Sportschiedsgerichtsbarkeit: Die Schiedsverfahren des Tribunal Arbitral du Sport vor dem Hintergrund des schweizerischen und deutschen Schiedsverfahrensrechts [1 ed.] 9783428516087, 9783428116089

Die Welt des Sports entdeckt das Schiedsverfahren als Alternative zu staatlichen Gerichtsverfahren. Besonders bei den hä

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Sportschiedsgerichtsbarkeit: Die Schiedsverfahren des Tribunal Arbitral du Sport vor dem Hintergrund des schweizerischen und deutschen Schiedsverfahrensrechts [1 ed.]
 9783428516087, 9783428116089

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Frank Oschatz · Sportschiedsgerichtsbarkeit

Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Peter J. Tettinger und Klaus Vieweg

Band 18

Sportschiedsgerichtsbarkeit Die Schiedsverfahren des Tribunal Arbitral du Sport vor dem Hintergrund des schweizerischen und deutschen Schiedsverfahrensrechts

Von Frank Oschütz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Wintersemester 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Dmck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-7925 ISBN 3-428-11608-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die rechtlichen Auseinandersetzungen mit einem Bezug zum Sport haben gezeigt, dass für diesen Wirtschaftbereich grundsätzlich keine Ausnahmen von allgemein gültigen Rechtsregeln gelten. Allerdings können die am Sport Beteiligten natürlich rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Dies gilt auch für den Bereich des Prozessrechts, wo mit dem international anerkannten Institut der Schiedsgerichtsbarkeit eine Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit besteht. Auch für die Schiedsgerichtsbarkeit gelten internationale Standards und nationale gesetzliche Regeln, die in jedem einzelnen Verfahren eingehalten werden müssen. Etwa 20 Jahre nachdem der Tribunal Arbitral du Sport (TAS) oder Court of Arbitration for Sport (CAS) ins Leben gerufen wurde, stellt diese Arbeit die rechtlichen Grundlagen und die Grenzen der Tätigkeit dieser im Sport einzigartigen Schiedsinstitution dar. Die Mehrzahl der bereits aus der allgemeinen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit bekannten Fragen stellen sich auch für die Sportschiedsgerichtsbarkeit, müssen aber wegen der besonderen Organisationsformen des Sports gelegentlich aus einem ungewohnten Blickwinkel betrachtet werden. Ich bedanke mich herzlich bei allen, die die Entstehung dieser Arbeit gefördert und begleitet haben. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Klaus Vieweg, der mir die Anregung zu diesem Thema gab und der mir bei der Erstellung der Arbeit jede erdenkliche Freiheit gelassen hat. Zudem danke ich Herrn Prof. Dr. Max Vollkommer, der das Zweitgutachten erstellt hat. Dankbar bin ich auch der Zeit-Stiftung, die die Entstehung dieser Dissertation aus ihrem „Bucerius-Jura-Programm" gefordert hat und den Herausgebern der ,3eiträge zum Sportrecht", den Herren Prof. Dr. Dr. Kristian Kühl, Prof. Dr. Peter J. Tettinger und Prof. Dr. Klaus Vieweg, für die Aufnahme in diese Reihe. Die Arbeit wurde im Wintersemester 2003 von der Juristischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen. Sie wurde insbesondere unter Berücksichtigung der Überarbeitung des TAS-Codes auf den Stand Februar 2004 aktualisiert.

München, im Juni 2004

Frank Oschütz

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1

Erster Teil

Konfliktlösung im Sport

I.

Verbandsinterne Streitschlichtung

II. Staatliche Gerichte 1. Deutschland

5

5

8 9

a) Grundrechtliche Abwägung

10

b) Gerichtliche Kontrolle

11

aa) Voraussetzungen

11

bb) Formelle Rechtmäßigkeit

12

cc) Inhaltskontrolle

13

dd) Anwendungskontrolle

14

2. Schweiz a) Anfechtungsklage

16 17

aa) Formelle Anforderungen

17

bb) Materielle Anforderungen

18

b) Nichtigkeitsklage

21

3. Zusammenfassung

22

III. Schiedsgerichtsbarkeit

23

VIII

Inhaltsverzeichnis 1. Allgemeines

23

a) Definition

24

b) Abgrenzung

26

aa) Alternative Streitbeilegungsmechanismen

26

bb) Schiedsgutachten

27

cc) Verbandsgerichte

28

dd) Völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit

29

c) Arten von Schiedsverfahren

29

aa) Institutionelle Verfahren und Gelegenheitsverfahren

30

bb) Nationale und internationale Schiedsverfahren

31

d) Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit im Sport

32

aa) Sachkunde der Schiedsrichter

33

bb) Dauer des Verfahrens

34

cc) International ität der Entscheidung

35

dd) Kosten

36

2. Tribunal Arbitral du Sport a) Geschichte

37 37

aa) Anfangsjahre

37

bb) Gundel-Entscheidung

40

cc) Reform 1994

41

dd) Lazutina/Danilova-Entscheidung

42

b) Organisation

43

aa) Conseil International de Γ Arbitrage en matière de Sport (CI AS)

43

bb) Tribunal Arbitral du Sport (TAS)

46

cc) Sekretariat

48

c) Verfahrensarten

49

aa) Ordentliches Verfahren

50

bb) Berufungsverfahren

50

cc) Ad-hoc-Kammern

52

Inhaltsverzeichnis dd) Gutachten

56

3. Andere Schiedsgerichte im Sport a) FIA Contract Recognition Board

58

b) Tribunal Arbitral du Football

58

c) Streitschlichtung in den USA

59

aa) Verfahren zur Zulassung von Sportlern und Verbänden

60

bb) Verfahren wegen Doping

61

d) Nationale Sportschiedsgerichte in Europa

63

e) Schiedsgerichte deutscher Verbände

63

4. Zusammenfassung

64

Zweiter Teil Schiedsverfassungsrecht

1.

57

66

Regelungsrahmen

66

1. Internationales Recht

67

a) New Yorker Übereinkommen

67

aa) Anwendungsbereich

68

bb) Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit

69

cc) Anerkennung und Vollstreckung

70

b) Europäisches Übereinkommen

71

c) Bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge

72

d) UNCITRAL-Modellgesetz

72

2. Nationales Schiedsverfahrensrecht

73

a) Regelungsumfang

73

b) Anwendungsbereich

74

aa) Verfahrensrechtliche Theorie

75

bb) Territorialitätsprinzip

75

X

Inhaltsverzeichnis 3. Schiedsordnungen und individuelle Vereinbarungen

81

a) Allgemeines

82

b) Abänderung von Schiedsordnungen durch Individualvereinbarungen?...

83

4. Zusammenfassung

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

1. Institutionelle Unabhängigkeit des Schiedsgerichts a) Anforderungen aa) Allgemeines

86

87

88 88 88

bb) Ernennung der Schiedsrichter durch eine Partei bei Säumnis der anderen Partei?

92

cc) Rechtsfolgen unzulässiger Ernennungsverfahren

94

dd) Spätester Rügezeitpunkt

96

b) Unabhängigkeit des TAS

98

aa) „Gundel-Entscheidung"

98

bb) Diskussion in der Literatur

99

cc) „Lazutina/Danilova-Entscheidung" 2. Ernennungsverfahren a) Schiedsverfahren mit zwei Parteien

102 104 104

aa) Allgemeines

104

bb) TAS-Schiedsordnung

106

b) Schiedsverfahren mit mehr als zwei Parteien

109

aa) Allgemeines

109

bb) TAS-Schiedsordnung

112

3. Auswechselung von Schiedsrichtern

115

a) Ablehnung einzelner Schiedsrichter

115

aa) Ablehnungsverfahren

115

bb) Ablehnungsfrist

118

Inhaltsverzeichnis cc) TAS-Schiedsordnung b) Amtsenthebung 4. Persönliche Unabhängigkeit der Schiedsrichter a) Allgemeine Anforderungen

119 120 122 122

aa) Allgemeines

122

bb) Unparteilichkeit parteiernannter Schiedsrichter

125

b) TAS-Schiedsordnung 5. Zusammenfassung

III. Schiedsfähigkeit

1. Rechtl iche Streitigkeit a) Rechtsprechung und Lehre

127 130

131

132 133

aa) Schweiz

133

bb) Deutschland

138

b) TAS-Entscheidungen

141

c) Bewertung

146

2. Vermögensrechtliche Streitigkeit

149

a) Grundkonzept

149

b) Vereinsbeschlüsse

154

c) Gesetzliche Begrenzungen

155

aa) Ausdrückliche Regelungen

156

bb) Ausschließliche Gerichtsstände?

