand vermögenswerter Rechtspositionen, 324 St. Rspr. seit BVerfGE 6, 32 (38 f.). 325 Murswiek, in: Sachs (Hg.), Grundgesetz, Art. 2 Rdn. 90. 326 Wegener, Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, S. 149 f. 327 s. o. bei und in Fn. 259. 328 Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, S. 151. 329 Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 13; Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 126 ff.; Degenhart ! Lerche, in: Robert-Bosch-Stiftung (Hg.), Krankenhausfinanzierung in Selbstverwaltung, S. 41. 330 s. o. S. 127 bei und in Fn. 314. 9 Rogge

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während der Erwerb unter Art. 12 GG fällt. 3 3 1 Der Bestand der Vermögenswerten Rechte wird durch staatliche Finanzkontrolle regelmäßig nicht berührt. Die Finanzkontrolle widmet sich allein der Bewirtschaftung von staatlichen Mitteln, nicht jedoch der Bewirtschaftung des eigenen Vermögens. Diese vermeintlich eindeutige Zuordnungsregel wird dadurch aufgeweicht, daß der Schutzbereich des Art. 14 nach h. M. nicht nur die Summe der einzelnen Rechtspositionen, sondern auch den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfaßt. 332 Geschützt ist „alles das, was den wirtschaftlichen Wert des konkreten Betriebes ausmacht."333 Dazu gehören nur Gegebenheiten und Vorteile, auf die der Gewerbetreibende vertrauen kann. 334 Diese werden aber gerade durch staatliche Finanzkontrollen nicht berührt. Die Finanzkontrolle kann zwar mittelbar Veränderungen der Zuwendungspraxis oder Rückforderungen zur Folge haben. Das Vertrauen der karitativen Zuwendungsempfänger ist jedoch grundsätzlich nicht geschützt, da Zuwendungen freiwillige Leistungen des Staates sind. Daher kann die Vorenthaltung oder die Rückforderung von Zuwendungen auch nicht in die Eigentumsgarantie eingreifen.

V. Stärkerer Schutz der konfessionellen Wohlfahrtspflege? Zusammenfassend ist festzustellen: Die weltlichen Wohlfahrtseinrichtungen genießen den Schutz der Berufsfreiheit sowie subsidiär den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit. Der Bestand ist zusätzlich durch die Eigentumsgarantie geschützt. In der Regel wird sich die Kontrolle der Bewirtschaftung öffentlicher Mittel an Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen müssen. Die konfessionellen Einrichtungen sind durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 137 Abs. 3 WRV i. V. mit Art. 140 GG vor staatlichen Eingriffen geschützt. Es stellt sich die Frage, ob die kirchlichen Wohlfahrtsverbände hierdurch Verbände 1. Klasse, die nichtkirchlichen solche 2. Klasse sind. 335 Nicht maßgeblich ist, ob die kirchlichen Wohlfahrtseinrichtungen daneben auch noch durch die Berufsfreiheit geschützt sind. Dies hätte allein zur Folge, daß sich die Finanzkontrolle kirchlicher Einrichtungen auch an Art. 12 GG messen lassen müßte. Der doppelte Schutz vermittelt aber keine „Wertkumulation höheren Ran331 BVerfGE 30, 292 (335); 65, 237 (248); 82, 70 (96); h. M., s. Papier (1994), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdn. 220ff. m. w. N. 332 BVerfGE 1, 264 (276 ff.); 13, 225 (229); 22, 380 (386); 45, 142 (173); BVerwGE 3, 254 (256); 6, 247 (266); 36, 248 (250); BGHZ 23, 157 (162 ff.); 30, 338 (355 f.); 48, 58 (60ff.); 76, 387 (392ff.); zur umfangreichen Literatur s. Papier (1994), in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdn. 95-114; allerdings hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt Zweifel am Schutz des „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes" erkennen lassen, s. BVerfGE 68, 193 (222 f.). 333 BGHZ 23, 157 (157); 45, 150 (155). 334 BGHZ 23, 157 (164 f.); Wendt, in: Sachs (Hg.), Grundgesetz, Art. 14 Rdn. 47 f. 335 So die Fragestellung von Benda, Soziale Arbeit 38 (1989), S. 251 (254).

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ges", die über die Schutzgehalte der einzelnen Grundrechte hinausginge.336 Entscheidend ist also nicht, daß sich die konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen zusätzlich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berufen können. Entscheidend ist allein, ob Art. 137 Abs. 3 WRV stärker gegen staatliche Maßnahmen schützt als Art. 12 GG. Die Schutzintensität bestimmt sich abstrakt im wesentlichen nach den Begrenzungsmöglichkeiten. Vorbehaltlose Grundrechte begrenzen staatliche Akte mehr als Grundrechte mit qualifiziertem oder einfachem Gesetzes vorbehält. 337 Verallgemeinernde abstrakte Vergleiche sind nur eingeschränkt denkbar. 338 In Grundrechtskollisionen obsiegt nicht notwendig das vorbehaltlose Grundrecht. 339 Eine solche abstrakte Lösung übersieht leicht, daß der Grundrechtsschutz variiert, je nach dem, wie stark in ein Grundrecht eingegriffen wird. Daher ist immer auch auf den Einzelfall abzustellen. Angewandt auf den Grundrechtsschutz konfessioneller im Vergleich zur „profanen" Wohlfahrtspflege folgt hieraus: Nach Art. 137 Abs. 3 WRV kann das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen durch die allgemeinen Gesetze beschränkt werden. Damit allein normiert die Bestimmung noch keine höheren Hürden gegen staatliche Beschränkungen als Art. 12 GG, der die Berufsausübung einem Regelungsvorbehalt unterstellt. Andererseits bildet Art. 137 Abs. 3 WRV zusammen mit Art. 4 Abs. 1, 2 GG ein „organisches Ganzes". 340 Die Religionsfreiheit gewährleistet die Verfassung ohne (geschriebenen) Vorbehalt. Daher scheinen die konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen prima facie stärker geschützt zu sein. Gleichwohl muß, wie erwähnt, der Einzelfall betrachtet werden. So wie bei Grundrechtskonkurrenzen danach gefragt werden muß, ob ein Grundrecht im Rand- oder Zentralbereich erfaßt wird 3 4 1 , ist auch die Ausstrahlungswirkung der Religionsfreiheit auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht davon abhängig, ob der religiöse Kernbereich oder nur ein Randbereich betroffen ist 3 4 2 . Nach der obigen Bestandsaufnahme ist nun der religiöse Bezug - das Proprium - der Wohlfahrtspflege in konfessioneller Trägerschaft weitgehend verblaßt bis 336 So aber Bleckmann / Wiethoff, DÖV 1991, S. 722 (729); ähnlich Wendt, AöR 104 (1979), S. 414 (465); dagegen zutreffend Stern, Staatsrecht III/2, § 92 III 4, S. 1394; Würkner, DÖV 1992, S. 150 (151 f.). Im Übrigen setzt dies voraus, daß die Grundrechte überhaupt unterschiedliche Werte schütze. Sofern die Religionsfreiheit den Schutz verstärkt, schützen aber Art. 12 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV mit der Selbständigkeit der Wohlfahrtspflege den selben Wert; s. sogleich im Text. 337 Nach diesem Grundsatz werden zumeist Grundrechtskollisionen und Grundrechtskonkurrenzen gelöst, s. Stern, Staatsrecht III/2, § 92 III 4, spez. S. 1390ff. 338 Bleckmann/Wiethoff, DÖV 1991, 722 (724). 339 Stern, Staatsrecht I I I / 2, S. 1406. 340 S.o.S. 97 f. 341 Stern, Staatsrecht III/2, S. 1407. 342 s. ο. bei und in Fn. 157 ff. 9*

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verschwunden. Dadurch mindert sich auch die Schutz- und Ausstrahlungswirkung der Religionsfreiheit. Soweit nicht spezifisch religiöse Werke oder spezifisch religiöse Aspekte betroffen sind, vermag das kirchliche Selbstbestimmungsrecht für das „Ordnen und Verwalten" der Unternehmen Caritas und Diakonie keinen stärkeren Schutz zu entfalten als Art. 12 Abs. 1 GG für die Tätigkeit der „profanen" freien Wohlfahrtspflege. Beide Normen gewährleisten die Selbständigkeit der Aufgabenerfüllung der Sozialen Dienste. Sie gewährleisten damit den gleichen Wert, knüpfen allein an unterschiedliche Träger an. Leisner meint hingegen, das kirchliche Selbstbestimmungsrecht dürfe nicht mit Freiheitsrechten oder einer Autonomiegarantie gleichgesetzt werden. 343 Die Kirchen wären „eigenständig", nicht einfach nur „frei" oder autonom. Ihre Eigenständigkeit beruhe darauf, daß der Staat die originäre Kirchengewalt nur anerkenne, während er anderen Subjekten abgeleitete Freiheit oder Autonomie gewähre. Diese Eigenständigkeit setze staatlichen Kontrollen wesentlich engere Grenzen als bloße „private Freiheit". Es ist unverkennbar, daß Leisner wiederum 344 die Koordinationslehre bemüht, um die kirchlichen Einrichtungen umfassend gegen die Rechnungshöfe zu schützen. Die Koordinationslehre ist aber (Kirchen-) Rechtsgeschichte. Auf ihr kann heute keine tragfähige Begründung mehr aufbauen. 345 Nach heutigem Verständnis erstreckt sich die staatliche Souveränität auch auf die Regelung des Staatskirchenrechts. Die Kirchen stehen dem Staat nicht grundsätzlich anders gegenüber als andere Freiheitssubjekte. Daher lassen sich auch keine grundlegenden Unterschiede zwischen „vorgefundenen" und „abgeleiteten" Freiheiten mehr konstruieren. 346 Die Abwehrrechte der kirchlichen Einrichtungen ergeben sich nur aus der Verfassung selbst, nicht jedoch aus systemtranszendent begründeten Aussagen über das Verhältnis von Staat und Kirche. 347 Die kirchlichen Wohlfahrtsverbände genießen ihr Privileg also nur dort, wo sie religiöse Gründe für ihre Besonderheit geltend machen können. Im übrigen sind sie mit Art. 137 Abs. 3 WRV zwar durch eine andere Bestimmung, aber genauso stark gegen staatliche Eingriffe geschützt - hier insbesondere die staatliche Finanzkontrolle - , wie weltliche Einrichtungen auch. Einschränkende Gesetze und Maßnahmen müssen dem Gesetzesvorbehalt und dem Übermaßverbot genügen.348 343 Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen, S. 41 ff., ihm folgend Delbrück, ZevKR 40 (1995), S. 21 (32). 3 44 S. bereits oben, S. 125 f. 3

45 S. o. bei und in Fn. 139 f. 346 Degenhart meint, die Unterscheidung Leisners solle die Schranken des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts überspielen, Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (222 f. mit Fn. 247). 347

S. noch Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen, S. 226 f. Zum Wandel vom Gesetzesvorbehalt zum Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes s. Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht II, Rdn. 14. 348

C. Verhältnismäßigkeit der Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

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Die überkommene Aufteilung in Verbände 1. und 2. Klasse ist verfassungsrechtlich - entgegen der wohl h. M . 3 4 9 - nicht mehr aufrechtzuerhalten.

C. Verhältnismäßigkeit der Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege Im folgenden soll untersucht werden, ob die Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe dem Ubermaßverbot genügt, also geeignet, erforderlich und verhältnismäßig i. e. S. ist. Eine generelle Aussage zur Verfassungsmäßigkeit der Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege ist zugegebenermaßen nur eingeschränkt möglich, da es die Finanzkontrolle als einheitlichen Vorgang nicht gibt. Rechnungshöfe können wie überwiegend - Zuwendungsempfänger gem. § 91 BHO oder Empfänger gesetzlicher Zuschüsse nach § 104 BHO kontrollieren. In beiden Fällen ist danach zu unterscheiden, ob sie bloß die Verwendung der öffentlichen Mittel oder auch die sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung kontrollieren, und ob sie nur die ordnungsgemäße oder die wirtschaftliche Verwendung kontrollieren. Bei Zuwendungsempfängern ist zwischen institutionellen und Projektförderungen zu differenzieren. Schließlich kommt es auch darauf an, inwiefern Rechnungshöfe die freie Wohlfahrtspflege an den Prüfungen beteiligen und wie sie mit den Prüfungsergebnissen verfahren. Vorab können aber generelle Aussagen darüber getroffen werden, ob Finanzkontrollen der freien Wohlfahrtspflege verfassungswidrig sind, weil sie vorgeblich nicht erforderlich seien oder allgemein dem verfassungsrechtlichen Status der freien Wohlfahrtspflege widersprächen 350. Im abschließenden 3. Teil sind die Eingriffsnormen der §§ 91, 104 BHO in den einzelnen Alternativen und unter Beachtung der zuvor gefundenen staatsorganisationsrechtlichen und grundrechtlichen Prämissen verfassungskonform auszulegen.

I. Eignung der Finanzkontrolle zur Wirtschaftlichkeitsoptimierung im Zuwendungsbereich Es kann kaum bezweifelt werden, daß Prüfungen durch Rechnungshöfe geeignet sind, die ordnungsgemäße und wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel zu fördern. Rechnungshöfe wirken präventiv und edukativ allein dadurch, daß sie prüfen können. 351 Gerade außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung haben 349 350

vater.

S. die Nachweise oben in Fn. 86. So insgesamt Delbrück, Gutachten, S. 26 ff.; Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Pri-

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

Rechnungshöfe in den letzten Jahren vielfach unwirtschaftliches Verhalten aufdecken können. 352 Nun wird von der freien Wohlfahrtspflege häufig argumentiert, daß sie soziale Einrichtungen und Dienste aufgebe, wenn sie durch Sozialverwaltungen und Rechnungshöfe noch weiter drangsaliert würde. 353 Wenn die freie Wohlfahrtspflege Einrichtungen aufgibt, dann müsse der Staat selbst Dienste errichten und betreiben. Ihm entstünde dadurch ein Mehraufwand in Milliardenhöhe. Gegenüber den Einsparungen fiele etwaiges unwirtschaftliches Verhalten von Zuwendungsempfängern nicht ins Gewicht. 354 Die Finanzkontrolle wäre selbst unwirtschaftlich. Diese Rechnung geht zwar insoweit nicht auf, als der Staat nicht sämtliche Tätigkeiten übernehmen müßte. Unbestritten ist dennoch, daß der Sozialstaat und der Staatshaushalt von der Eigenleistung der freien Wohlfahrtspflege profitieren. 355 Sicherlich spart die öffentliche Hand erhebliche Mittel dadurch ein, daß die freie Wohlfahrtspflege in die Leistungserbringung mit einbezogen wird. 3 5 6 Die freien Einrichtungen werden durch Eigenmittel mitfinanziert, etwa durch Spenden, Zuwendungen der Verbände oder Kirchensteuern. Zudem arbeiten Ehrenamtliche unentgeltlich für die Zwecke, an denen Zuwendungsgeber ein eigenes Interesse haben. 357 So sind in den neuen Bundesländern die Ausgaben der Kommunen für Kindergärten wesentlich höher als in den alten Ländern, weil dort weniger Einrichtungen von freien Trägern betrieben werden. 358 Angesichts dieser Entlastung und der leeren öffentlichen Kassen ist es heute nicht mehr wahrscheinlich, daß etwa die Sozialhilfeträger gegen den Vorrang der freien Wohlfahrtspflege klagen 359 . Die Umstände haben sich geändert. Staatliche Stellen wollen nicht mehr der freien Wohlfahrtspflege das Feld streitig machen, da diese über Ressourcen verfügen, die der Staat sonst aus Haushaltsmitteln ersetzen müßte, und zudem flexibler auf gesellschaftliche Notlagen eingehen können als 351 Puhl, Budgetflucht, S. 283; Diederich/ Cadel/Dettmar/Haag, Die diskreten Kontrolleure, S. 118 ff.; Wittrock, DVB1. 1983, S. 883 (883 f.); Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, S. 89 ff. 352 Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (279). 353 s. die Zusammenfassung einer Tagung der Arbeiterwohlfahrt in Halle, Süddeutsche Zeitung v. 15. 11. 1997. 354 Delbrück, ZevKR 40 (1995), S. 21 (26); Dieckmann (Diskussionsbeitrag) in: Böning/ v. Mutius (Hg.), Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, S. 143. 355 Göll, Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftsfaktor, S. 313. 356 Göll, Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftsfaktor, S. 313. 357 Zur Eigenleistung der Caritas s. Speckert/Batkiewicz, Caritas '98, S. I l l (120f.). 358 s. den Gemeindefinanzbericht 1998 von Karrenberg IMünstermann, Der Städtetag 1998, S. 143ff. (185) sowie Übersichten 18 und 25: in alten Ländern 2/3 freie Träger, 1/3 kommunal, in den neuen 1/3 freie, 2/3 kommunal. 359 Wie beim Streit, der dem Sozialhilfeurteil zugrunde lag (BVerfGE 22, 180 (190f., 194 f.)).

C. Verhältnismäßigkeit der Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

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die staatliche Verwaltung 360 . Die Rolle des Staates in der Wohlfahrtsproduktion führt weg von der Erfüllungs- zur Gewährleistungsverantwortung 361, nicht weil ein Subsidiaritätsprinzip staatliche Dienstleistungen beschränkt, sondern weil es effektiver und billiger ist, gesellschaftliche Selbstorganisation einzubeziehen und zu lenken 362 . Deshalb darf staatliche Haushaltskontrolle nicht kontraproduktiv sein. Die Einbeziehung privater Initiative lohnt sich. Staatliche Reglementierung sollte daher nicht das Engagement ersticken, das gerade für die Förderung spricht. Erhält ein Verein Zuwendungen im Wege der Fehlbedarfsfinanzierung und sammelt zusätzlich fleißig Spenden, dann ist es widersinnig, bei erfolgreichem Spendensammeln einen Teil der Gelder zurückzuverlangen. Denn der Zuwendungsempfänger wird dann in Zukunft auf das Sammeln verzichten. Wird ein noch kaum institutionalisierter Verein mit Zuwendungen bedacht, dann kann dessen Eigeninitiative durch die Komplexität der Förderauflagen schnell erlahmen. Nicht alles, was aus Sicht der Haushälter und Finanzkontrolleure notwendig ist, muß also wirtschaftlich rational sein. 363 Diese Forderung richtet sich aber vor allem an den Gesetzgeber und an Sozialund Finanzverwaltungen, welche die einengenden Rechtsvorschriften erlassen. Und auch hier wird die Schwelle zur Ungeeignetheit kaum überschritten. Die ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht erst erreicht, wenn das eingesetzte Mittel „objektiv untauglich" 364 , „objektiv ungeeignet" 365 oder „schlechthin ungeeignet" 366 ist. Rechnungshöfe kontrollieren dagegen im wesentlichen, ob die Vorschriften eingehalten wurden. 367 Sie sollten jedoch bei wenig institutionalisierten Empfängern im Rahmen der Wirtschaftlichkeitskritik beachten, daß gesellschaftliches Engagement nicht erstickt wird.

II. Denkbare mildere Mittel Art. 114 GG Abs. 2 S. 3 ermöglicht es dem Gesetzgeber, die Finanzkontrolle auf Private auszudehnen, um den sparsamen und wirtschaftlichen Umgang mit öffent360 Kaufmann, in: Derlien (Hg.), Festschrift für Renate Mayntz, S. 357 (375 f.). 361 Vgl. zu diesen unterschiedlichen Staatsaufgaben Schuppert, DÖV 1995, S. 761 (768 f.). m. w. Nachw. 362 Ebenso Benda, Soziale Arbeit 1989, S. 251 (253). 363 Zur Begrenztheit der Wirtschaftlichkeitsperspektive sowie zur Unterscheidung zwischen mikro- und makroökonomischer Wirtschaftlichkeitsanalyse s. Rischer, Finanzkontrolle staatlichen Handelns, S. 317 ff. 364 BVerfGE 16, 147(181). 365 BVerfGE 17, 306 (317). 366 BVerfGE 19, 119 (127). 367 S. o. S. 88.

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

liehen Mitteln sicherzustellen. Der Gesetzgeber ist aber keineswegs dazu verpflichtet, dem Rechnungshof diese Aufgabe zu übertragen. 368 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet, daß das mildeste Mittel gleicher Wirksamkeit eingesetzt werden muß. 369 Deshalb ist zu untersuchen, ob interne Kontrollen oder Verwaltungsprüfungen nicht weniger einschneidend und gleich wirksam sind wie externe Finanzkontrollen durch Rechnungshöfe. Erörtert wird nur die generelle Erforderlichkeit der Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe. Die Erforderlichkeit von einzelnen Prüfungshandlungen wird im Rahmen der Auslegung der §§ 91, 104 BHO erfolgen.

1. Subsidiarität gegenüber interner Kontrolle? Kontrollen durch eigene Einrichtungen greifen nicht in Grundrechte ein. Die Verpflichtung, funktionsfähige Prüfungseinrichtungen zu unterhalten, ist deshalb für den Kontrollierten stets eine mildere Auflage als die externe Prüfung durch Rechnungshöfe. Daher wird eingewandt, die öffentliche Finanzkontrolle grundrechtsberechtigter Bewirtschafter sei nur zulässig, soweit die interne Kontrolle versage. 370 Leisner 371 und Brenner 372 halten bei konfessionellen Zuwendungsempfängern die kirchliche Rechnungsprüfung für ausreichend. Das staatskirchenrechtliche Kooperationsgebot sowie das Selbstbestimmungsrecht gebiete es, nicht einseitig „inquisitorisch" zu prüfen, sondern die Ergebnisse der kirchlichen Prüfung zu übernehmen und Zweifelsfälle mit dieser zu klären. 373 Die Selbstkontrolle der Zuwendungsempfänger müßte gleich wirksam sein. Ein einheitliches Bild des Rechnungs- und Prüfungswesens in der freien Wohlfahrtspflege gibt es nicht. Die Rechnungslegung ist abhängig von spezialgesetzlichen Anforderungen 374, der Größe und der Satzung der Vereine 375 . Die geförderten Verbände der freien Wohlfahrtspflege unterhalten in der Regel eigene Prüfungseinrichtungen376 oder unterziehen sich der externen Prüfung durch Wirtschaftlich368

S. o. S. 33 dazu, daß das Demokratieprinzip nicht notwendig dazu führt, daß gerade Rechnungshöfe die Verwendung öffentlicher Mittel kontrollieren müßten. 369 BVerfGE 25, 1 (12 f.); 30, 250 (263); 50, 290 (335); 57, 139 (162). 370 Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und Rechnungsprüfung, S. 51; Becker I Kluge, Kulturpolitik und Ausgabenkontrolle, S. 146 ff.; wohl auch Karpen, in: Engelhardt/Schulze/ Thieme (Hg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel?, S. 86 (92 ff.). 371 Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen, S. 87 ff. 372 Diakonie im Sozialstaat, S. 106.; ders., NVwZ 1995, S. 454 (455). 373 Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen, S. 88 f. 374 ζ . B. gehen die Rechnungslegungsvorschriften für Krankenhäuser gem. § 8 KHBV recht weit; s. Göll, Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftsfaktor, S. 172. 375 s. hierzu insgesamt Goerdeler, in: FS Moxter, S. 727 (730 ff.); Göll, Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftssektor, S. 170 ff. 376 Für den Deutschen Caritasverband s. Hüdepohl, Organisationen der Wohlfahrtspflege, S. 80 f.

C. Verhältnismäßigkeit der Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

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keitsprüfer 377. So unterhält der Bundesverband des DRK eine eigene Prüfstelle, die die Verwendungsnachweise der eigenen Stellen sowie der Landesverbände prüft, an welche Mittel weitergeleitet werden. 378 Dagegen besitzen die angeschlossenen Einrichtungen oft kein wirksames Prüfungswesen und können von den Verbänden hierzu nur nach Maßgabe der Mitgliedschaftsausgestaltung gezwungen werden. 379 Soweit ein Rechnungs- und Prüfungswesen existiert, beschränkt es sich noch auf Jahresabschlußberichte und Prüfungen, die nur die formal richtige Rechnungslegung und Bilanzierung bestätigen.380 Hier ist aber vieles im Fluß. Organisationen der freien Wohlfahrtspflege sind durch die zunehmende Mittelknappheit, den Druck der Öffentlichkeit und der privaten Konkurrenz bemüht, wirksame Rechnungs- und Prüfungsinstrumente sowie modernes Controlling einzuführen. 381 Trotzdem kann die interne Prüfung die Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe nicht ersetzen: Zunächst ist die Zielrichtung der anstaltsinternen Prüfung eine andere. Die anstaltsinterne Prüfung ist nicht auf die einzelne Zuwendung zugeschnitten. Sie überwacht allgemein die Wirtschaftlichkeit des Mitteleinsatzes, kann aber nicht das spezifische Informationsinteresse der öffentlichen Hand über die Verwendung und den Erfolg der Zuwendung befriedigen. 382 Nach allgemeiner Erfahrung werden nicht selbst erwirtschaftete Mittel leichtfertiger ausgegeben, zumal wenn sie einer „guten Sache" dienen. 383 Zudem ist sie nicht wie die Zuwendungskontrolle darauf ausgerichtet, nachträglich Beanstandungen und Korrekturen vorzunehmen. 384 Entscheidend ist jedoch, daß die Selbstkontrolle nie so unabhängig wie staatliche Rechnungshöfe sein kann. Die Unabhängigkeit ist ein wesentliches Merkmal einer effektiven Kontrolle und beruht auf der Erkenntnis, daß Kontrolleur und 377 Goerdeler, in: FS Moxter, S. 727 (739 ff.). 378 Angaben v. Herrn Kutter, gem. Interview von Hüdepohl, Organisationen der Wohlfahrtspflege, S. 480. 379 Hüdepohl, Organisationen der Wohlfahrtspflege, S. 80 für den Deutschen Caritasverband einerseits und Göll, Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftssektor, S. 173, nach dessen Ansicht die Prüfung der Rechnungslegung bei den angeschlossenen Einrichtungen zu den Aufgaben und Aufsichtsrechten der Spitzenverbände zählt. 380 Hüdepohl, Organisationen der Wohlfahrtspflege, S. 80.; Göll, Die freie Wohlfahrtspflege als eigener Wirtschaftssektor, S. 172; Meyer, Sozialer Fortschritt 1997, S. 158 (163). 381 Brülle/Reis/Reis, NDV 1996, S. 185ff.; Heinze/Strünck, in: Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 294 (305 ff.). S. desweiteren unten S. 193 dazu, daß sich die freie Wohlfahrtspflege um mehr Transparenz und Wirtschaftlichkeit bemüht. 382 Mainusch, NVwZ 1994, S. 736 (739) für kirchliche Prüfungseinrichtungen, die andere Zwecke als staatliche Finanzkontrollen verfolgen. 383 Bei „alternativen" Trägern des dritten Sektors kann ein staatsfernes Selbstverständnis als gesellschaftliche „Gegen-Welten" hinzukommen, wodurch das Verantwortungsbewußtsein gegenüber der „Staatsknete" nicht gerade gestärkt wird; s. Seibel, Funktionaler Dilettantismus, S. 130, 213, 138; Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 19 f. 384 Ebenso für den Hochschulbereich Sierig, Die Grenzen der staatlichen Finanzkontrolle, S. 266.

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

Kontrollierter nicht identisch sein dürfen, sondern über eine gewisse räumliche, sachliche und personelle Distanz verfügen müssen, um neutral und objektiv urteilen zu können. 385 Unabhängigkeit schützt vor Einflußnahme und sichert einen ungetrübten Prüferblick. „Sind die Prüfungsorgane nämlich in die Organisation des zu Prüfenden, seinen Personalkreislauf und das Netz institutionsinterner persönlicher Kontakte eingebunden und verdanken sie der geprüften Einrichtung ihre Personal· und Sachausstattung, so begründet dieses schon ein ständiges Risiko für die Objektivität der Prüfungsergebnisse." 386 Zuwendungsempfänger sind ständig von der Kürzung und Streichung von Haushaltsmitteln bedroht. Aus dieser unsicheren Position müssen sie daran interessiert sein, etwaige ordnungswidrige oder unwirtschaftliche Mittelverwendungen vor dem Zuwendungsgeber zu verbergen. Jede interne Prüfung wird daher in der Gefahr sein, diesem existentiellen Erhaltungsinteresse den Vorrang einzuräumen. Gleiches gilt für kirchliche Prüfungseinrichtungen, die im übrigen entgegen den Annahmen von Leisner 387 , Brenner 388 und Delbrück 389 nur in Ausnahmefällen eine mit den Rechnungshöfen vergleichbare Unabhängigkeit genießen.390 Interne Kontrollen schweben nicht gleichermaßen wie Rechnungshofkontrollen als Damoklesschwert über den Köpfen der Mittelbewirtschafter. 391 Gleichzeitig ermöglicht diese Drohung dem Management Veränderungen durchzusetzen, ohne dabei in Loyalitätskonflikte zu geraten. 392 Schließlich könnten nur Rechnungshöfe feststellen, daß die interne Prüfung versagt und daher die staatliche Finanzkontrolle erforderlich ist. 3 9 3

385 Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (238); v. Arnim, DVB1. 1983, S. 664, (669 f.); Stern, in: Festschrift General-Rechen-Kammer, S. 16 (34). 386 Puhl, Budgetflucht, S. 426. 387 Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen, S. 87 ff. 388 Diakonie im Sozialstaat, S. 106.; ders., NVwZ 1995, S. 454 (455). 389 Gutachten, S. 40. 390 s. Christophs Zusammenfassung des Referates von Oberkirchenrat Vogt auf der Kirchenjuristentagung 1995 über „Die Finanzkontrolle im kirchlichen Bereich unter besonderer Berücksichtigung des Oberrechenamtes der EKD" in ZevKR 40 (1995), S. 466 (468 ff.). Danach sind im kirchlichen Bereich nur das Oberrechnungsamt der EKD und der Kirchliche Rechnungshof der Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg nach dem Modell des Bundesrechnungshofes ausgestaltet worden (S. 469); zum Rechnungswesen in diakonischen Einrichtungen s. noch Thermann, in: Diakonie in Bindung und Freiheit, hg. von Jörg Winter für das Diakonische Werk der EKD, Stuttgart 1988, S. 90-97. 391 Zur Präventivwirkung der staatlichen Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe s. o. S. 133 f. mit Fn. 351. 392 Jessen, in: Engelhardt/Schulze/Thieme, Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel?, S. 127: „Dies besagt im einzelnen, daß die Verwaltung, d. h. ihre Spitze, gerade mit Blick auf die „Praxisfremdheit" und „Verständnislosigkeit" des Rechnungshofes Veränderungen in Gang setzen kann, die unter anderen Umständen, wenn von „innen" statt von „außen" induziert, Loyalitätsprobleme aufwerfen würde". 393 Puhl, Budgetflucht, S. 426; Heuer (1990), in: ders., KHR, Art. 114 GG, Rdn. 84.

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Mit der herrschenden Ansicht zur Kontrolle grundrechtsfähiger Bewirtschafter öffentlicher Mittel 3 9 4 gilt daher auch für Zuwendungsempfänger der freien Wohlfahrtspflege, daß eigene Kontrollen zwar schonender, aber nicht gleich wirksam wie die Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe sind. Die Erforderlichkeit der Finanzkontrolle entfällt daher durch eigene Kontrollen nicht.

2. Subsidiarität gegenüber Prüfungen durch Vergabestellen? Delbrück 395 und Leisner 396 meinen, das Prinzip der geringstmöglichen Belastung führe dazu, daß die Finanzkontrolle der Rechnungshöfe hinter die Kontrolle durch Vergabestellen zurücktreten müsse. Die Verwendungskontrolle durch Bewilligungsbehörden würde bereits ausreichend die korrekte Mittelverwendung sicherstellen. Gegenüber der Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe sei sie weniger belastend. „Denn einerseits ist die gerade besonders belastende Publizität(-sgefahr) auf diesem Wege weitaus geringer, zum anderen scheidet der direkte Zugriff und die unmittelbare Kritik gerade an den kirchliche Trägern von vornherein aus, weil die Kritik über die Vergabeinstanzen gelenkt wird." 3 9 7 Es kann offen bleiben, ob die Verwendungskontrolle durch die Bewilligungsstelle für die Geprüften wirklich schonender ist. Die Befugnisse unterscheiden sich vornehmlich darin, daß die Rechnungshöfe gegebenenfalls nach § 91 Abs. 2 Satz 2 BHO die sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung prüfen können. Ansonsten müssen die Empfänger behördliche Nachprüfungen genauso dulden und unterstützen wie Prüfungen durch Rechnungshöfe. Die Veröffentlichung von Prüfungsergebnissen belastet die um ihr öffentliches Ansehen besorgte freie Wohlfahrtspflege, unterliegt deshalb aber auch Beschränkungen. 398 Dafür können die Feststellungen der Vergabestelle für die Zuwendungsempfänger unmittelbar Rechtsfolgen wie Rückforderungen oder zukünftige Kürzungen nach sich ziehen, während die Kritik der Rechnungshöfe nicht sanktionsbewehrt ist. Entscheidend ist, daß die behördliche Verwendungskontrolle eine effektive Kontrolle öffentlicher Mittel nicht ausreichend gewährleistet und daher vielleicht schonender, aber nicht gleich wirksam ist. Bewilligungsstellen sind nicht unabhängig, sondern stehen in einem Beziehungsgefüge zwischen der eigenen Behörde und den Zuwendungsempfängern. Generell gelten hierbei die Zuwendungsempfänger als 394 Puhl, Budgetflucht, S. 426f.; Haverkate, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 197 (212 f.); Stackmann, DVB1. 1996, S. 414 (416 f.); für die Wissenschaftsfreiheit Sierig, Grenzen der staatlichen Finanzkontrolle, S. 266ff.; Trute, Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, S. 474 ff. 395 ZevKR 40 (1995), S. 21 (42 f.); Gutachten, S. 36. 396 Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen, S. 23 f. 397 Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen, S. 24. 398 S. u.S. 215 f.

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

„Klientel" der Ressorts. 3 9 9 Die Beziehung zwischen den Vergabebehörden und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege ist durch jahrelange „kooperative Zusammenarbeit" gekennzeichnet. 4 0 0 Organisationen der freien Wohlfahrtspflege sichern sich Einfluß auf die öffentlichen Zuwendungsgeber über enge personelle Verknüpfungen, welche über gute Kontakte bis zur Personenidentität reichen. 4 0 1 Folglich wird den Wohlfahrtsverbänden von den Bewilligungsstellen zumeist viel Verständnis und Vertrauen entgegengebracht. 402 Das führt unter anderem dazu, daß vielfach Anträge nicht ausreichend geprüft und Verwendungsnachweise weder eingefordert noch kontrolliert werden 4 0 3 Aber auch ohne solche Verflechtungen wird die Kontrolle der Zuwendungen von den Verwaltungen eher als lästiges Geschäft betrachtet. Insofern ist die Praxis der Kontrolle durch Vergabestellen tatsächlich milder als Kontrollen durch Rechnungshöfe und wird daher verständlicherweise von den Zuwendungsempfängern bevorzugt. Zudem fällt jede Unregelmäßigkeit auf die Bewilligungsstelle zurück, die für die bewilligten Mittel verantwortlich bleibt. Daher ist bei Rügen der Rechnungshöfe regelmäßig eine Interessenkoalition zwischen Zuwendungsgeber und Zuwendungsnehmer zu beobachten. 4 0 4 Eine seit langem

399 In Hamburg wurde eigens ein Untersuchungsausschuß eingerichtet zur Vergabe und Kontrolle von Zuwendungen und einer möglichen Interessenkollision in der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales, s. LT-Drs. 16/665, 16/1011. 400 Dabei wäre es indes verfehlt, diese Verflechtungen allein unter dem Blickwinkel der Demokratiegefährdung zu betrachten und als Neokorporatismus oder Vetternwirtschaft zu brandmarken (Zu diesem „Paradigmenwechsel" in der Steuerungstheorie s. Mayntz, in: PVSSonderheft 26, S. 149 (157 ff.); Willke, Ironie des Staates, S. 71 ff.). Der Staat ist auf enge Netzwerke mit den Akteuren des dritten Sektors angewiesen. Sie befähigen ihn, soziale Probleme eher zu orten und zusammen anzugehen - systemtheoretisch kann man mit Mayntz von gesteigerter Binnendifferenzierung sprechen; s. speziell zur Wohlfahrtspflege Eversi Olk, in: dies. (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 9 (37 f.).

401 Seibert, in: Öhlschläger (Hg.), Unternehmen Barmherzigkeit, S. 25 (38): Mauschelei und Netzwerke machen zusätzliche Kontrolle notwendig; in die öffentliche Kritik gerieten z. B. die personelle Verflechtungen zwischen Politik und Wohlfahrtsverbänden in SchleswigHolstein: hier war der Justizminister zugleich Vorsitzender des DPWV, die AWO-Vorsitzende Kreistagspräsidentin und der DRK-Vorsitzende Landtagsabgeordneter (Lübecker Nachrichten v. 03. 02. 1994). In Bayern war 1996 die Sozialministerin zugleich Vizepräsidenten des DRK, während der stellvertretende Vorsitzende des DPWV und ein Vorstandsmitglied der AWO als Landtagsabgeordnete im Sozial- und Gesundheitsausschuß saßen (Capital 12/ 96 S. 148 (154)). Mauscheleien wurden auch bei der Affäre um die Caritas-Trägergesellschaft Trier (ctt) vermutet. Hier drängte sich der Verdacht auf, daß die ctt 620.000,- DM dem Fußballverein 1. FC Saarbrücken zuwendete und dafür von dessen Vorstandsmitglied, dem damaligen saarländischen Ministerpräsidenten Klimmt, bei der Krankenhausbedarfsplanung bevorzugt wurde, s. „Der Spiegel" Nr. 41/99, S. 116-119. 402 Stellvertretend sei die Äußerung des bayrischen Agrarministers zu dem „Skandal" um das Dorfhelfer-Kuratorium zitiert, nach dem das Agrarministerium zu „gutgläubig" war (Süddeutsche Zeitung v. 17. 11. 1998). 403 S. etwa die Kritik des Hamburger Landesrechnungshofes an der Prüfung der Verwendungsnachweise für Zuwendungen durch die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Jahresbericht 1994, Tz. 394-408. 404 Meyer, Sozialer Fortschritt 1997, S. 158 (163).

