Der Berg im Zimmer: Zur Genese, Gestaltung und Kritik einer innovativen kulturhistorischen Ausstellung [1. Aufl.] 9783839412480

Ende 2007 wurde in der Innsbrucker Hofburg die Ausstellung »Berge - Eine unverständliche Leidenschaft« eröffnet. Der Ehr

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German Pages 148 Year 2015

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Der Berg im Zimmer: Zur Genese, Gestaltung und Kritik einer innovativen kulturhistorischen Ausstellung [1. Aufl.]
 9783839412480

Table of contents :
Inhalt
Kulturelles Erbe – Auftrag und Chance
Das Museum – Eine sichere Institution für unsichere Ansichten. Eine Vorbemerkung
Das Herz der Höhe. Ideen zu Seelengeschichte und Museologie des Alpinismus
Kaltkögel oder die steinerne Heimat. Text für die Wand
Wahre Abenteuer. Aus dem Leben der Ritter
Bergsteigen – die gedeutete Leidenschaft
Zur Geschichte des Österreichischen Alpenvereinsmuseums
Das Gerüst für den Aufstieg
Die Gestaltung – oder: Wie eine Ausstellung selbstverständlich wird
Ein kuratorischer Erlebnisbericht – und ein paar Erfahrungen
Wie ein kleines Rufzeichen – „Berge, eine unverständliche Leidenschaft“ macht sich den hybriden Status zwischen Museum und Ausstellung zunutze
Erschauendes Gehen. Gedanken zur Ausstellung „Berge, eine unverständliche Leidenschaft“
Ausstellungen erwandern – Bemerkungen zur Ausstellung „Berge, eine unverständliche Leidenschaft“ in Innsbruck
Spurenlese einer Wanderung

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Gottfried Fliedl, Gabriele Rath, Oskar Wörz (Hg.) Der Berg im Zimmer. Genese, Physiognomie und Kritik einer Ausstellung

£Edition Museumsakademie Joanneum Band 2

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Editorial Das Museum, eine vor über zweihundert Jahren entstandene Institution, ist gegenwärtig ein weltweit expandierendes Erfolgsmodell. Gleichzeitig hat sich ein differenziertes Wissen vom Museum als Schlüsselphänomen der Moderne entwickelt, das sich aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen und aus den Erfahrungen der Museumspraxis speist. Diesem Wissen ist die Edition gewidmet, die die Museumsakademie Joanneum – als Einrichtung eines der ältesten und größten Museen Europas, des Universalmuseums Joanneum in Graz – herausgibt. Die Edition stellt eine Museologie als Analyse und Kritik zur Verfügung, die die Praxis der Museumsarbeit inspiriert und die Theorie erweitert. Dort, wo die Praxis blind zu werden droht gegenüber ihren Zielen und Voraussetzungen, lohnt sich die Erinnerung an das, was sie verdrängt hält.

Die Reihe wird von Gottfried Fliedl herausgegeben.

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GOTTFRIED FLIEDL, GABRIELE RATH, OSKAR WÖRZ (HG.)

Der Berg im Zimmer Genese, Physiognomie und Kritik einer Ausstellung

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Arian Andiel Umschlagabbildung sowie alle ganzseitigen Abbildungen des Bandes: WEST. Fotostudio, Mathilde Egitz und David Steinbacher, Wörgl, Tirol Satz: Arian Andiel Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1248-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfreigebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de. Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt Christian Wadsack, Oskar Wörz Kulturelles Erbe – Auftrag und Chance 11 Gottfried Fliedl Das Museum – Eine sichere Institution für unsichere Ansichten. Eine Vorbemerkung 15 Martin Scharfe Das Herz der Höhe. Ideen zu Seelengeschichte und Museologie des Alpinismus 19 Maria Peters & Walter Klier Kaltkögel oder die steinerne Heimat. Text für die Wand 35 Walter Klier Wahre Abenteuer. Aus dem Leben der Ritter 45 Martin Schwiersch Bergsteigen – die gedeutete Leidenschaft 55 Monika Gärtner Zur Geschichte des Österreichischen Alpenvereinsmuseums 69 Gabriele Rath Das Gerüst für den Aufstieg 85

Ursula Gillmann, Matthias Schnegg Die Gestaltung – oder: Wie eine Ausstellung selbstverständlich wird 93 Beat Gugger Ein kuratorischer Erlebnisbericht – und ein paar Erfahrungen 107 Petra Nachbaur Wie ein kleines Rufzeichen – „Berge, eine unverständliche Leidenschaft“ macht sich den hybriden Status zwischen Museum und Ausstellung zunutze 113 Roswitha Muttenthaler Erschauendes Gehen. Gedanken zur Ausstellung „Berge, eine unverständliche Leidenschaft“ 121 Renate Flagmeier Ausstellungen erwandern – Bemerkungen zur Ausstellung „Berge, eine unverständliche Leidenschaft“ in Innsbruck 133 Christian Rapp Spurenlese einer Wanderung 141

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A UTORENNAME

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Berg im Zimmer

A UTORENNAME £Kapiteltitel

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C HRISTIAN W ADSACK , O SKAR W ÖRZ £Kulturelles Erbe – Auftrag und Chance

Christian Wadsack, Oskar Wörz Kulturelles Erbe – Auftrag und Chance In Anspielung auf den Titel des vorliegenden Buches könnte man sagen, die =LPPHUGHV$OSHQYHUHLQVÀQGHQVLFKLQVHLQHQ]DKOUHLFKHQ+WWHQGLHHULP9HUlauf von fast 150 Jahren gebaut hat. Mit der Ausstellung „Berge, eine unverständOLFKH /HLGHQVFKDIW´ KDEHQ ZLU HLQH =LPPHUÁXFKW LQ GHU UHSUlVHQWDWLYHQ ,QQVbrucker Hofburg zu einem Schauplatz der Auseinandersetzung mit den Bergen gemacht, weitgehend aufbauend auf der vereinseigenen Sammlung an kulturellen *WHUQ'DKLQWHUVWHKWHLQNRRSHUDWLYHV3URMHNWGHV$OSHQYHUHLQVLQZHOFKHVQHEHQGHP%XQGDOV(LJHQWPHUGHU+RIEXUJYRUDOOHPGDV/DQG7LUROGLH6WDGW Innsbruck, der Tourismusverein Innsbruck sowie weitere Sponsoren eingebunden sind. Die Eröffnung der Ausstellung im November 2007 wurde zu einem fulmiQDQWHQ(UHLJQLVGDV,QWHUHVVHKDWWHDOOH(UZDUWXQJHQEHUWURIIHQ%HVRQGHUVHUIUHXOLFKZDUDXFKGLHEHUDXVSRVLWLYH5HVRQDQ]LQGHU3UHVVHVRZRKOEH]JOLFK GHU4XDOLWlWGHUJH]HLJWHQ2EMHNWHDEHUYRUDOOHPGDV.RQ]HSWGHU$XVVWHOOXQJ betreffend. Die Geschichte der kulturellen Sammlungen des Alpenvereins ist so wechselhaft wie die Zeit, in der sie zusammengetragen wurden. Entstanden sind die Sammlungen, weil der Alpenverein immer mehr war als ein reiner Sportverein, er hat sich von Beginn an mit der Berglandschaft in einem umfassenden Sinn auseinandergesetzt. So sind diese heute nicht nur ein Kulturschatz von hohem Wert, sondern auch ein Spiegel der historischen Entwicklung. Das große Interesse an der laufenden Ausstellung kann daher als Auftrag und Chance gesehen werden, GLHVH$XVHLQDQGHUVHW]XQJIRUW]XIKUHQ 'HUgVWHUUHLFKLVFKH$OSHQYHUHLQIKOWVLFKVHLQHUNXOWXUHOOHQ7UDGLWLRQYHUSÁLFKWHW :LU KDEHQ ELV  ZHVHQWOLFKH 7HLOH GHU .XQVWVDPPOXQJ LQ HLQHP eigenen kleinen Museum gezeigt, dessen Zugänglichkeit in mehrfacher Hinsicht EHJUHQ]WZDU,Q]ZLVFKHQNRQQWHQZLUIUGLH6DPPOXQJHQHLQPRGHUQHV'HSRW und Archiv errichten, mussten aber zur Kenntnis nehmen, dass Gestaltung und Betrieb einer eigenen Dauerausstellung wirtschaftlich nicht zu verkraften ist und GHQ0LWJOLHGHUQGHV9HUHLQVJHJHQEHUQLFKWYHUWUHWHQZHUGHQNDQQ 8QWHUGLHVHQ8PVWlQGHQKDEHQZLUGLH&KDQFHIUHLQH$XVVWHOOXQJQHXHQ Stils gerne aufgegriffen, als sich diese geboten hat und wir die notwendige UnWHUVWW]XQJGDIUÀQGHQNRQQWHQDXFKZHQQGDIUHLQH]HLWOLFKH%HIULVWXQJ]X DN]HSWLHUHQZDU'HU(UIROJPRWLYLHUWXQV]XZHLWHUHQ%HPKXQJHQQDFKODQJIULVWLJHQ0|JOLFKNHLWHQIUHLQH|IIHQWOLFKH3UlVHQ]GHU6DPPOXQJHQGHV$OSHQvereins zu suchen. Der Alpenverein wird weiterhin seine Zimmer in den Bergen anbieten, um

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C HRISTIAN W ADSACK , O SKAR W ÖRZ

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Berg im Zimmer

GLHVHIUYLHOH]XJlQJOLFKXQGHUOHEEDU]XPDFKHQXQGXPJHNHKUWVHKHQZLUHV DOVHLQHYRUQHKPHXQGDXFKZLFKWLJH5ROOHXQVHUHV9HUHLQVGHQ%HUJLQV=LPPHU ]XKROHQXQGGDPLWGLHNXOWXUHOOH7UDGLWLRQGHV9HUHLQVZHLWHU]XIKUHQ Christian Wadsack Präsident des Österreichischen Alpenvereins Oskar Wörz 9L]HSUlVLGHQWGHVgVWHUUHLFKLVFKHQ$OSHQYHUHLQV Bereich Kultur & Museum

A UTORENNAME £Kapiteltitel

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Berg im Zimmer

G OTTFRIED F LIEDL £Das Museum – Eine sichere Institution für unsichere Ansichten

Gottfried Fliedl Das Museum – Eine sichere Institution für unsichere Ansichten. Eine Vorbemerkung Das vorliegende Buch ist einer Ausstellung gewidmet, die von einem ungeZ|KQOLFKHQ$XIWUDJDXVXQWHUJOFNOLFKHQ8PVWlQGHQSURGX]LHUWXQGQDFKLKUHU Eröffnung außerordentlich positiv aufgenommen wurde. Der Auftrag war ungewöhnlich, weil es galt, ein existierendes Museum des Österreichischen AlpenverHLQVLQHLQHDXIIQI-DKUH/DXI]HLWEHUHFKQHWHVHPLSHUPDQHQWH$XVVWHOOXQJ]X verwandeln, man könnte also auch sagen in ein Museum auf Zeit. Dieses neue 0XVHXPKDWWHGXUFK2UWVZHFKVHOJUQGOLFKH$XIDUEHLWXQJGHU6DPPOXQJXQG Hinzuziehung verschiedenster Experten von Anfang an die Chance auf einen Neubeginn. Im Zentrum der Innsbrucker Altstadt, in einem prominenten historischen Bau, der Hofburg, situiert, sollte die Ausstellung auch eine Option auf ein späteres und auf Dauer eingerichtetes Museum sein. 'LHJOFNOLFKHQ8PVWlQGHODJHQLQGHU%HUHLWVFKDIWGHVgVWHUUHLFKLVFKHQ$OSHQYHUHLQVHLQHP7HDPYRQ([SHUWHQYHUWUDXHQVYROOXQGZHLWJHKHQGRKQH9RUJDEHQ GLH (UDUEHLWXQJ GHV .RQ]HSWV XQG VHLQH 5HDOLVLHUXQJ ]X EHUODVVHQ 6LH lagen aber auch in der Fähigkeit des Teams, den ganzen Prozess der Konzeption und Produktion ungewöhnlich integrativ zu gestalten. Das kann ich, als ein BeraWHUXQG0RGHUDWRUGHV3URMHNWHVDXVHLJHQHU(UIDKUXQJVDJHQ$OOHZHVHQWOLFKHQ Fragen des Konzepts und der Gestaltung, aber auch die diversen von außen aufHUOHJWHQVRJHQDQQWHQ6DFK]ZlQJHGHQHQNHLQ3URMHNWHQWNRPPHQNDQQZXUGHQ im gemeinsamen Gespräch bearbeitet und entschieden. 'DV%XFKLVWGHP3URMHNWDOV3UR]HVVJHZLGPHW(VLVWNHLQHZHLWHUH3XEOLkation zur Theorie des Ausstellens, kein museologisches Traktat und keine bloße 'RNXPHQWDWLRQ )U GLH /HVHUVFKDIW VROO QDFKYROO]LHKEDU ZHUGHQ YRQ ZHOFKHQ Grundlagen aus, die Planungen und Überlegungen ihren Anfang nahmen (MoniND*lUWQHU ZHOFKHURUJDQLVDWRULVFKH5DKPHQ]XU9HUIJXQJVWDQGXQGZHOFKH Erfahrungen man aus dem Arbeitsprozess ziehen kann (Gabriele Rath), welche und wie kuratorische (Beat Gugger) und gestalterische (Ursula Gillmann und Matthias Schnegg) Entscheidungen getroffen wurden, welches Echo die Ausstellung auslöste (Petra Nachbauer) und wie die drei vom Team zur Evaluation eingeladenen Expertinnen und der Experte die Ausstellung bewerteten und kritisierten (Roswitha Muttenthaler, Renate Flagmeier, Christian Rapp). Den Auftakt des Buches bilden drei Beiträge, die sich – aus höchst unterschiedlichen Blickwinkeln – mit dem Bergsteigen als „unverständliche Leidenschaft“ auseinandersetzen. Martin Scharfe, selbst im Ausstellungsteam, wendet den Blick des Kulturhistorikers der Selbstmodellierung der Affekte der BergVWHLJHU]XHLQHU(QWZLFNOXQJYRQEHUZlOWLJWHUVWDXQHQGHU6HOEVWHUIDKUXQJKLQ

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]XU$EVFKRWWXQJJHJHQEHUGHQHUVFKWWHUQGHQ(UIDKUXQJHQGHQHQPDQVLFKDP Beginn des Alpinismus noch aussetzte. Die Metapher der (gepanzerten) Ritter IU GHQ $OSLQLVPXV GHU GLV]LSOLQLHUWHQ *HIKOH YHUZHQGHWH DXFK :DOWHU .OLHU 6FKULIWVWHOOHUXQG$OSLQLVWGHULQHLQHPDXWRELRJUDÀVFKJHIlUEWHQ7H[W]ZLVFKHQ aufgeklärter Skepsis und Bekenntnis zur Leidenschaft Bergsteigen – gerade weil sie unverständlich ist – ironisch-melancholisch pendelte. Martin Schwiersch, wie GLHEHLGHQ*HQDQQWHQHEHQIDOOVHUIDKUHQHU%HUJVWHLJHUUFNWHPLWGHQ:HUN]HXJHQVHLQHUSV\FKRDQDO\WLVFKHQ3URIHVVLRQGHQ8UWHLOHQXQG9RUXUWHLOHQ]X/HLEH denen das Bergsteigen, zumal seine als ‚extrem‘ angesehenen Spielarten, ausgeVHW]WVLQG'DPLWLQGLUHNWDXFKGHU'HXWXQJGLHZLUGDV7HDP]ZDQJVOlXÀJXQG in Form einer Ausstellung dem Bergsteigen als „unverständliche Leidenschaft“ gegeben hatten. Martin Schwiersch kritisierte das Deuten grundsätzlich als ein „kognitives $EVFKOLH‰HQ´DOVHLQ6LFK$EZHQGHQYRP*HJHQVWDQGDXFKDOV$EZHKUJHJHQber dem, was er auslösen könnte. Lässt sich seine Überlegung nicht auch auf das 0XVHXPDQZHQGHQ",VWHVQLFKWVRGDVV0XVHHQGLHXP9HUHLQGHXWLJXQJLKUHU %RWVFKDIWEHPKWVLQGXPQDUUDWLYH6FKOVVLJNHLWXQG3ODXVLELOLWlWGHV9LVXHOOHQ JHUDGH GDQQ VLFK JHJHQ GLH 2EMHNWH XQG GLH %HVXFKHU ULFKWHQ" 1lPOLFK JHJHQ GLHXQHQGOLFKH,QWHUSUHWDWLRQVEHGUIWLJNHLWGHV2EMHNWVXQGGLHXQDEVFKOLH‰EDUH Deutungsfähigkeit des Betrachters? Museen und Ausstellung tendieren dazu, mit narrativer Unschuld kaum hinterfragbare Gewissheiten vorzutragen. Sie vermeiGHQMHQH2IIHQKHLWGLHGDV%XFKRGHUGHU)LOPRGHUGDV7KHDWHU]ZLVFKHQGHP Medium und dem Leser / Betrachter entstehen lässt. Martin Schwierschs Überlegung interessiert mich, weil sie zu einer der Prämissen passt, mit der die Arbeit an der Ausstellung begonnen hat. Wir wollten keine Botschaft vermitteln, keine (einzelne) Deutung, weder eine Geschichte alpiner Triumphe noch eine der männlichen Pathologie. Das Obsessive, Phantasmatische und Leidenschaftliche sollten nicht stillschweigend vorausgesetzt sein, sondern selbst zum Gegenstand der Recherche werden. Der Ehrgeiz ging also so ZHLWHWZDVYRP8QXQG9RUEHZXVVWHQHLQHVÄ7KHPDV¶]XU6SUDFKH]XEULQJHQ 2EMHNWH=LWDWHRGHU5lXPHN|QQHQZLH6\PSWRPHHWZDVEHUKDXSWHUVWOHVEDU PDFKHQ ZDV DQGHUQIDOOV āEHUVHKHQ¶ RGHU ÄYHUGUlQJW¶ ZUGH :HOFKH 6FKOVVH ein Besucher-Betrachter daraus zieht, wie er mit diesem Angebot umgeht, das soll ihm in großer Freiheit ermöglicht werden. Das Museum ist unter anderem ein auch buchstäblich sicherer Ort, als ArchiWHNWXUDOV2UW3HUPDQHQ]XQG:LHGHUKROEDUNHLWELHWHQGDOVJHVFKW]WHU5DXP LQGHPQLFKWQXUGLH2EMHNWHYRUGHP%HVXFKHUVLFKHUVLQGVRQGHUQLQJHZLVVHU :HLVHDXFKGLH%HVXFKHUYRUGHQ2EMHNWHQ(LQVROFKHLQ]LJDUWLJHUZLHPHUNZUdiger Raum hält Unsicherheit aus, die, wie wir gelernt haben, auch der Besucher aushält.

G OTTFRIED F LIEDL £Das Museum – Eine sichere Institution für unsichere Ansichten

So paradox wie der Titel der Ausstellung ist auch dieses Konzept: vielfältige Wege zu selbstbestimmter Deutung von etwas anbieten, was „unverständlich“ scheint und in gewisser Weise auch „unverständlich“ bleiben muss. Oder, wie man es mit Martin Schwiersch formulieren kann: Bergsteigen als „Traum“ behandelt, der nicht durch Deutung beendet werden sollte.

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Berg im Zimmer

M ARTIN S CHARFE £Das Herz der Höhe

Martin Scharfe Das Herz der Höhe. Ideen zu Seelengeschichte und Museologie des Alpinismus Der Titel, das Thema Mein Titel ist das Thema, mein Thema ist das Programm: Es geht um vorläuÀJH,GHHQ]XHLQHUVHHOHQJHVFKLFKWOLFKLQWHUHVVLHUWHQ0XVHRORJLHGHV$OSLQLVPXV die ich mit dem Etikett versehe: das Herz der Höhe. Dazu gleich mehr – zuvor aber noch eine Anmerkung, die Sie geduldig stimmen soll: Ich will zwar viel MaWHULDODXVGHU)UK]HLWGHV$OSLQLVPXVDXVEUHLWHQDEHUDXVGLHVHP0DWHULDOZLOO LFKHLQHQHXH7KHVHDEOHLWHQEHUGLH+DXSW(SRFKHQGHU*HVFKLFKWHGHV$OSLQLVPXVXQGLFKZLOODXVHLQHU%HWUDFKWXQJGHV:HVHQVGHV$OSLQLVPXV%DXVWHLQHIU die Theorie einer Museologie des Alpinismus gewinnen. Das Herz der Höhe: Ich verZHQGH GDV HKUZUGLJH ZRKO HWZDVDOWHUWPOLFKHXQGPHGLzinisch gesehen ohne Zweifel veraltete, aber gleichwohl bis heute nicht verabschiedete Bild vom Herzen als dem Sitz der Seele, das heißt: als Organ GHU *HPWVHPSÀQGXQJHQ (man ist ‚herzlich‘ – oder aber auch ‚herzlos‘) und des von den Seelenkräften angetrieEHQHQRGHUJHEUHPVWHQMHGHQIDOOV EHHLQÁXVVWHQ 7XQV PDQ ‚nimmt sich ein Herz‘ oder ‚das Herz fällt einem in die Hose‘!). Wenn ich mich recht XPJHWDQKDEHÀQGHQVLFKDXFK noch in der heute gesprochenen und geschriebenen deutschen Sprache an die drei Dutzend Redensarten, die dem alten Bild folgen – statt sie zu zitieAbb. 1: Der Blick in den offenen Himmel: eine Er- ren verweise ich nur auf zwei steigung des Jungfrauhorns im Jahre 1842. Federli- verdeutschte Stellen des Neuen Testaments: „von ganzem Herthographie 1844.

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]HQYRQJDQ]HU6HHOHXQGYRQJDQ]HP*HPWH´ VROOHQZLU*RWWOLHEHQVDJW-Hsus zu den Schriftgelehrten, Matthäus 22, 37) und: „ein Herz und eine Seele“ ZDUHQ GLH *WHUJHPHLQVFKDIW WUHLEHQGHQ HUVWHQ &KULVWHQ $SRVWHOJHVFKLFKWH  HLQH5HGHQVDUWGLHQRFKLQXQVHUHQ7DJHQGHQLURQLVFKHQ7LWHOIUHLQHEHliebte Fernsehserie abgeben konnte. Mit Hilfe solcher Erinnerungen also möchte ich mein Thema verstanden wissen: die Seele beim Bergsteigen und die GeVFKLFKWHGLHVHU6HHOH'HQQDXFKGDVVROOGLHDXVGHU*HVFKLFKWHEHUOLHIHUWH0Htapher Herz bedeuten: Es interessiert uns die Geschichte der Psyche in der Höhe GHU*HELUJH'DEHLLVWQLFKWQXUYRUDXVJHVHW]WGDVVVLHHLQH*HVFKLFKWHKDWVRQdern, dass sie auch eine andere Geschichte hat als in den ‚Ebenländern‘ (wie Guarinoni sagt1  ZHLO LKU LQ GHQ %HUJHQ DQGHUH (UIDKUXQJHQ (LQGUFNH %HODstungen und Leistungen zugemutet sind. 'RFK LVW GDV +HU] MD QLFKW QXU EHUZLQWHUWHV %LOG HLQHU DOWHQ XQG VFK|QHQ 9RUVWHOOXQJHVLVWDXFKZLUNOLFKHV/HLEHVRUJDQGDV]ZDUKHXWHVHLQH%HGHXWXQJ als Sitz der Seele verloren hat, aber doch keineswegs seine Bedeutung als Ursprungsort unserer zentralen Körperfunktionen. Insofern ist und bleibt das Herz ELOGOLFKHU$XVGUXFNGHU9RUVWHOOXQJ6HHOHXQG/HLEVHLHQDOV(LQKHLW]XEHWUDFKten – ein Gedanke, der (unter dem Motto: Leib und Seele!) nicht nur die Arbeit der Ausstellungsgruppe des Alpenvereinmuseums angefeuert hat, sondern der auch PHLQH hEHUOHJXQJHQ ELV ]XP (QGH EHJOHLWHQ VROO XQG EHUGLHV HLQ *HGDQNH GHUPLWVHLQHU:UGLJXQJGHV/HLEOLFKHQMHGHU5HÁH[LRQEHUGLHDOSLQLVWLVFKH 7lWLJNHLW DOV.|USHU7XQ ²DOVREHUGDVDOSLQLVWLVFKH7XQDQVLFK²V\PSDWKLVFK VHLQ PVVWH ZLH DXFK GDV 1DFKGHQNHQ EHU DOSLQH 0XVHHQ XQG $XVVWHOOXQJHQ EHÁJHOQN|QQWH'HQQVROFKH0XVHHQXQG$XVVWHOOXQJHQKHEHQVLFKMDYRQDOOHQ DQGHUHQ0HGLHQGHU9HUPLWWOXQJGDGXUFKDEGDVVVLH'LQJHSUlVHQWLHUHQGDVV VLH.|USHUOLFKNHLWXQGEHJUHLIEDUH9ROXPLQD]HLJHQ²HEHQ/HLEKDIWHVJHQDXHU noch: die leibliche Außenseite unseres Inwendigen. Die Larve abgenommen Die Seele im Negligé Das leiblich Auswendige als Ausdruck des seelisch Inwendigen: Jean Paul hat GLHVHV9HUKlOWQLVLP-DKUHLQHLQJUR‰DUWLJHV%LOGJHEUDFKWGDVLFKJOHLFK benennen will – 1801, der Montblanc ist erst seit einem guten Dutzend Jahren bestiegen, der Großglockner gerade mal ein Jahr, der Ortler wird in drei Jahren bestiegen sein, da treibt sein Luftschiffer Giannozzo im Ballon auf die Alpen zu

 9JO+LSSRO\WXV*XDULQRQLXV'LH*UHZHOGHU9HUZVWXQJ0HQVFKOLFKHQ*HVFKOHFKWHV Ingolstadt 1610. Neudruck Bozen 1993 und 1994.

M ARTIN S CHARFE £Das Herz der Höhe

und tut – ganz wie die Bergreisenden der Zeit – Blicke in die vernichtende Tiefe und in die schwindelnde Höhe. Bevor er aber, von Blitzen JHWURIIHQ LP *HZLWWHU DEVWU]W – „O, die schwarze Wolke frisset an der Sonne! – Das erhabene Land [das Gebirge, MSch] wird ein Kirchhof von Riesengräbern, und nur die weißen, hohen Epitaphien der Gletscher glänzen noch durch.“ – bevor also der Luftschiffer Giannozzo untergeht, entwirft er mit dem %LOGHGHUUHÁHNWLHUHQGHQ0DVNH oder Larve das Programm einer schonungslosen Selbstbeobachtung, die das tiefe Erschrecken, das sich in die Gesichter der erVWHQ+|KHQPHQVFKHQMHQHU-DKre einfrisst, so exakt registriert wie die neugewonnenen Daten der Naturverhältnisse. „Drunten“, so Giannozzo beim Blick Abb. 2: Konzentrierter Blick durchs Mikroskop: in die Niederungen, drunten Kleinstlebewesen auf dem Montblanc, 1859. Feder- ÅOLHJHQGLHPGHQ:DFKVODUYHQ auf dem Hinterkopf, hier oben lithographie 1859. VWHKWHLQHUHÁHNWLHUHQGHDXIGHP +DOVVDJWLFKXQGJULIIEHUPHLQ*HVLFKWXPVROFKHVZLHHLQH/DUYHDE]XQHKmen und zu besehen.“2 ,FKJULIIEHUPHLQ*HVLFKWXPVROFKHVZLHHLQH/DUYHDE]XQHKPHQXQG]X EHVHKHQ ² GDV LVW QLFKW QXU HLQ EHUDXV VWDUNHV %LOG GDV LVW ]XJOHLFK DXFK HLQ XQJHPHLQ VWDUNHV 3URJUDPP GDV 3URMHNW HLQHU XQYRUHLQJHQRPPHQHQ  6HOEVWbeobachtung und einer nichts beschönigenden Ausstellung des eigenen Ichs, ZLHHV-HDQ-DFTXHV5RXVVHDXJOHLFKLQGHQHUVWHQEHLGHQNKQHQ6lW]HQVHLQHU

 -HDQ3DXO'HV/XIWVFKLIIHUV*LDQQR]]R6HHEXFK$OPDQDFKIU 0DWURVHQZLHVLHVHLQ sollten [1801]. Leipzig 1912. Neudruck Frankfurt am Main 1987, S. 132, 63. – Der ‚GianQR]]R¶LVWXUVSUQJOLFKDOV$QKDQJ]X-HDQ3DXOVÄ7LWDQ¶HUVFKLHQHQ

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Berg im Zimmer

‚Bekenntnisse‘ proklamiert hatte, 1781.3 Schon ein Jahr später – man sieht die Stimmung, den Bedarf! – veröffentlichte Karl Philipp Moritz in Berlin den Plan einer „Experimentalseelenkunde“4, also einer auf streng wissenschaftlichen BeREDFKWXQJHQIX‰HQGHQ3V\FKRORJLHXQGQRFKPDOVHLQ-DKUVSlWHUEHJDQQ HUGDV3URMHNWGHVLQ]HKQ%lQGHQHUVFKLHQHQHQÄ0DJD]LQV]XU(UIDKUXQJVVHHlenkunde‘5GDVHLQH)OOHYRQ6WRIIXQG5HÁH[LRQHQ]XPUlWVHOKDIWHQ/HEHQGHU menschlichen Psyche versammelte, die man nun „im Nachtkleide“ – also gleichVDPQDFNW²YRUJHIKUWVDK ZLHGHU)UHLKHUUYRQ.QLJJHGHUÄIUHLH+HUU.QLJJH¶ formulierte, 1788)6 oder „im höchsten Negligé“, wie Friedrich Hölderlin schrieb (1795)7XQGJHUDGH+|OGHUOLQZXVVWHVHKUZRKOZDVHUVDJWHOHJWHHUGRFKPLW den verschiedenen Fassungen seines Empedokles (seit 1797) Analysen der Problematik und Seelennöte des Bergsteigers seiner Zeit vor, deren Tiefe man erst heute zu begreifen beginnt: Es geht um Problematik und Tragik des Naturwissenschaftlers, der den angestrebten Gipfel des Berges erreicht und sich gerade deshalb – gescheitert sieht.8 Heißes Herz Mag sein, dass nicht alle Bergreisenden der ersten Zeit – der Zeit um 1800 ²VLFKGLHVHQ$EJUXQGGHV1DFKGHQNHQVEHUVLFKVHOEVW]XPXWHQZROOWHQDEHU GDVV VLH $XINOlUXQJ EHU GLH 6HHOH EHWUHLEHQ PXVVWHQ VROOWH LKU 8QWHUQHKPHQ gelingen, das wussten sie alle. Franz Joseph Orrasch, der einfache und doch so gebildete wie bestrebte Landpfarrer, der aufgeregte Teilnehmer und aufregend genaue Beobachter und Protokollant der ersten Großglocknerbesteigung des JahUHV²2UUDVFKDOVRVNL]]LHUWHGDV3V\FKRJUDPPGHUIUKHQ%HUJUHLVHQGHQ mit wenigen Worten folgendermaßen: Es seien Männer (und es seien Männer gefordert!), die einerseits „die Natur, ihre Räder und ihre Triebfeder durchforschen“, die andererseits aber zugleich „gewohnt“ seien, ihr eigenes „Innerstes zu durchforschen“, die eigene „Hinfälligkeit“ zu betrachten, sich mit dem Tode zu ÅYHUEUGHUQ´XQGYRUDOOHPEWHQVLHÅ%HGUIQLVVHYRQGHU)UHXGH´XQGÅ)UHXGH  9JO-HDQ-DFTXHV5RXVVHDX%HNHQQWQLVVH IUDQ]|VLVFKH$XVJDEH )UDQNIXUWDP Main 1985, S. 37. 4 Karl Philipp Moritz: Aussichten zu einer Experimentalseelenkunde. Berlin 1782.  9JOGHUV.)3RFNHOV6DORPRQ0DLPRQ +J 0DJD]LQ]XU (UIDKUXQJVVHHOHQNXQGH DOVHLQ/HVHEXFKIU*HOHKUWHXQG8QJHOHKUWH%lQGH%HUOLQ  $GROSKYRQ.QLJJHhEHUGHQ8PJDQJPLW0HQVFKHQ $XÁ 1DFKGHU$XÁ 1790. Frankfurt am Main 1977, S. 77. 7 Zit. nach Adolf Beck: Hölderlin. Chronik seines Lebens. Frankfurt am Main 1975, S. 56.  9JO GD]X 0DUWLQ 6FKDUIH %HUJ6XFKW (LQH .XOWXUJHVFKLFKWH GHV IUKHQ $OSLQLVPXV 1750-1850. Wien, Köln, Weimar 2007, S. 87.

M ARTIN S CHARFE £Das Herz der Höhe

YRQGHU:ROOXVW]XXQWHUVFKHLGHQ´DOVRNXU]XQGPRGHUQJHVDJWLKUH*HIKOH zu analysieren – „Unter so einer Gesellschaft war ich am Glokner.“9 Den „Mann YRQ*HIKO´QDQQWHHLQDQGHUHU%HUJUHLVHQGHUGLHVHQ7\SXV10 den Zeit und Ziele zugleich erheischten wie geschaffen hatten. (VIHKOWPLUGLH=HLWXPQXQZLHHVQRWZHQGLJZlUHGLHVHHOLVFKHQ(UVFKWWHUXQJHQ YRU]XIKUHQ GHQHQ GLH H[WUHPHQ %HUJVWHLJHU GHU $QIDQJV]HLW DXVJHVHW]WZDUHQ$EHULFKGDUIZHQLJVWHQVÁFKWLJDXIGHQ0RQWEODQF+HURV6DXVVXUH hinweisen und die Protokolle seiner Bangnis, mit denen die Alpingeschichtsschreibung der letzten hundert Jahre nichts anzufangen wusste11 XQG DXFK DXV Saussures Protokollen will ich nur eine einzige Szene in Erinnerung rufen, in GHUHQ=HQWUXPGHUVRNKOGHQNHQGHZLHSUl]LVHVFKUHLEHQGH1DWXUJHOHKUWHXQG $OSLQLVWGDVXQJHZ|KQOLFKVWH%LOGSODW]LHUWKDWIUGDVEODQNH(QWVHW]HQXQGGDV WLHIH(UVFKUHFNHQGDVLKQEHUNRPPWXQGGDVHUDQVLFKEHREDFKWHW12 6DXVVXUHXQWHUQDKPLP6HSWHPEHUPLWHLQHUVLHE]HKQN|SÀJHQÄ.DUDZDQH¶HLQHQGHU9HUVXFKHGHQ0RQWEODQF]XHUVWHLJHQ HLQHQ9HUVXFKGHUZLHYLHOH DQGHUHQRFKQLFKWDQV=LHOIKUWH 'LH%HJOHLWHUXQG+HOIHUKDWWHQVLFKOlQJVW LQ GLH HLJHQV HUULFKWHWH 6FKXW]KWWH ]XUFNJH]RJHQ (U VHOEVW DEHU EHREDFKWHWH Dunst, Wolken, Färbungen, das Heraufziehen des Abends und der Nacht, den $XI]XJGHUPDWWJOlQ]HQGHQ6WHUQHGDVEODVVH/LFKWDXIGHQ%HUJHQHUVSULFKW von „großen Massen und Entfernungen“, von Ruhe und tiefer Stille – all das habe LKP ÅHLQH $UW YRQ 6FKDXHU´ HLQJHÁ|‰W ÅHV NDP PLU YRU >«@´ VFKUHLEW HU XQG EHQW]W QXQ MHQHV XQJODXEOLFKH %LOG GDV LFK DQJHNQGLJW KDEH Å>«@ DOV ZHQQ LFKGDVJDQ]H:HOWDOOEHUOHEWKlWWHXQGQXQVHLQHQ/HLFKQDP]XPHLQHQ)‰HQ ausgestreckt sähe.“13  )UDQ]-RVHSK2UUDVFK>5HLVHDXIGHQ*ORFNQHU@,Q0DULDQQH.OHPXQ«PLW0DGDPH Sonne konferieren. Die Großglockner-Expeditionen 1799 und 1800. Klagenfurt 2000, S. KLHU6I 10 )UDQ] 0LFKDHO 9LHUWKDOHU 0HLQH :DQGHUXQJHQ GXUFK 6DO]EXUJ %HUFKWHVJDGHQ XQG Österreich. 2. Band. Wien 1816, S. 269. 11 9JOKLHU]XGLHVRWLHIHQZLHHUIULVFKHQGHQ(LQVLFKWHQGLHZLU&ODXGH5HLFKOHUYHUGDQNHQ (QWGHFNXQJ HLQHU /DQGVFKDIW 5HLVHQGH 6FKULIWVWHOOHU .QVWOHU XQG LKUH $OSHQ *HQI  $XVGHP)UDQ]|VLVFKHQYRQ5ROI6FKXEHUW=ULFKEHV6 12 ,FK HUODXEH PLU GLH QlFKVWHQ GUHL $EVlW]H KHU]XVHW]HQ DXV PHLQHP 9RUWUDJ 'DV (UVFKUHFNHQ GHV 6LHJHUV $QPHUNXQJHQ ]X IUKHQ %HUJEHVWHLJXQJHQ ,Q 0LFKDHOD )DKlenbock, Lukas Madersbacher, Ingo Schneider (Hg.): Inszenierung des Sieges – Sieg der Inszenierung. Innsbruck 2009 (im Druck). 13 ,FK]LWLHUHQDFKGHUhEHUVHW]XQJYRQ5LFKDUG:HLVV+RUDFH%pQpGLFWGH6DXVVXUH9HUsuch einer Montblanc-Besteigung. In: Richard Weiss (Hg.): Die Entdeckung der Alpen. Eine Sammlung schweizerischer und deutscher Alpenliteratur bis zum Jahre 1800. FrauHQIHOG/HLS]LJ6KLHU6

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(VLVWQLFKWQXUGLHWRWDOH9HUHLQVDPXQJLP(UIROJZHOFKHGHQ6FKUHFNHQHU]HXJWHVLVWDXFKQLFKWGLH/HHUHGHV(UIROJVGHPQLFKWVPHKUIROJWGLHVHHOLVFKH Irritation, die hier festgehalten ist, entspringt auch nicht allein aus der Erfahrung, dass die gewohnten Weisen der Erfahrung außer Kraft gesetzt sind. Das Bild Saussures vom Leichnam des Weltalls, auf den er hinabblickt, will vielmehr sagen: Nicht nur den Blick Gottes vom Himmel herab auf seine Werke hat sich der 0HQVFKDQJHHLJQHWHUEHUVWHKWDXFKQRFKZLGHUDOOHXQDXVJHVSURFKHQH(UZDUWXQJGLHVHQ$NWGHU+\EULV'LHVH7DWEHUOHEW]XKDEHQXQGQLFKWVHOEVWWRW]X sein (Saussure sieht den Leichnam des Weltalls und nicht seinen eigenen!) – das ist die neue Erfahrung, die den Menschen erschaudern lässt. Es ist im Grunde HLQ'pMjYXQlPOLFKGLH:LHGHUKROXQJGHVELEOLVFKHQ6QGHQIDOOV *HQHVLV 17 und 3, 4). Gott verbietet dem Menschen, vom Baum der Erkenntnis zu essen: „Welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben. Die Schlange hingegen sagt: Ihr werdet mitnichten des Todes sterben – und sie hat recht, und das ist die grässlichste Erfahrung.“

Abb. 3: Die Naturformen im heißen Herzen als EHUZlOWLJHQGH *URWHVNH DEJHVSLHJHOW hEHUschreitung des Bossons- und des Taconnaz-Gletschers am Montblanc, 1859. Farblithographie 1859.

Saussure und seinesgleichen VLQG QLFKW GHVKDOE EHU DQGHUH KHrausgehoben, weil sie Angst und Schrecken geleugnet hätten, sondern weil sie Angst und Schrecken zuließen und dokumentierten (und uns ihre vermeintliche Schwäche ausstellen und sie betrachten lassen) – und doch nicht in Angst und Schrecken untergingen. Sie hatten nämlich ein Hilfs- und Heilmittel entdeckt: Kultur, die avancierte Kultur der Aufklärung, vor allem die Supervisionsmittel Beobachten, 0HVVHQ $XIVFKUHLEHQ 5HÁHNWLHren, das heißt (in einem sehr weiten Sinne) nichts anderes als Wissenschaft. Ohne das wissenschaftliche (QJDJHPHQW MD GLH ZLVVHQVFKDIWOLFKH 9HUERKUXQJ ² DOV 'LV]LSOLnierungsmittel der Affekte – wäre der Alpinismus nicht entstanden. Unmittelbar nachdem sich SaussuUH DQ MHQHP 6HSWHPEHUDEHQG GHV Jahres 1785 der Einfall aufgedrängt

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KDWWHHUKDEHGHQ7RGGHV:HOWDOOVEHUOHEWXQWHUQDKPHUVHULHOOH7HPSHUDWXUPHVVXQJHQ.XU]YRUGHUVFKDXGHUKDIWHQ(PSÀQGXQJKDWWHHUVHLQH0HVVJHUlWH installiert und, wie er schreibt, einen Felsen (!) zu seinem Observatorium erwählt – die Szene fällt auf, weil sie, eigentlich ohne Not, wie ein Schattenriss vor unserem Auge ersteht: „Ich aber stand zu oberst auf dem Felsen und maß mit meinem Elektrometer den Grad der Luftelektrizität.“14 Ich erwähne die beiden UXKLJHQ0HVV6]HQHQZHLOVLHMHQHGULWWH6]HQHGHV(QWVHW]HQVYRQGHUGLH5HGH ZDUJHZLVVHUPD‰HQHLQUDKPHQGLHPDQLVFKH0HVVWlWLJNHLW EHUGLHPDQVLFK heute in Romanen lustig machen darf – unter großem Beifall des Publikums!) und GLHQLFKWHQGHQZROOHQGH$XIVFKUHLEDUEHLWZlKUHQGGHUIUKHQ%HUJUHLVHQQLFKW zuletzt auch als Methode gesehen, den Schrecken hinabzuarbeiten und das heiße Herz kalt zu machen.

$EE'DV]XU.DOWEOWLJNHLWDEJHULFKWHWH+HU]VLHKWGLH1DWXUIRUPHQGRPHVWL]LHUW3DQRUDma vom Finsteraarhorn zum Rinderhorn. Kupferstich 1804.