157

cc) Arbeitsrechtliche Streitigkeiten

160

3. Prüfung von Amts wegen

169

4. Zusammenfassung

171

IV. Schiedsvereinbarung

172

XII

Inhaltsverzeichnis 1. Charakter der Schiedsvereinbarung

172

a) Rechtsnatur

173

b) Formen

174

c) Inhalt

175

2. Gültigkeit und Reichweite

177

a) Autonomie der Schiedsvereinbarung

177

b) Anwendbares Recht

178

aa) New Yorker Übereinkommen

178

bb) Autonomes Recht

180

c) Schriftlichkeit

183

d) Materielle Gültigkeit

187

e) Schiedsvereinbarungen durch Verweisung

191

0

aa) New Yorker Übereinkommen

192

bb) Deutsches Recht

194

cc) Schweizerisches Recht

195

dd) Folgerungen

197

Rügelose Einlassung

201

aa) Einlassung

202

bb) Zeitpunkt

204

3. Satzungsmäßige Schiedsklauseln a) Voraussetzungen und Reichweite aa) Generelle Zulässigkeit

205 206 206

(1) Deutsches Recht

206

(2) Schweizerisches Recht

210

bb) Satzungsrang?

211

cc) Reichweite

213

b) Einfügung durch Mehrheitsentscheidung? aa) Vereinsrecht

215 215

Inhaltsverzeichnis bb) Schiedsverfassungsrecht

218

cc) Verfassungsrecht

220

dd) Lösungsvorschlag

223

c) Verweisungen auf andere Satzungen

4.

225

aa) Allgemeine Anforderungen

225

bb) TAS-Entscheidungen

227

Inhaltskontrolle

229

a) Deutsches Recht

230

aa) Verfassungsrechtliche Vorgaben

231

bb) Einfaches Recht

232

cc) Prüfung nach §§ 307 ff. BGB?

235

b) Schweizerisches Recht

237

c) Interessenabwägung

238

aa) Grundsätzliche Überlegungen

239

bb) Vereinbarung eines Schiedsgerichts

241

cc) Ausgestaltung des Verfahrens

246

5. Kompetenz-Kompetenz? a) Vor Konstituierung des Schiedsgerichts

248 248

aa) Einredesituation

248

bb) Feststellungsverfahren

249

b) Nach Konstituierung des Schiedsgerichts

251

c) Nach Erlass des Schiedsspruchs

252

6. Zeitliche Gültigkeit

253

a) Anfechtungsfrist

254

b) Frist der Entscheidungsfindung

256

7. Zusammenfassung

258

Inhaltsverzeichnis

XI

Dritter Teil Schiedsverfahrensrecht

I.

260

Allgemeines

261

1. Schiedsverfassungsrecht und Parteivereinbarungen

261

2. Grenzen der Parteivereinbarung

264

a) Anspruch auf rechtliches Gehör

265

aa) Umfang

265

bb) Grenzen

266

b) Grundsatz der Gleichbehandlung 3. Verfahrenssprache, Vertretung, Fristen

268 268

a) Verfahrenssprache

269

b) Vertretung

270

c) Fristen

271

4. Verfahrensleitende Verfügungen

272

a) Allgemeines

272

b) Rechtsnatur der ersten Prozessanordnung

273

5. Zusammenfassung

II. Einleitung des Schiedsverfahrens und Prozessführung

1. Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens

274

275

275

a) Zeitpunkt

275

b) Wirkungen

276

2. Austausch von Schriftsätzen

278

a) Allgemeines

278

b) Ordentliches Verfahren

279

c) Beruftingsverfahren

280

Inhaltsverzeichnis d) Ad-hoc-Verfahren 3. Prozessführungsmöglichkeiten

282

a) Nachträgliche Klagehäufung und Klageänderung

282

b) Klagerücknahme

284

c) Aufrechnung

285

d) Widerklage

287

4. Säumnis

288

a) Säumnis des Beklagten

288

b) Säumnis des Klägers

289

5. Beteiligung Dritter und Verfahrensverbindung a) Beteiligung Dritter am Rechtsstreit

290 291

aa) Allgemeines

291

bb) Gemeinsame Schiedsvereinbarung

293

cc) Zulassung durch das Schiedsgericht

295

dd) Wirkung der Zulassung

297

ee) TAS-Schiedsordnung

297

b) Verbindung von Verfahren 6. Zusammenfassung

III. Anhörung und Beweisaufnahme

1. Anhörung

2.

282

300 303

304

304

a) Allgemeines

305

b) Ablauf einer Anhörung vor dem TAS

306

Beweisaufnahme

310

a) Umfang der Beweisaufnahme

311

b) Beweismittel

312

aa) Urkunden, Augenschein

313

Inhaltsverzeichnis

XVI

bb) Zeugen und Sachverständige

314

cc) Sonstige

316

c) Beweiswürdigung

318

d) Unterstützung durch staatliche Gerichte

319

3. Zusammenfassung

322

IV. Entscheidungsfindung

322

1. Grundlagen

322

a) Bestimmung des anwendbaren Rechts

323

aa) Rechtswahl durch die Parteien

323

bb) Bestimmung durch das Schiedsgericht

325

cc) Anwendbarkeit von Handelsbräuchen

326

dd) TAS-Schiedsordnung

327

b) Entscheidung nach Billigkeit

330

c) Beachtung zwingender Rechtssätze

333

aa) Ermittlung international zwingender Normen

333

bb) Anwendung durch das Schiedsgericht?

335

cc) Verstoß gegen den ordre public

336

dd) Insbesondere: Europäisches Wettbewerbsrecht

340

d) Keine Bindung an Präzedenzfälle

343

e) Abänderung oder erstmalige Verhängung von Vereinsstrafen durch

0

Schiedsgerichte?

344

aa) Abänderung von Vereinsstrafen

344

bb) Verhängung von Vereinsstrafen

349

Lex sportiva?

351

aa) Völkerrechtlicher Ansatz

352

bb) Lex-mercatoria-Ansatz

354

cc) Rechtsprechung des TAS

356

dd) Bewertung

359

Inhaltsverzeichnis 2. Schiedsspruch a) Arten von Schiedssprüchen

363 363

aa) Endschiedsspruch

363

bb) Teil Schiedsspruch

365

cc) Zwischenschiedsspruch

365

dd) Entscheidung über die Zuständigkeit

366

b) Entscheidungsfindung

371

aa) Beratung und Beschlussfassung

372

bb) Abstimmung

373

cc) Vertraulichkeit

375

dd) Ausschluss der Anfechtung

375

c) Form, Inhalt und Zustellung des Schiedsspruchs

376

aa) Äußere Form

376

bb) Begründung

378

cc) Dissenting Opinion?