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„bewährte" Förderpraxis wird gemeinsam gegen die Kritik des Rechnungshofes verteidigt. 405 Insgesamt kann die Prüfung durch die Vergabestellen die Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe daher nicht ersetzen. Sie ist kein gleichwertiges milderes Mittel.

I I I . Zur Angemessenheit der Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege Greifen Rechnungshöfe unangemessen in die Grundrechte der freien Wohlfahrtspflege ein, wenn sie diese aufgrund von Zuwendungen oder gesetzlichen Zuschüssen kontrollieren? Umstritten ist seit langem 406 , ob methodisch exakt zwischen Grundrechten und dem Zweck einschränkender Regelungen abgewogen werden kann oder nur schwammig Werte gegenübergestellt und „hin- und hergeschaukelt werden" 407 . Die methodischen Probleme werden dadurch vergrößert, daß bei Konflikten zwischen der freien Wohlfahrtspflege und staatlichen Maßnahmen das Sozialstaatsgebot für beide Waagschalen geltend gemacht wird 4 0 8 . Man wird sich jedoch darauf einigen können, daß die Verhältnismäßigkeitsprüfung i. e. S. deswegen nicht entbehrlich ist: Mit ihr kann als Negativkontrolle überprüft werden, ob das mit den vorherigen Prüfungspunkten (Schutzbereich, Schranken, Geeignetheit, Erforderlichkeit) erzielte Ergebnis stimmig ist. 4 0 9 Das ist dann nicht der Fall, wenn die Beeinträchtigung außer Verhältnis zum Eingriffszweck steht. Für die Abwägung kommt es auf die Eingriffsintensität an. Je stärker in ein Grundrecht eingegriffen wird, desto wichtiger muß der mit der staatlichen Maßnahme verfolgte Zweck sein. 410 Hinsichtlich der bereichsspezifischen Schutzintensität wurde bereits oben für die Selbstverwaltungsgarantie der Kirchen festgestellt: Der Regelungszweck muß umso gewichtiger sein, je näher die geregelte Materie dem spezifisch religiösen Handeln und insoweit der vorbehaltslos gewährleisteten Religionsfreiheit steht. Je geringer der religiöse und je höher der weltliche Bezug ist, desto schwächer strahlt der Schutz der Religionsfreiheit auf die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV aus 4 1 1 Nach der Bestandsaufnahme mußte kon405 So durchweg die Tendenz im Bericht 1994 des schleswig-holsteinischen Landesrechnungshofes. 406 Vgl. z u r Auseinandersetzung insgesamt Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 145 ff.

407 s. Bethge, in: Sachs (Hg.), Grundgesetz, Art. 5 Rdn. 147. 408 S. sogleich im Text. 409

So Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rdn. 333, die im Übrigen jeglicher Abwägung äußerst kritisch gegenüberstehen („entbehrt der rationalen und verbindlichen Maßstäbe", ebd., Rdn. 332). 410 BVerfGE 7, 377 (404 f.); 20, 150 (159); 17, 306 (314); s. zusammenfassend Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 145 ff. 411 S.o.S. 106 f.

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

statiert werden, daß die kirchliche Wohlfahrtspflege überwiegend säkularisiert ist. 4 1 2 Daher vermag sie eher durch „für alle geltenden Gesetze" i. S. d. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV eingeschränkt werden. Zur Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der - für weltliche Einrichtungen maßgeblichen - Berufsfreiheit hat das Bundesverfassungsgericht in der Drei-Stufen-Theorie die allgemeine 413 Regel begründet, daß höhere Anforderungen an den Eingriffszweck zu stellen sind, wenn nicht nur das „ Wiesondern das „ Ob " einer Grundrechtsausübung beschränkt wird. 4 1 4 Staatliche Finanzkontrollen entscheiden nicht darüber, ob soziale Dienste betrieben werden. Es geht nicht wie beim Streit um die Subsidiarität darum, ob der Staat der freien Wohlfahrtspflege angestammte Tätigkeitsbereiche streitig macht. Finanzkontrollen greifen in der Regel auch nicht in das „Was", die eigenverantwortliche Zielsetzung der Kontrollierten ein. Denn diese wird durch den Förderzweck vorgegeben. Sie beschränkt nur teilweise das „ Wie " der Aufgabenerfüllung, denn die ordnungsgemäße Verwaltung wird durch Rechtsvorschriften reglementiert, deren Einhaltung lediglich kontrolliert wird. Spielräume für die Verhaltenslenkung bestehen nur bei der Wirtschaftlichkeitskontrolle. Und sie können nur durch Kritik, nicht durch Dezision die Bewirtschaftung öffentlicher Mittel steuern. Hinzu kommt, daß staatliche Finanzkontrollen nicht in den eigenverantwortlichen Bereich autonomer Aufgabenwahrnehmung eingreifen, sondern in staatlich mitfinanzierte soziale Dienstleistungen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Grundrechtsbeeinträchtigungen in sozialstaatlich begünstigten Berufen läßt sich hierauf übertragen. Ein Kostendämpfungsgesetz für zahntechnische Leistungen hielt das Gericht aus folgenden Erwägungen für verhältnismäßig i. e. S.: Die Vergütungsregelung betreffe nicht eigenverantwortliches Wirtschaften, sondern die Beteiligung der Zahntechniker in einem von anderen finanzierten Leistungssystem. Dieses sei wegen der sozialstaatlichen Verantwortung für ein funktionsfähiges Krankenversorgungssystem dem staatlichen Zugriff leichter zugänglich. Wer sich nicht zuletzt wegen der ihm daraus erwachsenden Vorteile weder gegen seine Einbeziehung in das öffentlichrechtliche System des Kassenarztrechts noch gegen die öffentlichrechtliche Festsetzung der Vergütungen wende, könnte sich nicht auf die Prinzipien freier Preisbildung berufen, wenn bei einer Gefährdung der finanziellen Stabilität dieses Systems der Staat regulierend eingreift. Die Zahntechniker unterlägen im Rahmen ihrer Einbeziehung in das öffentlich412 S.o.S. 110 ff. 413 Allgemein, weil diese - für die Berufsfreiheit entwickelte - Stufentheorie nur eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, BVerfGE 26, 1 (12); 30, 292 (313 ff.); 32, 1 (34); 46, 120 (138); Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rdn. 333; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdn. 422. 414 BVerfGE 7, 377 (404); 16, 286 (297); 65, 116 (125); 70, 1, (28); 77, 308 (332); 78, 155 (162); 81, 70 (84).

C. Verhältnismäßigkeit der Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

143

rechtliche Vertragssystem des Kassenarztrechts in erhöhtem Maße den Einwirkungen sozialstaatlicher Gesetzgebung.415 Die Verfassungsbeschwerde gegen die Kostendämpfung bei Heil- und Hilfsmitteln wurde mit der gleichen Begründung abgewiesen.416 Dem Eingriff ständen nicht unwesentliche Vorteile gegenüber, weil das Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung den Arzneimittelherstellern größere wirtschaftliche Sicherheit vermittele als ein freies Konkurrenzsystem. Für die Funktionsfähigkeit dieses beitragsfinanzierten Leistungssystems trage der Staat die Verantwortung. „Soweit das der Fall ist, unterliegen die Leistungserbringer in erhöhtem Maße der Einwirkung sozialstaatlicher Gesetzgebung."417 Gleiches gilt für Zuwendungsfinanzierung sozialer Dienste. Bei der Abwägung müssen die Vorteile mit berücksichtigt werden, die Private aus ihrer Einbeziehung in staatliche Förderprogramme ziehen. Die freie Wohlfahrtspflege profitiert von den Förderungen ebenso wie die Leistungserbringer im Gesundheitssystem, da sie nicht dem Konkurrenzdruck des freien Marktes ausgesetzt ist. 4 1 8 Der soziale Auftrag des Grundgesetzes begünstigt die freien Träger, soweit sie Zuwendungen und gesetzliche Zuschüsse erhalten. 419 Daher ist es unzulässig, isoliert die Belastungen durch staatliche Wirtschaftlichkeitsauflagen und Kontrollen zu beurteilen. 420 Im Gegenzug zur Förderung werden sie verpflichtet, die Wirtschaftlichkeit des Förderungssystems mit zu sichern. Denn der Staat muß ein finanzierbares Leistungssystem gewährleisten 421, wobei es keinen Unterschied macht, ob die Leistungen durch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge oder durch Steuergelder finan-

415 BVerfGE 68, 193 (220 f.) = NJW 1985, 1385 (1388 f.). 416 BVerfGE 70, 1 = NJW 1986, 772. 417 BVerfGE 70, 1 (31) = NJW 1986, 772, 773 f. 418 Neumann, Freiheitsgefährdung, S. 56. S. a. Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 195: „In der Treibhausluft der Staatsleistungen gedeiht manches, was in der offenen Luft eines rauhen Marktes zugrunde ginge". 419 Dazu, daß auch der Staat von der Eigenleistung der freien Wohlfahrtspflege profitiert, s. oben S. 133 ff. Im übrigen bleibt die Finanzverantwortung für öffentlichen Gelder jedoch von der Eigenleistung der freien Wohlfahrtspflege unberührt. Es ist nicht ersichtlich, wieso ihre Eigenleistung die Verpflichtung zum wirtschaftlichen Umgang mit öffentlichen Mitteln schmälern sollte. Es handelt sich weniger um ein verfassungsrechtliches denn um ein politisches Argument gegen wirtschaftliche „Gängelung" durch staatliche Stellen und gegen Presseberichte, die teilweise polemisch eine angebliche Verschwendung von Steuergeldern anprangern und dabei die unbestreitbaren Verdienste der freien Wohlfahrtspflege übersehen. 420 Zur Unzulässigkeit einer isolierenden Betrachtungsweise s. Lerche I Degenhart, in: Robert Bosch Stiftung (Hg.), Krankenhausfinanzierung in Selbstverwaltung - Verfassungsrechtliche Stellungnahmen, S. 37 f. M. E. ist es entbehrlich, wie Degenhart und Lerche eine zusätzliche dogmatische Figur der „normativen Vorprägung" solcher komplexen Leistungssysteme zu kreieren (ebd., S. 34). Für die Begründung der damit gemeinten Grundrechtsbeschränkungen ist dieser Begriff nicht erforderlich, sondern eher vernebelnd, zur Kritik s. das Gutachten von Isensee im selben Band (S. 97 ff.). 421 So auch Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 119.

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

ziert werden. Gegenüber Beitrags- und Steuerzahlern muß er bei der Umsetzung des Sozialstaatsgebotes im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit 422 durch „Lenkungsauflagen" 423 und Kontrollen darauf hinwirken, daß finanzierte Leistungen wirtschaftlich erbracht werden. Wohlgemerkt profitiert die freie Wohlfahrtspflege nicht an sich von staatlichen Förderungen, sondern nur insoweit sie konkret gefördert wird. Sie trägt keine allgemeine Finanzverantwortung für die „Funktionsfähigkeit" 4 2 4 der Förderung sozialer Dienste. Sie wird nicht allgemein in die Pflicht genommen, den staatlichen Mittelaufwand zu begrenzen, sondern nur, soweit sie konkrete Förderungen erhält. Die Vorteile durch Förderungen dürften nur dann nicht bei der Abwägung mit berücksichtigt werden, wenn der Staat verfassungsrechtlich dazu verpflichtet wäre, die freie Wohlfahrtspflege als solche unabhängig vom „Output" und verfügbaren Mitteln zu fördern, mithin den status quo zu garantieren. Dann könnte die Förderung nicht an Bedingungen geknüpft werden, welche die zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung der Mittel sichern sollen und die geförderten Einrichtungen würden keine Finanzverantwortung tragen. Das wird jedoch nicht ernsthaft vertreten. 425 Keine Norm sichert den Wohlfahrtsverbänden Bestand oder gar Wachstum.426 Den weitesten Schutz gewährt noch die Thüringische Verfassung, die in Art. 41 als einzige deutsche Verfassung die Förderung der freien Wohlfahrtspflege vorschreibt; jedoch unterliegt die Ausgestaltung der Förderung der staatlichen und kommunalen Etathoheit 427 . Art. 87 der Landesverfassung von Baden-Württemberg „gewährleistet" allein die weltliche, Art. 6 die kirchliche freie Wohlfahrtspflege. Die Staatskirchenverträge in den neuen Ländern garantieren das Recht der Kirchen und der ihnen angeschlossenen Verbände, soziale Einrichtungen zu betreiben, versprechen Leistungen jedoch nur nach Maßgabe der Gesetze428 oder gleiche Förderung wie an andere 422

Zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Umsetzung des Sozialstaatsgebotes s. Sachs, in: ders. (Hg.), Grundgesetz, Art. 20 Rdn. 29.; Neumann, DVB1. 1997, S. 92 (92f.).; ausf.: Blanke, in: Sachße/Engelhardt (Hg.), Sicherheit und Freiheit, S. 133 (134f.). 423

S. die Abhandlung von Leisner, Die Lenkungsauflage; ferner Geis, Selbsthilfe, S. 245 ff.; Neumann, Freiheitsgefährdung, S. 383 ff. 424 Der Begriff der Funktionsfähigkeit, wie ihn das Bundesverfassungsgericht verwendet (BVerfGE 35, 79 (115, 124); 36, 193 (204); 48, 127 (159f.); 48, 127 (159f.); 50; 290 (352 ff.; 68, 193 (220)) trägt allerdings die Gefahr in sich, vorschnell staatliche Maßnahmen zu legitimieren, s. zur Kritik Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 195 mit Fn. 94. 425 Diskutiert und verworfen von Wegener, Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, S. 279 ff.; Roider, Die rechtlichen Beziehungen zwischen freier und öffentlicher Wohlfahrtspflege, S. 229 f.; Benda, Soziale Arbeit 1989, S. 251 (253). Für die kirchlichen Wohlfahrtsverbände ebenso Scheuner, Essener Gespräche, Bd. 8, S. 43 (60). 42 6 Benda, Soziale Arbeit 1989, S. 251 (253); Delbrück, ZevKR 40 (1995), S. 21 (33); Roider, Die rechtlichen Beziehungen zwischen freier und öffentlicher Wohlfahrtspflege, S. 227 ff.; Eberle, Sozialstationen in kirchlicher Trägerschaft, S. 83 ff. 427

Linck, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Die Verfassung des Freistaates Thüringen, Komm., Art. 41 Rdn. 8.

C. Verhältnismäßigkeit der Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

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Träger 4 2 9 . Diese Bestimmungen verpflichten staatliche Stellen, die freie Wohlfahrtspflege in der staatlichen Sozialvorsorge angemessen einzubeziehen und verbieten ihre völlige Verdrängung durch staatliche Einrichtungen. 4 3 0 Förderungen unterliegen aber grundsätzlich dem staatlichen Finanzierungsvorbehalt. 431 Das heißt nicht unbedingt, daß die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Umsetzung des Sozialstaatsprinzips unbegrenzt ist. Denn aus dem Sozialstaatsprinzip wird umgekehrt auch gefolgert, daß Förderungen der freien Wohlfahrtspflege etwas grundsätzlich anderes seien als „die i m Wirtschaftsleben üblichen Subvent i o n e n " . 4 3 2 Die Verfassung privilegiere den Schutz gemeinwohlfördernder Grundrechtsausübung gegenüber der nur eigennützigen Ausübung von Freiheitsrecht e n . 4 3 3 Die Träger nähmen nicht grundrechtliche Freiheit für egoistische Ziele in Anspruch, sondern widmeten sich dem Gemeinwohl. Das Sozialstaatsprinzip dürfe nicht zur Rechtfertigung von Eingriffen herangezogen werden. Es gebiete umgekehrt, daß gemeinwohldienliche Tätigkeiten gerade gefördert w ü r d e n . 4 3 4 Ebenso wird der „öffentliche" Charakter sozialer Leistungen dazu herangezogen, um staatliche Förderung bei gleichzeitiger Beachtung der Eigenständigkeit zu fordern. 4 3 5 428 Art. 18 des Evangelischer Kirchen vertrag Sachsen-Anhalt v. 15. Sept. 1993; Art. 8 des Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Sachsen-Anhalt vom 15. Jan. 1998; Art. 15 des Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen vom 11. Juli 1997. 429 Art. 8 des Evangelischen Kirchenvertrages Brandenburg vom 8. Nov. 1996; Art. 22 des Vertrages zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und den evangelischen Landeskirchen Mecklenburgs und der Pommerschen evangelischen Kirche vom 20. Jan. 1994; Art. 20 des evangelischen Kirchenvertrages Sachsen vom 24. März 1994; Art. 9 des Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Sachsen vom 2. Juli 1996. Die zitierten Vertragsteile sind abgedruckt bei Burhenne / Neuhoff, Recht der gemeinnützigen Einrichtungen und Organisationen, Ordnungsnummern 214-215. «ο So ζ. B. Delbrück, ZevKR 1995, S. 20 (31). 431

S. die Autoren oben in Fn. 425 und 426. So Wegener, Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, S. 282; ähnlich Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 20; Delbrück, ZevKR 40 (1995), S. 21 432

(28).

433

In diesem Sinne etwa Geis, Selbsthilfe, S. 84 ff. So Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 174ff.; in einem späteren Beitrag äußert sich Depenheuer vorsichtiger und meint, daß gemeinwohlorientierte Grundrechtsausübung die Grundrechtsdogmatik irritieren könne, s. VVDStRL 55 (1996), S. 90 (110). Das ähnelt den Versuchen, Grundpflichten aus den Grundrechten abzuleiten, der Staat müßte dann gerade diejenigen privilegieren, die Gutes tun; zur Unhaltbarkeit solcher Ableitungen s. Stern, Staatsrecht III/2, S. 1031 f.; Merten, VVDStRL 55, S. 7 (21 f.). 435 S. zum Öffentlichen als Verbandsargument Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 38; Wegener, Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, S. 79; Rinken, in: HdbStKirchR 1, Bd. 2, S. 345 (368 f.). Rinken (Das Öffentliche als verfassungstheoretisches Problem, dargestellt am Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände) und Wegener (Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege) versuchten, die gemeinsame Wohlfahrtspflege durch private und staatliche Stellen normativ einem Bereich des „Öffentlichen" zuzuordnen, gleichsam als Tertium neben rein staat434

10 Rogge

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

Förderungen seien keine freiwillige Wohltat, die mit beliebigen Nebenbestimmungen versehen werden könnten, sondern konkretisierten das Sozialstaatsgebot. Der Staat könne nicht frei über die Verwendung der Gelder bestimmen, sondern müsse den Einrichtungen und Organisationen einen eigenverantwortlichen Spielraum zur Bewirtschaftung der Mittel überlassen. 436 Man merkt, welche dogmatische Verwirrung das Sozialstaatsprinzip stiften kann. Es wird von beiden Seiten in die Waagschale geworfen, um Kompetenzen bzw. grundrechtliche Reservate zu verstärken. Einerseits ist der Sozialstaat zur aktiven Sozialgestaltung durch Planung, Lenkung und Intervention berufen. 4 3 7 Andererseits soll das Prinzip den Sozialstaat zur schonenden Förderung gesellschaftlich selbstorganisierter sozialer Dienste verpflichten 4 3 8 . Das ist kein Widerspruch. Es ist gut vertretbar, daß der Staat durch das Sozialstaatsgebot und die „wertsetzende" Bedeutung ihrer Grundrechte gehalten ist, bei Förderungen die Eigenständigkeit der freien Wohlfahrtspflege in der Aufgabenerfüllung zu schonen. Es wurde bereits festgestellt, daß die freie Wohlfahrtspflege trotz staatlicher Teilalimentierung Aufgaben als eigene wahrnimmt, also weder als lichem und rein privatem Handeln. Dies Versuche führen aber kaum weiter. Denn aus dem „öffentlichen" Charakter der sozialen Arbeit wird nicht nur ein besonderer verfassungsrechtlicher Status, sondern umgekehrt auch geschlossen, daß staatliche Ingerenzen hier eher zulässig sind: Wird eine öffentliche Aufgabe postuliert, dann verleitet dies zum Schnellschluß, es handele sich um eine staatliche Aufgabe (Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungsträger, S. 157 f.), daß also von der Aufgabe zur Befugnis geschlossen wird. Das zeigt bereits, daß sich der Begriff des „Öffentlichen" zur Verwendung in gänzlich unterschiedlichen Argumentationsrichtungen eignet. Diese Ambivalenz erkennen auch Rinken, a. a. O., S. 369 mit Fn. 99, und Wegener, ebd. Vgl. auch Teubner, Organisationsdemokratie und Verbandsverfassung, S. 134: „Damit wird der Begriff der öffentlichen Funktion zu einer Leerformel, die zur Begründung von mancherlei normativen Anforderungen einsetzbar ist." Gleichzeitig ruft es Zweifel daran hervor, daß das „Öffentliche" an sich ein methodisch operabler Rechtsbegriff ist. Dabei stößt man zunächst auf die Schwierigkeit, den Kreis der öffentlichen Aufgaben nach wissenschaftlichen Beurteilungsmaßstäben zu bestimmen (Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 36). Hierfür muß auf die Verfassung zurückgegriffen werden, etwa auf Kompetenzbestimmungen oder auf das Sozialstaatsprinzip (Vgl. Wegener, Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, S. 84). In dem Fall erübrigt sich aber die Kategorie der öffentlichen Aufgabe. Auch für Private, die im Bereich des Öffentlichen wirken, bringt der Begriff keine Rechtsfolgen mit sich. Insbesondere ein Anspruch auf staatliche Förderung läßt sich aus dem „rechtsdogmatisch unerschlossenen" Begriff des Öffentlichen nicht herleiten (Rinken, in: HdbStKirchR 1, Bd. 2, S. 345 (368 f.); Wegener, a. a. O., S. 86.). Die Kategorie des Öffentlichen kann daher den Überschneidungsbereich Privater und staatlicher Tätigkeit beschreiben, ist jedoch für Dogmatik wenig brauchbar (S. zur Kritik insgesamt treffend Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 33-38). 436 So etwa Delbrück, Gutachten, S. 26 ff. 437

Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdn. 210. 438 Vgl. dazu die Zusammenfassung bei Neumann, DVB1. 1997, S. 92 (98 ff.). Benda vermag die Verwirrung nicht auszuräumen, wenn er aus dem scheinbar widersprüchlichen Sozialstaatsgebot „Wechselwirkungen" folgert (Soziale Arbeit 1989, S. 251 (252)). Die gleiche dogmatische Verwirrung tritt beim „Öffentlichen" auf, s. o. Fn. 435.

C. Verhältnismäßigkeit der Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

147

Beliehene noch als Verwaltungshelfer staatliche Aufgaben erfüllt. 439 Der Staat fördert die freie Wohlfahrtspflege als Organisationen mit eigener Funktionslogik und spezifischen Wertmaßstäben; er steuert keine untergeordnete Verwaltungseinheit. Der Grundsatz „wer zahlt, schafft an" gilt nicht uneingeschränkt, wenngleich das Verdikt der Verfassungswidrigkeit selten zutreffen wird. Kooperation kann einen schonenden Ausgleich schaffen. 440 Diese Einschränkungen gelten aber im wesentlichen für die inhaltliche Aufgabenerfüllung, bei der sich staatliche Befugnisse und private Freiheiten überschneiden. Allerdings geht es hier nicht darum, ob der Staat oder die freie Wohlfahrtspflege die soziale Arbeit inhaltlich bestimmt. Denn staatliche Wirtschaftlichkeitsmaßgaben durch Zuwendungsgeber und Rechnungshöfe sollen nicht das Sozialstaatsprinzip umsetzen, sondern die Ausgaben kontrollieren. Nicht das Sozialstaatsprinzip legitimiert Eingriffe, sondern die staatliche Finanzverantwortung, unter deren Vorbehalt sozialstaatlich motivierte Förderungen stehen. Insoweit ist das Rechtsverhältnis nicht durch konkurrierende Aufgabenwahrnehmung und Kooperation in den gemeinsamen Angelegenheiten „Soziales", sondern durch die staatlichen Letztverantwortung für die Finanzierung des Systems, Delegation und Kontrolle gekennzeichnet441. Schließlich ist Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege keine Aufsicht über deren Aufgabenwahrnehmung, sondern über deren Bewirtschaftung öffentlicher Mittel. Sie soll nicht Sozialpädagogik, Gesundheitsvorsorge, Altenhilfe oder Aussiedlerbetreuung und damit die eigenverantwortlichen Handlungsprogramme der freien Wohlfahrtspflege steuern, sondern allein die finanzielle Rationalität der Aufgabenerfüllung. 442 Gegen eine totale inhaltliche Gestaltungsfreiheit bei der Umsetzung sozialstaatlicher Förderungen mögen verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht werden. Der Staat ist aber durch seine Finanzverantwortung verpflichtet und wegen des Finanzierungsvorbehalts berechtigt, für den wirtschaftlich rationalen 439 S. o. S. 93 f. und Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 30 ff., 53 ff., dort auch zu vereinzelten Gegenpositionen. 440 Wegener, Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, S. 289 f. 441

Benda, Soziale Arbeit 1989, S. 251 (251, 255). Zur Delegation und Kontrolle von Finanzverantwortung s. noch oben S. 54 f. Deshalb verfängt der Einwand von Delbrück (Gutachten, S. 31 f.) und Leisner (Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 71 ff.) nicht, staatliche Finanzkontrollen verstießen gegen das Kooperationsgebot. Gleiches gilt für das kirchenrechtliche Kooperationsgebot, s. o. S. 125. Aufschlußreich ist zudem der Vergleich mit § 17 III SGB I, der nach Neumann (Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 10) das verfassungsrechtliche Rechtsverhältnis reformuliert: Danach müssen die Leistungsträger in der Zusammenarbeit mit gemeinnützigen und freien Einrichtungen deren Selbständigkeit in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben achten. Satz 3 stellt klar, das die Nachprüfung der zweckentsprechenden Verwendung öffentlicher Mittel unberührt bleibt. 442 s. o. S. 48 ff. zum Unterschied zwischen Rechtmäßigkeit/Zweckmäßigkeit einerseits und Budgetmäßigkeit andererseits und S. 66 ff. dazu, daß der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ebenso allein wirtschaftliche rationale Entscheidungen verlangt und damit keine inhaltliche Totalkontrolle mit sich bringt. 10*

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Teil 2: Prüfungsbeschränkungen durch Grundrechte

Einsatz von Fördermitteln Sorge zu tragen. Gegenüber diesem Eingriffszweck sind die - relativ geringen 443 - Beeinträchtigungen der kirchlichen Selbstverwaltungsgarantie und der Berufs- bzw. der allgemeinen Handlungsfreiheit nicht unangemessen, zumal die freie Wohlfahrtspflege von den Förderungen profitiert. Rechnungshofkontrollen greifen daher nicht unverhältnismäßig in Grundrechte der freien Wohlfahrtspflege ein.

IV. Zusammenfassung Finanzkontrollen durch Rechnungshöfe sind grundsätzlich geeignet, die ordnungsgemäße und wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel durch die freie Wohlfahrtspflege zu gewährleisten. Dabei sollten die Rechnungshöfe beachten, daß nicht durch formelle Anforderungen gesellschaftliche Eigeninitiative erstickt wird, die den Staat gerade entlastet. Die Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege ist erforderlich. Interne Kontrollen sowie Prüfungen durch Vergabestellen können schonender sein. Sie sind aber nicht unabhängig und daher nicht genauso wirksam wie Kontrollen durch Rechnungshöfe. Schließlich ist die Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege nicht unverhältnismäßig i. e. S. Finanzkontrollen greifen nicht gravierend in die Grundrechte der freien Wohlfahrtspflege ein. Die konfessionellen Wohlfahrtsarbeit ist weitgehend säkularisiert, weshalb der starke Schutz der Religionsfreiheit kaum wirkt. Betroffen ist allein das „Wie" der Grundrechtsausübung, das im wesentlichen bereits durch Rechtsvorschriften und Nebenbestimmungen geregelt ist. Zudem verbieten Rechnungshöfe keine Grundrechtsausübung, sondern sie kritisieren nur. Der Eingriff darf nicht isoliert betrachtet werden. Er betrifft die freie Wohlfahrtspflege nicht bei autonomen, sondern bei staatlich mitfinanzierten Werken. Ein konkreten verfassungsrechtlichen Anspruch auf öffentliche Mittel hat die freie Wohlfahrtspflege nicht, allenfalls nach Maßgabe der staatlichen Etathoheit. Das Sozialstaatsprinzip und ihre Grundrechte halten den Staat allenfalls dazu an, die inhaltliche Eigenständigkeit der freien Wohlfahrtspflege bei Förderungen zu achten. Da Förderprogramme unter einem Finanzierungsvorbehalt stehen, muß die Implementation wirtschaftlicher Rationalität hingenommen werden. Im Verhältnis zum wichtigen Zweck der öffentlichen Ausgabenbegrenzung ist daher die Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege nicht unangemessen.

443 s. o. (S. 141 f.).

Teil 3

Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege nach §§ 91,104 BHO unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben Im folgenden Kapitel sind unter den erarbeiteten verfassungsrechtlichen Prämissen die Voraussetzungen und Grenzen der staatlichen Finanzkontrolle an Hand der einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen in §§ 91 Abs. 1 Nr. 2 und § 104 Nr. 2 BHO zu untersuchen. Die Landeshaushaltsordnungen entsprechen wegen § 1 HGrG weitgehend den bundesgesetzlichen Regelungen. Eine Besonderheit weist § 91 Abs. 2 LHO Brandenburg auf, nach dem der Rechnungshof bei der Zuwendungskontrolle das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften „zu beachten" hat.1 Damit normierte der brandenburgische Gesetzgeber aber nur eine Selbstverständlichkeit ohne spezifische Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Finanzkontrolle kirchlicher Zuwendungsempfänger in Brandenburg. Jeder Rechnungshof hat bei der Prüfung kirchlicher Einrichtungen und Verbände das kirchliche Selbstbestimmungsrecht zu beachten. Besondere Aufmerksamkeit verdient dagegen Art. 56 Abs. 4 LV i. V. m. § 104 Abs. 1 Nr. 1 LHO Schleswig-Holstein, weil die Prüfungsbefugnisse bei Zuwendungsempfängern hier erheblich über die sonstigen Regelungen hinaus gehen.2 Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt auf Prüfungen nach § 91 BHO, da die Einrichtungen und Verbände der freien Wohlfahrtspflege in der Regel durch Zuwendungen gefördert werden, während gesetzlich begründete Zuschüsse die Ausnahme darstellen. Zudem ist die Zuwendungskontrolle umstrittener und wirft damit mehr Fragen auf. Abschließend ist auf das Prüfungsverfahren einzugehen.

1 Vgl. die Gegenüberstellung der Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder bei Heuer, KHR, IV/0. 2 S.u.S. 179 ff.

ei

Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

A. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO I . Voraussetzungen Voraussetzung für eine Prüfung nach § 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BHO ist, daß eine Stelle außerhalb der Bundesverwaltung Zuwendungen erhält.

1. Zuwendungen Nach der Definition in Nr. 1. 1 der Vorl. VV-BHO zu § 23 BHO sind Zuwendungen Leistungen an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung zur Erfüllung bestimmter Zwecke.

a) Stellen außerhalb der Bundesverwaltung Stellen außerhalb der Verwaltung sind alle Stellen, die nicht zur unmittelbaren Bundesverwaltung zählen, also alle Stellen außerhalb der Rechtsperson Bund.3 Die Zuwendungsempfänger der freien Wohlfahrtspflege zählen qua definitionem nie zur Bundesverwaltung. Die Verbände und Einrichtungen sind fast ausnahmslos als Vereine organisiert, in letzter Zeit mehren sich Gesellschaften mbH. Konfessionelle Kindergärten werden häufig von den Kirchengemeinden getragen.4 Eine Ausnahme bildet das als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte Bayerische Rote Kreuz. Alle Gesellschaftsformen sind „Stellen außerhalb der Bundesverwaltung" i. S. d. Haushaltsrechts.5

3 Piduch (1993), Bundeshaushaltsrecht, § 23 BHO Anm. 2. 4

Brenner meint dagegen, die diakonischen Einrichtungen seien keine „Stellen außerhalb der Verwaltung" i. S. d. § 91 BHO, NVwZ 1995, S. 454 (454); ders., Diakonie im Sozialstaat, S. 103 f. Da § 55 11 HGrG die Kirchen von der Rechnungsprüfung ausnehme und kirchlichen Garantien gleichermaßen für Caritas und Diakonie gelten, dürften weder der Körperschaft Kirche angehörige noch selbständige konfessionelle Zuwendungsempfänger kontrolliert werden. Diese Argumentation ist unhaltbar. Weder schließt § 55 HGrG die Finanzkontrolle staatlicher Zuschüsse aus (s. u. S. 204), noch kann man die kirchenrechtlichen Besonderheiten in differenzierter Form zur Geltung bringen, indem man entgegen dem Wortlaut konfessionelle Einrichtungen kurzerhand zu Stellen erklärt, die nicht außerhalb der Bundesverwaltung liegen. 5 Zweifelhaft kann diese Voraussetzung bei bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts wie auch etwa bei Fraktionen sein, s. Lange, in: FS General-RechenKammer, S. 279 (290 f.).

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

151

b) Leistungen Zuwendungsleistungen sind nach ganz herrschender Meinung nur Geldleistungen.6 Für Sachleistungen trifft § 63 Abs. 2 bis 5 BHO Sonderregelungen. In der Regel wird die freie Wohlfahrtspflege durch Geldleistungen aus dem Bundeshaushalt und vor allem aus den Länderhaushalten unterstützt. Ausnahmen können etwa Leistungen der Sozialhilfeträger an freie Einrichtungen bilden. Das Fördergebot des § 10 Abs. 3 Satz 2 BSHG überläßt es den Sozialhilfeträgern, ob sie die freie Wohlfahrtspflege finanziell oder in sonstiger Weise unterstützen.7 Stellt etwa ein Land als überörtlicher Träger der Sozialhilfe freien Trägern Räumlichkeiten oder Geräte zur Verfügung, dann ist das keine Zuwendung im haushaltsrechtlichen Sinne und kann daher auch keine Finanzkontrolle der Rechnungshöfe nach § 91 Abs. 1 Nr. 3 nach sich ziehen.

c) Zweckbindung Zuwendungen sind an Verwendungszwecke gebunden. Das meint nicht, daß der Zuwendungsgeber mit der Leistung einen bestimmten Zweck verfolgt; einen Zweck hat jede Ausgabe. Bei Zuwendungen darf der Empfänger die öffentlichen Mittel nur zu dem festgelegten Zweck verwenden. Die Gelder sind noch nicht vollständig aus der öffentlichen Hand entlassen, sondern einem bestimmten Zweck gewidmet.8 Hierin unterscheidet sich die Zuwendung von LeistungsVerträgen, Leistungsentgelten oder Erstattungen. Bei Leistungsverträgen kauft sich der Kostenträger eine Leistung wie etwa den Betrieb einer Altentagesstätte ein. Ob die Einrichtung das Geld für den Betrieb verwendet oder davon Rückstellungen bildet, während der Betrieb anderweitig finanziert wird, ist gleichgültig.9 Damit entfällt auch der hohe Verwaltungs- und Kontrollaufwand des Zuwendungsverfahrens, weshalb vielerorts die Umstellung der Förderpraxis von Zuwendungen auf Leistungsverträge überlegt und erprobt wird 1 0 . Gleiches gilt, wenn ausnahmsweise11 freien Verbänden soziale Aufgaben gem. § 10 Abs. 5 BSHG übertragen 6 Piduch (1993), Bundeshaushaltsrecht, § 23 BHO Anm. 4; v. Köckritz/Ermisch/Lamm (1984), BHO, § 23 Rdn. 4; Dommach (1995), in: Heuer, KHR, § 23 Rdn. 2; Nawrath/Söhngen (1992), in: Heuer, KHR, § 91 Rdn. 6; a. A. Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (281 f.). 7 BVerfGE 22, 180 (207 f.); Geis, Selbsthilfe, S. 196 f. 8 S.o. 57f. 9 Krämer/Schmidt (1995), Zuwendungsrecht, Β IV S. 21. 10 S. etwa Hesse-Schiller, in: BBJ Consult (Hg.), Sozialstaatsgebot und gemeinnützige Träger, S. 36ff.; Mehls, NDV 1996, S. 127 (127 ff.); zur Kritik s. Jahresbericht des Berliner Rechnungshofes 1995; AbgH-Drs. 12/5452, S. 31 ff. 11 Die Übertragung von Aufgaben nach § 10 Abs. 5 BSHG ist unüblich, da die Verbände in der Regel in Erfüllung eigener Aufgaben tätig werden, s. o. S. 93 f. und Roider, Die rechtlichen Beziehungen zwischen freier und öffentlicher Wohlfahrtspflege, S. 93.

152

ei

Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

werden 12. Den Verbänden werden die Selbstkosten in diesem Fall analog §§ 675, 670 BGB erstattet 13, die Erstattungen sind nicht zweckgebunden. Nicht zweckgebunden ist schließlich die wichtigste öffentliche Finanzierungsquelle der freien Wohlfahrtspflege, nämlich die der Leistungsentgelte. Pflegesätze und andere Entgelte der öffentlichen Kostenträger für erbrachte soziale Leistungen sind keine zweckgebundenen Geldleistungen. Der Kostenträger ist dem betreuten Sozialleistungsempfänger gegenüber zur Übernahme der Kosten verpflichtet, die der Kostenträger nur direkt mit dem Leistungserbringer abrechnet. Die Leistungsentgelte sind daher keine „öffentlichen Mittel" im eigentlichen Sinn. 14 Sie bezwecken nicht die Erbringung einer Sozialleistung, sondern die Entlastung des Sozialleistungsbedürftigen.