Verlarvung Kaltblütigkeit 'LHVHU=XVDPPHQKDQJZDU²GUIHQZLUVDJHQDOV3V\FKRWKHUDSLH"²EDOG HUNDQQW.DOWEOWLJNHLWZDUGDVQHXH6WLFKZRUW6FKRQ%RXUULWGHU6FKDWWHQ6DXVVXUHVXQGQLPPHUPGH3URWRNROODQWGHUIUKHQ0RQWEODQF8QWHUQHKPXQJHQ² YRUDOOHPXQGGDIULVWHUKRFK]XVFKlW]HQGHUIUKHQ6HHOHQ([NXUVLRQHQ² glaubte sich sicher, dass es unmöglich sei, die alpinistischen Ziele zu erreichen und der Natur frei entgegenzutreten, wenn man nicht „frey von Leidenschaften und Gewissensbissen“ sei.15 ‚Frei von Gewissensbissen‘ heißt: Man darf und will 14 Ebd. S. 166. 15 Mark Theodor Bourrit: Schilderung seiner Reise nach den Savoyischen Eisgebirgen. 2 Teile. Gotha 1775. Teil 1, S. 85. Ich zitiere nach Monika Wagner: Das Gletschererlebnis. 9LVXHOOH 1DWXUDQHLJQXQJ LP IUKHQ 7RXULVPXV ,Q *|W] *UR‰NODXV (UQVW 2OGHPH\HU (Hg.): Natur als Gegenwelt. Beiträge zur Kulturgeschichte der Natur. Karlsruhe 1983, S. KLHU6

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kein schlechtes Gewissen mehr haben wegen der Ersteigung der höchsten Berge, GLHVLFKVHLWKHUYRQVHOEVWYHUERWHQKDWWHGLH%UHFKXQJHLQHVDOWHQ7DEXVVROOQXQ mit ruhigem Gewissen erfolgen. ‚Frei von Leidenschaften‘ heißt: Disziplinierung GHU(PRWLRQHQ3URJUDPPGHU.DOWEOWLJNHLW

$EE*LSIHOV]HQHPLWYRQGHU6FKZlFKHEHUPDQQWHP%HUJVWHLJHU$TXDWLQWDXP

*HJHQGHQÄ0DQQYRQ*HIKO¶ZDUDOVREDOG YLHOOHLFKWDXFKJOHLFKYRQ$QIDQJDQ" GHU0DQQLQ6WHOOXQJJHEUDFKWGHUVHLQH*HIKOHEHKHUUVFKWJHJHQGDV heiße Herz wurde das kalte Herz gesetzt. Gegen den Mann, der ob der neuen Tat erschrickt (wir erinnern uns an Saussures Entsetzen!), trat nun der Mann an, dem die freche neue Tat keine Gewissensbisse mehr verursacht. Oder, mit dem Bilde von Jean Pauls Giannozzo gesprochen: Der Mann, der seine Maske vom Gesicht nimmt und kritisch besieht, wird abgelöst vom Mann, der die Larve vor seinem Gesicht lässt – der sich also nicht mehr ins Gesicht und noch weniger ins Innere EOLFNHQ ODVVHQ ZLOO HV LVW GHU QHXH 0DQQ GHV KHUDXIGlPPHUQGHQ  -DKUKXQderts, der sich seelisch und kulturell abpanzert mit einer forcierten Männlichkeit. Auf die kulturelle Gebärde der Öffnung des Herzens folgte also rasch die GeElUGHGHU9HUNDSVHOXQJGHV+HU]HQVMDYLHOOHLFKWZDUGHU*HElUGHGHU2IIHQKHLW von allem Anfang an schon ihr eigener Widerspruch eingelagert (und vielleicht ZDUGDVMDDXFKQRWZHQGLJHUZHLVHVR" -HGHQIDOOVZDUEDOGGHU3XQNWHUUHLFKWDQ dem die ‚Freiheit von Leidenschaften‘ in einen Zwang zur Leidenschaftslosigkeit XPVFKOXJ'LH)RUVFKHUGLHPLW+LOIHYRQ6FKZHL]HU)KUHUQGDV-XQJIUDXKRUQ im Jahre 1841 erneut erstiegen haben, sind, lesen wir, allesamt „sehr ergriffen“ –

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der Leiter der Expedition, Louis Agassiz, ist sogar so sehr ergriffen, dass er diese 6WLPPXQJVHLQHP3URWRNROODQWHQQXUÁVWHUQGPLWWHLOW8QGGLHVHUVHW]WGHU0LWteilung den aufschlussreichen Satz hinzu: „Wir hätten geweint, wären wir allein JHZHVHQDOOHLQGLH0DFKWGHU*HZRKQKHLWLVWVRJUR‰GDVVVHOEVWLQ)X‰ Höhe die erkaltende Etiquette noch um uns herrschte, und wir uns der Thränen schämten.“16 Erkaltende Etikette, erkaltetes Herz – die Stelle ist so bedeutsam, ZHLOVLHGLH'LV]LSOLQLHUXQJGHU*HIKOHEHPHUNWXQGYHUPHUNWGLHLQQHUKDOEYRQ zwei, drei, vier Jahrzehnten installiert werden konnte: Die Larve wird fest vors Gesicht gepresst, wo man doch zwei, drei, vier Jahrzehnte davor die Larve noch abgenommen hätte, um zu seKHQZLHGLH(LQGUFNHMD(UVFKWWHUXQJHQ GHU 6HHOH VLFK im Gesicht abbilden: in den 9HU]HUUXQJHQ GHV 6FKUHFNHQV und der Übermannung, in den Gesten der weit aufgerissenen Augen und des Weinens. Männlichkeit, Anti-Feminismus Doch das auf der Jungfrau GHV -DKUHV  XQWHUGUFNWH Weinen zeigt nicht nur eine neue Disziplinierung der Seele an (eine kulturelle Disziplinierung der Seele!), sondern Abb. 6: Der aufrechte Bergsteiger als Siegertyp. auch eine Disziplinierung GHV/HLEHVGHQQ:HLQHQLVWMD Farbdruck 1901 nach Entwurf von Ernst Platz. 16 Eduard Desor: Die Besteigung des Jungfrauhorns durch Agassiz und seine Gefährten. $XVGHP)UDQ]|VLVFKHQYRQ&DUO9RJW6RORWKXUQ6ZRUWJOHLFKDXFKLQGHUV Agassiz [sic] geologische Alpenreisen. Unter Agassiz [sic] Mitwirkung verfaßt. Deutsch YRQ&DUO9RJW)UDQNIXUWDP0DLQ6DXFKGLHVWDUNYHUPHKUWH$XÁHQWKlOW GLHRIIHQEDUIUEHGHXWVDPJHKDOWHQH6WHOOHGHUV$JDVVL]·XQGVHLQHU)UHXQGHJHRORJLVFKH$OSHQUHLVHQLQGHU6FKZHL]6DYR\HQXQG3LHPRQW8QWHU$JDVVL]·6WXGHU·VXQG&DUO 9RJW·V0LWZLUNXQJYHUID‰WYRQ('VWDUNYHUP$XÁ)UDQNIXUWDP0DLQ6

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nichts anderes als ein leiblicher Ausdruck der Seele. Das heißt: Auch der Leib, dessen große Bedeutung man soeben neu entdeckt hatte (Forschung nicht mehr im Labor, in der Studierstube, sondern auf der Höhe des Berges, die erst errungen werden muss!17 ²DXFKGHU/HLEZLUGZLHGLH6HHOHDXI.DOWEOWLJNHLWJHWULPPW anders gesagt: Der Leib wird zum Körper instrumentalisiert, also, wenn man es so paradox sagen darf: auf optimale Funktionen reduziert.18 Und kein Zufall wird es sein, wenn der Leib nicht nur zum bestens funktionierenden, sondern gleichzeitig auch zum männlichen Körper modelliert wird – also zum maskulinen Geschlechtskörper, der dem weiblichen Pendant die Tauglichkeit zur alpinen Hochleistung abspricht – und zwar nicht mehr (wie vorher) in gleichsam kultureller Naivität, sondern explizit und prononciert. Denn HUVWLP-DKUKXQGHUWEDXWVLFKMHQHUDJJUHVVLYH$QWL)HPLQLVPXVDXIGHUPLW Krokodilstränen die „Tragödie des Weibes“ beklagt – des Weibes, das Kinder gebären und aufziehen muss, „dessen Beruf und Sehnen im Kinde“ also nicht nur „gipfelt“, sondern auch „endet“ (so der Alpinismus-Theoretiker Erich König um 1900)19XQGGDVGHVKDOEYHUSÁLFKWHWLVWGDVJHIlKUOLFKH*HELUJH]XPHLGHQ ZlKUHQGGHP0DQQHGHU/X[XVGHU7RGHVJHIDKU]XVWHKWHLQHIUZDKUKlVVOLFKH MDPHQVFKHQYHUDFKWHQGH,GHRORJLHGLHZHLWH6WUHFNHQGHU*HVFKLFKWHGHV$OSLQLVPXVEHKHUUVFKWKDWXQGGHUHQ5HVWHHLQHPELVKHXWHDXV*LSIHOEFKHUQXQG DXVGHQ0lQQHUZLW]HQYHUKRFNWHU+WWHQUXQGHQHQWJHJHQPRGHUQGDV$XVKDOWHQ der Gefahr als (um es mit einem passend hässlichen Wort aus der Psychologie des Ökonomismus zu sagen:) männliches ‚Alleinstellungsmerkmal‘. Wer genauer hinsieht, kann leicht erkennen, dass der Anti-Feminismus des Alpinismus zwar die lange Dauer eines ganzen Jahrhunderts in Anspruch nahm, dass er aber zuJOHLFK YRQ $QIDQJ DQ HLQ 5FN]XJVJHIHFKW ZDU HLQH XP HV VR ]X VDJHQ DXV Angst aggressiv gefasste Defensive gegen weibliche Emanzipationstendenzen, 17 9JO]%GLH+LQZHLVHGHV*HQIHU3KDUPD]HXWHQ3HWHU%XWLQL$OOJHPHLQH%HREDFKWXQJHQEHUGLH*HEUJHDXIHLQHU$OSHQUHLVHJHVDPPOHWDXVGHP)UDQ]|VLVFKHQEHUVHW]W ,Q 6FKULIWHQ GHU %HUOLQLVFKHQ *HVHOOVFKDIW QDWXUIRUVFKHQGHU )UHXQGH  6  hier: S. 1. 18 9JO GD]X 0 6FKDUIH %HUJ6XFKW ZLH $QP   6  'HU %HJULII GHV /HLEHV  zur Differenz zwischen Leib und Körper vgl. Hermann Schmitz: Der Leib (= System der Philosophie, Band 2, Teil 1). Bonn 1965. – Wie man am erstaunlich exakten Bericht des 7KHRORJLHVWXGHQWHQ6WDQLJEHUVHLQH:DW]PDQQ(UVWHLJXQJLP-DKUHVHKHQNDQQ lässt sich diese Umdeutung des Leibes – wie die Panzerung der Seele! – schon gleich zu %HJLQQGHV$OSLQLVPXVEHREDFKWHQ9JOGD]X0DUWLQ6FKDUIH9DOHQWLQ6WDQLJEHVWHLJW den Watzmann, 1800. Fallstudie zu einer kulturellen Szene. In: Harm-Peer Zimmermann +J  :DV LQ GHU *HVFKLFKWH QLFKW DXIJHKW ,QWHUGLV]LSOLQlUH $VSHNWH XQG *UHQ]EHUVFKUHLWXQJHQLQGHU.XOWXUZLVVHQVFKDIW9RONVNXQGH0DUEXUJ6 19 Erich König: Alpiner Sport. Leipzig o. J. (1902), S. 27.

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GLHVLFKLQGHUEUJHUOLFKHQ.XOWXUVHLW(QGHGHV-DKUKXQGHUWVXQEHUK|UEDU zu Wort gemeldet hatten. Dass wir heute in der Lage sind, historische Tendenzen wie die Erkaltung des Herzens – und speziell des männlichen Herzens! – zu erkennen, zeigt uns an, dass wir sie im Prinzip hinter uns gelassen haben. Wir können es also wagen, in groben Strichen drei Epochen der Seelen- und Leibgeschichte des Alpinismus zu skizzieren – etwa folgendermaßen:

$EE'HU6WXU]DXIGHP5RWWDOJOHWVFKHUGDV9HUVDJHQGHV%HUJUHLVHQGHQGHV0DQQHVZLUG ausgestellt. Aquarell von Martin Disteli, 1830.

Herz-Zeiten (Zwischenbilanz) Eine erste Phase – sie dauerte etwa von 1780 bis 1830, also immerhin ein rundes halbes Jahrhundert lang! – nenne ich die Zeit des heißen Herzens. Es galt QLFKW QXU DOV ]XOlVVLJ VRQGHUQ JDU DOV HUZQVFKW MD QRWZHQGLJ VHOEVW GLH H[tremsten Emotionen zu äußern und zu kommunizieren: Emphase wie Euphorie,

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Angst wie Entsetzen. Der Leib war noch nicht zum Körper instrumentalisiert, DOVRQRFKRIIHQIUHLJHQWPOLFKH6LQQHVHUIDKUXQJHQ²6FKZHEHQHWZDRGHU9HU]HUUXQJHQGHV%OLFNV6FKUXPSIXQJHQRGHU$XIEOlKXQJHQGHV/HLEHVHLQ9HUVDgen dieses Leibes – Schwäche, Schwindel, Ohnmacht, Bergkrankheit – galt nicht als peinlich. Und all dies ist so offenherzig und öffentlich dokumentiert, dass die Alpinhistoriker den Dokumenten nicht geglaubt haben. Mit Jean Pauls Giannozzo gesprochen: Das Gesicht – als Spiegel der Seele – wurde wie eine Larve DEJHQRPPHQXQGJUQGOLFKEHWUDFKWHW Die nächste Phase – die längste, sie begann um 1830 und dauerte möglicherweise anderthalb Jahrhunderte, also bis vor kurzem – nenne ich die Zeit des erkalteten, des kalten Herzens20GLH=HLWGHU.DOWEOWLJNHLW21. Der Alpinist ist nun ‚kalt wie der Teufel‘ und lässt die Larve vor das Gesicht gepresst, weil er ihre (QW/DUYXQJYHUUlWHULVFKÀQGHW0DQZLOOIUHLVHLQYRQ/HLGHQVFKDIWHQXQGIUHL YRQ*HZLVVHQVELVVHQGLH6HHOHNHQQWNHLQH6FKUHFNHQPHKUGHU/HLEGHUQXQ Körper ist, keine Leiden: Bergkrankheit gilt als Einbildung schwacher CharakteUH9RUDOOHPDEHUVLFKHUQVLFKGLHQHXHQ.|USHUDEPLWHLQHPPDVNXOLQHQ3DQ]HU mit dem Panzer eines aggressiven Anti-Feminismus, der sie, so hoffen und glauben und handeln sie, ihre ‚letzten Ziele‘ erreichen lässt. Da nun diese ‚letzten Ziele‘ erreicht sind, kann der so kämpferische wie verOHW]OLFKH0DVNXOLVPXVZLHGHUDEUVWHQHUKDWDXFKZHQQHUP|JOLFKHUZHLVHHLQH =HLWODQJNXOWXUHOOÄQRWZHQGLJ¶JHZHVHQVHLQVROOWHDXVJHGLHQW'LH%HULFKWHEHU QHXHV/HLE6SUHQGLH%HULFKWHEHUQHXHV1DFK,QQHQ+|UHQKlXIHQVLFKVHLW HLQLJHQ-DKU]HKQWHQGLH9HUNUDPSIXQJHQVFKHLQHQVLFKLQGHUGULWWHQXQGQHXHVWHQ3KDVHGLHGLH(UIDKUXQJHQDOOHUIUKHUHQ=HLWHQLQHLQHU6\QWKHVHYHUHLQW]X ORFNHUQLFKQHQQHVLHDOVRGLH=HLWGHVWHPSHULHUWHQ+HU]HQV:HUNRQNUHWHUH([HPSHOIUGLHVHGULWWHXQGJHJHQZlUWLJH3KDVHGHV$OSLQLVPXVVXFKWGDUIDQGLH wachsende Selbstverständlichkeit des Frauen-Bergsteigens erinnert werden, an

20 Es ist wohl kein Zufall, dass in den Jahren 1826/28 auch Wilhelm Hauffs Erzählung ‚Das NDOWH+HU]¶ LQ]ZHL7HLOHQHLQJHIJWLQGLH5DKPHQJHVFKLFKWHÄ'DV:LUWVKDXVLP6SHVVDUW¶ HUVFKLHQHQLVW=ZDUJHKWGLH7HQGHQ]LQV0RUDOLVFKHGRFKLVWDXFK+DXIIVÄNDOWHV¶ RGHUÄVWHLQHUQHV+HU]¶DXVJH]HLFKQHWGXUFK8QHPSÀQGOLFKNHLWJHJHQ*HIKOHDOOHU$UW 21 =XU%HGHXWXQJGHU.DOWEOWLJNHLWLQGHUIUKHQ*HVFKLFKWHGHV$OSLQLVPXVYJO06FKDUIH%HUJ6XFKW ZLH$QP EHV6I$XIGLH%HWRQXQJGHU.DOWEOWLJNHLWXQGGHU Freiheit von Gewissensbissen im Werk des Marquis de Sade kurz vor 1800 ist schon vor mehr als sechs Jahrzehnten hingewiesen worden von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno in: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Amsterdam 1947, S. 115 f.

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GLH.HKUWZHQGHJHJHQGLHIRUFLHUWHQ2UJDQSURMHNWLRQHQ 22 (also die technischen .|USHUXQWHUVWW]XQJHQHWZDGXUFK6DXHUVWRIIRGHUJHQDJHOWH:lQGH YRUDOOHP DEHUDQHLQHQHXH1DFKGHQNOLFKNHLWVRZRKOEHUGLH$X‰HQEHGLQJXQJHQGHV$OSLQLVPXV GLH|NRORJLVFKH)UDJH DOVDXFKEHUVHLQH,QQHQEHGLQJXQJHQ GLH)UDge des Seelenlebens, der seelischen Ressourcen und Erfahrungen). Freilich wird niemand von diesem historischen Entwicklungsschema GeZLQQKDEHQGHUHVDOVVWDUUHV*HUVWDQVLHKWVWHWVZLUGPDQPLWLQQHUHQ:LGHUVSUFKHQUHFKQHQPVVHQPLWhEHUODSSXQJHQ9HU]|JHUXQJHQMDPLW1DFKKDOO XQG5HJUHVVLRQXQGHEHQVRZLUGPDQDXIYRUDXVHLOHQGH$KQXQJHQVWR‰HQDXI DXIGlPPHUQGHQ 9RUVFKHLQ XQG SUDNWLVFKHQ 9RUJULII 'RFK VLQG GDV PHWKRGRORJLVFKH 3UREOHPH GLH VLFK EHL MHGHP 9HUVXFK KLVWRULVFKHU ² ]XPDO VHHOHQJHVFKLFKWOLFKHU²(WDSSHQELOGXQJHLQVWHOOHQGUIWHQXQGGLHLQVEHVRQGHUHDXFKLQ HLQHU0XVHRORJLHGHV$OSLQLVPXVEHGDFKWZHUGHQPVVWHQ Die Larven ausgestellt Lohn und Konsequenzen des Paradigmenwechsels Mir scheint, als seien Museologie und Ausstellungswesen des Alpinismus auf dem Weg zu einer neuen Sichtweise besonders weit vorangeschritten. Ich HULQQHUH DQ 3URMHNWH EHU Sinneserfahrungen im GeELUJH *HUFKH HWZD RGHU Geräusche), ich verweise auf die Innsbrucker Leibund-Seele-Ausstellung mit $VSHNWHQZLH9RUIUHXGH(UAbb. 8: Allein die Frau scheint der Anforderung nicht ge- ZDUWXQJ9HUVDJHQ 6FKZLQZDFKVHQVLHGURKW]XVWU]HQ*RXDFKHYRQ(UQVW3ODW] del und Sturz) und Angst YRUGHP9HUVDJHQ GDV$XI1919. putschmittel als Symptom 22 2UJDQSURMHNWLRQ WHFKQLVFKH 9HUOlQJHUXQJHQ XQG (UJlQ]XQJHQ GHU XQYROONRPPHQHQ menschlichen Organe – ein Begriff bei Ernst Kapp: Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten. Braunschweig 1877.

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VROFKHU$QJVW XQG(QWWlXVFKXQJ'RFKJHQJWHVMDQLFKWDXIHLQHQ7UHQGKLQzuweisen – fruchtbarer wäre es, zu fragen: Wie sinnvoll, wie ertragreich ist die 7HQGHQ]XQGZLHZlUHVLH]XNRPSOHWWLHUHQ"(UNHQQEDULVWDEHUVFKRQMHW]WLKUH befreiende Wirkung, die den Mehltau der alten Alpinismus-Dogmen wie MachEDUNHLW(UIROJ5HNRUGZHJZLVFKWXQGHUNHQQEDULVWZHLWHUKLQZLHVLFKGDPLW HLQHQHXH3HULRGLVLHUXQJHLQHQHXH+LVWRULRJUDÀHGHV$OSLQLVPXVHUJLEW$XVLKU wiederum lassen sich historisch ganz unterschiedliche Motive des Berggehens HUVSUHQVRGDVVZLUHQGOLFKLQGHU/DJHVLQGGLH)UDJHQDFKGHU HLQHQ 0RWLYDWLRQDOVIDOVFKH)UDJH]XHUNHQQHQGDPLWDEHUZlUHGLH%HUJVWHLJHUHLQLFKWOlQJHU eine unverständliche, sondern (so wenigstens unsere Hoffnung) eine verstehbare Leidenschaft. Gedankensplitter zu einer Museologie des Alpinismus Solche Erkenntnis erwarten wir mit Recht von einer Psychohistorik des Alpinismus, also von einer kulturgeschichtlich-kulturwissenschaftlichen Spezialdisziplin, die das Interesse an der seelischen Tiefe mit dem Interesse am weiWHQ NXOWXUHOOHQ +RUL]RQW YHUNQSIW 6LH EUDXFKW NHLQH QHXHQ NHLQH VHLWKHU XQEHNDQQWHQ4XHOOHQDXI]XWXQHVJHQJWLKUHLQQHXHU%OLFNVLHVFKOlJWDXVGHP QHXHQ$VSHNWGHQ]QGHQGHQ)XQNHQQHXHU(UNHQQWQLV'DDEHUGLH$XVVWHOOXQJ GDV0XVHXPVFKRQOlQJVWQLFKWPHKUEOR‰HLQ0HGLXPGHU9HUPLWWOXQJLVW²DOso ein gewissermaßen obrigkeitliches Mittel, das abgestandenes Wissen dosiert EHUV9RONDXVJLH‰W²VRQGHUQHLQHLJHQHV0HGLXPGHU(UNHQQWQLVLVWDXFKGLH alpingeschichtliche Ausstellung, das alpine Museum dazu aufgerufen, an solcher Erkenntnis zu arbeiten. Und weil ich meine, dass auch hier Besinnung weiter IKUWDOVZLOGHV)OJHOVFKODJHQIKUHLFK]XP6FKOXVV]ZHL%HLVSLHOUHLKHQDXV K|FKVWWUDGLWLRQHOOHQ2EMHNWJUXSSHQGHV0XVHXPVDQQlPOLFKHLQHUVHLWV%LOGHU und andererseits Dinge. Ich zeige zunächst vier allbekannte und dutzendfach reproduzierte Bilderpaare aus der Geschichte des Alpinismus, deute sie aber neu, indem ich sie den postulierten Herz-Phasen zuordne. Das apokalyptische Erschrecken beim Blick in den offenen Himmel pariert (zum Beispiel) der konzentrierte Blick durchs 0LNURVNRS $EE 'DVKHL‰H+HU]LQGHPVLFKGLH1DWXUIRUPHQDOVEHUZlOWLJHQGH *URWHVNH DEVSLHJHOQ ZLUG ]XU .DOWEOWLJNHLW DEJHULFKWHW GDPLW HV die Zähmung der Natur wahrzunehmen in der Lage ist. (Abb. 3, 4) Der Mann, den es umgeworfen hat, und dem diese Schwäche nicht peinlich ist, wird alsbald GXUFKGHQ6LHJHUW\SHQVXEVWLWXLHUW $EE 8QGHQGOLFKZLUG GDV 9HUVDJHQ des Mannes im Sturz, das anfangs noch ohne Scheu ausgestellt werden kann,

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KLQEHUSURML]LHUWDXIGDVVRJHQDQQWHVFKZDFKH*HVFKOHFKW(VLVWQXQGLH)UDX GLH]XVWU]HQGURKW23 (Abb. 7, 8) Ich schlage also vor, die Bilder nicht misszuverstehen als mehr oder minder gelungene Abspiegelungen der äußeren Realität (der Bergnatur etwa oder der alpinistischen Aktionen), sondern sie zu begreifen als Symptome des Erlebens, das heißt: des Innenlebens der alpinistischen Akteure. Mit der selben Methode ließen sich auch schlichte Dinge zum Sprechen bringen: Trophäen aller Art als Ausweis GHV*HOXQJHQHQ)DKQHQXQG:LPSHODOV=HLFKHQGHV6LHJVGHV7ULXPSKVGHU )UHXGHYLHOOHLFKWDXFKGHV+RKQV6WHLJHLVHQXQG6WLHIHOXQGDOOHUOHL*HUlWDOV 9HUYROONRPPQXQJGHVXQJHQJHQGHQ/HLEHVRGHU²MHQDFKGHP²DOV6\PSWRP VHLQHU 8QYROONRPPHQKHLW 6DXHUVWRIIPDVNH XQG $XISXWVFKPLWWHO DOV 6\PSWRP VHLQHU8Q]XOlQJOLFKNHLWDP*LSIHODEJHOHJWH'LQJHDOV6SXUHLQHV2SIHUVJHULVsenes Seil, ausgerissener Haken, zerborstenes Gerät als Signatur des Misslingens XQG6FKHLWHUQVPRGHUQH0DWHULDOLHQXQG0HGLNDPHQWHDOVhEHUOLVWXQJGHU]XUFNJHEOLHEHQHQ1DWXUGDV6RXYHQLUDOV9HUJHZLVVHUXQJXQG$QGDXHUGHV'DJHZHVHQVHLQV ² NXU] GLH 'LQJH DOV $XVGUXFN YRQ VFKZHU $XVGUFNEDUHP GLH 'LQJHDOV=HXJHQGLHYLHOOHLFKWXQEHLUUEDUHU]XUHGHQZLVVHQDOVGLH6SUDFKHGLH Dinge als leibliche Außenseite unseres Inwendigen. 24 So wäre denn dann am Ende nicht mehr passiert – aber auch nicht weniger! –, als dass Giannozzo die Larve, die er vorm Gesicht hat, nicht nur abnimmt und JUQGOLFKEHVLHKWVRQGHUQGDVVHUVLHLQGLH9LWULQHOHJWRGHUDQGLH:DQGKlQJW GDPLWGDV3XEOLNXPVLFKVHLQHHLJHQHQ*HGDQNHQPDFKHQN|QQHEHUGDV+HU] GHU+|KHXQGVHLQH$EVSLHJHOXQJHQRGHU$EGUFNHLQGHUlX‰HUHQ0DWHULHGHUHQ Dauer im Museum zu garantieren wir aufgerufen sind.

23 9JO GD]X PHLQH %LOGLQWHUSUHWDWLRQ $XVJHVHW]W $XV GHU $XVVWHOOXQJ GHV $OSHQYHUHLQ 0XVHXPV7HLO;;9,Q%HUJDXI'DV0DJD]LQGHV2HVWHUUHLFKLVFKHQ$OSHQYHUHLQV-J 63 (133)/2008, Heft 2, S. 37. 24 9JOGD]X0DUWLQ6FKDUIH6LJQDWXUGHU'LQJH$QPHUNXQJHQ]X.|USHUZHOWXQGREMHNWLver Kultur. In: Gudrun M. König (Hg.): Alltagsdinge. Erkundungen der materiellen KulWXU7ELQJHQ6XPIDVVHQGHU]XP3UREOHPGHV'LQJHVXQGGHVNXOWXUHOOHQ :HUNVGHUV0HQVFKHQZHUN(UNXQGXQJHQEHU.XOWXU.|OQ:HLPDU:LHQ

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M ARIA P ETERS & W ALTER K LIER £Kaltkögel oder die steinerne Heimat. Text für die Wand

Maria Peters & Walter Klier Kaltkögel oder die steinerne Heimat. Text für die Wand Erst allmählich sind die Berge im Lauf der Neuzeit in das Blickfeld der bildenGHQ.XQVWJHUDWHQ8UVSUQJOLFKZDUMDGDV*HELUJHHLQZVWHUXQ]XJlQJOLFKHU Ort, auch Sitz der Götter, von dem der Mensch sich fernhielt, und den Aufklärern HUVFKLHQHQVLHQRFKLPIUKHQ-DKUKXQGHUWYRUDOOHPDOVÅXQRUGHQWOLFK´'RFK machte der Forscher- und Entdeckerdrang dieser Zeit schließlich auch vor den %HUJHQQLFKWKDOWXQGGDPLWZXUGHQVLHJOHLFK]HLWLJ]XP*HJHQVWDQGGHU.XQVW So entwickelte sich die Bergmalerei als Zweig der Landschaftsmalerei, geZLVVHUPD‰HQDQGHU*UHQ]H]ZLVFKHQ7RSRJUDÀHXQGbVWKHWLN]ZLVFKHQ:LVsenschaft und Kunst, mit dem speziellen Problem, dass die schiere Dimension des Gebirges von Anfang an den Rahmen des Zeichenblocks oder der Leinwand zu sprengen drohte. 0DQFKPDOZQVFKWHLFKLFKKlWWHGLH5XKHXQGGLH=HLWXPHLQHQJDQ]HQ 7DJODQJQXUHLQHHLQ]LJH1DFKULFKW]XEHUEULQJHQ,FKZUGHPLFK]X)X‰RGHU vielleicht auf einem Pferd reitend, in die Stadt begeben, ungeachtet des Wetters, und unterwegs irgendwo einkehren, um mich zu stärken. Und am Zielort dann, falls die betreffende Person gerade nicht da sein sollte, ZUGHLFKPLFKHLQIDFKJHGXOGLJYRUGLH7UHVHW]HQXQGZDUWHQ Der grundlegende Satz aller Geologie lautet: Wo immer man geht und steht, befand sich einst ein Meer. So auch hier. Ehemalige Meere zeichnen sich geoloJLVFKGDGXUFKDXVGDVVVLHGLH8PJHEXQJDXIIlOOLJEHUUDJHQ'LH.DONN|JHOKDben ihre Karriere als Riff- und Lagunensedimente begonnen, die sich ab der Trias (vor etwa 240 Millionen Jahren) in einem warmen Flachmeer bildeten, das man nachträglich Tethys genannt hat. Die anfänglich lockeren Sedimente verfestigten sich und bei der Auffaltung der Alpen im Tertiär wurde das Stubai-Kristallin mit VHLQHU 6HGLPHQWDXÁDJH DOV JDQ]HU %ORFN DEJHWUHQQW GHU )DFKPDQQ QHQQW GDV abgeschert) und in seine heutige Lage gebracht. Bei dieser nicht unerheblichen Schieberei lösten sich die Kalkkögel vom kristallinen Untergrund und wurden nochmals relativ dazu versetzt. Der ganze Block wurde schließlich gehoben, im Westen stärker als im Osten. So ist lediglich im Ostteil der Stubaier Alpen Kalk ]XUFNJHEOLHEHQ'HUHQQ|UGOLFKVWHU7HLOZLUGÅ.DONN|JHO´JHQDQQWLQ%HUJVWHLgerkreisen auch „die Kögel“. Dass ihre Felsqualität nach derartigen Manövern nicht mehr die beste ist, darf nicht verwundern. Dass die Wahrheit instabil ist, dass gerade ihr permanenter Wandel eben die Wahrheit an sich ist, ist in unserem christlich geprägten Denken schwer fassbar. hEHUGLH%HWUDFKWXQJGHU/DQGVFKDIWN|QQHQZLUXQVGHPMHGRFKDQQlKHUQ

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nicht, weil sie einfach schön ist, sondern weil wir als Menschen nicht anders können, als Analogien in der äußeren Welt zu suchen. 'DV 6FKLHEHQ XQG 'UFNHQ GHU (UGH GHU VLFKWEDUH $XIIDOWXQJV XQG ]XJOHLFK9HUIDOOVSUR]HVVZLHODQJVDPZLHGHU*UDVEHUGHQDEJHEU|VHOWHQ6FKRWWHU ZlFKVWXQGDOOHGLHVH6SXUHQGHU9HUlQGHUXQJGLHZLUGDQQPLWGHPHLQIDFKHQ Begriff „Landschaft“ zusammenfassen, sind die ablesbare substanzielle WahrKHLWEHUXQVHUH:HOW Jede Zeichnung, die ich mache, zeigt also nur einen kurzen Augenblick der ([LVWHQ]LVWYRUOlXÀJXQGGRFK]XJOHLFKHQGJOWLJ:HLOVLHHLQHQ0RPHQWKHrausgreift und ihn erhebt zu einem exemplarischen Bild, das so nie mehr wieder entstehen kann. Die Ewigkeit können wir nur erreichen, wenn wir die EinzigarWLJNHLWXQGGLH9HUVFKLHGHQKHLWLQDOOHU7LHIHXQG9LHOVFKLFKWLJNHLWXQVHUHU([LVWHQ]XQGVHLHVDXFKQXUIUHLQHQNXU]HQ$XJHQEOLFN]XHPSÀQGHQYHUP|JHQ Die Themen unserer Wahl haben immer einen persönlichen historischen HinWHUJUXQG9|OOLJXQZLFKWLJREZLUXQVHLQHU0DWHULH]XZHQGHQRGHUXQVYRQ7HLlen unserer Geschichte (bewusst oder unbewusst) abwenden. Mein Lieblingsthema im Moment ist die alpine Landschaft, verbunden mit GHP*HKHQLQLKU'LHKLVWRULVFKHQ*UQGHVLQGOHLFKW]XHUNHQQHQMHGRFKOLHJW zwischen meinem heutigen Thema und meiner alten Geschichte eine lange PeriRGHGHU6FKHXMDGHU$EOHKQXQJMHGHV0RWLYVGDVDXFKQXULP(QWIHUQWHVWHQPLW %HUJHQ]XWXQKDWWH'DVZDULQMHQHU=HLWDOVLFK7LUROYHUOLH‰XQGPLFKLQGHU großen weiten Welt positionieren musste. In den 20er und 30er Jahren sind die Helden, denen wir unsere klassischen *UXVHOVFKRFNHU YRQ 7RXUHQ YHUGDQNHQ VFKRQ DP 9RUDEHQG ]X )X‰ YRQ ,QQVbruck angereist oder, wer eins hatte, mit dem Fahrrad. Dabei mussten sie in voller Fahrt durch die Dörfer rasen, weil die eingeborene Jugend sie mit Steinen bewarf.  0DWWKLDV 5HELWVFK KDW GHQ =XUXI ÅQDFNHUWH 6WDGWIDFNHQ´ EHUOLHIHUW )DFN mundartlich „Schwein“), der sich auf die wegen der Hitze mit bloßem Oberkörper zufällig genau nach dem Ende der Sonntagsmesse am Kirchplatz vorbeiradelnden Innsbrucker bezog. Jene Generationen hatten es auch in der Freizeit viel schwerer als wir Postmaterialisten. Wenn einer wenigstens den Samstagnachmittag frei hatte, konnte er YRQ*OFNUHGHQDX‰HUHUKDWWHQRFKPHKU*OFNXQGZDUEHUKDXSWDUEHLWVORV ,QGLHVHQ9RUNULHJV.ULHJVXQG1DFKNULHJVJHVFKLFKWHQOHEWPDQZRFKHQODQJ von einer allmählich immer ranziger werdenden Speckseite und Hektolitern von Erbswurstsuppe. Rebitsch berichtet vom ungesetzlichen Fischfang im SendersEDFK6DJHQXPZREHQHZLH)%DXUVROOHQPLWGHP.OHWWHUKDPPHU6FKDIH]XP =ZHFNVSlWHUHQ9HU]HKUVHUVFKODJHQKDEHQ

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Das Tourenbuch (V OLHJW ZRKOYHUZDKUW LQ HLQHU 6FKXEODGH DXI GHU $GROI3LFKOHU+WWH XQG ZLUG YRP :LUW QXU DXI DXVGUFNOLFKHV 9HUODQJHQ XQG QXU DQ :UGLJH DXVJHfolgt. Das erste reichte, um alle Heldentaten 1904–1964 festzuhalten. Das derzeit JOWLJH LVW GDV ]ZHLWH XQG QRFK ODQJH QLFKW YROO REZRKO HV JHOHJHQWOLFK LQ GLH +lQGH YHUDEVFKHXXQJVZUGLJHU :DQGHUHU IlOOW GHVSHNWLHUOLFK DXFK Å:DQGHUVFKZHLQH´ GLHVLFKGDQQXQEHIXJWVHLWHQZHLVHEHULKUQLHGULJHV7XQYHUEUHLWHQ XQGZRP|JOLFKQRFKKLQ]XIJHQGDV:HWWHUVHLJXWRGHUVFKOHFKWJHZHVHQZDV VHOEVWEHLP%HULFKWEHUH[WUHPH)HOVIDKUWHQQXULQlX‰HUVWHQ+lUWHXQG$XVnahmefällen zulässig ist. 'DVPXVVWHQDXFKVRSURÀOLHUWH.OHWWHUHUZLH+=DNXQG$3|O]OHUIDKUHQ als sie eine Begehung der Pfriemeswand-Westwand (schon gar nicht im eigentOLFKHQ %HUHLFK GHU +WWH  LQV 7RXUHQEXFK HLQWUXJHQ PLW GHU %HPHUNXQJ ÅEHL Schneesturm“. Jemand anderer setzte dazu: „Selber schuld!“  'LH /LHEOLQJVHLQWUDJXQJ GHV 9HUIDVVHUV KDQGHOW YRQ GHU EHOLHEWHVWHQ XQWHU den schwierigen Touren, der Kleinen-Ochsenwand-NO-Wand, Fischer-Fohringer, vulgo „Fi-Fo“ oder „Fix-und-Foxi“. Jemand hatte die eigene Begehung so kommentiert: „Wunderbare Tour, aber leider nur drei Seillängen.“ Ein anderer schrieb darunter: „Mit 50-m-Seil nur 2 Seillängen.“ Und ein dritter: „Mit 100-m-Seil nur eine Seillänge.“ Ich habe mir vorgenommen, einige Wörter aus dem Gefängnis der BuchdeFNHO]XEHIUHLHQVLH]XLVROLHUHQXQGHLQHUQHXHQ([LVWHQ]IRUP]X]XIKUHQ 'DVLVWHLQ(LQJULIILQGLH/LWHUDWXUGDVLVWPLUEHZXVVW]XJOHLFKMHGRFKVROO HVDXFKPHLQH:HUWVFKlW]XQJIUDOOHMHQH'HQNHU]HLJHQGHQHQLFKYLHOYHUGDQke. 'HQQ %FKHU VLQG HLQ ZHVHQWOLFKHU 7HLO PHLQHU 8PJHEXQJ PHLQHU /DQGVFKDIW GXUFK ZHOFKH LFK PLFK EHZHJH XQG GDV LQ JHRJUDÀVFK XQDEKlQJLJHU Form. Wann immer ich in meinem Leben neue Räume beziehen musste (und das ZDUVHKURIW ZDUHQHVLPPHUPHLQH%FKHUGLHPLU+HLPDWJDEHQ:HQQHUVW HLQPDOGDV%FKHUUHJDOVWHKWXQGPHLQHJHLVWLJHQ)UHXQGHZLHGHULQ5HLKXQG *OLHGYRUPLUDXIJHUHLKWVLQGIKOHLFKPLFK]X+DXVH Was die Literatur vermag, möchte ich mit einem Beispiel demonstrieren, denn manchmal sind es nur wenige Worte, die das Denken um eine Dimension erweitern. 9RP%XFKÅ'LH:HOWLP1RWL]EXFK´YRQ5\V]DUG.DSXVFLQVNLKDEHLFKELVher nur die erste Seite gelesen. Denn die Geschichte vom Gorilla im Zoo in Abu 'KDELEHUKUWPLFKMHGHVPDOZHQQLFKVLHZLHGHUOHVHVRWLHIGDVVLFKGHQ5HVW GLHVHV%XFKHVP|JOLFKHUZHLVHQLHNHQQHQOHUQHQZHUGH(LQ0HQVFKMHGRFKGHU solche Worte fand, und selbst, wenn es nur diese wenigen Sätze in seinem gesamten Leben gewesen wären, hat der Menschheit ein großes Geschenk gemacht.

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Abu Dhabi Wie Kinder im Zoo einen Gorilla neckten (der Zoo ist neu und steht außerhalb der Stadt, in der Wüste). Anfangs wurde der Gorilla wütend, rannte durch seine Betonlandschaft und drohte den kleinen Quälgeistern. Schließlich setzte HUVLFKHUVFK|SIWLQGLH0LWWHGHV.lÀJVXQGEHJDQQ]XZHLQHQ8QG²ZLUNOLFK JHQDX LQ GLHVHP $XJHQEOLFN ZDV IU HLQ DX‰HUJHZ|KQOLFKHU =XIDOO  ² EUDFK ein Sandsturm los. Ein plötzlicher, gewaltiger, machtvoller Sturm, der den Himmel mit Wolken grauen Staubs bedeckte und uns heiße Sandkörner in die Augen trieb. Alle wandten sich zur Flucht, die Kinder mit lautem Geschrei, hinter den Kindern die Erwachsenen, der Wind zauste und riss an den Tschadors, in denen erschrockene Frauen wie aufgescheuchte schwarze Vögel durch den geballten, glühenden Nebel des Wüstensturms liefen. Im Laufen blickte ich mich für einen Moment um: Durch den Staub, die Sandwolken, das ringsum herrschende Halbdunkel sah ich den Gorilla, der vornübergebeugt auf seinem Platz saß, wie in der Mitte abgeknickt, er saß da, schaute uns nach und schluchzte. Wenn eine neue Generation etwas besser oder bloß anders macht, glauben GLH IUKHUHQ VLFK QXU PLW +RKQ RGHU EODQNHU $EOHKQXQJ HUZHKUHQ ]X N|QQHQ Manche schier unglaubliche Leistung Andreas Orglers wurde als solche gesehen – und nicht geglaubt. 8PJHNHKUWEHOHJWGLHMHZHLOVMQJVWHGLHlOWHUHQ*HQHUDWLRQHQPLWHLQHU$UW YRQSURSK\ODNWLVFKHP+RKQGHUVLFKELVNQDSSMHQVHLWVGHUMHZHLOLJHQ9lWHUJHQHUDWLRQHUVWUHFNW'LHQRFKbOWHUHQKLQJHJHQGLHDXINHLQH:HLVHXQGLQNHLQHP )DOOPHKUJHIlKUOLFKZHUGHQN|QQHQHUKHEWPDQJHUQHLQGHQ5DQJYRQ9RUOlXIHUQ9RUELOGHUQMDNOHLQHQ+DXVJ|WWHUQ Wer nicht erlebt hat, wie kalt diese Kögel sein können, während rings das Land in der Sommerhitze brät, der wird es auch nicht glauben. Doch wahrlich, ich sage euch, sie sind es. Der Name wurde deshalb auch (glaublich von D. Grepl) in Kaltkögel verballhornt. Die Wände der Senderstaler Seite schauen fast alle nach 1RUGZHVWHQ'LH6RQQHNRPPWGRUWZHQQEHUKDXSWHUVWDP1DFKPLWWDJDQ² falls es nicht vorher zu regnen begonnen hat. )DVW EHUÁVVLJ GDV KLQ]X]XIJHQ $XFK GDV :HWWHU LVW LQ GHQ .|JHOQ YLHO unsicherer als anderswo. Hat der Wetterbericht vereinzelte Gewitter prophezeit, VRZLUGHLQHVGHUYHUHLQ]HOWHQVLFKEHUGHU5LHSHQZDQG]XVDPPHQEDOOHQXQG QLFKWQXUGDV,QGHQ.|JHOQIlOOW6FKOHFKWZHWWHUIUKHUHLQXQGEOHLEWPLWHLJHQHU Zähigkeit länger dort hängen. Es ist also durchaus möglich, dass der höhere Sinn dieses Gebirges in einer möglichst vollkommenen Demonstration von Murphys Gesetz besteht, dessen zwei Teile bekanntlich etwa so lauten: „Alles kann schiefgehen. Wenn etwas nicht schiefgehen kann, geht es trotzdem schief.“ Neben den russischen Atomkraftwer-

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ken und liberianischen Tankschiffen bietet die Wetterentwicklung in den KalkköJHOQEH]RJHQDXIGLHMHZHLOLJH.OHWWHUWlWLJNHLWGD]XGDVEHVWH%HLVSLHO Kein Klettergebiet hat uns zeitlebens so viel Angst auf so kleinem Raum einJHÁ|‰W6SUHFKHQZLUHVDXV'LH.|JHODXFK&KDONVJHQDQQWVLQGEUFKLJXQG das ohne Kompromisse. Die Art von henkel-, schuppen- oder ohrenförmigem *ULIIGHUEHLDQGHUHQ.DONVRUWHQIUVFK|QH.OHWWHUVWHOOHQXQGHUOHEQLVVHVRUJW DXI GHQ PDQ EHU PHWHUODQJH 'XUVWVWUHFNHQ XQG PLW HUODKPHQGHU .UDIW QRFK lossteuert, in den man sich dann erlöst fallen lässt, diese Sorte weckt im Kögelkletterer bloß Misstrauen und den Impuls, dieses vorstehende Ding möglichst ZHLWUlXPLJ]XXPJHKHQGDPLWHVQLFKWEHUHLWVEHL$QQlKHUXQJDXVMDKUPLOOLRnenlangem Schlaf geweckt, sich von selber löst und in die Tiefe saust, im Unachtsamkeitsfall unter Mitnahme des Kletterers. Zwar kann man komischerweise ganze Seillängen in den sogenannten schönen Touren klettern, ohne tatsächlich an einen wackeligen Griff zu geraten, aber GLHVHU(LQGUXFNYRQY|OOLJNRPSDNWHP)HOVZLHPDQLKQLP9HUGRQRGHULQ)Lnale Ligure bekommt (in den Dolomiten schon weniger), will sich nicht einmal in der „festen“ Fischer-Fohringer breitmachen, wenn man ehrlich ist (wie gesagt keine ausgesprochene Stärke der Kletterer). Auch in kompakteren Passagen bleibt GHU (LQGUXFN GHV +RKOHQ 3URYLVRULVFKHQ .OHLQVSOLWWULJHQ MHGHQIDOOV 8Q]XYHUlässigen haften. (Leider fehlt hier der Platz, um die Entwicklung des KletterVFKXKVYRPSURÀOVRKOHQEHZHKUWHQOHGHUQHQ.DPSIVWLHIHO]XPIDUEHQIURKHQ%DOOHWWVFKKFKHQQDFK]X]HLFKQHQ« Das Ende der Kalten Kante $QGLHVHU2VWVHLWHJHVFKDKHVGDVVYRQGHUHQEHUKPWHVWHU7RXUGHU.DOWHQ .DQWH 05HELWVFK1RYRVDQVN\ LQHLQHUVWUPLVFKHQ*HZLWWHUQDFKWGLH JDQ]H 6FKOVVHOOlQJH KHUDEVWU]WH XQG YRQ GHU 6FKXSSH DQ GHU GHU 9HUIDVVHU wenige Tage zuvor noch mit Gottvertrauen gehangen war, während C. Klier, D. Grepl und H. Wögerbauer ihm und der Schuppe mit ebensolchem GottvertrauHQ]XVDKHQQLFKWVDOVHLQHVDQGLJHPHKURGHUZHQLJHUVHQNUHFKWH)OlFKHEULJ EOLHE (WZDV YRQ GLHVHP 6DQG ZDU VFKRQ GHP 9HUIDVVHU HQWJHJHQJHULHVHOW DOV HUGLH6FKXSSHGLHHLQHQKRKOHQ7RQZLHHLQ IQI0HWHUJUR‰HU JHVSUXQJHQHU Teller gab, zum Zwecke der allseitigen Beruhigung etwas beklopft und getätschelt KDWWHEHYRUHUXQWHU$XVQW]XQJGHV5LVVHVGHUGLH6ROOEUXFKVWHOOHPDUNLHUWHDQ ihr emporstieg. Der provisorische Zustand, wie Walter ihn bezogen auf die Kalkkögel so trefIHQGQHQQWJLOWIUGDV/HEHQJDQ]DOOJHPHLQIUHLQ'HQNHUOHEHQMHGRFKJDQ] besonders, weil der Denker sich gerade dieser Bröseligkeit der Wahrheit und der 9RUOlXÀJNHLWHLQHUMHGHQ(UNHQQWQLVXQGGHV6HLQVVHOEVWPLWEHVRQGHUHU+LQgabe zuwendet.

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Denn nur wenn man annimmt, dass die Wahrheit noch nicht gefunden wurde, KDW'HQNHQEHUKDXSWHLQHQ6LQQ Die im Moment wieder zunehmende Annahme, dass es eine letzte Wahrheit JlEH XQG QRFK VFKOLPPHU GDVV HV 0HQVFKHQ JlEH GLH VLH ZVVWHQ ² ZLH XQV das Fundamentalisten, aber auch die Religionen ganz allgemein, Ideologien und Parteiprogramme vorgaukeln – sind eine große Gefahr. Denn Dogmatik hat mit dem Denken nichts zu tun, sondern ist im Gegenteil ihr Todfeind. 8QGGHVKDOELVWIUPLFKGHULPPHUODXWHUZHUGHQGH5XIQDFK5HJOHPHQWLHUXQJHQXQGGHP0D‰UHJHOQÅGHU$QGHUHQ´HLQHEHGUFNHQGHMDPLFKTXlOHQGH Entwicklung. Und sie schreitet voran, zieht wie die „Schatten Mordors“ in all unsere Lebensbereiche ein, und dabei hätten wir eine Zeit, die so viel Freiraum ließe, wie noch nie vorher denkbar. Doch wir stehen an der Außenseite des KäÀJVXQGJHKHQQLFKWIRUWQHLQGUlQJHQZLHGHU]XUFN8QGWUDPSHOQGDPLWDXI GHQ6HHOHQDOOMHQHU'HQNHUKHUXPGLHVHLW-DKUKXQGHUWHQXQVHUHKHXWLJH:HOW ermöglicht haben. 1DWUOLFKJHZ|KQWPDQVLFKDQDOOHV'LH)UDJHQDFKGHP:DUXPZUGH]X ZHLWIKUHQ$Q+HLPDWJHZ|KQWPDQVLFKHEHQVRODQJHELVPDQVLHZHQQVFKRQ nicht liebgewonnen hat, so doch auch nicht mehr lassen kann.

Die Textmontage wurde von Maria Peters in Absprache mit Walter Klier im Jänner 2008 zusammengestellt. Teile des Texts stammen aus den Notizbüchern von Maria Peters, der Text über die Kalkkögel von Walter Klier, aus dem hier zitiert wurde, erschien in einer früheren Fassung in dem Buch „Innsbruck Alpin“, Hrsg. Karl Gabl und Wolfgang Nairz, Tyrolia-Athesia, 1995.

