Spuk der Frauenseele: Weibliche Geister im japanischen Film und ihre kulturhistorischen Ursprünge [1. Aufl.] 9783839415252

Lange schwarze Haare, weiße Kleider, schlaff herabhängende Arme - die weiblichen Geister des japanischen Horrorfilms sin

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Spuk der Frauenseele: Weibliche Geister im japanischen Film und ihre kulturhistorischen Ursprünge [1. Aufl.]
 9783839415252

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Elisabeth Scherer Spuk der Frauenseele

Film

Elisabeth Scherer (Dr. phil.) lehrt am Institut für Modernes Japan der

Universität Düsseldorf. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Japani· scher Film, (Populär-)Kulturgeschichte und Volksglaube.

ELISABETH SCHERER

Spuk der Frauenseele Weibliche Geister im japanischen Film und ihre kulturhistorischen Ursprünge

[ transcript]

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:/ jdnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 transcript Verlag, Bielefeld

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Inhalt Danksagung

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Hinweise

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1. Einleitung

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I. Eine kurze Kulturgeschichte des yürei 2. Die yürei und die Weit der japanischen Geister

2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6.

2.7. 2.8. 2.9.

Geisterdiskurse in Japan . . . Yürei - Begriffsbestimmung . . . Die Totenseele in Japan Der onryö-Giaube - böse Geister Wandelnde Geister lebender Menschen (ikiryö) . Yökai/bakemono und yürei . . . . 2.6.1. Yökai -eine bunte Parade von Spukwesen 2.6.2. Unterschiede von yürei und yökai/bakemono . Was treibt die yürei an? Das Aussehen der yürei Zusammenfassung .

3. Exkurs: Weibliche Geister in der chinesischen Literatur

3.1. 3.2.

Kurzer historischer überblick Die wichtigsten Werke

4. Yürei in den japanischen Künsten

4.1. 4.2.

4.3. 4.4.

4.5.

Die Gespensterkultur der Edo-Zeit Yürei in der japanischen Literatur . 4.2.1. Drei Typen von kaidan-Sammlungen 4.2.2. Das Ugetsu monogatari . . . 4.2.3. Izumi Kyökas Rückzug in die Geisterwelt 4.2.4. Yürei aus westlicher Perspektive: Lafcadio Hearn 4.2.5. Yanagita Kunios Geschichtensammlung Töno monogatari Geister-Erzählkunst: Rakugo Das Theater und die yürei . . . . . . 4.4.1. Geister-Offenbarung und -Befriedung im Nö-Drama . 4.4.2. Grausige Effekte in der Sommerhitze: Geister im Kabuki-Theater Yürei in der bildenden Kunst . . . . 4.5.1. Maruyama Ökyos yüreiga: Inbegriff eines weiblichen Geistes 4.5.2. Die Bestiarien des Toriyama Sekien . . . . . . 4.5.3. Die Schauspielerportraits der ukiyo-e-Meister . . . . . . . .

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5. Zwischenfazit: Die Dämonisierung der unterdrückten Frau

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II. Filmanalyse 6. Vorbemerkungen

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7. Geschichte des kaidan-Films 7.1. Die kaidan-Filme der Vorkriegszeit 7.2. Kaidan-Filmenach dem Ende des 2. Weltkriegs .

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8. Die Rache der 0-lwa in Tökaidö yotsuya kaidan 8.1. Handlung 8.2. Der Film und das Kabuki-Stück . . . . 8.3. Nakagawas Bildsprache: Nanbokus Edo en detail 8.4. Motivation des Geistes . . . 8.5. Auftreten des Geistes . . . . . . . . . 8.6. Aussehen der 0-Iwa und dessen Deutung 8.7. Die blutige Rache der 0-Iwa . . . . . . . 8.8. Hinweise für eine psychologische Deutungsebene 8.9. Motivkreis 1: Klassische Rachegeister

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9. Gefährliche Leidenschaft im Ugetsu Monogatari 9.1. Handlung 9.2. Der Film und seine Vorlage . . . . . . 9.3. Rückgriffe auf das Nö-Theater . . . . . 9.4. Die Frauenfiguren Miyagi und Ohama 9.5. Die tote Femme fatale . . . . . . . . . 9.6. Der alte Mann als Agent der Realität 9.7. Inszenierung des Unheimlichen bei Mizoguchi 9.8. Motivkreis 2: Die >>über-sinnliche> Twenty-Year-Oid Youth«, 1946) zu sehen. Der Regisseur, Sasaki Yasushi, baute die Liebesszene auf ausdrücklichen Wunsch von David Conde, der bei der CIE für Film zuständig war, in sein Werk ein. Die alliierten Besatzer, an die für Zärtlichkeiten wesentlich offeneren Hollywood-Produktionen gewöhnt, wollten auf den japanischen Film auch in dieser Hinsicht Einfluss nehmen. (Vgl. Hirano 1992: 154ff.).

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gelegt ist, »Sich unbegrenzt ins Universum fortzusetzen« (2004: 225). Auf diese Weise entsteht das Bild einer überirdischen, alles durchströmenden Liebe, ohne dass sich auch nur die Lippen der beiden Hauptdarsteller berühren. Mizoguchi greift damit die Ästhetik der Edo-Zeit auf, in der Erotik idealerweise an der Alltagsrealität enthobenen Orten, wie im verschwenderischen Luxus des Freudenviertels Yoshiwara, stattfand. Eine allzu direkte Darstellung des Erotischen wurde, wie Ueda (1994: 170) erläutert, damals vermieden. Um ein »künstlerisch erhöhtes sinnliches Empfinden« zu erreichen, vollzog sich auch im Kabuki der Geschlechtsakt in einem Spiel mit der Phantasie des Publikums: >>Vieles wurde durch bestimmte Mittel, beispielsweise in Unordnung geratene Kleidung oder das gemeinsame Verschwinden hinter einem Wandschirm, angedeutet.« (Ueda 1994: 170). Anfangs jedoch war sich Mizoguchi nicht sicher, wie er das ausgelassene Zusammenleben von Geist und Mensch schildern sollte. Seinem Drehbuchautor schrieb er deshalb: »Hast Du nicht ein paar gute Ideen zu der Liebschaft eines lebenden Wesens mit einem Geist? Ich für meinen Teil werde mich informieren. Es scheint mir, dass es da in den klassischen Geisterstücken etwas gibt.« (Yoda 1967: 56)

Das Liebesverhältnis zwischen Genjurö und Wakasa inszeniert Mizoguchi schließlich in einer aufwändigen Sequenz, die durch Bildgestaltung und Kameraführung an japanische Rollbilder (emakimono) erinnert (50:0455:15).16 Als eine Art Bilderserie werden drei Szenerien aus dem Leben des Liebespaares dargestellt: Zuerst sieht man Genjurö und Wakasa im Schlafzimmer des Palastes, dann wird gezeigt, wie das Liebespaar in einer heißen Quelle badet, und schließlich kann der Zuschauer die beiden beim Picknick am See beobachten (vgl. Abb. 9.2). Diese einzelnen Szenerien werden durch die Bewegung der Kamera, die jeweils langsam nach links ins nächste Bild fährt, miteinander verbunden, >>so daß das >>Rollen« des Films unabhängig von den zeitlichen und räumlichen Perspektiven der Darstellung vor sich geht« (Adachi-Rabe 2004: 189). Der Schnitt ist zwischen den Szenen beinahe unsichtbar gesetzt, so dass ein Eindruck der Gleichzeitigkeit der gezeig16 I Mizoguchis Kameramann Miyagawa Kazuo bestätigte 1964 in einem Interview gegenüber den Cahiers du Cinema, dass der Regisseur bei seiner Bildgestaltung dem Vorbild der emakimono nacheiferte: »Als Mizoguchis Begeisterung für die Schärfentiefe verschwand, begann er, Geschichten >Seitwärts< , mit Hilfe von Schwenks und Parallelfahrten zu erzählen. Sie wissen vielleicht, daß es in Japan eine Form des Erzählens gibt, bei der die Geschichten auf eine Rolle gemalt werden, die dann zum Lesen horizontal aufgerollt wird. Mizoguchi suchte nach einem Äquivalent für diese Form: erst in der Drehbuchentwicklung, dann in der Kameraarbeit. « (zitiert nach Kinoshita 2000: 35).

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DIE TOTE fEMME FATALE

Abbildung 9.2.: Das Zusammenleben von Genjurö und Wakasa gestaltet der Regisseur Mizoguchi Kenji in einer aufwändigen Sequenz, die in ihrem Aufbau an japanische Rollbilder (emakimono) erinnert.

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ten Vergnügungen entsteht. Das emakimono-spezifische Verfahren, Bilder nebeneinander zu präsentieren und die Handlung so »aufzurollen«, wird mit diesem formalen Trick für das Medium Film adaptiert, es liegt also ein klarer intermedialer Bezug vor. Die Sequenz schildert so das Zusammenleben von Wakasa und Genjurö nicht als ein »Nacheinander«, sondern fügt aus drei Szenen eine Zustandsbeschreibung zusammen. Auch die Tatsache, dass die Szenerien jeweils mit einer Totalen eingeführt werden, trägt zum Schilderungscharakter der Sequenz bei. Jean-Luc Godard äußerte sich 1958 euphorisch über die »technischen Taschenspielereien« Mizoguchis, unter die er die eben beschriebene Sequenz rechnete: »Nur die Meister des Films verstehen es, von einem Anschluß zu profitieren, um ein Gefühl entstehen zu lassen, in diesem Fall das sehr proustische der Tage der Freuden.« (Zitiert nach Schleif 1993: 178). Die perfekt komponierte totale Einstellung des Picknicks am See weist eine besonders große Nähe zu klassischen Rollbildern und Wandschirmen auf, auf denen Szenen des höfischen Lebens zu sehen sind: Das wie mit feinen Tuschestrichen gezogene Geäst des Baumes zeichnet sich scharf gegen den luftigen Hintergrund ab, daneben ruht das Paar, drapiert auf einer Decke und umgeben von Gerätschaften, die an die karge Bühnenausstattung des Nö erinnern. Wie Mizoguchis Regieassistent Miyajima Hachizö in einem Interview erklärt, habe sich der Regisseur bei der Gestaltung dieser Szene an einem Bild des Künstlers Ogata Körin17 orientiert (vgl. Sasö/ Nishida 2006: 39). Das Picknick am See lässt außerdem die Handschrift des Kameramannes Miyagawa Kazuo erkennen, der selbst insgesamt 14 Jahre bei dem Künstler Harada Köryö traditionelle Tuschmalerei studiert hatte (vgl. Adachi-Rabe 2004: 179). Verstärkt wird der Effekt noch durch die für Mizoguchis Werke charakteristische ausgeprägte Schärfentiefe. Inhaltlich tritt in der Sequenz zu Tage, dass Genjurö inzwischen bereits Zweifel an der Menschlichkeit seiner Geliebten hegt, sich der Gefahr im Angesicht des erlebten Glücks jedoch gerne aussetzt. Dies wird in den Gesprächen zwischen den beiden deutlich: Wakasa: Du misstraust mir. Du denkst, ich sei eine Dämonenfrau. So ist es doch? Aber Du gehörst jetzt mir. Du musst von nun an Deine ganze Lebenskraft für mich aufbieten. (52:38) Genjurö: Es kümmert mich nicht, ob Du ein Gespenst oder sonst etwas Teuflisches bist. Ich wusste nicht, dass diese Welt solche Freuden bereithält. Das ist das Paradies, der Himmel! (54:22) 17 I Ogata Körin (1658-1716), genannt Körin, war ein japanischer Künstler der (nach ihm benannen) rinpa-Schule, der sich bevorzugt der Dekorationsmalerei widmete, auf großen Wandschirmen, aber beispielsweise auch auf Lackwaren, Fächern und Kimonos.