(1) Zweckbindung und unterschiedliche Zuwendungsarten An dieser Stelle ist eine für die folgenden Überlegungen zum Prüfungsrecht wichtige Unterscheidung einzuführen. An Hand der Zweckbindung lassen sich die zwei Formen der Zuwendungsförderung unterscheiden: institutionelle und Projektförderung. Die Differenzierung ist deshalb wichtig, da sie unterschiedliche Prüfungserfordernisse und Prüfungsgrenzen nach sich ziehen kann.

(2) Institutionelle Förderung Die institutionelle Förderung ist nach Nr. 2.2 der Vorl. VV zu § 23 BHO dadurch gekennzeichnet, daß der Zuwendungsempfänger die öffentlichen Mittel zur Dekkung der gesamten oder eines nicht abgegrenzten Teiles seiner Ausgaben erhält. Der Zuwendungsgeber fördert im sozialen Bereich damit eine Einrichtung oder einen Verein als solchen, nicht eine einzelne Aufgabe wie bei der Projektförderung. Gefördert werden dabei typischerweise die satzungsmäßigen Aufgaben der Institution 15 , die Zweckbindung ist nicht konkret, sondern „global" 16 . Der Zuwendungsgeber nimmt weniger Einfluß auf die Verwendung der Mittel, der Zuwendungsnehmer ist in der Bewirtschaftung relativ frei.

12 Zur Bedeutung und rechtlichen Einordnung dieser Aufgabenübertragung s. Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 48 f.; Schellhorn/ Jirasek/Seipp, BSHG, § 10 Rdn. 30 ff. 13

Roider, Die rechtlichen Beziehungen zwischen freier und öffentlicher Wohlfahrtspflege,

S. 92. 14 Schellhorn, in: BBJ Consult (Hg.), Sozialstaatsgebot und gemeinnützige Träger, S. 30 (31); Gitter, Prüfungsrechte und Prüfungspflichten des Kostenträgers gem. § 93 Abs. 2 BSHG, S. 59 f. 15 v: Köckritz!Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 6.1.

16 tf Köckritz!Ermisch/Lamm

(1997), BHO, § 23 Rdn. 6.1.

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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Gleichzeitig ist die institutionelle Förderung an restriktivere Auflagen gebunden. Die Institution ist nicht wie bei der Projektförderung verpflichtet, einen allein zuwendungsbezogenen Finanzierungsplan zu erstellen, sondern muß gem. Nr. 3. 4 der Vorl. VV zu § 23 BHO mit einem Haushalts- und Wirtschaftsplan ihre gesamten Finanzen offen legen, der nach § 26 Abs. 3 BHO sogar in den Bundeshaushaltsplan aufzunehmen ist, soweit die Zuwendungen des Bundes 5 Mio. DM übersteigen. Darin enthalten ist auch ein Stellenplan, der verbindlich gilt. 1 7 Gem. Nr. 1.3 ANBest-I gilt unabhängig von der Förderungshöhe das Besserstellungsverbot, nach dem die Beschäftigten des Zuwendungsempfängers nicht besser als vergleichbare Bedienstete der zuwendungsgebenden Körperschaft vergütet werden dürfen. Die institutionelle Förderung führt zumeist faktisch zu einer Dauerverpflichtung der Zuwendungsgeber. Zwar ist die institutionelle Förderung rechtlich freiwillig und gilt nur für das Haushaltsjahr. Es kann den Zuwendungsnehmern indes aus sozialen Gründen zumeist nicht zugemutet werden, unerwartet auf die Förderung verzichten zu müssen. Daher kann in der Praxis eine institutionelle Förderung nur dann eingestellt werden, wenn die Institution aufgelöst wird oder ein anderer Zuwendungsgeber eintritt. 18 Gegen die Finanzkontrolle institutionell geförderter Vereine der freien Wohlfahrtspflege werden regelmäßig weniger Bedenken geltend gemacht als gegen die Kontrolle nach Projektförderungen. Durch die institutionelle Förderung rückt der Zuwendungsempfänger näher an die staatliche Verwaltung heran, er wird quasi zu einem dauernden Trabanten der Staatsverwaltung, auch wenn die Einflußnahme gering sein kann. Dauer, Höhe und Regelmäßigkeit der Förderung rechtfertigen Maßnahmen, die die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerfüllung auch für die Zukunft sichern. Ein Geheimhaltungsinteresse besteht kaum, da der Zuwendungsempfänger mit seinem Haushalts- und Wirtschaftsplan alles offen legt. Insofern ist auch die Uberprüfung der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung gem. § 91 Abs. 2 Satz 2 weniger problematisch.

(3) Projektförderung Überwiegend wird die freie Wohlfahrtspflege nicht institutionell, sondern im Wege der Projektförderung unterstützt. Gem. Nr. 2. 1 der Vorl. VV zu § 23 BHO gilt die Projektförderung einzelnen inhaltlich und zeitlich begrenzten Vorhaben. Die Förderung ist auf den Abschluß des Projektes begrenzt, so ζ. B. eine einmalige Stadtranderholung für Jugendliche oder ein mehrjähriges Programm zur Förderung 17

Nach Verabschiedung des Haushalts sind gem. § 7 Abs. 3 der jährlichen Haushaltsgesetze nur noch Abweichungen von der Wertigkeit (Hebungen) mit Zustimmungen des Finanzministeriums zulässig. Neue Stellen können nicht mehr errichtet werden, is V Köckritz ! Ermisch ! Lamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 6.1.

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des Ehrenamtes19. Mit der Zuwendung soll ein präziser Zweck verfolgt werden. Die Projektförderung gibt dem Zuwendungsgeber mehr Möglichkeiten in die Hand, auf die geförderten Projekte Einfluß zu nehmen und das Bundes- oder Landesinteresse durchzusetzen. Es handelt sich daher um ein flexibleres und wirksameres Steuerungsinstrument als die institutionelle Förderung. Der Zuwendungsnehmer ist zwar u. U. stärkerem Einfluß ausgesetzt, braucht aber nur mildere allgemeine Nebenbestimmungen zu erfüllen. Er muß nur einen Finanzierungsplan für das Projekt aufstellen, nicht aber seine sonstige Wirtschafts- und Vermögenssituation offenlegen. Das Besserstellungsverbot gilt gem. Nr. 1.3 ANBest-P nur dann, wenn die öffentliche Hand die Gesamtausgaben des Zuwendungsempfängers überwiegend bestreitet. Die staatliche Finanzkontrolle von Projektförderungsempfängern der freien Wohlfahrtspflege wird weitaus stärker angegriffen als die Kontrolle institutionell geförderter Vereine. Generell scheint die Projektförderung staatsferner zu sein. Eine Einrichtung oder ein Verband vereinbart im Einzelfall eine Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen für abgegrenzte Vorhaben. Ansonsten bleibt der Empfänger in seiner übrigen Tätigkeit unabhängig. Der Zuwendungsempfänger hängt nicht ständig am Tropf staatlicher Unterstützung, sondern tritt als freier Partner den staatlichen Stellen gegenüber, die an zeitlich begrenzten einzelnen Projekten interessiert sind. Insofern erscheint eine Einmischung in die Zielsetzung und in die Wirtschaftsführung des Empfängers als weniger gerechtfertigt. Punktuelle Förderung kann keine prinzipiellen Verhaltensmaßgaben legitimieren. Insbesondere kann die Förderung eines einzelnen Projektes kaum die Kontrolle der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung des Zuwendungsempfängers gem. § 91 Abs. 2 Satz 2 BHO rechtfertigen. (4) „Etikettenschwindel" In der Praxis der Zuwendungsvergabe findet indes häufig ein Etikettenschwindel statt. Faktische institutionelle Förderung wird als Projektförderung tituliert und b ausgestaltet. Aufgrund dessen ist die Bezeichnung einer Zuwendung als institutionelle oder als Projektförderung für die Reichweite der Finanzkontrolle weniger aussagekräftig, als vielfach angenommen wird. Sowohl die Zuwendungsgeber als auch die Zuwendungsnehmer haben ein Interesse daran, die institutionelle Förderung zu umgehen: Zuwendungsnehmer scheuen die Nebenbestimmungen zur institutionellen Förderung, insbesondere Offenlegungspflichten durch den Haushalts- und Wirtschaftsplan, der auch noch kritisch durch das Bundesministerium für Finanzen kontrolliert wird. 2 0 Derartige Nebenbestimmungen erscheinen ungerechtfertigt, wenn sich ein 19 Beispiel aus dem Bericht des Berliner Landesrechnungshof 1991 (AbgH-Drs. 12/543), Tz. 217-225. 20

Junge, Caritas '89 (Jb.), S. 41 (44); Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 166.

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Verband nur teilweise aus öffentlichen Zuwendungen finanziert. 21 Nur bei Projektförderungen kann von den Einzelansätzen des Finanzierungsplanes abgewichen werden 22, ebenso sind nur hier vereinfachte Verwendungsnachweise zulässig23. Auch das strengere Besserstellungsverbot wird als einschneidende Belastung empfunden. 24 Es gilt im Fall von Projektförderungen gem. Nr. 1.3 AN-Best/P nur dann, wenn die Gesamtausgaben des Zuwendungsempfängers überwiegend aus Zuwendungen finanziert werden. 25 Insgesamt gibt die Projektförderung dem Zuwendungsnehmer mehr „Bewegungsfreiheit" 26 und verträgt sich daher eher mit dem Selbstverständnis der Wohlfahrtsverbände als freie, private Initiative 27 . Schließlich kann die Projektförderung besser gegenüber der Öffentlichkeit und privaten sozialen Dienstleistern vertreten werden. Zuwendungsgeber bevorzugen die Projektförderung, da sie die Förderung damit stärker am konkreten Bedarf ausrichten können.28 Die Projektförderung bietet die Möglichkeit, einzelne neue soziale Probleme etwa mit der Unterstützung von Schuldner-, Aidskranken- oder Drogenberatungsstellen, Flüchtlingszentren oder Frauenhäusern aufzugreifen. Die Vergabestellen können zudem kaum noch Vereinigungen der freien Wohlfahrtspflege institutionell fördern. Da die institutionelle Förderung faktisch zu einer Dauerverpflichtung führt, werden neue institutionelle Förderungen auf Bundesebene von Finanzministerium und Haushaltsausschuß in den letzten Jahren grundsätzlich abgelehnt.29 Die Freie Wohlfahrtspflege wird daher nur sehr vereinzelt institutionell gefördert. Auf Bundesebene sind ζ. B. der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge 30 sowie in der Jugendhilfe einzelne kleinere Vereinigungen 31 institutionelle Zuwendungsempfänger. Im Saarland wurden die Verbände der freien Wohlfahrtspflege über Jahre institutionell gefördert. 32 Im übrigen überwiegt bei weitem die Projektförderung. 33 21 So auch die Rechtfertigung des Sozialministeriums Schleswig-Holstein gegenüber der Kritik des Landesrechnungshofes an Projektförderungen als Zuwendungsart, Bemerkungen 1994, Nr. 4.5.7. 22 Nr. 5.3.2 VV zu § 44 BHO. 23 Nr. 5.3.4 VV zu § 44 BHO. 24 Deutscher Verein, NDV 1986, S. 337 (346). 25 Durch „Rechentricks" kann man dann das Besserstellungsverbot umgehen, s. Neumann, Freiheitsgefährdung im kooperativen Sozialstaat, S. 389. 2 6 Deutscher Verein, NDV 1986, S. 337 (340). 27

Junge, Caritas '89 (Jb.), S. 41 (44); zum Selbstverständnis s. noch oben S. 93 und speziell zu den karitativen Einrichtungen S. 95. 28 V Köckritz!Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 6.1. 2

9 V: Köckritz!Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 6.1.; Münder/Schruth, Consult (Hg.), Sozialstaatsgebot und gemeinnützige Träger, S. 4 (10). so Haushaltstitel 684 07-175.

in: BBJ

31 Haushaltstitel 684 11; interessanterweise werden auch konfessionelle Einrichtungen wie die Katholische Arbeitsgemeinschaft für Jugendsozialarbeit zu 100% vom Bund finanziert. 32 Rechnungshof des Saarlandes, Jahresbericht 1990, Tz. 26.1. 33 Junge, Caritas '89 (Jb.), S. 41 (44).

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Diese Praxis widerspricht aber der Tatsache, daß vor allem die Verbände seit Jahrzehnten Partner der öffentlichen Verwaltung in der Erfüllung sozialer Aufgaben sind und Zuwendungen aus Bundes- und Landeshaushalten für ihr gesamtes Tätigkeitsspektrum erhalten. Die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege werden seit 1954 aus dem Bundeshaushalt mit Globalbeihilfen gefördert. Auch auf Länderebene erhielten die Verbände allgemeine Zuwendungen (teilweise Globaldotationen genannt) für ihre selbstgesetzten Aufgaben. 34 Als die globalen Mittel dem Haushaltsrecht angepaßt werden sollten, entschieden sich Ministerien und Wohlfahrtsverbände für die Projektförderung. 35 Die Ministerien halten trotz der Kritik der Rechnungshöfe an dieser Konstruktion fest 36 . So werden die Zuwendungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) an die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege nach Nr. 4.1. der „Förderrichtlinien Wohlfahrtsverbände" (FR-WV) von 1997 als Projektförderung gewährt 37, obwohl der Bundesrechnungshof bereits 1987 bemängelt hatte, daß die institutionelle Förderung die richtige Zuwendungsart wäre 38 . Bei dieser Konstruktion muß das gesamte Tätigkeitsspektrum in einzelne vermeintliche oder tatsächliche Projekte aufgelöst werden. Die Kosten der Verbandsarbeit werden in Projektkosten umgerechnet.39 Die Personalkosten des festen Mitarbeiterstabes müssen einzelnen Projekten zugeordnet werden. Über die Abrechnung von Personalgemeinkosten läßt sich auch der übrige Verwaltungsapparat finanzieren. 40 Gleichzeitig ist nicht ersichtlich, daß die Zuwendungsgeber durch die Umformulierung in Projekte mehr Einfluß auf die Verbandstätigkeit nehmen würden, obwohl dies - wie dargestellt - bei Projektförderungen eher als bei der Institutionellen möglich ist. Die Einzelprojekte werden gem. Nr. 5.2.1. der FR-WV von den Verbänden selbst formuliert. Die Förderrichtlinien setzen unter Nr. 2.1. einen Rahmen möglicher Fördergegenstände. Diese lassen den Empfängern aber noch einen erheblichen Spielraum. Zum einen bestimmen die Richtlinien nicht, wie die Fördergelder auf die einzelnen Zwecke verteilt werden sollen (inkl. Unterzwecken 34 s. ζ. B. für Berlin Bericht des LRH 1992 (AbgH-Drs. 12/1746), Tz. 224-228; für Sachsen Jahresbericht 1999, Nr. 25, Tz. 3.9; für Schleswig-Holstein u. Fn. 36. 35 Auf Bundesebene sind die Globalbeihilfen seit 1982 als Projektförderung ausgestaltet, s. Bemerkungen 1987, BT-Drs. 11/872, S. 73; Lacher, DÖV 1990, S. 63 (65 f.). 36 S. vor allem die Kritik des Bundesrechnungshofes, Bemerkungen 1987, BT-Drs. 11/ 872, S. 73 sowie die Bemerkungen 1994 des LRH Schleswig-Holstein, Tz. 4.5.7 (S. 49). 37 Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über die Gewährung von Zuwendungen an die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege für die Durchführung zentraler und internationaler Aufgaben einschließlich bundeszentraler Fortbildung (Förderrichtlinien Wohlfahrtsverbände - FR-WV) vom 01. August 1997 (m. W. unveröffentlicht). 38 S. Bemerkungen 1987, BT-Drs. 11/872, S. 73. 39 Mehls, NDV 1994, S. 127 (130). 40 S.Nr. 4.2.2. der FR-WV.

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werden 12 verschiedene Aufgaben benannt). Zum anderen sind die Zwecke immer noch relativ unbestimmt („Aufgreifen sozialer Notstände, Entwicklung von Initiativen und Modellen", „Besondere Aufgaben beim Aufbau wohlfahrtspflegerischer Strukturen zur Herstellung gleicher Lebens Verhältnisse"). Damit beschreiben die Fördergegenstände eher das weite selbstgesetzte Aufgabenspektrum der Spitzenverbände, steuern deren Tätigkeit mithin kaum. Es liegt auf der Hand, daß hier eine verkappte institutionelle Förderung der Spitzenverbände erfolgt, die nur aus beiderseitigem Interesse nicht beim Namen genannt wird. Neben den Globaldotationen an die Spitzenverbände finden sich auch sonst überall im Zuwendungsbereich Dauerförderungen 41 von Vereinen und Einrichtungen, die den Namen Projekt nicht verdienen 42. Regelmäßig werden Förderprogramme über Jahre hinweg fortgesetzt. Müssen die Zuwendungsgeber sparen, dann sollten sie eigentlich kontrollieren, ob ein bestimmtes Projekt noch notwendig ist bzw. ob es etwas genützt hat. Das ist aber zu umständlich und politisch schwierig durchsetzbar. Die Betroffenen und der Verband schlagen Alarm, die verantwortlichen Politiker handeln sich Ärger ein. Da ist es einfacher, pauschal bei allen Zuwendungsempfängern zu kürzen. Faktisch perpetuieren sich diese vermeintlichen Projektförderungen. In den Haushaltsplänen sind solche Etikettenschwindel daran erkennbar, daß der Bewilligungszeitraum vom 1.1. bis zum 31. 12. reicht. 43 Der Zuwendungsgeber entscheidet aber nicht selbst über den Rechtscharakter der Zuwendung. Die Zuwendungsarten sind materiellrechtliche Qualifikationen der Förderpraxis 44 und können somit nicht allein von Praktikabilitätserwägungen abhängig gemacht werden 45. Wenn also die freie Wohlfahrtspflege überwiegend Projektförderungen erhält, dann lassen sich hieraus nicht per se normative Folgerungen für die Reichweite und Grenzen der Finanzkontrolle ziehen. Insbesondere kann nicht generell angenommen werden, daß die Projektförderung eine größere Staatsferne ausdrückt und deshalb weniger einschneidende Kontrollen erlaubt, etwa keine Wirtschaftlichkeitskontrollen. Auch kann man nicht davon ausgehen, daß Projektförderungen generell zeitlich begrenzt sind und deshalb keine prospektiven Wirtschaftlichkeitsdirektiven durch Vergabestellen und Finanzkontrolle erlauben. Schließlich ist die Kontrolle der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil nur ein einzelnes Projekt gefördert wird.

41 Mehls, NDV 1994, S. 127 (130); Lacher, DÖV 1990, S. 63 (64); Junge, Caritas '89 (Jb.), S. 41 (47) spricht von längeren, zeitlich nicht abgrenzbaren Maßnahmen, die gleichwohl Projektförderungen darstellen sollen. 42 S. etwa noch die Kritik des LRH Niedersachsen im Bericht 1996, LT-Drs. 13/1900, Nr. 36. an der „Projektförderung" von Frauenhäusern und die Kritik des Brandenburgischen Rechnungshofes an der vermeintlichen „Projektförderung" von soziokulturellen Einrichtungen, Jahresbericht 1997, Einzelplan 06, Tz. 2.2. 43 V Köckritz!Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 6.1. 44 Neumann, Freiheitsgefährdung, S. 355. 45 Bericht 1994 des Landesrechnungshofes Schleswig-Holstein, Tz. 4.5.7.

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d) Freiwilligkeit Nur freiwillige Zahlungen sind Zuwendungen im Sinne der §§ 23, 44, 91 Abs. 1 Nr. 3 BHO. Soweit der Empfänger einen dem Grund und der Höhe nach durch Rechtsnormen begründeten Anspruch auf Leistungen hat, kann es sich nach allgemeiner Ansicht nicht um Zuwendungen handeln.46 Die allgemeine Ansicht stützt sich darauf, daß nach § 23 BHO Zuwendungen nur veranschlagt werden dürfen, wenn der Bund an der Erfüllung der Zuwendungszwecke ein erhebliches Interesse hat. Wenn die Vergabe nicht im Ermessen des Staates stünde, dann könnte das Interesse des Staates am Zuwendungszweck auch nicht Voraussetzung sein. 47 Zudem sieht das Haushaltsrecht vor, daß der Zuwendungsgeber die Gewährung der Zuwendung von der Erfüllung von Auflagen und Nebenbestimmungen abhängig machen kann. Das wäre aber ausgeschlossen, wenn der Zuwendungsempfänger uneingeschränkte Leistungen beanspruchen kann. 48 Lange meint dagegen, § 91 Abs. 1 Nr. 3 BHO ermächtige auch zur Prüfung zweckgebundener staatlicher Leistungen, auf die ein Anspruch besteht. Denn die Kontrolle der Mittelverwendung rechtlich begründeter Leistungen sei nicht weniger angezeigt als die Kontrolle freiwilliger Zuschüsse. Lange sieht zwar, daß § 104 Abs. 1 Nr. 1 BHO bereits die Kontrolle juristischer Personen des Privatrechts ermöglicht, die „auf Grund eines Gesetzes vom Bund Zuschüsse" erhalten. Seiner Ansicht nach geht aber die sogenannte Betätigungsprüfung nach § 91 Abs. 1 Nr. 3 BHO vor, da Prüfungen nach § 104 Abs. 1 Nr. 1 BHO generell die Prüfung des bezuschußten Privaten vorsehen, sich nicht auf den staatlichen Finanzierungsanteil beschränkten und daher unverhältnismäßig sein könnten.49 Langes Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Die Totalkontrolle von Vereinen oder Einrichtungen, die sich nur teilweise aus gesetzlichen Zuschüssen finanziert kann zwar unverhältnismäßig sein. 50 Daraus folgt aber nicht, daß § 104 Abs. 1 Nr. 1 BHO deshalb nicht anwendbar wäre. Die Grundrechte der Zuschußempfänger werden ausreichend geschützt, wenn die Ermächtigungsnorm verfassungskonform ausgelegt wird in dem Sinne, daß die Kontrolle auf den Zuschuß beschränkt bleibt und nicht außer Verhältnis zur erhaltenen Förderung stehen darf. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 104 Abs. 1 Nr. 1 BHO besteht die von Lange konstatierte Regelungslücke nicht. Daher erübrigt es sich, den Zuwendungs-

46 v v Nr. 1.2.2 zu § 23 BHO, v. Köckritz/Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 3.3; Patzig (1987), § 23 BHO Rdn. 4, 8; Piduch (1993), Bundeshaushaltsrecht, § 23 BHO Rdn. 4; Dommach (1990), in: Heuer, KHR, § 23 BHO Rdn. 2. 47 Puhl, Budgetflucht, S. 397; Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (289). 48 Κ Köckritz/Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 3.3.; Piduch (1993), Bundeshaushaltsrecht, § 23 BHO Rdn. 4. 49 Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (289 f.), 50 S. dazu unten S. 179 ff. zu § 104 LHO Schleswig-Holstein und S. 205 zu § 104 BHO.

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begriff des § 91 Abs. 1 Nr. 3 BHO im Unterschied zum Zuwendungsbegriff der §§ 23,44 BHO auf gesetzlich begründete Leistungen auszudehnen.51 Im Fall der freien Wohlfahrtspflege sind daher alle Leistungen Zuwendungen, die allein auf der Ermächtigung des Bundes- oder Landeshaushaltes beruhen. Verpflichten Gesetze den Zuwendungsgeber zur Förderung des Empfängers, dann kann eine Zuwendung zulässig sein, wenn der Behörde ein Ermessensspielraum bleibt. So verpflichtet § 10 Abs. 3 BSHG in der Sozialhilfe und § 4 Abs. § SGB VIII in der Jugendhilfe die Träger zwar zur Förderung freier Einrichtungen, beläßt den Trägern aber einen Ermessensspielraum über Art und Höhe der Förderung. Daher können Landesbehörden als überörtliche Träger der Sozial- oder Jugendhilfe freie Einrichtungen durch Zuwendungen unterstützen, auch wenn sie gesetzlich zur Förderung verpflichtet sind. 52 Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen, wenn Gesetze einen Finanzierungsanspruch begründen, ohne jedoch die genaue Höhe festzulegen. Umstritten ist etwa, ob Investitionsförderungen in Krankenhäusern nach § 9 ff. KHG Zuwendungen sein können.53 Entscheidend ist, ob die Gesetze der Verwaltung einen Ermessensspielraum lassen oder ob sich die Förderhöhe nach abstrakten Kriterien im Gesetz ermitteln läßt. Wenn letzteres der Fall ist, dann konkretisiert die Verwaltung nur die Rechtsvorschrift, ihr bleibt kein Entscheidungsermessen.54 Im einzelnen braucht dies hier nicht für jedes Fördergesetz entschieden zu werden. Neben Leistungsentgelten überwiegen auf Bundes- und Länderebene bei weitem finanzielle Zuwendungen nach §§ 23, 44 der Haushaltsordnungen. Eine Ausnahme bilden in Niedersachsen ζ. B. an die Wohlfahrtsverbände weitergeleitete Konzessionsabgaben nach § 7 des Lottogesetzes55 sowie spezielle Geldleistungsgesetze für Kindergärten und Erwachsenenbildungseinrichtungen.

51 Ebenso, Puhl, Budgetflucht, S. 397 f. 52 Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 215 ff.; Geis weist darauf hin, daß die haushaltsrechtliche Förderung die Träger nicht von den Bindungen der SGB-Förderung befreit. 53 Dafür: v. Köckritz I Ermisch ! Lamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 3.3; dagegen: Krämer / Schmidt, Zuwendungsrecht, Β V I S. 17; Depenheuer, Krankenhauswesen, S. 232 f. Im niedersächsischen Landeshaushalt sind die Förderungen der Krankenhäuser nach dem KHG als Zuschüsse, nicht als Zuwendungen ausgestaltet; s. Haushaltsplan 1997/1998 Titelgruppen 6 7 74. Nach § 4 Abs. 1 des Berliner LPflEG sind auf Investitionszuschüsse für Pflegeeinrichtungen zumindest die §§ 23, 44 LHO nicht anwendbar. Dafür bestimmt § 91 Abs. 1 Nr. 4 der Berliner LHO ein Prüfungsrecht des Landesrechnungshofes bei Stellen, die „Fördermittel nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Landeskrankenhausgesetz oder dem Gesetz zur Planung und Förderung von Pflegeeinrichtungen erhalten". Auf solche Fördermaßnahmen bezieht sich auch das Prüfungsrecht nach § 91 Nr. 4 der Brandenburgischen LHO bei Stellen, die „auf Grund eines Gesetzes Geldleistungen für einzelne abgegrenzte Projekte erhalten"; s. dazu Nawrath/Söhngen (1995), in: Heuer, KHR, § 91 Rdn. 14. 54 V Köckritz!ErmischILamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 3.3. 55 S. hierzu die Ausführungen unten S. 203 f. zu § 104 BHO.

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2. Weiterleitung von Zuwendungen an Dritte

Neben der direkten Zuwendung an den Verwender fördern die Vergabestellen Verbände und Vereinigungen der freien Wohlfahrtspflege von der Bundes- bis zur Kreisebene, die ihrerseits die Mittel an angeschlossene Einrichtungen weiterleiten. Die Verbände fungieren dabei als Schaltstelle zwischen dem Bedarf der Einrichtungen und den öffentlichen Geldgebern. In der Regel erhalten die Verbände als Erstempfänger Zuwendungen, die diese in privatrechtlicher Form weitergeben. Die Zuwendungsnebenbestimmungen verpflichten die Erstempfänger regelmäßig, in den Verträgen mit den Letztempfängern Prüfungsrechte der Vergabestelle und des Rechnungshofes festzuschreiben. 56 Begründet wird damit aber nur ein Prüfungsrecht der Bewilligungsbehörden, denn nach § 91 Abs. 1 Nr. 3 BHO kann der Rechnungshof ohnehin auch bei Dritten prüfen, an die Mittel weitergeleitet werden. Ihm stehen folglich die gleichen Befugnisse zu wie bei der Prüfung bei den Zuwendungsempfängern selbst.57 Im Prüfungsrecht beim Letztempfänger unterscheidet sich die Ermächtigung des § 91 BHO von der Kontrolle nach gesetzlichen Zuschüssen gem. § 104 BHO. Deswegen kann beispielsweise der niedersächsische Landesrechnungshof nicht bei den Endempfängern die weitergeleiteten Einnahmen aus Konzessionsabgaben gem. §§ 7, 9 NLottoG prüfen. 58 Voraussetzung ist freilich, daß die Mittel dem Zuwendungszweck gewidmet bleiben. Denn die Bindung an den öffentlichen Zweck begründet Finanzverantwortung für öffentliche Mittel und stellt gleichzeitig die Grenze für staatliche Finanzkontrolle dar. 59 Zudem prüft der Rechnungshof nach § 91 Abs. 2 Satz 1 BHO die bestimmungsgemäße Verwendung. Das setzt voraus, daß die Mittel für den Zuwendungszweck bestimmt bleiben. 60 Nicht mehr zweckgebunden sind öffentliche Mittel etwa dann, wenn der Zuwendungsempfänger Leistungen bei einem Dritten gegen Entgelte erwirbt. 61 Ein anschauliches Beispiel für eine solche Leistungskette und Abgrenzungen zu Entgelten bietet die vom Bundesrechnungshof geprüfte Förderung der „Friedlandhilfe". 62 Die Friedlandhilfe beauftragte Wohlfahrtsverbände mit der Beschaffung von Sachleistungen. Nach den Bemerkungen hatte die Friedlandhilfe keine Rege56 Auf Bundesebene Nr. 12.6.5 VV zu § 44 BHO, Nr. 7.1 ANBest-P und Nr. 5.2 ANBestWV 57 In den Verträgen handelt es sich daher nur um einen Hinweis auf das Prüfungsrecht des BRH, s. Entscheidung des Bundesrechnungshofes v. 2. 9. 1992, Ziff. 1.2.1, teilw. abgedruckt bei Heuer, KHR, VIII/28. 58 S. u.S. 203 f. 59 S.O. S. 57ff. 60 Ebenso Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (298 f.). 61 Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (298f.); v. Köckritz/Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 44 Rdn. 80. 3.; Entscheidung des Bundesrechnungshofes, Ziff. 1.2.1, teilw. abgedruckt bei Heuer, KHR, VIII/28, Ziff. 1.2.2. 62 Bemerkungen 1996, Nr. 7.

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lungen über die Verwendung und Abrechnung der weitergeleiteten Mittel getroffen. Das könnte dafür sprechen, daß die Mittel nicht zweckgebunden waren, sondern Leistungsentgelte gezahlt wurden. Dann hätte der Rechnungshof nicht bei den Wohlfahrtsverbänden prüfen dürfen. Die Wohlfahrtsverbände beschafften die Sachmittel für die Aussiedler. Wenn diese auf dem freien Markt eingekauft werden, dann endet spätestens hier das Prüfungsrecht des Rechnungshofes. Ein Wohlfahrtsverband bediente sich dazu aber seiner eigenen Beschaffungsstelle. Die Beschaffungsstelle könnte noch mit in die Prüfung einbezogen werden, wenn sie Dritte im Sinne des § 91 Abs. 1 BHO ist. Das hängt wiederum davon ab, wie die Leistung zwischen Verband und Beschaffungsstelle vereinbart wurde. Da hier die Beschaffungsstelle rechtlich selbständig und nicht gemeinnützig war, dürfte es sich um einen Leistungstausch handeln. Der Rechnungshof hätte also die Beschaffungsstelle nicht prüfen können. Dieses Beispiel zeigt, daß der Zuwendungsempfänger theoretisch selbst über die Reichweite der Finanzkontrolle entscheiden könnte, indem er dem Endempfänger die Mittel nicht zweckgerichtet zuwendet, sondern einen Leistungsvertrag abschließt. Würde der Erstempfänger beispielsweise einem Dritten die Durchführung einer Schulung oder einer Jugendfreizeit „abkaufen", dann wären die Mittel nicht mehr zweckgerichtet, obwohl die Maßnahme innerhalb des Zuwendungszweckes liegen kann. Damit würden freilich die auf Nr. 12 VV zu § 44 BHO beruhenden Nebenbestimmungen (Nr. 5.1 NBest-WV, Nr. 6.10 ANBest-P) umgangen. Nach zutreffender Ansicht von v. Köckritz / Ermisch / Lamm 63 setzt die Zuwendung ein unmittelbares und nicht nur wirtschaftliches Eigeninteresse des Dritten an der wahrgenommenen Aufgabe voraus 64. Überwiegend handelt es sich bei den Endempfängern um mehr karitativ als wirtschaftlich ausgerichtete Einrichtungen. Im Zuge der Ökonomisierung der Wohlfahrtspflege 65 muß das aber nicht der Regelfall bleiben, wie das obige Beispiel der Beschaffungsstelle zeigt. 66

3. Abgrenzung zur Zuwendungsvergabe durch Beliehene § 44 Abs. 3 BHO sieht weiterhin die Möglichkeit vor, daß ein Privater als Beliehener selbst Zuwendungen durch Verwaltungsakt vergibt. 67 Zuwendungsempfän63 BHO, § 44 Rdn. 80. 3. 64 Anders die Entscheidung des BRH (teilw. abgedruckt bei Heuer, KHR, VIII/28, Ziff. 1.3) nach der es darauf ankomme, ob die Zuwendung unmittelbar oder nur mittelbar dem Zuwendungszweck diene. Es bleibt aber offen, wie zwischen unmittelbaren und mittelbaren Leistungen Dritter unterschieden werden soll. Besorgt die Beschaffungsstelle nach dem obigen Beispiel die Kleidung, dann dient sie unmittelbar dem Zuwendungszweck der Erstversorgung der Aussiedler; kritisch ebenso v. Köckritz I Ermisch ! Lamm (1997), BHO, § 44 Rdn. 80. 3. 65 S. dazu am Beispiel der konfessionellen Wohlfahrtspflege oben S. 120 ff. 66 Der Nachteil für die Zuwendungsempfänger liegt indes darin, daß sie bei Entgelten gem. Nr. 3.1.2 ANBest-P die VOL beachten müssen und daher in ihrer Auftragsvergabefreiheit eingeengt sind, s. v. Köckritz!Ermisch!Lamm (1997), BHO, § 44 Rdn. 80. 3. 11 Rogge

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ger ist dann nur die letztlich begünstigte Stelle 68 , sie kann der Rechnungshof normal nach § 91 Abs. 1 Nr. 3 BHO prüfen. Mit dem Beliehenen selbst schließt die Behörde eine Treuhandvereinbarung nach § 44 Abs. 2 BHO ab 69 , bei ihr kann der Rechnungshof nach § 91 Abs. 1 Nr. 2 BHO prüfen 70. Obwohl mit der Einfügung des Abs. 3 die Einschaltung Privater bei der Abwicklung von Fördermaßnahmen erleichtert und werden sollte 71 , wird von dieser Ermächtigung soweit ersichtlich im Bereich der freien Wohlfahrtspflege - außer in Berlin 72 - kaum Gebrauch gemacht. Vermutlich widerspricht die Beleihung dem Selbstverständnis der freien Wohlfahrtspflege. So würden sich die Verbände wohl nur ungern der mit der Beleihung verbundenen Rechts- und Fachaufsicht 73 unterwerfen. Auf der anderen Seite gibt es gute Gründe dafür, daß sich Verwaltungen mit der Beleihung von Wohlfahrtsverbänden zurückhalten. Denn die Beleihung setzt voraus, daß der Beliehene die Aufgaben sachgerecht erfüllt. Hierzu zahlt vor allem die Aufgabe, die Mittel verantwortlich zu verwalten. Das scheint bei Wohlfahrtsverbänden nicht immer gewährleistet zu sein, nicht weil sie unzuverlässig wären, sondern weil sie zuvörderst die Interessen ihrer Mitgliedsvereinigungen vertreten. Im Zweifel werden sie sich daher schützend vor die Zuwendungsempfänger stellen, anstatt auf die ordnungsgemäße und wirtschaftliche Bewirtschaftung der öffentlichen Mittel zu pochen. Der Rechnungshof kann nur den Verwalter selbst prüfen. Überträgt dieser die Formalitäten der Vergabe, Abwicklung und Kontrolle der Zuwendungen (wie in Berlin geschehen) einem Dritten, dann besteht kein gesetzliches Prüfungsrecht. Prüfungsrechte des Rechnungshofes müssen dann vereinbart werden. Solche Konstruktionen sind nicht nur bedenklich, weil damit der Rechnungshof außen vor 67 481. 68 69 70

Vgl. dazu mit praktischen Beispielen ausf. Dorn, Verwaltungsrundschau 1995, S. 476v: Köckritz/ Ermisch /Lamm (1997), BHO, § 44 Rdn. 79. V Köckritz!Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 44 Rdn. 79.2.2. v: Köckritz!Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 44 Rdn. 79.2.3.

71 S. die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/5835, S. 6; s. ferner den Bericht der Abgeordneten Roth, Weng und Wiczorek des Haushaltsausschusses, BT-Drs. 12/ 6612, S. 8. 72 Zunächst war in Berlin vorgesehen, die Zuwendungen an die Wohlfahrtsverbände (ca. 40 Mio. DM pro Jahr) so weit wie möglich auf Leistungsverträge umzustellen (s. hierzu Mehls, NDV 1996, S. 127 (127 ff.); zur Kritik s. Jahresbericht des Berliner Rechnungshofes 1995; AbgH-Drs. 12/5452 S. 31 ff.). Hieran war auch die Sozialverwaltung interessiert, weil ihr die Abwicklung und Kontrolle der Zuwendungen lästig ist und sie dort zuerst Stellen einspart. Danach verfiel man jedoch auf die Idee, die LIGA (Zusammenschluß der sechs Wohlfahrtsverbände) mit der Aufgabe zu beleihen, die Zuwendungen für soziale Dienste selbständig zu verwalten und an die angeschlossenen Einrichtungen und Verbände zu vergeben. Hier stellt sich das zusätzliche Problem, daß die LIGA keine juristische Person ist und daher eigentlich nicht nach § 44 Abs. 3 LHO beliehen werden kann. 73 S. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/5835, S. 6. § 44 Abs. 3 Satz 2 der Berliner HO bestimmt ausdrücklich die Fachaufsicht: „Verleihung und Entziehung der Befugnis sowie die Fachaufsicht hinsichtlich der übertragenen Aufgaben über die juristische Person obliegen der für die Aufgabe zuständigen Dienststelle."