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Walter Klier Wahre Abenteuer. Aus dem Leben der Ritter Die weit verbreitete Ansicht, die wahren Abenteuer seien ‚im Kopf‘ und nirJHQGZRVRQVWKDWVLFKLQPHLQHU)DPLOLHQLHGXUFKJHVHW]WGDEHLKDQGHOWHHVVLFK GXUFKDXVXPHLQH/HEHQVXQG*WHUJHPHLQVFKDIWYRQ%FKHUPHQVFKHQGHQHQ GLH$QXQG$XIUHJXQJHQGHV*HLVWHVQLFKWIUHPGZDUHQ9LHOOHLFKWKDWWHGHUPLW HLQLJHP*OFNKHLOEHUVWDQGHQH:HOWNULHJGHQ'XUFKVFKQLWWV$GUHQDOLQSHJHOVR weit angehoben, dass eine gewisse Ausgeglichenheit im Alltag nur gewährleistet ZDUZHQQPDQLQGHU)UHL]HLWGHQ,GHDOHQMHQHU(SRFKHQDFKVWUHEWH'LH7KRUVWHLQ 9HEOHQ LQ VHLQHU 7KHRULH GHU IHLQHQ /HXWH DOV GLH EDUEDULVFKH EHVFKUHLEW 'HQGHPRQVWUDWLYHQ0‰LJJDQJGHV5LWWHUV]HLFKQHQ]ZHL(LJHQVFKDIWHQDXVGLH 7lWLJNHLWPLWGHUHQ+LOIHGHU0‰LJJDQJGDUJHVWHOOWZLUGPXVVVRVLQQORVZLH möglich sein. Und sie muss so gefährlich wie möglich sein. So bot das Bergsteigen, im engeren Sinne das Klettern in seiner klassischen )RUP HLQH RSWLPDOH VRQVW QLFKW ]X HUUHLFKHQGH 9HUELQGXQJ GHV6LQQORVHQ PLW GHP*HIlKUOLFKHQGDVVLFKEHUGLHVLQHLQHUEHVRQGHUVVLQQORVHQ/DQGVFKDIWVIRUPDEVSLHOWQlPOLFKDOOMHQHQ7HLOHQXQVHUHU+HLPDWGLHDXVGHU9HJHWDWLRQVdecke oben herausragen und selbst extensiver land- und forstwirtschaftlicher Nutzung nicht zugänglich sind. 9RQNOHLQDXIKDWWHPHLQ9DWHUPLFKPLWURKHU6HOEVWYHUVWlQGOLFKNHLWVRPPHUV wie winters mit dem Unbillen vertraut gemacht, den die Bergwelt bereithält, und ich konnte mich mit achtzehn durchaus als eine Art passiven Kletterer bezeichQHQ(UEHUVFKULWWPLWPLUGLH1RUGNHWWHYRQGHU6HHJUXEHEHUGHQ)UDX+LWW 6DWWHOGDV9RUGHUHXQG+LQWHUH%UDQGMRFKXQGGLH+RKH:DUWH]XP.OHLQHQXQG Großen Solstein, ein ziemlicher Gewaltmarsch mit kurzen Klettereinlagen, und ZHLOHVDXIGHU0DJGHEXUJHU+WWHGLHJHUDGHDQGLHVHP:RFKHQHQGHZLQWHUIHVW JHPDFKWZXUGHQLFKWVPHKU]XWULQNHQJDEZXUGHLFKDXIGHU5FNIDKUWLP=XJ von Hochzirl ohnmächtig, das lag aber sicher nur an der schlechten Luft, die es LQGLHVHP=XJDEWHLOKDWWH:LUGXUFKNOHWWHUWHQGLHEHNDQQWEUFKLJHXQGDOVJHnerell vogelwild verschrieene Serles-Nordwand mit einem einzigen Kletterhelm und einem Hammer between us, wie der Engländer sagt, zuerst trug den Helm er, nach der ersten Ladung Steine, die mir ins Genick donnerten, dann ich, mit einem Wort, ich erlebte schon einiges an Schabernack und Unsinn in den Bergen, ohne PLFKDNWLYGDIUHQJDJLHUW]XKDEHQ(LQKDOEHV0HQVFKHQDOWHUVSlWHUÀQJPHLQ 9DWHUGDQQDQGLHVHVSHNWDNXOlUHQIUKHQ$NWLRQHQLQJHOHJHQWOLFKHQSV\FKRDQDO\WLVFKHQ$QIlOOHQ]XEHGDXHUQZRIUHVDEHUQLFKWGHQJHULQJVWHQ*UXQGJLEW 6FKOLH‰OLFKVROOGHUMXQJH0DQQMDDXFKGDQQZHQQJHUDGHNHLQ.ULHJ]XU+DQG ist, Bekanntschaft mit der Lebensgefahr schließen.

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Ich war also in der Lage, wenn ich im Bekanntenkreis oder an einem WirtsKDXVWLVFK XQWHU 5LWWHU EH]LHKXQJVZHLVH %DUEDUHQ  JHULHW )DFKDXVGUFNH ZLH 6HLOOlQJH.DUDELQHU9HUVFKQHLGXQJ(LQVWLHJXQGVHFKVSOXV 9,GDPDOVGHU K|FKVWH GHÀQLWLRQVJHPl‰ QLFKW EHUVFKUHLWEDUH 6FKZLHULJNHLWVJUDG  HEHQVR VLQQJHPl‰DQ]XZHQGHQZLHGLHWRSRJUDÀVFKHQ*UXQGEHJULIIH6FKVVHONDUVSLW]H /DOLGHUHUVSLW]H'LUHNWH RGHU *UR‰H=LQQH1RUGZDQG&RPLFLIKUH DXFK ZHQQ ich mit den Fachwörtern wenig am Hut und die meisten der in Rede stehenden VFKDXHUOLFKHQ$EJUQGHQRFKQLFKWSHUV|QOLFKNHQQHQJHOHUQWKDWWH 'LHGLHVEH]JOLFKHQ$PELWLRQHQ*HVXQGKHLWXQG/HEHQDXIV6SLHO]XVHW]HQ hielten sich im Mittelfeld dessen, was eine generell dem Sport verfallene GesellVFKDIWDOVQRUPDOHV9HUKDOWHQDQVDK Dann kam das Jahr 1974. Ich hatte den Militärdienst wegen einer LungenerNUDQNXQJ YRU]HLWLJ DEJHEURFKHQ XQG EHUEUFNWH GDV ELRJUDÀVFKH 1LHPDQGVland, das sich bis zum Studienbeginn im Herbst erstreckte, mit dem Erwerb des )KUHUVFKHLQVXQGHUVWHQGLOHWWDQWLVFKHQ9HUVXFKHQPLFKDOV.QVWOHUDXI]XIKUHQ,QMHQHP)UKOLQJHUHLOWHPLFKHLQYHUVSlWHWHU$QIDOOYRQ-XJHQGLUUHVHLQDP (QGHHLQHU-XJHQGGLHDEJHVHKHQYRQGHQEOLFKHQ$ONRKROH[]HVVHQVHKUEUDY zugebracht worden war. Ich begann zu klettern, also im Ernst und von mir aus und nicht nur als nolens-volens-Seilgefährte der Erziehungsberechtigten und von auftriebigen Freunden wie bisher. Ich ging regelmäßig zum Training in den HötWLQJHU6WHLQEUXFKHLQHKDOEH*HKVWXQGHEHUGHU6WDGWDXVGHVVHQ%UHFFLHHLQVWmals Stadtmauern und Amtsgebäude, später auch die Ufermauern des Flusses JHEDXWZRUGHQZDUHQMHW]WPDUWHUWHQVLFKDQVHLQHQNOHLQHQVHQNUHFKWHQ:lQGHQ0LWEUJHUGDPDOVQRFKIDVWDXVVFKOLH‰OLFKPlQQOLFKHQ*HVFKOHFKWVDQVLFK ZHQLJDXIIlOOLJH/HXWHLQKDQGZHUNOLFKHQRGHUEUJHUOLFKHQ%HUXIHQWlWLJRGHU VROFKHDQVWUHEHQGDOVR/HKUOLQJH6FKOHUXQG6WXGHQWHQ(VKDQGHOWHVLFKDOVR XP /HXWH GLH DP 0RQWDJ IUK LKUH .UDZDWWH XPEDQGHQ XQG HLQHU XQZLOOLJHQ 6FKOHUKRUGH0DWKHPDWLNEHLEUDFKWHQRGHUGLH%XFKKDOWXQJHLQHV0LWWHOEHWULHEV in Schuss hielten, oder als Spengler oder Tischler arbeiteten. Hier waren sie alle gleich, beziehungsweise hatten sie sich einen Platz in dieser Sondergesellschaft errungen, der mit dem, den sie sonst einnahmen, nichts zu tun hatte. Hier zählte bloß, ob man das Buhl-Wandl, das Sint-Wandl, den Gagga-Bauch oder die BachPDQQ9HUVFKQHLGXQJQLFKWEHUZDQGRGHUHPSRUNORPPVRQGHUQKLQDXINDP,Q GHUPXQGDUWOLFKHQ)DFKVSUDFKHZDU8QGHUVWDWHPHQWVRZLFKWLJZLHEHUKDXSWLP 9HUKDOWHQGHU5LWWHU(VEHGXUIWHMDKUHODQJHUhEXQJGLHIHLQH*UHQ]H]ZLVFKHQ völliger Unter- und maßloser Übertreibung zu erkennen und begehen zu lernen. 0LQGHVWHQVHEHQVRZLFKWLJZLHGDV7XQZDUGDV5HGHQEHUGDV*HWDQHRGHUGDV was getan werden sollte. 'XUFK GHQ $XVWDXVFK YRQ )DFKWHUPLQRORJLH XQG VFKHLQEDU JOHLFKPWLJHV Beäugen lernte man also die Kletterpartner kennen, mit denen man sich dann ins Gebirge vorwagte, wenn es nicht Schulkollegen waren wie Rainer, mit dem

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LFKHLQHVIUKVRPPHUOLFKHQ0RUJHQVGHQHUVWHQVHOEVWVWlQGLJHQ$XVÁXJLQGLH Kalkkögel unternahm. In völliger Unkenntnis der Tatsache, dass dort die mit den niedrigsten Schwierigkeitsgraden bewerteten Touren die gefährlichsten sind, da sie nämlich LQEHLQDKHVHQNUHFKWHP6FKRWWHUHPSRUIKUHQXQGVHLW-DKU]HKQWHQYRQQLHPDQdem mehr begangen worden sind, unternahmen wir es, die Große-OchsenwandWestkante zu besteigen, man ist versucht zu sagen „zu bezwingen“ mit spärlicher $XVUVWXQJ HLQ+DPPHUHLQ+DNHQ VSlUOLFKHQ.HQQWQLVVHQXQGZDVQRFKHLQ *OFNZDUDXFKVSlUOLFKHP0XWDXVJHUVWHW(LQHQKDOEHQ7DJODQJPXUNVWHQXQG LUUWHQZLULQ6FKQHHXQGEUFKLJHQ6FKURIHQYRPHLJHQHQ6HLOPHKUJHIlKUGHW als gesichert in dieser generalisierten Bröseligkeit herum, erreichten schließlich DXFKGHQ*LSIHOXQYHUVHKUWVRJDUXQGNHKUWHQVWRO]QDFK+DXVH]XUFNZRLQ 5DLQHUV)DOOGDVJDQ]HDOVKDUPORVHU:DQGHUDXVÁXJFDPRXÁLHUWZHUGHQPXVVWH 'HVVHQ(OWHUQKLHOWHQGDV.OHWWHUQIUHLQHOHEHQVJHIlKUOLFKHVFKOLPPHUQRFK selbstmörderische Narretei, im Gegensatz zu meinen, die es auch in höherem Alter noch selber betrieben und es gegen alle faktische Evidenz als der Gesundheit förderlich erachteten. $OOHUGLQJVPXVVGHPKLQ]XJHIJWZHUGHQGDVVPHLQH$UWGHQHGOHQ%HUJVSRUWDXV]XEHQGHQ$OWYRUGHUHQQLFKWZLUNOLFKEHKDJWH,P:LQWHUZHQQDXI Skitour gegangen wurde, kaprizierte ich mich darauf, bei Schnee und klirrendem Frost zum Höttinger Steinbruch hinauf zu pilgern und dort meine Quergänge zu absolvieren, wenn ich nicht Langlaufen ging. Das Langlaufen, mein Langlaufen wurde als das verstanden, was es war, ein stiller Protest gegen das Schnittige, das Moderne, das Modische, das sich im alpinen Schilauf verkörperte, den außer mir DOOHEHWULHEHQ,P6RPPHUZHQQPDQGLHJUR‰HQ*OHWVFKHUEHUJHYRU]JOLFKLQ den Westalpen, anzugehen hatte, vergeudete ich die kostbare Jugendzeit in den EUFKLJHQ XQG HU]JHIlKUOLFKHQ .DONN|JHOQ RGHU LP .DUZHQGHO 'DEHL ZDU HV noch gut, dass ich nichts von den Alleingängen erzählte, die ich während einiger 6RPPHULQGLHVHU-XJHQG]HLWDXVIKUWH ,Q 0RGLÀNDWLRQ GHV RELJHQ =LWDWV N|QQWH PDQ YHUPXWHQ GDVV GLH ZDKUHQ $EHQWHXHUWHLOZHLVHMHGHQIDOOVZHQQQLFKWLP.RSIVRGRFKLQMHQHPELHUXQG ]LJDUHWWHQUDXFKJHVFKZlQJHUWHQ/XIWUDXP]ZLVFKHQGHQ0QGHUQVLQGGHUHQ,QKDEHUHLQDQGHULQGHU6WXEHGHU$GROI3LFKOHU+WWHLQGHQ.DONN|JHOQEHJHJQHQ GDVLW]HQVLHGHU$EHQGQDKWXQGPDQIUDJWHLQDQGHUDXVEHU3OlQHXQGVFKRQ vollbrachte Heldentaten. „Was macht ihr morgen?“ (Dialoge spielen sich im WeVHQWOLFKHQLQGHU]ZHLWHQ3HUVRQ3OXUDODEGHU5LWWHUWULWWJHZ|KQOLFKLQ)RUPGHU Zweierseilschaft auf.) „Weiß noch nicht. A bissl schauen gehn.“ Das kann bedeuten, dass eine ganz furchtbare Erstbegehung geplant ist, aber ebenso, dass man tatsächlich nur vorhat, EHUGLHZHLWHQJUQHQ0DWWHQXQWHUGHQ1RUGZHVWZlQGHQGHU.OHLQHQXQG*UR‰en Ochsenwand und des Nordecks bis zur Riepenwand zu gehen, zu begutachten,

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REGLHLQ)UDJHNRPPHQGHQ7RXUHQDOO]XZDVVHUEHUURQQHQVLQGZDVPDQYRQ GHU+WWHDXVQXUEHGLQJWEHXUWHLOHQNDQQHYHQWXHOONXU]DXIGHQ.DUZHQGOHUturm zu schauen und am Nachmittag, wenn die erwähnten Nordwestwände in der Sonne liegen und nicht mehr so eiskalt sind, noch die Auckenthaler in der Kleinen Ochsenwand mitzunehmen. „Die schaut trocken aus.“ Å-D ZLU ZDUHQ VLH JHVWHUQ 'HU 6FKOXI LQ GHU VFKZDU]HQ 9HUVFKQHLGXQJ LVW HLQELVVFKHQQDVVXQGZHLWHUREHQGHUEO|GHhEHUKDQJJOHLFKEHUGHP6WDQG'D fehlt, glaube ich, auch ein Haken.“ „Nein, da war immer nur der eine, der dicke alte rostige.“ Å-HGHQIDOOVHLQHVDXEO|GH6WHOOHLFKIUFKWPLFKGDMHGHVPDOZLHGHU'LHJDQze Schuppe klingt so unsympathisch hohl, und du mußt dich mit dem ganzen Gewicht dranhängen. Anders geht die Stelle nicht.“ 0DQPXVVKLHUHUNOlUHQGDQIJHQGDVVGLHVH6]HQHQGHQ6LHE]LJHUMDKUHQDQgehören und damit einer seither aus der Mode gekommenen Form des Barbarentums. Die heutigen Jungen sind Sportkletterer, eine wesentlich, soweit man das EHL6SRUWEHUKDXSWVDJHQNDQQYHUQQIWLJHUH)RUPQlPOLFKHLQHEHLGHUZLH GLHDOWHQ5LWWHUYHUlFKWOLFKXQGYROOHU1HLGDXIGLH-XQJHQKLQ]XIJHQEHUKDXSW QLFKWVSDVVLHUHQNDQQÅ'DVLVWMDNHLQ.OHWWHUQ´VDJHQVLHVHLWLPPHUVFKRQEHU das, was sie selber nicht mehr zusammenbringen. So weit sie noch einen Klimmzug schaffen, sind die Alten heute auch Sportkletterer und versuchen so zu tun, DOVVHLHQVLHMXQJ Tatsächlich haben auch wir sehr achtgegeben, und in meiner Generation hat HVNDXPQRFKW|GOLFKH8QIlOOHJHJHEHQQLFKWYHUJOHLFKEDUGHUEHHLQGUXFNHQGHQ $XVIDOOVTXRWHGLHIUKHUH*HQHUDWLRQHQ PLWQRFKPHKU6WDOLQJUDGLP.RSI DXIzuweisen hatten. Aber der Umgang mit der Angst (die im Sportklettern, aufgrund DQGHUHUWHFKQLVFKHU9RUDXVVHW]XQJHQXQG6SLHOUHJHOQXQGHLQHVDQGHUHQ*HOlQGHVLQGHPGDVJDQ]HEHWULHEHQZLUGNHLQH5ROOHPHKUVSLHOW ZDUIUXQVHLQ wichtiger Bestandteil des ganzen. Felix, ein Wiener Sportkletterer, der dies unter GHPJHRJUDÀVFKYRONVSV\FKRORJLVFKHQ*HVLFKWVSXQNWVDKlX‰HUWHHLQPDOÅ,KU Tiroler, wenn bei euch kein Friedhof dabei ist, dann war es keine richtige Tour.“ 'DVZDULQ/D3DOXGVXU9HUGRQZRZLUDEHQGVLP&DIHDP3ODW]PLWVDPPHQ HLQ%LHUWUDQNHQGLH$FKW]LJHUMDKUHZDUHQDQJHEURFKHQXQGGDVZDVPDQKHXWH Sportklettern nennt, setzte sich durch, auch wenn wir das noch nicht richtig wahrKDEHQZROOWHQ(LQELVVFKHQ)ULHGKRIZDUVRJDULP9HUGRQQRFKPLWGDEHLZHQQ in schweren Seillängen plötzlich Haken fehlten oder man als einzige StandsicheUXQJ GQQH 6FKQUH YRUIDQG GLH XP GUUH %lXPFKHQ JHZLFNHOW ZDUHQ )HOL[ ZXVVWH ZRKHU GHU :LQG ZHKWH XQG HU]lKOWH YRQ GHQ ZLH HU VLFK DXVGUFNWH Å5DXKIDVHUWDSHWHQ´GLHXQVHUEHVWHU([SRUWQDFK:LHQ0LFKDHO :ROIMHW]WDQ der Rax und am Peilstein beging.

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Eine richtige Tour im alten Sinne bestand nicht nur aus schwierigen StelOHQGLHPLWMHQHULPPHUQHX]XPLVFKHQGHQ.RPELQDWLRQDXV0XVNHONUDIWXQG OLVWLJHU *HVFKLFNOLFKNHLW ]X EHUZLQGHQ ZDUHQ VRQGHUQ HEHQVR VHKU DXFK DXV VRJHQDQQWHQVFKZLQGOLJHQ6HLOOlQJHQZR3DVVDJHQPLWEUFKLJHP*HVWHLQGHP PDQVLFKQXUPLWJU|‰WHU9RUVLFKWDQYHUWUDXHQNDQQDX‰HUGHPPLWZHQLJHQXQG kaum vertrauenerweckenden Haken abgesichert sind, sodass der Sturz, der im 6SRUWNOHWWHUQ HLQ ,QWHUPH]]R GDUVWHOOW QDFK GHP PDQ ]XU 7DJHVRUGQXQJ EHUgeht, das heißt die Stelle von neuem versucht, die einen abgeworfen hat, seinerzeit bei uns eine absolut zu vermeidende Angelegenheit war. Das Gestein ist in unserer engeren Bergheimat nicht fest und kompakt wie in den neuen Eldorados, im 9HUGRQLQ2USLHUUHRGHULQ)LQDOH/LJXUHVRQGHUQYHUPLWWHOWHKHUGHQ(LQGUXFN es halte bloß aus Gewohnheit noch in der bisherigen Gestalt zusammen, und man PVVHGLH*ULIIHHKHUEHKXWVDPDQGHQ)HOVDQSUHVVHQVWDWWVLFKDQLKQHQHPporzuziehen. 'HU VFKOHFKWH (LQÁXVV GHV /HVHQV DXI GLH 3HUVRQ GHV 9HUIDVVHUV VROO QLFKW XQWHUVFKODJHQZHUGHQ,FKODVGDPDOVPLWQHXQ]HKQ%HUJEFKHULQGHQHQEHUHLWV HKUZUGLJH 5LWWHU YRQ LKUHQ .UHX]]JHQ XQG VRQVWLJHQ +HOGHQWDWHQ LQ HEHQVR VFKOHFKWHP 'HXWVFK HU]lKOWHQ ZLH HV LKUH 9RUIDKUHQ LP *HLVWH LQ VFKOHFKWHP Mittelhochdeutsch getan haben mochten. Ich, der es sonst unter Proust und Joyce nicht tat, las nun Leo Maduschkas „Das Bergsteigen“ als romantische Lebensform, und das war noch nicht das schlimmste, ich las Felix Kuen und Reinhold 0HVVQHUQDWUOLFKLFKODVLQ+HUPDQQ%XKOVÅ$FKWWDXVHQG´GUEHUXQGGUXQWHU GLH%HVFKUHLEXQJGHU5LHSHQ:HVWZDQGZRHUGLHEHUKlQJHQGHGULWWH6HLOOlQJH mit schwindenden Kräften und steigender Nervosität eigentlich nur deshalb hiQDXINRPPWZHLOHVNHLQH&KDQFH]XPJHRUGQHWHQ5FN]XJPHKUJLEW Was heutige Medienkritiker, die gegen das Fernsehen polemisieren, völlig vergessen: Auch das Lesen ist nicht per se dazu angetan, den Menschen zu HöKHUHP]XIKUHQ(VVHLGHQQPDQPHLQWGLHVLQHLQHPUHLQSK\VLNDOLVFKJHRJUDÀVFKHQ6LQQ6ROFKH+|KHQHUUHLFKWHLFKZLHQLH]XYRUZHQQDXFKQLFKWLQMHQHU )UHTXHQ] 6FKZLHULJNHLW XQG *HIlKUOLFKNHLW ZLH GLH 9RUELOGHU HV EHVFKULHEHQ KDWWHQ 'DVV GHUHQ OLWHUDULVFKH +HUYRUEULQJXQJHQ YRQ HUVFKWWHUQGHU (LQW|QLJkeit waren und sind, liegt in der Natur der Sache. Das Klettern ist nicht nur ebenVR VLQQORV XQG JHIlKUOLFK ZLH GLH .UHX]]JH YRQ HKHGHP HV LVW DXFK HEHQVR JOHLFKI|UPLJ =XHUVW ]LHKW PDQ ORV NRPPW PLW *OFN QDFK -HUXVDOHP HUREHUW HVXQGNHKUWPLWQRFKPHKU*OFNZLHGHUQDFK+DXVH]XUFNLQGLH$UPHGHU WUHXVRUJHQGHQ *DWWLQ hEHU HLQH VROFKH YHUIJWH LFK GDPDOV QRFK QLFKW HLQPDO ansatzweise, und diese mich mit neunzehn zunehmend deprimierende Weiblosigkeit mag durchaus zu dem Elan beigetragen haben, mit dem ich mich in der Ritterkaste hochzudienen bestrebt war. So begann mein geisteswissenschaftlich-barbarisches Doppelleben. Abgesehen davon, dass ich, aufgrund dieser Zweigleisigkeit, weder den Kletterern noch

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GHQ%FKHUPHQVFKHQEHVRQGHUVJHKHXHUZDUNDPHQXQGNRPPHQGLH%HUHLFKH HLQDQGHUQXUDQHLQHU6WHOOHLQGLH4XHUHLP.DWDORJGHUOLHIHUEDUHQ%FKHUGHU PHLQHQ 1DPHQ QLFKW QXU PLW HLQLJHQ 5RPDQHQ LQ 9HUELQGXQJ EULQJW VRQGHUQ auch mit wesentlich beliebteren Werken, die Titel wie Karwendelgebirge, Zillertaler Alpen oder Stubaier Alpen tragen. Dass dieser eine Name die selbe Person EH]HLFKQHQ N|QQWH NRPPW DEHU GHQ ZHQLJVWHQ LQ GHQ 6LQQ XQG GLH WFKWLJHQ %XFKKlQGOHUNHQQHQPLFKJHZ|KQOLFKDOV$XWRUGHUIUHLQHQ7HLOMHQHUJHUQJHNDXIWHQ5HLKHNOHLQIRUPDWLJHUÁH[LEHOJHEXQGHQHU%FKOHLQYHUDQWZRUWOLFKLVW Nur manchmal sagte ein literarischer Bekannter, „Du, weißt du eigentlich, dass GXHLQHQ1DPHQVYHWWHUKDVWGHUGDVRNRPLVFKHLFKZHL‰QLFKW«"´ 9LHOH -DKUH HLQLJH 6FKUDPPHQ 5LVVTXHWVFKZXQGHQ XQG HLQHQ %lQGHUULVV später fragte mich eines bier- und gedankenschweren Abends Urs Theckel, ein NOXJHU5HGDNWHXUGHUYRQPHLQHPDOSLQHQ/DVWHUZXVVWHREXQGZHQQMDZDV LFKPLUHLJHQWOLFKGDEHLGlFKWHHLQHQVROFKHQ6SRUWDXV]XEHQGHUDOOJHPHLQDOV faschistisch bekannt sei. Ich glaube sogar, er sagte wörtlich: „Berge sind faschistisch. – Sie sind doch ein gescheiter Mensch. Wie bringen Sie das unter einen Hut?“ Ich redete, wie uns beiden schien, irgendwie um den heißen Brei herum, englische gentlemen adventurers hin oder her, hierzulande hatte schließlich 1938 GHU)KUHUGHQ(LJHUQRUGZDQG%H]ZLQJHUQDXI%XUJ6RQWKRIHQGLH+DQGJHJHben. Und das Kampf-und-Sieg-oder-Tod-Paradigma war, wenn auch mit abnehmender Intensität, doch offenbar ein im Alpinismus unverzichtbares. Weil er ein JXWHU5HGDNWHXULVWIRUGHUWHHUPLFKDXIGHU)UDJHIUVHLQ%ODWWQDFK]XJHKHQ Ich dachte zwar nach, schrieb auch verschiedenes, kam aber dem Kern nicht näKHU)UGHQ5HGDNWHXUVFKULHELFKOLHEHUEHUPHLQH/HLEXQG0DJHQGLFKWHUDOso Robert Pinget, Albert Drach oder Philip Larkin. Da war fester Boden unter den )‰HQVHOEVWGLH6KDNHVSHDUH$XWRUVFKDIWV)UDJHDQGLHLFKPLFKDXIVHLQH$Qregung hin machte, ein literarhistorischer Sumpf, aus dem man nie wieder herausNRPPWLVWPDQHLQPDOKLQHLQJHUDWHQVFKHLQWGDJHJHQVRQQHQNODUXQGMHGHQIDOOV GHP 1DFKGHQNHQ ]XJlQJOLFK 6SlWHU ODV LFK 9HEOHQ GDV NDP GHU 6DFKH QlKHU erlaubte sie zumindest zu beschreiben. Nur: Wenn wir eine Sache beschrieben haben, haben wir sie dann auch verstanden, ich meine, wirklich? -HGHQ)UKOLQJZHQQ'LHWHURGHU+DUDOGDQUXIWXQGIUDJWÅ$OVRZLHVFKDXW·V DXV"´GDQQVDJHLFKJOHLFKÅ-DJXWQDWUOLFKJHKW·VZLHGHUORV"´XQGGHQNHPLU zugleich: „Ich alter Idiot, also diesen Sommer noch, dann ist Schluss, nur noch GLHVHQHLQHQ6RPPHUHVLVWMDZLUNOLFK]XEO|G«´ Es ist wohl einfach eine Sucht, nicht mehr.

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M ARTIN S CHWIERSCH £Bergsteigen – die gedeutete Leidenschaft

Martin Schwiersch Bergsteigen – die gedeutete Leidenschaft Deutungsdruck Einführung: Kein Ende des Deutens Nur auf den ersten Blick scheint dieser Titel das Gegenteil zum „Bergsteigen – eine unverständliche Leidenschaft“ zu sein. Fakt ist: Ob man die Leidenschaft der Bergsteiger nun verstehen kann oder nicht: Sie wird gedeutet – und das nicht ]XNQDSS'DV$OSHQYHUHLQVMDKUEXFK]%EULQJW-DKUIU-DKUKHUYRUUDJHQGH%HLträge, die man unter die Rubrik „Deutungsliteratur“ fassen kann. Und auch wenn :DOWUDXG .UDLQ] ² GLH HLQHQ VROFKHQ %HLWUDJ LP GLHVMlKULJHQ -DKUEXFK SXEOLziert hat – konstatiert, dass die Selbstdeutungen durch die Bergsteiger abnehmen ZUGHQ YRQ0HVVQHU·VFKHQ'HXWXQJVEFKHUQ]XGHUNQDSSHQ+XEHUDXVVDJH Å7RWDOQRUPDO´ GDQQLVWLKU%HLWUDJVHOEVWHLQ%HOHJIUGHQXQJHEURFKHQHQ'HXWXQJVLPSXOVGHQGDV%HUJVWHLJHQDXVO|VW:DUXP-DKUIU-DKUZLHGHU" Auch erfährt ein Bergsteiger schärferer Prägung im nichtbergsteigerischen Alltag immer wieder, dass sein Tun mit Stirnrunzeln betrachtet wird und sein *HJHQEHULP*HLVWHGLH)UDJHVWHOOWÅ:DUXPPDFKWHUGDV"´8QGQLFKW]XOHW]W stellen die Bergsteiger sich diese Frage selbst, meist zwar nur dann, wenn etwas schief oder zumindest nicht so wie geplant „geht“ – doch dann mit aller Schärfe. Deuten, um zu verstehen? :LHKlQJHQQXQ'HXWHQXQG9HUVWHKHQ]XVDPPHQ"=XQlFKVWNDQQVLFKHUJHsagt werden, dass gedeutet werden muss, was man nicht versteht. Und man deutet, XP]XYHUVWHKHQ,VWHVDOVRVRGDVVQDFKHLQHU'HXWXQJ9HUVWlQGQLVKHUUVFKW" 'DVPVVWHEHGHXWHQGDVVQDFKHLQHU'HXWXQJZHLWHUHV'HXWHQDXIK|UHQPVVWH GDMD9HUVWlQGQLVVLFKHLQJHVWHOOWKDW'DVVFKHLQWDEHUEHLP%HUJVWHLJHQQLFKWVR zu sein (s.o.), wenn man den Wiederholungscharakter der Deutungen betrachtet. Dies kann nun bedeuten, dass die Deutungen des Bergsteigens entweder nicht RGHU QLFKW KLQUHLFKHQG ]X 9HUVWHKHQ IKUHQ 2GHU GDV ]X GHXWHQGH 3KlQRPHQ EWHLQHQGDXHUKDIWHQTXDVLVLFKVHOEVWHUQHXHUQGHQ'HXWXQJVGUXFNDXVVSHUUW VLFKJHJHQGDVHQGJOWLJH9HUVWDQGHQZHUGHQ2GHUGDVZlUHGLHGULWWH7KHVH 'DV3XEOLNXPQLPPWIUKHUH'HXWXQJHQQLFKWZLUNOLFK]XU.HQQWQLV(VPXVV DOVRQHXJHGHXWHWZHUGHQGDGLHDOWH'HXWXQJYHUJHVVHQLVW (VNRPPHQMDDXFK immer neue Menschen mit alten Fragen nach!) Ich denke, die Wahrheit liegt in GHQOHW]WHQEHLGHQ7KHVHQZREHLGLHOHW]WHDQVLFKVFKRQHLQ%HOHJIUGLH1RWwendigkeit ist, dass es Museen gibt, in denen Deutungen dauerhaft vorgetragen XQGUHÁH[LYDXIEHUHLWHWSUlVHQWLHUWZHUGHQ8QGGDPLWZLUGNODUGDVVXQWHUGHU 3HUVSHNWLYHGHV:LHGHUKROXQJV]ZDQJVGHU'HXWXQJGHU7LWHOPHLQHV9RUWUDJVLP

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Grunde eine Paraphrase des Titels der Ausstellung ist: „Berge – eine unverständOLFKH/HLGHQVFKDIW´PHLQWLP*HJHQVWFNÅ%HUJH²GLHJHGHXWHWH/HLGHQVFKDIW´ Woher kommt nun dieser beständige Deutungsdruck? Deutungsdruck des Phänomens: ein Deut Halt Ich möchte dieses Thema von der inversen Seite angehen: Was wird nicht JHGHXWHW" :R HLQ XQPLWWHOEDUHV 9HUVWlQGQLV JHJHEHQ LVW ZLUG QLFKW JHGHXWHW Selbstverständliche Handlungen des Menschen unterliegen keinem DeutungsGUXFN²XQGGDPLWGLHDOOHUPHLVWHQXQVHUHU/HEHQVYROO]JH:DFKHQ6FKODIHQ (VVHQ 7ULQNHQ $UEHLWHQ 6SLHOHQ VLFK HUKROHQ 6H[XDOLWlW )DPLOLHQ JUQGHQ Häuser bauen, eine Berufslaufbahn planen, all dies und die dazugehörigen Tätigkeiten – und das macht bei Licht betrachtet das allermeiste unseres Lebens aus, wird in der Regel nicht einer Deutung unterzogen. Wir glauben zu wissen, ZDUXP ZLU HVVHQ ]XU $UEHLW JHKHQ )DPLOLHQ JUQGHQ HWF (V LVW YLHOPHKU VR GDVVZHQQHLQ0HQVFK²ZDVKlXÀJHUYRUNRPPWDOVPDQPHLQW²VLFKSO|W]OLFK ZLHTXHULQVHLQHPHLJHQHQ/HEHQEHÀQGHWZHQQLKPSO|W]OLFKGDVHLJHQH*Hsicht im Spiegel fremd erscheint, er durch seine Wohnung geht und sich fragt: Was mache ich und wo bin ich hier? – wenn er also „Symptome“ erlebt, die in der Psychopathologie als „Depersonalisation und Derealisation“ beschrieben werden (und auftreten können bei Depression, Belastungsreaktionen, Angstentwicklungen, körperlichen Ausnahmezuständen), dann schreckt er auf, weil ihm seine „gedeutete Welt“ (ein Terminus von Rilke) abhanden gekommen ist und er erst in diesem Moment merkt, dass die Welt tatsächlich eine gedeutete Welt war. Was macht er? Er wird andere Menschen anrufen, um vertraute Stimmen zu hören, er wird die Farben an der Tapete durchdeklinieren, er wird die Zeitung kaufen, um festzustellen, dass heute tatsächlich der 18. Februar ist (ich betone hier vor allem das „tatsächlich“ – die Tat erzeugt die Sache), sprich, er wird so lange deuten, bis HUZLHGHULQGLH'HXWXQJVHLQHU:HOWHLQJHJDQJHQLVWXQGVLHZLHGHUÅQDWUOLFK´ geworden ist. Daraus sehen wir mehrerlei: Es gibt keine Welt, wenn nicht eine gedeutete. Das ist nun keine wirklich EDKQEUHFKHQGH (UNHQQWQLV PHKU ZRUDXI HV PLU PHKU DQNRPPW LVW GHU ]ZHLWH Punkt: +DOWÀQGHQZLUQXULQHLQHUJHGHXWHWHQ:HOW$XFKGLHVLVWJXWEHNDQQW:LU ZLVVHQGDVV0HQVFKHQLQ([WUHPVLWXDWLRQHQGDQQHKHUEHUOHEHQZHQQVLHQRFK HLQHQ)XQNHQ+RIIQXQJKDEHQÅ6KDFNOHWRQZLUGNRPPHQXQV]XKROHQ´GLHVHV 0DQWUDKDWGLH]XUFNJHODVVHQHQ(LVIDKUHUDXI(OHSKDQW,VODQGOHEHQODVVHQÅ:DV ZLUHUOHEHQLVWGLH*HVFKLFKWHXQVHUHV9RONHVGDVYHUELQGHWXQVPLWGHQ9RUIDKUHQ´ KDEHQ VLFK MGLVFKH 0HQVFKHQ DP 9RUDEHQG GHU 6KRD LQ LKUHQ *HVlQJHQ YHUVLFKHUW.RKlUHQ]KHL‰WKLHUGDV)DFKZRUWPDQN|QQWHVDJHQ HLQ1HW]YRQ

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'HXWXQJHQGDVZLUEHUGHQ$EJUXQGVSDQQHQ,QHLQHU:HOWLQGHUZLUNHLQHQ Deut Halt bekommen, können wir Menschen nicht leben. Und schließlich läuft das in der Regel nicht bewusst ab. Ich möchte hier ein %HLVSLHOYRQ*DGDPHUEULQJHQGHULQGHP%FKOHLQÅ'LH9HUERUJHQKHLWGHU*HVXQGKHLW´DQKDQGHLQHV*HGLFKWVYRQ5LONHEHU6HLOWlQ]HUGLHIUDJLOH1DLYLWlW von Gesundheit beschreibt als ein Akt des Seiltanzes, der leicht erscheint, wenn das Gleichgewicht erreicht ist und unendlich schwer, wenn das Gleichgewicht verloren gegangen ist. Unser Deuten verbirgt sich vor uns selbst und hält uns damit ohne Anstrengung in der gedeuteten Welt. William Blake war da wohl ein bissFKHQDQGHUVGUDXIDOVHUVFKULHEÅ,FKNDQQHLQHQ7UNQDXIVRODQJHDQVFKDXHQ ELVHUPLU$QJVWHLQMDJW´+LHUKDEHQZLUHVDOVRPLWGHU.XQVWGHV(QWGHXWHQV zu tun. Damit sehen wir letzten Endes, dass Deutung auch der Bedrohungsabwehr dient. Deutungen sind die Leitplanken unserer Wahrnehmungs- „Pfade“. Willkürlichkeit der Deutungen :LH ZLOONUOLFK ZLU PLW 'HXWXQJHQ XPJHKHQ ]HLJW HLQ %OLFN LQ GLH VRJHQDQQWHQ Å$QJVWVW|UXQJHQ´ :LU ZXQGHUQ XQV QLFKW EHU 6SLQQHQ 0DXV XQG Schlangenphobien, weil wir uns etwas von „phylogenetischem Erbe“ zuraunen und damit das Phänomen erklärt ist. Gleichzeitig fragen wir uns nicht, warum es keine Gehsteigphobie gibt. Immerhin brettern 30-Tonner im Meterabstand am 6SD]LHUJlQJHU RGHU 5DGIDKUHU YRUEHL $XV GHQ JOHLFKHQ *UQGHQ ZDUXP PDQ „Störungen“ deuten muss, weil sie die Selbstverständlichkeit unserer gedeuteten Welt bedrohen, werden „Nicht-Störungen“ erstens gar nicht als solche erkannt, und sie werden auch nicht gedeutet: Warum haben nicht viel mehr Menschen Angst, im PKW auf Autobahnen zu fahren, durch lange Tunnels, in einem RakeWHQJHVFKRVVGDVOHW]WH4XHQWFKHQ.RQWUROOHDXI]XJHEHQREGDV3URMHNWLOQXQHLQ ,&( PDQEHGHQNHGDVVFKPDW]HQGSLHSHQGH6FKOLH‰XQJVJHUlXVFK'LH9HUOLHVWUHQVFKOLH‰HQVLFK RGHUHLQ)OXJ]HXJLVW:LHVFKDIIHQHV0HQVFKHQ7DJIU 7DJDXI]XVWHKHQGDVVHOEH)UKVWFN]XULFKWHQGHQVHOEHQ:HJLQGLH$UEHLW]X gehen, die die selbe ist und auf die selbe Art mit den selben Kollegen erledigt wird ... OK, nicht allen gelingt das, aber warum so vielen? An den Rändern der Existenz wacht die Deutung Was ich bislang getan habe, war, den Abgrund, der uns zum Deuten bringt, in die Mitte des Lebens zu holen. Im alltagspraktischen Leben ist es anders herum: Wir deuten, was aus unserer Sicht aus der Mitte herausfällt. $EHULFKP|FKWHQXQHQGOLFK]XP%HUJVWHLJHQEHUJHKHQ.ODULVWGDVV%HUJVWHLJHUGLHH[WUHPHQ]XPDODQGLH5lQGHUJHKHQ(VJLEWMDNDXPHLQH)DOWHHLQH

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Hervorhebung oder einen verborgenen Winkel in den weiten Kleidern der Mutter (UGHZRGLH%HUJVWHLJHUQRFKQLFKWKLQJHNRPPHQVLQG VLHUHGHQQDWUOLFKYRQ *LSIHOQ:lQGHQ&RXORLUV.DQWHQHWF ([WUHPHV%HUJVWHLJHQLVWLQMHGHU+LQsicht eine Randerscheinung. Eine Erscheinung an den Rändern. Damit verlassen sie die Sicherheit der gedeuteten Welt, die Sicherheit dessen, was ein Mensch schlechthinnig tut (wachen, schlafen, essen, arbeiten ... s.o.). Sie sind quasi dieMHQLJHQGLH²XPGDV3ODWR·VFKH+|KOHQJOHLFKQLVXQWHUGHPDOOHVELVKHUJHVDJWH ]XVDPPHQJHIDVVWZHUGHQNDQQ]XEHPKHQ²GHQ.RSIZHQGHQGLH%DQGHDEZHUIHQXQGGDV/LFKWDP$XVJDQJVXFKHQ:HQQVLH]XUFNNHKUHQHU]lKOHQVLH von einer gleißenden Welt der Firne, Grate, des Lichts und der Unendlichkeit. Das Publikum schwankt zwischen Faszination und Bedrohung und beschließt VFKOLH‰OLFKGLH=XUFNJHNHKUWHQDOVKDOE9HUUFNWHHLQ]XVWXIHQ²XQGVLFKZLHder den Schatten vor ihren Augen zuzuwenden. Lebendig, Verrückt, Beides? :HQQGLHVVRZHLWVWLPPLJLVWGDQQPVVWHQGLHSV\FKRORJLVFKHQ'HXWXQJVmuster des extremen Bergsteigens sich inhaltlich zwischen den Topoi „LebenGLJNHLW´XQGÅ9HUUFNWKHLW´EHZHJHQ,FKNDQQQLFKWEHKDXSWHQKLHUHLQHQHQ]\klopädischen Überblick zu haben, aber ich kann mich nicht erinnern, Deutungen des Bergsteigens gefunden zu haben, die nicht einen oder beide Topoi bedienen. Ich möchte zwei Geschichten erzählen. Aufsehen erregte Alex Huber, als er ungesichert durch ca. 300 Meter Wandhöhe in der Direkten Nordwand (Hasse/Brandler) der Großen Zinne in den DoORPLWHQVWLHJ'LH%LOGHUZLHHUDQHLQHU+DQGPEHUGHP$EJUXQGKlQJW OLH‰HQ GLH )DFKZHOW PLW RIIHQHP 0XQG ]XUFN (LQ )UHXQG UHDJLHUWH DXI HLQHQ Diavortrag so: „Ich saß da, erlebte diese ganzen bergsteigerischen Großtaten der 5HLKHQDFKPLWXQGGDFKWHPLUÄ:DKQVLQQZDVGHUIU7RXUHQNOHWWHUWGLH2SHQ $LUDXQJODXEOLFKGDVVPDQVLFKGDIHVWKDOWHQNDQQGLHVHU%LJ:DOODP/DWRN III im Karakorum: Die Gefahren und die Anstrengungen, die die eingegangen VLQG$EHUGDVZDUIUPLFKDOOHVLPZHLWHVWHQ6LQQHQRFKQRUPDOZHQQDXFK nicht nachvollziehbar. Dann kamen diese Bilder aus der Großen Zinne. Plötzlich PDFKWHHVEHLPLU.OLFNXQGLFKIUDJWHPLFKÄ+|UHLFKKLHUHLQHP9HUUFNWHQ ]X"¶´ )U PHLQHQ )UHXQG ZXUGH GHU :DKQVLQQ PLW HLQHP 6FKODJ ZLUNOLFKHU Wahnsinn. :HQQPDQGLHVH*HVFKLFKWHÅIRUPDO´DQVFKDXWGDQQLPSRQLHUWGHU5HÁH[ Es scheint einen Hintergrundgedanken zu geben, der die Frage des „Warums“ leitet. Und dieser Hintergrundgedanken ist quasi „psychopathologisch voreingestellt“. Der abstrakte Grund ist schon gefunden: Es ist nicht normal. Nun muss es QXUQRFKHLQH$UW'XUFKIKUXQJVGHXWXQJJHEHQ

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'XUFKIKUXQJVGHXWXQJHQDOVRÅSDWKRORJLVLHUHQGH'HXWXQJHQ´GHVH[WUHPHQ Bergsteigens gibt es viele. Ich möchte eine Reihe präsentieren. $OVV\PEROLVFKH(UVDW]KDQGOXQJIU6XL]LG/LHEHUDQJHVHLOWLQGLH6FKOXFKW springen, als sich tatsächlich umbringen. Als unbewußte Reinszenierung vergangener Traumata: sich beweisen, dass PDQHVDXFKGLHVPDOEHUVWHKHQZLUG 8QEHZXVVWH6HOEVW([SRVLWLRQ  Als Ausdruck von Treue zu wichtigen Menschen: Der sich selbst gefährdende 6RKQGHUVHLQHQ9DWHUEHLHLQHP8QIDOOYHUORUHQKDW Als Spannungsabfuhr: Lieber sich gefährden, als sich entgleiten, aus der Haut fahren, die Kontrolle zu verlieren. 8P,GHQWLWlW]XHUOHEHQ,FKVSUHHWZDVDOVRELQLFKOLHEHUWRWVHLQDOVOHHU $OV+LOIHPlQQOLFKH,GHQWLWlW]XÀQGHQ,FKEHZlKUHPLFKDOVRELQLFKHLQ Mann. Um auf „Betriebstemperatur“ zu kommen: Wenn ich langsamer als 160 fahre, schlafe ich ein. „Sensation seeker“. Diese Deutungen mögen in Einzelfällen durchaus ihre Berechtigung haben – wenn sie dem Extrembergsteiger helfen, sich selbst besser zu verstehen. Die Protagonisten selbst legen ihren Fokus auf anderes: Sie sprechen von XQJHDKQWHU /HEHQGLJNHLW 0RPHQWHQ YROOVWlQGLJHU /HEHQVV‰H (LQHP *HGDQNHQJHZLWWHU :ROIJDQJ *OOLFK EHU VHLQ 6ROR LQ 6HSDUDWH 5HDOLW\  YHUWLHIWHQ Wahrnehmungen etc. etc. All dies hat eine lange Tradition von Leo Maduschka bis zur Tirol-Deklaration – und etwas Defensives an sich. Man könnte die Protagonisten durchaus XQWHUVWW]HQXQGVDJHQ,KUVHLGGLH%RWVFKDIWHUGHU%HGURKXQJXQGGHV/LFKWV GHVÅVFKUHFNOLFKHQ(QJHOV´DXV5LONHVÅ'XLQHVHU(OHJLHQ´IUGLHWUlJH0LWWH,KU bringt das Licht in die Höhle. 'DPLWVLQGZLUQXQLQHLQHU$UW$SRULHJHODQGHW:LHLQHLQHP9H[LHUELOG SHQGHOWGDVH[WUHPH%HUJVWHLJHQ]ZLVFKHQ9HUUFNWKHLWXQG/HEHQGLJNHLW²XQG man stellt fest, dass die Deutungen uns nicht wirklich weiter gebracht haben, wenn es uns um die Frage geht: Was ist es nun? Den bislang erreichten Punkt möchte ich mit folgendem Rilke-Gedicht zuVDPPHQIDVVHQVLHZHUGHQVHKHQLFKVFKODJHPLFKDXIGLH6HLWHGHU%HUJVWHLJHU Ach entzögen wir uns Zählern und Stundenschlägern. Einen Morgen hinaus, heißes Jungsein mit Jägern, Rufen im Hundegekläff. Dass im durchdrängten Gebüsch Kühle uns fröhlich besprühe, und wir im Neuen und Frein — in den Lüften der Frühe fühlten den graden Betreff!