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DIE TOTE FEMME FATALE

Als Genjurö am Ufer des Sees versucht, seine Geliebte zu fangen, kann er sich kaum auf den Beinen halten, stolpert immer wieder und bleibt am Ende am Boden liegen. Dies lässt darauf schließen, dass ihn die sexuelle Beziehung zu Wakasa sehr in Anspruch nimmt und seine Kräfte bereits deutlich geschwunden sind. Seine Augen hält Genjurö geschlossen, der Mund ist geöffnet - er genießt offensichtlich die Situation, gibt sich ihr ganz hin und lebt wie im Traum. Der Mann, der zuvor von Unzufriedenheit getrieben ehrgeizige Ziele verfolgte, wird zu einem profil-und willenlosen Spielzeug, das die übermächtige Frau nach Belieben zu ihrer Unterhaltung heranzieht und das nur sie bewegt. Der Grund für Wakasas Romanze mit einem lebenden Mann liegt darin, dass sie zu ihren Lebzeiten keine Gelegenheit hatte, Liebe und Ehe kennenzulernen und nun im Tode aufgrund ihrer ungestillten Leidenschaft keine Ruhe findet. Die Dienerirr erklärt dies mit folgenden Worten: »Die Hoheit verließ das Leben, ohne je das Glück der Liebe erfahren zu haben. Als ich ihren bedauernswerten Zustand sah, wollte ich ihr wenigstens einmal weibliches Glück zeigen. Ich nahm daher Ihre Hoheit mit, und so irrten wir hierher. Mein Wunsch wurde erfüllt, wir trafen eine so nette Person wie Euch. Wenn Ihr nun, inmitten all der Freude darüber, dass ihr Euch ewige Liebe geschworen habt, nach Hause zurückkehrt, werdet ihr euch kein zweites Mal treffen können. Fühlt ihr Euch nicht schuldig dafür, das Glück des edlen Frläuleins so zunichte zu machen? Bedauert Ihr das gar nicht? Genjuro, lasst von diesem schrecklichen Ansinnen ab. Und dann werdet Ihr auf ewig mit der Hoheit ...« (1:14:31)

Wakasa soll nach den Plänen der Geisterfrauen nun ein Vielfaches des verpassten Gückes zuteil werden: Ein auf die Ewigkeit angelegter Ehebund im Jenseits mit Genjurö soll sie entschädigen. Angesichts dieser drohenden völligen Vereinnahmung gesteht dieser jedoch, bereits verheiratet zu sein und weigert sich, mit den beiden zu kommen. Ein weiterer Grund für Wakasas Verbleiben im Diesseits, den Gregory Barret anspricht, ist das Fehlen von Nachkommen, die mit Riten und Gebeten für eine Befriedung ihrer Seele sorgen (vgl. Barret 1989: 105). Nach Barrets Ansicht ist Wakasa gegenüber der gesamten Welt der Lebenden zornig gestimmt: »She is actually more terrifying than 0-Iwa because her vengeance has no specific target, and one imagines her eternally trying to entrap an unsuspecting male.« Diese Feststellung geht wohlmöglich etwas weit, schließlich sind es mehr unerfüllte Lust und damit ein Übermaß an sexueller Energie, die Wakasa antreiben, als wirkliche Rachegefühle. Auch ist der Mann höchstwahrscheinlich nicht so unvorbereitet auf die Begegnung mit 195

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der sinnlichen Geisterfrau, wie Barrets Zitat glauben macht, ist sie doch tatsächlich die Verkörperung all dessen, was er sich insgeheim erträumt. So schreibt auch Daniel Serceau: »Das Gespenst [... ] ist nichts als die reine Umschrift der Phantasievorstellungen, die Genjurös Geist beherrschen.« (Serceau 1983: 45).

9.6. Der alte Mann als Agent der Realität Ausschlaggebend für Genjurös Befreiung aus den Fäden des klebrigen Netzes der süßen Leidenschaft, das Wakasa bereits um ihn gesponnen hat, ist ein alter Wandermönch, dem er auf der Straße begegnet. Der Alte erkennt sofort, dass sein Gegenüber sich mit jenseitigen Mächten eingelassen hat und gibt ihm neben eindringlichen Warnungen auch noch schutzbringende Schriftzeichen mit in den Unterschlupf der beiden Geisterfrauen. Diese Schriftzeichen sind direkt auf seinen nackten Oberkörper gezeichnet, wodurch es der Geisterfrau unmöglich gemacht wird, sich seines Leibes zu bemächtigen, d. h. ihn mittels ihrer sexuellen Energie in >>ihr Reich« zu ziehen. Die Schriftzeichen als religiöse Symbole werden also, ganz ähnlich wie in der von Lafcadio Hearn festgehaltenen Geschichte des »ohrlosen« Mönches Boichi (»The Story of Mimi-Nashi-Hoichi«) 18 , als eine Art »Waffe« zur Bekämpfung jenseitiger Mächte eingesetzt. Wie Seeßlen/Jung hinweisen, bedienen sich Horror-Mythen häufig religiöser Symbole in rein apotropäischer (»abwehrender«) Funktion (vgl. Seeßlen/Jung 2006: 25). 19 Dies bedeutet, dass, wie auch im Falle von Genjurö, nicht der Glaube selbst als Bezwinger der bösen Macht dargestellt wird, sondern die religiösen Zeichen alleine ausreichen, um sich zur Wehr zu setzen. Die Intervention durch eine - wie Ima-Izumi darlegt -patriarchalische Figur entspricht dem Schema, das bereits im Zusammenhang mit der Ge18 I Die Geschichte des Mönches Hoichi verläuft folgendermaßen: Der bli nde M ö nch Hoichi, der ein seh r begabter Musiker ist, wird des Nachts von den Geist ern der Verstorbenen der Seeschlacht von Dan-no-Ura abgeholt, damit er für sie spielt. Das nächtliche Musizieren erschöpft ihn sehr, und es ist abzusehen, dass er bald ganz ins Totenreich eingehen muss, wenn er weiter für die Geister t ätig wird. Um ihn zu schützen bemalen ihn die anderen Mönche mit Schriftzeic hen, die seinen ganzen Körper bedecken. Allerdings vergessen sie dabei seine Oh ren, weshalb die Geister in der fol genden Nacht den Mönc h zw ar nicht ganz mit sich reißen können , wohl aber seine Ohren, derer er daraufhin verlustig geht. (Vgl. Hearn 1904: 4 ). Die Gesc hichte von dem »ohrlosen« Ho ic hi findet sich auch in einer Episode des Film es Kwaidan (1 965) von Kobayashi M asa ki. 19 I Seeßlen / Jung sprechen nicht von einer apotropäischen , sondern von einer »totemistischen Funktion « der religiösen Zeichen. Da der Begriff T ot emismus jedoch sehr viel mehr beinhaltet als den Einsatz von Handlungen bzw. Objekten zur Abwehr vo n Unheil, ist der Begriff »apotropäisch « hier die präzisere Bezeic hnung.

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DER ALTE MANN ALS AGENT DER REALITÄT

schichte von der Päonienlaterne verdeutlicht wurde. Im Gegensatz zu dem rächenden yilrei 0-Iwas kann die Femme fatale Wakasakeine finale Genugtuung erhalten und wird durch eine regulative Kraft von außen in Gestalt des Mönches in ihre Schranken verwiesen: »Ugetsu thus shows how woman's sexual power is repressed and how man is saved from falling prey to such power in Japanese culture.« (Ima-Izumi 1998: 132). Nachdem sich beide Seiten offenbart haben- Genjurö als Ehebrecher und Wakasa als fremdes, nicht den Lebenden zugehöriges Wesen - gerät der Mann in Panik, greift sich ein Schwert, das in dem Raum steht, und schlägt damit wild um sich. Er stolpert, wirft dabei Kerzenständer um, die Szenerie verdunkelt sich, und die beiden Geisterfrauen weichen rückwärts laufend in den Bildhintergrund aus. Die Stimmen der Frauen klingen schließlich nur noch blechern und weit entfernt, bis sie nicht mehr zu sehen sind und Genjurös wilder Schwertkampf einem Fechten mit dem eigenen Schatten gleicht. Untermalt ist das Gefecht mit einem verstörenden, hektischen Klanggewirr, das klassischen japanischen Instrumenten entstammt. Diese Schwertkampfszene ist sehr ähnlich gestaltet wie Iemons verzweifeltes Aufbäumen am Seeufer in dem späteren Werk Tökaidö yotsuya kaidan. In beiden Fällen endet der Kampf, der zunächst in der Halbtotalen dargestellt wurde, in einer Totalen, die dem Zuschauer einen überblick über die Szenerie gibt. Durch die Kameraeinstellung der Totalen in Aufsicht wird das nun Sichtbare als objektive, realitätsnahe Perspektive gekennzeichnet. Aus dem eben noch von undurchschaubaren Frauen bedrohten Genjurö wird durch den Wechsel der Einstellung eine kleine Figur, die in einer Ruine gegen einen nicht vorhandenen Feind ankämpft. Hier eröffnet sich für den Zuschauer die Möglichkeit, die amouröse Verwicklung Genjurös mit dem Geist als innere Flucht zu interpretieren, als Projektion einer »oasis woman« im Sinne Napiers (vgl. S. 123), die dem Mann für kurze Zeit ermöglicht, die Schrecken des Krieges zu vergessen und ihn von seinen Pflichten entbindet. Mizoguchi stellt Genjurö dar wie einen Traumwandler, der durch einen Agenten der Realität, den alten Wandermönch, widerwillig in diese zurückbefördert wird. Die Realität, in die Genjurö gewmfen wird, ist ernüchternd: Fassungslos steht er, nachdem ihn Soldaten seiner gesamten Habe beraubt haben, vor den Trümmern dessen, was für ihn der Ort der Erfüllung seiner Wünsche zu sein schien. Statt eines stattlichen Palastes ragen nur einige Balken in den Himmel, dazwischen findet er bloß noch Fetzen der vormals prachtvollen Kimonos. Die scharfen Linien des Gerüstes, die sich gegen den hell erleuchteten Himmel abzeichnen, erinnern an eine Kreuzigungsszene. Mizoguchis Gestaltung dieser Szene, eine lange Einstellung (1:18:21-1:19:55) unter Ein197

GEFÄHRLICHE LEIDENSCHAFT IM UGETsu MoNOGATARI

satz eines Kranes, vermag berückend klar der Ungläubigkeit und dem Entsetzen eine Form zu verleihen, die Genjurö angesichtsder Erkenntnis seines Irrweges befallen. Mizoguchi gelingt es so, in einer Totalen zugleich einen Schritt zurückzutreten, das Geschehene aus einer überblickenden Perspektive zu zeigen, und das subjektive Leid Genjurös eindrucksvoll zu schildern. Der Regisseur vereint damit scheinbar gegensätzliche Perspektiven in einer Einstellung, eine einzigartige Qualität seiner kunstfertig komponierten Plansequenzen: »Mizoguchi's magnificent long takesmanage to encompass intimacy and distance, dramatic potency and social criticism, subjectivity and objectivity.« (Freiberg 2005). Am Ende ist die gängige Gesellschaftsordnung wiederhergestellt: Die unerhört freizügige und selbstbestimmte Frau erhält für das Abweichen von dem für ihre Geschlechterrolle Schicklichen einen Platzverweis, der Mann erfüllt wieder seine Pflicht als Ernährer, und die hingebungsvolle Ehefrau wacht auch noch als mütterliche Gottheit über Wohl und Wehe ihrer Lieben.