379

dd) Zustellung

380

d) Ergänzung und Interpretation

381

e) Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut

383

3. Kosten a) Kostenumfang und Kostenhöhe

384 385

aa) Allgemeines

385

bb) Kostenregime des TAS

387

b) Kostenverteilung

390

c) Zum Erfordernis einer Prozesskostenhilfe

391

4. Zusammenfassung

395

V. Einstweiliger Rechtsschutz

396

1. Verhältnis zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht

396

XVIII

Inhaltsverzeichnis a) Gesetzliches Leitbild

397

aa) Konzeption des deutschen Rechts

397

bb) Konzeption des schweizerischen Rechts

399

b) Exklusive Zuständigkeit des Schiedsgerichts?

399

aa) Grundsätzliche Zulässigkeit

400

bb) Materielle Wirksamkeit

402

2. Anordnung und Vollstreckung

406

a) Formen

406

b) Formelle und materielle Voraussetzungen

408

aa) Zuständigkeit

408

bb) Verfahren

409

cc) Materielle Anforderungen

410

dd) Sicherheitsleistung

411

c) Vollstreckung

412

3. Zusammenfassung

416

Ergebnis und Ausblick

417

Literaturverzeichnis

422

Stichwortverzeichnis

438

Abkürzungsverzeichnis

a.A.

andere Ansicht

AS

Amtliche Sammlung

ASA

Association Suisse d'Arbitrage (Zeitschrift)

BayVBl.

Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

BB

Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BG

Schweizerisches Bundesgericht

BGE

Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

bspw.

beispielsweise

Bulletin CIArb. CCI

Bulletin de la Cour internationale d'arbitrage de la CCI (Zeitschrift)

BZR

Blätter fur Züricher Rechtsprechung (Zeitschrift)

DFB

Deutscher Fußballbund

d.h.

das heißt

DSB

Deutscher Sportbund

EGBGB

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

EuGH

Europäischer Gerichtshof

f., ff.

(fort)folgende

F.I.L.J.

Foreign Investment Law Journal (Zeitschrift)

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

GISS

Groupe Interfacultaire des Sciences du Sport

XX Hrsg. IAAF

Abkürzungsverzeichnis Herausgeber International

Amateur Athletics

Federation

(Internationaler

Leichtathletikverband) INSEP

Institut National du Sport et de l'Education Physique

Int.S.L.R.

International Sports law Review (Zeitschrift)

IOC

International Olympic Committee

IPRax

Praxis des Internationales Privat- u. Verfahrensrechts (Zeitschrift)

I.S.L.R.

International Sports Law Review (Zeitschrift)

J.D.I.

Journal de droit international (Zeitschrift)

J.Int.Arb.

Journal of International Arbitration (Zeitschrift)

JR

Juristische Rundschau (Zeitschrift)

JT

Journal des tribunaux (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

KG

Kammergericht

KG

Kartellgesetz

KTS

Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Zeitschrift)

LG

Landgericht

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

NOK

Nationales Olympisches Komitee

NZG

Neue Zeitschrift fur Gesellschaftsrecht (Zeitschrift)

OLG

Oberlandesgericht

Pra.

Praxis des Bundesgerichts (Zeitschrift)

RdA

Recht der Arbeit (Zeitschrift)

RdC

Recueil des Cours de l'Académie de droit international (Zeitschrift)

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)

RVJ

Revue valaisanne de jurisprudence / Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung (Zeitschrift)

SAG

Schweizerische Aktiengesellschaft (Zeitschrift)

SchKonk

Schweizerisches Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit

Abkürzungsverzeichnis

XXI

SJZ

Schweizerische Juristen-Zeitung (Zeitschrift)

SpwRt

Zeitschrift für Sport und Recht (Zeitschrift)

SZIER

Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht / Revue suisse du droit international et européen (Zeitschrift)

TAS

Tribunal Arbitral du Sport

UCI

Union Cycliste International (Internationaler Radfahrerverband)

UNTS

United Nations Treaties Series

UNÜ

Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche

USADA

United States Anti-Doping Agency

USOC

United States Olympic Committee

v.

versus (gegen)

VersR

Zeitschrift für Versicherungsrecht (Zeitschrift)

WADA

World Anti-Doping Agency

WADA-Code

World Anti-Doping Code

WRP

Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift)

z.B.

zum Beispiel

ZBJV

Zeitschrift des Bernischen Juri sten Vereins (Zeitschrift)

ZEuP

Zeitschrift für europäisches Privatrecht (Zeitschrift)

ZGB

Schweizerisches Zivilgesetzbuch

ZPO

Zivilprozessordnung

ZSR

Zeitschrift für Schweizerisches Recht (Zeitschrift)

ZWR

Revue valaisanne de jurisprudence / Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung (Zeitschrift)

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozess (Zeitschrift)

ZZPint.

Zeitschrift für Zivilprozess international (Zeitschrift)

„Le TAS est une manière de conserver les affaires sportives dans les mains de ceux qui connaissent le sport."1

„Dis-moi comment tu règles ton contentieux, je te dirai qui tu es."2

Einleitung Das Sportrecht hat viele Gesichter. 3 Es ist aber vor allem ein Rechtsbereich, der sich aus staatlich gesetztem Recht und aus selbstgesetzten Normen der Sportorganisationen bildet. 4 An den Berührungspunkten dieser beiden Normenkreise kommt es zu Konflikten, die von einer Abgrenzung ihrer Anwendungs- und Wirkbereiche geprägt sind. Die schnelle und effektive Beilegung dieser Konflikte ist für alle am Sport Beteiligten von großer Bedeutung. Der Beste sollte auf dem grünen Rasen und nicht am grünen Tisch ermittelt werden. Erfolge bei Sportveranstaltungen verschaffen den an der Organisation und Durchführung beteiligten Personen heute nicht mehr nur sportliche, sondern zunehmend auch wirtschaftliche Anerkennung. 5 Je mehr wirtschaftliche Interessen mit der Sportausübung verknüpft sind, desto größer ist auch die Bereitschaft, sich zur Durchsetzung dieser Interessen aller rechtlichen Mittel zu bedienen, die verfügbar sind.6 Spätestens seit der Entscheidung des EuGH im Fall

1

Protokoll der 86. Sitzung des IOC Neu Delhi, 26.-28.3.1983, S. 25.

2

F. Alaphilippe , Requiem pour une mission d'arbitrage, Droit du Sport, Sonderband 1984, S. 37. 3

So bereits Κ. Vieweg , JuS 1983, S. 825; rechtstatsächlich auch B. Heß in: ders.AV.D. Dressler (Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen des Sports, S. 1, 5 ff. 4

J. Fritzweilen

NJW 2000, S. 997.

5

Allerdings war bereits im antiken Athen mit dem Olympiasieg nicht nur die Überreichung eines Lorbeerkranzes, sondern auch die lebenslange Speisung im Prythaneion verbunden. Dieses Privileg zählte zu den höchsten Auszeichnungen. 6

P. Jolidon in: H. Merz/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Kummer (1980), S. 633, 648 f.; B. Simma in: K.-H. Böckstiegel u.a. (Hrsg.), FS Seidl-Hohenveldern (1988), S. 573, 584; A. Samuel/R. GearharU J. Int. Arb. 1989, S. 39; J. A. R. Nafziger, American Journal of International Law 1992, S. 489, 508.