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Solches war uns bestimmt. Leichte beschwingte Erscheinung. Nicht, im starren Gelaß, nach einer Nacht voll Verneinung, ein verneinender Tag. Diese sind ewig im Recht: dringend dem Leben Genahte; weil sie Lebendige sind, tritt das unendlich bejahte Tier in den tödlichen Schlag. (Rainer Maria Rilke, Vollmacht, aus: letzte Gedichte und Fragmentarisches)

Deutungskultur Deuten statt Hinspüren Als Psychotherapeut wird man immer wieder mit den Träumen der Patienten konfrontiert. „Sagen Sie mir, was bedeutet folgender Traum“ – und dann kommt HLQHPHLVWUHODWLYEUXFKVWFNDUWLJHXQGGXUFKQDFKWUlJOLFKH,QWHUSUHWDWLRQHQXQG Imaginationen angereicherte Schilderung eines Traums. So schilderte ein Patient in ängstlichem Affekt folgende Traumszene: „Ich sitze an einer langen Tafel, wo gegessen wird. Und glauben Sie, wie ich so schaue, da sehe ich, dass die Toten in unserer Familie da mit am Tisch sitzen, als wäre GDQLFKWVGDEHL´1XQVLQGZLU0HQVFKHQHPRWLRQDODQVWHFNEDU%HYRUZLUEHUKDXSW EHUOHJHQ N|QQHQ SDVVLHUW HV XQV GDVV ZLU GHQ $IIHNW GHV (U]lKOHQGHQ EHUQHKPHQ²XQGGDVLVWLQGLHVHP)DOOGDV%HGURKXQJVJHIKOGXUFKGHQ7UDXP Wir wären dann versucht, den verängstigten (durch den Traum praktisch noch am Tag „verkaterten“) Träumer zu beruhigen, möglicherweise auch mit beruhiJHQGHQ9HUVLFKHUXQJHQRGHU'HXWXQJHQ6RZHLWVRVFKOHFKW 'HQQXPLQGLH6FKLOGHUXQJ]XUFN]XNHKUHQ:DVZLVVHQZLUGHQQYRQGLHVHP 7UDXP" :DU GHU 7LVFK HLQH ODQJH 7DIHO RGHU JHNUPPW" )DQG GDV (VVHQ draußen oder drinnen statt? Saßen die Toten an einem Ende und die Lebenden am anderen oder war das gemischt? Schien die Sonne? War es Sommer? War der 7LVFKVFK|QJHVFKPFNW"$OOGLHVVFKLHQGHP7UlXPHUQLFKWZLFKWLJ]XEHULFKWHQGLH7DWVDFKHGHU$QZHVHQKHLWGHU7RWHQZDULKPDEVWUDNWH7UDXPERWVFKDIW genug: Das muss etwas Wichtiges/Schlimmes sein! Auch hier gibt es bereits eine DEVWUDNWHÅ9RU'HXWXQJ´GHU:XQVFKDQGHQ7KHUDSHXWHQLVWGLHVH9RUGHXWXQJ PLWHLQHUNRQNUHWHQ'HXWXQJ]XIOOHQ )UPLFKZDUHVIDFKOLFKHLQ'XUFKEUXFK]XEHJUHLIHQGDVVHVEHLP7UDXP vor allem darauf ankommt, nicht sofort zu deuten, sondern zunächst, ihn genau anzusehen: Welche Personen sind dabei? Wie sind sie gestimmt? Was haben sie IU.OHLGHUDQ":RVSLHOWGLH6]HQH":DVKDWVLHIUHLQH$WPRVSKlUH" 8P LQ GLHVHQ )DOO ]XUFN]XNHKUHQ $OV GHU 3DWLHQW PLW GHU )UDJH QDFK GHU $WPRVSKlUH GHU 7UDXPV]HQH YHUEOIIW IHVWVWHOOW GDVV /HEHQGH XQG 7RWH VHOEVW-

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YHUVWlQGOLFK GDV (VVHQ WHLOWHQ XQG GLH 7DIHOUXQGH JHO|VW ]XVDPPHQVD‰ ÀQJ HU DQVLFKYRP$IIHNWGHU%HGURKXQJ]XO|VHQXQG1HXJLHUIUGHQ7UDXP]XHQWZLFNHOQ 'LH 'HXWXQJ JDE HU VLFK GDQQ VHOEVW ,FK VROOWH YLHOOHLFKW DQGHUV EHU GLH 9HUVWRUEHQHQ LQ GHU )DPLOLH QDFKGHQNHQ 8QG GLHVH 'HXWXQJ LVW SUDNWLVFK nur eine „Botschaftszuschreibung“ an den Traum, kein inhaltlich-feststehendes Ergebnis: Diese Deutung öffnet einen Weg, bahnt neue Wahrnehmungen. Durch Deuten töten -DPHV+LOOPDQMXQJLDQLVFKHU3V\FKRORJHYHUGDQNHLFKHLQH]ZHLWH]HQWUDOH(LQVLFKWEH]JOLFK'HXWXQJHQ-DPHV+LOOPDQUHIHULHUW7UlXPHLQGHQHQGHU Träumer Tiere träumt – bzw. in der Diktion Hillmans, in denen Tiere den Träumer besuchen. Diese Diktion klingt seltsam, ist aber traumimmanent richtig. Bereits die Aussage: „Ich habe heute von einem Tier geträumt“ ist eine tektonische 9HUVFKLHEXQJYRPJHWUlXPWHQ]XPJHGHXWHWHQ7UDXP,P7UDXPLVWGHU7UlXPHU LP7UDXP1DFKGHP$XIZDFKHQVWRSIWGHU7UlXPHUGHQ7UDXPLQVLFK]XUFN XQGVDJW,FKKDEHJHWUlXPW+LOOPDQZLUEWGDIUGHPJHWUlXPWHQ7LHUGDVGHP Träumer im Traum erscheint, seine Lebendigkeit als Traumtier unter allen Umständen zu erhalten. Wer das Tier zu einem Symbol mache: „Der Elefant als Dein EHUPlFKWLJHU9DWHU´HWFW|WHGDV7UDXPWLHUGXUFKHLQHQ=DXEHUEDQQÅ'XELVW MDJDUNHLQZLUNOLFKHV7LHULFKKDEH'LFKMDQXUJHWUlXPW,Q:LUNOLFKNHLWELVW'X HLQ6\PEROIU´ 0DQ PXVV GHU +LOOPDQ·VFKHQ *UXQGDQQDKPH GHU XQPLWWHOEDUHQ /HEHQGLJkeit seelischen Geschehens nicht unbedingt folgen, aber es wird deutlich, welch ein grausam zupackender Bemächtigungsakt eine Deutung sein kann. ,QGHU]HLWJHQ|VVLVFKHQSV\FKRORJLVFKHQ$OOWDJVNXOWXUKDWVLFKHLQH9HUVFKLHbung vom Gedeuteten zur Deutung vollzogen. Der Traum gilt als verstanden, wenn eine einleuchtende Deutung gefunden ist. Dann hat er sein Werk getan und kann als Traum quasi vergessen werden. Wichtig ist, die Deutung zu behalten. Der psychologische Akt, der sich in dieser Art der Deutung vollzieht, ist der einer Abwendung. „Aha“ – man nimmt die Deutung zur Kenntnis und wendet sich ab. 0DQNDQQVLFKDXFKDEZHQGHQGDQDFKGHU'HXWXQJMDQLFKWVZHLWHU]XYHUVWHKHQ ist. Ich bin kein Kunstsachverständiger, aber ich kann mir vorstellen, dass es auch JHJHQEHU .XQVWZHUNHQ HLQH VROFKH +DOWXQJ JLEW Å:HQQ LFK YHUVWDQGHQ KDEH ZDVGHU.QVWOHUDXVGUFNHQZROOWHNDQQLFK]XPQlFKVWHQ%LOGZHLWHUJHKHQ´ In diesem Moment wird das Bild quasi ausgeknipst. Deutungen bergen die Gefahr der Reduktion – und zwar nicht nur in kognitiver Hinsicht, sondern auch in ästhetischer Hinsicht. Wer einer Deutung folgt, NDQQVLFKVHOEVWHLQUHGHQQLFKWPHKUKLQVHKHQ]XPVVHQ

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Du sollst nicht deuten? 6ROOHQZLUDOVRQLFKWPHKUGHXWHQ"4XDVLHLQ%LOGHUYHUERWHUODVVHQ"'DVZUGHGDVHLQHhEHOGXUFKHLQDQGHUHVHUVHW]HQ'HXWHQLVWMDGRFKDXFKOXVWYROO Und da möchte ich Sie nun einladen, mir im Geiste in eine beliebige Kletterhalle zu folgen. Was sehen wir hier? Junge Menschen, die möglichst wenig anhaben wollen, wenn nicht gar sich GLH.OHLGHUELVDXIGLH%HLQNOHLGHUYRP/HLEUHL‰HQ:LHZRKOVLHVLFKIKOHQ wenn sie mit nacktem Oberkörper oder knappem Muskelshirt an der Wand hänJHQ $EHU VLH WUDJHQ MD QRFK HWZDV 6R HLQH $UW *UWHO 2EHQ HLQH RGHU ]ZHL Schnallen, durchaus mit Klettverschluss bewehrt, und dann so zwischen den Beinen durch. Das haben die doch alle schon mal getragen. Richtig, da hieß es WinGHO'LHKDEHQMDDXFK.OHWWYHUVFKOVVHXQGVSUHL]HQDXFKHLQELVVFKHQGLH%HLQH VRZLHGLHVH.OHWWHUJXUWHDXFK8QGGDQQGLHVHSXW]LJHQ6FKKFKHQ6‰VRHQJ Kann man kaum drin laufen. Und was hängt denn da vorne runter – mehr bei den Männern, die Frauen hängen es dezent zur Seite in die Materialschlaufe. Richtig, das ist ein Achter, oder ein HMS, oder ein Tuber. Baumelt also so vorne dran beim Laufen. Macht was her. Wie heißt das Ding? Tuber? Also quasi: Schlauch? Aber die Männer haben doch schon einen?? Insbesondere die ganz extremen können ganz schön hager sein. Man möchte ihnen doch sofort eine heiße Schokolade bereiten, damit sie ein bisschen zu Kräften kommen. Und sie gehen die Wände hoch, wo eigentlich nichts zum Festhalten LVW6HOWVDPMHZHQLJHU]XP)HVWKDOWHQGHVWRLQWHUHVVDQWHU'LHEHVWHQVLQGGLH die sich am besten festhalten können, wo nichts zum Festhalten ist. Wenn sie sich dann erfolgreich festgehalten haben, kommen sie oben an. Aber ZDVKHL‰WGDVVFKRQ'DVLVWMDJDUNHLQ2EHQ'DLVWMDQXUGLH+DOOHQGHFNHGDUEHUXQGHLQ.DUDELQHUYRULKQHQLQGHQVLHGDV6HLONOLSSHQ6LHYHUKDUUHQGD auch keine Sekunde zu viel. Das „Oben sein“ kann ihnen nicht wirklich wichtig VHLQVRQVWZUGHQVLHGDVQRFKPHKUDXVNRVWHQ 'LH VLFKHUQGH 3HUVRQ UXIW Å+DE· 'LFK´ RGHU VR lKQOLFK XQG OlVVW GLH NOHWternde Person schnurstracks (im Wortsinn: gerade das Seil entlang) zum Boden ab. Seltsam ist, dass die kletternde Person sich ärgert, wenn sie nicht hochkommt, REZRKO REHQ QLFKWV EHGHXWHW 9HUPXWOLFK lUJHUW VLH VLFK GDUEHU GDVV VLH VLFK QLFKW KDW IHVWKDOWHQ N|QQHQ Å,FK KDEH ]X IUK ORVJHODVVHQ´ Å,FK NRQQWH PLFK nicht mehr festhalten!“ Und was ruft die Sicherungsperson zum kämpfenden .OHWWHUHUÅ+DE·'LFK%LQGD.DQQQL[SDVVLHUHQ*HKWVFKRQ7UDX'LFK´ Es geht also um das Festhalten in allen Facetten. Alexander Huber beendet VHLQH 9RUWUlJH PLW HLQHP 6WDQGDUGVDW] Å,PPHU VFK|Q IHVWKDOWHQ´ ² XQG GDEHL formt er eine Hand zu einer typischen Kletterergeste: Aufgestellte Finger auf einer schmalen Leiste. Das Festhalten der Kletterer ist nicht das Halten an einer

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Hand, und nicht das Greifen eines Holms wie beim Turnen. Es ist ein Akt des Festhaltens im Nichts. Wir machen einen Zeitsprung. Wir stellen uns die Kletterer als Wickelkinder YRU)HVWKDOWHQXQG+RFK]LHKHQLVWGHUHLQ]LJH:HJJUR‰]XVHLQhEHUEOLFN]X bekommen, zu sehen, was die Erwachsenen auf dem Tisch oder in den Regalen haben. Stolz zeigen sie ihre Fähigkeiten. Wenn sie fallen, dämpft die Windel den $XISUDOOKlOWGHU*XUWGHQ6WXU]1DWUOLFKNDQQPDQDXFKKRFKJHKREHQZHUGHQ Å+DE·'LFK´ DEHUZHQQHLQHQQLHPDQGKlOW"'DQQPXVVPDQVLFKLPPHUVFK|Q VHOEVWIHVWKDOWHQ.OHWWHUQVRYHUVWDQGHQLVWGHU9HUVXFKVLFKVHOEVW]XEHZHLVHQ dass man sich selbst festhalten kann. Ich habe mein Leben im Griff. 'LH:DQGZLUGQXQ]XU0HWDSKHUIUGLH*HIlKUOLFKNHLWGHV/HEHQV.DXP HWZDV]XP)HVWKDOWHQXQGZRPDQVLFKIHVWKlOWNDQQPDQQLFKWIULPPHUEOHLEHQ'HU$EVWXU]LVWHLQH0|JOLFKNHLW,KQOHLFKW]XYHUKLQGHUQHUIOOWPLW*HQXJWXXQJLKPNQDSS]XHQWJHKHQEUDXFKW(UKROXQJ Deuten, um zu sehen So weit so gut. Worauf will ich hinaus? Ich habe mich dem Hallenklettern zugewandt. Damit mache ich gleich eine Aussage dahingehend, dass, was ich hier EHUGLHVH6SH]LHVVFKUHLEHIUGHQ+RFKWRXUHQEHUJVWHLJHUQLFKWJHOWHQGUIWH Das mindeste, was eine gute Deutung leisten sollte, ist, gut zu differenzieren: Festhalten ist nicht das Metier des Hochtourengehers: Der scheint vor allem einen Gipfel zu brauchen – und das wäre eine zweite Geschichte. Insofern mögen das durchaus unterschiedliche Tätigkeiten sein. Mir geht es aber auch um etwas Zweites. Die Aussage, „Kletterer sind zu kurz JHNRPPHQH'UHLMlKULJHGLHVLFKSHUPDQHQWDQGHQQLFKWYRUKDQGHQHQ5RFN]LSfeln der Mutter hochziehen, die sie längst allein gelassen hat (weswegen sie auch keine Schokolade kriegen)“ (Alle Kletterer lieben Kuchen!) – um nun die Deutungskatze aus dem Sack zu lassen, will nicht meinen: „So ist das nun wirklich!“ – sondern soll vielmehr helfen, einen neuen Blick zu gewinnen. Der Zeitenwechsel: die Erwachsenen als Kleinkinder anzusehen, das Gewusel und die Lautstärke in der Halle als dann durchaus altersgemäße Rahmenbedingungen, dient nicht GHUÅ)HVWVWHOOXQJ´GHU5HDOLWlWVRQGHUQGHUgIIQXQJIUHLQH:DKUQHKPXQJGLH GXUFK GHQ 'HXWXQJVUDKPHQ HUVW HUP|JOLFKW ZLUG *XWH 'HXWXQJHQ IKUHQ HLQ QHXHV)UHTXHQ]EDQGHLQ²PDQK|UWSO|W]OLFKHLQHQQHXHQ5DGLRVHQGHUQLPPW eine neue Perspektive ein, um von ihr aus dann zu blicken. 8QGJXWH'HXWXQJHQEULQJHQGLH%HGURKXQJLQGLH0LWWH]XUFN,PPHUKLQ ist der Tod in der Kletterhalle, weil es an der Wand keinen Halt gegeben hat, eine UHDOH0|JOLFKNHLW8QGZHUDQHLQHU.OHWWHUZDQGW|GOLFKDEVWU]WYRQGHPNDQQ man wohl sagen: Er hat keinen Halt gefunden. :LUEUDXFKHQDOVR'HXWXQJHQGLHZLHGHU]XUFNLQGLH:DKUQHKPXQJIK-

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UHQXQGGDV)DV]LQRVXPOHEHQGLJKDOWHQ:LUPVVHQLQGHU'HXWXQJ]ZLVFKHQ dem Schönen und dem Schrecklichen pendeln, uns nicht vom Schrecklichen umbringen lassen und uns nicht als Parvenu im Schönen einrichten. Gute DeuWXQJYHUPLWWHOW]ZLVFKHQ%HLGHPLP5LONH·VFKHQ9HUWUDXHQ GDVRIWHQWWlXVFKW worden ist, aber ohne das es auch nicht geht), „dass das Schreckliche gelassen verschmäht, uns zu zerstören“. Und wieder zurück zur Tat Nach all der Deuterei tut es gut, sich wieder an den bergsteigerischen Taten zu HUJ|W]HQ²XQGKLHUNRPPHLFK]XU$XVVWHOOXQJ]XUFN$XVPHLQHU6LFKWJHKWHV GDUXP3HUVSHNWLYHQDXIGDV%HUJVWHLJHQ]XVLFKHUQGLHGHQJHZRKQWHQ5HÁH[HQ HQWJHJHQVWHKHQ'HQQGLHJHZRKQWHQ5HÁH[HVLQGMDGHXWXQJVEHZHKUWÅ'LHVLQG YHUUFNWVFKDX'LUPDOGLHVHV3RUWDOHGJH KlQJHQGHV=HOW$QPG9HUI DQ'D VROOPDQEHUQDFKWHQ"´:LUUHJHQ]XQHXHQ'HXWXQJHQDQZHQQZLUJHZRKQWH Wahrnehmungsmuster unterbrechen. Dies ist hier gelungen und legitimiert zur :HLWHUIKUXQJ (LQHQ9RUVFKODJKDEHLFKQRFKXQGLFKPXVVLKQDOV*HVFKLFKWHHU]lKOHQ 9RUHLQLJHQ-DKUHQ|IIQHWHLFKPLFKGHP%RXOGHUQ GHP.OHWWHUQRKQH6HLOLQ Absprunghöhe an „kleinen Felsbrocken“). Mittlerweile bin auch im Besitz eines „Crashpads“, einer Matte, die den Aufprall beim Sturz mindert. Anlässlich eines Besuchs im Tessin wollte ich unbedingt den damals schwersten Boulder der Welt „Dream time“ in Cresciano kennen lernen. Wir fuhren also dorthin und gerieten in eine soziale Szene, die mir fremd war, wie wenn ich Marsmenschen begegnen ZUGH'DOXQJHUWHQGLHVH%RXOGHUHULP:LQWHULQLKUHQULHVLJHQ'DXQHQMDFNHQ XQWHULUJHQGZHOFKHQhEHUKlQJHQKHUXPRGHUWUXJHQLKUH&UDVKSDGVZLHEHUGLPHQVLRQLHUWH $VWURQDXWHQ9HUVRUJXQJVV\VWHPH YRQ HLQHP %ORFN ]XP DQGHUHQ $EJHVHKHQGDYRQSDVVLHUWH²QLFKWV$EXQG]XVWDQGHLQHUDXIÀQJHUWHDQHLQHP *ULIIKHUXPGHQHUGDQDFKDNULELVFKPLWGHU=DKQEUVWHSXW]WHGDQQVHW]WHHU VLFKZLHGHUKLQ$OOHbRQHQVWDUWHWHHLQ%RXOGHUHUHLQHQ9HUVXFKGHUQDFKZHnigen Sekunden meistens krachend auf der Crashpad endete. Dann war wieder Ruhe. Was ich meine: Die Tat ist in einen Rahmen gestellt. Der Rahmen sagt EHUGLH7DWYHUPXWOLFKJHQDXVRYLHOZLHGLH7DWVHOEVW:HQQZLUHLQ3KlQRmen wie das Bouldern verstehen wollen, tun wir gut daran, auch zu fragen: Wo NRPPHQGLHKHU":REHUQDFKWHQGLH":LHNOHLGHQVLHVLFK":DVKDEHQGLHIU eine Sprache? Eine solche „Sozialraumorientierung“, im sozioökonomischen und im ästhetischen Sinn, könnte die Unverständlichkeit des Bergsteigens vielleicht noch vertiefen.

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M ONIKA G ÄRTNER £Zur Geschichte des Österreichischen Alpenvereinsmuseums

Monika Gärtner Zur Geschichte des Österreichischen Alpenvereinsmuseums „Zeugen des Obengewesenseins“ ࡐ'LH)ODJJHGHV7HJHWWKRIIVZHOFKHLFK'LUIUGLH+WWH VHQGH KDW PLFK DXI DOOHQ 6FKOLWWHQUHLVHQ EHJOHLWHW VLH ZDUDOVRDXFKLPlX‰HUVWHQ1RUGHQDXIƒP%UHLWH´ -XOLXV3D\HU1

-XOLXVYRQ3D\HUGHUHUIROJUHLFKH3RODUXQG$OSHQIRUVFKHUVFKLFNWHMlKULJHLQHQ%ULHIDQVHLQHQ)UHXQGGHQ$OSHQYHUHLQVPLWEHJUQGHU-RKDQQ6WGO nach Prag. Er legte dem Schreiben einen Gegenstand als Spende bei: Jene Fahne, die ihn von 1872 bis 1874 auf dem Schiff „Tegetthoff“ bei seiner Arktisexpedition ]XP)UDQ]-RVHIV/DQGEHJOHLWHWKDWWHVROOWHQXQDOV=HLFKHQVHLQHU9HUEXQGHQKHLWPLWGHP$OSHQYHUHLQLQGHVVHQ%HVLW]EHUJHKHQ1DFKVHLQHP:XQVFKVROOWH GLHVH)ODJJH]XNQIWLJLQGLH$OSHQYHUHLQVKWWHGHU6HNWLRQ3UDJDP*LSIHOGHV Ortlers gebracht werden, die nach ihm, dem Erstvermesser des Gipfels, den NaPHQ3D\HUKWWHHUKLHOW:HQQHV]XGLHVHP=HLWSXQNWVFKRQHLQ$OSLQHV0XVHXP des Alpenvereins gegeben hätte, wäre Payers Fahne vermutlich dort an einem ehrenvollen Platz aufbewahrt und gezeigt worden. Eine andere Fahne, die die Erstbesteiger des Großvenedigers 1841 am Gipfel hatten hissen können, fand als stummer Zeuge des „Obengewesenseins“ den Weg in das Salzburger Museum (Scharfe 2007). „Wir werden diese kostbare Reliquie stets in Ehren halten.“2 Das heißt, die Zeit war da, um neben großen KunstsammOXQJHQXQGZHUWYROOHQ*HJHQVWlQGHQYRQ:HOWUHLVHQ²Å%HXWH]JHQ´ *UDVVNDPS  ²LQGHQ0XVHHQDXFKÅDOSLQH%HXWHVWFNH´YRQ%HUJWRXUHQ$OSHQUHLVHQ und Forschungstrips des Alpenvereins auszustellen. Diese konnten Steine von EHGHXWHQGHQ *LSIHOQ XQG .RPSHQGLHQ JHWURFNQHWHU 3ÁDQ]HQ .RORQQHQ WRSRJUDÀVFKHU 1DPHQ XQG 9HUPHVVXQJVGDWHQ 6NL]]HQ IU +RFKJHELUJVNDUWHQ XQG Panoramen sein (Scharfe 2007). All dies und noch vieles mehr sollte im neu zu JUQGHQGHQ0XVHXPGHV$OSHQYHUHLQVDE]XÀQGHQVHLQ

 %ULHI-XOLXVY3D\HUDQ-RKDQQ6WGO)UKMDKU+LVWRULVFKHV$UFKLYGHV2H$9+6 1/670 2 Jahresbericht der Sektion Prag, 1909, S.12

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Erlebnis zwischen Bergattrappen – Hüttenzauber ohne Bergtour Die im gesamten deutschsprachigen Gebiet verteilten Zweigvereine des Alpenvereins waren einerseits ernsthafte Sammler von Kunst, Wissenschaft, FotoJUDÀHQ XQG %FKHUQ DQGHUHUVHLWV HUÀQGHULVFK GDULQ LKUH %HVWlQGH ]X SUlVHQWLHUHQ'LH6HNWLRQHQLQ0QFKHQXQG,QQVEUXFNGLHXPGLH-DKUKXQGHUWZHQGH aktiv um den Standort des Alpinen Museums in ihrer Stadt warben, lieferten zwei besonders populäre Beispiele des alpinen Ausstellens: IDQGGLHHUVWH6SRUWDXVVWHOOXQJRUJDQLVLHUWYRP*HZHUEHYHUHLQ0Qchen, auf der Praterinsel, nicht unweit des Platzes des späteren Alpinen Museums, VWDWW'HU%HLWUDJGHU$OSHQYHUHLQV6HNWLRQ0QFKHQZDUHLQH6FKDXGLHHLQHQ alpinen Erlebnisweg versprach. Gleich beim Eintritt stiegen die Besucher durch HLQHNQVWOLFKJHVWDOWHWHHQJH.ODPPDXIHLQHQ$XVVLFKWVEDONRQYRQGHPDXV in die Tiefe geblickt, Berglandschaften zu betrachten waren.3 Das Aufstiegsritual, das vermutlich den dunklen Treppengängen der Riesenrundgemälde entliehen ZDUZXUGHYRQGHQÅ$OSHQYHUHLQOHUQ´QHXLQWHUSUHWLHUWPDQVWHOOWHVLFKGLH%HJHKXQJHLQHU.ODPPRKQH$XVEOLFNHELV]XMHQHP3XQNWYRUZRGHP%HWUDFKWHU anstelle eines 360°-Panoramagemäldes eine große Zahl von Gebirgsreliefs von GHU %DOXVWUDGH DXV Å]X )‰HQ´ ODJHQ =HQWUDOH %HWUDFKWXQJVREMHNWH ZDUHQ GLH Bergreliefs aus der Hand der Topografen, Kartografen und Reliefbauer der Alpenvereine. Auf der Tiroler Landesausstellung 1893 sorgte die Alpenvereins-Sektion InQVEUXFNIUHLQHKRFKDOSLQH$WWUDNWLRQ'LHQHXJHSODQWH%HWWHOZXUIKWWHZXUGH als „Fertigteilhaus“ im Tal gezimmert und in der Landesausstellung komplett eingerichtet aufgebaut. Zum Eintritt von einigen Hellern tauchten Tausende Gäste LQGLH+WWHQLOOXVLRQHLQ'LH6FKXW]KWWHGHV+RFKJHELUJHVZXUGHVRIUHLQLJH :RFKHQ ]XP 9HUJQJXQJVUDXP LQ GHU 6WDGW $QVFKOLH‰HQG ]RJHQ 3IHUGHIXKUZHUNHGLH+WWHDXIGDV/DIDWVFKHU-RFKXQGYRQGRUWVFKOHSSWHQGLH7UlJHUDXI LKUHQ5FNHQGLH(LQ]HOWHLOH]XP%DXSODW]DXIEHU0HWHUQ *lUWQHU  'LHVH$UWGHU%HUJ,QV]HQLHUXQJZDULQGHQ*UR‰VWlGWHQ]XMHQHU=HLWVHKU JHOlXÀJ$OOHLQLQ:LHQZDUHQLP-DKUKXQGHUWEHU6FKDXVWHOOHULQVLHEHQ %H]LUNHQWlWLJGLHPLWLKUHQ3DQRUDPHQ*URWWHQEDKQHQ9HUJQJXQJVSDUNVXQG 9|ONHUVFKDXHQGLHJDQ]H:HOWDQHLQHQ2UWKROWHQ,QQHUKDOEYRQHLQHU0LQXWH DXIGLHDQGHUHNRQQWHPDQLQGHU6FKZHL]HU$OPKWWHVLW]HQGLH0RQGODQGVFKDIW betreten oder am Nordpol sein. Waren diese „imaginären Reisen“ (Storch 2009) IUGLHPHLVWHQ0HQVFKHQQLFKWXPYLHOHVYHUJQJOLFKHUDOVGHU*DQJLQHLQ0Lneralogisches Kabinett, ein naturkundliches Museum oder eine Bibliothek? Die (UULFKWXQJGHV$OSLQHQ0XVHXPVGHV$OSHQYHUHLQVLVWLP6SDQQXQJVERJHQMHQHU Zeit zwischen Unterhaltungskultur und wissenschaftlichem Ernst zu verstehen.  )UHXQGOLFKHU+LQZHLVYRQ%HQMDPLQ$QGHUVRQ

M ONIKA G ÄRTNER £Zur Geschichte des Österreichischen Alpenvereinsmuseums

„Die Kenntnisse der Alpen erweitern, sowie die Bereisung der Alpen zu erleichtern.“ Das Alpine Museum des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins in München (1911 – 1944) Die Generalversammlung des Deutschen und Oesterreichischen AlpenverHLQV 'X2H$9  HQWVFKLHG DP  -XOL  HLQ 0XVHXP ]X JUQGHQ $P  'H]HPEHU|IIQHWHGDV0XVHXPLQHLQHP&DIHDXIGHU,VDULQVHOLQ0QFKHQ VHLQH3IRUWHQ²LQHLQHP+DXVGDVGLH6WDGW0QFKHQGHP$OSHQYHUHLQIU0XVHXPV]ZHFNHXQHQWJHOWOLFKEHUOlVVWDQHLQHPSURPLQHQWHQ6WDQGRUWDXIHLQHU Insel in der Isar, „deren grüne Fluten uns die Nähe der Alpen verkünden“ und in Nachbarschaft zum Neubau des Deutschen Museums sowie zur Maximilianstrasse. „Die jüngste Schöpfung des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins, des größten alpinen Vereins der Welt, ist d a s A l p i n e M u s e u m, welches am 17. Dezember 1911 eröffnet worden ist; es gehört ausschließlich dem Alpenverein und wird mit einem jährlichen Kostenaufwand von über 20 000 Mark von ihm betrieben. Die Stadtgemeinde München hat dem Verein das über 7000 Quadratmeter große und einen Wert von einer Million Mark darstellende Grundstück für Museumszwecke in hochherziger Weise unentgeltlich überlassen. Eingebettet in den beiden Flußläufen der Isar, deren grüne Fluten uns die Nähe der Alpen verkündet, bildet es ein landschaftliches Juwel, wie es inmitten der Großstadt VHLQHVJOHLFKHQ VXFKW 'LH VRQQLJVWH *DUWHQÁlFKH DQ GHU 6GVHLWH GHV +DXVHV (das gelegentlich einer Ausstellung im Jahre 1886 für Wirtschaftszwecke erbaut wurde) gestattet es, einen A l p e n p f l a n z e n g a r t e n (Alpinum) anzulegen.“ (Müller 1916, S. 4-5) :DUXP ZXUGH 0QFKHQ DOV 6WDQGRUW GHV 0XVHXPV GHU 9RU]XJ JHJHQEHU ,QQVEUXFNJHJHEHQ"$XFKZHQQ0QFKHQ]XMHQHU=HLWDFKWPDOVRYLHOH$OSHQverein-Sektionen und -Mitglieder wie Innsbruck hatte und um die Jahrhundertwende bedeutendes kulturelles Zentrum war, scheinen die beiden Städte aus Alpenvereinsperspektive gleichwertig gewesen zu sein: Beide Städte waren Sitz der 9HUHLQVNDQ]OHL GHV 'X2H$9 'HXWVFKHQ XQG 2HVWHUUHLFKLVFKHQ $OSHQYHUHLQV  GDGLHVHLKUHQ6LW]DOOHIQI-DKUHZHFKVHOWHZREHL0QFKHQ:LHQXQG,QQVEUXFNPHKUIDFKDOV6WDQGRUWHJHZlKOWZXUGHQ%HLGHYHUIJWHQEHUKRFKUDQJLJH ZLVVHQVFKDIWOLFKH9HUWUHWHUGHU$OSHQIRUVFKXQJGLHVLFKLP$OSHQYHUHLQHQJDJLHUWHQVRZLHSURPLQHQWH=LUNHOHUIROJUHLFKHU$OSLQLVWHQ%HLGH%UJHUPHLVWHU boten dem Alpenverein Museumsgebäude an, um damit ihre Stadt als „die BergVWHLJHUVWDGW´ ]X UKPHQ 'DV $QJHERW GHV 0QFKQHU 2EHUEUJHUPHLVWHUV 'U Wilhelm Georg Ritter von Borscht, das ehemalige Café samt Garten, wird dem YRQ,QQVEUXFNV%UJHUPHLVWHU:LOKHOP*UHLO²HLQHKHPDOLJHV6FKXOJHElXGHLQ der Fallmerayer-Straße – als Museumsbau vorgezogen.

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Die Ironie der Geschichte will es, dass erst 50 Jahre später in der – nach GHP%UJHUPHLVWHUEHQDQQWHQ6WUD‰HLQ,QQVEUXFNGHU:LOKHOP*UHLO6WUD‰H –, der Alpenverein ansässig wird: 1963 errichtet der Oesterreichische AlpenverHLQ 2H$9 VHLQÅ$OSHQYHUHLQVKDXV´LQGDVZHLWHUH]HKQ-DKUHVSlWHULPGULWWHQ 6WRFNGDVÅ$OSLQH0XVHXP´GHV2H$9HLQ]LHKHQZLUG 'LH=LHOHGHV0QFKQHU0XVHXPVGHFNWHQVLFKJHQDXPLWGHQDOOJHPHLQHQLQ seinen Statuten festgelegten Grundsätzen des Alpenvereins. „Der Verein bezweckt die Kenntnis der Alpen im Allgemeinen zu erweitern und zu verbreitern, sowie die Bereisung der Alpen Deutschlands und Oesterreichs zu erleichtern.“ (Müller 1916, S. 4) 'DVKHL‰WGHU$OSHQYHUHLQEHDEVLFKWLJWHPLWGHP$OSLQHQ0XVHXPGLH9HUmittlung zweier Kernthemen, die Darstellung der wissenschaftlichen ErkenntQLVVH EHU GLH $OSHQ LQ (UJlQ]XQJ ]X GHQ ELVKHU DXVVFKOLH‰OLFK VFKULIWOLFK LQ der Zeitschrift des Alpenvereins veröffentlichten Beiträgen und die Illustration WRSRJUDÀVFKHUDOSLQWRXULVWLVFKHUXQGDOSLQKLVWRULVFKHU'HWDLOLQIRUPDWLRQHQ]XU OHLFKWHUHQ2ULHQWLHUXQJXQG5HLVHSODQXQJIUHLQEUHLWHUHV3XEOLNXP =XVlW]OLFKEHQXW]WHGHU9HUHLQGDV0XVHXPXPVLFKPLWVHLQHQ/HLVWXQJHQ einer bedeutenden Rolle in der Gesellschaft zu vergewissern. Die „Südliche Seitenhalle [ist der] Entwicklung des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins gewidmet […]. Ein mächtiger Block aus nachgemachten Rollen von je 1000 Mark in 20 Markstücken gebildet, der die Summe von 8 348 615 Mark darstellt […] die der Deutsche und Oesterreichische Alpenverein seit seinem Bestehen für Weg- und Hüttenbauten in den Ost-Alpen bis zum Jahre 1911 ausgegeben hat […]. Eine Tafel zeigt, wie mächtig der Alpenverein alle anderen Vereine an Mitgliederzahlen überragt; vergleicht man seinen Bestand an Mitgliedern mit der Höhe des höchsten Berges der Welt, des Gaurisankar4 (8840 m), so wäre für den nächstgroßen alpinen Verein, die Naturfreunde, nicht der Montblanc oder die Zugspitze, sondern etwa der Schafberg (1780 m) zum Vergleiche heranzuziehen.“ 0OOHU6 ,QGHQHU-DKUHQZHUGHQHLQVFKQHLGHQGH9HUlQGHUXQJHQGXUFKGHQ$XVEDXGHV*HElXGHVGKGLH9HUJU|‰HUXQJGHU$XVVWHOOXQJVÁlFKHXQGGLH(UJlQ]XQJYRQ7KHPHQVRZLHGLH8PJHVWDOWXQJHQGHUQXQEHUHLWVEHUMlKULJHQ Dauerausstellung durch didaktische Elemente vorgenommen. Leistungsschau „älplerisch“. Die Ausstellung Die Ausstellung des Alpinen Museums war doppelt aktuell: sowohl was den Stand der Forschungsdisziplinen anbelangte, als auch hinsichtlich der Selbstdar $XIHLQHQ,UUWXP+HUUPDQQ6FKODJLQWZHLWV]XUFNJHKHQGH%H]HLFKQXQJIUGHQ0RXQW Everest

M ONIKA G ÄRTNER £Zur Geschichte des Österreichischen Alpenvereinsmuseums

stellung des Alpenvereins mit Hilfe von Datenmaterial, Statistiken und AufzähOXQJHQGHUQHXHVWHQ/HLVWXQJHQLP9HUHLQ 'LH$XVVWHOOXQJXPIDVVWHGLH/HLVWXQJGHVQXQIDVWIQI]LJMlKULJHQ$OSHQYHUHLQVPLWGHQ7KHPHQÅ6FKXW]KWWHQEDX´Å%HUJIKUHU´XQGÅ5HWWXQJVZHVHQ´Å$OSLQH.XQVW´Å$OSLQWHFKQLN´Å([SHGLWLRQVZHVHQ´Å.DUWRJUDÀH´ Die „wissenschaftlichen Abteilungen“ waren in die Gruppen „Alpiner BergEDX´ Å=RRORJLVFKH 6DPPOXQJ´ Å%RWDQLVFKH´ Å0HWHRURORJLVFKH´ XQG Å9RONVkundliche Abteilung“ gegliedert. (V VWDQGHQ ]XU (U|IIQXQJ VLHEHQ 5lXPH DOV $XVVWHOOXQJVÁlFKH ]XU 9HUIJXQJ (LQJDQJVKDOOH +DXSWVDDO 6GOLFKH XQG 1|UGOLFKH 6HLWHQKDOOH NOHLQHU Saal, Treppenhaus und Oberer Saal. Mit dem Nebeneinander der Sammlungen und der chronologischen Ordnung GHU2EMHNWHNDPZHGHULQGHU$XVVWHOOXQJQRFKLP.DWDORJHLQVWULQJHQWHULQKDOWlicher roter Faden zustande. Im Treppenhaus zum Beispiel drängten sich SeilknoWHQXQG$XVUVWXQJHQIU$EVHLOWHFKQLNHQHLQH:HJHWDIHOHLQPLQHUDORJLVFKHU +DPPHU+HUPDQQY%DUWKV)RWRJUDÀHQXQG)DUEGUXFNHYRQ$OSHQSÁDQ]HQ historische Panoramen, Landkarten und eine Sammlung von siebzig Arten von %HUJKXPPHOQ 0OOHU6  „Auf einer Karte Europas sind 70 Hummeln, typische Bergtiere aufgespießt, womit die ‚regionalen Konvergenzerscheinungen‘ demonstriert werden sollen, Auftreten gleicher Färbungen bei morphologisch verschiedenen Arten usw., der sogenannte Melanismus usw., ganz abgesehen davon, dass der Laie staunen wird, wenn er von 70 Hummelarten hört, wo für ihn doch meist Hummel Hummel ist.“ (Schmidkunz 1930, S. 241) 'DV3ULQ]LSDXI9ROOVWlQGLJNHLWGHU6DPPOXQJVWHLOHZLH]XP%HLVSLHOÅDOOH Minerale der Ostalpen“ ausstellen zu wollen, trieb die Museumsleitung in eine 6DFNJDVVH'LH$Q]DKOGHUDXVJHVWHOOWHQ2EMHNWHZXFKVLQQHUKDOEYRQ-DKUHQ auf 8.000, die der Reliefs auf beinahe 100 an. $XI GHP *UXQGVWFN GHV 0XVHXPV HUZDUWHWHQ GLH %HVXFKHU HLQ $OSHQSÁDQ]HQJDUWHQXQGHLQH5HLKHYRQELV]X]ZHL0HWHUKRKHQ6WHLQHQ„17 große Steinblöcke“ bildeten den Kern der geologischen Sammlung, die auf eine Größe YRQ KXQGHUW 6WFN YHUYROOVWlQGLJW ZHUGHQ VROOWH XP OFNHQORV „alle wichtigen Gesteinsformationen der Alpen“ GDU]XVWHOOHQ 0OOHU   'LH GHWDLOOLHUWH Beschreibung der Blöcke im Garten sowie der Gesteinsproben im Museum erIROJWHDXVVFKOLH‰OLFKLP)DFKMDUJRQZDUGRFKGLHJHRORJLVFKH$OSHQIRUVFKXQJ XQPLWWHOEDUPLWGHP$OSHQYHUHLQYHUNQSIW'HVKDOEJLQJHVMHQHQ3HUVRQHQGLH Anfang des 20. Jahrhunderts bahnbrechende Ergebnisse und neue Theorien zur Alpenbildung oder Gletscherforschung lieferten, in dieser musealen Präsentation sicher mehr um die Darstellung des aktuellen Diskussionsstandes als um die päGDJRJLVFKH$XIEHUHLWXQJIU/DLHQ „Von der derzeitigen Auffassung des geologischen Baues der Alpen geben

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drei im kleinen Saal ebener Erde, links vom Treppenhaus, aufgehängte große 3URÀOGDUVWHOOXQJHQ DXV GHQ DP EHVWHQ HUIRUVFKWHQ 7HLOHQ GHU Q|UGOLFKHQ .DOkalpen eine Vorstellung. Es sind dies ein Durchschnitt durch die Allgäuer Alpen nach H. Mylius, ein solcher durch die Lechtaler Alpen nach O. Ampferer und ein dritter durch die Berchtesgadener Alpen nach F. Hahn, C. Lebling u.a.“ 0OOHU 1916, S. 13) Erst Walter Schmidkunz änderte, in den 30er-Jahren, die Betrachtungsweise:Å*HVWHLQHVHKHQ'LFKDQ²EOD‰URVDÄELEHOVNlVZHL‰H¶JHVFKZUURWHSHUJDmentgelbe und aschgraue … Die vielen […] Blöcke bringen die Gesteinsarten zur Anschauung, aus denen unsere Berge aufgebaut sind.“ (Schmidkunz 1930, S. 232) (UHUZlKQWHDXFKMHQHQ7HLOGHV*DUWHQVGHUXQNXOWLYLHUWVHLQHU0HLQXQJ nach in „paradiesischem Urzustand“ war. :LFKWLJDEHUIUGDV$XVVWHOOXQJVNRQ]HSWZDUHQGLHDQJHOHJWHQ%LRWRSHGHV Alpinums und die Botanische Abteilung im Museum. Die Erstellung des mehrElQGLJHQÅ$WODVGHU$OSHQSÁDQ]HQ´XQGGDV(QJDJHPHQWGHV$OSHQYHUHLQVIU GHQÅ6FKXW]GHU$OSHQSÁDQ]HQ´EUDFKWHQXPIDQJUHLFKH.RQYROXWHYRQ+HUEDULHQ XQG3ÁDQ]HQELOGHUQKHUYRUGLHHVDXV]XVWHOOHQJDOW In den 1920er-Jahren wurde die Ausstellung um eine Abteilung „1. Weltkrieg“ ergänzt. Das Modell „Die verlorene Stadt“, zeitweise auch „Die geraubte 6WDGW´JHQDQQWYHUDQVFKDXOLFKWHQLFKWQXUDOOH+WWHQGLHGXUFKGHQ.ULHJ LQGHQ%HVLW]GHVLWDOLHQLVFKHQ6WDDWHVEHUJHJDQJHQHQZDUHQVRQGHUQDXFKGDV politische Statement des Alpenvereins. Ein Gemälde mit dem Aufruf „Besucht XQVHUHGHXWVFKHQ%UGHULQ6GWLURO´XQGHLQH6RQGHUVFKDX]XGHQDOSLQLVWLVFKHQ Leistungen der Kriegsversehrten verstärkten diese Intention. Die Abteilung „Die WHFKQLVFKHQ:XQGHUGHU$OSHQIURQW´ZDULQ9RUEHUHLWXQJ $EHUGHU$XVEDXGHV.HOOHUVXQGGHU7HUUDVVH²IUQHXH$XVVWHOOXQJVÁlFKHQYHUULQJHUWHGLH=DKOGHU'HSRWUlXPHXQGGLH1RWZHQGLJNHLWHLQHV Neubaus wurde in Erwägung gezogen (Schmidkunz 1930, S.230). Didaktische Elemente, die sich zur Museumseröffnung maximal auf das Anheben eines Bergreliefs mittels Kurbel beschränkten, fanden in den 1920erJahren Einzug: Eine Kulisse in Saalhöhe ließ Bergsteigerpuppen verschiedene Å(LV XQG )HOVWHFKQLNHQ´ EHQ QDFKWUlJOLFK HLQJHEDXWH 'LRUDPHQ ]HLJWHQ YLHU verschiedenen Alpenlandschaften. Trotzdem blieb die Ausstellungsgestaltung, im 9HUJOHLFK ]X DQGHUHQ ÅJUR‰HQ KHOOHQ VSlUOLFK EHVWFNWHQ´ $XVVWHOOXQJHQ ÅHLQ ZHQLJlOSOHULVFKHLQZHQLJPQFKQHULVFK´ 6FKPLGNXQ]6  Das Alpenvereinsmuseum in der NS-Zeit In den 30er-Jahren begann sich ein Rollenwechsel der beiden rivalisierenden $OSHQYHUHLQV6WlGWH0QFKHQXQG,QQVEUXFNDE]X]HLFKQHQ+LQWHUJUXQGGDIU bildeten die städtebaulichen Pläne Adolf Hitlers: Während die Museumslei-

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WXQJLQ0QFKHQVLFKQRFKYHKHPHQWJHJHQHLQH8PZLGPXQJGHU,VDULQVHOXQG Schleifung des Museumsgebäudes stellte, waren in Innsbruck bereits die GeVWDOWXQJVSOlQHIUHLQÅ+DXVGHV'HXWVFKHQ%HUJVWHLJHUV´LP*DQJH $FKUDLQHU 2008). Erst im Februar 1938 erfuhr der Alpenverein, dass das Alpine Museum in 0QFKHQHUKDOWHQEOHLEHQVROOWH'DV0XVHXPEHGLHQWHHLQVWZHLOHQGLH6SRUWDXVVWHOOXQJGHVGHXWVFKHQ5HLFKVEXQGHVIU/HLEHVHU]LHKXQJ '5/ PLW/HLKJDEHQ IUGLHÅ*UR‰WDWHQGHU'HXWVFKHQ$OSLQLVWHQLP.DPSIXPGHQ1DQJD3DUEDW´ XQGKDWWHVHOEVWPLWGHU(UZHLWHUXQJGHU$XVVWHOOXQJVÁlFKHXPPòGLH Abteilung „Die Leistung der Deutschen Bergsteiger in außer- und inneralpinen Gebieten“ eröffnet (Mirrione 2009). Dennoch wurde in Innsbruck mit der Übersiedlung des Alpenvereinssitzes samt Museum taktiert. Durch den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich erhielt Innsbruck den begehrten Titel „Stadt der Deutschen Bergsteiger“. 'DPLWYHUEXQGHQZDUGLHÀ[H,QVWDOOLHUXQJGHVVWlQGLJHQ9HUHLQVVLW]HVGHVQXQmehr „Deutschen Alpenvereins“ in Innsbruck samt Übersiedlung von Bibliothek XQG 0XVHXP (LQ UHSUlVHQWDWLYHV *HElXGH DXI GHU VGOLFKHQ 6HLWH GHV $XImarschplatzes als Spiegelbild zum Landhaus, wurde zum Sinnbild der politischen Ausrichtung des Alpenvereins im nationalsozialistischen System. Es kam in Folge des Weltkrieges nicht zum Bau des Gebäudes (Achrainer 2008). Das Alpine Museum war in dieser Standortfrage vom Alpenverein zum Spielball interner Grabenkämpfe hinsichtlich der politischen Ausrichtung gemacht worden. Die Rolle des Alpinen Museums in der Museumslandschaft wurde erst von 6FKPLGNXQ]DXVIKUOLFKHU|UWHUWHUVFKHLQWLQGHU=HLWVFKULIWÅ'HXWsche Alpenzeitung“ ein 35-seitiger, reich bebilderter Artikel von Walter Schmidkunz „Das Alpine Museum“, der ebenso als „kommentierter“ Museumskatalog gesehen werden kann und Alpinisten wie Alpenvereinsmitglieder zusätzlich als 6RQGHUGUXFNHUUHLFKWH6FKPLGNXQ]ZDU6FKULIWVWHOOHU$OSLQLVWXQG]XMHQHU=HLW JHUDGHPLWGHU9RUEHUHLWXQJHLQHUDXIZHQGLJHQ3XEOLNDWLRQÅ$OSLQH*HVFKLFKWH LQ(LQ]HOGDWHQ´IUGDVÅ$OSLQH+DQGEXFK´EHIDVVW (UKREVHOEVWEHZXVVWGDV$OSLQH0XVHXPJHJHQEHU]ZHL'XW]HQGDQGHUHQ 0XVHHQGLHVLFKHEHQVRÅDOSLQ´QDQQWHQGDVLHÅDOSLQH6WFNH´DXVVWHOOWHQKHUYRU6HLQH$XI]lKOXQJUHLFKWHYRQGHQ+HLPDWPXVHHQZLHMHQHLQ=HUPDWWXQG in Chamonix, bis zu den Kriegs-, Höhlen- und Landesmuseen. Laut Schmidkunz JlEHHVLQ(XURSDMHGRFKQXUGUHLHEHQEUWLJH6DPPOXQJHQGLHVLFKGHQ$OSHQ XQGGHP$OSLQLVPXVZLGPHQZUGHQGDVVLQGGLH$OSLQHQ0XVHHQGHV'X2H$9 LQ 0QFKHQ GHU &OXE $OSLQR ,WDOLDQR &$,  LQ 7XULQ XQG GHU 6FKZHL]HULVFKH Alpenclub (SAC) in Bern. 'DPLW NRQQWH GHU $OSHQYHUHLQ VHLQH MlKULJH 9HUHLQVJHVFKLFKWH DOV Å(Ufolgsgeschichte“ ausweisen und seine Identität auch als Kulturverein mit Hilfe des Museums öffentlich verankern. Den Alpinismus selbst sah er als Gegengewicht zu einer Zeit großer gesellschaftlicher Umwälzungen nach dem Ersten