9.7. Inszenierung des Unheimlichen bei Mizoguchi >>[...] somehow we know before we are told that this is a ghost story. >ÜBER-SINNLICHE« GELIEBTE

Abbildung 9.3.: Der Regisseur Sone Chüsei inszenierte die Geschichte von der Päonienlaterne in Seidan botan doro (1972) als Erotikfilm.

schön und verführerisch. Ihre Dienerin macht beim ersten nächtlichen Besuch sehr deutlich, was das Begehr der beiden ist: »Shinzaburö, bitte gebt euch das Versprechen, Mann und Frau zu werden. Dafür sind wir hier.« (35:27)

Sone Chiisei setzt Enchös Erzählung in Seidan botan doro im Rahmen der ihm gegebenen Möglichkeiten erstaunlich werkgetreu um. 0-Tsuyu wird jedoch eher als ein sanftes, beinahe duldsames Wesen geschildert, während ungehemmte Leidenschaft eher bei den als unsympathisch dargestellten Nebenfiguren zu finden ist. Am Ende läuft Shinzaburö bereitwillig mit ihr und ihrer Dienerirr in den Nebel, der den Obergang zur »anderen Welt« symbolisiert (1:06:42). Dass sein Leben auf diese Weise endet, wird als eine Fügung des Schicksals verstanden, nicht als das Ergebnis weiblicher Zügellosigkeit und Lust. Anders verhält es sich in einer aktuelleren Verfilmung des Päonienlaternen-Stoffes, die ästhetisch in der Nachfolge der Hongkong-Erfolgsproduktion A Chinese Ghost Story (1987, Cheng Xiaodong) steht22 : Otsuya- kaidan botan doro (»Haunted Lantern«, 1998, Tsushima Masaru). Die Handlung weicht hier von dem Rakugo-Stück ab. Zwei Schwestern, die den gleichen 22 I Dies betrifft vor allem die Darstellung der Frauengeister als fliegende Wesen und den starken Einsatz von Spezialeffekten , vor allem gegen Ende des Films, als der buddhistische Mönch und die Geisterfrauen ihre Kräfte messen. Obwohl Tsushimas Fil m mehr als zehn J ahre später erschienen ist, kann er dennoch bei dem Einsat z der Spezialeffekte nicht mit dem Vorbild aus Ho ngkong mit ha lten. Insbesondere wenn der männlichen Protagonist von A Chinese Ghost Story gemeinsam mit einem Taoisten gegen die furchtbare Herrin seiner Geliebten kämpft, die mit einer gigantischen mörderischen Zunge ausgestattet ist, zeigt sich die technische und stilistische Überlegenheit von Chengs Film (1:05:49-1:12:17) .

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GEFÄHRLICHE LEIDENSCHAFT IM UGETsu MoNOGATARI

Mann, Shinzaburö, leidenschaftlich lieben, nehmen sich aufgrund der ausweglos erscheinenden Situation das Leben. Kurz darauf, es ist o-bon-Zeit, beginnen sie, dem Objekt ihrer Begierde, das die beiden am Leben wähnt, nächtliche Besuche abzustatten. 0-Tsuyu, die ältere der beiden Schwestern, erhält nun den Vortritt. Sie verlangt das Leben des Geliebten, der sich nicht wissend, dass er mit jenseitigen Kräften verhandelt- bereitwillig hingibt. 0-Tsuyu, der es zu Lebzeiten aus gesellschaftlichen Gründen nicht erlaubt war, zu ihren Gefühlen zu stehen, offenbart nun ihr sexuelles Verlangen: »Ich habe an nichts anderes gedacht, als von Dir umarmt zu werden« (0:47:05). Auch während des Liebesspiels ist sie alles andere als zurückhaltend: »Ich will Dich aufessen« (0:47:52). Shinzaburö nimmt die Liebschaft sichtlich mit, er schläft tagsüber, isst nicht und sein Körper wird gar von Maden befallen. Ein Nachbar erkennt die Lage und schaltet einen blinden buddhistischen Mönch ein, der Shinzaburö in die Wirklichkeit zurückholt. Das Haus des jungen Mannes wird mit schutzbringenden Talismanen gespickt und er selbst darin eingeschlossen, damit die gefährlichen Geisterfrauen keinen Einfluss auf ihn nehmen können. Die »über-sinnliche« Geliebte zeigt daraufhin ihr wahres, dämonisches Gesicht und wirft mit (digital erzeugten) Feuerbällen und ähnlichem um sich. Am Ende der dritten Nacht schwindet die Kraft der beiden Schwestern, und 0-Tsuyu erweicht Shinzaburö mit traurigen, versöhnlichen Worten, die ihn schließlich dazu bringen, sein sicheres Haus zu verlassen, woraufhin 0-Tsuyu ihn sanft mit sich zieht. Wie in der literarischen Vorlage aus der Sammlung Otogi Böko und den darauf basierenden dramatischen Versionen obsiegt der weibliche Geist in Otsuya- kaidan botan dörö also gegen alle gesellschaftlichen Widerstände und erlangt die völlige Befriedigung ihrer Bedürfnisse. In einer Art Epilog treten die Reinkarnationen der Protagonisten im gegenwärtigen Japan auf- ein Hinweis darauf, dass komplizierte Dreieckskonstellationen und die Gefahr weiblicher Begierde nicht an ein historisches Setting gebunden sein müssen, sondern vielmehr immer wiederkehrende Motive sind. In der japanischen Gegenwart angesiedelt ist die Handlung des Films Ijintachi to no natsu (» The Discarnates«, Öbayashi Nobuhiko, 1988), in dem der Protagonist Harada Hideo nicht nur seinen verstorbenen Eltern, sondern auch einer verführerischen Nachbarin begegnet, die als »übersinnliche« Frau mit ihrem Interesse nicht lange hinter dem Berg hält. Gerade noch rechtzeitig greift ein Freund ein, der Harada nachts mit der Geisterfrau im Bett findet, im Gesicht bereits völlig gealtert und entstellt. Die halbnackte Schöne im weißen Nachthemd verschwindet daraufhin theatralisch, begleitet von der Arie »0 mio babbino caro« aus Giacomo Puccinis

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MOTIVKREIS 2: DIE >>ÜBER-SINNLICHE« GELIEBTE

Oper »Il trittico« (Episode »Gianni Schicchi«). In der Komödie Izakaya yilrei (Watanabe Takayoshi, 1994) plagt eine verstorbene Ehefrau ihren Witwer, der Inhaber einer kleinen Kneipe ist und sich in eine neue Frau verliebt. Die aus der chinesischen Literatur stammenden Geister-Geliebten fühlen sich also nicht nur injidaigeki-Fi!men wohl, sondern fügen sich auch hervorragend in moderne menage-a-trois-Geschichten im urbanen Umfeld.

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10. Der Geist vom Videoband: Ringu

Nakata Hideo (geb. 1961) setzte Ringu !1 //;!'' (1998) nach einer Romanvorlage des Autors Suzuki Köji (geb. 1957) um, die im Jahr 1991 in Japan erschienen und zu einem Bestseller geworden war. Vorbild für die Hintergrundgeschichte um Shizuko, Sadako und den Professor aus Tökyö waren die Experimente des Psychologen Fukurai Tomokichi (1869-1952), der sich mit unerklärlichen Phänomenen wie nensha ;6.~ (etwa »Gedankenfoto«, eine Art des Gedankenlesens) beschäftigte. Eines seiner »Studienobjekte« war die junge Frau Mifune Chizuko, der nachgesagt wurde, dass sie hellsichtig sei. Ihr Fall erregte großes Interesse, weil sie sich in öffentlichen Experimenten den kritischen Augen zahlreicher Wissenschaftler stellte und sich, als sie in die Kritik geriet, kurz darauf das Leben nahm. Darüber hinaus unternahm Fukurai auch Versuche mit einer Fraunamens Takahashi Sadako, die an einer multiplen Persönlichkeitsstörung litt und sich zeitweise als tengu oder Nichiren 1 ausgab. 2 Der Romanautor Suzuki basierte seinen Text also auf historische Persönlichkeiten, wobei die Beziehungen, in der sie in Ringu zueinander stehen- nämlich Liebhaber-Geliebte, Eltern-Kind- frei erfunden sind. Nakata Hideos bekannte Filmversion von 1998 weicht in sehr vielen Punkten von der Romanvorlage Suzuki Köjis ab. Bereits drei Jahre zuvor lief im japanischen Fernsehen eine werkgetreuere Umsetzung des Bestsellers, ebenfalls unter dem Titel Ringu (1995). Dieser Fernsehfilm, bei dem Takigawa Chisui Regie führte, erschien später auf dem Videomarkt mit zusätzlichen Szenen unter dem Titel Ringu Kanzenban V / /;1''7\:::i:.!fR, was übersetzt soviel heißt wie »Ringu- vollständige Version«. Diese erste Ringu-Verfilmung erreichte aufgrundihrer geringen Qualität nie ein breiteres Publikum, und Sadakos Geist tritt überdies nicht persönlich in Erscheinung,

1 I Begründer der buddhistischen Nichiren-Schule, (1222-1282). 2 I Die Untersuchungsergebnisse, die Fukurai nach seiner w issenschaftlichen Diskreditierung in einem Buch zusammenfasste, liegen in englischer Übersetzung vor. Dort finden sich auch ausführliche Beschreibungen der Versuchspersonen Mifune Chizuko und Takahashi Sadako und ihrer angeblichen Fähigkeiten. (Vgl. Fukurai 2003 passim).

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DER GEIST VOM VIDEOBAND: RINGU

weshalb das Werk für diese Arbeit nur von geringer Bedeutung ist und eine detaillierte Analyse entfallen kann. In die Kinos kam Nakata Hideos Ringu-Version am 31. Januar 1998 zusammen mit Rasen (»The Spiral«, Regie: Iida Jöji)- ebenfalls die Verfilmung eines Suzuki-Köji-Romans - als sogenanntes »Dual Movie«. Diese besondere Art der Vermarktung wurde gewählt, da die beiden Filme untereinander inhaltliche Bezüge aufweisen und es, wie ein Artikel der Zeitschrift Kinema ]unpo zum Erscheinen des Films konstatierte, »geheime Schlüsselwörter«3 gebe, die nur solche Zuschauer verstehen könnten, die beide Filme gesehen haben. Rasen knüpft direkt an die Handlung von Ringu an und kann daher als erste Fortsetzung der Geschichte angesehen werden, noch vor dem Erscheinen von Ringu 2 (1999) und dem Prequel Ringu 0 Birthday (2000). So tauchen in Rasen auch zwei Figuren aus Ringu wieder auf, nämlich Takayama Ryuji und seine Studentin Mai, verkörpert von den gleichen Schauspielern, Sanada Hiroyuki und Nakatani Miki. Auch der y!lrei kehrt wieder, allerdings nicht mehr als das verstörend monströse Wesen, das er in Ringu war: Sadako wird zum gefährlich-erotischen Traumwesen im weißen Neglige. An den Kinokassen erwies sich Ringu schnell als klarer Favorit des Horror-Doppelpacks, während Rasen nicht annähernd den gleichen Erfolg zu verzeichnen hatte. Was die Wahl des Titels Ringu betrifft, so berichtet der Romanautor Suzuki Köji in einem Interview, dass es sich eher um einen spontanen Einfall als um eine bewusste Entscheidung gehandelt habe: »I happened tobe thumbing through an English-Japanese dictionary when I decided it was about time to decide on something. And then the word »ring« passed my eye. I had the strong feeling that it would fit. »Ring« is usually used as a noun, isn't it? Butthereis also a verb usage ofring, meaning »to call someone«, or »to call out«, such as an alarm clock or phone ringing. I liked this. And so from the beginning I didn't exactly use the nameRing in the circular sense. But since I gave it that title, as Iot of circular things have turned up in the story. The spiral, the DNA double helix, the loop, and so on.« (McGue o.].)