2

Einleitung

Bosman7 kann sich die Sportwelt auch international nicht mehr einer Kontrolle durch staatliche Gerichte entziehen.8 Der als „infantil" 9 gescholtene Versuch der Verbände, den Einfluss des Rechts durch Druck auf Athleten, die gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen wollen, 10 durch Drohung mit bewusster Missachtung der Entscheidungen staatlicher Gerichte und durch eine Fülle von neuen Regelungen wieder zurückzudrängen, ist gescheitert. Diese Erkenntnis setzte sich erst langsam durch, auch wenn schon sehr früh darauf hingewiesen worden ist." Heute ist das Recht eines jeden Sportlers, Verbandsmaßnahmen durch ein unabhängiges staatliches Gericht oder eine gleichwertige Kontrollinstanz überprüfen zu lassen, allgemein anerkannt. Dieses Recht zählt zu den zwingenden Bestandteilen des Individualrechtsschutzes. In den letzten Jahren haben in Deutschland die Fälle der Leichtathleten Krabbe, Pippig, Baumann und des Ringers Leipold die Öffentlichkeit für sportrechtliche Konflikte nicht sensibilisiert und emotionalisiert. Das Ausmaß und die Vielschichtigkeit des BaumannVerfahrens wurden vor 10 Jahren noch als unwahrscheinliches „worst case scenario" beschrieben. 12 Die Realität hat diese Visionen eingeholt. Die Verbände können Rechtsstreitigkeiten, die sie durch die Anwendung ihrer Regelwerke auslösen, nur mit den Mitteln des staatlichen Rechts bewältigen. Auf prozessualer Ebene ist die Streitentscheidung durch staatliche Gerichte nur eine Möglichkeit, einen Rechtsstreit endgültig und für alle Beteiligten bindend entscheiden zu lassen. Eine Alternative ist die Einsetzung eines Schiedsgerichts, das unter Verdrängung des staatlichen Gerichts über Rechts-

7 EuGH, Rs. C-415/93 - Bosman, Slg. 1995, S. 1-4921, 1-5040 ff.; zur Stellung der Verbände im Europarecht A. Köthel, ZEuP 2002, S. 58; zu den Lösungsmöglichkeiten des Konflikts zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten (immanente Beschränkung der Grundfreiheiten und Ausgleich durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip) K. Vieweg/A. Röthel, ZHR 166 (2002), S. 6. Der TAS würdigt, wenn auch nur kurz, ebenfalls die Grenzen der Grundfreiheiten: TAS 2000/A/290 - X. & Everton FC v. UEFA (2001), TAS Recueil II, S. 556, 566. g Anders noch F. Rigaux , RdC 213 (1989-1), S. 379: „L'exploitation économique du sport... a réussi à se soustraire à tout velléité de contrôle étatique. Il s'agit d'une vache sacrée qu'aucun gouvernement n'oserait réduire à la condition de bétail domestique."; G. Simon , Revue de l'arbitrage 1995, S. 185, 188. 9

J. Paulsson , 9 Arbitration International 4 (1993), S. 359, 360.

10

Beispiele bei J.-P. Rochat in: G. Simon (Hrsg.), Cahiers de l'INSEP No. 11, S. 59; J. Paulsson, 9 Arbitration International 4 (1993), S. 359, 363. 11 P. Jolidon in: H. Merz/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Kummer (1980), S. 633 f.; Κ . Vieweg , JuS 1983, S. 825; für den angloamerikanischen Rechtskreis A. Samuel/R. GearharU 6 J. Int. Arb. 1989, S. 39. 12

Th. Bach, SPORTEUROPE, Supplement No. 14 1993, S. 95, 96.

Einleitung fragen abschließend urteilt. Auch Sportverbände können die durch das staatliche Recht angebotenen Gestaltungsmöglichkeiten für den Zivilprozess nut13

zen. Es ist keine neue Idee, Schiedsgerichte auch zur Schlichtung sportbezogener Streitigkeiten einzusetzen. Bislang wurden aber häufig bloße Verbandsgerichte als „Schiedsgerichte" bezeichnet, obwohl sie die Anforderungen an ein echtes Schiedsgericht nicht erfüllen, wenn man nur an die Besetzung der „Richterbank" denkt. Auch später hinzukommende echte Schiedsgerichte erschienen daher in den Augen vieler 14 nur mehr als Sonderform der Verbandsgerichte. Diese Herangehensweise hat die Schiedsgerichtsbarkeit vor allem bei den Athleten nachhaltig in Misskredit gebracht. Kritiker sehen deshalb in Schiedsgerichten nur einen neuen Versuch der Verbände, sich der Überwachung ihrer Entscheidungen durch eine unabhängige Instanz zu entziehen.15 Die Schiedsgerichtsbarkeit ist aber mehr als eine verkappte Verbandsgerichtsbarkeit. Sie ist eine eigenständige Institution des Zivilprozessrechts, die international anerkannt ist und von der Verbandsgerichtsbarkeit unterschieden werden muss. Bislang fehlt eine umfassende Untersuchung zur Schiedsgerichtsbarkeit im Bereich des Sports. Deshalb sollen hier die Erfahrungen der Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit aufgegriffen werden, deren über Jahre entwickelte Grundsätze sich in den aktuellen Gesetzgebungen zur Schiedsgerichtsbarkeit und in den Schiedsordnungen institutioneller Schiedsgerichte niedergeschlagen haben. Mit diesem Befund ist die Situation sportbezogener Streitigkeiten zu vergleichen. 16 Dabei wird vor allem auf die Schiedsordnung und die Entscheidungspraxis des Internationalen Sportschiedsgerichts (TAS) 1 7 eingegangen. Da der Schiedsort der TAS-Verfahren meist in der Schweiz liegt, macht dieser Ansatz zudem einen Vergleich zwischen den Schiedsgerichtsrechten Deutschlands und der Schweiz notwendig.

13 Bedjaoui in: TAS (Hrsg.), Conférence du TAS, S. 75, 78; D. Oswald in: Univ. de Neuchâtel (Hrsg.), FS Grossen (1992), S. 67, 70; J. Paulsson, Mealey's International Arbitration Report, 10/1993, S. 12, 17; J. A. R. Nafziger in: N. Korchia/C. Pettiti (Hrsg.), Sport et Garanties Fondamentales, S. 591 f. 14 Aus diesem Ansatz noch L Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, und P. Schlosser, Verbandsgerichtsbarkeit; anders bereits für die Schweiz P. Jolidon in: H. Merz/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Kummer (1980), S. 633, 650. 15 G. Simon, Revue de l'arbitrage 1995, S. 185, 188 f. 16 Dazu erstmals P. Jolidon in: H. Merz/W. S. 633.

R. Schluep (Hrsg.), FS Kummer (1980),

17 Im Folgenden wird die Abkürzung TAS für den französischen Namen des Schiedsgerichts „Tribunal Arbitral du Sport" verwendet werden, vgl. zuletzt Β. Pfister, SpwRt 2002, S. 177. Die ebenfalls im deutschen Sprachraum gebrauchte englische Bezeichnung lautet „Court of Arbitration for Sport" (CAS).

4

Einleitung

Die Arbeit selbst gibt einführend einen Überblick über die Konfliktlösung sportbezogener Streitigkeiten (dazu Teil 1). Anschließend werden die Grundlagen der Schiedsgerichtsbarkeit auf deren Kompatibilität mit der Organisation des Sports untersucht (dazu Teil 2), bevor schließlich anhand der Schiedsordnung des TAS das Schiedsverfahren im engeren Sinne näher betrachtet wird (dazu Teil 3).

Erster Teil

Konfliktlösung im Sport Streitigkeiten im Bereich des Sports werden in der Regel zwischen dem einzelnen Sportler und dem für seine Sportart zuständigen nationalen oder internationalen Verband ausgetragen. Seltener gibt es Konflikte zwischen verschiedenen Verbänden oder zwischen Verbänden und anderen Sportorganisationen wie den Olympischen Komitees.1 Die Lösung dieser Konflikte erfolgt auf verschiedenen Stufen. 2 Innerhalb der Verbände finden sich von der lokalen Ebene der Vereine bis hinauf auf das Niveau der internationalen Verbände zunächst vereinsinterne Instanzen, deren Aufgabe es ist, durch andere Vereinsorgane gefasste Beschlüsse noch einmal intern zu überprüfen und gegebenenfalls zu revidieren (dazu I.). Führt dieser interne Schlichtungsversuch nicht zu einem Ergebnis, das beide Seiten befriedigt, wird der Konflikt aus dem Verein oder Verband nach außen getragen. Es erfolgt dann eine Überprüfung der angegriffenen Entscheidung durch eine Instanz, die von den Parteien des Rechtsstreits unabhängig ist. In der Vergangenheit blieb den Streitenden häufig nur der Gang vor die staatlichen Gerichte eines bestimmten Landes (dazu II.). Seit kurzem entwickelt sich aber mit der Schiedsgerichtsbarkeit gerade auch im internationalen Bereich des Sports ein weiteres Rechtsschutzsystem, das an die Stelle der staatlichen Gerichte treten kann (dazu III.).