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:HOWNULHJLQGHUOHJLWLPDWRULVFKHQ7UDGLWLRQGHU*UQGXQJV]HLW„Zu den bedeutsamsten Erscheinungen der letzten Jahrzehnte im Kulturleben unseres gesamten deutschen Volkes zählt die Entstehung und Ausbreitung des A l p i n i s m u s. […] Der Alpinismus ist eines der großen Gegengewichte gegen die nervöse Hast und 5XKHORVLJNHLWXQGGLH|GH9HUÁDFKXQJGHU$OOWDJVYHUJQJXQJHQXQVHUHU7DJH er ist ein Jungbrunnen geistiger und körperlicher Gesundheit, der unversiegbar aus dem Herzen der Schöpfung quillt.“ (Müller 1916, S.3) Das Alpine Museum in Innsbruck 'LH %RPEDUGLHUXQJ 0QFKHQV KDWWH GLH =HUVW|UXQJ GHV $OSLQHQ 0XVHXPV ]XU)ROJH$XFKGLHZHUWYROOH$OSLQH%LEOLRWKHNGLHEHU%XFKWLWHOXQG eine beachtliche Kartensammlung umfasste, wurde zum Großteil unwiederbringlich zerstört. Aus dem Museum konnten allerdings zahlreiche Reliefs, die GePlOGHXQGGLH*UDÀVFKH6DPPOXQJ'DQNUHFKW]HLWLJHU$XVODJHUXQJQDFK7LURO gerettet werden. Bereits 1947 formulierte Helmut Gams, Botaniker an der Universität Innsbruck, die Denkschrift „Innsbruck braucht ein Alpeninstitut“. Sein Plan sah einen Neubau mit einem Alpeninstitut samt Alpenmuseum vor – entweder neben GHU8QLYHUVLWlWVELEOLRWKHNDP,QQRGHUDPDOSHQYHUHLQVHLJHQHQ*UXQGVWFNIU das nicht verwirklichte „Haus der Bergsteiger“. 1958 kam ein weiterer Standort DXIGDV7DSHW'DV=HXJKDXVVROOWHDOVÅ$OSLQPXVHXP´HQGOLFKGLH/FNHLQGHU Tiroler Museumslandschaft mit einem naturwissenschaftlichen Museum zum alpinen Lebensraum schließen. Die Ideen wurden wegen Geldknappheit und fehOHQGHU8QWHUVWW]XQJGXUFKGLHgIIHQWOLFKNHLWYHUZRUIHQ'LH$OSHQYHUHLQHKDWWHQDQGHUHV]XPHLVWHUQ,Q0QFKHQPDFKWHPDQVLFKPLWHLQHU%DXVWHLQDNWLRQ GDUDQGDV*HElXGHDQGHU,VDUZLHGHUDXI]XEDXHQXQGPLWGHU9HUHLQVNDQ]OHL zu beziehen – an eine Fortsetzung des Alpinen Museums war nicht zu denken (Kaiser 2007). In Tirol sollten erst in den 1970er-Jahren die zwischengelagerten 6DPPOXQJHQ DXVJHSDFNW XQG EHU HLQH 3UlVHQWDWLRQVP|JOLFKNHLW LQ ,QQVEUXFN nachgedacht werden. (LQH HUVWH $XVVWHOOXQJ GHU EHUVLHGHOWHQ %HVWlQGH IDQG  DXI ,QLWLDWLYH von Ing. Ernst Bernt im Palais Thurn und Taxis in der Maria-Theresien-Straße statt. 1977 entschied der Alpenverein, im neu errichteten Alpenvereinshaus in der Wilhelm-Greil-Straße im 3. Stockwerk ein dauerhaftes Museum einzurichten. 1987 erschien ein Bildband der Journalistin Christine Schemmann mit dem klingenden Titel „Schätze und Geschichten des Alpinen Museums Innsbruck“. In Zusammenarbeit mit dem damaligen Museumsleiter Bernt beschreibt sie in NXU]ZHLOLJHQÅ*HVFKLFKWHQ´GDVÅ+HLPZHKQDFKGHU9HUJDQJHQKHLW´ZLHGHU7LWHO GHV 9RUZRUWHV EH]HLFKQHQGHUZHLVH ODXWHW 'DV .DWDORJEXFK YHUPLWWHOW HLQH UFNZlUWVJHULFKWHWH bUD. Themen kehrten in der gleichen Weise, wie 60 Jahre

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]XYRULP0XVHXPLQ0QFKHQZLHGHU'LH6DPPOXQJIDQGNHLQHQ$QVFKOXVV]XU Aktualität mehr, weder in der alpinen Kunst, noch in der Darstellung der Alpinen 7HFKQLNHQRGHUGHU$NWLYLWlWHQGHV$OSHQYHUHLQV9LHOPHKUVDKVLFKGHU$OSHQverein als Retter der Bestände. Dass in Innsbruck die naturwissenschaftlichen Exponate keine Rolle mehr spielten, hatte vermutlich damit zu tun, dass sie nach dem Krieg in der Sammlung gänzlich fehlten, aber auch damit, dass sie den „symbolisch und materiell hoch EHZHUWHWHQ´NQVWOHULVFKHQ2EMHNWHQLQLKUHU%HGHXWXQJQDFKVWDQGHQ +DEVEXUJ Lothringen, Fliedl 2005). Es waren auch keine Anstrengungen unternommen worden, an den großen naturwissenschaftlichen Teil des Museumsbestandes an]XNQSIHQXQGGLHVHQ]XP%HLVSLHOGXUFK1DFKOlVVHYRQ:LVVHQVFKDIWOHUQRl ]X HUVHW]WHQ 9HUHLQ]HOWH 1DWXUREMHNWH PLW KRKHP 6\PEROZHUW ZLH HLQ $GOHU oder ein Bergkristall, waren als Leihgaben in der Ausstellung arrangiert worGHQ$OOHLQGLHEHLGHQXUVSUQJOLFKVWHQ:LVVHQVFKDIWVEHUHLFKHGHV$OSHQYHUHLQV *OHWVFKHUIRUVFKXQJXQG.DUWRJUDÀHZDUHQPLW+LOIHELOGOLFKHU'DUVWHOOXQJHQLQ GHU.XQVW*HELUJVUHOLHIVXQGNDUWRJUDÀVFKHU%OlWWHUZHLWHUKLQLQGHQ'DXHUDXVstellungen in Innsbruck präsent. Auch die zeitgenössische Kunst konnte in nur einer Initiative im AlpenverHLQ0XVHXPLQ,QQVEUXFN(LQ]XJÀQGHQ'LH0DOHUV\PSRVLHQGHV$OSHQYHUHLQV fanden zehn Jahre lang regelmäßig im Alpinzentrum des Alpenvereins auf der 5XGROIVKWWHLQGHQ+RKHQ7DXHUQVWDWWXQGEUDFKWHQ]ZHL*UXSSHQDXVVWHOOXQJHQ im Alpenverein-Museum hervor. EDXWHGHU$OSHQYHUHLQGDVJHVDPWHGULWWH6WRFNZHUNGHV%URJHElXGHV ]XHLQHUPRGHUQHQ'DXHUDXVVWHOOXQJPLWPò)OlFKHXP=XVlW]OLFKHUKLHOWHU IUGLH,QYHQWDULVLHUXQJGHU.XQVWVDPPOXQJXQGHLQQHXHV$XIVWHOOXQJVNRQ]HSW 8QWHUVWW]XQJ GXUFK HLQ :LVVHQVFKDIWVSURMHNW ,P .DWDORJ9RUZRUW GHV HUVWHQ 9RUVLW]HQGHQ LVW EHU GLH $QOLHJHQ GHV $OSHQYHUHLQV IROJHQGHV ]X OHVHQ „Seit seinen Anfängen hat sich der Alpenverein immer als Kunstverein verstanden, der die kulturelle Vielfalt und Entwicklung der Alpenländer sein Augenmerk zugewendet hat.“ Der Schwerpunkt sollte die „herausragende Kunstsammlung, die der OeAV gerne der Öffentlichkeit zugänglich macht“ sein. Der Katalog beschreibt den Charakter der neuen Ausstellung: „Die Neuaufstellung folgt nun einer historischen Linie, wobei das Hauptaugenmerk auf die Bilder gelegen ist.“ (Habel, Praxmarer 1993) Anhand der alpinen Kunst wurde in sieben Räumen Alpingeschichte erzählt. Die Gestaltung der Ausstellung glich einer GalerienhänJXQJ *UDÀNHQ XQG *HPlOGH KLVWRULVFKH .DUWHQ XQG $XVUVWXQJVJHJHQVWlQGH veranschaulichten als Quellen die Geschichte des Alpinismus und Alpenvereins. Das Land Tirol verlieh daraufhin 1998 dem Alpenverein-Museum aufgrund der „modernen Präsentation“ und der „engagierten Besucherbetreuung“ den „Tiroler 0XVHXPVSUHLV´7DWVlFKOLFKZDUHQELV]XHLQHP'ULWWHODOOHU%HVXFKHUMlKUOLFK

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GXUFK SHUVRQHOOH 9HUPLWWOXQJ LQ )RUP YRQ )KUXQJHQ ([NXUVLRQHQ %LOGHUJHsprächen und museumspädagogischen Programmen betreut worden. Mehrere thematisch und gestalterisch innovative Ausstellungen zu kulturhistorischen Themen verschafften dem räumlich und thematisch bescheidenen 0XVHXP$XIPHUNVDPNHLW(LQHbUDGHUIUXFKWEDUHQ=XVDPPHQDUEHLW PLWGHP ,QQVEUXFNHU%UR5DWK :LQNOHUEHJDQQ VLHKHGD]XGHQ%HLWUDJYRQ*DEULHOH 5DWK LQ GLHVHP %XFK  'LH $XVVWHOOXQJHQ Å6FK|QH *UVVH 'LH  =LQQHQ RGHU (LQHNOHLQH*HVFKLFKWHEHUGHQ%OLFNDXIV*HELUJH´XQGÅ5XQGXP%HUJH)DOWSDQRUDPHQRGHU'HU9HUVXFKDOOHVVHKHQ]XN|QQHQ´ÅZDQGHUWHQ´YRQ,QQVEUXFN ZHLWHUQDFK0QFKHQ6W3|OWHQ6FKUXQVLP0RQWDIRQXQG]ZHLVSUDFKLJ]XP VGWLUROHU$OSHQYHUHLQQDFK%R]HQ6WHU]LQJ7REODFK1LHGHUGRUIXQG%UXQHFN Die im Rahmen des Internationalen Jahres der Berge 2002 errichtete Ausstellung im öffentlichen Stadtraum „vertikal. Die Innsbrucker Nordkette. Eine AusstelOXQJLQGHU6WDGW´HUUHLFKWHEHU%HVXFKHU  HU|IIQHWH GHU '$9 LQ 0QFKHQ QDFK EHU  -DKUHQ ZLHGHU VHLQ $Opines Museum auf der Praterinsel samt Alpiner Bibliothek, Museumsgarten und Alpiner Auskunft. Der gegenseitige Austausch unter den Museumsleitungen zeigte, dass im Bereich der Sammlungsbetreuung und Archivierung ein großer Nachholbedarf lag. So starteten 2005 die beiden alpinen Museen in Innsbruck XQGLQ0QFKHQJHPHLQVDPPLWGHP$OSHQYHUHLQ6GWLURO $96 HLQHQHXHLQWHQVLYH3KDVHGHU=XVDPPHQDUEHLW(LQGUHLHLQKDOEMlKULJHV(83URMHNWÅ+LVWRULVFKHV$OSHQDUFKLYGHU$OSHQYHUHLQHLQ'HXWVFKODQGgVWHUUHLFKXQG6GWLURO´ HUP|JOLFKWHGLHYLUWXHOOH=XVDPPHQVFKDXGHULP.ULHJZLOONUOLFKDXVHLQDQGHUJHULVVHQHQ6DPPOXQJHQGHVHKHPDOLJHQ'X2H$9(LQHJHPHLQVDPJHVFKDIIHQH Rechercheplattform im Internet unter www.alpenarchiv.org bietet heute einen JUHQ]XQGVDPPOXQJVEHUJUHLIHQGHQ(LQEOLFNLQGLHXQWHUVFKLHGOLFKHQ6DPPlungen und Archivalien und bietet damit die Möglichkeit der wissenschaftlichen oder privaten Beschäftigung mit der Alpin- und Alpenvereinsgeschichte. Damit NRQQWHQQXQDXFKGLH9HUHLQVDUFKLYHJH|IIQHWXQGIU$QIUDJHQ]XJlQJOLFKJHPDFKWZHUGHQVRZLHGLH%DVLVIUHLQJHPHLQVDPHVÅ*HVFKLFKWVEXFK´EHUGHQ Alpenverein zwischen 1919 – 1945 geschaffen werden (erscheint im Herbst 2011). 45 Jahre lang hatte das Alpenvereinshaus in der Wilhelm-Greil-Straße seinen 6LW]]RJGLH9HUHLQVYHUZDOWXQJGHV2H$9LQHLQQHXHV*HElXGHLP6WDGWWHLO ÅDP 7LYROL´ ZR IU GDV 0XVHXP VHLWKHU $UEHLWVUlXPH XQG HLQ PRGHUQHV 'HSRW IU GLH 0XVHXPVEHVWlQGH ]XU 9HUIJXQJ VWHKHQ $OV YRUOlXÀJHU (UVDW] IU GLH YHUORUHQ JHJDQJHQH $XVVWHOOXQJVÁlFKH LP DOWHQ $OSHQYHUHLQVKDXV ]HLJW das Alpenverein-Museum von 2008 bis 2012 in Kooperation mit der Burghauptmannschaft in der Hofburg Innsbruck die große Sonderausstellung mit dem Titel „Berge, eine unverständliche Leidenschaft“. Den ersten Geburtstag der Ausstellung, die bis dahin bereits 50.000 Besucher zählte, beging der Alpenverein ge-

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meinsam mit der Museumsakademie Joanneum veranstalteten Fachtagung „Der Berg im Zimmer“. Literatur: Achrainer Martin: Innsbruck als Sitz des Alpenvereins und das nie gebaute Å+DXV GHU %HUJVWHLJHU´ LQ %HUJ  $OSHQYHUHLQVMDKUEXFK GHV 2H$9 '$9 $966 %KOHU+HUPDQQ)KUHUGXUFKGDV$OSLQH0XVHXPLQ0QFKHQ,P$XIWUDJH GHV'HXWVFKHQ$OSHQYHUHLQVXQGGHV9HUHLQVGHU)UHXQGHGHV$OSLQHQ0XVHXPV 0QFKHQ5RWKHU *DVVNDPS :DOWHU 0XVHXPVJUQGHU XQG 0XVHXPVVWUPHU =XU 6R]LDOJHVFKLFKWHGHV.XQVWPXVHXPV0QFKHQ Gärtner Monika: Die Alpinen Museen der Alpenvereine Österreich – Deutschland – Schweiz, in: Mitteilungen des Oesterreichischen Alpenvereins, 2004, H.3. Gärtner Monika: Man ist eigentlich nie ohne Last gegangen! Alpine Wege DXI GHU 1RUGNHWWH YRU GHP %DX GHU 1RUGNHWWHQEDKQ LQ VWDGWÁXFKW  PVHF ,QQVEUXFN XQG GLH 1RUGNHWWHQEDKQ +J .XEDQGD 5RODQG 6WXGLHQ9HUODJ ,QQVbruck 2003. +DEHO9HUHQD3UD[PDUHU,QJH$OSHQYHUHLQ0XVHXP.DWDORJ+J2HVWHUUHLchischer Alpenverein, Eigenverlag, 1994. Kaiser Friederike: Geschichte in Pausen. Museen und Ausstellungen des Deutschen Alpenvereins, in: Aufwärts! Berge, Begeisterung und der Deutsche Alpenverein 1945 bis 2007, Katalog zur Ausstellung im alpinen Museum des '$90QFKHQ-XOL²0lU]5HG.DLVHU)ULHGHULNHXQG0DLOlQGHU Nikolas, S. 254 – 261. 0LUULRQH6DELQH(QWVWHKXQJ9HUZHQGXQJXQG%HGHXWXQJVZDQGHOYRQ 5Hliefs. Die Reliefsammlung des Alpenverein-Museums Innsbruck. Diplomarbeit, Innsbruck 2009. 0DLOlQGHU1LFKRODV,P=HLFKHQGHV(GHOZHLVV'LH*HVFKLFKWH0QFKHQVDOV %HUJVWHLJHUVWDGW$69HUODJ 0OOHU .DUO (LQ 5XQGJDQJ GXUFK GDV $OSLQH 0XVHXP YRQ .DUO 0OOHU Landgerichtsrat a.D. Mit 6 Abbildungen. Gratisbeigabe zum 25. Jahrgang des .DOHQGHUGHV'X2$OSHQYHUHLQV0QFKHQ-/LQGDXHUVFKH%XFKKDQGOXQJ (Schöpping). 0OOHU.DUO)KUHUGXUFKGDV$OSLQH0XVHXPGHV'HXWVFKHQXQG2HVWHUUHLFKLVFKHQ $OSHQ9HUHLQV LQ 0QFKHQ YRQ .DUO 0OOHU ]JO /DQGHVJHULFKWVUDW D'0XVHXPVOHLWHU0QFKHQ,/LQGDXHUVFKH8QLYHUVLWlWV %XFKKDQGOXQJ (Schöpping). 6FKDUIH 0DUWLQ %HUJ6XFKW (LQH .XOWXUJHVFKLFKWH GHV IUKHQ $OSLQLVPXV 1750 – 1850. Böhlau, Wien-Köln-Weimar 2007.

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Schemmann Christine: Schätze und Geschichten im Alpenverein-Museum, +J2HVWHUUHLFKLVFKHU$OSHQYHUHLQ3URIHVVRU(UQVW%HUQW0QFKHQ5RWKHU Schmidkunz Walter: Das Alpine Museum des Deutschen und OesterreiFKLVFKHQ $OSHQYHUHLQV LQ 'HXWVFKH $OSHQ]HLWXQJ 0QFKHQ 5RWKHU  6 225 -260. Storch Ursula (Hg.): Die Welt in Reichweite. Imaginäre Reisen im 19. JahrKXQGHUW&]HUQLQ9HUODJ:LHQ

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Gabriele Rath Das Gerüst für den Aufstieg 3URMHNWOHLWHULQ*DEULHOH5DWKLP*HVSUlFKPLW%HQHGLNW6DXHU]X,GHHQÀQdung, Entwicklung von Arbeitsstrukturen und dem Potential einer Alpin-AusstelOXQJ²Å%HUJHHLQHXQYHUVWlQGOLFKH/HLGHQVFKDIW´² im Spannungsfeld zwischen Schausammlung und Sonderschau. Was waren die Ausgangspunkte für Ihr Büro Rath & Winkler bei dieser Ausstellung, wie und unter welchen Voraussetzungen begann die Kooperation? Ausgangspunkt war, dass das Alpenverein-Museum seinen Standort und daPLWVHLQH6FKDXUlXPHYHUORUHQKDW'HUgVWHUUHLFKLVFKH$OSHQYHUHLQ 2H$9 KDW VHLQHQ9HUHLQVVLW]LP6WDGW]HQWUXPDXIJHJHEHQGLH/LHJHQVFKDIWYHUNDXIWXQGLVW LQV7LYROL$UHDODP6WDGWUDQGLQGHQQHXHQ2H$96LW]EHUJHVLHGHOW(LQDQVLFK geplantes „Museum Neu“ war in der Innenstadt nicht mehr realisierbar und das 0XVHXPKDWHLQH]ZLVFKHQ]HLWOLFKH%OHLEHJHVXFKWXPYRUHUVWMHGHQIDOOVQLFKW ]XYHUVFKZLQGHQ'HU2UWGDIUZDUYRUXQVHUHP(LQVWLHJVFKRQÀ[LHUW'LH+RIEXUJJHQDXHUGLHGDULQQHXDGDSWLHUWHQ5lXPHLPHUVWHQ6WRFNPLWPò$XVVWHOOXQJVÁlFKHVROOWHQGHU6SLHORUWIUGDV3URMHNWVHLQ(VZDUHQZHLWJHKHQGGLH ÀQDQ]LHOOHQ0LWWHOJHVLFKHUWZHLOHV2VNDU:|U]YRP$OSHQYHUHLQJHOXQJHQZDU GLHIUGDV0XVHXPDPDOWHQ6WDQGRUWJHZLGPHWHQ0LWWHOIUGDVQXQPHKULJH 6RQGHUDXVVWHOOXQJVSURMHNWXP]XVFKLFKWHQ8QGHVVWDQGGHU=HLWUDXPIHVW'DVV HVHLQ3URMHNWYRQIQI-DKUHQ'DXHUVHLQVROOWH Gab es inhaltliche Vorgaben? 1XUGDVVGDV0XVHXPQLFKWYHUVFKZLQGHQVROOGLHIQI-DKUHJHQXW]WZHUGHQ sollten, um deutlich zu machen, welches Potential im Museum, in seiner Sammlung, steckt. Es sollte gezeigt werden: „Uns braucht es weiterhin.“ Es ging daUXPGLH7KHPHQIKUHUVFKDIW LP NXOWXUKLVWRULVFKHQ $XVVWHOOHQ UXQGXPDOSLQH Themen fortzusetzen. Und darum, die Identität des Museums zu stärken, in der Öffentlichkeit und im Alpenverein. Fortsetzen meint Anknüpfen an mehrere Ausstellungen des Alpenvereins der letzten Jahre, die von Ihrem Büro begleitet wurden. -DLP1DFKKLQHLQNDQQPDQVDJHQGDVZDUVFKRQHLQH$UW3URMHNWUHLKHREwohl sie nicht als solche konzipiert war: Es ging immer um eine kulturhistorische Annäherung an alpine Fragestellungen, um deren historische, ökologische und

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bergsportliche Ausprägung. Die fanden bei alpinhistorisch Interessierten und unter kulturhistorisch interessierten Museumsleuten Gefallen. Fragmentarische Erzählung und exemplarische Lesehilfen Nähere Inhalte dieser Sonderaustellung waren nicht vorgegeben? 1HLQ :LU PXVVWHQ UHÁHNWLHUHQ GDVV HV MD EHUHLWV PHKUHUH DOSLQKLVWRULVFKH Ausstellungen seit Anfang der 1990er-Jahre gegeben hat, beispielsweise „Die ErREHUXQJGHU/DQGVFKDIW´LQ*ORJJQLW]EHUGHQ%DXGHU6HPPHULQJEDKQNXUDtiert von Wolfgang Kos, oder „Alpenblick“ in der Kunsthalle Wien oder „Über die Berge“ im Niederösterreichischen Landesmuseum St. Pölten. Eine zeitgemäße Ausstellung zu diesem Themenkomplex musste einerseits neue Fragestellungen aufreißen und andererseits gestalterisch neue Wege gehen. Die Ausstellung sollte GHP%HGUIQLVYRQ%HVXFKHUQQDFKNRPPHQEHUVLFKVHOEVWHWZDV]XHUIDKUHQ VROOWH%HGHXWXQJHQYHUPLWWHOQXQGQLFKWSRVLWLYLVWLVFKHUNOlUHQZLGHUVSUFKOLFKH Erfahrungen statt Eindeutigen ermöglichen, das fragmentarisch Erzählerische VROOWHEHYRU]XJWZHUGHQJHJHQEHUGHP9ROOVWlQGLJHQDXIFKURQRORJLVFKH'DUstellung sollte verzichtet werden zugunsten einer exemplarischen Behandlung von symptomatischen Themen. Es ging gestalterisch um eine aktuelle LesehilIH IU NXOWXUKLVWRULVFK DXIEHUHLWHWH ([SRQDWH HLQ 5DXPGHVLJQ GDV GDV 7KHPD NQVWOHULVFKLQV]HQLHUWHLQHNUHDWLYH6SDQQXQJ]ZLVFKHQKLVWRULVFKHQ([SRQDWHQ XQGKHXWLJHU%LOGUHDOLWlW6RJHVHKHQZDUGDV3URMHNWZLHGHUVHKURIIHQHVZDUHQNHLQHVFKOHFKWHQ9RUDXVVHW]XQJHQ*HOGXQG2UWZDUHQGHÀQLHUWPLWPò VWDQGGLHJU|‰WH6RQGHUDXVVWHOOXQJVÁlFKHLQ7LURO]XU9HUIJXQJ Inwiefern haben die früheren Kooperationen von Ihrem Büro mit dem Alpenverein im Zuge der ‚Projektreihe‘ Spuren für dieses Ausstellung hinterlassen, waren diese fruchtbar für eine mögliche neue Kooperation? :LFKWLJZDUVLFKHUHLQJHZLVVHU=XJDQJ]XU7KHPDWLN,QGHQGUHL3URMHNWHQ ist es gelungen, ganz verschiedene Themen aufzugreifen und mit kompetenten Kuratoren Autorenausstellungen zu setzen, also Autoren zu gewinnen, die Position beziehen. Das war wohl die Basis, wieso man wieder an uns herangetreten ist. 'DVHUVWH3URMHNWZDUGLH3RVWNDUWHQDXVVWHOOXQJ]XGHQ'UHL=LQQHQPLWGHP7LWHO Å6FK|QH*U‰H´YRQ$QWRQ+RO]HU$EELOGXQJHQGLHLP(UVWHQ:HOWNULHJHLQH SROLWLVFKH %HGHXWXQJ HUKLHOWHQ EHU GDV 0DVVHQPHGLXP 3RVWNDUWH 'DV ]ZHLWH war „Rundum Berge“, es ging da um Faltpanoramen, auch als Massenmedium, ästhetisch waren diese noch etwas reizvoller und differenzierter als die PostkarWHQ 'DV GULWWH 3URMHNW ZDU JU|‰HUHU 1DWXU LP ,QWHUQDWLRQDOHQ -DKU GHU %HUJH  (V ZDU HUVWPDOV HLQH $XVVWHOOXQJ GHV 2H$90XVHXPV DX‰HUKDOE VHLQHU

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5lXPOLFKNHLWHQLPVWlGWLVFKHQ5DXPGHU9HUVXFK$OSLQJHVFKLFKWHDP%HLVSLHO der Innsbrucker Nordkette, also Lokalgeschichte, zu erzählen. Dazu ist es gelungen, einen eigenen Pavillon zu erreichten und an mehreren Orten im Stadtraum %OLFNVWDWLRQHQ(LQH.RQVWDQWHZDUEHLDOOHQ3URMHNWHQEULJHQVGLHNRQVHTXHQWH Mehrsprachigkeit, um auch touristisches Publikum anzusprechen. 1XQDEHUVROOWHHV]HQWUDOXPGLH6DPPOXQJGHV2($90XVHXPJHKHQ(V JHKWXPHLQHNODVVLVFKH([SRQDWDXVVWHOOXQJHLQHV0XVHXPVGDVEHUHLQHEHGHXWHQGH.XQVWVDPPOXQJYHUIJWGLHVHVROOWHDXFKGDV+LJKOLJKWGHU$XVVWHOOXQJ bilden. (LQ([SHUWHQZRUNVKRS]XU,GHHQÀQGXQJ :HOFKH6FKULWWH]XU7KHPHQÀQGXQJZXUGHQJHVHW]WZLHZLFKWLJZDUGLH)UDge AutorInnensetzung? 'LH ,GHHQÀQGXQJ ZXUGH PLW HLQHP ([SHUWHQZRUNVKRS JHVWDUWHW PLW HLQHU Gruppe, die mehrere Kompetenzen vereint hat: Themenkompetenz, wie Martin Scharfe, der sich viel mit Alpingeschichte befasst hat, oder Ingrid Runggaldier, die sich mit Frauenbergsteigen historisch befasst hat, dann Leuten, die den SammOXQJVEHVWDQGJXWNHQQHQDOVRHWZD9HUWUHWHUQGHV2H$9E]ZGHV0XVHXPVZLH 0RQLND*lUWQHU9HURQLND5DLFK2VZDOG:|U]RGHU,QJH3UD[PDUHUGLHGLH,Qventarisierung gemacht hat. Dann Personen, die kompetent sind im Gestalten von Ausstellungen zu alpinen Themen wie Beat Gugger und Menschen mit museologischer Kompetenz wie Gottfried Fliedl, Leiter der Museumsakademie, der den Workshop auch moderiert hat. Und dann gab es noch einen „Querdenker“, Frank -UJHQVHQ DXV +DPEXUJ HLQ )ODFKOlQGHU ODQJMlKULJHU 0XVHXPVSlGDJRJH GHU SKDQWDVWLVFKH3URMHNWHJHPDFKWKDW,P:RUNVKRSKDWVLFKDOVWKHPDWLVFKHU=Xgang herauskristallisiert: die Körper- und Psychohistorie des Bergsteigens. Also die Frage: Warum tut man das, tut man sich das an, was treibt die Menschen dazu, sich dem Berg auszusetzen? Woher kommt die eigenartige Faszination, die von hohen Bergen ausgeht, und wie hat sich diese seit dem 18. Jahrhundert gewandelt? Warum nehmen moderne Europäer die Entbehrungen und Gefahren von Hochgebirgstouren auf sich? Die Ergebnisse des Workshops diskutierten wir dann im Alpenverein, um zu erfahren: Kann das interessieren? Wie kam es dann von der Projekt-Idee zur Ausstellung? Struktur, Budget, Kuratorinnen und Kuratoren… :LUKDEHQUHFKHUFKLHUWZHUNRPSHWHQWHWZDVHLQÁLH‰HQODVVHQNDQQ(VVROOWH MHPDQGVHLQGLHRGHUGHUGDVKLVWRULVFKH0DWHULDODOVRGLH6DPPOXQJGHV2H$9 0XVHXPVEHIUDJHQNDQQGHQQHVVROOWHQMDYRUDOOHPGLH%HVWlQGHGHV0XVHXPV

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gezeigt werden. Was eine komplexe Sache ist – und was wir etwas unterschätzt haben. Klar war, das Team sollte möglichst schmal bleiben. Es ging um Kuratorinnen und Kuratoren und um sich inhaltlich involvierende GestalterInnen. So sind wir auf Philipp Felsch gestoßen, der sich als Wissenschaftshistoriker mit der Geschichte der Physiologie beschäftigt hat und in Teilbereichen dabei auch mit den physiologischen Experimenten im Kontext des Alpinismus an der Wende zum 20. Jahrhundert. Und der zweite war Beat Gugger, der schon beim Workshop dabei war. Die beiden haben zum ersten Mal zusammengearbeitet, Gugger hatte einen breiten und ungewöhnlichen Zugang zum Thema Alpen und Alpinismus und brachte viel Ausstellungserfahrung mit. Und als Gestalter Ursula Gillmann und Matthias Schnegg aus Basel, erfahrene Leute, von denen ich wusste, dass sie mit dem Anspruch arbeiten, sich inhaltlich einzubringen. Die hatten auch mit Gugger schon gearbeitet. Der notwendige Luxus einer arbeitsfähigen Struktur Mit der Findung von erfahrenen und kreativen Köpfen war es wohl nicht getan. Welche Struktur haben Sie vorgesehen? Das ist ein spannender Teil dieser Konzeptentwicklungsarbeit, vielleicht ein manchmal unterschätzter, dass es nicht nur darum geht, interessante Positionen zusammenzubringen, sondern auch eine arbeitsfähige Struktur zu schaffen: Größe des Teams, Kompetenzen, kompatible Arbeitsweisen sind abzustimmen. Sie haben eine Steuerungsgruppe installiert. Braucht es die? Martin Scharfe und Gottfried Fliedl sind in dieser Steuerungsgruppe, als LQKDOWOLFKPXVHRORJLVFKH6WHXHUHUXQG]ZHL9HUWUHWHUGHV$OSHQYHUHLQVE]ZGHV 0XVHXPVZDUHQGDEHL,FKJODXEHHVLVWHLQ/X[XVGHQVLFKDOOH3URMHNWHOHLVWHQ VROOWHQGDVEUDXFKWHV'HU9RUWHLOLVW'DPLWJLEWHVHLQHVWUXNWXULHUWH.RPPXnikation mit dem Auftraggeber. Wenn neben der inhaltlichen Kompetenz auch museologische Kompetenz in GHU*UXSSHYRUKDQGHQLVWZLUGGHU$XIWUDJJHEHUDXFKHLQ6WFN HQWODVWHWLPPHUDOOHVHQWVFKHLGHQ]XPVVHQGLH)LQDQ]HQXQG,QKDOWXQG*HVWDOWXQJ8QG GHUDQGHUH9RUWHLO(VLVWNRQVWUXNWLYZHQQPDQDOV$XVVWHOOXQJVWHDP)HHGEDFN bekommt von Personen, die nicht unmittelbar mit dem Operativen beschäftigt sind. Das ist eine Form der Beratung, Lenkung und Korrektur, die gut ist. Es LVWQDWUOLFKHLQH.RVWHQXQGDXFK=HLWIUDJH'DIUPXVVDXFK3ODW]JHVFKDIIHQ ZHUGHQLP3URMHNW:LUDOV3URMHNWOHLWXQJKDWWHQGLH$XIJDEHGLH,QKDOWHXQGGLH ÀQDQ]LHOOHQ5DKPHQEHGLQJXQJHQXQG4XDOLWlWHQVRXP]XVHW]HQZLHVLHLQGHU

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6WHXHUXQJVJUXSSHGHÀQLHUWZXUGHQ:LUKDWWHQDXFKGHQ=HLWDEODXI]XRUJDQLVLHUHQ'LH/HW]WHQWVFKHLGXQJHQEOLHEHQQDWUOLFKEHLP$OSHQYHUHLQ Wurde anfangs etwas nicht bedacht, was sich dann im Laufe des Projekts als sinnvoll oder nötig erwiesen hat? ,FKZUGHVDJHQ]ZHLHUOHL'DVHLQHZLUKDWWHQNHLQHQ&KHINXUDWRUYRUJHVHhen, keinen Ausstellungsmacher. In Teilbereichen sollten Funktionen davon die .XUDWRUHQEHUQHKPHQLQDQGHUHQ%HUHLFKHQGLH*HVWDOWHULQDQGHUHQZLHGHUXP LFKDOV3URMHNWOHLWHULQ$EHUGLH)UDJHLVW:HUQLPPWZHUKDWGHQ$XWRUHQOHDG" Das war nicht geklärt. Das ist ein Manko, ist manchmal schwierig, vor allem, wenn die Leute immer wieder in allen Himmelsrichtungen verstreut sind und NOHLQHUH7UHIIHQQLFKWDGKRFP|JOLFKVLQG8PJHNHKUWVWHOOWVLFKQDWUOLFKDXFK die Frage, ob ein Ausstellungsmacher ein Teamworker ist, und wir waren Teamworker. Der zweite Punkt: Wo hört die Steuerung auf und wo ist man an einem Punkt angelangt, ab dem es nur mehr ums Durcharbeiten, ums Fertigstellen geht. Genau betrachtet, kommt dieser Punkt wahrscheinlich nie, weil immer etwas in Bewegung bleibt, die Frage ist nur, wie viel bleibt in Bewegung? Wir haben die Steuerungsgruppe zu einem Zeitpunkt nicht mehr einberufen, der sich im Nachhinein DOV]XIUKHUZLHVHQKDW$EHUHVJLEWGDV'LOHPPDGDVVHVLUJHQGZDQQ]HLWOLFK und budgetär schwierig wird, die Gruppe mit Personen, von denen einige von DXVZlUWVNRPPHQLQ,QQVEUXFNIU]ZHL7DJH]XVDPPHQ]XWURPPHOQ 'LH$XVVWHOOXQJLVWIUIQI-DKUHNRQ]LSLHUW²GDVLVWHLQHODQJH=HLWIUHLQH Themenausstellung, eine Sonderschau. Sie besteht aus Exponaten eines Museums und ist keine Schausammlung. So gesehen ist sie ein Zwitter. Sie hat einen starken WKHPDWLVFKHQ)RNXVXQGHVLVWJODXELFKJHOXQJHQPLWVRHLQHUVSH]LÀVFKHQ$XVstellung aus rund 95% Exponatbestand bei manchen Staunen zu erzeugen: Was muss da alles vorhanden sein im Alpenverein-Museum? Das ist gelungen. Aber GDVIQI-DKUHZDFK]XKDOWHQLVWQLFKWHLQIDFK:LUKDEHQLP([SHUWHQZRUNVKRS DXFKGD]X,GHHQHQWZLFNHOWDXFKGLH)UDJHGLVNXWLHUW*HKWGDVEHUKDXSW"'LH ([SHUWHQZDUHQVLFKHLQLJLP9RUVFKODJGHQQRFK EHLP0RGHOO6RQGHUDXVVWHOlung zu bleiben und nicht zu suggerieren, das wäre eine Schausammlung. Die Themenfokussierung ist stark bestätigt worden als Strategie, auch mit dem Ziel, sich unabkömmlich in der Tiroler Museumslandschaft zu machen. Es sind Ideen HQWZLFNHOWZRUGHQZDVPDQLQGHQIQI-DKUHQ²MHQVHLWVYRQEOLFKHQ0DUNHWLQJPD‰QDKPHQ²DOOHVWXQN|QQWHXPGDV3URMHNWLPPHUZLHGHU]XDNWLYLHUHQ 'DYRQLVWQLFKWDOO]XYLHOEULJJHEOLHEHQDOVRHWZDEHIUHXQGHWH0XVHHQHLQ]Xladen, Module vielleicht zu ergänzen. Das ist freilich in der Umsetzung schwierig bei einer geschlossenen Ausstellung. Noch möglich umzusetzen ist die Idee der Zusammenarbeit mit anderen Kulturveranstaltern, was auch noch ansatzweise

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DQJHJDQJHQZLUGZLHHWZDDXFKGLH$XVVWHOOXQJDOV9HUDQVWDOWXQJVRUWVFKPDFNKDIW]XPDFKHQHWZDIU/HVXQJHQRGHU3URJUDPPNRRSHUDWLRQHQ'DVLVWDOOHV DXIZHQGLJ XQG ZLUG HLQJHVFKUlQNW GXUFK GHQ QLFKW SSLJHQ 3HUVRQDOVWDQG GHV Alpenvereinsmuseums. Dann gab es auch Ideen, die Ausstellung in den AußenUDXP]XHUZHLWHUQXPGDUDXIKLQ]XZHLVHQHWZDLQ)RUPYRQ.QVWOHUSURMHNWHQ 'DVLVWDEHULP$QVDW]VWHFNHQJHEOLHEHQZHLOGDV3URMHNWVHOEVWDOOH5HVVRXUFHQ gebunden hat. Organisiertes Feedback Die Ausstellung hält fünf Jahre? -D EHUXKLJHQG LVW GDVV GLHVH $XVVWHOOXQJ GLH IQI -DKUH UHLQ SK\VLVFK JXW EHUGDXHUQ ZLUG ZDV NHLQH 6HOEVWYHUVWlQGOLFKNHLW LVW 1DFK HLQHLQKDOE -DKUHQ gibt es guten Grund zur Annahme, dass das funktioniert. Inhaltlich sollte es der $XVVWHOOXQJ MHGHQIDOOV JHOLQJHQ LQ IQI -DKUHQ QLFKWV DQ $NWXDOLWlW GHU )UDJHVWHOOXQJ HLQJHE‰W ]X KDEHQ ² GDV EHVWlWLJW DXFK GDV %HVXFKHUIHHGEDFN LQ GHQ %HVXFKHUEFKHUQ Zum Ort, zur Hofburg: Erzeugt der Ort nicht ein gewisses Spannungsfeld? 'LH +RIEXUJ LVW HLQ XQJHZ|KQOLFKHU 2UW IU HLQH $XVVWHOOXQJ GLHVHU $UW PDQZUGHVLHQLFKWDOV$XVVWHOOXQJVRUWHUZDUWHQ(VLVWQLFKWQDKHOLHJHQGHLQ Alpinthema in einem imperialen Gebäude zu zeigen. Das hat uns Kopfzerbrechen gemacht. Wir haben zunächst inhaltliche Anbindungen gesucht. Es gab ein paar Ansätze, die waren eher in Richtung Marketing gedacht, um das Publikum, das wohl primär kommt, um die Kaiserappartements zu besichtigen, dann doch IUGLH$OSLQDXVVWHOOXQJ]XLQWHUHVVLHUHQ(LQ6WFNZHLWZXUGHGDVYHUVFKREHQ durch die Umbautätigkeiten der Hofburg insgesamt, weil bald klar war, dass im HUVWHQ-DKUGHU2H$9$XVVWHOOXQJGLH.DLVHUDSSDUWHPHQWVJHVFKORVVHQVLQGXQG als Ersatz die Prunkräume ohnehin dem Publikum angeboten werden. Und weil die gesamte Bewerbung der Ausstellungen im Haus im Hofburg-Foyer in HinNXQIWYHUEHVVHUWZHUGHQVROO'HVKDOEKDWPDQEHLVSLHOVZHLVHGLHXUVSUQJOLFKH Idee, Ausschnitte aus dem Sisi-Film zu zeigen, wo sie in den Bergen herum steigt, DOVLURQLVFKH%UFNHVR]XVDJHQDXIVSlWHUYHUVFKREHQ2EGDVNRPPWZLUGPDQ VHKHQ'HU9RUWHLOGHU+RIEXUJDOV/RFDWLRQ6LHLVWQLFKW]XEHUVHKHQLVWHLQH WRXULVWLVFKH$$GUHVVHPLWMlKUOLFKFD%HVXFKHUQGDVLVWHLQ3RWHQWLDO'DV2H$90XVHXPZDUELVKHUVFKZHU]XÀQGHQ(VZDURKQHKLQHUVWDXQlich, dass es doch gezielt von alpininteressierten Touristen international gefunden wurde. Die revitalisierten Räumlichkeiten in der Hofburg sind gut geeignet als 0DJQHW=XEHPHUNHQLVWDXFKGDVVMHW]WGXUFKGLHVH$XVVWHOOXQJDXFK(LQKHLPL-

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sche wieder einmal einen Fuß in die Hofburg gesetzt haben. Auch die Hofburg SURÀWLHUW Fachliches Feedback wurde ja eigens organisiert. Es gab internes und externes. Wieso? Damit verhält es sich irgendwie ähnlich wie mit dem „Luxus“ der SteueUXQJVJUXSSH :LU KDWWHQ LQWHUQH 5HÁH[LRQV'LVNXVVLRQHQ XQG IU GDV H[WHUQH Feedback Evaluatoren. Üblich sind eher Besucherbefragungen, aber qualitative Evaluation, die Stärken und Schwächen beleuchtet, ist eine tolle Sache. Die zweite Evaluation war eingebettet in eine Tagung, die auch das Ziel hatte, die Frage der =XNXQIWLQV%OLFNIHOG]XUFNHQ8QGDXFKXPGLH6HULRVLWlWXQG.RPSHWHQ]GHU %HVFKlIWLJXQJ PLW PXVHDOHQ )UDJHVWHOOXQJHQ IU GHQ 2H$9 ]X XQWHUVWUHLFKHQ $XFKGLHVH3XEOLNDWLRQKLHULVW$XVGUXFNGDYRQ2EZLUMHW]WQRFKGLH(UJHEQLVVH GHU(YDOXDWLRQLQGDV3URMHNWHLQÁLH‰HQODVVHQREZLU9HUlQGHUXQJHQ9HUEHVVHrungen bei der Ausstellung vornehmen, muss diskutiert und entschieden werden. $XIMHGHQ)DOOJLEWGLHVHV)HHGEDFN5LFKWZHUWHYRUIUQHXH3URMHNWHELVKLQ]XP Alpenverein-Museum Neu.