Der Titel kann somit als eine Anspielung auf das Telefonklingeln gesehen werden, das nach dem Ansehen des Videos den baldigen Tod ankündigt, oder auch als Hinweis auf das virusartige Um-sich-Greifen des Fluchs.

3 I Vgl. Kinema Junpo 1998: 19. Der Artikel bietet außerdem Informationen zum Erscheinen des nDual Movie«, den Schauspielern und den Romanvorlagen.

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HANDLUNG

Ringu entwickelte sich zum erfolgreichsten japanischen Horrorfilm aller Zeiten, was die Einspielzahlen4 und die zahlreichen Nachfolgefilme innerhalb Asiens und in Hollywood zeigen.

10.1. Handlung Vier Jugendliche, die gemeinsam einen Urlaub in Izu verbracht haben, sterben am gleichen Tag auf mysteriöse Weise - ein verfluchtes Videoband soll die Ursache sein. Es heißt, auf das Ansehen des Videos hin folge ein Telefonanruf, und ab diesem Zeitpunkt habe man noch exakt eine Woche zu leben. Die Journalistirr Asakawa Reiko, deren Nichte Tomoko eines derbetroffenen Mädchen war, will der Sache auf den Grund gehen. Sie fährt nach Izu zu der Blockhütte, in der die Jugendlichen übernachtet haben und findet in der örtlichen Videothek das besagte Band. Nachdem sie es sich selbst angesehen hat, erhält sie wie zuvor die Jugendlichen einen Telefonanruf. Beunruhigt wendet sie sich, als sie wieder zuhause ist, an ihren Exmann Takayama Ryüji, der sich das Band ebenfalls ansieht, jedoch keinen Telefonanruf erhält. Er bittet Reiko darum, das Band für ihn zu kopieren. Beide analysieren später anhand der Kopie das Video, das Ihnen einen Hinweis auf einen Vorfall gibt, der bereits 40 Jahre zurückliegt. Damals stürzte sich eine Frau, die die Fähigkeit Gedanken zu lesen und in die Zukunft zu sehen besaß, in Öshima in einen Vulkan. Reiko fährt mit ihrem Sohn Yoichi zu ihrem Vater, wo der Junge nachts das Videoband findet und es sich ebenfalls ansieht. Von der Angst getrieben, dass sich der Fluch bewahrheiten und sie alle nach Ablauf der Wochenfrist sterben könnten, fährt Reiko mit Ryüji nach Öshima, wo sie herausfinden, dass Shizuko Yamamura - die Frau, die sich in den Vulkan stürzte - von einem Professor Ikuma aus Tökyö für Experimente zu paranormalen Fähigkeiten benutzt worden war. Diese Aktivitäten des Professors führten zu einem Skandal und er wurde von der Universität entlassen. Shizukos Selbstmord hat mit Anschuldigungen zu tun, die die Medien im Anschluss an den Skandal verbreiteten. Bei einem Spaziergang am Meer mit Shizukos Cousin, der über die Geschichte Bescheid weiß, aber schweigt, überkommt Ryüji eine Vision und er sieht, was bei den Experimenten damals geschah: Die anwesenden Journalisten zeigten sich ungläubig und beschimpften den Professor und Shizuko als Schwindler, woraufhin einer der Journalisten tot zusammenbrach. Sadako, Shizukos Tochter, die offensichtlich noch stärkere paranormale Fähig4 I Ringu führt in Japan die Liste der Einspielzahlen für Horrorfilme an (vgl. IMDb.com lnc. 2009(b]).

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keiten hatte, tötete den Mann nur durch die Kraft ihres Willens. Reiko und Ryllji ahnen, dass Sadako die Tochter des Professors gewesen sein könnte und möglicherweise mit dem Auftauchen des Videos zu tun hat. Reiko ist inzwischen überzeugt, dass sie nach Ablauf der Wochenfrist ebenfalls sterben müssen und sieht ihre einzige Möglichkeit zu handeln darin, die Geschichte Sadakos weiter zu verfolgen. Die Lösung sucht sie mit Ryllji dort, wo der Fluch des Videobandes seinen Ausgang nahm, in Izu. Unter dem Blockhaus finden die beiden einen Brunnen, der in ihnen wieder eine Vision auslöst: Sadako wurde von ihrem Vater, dem Professor, in diesen Brunnen geworfen, wo sie qualvoll sterben musste. In mühseliger Arbeit schöpfen sie den Brunnen aus und stoßen tatsächlich auf Sadakos Leiche: Das Rätsel scheint gelöst. Reiko bleibt am Leben, auch als die Wochenfrist bereits abgelaufen ist. Am nächsten Tag jedoch geht in Rylljis Wohnung plötzlich der Fernseher an, Sadako erscheint auf dem Bildschirm, kriecht aus dem Gerät und tötet Ryllji. Die entsetzte Reiko kann sich nicht erklären, warum sie überlebt haben soll. Durch einen Hinweis, den ihr der verstorbene Ryllji in einer Vision gibt, findet sie es schließlich heraus: Nicht das Bergen der Leiche hat sie gerettet, es war alleine die Tatsache, dass sie das Videoband einmal kopiert und ihrem Exmann gezeigt hatte. Der Fluch wurde dadurch auf ihn übertragen. Um ihren Sohn Yoichi, dessen Siebentage-Prist seit dem Ansehen des Videos noch nicht abgelaufen ist, zu retten, fasst sie den Entschluss, den Fluch mit der Kopier-Methode von ihm auf ihren Vater zu lenken. Die Handlung des Films endet hier, nicht jedoch ohne einen Hinweis darauf zu geben, dass der Fluch sich auf diese Weise immer weiter fortsetzt.

10.2. Nakatas Mise-en-scene: Die leere Metropole

»[...] a defining feature of the Japanese horror film is the syntax of despair, isolation and emptiness that constitutes both the architectural composition and mise-enscene of the cinematic image, and the positioning of character within the cinematic landscape.« (Balmain 2006)

Die von Balmain genannte Atmosphäre der Vereinzelung und Leere entsteht in Ringu durch ein Zusammenspiel der Anonymität des urbanen Lebens, gebannt in ungeschönten Aufnahmen Tökyöter Häuserblocks, und der unzähmbaren Kräfte der Natur, für die das aufbrausende Meer stellvertretend steht.

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NAKATAS MISE-EN-ScENE: DIE LEERE METROPOLE

Nakata kontrastiert bewusst die Großstadt mit einem ländlichen, von den Gewalten der Natur geprägten Leben, wie es besonders in dem von einem aktiven Vulkan bedrohten und dem rauhen Ozean umwogten Öshima zu sehen ist. » [ ... ] what I really intended to do is present the fearful side of nature itself«, erklärt der Regisseur (Totaro 2000). Es ist die Ursprünglichkeit des Ortes Öshima, die den Frauen Shizuko und ihrer Tochter Sadako ihre Kräfte verleiht. Sie stehen in einer besonderen Beziehung zu ihrer Umwelt, was im Film dadurch symbolisiert wird, dass Shizuko in einer seltsamen Sprache mit dem Meer spricht. 5 Eine Andeutung Ryüjis6 veranlasst Eric White zu der Annahme, dass es sich bei Sadako nicht um ein menschliches Wesen, sondern um die Tochter eines Meeresungeheuers handele (vgl. White 2005: 40)- eine Interpretation, die auf die Nähe zu den Urgewalten hinweist, die das Mädchen auszeichnet. Eine Verbindung zwischen Öshima, dem Quell der unheimlichen Kräfte, und dem Leben der Protagonisten schafft Nakata mit dem Videoband, das später noch eingehender untersucht wird, und mit der durchgehenden Blaufärbung der Bilder, die dem Meer und den damit verbundenen Kräften auch in den Häuserfassaden der Millionenstadt eine Präsenz verleiht. Es scheint kein Entkommen zu geben, wohin sich Reiko auch begibt, die Kälte des Fluchs verfolgt sie. Die Metropole Tökyö, bevölkert von Dutzenden Millionen Menschen, erscheint karg und menschenleer. In der einzigen Szene, in der Menschen auf der Straße zu sehen sind, nimmt Ryüji diese nicht wahr und wirkt trotz seines Sitzplatzes im pulsierenden Leben isoliert und konzentriert auf Dinge, die außerhalb dieser Straßenkreuzung liegen (32:40). Diese Vereinzelung macht ihn empfänglich für an den Rand gedrängte Dinge wie die weißgekleidete Frau- vermutlich Sadako -, die ihm in diesem Moment erscheint. Der Regisseur entdeckt darüber hinaus das traditionelle japanische Zimmer, das washitsu, als Ort, der durch seine Leere Raum schafft für die elementaren Ängste, die mit Geistern in Zusammenhang stehen. Das schwachbläuliche Licht, das unheilverkündend durch die Papierwand im Haus des Großvaters fällt (45:20), das bedrohliche Rütteln des Taifun am Holzgestänge der Pension in Öshima (1:00:14)- eine Illustration der Zerbrechlichkeit des Menschenwerks im Angesicht der ungezähmten Urgewalt - und Sadakos geschundene Hände, die sich in die Tatami-Matten krallen (1:22:56), sind Beispiele für eine phobische Markierung des washitsu. 5 I Dies erzählt Shizukos Cousin, als er Reiko und Ryuji mit seinem Boot übers Meer fährt (1:04:02). 6 I »Vielleicht war sie gar nicht seine [Prof. lkumas] Tochter. Ob Sadakos Vater überhaupt menschlich war?« (1:18:17).

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Kühl wie die gesamte Atmosphäre des Films wirken auch die handelnden Personen. Trotz des Drucks, der auf ihnen lastet, folgen sie den Spuren Sadakos unermüdlich Schritt um Schritt, beinahe emotionslos. Die Familie als prägende und Rückhalt bietende Institution existiert nicht mehr, die Beziehungen sind zersplittert, was sich am deutlichsten in einer Begegnung Yoichis mit seinem Vater Ryüji zeigt (27:50): Es ist ein düsterer Regenmorgen, beide tragen einen dunklen Schirm. Als sie sich auf dem Gehweg begegnen, bleiben beide kurz stehen, Yoichi richtet seinen Blick auf den von Dunkelheit umgebenen Mann, geht dann aber einfach an ihm vorbei. Er erkennt seinen Vater nicht als das was er ist, aufgrundseiner mangelnden Präsenz ist er nicht mehr für ihn als ein Schatten auf dem Weg. Für Yoichi ist auch der Vater gewissermaßen eine Geistererscheinung - etwas, das völlig aus seinem Blickfeld verschwunden war, und sich nun schemenhaft und nicht fassbar wieder in sein Leben schiebt.