I. Verbandsinterne Streitschlichtung Die Verletzung des Regelwerks eines Sportverbands, gleich durch welche Seite, führt in fast allen Fällen zu einer Reaktion der durch dieses Verhalten beeinträchtigten Partei. Führt nicht schon die informelle Behandlung der Regel-

1 Systematisierung der Konflikte und Unterscheidung zwischen Innen- und Aussenkonflikten bei K. Vieweg, Normsetzung und -an wendung, S. 39 ff.; zur Zersplitterung des Sportrechts und den Folgen J. A. R. Nafziger in: W. P. Heere (Hrsg.), International Law and The Hague, S. 239, 241 ff.; Β. Heß in: Württembergischer Fußballverband e.V. (Hrsg.), Sportrecht damals und heute, S. 69, 81. 2

K. Vieweg, SpwRt 1994, S. 6, 73, 74; D. Hantke, SpwRt 1998, S. 186, 187.

6

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

Verletzung durch eine Gegendarstellung oder durch ein „klärendes Gespräch" zum gewünschten Erfolg, wird ein förmliches Verfahren eingeleitet, an dessen Ende eine Entscheidung eines Organs des regelanwendenden Vereins oder Verbandes steht. Der Athlet, der etwa von einer Dopingsperre betroffen ist, oder dem die Spiel- oder Startberechtigung verweigert wird, muss diese Entscheidung dann anfechten. Auf einer ersten Stufe überprüfen die Verein oder Verbände die von ihnen getroffenen Entscheidungen selbst. Diese formalisierte Selbstkontrolle wird als „Verbandsgerichtsbarkeit" 3 bezeichnet. Das Hauptfeld der Verbandsgerichtsbarkeit ist die interne Disziplinargerichtsbarkeit 4, die sich mit der Überprüfung der durch andere Vereinsorgane verhängten Disziplinarentscheidungen beschäftigt. 5 Die praktische Bedeutung dieser vereinsinternen Sportgerichte ist immens. Nach Schätzungen aus dem Jahre 1985 fallen im Bereich des deutschen Sports jährlich 420.000 Verfahren an.6 Diese Zahl dürfte seitdem noch einmal erheblich angestiegen sein. Dabei gelingt es in nahezu 100% aller Fälle, entstandene Konflikte auf der Ebene des Sportverbands endgültig zu lösen. Die Verbandsgerichtsbarkeit erfüllt so die Funktion eines „staatsentlastenden Selbstregulierungsmechanismus" 7. Die Erfolgsquote dieses „Überdenkens" einer Entscheidung durch eine Seite lässt sich auch daraus erklären, dass die Parteien des Konflikts im Grunde gleichgerichtete Interessen verfolgen. Beide sind letztlich allein an einem erfolgreichen Verlauf sportlicher Wettbewerbe interessiert. Die Stärken der Konfliktlösung auf der Ebene der Sportorganisationen liegen in der Sachkompetenz der Sportrichter, dem geringen Zeitbedarf und der vergleichsweise hohen Akzeptanz der Entscheidungen. Zudem sind Verfahren vor Verbandsgerichten sehr kostengünstig. So fällt allenfalls eine geringe Fallpauschale an. Die Kosten für den Spruchkörper trägt in der Regel der Verein. Eine Schwäche des Verfahrens liegt in der Doppelrolle, die der Verein einnehmen muss. Zum einen verfolgt er vor seinen eigenen Instanzen einen bestimmten Anspruch. Zum anderen muss er sich die Entscheidungen seiner In-

3 In tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend P. Schlosser, Verbandsgerichtsbarkeit; L. Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, S. 26 ff.; zu den Grenzen vereinsrechtlicher Regelungsbefugnisse K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung, S. 197 ff. 4 5

B G H Z 128, S. 93, 101. Zu den verschiedenen Formen P. Schlosser, Verbandsgerichtsbarkeit, S. 155 ff.

6

Davon entfallen allein 340.000 auf den Fußball; H. Hilpert, E. Deutsch, VersR 1990, S. 2. 7

K. Vieweg, JZ 1984, S. 167, 168.

BayVBl. 1988, S. 161;

I. Verbandsinterne Streitschlichtung

7

stanzen im Außenverhältnis und insbesondere im Verhältnis zu anderen Verbänden zurechnen lassen. Gerade Letzteres kann dazu führen, dass sich ein Verband mit einer Entscheidung identifizieren muss, die eines seiner Gremien gegen den Willen der eigentlichen Verbandsführung getroffen hat.8 Dies ist aber eine notwendige Folge der selbst geschaffenen verbandsinternen Gewaltenteilung, bei der die Überprüfung von Entscheidungen eines Organs auf ein anderes Organ übertragen wird, dessen Unabhängigkeit durch Vorschriften zur Inkompatibilität und Weisungsunabhängigkeit besonders geschützt ist. 9 Die Überprüfung von Entscheidungen innerhalb der Vereine und Verbände ist in der Regel einem besonderen Organ zugewiesen. Die Mitglieder dieser Organe sind durch die Satzung mit einem unterschiedlich hohen Maß an persönlicher Autonomie bei ihrer Amtsführung ausgestattet.10 Ein gemeinsames Merkmal dieser Organe ist aber trotz allem, dass sie, wie andere Vereinsorgane auch, durch den Verein eingesetzt werden und dass das einzelne Mitglied allenfalls ein indirektes Besetzungsrecht durch seine Wahlberechtigung bei der Mitgliederversammlung hat. Die Besetzung dieser Organe steht daher von vornherein fest, ohne dass die an dem jeweiligen Verfahren beteiligten Parteien daran etwas ändern könnten. Hier liegt der Hauptunterschied zur Schiedsgerichtsbarkeit, bei der grundsätzlich beide Parteien das gleiche Recht haben müssen, an der Besetzung des Spruchkörpers mitzuwirken. 11 Materielles Kennzeichen dieser Streitigkeiten ist, dass sie in der Satzung selbst begründet sind und sich daher mit der Auslegung und Anwendung des selbst gesetzten Rechts beschäftigen. 12 Durch die Errichtung von Verbandsgerichten gibt der Verein zu erkennen, dass er die zunächst getroffene Entscheidung noch nicht als endgültig anerkennen will. Das Verbandsgericht hat daher die Kompetenz, die endgültige Entscheidung des Vereins oder Verbands auszusprechen. Erst als Ergebnis dieses Verfahrens behauptet der Verein, ihm stehe

8 Als Beispiel kann hier der Fall des Langstrecklers Baumann gelten, der durch den DLV zunächst wegen eines Dopingvergehens gesperrt wurde, dann durch den Rechtsausschuss des DLV von diesem Vorwurf freigesprochen wurde. Anschließend verhängte aber die IAAF eine Sperre gegen ihn, die wiederum der DLV als unrechtmäßig angriff. Ähnliche Verwicklungen gab es auch im Fall der Sprinterin Katrin Krabbe (verheiratete Katrin Zimmermann): zusammenfassend Th. Summerer, SpwRt 2002, S. 233. 9

U. Haas/B. Gedeon, SpwRt 2000, S. 228, 231.

,0

y.-P. Rockau Diretto dello sport, 1993, S. 3, 7 = P. Zen-Ruffinen (Hrsg.), Droit et Sport, S. 91, 94; zur Struktur im DFB M. Buchbergen Überprüfbarkeit, S. 59 ff.; für den schweizerischen Fußball verband Chr. Fuchs, Vereinsstrafe, passim. 11

Nur Stein/Jonas-P. Schlosser, vor § 1025 Rdnr. 6.