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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bleibt. Entscheidender ist vielleicht, daß keine Stelle mehr den Gesamtüberblick hat und sich verantwortlich fühlt: Die Kontrolle der Mittelverwendung ist aufgesplittet auf die öffentliche Vergabestelle, den beliehenen Privaten und den beauftragten Dritten. I I . Prüfungsgegenstände Wesentliche Probleme werfen weniger die Voraussetzungen, sondern die Rechtsfolgen des § 91 Abs. 1 Nr. 3 BHO auf. Umstritten ist, welche Gegenstände vom Rechnungshof kontrolliert werden können (Was?), andererseits, welche Maßstäbe er bei der Kontrolle grundrechtsgeschützter Zuwendungsempfänger anlegen darf (Woraufhin?). Für die Untersuchung der Prüfungsgegenstände ist die grundsätzliche Frage zu klären, ob Zuwendungsempfänger selbst Prüfungsadressaten sind. Sodann ist die Frage zu klären, ob und gegebenenfalls wann sich die Prüfung auf die „sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung" der Zuwendungsempfänger erstrecken kann. Der Schwerpunkt liegt auf der Prüfung der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung, da sich die Wohlfahrtsverbände besonders gegen eine befürchtete Totalkontrolle wehren.

1. Sind Zuwendungsempfänger selbst Prüfungsobjekte? Gem. § 91 Abs. 1 Nr. 3 BHO prüft der Bundesrechnungshof bei Zuwendungsempfängern. Wenn der Rechnungshof nur bei den Zuwendungsempfängern prüft, heißt das dann, daß sie selbst nicht Prüfungsobjekte sind? a) Meinungsstand Nach der noch immer herrschenden Meinung dienen die Prüfungen nur der Kontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung der bewilligenden Verwaltung. Die Prüfungsbefugnisse des § 91 BHO stellten nur ein Annex, eine Hilfsvorschrift zum Prüfungsauftrag nach § 88 Abs. 1 BHO dar. 74 Auch der Bundesrechnungshof selbst teilt diese Rechtsaufassung. 75 Nach § 2 Abs. 2 seiner Prüfungsordnung ist die geprüfte Stelle bei der Zuwendungsprüfung die für den jeweiligen Bereich des 74 Nawrath/Söhngen (1995), in: Heuer, KHR, § 91 Anm. 1; Piduch (1986), BHO § 91 Anm. 1; v. Köckritz!ErmischILamm, BHO, § 91 Anm. 1; Tiemann, Stellung der Finanzkontrolle, S. 92 f.; Hansmeyer ! König ! Oppermann, Öffentliche Finanzkontrolle bei externen Dienstleistungen, S. 59 f.; Haverkate, AöR 107 (1982), S. 539 (548 f.); Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, S. 475 f.; Dorn, Verwaltungsrundschau 1995, S. 476 (479 f.); wohl auch Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (221) mit Fn. 242. 75 Bericht v. 2. 9. 1992, abgedr. bei Heuer, KHR, VIII/28. 1

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Haushalts verantwortliche Dienststelle des Bundes. Deshalb rügt er in den Bemerkungen zwar das Verhalten der Zuwendungsempfänger, richtet seine Kritik aber nur an das verantwortliche Ministerium. 76 Stackmann folgert hieraus, die Kontrolle bei privaten Zuwendungsempfängern sei unbedenklich, da sie nicht selbst Prüfungsobjekt seien. Würde die konfessionelle Wohlfahrtspflege im Anschluß an Zuwendungen geprüft, dann könne eine solche Betätigungsprüfung ihrem Wesen nach gar nicht in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht eingreifen. 77 Damit wendet sich Stackmann vor allem gegen Leisner, welcher meint, die Unterscheidung zwischen der Prüfung bei Privaten und der Privaten gem. § 104 BHO sei „künstlich, praktisch völlig sinnlos" 78 . Die Prüfung bei Zuwendungsempfängern sei für diese nicht weniger einschneidend, als wenn sie selbst Prüfungsobjekte wären. Daher sei eine Betätigungsprüfung nicht unbedenklicher als die Kontrolle der Privaten. 79 Die herrschende Interpretation des § 91 Abs. 1 BHO geht vor allem auf die Begründung des Regierungsentwurfs zurück. In der Begründung heißt es: „Die Vorschrift regelt die Prüfungsbefugnis des Rechnungshofes Dritten gegenüber, um die Haushalts- und Vermögenswirtschaft des Bundes.. .ordnungsgemäß prüfen zu können. . . " 8 0 und weiter: „Absatz 1 handelt von einer Prüfung bei Stellen außerhalb der Verwaltung des Bundes.... Die Vorschrift verdeutlicht damit, daß es sich nicht um eine unmittelbare Prüfung dieser Stellen, sondern um die Prüfung der für die Haushaltswirtschaft des Bundes .. .verantwortlichen Verwaltung handelt. Im Rahmen dieser Prüfung sind örtliche Einsichtnahmen und Erhebungen bei Dritten, die am Haushaltsvollzug als Ausführende oder Begünstigte beteiligt sind, sowie u. U. unmittelbarer Schriftwechsel mit ihnen zulässig, damit das zur Durchführung der Prüfung notwendige Erkenntnismaterial verfügbar wird.. ." 8 1 Puhl versucht aufzuzeigen, daß die Begründung nicht ohne weiteres für die herrschende Interpretation herangezogen werden kann. Seiner Ansicht nach sind die Zuwendungsempfänger selbst Prüfungsobjekte 82. § 91 Abs. 1 Nr. 3 BHO unterwer76 Es gibt allerdings auch Ausnahmen, so etwa in den Bemerkungen 1997 Nr. 7 zur Informationstechnik bei Zuwendungsempfängern. Hier setzt sich der Rechnungshof sowohl mit Ministerien als auch mit den Zuwendungsempfängern selbst auseinander. 77 Stackmann, DVB1. 1994, S. 383 (389). 78 Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 115; ebenso Brenner, NVwZ 1995, S. 454 (454). Leisner meint, als zusätzliche, nicht von Art. 114 Abs. 2 Satz 3 gedeckte Aufgabe sei § 91 BHO damit verfassungswidrig. Damit verkennt Leisner, daß unter Befugnissen i. S. d. Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG auch neue Aufgaben über die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes hinaus verstanden werden müssen, s. o. S. 34 f. sowie Krämer/Schmidt (1995), Zuwendungsrecht, Abschnitt H III, S. 3. 79 Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 114f.; ebenso Brenner, NVwZ 1995, S. 454: Unterscheidung für die Eingriffs Wirkung unerheblich. so BT-Drs. V/3040, Tz. 248.

81 BT-Drs. V/3040, Tz. 249. 82 Puhl, Budgetflucht, S. 398 ff.

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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fe nicht das Verhalten der Bundesverwaltung, „sondern den zuwendungsbezogenen Teil der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Zuwendungsempfängers der öffentlichen Finanzkontrolle". 83 Der Rechnungshof prüft nach § 91 Abs. 2 Satz 1 BHO die bestimmungsgemäße und wirtschaftliche Verwaltung und Verwendung öffentlicher Mittel. Die Verwaltung und Verwendung öffentlicher Mittel bringe aber immer Entscheidungsspielräume und damit auch eine eigenständige Finanzverantwortung mit sich, die von der Bundesverwaltung nur begrenzt einsehbar und steuerbar sei. Daher richte sich die Prüfung vornehmlich gegen den Zuwendungsnehmer selbst. Bei hieße allein, daß nicht das gesamte Finanzgebaren des Zuwendungsempfängers, sondern nur der zuwendungsbezogene Teil geprüft werde.

b) Die Bewirtschaftung

der Zuwendung als Prüfungsobjekt

Die Argumentation von Puhl überzeugt. Finanzverantwortung für öffentliche Mittel tragen auch Zuwendungsnehmer. Indem Zuwendungszwecke die Bewirtschaftung nicht abschließend determinieren, lassen sie den Zuwendungsnehmern eigenständige Entscheidungsspielräume.84 Ebenso offen ist die wirtschaftliche Umsetzung der Zwecke 85 . Der Zuwendungsnehmer ist insoweit nur ein zusätzlicher „Bewirtschafter öffentlicher Mittel in der gestuften Verantwortung mehrerer Entscheidungsebenen"86. Die Bewirtschaftung der Zuwendung ist genauso wenig durch den Zuwendungszweck festgelegt wie das Verwaltungshandeln durch den Haushaltsplan87. Innerhalb der Staatsorganisation beschränkt sich die Finanzkontrolle nicht darauf, die Regierung zu entlasten, sondern macht die mittelverwaltende Stelle für ihr Finanzgebaren verantwortlich, welches von der Regierung nicht einseh- und steuerbar ist. Ebenso müssen sich auch private Bewirtschafter öffentlicher Mittel für ihr Finanzgebaren direkt vor der Finanzkontrolle verantworten. Die Kontrolle der Zuwendungsempfänger ist mithin angezeigt. Sie läßt sich aber zudem nur als Eigenkontrolle rechtfertigen. Rechnungshöfe beschränken sich nicht darauf, das der Vergabestelle zurechenbare Wirtschaften der Zuwendungsempfänger zu prüfen. Zum einen können die Vergabestellen die Bewirtschaftung der Zuwendung nicht wirklich überblicken. Zum anderen kann der Rechnungshof nach § 91 Abs. 2 Satz 2 BHO die sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung der Zuwendungsempfänger in die Prüfung mit einbeziehen, soweit er dies für notwendig hält. Dazu sind die Zuwendungsgeber nicht befugt. 88 Dann kann aber die bei den Zuwendungsempfängern durchgeführte Prüfung nicht ausschließlich dem Ziel die83 Puhl, Budgetflucht, S. 399. 84 S.o. S. 54 ff. 85 Zur Offenheit des Wirtschaftlichkeitsmaßstabes s. o. S. 66 ff. 86 Puhl, Budgetflucht, S. 399; s. zum ganzen oben S. 54 ff. 87 Zur Zweckbindung des Haushaltsplanes s. o. S. 55. 88 Vgl. Nr. 8.1 ANBest-I, Nr. 7.1 ANBest-P.

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Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

nen, dem Rechnungshof zusätzliche Erkenntnismöglichkeiten für die Prüfung des Finanzgebarens der Zuwendungsgeber zu eröffnen 89. Diese brauchen sich nicht für Sachverhalte zu rechtfertigen, die sie nicht kennen können. Alternativ bliebe nur die Möglichkeit, mit Heuer 90 und Lange 91 die Rechnungshöfe hier nicht als Kontrolleure, sondern als Informationsbeschaffer zu betrachten, die die Verwaltung bezüglich zukünftiger Förderungen beraten. Heuer meint, die Kontrolle sei nach dem auch in § 1 Satz 2 BRHG kodifizierten neuerem Verständnis der Finanzkontrolle nicht akzessorisch zu den Rechten der Verwaltung. Nun habe der Rechnungshof auch die Aufgabe, den Gesetzgeber zu beraten. Es ist indes sehr fraglich, ob Prüfungsrechte bei Privaten durch das staatliche Informationsinteresse legitimiert werden können. Zwar ist unbestritten, daß sich moderne Finanzkontrolle nicht in der klassischen Kontrolle erschöpft, sondern auch Information und Beratung von Exekutive und Legislative meint. 92 Diese neue Aufgabe kann aber nicht die Prüfungsrechte gegenüber Dritten erweitern. Sonst könnte der Rechnungshof etwa schon vorab bei Ländern als potentiellen Zuwendungsempfängern prüfen. Im Sozialbereich ließen sich damit Erhebungen über die Wirtschaftsführung von Einrichtungen rechtfertigen, die mit den Leistungsträgern über Entgelte verhandeln. Das Informationsbedürfnis der öffentlichen Haushälter ist unbegrenzt. Dagegen ist festzuhalten: Staatliche Finanzkontrolle findet ihre Grenze nicht im Informationsbedürfnis der öffentlichen Haushalte, sondern in der Finanzverantwortung der Prüfungsadressaten. Auslöser der staatlichen Finanzkontrolle kann nur die eigene Verantwortung für öffentliche Mittel sein, die Private treuhänderisch verwalten. 93 Das folgt schon aus dem Begriff der Kontrolle selbst. Kontrolle ist akzessorisch zum gesollten Verhalten. 94 „Rechenschaft muß nur derjenige geben, der die Verantwortung für das zu rechtfertigende Verhalten trägt, und zwar nur insoweit, als seine Verantwortung reicht." 95 Auch Heuer meint, daß „die finanzwirksame Verantwortung und Haftung, also die mögliche Inanspruchnahme öffentlicher Mittel" staatliche Finanzkontrolle legitimiere. 96 Indes reicht es nicht aus, daß vielleicht öffentliche Mittel in Anspruch genommen werden. Private tragen keine generelle Verantwortung dafür, daß Fördermittel sparsam eingesetzt 89 So Nawrath/Söhngen (1995), in: Heuer, KHR, § 91 Anm. 1; Piduch (1986), BHO § 91 Anm. 1 ; Haverkate, AöR 107 (1982), S. 539 (548 f.). 90 Heuer, FinArch NF49 (1991/91), S. 248 (255). 91 Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (294); ähnlich Stackmann, DVB1. 1994, S. 383 (388). 92 S. zuletzt Hoffmann-Riem, DÖV 1999, S. 221 (224 ff.) sowie oben S. 62 f. 93 Lange, Fn. 199. 94 Krebs, 95 Reger, 96 Heuer,

in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (294). Zur Treuhand s. o. S. 56 mit Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 143 f., 189. VerwArch 66 (1975), S. 195 (197). DÖV 1986, S. 516 (517).

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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werden. Die freie Wohlfahrtspflege ist nicht verpflichtet, staatliche Förderetats zu entlasten.97 Verantwortlichkeit wird erst durch die konkrete Zuwendung begründet 98 , welche Kontrollen nach sich ziehen kann. Die aufgrund dieser Kontrolle erzielten Erkenntnisse dienen nicht nur der Kritik, sondern gleichermaßen der Information und Beratung der finanzverantwortlichen Stellen. Information ist aber nur ein Annex zur Prüfungskompetenz qua Finanzverantwortung, sie legitimiert keine Prüfungen. Diese Interpretation des § 91 BHO wirkt sich eher positiv auf die Rechtsstellung der Prüfungsunterworfenen aus. Die h. M. kann wie bei Stackmann dazu verleiten, die Beeinträchtigungen durch Kontrollen herunterzuspielen. Private sind aber gleichermaßen der Informationserhebung ausgesetzt und zur Mitwirkung verpflichtet wie wenn sie selbst geprüft würden. Zuwendungsempfänger müssen auch so befürchten, daß die Feststellungen der Rechnungshöfe dazu führen, daß Mittel zurückgefordert, in Zukunft nicht mehr, nur noch eingeschränkt oder unter zusätzlichen Auflagen bewilligt werden. 99 Ihr Ansehen kann genauso beschädigt werden, wenn die Ergebnisse des Prüfungsverfahrens an die Öffentlichkeit gelangen.100 Zuwendungsempfänger profitieren also kaum davon, daß sie sich nach der h. M. nicht rechtfertigen müssen. Dagegen können sie sich gerade besser rechtfertigen, wenn ausdrücklich ihr eigenes Verhalten geprüft wird. Sie müssen nicht allein die Informationserhebung dulden, sondern können ihre Bewirtschaftung erläutern, zu Kritik Stellung nehmen. Bei Prüfungen ist dann stets 101 und nicht nach pflichtgemäßen Ermessen 102 rechtliches Gehör zu gewähren. Vor allem werden die Grenzen der Prüfung hierdurch deutlicher gezogen. Die staatliche Finanzkontrolle der Zuwendungsempfänger darf nur so weit wie deren Rechenschaftspflicht reichen. Der Rechnungshof kann nicht das eigenständige Finanzgebaren der Zuwendungsempfänger soweit prüfen, wie er es zur Kontrolle der Vergabestelle für notwendig hält. Er sondiert nicht Einsparpotentiale für Sozialverwaltungen bei Zuwendungsempfängern, sondern kontrolliert deren Zuwendungsbewirtschaftung. 97 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung wurde bereits festgestellt, daß die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den sozialstaatlich begünstigten Berufen nur insoweit auf Zuwendungsempfänger der freien Wohlfahrtspflege übertragen werden kann, als daß diese tatsächlich gefördert wird. Sie muß sich nicht die Vorteile des Fördersystems an sich entgegenhalten lassen, sondern nur die Vorteile jeder einzelnen Förderung (s. o. S. 141 ff.). 98 Das schließt nicht aus, daß Rechnungshöfe bei regelmäßigen Zuwendungsempfängern Maßnahmen einfordern, die sich über den einzelnen Zuwendungszweck hinaus auswirken. 99 S.o.S. 84 ff. 100 Das räumt auch Heuer ein, obwohl er meint, daß Zuwendungsempfänger selbst nicht geprüft werden, s. FinArch NF 49 (1991/92), S. 248 (254). ιοί S.u. S.212ff. 102 Vgl. Heuer, nach dem die Rechnungshöfe alle relevanten Punkte mit den Betroffenen Trägern der Wohlfahrtspflege abklären sollten, obwohl sie nicht Beteiligte des Prüfungsverfahrens seien, FinArch NF 49 (1991 /1992), S. 248 (258).

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Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

Daß nur bei den Zuwendungsempfängern geprüft wird, nicht jedoch die Zuwendungsempfänger selbst, bedeutet nach richtigem Verständnis daher nur, daß zwar die Privaten selbst geprüft werden, aber nicht insgesamt, sondern nur der zuwendungsbezogene Teil der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Regelmäßig ist nach § 91 Abs. 2 BHO die bestimmungsgemäße und wirtschaftliche Verwendung zu prüfen. Nur soweit der Rechnungshof es für notwendig hält, kann er beim Zuwendungsempfänger auch dessen sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung prüfen. Die Zuwendungskontrolle richtet sich damit nicht an den Empfänger an sich, sondern nur an dessen zuwendungsbezogenes Handeln. Sie ist „unmittelbar nicht auf eine bestimmte natürliche oder juristische Person wie den Bund oder den Zuwendungsempfänger fixiert, sondern statt personenbezogen sachbezogen in dem Sinne, daß sie die Verwaltung und Verwendung der Zuwendung als solche betrifft". 103 Das ist, wie oben gezeigt wurde, keine Eigenart der Zuwendungskontrolle. Finanzkontrolle knüpft stets an die Bewirtschaftung öffentlicher Mittel, nicht an bestimmte Rechtssubjekte an. Damit ist Finanzkontrolle im Grunde immer sachbezogen, nicht personenbezogen.104 Die zitierte Begründung des Regierungsentwurfes stellt klar, daß der Private an sich nicht geprüft wird. Die Begründung und in deren Folge die herrschende Meinung scheint daraus zu schließen, daß der private Zuwendungsempfänger nicht selbst Prüfungsadressat ist. Dieser Schluß ist jedoch ein Kurzschluß. Er übersieht, daß Kontrollen nicht an (juristische) Personen insgesamt anknüpfen, sondern an öffentliche Mittel. Soweit Private Zuwendungen bewirtschaften, ist dieses Wirtschaften selbst der Kontrolle unterworfen. Insofern wird durch die sogenannte Betätigungsprüfung nach § 91 Abs. 1 Nr. 3 BHO der Private selbst zum Prüfungsobjekt. 105 Die Zuwendungskontrolle ist keine Konkretisierung des Generalauftrages aus § 88 BHO, sondern eine selbständige Ermächtigungsgrundlage. Anzumerken bleibt, daß diese Interpretation den weiteren Zweck der Prüfung der Vergabestelle unangetastet läßt. 106 Das ist nur nicht der alleinige Zweck der Zuwendungsprüfung. Regelmäßig wird die Finanzkontrolle darauf gerichtet sein, sowohl den Zuwendungsgeber als auch den Zuwendungsnehmer sowie gegebenenfalls Dritte zu prüfen, an die Zuwendungen weitergeleitet werden 107 . Damit kann der Rechnungshof einerseits auf jeder Ebene die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Bewirtschaftung öffentlicher Mittel prüfen und andererseits übergreifend die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit eines gesamten Programmes vom Ministerium bis zur einzelnen Einrichtung untersuchen. 103 Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (294). 104 S. o. S. 57 f. (mit der Ausnahme des Generalauftrags nach Art. 114 Abs. 2 GG und §§42 HGrG, 88 BHO, der an die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Verwaltung und somit an das Subjekt, nicht an staatliche Mittel anknüpft, s. dazu noch unten S. 179 f.). 105 Wie hier neben Puhl auch KrämerISchmidt (1995), Zuwendungsrecht, H III S. l f . ; andeutungsweise auch Fittschen, VerwArch 83 (1992), S. 165 (170) in Fn. 18. 106 Krämer/Schmidt, (1995), Zuwendungsrecht, H III, S. 2; Puhl, Budgetflucht, S. 400f.

107 S. dazu oben S. 160 f.

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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2. Prüfung der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung a) Meinungsstand

Im Regelfall wird die bestimmungsgemäße und wirtschaftliche Verwendung der Zuwendung selbst geprüft. 108 Zusätzlich ermächtigt § 91 Abs. 2 BHO den Rechnungshof zur Prüfung der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung von Zuwendungsempfängern, soweit er es für seine Prüfung für notwendig hält. Die Prüfung der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung zählt zu den umstrittensten Befugnissen des Rechnungshofes. Leisner wendet sich mit Nachdruck gegen die Kontrolle der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung. 109 Mainusch 110 und Brenner 111 meinen, daß diese Prüfungserweiterung gerade bei konfessionellen Prüfungseinrichtungen verfassungswidrig ist, während Delbrück 112 gleiches zumindest für die Finanzkontrolle im Anschluß an Projektförderungen annimmt. Die Wohlfahrtsverbände befürchten, daß die Rechnungshöfe sie über die Hintertür der Zuwendungsprüfung einer Totalkontrolle unterwerfen. Die Rechnungshöfe könnten auf diese Weise nicht nur die Vermögensverhältnisse der Verbände und Einrichtungen durchleuchten, sondern auch deren sonstige eigenverantwortliche Arbeit nach staatlichen Zwecksetzungen und Wirtschaftlichkeitskriterien beurteilen, etwa um einen höheren Eigenanteil an dem geförderten Projekt zu erreichen. Auch außerhalb der Diskussion um Prüfungsrechte bei der freien Wohlfahrtspflege schränkt die herrschende Meinung die Erweiterung der Prüfung ein: Zulässig sei die Kontrolle der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung allein 113 oder in erster Linie 1 1 4 bei institutioneller Förderung. Dabei können sie sich auf die Begründung des Regierungsentwurfes stützen, nach der die „Kontrolle der eigenständigen Finanzgebarung der Dritten im allgemeinen ausgeschlossen" ist 1 1 5 . „Lediglich bei den Empfängern von Zuwendungen kann es erforderlich werden, ihre gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung in die Prüfung einzubeziehen, wenn die Zuwendung zur Deckung der gesamten Ausgaben oder eines nicht abgegrenzten Teiles der Ausgaben des Empfängers dient." 116 Heuer meint, daß über eine einschränkende Regelung nachgedacht werden sollte, die sich auf den Fall der 108

S. dazu die Ausführungen zu Prüfungsmaßstäben, S. 185 ff.

109

Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 112 f. no NVwZ 1994, S. 736 (740). m NVwZ 1995, S. 454 (454); ders., Diakonie im Sozialstaat, S. 104f. 112 Gutachten, S. 23 ff.; ders., ZevKR 40 (1995), S. 21 (37 f.). 113

Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, S. 93; Hansmeyer /König/ Oppermann, Öffentliche Finanzkontrolle bei externen Dienstleistungen, S. 62. 114 Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (303); Heuer, FinArch NF Bd. 49 (1991/92),S. 248 (255). us BT-Drs. V/3040, Tz. 250 zu § 41 HGrG. 116 BT-Drs. V/3040, Tz. 250 zu § 41 HGrG.

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Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

institutionellen Förderung beschränkt. 117 Im übrigen würden die Rechnungshöfe bereits jetzt so verfahren. 118 Ob die Rechnungshöfe allgemein so verfahren, ist jedoch zweifelhaft. Nach Darstellung Leisners ging die Kontrolle der Schwangerschaftsberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen weit über eine bloße Verwendungsprüfung hinaus, obwohl es sich nur um eine Projektförderung handelte. Der Landesrechnungshof habe im Ergebnis die gesamte Wirtschaftstätigkeit der Zuwendungsempfänger geprüft. 119 In Schleswig-Holstein wehrten sich die Wohlfahrtsverbände vehement gegen das umfassende Einsichtsverlangen des Landesrechnungshofes. Das Land hatte ambulante soziale Dienste als Projekte gefördert. Der Rechnungshof verlangte umfassende Akteneinsicht, während die Verbände nur die zuwendungsbezogenen Unterlagen vorlegen wollten, im übrigen aber die Einsicht verwehrten. 120 In Sachsen verweigerten die konfessionellen Spitzenverbände dem Rechnungshof die Einsicht in ihre Jahresabschlüsse.121 Entsprechend finden sich in der Literatur auch Stimmen, die die Befugnis zur Prüfung der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung zumindest nicht generell auf die institutionelle Förderung beschränken wollen. 122 Mit der herrschenden Meinung gehen sie aber davon aus, daß die Prüfungsbefugnis durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkt ist. 1 2 3

b) Zuwendungsbezug als maßgebliches Kriterium Der Tatbestand des § 91 Abs. 2 Satz 2 BHO enthält den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, indem er die Befugnis auf notwendige Prüfungen beschränkt. Daran schließt sich die Frage, wofür die Prüfung notwendig sein kann. Genügt es, daß der Rechnungshof einmal von Grund auf die freie Wohlfahrtspflege kontrollieren möchte, da diese fortlaufend Zuwendungen erhält? Kann der Rechnungshof mithin über den Hebel des § 91 Abs. 2 Satz 1 BHO nach seinem selbstgesetzten Erkenntnisinteresse erweiterte Prüfungen für notwendig erklären, wie dies Leisner befürchtet 124 ? i n Heuer, FinArch NF 49 (1991/92), S. 248 (S. 250) mit Fn. 255; s. a. ders., KHR Bd. II, VV zu § 100 BHO zu Nr. 15, POB. us Ebenso Krämer/Schmidt (1995), Zuwendungsrecht, H III S. 6. 119 Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 18 f. 120 Kieler Nachrichten vom 21. u. 22. 01. 1994; Der Spiegel 5/94, Hamburger Abendblatt v. 02. 02. 1994; Süddeutsche Zeitung v. 03. 02. 1994; s. ferner die Ausführungen zum Prüfungsrecht in den Bemerkungen 1994 des Landesrechnungshofes Schleswig-Holstein, Tz. 4.2. 121 Jahresbericht 1999, Nr. 25, Tz. 2.6. 122 Krämer!Schmidt (1995), Zuwendungsrecht, H III S. 6f.; Puhl, Budgetflucht, S. 402ff. 123 Krämer ! Schmidt, (1995), Zuwendungsrecht, H III, S. 6; Puhl, Budgetflucht, S. 403. 124 Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 111 ff.

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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Das kann nicht das Ziel der erweiterten Prüfungsbefugnis sein. Damit würden die sonstigen Voraussetzungen des § 91 BHO leerlaufen und die Prüfungsbefugnis ins Belieben des Rechnungshofes gestellt. 125 Zudem verträgt es sich nicht mit dem Grundsatz, daß sich Zuwendungsempfänger nur für solche Vorgänge vor Zuwendungsgebern und Rechnungshöfen verantworten müssen, für die sie auch öffentliche Finanzverantwortung tragen 126 . Begrenzt wird die Prüfungsbefugnis durch den systematischen Zusammenhang mit der Verwendungsprüfung nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BHO. Demnach kann die Prüfung nur dann auf die sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung erstreckt werden, wenn dies für die Kontrolle der Verwendung und Verwaltung der Zuwendung erforderlich ist. Der Wortlaut des Satzes 2 („soweit es der Bundesrechnungshof für seine Prüfung für notwendig hält") bezieht sich mithin auf die Kontrolle der bestimmungsgemäßen und wirtschaftlichen Verwendung der Zuwendung nach Satz 1. Nur soweit es für diese Prüfung erforderlich ist, kann der Rechnungshof auch die sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung kontrollieren. 127 Die Haushalts· und Wirtschaftsführung ist also nie als solche zu kontrollieren, sondern nur soweit sie zuwendungsbezogen ist. 1 2 8 Die Wohlfahrtsverbände müssen folglich nicht befürchten, daß Rechnungshöfe ihr gesamtes Tätigkeitsspektrum auf seine Wirtschaftlichkeit überprüfen, Leisners Vorstellung von der grenzenlosen Totalkontrolle wird der Befugnis aus § 91 Abs. 2 Satz 2 BHO nicht gerecht. 129 Was aber heißt „ zuwendungsbezogen "?

c) Institutionelle

Förderung

Im Fall der institutionellen Förderung ist die gesamte Tätigkeit der Zuwendungsempfänger zuwendungsbezogen. Denn die Mittel dienen zur Deckung der gesamten oder eines nicht abgegrenzbaren Teiles der Ausgaben des Zuwendungsempfängers. 130 Das heißt, daß jede Tätigkeit ganz oder anteilig durch die Zuwendung mit finanziert wird. Alle finanzerheblichen Entscheidungen und Tätigkeiten sind haushaltsbezogen; wenn der Zuwendungsnehmer wirtschaftet, dann bewirtschaftet er immer gleichzeitig öffentliche Mittel. Der Zuwendungsnehmer trägt öffentliche Finanzverantwortung in seinem gesamten Finanzgebaren. Insofern gibt es bei institutionellen Zuwendungsempfängern keine „sonstige" Haushalts- und Wirt-

125 Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (302 f.). 126 S.o.S. 57 f. 127 Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (302 f.); Puhl, Budgetflucht, S. 403 f. 128 Puhl, Budgetflucht, S. 403 f.; Nawrath/Söhngen (1995), in: Heuer, KHR, § 91 Rdn. 8. 129 Anzumerken ist, daß Leisner sich wiederholt der Methode bedient, einschränkende Interpretationen auszuschließen, um die Norm dann als verfassungswidrig verwerfen zu können, so in Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 111 ff., 114 ff. 130 W Nr. 2.2 zu § 23 BHO; s. ferner oben S. 153.

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Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

schaftsführung 131, es sei denn, daß sie parallel Zuwendungen zur Projektförderung erhalten 132 . d) Projektförderung Komplizierter ist die Situation bei der Projektförderung. Mit Puhl muß ein Bezug zwischen der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung und der „Veranschlagung, Bewirtschaftung Verwaltung und Verwendung öffentlicher Zuwendungsmittel" bestehen.133 Im folgenden sind drei typische Beispiele zu behandeln, bei denen die Kontrolle der Zuwendung selbst nicht genügt.

(1) Nicht abgrenzbare Projekte Notwendig kann die Kontrolle der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung sein, wenn diese nicht deutlich von einer Projektförderung zu trennen ist. Erhält ein Wohlfahrtsverband Globaldotationen für sein gesamtes Tätigkeitsspektrum, dann handelt es sich häufig um eine verkappte instititutionelle Förderung. Aus den oben genannten Gründen vereinbaren Zuwendungsgeber und Verband, die Arbeit des Verbandes in einzelne Projekte aufzulösen. 134 Eine sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung gibt es in dem Sinne nicht, denn die Zuwendungen finanzieren die gesamte Arbeit mit, indem allgemeine Personal-, Sach- und Verwaltungskosten anteilig auf die einzelnen Projekte umgelegt werden. 135 Es ist für den Zuwendungsnehmer aufwendig festzustellen und für die Bewilligungsstelle kaum nachvollziehbar, wieviele Stunden ein bestimmter Mitarbeiter für eine Aufgabe und wieviele für eine andere eingesetzt wurde. 136 Die Bewilligungsstelle verliert durch die umständliche Umformulierung der Verbandsarbeit in einzelne Projekte den Überblick. 137 Der Rechnungshof kann daher nur dann die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Zuwendung kontrollieren, wenn er nicht jede Projektförderung einzeln, sondern die gesamten Geschäftsbereiche kontrolliert, die durch die Summe der Einzelförderungen mitfinanziert werden. Deshalb muß der Rechnungshof gegebenenfalls die Jahresabschlüsse einsehen können, obwohl der Zuwendungsempfänger bei Projektförderungen normalerweise nicht seine gesamten Finanzen 131 Ebenso Puhl, Budgetflucht, S. 400 ff., 403. 132 Nach Nr. 7. 3 ANBest-P grundsätzlich möglich, s. v. Köckritz / Ermisch /Lamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 6.2. 133 Puhl, Budgetflucht, S. 403, der deshalb die Ermächtigung des Satz 2 bei institutioneller Förderung für entbehrlich hält. 134 S.o.S. 154 f. 135 Tatsächlich handelt es sich hier allenfalls um eine Art Kostenstellenrechnung. 136 Vgl. Deutscher Verein, NDV 1986, S. 338 (441 ff.). 137

S. die Kritik des schleswig-holsteinischen Landesrechnungshofes, Bemerkungen 1994, Tz. 4.5.7 (S. 49).

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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offen legen muß. Das gilt gleichermaßen für konfessionelle wie für weltliche Wohlfahrtsvereinigungen. Ausgenommen von einer solchen Kontrolle sind dagegen alle finanziell klar abgegrenzten Bereiche. Verwaltet etwa ein kirchlicher Verband Kirchensteuermittel, die an angeschlossene Einrichtungen weitergeleitet werden 1 3 8 , so besteht hier regelmäßig kein Bezug zur Zuwendung.

(2) Mischfinanzierung Desweiteren kann die Kontrolle der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung erforderlich sein, wenn ein Projekt aus verschiedenen Quellen finanziert wird, wie es in der freien Wohlfahrtspflege weithin üblich ist 1 3 9 . Eine gestückelte Finanzierung aus verschiedensten Töpfen wie etwa mehrere Förderprogramme eines Zuwendungsgebers 140, Zuwendungen von unterschiedlichen Körperschaften 141, Leistungsentgelten142, Spenden und anderen Dritt- und Eigenmitteln lädt immer zur „kreativen Buchführung" ein 1 4 3 . Bestehen Anhaltspunkte dafür, daß spezielle anzugebende Deckungsmittel nicht oder nicht in tatsächlicher Höhe in den Verwendungsnachweisen angegeben wurden, dann müssen Unterlagen über diese Deckungsmittel eingesehen werden können. Ebenso muß der Prüfer Spendeneingänge kontrollieren können, wenn Hinweise darauf bestehen, daß projektbestimmte Spenden eingegangen sind. Die Anrechnung von Spenden auf die Zu138

Als. Beispiel s. Hiidepohl, (Interview), Organisationen der Wohlfahrtspflege, S. 452,

460.

139 S.o. 20 ff. 1 40 So ζ. B. bei den geförderten Einrichtungen der ambulanten sozialen Dienste in Schleswig-Holstein, welche Mittel aus den Förderungen für Sozialstationen einerseits und Gemeindekrankenpflege sowie die Haus- und Familienpflege andererseits erhielten, s. Bemerkungen 1994, Tz. 4.5.2. 141 LRH S-H, Bemerkungen 1994, Tz. 4.7.5. 142 LRH S-H, Bemerkungen 1994, Tz. 4.5.1. Dabei ist zu beachten, daß Rechnungshöfe nicht zur Kontrolle von Leistungsentgelten befugt sind, da Entgelte nicht zweckgebunden sind S. o. S. 151 f. Dann kann der Rechnungshof kaum durch die Hintertür einer zusätzlichen Zuwendung Pflegeentgelte prüfen dürfen. Die Kontrolle bezieht sich aber allein darauf, ob ein Fehlbedarf neben dem Entgelt bestand, nicht darauf, ob das Entgelt angemessen ist. Im übrigen wird der Rechnungshof das Ergebnis seiner Prüfung allein dem Zuwendungsgeber, nicht dem Kostenträger mitteilen. 143 Zumal, wenn unterschiedliche formelle Anforderungen der Geldgeber kaum zusammen passen und damit eine „kreative" Abrechnung provozieren, s. FrankI Reis I Wolf, Ideologie, S. 125 f. und Thamm, in: Rauschenbach / Sachße / Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 356 (361): „Diese Art der Stoppel- oder Mischfinanzierung ist üblich bei den meisten sozialen Diensten. Zu den hervorragendsten Eigenschaften von Wohlfahrtsmanagern gehört es, das Finanzierungspuzzle zu beherrschen und neuen Geldquellen auf der Spur zu sein. Wer sich Finanzierungspläne anschaut, wird die Originalität oft bewundern, mit der manche Finanzierung aufgestellt wurde. Manche, anderen unbekannte Quellen wurden da aufgetan, manches Konzept so hingebogen, daß es richtlinienkonform wurde."