10.3. Sadakos Motivation Für Nakata Hideo, der nach Eigenaussage selbst nie ein großer Liebhaber von Horrorfilmen oder Geistergeschichten war, stellten ältere kaidanVerfilmungen eine wichtige Quelle dar, aus der er Ideen für Ringu und in noch größerem Maße für sein späteres Werk Kaidan (2007) schöpfte. Im Interview berichtet er: »Ich bewundere Nakagawa Nobuo als Regisseur, nicht speziell als Horror-Regisseur. Aber als ich mich für Ringu vorbereitete, sah ich mir Tokaido yotsuya kaidanimmer und immer wieder an. Nakagawa arbeitete sehr experimentell und verstand sich sehr gut darauf, in seinen Filmen starke Emotionen von Menschen und Geistern zu transportieren.« (InterviewS. 271)

Der neue japanische Horror ist nach Ansicht Nakata Hideos zwar nur eine Variation der älteren kaidan-Filme, dennoch lassen sich große Unterschiede beispielsweise im Aufbau der Filme feststellen. Während in Tokaido yotsuya kaidan zunächst das rücksichtslose Verhalten Iemons skizziert und damit der Grund für das Auftauchen des Geistes klar herausgestellt wird, greift der yurei in Ringu bereits in der ersten Sequenz zu. Dem Zuschauer ist zu diesem Zeitpunkt weder bekannt, dass hinter den mysteriösen Ereignissen der Geist einer verstorbenen Person steht, noch was diesen zu seinem Tun bewegt. Das Rätsel um die Motivation der grausamen Taten stellt die eigentliche Handlung des Films dar, während Tokaido yotsuya 214

SADAKOS MOTIVATION

kaidaneher darauf abzielt aufzuzeigen, wie das blinde Streben nach einem besseren LebenIemon in die Verderbnis führt? In einem Wettlauf gegen die Zeit legen die Protagonisten in Ringu, Reiko und ihr Exmann, die Geschichte Sadakos Schicht um Schicht frei und finden schließlich eine Erklärung dafür, dass sie keine Ruhe findet und in blinder Wut Menschen tötet. Sadako ist schon zu Lebzeiten mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet - eine Tatsache, die alleine schon ausreicht, um einen yilrei hervorzubringen. 8 Diese Fähigkeiten sind so stark, dass sie in der Lage ist, einen Menschen nur durch die Kraft ihres Willens zu töten. Ihr Vater, Professor Ikuma, gerät in eine missliche Lage, als bei einem seiner Experimente ein Journalist ums Leben kommt. Möglicherweise aus Angst vor ihren Kräften wirft er seine Tochter in einen Brunnen, aus dem sie verzweifelt versucht zu entkommen, schließlich aber qualvoll sterben muss. Dieses traumatische Erlebnis und die Tatsache, dass sich ihre sterblichen Überreste weiter unbestattet im Brunnen befinden, lösen in Sadako einen Groll aus, der in Verbindung mit ihren paranormalen Fähigkeiten einen y ilrei von einer wild um sich greifenden Zerstörungsmacht hervorbringt. Ihre Gefährlichkeit fällt auch deshalb so gewaltig aus, weil sie die Phase der Adoleszenz noch nicht völlig durchlaufen hat und aufgrund des verfrühten Todes um die Möglichkeit gebracht wird, Heirat, Schwangerschaft und Geburt sowie die damit in Zusammenhang stehenden Obergangsriten zu vollziehen. Sadakos Leben bleibt somit unvollendet, und der Seele gelingt es nicht, sich aus dem Stadium der Unruhe zu lösen und in die Einheit der Ahnenseelen einzugehen. Das langsame Entschlüsseln dieser Gründe im Verlauf der Filmhandlung könnte man als Entsprechung zu dem Verhältnis sehen, in dem die Menschen des postmodernen Japan zu ihren Geistern stehen: Zwar sind sie noch da und entwickeln sich sogar weiter, der Zugang zu ihnen ist jedoch schwieriger geworden und in der Komplexität des urbanen Alltags ist nur schwer auszumachen, was diese Wesen eigentlich antreibt.

7 I Carroll unterscheidet in seiner Theorie zum Horrorgenre zwischen zwei Plotstrukturen, dem »Discovery Plot« und dem »Üverreacher Plot «. Das Prinzip des Discovery-Piot s , in dessen Verl auf die Protagonisten seltsame Phänomene untersuchen und a uf die Existe nz e ines Monsters oder Geistes stoßen, entspricht dabei dem Aufbau von Ringu. Ti5kaidi5 yotsuya kaidan ließe sich dem Overreacher-Piot zuordnen, der durch die Freisetzung einer bösartigen, schwer einschätzbaren Kraft und der daraus resultierenden Zerstörung gekennzeichnet ist. (Vgl. Carroll 1987: 57). 8 I Vgl. 5. 40, Minzokugaku kenkyujo 1971: 289f.

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10.4. Der Brunnen

Der Brunnen ist in Ringu zunächst deshalb ein zentrales Element, weil es sich um den Ort handelt, an dem Sadako zu Tode kam und an dem sich noch immer ihre sterblichen Überreste befinden. Bis zum Auffinden der Leiche spitzt sich die Handlung auf diesen Ort zu und führt unweigerlich zu ihm hin. Hierin gleicht Ringu dem kanadischen Horrorfilm The Changeling (Peter Medak, 1980), in dem der Geist des kränklichen kleinen Jungen Joseph, der von seinem Vater aus Habgier umgebracht wurde, in einem alten Haus spukt. Es stellt sich heraus, dass der mörderische Vater Josephs Leiche in einen alten Brunnen geworfen hatte, über den inzwischen ein Haus gebaut wurde. Wie in Ringu wird die Leiche ausgegraben und die Polizei nimmt sich der Angelegenheit an. Der Handlungsaufbau des japanischen Films ähnelt dem von The Changeling in diesem Punkt so stark, dass nicht von einem Zufall ausgegangen werden kann. 9 Der Regisseur Nakata weist in einem Interview darauf hin (vgl. Totara 2000), dass das Motiv des Brunnens im japanischen Kontext eine Vielzahl von Assoziationen wecke, angefangen mit dem>> Tellerhaus« und dem yiirei der 0-Kiku in Banchö sarayashiki. In dieser Geschichte, die in Japan in den verschiedensten Versionen und u. a. auch als Kabuki-Stück verbreitet ist, fällt die hübsche Dienerirr 0-Kiku ihrem Herren ins Auge, lehnt dessen Avancen jedoch ab. 0-Kiku ist betraut mit der Aufgabe, auf zehn wertvolle Teller achtzugeben und sie täglich zu reinigen. Je nach Version der Geschichte verstecken nun der verschmähte Herr oder dessen eifersüchtige Ehefrau den zehnten Teller und lasten das Verschwinden der Dienerirr an. Diese wird daraufhin in den Brunnen neben dem Haus geworfen bzw. begeht Selbstmord, indem sie in den Brunnen springt. Daraufhin erscheint 0-Kiku des Nachtsam Brunnen als yiirei und zählt jedesmal bis neun, um dann aufgrunddes Fehlens des zehnten Tellers in ein schauriges Heulen auszubrechen.10 Wie bei 0-Kiku stehen auch bei Sadako die Geistererscheinungen mit der erlittenen Todesart in Zusammenhang. Von dem Haus, das über dem Brunnen steht, nimmt der Fluch seinen Ausgang, und der Brunnen ist ele9 I Im Interview mit Totara (2000) nennt Nakata Hideo als Vorbilder für seine Arbeit an Ringu neben japanischen Horrorfilmen auch die westlichen Werke The lnnocents, (Jack Clayton , 1961) The Haunting (Robert Wise, 1963) und The Amityville Horror (Stuart Rosenberg, 1979). Auc h wenn The Changefing von Na kata nic ht explizit genannt wird, kann d avon ausgegangen werden, dass zumindest der Drehbuchautor Takahashi Hiroshi von diesem Film beeinflusst wurde. 10 I Zwei Versionen der 0-Kiku-Geschichte finden sich in Tanigawa 1988: 345347. Eine moderne Rakugo-lnterpretation von Tsuyunu Gorö hat Lewinsky-Sträuli aufgezeichnet und übe rsetzt (1989: 248-260) .

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DERBRUNNEN

mentarer Bestandteil des Videos, das verschiedene verschlüsselte Hinweise auf die Ereignisse um Sadako und ihre Mutter Shizuko gibt. Brunnen fungieren in Japan häufig als eine Art Korridor zur »anderen Welt«, in der die Geister der Toten beheimatet sind. Im No-Theater taucht der Brunnen in den Geisterstücken als wichtiges Requisit (tsukurimono) auf, beispielsweise in dem in Kapitel4.4.1 vorgestellten Izutsu (»Am Brunnenrand«) von Zeami, in dem ein Mönch dem Geist eines jungen Mädchens begegnet: »Die Vergangenheit kehrt wieder. Im Brunnen am Tempel des Narihira spiegelt sich strahlender Vollmond[... ].« (Übersetzung WeberSchäfer 1961: 91). Der Brunnen dient im Nö als Begegnungsort, an dem die Lebenden auf die Toten treffen; in einigen Stücken wird sogar wie in Ringu dargestellt, wie der Geist ihm entsteigt. Auf diesen reichhaltigen Fundus an Vorbildern griff auch der Regisseur Öshima Nagisa in seinem Film Ai no borei (»Im Reich der Leidenschaft«, 1978) zurück. In dieser Umkehrung der klassischen Rachegeister-Geschichte beschließt eine attraktive junge Frau, ihren wesentlich älteren Mann zu töten, um sich ganz ihrem Geliebten widmen zu können. Die Leiche wirft das mörderische Liebespaar in einen ausgedienten Brunnenschacht, aus dem später der yurei des Ehemanns zurückkehrt und mit dem Anheizen der dörflichen Gerüchteküche die Aufklärung seines Verschwindens herbeiführt. Der Brunnen als Zugang zu einer Parallelwelt ist ein Motiv, das sich auch in der westlichen Kultur häufig findet, am prominentesten wahrscheinlich im Märchen von der Frau Holle 11 , in dem Glücks- und Pechmarie zuerst den Sprung in die Untiefen des Brunnens wagen müssen, bevor sie sich im Bettenschütteln beweisen dürfen. Auch weisen Namen von Brunnen wie »Teufelsborn« (vgl. Hünnerkopf in HDA 1987: 1680) darauf hin, dass der Brunnen als Eingang zur Hölle betrachtet wurde. In diesem »Zugang zu einer anderen Welt«, als der der Brunnen sowohl in der östlichen als auch in der westlichen Mythen- und Märchenwelt fungiert, kann ein Symbol für einen Weg ins Unterbewusste der menschlichen Psyche gesehen werden. Wie C.G. Jung in seiner Archetypenlehre herausstellt, sei das Wasser selbst das geläufigste Symbol für das Unbewusste und das »Hinabsteigen« in einen Brunnen oder einen See komme dem Ergründen der eigenen dunklen Seele gleich (vgl. Jung 1976: 26ff.). Der Sturz in den Brunnen könnte daher für Sadako ein Geworfensein in ihr Unbewusstes bedeuten, und in dem Erforschen des Brunnenschachtes und seines Inhaltes durch Reiko und ihren Exmann kann eine Entsprechung zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Psyche gesehen werden. 11 I Der Name »Holle>Hölle>Verbannten« (»the Exile«, Barret 1989: 78ff.) in Zusammenhang: Das Mädchen räche sich an der gesamten patriarchalischen Gesellschaft dafür, dass diese ihr Anderssein, ihr Abweichen von der Norm, nicht akzeptieren konnte und sie deshalb ausschloss (vgl. Balmain 2006). Das Abschieben in den Brunnen kommt somit einer Verbannung aus der Gesellschaft gleich, was noch dadurch unterstrichen wird, dass Sadako die Beisetzungsriten, die für einen friedlichen Obergang in die >>andere Welt« (anoyo) notwendig sind, verwehrt bleiben. Dass der Fluch schließlich Reiko, deren Exmann und den Sohn trifft, scheint wiederum weniger zufällig zu sein, denn die gesamte kleine Familie ist- wenn auch in geringerem Ausmaß - ebenfalls mit paranormalen 220

BILDSTÖRUNG MIT FOLGEN: SADAKO IN AKTION

Abbildung 10.2.: Sadako enspricht äußerlich den in der Edo-Zeit vorgeprägten Mustern.