12

K. Vieweg, JZ 1984, S. 167, 168; M. Guldner, ZSR 71 I! (1952), S. 207a, 233a.

8

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

ein bestimmter Anspruch gegen ein Mitglied zu oder die Vereinsstrafe wird endgültig verhängt. 13 Aus Sicht des Juristen ist die Bezeichnung „Verbandsgerichtsbarkeit" in ihrem letzten Wortteil irreführend. Organe eines Vereins oder Verbands können keine Gerichtsbarkeit ausüben. Durch Verbandsgerichte getroffene Entscheidungen stellen Akte der Eigengeschäftsführung der jeweiligen juristischen Person dar, weil Streitigkeiten zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern oder Streitigkeiten zwischen Mitgliedern durch die Organe eines der am Verfahren zumindest mittelbar Beteiligten entschieden werden. 14 Trotz der aufgezeigten Schwächen wird auch künftig die Hauptlast der Konfliktlösung im Sport auf der Verbandsgerichtsbarkeit ruhen. Ihre Erfolge sind beeindruckend und angesichts der Flut von Verfahren gibt es keine echte Alternative zu ihrer Filterfunktion. Hauptaufgabe der Verbandsgerichtsbarkeit bleibt es, mittels der Durchführung eines verbandsinternen Streitschlichtungsverfahrens eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung zu schaffen. Hierbei sollte weniger die rein juristische Aufarbeitung bestimmter Sachverhalte im Vordergrund stehen. Daher könnte es sich empfehlen, in die Verbandsgerichtsbarkeit verstärkt auch Elemente der Mediation einzubauen.

II. Staatliche Gerichte Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Verbandsgerichtsbarkeit allein dann nicht ausreicht, wenn die Beteiligten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Interessen gewillt sind, ihre Ansprüche bis zur letztmöglichen Instanz zu verfolgen. Die Entscheidungen der Verbandsgerichtsbarkeit als Willensäußerungen einer juristischen Person des Privatrechts sind der Überprüfung durch eine unabhängige Instanz nur dann entzogen, wenn sie einen Sachverhalt ohne rechtliche Beziehungen betreffen. 15 In allen anderen Fällen geriete ein Ausschluss der Überprüfbarkeit der Entscheidungen in Konflikt mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Justizgewährungsanspruch. 16 Klauseln,

13

228. 14

A. Heini in: P. Forstmoser/W.

R. Schluep (Hrsg.), FS Meier-Hayoz (1982), S. 223,

V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19.

15

Dies gilt etwa für Entscheidungen der Kampfrichter, die Spielregeln anwenden; B. Reichert, Handbuch, Rdnr. 1700; zur Abgrenzung von Spielregeln und Rechtsregeln vgl. unten S. 133 ff. 16

Zu dessen Herleitung M. Buchbergen Übeiprüfbarkeit, S. 117 ff.: „Auf Art. 19 Abs. 4 GG kann man sich jedenfalls nicht berufen, da die Überprüfung der Sanktionsgewalt juristischer Personen des Privatrechts der Kontrolle der Ausübung hoheitlicher

9

II. Staatliche Gerichte

die eine Überprüfung rechtlich relevanter Sachverhalte durch unabhängige Instanzen verhindern sollen, sind nichtig. 17 Aus der Vereinsautonomie folgt keine Gerichtsfreiheit. 18 Die Überprüfung der Entscheidungen von Sportorganisationen durch die staatlichen Gerichte hat in den letzten Jahren zugenommen. Auch wenn die staatlichen Gerichte sowohl der Schweiz als auch Deutschlands anfangs noch große Zurückhaltung bei der Kontrolle von Entscheidungen von Sportvereinigungen zeigten, erhöhten die Gerichte beider Länder im Laufe der Zeit ihre Kontrolldichte, um den Rechtsschutz des einzelnen Sportlers gegen sozialmächtige Sportverbände zu garantieren. Im Folgenden soll daher kurz auf die Ansätze des deutschen (dazu 1.) und des schweizerischen (dazu 2.) Rechts bei der Überprüfung von Vereinsstrafen eingegangen werden. 19

1. Deutschland Die Entwicklung der Rechtsprechung in Deutschland war nach anfänglicher Zurückhaltung von einer Erweiterung und Verdichtung der gerichtlichen Kontrolle von Vereinsstrafen geprägt. 20 Die anfängliche Beschränkung auf eine Korrektur von Entscheidungen im Einzelfall 21 wurde mit der Zunahme grundrechtsrelevanter Sachverhalte durch ein System der Überprüfung von Vereinsstrafen abgelöst.22 Ausgehend von verfassungsrechtlichen Überlegungen [dazu a)] kombiniert die Rechtsprechung in der praktischen Umsetzung heute die volle Kontrolle einer Vereinsentscheidung in formeller Hinsicht mit einer mate-

Gewalt nicht gleichgestellt werden kann"; R. Stoben NJW 1979, S. 2001, 2002; allgemein bereits P. Schlossen Verbandsgerichtsbarkeit, S. 114 ff; demgegenüber bezeichnet 77i. Bach, SpwRt 1995, S. 142, 143, die Überprüfung durch eine unabhängige Instanz sogar als „unveräußerliches Menschenrecht". 17 B G H Z 128, S. 93, 109; U. Haas/B. Gedeon, SpwRt 2000, S. 228 f.; D. Hantke, SpwRt 1998, S. 186, 188; zur Unwirksamkeit eines Ausschlusses der Anrufung staatlicher Gerichte auch P. Jolidon in: GISS (Hrsg.), Chapitres choisis du droit du sport, S. 51, 57; M. Baddeley, L'association sportive, S. 289 ff. 18

OLG Frankfurt/Main, NJW-RR 2000, S. 1117, 1118.

19

Zur Entwicklung in den USA vgl. M. Buchbergen Überprüfbarkeit, S. 187 ff.; fur jüngere Entscheidungen aus England auch J. A. R. Nafzigen American Journal of International Law 1992, S. 489, 509 f.; ders. y 3 Villanova Sports & Entertainment Law Journal (1996), S. 413,418. 20

Im Überblick G. Wagnen Prozessverträge, S. 456 ff.

21

K. Vieweg, JZ 1984, S. 167, 168; E. Deutsch, VersR 1990, S. 2, 5 ff.

22

K. Vieweg S. 809,817.

in: H. Leßmann/B. Großfeld/L.

Vollmer

(Hrsg.), FS Lukes (1989),

10

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

riell begrenzten Überprüfung der angewandten Norm und der Normanwendung [dazu b)].

a) Grundrechtliche

Abwägung

Im sportlichen Wettbewerb ist schon die Bindung an eine bestimmte Sportordnung einschließlich der darin enthaltenen Ordnungsmaßnahmen nichts anderes als das Spiegelbild der erwarteten Bindung auch aller übrigen Teilnehmer an diese Regelwerke. 23 Die Befugnis zur Setzung einer Vereinsregel leitet sich aus der Verbandsautonomie ab und umfasst auch das Recht auf Verhängung von Sanktionen im Fall ihrer Verletzung. 24 Aus diesem Selbstverwaltungsrecht ergibt sich, dass die Entscheidungen der Verbände in einem Kernbereich von einer Überprüfung durch die staatlichen Gerichte frei bleiben müssen.25 Autonom gesetzte Verbandszwecke sollen nicht über den Umweg der gerichtlichen Kontrolle auf staatliche Wertentscheidungen festgelegt werden dürfen. 26 Andererseits kann es aber keinen gänzlich staatsfreien Raum geben, in dem ohne die Beachtung der Grundregeln elementarer Gerechtigkeit und über den grundgesetzlich geschützten Verbandszweck hinaus Vereinsgewalt gegenüber Mitgliedern ausgeübt wird. An dieser Stelle muss die externe Kontrolle durch staatliche Gerichte ansetzen.27 Dabei ist nicht nur das Grundrecht des einzelnen Athleten auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 S. 2 GG), sondern bei Berufssportlern auch das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 GG) mit der den Vereinen durch Art. 9 Abs. 1 GG garantierten Vereinigungsfreiheit in Ausgleich zu bringen. 28 Die Überprüfung von Vereinsmaßnahmen durch staatliche Gerichte verfolgt damit letztlich das Ziel, im Wege einer Interessenabwägung den Rechtsschutz des einzelnen Mitglieds gegen eine übermäßige Ausübung von Vereinsmacht abzusichern. 29

23

BGHZ128, S. 93,99.