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wendungshöhe kann allerdings kontraproduktiv sein. Die Spendenbereitschaft wird nicht gefördert, wenn allein der Zuwendungsgeber von der Spende profitiert. Die Zuwendungsnehmer sollten deshalb darauf hinwirken, daß sie Ausnahmeregelungen von Nr. 1.2 i. V. m. Nr. 2 ANBest-P erwirken. 144

(3) Haushaltsrechtlicher Subsidiaritätsgrundsatz Regelmäßig monieren Rechnungshöfe, daß die Zuwendungsgeber den in § 23 BHO enthaltenen und aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot in § 7 BHO ableitbaren 145 haushaltsrechtlichen Subsidiaritätsgrundsatz nicht ausreichend beachtet haben. 146 Danach darf die Bewilligungsstelle nur insoweit Zuwendungen gewähren, als der Zuwendungsnehmer die Aufgabe nicht aus eigener Kraft erfüllen kann. 147 Der Subsidiaritätsgrundsatz kann sowohl bei der Kontrolle der Zuwendungsgeber wie bei der Kontrolle der Zuwendungsnehmer zum Tragen kommen. Wenn Rechnungshöfe kontrollieren, ob die Bewilligungsstelle auch den Subsidiaritätsgrundsatz eingehalten hat, dann geht es vor allem darum, ob die Behörde die richtige Finanzierungsart wählte, ob sie auf einen maximalen Eigenanteil des Zuwendungsnehmers bestanden hat, und welche Eigenmittel dabei berücksichtigt wurden. Die Bewilligungsstelle hat nach Nr. 2.1 VV zu § 44 BHO die Finanzierungsart auszuwählen, die unter Berücksichtigung der Interessenlage des Bundes und des Zuwendungsempfängers den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit am besten entspricht. Als wirtschaftlichste Zuwendungsart betrachten die Rechnungshöfe die Fehlbedarfsfrnanzierung, da sie am ehesten dem haushaltsrechtlichen Subsidiaritätsgrundsatz entspricht. Die Fehlbedarfsfinanzierung kommt vornehmlich bei armen Projektträgern in Betracht, die Erhöhungen der Projektkosten nicht tragen können, weshalb auch Einsparungen dem Zuwendungsgeber zugute kommen sollen. 148 Die Anteilsfinanzierung ist wirtschaftlich vorteilhaft, da sie den Zuwendungsempfänger zu sparsamem Umgang mit den Fördermitteln anhält und so unter anderem das bei der Fehlbedarfsfinanzierung häufig zu beobachtende Dezemberfieber verhindern hilft. 1 4 9 Sie ist vor allem dann angemessen, wenn es sich um einen wirtschaftlich potenten Zuwendungsempfänger handelt, bei dem nie 144 S. Krämer/Schmidt (1997), Zuwendungsrecht, Β III S. 25 ff. 145 Piduch (1993), BHO, § 23 Anm. 5; v. Köckritz/Ermisch /Lamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 4.2.1. 146 S. etwa Landesrechnungshof Hamburg, Jahresbericht 1996, Tz. 166; Landesrechnungshof Brandenburg, Jahresbericht 1997, Einzelplan 07, Tz 2.2; Landesrechnungshof SchleswigHolstein, Bemerkungen 1994, Tz. 4.5.6; Zusammenfassung der häufigsten Rügen bei Krämer/Schmidt (1997), Zuwendungsrecht, Β III, S. 27 f. 147 v: Köckritz/Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 4.2.1. 148 y Köckritz!Ermisch/Lamm (1997), BHO § 44 Rdn. 24.4.4; Krämer/Schmidt (1997). Zuwendungsrecht, D V, S. 11 f. 149 Münder/ Schruth, in: BBJ Consult (Hg.), Sozialstaatsgebot und gemeinnützige Träger. S. 4 (12).

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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ein Fehlbedarf entstehen würde, welcher aber durch die Zuwendung zu einem bestimmten staatlich gewünschten „Projekt" veranlaßt werden soll. 1 5 0 Für Zuwendungsempfänger ist die Festbetragsfinanzierung am günstigsten, weil der Verwaltungsaufwand geringer ist. 1 5 1 Bei der Festbetragsfinanzierung schlagen Minderund Mehrausgaben nur beim Zuwendungsnehmer zu Buche. 152 Diese Finanzierungsart wird von Rechnungshöfen häufig als unwirtschaftlich und dem Subsidiaritätsgrundsatz widersprechend gerügt, da der Zuwendungsgeber die Zuwendung nicht ermäßigen kann, wenn Ausgaben unter dem Finanzierungsplan bleiben oder Deckungsmittel hinzukommen. So beanstandete der schleswig-holsteinische Landesrechnungshof, daß das Ministerium für Arbeit, Soziales, Jugend und Gesundheit die ambulanten sozialen Dienste im Wege der Festbetragsfinanzierung förderte, obwohl die Zuwendungsempfänger nach seiner Darstellung in erheblichem Umfang Rücklagen und Rückstellungen bildeten sowie nur ausnahmsweise Eigenmittel einsetzten.153 Die gleiche Kritik übte der sächsische Landesrechnungshof an der Förderung der Wohlfahrtsspitzenverbände. 154 Allerdings bietet die Fehlbedarfsfinanzierung keine Gewähr dafür, daß Eigenmittel eingesetzt werden: Der Bundesrechnungshof kritisierte, daß die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege zwar rechtlich im Wege der Fehlbedarfsfinanzierung gefordert würden, faktisch aber eine Festbetragsfinanzierung stattfand. 155 Bezüglich der Zuwendungshöhe muß der Zuwendungsgeber nach dem Subsidiaritätsgrundsatz feststellen, ob der Zuwendungsnehmer die Maßnahme nicht auch aus eigenen Mitteln finanzieren könnte und welcher maximale Finanzierungsanteil ihm zuzumuten ist. 1 5 6 Die Bewilligungsbehörde kann dazu vom Antragsteller verlangen, daß er seine Vermögenslage offenlegt. 157 Die Zuwendungsnehmer tendieren dazu sich „armzurechnen", um so den staatlichen Finanzierungsanteil zu erhöhen. 158 Oft kritisieren die Rechnungshöfe bei Förderungen der freien Wohlfahrtspflege, daß kein oder ein wesentlich geringerer Zuwendungsbedarf bestand, da die Zuwendungsempfänger über beträchtliche Eigenmittel verfügten. 159 Bestehen Förderprogramme, dann wird der Höchstbetrag ausgereizt, ohne die Finanzkraft des 150 v: Köckritz!Ermisch/Lamm, (1997), BHO, § 44 Rdn. 14.4, 2.4.3; KrämerISchmidt (1997), Zuwendungsrecht, D V S. 10 f. 151 Deutscher Verein, NDV 1986, S. 337 (340). 152 Krämer /Schmidt (1997), Zuwendungsrecht, D V S. 8 f. 153 Bemerkungen 1994, Tz. 4.5.6 154 Jahresbericht 1999, Nr. 25, Tz. 3.7. 155 Bemerkungen 1987, BT-Drs. 11/872, S. 73. 156 Krämer/Schmidt (1997), Zuwendungsrecht, D VII S. 5. 157 Krämer/Schmidt (1997), Zuwendungsrecht, D V I S. 4; v. Köckritz/Ermisch/Lamm (1997), BHO §44 Rdn. 14.5. 158 Krämer/Schmidt (1997), Zuwendungsrecht, D V I I S. 1; ν. Köckritz/Ermisch/Lamm (1997), BHO §44 Rdn. 11.1. 159 S. etwa Bemerkungen 1988 des Bundesrechnungshofes, BT-Drs. 11/872, Tz. 33.3.1-3, Bericht 1994 des Landesrechnungshofes Schleswig-Holstein, Tz. 4.5.1,4.5.6., 4.5.8.

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Zuwendungsempfängers individuell zu prüfen, 160 oder die Zuwendungshöhe wird hauptsächlich von den verfügbaren Haushaltsmitteln abhängig gemacht. Insoweit erscheint es notwendig, daß Rechnungshöfe für die Prüfung der Zuwendungshöhe die Finanzkraft und insbesondere die verfügbaren Eigenmittel der Zuwendungsempfänger kontrollieren. Nur so könnte geprüft werden, ob die Zuwendungshöhe dem zuwendungsrechtlichen Subsidiaritätsgrundsatz entspricht. Maßgeblich für solche Kontrollen wäre, ob dem Zuwendungsempfänger im Finanzierungsplan nicht aufgeführte Mittel zur Verfügung stehen, die dieser für das Projekt hätte einsetzen können. Indes rechtfertigt der Subsidiaritätsgrundsatz für sich keine Kontrollen der Eigenmittel der Zuwendungsempfänger. Nach dem hiesigen Verständnis dient die Zuwendungskontrolle nicht primär der Kontrolle und Information des Zuwendungsgebers, sondern der Kontrolle der Bewirtschaftung öffentlicher Mittel selbst. Die eigene Verantwortung für öffentliche Mittel legitimiert und begrenzt zugleich Prüfungen durch Rechnungshöfe. 161 Kontrollen der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung der Zuwendungsnehmer lassen sich folglich nur insoweit rechtfertigen, als sie mit der bewilligten Zuwendung in Zusammenhang stehen. Der Subsidiaritätsgrundsatz richtet sich an die Vergabestellen, die nur so viel wie nötig bezuschussen sollen. Er verpflichtet nicht umgekehrt die Zuwendungsempfänger, so viel wie möglich aus eigenen Kräften zu bestreiten. Die Kontrolle der Eigenmittel der Zuwendungsnehmer kann deshalb nur dann gerechtfertigt sein, wenn sich der Zuwendungsempfänger selbst mit der Annahme der Zuwendung zum Einsatz sämtlicher Eigenmittel verpflichtet hat. Gute Gründe können nun dafür sprechen, daß die Bewilligungsbehörde nicht dem Subsidiaritätsgrundsatz entsprechend auf einen maximalen Eigenanteil des Zuwendungsempfängers besteht: § 23 BHO verpflichtet die Behörde dazu, nicht mehr Mittel zu bewilligen, als für die Erfüllung des Zuwendungszweckes erforderlich ist. Wie hoch dann die staatliche Beteiligung sein muß, hängt nicht allein von den Kosten und von der Bedürftigkeit der Antragsteller ab. Denn Antragsteller sind oft nicht bereit, das zu fördernde Vorhaben allein zu finanzieren, auch wenn sie finanzstark sind. Die Bewilligungsstelle „reizt" mit öffentlichen Mitteln den Zuwendungsempfänger erst zu einem bestimmten erwünschten Vorhaben „an". 1 6 2 Ohne die Zuwendung würde das erwünschte Vorhaben nicht realisiert, die Zuwendung ist der Höhe nach auch erforderlich. Gleichzeitig weicht der Zuwendungsgeber vom Subsidiaritätsgrundsatz ab, nach dem das Vorhaben primär vom Geförderten zu finanzieren ist. Solche Ausnahmen vom Subsidiaritätsgrundsatz sind etwa für die industrielle Grundlagenforschung üblich. Obwohl die Zuwendungsempfänger finanzkräftig 160 Krämer/Schmidt (1997), Zuwendungsrecht, Β III S. 28; v. Köckritz/Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 44 Rdn 144. 161 S.o.S. 54 f., 57 f., 141 ff. 162 y Köckritz/Ermisch/Lamm (1997), BHO, 23 Rdn. 4.2.3.

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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sind, würden sie unrentable Forschungsprojekte nicht ohne staatliche Förderung durchführen. 163 Hier ist offensichtlich, daß ein Rechnungshof nicht das gesamte Unternehmen daraufhin kontrollieren dürfte, ob es nicht zusätzliche Mittel für das geforderte Projekt hätte bereitstellen können. Nicht primär weil es unverhältnismäßig wäre, sondern weil es keine Bewilligungsvoraussetzung ist, daß der Zuwendungsempfänger bedürftig ist, mithin die Kontrolle der sonstigen Haushaltsund Wirtschaftsführung zur Kontrolle der Zuwendungshöhe nicht notwendig sein kann. Entscheidend ist aber nicht, wie häufig anklingt, daß der Empfänger finanzstark ist. 1 6 4 Entscheidend ist, daß sich der Subsidiaritätsgrundsatz nicht durchsetzen läßt, ohne das erwünschte Vorhaben zu gefährden. Eine ähnliche Ausgangslage findet sich nun häufig auch bei Zuwendungen an die freie Wohlfahrtspflege: Vereine der freien Wohlfahrtspflege werden nicht immer bereit sein, die Finanzierung sozialer Projekte primär selbst zu übernehmen, denn einerseits brauchen sie Eigenmittel auch für sonstige Aufgaben, andererseits ist die Finanzierung sozialer Dienste nicht primär eine private Angelegenheit.165 Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege von der Bundes- bis zur Gemeindeebene sind in unterschiedlichsten sozialen Projekten tätig. Sie tragen Projekte in eigener Verantwortung und betreuen und unterstützen die angeschlossenen Einrichtungen. 166 Den Verbänden ist nicht generell zuzumuten, Gewinne aus bestimmten Geschäftsbereichen in defizitäre Bereiche zu leiten. Nach § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB X I verbleiben ζ. Β Gewinne aus Leistungsentgelten beim Pflegeheim. Es ist nicht einzusehen, wieso Private den Gewinn für sich verbuchen („Rosinen rauspicken"), 167 während sich freigemeinnützige Träger den Überschuß auf die defizitäre Schuldnerberatungsstelle anrechnen lassen sollen. Die „Privatisierung der Gewinne und Verstaatlichung der Verluste" 168 kann daher gerechtfertigt sein. Zudem müssen die Verbände Rück-

163 v: Köckritz/Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 23 Rdn. 1.2.3; Krämer/Schmidt (1997), Zuwendungsrecht, Β III S. 22 f. 164 Sonst käme es zu dem paradoxen Ergebnis, daß ein Empfänger je vermögender er ist um so weniger Eigenmittel einsetzen und um so weniger Kontrollen erdulden müßte. 165 S. zu Eigenmitteln insgesamt aus Sicht der freien Wohlfahrtspflege Thamm, in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 356 (368 ff.); aus haushaltsrechtlicher Sicht: v. Köckritz/Ermisch/Lamm (1997), BHO § 44 Rdn. 14 ff. 166 Selbst der Bundesrechnungshof gestand ein, daß nicht alle Eigenmittel der Spitzen verbände der freien Wohlfahrtspflege auf Fehlbedarfsfinanzierungen angerechnet werden müßten, da „die Spitzenverbände zur Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben eigene Mittel in ausreichender Höhe benötigen." S. Bemerkungen 1987, Tz. 33.3.2, Bt-Drs. 11/872, S. 72. 167 Grunow. in: Rauschenbach / Sachße / Olk, Von der Weitgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 253 (263). 168 So die bereits zitierten Bemerkungen 1994 des schleswig-holsteinischen Landesrechnungshofes, Tz. 4.5.1. Allerdings war die Konstellation in Schleswig-Holstein anders. Dort verteilten die Landeswohlfahrtsverbände selbst Landesmittel auf die angeschlossenen ambulanten Dienste, womit die vermeintlich nicht kostendeckenden Leistungsentgelte aufgestockt werden sollten. Dem Land gegenüber wurden Verwendungsnachweise für (teilweise ver12 Rogge

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Finanzkontrolle freier Wohlfahrtspflege

lagen bilden, um sich gegen die Unsicherheiten der Finanzierung sozialer Dienste zu sichern 169 . Diese werden sie aber nicht allein für ein gefördertes Projekt einzusetzen bereit sein. 170 Die freie Wohlfahrtspflege wird sich zudem deswegen nicht leichthin zum Einsatz sämtlicher Eigenmittel verpflichten wollen, weil die Finanzierung der sozialen Dienste wie deren Errichtung und Unterhaltung eine gemeinsame Aufgabe von Staat und freier Wohlfahrtspflege ist 1 7 1 , wogegen das zuwendungsrechtliche Subsidiaritätsprinzip davon ausgeht, daß die Finanzierung primär Aufgabe des Zuwendungsnehmers ist und sich der Zuwendungsgeber so weit wie möglich zurückhält (und sich dabei trotzdem maximalen Einfluß sichert). Die Finanzierungsaufteilung zwischen Zuwendungsgeber und Eigenmitteln des Zuwendungsnehmers ist daher im Wohlfahrtsbereich oft mehr Ausfluß eines „Deals" als einer strikten Anwendung des Subsidiaritätsgrundsatzes. Wenn ein Verband ein bestimmtes Projekt anregt, dann wird der Verband seine Planung von der Zusage öffentlicher Zuwendungen abhängig machen und nicht sämtliche Eigenmittel für dieses eine Projekt einsetzen. Die Bewilligungsstelle ist an dem Projekt selbst interessiert und verhandelt mit dem Zuwendungsnehmer über die mögliche Zuwendungshöhe. Eine solche Vorgehensweise der Bewilligungsbehörde ist haushaltsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist wirtschaftlich, da das geförderte Projekt mit weniger Mitteln nicht zustande gekommen wäre. Daß der Verband das Projekt unter Umständen selbst finanzieren könnte, spielt keine Rolle. Eigenmittel sind nur in der vorgesehenen, ausgehandelten, nicht in der theoretisch möglichen Höhe einzusetzen Kontrolliert der Rechnungshof also die Vergabestelle, dann kann er monieren, daß sie nicht in ausreichendem Maße die Finanzkraft der Zuwendungsempfänger mit berücksichtigt habe. Er kann aber nicht die Finanzkraft kontrollieren, die nicht im Bezug zur Zuwendung steht. Wenn sich der Zuwendungsnehmer nur zum Einsatz von einer bestimmten Summe oder bestimmter Einnahmen verpflichtet, dann darf der Rechnungshof nicht prüfen, ob „mehr zu holen gewesen wäre". Wird der Einsatz von Deckungsmitteln in bestimmter Höhe vereinbart, dann kann der Rechnungshof nicht nachträglich kontrollieren ob die geförderte Institution die Deckungsmittel hätte erhöhen können. 172 Ist mit dem Zuwendungsnehmer vereinmeintlich) defizitäre Einrichtungen erstellt, während die Überschüsse anderer Einrichtungen nicht angegeben wurden. 169 Münder/ Schruth, in: BBJ Consult, Sozialstaatsgebot und gemeinnützige Träger, S. 4 (12); Deutscher Verein, NDV 1986, S. 337 (347 f.); Tz. 33 der Bemerkungen 1988 des Β RH, BT-Drs. 11/872, S. 72. 170 S. hierzu den Bericht 1994 des LRH Schleswig-Holstein, Tz. 4.5.1 (S. 38 f.).

171 Selbst der LRH Schleswig-Holstein meint, daß von den Wohlfahrtsverbänden der Einsatz von Eigenmitteln kaum verlangt werden könne, weil soziale Aufgaben eigentlich zu den Verpflichtungen der öffentlichen Hand gehören, Bericht 1994, Tz. 4.5.8. 172 Beispiel von Krämer I Schmidt (1997), Zuwendungsrecht, Β III S. 28 für Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes.

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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bart, daß Leistungsentgelte als Eigenmittel dienen, dann kann der Rechnungshof nicht die sonstigen Eigenmittel kontrollieren. Der schleswig-holsteinische Rechnungshof war folglich nicht berechtigt, die Eigenmittel der sozialen ambulanten Dienste zu überprüfen, wenn die Zuwendungen unabhängig von den Eigenmitteln als Festbetragsfinanzierung gewährt wurden 173 . Die Kontrolle der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung kann sich nur aus den eingegangenen Verpflichtungen des Zuwendungsnehmers selbst rechtfertigen, nicht aus dem Informationsbedürfnis der öffentlichen Hand. Wenn sich Wohlfahrtsverbände dagegen zum Einsatz von Eigenmitteln verpflichtet haben, kann der Rechnungshof insoweit die eigene Haushalts- und Wirtschaftsführung der Zuwendungsempfänger prüfen, selbst wenn die Vergabestelle das „nicht so genau genommen" hat. Die Zuwendungsempfänger können nicht schutzwürdig auf eine „großzügige" Praxis der Vergabestellen vertrauen, wie dies Leisner zu begründen versucht. Er meint, der Rechnungshof müsse die „authentische Interpretation" von Verwaltungsvorschriften durch das „duldende oder nachträglich rechtfertigende Verhalten" der Verwaltung übernehmen. 174 Danach hätte der Bundesrechnungshof ζ. B. hinnehmen müssen, daß die Spitzen verbände der freien Wohlfahrtspflege faktisch mit Festbeträgen bezuschußt wurden, obwohl die Zuwendungen rechtlich als Fehlbedarfsfinanzierung ausgestaltet waren. Er dürfte seine Prüfungen nicht auf Eigenmittel erstrecken, weil diese jahrelang vom Ministerium nicht berücksichtigt wurden. 175 Die Argumentation Leisners ist rechtlich unhaltbar. Die Verwaltungsvorschriften und Nebenbestimmungen zu den einzelnen Zuwendungs- und Finanzierungsarten sind detailliert und eindeutig. Sie lassen keinen Raum für Interpretationen. Prüfungen durch Rechnungshöfe sind gerade erforderlich, um eingeübte Nachlässigkeiten in der Anwendung der Zuwendungsrechts zu überprüfen. 176 Man kann geteilter Meinung darüber sein, ob die freie Wohlfahrtspflege sämtliche Eigenmittel einsetzen sollte. 177 Hat sich ein Zuwendungsempfänger dazu verpflichtet, dann kann der Rechnungshof kontrollieren, ob die Eigenmittel ausgeschöpft wurden.

e) Sonderproblem: Zuwendungskontrolle nach Art. 56 Abs. 4 LV, § 104 Abs. 1 Nr. 1 LHO Schleswig-Holstein An dieser Stelle ist auf ein Sonderproblem in der schleswig-holsteinischen LHO und der Landesverfassung einzugehen. Nach Art. 56 Abs. 4 LV i. V m. § 104 Abs. 1 Nr. 1 LHO prüft der Landesrechnungshof die Haushalts- und Wirtschafts173 S. o. bei Fn. 153. 174 Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 78. 175 Vgl. die Bemerkungen 1987 des Bundesrechnungshofes, Tz. 33.4.2, BT-Drs. 11/872, S. 73. 176 S.o.S. 139 f. 177 S.o.S. 177f. 1

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führung Privater, wenn diese Zuwendungen aus dem Landeshaushalt erhalten. Die Ermächtigung beschränkt sich also ausdrücklich nicht auf die zuwendungsbezogene Haushalts- und Wirtschaftsführung. Somit könnte allein aufgrund der Entgegennahme freiwilliger Zuwendungen das gesamte Gebaren der Wohlfahrtsverbände geprüft werden. Die Wohlfahrtsverbände in Schleswig-Holstein halten diese unbegrenzte Ermächtigung für verfassungswidrig. Deshalb versah das Land Bewilligungsbescheide mit dem Zusatz, daß sich Zuwendungsempfänger „mit der umfassenden Prüfung durch den Landesrechnungshof nach § 104 LHO einverstanden erklären". Diese Auflage wurde vom VG Schleswig als nicht ausreichend bestimmt aufgehoben: Es sei für den Zuwendungsempfänger nicht erkennbar, ob durch die Auflage eine zusätzliche Rechtsgrundlage geschaffen werden, die Geltungskraft des § 104 LHO verstärkt werden oder der Empfänger auf Rechtsschutzmittel verzichten soll. 1 7 8 Über die Rechtmäßigkeit einer umfassenden Prüfung nach § 104 LHO entschied das Gericht jedoch nicht. 179 Die Entstehungsgeschichte der Norm zeigt, daß der Gesetz- und Verfassungsgeber den Landesrechnungshof ausdrücklich nicht auf die Prüfung der zuwendungsbezogenen Haushalts- und Wirtschaftsführung beschränken wollte. Ursprünglich sollte der Rechnungshof Stellen prüfen, soweit sie Zuwendungen aus dem Landeshaushalt erhalten 180 , und sich damit „auf das wesentliche beschränken" 181. Nach Intervention des Landesrechnungshofes ersetzte der Sonderausschuss „Verfassungs- und Parlamentsreform" soweit durch wenn. 1* 2 Der Landesrechnungshof wollte die Prüfungsbefugnis erweitert wissen, um die parlamentarische Kontrolle zu stärken und prüfungsfreie Räume zu verhindern. 183 Zuwendungsempfänger sollten unmittelbar geprüft werden können, da das Land zunehmend Aufgaben juristischen Personen des Privatrechts übertrage und sich so öffentlich-rechtlichen Bindungen entzöge. 184 Bei Prüfungen würde der Landesrechnungshof aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten.185 ne VG Schleswig, Urteil v. 19. 03. 1998, Az. 13 A 26/96, S. 8-13. 179 Zwischen Landesrechnungshof, Sozialministerium und Wohlfahrtsverbänden wurde vereinbart, daß ein Musterprozeß Rechtsklarheit schaffen sollte, wenn der Rechnungshof eine Prüfung auf § 104 LHO stützt. Das hat er aber bislang vermieden. 1993 prüfte der Landesrechnungshof die ambulanten sozialen Dienste nach der „herkömmlichen" Zuwendungskontrolle; s. Nachtrag zu den Bemerkungen 1994 des Landesrechnungshofes, Tz. 4.2.2. mit einer Zusammenfassung der vorherigen Auseinandersetzung. 180 Schlußbericht der Enquete-Kommission „Verfassungs- und Parlamentsreform" vom 7. 2. 1989, LT-Drs. 12/180, S. 76; ebenso der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion, LT-Drs. 12/ 638, S. 20. 181 Begründung der Enquete-Kommission, LT-Drs. 12/180, S. 77. 182 S. die Beschlußempfehlung des Sonderausschusses, LT-Drs. 12/620 S. 89 und 12/826. 183 Schreiben des Präsidenten des Landesrechnungshofes an den Vorsitzenden des Sonderausschusses „Verfassungs- und Parlamentsreform" v. 24. 4. 1989, Umdruck 12/489. 1 84 Schreiben des Präsidenten des Landesrechnungshofes an den Vorsitzenden des Sonderausschusses „Verfassungs- und Parlamentsreform" v. 9. 8. 1989, Umdruck 12/672.

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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Daß diese weiten Prüfungsbefugnisse gegenüber Zuwendungsempfängern landesverfassungsrechtlich abgesichert wurden, macht sie nicht sakrosankt. 186 Art. 56 Abs. 4 LV muß sich einerseits an den gem. § 1 HGrG für die Länder verbindlichen Haushaltsgrundsätzen, andererseits an den grundgesetzlichen Grundrechten der Zuwendungsempfänger messen lassen. Nach § 1 HGrG sind die Länder verpflichtet, ihr Haushaltsrecht nach den Grundsätzen des HGrG zu regeln. Das HGrG enthält in Ausfüllung des Art. 109 Abs. 3 GG die Haushaltsgrundsätze, die Bund und Länder ihren Haushaltsordnungen gleichermaßen zugrunde zu legen haben. Den Grundsätzen ist zudem bei der Auslegung des Landeshaushaltsrechts Rechnung zu tragen. Deshalb verbietet sich jede Auslegung, die die bundesrechtlichen Vorgaben mißachtet und dem Landesrecht einen Inhalt im Widerspruch zu den Vorgaben des HGrG verleiht. 187 Art. 46 Abs. 4 LV weicht von der Regelung der Zuwendungskontrolle in § 43 Abs. 1 Nr. 3 HGrG ab, der inhaltlich mit § 91 Abs. 1 Nr. 3 BHO übereinstimmt. Art. 46 Abs. 4 LV ist deswegen noch nicht rechtswidrig. Denn nicht jede Detailregelung ist ein Grundsatz, sondern nur die allgemeinen Leitlinien. 188 Es ist daher zu untersuchen, ob die erweiterte Zuwendungskontrolle den Grundsätzen der Finanzkontrolle entspricht, wie sie in dem HGrG zum Ausdruck kommen. § 42 HGrG enthält den Grundsatz der Lückenlosigkeit, da die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung von Rechnungshöfen geprüft werden soll. Die gesamte Staatsorganisation einschließlich ihrer Sondervermögen und Betriebe ist der Finanzkontrolle zu unterwerfen. Vermeintlich sensible Bereiche sollen nicht mehr ausgenommen werden. 189 Die Prüfung bei Stellen außerhalb der Verwaltung ist indes gesondert in § 43 HGrG geregelt. Der Grundsatz der Lückenlosigkeit besagt mithin nicht, daß die gesamte Bewirtschaftung öffentlicher Mittel geprüft werden muß, sondern daß es innerhalb der Verwaltung keine prüfungsfreien Räume geben darf. Er bezieht sich auf öffentliche Bewirtschafter, nicht auf öffentliche Mittel. Daher begründet der Grundsatz lückenloser Finanzkontrolle in § 42 HGrG keine Prüfungskompetenz bei privaten Bewirtschaftern öffentlicher Mittel. 1 9 0 Dagegen lassen sich aus den § 43 HGrG Leitlinien für Kontrollen von Stellen außerhalb der Verwaltung entwickeln. Gemeinsames Merkmal aller Priifungsbefugnisse ist, daß Prüfungsadressaten Finanzverantwortung tragen, weil ihr Verhalten entweder haushaltsbezogen ist (§ 43 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3), sich auf den Haus185

Schreiben des Präsidenten des Landesrechnungshofes an den Vorsitzenden des Sonderausschusses „Verfassungs- und Parlamentsreform" v. 24. 4. 1989, Umdruck 12/489. 186 Allerdings wird durch die verfassungsrechtliche Absicherung dem Einwand vorgebeugt, daß derart weitgehende Eingriffe durch die nur innenrechtliche Haushaltsordnung nicht begründet werden können. S. dazu Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 109 Rdn. 43. 187 BVerwG, DÖV 1997, 684 (685). 188 Fischer-Menshausen, in: v. Münch, GG Bd. 3, Art. 109 Rdn. 17. 189 S.o.S. 31. 190 S. zum ganzen oben S. 30 ff.

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halt auswirken kann (§ 43 Abs. 3, § 55 Abs. 1) oder weil sie Vermögen der Körperschaft bewirtschaften (§§ 43 Abs. 1 Nr. 2, 44, 53 HGrG). Dies entspricht auch der Vorstellung des Gesetzgebers bei der Haushaltsreform 1969 - auf Grund derer das HGrG erlassen wurde - , nach der die Finanzverantwortung - durch die tatsächliche oder potentielle Inanspruchnahme öffentlicher Mittel - Prüfungsrechte begründet. 191 Oben wurde bereits festgestellt, daß Kontrolle Verantwortung voraussetzt: Kontrolle ist akzessorisch zum gesollten Verhalten. 192 „Rechenschaft muß nur derjenige geben, der die Verantwortung für das zu rechtfertigende Verhalten trägt, und zwar nur insoweit, als seine Verantwortung reicht." 193 Das gilt um so mehr, wenn wie bei Art. 46 Abs. 4 LV die Stelle selbst geprüft, nicht Erhebungen zur Kontrolle anderer Stellen durchgeführt werden sollen. 194 Es stellt sich die Frage, ob sich Art. 46 Abs. 4 LV mit diesem Grundsatz verträgt. Zuwendungsempfänger übernehmen Finanzverantwortung mit jeder erhaltenen Zuwendung, die sie zweckgemäß, ordnungsgemäß und wirtschaftlich verwenden müssen. Diese Finanzverantwortung ist aber auf die Zuwendung selbst beschränkt. Sie konkretisiert sich in den - wegen § 14 HGrG bundesweit ähnlichen - zuwendungsrechtlichen Vorschriften. 195 Ihre sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung haben Zuwendungsempfänger nur insoweit zu verantworten, als sie sich auf die Zuwendung auswirkt oder nicht von ihr zu trennen ist. Darüber hinaus sind Zuwendungsempfänger den öffentlichen Haushalten gegenüber nicht rechenschaftspflichtig. Ihr eigenständiges Finanzgebaren kann sich zwar auf die Höhe von potentiellen Zuwendungen und damit auf den Haushalt auswirken. Das begründet aber noch keine Finanzverantwortung. Ohne Zuwendung sind sie nicht verpflichtet, in Umkehrung des Subsidiaritätsgrundsatzes ihren Zuwendungsbedarf zu minimieren. 196 Die Vergabestellen können frei darüber entscheiden, ob und in welcher Höhe Zuwendungen gewährt werden. Der öffentliche Haushalt haftet nicht für nicht zuwendungsbezogenes Handeln. Die historisch-genetisch intendierte Ermächtigung des Art. 56 Abs. 4 LV ist daher mit den Grundsätzen der Finanzkontrolle nicht vereinbar. Prüfungen der nicht zuwendungsbezogenen Wirtschaftsführung verstoßen gegen § 1 HGrG. Die Prüfungsbefugnisse der schleswig-holsteinischen Landesrechnungshofes sind mithin hauptsächlich von kompetenzrechtlicher Seite beschränkt. Daneben kann die Kontrolle der nicht zuwendungsbezogenen Haushalts- und Wirtschaftsführung kaum vor dem - allerdings konturärmeren - Verhältnismäßigkeitsgrund191 S. Heuer, DÖV 1986, S. 516 (517). 192 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 143 f., 189. 193 Reger, VerwArch 66 (1975), S. 195 (197). 194 Vgl. o.S. 163 ff. 195 S. oben S. 54 ff., 165 ff. 196 Entgegen des Ausführungen des Abgeordneten Lohmann in der Debatte zur Reform des schleswig-holsteinischen Rechts der Finanzkontrolle kann daher nicht abstrakt geprüft werden, ob Zuwendungsempfänger bedürftig sind. S. Schleswig-Holsteinischer Landtag (12. WP), 65. Sitzung v. 4. 11. 1990, S. 3860.

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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satz bestehen. Die herkömmliche Zuwendungskontrolle ist unter anderem deswegen angemessen, weil Zuwendungsempfänger insoweit nicht eigenverantwortlich wirtschaften, sondern öffentlich mitfinanziert werden. Sie müssen daher Maßnahmen zur Sicherung des wirtschaftlichen Mitteleinsatzes eher hinnehmen.197 Das gilt jedoch nur für die Tätigkeitsbereiche, die öffentliche Mittel erhalten. In den anderen Bereichen profitieren sie nicht von öffentlichen Förderungen, sondern wirtschaften eigenverantwortlich. Dort sind sie ohne Einschränkung gegen grundrechtliche Eingriffe geschützt. Art. 56 Abs. 4 LV ist deswegen noch nicht rechtswidrig, da er sich verfassungskonform auslegen läßt: Daß die Zuwendungsempfänger selbst geprüft werden, ist unproblematisch. Denn nach § 91 BHO sind Zuwendungsempfänger gleichermaßen selbst Prüfungsobjekte. 198 Daß Zuwendungsempfänger geprüft werden, wenn sie Zuwendungen erhalten, läßt sich zwanglos als „soweit" verstehen, selbst wenn der Verfassungsgeber ausdrücklich nicht „soweit" meinte. Ebenso ermächtigt § 91 BHO den Rechnungshof zur Prüfung Privater, wenn sie Zuwendungen erhalten, gleichwohl ist die Prüfung beschränkt auf deren zuwendungsbezogene Haushalts- und Wirtschaftsführung. Zusammengefaßt vermag Art. 56. Abs. 4 LV i. V. m. § 104 Abs. 1 Nr. 1 LHO die Prüfung der Zuwendungsempfänger nicht zu erweitern. Jede Prüfung ohne Bezug zur Zuwendung widerspricht dem haushaltsrechtlichen Grundsatz, daß nur rechenschaftspflichtiges Verhalten der Kontrolle ausgesetzt werden kann. Zudem kann die Prüfung der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung unverhältnismäßig sein. Haushaltsgrundsätzegesetzkonform und verfassungskonform ausgelegt decken sich die Befugnisse des Art. 56 Abs. 4 LV mit der sogenannten Betätigungsprüfung nach § 91 Abs. 1 Nr. 3 B H O / L H O . 1 9 9 Nur ermächtigt Art. 56. Abs. 4 LV zulässigerweise ausdrücklich zur Prüfung der Privaten selbst. Anzumerken bleibt, daß die zusätzlich vom Landesrechnungshof angeführte Begründung ebensowenig eine umfassende Kontrolle der Zuwendungsempfänger rechtfertigt. Zuwendungsempfänger wie die freie Wohlfahrtspflege sind keine Trabanten der Verwaltung. Sie sind nicht Ergebnis einer Budgetflucht, sondern seit jeher unabhängige Private. Ihre Kontrolle kann daher nicht damit begründet werden, daß das Parlament nicht die Kontrolle über die sich diversifizierende „ausfransende" Verwaltung verlieren dürfe. Die Äußerungen des Präsidenten des Landesrechnungshofes im Zuge der Auseinandersetzungen mit der freien Wohlfahrtspflege lassen vielmehr vermuten, daß eine umfassende Kontrolle von Zuwendungsempfängern wie der freien Wohlfahrtspflege beabsichtigt war, bei denen nach seiner Ansicht „einiges faul" ist. 2 0 0 Es kann aber nur darum gehen, ob im Zu197 S.o.S. 165ff. 198 s. o. S. 165. 199 Ebenso Puhl, Budgetflucht, S. 424 mit Fn. 738. 200 Vgl. Pressemitteilung des Präsidenten des Landesrechnungshofes vom 21. 1. 1994: „Der Landesrechnungshof hat bisher noch nicht von seinem erweiterten Prüfungsrecht Ge-

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sammenhang mit einer Zuwendung „etwas faul" ist. 2 0 1 Das läßt sich mit dem herkömmlichen Instrumentarium der Zuwendungsprüfung nach § 91 Abs. 1 Nr. 3 BHO/LHO bzw. mit den verfassungskonform ausgelegten Art. 56 Abs. 4 LV und § 104 Abs. 1 Nr. 1 LHO ausreichend kontrollieren.

f) Keine Wirtschaftlichkeitskontrolle Prüfungsmaßstäbe für die Kontrolle der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung der Zuwendungsempfänger nennt § 91 Abs. 2 BHO nicht. Lange ist der Ansicht, auf die Prüfung der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung ließen sich die allgemeinen Prüfungsmaßstäbe des § 90 BHO anwenden.202 Danach müßte der Rechnungshof prüfen können, ob die Einnahmen und Ausgaben begründet und belegt sind, ob wirtschaftlich und sparsam verfahren wurde bzw. ob die Aufgabe mit geringerem Personal- oder Sachaufwand oder auf andere Weise wirksamer hätte erfüllt werden können. Damit verkennt Lange, daß Zuwendungsempfänger nur für ihre zuwendungsbezogene sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung verantwortlich sind. Die sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung muß dann kontrolliert werden können, wenn sie sich nicht klar von der Abrechnung des finanzierten Bereiches abgrenzen läßt. Solche Kontrollen beschränken sich stets darauf, in Unterlagen Einsicht zu nehmen, die mit der Zuwendung in Zusammenhang stehen oder in Zusammenhang stehen könnten. Es ist nur die ordnungsgemäße, nicht die wirtschaftliche Haushalts- und Wirtschaftsführung zu prüfen. Sind Gemeinkosten abrechenbar, dann können Schlüssel über die Verteilung der Gemeinkosten auf unterschiedliche Bereiche eingesehen werden. Sind spezielle Deckungsmittel einzusetzen, dann können diese geprüft werden. Es besteht dagegen kein Anlaß, die Wirtschaftlichkeit der sonstigen Haushaltsund Wirtschaftsführung zu kontrollieren. Denn die Zuwendungsempfänger haben sich nur zur wirtschaftlichen Verwendung der Zuwendung selbst verpflichtet. Deshalb dürfte ζ. B. nicht gerügt werden, daß Gemeinkosten, die anteilig oder durch eine Pauschale auf ein Projekt umgelegt werden, verringert werden könnten. Rechbrauch gemacht, das durch die Verfassungs- und Parlamentsreform und die Landeshaushaltsordnung von 1992 geschaffen worden ist. Danach ist der Landesrechnungshof befugt, über die Verwendung der staatlichen Mittel hinaus auch das übrige Finanzgebaren der Verbände zu prüfen. Die Ergebnisse der im Herbst 1993 abgebrochenen Prüfung zeigen, daß ein solcher 201 umfassender Prüfungsansatz erforderlich ist." Dagegen konnte die dringend bayerische Landesregierung nach dem „Blutspendeskandal" zuwendungsunabhängig Kontrollen des DRK veranlassen. Das Bayerische Rote Kreuz ist ausnahmsweise als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert und kann daher zuwendungsunabhängig nach § 111 Abs. 1 LHO geprüft werden (Pressemitteilung der Bayerischen Landesregierung vom 17. 11. 1989, Bericht aus der Kabinettsitzung: Innenminister Beckstein bittet Rechnungshof um Sonderprüfung des Bayerischen Roten Kreuzes). 202 Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (302).