Fähigkeiten ausgestattet und hat manchmal schwer daran zu tragen. Gerrau diese Fähigkeiten sind es, die ihnen schließlich die Möglichkeit geben, das in der Vergangenheit Geschehene aufzudecken und Sadakos Leiche endlich eine Bestattung zukommen zu lassen. Es gelingt Reiko darüber hinaus aufzuklären, wie der Fluch abgewendet werden kann, wodurch sie letztendlich einen wichtigen Beitrag dazu leistet, das Video weiter zu verbreiten. Die Aufklärung der Herkunft des Videos kann die kollektive Rache, die von Sadako ausgeht, nicht stoppen.

10.7. Bildstörung mit Folgen: Sadako in Aktion

Ein weiteres Charakteristikum von Ringu liegt darin, dass Sadakos Rachefeldzug zwar von Anfang an geschildert wird, der yilrei selbst jedoch erst am Ende in Erscheinung tritt. Andeutungen, auch visuelle Eindrücke, gibt es zwar bereits im Video und in den Visionen, die Reiko und Ryüji die entscheidenden Hinweise geben, eine direkte Konfrontation mit Sadako erfolgt jedoch erst ganz zum Schluss, als Ryüji ihr zum Opfer fällt. Dieser Aufbau, der die Gefahr als immer präsent, aber doch vage und nicht greifbar darstellt, ähnelt dem Spannungsbogen vieler westlicher Horrorfilme wie z. B. Ridley Scotts Alien (1979). Was ihr Aussehen betrifft entspricht auch Sadako aus Ringu im Wesentlichen der klassischen aus der Edo-Zeit überlieferten Vorstellung eines yilrei. über der schmächtigen Statur, die darauf schließen lässt, dass es sich um ein noch nicht ganz ausgewachsenes Mädchen handelt, trägt sie ein schlichtes

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DER GEIST VOM VIDEOBAND: RINGU

weißes Kleid mit langen Armeln. Kopf und Arme hängen schlaff, der Körper zeigt keinerlei Anspannung. Noch stärker als bei 0-Iwa fallen die Haare auf, die so stark ins Gesicht hängen, dass dieses völlig verdeckt wird (vgl. Abb. 10.2). Darüber hinaus gibt es in den Visionen Hinweise darauf, dass Sadako schon zu Lebzeiten ihre Haare offen getragen hat. In diesem Fall ist die starke Betonung der Haare also weniger Ausdruck der durch ein urami ausgelösten Entäußerung als ein Zeichen der übersinnlichen Kräfte, die Sadako in sich trägt. Wie bei den Scharnarrinnen sind Sadakos Haare ihre Verbindung zu einer anderen Welt, aus der sie ihre Fähigkeiten bezieht. Auch Sadakos mit dem zweiten Gesicht begabte Mutter wird auf dem Videoband beim Kämmen ihrer Haare dargestellt, eine weitere Betonung der Verbindung zum Geisterreich. Sadakos Gesicht, das nur einmal kurz eingeblendet wird, erinnert in seiner Blässe und Starre ebenfalls an die Masken des No-Theaters. Im Vergleich zum stereotypen yilrei wird Sadako jedoch mit Füßen dargestellt, die in der Szene, in der sie Ryüji tötet, eindeutig zu sehen sind. Durch die Kameraführung werden ihre verkrümmten und völlig geschundenen Finger betont (1:22:59), die einen Hinweis darauf geben, welche Qualen das Mädchen gelitten haben muss, als sie versuchte, aus dem Brunnen zu entkommen. 13 Während 0-Iwa das Zeichen ihres Leids in Form eines Geschwulstes im Gesicht trägt, werden Sadakos Verletzungen somit an den Fingern sichtbar. Die Sequenz, in der Ryüji dem Wüten des yilrei zum Opfer fällt, ist die einzige, in der Sadako tatsächlich zu sehen ist. Das Besondere an dieser Szene ist, dass sie auf die Entdeckung der Leiche im Brunnen und damit die scheinbare Lösung des Fluches folgt. Schon in der ersten Einstellung der Sequenz, in der Reiko auf dem Balkon zu sehen ist, wird durch den Windhauch angedeutet, dass noch nicht von einer »Befriedung« des Geistes die Rede sein kann (1:20:50). Der nächste Hinweis sind die quietschenden Geräusche, die Ryüji beim Arbeiten an seinem Schreibtisch wahrnimmt. Die vierte Einstellung der Sequenz, in der Ryüji von hinten zu sehen ist, vermittelt, noch bevor Sadako in Erscheinung tritt, den Eindruck, dass Ryüji nicht alleine im Raum ist und beobachtet wird. Die Konfrontation Ryüjis mit Sadakos yilrei wird sehr eindringlich gestaltet, indem die Kamera das Gesicht des Mannes fokussiert und sich Einstellungen von ihm und dem Geist, der sich langsam nähert und dem Fernseher entsteigt, in einer schnellen Abfolge von Schuss und Gegenschuss 13 I Eine sehr ähnliche Einstellung taucht bereits in Naktas Film Joyu-rei (»Don't Iook up«, 1996) auf. Dort sind ebenfalls in einer Nahaufnahme blutige Finger zu sehen, die sich am Boden festkrallen (1:10:39). Hierbei handelt es sich allerdings nicht um die Finger des yurei, sondern um die seines Opfers.

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BILDSTÖRUNG MIT FOLGEN: SADAKO IN AKTION

abwechseln. Ryüji wird dabei mit einer Handkamera aufgenommen, deren unruhige Bilder die Panik widerspiegeln, die in ihm aufsteigt, als er mit dem yurei konfrontiert wird, während die Kamera auf Sadako völlig statisch gerichtet ist. Auch die Bewegungen Ryüjis sind hektisch, er stolpert und hat sich nicht unter Kontrolle. Sadako dagegen kommt zwar mit sehr langsamen, dafür aber unausweichlichen Bewegungen auf ihr Opfer zu. Sadakos Entsteigen aus dem Fernsehschirm (vgl. Abb. 10.3)- eine Szene, die prägend für den gesamten neuen asiatischen Horrorfilm war - erinnert an die in Kapitel 2.3 genannte keren-Tricktechnik chi5chinnuke, bei der die 0-Iwa auf der Bühne überraschend aus einer überdimensionalen Laterne herauskommt. Die Annahme liegt nahe, dass der flimmernde Bildschirm an die Stelle der Laterne getreten ist. Im Interview weist Nakata Hideo allerdings darauf hin, dass er für diese Szene lediglich der Intention gefolgt sei, Sadakos Auftreten so gruselig wie möglich zu gestalten; eine Referenz an das Kabuki-Theater sei nicht beabsichtigt gewesen (vgl. Interview S. 272). Die Schauspielerin Inou Rie, die die Sadako verkörpert, ist ankoku-butoTänzerin14 und orientierte sich an den unnatürlich langsamen und übersteigerten Bewegungen dieser Tanzform. Dieser Effekt wird noch dadurch intensiviert, dass Inou die gesamte Szene rückwärts spielte und die Aufnahme anschließend umgekehrt abgespielt wurde (reverse action trick). Die berühmte Fernsehszene ist in Suzuki Köjis Ringu-Roman nicht enthalten. Sadako tötet in der Vorlage nicht persönlich, sondern durch einen Virus, der ihre Opfer nach dem Ansehen des Videos befällt. Zum Todeszeitpunkt sehen die Infizierten statt eines Geistes sich selbst in einer bis zur Unkenntlichkeit gealterten Form. 15 Markus Rautzenberg macht als mögliche ikonographische Vorläufer der Fernseh-Szene die Filme Poltergeist (Tope Hooper, 1982) und Videodrome (David Cronenberg, 1983) aus. Er sieht die mediale Oberfläche des Bildschirms als »Membran zwischen Imaginärem und Realem« (Rautzenberg 2005: 130), deren temporäre Durchlässigkeit sich - wie auch in Ringu - durch eine Bildstörung ankündigt. Als Sadako gänzlich dem Bildschirm entstiegen ist und sich ihrem Opfer nähert, nimmt die Kamera ihre Perspektive ein (point-of-view-shot), was durch eine Halbnah-Einstellung gekennzeichnet wird, in der sie sich 14 I Zwar wird vielfach angegeben (z. B. Sumpter 2006: 14), lnou Rie sei eine Schauspielerin mit Kabuki-Ausbildung, dabei handelt es sich jedoch nur um ein Gerücht, das vermutlich auf einen falschen Eintrag in der Internet-Datenbank IMDb zurückgeht (vgl. IMDb.com lnc. 2009[b)). 15 I Kurz vor Ryujis Tod heißt es im Roman: »Was im Spiegel zu sehen war, war niemand anders, sondern seine eigene Gestalt, um 100 Jahre älter. Ryuji hatte sich selbst nicht erkannt. Sich selbst als jemand völlig anders zu begegnen war derart furchterregend ... « (Suzuki 1998: 304).

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Abbildung 10.3.: Die berühmteste Szene aus R ingu: Sadako entsteigt dem Fernseher.

zur Kamera hindreht Die anschließende Handkamera-Einstellung, die auf Ryüji gerichtet ist und seinen Bewegungen folgt, wird somit als Sadakos Blick wahrgenommen. In den folgenden Einstellungen wiederholt sich dieser Aufbau, die subjektive Kamera wird zum Verfolger Ryüjis, dessen Situation sich zur Ausweglosigkeit zuspitzt. Diese Identifikation der Kameraführung mit dem rächenden Geist ist ein Stilmittel, das beim Betrachter ein Gefühl der Unsicherheit und des völligen Kontrollverlustes verursacht. Die herkömmliche filmische Erzählweise des Hollywoodkinos (continuity editing) versetzt den Zuschauer durch einführende Totalaufnahmen und Einstellungen auf Augenhöhe mit den handelnden Figuren in die Position eines unabhängigen Beobachters, der gleichsam eine Macht über das Geschehen auf dem Bildschirm verspürt. Ein Merkmal des Horrorfilms und des japanischen Genres im Besonderen ist es dagegen, diese Konventionen zu durchbrechen und die filmische Struktur so aufzubauen, dass dem Zuschauer jegliche Möglichkeit einer gefühlten Kontrolle über die Ereignisse verwehrt bleibt (vgl. Balmain 2006). Mit ähnlichen Perspektivwechseln wird auch in The Changefing (1980) die Unsicherheit des ProtagonistenJohn Russell über die ihn beobachtende geisterhafte Präsenz zum Ausdruck gebracht. Auch darin zeigt sich, dass Ringu viele stilistische Anregungen aus dem westlichen Horrorfilm bezieht. Der Tod Ryüjis, der durch den Wechsel zum Schwarz-Weiß-Bild und schließlich zum Negativ gekennzeichnet wird, folgt direkt auf eine Aufnahme von Sadakos Auge. Somit wird das Auge als Quelle der Kraft markiert, die es dem yilrei ermöglicht, seine Opfer aus der Distanz zu töten. Das Auge als Träger von Zauberkraft ist eine in vielen Kulturen verbreitete Vorstel224