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U RSULA G ILLMANN , M ATTHIAS S CHNEGG £Die Gestaltung – oder: Wie eine Ausstellung selbstverständlich wird

Ursula Gillmann, Matthias Schnegg Die Gestaltung – oder: Wie eine Ausstellung selbstverständlich wird 'LH$XVVWHOOXQJKDWWHIUXQVDOV6]HQRJUDIHQHLQHLGHDOH$XVJDQJVODJHPLW HLQHPJXWYRUEHUHLWHWHQ3URMHNWXQGHLQHUNODUHQ7KHPHQVWHOOXQJ'D]XNRQQWHQ alle Beteiligten, Kuratoren, Sammlungsverantwortlichen und Gestalter gleichzeitig die Arbeit aufnehmen, sodass die Ausstellung wirklich gemeinsam entwickelt ZHUGHQ NRQQWH 'LH 3URMHNWVWUXNWXU ]HLFKQHWH VLFK LP %HVRQGHUHQ QLFKW GXUFK einen einzelnen „Autor“ aus, der die wichtigen Entscheidungen fällt. In diesem 3URMHNWIXQJLHUWHGDV7HDPDOVÅ$XVVWHOOXQJVPDFKHU´ Wie also kommen Inhalt und Form zusammen, wie wird die Ausstellung gemeinsam mit den Kuratoren und dem Museumsteam entwickelt? Thema und Raum sind gegeben, was die Auftraggeber möchten, ist bekannt. :LUHLQLJHQXQVDXIHLQ0LVVLRQ6WDWHPHQWVDPPHOQ,GHHQVLFKWHQGLH2EMHNWH und entwickeln daraus ein Konzept. Das bedeutet: 'UHKEXFKVFKUHLEHQ²(QWZUIHPDFKHQ²3OlQH]HLFKQHQ²2EMHNWHDXVZlKlen – anpassen – diskutieren – alles umschmeissen – verfeinern – reduzieren – GLVNXWLHUHQ9DULDQWHQHUDUEHLWHQXQGYHUZHUIHQ²GDVEHVWH(UJHEQLVGHQÅ([SHUten“ vorstellen – schweren Herzens wieder umarbeiten – keine gute Umsetzung ÀQGHQ²GDUDXIYHUWUDXHQGDVVXQVGLH]QGHQGH,GHH]XIDOOHQZLUG²DOOHVZLHGHUEHUGHQNHQZHLOGLH.RVWHQ]XKRFKVLQGXQG]XUFNDQGHQ6WDUW²VLFKIUHXen, weil auf einmal alles aufgeht – darauf vertrauen, dass die Kuratoren das genau ULFKWLJH2EMHNWGD]XVFKRQÀQGHQZHUGHQXQGGLH%OXWSUREHQDXVGHP+LPDOD\D QRFKUHFKW]HLWLJHLQWUHIIHQ²PLWGHU5HVWDXUDWRULQNlPSIHQGLH*UDÀNHQGRFK IQI-DKUHDXVVWHOOHQ]XGUIHQ²OHHUH:lQGHYHUWHLGLJHQJHJHQLPPHUPHKU%LOGHU²IUDOOHVJULIÀJH7LWHOÀQGHQ²JDQ]ODQJHDQGHU+lQJXQJIHLOHQXQGGDQQ NRPPWQRFKHLQ%LOGGD]XXQGHVEOHLEW]XZHQLJ3ODW]IUGLH7H[WH²KRIIHQ GDVVGLH.QVWOHULQHLQZLOOLJWLKUH$UEHLW]X]HLJHQGDVVGLH,QWHUYLHZSDUWQHU VSDQQHQGH$QWZRUWHQJHEHQGLH7RQDXIQDKPHQDXVGHU+WWHJXWJHQXJVLQGGHU %UDQGLQVSHNWRUNHLQH(LQZlQGHPHKUKDWGLH9LWULQHQEHLP]ZHLWHQ0DOSDVVHQ und zum Schluss die Ausstellung genau so und nicht anders sein kann. Aber nun doch der Reihe nach. Konzeption Die Wanderung :LUVFKDXHQGLH5lXPHDQ'LH]Z|OI(LQ]HOUlXPHPLWHLQHU*UXQGÁlFKHYRQ PòVLQG7HLOGHU+RIEXUJYRQ,QQVEUXFN(OIGDYRQOLHJHQLQHLQHU)OXFKWXQG

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ZHUGHQGXUFKHLQHQODQJHQ*DQJUFNVHLWLJYHUEXQGHQ'LH5lXPHVLQGDOOHVDPW 'XUFKJDQJVUlXPHKDEHQ]ZHLGUHLYLHUPDQFKPDOIQI7UHQ(LQH6HLWHLVWYRQ Fenstern gesäumt. Die Decken sind in alle Richtungen gewölbt. Kleine, schmale 5lXPH LQ GHQHQ HV NDXP JU|‰HUH ]XVDPPHQKlQJHQGH :DQGÁlFKHQ JLEW $XI den ersten Blick erscheinen sie uns als denkbar ungeeignete Ausstellungsräume. $OVZXQGHUEDUH$XVVWHOOXQJVUlXPHHQWSXSSWHQVLHVLFKXQWHUGHU9RUDXVVHW]XQJ GDVVGDV$XVVWHOOXQJVNRQ]HSWYRQ$QIDQJDQIUGLHVH5lXPHHQWZLFNHOWZHUGHQ NRQQWH:LUXQWHUVXFKHQDOVRZDVGLH5lXPHIUXQVHUH$XVVWHOOXQJ%HVRQGHUHV ELHWHQN|QQHQZRULQGLH4XDOLWlWOLHJW'DVEHVRQGHUHLVWGLHODQJH5DXPÁXFKW GXUFKGLHPDQVFKDXHQNDQQPDQHLQHP6WFN(VLVWNODUGDVVZLUIUGDV Gestaltungskonzept die dramaturgischen Möglichkeiten, die diese Raumfolge ELHWHWQXW]HQZROOWHQXQGEHIDVVWHQXQV]XHUVWPLWGHU:HJIKUXQJ :LUZlKOHQGLHUDGLNDOH/|VXQJ²GHQOlQJVWHQ:HJ²HVJLEWNHLQH$ENU]XQJXQGNHLQ]XUFNIUGLH%HVXFKHU²PKLQ]XUFN Mit dieser linearen :HJIKUXQJ]ZLQJHQZLUGHQ%HVXFKHUQDOVREHZXVVWHLQHOlQJHUHÅ:DQGHUXQJ´ GXUFKGLH$XVVWHOOXQJDXI(LQH:HJIKUXQJZLHVLHLQGLHVHUULJRURVHQ)RUP HKHUYRQNRPPHU]LHOOHQ9HUNDXIVDXVVWHOOXQJHQYRQ,NHDEHLVSLHOVZHLVH]XHUwarten wäre, als von einer zeitgemäßen Museumspräsentation. Wer sich auf einen Gang durch eine solche Präsentation eingelassen hat, kennt die sich einstellenden (UPGXQJVHUVFKHLQXQJHQ0LQGHVWHQV0LQXWHQEUDXFKWPDQDOVRIUÅ%HUJH ²HLQHXQYHUVWlQGOLFKH/HLGHQVFKDIW´ZHQQPDQQLFKWVOLHVWVLFKIUQLFKWVLQWHressiert und nur mal so durchschlendert. Wir stellen uns die Ausstellung also als eine Wanderung in die Berge vor. Das Motiv der Wanderung dient als Grundlage IUGLH'UDPDWXUJLHGHU$XVVWHOOXQJXQGJOHLFK]HLWLJDOV%DVLVIUGLHLQKDOWOLFKH Gliederung der Ausstellung. Die Ausstellung folgt dem Motiv der „Wanderung“ auf drei Ebenen. Die toSRJUDÀVFKH(U]lKOXQJEHJLQQWLQGHU$XVVWHOOXQJÅXQWHQ´LP)ODFKODQGXQGIKUW EHUUlXPOLFKH6WDWLRQHQDXIGHQ*LSIHOXQGZLHGHU]XUFN'LHQDUUDWLYH(EHne erzählt von den Handlungen, die mit dem Topos einer Wanderung verbunden sind: vom Packen, Sehen, Gehen, Klettern, Rasten oder von der Erschöpfung. Die historische Erzählung folgt einem chronologischen Pfad vom 19. Jahrhundert bis heute. In Zusammenarbeit mit den Kuratoren wurden die Orte, Zeiten und HandlunJHQGHÀQLHUWXQGSUl]LVLHUWXQGLQHLQHPQlFKVWHQ6FKULWWGHU$EODXIIHVWJHOHJW Ein Konzept, das einen linearen Erzählstrang von zwölf Kapiteln vorgibt, der eine IUGLH%HVXFKHUOHVEDUHXQGLQVLFKORJLVFKH$EIROJHELOGHQVROOPLWHLQHPGUDmaturgisch unterhaltsamen Spannungsbogen, stellt eine große Herausforderung IUGLHNXUDWRULVFKH$UEHLWGDU'LH5DKPHQEHGLQJXQJHQPLWLQKDOWOLFKHQ6HW]XQJHQXQGHLQ]HOQHQ]HQWUDOHQ([SRQDWHQPVVHQQDFKGLHVHUJHVWDOWHULVFKHQ 9RUJDEH ]X HLQHP NRQJUXHQWHQ .RQ]HSW YHUZREHQ ZHUGHQ (LQH +HUDXVIRUGHrung auch, weil die Arbeiten parallel laufen und die Sammlungen erst gesich-

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WHWZHUGHQPVVHQPDQFKHVGHQ(UZDUWXQJHQQLFKWHQWVSULFKWXQGXQHUZDUWHWH 7URXYDLOOLHQXQEHGLQJWLQWHJULHUWZHUGHQPVVHQ,QGHU)ROJHKDEHQVLFKGDUDXV .DSLWHOXQG5lXPHGHÀQLHUWGLHHQWZHGHUPLW2EMHNWHQDUJXPHQWLHUHQRGHUDXI Rauminszenierungen setzen. Die Besucher Die Physiologie und die Geschichte körperlicher und psychischer Erfahrungen in den Bergen ist ein zentrales Thema der Ausstellung, und so wird auch GHU.|USHUIUGDV*HVWDOWXQJVNRQ]HSWHLQZLFKWLJHV0RWLY'HU$XVVWHOOXQJVEHVXFKVROOHLQHVLQQOLFKHXQGSK\VLVFKH(UIDKUXQJIUGHQ%HVXFKHUVHLQXQGQLFKW QXUGLHYLVXHOOH:DKUQHKPXQJ]XU9HUPLWWOXQJHLQVHW]HQ Reden wir von der Fortbewegung in den Bergen, geht es immer um die Steigung und das Gefälle. Wenn der Besucher sich die Ausstellung „erwandern“ VROOPVVHQZLUQLFKWQXUGLH:DKUQHKPXQJVEHGLQJXQJHQGHV6HKHQVVRQGHUQ auch die des Gehens betrachten. Mit dem Boden zu arbeiten liegt auf der Hand. Wir denken ihn erst unmerklich schräg und später steiler bis hin zur senkrechten Wand. Wir beabsichtigen, dass sich die Ausstellung auch in den Körper einschreibt. Waren zu Beginn des Gestaltungsprozesses ganze Räume mit BodenODQGVFKDIWHQJHVWDOWHWVRKDEHQZLULP9HUODXIGHV*HVWDOWXQJVSUR]HVVHVGLH0LWtel immer mehr reduziert und abstrahiert, damit die Elemente um so markanter werden. Es geht dabei nicht darum, in der Ausstellung Situationen der realen Å$X‰HQZHOW´ QDFK]XHPSÀQGHQ :LU YHUVXFKHQ IU HLQH (UIDKUXQJ ZHVHQWOLFKH Aspekte zu isolieren und neu zu konstruieren. Einzelne Elemente, beispielweise eine Betrachtungssituation, ein Geruch, ein Soundscape, eine Raumatmosphäre oder nur eine Anmutung sind oft fast beiläuÀJVLHJHEHQGHQ5lXPHQHLQHQ*UXQGWRQHLQH6FKZLQJXQJPLWGHQHQZLUGDV Betrachten unterlegen. Wir benutzen den ganzen Raum und gestalten die WahrQHKPXQJVVLWXDWLRQHQDOV,QWHUSUHWDWLRQVKLOIHIUGLH/HVDUWGHU2EMHNWH'LH*Hstaltung wird somit im besten Sinne sinnlich didaktisch. Die Ausstellungsarchitektur (LQH :DQGHUXQJ EUDXFKW /DQGVFKDIW )U GLH $XVVWHOOXQJVHOHPHQWH QXW]HQ ZLUGLH7RSRJUDÀHDOV0RWLY%DXHQZLUGLH$OSHQQDFK":LUQHKPHQZHVHQWOLFKH (LJHQVFKDIWHQXQG7RSRLGHU%HUJHGLH]XGHQ,QKDOWHQSDVVHQXQGEHUVHW]HQ VLHLQXQVHUH$XVVWHOOXQJVDUFKLWHNWXU:LUEHUOHJHQZDVHU]lKOWÅVWHLO´ZLHLVW ÅIHOVLJ´ZDVLVWÅKRFK´"8QGZLHEHUVHW]HLFKGLH$XVVLFKWDXIGHP*LSIHOLQ HLQHQ5DXPYRQPò"

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%lQNH XQG 9LWULQHQ ZHUGHQ GXUFK LKUH H[SUHVVLYH )RUP ]X )LQGOLQJHQ LP Raum. Eine gerade Wand ist eine Stellwand. Eine in den Raum eingekeilte schräJH)OlFKHZLUG]XHLQHUVWHLOHQEHUKlQJHQGHQ:DQGGLHQRFKGHQ0RPHQWGHU *HIDKULQVLFKELUJW'LHVHÅ:lQGH´VLQGQLFKWQXU.RQWH[WIUGLH%LOGHU7H[WH Exponate, sondern wirken auch räumlich direkt auf die Besucher. Diese Installationen funktionieren immer nur in der Relation zum Raum in dem sie stehen und

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in Proportionalität zu den Besuchern. Erst mit Besuchern als „Exponat“ werden sie wirksam. Gleichzeitig gliedern sie den Raum, schaffen unterscheidbare Zonen und dienen so funktional auch wieder der Lesbarkeit inhaltlicher Gliederung. Jede gestalterische Maßnahme steht in enger Wechselwirkung zum Inhalt.

Im Raum „wagen“ sind GUHL9LWULQHQLQGHQ:DQG|IIQXQJHQZLH)HOVEURFNHQ in einem Kamin verkeilt. Die Gestaltung assoziiert das Fallen, das dem Thema GHV6WU]HQVLQQHZRKQW'DVLQKDOWOLFKH7KHPDGLH6WUDWHJLHQJHJHQGLH$QJVW YRUGHU*HIDKUZHOFKHVGDV2EMHNWHU]lKOWZLUGPLWGHU*HVWDOWXQJGHU9LWULQHQ YHUVWlUNW,QMHGHUGLHVHUJUR‰HQ9LWULQHQVROOQXUHLQHLQ]HOQHV2EMHNWDOVJUR‰HV wichtiges Symbol inszeniert werden. Aufgabe der Kuratoren war es, dieses symEROKDIWH2EMHNW]XÀQGHQ Die Präsentation Ein wichtiges Motiv der Gestaltung hat sich nach und nach während des Entwurfsprozesses als Reaktion auf die vorgefundene Sammlung und die Räume der Hofburg ergeben. Teile der Sammlung und die barocke Schlossarchitektur eignen VLFKZXQGHUEDUIUHLQHNODVVLVFKPXVHDOH3UlVHQWDWLRQLQ)RUPHLQHU.XQVWDXVVWHOOXQJPLWSUl]LVJHKlQJWHQ*HPlOGHQDQGHQ:lQGHQXQG(LQ]HOREMHNWHQLP Zentrum. Ausgehend von dieser „klassischen“ Geste haben wir die Hängung und GLH 2EMHNWSUlVHQWDWLRQ MHGRFK LQ MHGHP 5DXP MH QDFK ,QKDOW YDULLHUW XQG YHUsucht, mit der Höhe, der Dichte, den Arrangements oder der Reihung, den unterVFKLHGOLFKHQ3HUVSHNWLYHQDXIGLH'LQJHMHZHLOVDXIGDV7KHPDXQGEHVWLPPWH Zeigegesten zu verweisen.

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Å'DV .RUUHODW ]XP *HEUDXFK ÀNWLRQDOHU (OHPHQWH LQ GHU QDUUDWLYOLWHUDrischen Darstellung der Vergangenheit bietet in Ausstellungen und Museen die Inszenierung, das Objektarrangement. Inszenierung ist deshalb nichts anderes als die Anordnung und Installation der Objekte im Raum, wie es die DreidimenVLRQDOLWlWGHU'LQJHYHUODQJW²XQG]ZDUQDFK0D‰JDEHHLQHU'HXWXQJ´1 Die Umsetzung Die konzeptionellen Überlegungen und die daraus resultierenden gestalteULVFKHQ0D‰QDKPHQNRPPHQLQGHU$XVVWHOOXQJQDWUOLFKQLFKWLVROLHUWYRUVRQGHUQYHUELQGHQVLFKPLWGHQ2EMHNWHQ%LOGHUQ7H[WHQ]XGLFKWHQ5DXPFROODJHQ ²MHQDFK7KHPDVLQGGLH0LWWHOMHGRFKDQGHUVJHZLFKWHW(LQLJH%HLVSLHOVROOHQ erklären, wie wir die konzeptionellen Überlegungen in der Ausstellung umgesetzt haben. Imaginieren Eine Ausstellung braucht immer eine Einstimmung, die Zone des Wechsels vom draußen nach drinnen – umso mehr an einem Ort wie der Hofburg, wo die Besucher erst von der Erwartung „Besuch Hofburg“ eingestimmt werden sollen DXIHLQH$XVVWHOOXQJEHUÅ%HUJH´DXIXQVHUH$XVVWHOOXQJ]XHLQHUÅXQYHUVWlQGlichen Leidenschaft“. Und gemäß unseres Konzeptes ist der Ausgangspunkt der :DQGHUXQJGLH,PDJLQDWLRQXQG9RUIUHXGHDOOHVZDVPDQVLFKYRUVWHOOWZHQQ PDQDQ%HUJHGHQNW²RGHUDQHLQH$XVVWHOOXQJEHU%HUJH

1 Gottfried Korff, Zur Eigenart der Museumsdinge, in: Gottfried Korff, Museumsdinge: Deponieren - Exponieren, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 147.

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Das ideale Material dazu bietet die Diasammlung des Museums, eine SammOXQJYRQ*ODVGLDVYRQ9RUWUlJHQGHV$OSHQYHUHLQVDXVGHUHUVWHQ+lOIWH des 20. Jahrhunderts. Wir waren uns mit den Kuratoren schnell einig, diese als IXOPLQDQWHQ$XIWDNWIUGLH$XVVWHOOXQJ]XEHQXW]HQ(LQ5DXPDOOVHLWLJJHIOOW PLW3URMHNWLRQHQGLHVHU'LDVDOOH%HVXFKHUVWHKHQVWDXQHQGLQGLHVHP%LOGHUERgen, der schon alles zeigt, was in der Ausstellung expliziert wird: die Emotionen, die Anstrengung, die Erlebnisse das Pathos, die Klischees der schönen Berge, eiQHXPIDVVHQGH,NRQRJUDÀH²HLQYLVXHOOHV$UFKLYGHU/HLGHQVFKDIWHQ$OOHUGLQJV ist dies auch der grösste Raum und einzige Ort in der Ausstellung, in der die großformatigen Ölgemälde der Sammlung des Alpenvereinmuseums gezeigt werden konnten. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und beide Installationen zu HLQHUVWLPPLJHQ,QV]HQLHUXQJYHUNQSIW Eine Raumsituation zeigt Gemälde in klassischer, musealer Hängung. Die mediale Bespielung startet erst, wenn Besucher sie auslösen. Eine Mehrkanaldiaschau, in Anlehnung an die immer noch beliebten Diavorträge der Bergsteiger EHU$EHQWHXHU+HOGHQWDWHQXQGGLHJUDQGLRVH$OSHQNXOLVVHEHVHW]WGHQ5DXP zwischen den Bildern. Aus sieben Themen können die Besucher wählen und mit MHGHU6FKDXZHUGHQGLH*HPlOGHDQGHUVNRPPHQWLHUWXQGNRQWH[WXDOLVLHUW ,Q GHU 9RUJHKHQVZHLVH LVW GLHVHU 5DXP HLQ %HLVSLHO IU HLQH H[SHULPHQWHOOH0HWKRGHGHV$XVVWHOOXQJVPDFKHQVGLH7HDPDUEHLWDOV9HUVXFKVDQGRUGQXQJ deren Ergebnis und Wirkung sich der erst zeigt, wenn die Ausstellung in Betrieb genommen wird. 'LH.XUDWRUHQKDEHQGLH*HPlOGHDXVJHZlKOWIUGLH'LDVFKDXHQKDEHQZLU uns nur auf die Themen geeinigt, z.B. männlich, leise, felsig, still, und unter diesen Prämissen ganz unabhängig die Bilderfolgen aus 600 Dias produziert. Erst EHLGHU,QVWDOODWLRQZXUGHHUVLFKWOLFKZLH9RUVWHOOXQJXQG$XVVWHOOXQJDXIHLQDQdertreffen. Bergmodelle Wie können wir vom Aufstieg und der sich verändernden Höhenlage erzählen, wenn die Besucher in der Ausstellung doch immer auf dem Boden bleiben? Geht man in die Höhe, ändert sich die Perspektive auf die Landschaft. Diese 9HUlQGHUXQJGHV%OLFNVEHUQHKPHQZLUDOV,QGL]IUGLH+|KHXQGYHUlQGHUQ GHQ%OLFNDXIGLH$XVVWHOOXQJVODQGVFKDIW:LUEHQXW]HQGDIUHLQH$XVZDKOYRQ %HUJUHOLHIVDXVGHU6DPPOXQJ'DVHUVWHVWHKWEHUGHU$XJHQK|KH'LH%HVXFKHU schauen mit großer Distanz zu den Bergen hoch und nähern sich an. Je „höher“ VLHLQGHU$XVVWHOOXQJVWHLJHQGHVWRWLHIHUOLHJHQGLH5HÀHIVELVVLHDP*LSIHODXI den Mount Everest herunter schauen können.

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'LH3HUVSHNWLYHDXIGDV2EMHNWLVWEHUUDVFKHQG'LH9HURUWXQJGHU5lXPH LQQHUKDOEGHU:DQGHUXQJZLUGDGXUFKDQVFKDXOLFK*OHLFK]HLWLJLVWMHGHV2EMHNW GHU5HLKHDXFK7HLOGHULQKDOWOLFKHQ(U]lKOXQJMHGHVHLQ]HOQHQ5DXPHV

Packen In diesem Raum ist der Ansatz der Gestaltung der narrative Einsatz der ObMHNWSUlVHQWDWLRQ:HQQPDQIUHLQH:DQGHUXQJSDFNWPDFKWPDQ/LVWHQOHJW die Dinge aus, um zu sehen ob das alles ist. Wir machen eine strenge AuslegeordQXQJGHU2EMHNWH,QHLQHUVHFKV0HWHUODQJHQ9LWULQHOLHJWHLQ'LQJQHEHQGHP DQGHUHQ%HLMHGHP2EMHNWJHEHQZLUGDV*HZLFKWDQGHQQLQGHQ%HUJHQ]lKOW MHGHV *UDPP GDV KLQDXIJHWUDJHQ ZLUG 'LH *HVWDOWXQJVLGHH VHW]W GDPLW HLQHQ klaren Rahmen. Die rigide Präsentationsweise ermöglicht es, sehr heterogene ObMHNWHDQHLQDQGHU]XUHLKHQ]ZLQJWMHGRFKGLH.XUDWRUHQGLHJHQDXULFKWLJH0HQJH DQJHHLJQHWHQ2EMHNWHQ]XÀQGHQ Schwindel Ein Raum, bei dem das Thema Schwindel und Höhenangst zwingend gesetzt ZDURGHU]XPLQGHVWGDVVZLUGLHVHLQHLQUlXPOLFKHV(UOHEQLVEHUVHW]WHQZROOWHQ 1LFKW XP GHQ 6FKZLQGHO ]X HU]HXJHQ GLHV OHLVWHW MHGH $FKWHUEDKQ EHVVHU DEHUGDVZHVHQWOLFKH(OHPHQWGLH8QVLFKHUKHLWEHUGHQ%RGHQXQWHU)‰HQHUfahrbar werden zu lassen.

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Wenn wir den Boden nicht schwanken lassen und keine schwindelnde Höhe bauen können, so gestalten wir wieder die Wahrnehmung, indem wir visuell den Raum schwanken lassen. Bewegt sich der Horizont, so entsteht der Eindruck von Unsicherheit. Die visuelle Wahrnehmung bestimmt das Gleichgewicht. AusgeKHQGYRQGLHVHU*UXQGLGHHKDEHQZLUGLH,QVWDOODWLRQHLQHU.QVWOHULQJHIXQGHQ die dieses Thema in einer Rauminstallation umgesetzt hat. Das physische Erlebnis wird durch die Tonaufnahmen mit den Geräuschen der körperlichen Anstrengung zusätzlich verstärkt. Die erste Live-Reportage einer Gondelfahrt, eine Trouvaille aus den ArchiYHQGHV5DGLRVHUJlQ]WGLHNQVWOHULVFKH,QVWDOODWLRQ'LH.XUDWRUHQZlKOWHQDXV ihrem Bestand die Zeichnung eines Herzens im Zustand physischer Belastung DXV'LHVHIJWVLFKPLWGHQ]ZHLDQGHUHQ2EMHNWHQ]XHLQHUSRHWLVFKUlXPOLFKHQ Collage zusammen. Rasten Das Raumbild sollte sofort das Thema Rast assoziieren, von Schutz und Geborgenheit, vor der Unbill der Berge erzählen. Anderseits war das Thema der +WWHQDOV.HUQDXIJDEHGHV$OSHQYHUHLQVXQGGLHGD]XJHK|ULJHQ+WWHQPRGHOOH DXV GHU 6DPPOXQJ JHJHEHQ $XVJHVWHOOW VLQG QXQ GUHL +WWHQPRGHOOH ZHOFKH GLH*HVFKLFKWHGHUÅ%HVLHGHOXQJ´HU]lKOHQ)UGLH8PVHW]XQJGHV6FKXW]PRWLYVWDXJWNHLQ1DFKEDXRGHU%UXFKVWFNHLQHV,QWHULHXUV(LQHZlUPHQGHVFKW]HQGH+OOHDXVJHVWHSSWHU6FKODIVDFNGDXQHIWWHUWGHQ5DXPDXV9HUKDOWHQVDQZHLVXQJHQZXUGHQLQGLHWH[WLOH+OOHJHVWLFNW'LHDXWKHQWLVFKH.ODQJFROODJH erinnert an die typischen Erlebnisse in den Massenlagern. Auf kleinstem Raum HQWVWDQGLP=XVDPPHQVSLHOYRQ0DWHULDO)DUEH*HUlXVFK7H[WXQG2EMHNWHLQH dichte Installation. Jedes Medium ist dabei Träger einer Erzählebene. Entgegen XQVHUHU$EVLFKWHLQH$WPRVSKlUHGHU*HERUJHQKHLW]XVFKDIIHQEHUZLHJWEHL YLHOHQ%HVXFKHUQGLH(PSÀQGXQJGHU(QJHXQGGHU%HNOHPPXQJ

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Oben/Erschöpft Der Gipfel ist Ziel und Wendepunkt einer Wanderung. So kommen auch unsere „Besucher“ endlich oben an. Wie soll nun dieser „Höhepunkt“ der Ausstellung aussehen, damit er auch der Höhepunkt der Ausstellung wird? Ein erhabenes Gipfelpanorama, zusammengestellt aus den besten vier Ölgemälden? Das gibt die Sammlung nicht mehr her. Eine neugeschaffenes, großformatiger und hochglänzend blauer Kalenderbildraum, erschlagend schön? Zu illustrativ. Wir suchen gemeinsam nach subtileren Zugangsweisen. Wir widmen einen Raum dem Gipfel, den man erwartet – den schönen Aussichten und freuGLJHQ5LWXDOHQ:LU]HLJHQGLHNROOHNWLYHQ0XVWHUGHUVXEMHNWLYHQ(UOHEQLVVH'HU andere Raum soll erzählen, wie es auch sein kann – von der Erschöpfung und Enttäuschung nach dem Erreichen des Zieles, wenn die Gefahren des Abstiegs noch vor einem liegen. Die beiden Räume bilden ein Paar, sollen das Thema in einprägsame, korreOLHUHQGH5DXPELOGHUEHUVHW]HQ*LSIHO,LVWVFKQHOOJHIXQGHQ²QXUZHQQPDQ „Oben“ ist, sieht man das ganze Panorama. Wir lassen Rundpanoramen im Raum schweben, steht man darin, hat man auf kleinstem Raum die ganze Aussicht.

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'DV 5DXPELOG IU *LSIHO ,, ]X ÀQGHQ LVW HLQ OlQJHUHU 3UR]HVV (LQ $QVDW] LVWGHU9HUVXFKHLQHDUFKLWHNWRQLVFKHhEHUVHW]XQJ]XÀQGHQIUGHQ*LSIHOGHU in einem „Punkt“ kulminiert, einen Ort, an dem man sich nicht aufhalten oder YHUZHLOHQNDQQ1XUHLQ%HVXFKHUNDQQMHZHLOVDXIGLHVHP3XQNWVHLQ²VWDWWGHU

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6SLW]HGHV%HUJHVJLEWHVQXUHLQHQ6WDQGSXQNWIUGLH%HVXFKHUGLHJUR‰HQ5DXmeinbauten verdrängen den ganzen Raum. Die große spektakuläre Raumgeste, die große Erwartungen evoziert, wird sofort konterkariert, denn zu sehen gibt es nichts. Wir mussten einsehen, dass eine solche Raumskulptur zu viel Interpretationsleistung verlangt und es nicht funktionieren kann, von der Erfahrung der Enttäuschung zu erzählen, indem wir die Besucher enttäuschen. In der Diskussion im Team haben wir uns wieder auf unser

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Gestaltungskonzept besonnen und eine Inszenierung rund um das Exponat und HLQH5DXPVWLPPXQJIUGLH%HVXFKHUHQWZLFNHOW,P=HQWUXPVWHKWQXUGDVHLQH HLQIDFKH 2EMHNW GDV HLQSUlJVDP GLH (UVFK|SIXQJ DP *LSIHO GRNXPHQWLHUW LP Raum selbst ist die Leere inszeniert. Wir nehmen alle visuellen und akustischen 5HL]H]XUFNGDV/LFKWLVWKHOOXQGGLIIXVGLH.RQWXUHQGHV5DXPHVYHUVFKZLQden im gleißenden Weiß – zu sehen ist nichts. Ist man ganz „Oben“, ist man doch JDQ]DXIVLFKVHOEVW]XUFNJHZRUIHQ,QVHLQHU(LQIDFKKHLWZLUGGHU5DXP]XP einprägsamen Wendepunkt.

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B EAT G UGGER £Ein kuratorischer Erlebnisbericht – und ein paar Erfahrungen

Beat Gugger Ein kuratorischer Erlebnisbericht – und ein paar Erfahrungen Bilder genau anschauen 'DV3URMHNWEHJDQQPLWHLQHP:RUNVKRSLQGHQ$XVVWHOOXQJVUlXPHQGHVGDmals schon geschlossenen Alpenvereinsmuseums an der Wilhelm-Greil-Straße LQ,QQVEUXFN(LQH)KUXQJGXUFKGLH5lXPHGHUDOWHQ'DXHUDXVVWHOOXQJ]X%HJLQQGHU9HUDQVWDOWXQJYHUVWlUNWHGHQ:XQVFK IDVW DOOHU%HWHLOLJWHQHLQÅJDQ] anderes“ Alpines Museum konzipieren zu wollen. Was wir vorfanden, waren vor DOOHP*HPlOGHLQHQJHU+lQJXQJRKQHMHGH$N]HQWXLHUXQJFKURQRORJLVFKDQeinandergereiht. Die Beschriftungen nannten brav alle kunsthistorisch relevanten Daten. Man zeigte, was man besaß. Die Besucherinnen und Besucher wurden mit GHQ%LOGHUQXQGHLQLJHQ5HOLHIVMHGRFKYRUZLHJHQGDOOHLQJHODVVHQ1XUGHPGHU HLJHQHV9RUZLVVHQPLWEUDFKWHHUVFKORVVVLFKGLHVHHLJHQWOLFKZXQGHUEDUHUHLFKhaltige Sammlung zur Geschichte des Alpinismus. In der Mitte des Ausstellungsrundgangs befand sich der „Compton-Raum“. Die umfangreiche Sammlung von Bergbildern des englischen Malers Edward Theodore Compton (1849–1921) und dessen Sohn Edward Harrison Compton (1881–1960) gehören zu den großen Schätzen des Museums (siehe Abb. im Katalog: Seiten 152–153). Es war klar, dass bei einer neuen Ausstellungspräsentation HLQLJHGLHVHUÅZLFKWLJHQ%LOGHU´ZLHGHUSURPLQHQW]X]HLJHQVHLQZUGHQ In den engen Räumen des alten Museums waren die „Comptons“ dicht an dicht gehängt, die Bilder im Raum schienen einen deswegen eher zu bedrängen und ein Eindruck der Weite der Bergwelt konnte sich hier kaum entfalten. Die heroisierenden Bergdarstellungen hatten in der „geballten Ladung“ etwas Absto‰HQGHV MD IDVW 2EV]|QHV %HGURKOLFKHV ,P 9HUODXI GHU .RQ]HSWDUEHLW PXVVWHQ ZLUGDKHUHUVWZLHGHUHLQQHXHVXQYHUNUDPSIWHV9HUKlOWQLV]XGHQ:HUNHQGHU Comptons aufbauen. (LQHVGHUHLQGUFNOLFKVWHQ(UOHEQLVVHZDUIUPLFKGLH%HJHJQXQJPLWGHP EHUGLPHQVLRQLHUWHQEHUYLHU0HWHUODQJHQ*HPlOGHÅ:LHVEDFKKRUQXQG.ORckerin“, das Edward Theodore Compton 1911 gemalt hatte. In den kleinen Räumen der alten Ausstellung nahm das Bild eine ganze Zwischenwand ein. Der Blick aus dem Tal auf die dahinter liegenden Schneegipfel wirkte stumpf und ÁDFK'DV*HPlOGHZDUÅQLFKWDQVSUHFKHQG´XQGVROOWHXUVSUQJOLFKLQGHUQHXHQ$XVVWHOOXQJZHJJHODVVHQZHUGHQ'LYHUVH*UQGHYHUDQODVVWHQXQVGDQQHV trotzdem in den neuen Räumen der Hofburg zu präsentieren. Mit großem technischem Aufwand wurde der Umzug organisiert. Als ich das Bild am neuen Standort im großen „Bildersaal“ das erste Mal erblickte, traute ich meinen Augen

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NDXP (V ZDU DOV KlWWHQ ZLU IU GLH $XVVWHOOXQJ HLQ QHXHV JUR‰DUWLJHV :HUN erhalten! Jetzt erst, in der richtigen, großräumigen Umgebung platziert, konnte HV VHLQH JDQ]H :LUNXQJ HQWIDOWHQ )U PLFK HLQ HLQGUFNOLFKHU %HZHLV GDIU dass ein Bild nicht nur innerhalb des Rahmens wirkt, sondern mit seiner ganzen Umgebung im Austausch steht! Mit anderen Fragen die Objekte der Sammlung neu sehen Das erste Konzept wurde unter dem Arbeitstitel „Leib & Seele“ diskutiert. Im Zentrum sollte die leibliche, also auch persönliche Erfahrung beim Wandern im Gebirge stehen. Mich machte es skeptisch, dass das Konzept entstand, ohne dass wir die Sammlung (abgesehen von den in der alten Ausstellung gezeigten Bildern) genauer kannten. Im nächsten Arbeitsschritt prägte die spezielle räumliche Situation der langen, hintereinander gereihten Räume in der Hofburg die Entwicklung des Konzepts: Wir skizzierten die Idee einer „Wanderung“. Die unterschiedlichen Phasen des Bergerlebnisses sollten seine verschiedensten physischen und psychischen Facetten nachzeichnen: vom zu Hause formulierten Wunsch, in die Berge zu geKHQEHUGDV(UUHLFKHQGHV*LSIHOVELVKLQ]XU5FNNHKUDXVGHUDOSLQHQ:HOW (UVW MHW]W EHJDQQ GLH $UEHLW LP 0XVHXPVGHSRW PLW ,QYHQWDUHQ 'RNXPHQWDWLRQHQ XQG YRU DOOHP PLW GHQ *HPlOGHQ )RWRJUDÀHQ XQG 2EMHNWHQ :lKUHQGLQPHLQHUELVKHULJHQ0XVHXPVDUEHLWGLH,QVSLUDWLRQIU$XVVWHOOXQJHQ PHLVWDXVGHUÅ)DV]LQDWLRQGHU2EMHNWH´KHUDXVHQWVWDQGXQGLFKQXUVHKUXQJHUQ 2EMHNWHDOVÅ,OOXVWUDWLRQ´HLQHUJHGDFKWHQKLVWRULVFKHQ1DUUDWLRQHLQVHW]WHVFKLHQ VLFK KLHU QXQ HLQ QHXHU $QVDW] DE]X]HLFKQHQ 'LH 2EMHNWH XQG %LOGHU PXVVWHQ GDKLQJHSUIWZHUGHQZLHXQGXQWHUZHOFKHQ$VSHNWHQVLHLQVQHXH$XVVWHOOXQJVkonzept passen könnten. 'DEHLZDUGHU$QVSUXFKGHQ,QKDOWGHU7KHPHQPLWGHQ2EMHNWHQ]XHU]lKOHQ :LU ZROOWHQ DXI EHUJHRUGQHWH 5DXPWH[WH YHU]LFKWHQ %LOGHU XQG 2EMHNWH sollten eine tragende Rolle spielen. Sie allein sollten die „Worte“ und „Sätze“ der $XVVWHOOXQJVHU]lKOXQJVHLQXQGQLFKWZLHKlXÀJLQNXOWXUKLVWRULVFKHQ0XVHHQ der Fall, bloße „Illustration“ der Ausstellungsinhalte. 'DPLWEHJDQQHLQHVSDQQHQGH5HFKHUFKHDUEHLW%LOGHUXQG2EMHNWHPXVVWHQ JHQDXDQJHVFKDXWXQGEHUSUIWZHUGHQ:LHN|QQHQVLHPLWOHLEOLFKHQXQGVHHOLVFKHQ(UIDKUXQJHQGHU0HQVFKHQDP%HUJLQ9HUELQGXQJJHVHW]WZHUGHQ" So stehen in der heutigen Ausstellung, zum Beispiel in den bergsteigerischen Bewegungsstudien des Malers Ernst Platz (1867–1940) (siehe Abb. im .DWDORJ 6HLWHQ ²  ZHQLJHU GLH NQVWOHULVFKHQ $VSHNWH LP 9RUGHUJUXQG als vielmehr die Beobachtungen der Berggänger in ihren Körperhaltungen und der Einsatz deren Hände im Fels sowie der Gebrauch des Pickels im Eis. Im Gegensatz zur umfangreichen qualitätvollen Sammlung von Bildern (Gemäl-

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GHQ*UDÀNHQ=HLFKQXQJHQ VSLHOHQ2EMHNWHLQGHU6DPPOXQJGHV$OSLQHQ0Xseums in Innsbruck nur eine marginale Rolle. Im Keller fanden wir eine, durch YHUVFKLHGHQH 1DFKOlVVH ]LHPOLFK ZLOONUOLFK ]XVDPPHQJHNRPPHQH $QVDPPOXQJYRQ$XVUVWXQJVJHJHQVWlQGHQ'DEHLGRPLQLHUWHQDXFKKLHU²ZLHLQDOOHQ alpinen Museen – die Steigeisen! Uns stellte sich damals die Frage, wo und wie genau sich anhand dieser ObMHNWHÅ/HLE 6HHOH(UIDKUXQJHQ´]HLJHQOLH‰HQ:LUNDPHQ]XP6FKOXVVGDVV HV HLJHQWOLFK GLH $XVUVWXQJVJHJHQVWlQGH VLQG GLH GDV hEHUOHEHQ GHV Å/HLEV´ DP%HUJEHUKDXSWHUVWHUP|JOLFKWHQ:LUYHUVXFKWHQJHQDXHUKLQ]XVFKDXHQXP die „Nahtstelle“ von Mensch und Berg möglichst präzis beschreiben zu können: Bei den Bergschuhen waren es zum Beispiel die Sohlen, bei den älteren ExemSODUHQVROFKHPLWHLQHUHLQGUFNOLFKHQ%HQDJHOXQJ VLHKH$EELP.DWDORJ6HLWHQ 20–21). Die faszinierenden Unterseiten sollten daher im Zentrum der PräsentatiRQVWHKHQ6RVLQGVLHKHXWHEHUGHQ.|SIHQGHU%HVXFKHULQQHQXQG%HVXFKHU von der Decke hängend ausgestellt. Steigeisen, Pickel und Kletterhaken hingegen sind beim Betreten des vierten Raums vorerst nur als aus einer schrägen Wand stehende Metallspitzen zu sehen. 'LH,GHHGDKLQWHULVW'HU0HQVFKGHUVLFKLPYHUWLNDOHQ+RFKJHELUJHEHU)HOV XQG (LV EHZHJW LVW GDUDXI DQJHZLHVHQ +lQGH XQG )‰H PLW VSLW]HQ Å3URWKHsen“ zu „bewaffnen“. Erst auf der anderen Seite der Ausstellungswand sind Pickel XQG6WHLJHLVHQPLWGHQhEHUJlQJHQ 6WLHO/HGHUULHPHQ ]X+lQGHQXQG)‰HQ ]X VHKHQ 'LH %HWUDFKWXQJ GHU 2EMHNWH ZLUG Å]HUOHJW´ XQG GDGXUFK LKUH )XQNtion verständlicher – und sei es nur, dass Besucherinnen und Besucher wegen der ungewöhnlichen Ausstellungsweise bei einem ihnen bekannten Gegenstand erstmals etwas genauer hinblicken. 1RFK ]XIlOOLJHU VFKLHQ GLH YRUKDQGHQH 6DPPOXQJ DQGHUHU $XVUVWXQJVJHJHQVWlQGH ZLH GLYHUVHV .RFKJHVFKLUU 6RQQHQEULOOHQ :DGHQZLFNHO RGHU +WH zu sein (siehe Abb. im Katalog: Seite 110). Darunter befanden sich ganz alltägOLFKHXQGWURW]GHPUHFKWDX‰HUJHZ|KQOLFKH2EMHNWHZLH]XP%HLVSLHOGDV1lK]HXJGHV,QQVEUXFNHU0DWKHPDWLNSURIHVVRUVXQG%HUJVWHLJHUV/HRSROG9LHWRULV ² 'RFKZDVHU]lKOWHQXQVVROFKH2EMHNWH"*DEHVJDUHLQHJHPHLQVDPH*HVFKLFKWH"+HXWHÀQGHQZLUGLH$QWZRUWHQGDUDXILP]ZHLWHQ5DXPXQWHU GHP7LWHOÅ3DFNHQ´+LHUVWHKWGLH9RUEHUHLWXQJGHU%HUJWRXULP=HQWUXP:LU VSLHOHQPLWGHU=XIlOOLJNHLWGHU2EMHNWHXPYHUVFKLHGHQVWH$VSHNWHGHV$OSLQLVPXVZLH2ULHQWLHUXQJLP*HOlQGH6LFKHUKHLW*HQJVDPNHLWXQG:RKOEHÀQGHQ ]X HU]lKOHQ -HGHV GHU DXVJHVWHOOWHQ 2EMHNWH LVW QHEHQ GHQ EOLFKHQ ,QIRUPDtionen, zusätzlich mit der Angabe seines Gewichts versehen. Dies als Hinweis darauf, dass der Bergsteiger beim Packen entscheiden muss, wie wichtig ihm der MHZHLOLJH*HJHQVWDQGIUGHQ(UIROJGHU7RXULVW-HGHV]XUFNJHODVVHQH*UDPP *HZLFKWHUOHLFKWHUWGDV9RUDQNRPPHQNDQQDEHU]XJOHLFKHLQH%HHLQWUlFKWLJXQJ der Sicherheit – oder des Komforts – sein.

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Inszenierungen – Was lässt sich in einer Ausstellung erleben? Mit der Entscheidung, die Ausstellung als Wanderung zu konzipieren, begann GLH6XFKHQDFK]Z|OIGHQ5lXPHQHQWVSUHFKHQGHQ.DSLWHOQGLHIUGLH$XVVWHOlungsnarration interessant und wichtig sein könnten. Dabei stellte sich heraus, GDVVHLQ]HOQH$VSHNWHZLHÅ3DFNHQ´RGHUÅ6FKDXHQ´VWDUNYRQGHU2EMHNWXQG %LOGHUVDPPOXQJ KHU EHVWLPPW VHLQ ZUGHQ $QGHUH .DSLWHO ZLH Å6FKZLQGHO´ „Rasten“ oder auch „Oben“ sind zwar im Kontext der Ausstellung wichtige ThePHQGHVSK\VLVFKSV\FKLVFKHQ%HUJHUOHEQLVVHVZUGHQVLFKDEHUNDXPPLW2EMHNWHQDXVGHU6DPPOXQJVLQQYROOGDUVWHOOHQODVVHQ6RVWHOOWHVLFKGLH)UDJHZLH diese Themen interessant umgesetzt werden könnten. In langen Diskussionen mit den Gestaltern wurden die Inhalte genau analysiert: Wie wird „Schwindel“ in den Bergen erlebt? Welche Aspekte spielen beim „Ausruhen“ und „Rasten“ tatsächlich eine Rolle? Wichtig in den Diskussionen war immer wieder – ganz besonders im „GipfelRaum“ („Oben“) – , sich der Tatsache bewusst zu sein, dass wir uns nicht draußen in der Weite der Bergwelt unter dem hohen Himmel befanden, sondern in einem Ausstellungsraum. Selbst mit der aufwendigsten Inszenierung und allen gestalWHULVFKHQ7ULFNVZUGHPDQGDVWDWVlFKOLFKH(UOHEQLVGHV*LSIHOVQLHDXFKQXU annähernd simulieren können. Immer wieder stellten wir uns die Frage, was die Ausstellung eigentlich leisten kann und kamen zum Ergebnis, dass am Beispiel der verschiedenen Phasen HLQHU%HUJEHVWHLJXQJEHVWLPPWH$VSHNWH9HUKDOWHQVZHLVHQRGHU.OLVFKHHVJHnau betrachtet, hinterfragt und (soweit möglich) kritisch gezeigt werden sollten, und dies vor dem Hintergrund kulturhistorischer Entwicklungen. Der „Gipfel-Raum“ war in dieser Hinsicht die größte Herausforderung. Wie kann man ein so komplexes Erlebnis wie die Ankunft auf einem Berggipfel unter 9HUPHLGXQJ MHGHV $EELOGUHDOLVPXV GDUVWHOOHQ" ,Q XQVHUHU 'LVNXVVLRQ PLVFKWHQ sich theoretische, literarische und persönliche Erfahrungen. Es ging um ein buchstäblich zentrales Thema des Alpinismus, soweit er auf den Gipfel fokussiert war, es ging um das Ziel der ganzen Anstrengungen der „alpinen Helden“. Wir stellten MHGRFK IHVW GDVV HV IDVW HEHQVR YLHOH %HUJVWHLJHUEHULFKWH PLW QHJDWLYHQ *LSIHOHUOHEQLVVHQ EHU (QWWlXVFKXQJHQ XQG 'HSUHVVLRQHQ JLEW ZLH HXSKRULVFKH XQG triumphale. Wir diskutierten den panoramatischen Blick, die Erschöpfung nach dem Aufstieg, das Hinterlassen von Spuren und Aufzeichnungen, das Setzen von Zeichen wie Fahnen oder Gipfelkreuze und Dutzende anderer Themen und Fragen. Schnell wurde klar, dass das Thema in zwei Räume aufgeteilt werden VROOWH 6R LVW KHXWH LP HUVWHQ 5DXP HLQH 9LHO]DKO YRQ *HVFKLFKWHQ ]XVDPmengetragen worden (siehe Abb. im Katalog: Seiten 126, 136, 140, 145, 152153), präsentiert in von der Decke abgehängten Ringen, die die Erfahrung der

B EAT G UGGER £Ein kuratorischer Erlebnisbericht – und ein paar Erfahrungen

bekannten 360°-Darstellung von Gipfelpanoramen zwar aufnahmen, aber durch ihre Miniaturisierung auch ironisierten und so ihr Pathos milderten. Der zweite Raum hingegen hat uns sehr lange beschäftigt: Wie konnte das Erlebnis des Gipfels – hoch oben, noch auf der Erde und doch schon fast im Himmel, mit dem Rundblick in die Weite des Horizonts – in einem Raum von vielleicht JUDGHPDOPòJHVWDOWHWZHUGHQRKQH]XVFKHLWHUQ" 1DFKYLHOHQLQWHQVLYHQ'LVNXVVLRQHQ9RUDEHUDXFK5FNVFKOlJHQ5HVLJQD WLRQHQXQGVSHNWDNXOlUHQ(QWZUIHQZXUGHGDV.RQ]HSWVFKOLH‰OLFKLPPHUPHKU reduziert. Die Idee eines transparenten „Raums im Raum“ wurde ebenso verZRUIHQ ZLH GLH GHQ 5DXP XQYHUSXW]W URK ]X ODVVHQ XQG IU HLQH EHJHKEDUH .XJHOLP5DXPOHJWHQGLH*HVWDOWHUJHGXOGLJPHKUHUH9DULDQWHQYRU$P6FKOXVV entstand ein gleißend weißer Raum mit drei weißen Zitaten auf weiße Wände geschrieben. So karg wie die Gestaltung wurde der Inhalt: Die Zitate sprechen vom Scheitern auf dem Gipfel, ein Bergrelief am Boden macht klar, dass man HUVW YRQ HLQHP %HUJJLSIHO DXV HLQH ZHLWH 6LFKW DXI HLQH 9LHO]DKO YRQ ZHLWHUHQ Gipfeln unter sich hat, und das Notizbuch eines Höhenphysiologie-Forschers mit Eintragungen während einer Gipfelbesteigung ist ein Zeugnis der Erschöpfung: Hatte er im Tal noch mit klarer, sicherer Schrift Notizen gemacht, konnte er auf dem Gipfel nur noch zittrig und schwer leserlich seine Beobachtungen eintragen (siehe Abb. im Katalog: Seite 76). 'DGXUFK GDVV LP 3URMHNW VFKRQ UHFKW IUK HLQH LQWHQVLYH =XVDPPHQDUEHLW von Gestalterin sowie Gestalter und uns beiden Kuratoren möglich war, ist die Ausstellung nicht nur von den Inhalten und Geschichten her geprägt worden. So gab es immer wieder spannende (aber lange) Sitzungen, in denen Fragen von Inhalt und Gestaltung ineinander eng verzahnt besprochen werden NRQQWHQ (QWVFKHLGH EHU $XVZDKO XQG :HJODVVXQJ YRQ %LOGHUQ XQG 2EMHNWHQ wurden immer aus mindestens zwei Blickwinkeln heraus getroffen. Thematik und Gestaltung wurden gleichzeitig erarbeitet und gingen schon in der Kon]HSWLRQVSKDVH LQHLQDQGHU EHU 9RUDXVVHW]XQJ GDIU ZDU GDVV LP $XVVWHOlungsteam partnerschaftliche Diskussionen auf gleicher Ebene möglich waren.