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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nungshöfe prüfen weder die sonstigen Ziele und Maßnahmen der Zuwendungsempfänger noch deren Organisation, soweit sie nicht (erklärt oder faktisch) institutionell gefördert werden. Indem sich die Kontrolle darauf beschränkt, in Unterlagen Einsicht zu nehmen, greift sie nicht in die Eigenständigkeit der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung ein. Eine allgemeine Finanzaufsicht entsteht hierdurch nicht. Die Zuwendungsempfänger können den Kontrolleingriff schließlich dadurch vermindern, daß sie zuwendungsbezogene Unterlagen von sonstigen trennen. I I I . Prüfungsmaßstäbe 1. Prüfung der bestimmungsgemäßen Verwendung Kritisiert werden von den Kontrollierten nicht nur die Prüfungen der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung, sondern auch die Maßstäbe der Prüfungen, welche sich nach § 91 Abs. 2 Satz 1 BHO auf die bestimmungsgemäße und wirtschaftliche Verwendung der Zuwendung erstrecken. Dabei greifen die Kritiker vor allem die Wirtschaftlichkeitskontrolle an. Zumeist monieren die Rechnungshöfe allerdings nicht Wirtschaftlichkeitsdefizite, sondern zuwendungsrechtliche Verstöße. Denn bestimmungsgemäße Verwendung heißt, daß der Zuwendungszweck sowie alle zuwendungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. 204 Bei Projektförderungen wird der Zuwendungszweck in der Regel durch den Zuwendungsbescheid definiert. Ist der Zuwendungszweck vage umschrieben 205 wie bei als Projektförderung ausgestalteten Globaldotationen für Wohlfahrtsverbände 206 , dann läßt sich die bestimmungsgemäße Verwendung nur anhand der groben Zweckvorgaben kontrollieren. Darin unterscheidet sich die Prüfung der bestimmungsgemäßen Verwendung von der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Bei letzterer müssen ungenaue Zweckvorgaben in operationalisierbare Einzelzwecke aufgelöst werden, um den Mitteleinsatz hierzu in Relation setzen zu können. Im Rahmen der Ordnungsmäßigkeitsprüfung läßt sich dagegen nur kontrollieren, ob die Mittel einem vagen Oberzweck wie „Förderung des Ehrenamtes" oder „Aufgreifen sozialer Notstände" zugeführt wurden. 207 Gleiches gilt für die Prüfung bei institutionellen Zuwendungsempfängern, deren gesamtes Aufgabenspektrum gefördert wird. 203 Ebenso Mainusch, NVwZ 1994, S. 736 (738). 204 Lange, in: FS General-Rechen-Kammer, S. 279 (299); Nawrath /Söhngen (1993), in: Heuer, KHR, § 91 Rdn. 7. 205 s. etwa den Jahresbericht 1997 des Hamburger Rechnungshofes, Tz. 331: „Allgemeine soziale Maßnahmen". In Berlin wurde ζ. B. der Zweck einer Zuwendung in Millionenhöhe an einen Jugendarbeitsträger nur pauschal mit den Begriffen „Outreach, Streetwork und Network" bestimmt. 206 S. o. S. 156. 207 Ein Beispiel dafür, wie selbst vage Oberzwecke nicht ausreichend beachtet wurden, bietet der Bericht des Hamburger Landesrechnungshofes zur Landeszentrale für politische

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Zweckwidrige Verwendungen können im Wohlfahrtsbereich häufig durch die komplizierten Finanzierungszusammenhänge auf Vergabestellen- und Empfängerseite vom Bund bis zur Kreisebene vorkommen. Ζ. B. soll der Bund nach dem sogenannten Flurbereinigungsabkommen keine Maßnahmen fördern, für die die Länder zuständig sind. 208 Deshalb dürfen die Verbände auf Bundesebene Mittel nicht an Ländereinrichtungen weiterleiten. 209 Ausnahmen läßt das Flurbereinigungsabkommen für ungeschriebene Verwaltungskompetenzen des Bundes zu. Hierauf berufen sich zahlreiche sogenannte Modellförderungen 210, die den Namen nicht immer verdienen 211. Ebenso werden Mittel zum Aufbau wohlfahrtspflegerischer Strukturen in den neuen Ländern als vereinigungsbedingte Aufgaben aus dem Bundeshaushalt an dezentrale Einrichtungen und Verbände weitergeleitet. 212 Der Bundesrechnungshof könnte also prüfen, ob die Mittel tatsächlich für Modellprojekte oder vereinigungsbedingte Aufgaben verwendet wurden. Daneben hat der Rechnungshof vor allem zu prüfen, ob die Empfänger sämtliche zuwendungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten haben. Die wichtigsten Prüfungspunkte (die sich in immerhin 86 Einzelprüfungspunkte unterteilen) sind im Fall der institutionellen Förderung nach Krämer und Schmidt 213 : • Höhe der Zuwendung nach der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung einschließlich Abrechnung (Nr. 2 ANBest-I), • Einhaltung des Haushalts- und Wirtschaftsplanes einschließlich des Organisations- und Stellenplans (Nr. 1.2 ANBest-I), • Inanspruchnahme der Zuwendung (Nr. 1.5 ANBest-I), • Besserstellungsverbot bei Personalausgaben (Nr. 1.3 ANBest-I), • Weitergabe von Zuwendungen, • Rücklagen und Rückstellungen (Nr. 1.8 ANBest-I), • Buchführung und Belege (Nr. 6 ANBest-I), • Zuwendungsrechtliche Mitteilungspflichten (Nr. 5 ANBest-I). Bildung (Jahresbericht 1997, Tz. 15): Der Rechnungshof bezweifelte, daß folgende Veranstaltungen noch unter einen sogar weitgefaßten Politikbegriff subsumiert werden könnten: „Gift im Essen", „Theaterseminar", „Magersucht und Androgynie", „Tanz zwischen Befreiung und Verfolgung", „Neßsand und Fischbecker Heide" (Exkursion mit Barkassenfahrt), „Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft". 208 Der „Entwurf der Verwaltungsvereinbarung über die Finanzierung öffentlicher Aufgaben von Bund und Ländern v. 7. 6. 1971" (Flurbereinigungsabkommen) ist nie in Kraft getreten, wird aber stillschweigend angewandt, s. Fischer-Menshausen, in: von Münch, GGKomm., Art. 104 a, Rdn. 11; Lacher, DÖV 1990 S. 63 (64). 209 Krämer/Schmidt

(1997), Zuwendungsrecht, Β III, S. 11 f.

210 S. Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 112 ff. 211 Thamm, in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 356 (361 f.). 212 Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 113. 213 Krämer /Schmidt (1995), Zuwendungsrecht, Η I V , S. 1 ff.

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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Bei der Projektfinanzierung sind neben der Einhaltung des Zuwendungszweckes und dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz vor allem folgende Gegenstände zu prüfen 2 1 4 : • Einhaltung des Finanzierungsplanes (Nr. 1.2 ANBest-P), • Beachtung des Besserstellungsverbotes (Nr. 1.3 ANBest-P), • Beachtung der zuwendungsrechtlichen obliegenden Mitteilungspflichten (Nr. 5 ANBest-P), • Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und Belege (Nr. 6 ANBest-P), • Ubereinstimmung des zahlenmäßigen Nachweises mit der Buchführung und den Belegen, • Zuwendungshöhe nach den tatsächlichen Deckungsmitteln und Ausgaben/ Kosten für das Projekt (Nr. 1.2 ANBest-P). Die Beanstandungen des Landesrechnungshofes Schleswig-Holstein nach seiner Prüfung der ambulanten sozialen Dienste sind exemplarisch für typische zuwendungsrechtliche Verstöße: Soweit dem Zuwendungsantrag überhaupt Finanzierungspläne beigefügt waren, wurden sie in Schleswig-Holstein in keinem Fall eingehalten.215 Die Verwendungsnachweise stimmen weder auf der Einnahmen- noch auf der Ausgabenseite: Durch die bei sozialen Zuwendungsempfängern häufig anzutreffende Stoppelfinanzierung 216 (nach Untersuchungen von Oppi bis zu 16 unterschiedliche „Fördertöpfe" 217 ) lassen sich die tatsächlichen Einnahmen verschleiern 218. Die Einnahmen aus Leistungsentgelten werden zu niedrig angesetzt219, Zuwendungen anderer nicht oder nur zum Teil angegeben220, und - um den zuwendungsrechtlichen Vorschriften zu entsprechen - Eigenmittel ausgewiesen, die tatsächlich nicht eingesetzt wurden 221 . Auf der anderen Seite geben Zuwendungsempfänger Kosten an, die nicht nachvollziehbar oder tatsächlich nicht entstanden sind. 222 So werden „umlagefähige 214 Krämer/Schmidt (1995), Zuwendungsrecht, Η I V , S. 30 ff. 215 Bemerkungen 1994 des LRH Schleswig-Holstein, Tz. 4.5.4. 216 S. o. Fn. 143 und zur Finanzierung insgesamt S. 20 ff. 217 Soziale Arbeit 1992, S. 152 (158). 218 Bemerkungen 1994 des LRH Schleswig-Holstein, Tz. 4.5.1. 219 Bemerkungen 1994 des LRH Schleswig-Holstein, Tz. 4.7.4, 4.7.8. Der Landesrechnungshof fand bei einer Einrichtung sogar ein Schreiben eines Landesverbandes, in dem dieser einen Kreisverband ausdrücklich zur Korrektur von Verwendungsnachweisen aufforderte, die einen Überschuß auswiesen. Hierdurch würden die Verhandlungen mit den Krankenkassen über Pflegeentgelte gefährdet. Der Kreisverband änderte daraufhin die Verwendungsnachweise und wies in den Folgejahren keinen Überschuß mehr aus. 220 Bemerkungen 1994 des LRH Schleswig-Holstein, Tz. 4.7.5. 221 Bemerkungen 1994 des LRH Schleswig-Holstein, Tz. 4.5.6,4.5.8. 222 Bemerkungen 1994 des LRH Schleswig-Holstein, Tz. 4.5.7.

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Selbstkostenpauschalen" der Verbände für ein bestimmtes Projekt oder für die Weiterleitung von Zuwendungsmitteln an Letztempfänger berechnet, die sich kaum nachprüfen lassen. Berechnete Personalkosten sind nicht entstanden223 oder werden in voller Höhe verschiedenen Zuwendungsgebern gegenüber berechnet, Anschaffungen werden im voraus gebucht („Dezemberfieber") 224. Ein häufiger Anlaß zu Beanstandungen sind Tagungszuschüsse. Es ist ein offenes Geheimnis, daß Zuwendungsempfänger gelegentlich ausgefallene Seminare oder Fortbildungen mit fiktiven Teilnehmerlisten abrechnen 225. Ebenso ist oft fraglich, ob Honorare tatsächlich bzw. in der abgerechneten Höhe gezahlt wurden. Das sind einige typische Verstöße gegen zuwendungsrechtliche Vorschriften. 226 Im einzelnen braucht nicht referiert zu werden, wie die ordnungsgemäße Verwendung der Zuwendung zu kontrollieren ist. Es ist vornehmlich zu untersuchen, inwieweit Prüfungen legitim bzw. begrenzt sind. Prüfungsunterworfene bestreiten zumeist nicht, daß die Kontrolle der ordnungsgemäßen Verwendung berechtigt ist. 2 2 7 Nicht durchschlagend ist jedoch der Einwand, daß Kontrollen durch die Vergabestellen ausreichten. Denn diese Kontrollen sind nicht gleich wirksam wie Kontrollen durch Rechnungshöfe 228. Begrenzt ist daher nur die Kontrolle der ordnungsgemäßen Zuwendungsverwendung, soweit sie sich auf die sonstige Haushalts· und Wirtschaftsführung erstreckt. 229 Die Zuwendungsempfänger rechtfertigen sich häufig damit, daß das Zuwendungsrecht zu kompliziert sei 2 3 0 , oder daß die Vergabestellen noch nie etwas beanstandet hätten 231 . Die Kritik am Zuwendungsrecht ist teilweise berechtigt. 232 Richtlinien engen den Bewirtschaftungsspielraum der Zuwendungsnehmer ein. Soweit nicht Vereinfachungen zugelassen sind 233 , gehört die ordnungsgemäße Abrechnung in die 223 Bemerkungen 1994 des LRH Schleswig-Holstein, Tz. 4.7.1. 224 s. ζ. B. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 1997, Tz. 43.2 (Deutscher Verein): Am 30. 12. DV-Geräte im Wert von 30 T D M in Rechnung gestellt und gebucht, bis zur Prüfung aber noch keine Lieferung. 225 S. „Der Spiegel" 52/95, S. 40 (42). 226 s. noch Lacher, DÖV 1990 S. 63 (65 f.); neben den bereits mehrfach zitiertem Bericht des LRH Schleswig-Holstein s. ferner ζ. B. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 1996, Nr. 7 (Friedlandhilfe); Bemerkungen 1997, Nr. 43 (Deutscher Verein). 227 s. etwa Mainusch, NVwZ 1994, S. 736 (738). 228 s . o . S . 1 3 9 ff.

229 S.O.S. 172ff. 230 Zur Kritik s. Deutscher Verein, NDV 1986, S. 337 ff.; Münder/Schruth, sult (Hg.), Sozialstaatsgebot und gemeinnützige Träger, S. 9 ff.

in: BBJ Con-

231 So die Stellungnahme der schleswig-holsteinischen Wohlfahrtsverbände gegenüber den Beanstandungen des Landesrechnungshofes, Bemerkungen 1994, Tz. 4.8.2; ebenso verteidigt Leisner die Mißachtung von Zuwendungsrichtlinien, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 78. 232 Aus Sicht der Rechnungshöfe Lacher, DÖV 1990, S. 63 (63).

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Hand von Spezialisten. Gerade Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege müssen oft einander widersprechenden Richtlinien verschiedener Zuwendungsgeber gerecht werden. 234 Allerdings kann sich die freie Wohlfahrtspflege nicht allgemein darauf berufen, daß ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter mit dem Zuwendungsrecht überfordert wären. 235 In den wichtigen Bereichen sozialer Dienste buchhalten Profis 2 3 6 , wie auch sonst die freie Wohlfahrtspflege überwiegend durch Professionalität, nicht durch das Ehrenamt gekennzeichnet ist 2 3 7 . Ehrenamtlich besetzt ist der Vereinsvorstand, während Hauptamtliche die Geschäfte führen. 238 Weniger institutionalisiert können Vereine sozialer Selbsthilfe sein. 239 Im übrigen läßt sich Überforderung nicht gegen Kontrollen ins Feld führen. Sofern Rechnungshöfe feststellen, daß Nebenbestimmungen zu kompliziert oder unzweckmäßig sind, können sie dies in ihrer Bewertung mit berücksichtigen und wie der nordrhein-westfälische Landesrechnungshof 240 bei den Vergabestellen Veränderungen anregen. Eine „seit langem eingeübte Förderpraxis" kann Verstöße gegen geltende Vorschriften ebenfalls nicht rechtfertigen. Nebenbestimmungen und Förderrichtlinien legen die Pflichten der Zuwendungsempfänger verbindlich fest. Wenn die Vergabestelle über längere Zeit das Haushaltsrecht nicht so genau nimmt und „fünfe gerade sein läßt", dann können Zuwendungsempfänger gegebenenfalls gegen Rückforde233

Wie ζ. B. einfachere Verwendungsnachweise nach Nr. 6.6 ANBest-P, bei denen Einnahmen und Ausgaben nur summarisch angegeben werden müssen, S. hierzu v. Köckritz!Ermisch/Lamm (1997), BHO, § 44 Rdn. 50. 254 Oppi, Soziale Arbeit 1992, S. 152 (156). 255 So die Begründung des Sozialministeriums für die Zulassung vereinfachter Verwendungsnachweise für die mobilen sozialen Dienste gegenüber dem Landesrechnungshof Schleswig-Holstein, Bemerkungen 1994, Tz. 4.5.9, S. 54. 236 Ebenda, Tz. 4.5.9, S. 56: In fast allen geprüften Einrichtungen von den Landes- bis zu den Ortsverbänden und den angeschlossenen Sozialstationen waren hauptamtlich tätige Kräfte für den Buchhaltungsbereich zuständig. 257 S.o.S. 87 ff. 238 S. Heinze/Strünck, in: Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 294 (306). Nach Frank, Reis und Wolf sind ehrenamtliche Vereinsvorstandsmitglieder nicht für Buchhaltungsfehler, sondern für unwirtschaftliches Management verantwortlich (Wenn man die Ideologie wegläßt, machen wir alle das gleiche, S. 74 f., 130). 23 9 Zum Verwaltungsaufwand für soziale Selbsthilfe Vereinigungen s. Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 263 f. 240 Der Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen forderte angesichts der Diskrepanzen in den Verwendungsnachweisen, daß die verschiedenen Zuwendungsgeber ihre Zuwendungspraxis und Zuwendungsrichtlinien so harmonisieren, daß die Abrechnungsmodalitäten kompatibel und der Abrechnungsaufwand für die Träger eingrenzbar und überschaubar bleibt, S. Oppi, Soziale Arbeit 1992, S. 152 (156). Vgl. ferner für landwirtschaftliche Fördermaßnahmen Rechnungshof Baden-Württemberg, Denkschrift 1993, Nr. 6, S. 48-54: Der Rechnungshof regte an, die insgesamt 81 Förderrichtlinien mit ihren fast unüberschaubaren Einzelmaßnahmen zu bündeln, transparenter und einfacher zu gestalten sowie den verwaltungsmäßigen Verfahrensablauf sowohl im Interesse der Antragsteller als auch im Interesse der Verwaltung zu vereinfachen.

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rungen geschützt sein. 241 Kontrollen sind hierdurch nicht ausgeschlossen.242 Etwas anderes gilt freilich, wenn Vergabestellen die allgemeinen Nebenbestimmungen dem Zuwendungsbescheid nicht beifügen: Wo keine Pflicht besteht, kann es auch keine Kontrolle geben.

2. Prüfung der wirtschaftlichen Verwendung Zuwendungsempfänger sind zur wirtschaftlichen Verwendung der öffentlichen Mittel verpflichtet. 243 Leisner 244 , Delbrück 245 und Brenner 246 halten Rechnungshöfe nun für nicht für befugt, die Wirtschaftlichkeit kirchlicher Zuwendungsempfänger zu überprüfen. Die Prüfung anderer freier Träger sei rechtswidrig, wenn Rechnungshöfe eigene Zwecke zum Maßstab der Wirtschaftlichkeitsprüfung nähmen. 247 Der Maßstab der Wirtschaftlichkeit sei derart unbestimmt, daß die Gefahr bestehe, daß der Rechnungshof seine Wirtschaftlichkeitsvorstellungen an die Stelle der Wohlfahrtseinrichtungen setze. Hierdurch wäre eine unsachgemäße und die Eigenständigkeit der Wohlfahrtseinrichtungen verletzende Steuerung der sozialen Tätigkeit zu befürchten. Zunächst ist die Gefahr des unwirtschaftlichen Umgangs mit öffentlichen Mitteln durch die freie Wohlfahrtspflege darzustellen. Anschließend muß gefragt werden, was Rechnungshöfe realistischerweise bei Wirtschaftlichkeitskontrollen leisten können und schließlich welche Grenzen ihnen dabei gesetzt sind. a) Gründe für Wirtschaftlichkeitsdefizite Über die UnWirtschaftlichkeit der freien Wohlfahrtspflege ist viel geschrieben worden. Nach Berechnungen von Oppi aus dem Jahr 1992 bestehen in der freien Wohlfahrtspflege Wirtschaftlichkeitsreserven in Höhe von 5 Mrd. D M . 2 4 8 Ob diese Zahl zutrifft, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls begünstigen folgende Faktoren die unwirtschaftliche Verwendung von Steuermitteln: 241 wie in Schleswig-Holstein: Der Rechnungshof meinte, daß die Wohlfahrtsverbände insgesamt 13 Mio. DM zuviel für die mobilen sozialen Dienste erhalten hätten und forderte das Land auf, Rückforderungen zu prüfen (Bemerkungen 1994, Tz. 4.6.2). Letztlich wurde nichts zurück verlangt, weil die Zuwendungsempfänger Vertrauensschutz genossen, s. „Capital" 12/96, S. 148(150). 242 Zum gleichen Problem bei der Prüfung der sonstigen Haushalts- und Wirtschaftsführung s. S. 179. 243 Nr. 1.1 ANBest-I, Nr. 1.1 ANBest-P. 244 Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen, S. 61. 245 Gutachten, S. 38 f. 246 NVwZ 1995, S. 454 (454). 247 Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 81 ff.; Delbrück, Gutachten, S. 35 ff. 248 Oppi, Soziale Arbeit 1992, S. 154 (157).

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• Zuwendungsfinanzierte Dienstleistungen der freien Wohlfahrtspflege müssen sich nicht gegen aktuelle und potentielle Konkurrenten behaupten. Dadurch entfällt die externe, effizienzsteigernde Kontrolle des Marktes. Die Monopolkommission hat in ihrem Gutachten 1996/97 kritisiert, daß die freie Wohlfahrtspflege kartellartig soziale Dienste unter sich aufteilt. 2 4 9 Die Verbände haben die Kritik zurückgewiesen. 2 5 0 Nun ist die freie Wohlfahrtspflege kein „homogener Block". Einrichtungen sind den Verbänden nur angeschlossen, ansonsten rechtlich selbständig. 2 5 1 Die Verbände tun sich in der Bundes- und in den Landesarbeitsgemeinschaften (Ligen) zusammen, welche jedoch nur gemeinsame Interessen nach außen vertreten. 2 5 2 Kartellartige Strukturen wurden bei der Pflege durch die Zulassung frei-gewerblicher Betreiber aufgelöst. 2 5 3 Bei durch Zuwendungen geförderten Dienstleistungen besteht jedoch nach wie vor kein Markt: Mittel werden entweder den Bundes- bzw. Landesarbeitsgemeinschaften der freien Wohlfahrtspflege überlassen, so daß diese die Mittel unter den angeschlossen Verbänden nach einem festen Schlüssel aufteilen können. Oder sie werden direkt von den staatlichen Stellen vergeben, wobei dann die Verbände darauf achten, gleichmäßig an dem „Kuchen" beteiligt zu werden 2 5 4 . Zur effizienten Bewirtschaftung der Mittel sehen sie sich bei diesen Verfahren nicht 249 Zwölftes Hauptgutachten der Monopolkommission 1996/1997 v. 30. 6. 1998, Nr. 2.3, BT-Drs. 13/11291, S. 328 ff. 250 So etwa eine Stellungnahme der Arbeiterwohlfahrt zum Gutachten: „Das Gutachten", so ein Sprecher des Bundesvorstandes, „lasse erhebliche Zweifel an der Fachlichkeit der Gutachter aufkommen und mache die Frage nach dem Preis-/Leistungsverhältnis solcher Gutachtertätigkeiten überdeutlich". Hintergrund dieser Äußerungen ist, daß der Gutachter der Monopolkommission Meyer seit Jahren einer der schärfsten Kritiker der freien Wohlfahrtspflege ist (s. ζ. B. „FAZ" v. 30. 9. 1995) und sich skandalisierende Berichte in der Presse immer wieder auf ihn berufen („Der Spiegel" 52/1995, S. 40 ff.; „Capital" 12/96, S. 148 ff.). Er wurde so zu einer Art „Intimfeind" der freien Wohlfahrtspflege. S. a. Gegendarstellung der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege v. 20. 6. 1996 zu einem Fernsehmagazinbeitrag: „Es wäre ein Gebot der Redlichkeit gewesen, nicht nur Autoren wie den Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Meyer... zu Wort kommen zu lassen, deren teilweise rufschädigenden Vorwürfe gegen die Verbände der freien Wohlfahrtspflege sich seit geraumer Zeit durch eine Reihe von Veröffentlichungen hindurch wiederholen,...". 251 Schneider, NDV 1998, S. 244 (244 f.). 252 Backhaus-Maul, NDV 1996, S. 280 (281). Die Arbeitsgemeinschaften oder „Ligen" haben kein allgemeines Mandat, für die freie Wohlfahrtspflege zu sprechen. Sie sind keinesfalls das Steuerungszentrum der freien Wohlfahrtspflege. Die Bundesarbeitsgemeinschaft könnte kaum auf den mächtigen Caritasverband einzuwirken. S. allgemein zu den Arbeitsgemeinschaften Czytrich, in: Bauer/Dießenbacher (Hg.), Organisierte Nächstenliebe, S. 3 (5). 253 Die grundlegende Veränderung trat 1994 durch die Neufassung der §§ 93, 94 BSHG ein, die bei Pflegesatzverhandlungen alle gemeinnützigen und privatgewerblichen Träger, die Einrichtungshilfen anbieten, gleichberechtigt. Die Diskussion um einen generellen Paradigmenwechsel in der sozialen Arbeit hat 1994/95 insb. § 11 Pflegeversicherungsgesetz eingeleitet, der privatgewerbliche und frei-gemeinnützige Träger gleichstellt. 254 Thomm, in: Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 356 (361).

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gezwungen255, zumal gute Kontakte zu den Vergabestellen sie zumindest bis zur Krise der öffentlichen Haushalte relativ ungestört wirtschaften ließen. 256 • Kostenträger und Konsument sind nicht identisch. Es fehlt die Rückkopplungsund Regulierungsstruktur eines Anbieter und Nachfragemarktes. 257 Dadurch, daß die Leistungsadressaten kein Feedback liefern, besteht die Gefahr, daß Leistungen auf organisationsinterne Ziele, nicht auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet sind. 258 Hierauf bezieht sich Seibels These des „funktionalen Dilettantismus" in „erfolgreich scheiternden Organisationen". 259 Soziale Organisationen müssen in bestimmten Maße daran interessiert sein, die aufgegriffenen Probleme nicht zu lösen oder ständig neue soziale Notstände zu entdecken, um sich nicht überflüssig zu machen. 260 Objektive Grenzen der Hilfeleistung gibt es nicht. 261 Sie sind also erfolgreich, weil sie expandieren. Gleichzeitig können sie scheitern, indem sie soziale Probleme selbst definieren oder am Bedarf der Klienten vorbei zu lösen versuchen. • Durch den mangelnden Effizienzdruck konnten sich teilweise veraltete Managementstrukturen halten. Oppls Schätzung von 5 Mrd. DM Einsparpotential stützt sich auf Untersuchungen, nach denen das Personal mit der Leitung moderner Großbetriebe überfordert ist. 2 6 2 Während Professionelle die Facharbeit bestimmen, ist das Management oft mit altgedienten Mitarbeitern 263 und der Vorstand mit Ehrenamtlichen besetzt und kann daher die Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung kaum beurteilen 264 . Ebenso effiziente Strukturen wie bei Wirtschafts255 Vgl. Klug: „So haben sich die Wohlfahrtsverbände beispielsweise bundesweit die Ausländerberatung oder - in München- die (fast vollständig von der Stadt finanzierten) Altenund Serivice-Zentren untereinander „aufgeteilt", Aus Politik und Zeitgeschichte 1995 Β 25/ 26, S. 34 (37). 256

S. zur korporatistischen Verflechtung oben, S. 140 f. mit Fn. 400. 257 Brülle!ReisIReis, NDV 1996, S. 185 (190). 258 Burla, in: Öhlschläger/Brüll (Hg.), Unternehmen Barmherzigkeit, S. 171 (172). 259 Funktionaler Dilettantismus, dazu Merchel, RsDE, Heft 22 (1993), S. 42 (44 f.). 260 Bauer, Wohlfahrtsverbände in der Bundesrepublik, S. 31. 261 S. Luthe, in: ders. (Hg.), Autonomie des Helfens, S. 138 (171): Potentiell läßt sich jedes Helfen, etwa als Vorsorge oder Nachsorge - ins Unendliche steigern. 262 Oppi, Soziale Arbeit 1992, S. 152 (156): „Ein nicht unwesentlicher Teil der Probleme ist hausgemacht, und zwar als Folge teilweise dramatischer Führungs- und Managementschwächen bei Trägern, Einrichtungen und Diensten. Wie die von uns durchgefühlten Organisationsanalysen zeigen, werden die Träger, Einrichtungen und Dienste vielfach von Mitarbeitern geführt, die den Anforderungen von Unternehmungen mit vielfältigen Produkten und mehrstelligen Millionenumsätzen nicht gewachsen sind". 263 s. das Interview mit dem Präsidenten des DRK Knut Ipsen in dem Magazin „Focus", Nr. 35/1999, S. 52 (56): „Wir haben ein Personalproblem. Wir müssen weg von der typischen Karriere, die vom Jugendrotkreuz über den Kreisvorstand bis zum Geschäftsführer einer Rot-Kreuz-GmbH führt, der Verantwortung für Hunderte von Mitarbeitern trägt. Da kommt es dann zu Insolvenzen, weil das Know-how fehlt. Das ist ja leider nicht auf Einzelfälle beschränkt. Bei uns stehen ganze Kreisverbände vor der Pleite - wie etwa in Bochum und Saarbrücken."

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betrieben sind schwierig durchzusetzen, da die Organisationen nicht den Anspruch aufgeben können, für jeden offene soziale Vereinigungen zu sein. 2 6 5 A u f der anderen Seite hat die zunehmende Bürokratisierung dazu geführt, daß sich die freie Wohlfahrtspflege den Strukturen der öffentlichen Verwaltung anpassen mußte.266 • Wirtschaftlichkeit wird durch das Zuwendungsrecht in mancher Beziehung eher behindert denn gefördert. Es behindert nachhaltiges Wirtschaften, da der Zuwendungsempfänger kalkulatorische Kosten nicht ersetzt b e k o m m t . 2 6 7 Das Zuwendungsrecht zwingt den Zuwendungsempfänger, Mittel zu verausgaben, damit künftige Leistungen nicht gekürzt werden. Insoweit gilt für die Ineffizienz freier Wohlfahrtspflege nichts anderes als für die öffentliche Verwaltung a u c h 2 6 8 . Das Haushaltsrecht wird allerdings - wie die Gemeinnützigkeit 2 6 9 gerne als Vorwand für Wirtschaftlichkeitsdefizite benutzt. 2 7 0 Freilich ist einiges i m Fluß. Die Krise der öffentlichen Haushalte und Sozialversicherungssysteme, die private Konkurrenz, die zu erwartende zukünftige Ent-

264 Frank / Reis / Wolf\ Wenn man die Ideologie wegläßt, machen wir alle das gleiche, S. 74f., 130; Heinze/Strünck, in: Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus, S. 294 (306). Die ehrenamtliche Vorstandsarbeit ist also kaum für zuwendungsrechtliche Verstöße (s. o. bei und in Fn. 235 ff.) jedoch für eine unwirtschaftliche Vereinsleitung verantwortlich. 265

Grunow, in: Rauschenbach / Sachße / Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 253 (262). 266 Grunow, in: Rauschenbach / Sachße / Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen, S. 253 (262). 267 S. Oppi, Theorie und Praxis der sozialen Arbeit, S. 128 (128) zum Widerspruch zwischen Zuwendungsrecht und Wirtschaftlichkeit: „Das Haushaltsrecht kennt keine Kosten - und anerkennt sie daher auch nicht - , die jedem Betriebswirtschaftsstudenten in den ersten Semestern vertraut gemacht werden: Planungs- und Entwicklungskosten, Vorfinanzierungskosten, Kosten, um im Markt bleiben zu können und von besonderer Aktualität: Kosten der Personalgewinnung, Kosten der Erhaltung „Human Ressources" u. ä. Das Haushaltsrecht „kameralisiert" genau jene Handlungsmöglichkeiten weg, die es erreichen will, nämlich verantwortliches, wirtschaftliches Handeln". Allgemein wird das Haushaltsrecht als Wirtschaftlichkeitshemmer betrachtet, welches seinem eigenen Regelungszweck zuwiderläuft. Es ist zu aufwendig und zwingt die Verwaltungen beinahe dazu, Besitzstände zu wahren. Deshalb wurden durch das Haushaltsrechts-Fortentwicklungsgesetz vom 22. 12. 1997 (BGBl. I, S. 3251) formelle Fesseln gelockert, s. Gröpl, NVwZ 1998, S. 1251 (1252); Nawrath /Rosauer, ZG 1998, 252 (252 f.). 268 Selbst die Effizienz des Bundesrechnungshofes leidet unter seiner Behördenstruktur, weshalb sich der BRH private Berater ins Haus holte (nach ZDF-Reportage v. Koch und Wech, ausgestrahlt am 9. 10. 1997). 269

S. etwa Verteidigung des ehemaligen kaufmännischen Leiters des DRK-Blutspendedienstes, Süddeutsche Zeitung vom 12. 11. 1998, S. 44: Der BSD hatte ohne Ausschreibungen überteuerte Blutbeutel eingekauft sowie das Blut nach einem unverhältnismäßig teuren Verfahren testen lassen. Der kaufmännische Leiter verteidigte sich mit einem Gutachten, nach dem bei gemeinnützigen Organsationen nicht der gleiche Wirtschaftlichkeitsmaßstab angelegt werden dürfte. 2 ™ So auch Oppi, Soziale Arbeit 1992, S. 156. 13 Rogge

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wicklung des sozialen Sektors 271 sowie schließlich die öffentliche Kritik haben die freie Wohlfahrtspflege aufgerüttelt. Das „Ende der Gemütlichkeit" 272 brachte der Branche einen Modernisierungsschub. 273 Allerorten werden Schulungen und Tagungen für Führungskräfte durchgeführt. 274 Damit gehören die beschriebenen Wirtschaftlichkeitsdefizite aber nicht der Vergangenheit an. Große „Tanker" wie die Caritas oder das Roten Kreuz wandeln sich nur allmählich, zumal die Verbände dezentral organisiert sind und nicht wie Unternehmen „von oben" reformiert werden können 275 .

b) Rechnungshöfe als Wirtschaftlichkeitsprüfer

der freien Wohlfahrtspflege

Rechnungshöfe sind nicht die „Zwangsunternehmensberater" der freien Wohlfahrtspflege. Die freie Wohlfahrtspflege muß sich nicht als solche vor den Rechnungshöfen rechtfertigen, sondern nur, soweit sie öffentliche Mittel erhält. Rechnungshöfe können bei gelegentlichen Prüfungen auch keine umfassende Wirtschaftlichkeitsprüfungen anstellen. Einerseits, weil ihre Kapazitäten begrenzt sind, andererseits, weil ihre Kompetenz begrenzt ist: Zwar gehen die Rechnungshöfe zunehmend dazu über, neben Verwaltungsfachleuten Betriebswirte einzustellen.276 Diese sind dann aber zumeist nicht in den Zuwendungsabteilungen, sondern in den Abteilungen für die Reform der eigenen Verwaltung tätig. Bevor normative Grenzen gezogen werden, ist daher zunächst zu konstatieren, daß allein ihre Kapazität den Rechnungshöfen Grenzen setzt. So meint Heuer, daß Leisner in seiner Untersuchung über Zulässigkeit und Grenzen der Kontrolle freier Wohlfahrtspflege 277 271 Die zukünftige Entwicklung der freien Wohlfahrtspflege wurde bereits oben im Hinblick auf die kirchlichen Einrichtungen beschrieben, s. S. 120 ff. 272 Backhaus-Maul, NDV 1996, S. 280 (281). 273

S. durchweg die Beiträge in den Sammelbänden von Rauschenbach/Sachße/Olk (Hg.), Von der Wertgemeinschaft zum Dienstleistungsunternehmen und von Evers/Olk (Hg.), Wohlfahrtspluralismus. 274 S. die neueren Jahrgänge der Zeitschrift NDV. 275 Vgl. das Interview in dem Magazin „Focus" Nr. 35/1999 mit DRK-Präsident Knut Ipsen, S. 52 (56): „Wir müssen diese Krise für eine notwendige Zentralisierung der Verbandsaufsicht nutzen. Den Fehlentwicklungen können wir nicht länger tatenlos zusehen und uns von den betroffenen Verbänden mit dem Hinweis auf die föderative Struktur des DRK abspeisen lassen. Das Rote Kreuz besteht aus einem Bundesverband, 19 Landes-, 539 Kreisund über 6000 Ortsverbänden sowie deren Schwesternschaften. Sie alle wirken nach gutem deutschen Vereinsrecht mit einem hohen Grad an Selbständigkeit. Die Satzungen lassen den Eingriff der Zentrale bei Rechtsverletzungen zu. Ich habe damit begonnen, dies durchzusetzen." Diese Eingriffsrechte des Bundesverbandes werden allerdings wohl nur bei Rechtsverletzungen bestehen, nicht bei Ineffizienz. 276 S. zum Personal der Rechnungshöfe Rundet, in: H. H. v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 151 ff. 277 Staatliche Rechnungsprüfung Privater unter besonderer Berücksichtigung der freien Wohlfahrtspflege.