SADAKOS UNIVERSALER GROLL

lung, die sich besonders deutlich in dem sogenannten »bösen Blick« äußert. Durch den »bösen Blick«, so der Glaube, können mit negativen Emotionen »aufgeladene« Menschen - bewusst oder unbewusst - anderen Menschen schaden oder diese sogar töten (vgl. Seligmann in HDA 1987: 685ft}

10.8. Sadakos universaler Groll

Auch wenn es zunächst den Anschein hat, gelingt es Reiko und Ryüji durch ihre Nachforschungen nicht, den Fluch um das Videoband zu brechen. Nach der durch den Volksglauben überlieferten Auffassung besteht der wichtigste Schritt zur Befriedung eines Geistes darin, seine Identität aufzudecken, seine Motive herauszufinden und Maßnahmen einzuleiten, die zu seiner Beruhigung beitragen können (vgl. Kapitel 1.4). Mit dem Auffinden von Sadakos Leichnam und der Aufklärung der Umstände, die zu ihrem Tode führten, müsste der Fluch nach dieser Auffassung eigentlich gebrochen sein. Dies ist jedoch nicht der Fall, Ryüji fällt dem yurei trotzallem am nächsten Tag zum Opfer. Reiko findet heraus, dass man dem fatalen Besuch Sadakos nur entgehen kann, wenn man das Video kopiert und einer anderen Person zeigt, also zu dessen Verbreitung beiträgt. Timothy lies führt dies auf die Schwierigkeit zurück, die Identität des Einzelnen im unübersichtlichen Gemenge der Konsumgesellschaft auszumachen: »Sadako's identity does not pul! her out from the realm ofthe indeterminate, does not root her in the categorised reality which harbours the >Safe< status qua, but rather affirms her as in effect a commodity to be transferred from one person to the next, bringing with her the constant deferral of a concretised, unique individuality.« (Iles 2005)

Sadako wird somit zur »Massenware«, die sich zwar von Person zu Person verbreitet, trotzdem aber gesichtslos und nicht fassbar bleibt. Das Phänomen des Identitätsverlusts überträgt sie auch auf ihre Opfer, deren Gesichter auf Fotografien, die nach der »Infizierung« aufgenommen wurden, bis zur Unkenntlichkeit verzerrt erscheinen. 16 Weiteren Aufschluss gibt eine Aussage Jensens, die sich allgemein auf die unruhigen Toten bezieht:

16 I Vgl. Tomokos Fotos, die Reiko entwickeln lässt (19:38) und die PolareidAufnahme von Reiko selbst (30:29).

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»Derjenige Verstorbene, der Einlaß ins Totenreich findet, gehört auch weiterhin zur Gemeinschaft. Nicht zur Gemeinschaft gehören heißt friedlos sein mit allen entsetzlichen Folgen, die sich daraus für den Lebenden und für den Toten ergeben. Ein Gespenst ist ein Friedloser, feindlich den Menschen wie diese in ihm den Feind schlechthin erblicken.« (Jensen 1960: 368f.)

Da Sadako wie oben ausgeführt zu Lebzeiten gerade nicht zur Gemeinschaft gehörte, immer das Schicksal der Ausgegrenzten tragen musste, ist ihre Rache umso gefährlicher und kann nur schwer durchbrachen werden, da sie sich auf die gesamte Gesellschaft richtet. Die Schuld an ihrem gewaltsamen Tod kann nicht auf einen einzelnen - den Vater- geladen werden, alle sind betroffen: »Der Tod, als Gestalt des tragischen Lebens, ist ein Einzelgeschick ins Trauerspiel tritt er nicht selten als gemeinschaftliches Schicksal, als lüde er die Beteiligten alle vor den höchsten Gerichtshof« (Benjamin 1993: 116). Dass Sadakos sterbliche Überreste aufgefunden wurden heißt nicht, dass eine Aussöhnung mit der ihr feindlich gesonnenen Gemeinschaft stattgefunden hat. Durch den einzigen Ausweg, den Sadako durch das Kopieren des Videos eröffnet, zwingt sie die Menschen dazu, die mit ihrem Schicksal verknüpften Bilder zu verbreiten, nötigt sie auf das zu sehen, das sie in der Vergangenheit ausgrenzen und an den Rand drängen wollten. Sadakos Fluch kann nicht durchbrochen werden, denn: ;; Ringu gelingt es, die Panik zugleich individuell und kollektiv, konkret und abstrakt, uralt und gegenwärtig sein zu lassen, sie ist ebenso das Resultat unseres Tuns wie unseres Seins und kommt zugleich von außen wie von innen. Als Konsequenz dieser Allmacht und -gegenwart zeichnet Ringu die Angst als unüberwindbar.« (Aguilar 2004:335f.)

10.9. Motivkreis 3: Ylirei im Zeitalter der Massenmedien

Der Grund, weshalb Werke wie Ringu dem heutigen Betrachter erschreckender erscheinen als die Horrorfilme der 1950er Jahre, wie zum Beispiel Tokaido yotsuya kaidan, kann nicht nur in der Tatsache gesucht werden, dass der sogenannte ]-Horror sich der Tricks des westlichen Horror- und Psychothriller-Genres bedient. Einen Ansatz zur Beantwortung der Frage nach dem besonderen Schrecken in Ringu kann Freuds Schrift über das Unheimliche liefern. Freud stellt fest, dass der Zuschauer bzw. Leser sein Urteil

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den Bedingungen der vom Dichter fingierten Realität anpasse: »Wir[ ... ] behandeln Seelen, Geister und Gespenster, als wären sie vollberechtigte Existenzen, wie wir es selbst in der materiellen Realität sind. « (Freud 1947: 265). Dies trifft auf Tokaido yotsuya kaidan zu, dort sind Geister ein anerkannter Teil der dargestellten fiktiven Welt - was sich z. B. in dem Exorzismus auf dem Hebiyama zeigt - und wirken dadurch weniger unheimlich. Die Fiktion ist aus der Sicht des Zuschauers in der Vergangenheit angesiedelt, einer Zeit, in der Geister für die Menschen real existent waren. Ringu hingegen simuliert die uns bekannte technisierte und von der Wissenschaft dominierte Welt, in die plötzlich das Unheimliche in Form von paranormalen Fähigkeiten und Geistern hereinbricht. Nicht zufällig ist Ryüji, der in den Sog des übernatürlichen gerät, gleichzeitig Mathematiker und damit ein Vertreter des Rationalen. Durch den Einbruch des Irrationalen, des eigentlich überwundenen, in diese Welt, in der sich scheinbar alles in Formeln ausdrücken lässt, wirkt dies wesentlich unheimlicher als in dem aus der Distanz gesehenen Milieu der Edo-Zeit. Freud stellt fest, dass der Glaube an Geister und an die Magie sowie die mit ihr in Zusammenhang stehende »Allmacht der Gedanken« zwar oberflächlich überwunden, die alte Weltauffassung des Animismus jedoch immer noch präsent sei und ein neuerlicher Kontakt mit ihr jederzeit erfolgen könne: »Aber auf kaum einem anderen Gebiete hat sich unser Denken und Fühlen seit den Urzeiten so wenig verändert, ist das Alte unter dünner Decke so gut erhalten geblieben, wie in unserer Beziehung zum Tode.« (Freud 1947: 255). Dies gilt für Japan umso mehr, da dort der Glaube an übernatürliches noch wesentlich präsenter ist als im WestenY Es stellt sich daher die Frage, ob Freuds Feststellungen, die auf der Annahme basieren, animistische Vorstellungen seien überwunden, auch im gleichen Maße aufJapan angewandt werden können. Napier (1996), Figal (1999) und Ivy (1995) beziehen sich 17 I Als Beleg hierfür können auch die zahlreichen Internetservices gesehen werden, die sich mit Geistern, Exorzismen und ähnlichem beschäftigen. Ein Beispiel ist die sehr seriös gestaltete Internetseite http: / jwww.reishokai.gr.jpf, auf der von den >>Medien« Tsuruta Yoshitaka und Teruko verschiedene Services rund um die Geisterwelt angeboten werden. Ein persönlicher Exorzismus beispielsweise kostet 10.000 Yen, eine detaillierte »Seelenschau « 20.000 Yen. Das auf http: / j www.spirit911.com/ angebotene »spirit counseling« beläuft sich auf 30.000 Yen pro Stunde und bietet folgendes: »Wir übermitteln Ihnen Nachrichten des Geistes, der in Ihnen selbst wohnt. Falls ein Schutzgeist da sein sollte, übermitteln wir auch dessen Nachrichten. [... ]Wir vermitteln Ihnen eine Realität, die sie bisher nicht kannten. Ob man diese leben lassen oder abtöt en soll, bleibt Ihnen überlassen . Hören Sie auch auf die Stimme des Geistes, der in Ihrem Körper wohnt, um die Bedeutung des Lebens der Vorfahren zu verstehen.>[ ... ] ich habe aus Phänomenen, wie sie in verschiedenen Sammlungen von wahren Schauergeschichten beschrieben sind, die Essenz des Unheimlichen herausdestilliert und diese in das Drehbuch einfließen lassen.« (Konaka 2003: 64). Narrativ ist ]aganrei als eine Pseudo-Dokumentation angelegt. So ist zu Anfang des Films zu lesen, dass es sich um filmisches Material handele, das zu einem anderen Zweck erstellt wurde: »Ursprünglich war dieses [Filmmaterial] für die Werbekampagne einer Popsängerirr vorgesehen. Aber schlussendlich wurde dieser Beitrag nicht gesendet. >Schwarze Haare in einem verlassenen Haus«, 1992). In Haioku no kurokami gibt es zwei Szenen, in denen der yurei einer Frau in einem Spiegel erscheint, von denen die zweite sehr stark an die kamisuki-Szene in Nakagawa Nobuos Tokaido yotsuya kaidanerinnert (2:15:36). Auch das Make-up der yiirei-Darstellerin orientiert sich an den kaidan-Filmen der 1950er und 1960er Jahre. Ergänzt werden diese althergebrachten Elemente durch das Einblenden von shinrei shashin-Abzügen, die das unheimliche Geschehen dokumentieren. Diese stilistische Verknüpfung altbekannter und aktueller Geister-Topoi ist charakteristisch für den ]-Horror, den die Regisseure Nakata Hideo und Yamada Seiji demnach auch als moderne Variation der kaidanbezeichnen (vgl. Interviews). Während die bisher genannten Vorläufer des ]-Horror sich auf den Videomarkt beschränkten, eroberten die Verfilmungen der urban-legendsStoffe aus Tsunemitsu Törus Gakko-no-kaidan-Reihe mit einer Fernsehserie (ab 1994) und einer Reihe von Kinofilmen (ab 1995) ein großes Publikum. Ebenso wie die Toire-no-Hanakosan-Verfilmungen (1995, 1998) zielten diese Werke auf junge Zuschauer, vornehmlich Schüler. Stilistisch lassen sich viele Parallelen zu westlichen Filmen der 1980er Jahre wie Poltergeist (1982) und Ghost Busters (1984) entdecken- so werden zum Beispiel die Kinder im ersten Gakko-no-kaidan-Film von einem grell-pinken Monster verfolgt, das große Ähnlichkeiten zu dem grünen Slimer aus der Ghost BustersReihe aufweist. Das Pentagramm, aus der europäischen Kulturgeschichte als Bannzeichen gegen das Böse bekannt, erweist sich auch als wirksam gegen die Protagonisten der modernen japanischen Sagen, wie Hanako-san und Kuchisake-onna, die ein verlassenes Schulgebäude unsicher machen. Diese Filme waren ein maßgeblicher Schritt für die Entwicklung des Genres (vgl. Poster 2009: 205), für diese Arbeit sind sie jedoch nicht von zentralem Interesse, da der yurei-Stereotyp wenn überhaupt nur am Rande auftaucht. Das erste Werk der 1990er Jahre, in dem ein weiblicher Geist sich ein modernes Medium für die Offenbarung seiner Rache wählt, ist Nakata Hideos Joyu-rei (1996). Die klassische Film-im-Film-Geschichte handelt von unheimlichen Zwischenfallen während der Dreharbeiten zu einem Historienfilm, dessen Handlung im 2. Weltkrieg angesiedelt ist. Mehrmals finden sich auf dem Filmmaterial Szenen, die das Filmteam niemals inszeniert und aufgenommen hat. Vielmehr scheinen die Bilder einem Film zu entstam-