24

BGHZ 128, S. 93, 98 mit Hinweis auf/?. Lukes in: W. Hefermehl/R. GmUr/H. Brox (Hrsg.), FS H. Westermann (1974), S. 325, 327 ff.; V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 21; H. Lindemann, SpwRt 1994, S. 17 ff, 19 f. 25

V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 21.

26

BGHZ 87, S. 337, 345.

27

V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 22.

28

Zu dieser Grenze M. Buchbergen Überprüfbarkeit, S. 33 ff.

29

BGHZ 128, S. 93, 110.

II. Staatliche Gerichte b) Gerichtliche

11

Kontrolle

Der BGH hat seit den achtziger Jahren begonnen, alle Disziplinarmaßnahmen sozialmächtiger Vereine einer systematischen Kontrolle zu unterziehen. 30 Ausgehend von der Rechtstatsache der großen gesellschaftlichen Macht vor allem auch der Sportverbände hat er von einem Leitbild Abschied genommen, nach dem mit einem freiwilligen Vereinsbeitritt auch eine freiwillige Unterwerfung unter die vereinsautonome Strafgewalt und ein konkludenter Verzicht auf eine Überprüfung durch staatliche Gerichte verbunden war. Der BGH stellte nunmehr klar, dass es auch in dieser Hinsicht keinen rechtsfreien Raum gibt. 31

aa) Voraussetzungen Staatlicher Rechtsschutz kann frühestens nach dem Vorliegen einer endgültigen Entscheidung des Verbands in Anspruch genommen werden. Dies setzt die Ausschöpfung des verbandsinternen Instanzenzugs voraus. 32 Das Gericht soll nicht urteilen, solange der autonom ausgestaltete Meinungsbildungsprozess des Verbands noch nicht endgültig abgeschlossen ist. 33 Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn ein Festhalten am vereinsinternen Instanzenzug im Einzelfall unzumutbar ist. 34 Dies ist der Fall, wenn das Ergebnis des Rechtsmittels von vornherein bereits feststeht oder wenn die Eilbedürftigkeit der Entscheidung ein weiteres Zuwarten nicht erlaubt. 35 Trotz dieser Grundsätze bleibt das staatliche Gericht auch während eines vereinsinternen Überprüfungsverfahrens für den Erlass von Maßnahmen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zuständig. Allenfalls dann, wenn das verbandsinterne Verfahren einen genauso effektiven Rechtsschutz bietet, könnte überlegt werden, ob auch diese Form des staatli-

30 Zur Geschichte der Rechtsprechung auch des Reichsgerichts schon W. Flume in: Κ. A. Bettermann/A. Zeuner (Hrsg.), FS Bötticher ( 1969), S. 101, 104 ff. 31 BGHZ 87, S. 337, 344 f.; Überblick auch bei D. Dahlheimer in: M. R. Will (Hrsg.), Sport und Recht in Europa, S. 27, 28 ff. 32 BGHZ 47, S. 172, 174; BGH NJW 1988, S.3159; V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 25; ausführlich P. Schlosser, Verbandsgerichtsbarkeit, S. 126 ff.; G. Wagner, Prozessverträge, S. 457, zur inhaltlichen Angemessenheit S. 479 ff. 33

W. Flume in: K. A. Bettermann/A.

Zeuner (Hrsg.), FS Bötticher (1969), S. 101,

131. 34 BGH NJW 1988, S. 3159; E. Deutsch, VersR 1990, S. 2, 6; B. Reichert, buch, Rdnr. 1704; V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 22. 35

Weitere Beispiele bei Β. Reichert, Handbuch, Rdnr. 1705.

Hand-

12

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

chen Rechtsschutzes durch eine besondere Vereinsregel ausgeschlossen werden kann. 36 Verzichtet der jeweilige Athlet auf eine Anfechtung der gegen ihn verhängten Maßnahme vor den verbandsinternen Instanzen, kann dies als freiwillige Unterwerfung unter die verhängte Maßnahme und als Verzicht auch auf den staatlichen Rechtsschutz angesehen werden. 37 Das Nichtbeschreiten des verbandsinternen Instanzenzugs führt allerdings nur dann zur Unzulässigkeit einer Anfechtungsklage vor dem staatlichen Gericht, wenn diese Rechtsfolge in der Vereinssatzung klar zum Ausdruck kommt. Erst wenn eine solche Regel vorliegt, kann an das objektive Verhalten des Athleten eine so weit reichende materielle Folge geknüpft werden. 38 Die gegen eine Verbandsentscheidung erhobene Anfechtungsklage ist aber auch dann als unzulässig abzuweisen, wenn in der Satzung eine angemessene Klagefrist normiert ist und die Klage erst nach Ablauf der Frist erhoben wird. 39 Enthält die Verbandssatzung hingegen keine Fristbestimmung, ist die Anfechtungsklage vor dem staatlichen Gericht nach deutschem Recht nicht fristgebunden. Ihr kann im Einzelfall aber der Einwand der Verwirkung entgegengesetzt werden. 40

bb) Formelle Rechtmäßigkeit Im Hinblick auf die formelle Rechtmäßigkeit überprüft die Rechtsprechung in vollem Umfang die Einhaltung des durch die Verbandsregeln vorgegebenen Verfahrens. Bei der Zuständigkeit des jeweiligen Vereinsorgans wird vor allem die wirksame Bindung des jeweils betroffenen Athleten an die satzungsmäßigen Bestimmungen und die Einhaltung der satzungsmäßigen Zuständigkeitsordnung durch den Verein überprüft. In verfahrensrechtlicher Hinsicht prüft das Gericht zudem die Einhaltung der selbstgesetzten Verfahrens- und Formvorschriften. 41 Dabei wird besonders darauf geachtet, ob der Anspruch auf rechtli-

36 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2000, S. 1117, 1118 unter Verweis auf OLG Düsseldorf NJW-RR 1988, S. 1271, 1272. 37 RGZ 85, S. 355, 357; W. Flume in: Κ. A. Bettermann/A. Zeuner (Hrsg.), FS Bötticher (1969), S. 101, 131; allgemein G. Wagner, Prozessverträge, S. 458,468 ff. 38 BGHZ 47, S. 172, 173 f.; H. Wiedemann , JZ 1968, S. 219; zur inhaltlichen Angemessenheit G. Wagner, Prozessverträge, S. 481. 39

B. Reichert, Handbuch, Rdnr. 1702.

40

B. Reichert, Handbuch, Rdnr. 1703.

41

M. Buchberger

y

Überprüfbarkeit, S. 123 ff.