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die Kapazitäten der Rechnungshöfe erheblich überschätzt. 278 Deshalb hat sich die Finanzkontrolle von Zuwendungsempfängern der freien Wohlfahrtspflege bislang überwiegend auf die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit beschränkt. 279 Die Finanzkontrolle „im Wandel" 280 soll sich indes nicht mehr mit dem „Erbsen zählen" begnügen 281 , wenngleich es im Zuwendungsbereich schon viel zutage fördern kann. Es wurde bereits ausführlich dargelegt, wie schwierig Wirtschaftlichkeitsfeststellungen sein können. 282 Das gilt um so mehr, als die verfolgten Zwecke oft nur vage und unvollständig sind 2 8 3 und sich der Nutzen sozialer Maßnahmen nur schwer bewerten läßt 284 . Gleichzeitig darf nicht jedes theoretische Problem des Wirtschaftlichkeitsprinzips in ein praktisches Problem der Finanzkontrolle umgedeutet werden. 285 Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz läßt sich als Optimierungsgebot verstehen. Die Rolle des Rechnungshofes besteht einerseits darin, auf die Einhaltung wirtschaftlichkeitsoptimierender Verfahren zu drängen. 286 Andererseits ist er bei Prüfungen nicht gehindert, autonomiegestützte Entscheidungen zu hinterfragen. Ohne Sanktionsgewalt ist er insoweit nur Teilnehmer in dem wirtschaftlichkeitsfördernden Verfahren der Finanzkontrolle. Damit mutiert er nicht zur Fachaufsicht, sondern zwingt zur Rechtfertigung aus spezifischer Sicht der Ausgabenkontrolle. Die Wirtschaftlichkeitskontrolle löst sich so vom herkömmlichen Kontrollbegriff. 287 Sie subsumiert nicht Sachverhalte unter ein feststehendes Wirtschaftlichkeitssoll und braucht sich nicht darauf zu beschränken, ob Entscheidungen vertretbar sind. Das weite Prüfungsrecht des Rechnungshofes wird kompensiert dadurch, daß er im abschließenden Wirtschaftlichkeitsurteil vorsichtiger sein muß, es nicht wie zuwendungsrechtswidriges Verhalten brandmarkt. Kontrollen von Zuwendungsempfängern unterscheiden sich von Verwaltungskontrollen - neben den zu beachtenden Grundrechten - vor allem darin, daß diese nur teilweise und (zumindest der Idee nach) nicht dauerhaft staatlich finanziert werden. Prüfungen der Organisation selbst lassen sich daher nur rechtfertigen und sind nur sinnvoll, soweit das gesamte Tätigkeitsspektrum gefördert wird und die Förderung auf Dauer angelegt ist. Mithin gehen die Prüfungsrechte bei institutionell geförderten Einrichtungen weiter als bei Projektförderungen. 288 Indes wird auch bei verkappten Projektförderungen das gesamte Tätigkeitsspektrum dauerhaft 278 Heuer, FinArch NF 49 (1991/92), S. 248 (249). 279 S. Meyer, Sozialer Fortschritt 1997, S. 158 (163). 280 So der Titel des Sammelbandes von v. Arnim. 281 282 283 284 285 286 287 288 13'

S. Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (259). S. 66 ff. sowie die Zusammenfassung auf S. 70 f. S. 67 f. S. 70 f. S. 71 f. S. 73 f. S. 74 ff. S. Krämer ! Schmidt (1995), Zuwendungsrecht, Η I V S. 1 ff. und S. 31 ff.

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gefördert. 289 Sie unterscheiden sich nur dadurch von tatsächlichen institutionellen Förderungen, daß der Förderanteil am Gesamtumsatz in der Regel geringer ist. Dies vorausgeschickt, lassen sich folgende Grundsätze aufstellen:

(1) Sparsamkeitsprüfungen Die sparsame Verwendung der Zuwendung ist stets zu prüfen, also sowohl bei dauerhaft Geförderten wie bei Projektträgern. Sie wirft weniger Probleme auf. Prüft der Rechnungshof etwa die sächlichen Verwaltungsausgaben, dann kann er kontrollieren, ob die für den Zuwendungszweck beschafften Gegenstände oder Fahrzeuge 290 günstig eingekauft wurden und sich bei Zweifeln darüber informieren, ob die Anschaffung überhaupt notwendig war. Das ist nicht nur zulässig, weil Ende Dezember gerne Computer angeschafft werden 291 , sondern weil allgemein Anschaffungen nicht notwendig bedarfsorientiert sind. Die Finanzkontrolleure können ζ. B. prüfen, ob der Wagenpark eines Behindertentransportes notwendig ist, ob für die Ausländerberatung ein eigener Raum angemietet werden mußte oder ob das Frauenhaus eine Sauna braucht. Freiräume ungeprüfter Autonomie kann es hier nicht geben. Denn die Autonomie dient nur zu oft als Schutzbehauptung. Rechtfertigt ein besonderes sozialpädagogisches Konzept außergewöhnlich hohe Aufwendungen, dann kann sich der Rechnungshof davon überzeugen lassen. Wichtig ist, daß überhaupt eine konsistente Begründung abgegeben werden kann und daß es sich um zulässige, autonomiegestützte Nebenzwecke handelt. Wird ein unverhältnismäßig hoher Personaleinsatz mit der Verantwortung für die Mitarbeiter begründet, dann brauchen das Vergabestellen und Rechnungshöfe nicht hinzunehmen. Rechtfertigung zwingt zur Rationalisierung, ohne daß Kompetenzen bzw. autonomiegeschützte Bereiche verletzt würden. In diesem Zusammenhang ist ein (bislang wenig beachtetes292) Urteil des Bundessozialgerichtes interessant: Eine bundesunmittelbare Krankenkasse wandte sich dagegen, daß sie von ihrer Aufsichtsbehörde dazu verpflichtet wurde, dem Bundesrechnungshof Auskünfte über Sachverhalte zu geben, über welche die Krankenkasse in eigenem Ermessen entscheidet. Das Gericht hielt die Anordnung für zulässig: Rechnungshof und Rechtsaufsichtsbehörde wirkten zwar in den Ermessensbereich hinein, sie „regierten" aber nicht hinein. Sie verlangten allein, daß sich die Kasse überhaupt äußert, nicht dagegen, daß sie der Kritik des Rechnungshofes nachkomme.293 Das Gericht stellte damit klar, daß die Wirtschaftlichkeitskontrolle keine Aufsicht ist und deshalb Autonomie nicht vor Rechtfertigung des Finanzgebarens schützt. 289 s.o.S. 154 f. 290 Krämer/Schmidt

(1995), Zuwendungsrecht, HIV, S. 13 f., 16f.

291 S. ζ. B. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 1997, Tz. 43.2 (Deutscher Verein): Am 30. 12. DV-Geräte im Wert von 30 TDM in Rechnung gestellt und gebucht. 292 s. Diskussionsbeitrag v. Heuer in: v. Arnim (Hg.), Finanzkontrolle im Wandel, S. 290. 293 BSGE 52, 294 (299) = SGb. 1982,449 (451) mit Anm. Sieveking.

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Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitspriifung kann kontrolliert werden, ob Honorare 2 9 4 oder Raummieten für Seminare angemessen waren. Reisekosten können ebenfalls auf Notwendigkeit und Höhe kontrolliert werden. Nicht nur Australienreisen sind rechtfertigungsbedürftig 295, sondern auch zwanzig Bahnfahrten nach Köln 2 9 6 . Nicht einzusehen ist, warum der Rechnungshof nur den sparsamen Mitteleinsatz kontrollieren können soll 2 9 7 . Stellt der Rechnungshof fest, daß eine Aufgabe effektiver ausgeführt werden kann, dann macht es keinen Unterschied, ob nach dem Minimalprinzip 10 TDM eingespart oder nach dem Maximalprinzip ein größerer Nutzen mit gleicher Summe erreicht werden könnte 298 . Damit wird nicht in die eigenständige Zwecksetzung der Träger eingegriffen, wie Geis und Leisner glauben.

(2) Erfolgskontrollen Uber die Sparsamkeitskontrolle hinaus gehen Erfolgskontrollen. Mit ihnen soll die Wirksamkeit eines Programmes kontrolliert werden. Bei ihnen werden nachträglich entweder die geplante mit der tatsächlichen Zielerreichung (Soll-Ist-Vergleich) oder die Lagen vor und nach Durchführung eines Programmes (Ist-Ist-Vergleich) oder die tatsächlich erreichte Lage mit dem Zustand, der sich ohne Durchführung des Programms ergeben hätte (Ist-status-quo-Vergleich) verglichen. 299 Erfolgskontrollen werden zunehmend wichtiger, da hier größere Einsparpotentiale als bei der bloßen Sparsamkeitskontrolle zu vermuten sind. Gerade im Wohlfahrtsbereich herrscht oft keine klare Vorstellung davon, welchen konkreten Nutzen eine Maßnahme erbringen soll und ob dieser Nutzen erreicht wurde. So besteht zumindest die Gefahr, daß sich soziale Organisationen „ins Blaue hinein" echten oder vermeintlichen sozialen Notständen widmen. Das kann aus gutem Willen geschehen oder um den Bestand einer Einrichtung bzw. eines Verbandes zu sichern. 300 Der Zuwendungsgeber kann ohne Informationen über die Wirksamkeit eines Förderprogrammes nicht feststellen, ob er ein Interesse an dem Programm hat und ob der Zweck nicht mit weniger Mitteln erreicht werden könnte. Dies führt dazu, daß sich die Förderung durch Zuwendungen nicht am Output, sondern an den entstandenen Kosten orientiert. 301 294 Krämer/Schmidt (1995), Zuwendungsrecht, HIV, S. 11. 295 S. O. S. 77. 296 Vgl. Krämer ! Schmidt (1995), Zuwendungsrecht, HIV, S. 11., wonach es vor allem auf die Gesamtschau der Reisepraxis ankommt. 297 So Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 92; ebenso Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, S. 261 f. 298 im Ergebnis ebenso Degenhart, VVDStRL 55 (1996), S. 191 (209). 299 Dieckmann, in: Engelhardt / Schulze / Thieme (Hg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel, S. 43 (43). 300 S. o. S. 192. 301 Mehls, NDV 1996, S. 127 (127 f.); Tschoepe, in: BBJ Consult (Hg.), Sozialstaatsgebot und gemeinnützige Träger, S. 23 (23 f.).

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Solche Erfolgskontrollen sind allerdings komplex und werden daher die Kapazitäten der Rechnungshöfe zumeist übersteigen. Sie sind deshalb komplex, weil die Zwecke oft Undefiniert sind und der Erfolg nicht mit geeigneten Parametern festgestellt werden kann. Wie soll die Wirtschaftlichkeit des „Aufgreifens sozialer Notstände" 302 oder der „Förderung des Ehrenamtes" eines Bundesverbandes bis zur „externen Drogenberatung" 303 auf kommunaler Ebene kontrolliert werden? Das Problem besteht nicht allein darin, daß der Nutzen nicht wie in der Privatwirtschaft geldlich ausgedrückt werden kann. Hinzu kommt - und diese Schwierigkeiten zeigen sich gleichermaßen im Haushaltsrecht wie in den trägereigenen Bemühungen um ein betriebswirtschaftliches Sozialmanagement - daß soziale Dienstleistungen wie Beratung und Pflege personenbezogen sind, die Wirkungen also nur individuell für jeden Konsumenten festgestellt werden können und sich damit einer modellhaften Generalisierung entziehen.304 Würde diese Kundenseite mißachtet, dann würde eine Leistung, wie etwa Schuldenberatung, Arbeit mit Drogenabhängigen oder Altenhilfe zum Selbstzweck, der die Wirkungen des Handels außer Betracht läßt. Deshalb sind Erfolgskontrollen sozialer Dienste durch Rechnungshöfe indes nicht ausgeschlossen: Zunächst ist festzuhalten, daß nicht alle sozialen Dienstleistungen gleichermaßen komplex sind. Behindertenfahrdienste, Essen auf Rädern oder Blutspendedienste sind nicht auf individuelle Wirkungen ausgerichtet und können daher weitgehend standardisiert werden. In Einzelfällen können Rechnungshöfe selbst feststellen, daß Maßnahmen wie etwa die Förderung des Ehrenamtes 305 oder die För-

302 So ein Förderungszweck der Richtlinien des BMFSFJ über die Gewährung von Zuwendungen an die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege für die Durchführung zentraler und internationaler Aufgaben einschließlich bundeszentraler Fortbildung (FR-WV) v. 1. 8. 1997. 303 Hamburger Rechnungshof, Jahresbericht 1996, Tz. 170. 304 Nach Brülle ! Reis I Reis, NDV 96, S. 190 f. und Ortmann, NDV 96, S. 63 f. lassen sich die Probleme der Produktdefinition wie folgt zusammenfassen: • Produktion und Konsum fallen zusammen; • das „Output" ist bei sozialer Arbeit kundenabhängig und auch abhängig von der persönlichen Beziehung zwischen Kunde und Sozialarbeiter; personenbezogene Dienstleistungen sind heterogene Produkte, die in ihrer Qualität schlecht vergleich- und kalkulierbar sind und von „gelingender Interaktion" abhängen; • soziale Dienstleistungsarbeit, die sich mit der Selbstveränderung von Personen beschäftigt, kann erst zusammen mit dem Kunden eine Verständigung und Konsens über Methoden und Ziele der Arbeit erreichen, vorab ist dies nicht abstrakt planbar; • ebenfalls muß bei der Selbsthilfe auch eine Effektivitätssteigerung auf Kundenseite angestrebt werden. Hier besteht ein strukturelles Technologiedefizit, da nicht bestimmte Wirkungen beim Dienstleistungsempfänger steuerbar sind; soweit es sich nicht allein um einzelne oder Gruppen handelt, muß auch der komplexe Selbststeuerungsmechanismus des Systems beachtet werden. Geplante Wirkungen sind hier noch schwieriger zu steuern. 305 Der Berliner Landesrechnungshof stellte fest, daß die Anzahl ehrenamtlicher Helfer nicht statistisch relevant gestiegen war, obwohl der Senat diesbezügliche Maßnahmen der

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derung der freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen 306 kaum Erfolg gebracht haben. Dann ist der Rechnungshof als Ausgabenkontrolleur befugt, selbst eine Kosten-Nutzen-Abschätzung vorzunehmen und das gesamte Förderprogramm in Frage zu stellen. Denn es gehört zu seinem Auftrag zu kontrollieren, ob die Zuwendung im Interesse des Landes bzw. des Bundes liegt oder ob sie nicht auch ohne Zuwendungen erfüllt werden könnte. Ebenso kann der Rechnungshof zu dem Schluß kommen, daß ein Förderprogramm zwar nicht erfolglos ist, aber umgestellt werden sollte. So regte der Landesrechnungshof Baden-Württemberg an, daß die Hubschrauber der Luftrettung nicht mehr durch Zuwendungen finanziert werden sollten, sondern die Beschaffungskosten in die Entgelte mit eingerechnet werden sollten. 307 Bei komplexeren Leistungen wie Jugend- oder Sozialhilfe können Rechnungshöfe zwar nicht die Wirkungen der Programme qualitativ erfassen. Es läßt sich aber vorgelagert zumindest feststellen, inwieweit Dienstleistungen bereitgestellt und tatsächlich genutzt wurden. Denn als Output kann man zwischen verschiedenen Ebenen unterscheiden: Die erste Ebene ist das Leistungsangebot, die zweite Ebene die individuelle Nutzung bereitgestellter Leistungen, die letzte ist schließlich die Wirkung der Leistung auf den Nutzer. 308 Es ist bereits viel damit gewonnen, wenn es verläßliche Angaben über die Inanspruchnahme sozialer Dienste gibt, also die zweite Outputebene zum Maßstab genommen wird: Wieviele Aussiedler oder Drogenabhängige haben sich beraten lassen, wieviele Kinder besuchten den Abenteuerspielplatz, wieviele Behinderte wurden in den Werkstätten betreut, wieviele Obdachlose haben die Unterkünfte genutzt. Hier können Soll und Ist verglichen werden bzw. es kann angemahnt werden, daß überhaupt Bedarfsermittlungen und Kontrollen angestellt werden, ohne daß die individuelle Wirkung auf die Nutzer ermittelt werden müßte. In der Regel werden sich Erfolgskontrollen, die die Wirkung mit einbeziehen, jedoch nicht während einer Prüfung durchführen lassen. 309 Rechnungshöfe müssen freien Wohlfahrtspflege über 5 Jahre mit jährlich ca. 1 Mio. DM förderte, s. Bericht 1991 (AbgH-Drs. 12/543), Tz. 217-225. 306 Der Bundesrechnungshof traf ζ. B. zu einem Programm zur Förderung der Rückkehr und Reintegration von ausländischen Flüchtlingen folgendes fest: Der Bund hatte insgesamt 46 Mio. DM an die Maßnahmeträger gezahlt, die etwa 3000 Personen ausbildeten, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Tatsächlich kehrten nur 300 nach Bulgarien und Rumänien zurück. Der Rechnungshof meinte daher, angesichts derart geringer Erfolge in der „Rückführung" von Asylbewerbern sollte nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip das Programm überdacht werden. S. Bemerkungen 1995, BT-Drs. 13/5700, Tz. 6.5.1. 307 Denkschrift 1995, Nr. 14. 308 Nach Brülle!ReisIReis, NDV 1996, S. 185 (188). 309 S. dagegen die sehr aufwendige Untersuchung des Hamburger Rechnungshofes zu Arbeitsförderungs- Ausbildungs- und Qualifizierungsprogrammen inklusive selbst unternommener Erfolgskontrollen (Jahresbericht 1996, Tz. 70 ff.). Diese aufwendigen Untersuchungen rechtfertigte sich aus dem hohen Fördervolumen (270 Mio. DM).

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anerkennen, daß Wohlfahrtseinrichtungen keine nachgeordneten Behörden, sondern private Organisationen mit eigenem Organisationsziel und Wertprofil sind. Rechnungsprüfer sind selbst nicht in der Lage, sozialpädagogische, heilberufliche oder religiös motivierte Zwecke abzuleiten und den Erfolg zu kontrollieren. 310 Deswegen können sie nicht leichthin selbst „Produkte" definieren und daran die Wirksamkeit eines Programmes messen. Entgegen den Befürchtungen der Kritiker 3 1 1 braucht der Rechnungshof seine Zwecke nicht an die Stelle der selbstgewählten Zwecke der Zuwendungsempfänger setzen. Denn für Wirtschaftlichkeitskontrollen ist allein maßgeblich, daß überhaupt konkrete Zwecke herausgearbeitet werden, nicht hingegen, wer die Zwecke setzt. 312 Insofern kann innerhalb der Grenzen des Zuwendungszweckes auch ausreichend Raum für eine spezifisch „kirchliche" Wirtschaftlichkeit 313 sein. Wichtiger ist, daß der Rechnungshof einfordert, daß die Sozialverwaltungen zusammen mit den Zuwendungsempfängern operationalisierbare Ziele entwickeln und die Zielerreichung kontrollieren. Denn hieran mangelt es noch vielfach, nicht nur weil es wie beschrieben aufwendig ist, sondern „weil man sich mit den damit zusammenhängenden, bisweilen notwendigen Auseinandersetzungen nicht stellen w i l l " . 3 1 4 So stellte der sächsische Landesrechnungshof bei der Prüfung der Vergabe von Zuwendungen des Sozialministeriums an die an die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege fest: „Eine Erfolgskontrolle der Förderung findet nicht statt. Zielerreichungs-, Wirkungs- und Wirtschaftlichkeitskontrollen führte das Sozialministerium nicht durch. Das Sozialministerium stellte keine Kriterien für Erfolgskontrollen auf, um feststellen zu können, ob der mit der jeweiligen Zuwendung beabsichtigte Zweck erreicht wurde oder ob das Förderziel nach einer Umstellung der Förderung effektiver und wirtschaftlicher erreicht werden kann." 315 Hierin liegt der wesentlichere Beitrag der Rechnungshöfe. Sie brauchen sich nicht damit abspeisen zu lassen, daß der Erfolg sozialer Arbeit nicht meßbar ist, 310 S. a. o. S. 77 f. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang die Kritik des Hamburger Rechnungshofes an der Organisation der Verwendungsnachweisprüfung (Jahresbericht 1994, Tz. 403): Die Prüfer kritisierten, daß in der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales verschiedene Abteilungen für die Vergabe und die Verwendungsprüfung der Zuwendungen zuständig waren. Nur die Vergabestelle selbst sei in der Lage, die Zweckerreichung zu kontrollieren, da sie mit dem geförderten Zweck vertraut sei. Das gilt dann um so mehr für Rechnungshöfen, die sich nur gelegentlich der Verwendung von Zuwendungen im Sozialbereich widmen.

3Π S.o.S. 190. 3 2 1 Hier wirkt sich die Trennung zwischen Haushaltsrecht und Verwaltungsrecht aus. Während die Zwecksetzung im Verwaltungsrecht durch aufsichtsfreie Räume geschützt werden muß, kann die Finanzkontrolle eindringen. Sie kritisiert nicht, welche Aufgaben, sondern wie wirtschaftlich diese Aufgaben wahrgenommen werden; s. zum ganzen oben S. 48 ff. 313

S. Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen, S. 59; Delbrück, ZevKR 40 (1995), S. 40 f. 3 4 1 Münder, in: BBJ Consult (Hg.), Sozialstaatsgebot und gemeinnützige Träger, S. 20 (23). 315 Jahresbericht 1999, Nr. 25, Tz. 2.3.

Α. Zuwendungskontrolle nach § 91 Abs. 1 BHO

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können ihn jedoch zumeist nicht selbst messen, sondern müssen die hierfür notwendigen Prozesse und Vereinbarungen einfordern. Damit unterstützen sie den Wechsel von der Input- zur Outputsteuerung im Bereich der Sozialzuwendungen, ohne das Output selbst zu bewerten. 316 Das ist für die Geprüften schonender und im allgemeinen sinnvoller, da die Vergabestellen so regelmäßig und nicht nur anläßlich einer Prüfung des Rechnungshofes feststellen können, was mit ihren Geldern eigentlich bewirkt wurde. 317 In Einzelfällen wird sich der Rechnungshof davon überzeugen lassen müssen, daß der Nutzen einer sozialen Dienstleistung nicht mit vertretbarem Aufwand messen läßt.

(3) Organisationsuntersuchungen Werden Verbände und Einrichtungen institutionell gefördert, dann geraten nicht nur einzelne Maßnahmen, sondern die gesamte Organisation in das Blickfeld der Wirtschaftlichkeitspriifung. 318 Hier kann nach Krämer und Schmidt ζ. B. folgendes geprüft werden: Organisation und Personalausstattung319, Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit 320 , Leistungssteigerung durch arbeitsorganisatorische und personalwirtschaftliche Aktivitäten 321 sowie die Erhöhung der Einnahmen. Im Bereich der freien Wohlfahrtspflege sind institutionelle Förderungen die absolute Ausnahme. Es kommt vor allem darauf an, ob die faktische institutionelle Förderung solche Untersuchungen rechtfertigen kann. Darf der Rechnungshof ζ. B. prüfen, ob das Diakonische Werk noch eine theologische Abteilung benötigt 322 , ob nicht eine Menge Fachreferenten eingespart werden können, ob die Mitgliederzeitschrift zu aufwendig ist, überhaupt gelesen wird oder ein Preis verlangt werden sollte, ob der Nutzen die teure Kampagne zur Förderung des Ehrenamtes rechtfertigt? Es liegt auf der Hand, daß Rechnungshöfe damit in die Autonomie des Verbandes eingreifen, zumal die verbandliche Arbeit der konfessionellen Wohlfahrtspflege noch eher wertgebunden ist und daher einen stärkeren Schutz genießt als weitgehend säkularisierte Aufgaben 323 . Allgemein gibt es zwar keine prüfungsfreien Räume, jede Entscheidung der Bewirtschafter öffentlicher Mittel muß sich 316

S. zur Komplexität der Produktdefinition in der Sozialarbeit noch oben, S. 198. 317 S.o. S. 72 f. 3 18 S. ζ. B. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 1997 (BT-Drs. 13/8550), Nr. 6: Arbeitsplatzbeschreibungen bei institutionell geförderten Zuwendungsempfängern des Bundes; Nr. 7: Einsatz von Informationstechnik bei institutionell geförderten Zuwendungsempfängem.

Krämer/Schmidt 520 KrämerISchmidt

(1995), Zuwendungsrecht, Η I V S. 5. (1995), Zuwendungsrecht, H I V S. 15.

321 Krämer ! Schmidt (1995), Zuwendungsrecht, HIV, S. 18 f. 322 Vgl. oben S. 114 mit Fn. 227 zur theologischen Abteilung im Diakonischen Werk. 3 3

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S. o. S. 124.

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zumindest vor der Finanzkontrolle rechtfertigen. Jedoch erscheint es unangemessen, wenn der Rechnungshof sich zu den selbstgesetzten Aufgaben der Verbände äußern würde, die nur zu einem geringeren Teil aus öffentlichen Mittel bezuschußt werden. Rechnungshöfe sollten sich hier zurückhalten. Eine konkrete Grenze ist freilich kaum zu ziehen, bei der Kontrollen unverhältnismäßig würden. Zurückhaltung ist hier weniger ein Verfassungsgebot, sondern ein Gebot der Klugheit, um kontraproduktive Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die Wohlfahrtsverbände sollten ihrerseits Konflikten aus dem Weg gehen, indem sie solche Bereiche möglichst selbst finanzieren. Wichtiger als eine einzelne Aufgabenkritik ist, daß Rechnungshöfe bei faktisch institutionell geförderten Verbänden prüfen, ob diese rationalisierende Verfahren einhalten. 324 Er kann darauf drängen, daß Personalwirtschafts- und Organisationsuntersuchungen 325 durchgeführt und vor allem ein wirksames Planungs- und Controllingsystem implementiert wird 3 2 6 . Er kann anregen, spezielle Organisationsreferenten zu unterhalten oder externen Sachverstand einzuholen.327 Qualitätsmanagement in sozialen Dienstleistungen ist zwar keine explizite Kostensenkungsstrategie, kann jedoch einen effektiveren Mitteleinsatz bewirken. 328 Alles das sind Verfahren, die die Bedingung der Möglichkeit wirtschaftlicher Rationalität sichern sollen, ohne die eigenständige Aufgabenerfüllung zu beeinträchtigen. 329 Die Verbände können also ihre Autonomie wahren, die sie durch eine tatsächliche institutionelle Förderung zu verlieren befürchten. Dem Interesse der öffentlichen Hand an einer wirtschaftlichen Verwendung wird Genüge getan. Solche Untersuchungen sind nicht darauf ausgerichtet, Fehlverhalten zu brandmarken und die Vergabestelle zur Rückforderung oder zuküftigen Kürzung von Ausgaben zu bewegen. Denn wenn diese Drohung stets im Hintergrund steht, werden sich Zuwendungsempfänger Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und -maßnahmen gegenüber nicht allzu offen zeigen. 330 Die Forderung nach Wirtschaftlichkeit darf nicht gleichgesetzt werden mit Mitteleinsparungen oder Ausgabenkürzungen. Zuwendungsempfänger werden nur dann zu einem Dialog mit den Rechnungs324 s. allgemein oben S. 73 f. 325 Vgl. Zavelberg, DÖV 1994, S. 1040 (1042). 326 s. zum unvollkommenen Planungsverhalten von Non-Profit-Unternehmen Weberl Lamprecht, Zeitschrift für Planung 1994, S. 209-225. 327 KrämerI Schmidt (1997), Zuwendungsrecht, H I V S. 5 f. 328 Oppen, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 1999, S. 292 (316). 329 Nach Krämer / Schmidt sollten Leistungssteigerungen durch folgende Maßnahmen geprüft werden: Ausgereifte Planungen, gründliche Arbeitsvorbereitungen, Erlaß von Geschäftsordnungen und Arbeitsanweisungen zur Regelung allgemeiner betrieblicher Angelegenheiten und zur Wahrung häufig wiederkehrender Geschäftsvorfälle, Aus- und Fortbildung, Sicherung einer sorgfältigen Auswahl qualifizierten Personals, möglichst günstige Arbeitsbedingungen, Leistungskontrollen; Zuwendungsrecht (1995), H I V S. 18 f. 330 Vgl. ebenso für den Hochschulbereich Karpen, in: Engelhardt/Schulze/Thieme (Hg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel, S. 86 (102).

Β. Kontrolle gesetzlicher Zuschüsse nach § 104 BHO

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höfen bereit sein, wenn sich Reformen nicht allein zugunsten der Zuwendungsgeber auswirken. Die Verbändewohlfahrt ist ein dauerhafter Partner der öffentlichen Verwaltung, selbst wenn sie nur faktisch institutionell gefördert wird. Moderne Wirtschaftlichkeitsmethoden werden nur dann erfolgreich sein, wenn Rechnungshöfe das anerkennen und nicht jeden Produktivitätsfortschritt für den Staatshaushalt reklamieren.

B. Kontrolle gesetzlicher Zuschüsse nach § 104 BHO I . Voraussetzungen Neben § 91 BHO ist § 104 Abs. 1 Nr. 1 BHO die zweite Ermächtigungsnorm für die Finanzkontrolle karitativer Einrichtungen, die jedoch eine weit geringere Rolle spielt, da soziale Dienste und Verbände weit mehr freiwillige Zuwendungen als gesetzliche Zuschüsse erhalten. Voraussetzung ist, daß der Geprüfte gesetzlich begründete Zuschüsse erhält. Was unter Zuschüssen zu verstehen ist, läßt sich § 104 Abs. 1 Nr. 2 BHO nicht entnehmen. Aus der Funktion der Finanzkontrolle ergibt sich, daß nur zweckbestimmte Mittel Prüfungsrechte begründen können. 331 Denn die Finanzverantwortung für öffentliche Mittel reicht nur so weit wie ihre Zweckbindung. Ist der Empfänger nicht verpflichtet, die Mittel nur für einen bestimmten Zweck zu verwenden wie bei Entgelten oder nicht zweckgebundenen Sozialleistungen, dann muß er den Verbrauch der Mittel nicht vor den Geldgebern verantworten. 332 Anwendungsfälle sind ζ. B. § 63 Schwerbehindertengesetz und § 45a Personenbeförderungsgesetz. 333 Für die freie Wohlfahrtspflege sind vor allem Länderfinanzierungsgesetze für Krankenhäuser und Kindergärten einschlägig. 334 In Niedersachsen haben die Wohlfahrtsverbände gem. § 7 Abs. 2 Lottogesetz seit 1997 335 einen gesetzlichen Anspruch auf 31% der Lottokonzessionsabgaben. Gem. § 9 NLottoG sollen die zu finanzierenden Aufgaben zwischen dem Fachministerium und den Wohlfahrtsverbänden abgesprochen werden. Werden die Mittel zweckwidrig verwendet, können sie gemäß Abs. 3 durch Leistungsbescheid zurückge331 Ebenso Puhl, Budgetflucht, S. 404 f. mit Fn. 654. 332 S.O.S. 57 f., 151 f. 333 s. Heuer (1986), in: ders., KHR, § 104 Anm. 2. 334 Teilweise sind Prüfungsrechte des Rechnungshofes in den Finanzierungsgesetzen mit geregelt, s. ζ. B. § 16 Nds. KitaG. 335 Ursprünglich waren die Konzessionsabgaben nicht als Rechtsanspruch ausgestaltet. Die Ministerien wandten jedoch auch nicht die LHO an, sondern leiteten die Mittel (1991 ca. 29 Mio. DM) unter Mißachtung der §§ 23, 44 direkt an die Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege weiter, s. Nds. Landesrechnungshof, Denkschrift 1993, Nr. 14, LT-Drs. 12/4820.

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fordert werden. Damit sind es zweckgebundene und öffentlich zu verantwortende Mittel. Geprüft werden können juristische Personen des privaten Rechts. Gesetzliche Zuschüsse an öffentliche Körperschaften können deshalb nicht nach § 104 Abs. 1 Nr. 1 BHO geprüft werden. 336 Da auch die Kirchen gem. Art. 137 Abs. 5 WRV Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, meint Brenner, daß die konfessionellen Wohlfahrtswerke von der Prüfung nach § 104 LHO ausgenommen seien. 337 Zusätzlich zieht er § 55 Abs. 1 HGrG heran, nach dem die Kirchen nicht der staatlichen Rechnungsprüfung unterliegen. § 55 I Abs. 1 HGrG bestimmt indes nur, daß die Kirchen nicht wie andere gesetzlich finanzierte Körperschaften des öffentlichen Rechts per se der Rechnungsprüfung unterworfen sind 338 . Hieraus läßt sich keine Exemtion aller kirchlichen Einrichtungen von staatlicher Rechnungsprüfung ableiten: § 55 HGrG nimmt die Kirchen nur von der allgemeinen Prüfungspflicht öffentlicher Körperschaften aus, regelt jedoch nicht, daß sie von der Kontrolle öffentlicher Zuschüsse ausgenommen wären. Die Ergänzung in § 55 HGrG ist notwendig, weil die Körperschaften als staatliche Trabanten nicht unter den Generalauftrag der Rechnungsprüfung nach Art. 114 Abs. 2 GG fallen. Denn dieser bezieht sich ja nur auf die unmittelbare Bundesverwaltung. § 55 HGrG erstreckt das Prüfungsrecht nun auch auf diese Verwaltungsorganisationen. 339 Die Kirchen sind aber keine staatlichen Trabanten. Sie werden nicht nach § 55 HGrG geprüft, weil sie nicht mit anderen öffentlichen Körperschaften verglichen werden können. Sie werden deshalb ausgenommen, weil ihr Status als Körperschaften des öffentlichen Rechts eine eigenartige Ausnahme darstellt, nicht weil sie schutzbedürftiger sind als andere. Im übrigen werden die Prüfungsrechte der Rechnungshöfe bereits durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht begrenzt, welches auch die nicht der verfaßten Kirche zugehörigen karitativen Werke schützt 340 . Darüber hinaus besteht kein Bedürfnis, aus § 55 HGrG ein allgemeines Verbot der Prüfung kirchlicher Einrichtungen zu konstruieren.

336 Deshalb sind ζ. B. in Niedersachsen spezialgesetzliche Prüfungsrechte des Landesrechnungshofes in § 130 Abs. 12 NSchG, § 131 VIIINHG, § 14 EBG geregelt worden. 337 NVwZ 1995, S. 454. 338 Deshalb dürfen die Staatsleistungen nicht kontrolliert werden, die die Kirchen nach wie vor als Ausgleich für die Säkularisierung des Kirchenguts in der Reformationszeit von den Ländern erhalten, s. hierzu Ehlers, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 138 WRV Rdn. 2 f. 339 F. Kirchhof, Deutsche Rentenversicherung 1992, S. 369 (384). 540 S.O.S. 98 f.

Β. Kontrolle gesetzlicher Zuschüsse nach § 104 BHO

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I I . Prüfungsgegenstände Werden Empfänger gesetzlicher Zuschüsse kontrolliert, dann sind sie im Gegensatz zu der herrschenden Interpretation des § 91 BHO selbst Prüfungsadressaten. Nach der hier vertretenen Ansicht richtet sich die Zuwendungskontrolle dagegen ebenso an die Vergabestelle wie an den Zuwendungsempfänger selbst, so daß sich die Prüfungsbefugnisse insoweit nicht unterscheiden. 341 Daß nur bei den Zuwendungsempfänger geprüft wird, bedeutet allein, daß ihre Haushalts- und Wirtschaftsführung nicht als solche der staatlichen Finanzkontrolle unterliegt, sondern nur insoweit sie zuwendungsbezogen ist. 3 4 2 Eine solche Einschränkung ist dem Wortlaut des § 104 Abs. 1 Nr. 1 BHO nicht zu entnehmen. Gegenstand der Prüfung ist die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Zuschußempfänger. Sind die Rechnungshöfe damit befugt, deren gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung zu kontrollieren, obwohl sie nur zu einem Teil bezuschußt werden? Heuer 343 und Lange 344 meinen, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz es verbiete, die Prüfungsermächtigung auf Zuschüsse für Projekte anzuwenden. § 104 Abs. 1 Nr. 1 BHO sei nur dann anwendbar, wenn Zuschüsse für die allgemeinen Aufgaben des Empfängers bewilligt würden. Wie bereits zur Prüfung des § 104 Abs. 1 Nr. 1 LHO Schleswig-Holstein festgestellt wurde, ist die staatliche Finanzkontrolle sowohl von kompetenzrechtlicher wie von grundrechtlicher Seite auf die Prüfung der Mittelverwendung beschränkt. Rechnungshöfe können nur insoweit kontrollieren, als noch ein Bezug zum Haushalt besteht und die Mittel deshalb zweckgerichtet und wirtschaftlich verwendet werden müssen. Den Empfängern gegenüber sind Kontrollen nur soweit zuzumuten, wie sie von den Mitteln profitieren und Verantwortung dafür tragen, daß die staatlichen Mittel effektiv für den im Gesetz bestimmten Zweck eingesetzt werden. Allerdings muß § 104 Abs. 1 Nr. 1 BHO deswegen auf Projektzuschüsse nicht unanwendbar sein, denn die Norm läßt sich verfassungskonform auslegen: Prüfungen sind auf die Teile der Haushalts- und Wirtschaftsführung beschränkt, die durch den Zuschuß mitfinanziert werden. So gelangt man zu den gleichen Ergebnissen wie bei der Zuwendungsprüfung nach § 91 BHO sowie der nach § 104 Abs. 1 Nr. 1 LHO Schleswig-Holstein. Wird mit dem Zuschuß das allgemeine Aufgabenspektrum des Empfängers finanziert, dann gibt es wie bei der institutionellen Zuwendungsförderung keine eigenständige Haushalts- und Wirtschaftsführung 345. Ansonsten darf nur das Projekt selbst kontrolliert werden, wobei Kontrollen der sonstigen 341 S.O.S. 163 ff. 342 s. o. S. 168. 343 Heuer (1986), in: ders., KHR, § 104 BHO Rdn. 2. 344 Lange, in: Festschrift General-Rechen-Kammer, S. 279 (289 f.). 345 S.o.S. 171.