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Petra Nachbaur Wie ein kleines Rufzeichen – „Berge, eine unverständliche Leidenschaft“ macht sich den hybriden Status zwischen Museum und Ausstellung zunutze Die Etiketten sind den Bach hinunter. Und zwar quasi wörtlich: Bei der Flutkatastrophe im Jahr 1985 wurden die naturkundlichen Sammlungen im Innsbrucker Zeughaus schwer in Mitleidenschaft gezogen, seither hortet man dort *HVWHLQSXU:DVLQGHUHUVWHQ+lOIWHGHV-DKUKXQGHUWVHLIULJXQGPKHYROO YRQ+HOIHUQGHV*HRJQRVWLVFK0RQWDQLVWLVFKHQ9HUHLQVIU7LUROXQG9RUDUOEHUJ zusammengetragen worden ist, verliert Ende des Zwanzigsten mit einem Schwall VHLQH$XVVDJHNUDIWVHLQH%HGHXWXQJ1LFKWDEHUIUGLH(QWZLFNOHUGHUJUR‰HQ 6RQGHUDXVVWHOOXQJPLWGHUGDV$OSHQYHUHLQ0XVHXPGLHNRPPHQGHQIQI-DKUH an die Öffentlichkeit tritt. Gottfried Fliedl, Leiter der Museumsakademie JoanneXPXQG0LWJOLHGGHU6WHXHUXQJVJUXSSHGHU$XVVWHOOXQJÀQGHWVRJDUVXEYHUVLYHQ Gefallen daran, wie am Beispiel dieser nicht mehr beschrifteten Steinesammlung „vermeintlich das System Museum zusammenbricht“. Man muss gar nicht in die Diskussion um mystery objects eintreten, um zu erkennen, dass diese nicht näher gekennzeichneten 6000 Steine „nicht tot, gestorben“, sondern dass sie auch oder gerade „im museologischen Naturzustand“ spannend sind. In einer klassischkonventionellen Präsentation wäre der Einsatz solchen Materials nicht möglich: Å,URQLHJLEW·VLP0XVHXPRKQHKLQYLHO]XVHOWHQ´VR)OLHGO'HUHU]lKOHQGHXQG hinterfragende Zugang der Alpenvereins-Ausstellung aber ermögliche derartige Momente von Witz, wie auch schon der Titel beweist. Den Gegenstand einer JDQ]HQ$XVVWHOOXQJGXUFKGLH(WLNHWWHÅXQYHUVWlQGOLFK´PLWHLQHP.RSIVFKWWHOQ zu versehen, zeugt nicht nur von Schneid, sondern auch von intensiver Arbeit am 0XVHXPVEHJULIIYRQ5HÁH[LRQGHU6LWXDWLRQGHV0XVHXPVXQGGHU$XVVWHOOXQJ Das bestehende Alpenverein-Museum hat seine Schauräume und die Dauerausstellung wegen Umzug geschlossen, nach der im Sommer 2008 bevorstehenden Übersiedelung des Alpenvereins mit ausschließlich Depot und Archiv des Museums bleibt die Frage der öffentlichen Präsentation nach wie vor virulent. Die Möglichkeit einer Präsenz auf 700 Quadratmetern frisch sanierter Räume der Kaiserlichen Hofburg schafft Aufmerksamkeit und ein Zeitpolster, wirft aber zugleich Fragen auf und ist ihrerseits strukturell nicht ganz ohne weiteres verständlich.

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Essayistische Herangehensweise Auch insofern ist es eine bewusste Entscheidung, sich „in einer essayistischen Herangehensweise“ an eine Psychohistorie des Bergsteigens zu wagen. Bis zu HLQHPJHZLVVHQ*UDGKDEHPDQVLFKIUGLHVHVSH]LÀVFKH6LWXDWLRQÅYHUDEVFKLHGHW von Dingen, die normalerweise im Museum passieren“. Die Zielsetzung stärker LP$XJH]XKDEHQDOVGLH=LHOJUXSSHQHLQH)UDJHVWHOOXQJ]XYHUNQSIHQPLWGHP =LHO9HUVWlQGQLVDQ]XEDKQHQXQGGLHVHVYRQYRUQKHUHLQ]XSUREOHPDWLVLHUHQLVW weit mehr, als zum Beispiel eine Chronologie bieten könnte. Manie, Besessenheit, Affekte, nicht eingestandene Sublimierungsstrategien und nicht zuletzt den .|USHULQGHQ0LWWHOSXQNW]XUFNHQLVWHLQQHXHU=XJDQJGHUHLQHXQJHEUlXFKliche Befragung und Inszenierung des Materials ermöglicht. Und doch ist die Ausstellung auch als Ausstellung atypisch, da sie sich zunächst an der Sammlung des Alpenverein-Museums orientiert, während man sich im Ausstellungsmachen gerne nach Inhalten, Anlässen und Gelegenheiten ausrichtet. Bei „Berge, eine XQYHUVWlQGOLFKH/HLGHQVFKDIW´JHKWHVGDUXPHLQ7XQ]XUHÁHNWLHUHQ0RWLYHEHwusst zu machen, durchaus aufklärerisch zu wirken und zugleich Bestände eines 0XVHXPVZLUNXQJVYROOXQGVFKOVVLJ]XSUlVHQWLHUHQ Näher an der Ausstellung als am Museum ist wiederum die kritische Distanz: Gerade in der Szene der Naturkundlichen Museen „werde bedenken- und gedankenlos von Natur [gesprochen]“, wagt sich Gottfried Fliedl vor, „wo doch JHUDGHGRUWGLHJU|‰WH.QVWOLFKNHLWKHUUVFKWXQGGHQ)LVFKHQGDV)OOPDWHULDO aus den Ohren staubt.“ Die Ausstellung des Alpenverein-Museums behandelt und zeigt die Natur konsequent als eine Natur, die gesehen, vermessen, besprochen, IRUPLHUWGLHJHPDFKWZLUGXQGQLFKWDQXQGIUVLFKH[LVWLHUW 'LH DXVJHVWHOOten physiologischen Studien entsprechen diesem Zugang, selbst die imposanten Berggemälde beim Auftakt des Ausstellungsrundgangs werden durch die Fotos aus der sogenannten Laternbildsammlung – alles Bestände des Alpenverein-MuVHXPV ² JHEURFKHQ XQG DXV GHU URPDQWLVFKHQ 9RUVWHOOXQJ ÅKLHU 0HQVFK GRUW Natur“ herausgeschubst. Das zu leisten, ohne Wert und Wirkung der Kunstwerke ]XVFKPlOHUQLVWHLQ(UIROJVPRPHQWGHV$XVVWHOOXQJVSURMHNWV Laborsituation statt Gipfelkreuz :DVZUGHPDQIUHLQ0XVHXPDQGHUVPDFKHQ"0DQFKHVEHÀQGHW)OLHGO könnte man noch intensiver durchdenken, radikaler thematisieren. Die Gender'HEDWWH EHLVSLHOVZHLVH LVW ² ELV DXI GLH $XÁLVWXQJ HLQHU $XVZDKO VH[LVWLVFKHU .OHWWHUVWHLJEHQHQQXQJHQ²DXIGHU6WUHFNHJHEOLHEHQ9HUWLHIXQJHQZlUHQVFK|Q 'LH EHLVSLHOKDIWH *HVFKLFKWH GHU *HEUGHU 6FKODJLQWZHLW GLH VLFK VR JUDQGLRV verzettelten, ist in der Ausstellung zwar angerissen, wird aber im wesentlichen LP%XFK]XU$XVVWHOOXQJSUlVHQWLHUWXQGGRUWLP'HWDLOJHVFKLOGHUW )ROLR9HU-

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lag, Wien – Bozen 2007, Hg. Philipp Felsch/Beat Gugger, Gabriele Rath). Auch das Geschick des sich aufreibenden Kartografen Peter Anich könnte der Museologe sich anschaulicher und in seiner Tragik packender umgesetzt vorstellen. Die laut Fliedl „ungewöhnlich dicht verzahnte Arbeit“ im großen Team hat sich EHZlKUW 'HU *LSIHOUDXP HWZD LVW QDFK ODQJHU YLHOH 0HLQXQJHQ XQG 9RUVFKOlge abwägender Debatte und in mehreren Entwicklungsstufen entstanden. Unter /HLWXQJYRQ*DEULHOH5DWK 5DWK :LQNOHU3URMHNWHIU0XVHXPXQG%LOGXQJ  kooperierten die Kuratoren Philipp Felsch und Beat Gugger, die Gestalter arge JLOOPDQQVFKQHJJ)DFKOHXWHZLHGHU9RONVNXQGOHU0DUWLQ6FKDUIHRGHU.XQVWZLVVHQVFKDIWHU*QWKHU0RVFKLJXQGGLH0LWDUEHLWHU,QQHQDXVGHP$OSHQYHUHLQ 0XVHXPXQGGHP$OSHQYHUHLQVHOEVW'LH$UEHLWVWHLOXQJVHLPDQFKPDOÁLH‰HQG gewesen und so sei man gemeinsam zur Überzeugung gelangt, den Gipfel zu VSUHQJHQ'DV$XIJUHLIHQGHV*HJHQVDW]SDDUHV(UIOOXQJ(QWWlXVFKXQJKDWGHQ mitnichten unbeabsichtigten Nebeneffekt, die Ideologie des Bergsteigens anzukratzen, Sieg und Ekstase zu entmythologisieren. Nun widmen sich also zwei Räume dem metapherntauglichen Sinn und Zweck des Alpinismus. Ein Raum KHL‰WÅREHQ´ZLHVLFK·VJHK|UW'DÀQGHWVLFKDOV6\PEROGHV7ULXPSKV+HUPDQQ Buhls bewundernswertes Nanga Parbat-Erstbesteigungs-Schuhwerk, hier gönnt man sich den panoramatischen Blick. (Auch da fehlt nicht ein Quentchen Ironie: Johann Widauers Fotoserie „Martin Kippenberger in Tirol“ zeigt den GegenZDUWVNQVWOHUDXIIHOVLJHU+|K·0LW$Q]XJXQG.UDZDWWHDOVPHQVFKOLFKHV=LWDW HLQPDONQLHQGHLQPDOPLWVLQQHQG]XP.LQQJHIKUWHU+DQGHLQPDOLQKHURLVFKHU*LSIHOSRVH (LQH7UZHLWHUDEHULVWPDQÅHUVFK|SIW´'DVLVWHLQSURYR]LHUHQGHU5DXPJHZRUGHQHLQHQRUPSRLQWLHUWHUÅ'LH,GHHZDUGLHGDV*HIKO des Blendenden zu transportieren, Nebel, Wolken, das Eingeschlossensein“. Die Summe aller Farben prägt den stark konzeptuellen Raum, sogar die Schrift an der Wand ist nur eine Nuance vom Weiß entfernt. Wie in einem Schrein verwahrt ÀQGHWVLFK+DQGJHVFKULHEHQHV)RUVFKXQJVPDWHULDOYRQ$QJHOR0RVVRGHUGHQ %HUJ]XP/DERUPDFKWHXQGGDPLWGLH0RGHUQHLQGQQHU/XIWLPSOHPHQWLHUWH Abschied vom Wahrheitsanspruch (LQHV VHLQHU Å6WHFNHQSIHUGH´ DOV 0XVHRORJH VHL GHU 9HUJOHLFK PLW DQGHUHQ Medien, erläutert Gottfried Fliedl. Immer noch und immer wieder vertrete das Museum einen unhinterfragbaren Wahrheitsanspruch, verdränge den Umstand des „Gemachten“. Und zwar mit Erfolg, während zum Beispiel Kino von vornKHUHLQ XQG YRQ MHGHUPDQQ DOV ÅNQVWOLFK´ ZDKUJHQRPPHQ ZHUGH 8PVR PHKU gelte es, Räume zu schaffen, die den Wahrheitsanspruch durchbrechen. Das kann geschehen durch Momente, die „extrem karg an Informationen“ sind, womit man wieder bei den angeschleppten Steinen wäre, die der Geologie abhanden gekommen sind. Ein andermal aber kann die Brechung auch durch ein Über-

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PD‰DQ6SUDFKHVWDWWÀQGHQ'LH7H[WH]XGHQGLYHUVHQ:DQGHU%HUJJHKXQG Expeditionsutensilien im Raum „packen“ bewegen sich in diese Richtung. Da HUIlKUWPDQHWZDÅYRQHLQHPMlKULJHQ0DQQ´²GHP,QQVEUXFNHU0DWKHPDWLNHU /HRSROG 9LHWRULV ² HLQH ULFKWLJH *HVFKLFKWH XQG HUVW JDQ] ]XP 6FKOXVV NRPPWGDVDXVJHVWHOOWH2EMHNWPLWGHP(U]lKOWHQÅZLHHLQNOHLQHV5XI]HLFKHQ´ LQ9HUELQGXQJbKQOLFKIXQNWLRQLHUWGLH3UlVHQWDWLRQGHU3DFNXQJ3HUYLWLQ'LH 9HUZHQGXQJGHV3UlSDUDWVDOV)OLHJHUDXISXWVFKPLWWHOLQGHU16=HLWVHLQ(LQsatz durch den Extrembergsteiger Hermann Buhl – „Das sind kurze Hinweise, die viel öffnen, aus denen der Besucher ganze Geschichten machen kann“, meint GHU0XVHRORJHÅYRP7DEX'RSLQJEHUGLH3ROLWLVLHUXQJGHV%HUJVWHLJHQVEHU das männliche Heldentum bis zu den historischen Kontinuitäten, und das alles ohne Fingerzeig.“

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Roswitha Muttenthaler Erschauendes Gehen. Gedanken zur Ausstellung „Berge, eine unverständliche Leidenschaft“ „Berge – eine unverständliche Leidenschaft“ – der zweite Teil des Titels erweckte schon beim ersten Lesen mein Interesse. Er machte die Berge interesVDQWHUDOVVLHIUPLFKSHUV|QOLFKVLQGDEHUYRUDOOHPHUK|KWHHUGLH1HXJLHUDXI GLH$XVVWHOOXQJ'HQQ$XVVWHOOXQJHQELQLFKLQMHQHUDPELYDOHQWHQ/HLGHQVFKDIW zugetan, mit denen hier die Berge gefasst werden. Daher beginne ich meine Anmerkungen zur Ausstellung, die um sechs Gedanken kreisen, mit einer Parallele von Thema – den Bergen – und Form – dem Medium Ausstellung. Erwandern unverrückbarer Ortsgebundenheit Gehen und Schauen betrifft Berge wie Ausstellungen gleichermaßen. Jeder Ausstellung ist das Gehen, das Bewegen immanent. Nur durch die Bewegung im $XVVWHOOXQJVUDXPLVWGDV3UlVHQWLHUWHLQVHLQHUXQYHUUFNEDUHQ2UWVJHEXQGHQKHLW zu rezipieren. Die Ausstellung „Berge – eine unverständliche Leidenschaft“ ist thematisch als Wanderung entworfen und koppelt so eine inhaltliche Konzeption mit einer medienbedingten Gegebenheit. Die Idee der Wanderung erscheint als zweifache, real als eine durch die Ausstellung und medial vermittelt als eine auf die Berge. Auch wenn das Bewegungselement in dieser Ausstellung durch die thematische Konzeption besonders deutlich gemacht wird, scheint mir, dass GLH$XVVWHOOXQJVPDFKHUXQG$XVVWHOOXQJVPDFKHULQQHQGHQEHLMHGHP$XVVWHOOHQ gekoppelten Prozess von Erkennen und Gehen bewusst halten wollen. Die PräVHQWDWLRQVZHLVHIRUGHUWEHUGLHVDXFKHLQH%HZHJXQJKHUDXVGLHEHUGDVWKHPDWLVFKH.RQ]HSWGHU:DQGHUXQJKLQDXVJHKW6RPVVHQLPHUVWHQ5DXP%HZHgungssensoren bedient werden, um Bilder abzurufen. Der Ausstellungsparcours durch die Räume ist zwar vorgegeben, dennoch werden Wege und Blicke das eine mal freigegeben, das andere mal verstellt, sodass Positionen erfahrbarer werden können, die zum Schauen und Rezipieren des Präsentierten einzunehmen sind. Ausstellungen eröffnen ihre medienbedingte Konstruktion in dem Grad, wie dem Publikum bewusst wird, dass seine Rezeption der Ausstellung in hohem Grad „selbstgesteuert“ ist: Die von den Ausstellungsmacher und Ausstellungsmacherinnen angebotenen Narrative erfahren im Kopf der Besucher und Besucherinnen LKUH 9ROOHQGXQJ ² MH QDFKGHP LQ ZHOFKHU 5HLKHQIROJH MHQH HWZDV DQVFKDXHQ wie die individuelle Positionierung zum Präsentierten erfolgt, sie Blickrichtung XQG9HUZHLOGDXHUHLQULFKWHQZHOFKHGLVWDQ]LHUWHQXQGQDKHQ6FKDXSRVLWLRQHQVLH einnehmen, wie partiell oder vollständig sie das Präsentierte betrachten.

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Vom Nutzen des Erratischen Wenden wir uns nunmehr dem thematischen Konzept der Wanderung zu, der Abfolge der Themenräume „imaginieren“, „packen“, „schauen“, „gehen“, „Schwindel“, „rasten“, „festhalten“, „durchhalten“, „oben“, „erschöpft“, „hinunter“ und „erinnern“. Welche Form der Bewegung in den Bergen wird in der Ausstellung mit dieser Anleihe an eine klassische Wanderung entworfen? Die lang tradierte Weise des In-die-Berge-Gehens grenzt einiges heute Aktuelles aus. Dies ZLUGLQGHQ9LGHR,QWHUYLHZVDP6FKOXVVGHU$XVVWHOOXQJGHXWOLFK(U]lKOWZLUG von Extremsportarten in den Bergen, vom Rad- und Schifahren, Fliegen usw. Angesichts der Bandbreite von Möglichkeiten, sich auf Berge hinauf und von %HUJHQKHUXQWHU]XEHZHJHQHUKlOWGLHWUDGLWLRQHOOH%HUJEHJHKXQJHLQH²MHQDFK Wertung – nostalgische, veraltete oder zeitlose Zuschreibung. Sich auf Tradiertes zu konzentrieren unter Ausschluss gegenwärtiger Spielarten ist aber nicht allein der Bewegungsart des Wanderns geschuldet, sondern vielfach auch den gezeigten ([SRQDWHQ =X VHKHQ VLQG IDVW QXU KLVWRULVFKH 2EMHNWH +LHU HU|IIQHW VLFK GDV 'LOHPPD MHGHU $XVVWHOOXQJ GLH VLFK DXVVFKOLH‰OLFK DXI GLH HLJHQHQ ² KLHU DXI GLH9HUJDQJHQKHLWEHVFKUlQNWHQ²6DPPOXQJVEHVWlQGHNRQ]HQWULHUW1LFKWGDVV ein derartiges Unterfangen nicht legitim und anspruchsvoll wäre, doch bedarf es HLQHU5HÁH[LRQGHUVDPPOXQJVEHGLQJWHQ*UHQ]HQGHV0DWHULDOV:HOFKHQ(IIHNW kann die Konzentration auf einen Sammlungsbestand haben? Im Fall der Berge$XVVWHOOXQJNDQQVLFKGLH+LVWRUL]LWlWGHV2EMHNWEHVWDQGHVDXFKDXIGLHLQGHU Ausstellung gewählte Form der Bewegung, das Wandern, auswirken. Wandern NDQQWHQGHQ]LHOODOVEHUKROWH)RUPZDKUJHQRPPHQZHUGHQ 'LH)UDJHQDFKGHP9HUKlOWQLVYRQ9HUJDQJHQKHLWXQG*HJHQZDUWVWHOOWVLFK IU%HVXFKHU,QQHQDXFKGHVKDOEGDLKQHQGLH5ROOHYRQ:DQGHUQGHQ]XJHVSURchen wird. Dies evoziert bis zu einem gewissen Grad Aktualität. Zu dieser Erwartungshaltung trägt der Ausstellungsfolder in Form einer Wanderkarte, die alle AusstellungsbesucherInnen beim Lösen der Eintrittskarte erhalten, in nicht unerheblichen Maß bei. Der gegenwartsbezogene Sprachduktus der Wanderkarte differiert stark mit der vergangenheitsbezogenen Präsentation der Ausstellung. Die Frage nach der Gegenwart drängt sich auf diese Weise umso stärker auf. Die Frage nach der Gegenwart stellte sich mir bereits im ersten Raum mit dem Titel „imaginieren“. Allein mit historischen Bildern konfrontiert – ob nun Gemälde oder Fotos –, bietet der Raum einen harmonisch stimmungsvollen GeQXVV 'XUFK GLH &KRUHRJUDÀH YRQ GUHL JOHLFK]HLWLJ SURML]LHUWHQ 6FKZDU]ZHL‰ Fotos kommt zu gewissen Zeiten Bewegung in den Raum. Doch so gelungen GLHVH .RQIURQWDWLRQ YRQ *HPlOGHQ XQG )RWRSURMHNWLRQHQ DOV (LQVWLPPXQJ LQ das Thema Berge auch war, begann ich gegenwärtige Bilder und Imaginationen oder auch eine Brechung der erhabenen, anziehenden Besetzung von Bergen zu vermissen. Reicht es, dass die BesucherInnen diese im Kopf mitbringen und auf

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diese Weise die Zeitbedingtheit vergangener Bilder erfassen? Doch besteht so QLFKW DXFK GLH *HIDKU HLQHV QRVWDOJLVFKHQ 3URÀOV LQVEHVRQGHUH ZHQQ XQVHUH :DKUQHKPXQJVNRQYHQWLRQHQ 6FKZDU]:HL‰)RWRV lVWKHWLVFK DXÁDGHQ" :HQQ die Ausstellung – wie von den Ausstellungsmacherinnen und -machern deklariert – Manifestationen von Seelenzuständen nachgehen will, wo bleibt die BandbreiWH GLH DXFK $EJUQGLJHV %HlQJVWLJHQGHV XPIDVVW" 8QG LQZLHIHUQ WUlJW GLHVHU historische Bildkanon zu gegenwärtigen Imaginationen bei? Der Einstieg in die $XVVWHOOXQJLVWDQJHQHKPHUZHLVHQLFKWEHUIUDFKWHWDQJHOHJWGHQQRFKKDOWHLFK GHQ$VSHNWGHU,PDJLQDWLRQIUVR]HQWUDOGDVVHLQHWZDVGLIIHUHQ]LHUWHUHU%OLFN DXIYHUJDQJHQHXQGJHJHQZlUWLJH9RUVWHOOXQJVZHOWHQHLQHVSDQQHQGH%HUHLFKHrung wäre. Die Frage nach der fehlenden Gegenwart durchzieht in unterschiedlichem 0D‰ GLH $XVVWHOOXQJ %HLP 7KHPD ÅSDFNHQ´ ZHUGHQ GXUFKDXV 9HUlQGHUXQJHQ deutlich, doch die unmittelbare Gegenwart bleibt dennoch vage. Was zeichnet KHXWLJH3DFNDQZHLVXQJHQDXV"$QGHUH7KHPHQZLH.|USHUVWXGLHQRGHUGDV9HUPHVVHQYRQ%HUJHQXQG0HQVFKHQEHLP%HUJVSRUWVLQGJDQ]DXIGLH9HUJDQJHQheit beschränkt, hier gibt es keinen Hinweis auf die Gegenwart. Wie wird der .|USHUKHXWHVWXGLHUW"8QGZHOFKH9RUVWHOOXQJHQPDQLIHVWLHUHQVLFKGDEHLZLH unterscheiden sich die zeitbedingten Intentionen? Abgesehen vom letzten Raum zum Aspekt „erinnern“, in dem die Gegenwart GXUFKGLHHLJHQVIUGLH$XVVWHOOXQJJHIKUWHQ,QWHUYLHZVHLQH]HQWUDOH6WHOOXQJ einnimmt, werden aktuelle Seelenlandschaften an wenigen Stellen durchaus GHXWOLFK6REOLW]WLP5DXPÅVFKDXHQ´GLH*HJHQZDUWLQ)RUPHLQHV9LGHRVGHV .QVWOHU5HQDWXV=UFKHUDXI=UFKHU]DSIWDXIGHP-XQJIUDXHQMRFK9LGHRJHUlWH YRQMDSDQLVFKHQ7RXULVWLQQHQXQG7RXULVWHQDQXQGNRSLHUWHLQLJH0LQXWHQLKUHU Aufnahmen. Die Aufnahmen zeigen nun nicht primär Berge, wie dies die vielen in diesem Raum gezeigten Bilder aus dem 19. Jahrhundert tun. Ebenso wichtig ist, VLFKQHEHQGHU7DIHO-XQJIUDXHQMRFK]XSRVWLHUHQGLH)DPLOLHDXI]XQHKPHQVLFK LQHLQHU%HUJODQGVFKDIW]XLQV]HQLHUHQHWF2EJOHLFKLQGLHVHP5DXPGHU)OOH KLVWRULVFKHU%LOGSURGXNWLRQOHGLJOLFKGLHVHV9LGHRXQGHLQH3RVWNDUWHJHJHQEHUgestellt werden, eröffnet sich hier ein Spannungsbogen. Gegenwärtige Blickkonventionen werden präsent gemacht und ein vergleichender Spannungsbogen zu den historischen Bildern ermöglicht. Etwa zu den Posen von Betrachterinnen und %HWUDFKWHUQGLHLQHLQLJHQ%LOGHUQ]XVHKHQVLQGbKQOLFKIXQNWLRQLHUWDXFKLP 5DXPÅREHQ´GLH)RWRUHLKHGHV.QVWOHUV0DUWLQ.LSSHQEHUJHU,QHLQHP$Q]XJ VWHKWNQLHWVLW]WHULQYHUVFKLHGHQHQ3RVHQDP*LSIHO'HU9HUIUHPGXQJVHIIHNW betont das Inszenatorische und stellt einen Kontrapunkt zu den Gipfelgeschichten von BergsteigerInnen dar, die parallel zu den Fotos zu lesen sind. ,P 5DXP ÅKLQXQWHU´ ZLUG ]ZDU HLQ 9LGHR HLQJHVHW]W GDV %LOGHU YRQ 9HUgangenheit und Gegenwart in schneller Folge miteinander vermischt. Obgleich GDEHLHLQH9LHOIDOWGHU)RUPHQVLFKWEDUZLUGZLHPDQGHQ%HUJKLQXQWHUNRPPHQ

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kann, wurden mir die neuen Formen in ihrer Bedeutung erst in den Interviews des letzten Raumes klar: War mit dem klassischen Bergsteigen der Aufstieg und das Erreichen des Gipfels das angestrebte Ziel, kehrt sich in der Gegenwart die :HUWXQJYRQ$XIXQG$EVWLHJEHUZHLWH6WUHFNHQXP)UYLHOH 6SRUWIRUPHQ dient der Aufstieg zum Gipfel nur dazu, einem lustvollen Hinunter zu frönen. +LHUVWHOOWHVLFKIUPLFKGLH)UDJHZHOFKHU8PIDQJDQ'HXWXQJVDQJHERWHQGHQ 3UlVHQWDWLRQHQ EHL]XJHEHQ LVW 'LHVH 9HUODJHUXQJ GHU %HGHXWXQJ YRP +LQDXI und dem Obensein auf das Hinunter wird durch das Konzept der klassischen :DQGHUXQJHUVFKZHUW9LHOH5lXPHIUGDV+LQDXI]ZHL*LSIHOUlXPHXQGGDQQ QXUHLQZLQ]LJHU5DXPWHLOIUGDV+LQXQWHUGHUQXUHLQ*HPlOGHXQGGDV9LGHR präsentiert. Hier gibt es keine aspektreiche Abhandlung oder Rauminszenierung, die Bedeutung signalisiert. 0LWGLHVHQ%HLVSLHOHQZROOWHLFK]HLJHQGDVVHVIUHLQHQ*HJHQZDUWVEH]XJ QLFKWSHUVHGHU'DUVWHOOXQJHLQHV.RQWLQXXPVYRQ9HUJDQJHQKHLW]XU*HJHQZDUW EHGDUI6RVLQGGDV9LGHRYRQ=UFKHURGHUGLH)RWRVYRQ.LSSHQEHUJHUHKHUHUUDWLVFKHDNWXHOOH(LQVSUHQJVHOXQGQLFKWHLQHNRQWLQXLHUOLFKDQJHOHJWH:HLWHUIKUXQJGHU7KHPDWLNGHVMHZHLOLJHQ5DXPHV,QGLHVHP6LQQHJHKWHVPLUQLFKWXP HLQ3OlGR\HUGXUFKJHKHQGGLH9HUJDQJHQKHLW]XU*HJHQZDUW]XIKUHQVRQGHUQ XPHLQ3OlGR\HUIUGHQ1XW]HQHUUDWLVFKHU(LQVFKEHRGHUDXFK6W|UXQJHQ$OOHUGLQJVPVVHQGLHVHHUUDWLVFKHQ(LQVSUHQJVHODNWXHOOH$VSHNWHDXIGHQ3XQNW bringen, zentrale Fragen der Gegenwart treffen. Sie brauchen Gegenwart nicht breit zu repräsentieren, sondern es reicht vielfach, wenn sie einen produktiven 6SDQQXQJVERJHQ]XU9HUJDQJHQKHLWELOGHQXQGIUGDV+HXWH)UDJHQDXIZHUIHQ N|QQHQ'LHVPDJ]ZDUQLFKWEHLMHGHP7KHPDJOHLFKHUPD‰HQ]LHOIKUHQGVHLQ – dass der Gegenwartsaspekt im Raum „hinunter“ nicht funktioniert, ist eine kon]HSWLRQHOOH )UDJH ² GHQQRFK NDQQ HV IU DXI KLVWRULVFKH 2EMHNWH EHVFKUlQNWH Sammlungen ein Weg sein, BesucherInnen anzuregen, Überlegungen zur GegenZDUWZHLWHU]XIKUHQ „Der Mann ist Mann nur in wenigen Augenblicken, die Frau ist Frau ein Leben lang.“ Diese Feststellung von Jean Jacques Rousseau aus dem Jahr 1762 charakWHULVLHUW GLH $XVVWHOOXQJ WUHIIHQG ² XQG EOHLEW VR XQEHHLQÁXVVW YRP DNWXHOOHQ Gender-Diskurs. Rousseau entwarf die beiden Wesenheiten Frau und Mann in ihrer Geschlechtlichkeit: Wird die Frau primär als Geschlechtswesen gedacht, kann sich der Mann seiner Geschlechtlichkeit entziehen, wird nur punktuell zum *HVFKOHFKWVZHVHQbKQOLFKDJLHUHQGLH$XVVWHOOXQJVPDFKHU,QQHQ'LH0lQQHUGRPlQH%HUJHUIlKUWNHLQH%HIUDJXQJEH]JOLFK0lQQOLFKNHLWVNRQVWUXNWLRQHQ dagegen wird gelegentlich auf die Frau verwiesen und damit vermeintlich der *HVFKOHFKWHUDVSHNW HUIOOW 'LHV WUlJW GHU QRFK LPPHU ZHLW YHUEUHLWHQ 3UD[LV

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Rechnung, „Geschlecht“ zu sagen und „Frau“ zu meinen. Dies zeigte sehr deutlich auch das Reden auf der Tagung „Der Berg im Zimmer“. Sowie die Forderung QDFK %HUFNVLFKWLJXQJ YRQ *HQGHUIUDJHQ HUKREHQ ZXUGH ÀHO LQ XQPLWWHOEDUHU Folge der Begriff „Frau“ oder sogar „Frauenfrage“. Doch die Kategorie Gender rekurriert auf Weiblichkeits- und Männlichkeitskonstruktionen gleichermaßen. Insofern handelt es sich angesichts eines Themas, in dem vorwiegend Männer eine Rolle spielten, weniger um eine Frauen- denn um eine Männerfrage. 'RUWZRGLH$XVVWHOOXQJGHQ9HUVXFKXQWHUQLPPWGH]LGLHUWDXI)UDXHQ]X verweisen, erfolgt dies teilweise problematisch: Bei Modebildern, die sowohl Männer wie Frauen zeigen, titelt der Ausstellungstext „Neue Frauen“. Dass hier allein die Frau als Geschlechterwesen in den Blick gerät, ist so traditionell, wie )UDXHQXQG0RGH]XYHUNQSIHQ(VEHVWlWLJW5ROOHQELOGHUVWDWWVLH]XEHIUDJHQ 'DV XQWHU GHQ %HUJIKUHUSRUWUlWV DQJHEUDFKWH =LWDW DXV GHP -DKU  RIIHQbart durchaus zeitbedingte Geschlechtervorstellungen: „Man kann es drehen und wenden wie man will, zuletzt sind die Frauen Talgeschöpfe wie die Blumen.“ 'HXWOLFK ZLUG GDVV )UDXHQ LQ 'LIIHUHQ] ]XP 0DQQ NODVVLÀ]LHUW ZHUGHQ +LHU N|QQHQVLFKDQVDW]ZHLVH)UDJHQ]XU%HJUQGXQJYRQ(LQXQG$XVVFKOXVVHU|IIQHQGRFKEOHLEHQ0lQQOLFKNHLWVELOGHUYRQ%HUJIKUHUQZHLWHUKLQDX‰HQYRU,P 5DXP ÅREHQ´ VFKHLQW HLQH 9HU]DKQXQJ YRQ 0lQQOLFKNHLWV XQG :HLEOLFKNHLWVbildern auf. In einem Text, der eine Erstbesteigung durch zwei Frauen schildert, wird von der Reaktion der Männer berichtet: Wenn Frauen dies vollbracht haben, NDQQGLHVHU*LSIHOIU0lQQHUNHLQ=LHOPHKUVHLQ'DVVGDV(UJHKHQ%H]ZLQJHQ9HUPHVVHQ$EELOGHQXQG%HVFKUHLEHQYRQ%HUJHQHLQH0lQQHUGRPlQHZDU XQGEHUZHLWH6WUHFNHQQRFKLVWYHUPLWWHOWVLFKLQYLHOHQGHUSUlVHQWLHUWHQ%Hreichen schon dadurch, dass fast nur männliche Protagonisten auftreten. Doch RKQH 5HÁH[LRQVP|JOLFKNHLWHQ YHUVLFNHUW GLHVHU 8PVWDQG OHLFKW LQ GHU 6HOEVWverständlichkeit. Dabei böte die Ausstellung wunderbares Material, um mit der 0lQQHUGRPlQH DXFK GLH GDPLW YHUNQSIWHQ 0lQQOLFKNHLWVNRQVWUXNWLRQHQ ]X verdeutlichen. Ich denke etwa an das Thema Landvermessung durch das MiliWlU+LHUN|QQWHGLH6HHOHQODQGVFKDIWYRQPLW9HUPHVVXQJHQEHDXIWUDJWHQ6ROdaten fokussiert werden, die hier zutage tretenden Männlichkeitskonzeptionen. ,P6LQQHHLQHV5HÁH[LRQVDQJHERWHVN|QQWHQGLH]XK|UHQGHQ%HULFKWHYRQPLOLtärischen Landvermessern – die durch die Art, wie der Text formuliert aber auch gesprochen wird, den Charakter des Rapports haben – dezidierter mit weiteren Deutungsangeboten versehen werden. Dadurch könnte ersichtlich werden, dass in den Hörproben nur der Arbeit hinderliche Aspekte zur Sprache kommen, die die Protagonisten tendenziell heldenhaft oder zumindest ausdauernd erscheinen lassen. Ein nur allzu bekanntes Männerbild. Die Ausstellung verschreibt sich zwar dem Zeigen von Seelenlandschaften, von Mentalitätsgeschichte, von leiblichen und geistigen Erfahrungsräumen,

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GRFKZHLVHQGLHJHVHOOVFKDIWVEHGLQJWHQ9HUIDVVWKHLWHQ/FNHQDXIZHQQHVXP Differenzkategorien geht. Dies meint nicht allein Gender. *HVFKOHFKWLVWHLQHGHU'LIIHUHQ]NDWHJRULHQGLH]HQWUDOIUGDV'HQNHQXQG Handeln aller sind. Es gilt nicht nur den Blick auf die vielfältigen Manifestationen von Weiblichkeit und Männlichkeit, von Geschlechterverhältnissen zu werfen, VRQGHUQGHQUHÁH[LYHQXQGVHOEVWUHÁH[LYHQ%OLFNDXIGLYHUVHJHVHOOVFKDIWOLFKEHdingte Differenzen zu richten. Denn ein Effekt, wenn etwa Gender, Race oder &ODVV QLFKW PLWUHÁHNWLHUW ZHUGHQ EHVWHKW GDULQ GDVV GRUW ZR HLQ EHVWLPPWHV Geschlecht, eine Ethnie oder eine Klasse dominant sind, diese gleichsam als selbstverständlich erscheinen. Dadurch werden die gesellschaftlichen Machtverhältnisse, die den Ausschlussmechanismen und Repräsentationen zugrunde OLHJHQ YHUVFKOHLHUW 'LHVH PDQJHOQGH 5HÁH[LRQ YRQ 'LIIHUHQ]HQ HUDFKWH LFK DXFKDOV*UXQGGDIUGDVVJHVHOOVFKDIWVSROLWLVFKH,QWHUHVVHQGHUOHLEOLFKHQXQG geistigen Zurichtung von Körpern, dass manche Manifestationen symbolischer Ordnungen und gesellschaftlicher Praktiken in der Ausstellung unterrepräsenWLHUWVLQG-HZHLOLJHJHVHOOVFKDIWOLFKH9HUIDVVWKHLWHQ²LQVEHVRQGHUHDXIJUXQGYRQ bKQOLFKNHLWXQG'LIIHUHQ]²ZHUGHQLQGHQ%HUJHQQLFKWDXIJHKREHQIRUPXOLHUHQVLFKKLHUHEHQVRHYHQWXHOOLQ$EZHLFKXQJHQ9DULDQWHQ:HUGHQJHVFKOHFKWVVSH]LÀVFKH .RQVWUXNWLRQHQ QXU UXGLPHQWlU JHVWUHLIW VR VLQG VFKLFKWVSH]LÀVFKH 'LIIHUHQ]HQ JDQ] DXVJHEOHQGHW =ZDU ZLUG EHLP 7KHPD %HUJIKUHU GXUFK GLH 7H[WEHUVFKULIWÅ+HUUHQXQG.QHFKWH´GLH(UZDUWXQJJHZHFNWGDVVVFKLFKWVSH]LÀVFKH'LIIHUHQ]HQUHÁHNWLHUWZHUGHQ'RFKDQGHUVDOVLP.DWDORJEOHLEWHVEHLP 7LWHO'DV1HJLHUHQYRQ'LIIHUHQ]HQKDOWHLFKIUHLQVHKUEHGDXHUOLFKHV0DQNR einer facettenreichen Ausstellung. Mit dem Auge denken Im Ausstellen geht eine sinnliche Appellwirkung, die aus der Anmutungskraft der Dinge und ihrer Präsentationen entsteht, zusammen mit einem intellektuellen Konzept, also der Zeigeabsicht, der wissenschaftlichen Dramaturgie, die der Ausstellung zugrunde gelegt ist. Ein entscheidender Aspekt ist, wie diese 9HU]DKQXQJKHUJHVWHOOWZLUGREVLHSURGXNWLYLVWVLFKJHJHQVHLWLJHUQVWQLPPW oder sich konkurriert, nebeneinander läuft. Die Berge-Ausstellung erweckt den Eindruck einer Symbiose von Raumatmosphären und visuellen Zeichensprachen mit dem kulturwissenschaftlichen Inhalt – ermöglicht ein „mit dem Auge denken“. Dieses enge Zusammenspiel zeigt sich auch dort, wo ich die Präsentation als weniger gelungen sehe, etwa im letzten Raum „erinnern“. Hier scheint mir eine nicht ganz ausgegorene inhaltliche Konzeption mit einer unbefriedigenden gestalterischen Lösung einherzugehen. Inhaltlich erwecken hier einige Themen XQG 2EMHNWH GHQ (LQGUXFN DEJHVWHOOW ]X VHLQ *HVWDOWHULVFK KDW GHU 5DXP GLH Anmutung eines Durchganges.