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Abbildung 10.4.: In Nakata Hideos erstem Geister-Kinofilm ]oyil-rei (1996) macht dieser yilrei ein Filmset unsicher.

men, an dem im gleichen Studio vor mehr als 20 Jahren gearbeitet wurde. Damals starb die Hauptdarstellerirr am Drehort nach einem Sturz. Die unheimlichen Ereignisse in Joyu-rei spitzen sich schnell zu: Es erscheint ein weiblicher Geist, der den Tod einer Nebendarstellerirr verursacht (42:02), und der Regisseur verstrickt sich immer mehr in die geheimnisvolle Geschichte der alten Filmszenen, bis er schließlich am Ende nach einer Begegnung mit dem Studio-Geist verschwindet. Weshalb ausgerechnet ein Filmstudio zum Ort unheimlicher Geschehnisse wird, thematisiert Nakata Hideo in einem Gespräch zwischen dem Regisseur und seiner Hauptdarstellerirr (0:36:01): Schauspielerin: »Ist es hier nicht irgendwie unheimlich?« Regisseur: »Ja, das stimmt wohl. « Schauspielerin: »Mh, warum weiß ich auch nicht.« Regisseur: »Filmstudios sind nun mal so. Vielleicht, weil wir hier Lügengeschichten produzieren ... das ist doch irgendwie verw erflich.«

Diese Szene ließe sich dahingehend interpretieren, dass der Regisseur in der Fiktionalität seiner Werke und in der Transformation von Realität durch den kinematographischen Code geisterhafte Phänomene sieht. Diese aus der technischen Aufzeichnung geborene Unheimlichkeit lässt die Kamera und das Filmmaterial zu unkontrollierbaren Gegenständen werden, die hinter dem Rücken des Regisseurs ein eigenes »klandestines Reich der Kommunikation« (Meteling 2006: 308) ausformen. Im japanischen Horrorfilm droht immer dann Gefahr, wenn sich ein Portal zu diesem Paralleluniversum der technischen Körper und Stimmen öff-

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net, sei es in Ringu über den Fernsehschirm, in Chakushin ari (Miike Takashi, 2004) über das Handy oder in Kairo (Kurosawa Kiyoshi, 2001) über das Internet. Durch die seltsamen Geräusche, Stimmen und Bilderschnipsel gelagendie Heimgesuchten des ]-Horror aber zumeist wieder zu einem Individuum, dem Geist eines zutiefst verletzten Menschen, dessen Emotionen sich über die Medienkanäle - die im Sinne Warburgs hochpotente »Bilderfahrzeuge« sind - , fortpflanzen. In Chakushin ari geht der Fluch wie in Ringu zurück auf ein etwa zwölfjähriges Mädchen, dem die Möglichkeit genommen wurde, sich zu einer Frau zu entwickeln. Vorläufer dieser markanten Unheimlichkeit des Medialen sind im westlichen Horrorfilm Tonbandaufnahmen, die Worte zu Gehör bringen, die überhaupt erst durch die technische Aufzeichnung wahrnehmbar werden. So ist Regans Kauderwelsch in Der Exorzist (1973) erst verständlich, wenn man die Aufnahme ihrer Stimme rückwärts laufen lässt, und der Geist des ermordeten Thomas in Ihe Changeling (1980) flüstert ebenfalls nur vom Band. In der japanischen Literatur findet sich, wie in Kapitel 4.2.3 ausgeführt, diese durch die Errungenschaften der Moderne ausgelöste Beklommenheit bereits bei Izumi Kyöka (1873-1939). Wie man an Sadako und ihrer Mutter Shizuko aus Ringu sehen kann, spielt in gegenwärtigen japanischen Horrorfilmen die besondere spirituelle Veranlagung, die Frauen schon in der Edo-Zeit nachgesagt wurde, weiterhin eine große Rolle. Ihre besonderen Fähigkeiten, die das Fassungsvermögen der patriarchalisch geprägten Welt der Wissenschaft übersteigen (vgl. Iles 2008: 87), sind es schließlich auch, die sie zu Ausgegrenzten machen eine Frau, die in dem männlich dominierten Diskurs ihre Stimme erhebt, ist etwas Unerhörtes und zieht den Wunsch nach Vernichtung auf sich. Auch wenn die meisten Geister des ]-Horrors weiblichen Geschlechts sind, muss aber dennoch festgehalten werden, dass die zeitgenössischen yurei mit anderen Ängsten besetzt sind als die vom Kabuki- und No-Theater geprägten Geister der 1950er Jahre. Statt aus der in der Gesellschaft verankerten Geschlechterordnung und der damit verbundenen Unterdrückung der Frau erwächst das Geisterhafte nun häufiger aus der Zersplitterung der klassischen japanischen Familie. Wie Timothy Iles in einer Untersuchung zum Familienbild im japanischen Film feststellt, wurden Elternfiguren im Film der 1950er Jahren noch als Quelle für Kontinuität und emotionale Stabilität konstruiert, auch wenn Individualisierung und Urbanisierung bereits ein wichtiges Thema waren (Iles 2008: 86). Besonders seit den 1990er Jahren sei hingegen zu beobachten, dass die japanische Familie nicht mehr als Schutzraum dargestellt wird, sondern im Gegenteil ein enormes Schreckenspotential entfalten kann: »The

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family has now become a site of social absurdity and decay, violence and abuse.« (Iles 2008: 103). In Ringu zeigt sich diese Dysfunktionalität der Familie auf zwei parallelen Ebenen: Einmal in der Film-Gegenwart, in der zwei getrennt lebende Elternteile und der dem Vater entfremdete Sohn mit den übernatürlichen Geschehnissen konfrontiert werden, und einmal in der Film-Vergangenheit, in der eine von grausamem Mord, Selbstmord und Verbindungen mit bösen Mächten geprägte Familie den Grundstein für den Fluch gelegt hat. Das Auftauchen von yflrei ist in den meisten ]Horror-Werken mit einer Familientragödie verbunden: In Ju-On (Shimizu Takashi, 2003) hat ein Vater aus Eifersucht seine Familie ausgelöscht, und in Honogurai mizu no soko kara (»Dark Water«, Nakata Hideo 2002) hat eine Mutter ihre Tochter vernachlässigt, worauf diese in einem Wassertank ertrunken ist. Vor allem in Nakata Hideos Filmen sind es auffällig oft alleinerziehende Mütter, die gegen einen mächtigen yflrei ankämpfen, um sich selbst und vor allem ihre Kinder zu schützen (vgl. Ringu und »Dark Water«). Auch der Geist des Mädchens Mimiko in Chakushin ari (Miike Takashi, 2004) findet keine Ruhe, weil seine ebenfalls alleinerziehende Mutter es bei einem Asthmaanfall hat ersticken lassen. 19 Nakata Hideo selbst führt als Erklärung für dieses Phänomen einen dramaturgischen Grund an: Also wenn Sie daran denken, wie man eine Geschichte im Film erzählt, so ist es viel besser einen Protagonisten zu haben, der sich in seiner Lage unwohl fühlt und eine Serie von Konflikten zu bewältigen hat, als einen, der einfach ein glückliches Leben lebt. Daher ist es für mich eine ziemliche Standardsache, meine Protagonisten in eine solche Situation zu versetzen. (Vgl. InterviewS. 272)

Dass sich alleinerziehende Mütter in ihrer Lage unwohl fühlen, ist in Japan sicher keine Seltenheit. Obwohl über 80 Prozent der alleinerziehenden Mütter in Japan arbeiten, verfügen sie mit ihren Kindern im Durchschnitt nur über ein Drittel des Einkommens einer japanischen Standard-Familie mit zwei Elternteilen und leben häufig unterhalb der Armutsgrenze (vgl. Ezawa 2006: 64). Die Zahl der Mütter, die ihre Kinder alleine erziehen, hat sich von 1973 (626.200 Mütter) bis 2003 auf 1,2 Millionen verdoppelt. Rund 80 Prozent dieser Mütter sind geschieden, gefolgt von Witwen und einer 19 I Mimiko ist allerdings kein ganz unschuldiges Opfer: Sie selbst hat über lange Zeit ihrer Schwester immer wieder Verletzungen zugefügt, um Aufmerksamkeit zu erheischen. Balmain zieht daraus folgenden Schluss:»[ ... ] One Missed Call seems to imply that Mimiko is the result of the sort of extreme narcissistic individualism that has replaced the communal system of obligations of the pre-modern.>Bestrafung« für die alleinerziehenden Mütter gesehen werden, oder eine Art Aufforderung, ihre eigene Mutterrolle zu überdenken. In »Dark Water« kommt es schließlich sogar so weit, dass die Protagonistirr Yoshimi in dem Haus bleiben muss, in dem der Geist des ertrunkenen Mädchens Mitsuko spukt- sie entscheidet sich für eine Art »Adoption« des Geistermädchens, die als Sühne für das eigene Versagen als Mutter und stellvertretend für das Versagen vorheriger Elterngenerationen gesehen werden kann:»[... ] Yoshimi elects to heal the wounds of the present by literally and figuratively embracing the residue of a traumatic past in the form of Mitsuko's ghost.« (Mc Roy 2008: 91). Wie die Beispiele zeigen, finden im ]-Horror sehr häufig Geister von Kindern und Jugendlichen ihren Weg auf die Leinwand. Dies zeigt, dass Kinder als die Leidtragenden der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse konstruiert werden. Balmain sieht so in Ringu auch eine Parallele zwischen der von ihrem Vater getöteten Sadako und Reikos Sohn Yoichi: »Reiko, a typical modern Japanese career woman, struggles to juggle work and family, and as a consequence of these competing demands, ends up neglecting her son [... ].« (Balmain 2008: 173). Ein Vorbild für die Geister-Kinder, die nicht minder gefährlich sind als ihre erwachsenen »KollegenKirikirikiri« ertönen. Der Mann windet sich vor Schmerzen. Spätestens diese Szene sorgte dafür, dass bei der Vorführung des Filmes Odishon ;>Mother treeThe Ghost ofYotsuyaGeistergeschichte vom Kagami-MoorDie Geisterkatze vom Otama-See>Kwaidan>Kuroneko>Haunted School>Ring- SpiralThe Haunted LanternAudition G (>>Dark WaterÜne missed CallVisuelle Lust und narratives Kino«. In: Albersmeier, Franz-Josef (Hrsg.): Texte zur Theorie des Films. Stuttgart: Reclam. S. 389-408. MüNSTERBERG, Hugo (1996): Das Lichtspiel. Eine psychologische Studie {1916] und andere Schriften zum Kino. Wien: Synema.

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