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Haushalts- und Wirtschaftsführung notwendig sein können, wenn sich das Projekt bzw. die Projektkosten nicht sauber von dem eigenständigen Finanzgebaren trennen lassen 346 . Es bietet sich zudem an, die Kontrolle gesetzlicher Zuschüsse und die Zuwendungskontrolle gleich zu handhaben. Sie unterscheiden sich allein darin, daß Haushaltsmittel entweder freiwillig oder aufgrund eines Gesetzes gewährt werden. Das ist zumeist nur eine Frage der Praktikabilität bzw. des Durchsetzungsvermögens der Interessenvertreter. In den meisten Bundesländern werden Lottomittel als Zuwendungen an die freie Wohlfahrtspflege weitergeleitet, in Niedersachsen sind sie mittlerweile als gesetzliche Zuschüsse ausgestaltet. Es kann zweckdienlich sein, von Zuwendungen auf gesetzliche Zuschüsse umzuschalten, damit die freien Träger besser planen können. Soweit die Empfänger die Mittel zweckgerichtet verwenden müssen, bleiben es aber öffentliche Mittel. Daher müssen für die Kontrolle gesetzlicher Zuschüsse keine anderen Grundsätze als für Zuwendungskontrollen entwickelt werden. Im übrigen entspricht diese Gleichsetzung der alten Regelung in § 64a RHO. Ohne zwischen gesetzlichen und freiwilligen Mitteln zu unterscheiden, konnte der Rechnungshof danach Stellen prüfen, die Mittel zur Erfüllung bestimmter Zwecke erhielten. 347 Allerdings kann der Rechnungshof nicht bei solchen Dritten prüfen, an die gesetzliche Zuschüsse weitergeleitet werden. Eine ähnliche Ermächtigung wie in § 91 BHO kennt § 104 BHO nicht. Das kann im Bereich der freien Wohlfahrtspflege von erheblicher Bedeutung sein. Denn hier ist es gerade typisch, daß die Verbände öffentliche Mittel an ihre Untergliederungen und Einrichtungen weiterleiten. Rechnungshöfe sind dann darauf beschränkt, die Verwaltung der Gelder durch den Verband zu kontrollieren. Ob die Mittel bei dem Ortsverein ordnungsgemäß und wirtschaftlich eingesetzt wurden, läßt sich anhand der Unterlagen beim Verband kaum feststellen. 348

I I I . Prüfungsmaßstäbe § 104 Abs. 1 BHO bestimmt nicht, woraufhin die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Zuwendungsempfänger geprüft werden soll. Daher gelten die allgemeinen Prüfungsgrundsätze des § 90 BHO. 3 4 9 Im Ergebnis ist auch hier zu prüfen, ob der Zuschuß ordnungsgemäß und wirtschaftlich verwendet wurde. Sie ähnelt 346 s.o.S. 172 f. 347 s. zum ganzen ebenso Puhl, Budgetflucht, S. 404 ff. 348 Aus diesem Grund wehrte sich der niedersächsische Landesrechnungshof erfolglos dagegen, daß die Lottokonzessionsabgaben als gesetzliche Zuschüsse an die Wohlfahrtsverbände weitergeleitet werden, s. Ausschuß für innere Verwaltung - 131. Sitzung am 3. Juni 1997, WP 13, S. 7. 349 BVerwGE 74, 58 (62) - VW-Stiftung - ; Heuer (1986), in: ders., KHR, § 104 BHO Rdn. 1.

C. Verfahren

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daher der Kontrolle von Zuwendungsempfängern. 350 Ein Rechnungshof muß also im Rahmen der Ordnungsmäßigkeitsprüfung kontrollieren, ob der Zuschuß für den gesetzlichen Zweck verwendet wurde 351 . Anders als bei Zuwendungen ist aber nicht die Einhaltung komplizierter Nebenbestimmungen zu kontrollieren. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitskontrolle können Rechnungshöfe prüfen, ob die Mittel sparsam eingesetzt wurden 352 , und sie können Erfolgskontrollen 353 und Leistungssteigerungen 354 anregen. Ein Unterschied besteht zu den Zuwendungsprüfungen insoweit, als hier nicht gleichzeitig das Verhalten von Vergabestellen geprüft wird. Der Rechnungshof kontrolliert also nicht ausdrücklich, ob der Private Mittel überhaupt oder in dieser Höhe hätte erhalten dürfen oder in Zukunft weiter erhalten sollte. Aus seinen Prüfungen folgen nicht direkt Einsparungen für den Bundeshaushalt, denn die Kontrollierten haben ja einen gesetzlichen Anspruch auf Mittel in bestimmter Höhe. Indem nicht das Damoklesschwert von Mittelkürzungen über den Geprüften steht, werden sie sich Wirtschaftlichkeitsbestrebungen gegenüber offener zeigen. Allerdings sollen Rechnungshöfe gem. § 90 Nr. 4 BHO auch prüfen, ob eine Aufgabe nicht auf andere Weise wirksamer erfüllt werden kann. Nimmt man hinzu, daß der Rechnungshof nach § 1 BRHG nicht nur prüfen, sondern den Gesetzgeber auch beraten soll, dann wird man es für zulässig halten müssen, daß Rechnungshöfe an den Förderprogrammen selbst Kritik üben. Sie können also fordern, daß die gesetzliche Zweckbestimmung präziser gefaßt wird und damit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und Erfolgskontrollen ermöglicht werden. Ihre Prüfungserfahrungen können sie zu der Anregung führen, daß Zuschüsse an bestimmte Bedingungen geknüpft werden oder daß Zuwendungen günstiger als gesetzliche Zuschüsse wären.

C. Verfahren Nachdem die einzelnen Prüfungsbefugnisse der Rechnungshöfe bei privaten Bewirtschaftern öffentlicher Mittel herausgearbeitet wurden, ist abschließend zu untersuchen, wie das Verfahren der Finanzkontrolle zu gestalten ist. Im Zentrum steht die Frage des rechtlichen Gehörs und ob bzw. in welcher Form Private in den Bemerkungen erwähnt werden dürfen.

350 351 352 353

S.o.S. 185ff. S. zur gleichen Prüfung bei Zuwendungsempfängern oben, S. 185 ff. S.o.S. 196f. S.o.S. 197 ff.

354 s . o. S. 2 0 0 f.

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I . Rechtliches Gehör Losgelöst von den Besonderheiten der Prüfung Privater verläuft das Verfahren der Finanzkontrolle im allgemeinen folgendermaßen: Nach § 94 BHO bestimmt der Rechnungshof selbständig355 Zeit und Art der Prüfung. Der zu prüfenden Stelle kündigt er in der Regel die Prüfung an, soweit durch die Ankündigung der Prüfungszweck nicht gefährdet wird. Die geprüfte Stelle hat dem Rechnungshof nach § 95 Abs. 1 BHO die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen und nach Abs. 2 die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Nach Abschluß der Erhebungen teilt der Rechnungshof sein Prüfungsergebnis gem. § 96 BHO den zuständigen Stellen mit und gibt ihnen Gelegenheit zur Äußerung. Entweder erledigt sich damit das Verfahren oder es bleiben Meinungsunterschiede. Dann setzt sich der Rechnungshof weiter mit der geprüften Stelle auseinander. Bedeutende Fälle nimmt der Rechnungshof in seine jährlichen Bemerkungen für den Bundestag und den Bundesrat auf (§ 97 BHO). Die betroffenen Stellen haben also ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Anders sieht es nach der h. M. für Private aus, bei denen der Rechnungshof gem. § 91 BHO prüft. Da sie nicht selbst Prüfungsadressaten seien, müßten sie vor und bei Prüfungen nicht angehört werden. Sie seien keine zuständige Stelle, der nach § 96 das Prüfungsergebnis zugesandt werden müsse. 356 Ein Recht auf rechtliches Gehör ergebe sich nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG, da die Rechnungsprüfung kein Gerichtsverfahren sei. 357 Aus dem Rechtsstaatsprinzip lasse sich ebenso wenig ein Recht auf Gehör ableiten, denn Rechnungshöfe würden nichts entscheiden358, es handele sich um ein rein internes Verfahren 359. Dies sei auch ein Grund, warum die Prüfung kein Verwaltungsakt sei und deshalb nicht etwa aus § 28 VwVfG ein Recht auf Gehör folge. 360 Das Verwaltungsverfahrensgesetz sei auf die Rechnungsprüfung nicht anwendbar. 361 Zudem behindere eine Anhörungspflicht den Rechnungshof in seinem Auftrag, optimal effektiv und zeitnah zu prüfen. 362 Unter Umständen sei es aber zweckmäßig, betroffenen Privaten rechtliches Gehör zu gewähren. 363 355 Die richterliche Unabhängigkeit seiner Mitglieder ist durch Art. 114 Abs. 2 Satz 1 verfassungsrechtlich festgeschrieben. 356 Heuer (1995), in: ders., KHR, § 95 Tz. 4 a; ders., DVB1. 1991, S. 982 (987). 357 Schäfer, in: FS Geiger, S. 623 (628); Robbers, JuS 1988, S. 723 (725). 358 Haverkate, AöR 107 (1982), S. 539 (549ff.); Blasius, Verwaltung und Management 1995, S. 45 (45). 359 Haverkate, AöR 107 (1982), S. 539 (550f.). 360 Tiemann, DÖV 1975, S. 405 (410). 361 Robbers, JuS 1988, S. 723 (725); Belemann, DÖV 1979, S. 684 (685). 362 Belemann, DÖV 1990, S. 58 (62f.); Hockenbrink, DÖV 1991, S. 241 (242f.); Haverkate, AöR 107 (1982), S. 539 (549 ff.). 363 Heuer (1995), in: ders., KHR, § 96 Rz. 3, 4 a; ders., FinArch 49 (1991 /1992), S. 248 (252); Piduch (1996), Bundeshaushaltsrecht, § 96 BHO Rdn. 2.

C. Verfahren

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Die Argumentation der herrschenden Ansicht zum rechtlichen Gehör Privater überzeugt nicht. Sie verkennt neue Fragestellungen für die öffentliche Finanzkontrolle: Mit der zunehmenden Verwaltungsdiversifizierung und der Auslagerung öffentlicher Aufgaben geraten Private immer mehr ins Visier der Finanzkontrolle, ohne daß die Verfahrensordnungen als reine Innenordnungen 364 auf die Berücksichtigung privater Belange ausgerichtet wären 365 (der Bundesrechnungshof hat erst 1997 eine Prüfungsordnung erlassen 366, m. W. haben die meisten Landesrechnungshöfe noch keine eigene entwickelt). Anhörungsrechte sind rechtsstaatlich geboten und dürfen nicht einfach wegkonstruiert werden, um ungehindert prüfen zu können. Es ist schon ohne dogmatische Überlegungen nicht einzusehen, warum ein Zuwendungsempfänger die Kontrolle seiner Geschäftsräume und -unterlagen sowie die nachfolgenden Feststellungen stumm dulden soll, während jede polizeiliche Ausweiskontrolle anhörungspflichtig ist. Privaten muß rechtliches Gehör aus folgenden Gründen gewährt werden: erstens, weil die Prüfungsankündigung und die Erhebung eine belastende Regelung ist, zweitens, weil sie selbst Prüfungsadressaten sind, und drittens, weil ohne ihre Mitwirkung eine sinnvolle Wirtschaftlichkeitskontrolle nicht möglich ist.

1. Rechtliches Gehör vor Erhebungen Rechtliches Gehör muß im Prüfungsverfahren nicht wegen Art. 103 Abs. 1 GG gewährt werden. Dessen sachlicher Geltungsbereich beschränkt sich eindeutig auf Gerichte. Die Norm läßt sich analog weder auf das Verwaltungsverfahren noch auf die Finanzkontrolle anwenden.367 Ein Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich aber bei drohenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 368 und des Bundesverwaltungsgerichts 369 sowie nach nahezu allgemeiner Literaturansicht 370 aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten. Als verfahrensrechtliches Pendant zum materiellen Abwehranspruch muß dem Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Wie bereits oben festgestellt wurde 371 , 364 Hier taucht wieder das Problem auf, daß die Haushaltsordnungen eigentlich nicht nach außen wirken, weshalb der Widerruf von Zuwendungsbescheiden nun nicht mehr in § 44a BHO, sondern in §§ 49, 49a VwVfG geregelt ist, hierzu s. Sachs, NVwZ 1996, S. 1185 (1186) und Heße, NJW 1996, S. 2779 (2780). 365 S. allgemein zu Verfahrensdefiziten der Rechnungsprüfung Wieland, DVB1. 1995, S. 894 ff. 366 Abgedruckt bei Heuer, KHR VIII. 367 Degenhart, in: Sachs (Hg.), Grundgesetz, Art. 103 Rdn. 4, 5. 368 BVerfG, NJW 1980,763. 369 BVerwGE 74, 109(112). 370 Vgl. etwa Knemeyer, HStR VI, § 155, Rdn. 58 ff. m w. N. 371 S.o. S. 82f. 14 Rogge

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greifen Rechnungshöfe in die Grundrechte der Privaten ein, wenn sie bei ihnen Erhebungen durchführen: Nach § 94 BHO bestimmt der Bundesrechnungshof Zeit und Art der Prüfung. § 25 Abs. 1 der Prüfungsordnung des Bundesrechnungshofes (PO-BRH) lautet: „Der Rechnungshof kündigt die Prüfung der zu prüfenden Stelle rechtzeitig schriftlich an (Prüfungsankündigung). Er kann die Prüfungsankündigung darüber hinaus den von Erhebungen betroffenen sowie vorgesetzten Stellen übersenden (§ 91 BHO). Eine Prüfungsankündigung kann unterbleiben, wenn durch sie der Prüfungszweck gefährdet würde." § 25 Abs. 2 PO-BRH bestimmt die Inhalte der Prüfungsankündigung. Danach enthält die Prüfungsankündigung - die Bezeichnung des Prüfungsgegenstandes - den Beginn und die örtliche Dauer der örtlichen Erhebungen bei den betroffenen Stellen - Namen und Dienstbezeichnung des Leiters der Prüfung und der mit den Erhebungen beauftragten Prüfer - die Bitte, die vom Bundesrechnungshof beauftragten zu unterstützen und Arbeits- sowie Sachmittel zur Verfügung zu stellen - Angaben über die bereitzuhaltenden Prüfungsunterlagen und gegebenenfalls die Bitte, diese nach besonderen Vorgaben aufzubereiten - einen Hinweis auf andere Stellen, die über die Prüfung unterrichtet wurden. Handelt es sich bei der Prüfungsanordnung um einen Verwaltungsakt mit der Folge, daß rechtliches Gehör zu gewähren ist und die Ankündigung gerichtlich angefochten werden kann? Die überwiegende Meinung im Schrifttum geht davon aus, daß das Prüfungsverfahren der Rechnungshöfe kein Verwaltungsverfahren ist und der Rechnungshof keine Verwaltungsakte erlassen kann. 372 Begründet wird dies zumeist damit, daß es sich um eine rein innenrechtliche Maßnahme handele und Rechnungshöfe nichts regelten, da sie nichts entscheiden könnten. 373 Die Rechnungshöfe würden zudem sonst nicht mehr autonom das Verfahren bestimmen und damit letztlich nicht mehr optimal effektiv arbeiten. 374 Schließlich könnten sie ihre Verfügungen nicht vollstrecken, weshalb es sich auch nicht um Verwaltungsakte handeln könne. 375 372 StoberIKluth, Zur Rechnungsprüfung von Kammern, S. 82; Belemann, DÖV 1990, S. 58 (62 f.); Hockenbrink, DÖV 1991, S. 241 (242 f.); Haverkate, AöR 107 (1982), S. 539 (549 ff.). 373 Haverkate, AöR 107 (1982), S. 539 (549 ff.); Blasius, Verwaltung und Management 1995, S. 45 (45). 374 Haverkate, AöR 107 (1982), S. 539 (551); ihm folgend Belemann, DÖV 1990, S. 58 (61) und Hockenbrinck, DÖV 1991, S. 241 (242 f.). 375 Hockenbrinck, DÖV 1991, S. 241 (242 f.); das Bundessozialgericht meinte, daß Rechnungshöfe über keine Zwangsmittel verfügten und deshalb auf die Hilfe der Aufsichtsbehörden angewiesen seien, BSGE 52, 294 (296) = SGb. 1982, 449 mit Anm. Sieveking. Mittelbar

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Diese Argumentation differenziert aber nicht ausreichend zwischen der Prüfungsankündigung und der Prüfung und ihren Ergebnissen. Denn mit der Aufforderung zur Duldung und zur Mitwirkung bei der Prüfung wird zweifellos eine Regelung getroffen. 376 Diese Regelung hat auch Außenwirkung: Die Diskussion mit den Privaten über die Verwendung öffentlicher Mittel kann zwar als innenrechtliches Verfahren gedeutet werden, da es sich um Haushaltsrecht i. w. S. handelt 3 7 7 . Bei der Prüfungsankündigung geht es aber nicht darum, ob ein Privater öffentliche Mittel ordnungsgemäß verwaltet hat, sondern vielmehr darum, ob und inwieweit er überhaupt der Finanzkontrolle unterliegt oder welche Unterlagen noch zuwendungsbezogen sind und deshalb offengelegt werden müssen. Sie konkretisiert die Grenzen zwischen der freien Bewirtschaftung privater Mittel und der rechenschaftspflichtigen Bewirtschaftung öffentlicher Mittel und ist damit keine rein haushaltsrechtliche Maßnahme.378 Ebenso entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren über die Prüfungsrechte bei Handwerkskammern: Der Prüfungsanordnung komme Regelungscharakter zu, weil für den Einzelfall verbindlich festgestellt werde, daß die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Kammer der Prüfung durch den Rechnungshof mit den sich hieraus ergebenen Verpflichtungen unterworfen sei. 379 Indem der Rechnungshof seine Prüfung ankündigt, die Prüfungsgegenstände bestimmt und die Privaten dazu anhält, Unterlagen für ihn bereit zu halten, trifft er folglich eine Verfügung, die auf unmittelbare Rechtswirkungen nach außen gerichtet ist. 3 8 0 Gleiches gilt, wenn der Rechnungshof während des Prüfungsverfahrens gem. § 95 BHO Einsicht in neue Unterlagen verlangt, die von der Prüfungsankündigung noch nicht erfaßt wurden. 381 Keine Voraussetzung ist, daß das Verwaltungsverfahrensgesetz anzuwenden wäre. 382 Das Institut des Verwaltungsaktes ist Teil des materiellen Verwaltungssoll dies wohl bedeuten, daß Rechnungshöfe keine Verwaltungsakte setzen könnten. Das folgert zumindest Heuer aus dem Urteil des BSG, s. DÖV 1986, S. 516 (517). 376 Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 152 ff. 377 Siehe dazu die Grafik oben S. 42. 378 s. a. Heuer, DÖV 1986, S. 516 (517): Für Aufgabenbereiche, die dem Bundesrechnungshof nach Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG außerhalb des Rechtssubjektes Bund zugewiesen sind ... mag es sinnvoll erscheinen, die Konkretisierung der normierten Rechte des Rechnungshofes gegenüber Außenstehenden (insbesondere nach §§ 91, 95 BHO /LHO) als Verwaltungsakte aufzufassen. Dies gilt auch für eine Prüfungsankündigung nach § 94 BHO/ LHO, in der sich der Prüfungsanspruch manifestiert sowie zeitlich und artmäßig konkretisiert." 379 BayVGH, BayVBl. 1992, 655 (655) unter Berufung auf Fittschen, Verwaltungsarchiv 1992, S. 165 (172 ff.). Diese Entscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt, ohne daß sich das Gericht allerdings zur Rechtsqualität der Prüfungsanordnung geäußert hätte, BVerwG, NVwZ 1995, 889; s. hierzu die Besprechung von Stackmann, DVB1. 1996, S. 414 (414 f.). 380 Ebenso Fittschen, Verwaltungsarchiv 83 (1992), S. 165 (172 ff.). 381 Nach Heuer, FinArch NF Bd. 49 (1991/92), S. 248 (255) muß der Rechnungshof zumindest auf Wunsch darlegen, zu welchem Zweck er die Auskunft oder die Unterlage verwenden möchte. 14*

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rechts. Der Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln kann nicht davon abhängen, ob das Verwaltungsverfahrensgesetz oder eine andere Verfahrensordnung anzuwenden ist. 3 8 3 Im übrigen sprechen gute Gründe dafür, daß auf die Prüfungsanordnung das Verwaltungsverfahrensgesetz anzuwenden ist. 3 8 4 Nach wohl überwiegender Ansicht ist dies nicht der Fall: Nach der Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 1 VwVfG erklärt sich das Gesetz für unanwendbar, soweit Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Eine solche andere Regelung träfen die Bestimmungen der BHO. 3 8 5 Zudem wirke es sich nachteilig auf die Wirksamkeit der Finanzkontrolle aus. 386 Es ist aber eher davon auszugehen, daß die BHO die Problematik der Prüfung Privater gar nicht berücksichtigt, da sie auf die Prüfung von Verwaltungsstellen ausgerichtet ist. Ist im Einzelfall eine unmittelbare Prüfung notwendig, weil sonst der Prüfungszweck gefährdet würde (s. § 25 Abs. 2 PO-BRH), dann kann die sofortige Vollziehung besonders angeordnet werden. Hierdurch wird die Rechnungsprüfung Privater nicht insgesamt an die Kette des VwVfG gehängt. Nur die Prüfungsankündigung ist ein Verwaltungsakt, die nachfolgende Auseinandersetzung nicht. Die einzelne Kritik oder der einzelne Ratschlag ist keine behördliche Maßnahme, der Bericht keine Verfügung. 387 Der Rechnungshof tritt den privaten Prüfungsunterworfenen in zwei Funktionen gegenüber: Zum einen als Verfahrensherr der Rechnungsprüfung, der dazu Verwaltungsakte erlassen kann, zum anderen als Gegenüber im „Diskurs" der Wirtschaftlichkeitskontrolle. Er ist also Initiator und Teilnehmer des Verfahrens. Das erste ist ein Verwaltungsverfahren i. S. d. VwVfG, das eigentliche Verfahren der Auseinandersetzung ein Verfahren sui generis. Den von einer Prüfungsankündigung betroffenen Privaten ist in jedem Fall rechtliches Gehör zu gewähren.

2. Rechtliches Gehör im Prüfungsverfahren Unrichtig ist die der Verweigerung des rechtlichen Gehörs zugrundeliegende Annahme, daß die privaten Stellen i. S. d. § 91 BHO nicht selbst geprüft würden. Rechnungshöfe beurteilen das Verhalten der Privaten in ihren Prüfungen, selbst wenn die Kritik dann nur gegenüber der Vergabestelle geäußert würde. Dann müssen sie sich aber auch zu den Vorwürfen äußern können. Das ergibt sich zunächst 382 So aber wohl VG Düsseldorf nach der Zusammenfassung von Weber, JuS 1981, S. 455 (456), in den Entscheidungsabdruck in NJW 1981, 1396 nicht aufgenommen. 383 Fittschen, Verwaltungsarchiv 83 (1992), S. 165 (172) unter Verweis auf Ule und Laubinger; Kopp, JuS 1981, S. 419 (426). 384 Dafür Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 155 ff., der allerdings nicht zwischen der Prüfungsanordnung und dem weiteren Verfahren unterscheidet. 38 5 Robbers, JuS 1988, S. 723 (725); Kopp, JuS 1981, S. 419 (426). 38 6 Hockenbrinck, DÖV 1991, S. 241 (242). 387

S. zum ganzen ebenso Fittschen, Verwaltungsarchiv 83 (1992), S. 165 (196 ff.).

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aus dem Rechtsstaatsprinzip. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof stellte fest, daß unabhängig von den Regelungen der Haushaltsordnungen aus dem Rechtsstaatsprinzip ein Recht auf rechtliches Gehör für von den Rechnungshöfen kritisierte Private folge. 388 Während es dort aber um Dritte ging, werden Stellen i. S. d. § 91 BHO selbst geprüft. 389 Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. 390 Sie müssen sich selbst vor der Finanzkontrolle für ihre Bewirtschaftung öffentlicher Mittel rechtfertigen. Andererseits können sie sich selbst vor der Finanzkontrolle erklären und rechtfertigen. Rechnungshöfe müssen aber nicht nur mit den Geprüften sprechen, weil diese ein Recht darauf haben. Hierdurch wird die Finanzkontrolle auch nicht bloß behindert. Moderne Finanzkontrolle ist ohne die Unterstützung der Kontrollierten gar nicht denkbar. Ein einseitiges, „inquisitorisches" Vorgehen mag bei der Prüfung zuwendungsrechtlicher Verstöße funktionieren. Die Wirtschaftlichkeit des Mitteleinsatzes kann der Rechnungshof dagegen sinnvoll nur gemeinsam mit den Kontrollierten prüfen. Der Rechnungshof muß zunächst erst einmal feststellen, welche Aufgaben ein Zuwendungsempfänger oder ein Empfänger gesetzlicher Zuschüsse wie wahrnimmt. Hierzu ist er auf die Auskünfte des Privaten angewiesen, Unterlagen werden in der Regel hierzu kaum ausreichen. Er muß sich erklären lassen, warum der Bewirtschafter bestimmte Ausgaben für gerechtfertigt hält. Die Prüfer können in der Regel nicht selbst beurteilen, welche Maßnahme welche Methoden, Sach- und Personalmittel erfordert. 391 Sonst würde der Rechnungshof offen unrichtige Urteile fällen, dabei können sie nur mit der Kraft ihrer Argumente etwas bewirken 392 . Der Wirtschaftlichkeitsmaßstab ist wertungsoffen und läßt sich damit nur diskursiv entwickeln. Die Rolle des Rechnungshofes besteht darin, aus unabhängiger Sicht der Ausgabenkontrolle die Bewirtschafter öffentlicher Mittel 388

„Auch das Verfahren der Rechnungshöfe muß rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen, selbst wenn die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Verpflichtungen in den Verfahrensvorschriften, etwa in der Landeshaushaltsordnung nicht konkretisiert sind. Zumindest dann, wenn Dritte, außerhalb staatlicher Institutionen stehende Personen in nicht nur für den internen Dienstgebrauch des Rechnungshofes bestimmten Äußerungen kritisiert werden, ist es nach dem Rechtsstaatsprinzip, aber auch zum Schutz der Grundrechte der Betroffenen (ζ. B. Art. 2 I, 5 I und III, 12 I und 14 I GG) geboten, die getroffenen Feststellungen verfahrensrechtlich durch eine Anhörung des Betroffenen zu sichern. Wo die Verletzung von Grundrechten in Betracht kommt, ist ihr Schutz weitgehend auch durch die Gestaltung von Verfahren zu bewirken." VGH Kassel, NVwZ-RR 1994, 511, 513 f. Rechtsprechung fortgeführt in der Entscheidung NVwZ-RR 1994, 515, 519. 389 Ebenso unterscheidet die PO-B RH zwischen Rechten betroffener Dritter, denen nach § 9 Abs. 3 rechtliches Gehör zu gewähren ist, und von Erhebungen betroffenen, mit denen nach § 26 ein Einführungsgespräch zu führen ist und die gem. § 34 eine Prüfungsmitteilung erhalten können, soweit dies zweckmäßig ist. 3 90 S. 163 f., 165 ff. 39 1 S. dazu, daß Rechnungshöfe oft die Materie oder bestimmte Fragen mißversteht Reinen, in. Engelhardt/Schulze/Thieme (Hg.), Stellung und Funktion der Rechnungshöfe im Wandel \ S. 124 (124 ff.). 3 92 S. zum ganzen oben S. 77 f.

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zur Rechtfertigung zu zwingen. In einem stufenweisen Verfahren von Prüfungsgesprächen über die Prüfungsmitteilungen und die Erwiderung des Geprüften und eventuell bis zur Bemerkung und der weiteren Diskussion können sich Sachkompetenz und Ausgabenkontrolle auseinandersetzen. Diese - oben ausführlich dargestellte 393 - Abkehr vom herkömmlichen Kontrollverständnis bei der Wirtschaftlichkeitspriifung ist ohne Beteiligung des Kontrollierten undenkbar. Privaten Zuwendungsempfängern sind also ebenso wie Empfängern gesetzlicher Zuschüsse die Prüfungen anzukündigen, während der Prüfung sollten alle relevanten Punkte mit ihnen abgeklärt werden 394 und ihnen sollte stets, nicht nur wenn es zweckmäßig erscheint 395 , gem. § 96 BHO nach der Prüfung eine Prüfungsmitteilung zugehen mit der Aufforderung, sich zu den Beanstandungen zu äußern.

I I . Mitteilungsempfanger Gem. § 96 Abs. 1 BHO teilt der Rechnungshof das Prüfungsergebnis den zuständigen Stellen „zur Äußerung" mit. Nach der hier vertretenen Auslegung des § 91 Abs. 2 BHO wird der Zuwendungsempfänger selbst geprüft. Daher ist zunächst er die zuständige Dienststelle. Da die Vergabestelle die Zuwendungsbewirtschaftung kontrollieren muß und eventuell Konsequenzen aus den Feststellungen des Rechnungshofes zu ziehen hat, ist auch sie regelmäßig eine zuständige Stelle i. S. d. § 96 BHO. § 34 Abs. 1 PO-BRH bestimmt zudem, daß der für den Erlaß von Rechtsvorschriften zuständigen Dienststelle eine Prüfungsmitteilung übersandt werden kann. Hier kommen vor allem die für den Erlaß von Zuwendungsrichtlinien und Förderprogrammen zuständigen Stellen in Betracht. Zusätzlich kann der Rechnungshof das Ergebnis nach § 96 Abs. 1 Satz 2 anderen Dienststellen mitteilen, soweit er dies aus besonderen Gründen für erforderlich hält. Problematisch ist diese Ermächtigung, falls anderen Stellen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Zuwendungsempfängers mitgeteilt werden sollten. Andere Zuwendungsgeber oder Kostenträger sind ζ. B. naturgemäß an den Bilanzen der Zuwendungsempfänger interessiert. 396 Das Bundesverfassungsgericht stellte im Volkszählungsurteil fest, daß der Gesetzgeber den Zweck der Verwendung personenbezogener Daten bereichsspezifisch und präzise bestimmen muß. „Die Verwendung der Daten ist auf den gesetzlich bestimmten Zweck beschränkt." 397 Der Zweck der Datenerhebung beim Zu393 s . 7 2 f., 7 4 ff.

394 Ebenso Heuer, FinArch NF 49 (1991/92), S. 248 (254), obwohl er ansonsten Stellen i. S. d. § 91 nicht generell ein Recht auf Gehör zugestehen will. 395 So § 34 Abs. 2 der PO-BRH. 396 s. allgemein zum Problem des Austausches von Daten über freie Träger zwischen Behörden Moysich, RsDE 14 (1991), S. 25 ff. 397 BVerfG, NJW 1984, 419 (422).

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Wendungsempfänger besteht aber allein darin, die ordnungsgemäße und wirtschaftliche Bewirtschaftung der erhaltenen Zuwendung zu prüfen. Nur zu diesem Zweck kann es erforderlich werden, dessen sonstige - zuwendungsbezogene - Haushaltsund Wirtschaftsführung zu prüfen. 398 Nur insoweit ist die Kontrolle legitimiert. 399 Der Zweck besteht dagegen nicht darin, die öffentlichen Haushalte und Sozialversicherungssysteme zu schützen und dazu Kostenträger und Zuwendungsgeber über die Finanzsituation einzelner zu informieren. Der Zuwendungsempfänger ist nicht verpflichtet, allgemein die öffentlichen Kassen zu entlasten.400 Die Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen an andere interessierte Stellen ist daher unzulässig. Dagegen ist ζ. B. denkbar, daß der Rechnungshof andere Zuwendungsgeber darüber informiert, daß dessen Förderrichtlinien oder Nebenbestimmungen nach den Prüfungserfahrungen nicht mit denen der geprüften Zuwendung kompatibel sind.

I I I . Jahresberichte/Bemerkungen Über finanziell bedeutende oder exemplarische Prüfungsergebnisse berichtet der Rechnungshof in seinen jährlichen Bemerkungen (teilweise auch Jahresbericht oder Denkschrift genannt). Fraglich ist, ob und in welcher Form Private darin erwähnt werden dürfen. Der Jahresbericht gelangt als Parlamentsdrucksache an die Öffentlichkeit. Im Gegensatz zu Prüfberichten, die in der Regel nur durch Indiskretionen öffentlich werden, müssen Private hier ernsthaft um ihren Ruf fürchten. Die Medien picken sich für gewöhnlich besonders plakative und skandalträchtige Prüfungsergebnisse heraus. Werden Verbände der Wohlfahrtspflege kritisiert, dann können sie sich der öffentlichen Aufmerksamkeit sicher sein. 401 Denn die vermeintliche oder tatsächliche Verschwendung öffentlicher Mittel durch gemeinnützige Organisationen empört noch mehr als das gleiche Verhalten einer Behörde oder eines gewerblichen Subventionsempfängers. 402 Der moralische Anspruch der freien Wohlfahrtspflege wird zum Bumerang. Sie erscheint als „scheinheilig" oder als „falscher Samariter" 4 0 3 . Die freie Wohlfahrtspflege müßte also durch die Veröffentlichung in Bemerkungen Ansehensverluste befürchten, die sich direkt auf die Bereitschaft zu Spenden oder ehrenamtlicher Mitarbeit auswirken. 404 398 s.o.S. 170 ff. 399 S.o.S. 166f. 400 S.o.S. 176f. 401 Vgl. die Zusammenfassung Leisners über die Verbreitung der Prüfungsergebnisse in Nordrhein-Westfalen 1987: „Die Medien griffen dies sogleich intensiv auf und sprachen von einem Bewilligungsskandal in Millionenhöhe", Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 16. 402 Schneider, NDV 1996, S. 156 (157). 403 So der Titel eines Sachbuches von Sengbusch über Unregelmäßigkeiten beim Aufbau wohlfahrtspflegerischer Strukturen in Brandenburg.

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Um die Persönlichkeitsrechte der Privaten zu schonen, sollen sie daher nach wohl überwiegender Ansicht in den Bemerkungen anonymisiert werden. 405 Nach § 45 Abs. 4 der PO-BRH sind „Rechte Dritter zu wahren". Dementsprechend anonymisieren Bundes- und Landesrechnungshöfe bislang weit überwiegend die Prüfungsergebnisse von Zuwendungsempfängern. 406 Die Rechnungshöfe beschränken sich dann darauf, allgemein die Verbände der freien Wohlfahrtspflege als Zuwendungsempfänger zu bezeichnen, Einzelfeststellungen aber keinem bestimmten Verband zuzuordnen. Allerdings ist es zumeist kein Problem, aus den anonymisierten Berichten auf den Privaten zu schließen 4 0 7 Diese Zurückhaltung der Rechnungshöfe ist nicht notwendig. Sie beruht auf der Annahme, daß Zuwendungsempfänger als nicht am Prüfungsverfahren beteiligte Dritte zu schützen wären. Geht man dagegen mit der hier vertretenen Ansicht davon aus, daß Zuwendungsempfänger selbst Prüfungsadressaten sind und sich wie andere Bewirtschafter öffentlicher Mittel vor der Finanzkontrolle verantworten müssen 408 , dann brauchen sie nicht anders behandelt zu werden. Die Jahresberichte der Rechnungshöfe stellen ein wichtiges Instrument dar, um dem Anliegen der Steuerzahler Geltung zu verschaffen. Allein die drohende Erwähnung im Jahresbericht verleiht den Rechnungshöfen eine ungemein höhere Beachtung als bloß interne Auseinandersetzungen. 409 Soweit Private der Rechnungsprüfung unterliegen, sollten Sie daher auch in Berichten erwähnt werden können. Nur Betriebsund Geschäftsgeheimnisse dürfen nicht veröffentlicht werden (§ 45 Abs. 4 POBRH). 404 S. Leisners Darstellung der Sicht der betroffenen Verbände: „Darüber hinaus sei ihr Ansehen, das in diesem sozialen Bereich besonders wichtig und hochzuhalten sei, durch diese insgesamt völlig ungerechtfertigten Feststellungen auf das schwerwiegendste in der Öffentlichkeit herabgesetzt worden. Die Folgen, - Mißtrauen, ja Ablehnung bei den zu Beratenden, geringerer Zufluß von Fördermitteln seitens des Staates und nichtstaatlicher Herkunft würden mit Sicherheit nicht ausbleiben, denn wer wolle schon derart zwielichtigen Einrichtungen Mittel zuwenden, wie sie der Bericht des LRH schildere, wer sich beraten und helfen lassen? Die Konsequenzen reichten also mit Sicherheit über die erwähnten Beratungsstellen hinaus,.. .ein solcher Vorfall diskreditiere die gesamte Freie Wohlfahrtspflege", Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 16. 4 05 Schulze-Fielitz, VVDStRL 55, S. 231 (267); Stackmann, DVB1. 1994, S. 388 (389); Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 146 ff. 4