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'RFK EHUZLHJHQG ELHWHW GLHVH 6\PELRVH YRQ ,QKDOW XQG )RUP VSDQQHQGH $QJHERWH$OV%HLVSLHOIUHLQHVSUHFKHQGH2EMHNWDXVZDKOXQGDQRUGQXQJ]LHKH LFKGHQ5DXPÅGXUFKKDOWHQ´KHUDQ'UHL9LWULQHQGLHDXI%OLFNK|KHLQGHQ:DQGGXUFKOlVVHQDQJHEUDFKWVLQGEHKHUEHUJHQMHHLQ2EMHNWHLQJHULVVHQHV6HLOHLQ Amuletttäschchen und das Aufputschmittel Pervitin. Sie sind so angebracht, dass VLH LQ GHU 9LWULQH VFKZHEHQ XQG .RQQRWDWLRQHQ ZLH IUDJLO XQVLFKHU JHIlKUGHW erlauben. Gleichzeitig erhalten die Dinge erhöhte Bedeutung, indem sie isoliert präsentiert und mit einem Lichtspot betont sind. Das lädt sie auf, unterlegt sie mit 0DFKWHQWVSUHFKHQGGHU7H[WEHUVFKULIWHQÅ)UHXQGHXQG+HOIHU´ 'LH9HUNQSIXQJYRQ,QKDOWXQG)RUP]LHOW]XPHLVWQLFKWQXUDXISRLQWLHUWH Deutungsangebote, sondern achtet auch auf eine gewisse Offenheit, was in einem Raum angeordnete Dinge miteinander machen, wie sie wirken. So erhalten BeVXFKHU,QQHQHLQHQ6SLHOUDXP*HVFKLFKWHQZHLWHU]XVSLQQHQ)U]ZHL2SWLRQHQ von Raumgestaltungen dienen die beiden Gipfelräume „oben“ und „erschöpft“ als Beispiel. Das Thema „erschöpft“ ist ein mittels Licht und Farbe komponiertes Raumerlebnis, an Exponaten gibt es lediglich ein Reliefmodell des Mount Everest XQG HLQ %XFK GHVVHQ ]LWWULJH 6FKULIW DXI (UVFK|SIXQJ ]XUFN]XIKUHQ LVW $Q GUHL :lQGHQ LVW MHZHLOV HLQ =LWDW LQ KHOOJUDXHQ %XFKVWDEHQ JHVFKULHEHQ 'LH schwer lesbare Schrift, die aus der Distanz fast verschwindet, nur aus der Nähe ]X OHVHQ LVW OlVVW 1HEHO 9HUVFKZLPPHQ NRQQRWLHUHQ 'LH NRQ]HSWLRQHOOH ,GHH der Erschöpfung wird hier gestalterisch durch die Schaffung einer Raumwirkung gefasst. Der Gesamtraum steht im Zentrum der Wahrnehmung, zu dem auch die KRFKDXIJHODGHQHDOWDUDUWLJH3UlVHQWDWLRQGHV%XFKHVLQHLQHUZHL‰HQ+OOHDXI einem Sockel beiträgt. Ganz anders der Raum „oben“, der voll mit Exponaten und Geschichten ist. Rundum an den Wänden sind Markierungen: Unterschiedliche hohe Linien sind mit dem Namen und der Höhe eines Berges versehen. Die BesucherInnen VLQGDXIGLHVH:HLVHYRQHLQHU)OOHYRQ*LSIHOQXPJHEHQ,P5DXPVLQGIQI Rundstreifen in Augenhöhe abgehängt, die innen und außen mit Text und/oder Bildern zu bestimmten Bergen oder Aspekten des Obenseins bespielt sind. GeJHQEHU GHU )OOH GHU DQ GHU :DQG PDUNLHUWHQ *LSIHO GLH DEHU NHLQH ZHLWHUHQ Inhalte anbietet, werden hier exemplarisch und detailreich Themen aufgegriffen. Dabei kann der Blick auch begrenzt werden. Denn wenn man in einen RundVWUHLIHQ KLQHLQVFKOSIW XP GLH %LOGHU LP .UHLVLQQHUHQ ]X EHWUDFKWHQ ZLUG GHU Blick auf den Raum verstellt, doch kann sich das Auge nunmehr ohne Ablenkung DXIGLH$QJHERWHLP.UHLVLQQHUHQNRQ]HQWULHUHQhEHUMHGHP.UHLVLVW²HEHQfalls schwebend – als Lichtquelle eine runde Leuchtröhre angebracht, die wie ein Heiligenschein wirkt. Die Lichtröhren werfen auf gestalterischer Ebene ein ironisierendes Licht auf die mittels der Kreise dargestellten Gipfelaspekte und gehen so parallel mit kritischen Blicken auf inhaltlicher Ebene. Die Narrative er|IIQHQSRLQWLHUWH(LQEOLFNHLQGLH9HUIDVVWKHLWHQGLH6HHOHQODQGVFKDIWHQXQVHUHU

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*HVHOOVFKDIWHLQLJHVLQGGDEHLLQGHU'DUVWHOOXQJYHUJQJOLFKOHLFKWDQJHOHJW6R wird die hochbesetzte Geschichte der Besteigung des Nanga Parbat durch die Form der Präsentation nicht weiter auratisiert. Unter dem Titel „Der nackte Berg“ ZHUGHQDX‰HQ%HVWHLJXQJHQE]ZGHUHQ9HUVXFKHLQXQWHUVFKLHGOLFKHQ6SUDFKHQ und nach Jahreszahlen von 1856 bis 2000 geordnet einfach nur aufgelistet. Dabei ]HLJW HLQ /LQLHQ XQG 3XQNWHV\VWHP ZLH QDKH GLH MHZHLOLJHQ %HUJVWHLJHU GHP Gipfel gekommen sind. Innen sind Reihen von Filmstills zu sehen, die Hermann Buhl, den Erstbesteiger des Nanga Parbat, auf dem Gipfel zeigen. Doch sind es IUHLQHQ.LQRGRNXPHQWDUÀOPQDFKJHVWHOOWH6]HQHQ=XP9HUJQJOLFKHQJHK|UW beim Aspekt „Gipfelposen“ die schon erwähnte Fotoserie von Kippenberger, wie er sich in einem Anzug am Gipfel in Szene setzt. Diesen im Innenkreis zu seKHQGHQ)RWRVVLQGLP$X‰HQNUHLVDFKW7H[WHJHJHQEHUJHVWHOOW(U]lKOWZHUGHQ DXVJHZlKOWH*HVFKLFKWHQYRQ%HUJEHVWHLJXQJHQXQG9HUKDOWHQDXIGHP*LSIHO (LQHGDYRQLVWGHUVFKRQDQJHIKUWH)DOOHLQHU(UVWEHVWHLJXQJGXUFK)UDXHQGHUHQ Leistung von Männern negiert wird. Wenn hier die in den Geschichten implizit YRUKDQGHQHQPlQQOLFKHQ9HUIDVVWKHLWHQOHLFKWHUGHFRGLHUEDUZlUHQN|QQWHQVLH DXFKLQ9HUKlOWQLV]XGHQ3RVHQIRWRV.LSSHQEHUJHUVJHVHW]WZHUGHQDOVELOGOLFK symbolische Geschlechterordnung. (LQHJHOXQJHQH9HUELQGXQJYRQ7KHPDXQG,QKDOWlX‰HUWVLFKDXFKLP9HUKlOWQLVYRQ2EMHNWDQRUGQXQJHQXQG7H[WH'LH7H[WHHUODXEHQYLHOIDFKHLQHQZHLteren genauen Blick auf das Präsentierte. So kann die Wahrnehmung der Bilder im Bereich „schauen“ differenzierter werden, wenn die Texte gelesen werden. 2EMHNWJHVFKLFKWHQNRUUHVSRQGLHUHQPLWLQGLYLGXHOOHQ%LRJUDÀHQXQGNXOWXUZLVsenschaftlichen Entwicklungen, verschränken sich auf produktive Weise. Ein %HLVSLHOIUGHQJHQDXHQ%OLFNDXI2EMHNWXQG2EMHNWJHVFKLFKWHQLVWGHU5DXP ÅSDFNHQ´'LH7H[WHYHURUWHQGLH2EMHNWHNXOWXUJHVFKLFKWOLFKXQGJHEHQPLWLKUHQZHLWHUJHKHQGHQ,QIRUPDWLRQHQDXFKHLQ9HUVWlQGQLVIU]HQWUDOH$VSHNWHGHV Themas „packen“. Über weite Strecken eröffnen die Texte weitere Aspekte, ohne die Deutungen festzuschreiben und damit den Denkprozess zu schließen. DenQRFKVHLHQDXFKHLQGLPHQVLRQDOH%HLVSLHOHDQJHIKUW'HU7H[W]XPOHW]WHQ2EMHNWGHU$XVVWHOOXQJHLQHP6RXYHQLUWHOOHUZHUWHW6RXYHQLUV]ZLVFKHQGHQ=HLOHQ QHJDWLY(LQLJH%HLVSLHOHIUXQGLIIHUHQ]LHUWH'HXWXQJHQRGHUPDQJHOQGH.RQWH[WXDOLVLHUXQJZXUGHQVFKRQHUZlKQW)UDXHQXQG0RGH%HUJIKUHU Freispielen – Konventionen von Kunst und Wissenschaft Nunmehr möchte ich das Augenmerk noch kurz auf die Art der gezeigten Exponate und die Konventionen der Ausstellungsweisen richten. In der Ausstellung nehmen Kunstwerke – sammlungsbedingt – einen höheren Anteil an den präVHQWLHUWHQ([SRQDWHQHLQDOVNXOWXUKLVWRULVFKH2EMHNWH'HQQRFKKDQGHOWHVVLFK XPHLQHGH]LGLHUWNXOWXUKLVWRULVFKH$XVVWHOOXQJ'LHVHV9HUPLVFKHQYRQ.XQVW

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und Kulturgeschichte ist in vielen stadt- oder auch landesgeschichtlichen Museen gängige Praxis. Ein Beispiel ist etwa die Dauerausstellung des Wien Museums: Entlang einer Chronologie wird vorwiegend, in einigen Epochen fast ausschließlich, Kunst und Kunsthandwerk gezeigt. Texte fungieren parallel dazu als eine KLVWRULVFKH5DKPXQJ9RQGLHVHU3UD[LVXQWHUVFKHLGHWVLFKGLH%HUJH$XVVWHOOXQJ insofern, als der kulturwissenschaftliche und museologische Anspruch besteht, Kunst und historische Exponate in gleicher Weise zu befragen. Ihre Auswahl, $QRUGQXQJXQGJHVWDOWHULVFKH(LQEHWWXQJELOGHWGLH%DVLVIUNXOWXUKLVWRULVFKH Deutungen. Texte ergänzen, sind aber keine von den Exponaten unabhängige Erzählschiene, im Gegenteil, Displays und Texte bilden voneinander abhängige Einheiten. An der Berge-Ausstellung ist zudem interessant, wie Kunst mit Wissenschaft HLQKHUJHKWZDVLKUHWUDGLHUWHQ3UlVHQWDWLRQVZHLVHQEHWULIIW,KU9HUKlOWQLVQLPPW YHUVFKLHGHQH)RUPHQDQ=XPHLVWVLQG.XQVWXQGKLVWRULVFKH2EMHNWHJOHLFKHUmaßen nebeneinander gestellt, beide sind von kulturwissenschaftlichen Blicken und Fragen durchquert. Dies schlägt sich auch in der Raumatmosphäre, im AusVWHOOXQJVJHVWXVQLHGHU6RKDEHQHWZDGLHNQVWOHULVFKHQ.|USHUVWXGLHQLP5DXP „gehen“ dieselbe vergleichende Präsentationsweise wie die Aufzeichnungen von Messungen von Körperfunktionen. Nicht dass diese Studien nicht auch als Kunst rezipierbar wären, aber die Fragestellungen sind hier nicht kunstwissenschaftlich, HWZDLQ%H]XJDXI.XQVWULFKWXQJ$XVIKUXQJVWHFKQLN,NRQRJUDSKLHHWF,QGHU 5HJHOLVWGLHVHUNXOWXUZLVVHQVFKDIWOLFKH$XVVWHOOXQJVJHVWXVLP9RUGHUJUXQG Allerdings gibt es auch einen Ausstellungsgestus, der der Tradition der Kunstmuseen entspringt. Bei den zwei Aspekten „imaginieren“ und „schauen“ dominieren die Kunstwerke nicht allein durch den Raum, den sie einnehmen, auch der Ausstellungsgestus entspricht dem der Kunst. Jedes der großen ÖlgePlOGH]XÅLPDJLQLHUHQ´EHDQVSUXFKWIUVLFKVHLQHQ5DXP:LHLPNODVVLVFKHQ white cubeYRQ.XQVWUlXPHQVLQGVLHPLWLVROLHUHQGHP$EVWDQGJHKlQJWMHZHLOV durch einen Lichtspot hervorgehoben. Die Raumatmosphäre ist dem KunstgeQXVVDQJHPHVVHQVLHYHUPLWWHOW6WLOOH(UKDEHQKHLWGLHLQPHLQHU9RUVWHOOXQJQXU )OVWHUQ]XOlVVW'RFKZLUGGLHVHWUDGLWLRQHOOH.XQVWEHWUDFKWXQJVDQPXWXQJDXFK JHTXHUW'HQQDQGUHL6WHOOHQJLEWHVJUDXH:DQGÁlFKHQGLHPLWJUR‰IRUPDWLJHQ )RWRSURMHNWLRQHQ EHVSLHOW ZHUGHQ IDOOV GLH %HVXFKHU,QQHQ GLH HQWVSUHFKHQGHQ %HZHJXQJVVHQVRUHQ DXVO|VHQ 'LH 3URMHNWLRQHQ N|QQHQ LQ .RQNXUUHQ] ]X GHQ *HPlOGHQWUHWHQYRQLKQHQDXFKY|OOLJDEOHQNHQGHQQGLHFKRUHRJUDÀHUWH%LOGzusammenstellung nach Themen kann mich bedrängen, wenn ich den Wunsch KDEHDOOH%LOGHUGHUGUHLJOHLFK]HLWLJODXIHQGHQ3URMHNWLRQHQVHKHQ]XZROOHQ6R KSIWGHU%OLFNVFKQHOO]ZLVFKHQGHQGUHL3URMHNWLRQVIHOGHUQKLQXQGKHUEHDFKWHW GLHgOJHPlOGHGDGXUFKHKHUDP5DQGHHVHQWVWHKWGDV*HIKOHWZDV]XYHUSDVVHQ²GRFKQXUYRUEHUJHKHQG'LHVHVFKQHOOZHFKVHOQGHQ%LOGHUYHUlQGHUQGLH 5DXPDWPRVSKlUHPDFKHQVLHOHEHQGLJHUGRFKVREDOGGLH3URMHNWLRQHQEHHQGHW

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VLQGNHKUWGHU 5DXP ZLHGHU LQ GHQ ]XYRU EHVFKULHEHQHQ ]XUFN GLH *HPlOGH erhalten ihre Präsenz wieder. Die traditionell bekannte KunstbetrachtungsanmuWXQJLVWGXUFKGLHVHVDQGHUH0HGLXPGHU3URMHNWLRQLPPHUQXUYRUEHUJHKHQG gebrochen. Im Raum „schauen“ gibt es eine weitere klassische Art der Hängung von Kunst, die dichte Hängung eines Kunstkabinetts. Dass hier die Wände nicht weiß VRQGHUQJUQVLQGWUlJW]XGLHVHP(LQGUXFNHLQHUWUDGLWLRQHOOHQYHUJOHLFKHQGHQ Betrachtung alter Kunst bei. Auch wenn die Auswahl und der Blick auf die Bilder von kulturwissenschaftlichen Fragestellungen bestimmt sind, kulturgeschichtliche Exponate beigestellt sind, ist der Ausstellungsgestus der Kunst dominant. Die Texte rekurrieren zwar nicht auf kunstwissenschaftliche Aspekte, greifen DEHU6XMHWVDXIYHUZHLVHQDXIGHQ(IIHNWYRQ)RUPXQG)DUEHGHU*HELUJHYRQ Posen der in die Landschaft gestellten Menschen. Sie fördern die Bildbetrachtung, wie dies auch manchmal Texte in Kunstausstellungen tun, wenn auch deren Ausrichtung kunstbezogener sein mag. Neben diesen Präsentationsweisen, bei denen entweder der tradierte Gestus von Kunst und der von Wissenschaft dominant ist, kommt es noch zu einer Form der Überschneidung, die möglicherweise nicht intendiert ist. Die gestalterische Fassung des Themas „erschöpft“ gemahnt in der Wirkung an Kunst: Der Raum bringt den white cube mittels grellweißem Licht und weißer Farbe selbst zur Anschauung, lädt ihn durch die altarartige Inszenierung des Buches noch auf. Durch Ausstellungskonventionen bedingt kann er auch wie Kunst erscheinen. „Mount Logan und die Indianerin“ – Akzeptable Enttäuschungen 'LHVHhEHUVFKULIWEHUQHKPHLFKYRQHLQHP9RUWUDJYRQ0DUWLQ6FKZLHUVFK der folgende Anekdote zum Anlass von Überlegungen machte: Er klagte einer Native AmericanVHLQHQZHWWHUPl‰LJJHVFKHLWHUWHQ9HUVXFKGHQ0RXQW/RJDQ zu besteigen. Diese begegnete seiner damit verbundenen Enttäuschung mit Unverständnis. Warum könne er den Berg nicht einfach sein lassen. Enttäuschung kann in der Rezeption einer Ausstellung einmal mehr, einmal ZHQLJHUDXIWUHWHQ²MHQDFKGHPZLHGLH(UZDUWXQJVKDOWXQJLVWZDVGLH$XVVWHOOXQJYHUVSULFKWE]ZHLQO|VHQZLOOXQGNDQQ6HOWHQLVWMHGRFKGDVVGHU0RPHQW der Enttäuschung in einer Ausstellung konzeptionell angelegt ist. Zwei Räume spielen in der Berge-Ausstellung dezidiert mit der Enttäuschung von Erwartungen: „rasten“ und „erschöpft“. „Rasten“ ist als beengender Raum gestaltet, die Wände sind mit einem knallgelben Stoff bespannt, eine Klanginstallation lässt die Anwesenheit vieler Leute assoziieren. So entsteht im Zusammenspiel von (QJH)DUEH/LFKW*HUlXVFKHLQH5DXPDWPRVSKlUHGLHLFKQLFKWDOVJHPWOLFK XQGDQJHQHKPVRQGHUQDOVEHNOHPPHQGEHUIOOWZDKUQHKPH'LHVHEHDEVLFKWLgte Gestaltungsintention steht im Gegensatz zu Erwartungen von Rasten als ent-

R OSWITHA M UTTENTHALER £Erschauendes Gehen

spannendes Ausruhen und Genießen. Das Fehlen des ruhigen, genießerischen RaVWHQVNDQQDOV$EVLFKWHUNDQQWZHUGHQGHQ$VSHNWGHVQRWZHQGLJHQJHVFKW]WHQ 5HJHQHULHUHQVLQGHQ9RUGHUJUXQG]XVWHOOHQGHUDXINOHLQVWHP5DXPVWDWWÀQGHW Im Raum „erschöpft“ steht die Enttäuschung sogar im Zentrum der Konzeption. Zur Frage, welche Idee macht den Gipfel aus, wird als Antwort nicht BeherrVFKXQJ:HLWH*OFNXQG7ULXPSKVRQGHUQ/HHUHXQG(UVFK|SIXQJLQV]HQLHUW Der intendierte Aspekt der Enttäuschung wird durch die gewählten Zitate klar JHPDFKW$XFKGDV]HQWUDOH 2EMHNW GDV PLW ]LWWULJHU +DQG JHVFKULHEHQH %XFK ist kein Zeuge des machtvollen Beherrschens. Das intensive, harte, weiße Licht schafft vor den durchgängig weiß gehaltenen Wänden und Boden einen kalten 5DXP GHU ² XQWHUVWW]W YRQ GHU NDXP OHVHUOLFKHQ 6FKULIW ² QHEHOKDIW ]X YHUVFKZLPPHQVFKHLQWNHLQHQZHLWHQ%OLFNHUODXEW'DV$XJHÀQGHWZHQLJ$QODVV ]XPDQHLJQHQGHQ6FKDXHQZLUGVFKQHOOPGH,QVRIHUQZLUGGHULQWHQGLHUWH(QWtäuschungsaspekt gut sichtbar. Gleichzeitig kann ich den Raum trotz des grellen /LFKWHVDXFKDOVHLQHQlVWKHWLVFKHQ*HQXVVHPSÀQGHQDOVNXQVWlKQOLFKHV*HELOde genießen. Und dieser Genuss enttäuscht nicht. Auch wenn ich intellektuell das Konzept der Enttäuschung begreife und in der Gestaltung auch gelungen umgesetzt erkenne, muss der affektive Effekt der Raumatmosphäre nicht von Enttäuschung geprägt sein, im Gegenteil. Eine Form von Enttäuschung steckt implizit auch in einigen Themen. Denn YLHOHGHUJH]HLJWHQ%HPKXQJHQYRQ0HQVFKHQ%HUJH]XEHVWHLJHQXQG]XYHUPHVVHQVLQG6FKHLWHUQVSURMHNWH,P5DXPÅIHVWKDOWHQ´HQWVWHKWGXUFKDXVGLH)UDge, wie angesichts des mannigfachen Scheiterns dennoch alle Berge bezwungen und kartographiert sind. Zum Abschluss bringe ich die verzichtbare Enttäuschung zur Sprache, weil diese auch den Schluss der Ausstellung charakterisiert. Der letzte Raum „erinQHUQ´LVWNRQ]HSWLRQHOOXQGJHVWDOWHULVFK²ZLHVFKRQDQJHIKUW²ZHQLJHUJHOXQgen. Den Inhalt tragen die informativen und unterhaltsamen Interviews. Doch KlQJHQ GD]X DQ GHU :DQG *HPlOGH GHUHQ 9HURUWXQJ KLHU XQNODU LVW GLH $XVZDKO HUVFKHLQW EHOLHELJ 'LH 9HUNQSIXQJ PLW GHP 7KHPD ÅHULQQHUQ´ LVW YDJH 8QGGDVDEVFKOLH‰HQGH2EMHNWLVWHLQ6RXYHQLUGHVVHQ7H[WGLH%HVXFKHU,QQHQ plötzlich in eine globalisierte Welt entlässt, die aber bis dahin kein Thema war. Der letzte Raum und der Schluss der Ausstellung können die Erwartungen einer pointierten, anregenden und differenzierten Präsentation, wie dies in den RäuPHQ]XYRUGLH5HJHOLVWQLFKWHUIOOHQ6RVWHOOHLFKKLHUGLH)UDJH:DVIUHLQHU Qualität an Enttäuschung bin ich in einer Ausstellung gewillt zu begegnen? Eine Enttäuschung, die mir als bewusste Strategie Erkenntnis oder ästhetischen Genuss bietet, verwandelt sich, wird zu einer fruchtbaren Auseinandersetzung. Eine (QWWlXVFKXQJGLHGLHVH4XDOLWlWHLQHU:HLWHUIKUXQJQLFKWEHVLW]WEOHLEWXQEHfriedigend. Es ist zu schade, dass diese so vielfältige, ideenreiche und genussvolle

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Berg im Zimmer

Ausstellung mit diesem Wermutstropfen schließt. Doch die Erinnerung an eine schöne Museumswanderung bleibt unbenommen.

R ENATE F LAGMEIER £Ausstellungen erwandern

Renate Flagmeier Ausstellungen erwandern – Bemerkungen zur Ausstellung „Berge, eine unverständliche Leidenschaft“ in Innsbruck Imaginieren, packen, schauen, gehen, Schwindel, rasten, festhalten, durchhalten, oben, erschöpft, hinunter, erinnern – beim Durchwandern der Ausstellung „Berge, eine unverständliche Leidenschaft“ wirkt das Besteigen von Bergen nicht unverständlich, sondern vertraut – eine logische Bewegungsabfolge – trotz aller %OLFNHLQGLHDP:HJOLHJHQGHQ$EJUQGHGLHLP7KHPDGHVOHLGHQVFKDIWOLFKHQ Bergsteigens angelegt sind. Das hat vor allem mit dem der Ausstellungsdramaturgie zu Grunde gelegten Motiv der Wanderung durch Etappen-Räume zu tun, und mit der vorwiegend historischen Sicht auf das Thema. Die heute zunehmende XQGIUGHQÅ1RUPDOR´ZLUNOLFKXQYHUVWlQGOLFKH+LQJDEHDQ([WUHPVSRUWDUWHQ kommt nur im Abstiegsraum kurz in den Blick. 7URW]GHPGLH$EJUQGHZHUGHQQLFKWYHUOHXJQHWLQVEHVRQGHUHVLFKWEDULP YRUJHVWHOOWHQPHQVFKOLFKHQ%HPKHQGLH%HUJHLQGHQ*ULII]XNULHJHQ²HLQH Zähmungsarbeit, die der unwirtlichen bis gewaltigen Natur und vor allem dem HLJHQHQ.|USHUXQGGHQHLJHQHQ*HIKOHQJLOW 2EZRKODOV$XIXQG$EVWLHJDQJHOHJWVWHOOWVLFKGDV*HIKOHLQHU*UDWZDQderung an dem einen oder anderen Punkt der Ausstellung ein. Sie ermöglicht eine unterhaltsame und anregende Auseinandersetzung mit dem Alpinismus ohne 8QWHUZHUIXQJXQWHUHLQHJHRJUDÀVFKHRGHUFKURQRORJLVFKH2UGQXQJ7URW]GHV Riesenthemas wird nicht – wie so oft – alles aneinandergereiht, was sich unter das Thema fassen lässt. 'DV$XVVWHOOXQJVWHDPKDWNODUH(QWVFKHLGXQJHQEHUGLH]XWKHPDWLVLHUHQGHQ inhaltlichen Bereiche getroffen, es sind die Themenbereiche, die von dem zur 9HUIJXQJ VWHKHQGHQ 0DWHULDO DXVUHLFKHQG JHWUDJHQ ZHUGHQ 'LH :DKUQHKmungs- und Darstellungsweisen bzw. -traditionen in Bezug auf die Berge werden in ihren sozialen und psychologischen Aspekten hinterfragt und durch eine redu]LHUWH 2EMHNWDXVZDKO DXV GHU 6DPPOXQJ GHV $OSHQYHUHLQVPXVHXPV XQG GXUFK einige Leihgaben im Rahmen der zu erzählenden Geschichte vermittelt. 'LH JH]HLJWHQ 2EMHNWH ZHUGHQ PHLVW PLW JXW OHVEDUHQ XQG DQUHJHQGHQ *HVFKLFKWHQ YHUNQSIW 'DEHL ZHUGHQ QLFKW QXU $OOWDJVGLQJH VRQGHUQ DXFK GLH bildende Kunst einbezogen, d.h. im Wesentlichen historische Gemälde, ZeichQXQJHQ XQG *UDÀNHQ VRZLH HLQLJH ]HLWJHQ|VVLVFKH NQVWOHULVFKH $UEHLWHQ 'LH materielle Basis der Ausstellung, die Sammlung des Alpenvereinsmuseums, spiegelt sich darin wieder.

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Ausstellungsgestalt Die Ausstellungsgestaltung geht wohltuend abstrakt mit dem Thema um, sie YHU]LFKWHWDXIMHJOLFKHQDWXUDOLVWLVFKH1DFKDKPXQJGHU%HUJZHOWXQGDUEHLWHWPLW YLVXHOOXQG N|USHUOLFK HUIDKUEDUHQ $VVR]LDWLRQHQ ZLH]XP%HLVSLHO LQ GHU 9HUwendung schräger Sitzmöbel aus einem Material, das als Holzimitation betont ZLUGXQGPLWHLQHU$EGHFNXQJDXVJUQHP)LO]YHUVHKHQZXUGH'DV*DQ]HHUinnert ein bisschen an Modellbau, wirkt „analog“ und erzeugt in seiner ironischZLW]LJHQ+DOWXQJ'LVWDQ]]XDXIZHQGLJHQV]HQRJUDÀVFKHQ%HVSLHOXQJHQ $XFKGHUEHUZLHJHQGJUDXH%RGHQRGHUGDV:HL‰LP*LSIHOUDXPLVWHLQHUVHLWV HLQIDFK XQG QDKHOLHJHQG XQG OlVVW DQGHUVHLWV 6SLHOUDXP IU )HOVDVVR]LDWLRQHQXQGIU%LOGHUHLVLJHU+|KHQ )DUEHZLUGEHUKDXSWLQ%H]XJDXIGLH([SRQDWH6HNXQGlU2EMHNWHXQGGHQ 5DXPLQHLQHPLQKDOWOLFKVWLPPLJHQ9HUKlOWQLV]XVFKZDU]ZHL‰:LUNXQJHQHLQgesetzt. Die architektonischen Gegebenheiten – die Räume in der Stallburg – werden RSWLPDOIUGHQ$XVVWHOOXQJVSDUFRXUVJHQXW]WGHU*LSIHOUDXPLVWLQKDOWOLFKXQG faktisch ein Raum der Wende. 6RZRKOLQGHU*HVWDOWXQJDOVDXFKLQGHU$XVZDKOGHUJH]HLJWHQ2EMHNWHJLEW es einige sehr schöne Ideen: Die Ausstellungsdramaturgie als exemplarische Wanderung durch die Räume ZLUGPLWHLQHU:DQGHUNDUWHDOV/HLWPHGLXP$XVVWHOOXQJVÁ\HUQXQGLQGHU:LHderholung auf dem Katalog-Umschlag gestalterisch hervorgehoben. 'LH DXVJHVWHOOWHQ 5HOLHIV EHVWLPPWHU *HELUJV]JH ² %HVRQGHUKHLWHQ LQ GHU Sammlung des Alpenvereinsmuseums – werden als Reihe in abnehmenden HöKHQ SUlVHQWLHUW XQG QHKPHQ GDPLW GDV 0RWLY GHV ÀNWLYHQ $XIVWLHJV GXUFK GHQ Besucher auf. Im ersten Raum sind die originalen historischen Gemälde mutig mit einer %LOGSURMHNWLRQDXVGHU'LD6DPPOXQJ VFKZDU]ZHL‰ GHV0XVHXPVNRPELQLHUW Dadurch wird die Dialektik von innen und außen besonders gut erkennbar: Die %LOGHUXQG%LOGSURMHNWLRQGLHQHQDOV)HQVWHUQDFKDX‰HQPLW%OLFNDXIGLH%HUJH zitiert werden aber die inneren Bilder als Anlass zum Aufbruch nach außen. ,P5DXPÅGXUFKKDOWHQ´ZHUGHQGLH9LWULQHQVFKUlJHLQJHKlQJWGDV)HVWNUDOlen in der Wand wird vom Festkrallen der ausgestellten Eispickel in der Ausstellungswand aufgenommen, das zentrale Thema „Panorama“ wird gestalterisch bis ins Detail im Raum „oben“ umgesetzt, ohne ihn einfach rund zu machen. Die wesentlich körperliche Erfahrung des Bergsteigens wird in zwei kleinen Räumen vermittelt, in dem einen durch die alleinige akustische Präsenz des $WPHQVXQGLPDQGHUHQGHP+WWHQUDXPGXUFKHLQH$ESROVWHUXQJPLW6FKODIsack-Innen-Futterstoff, der die schweißtreibende Enge assoziativ hervorruft. 'HU *LSIHO5DXP LVW YRQ JOHL‰HQGHU +HOOH PLW VSH]LHOOHP /LFKW XQG HLQHU

R ENATE F LAGMEIER £Ausstellungen erwandern

Y|OOLJ ZHL‰HQ 5DXPJHVWDOWXQJ ZLUG DWPRVSKlULVFK GLH (PSÀQGXQJ GHU /HHUH nach Erreichen des Ziels zu erzeugen gesucht. An diesem Punkt droht allerdings die Gratwanderung in die falsche Richtung zu kippen, die wohltuend abstrakt ironische Darstellungsform scheint verlassen zu werden und bekommt einen anderen Ernst. Kritische Aspekte bVWKHWLVFKJLEWHVHLQHQ4XDOLWlWVDEIDOO]XP(QGHGHU$XVVWHOOXQJKLQ6FKRQ der Raum des Abstiegs wird spärlicher und der letzte Raum, der dem Erinnern gewidmet ist, wurde nicht durchgearbeitet. Inhaltlich werden vertiefende und interessante Interviews zum Thema Bersteigen mit Personen verschiedenen Alters XQGDXVXQWHUVFKLHGOLFKHQ.RQWH[WHQDXIPHKUHUHQ9LGHRPRQLWRUHQJH]HLJW Gestalterisch bleiben die Ausstellungsarchitektur und die Ursprungsarchitektur in einem nicht aufgelösten Spannungsverhältnis. Die Funktion des Raums als Durchgang oder Flur bleibt präsent. Der eigentliche Ausstellungsbereich wird GXUFK6LW]ElQNHXQG0RQLWRUHDXIHLQHPEUDXQHQ7HSSLFKGHÀQLHUWGHUDEHUGHQ %RGHQQLFKWDXVIOOW'LHVHV0LWWHO]XU$EJUHQ]XQJYRQGHUQRUPDOHQ5DXPDUchitektur bleibt deshalb unzureichend und unterstreicht die Tatsache, dass der Raum möbliert wurde, anstatt ihn als Ausstellungsraum zu gestalten. Dazu komPHQDXVNUDJHQGHUlXPOLFKH(OHPHQWHDXVYRUKHULJHQ5lXPHQZLHHLQH9LWULQH oder die rekonstruierte Kabine einer Seilbahn, die in dem Abschlussraum fremd und störend wirken. Auch inhaltlich fehlt die Konsequenz in diesem letzten Raum: Es werden etliche Gemälde und ein historisch außerordentlich interessantes Alpen-Relief ge]HLJWGLHLP9HUKlOWQLV]XP5DXPWKHPDQLFKWQDFKYROO]LHKEDUVLQGXQGRIIHQEDU nur gezeigt werden, weil sie unverzichtbare Highlights der Museumssammlung darstellen. Während man diesen Zwang bei einer Fast-Dauerausstellung eines Museums noch halbwegs verstehen kann, werden aber außerdem noch weitere inhaltlich XQPRWLYLHUWH2EMHNWHDP(QGHGHV5DXPVJH]HLJW-DJGWURSKlHQ3RVWNDUWHQPLW dem Motiv der Drei Zinnen, ein in China hergestelltes Souvenir mit den klasVLVFKHQ 0RWLYHQ GHU %HUJH 'LHVH 2EMHNWH EH]LHKHQ VLFK DXI QLFKW EHDUEHLWHWH thematische Facetten und wirken so, als hätten sie sich wie im Nachhinein einJHVFKOLFKHQ'DPLWIDOOHQVLFKGLH$XVVWHOOXQJVDNWHXUHVHOEVWLQGHQ5FNHQJHben ihre vorherige Stringenz auf und trauen der eigenen Auswahl nicht mehr. Eine zu große Kompromissbereitschaft oder Halbherzigkeit schwächt wie oft im Ausstellungskontext eindeutig das Ergebnis. Auch hier gilt: „In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod“. Die Gender-Perspektive fehlt eigentlich gänzlich in dieser Ausstellung, obwohl die männliche Dominanz beim Thema Bergsteigen offensichtlich ein zen-

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WUDOHU $VSHNW LVW 8P GLHVHV )HKOHQ QRWGUIWLJ ]X EHGHFNHQ ZHUGHQ LP 5DXP „gehen“ ein paar Plakate mit bergsteigenden Frauen gezeigt. Diese Art von minimaler Präsenz ist noch unangemessener als ein komplettes Weglassen, das dann z.B. im letzten Raum thematisiert werden könnte. Bei aller Kritik ist die Ausstellung ein Lichtblick in der Landschaft des kulturhistorischen Ausstellens und einige ihrer Schwächen lassen sich leicht beheben ²GXUFKDXVORKQHQVZHUWLP+LQEOLFNDXIHLQHIQIMlKULJH$XVVWHOOXQJVGDXHURGHU der Umwandlung in eine ständige Museumspräsenz.

A UTORENNAME £Kapiteltitel

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A UTORENNAME £Kapiteltitel

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C HRISTIAN R APP £Spurenlese einer Wanderung

Christian Rapp Spurenlese einer Wanderung Noch vor der Eintrittspforte in die Ausstellung stellt sich die grundsätzliche Frage nach dem Sinn einer solchen Evaluation – sie soll daher als eine Art PräamEHOYRUDQJHVWHOOWZHUGHQ$QZHOFKHQ$QVSUFKHQZLOOGLH$XVVWHOOXQJJHPHVVHQ werden? Wie kommen die Evaluierten damit zurecht, dass die Evaluatoren „vom Fach“ sind, sich sozusagen als Zielgruppe zementieren und damit ein NachdenNHQ EHU HLQH EUHLWHUH 5H]HSWLRQ GHU $XVVWHOOXQJ YLHOOHLFKW HKHU EORFNLHUHQ DOV I|UGHUQ":DVVHKHQ0HQVFKHQRKQH0XVHXPVDIÀQLWlWLQGLHVHU$XVVWHOOXQJZDV interessiert etwa Kinder oder Nicht-Alpinisten? Was nehmen die zahlreichen Touristen aus dem Ausland wahr, die eigentlich die Kaiserappartements sehen wolOHQXQG]ZDQJVOlXÀJRGHUHUVDW]ZHLVHGXUFKGLH$XVVWHOOXQJJHVFKOHXVWZHUGHQ" Fragen sie sich, welch eigenartige Requisiten am Innsbrucker Hof einst verwendet ZXUGHQ XQG ZLH ZLFKWLJ GDV %HUJVWHLJHQ IU .DLVHU 0D[ XQG VHLQH 1DFKNRPmen gewesen sein muss? Angesichts der ungewöhnlichen Lage der Ausstellung in einem völlig anders kodierten Gebäude, stellt sich die Frage nach der Relevanz HLQHUÅ([SHUWHQ´(LQVFKlW]XQJEHVRQGHUVGHXWOLFK$OV%HVXFKHUZHUGHQMDDOOH gerne gezählt. 0HLQPHWKRGLVFKHU=ZHLIHODP3ULQ]LSGHU)DFKHYDOXDWLRQZLUGDEHUEHUODJHUWYRQGHU%HJHLVWHUXQJIUGHQPXVHRORJLVFKHQ'LVNXUVZLHHUGLH%HWUHLber des Alpenvereinmuseums auszeichnet und der seine eigenen Qualitäten hat. ,PPHU ZLHGHU KDEHQ LQ GHQ OHW]WHQ -DKUHQ PXVHRORJLVFKH 9HUDQVWDOWXQJHQ GLH $XVVWHOOXQJVSURMHNWH GHV 0XVHXPV UHÁHNWLHUHQG EHJOHLWHW XQG VRDXFK LQWHUQDtional vermittelt. Das Museum hat mittlerweile eine eigene Forschergemeinde herangebildet, die sich immer wieder und vermutlich immer präziser mit der FraJHDXVHLQDQGHUVHW]WZLHPDQ%HUJH XQGQLFKWQXU%HUJH EHUKDXSWDXVVWHOOHQ kann? Insofern fällt es dann doch leicht, mit dem Ballast des Expertentums die Ausstellung zu besichtigen und zu kommentieren. „Berge – eine Leidenschaft“ ist eine poetische Ausstellung, die an vielen Stellen Autorenschaft verrät, nicht im Sinne eines Bekenntniszwangs der Kuratoren, sondern in verdeckter, diskreter Art, wie etwa mit Exponaten umgegangen ZLUGZLHPXWLJH.RQWUDVWHDQJHOHJWZHUGHQLQRULJLQHOOHQ9HUVXFKVDQRUGQXQJHQ YRQ([SRQDWHQLP:HFKVHO]ZLVFKHQ'LFKWHXQG5HGXNWLRQ(LQ]HOVWFNHQXQG 0HQJHQ,QV]HQLHUXQJXQGSXULVWLVFKHU2UGQXQJ9RUDOOHPPLWGHP6HULHOOHQJHKHQGLH.XUDWRUHQVRXYHUlQXP(LQH6DPPOXQJYRQ%HUJIKUHU]HLFKHQVlXEHUOLFKLQHLQHP6HW]NDVWHQDQJHRUGQHWNQGHWLQGLHVHU)RUPDWLRQHLQHUVHLWVYRP 2UGQXQJVJHLVW XQG %URNUDWLVPXV GHV 9HUHLQVDOSLQLVPXV ZLH DQGHUHUVHLWV YRQ GHU%HVRQGHUKHLWXQGGHPELRJUDÀVFKHQ:HUWMHGHVHLQ]HOQHQ([SRQDWV'LH3UlVHQWDWLRQXQWHUVWUHLFKW6RHLQ$E]HLFKHQZDUIUYLHOH0HQVFKHQ6LJQXPHLQHV

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sozialen Aufstiegs und wurde vermutlich wie ein Orden getragen. Gelegentlich YHUZLUUWGLH2UGQXQJVSRHVLHGHU.XUDWRUHQDEHUDXFKZHQQHWZD$XVUVWXQJVgegenstände aus unterschiedlichen Epochen sorgfältig abgewogen, aneinandergereiht und beschriftet werden, aber unklar bleibt, ob hier die Evolution von ObMHNWHQGDV7KHPDLVWRGHUGLH'DUVWHOOXQJHLQHVÀNWLYHQ*HVDPW5XFNVDFNVGHV Alpinismus. „Berge – eine Leidenschaft“ beginnt mitten in der langen Geschichte des %HUJVWHLJHQV ]ZLVFKHQ GHP VSlWHQ  XQG GHP IUKHQ  -DKUKXQGHUW DOV der Alpentourismus allmählich eine Breitenbewegung wurde, als die Pioniere VFKRQ /HJHQGH ZDUHQ DEHU LKUH (ULQQHUXQJHQ LQ GHQ 9HUHLQVELEOLRWKHNHQ JHVDPPHOW XQG JHSÁHJW ZXUGHQ DOV ZRKOKDEHQGH %HUJIUHXQGH .QVWOHU HQJDJLHUWHQ XP GLH *HELUJV]JH +WWHQ XQG :HJH LKUHU 6HNWLRQ GDU]XVWHOOHQ DOV andere mit schweren Balgenkameras durch die Berge wanderten oder akribisch genaue Modelle von Gebirgsstöcken herstellten. Kurz gesagt: Die Ausstellung konzentriert sich auf eine Epoche, in der der Alpinismus besonders viele wertvolle und attraktive Artefakte hervorgebracht hat. Sie lässt sich dabei durch kein KLVWRULVFKHV .RUVHWW HLQHQJHQ (V JHKW ZHGHU XP *UQGXQJVP\WKHQ QRFK XP (UVWHUVWHLJXQJVJHVFKLFKWHQRGHU%HUJVWHLJHU+DJLRJUDÀHQ'LH(QWZLFNOXQJGHV $OSLQLVPXVZLUGJUHQ]EHUJUHLIHQGHU]lKOW²ZREHLGLHYHUJOHLFKVZHLVHKlXÀJHQ 6FKZHL]EH]JH DXIIDOOHQ YRU DOOHP ZDV GLH $XVZDKO YRQ :HUNHQ ]HLWJHQ|Vsischer Kunst betrifft. Damit zeigt die Ausstellung, dass der Alpintourismus in GHU6FKZHL]QLFKWQXUIUKHUHLQVHW]WHVRQGHUQOlQJHUVFKRQSKlQRPHQRORJLVFK YRQ .QVWOHUQ XQWHUVXFKW XQG LQWHUSUHWLHUW ZXUGH $Q HLQHU 6WHOOH LUULWLHUW GHQ patriotischen Beckmesser) der favorisierte Schweizbezug: Im Seilbahnbau der Zwischenkriegszeit hätte eine österreichische Perspektive mehr Relevanz gehabt. 'HUHUVWHU|IIQHWHQ6FKZHL]HU6lQWLV6HLOEDKQVWQGHQGLHXQ]lKOLJHQ|VWHUUHLFKLVFKHQ6HLOEDKQHQJHJHQEHUGLHYRQGHU5D[ELV]XP3IlQGHU]ZLVFKHQ 1926 und 1930 eröffnet wurden – und wesentlich zur wirtschaftspolitischen Neuorientierung Österreichs nach 1918 als Tourismusland beigetragen haben. Die Storyline der Ausstellung ist ebenso einfach wie attraktiv. Erzählt wird von einer Bergwanderung mit dem dramaturgischen Muster von Aufstieg, Gipfelerlebnis, Abstieg und Erinnerung. Schade nur, dass diese Storyline in den Ausstellungsräumen nirgends kommuniziert wird. Zwar erhalten die Besucher bei der Kasse eine schön gemachte Landkarte, mit der sie sich auf die AusstellungsdraPDWXUJLHYRUEHUHLWHQN|QQWHQGRFKGLHZHQLJVWHQEHQW]HQVLH9LHOHHLOHQRULHQWLHUXQJVORVGXUFKGLH5lXPHXQGGLH$XVIDOOVUDWHMHQHUGLHGLH(U]lKOVWUXNWXU der Ausstellung nicht oder erst sehr spät erkennen, ist beträchtlich – das ergaben VRZRKOHLJHQH%HREDFKWXQJHQDOVDXFKHLQH1DFKIUDJHEHL9HUPLWWOHUQ'LHYHKHment verteidigte Grundsatzentscheidung der Ausstellungsmacher, auf Intro- und Raumtexte zu verzichten, hat einen hohen Preis.

C HRISTIAN R APP £Spurenlese einer Wanderung

.HQQ]HLFKQHQG IU GLH 6WRU\OLQH LVW DOOHUGLQJV DXFK LKU ÅNODVVLVFKHU´ &KDUDNWHU 'LH ]HLWJHQ|VVLVFKHQ (LQVSUHQJVHO XQG NQVWOHULVFKHQ ,QWHUYHQWLRQHQ N|QQHQ QLFKW GDUEHU KLQZHJWlXVFKHQ GDVV GLH (U]lKOXQJ HLQHU DOSLQLVWLVFKHQ 5HLVHHQWVSULFKWZLHVLHIUGDV-DKUKXQGHUWW\SLVFKLVWDOV%HUJVWHLJHUVLFK QRFKDOV)RUVFKHUYHUVWDQGHQ*HVWHLQHXQG3ÁDQ]HQDXIVDPPHOWHQPDOWHQXQG zeichneten und in renommierten Fachzeitschriften von ihren Touren berichteten. Es geht sozusagen immer noch um ein Ganzes, um Expeditionen im Geiste Humboldts, mit hohem kulturellem Ehrgeiz und vergleichsweise geringer sportlicher Ambition. :LH DQGHUV ZUGH GLHVH $XVVWHOOXQJ DXVVHKHQ ZHQQ LKU HLQ DOSLQLVWLVFKHV 1DUUDWLY YRQ KHXWH ]XJUXQGH OLHJHQ ZUGH ² PLW IUDJPHQWDULVLHUWHQ 1DWXUHUlebnissen, beschleunigten Ab- und Anreisen, neuen medialen Begleitritualen 7RXUSODQXQJHQGXUFK1DYLJDWLRQVV\VWHPH9HU|IIHQWOLFKXQJGHV*LSIHOVLHJVDXI YouTube) und der Konzentration auf die körperliche Herausforderung, die gelegentlich auch die Indoor-Kletterhalle als Felsersatz akzeptiert. Die Ausstellung ZlUHYHUPXWOLFK]HUVSOLWWHUWHUXQGXQEHUVLFKWOLFKHUGLIIXVHUXQGVLFKHUOLFKZHQLJHUHOHJDQW'LH([SRQDWHGHU$XVVWHOOXQJZUGHQVLFKHLQHUVROFKHQ(U]lKOXQJ vermutlich auch nur widerstrebend unterordnen lassen. Insofern hat die altmoGLVFKH%HUJZDQGHUXQJLKUH9RUWHLOH]XGHQEHVRQGHUHQ4XDOLWlWHQHWZD]lKOHQ die immer wiederkehrenden Figuren, wie etwa Angelo Mosso, dessen Requisiten und vielfältige Aktivitäten man in unterschiedlichen Zusammenhängen und RäuPHQYHUIROJHQNDQQ$XFKGLHUDIÀQLHUWHQ5DXPLQV]HQLHUXQJHQSURÀWLHUHQYRQ der Etappenlogik traditioneller Bergbesteigungen – wie etwa ein AusstellungsUDXPGHUGHQ6FKDXSODW]6FKXW]KWWHWKHPDWLVLHUWXQGLQGHPHLQHDXVJH]HLFKQHWH7RQFROODJH]XK|UHQLVW(LQGUDPDWXUJLVFKHV*XVWRVWFNVWHOOWHLQH9LWULQH PLWJHRORJLVFKHQ)XQGVWFNHQGDUGLH]ZHLPDOLP/DXIHGHV5XQGJDQJVVLFKWEDU wird: Auf der einen Seite dokumentieren die Mineralien die wissenschaftliche (UNXQGXQJGHU%HUJHDXIGHUDQGHUHQ6HLWHZHQQGHU%HVXFKHUDXIGHP5FNZHJ LVW VWHKHQ VLH IU GLH (ULQQHUXQJHQ XQG 6RXYHQLUV GLH PDQ VLFK DXV GHQ Bergen sichert. Selten kommt es vor, dass Besucher die Mehrdeutigkeit von Exponaten so eindeutig wahrnehmen können. Souverän gehen die Kuratoren auch mit Werken zeitgenössischer Kunst um. Sie erweitern den Diskurs immer dort, wo historisches Material wenig AufVFKOVVHOLHIHUQZUGHRGHUQLFKWYRUKDQGHQLVWVLHNRPPHQWLHUHQ([SRQDWHXQG die Erzählung selbst, verstören und unterminieren gelegentlich den Parcours im produktiven Sinn. Nur gegen Ende der Ausstellung bremsen einige Werke „alter Meister“ den Rundgang. Zu einem Zeitpunkt, da man sich als Wanderer schon QDFK5FNNHKUXQG(LQNHKUVHKQWPDFKHQVLHQRFKHLQPDODXIZLFKWLJH0\WKHQ des Alpinen aufmerksam. Dabei besteht gerade im letzten Drittel der Ausstellung GDV JHVWHLJHUWH %HGUIQLV DOOPlKOLFK LQ GHU *HJHQZDUW DQ]XNRPPHQ 6]HQHQ von bayrischen Königen und Tiroler Freiheitskämpfern sind da wenig förderlich.

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Berg im Zimmer

(UIULVFKHQG]HLWJHQ|VVLVFKXQGJXWDXVJHZlKOWVLQGGDIUGLH9LGHR(ULQQHUXQJHQLP)LQDOEHUHLFKGHU$XVVWHOOXQJVRZRKOYRQGHU9LHOIDOWGHU$NWHXUHKHU als auch dem Spektrum der Meinungen. Eine Straffung der Gespräche hätte hier DOOHUGLQJVJXWJHWDQXQGZUGHDXFKEHLÅ1RUPDOEHVXFKHUQ´GLH1HXJLHUHUK|hen, sich mehrere Statements anzusehen. „Berge – eine Leidenschaft“ ist eine ebenso kluge wie kulinarische Sonderausstellung, die wesentliche Sammlungsbereiche des Alpenvereinsmuseums erschließt. Sie setzt die Programmatik des Museums fort, sich mit der Medien-, Mentalitäten- und Geistesgeschichte der Alpen und des Alpinismus zu befassen und dabei immer wieder neue Erzählformen auszuprobieren. Die Ausstellung zur 'DXHUHLQULFKWXQJDXV]XEDXHQZlUHGHQQRFKHLQ)HKOHU'DVZUGHLKUGLH(ODstizität und Leichtigkeit nehmen, wie bei einem Expeditionszelt, das man zum festen Haus umbauen möchte und daher auf allen Seiten verstärken, dichten und GlPPHQPVVWH6RIRUWZUGHGHU5XIQDFKGHQ]DKOORVHQ7KHPHQODXWXPGLH VLFK GLH $XVVWHOOXQJ QLFKW RGHU NDXP NPPHUW GLH SROLWLVFKH 'LPHQVLRQ GHV Alpinismus, die Ideologisierung der Berge, die gerade in Deutschland und ÖsterUHLFKVRSUlJHQGZDUGLHYLHOIlOWLJHQ9HU]DKQXQJHQ]ZLVFKHQ$OSLQLVPXV7RXrismusentwicklung und Agrarkultur, die sozialen und geschlechtlichen Diskurse, die naturwissenschaftlichen Perspektiven und andere. 9LHOPHKU LVW GLH $XVVWHOOXQJ HLQ %HZHLV GDIU ZLH SURGXNWLY ² XQG DXFK beim Publikum erfolgreich – eine immer wieder variierte Auseinandersetzung mit einem Themenkreis sein kann. Warum also nicht das Prinzip der temporären Präsentation zum Programm machen? Gerade der Alpenraum birgt zahlreiche brisante Themen, deren Darstellung und Interpretation sich laufend ändern und GLHLQGHQ0HGLHQQXUVHOWHQEHUFNVLFKWLJWZHUGHQ(LQ0XVHXPGDVVLFKVHLQH Deutungsoptionen auch weiterhin offen hält, könnte in diesem Umfeld punkten und den Diskurs um die Berge und ihre Repräsentation weiterhin in Schwung halten.

A UTORENNAME £Kapiteltitel

Å'HU0DQQGHUKLQDXIJHODQJWLVWEHÀQGHWVLFK in der Situation desjenigen, der alles erreicht hat, was er begehrt. Seine Situation muss notwendigerweise unbefriedigend sein.“ Edward Whymper

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