II. Staatliche Gerichte

13

ches Gehör gewahrt wurde. 42 Dieser Anspruch gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch für das Verbands verfahren.

cc) Inhaltskontrolle Durch die Inhaltskontrolle werden Verbandsregeln auf ihre inhaltliche Angemessenheit unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit durch übermäßige Bindung des rechtsgeschäftlichen Partners, § 138 BGB, und auf die Wahrung des Grundsatzes von Treu und Glauben, § 242 BGB, überprüft. 43 Mit Hilfe der Auslegung dieser beiden Generalklauseln im Lichte der oben beschriebenen verfassungsrechtlichen Vorgaben sorgt die Rechtsprechung schon auf der Ebene der Inhaltskontrolle von Verbandsnormen für einen Ausgleich der Grundrechtspositionen des Athleten mit den Grundrechtspositionen der jeweiligen Sportorganisation. 44 Dieser Maßstab gilt sowohl im Verhältnis zu Mitgliedern als auch zu Nichtmitgliedern des jeweiligen Verbands. Auch im Bezug auf Nichtmitglieder, welche die Verbandsregeln rechtsgeschäftlich anerkannt haben, lehnt es der BGH ab, Satzungsbestimmungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) anzusehen und ihre Wirksamkeit am Maßstab der §§ 307 ff. BGB zu überprüfen. 45 Selbst dort, wo anlässlich einer individualvertraglichen Regelung Bezug auf Verbandsregeln genommen werde, liege die von den §§ 307 ff. BGB ins Auge gefasste Leistungsaustauschbeziehung nicht vor. Im Verhältnis zwischen einem Sportler und einem Verband dominiere auch in solchen Fällen der sozialorganisatorische Charakter der angewandten Normenwerke. 46 Nach Ansicht des BGH geht es daher bei einer individualvertraglichen Einbeziehung von Verbandsregeln gerade nicht darum, wie bei den meisten Verträgen entgegengesetzte Interessen auszugleichen. Sportler und Verband haben anders als die Parteien einer „normalen" Leistungsaustauschbeziehung das in die gleiche

42

Überblick bei V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 26.

43

Seit BGHZ 105, S. 306, 316 ff.; BGHZ 128, S. 93, 101; zur Inhaltskontrolle allgemein Κ . Vieweg in: Η. Leßmann/B. Großfeld/L. Vollmer (Hrsg.), FS Lukes (1989), S. 809, 812; Β. Heß in: ders./W.-D. Dressler (Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen des Sports, S. 1, 30 ff.; zur Inhaltskontrolle von Anti-Dopingbestimmungen C. PauL Grenzwerte im Doping, S. 194 ff. 44

Zur Inhaltskontrolle von Vereins- und Verbandsstatuten durch Schiedsgerichte J. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 517 ff. 45

BGHZ 128, S. 93, 101 ff; zustimmend B. Pflster, JZ 1995, S. 464, 466; V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 35; so bereits schon D. Reuter in: ders. (Hrsg.), Einbindung, S. 53, 65. 46

BGHZ 128, S. 93, 102; U. Haas/J. Adolphsen, NJW 1996, S. 2351.

14

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

Richtung weisende Anliegen, einen geregelten und geordneten Sportbetrieb aufrechtzuerhalten. 47 Dies schließt aber auch nach Ansicht des BGH nicht aus, dass im Einzelfall die in den §§ 305 ff. BGB niedergelegten Wertungsmaßstäbe bei der Beurteilung der Angemessenheit der Vereins- oder Verbandsregeln Berücksichtigung finden können.48 Im Ergebnis sind Vereins- oder Verbandsnormen daher allein am Maßstab der §§ 138, 242 BGB zu überprüfen, 49 wobei bei der Anwendung dieser Generalklauseln auf den Einzelfall das Verhältnismäßigkeitsprinzip und hier insbesondere die Angemessenheit eine tragende Rolle spielt. 50 Im praktischen Ergebnis führt diese Prüfung jedoch dazu, dass die Satzungen sozialmächtiger Verbände einer umfassenden Inhaltskontrolle unterliegen. 51

dd) Anwendungskontrolle Die Inhaltskontrolle der angewendeten Norm wird von einer vollen Tatsachenkontrolle und einer eingeschränkten Kontrolle der korrekten Normanwendung im Einzelfall (Subsumtionskontrolle) flankiert. 52 Zunächst überprüft die Rechtsprechung, ob der Verband seiner Entscheidung die korrekten Tatsachen zugrunde gelegt hat. Hier kommt es vor allem darauf an, ob der Verband die Tatsachengrundlage mit der angemessenen Sorgfalt

47

V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 35; für die grundsätzliche Eignung der Verbandsnormen als allgemeine Geschäftsbedingungen K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung, S. 327. 48 BGHZ 128, S. 93, 103; B. Pfister, JZ 1995 S. 464, 466, weist zu Recht darauf hin, dass es darauf ankommt, ob die einzelne Regel als Bestandteil einer Leistungsaustauschbeziehung anzusehen ist. Ist dies der Fall, könnten die zu AGB entwickelten Grundsätze auch angewandt werden, wenn es sich formal um eine vereinsrechtliche Bestimmung handelt. 49

G. Wagner, Prozessverträge, S. 470; BGHZ 128, S. 93, 101 ff. Soweit gegen diese Ausführungen des BGH eingewandt wurde, sie seien lediglich obiter dictum (so K. Vieweg, SpwRt 1995, S. 97, 99), gehören sie jedenfalls seit BGHZ 142, S. 304, 306 zu den tragenden Gründen; a.A. im Hinblick auf den WADA-Code G. Petri , SpwRt 2003, S. 230. 50

V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 28; Zur Funktion und Auslegung des § 242 BGB vgl. auch C. Paul, Grenzwerte im Doping, S. 197 ff. 51

G. Petri in: K. Bepler (Hrsg.), FS Fenn (2000), S. 239, 246. Für internationale Verbäande favorisiert K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung, S. 287 einen geringeren Prüfungsmaßstab als bei nationalen Verbänden, um den Anforderungen einer weltweit einheitlichen Geltung Rechnung tragen zu können. 52

Dazu allgemein K. Vieweg, JZ 1984, S. 167, 169 ff.; V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 27 ff.

II. Staatliche Gerichte

15

ermittelt hat. Diese Kontrolle findet ohne Reduzierung der gerichtlichen Kontrolltiefe statt. Die Anerkennung der Vereinsstrafgewalt umfasst nicht, dass diejenigen, die sich dieser Gewalt unterworfen haben auch damit einverstanden sind, für Taten verantwortlich gemacht zu werden, die sie nicht begangen haben.53 Nicht nur die Inhaltskontrolle der anzuwendenden Verbandsnorm, sondern auch die Subsumtionskontrolle ist aufgrund der grundgesetzlich garantierten Vereinigungsfreiheit beschränkt. Der Verein muss seine Entscheidungen in Ausübung seiner Vereinsgewalt grundsätzlich eigenverantwortlich treffen können. 54 Zunächst hob der BGH Entscheidungen von Vereinen nur dann auf, wenn sie „offenbar unbillig" waren. 55 Später verschärfte der BGH diese Anforderungen jedoch für Vereine mit einer überragenden Machtstellung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, die einem Aufnahmezwang unterliegen. 56 Nach Ansicht des BGH müsse die Sanktion eines solchen Vereins durch sachliche Gründe gerechtfertigt und daher „billig" sein. 57 Zwar besitze die Vereinigung in Anerkennung ihrer Autonomie einen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum, diesem seien aber umso engere Grenzen gesetzt, je wichtiger die Mitgliedschaft für den Betroffenen sei. 58 Im Ergebnis prüft der BGH die Anwendung einer gültigen Vereinsnorm im Einzelfall nur darauf, ob die Maßnahme bei sozialmächtigen Verbänden als billig oder bei anderen Verbänden zumindest nicht

53

BGHZ 87, S. 337, 343 ff.; K. Vieweg in: H. Leßmann/B. Großfeld/L Vollmer (Hrsg.), FS Lukes (1989), S. 809, 818 f., schlägt auch hier eine Tatsachenkontrolle am Maßstab des § 242 BGB vor. Nur diese vermeide, dass der Verband eine rechtmäßige Regel aufnehme, die eine Tatsachenkontrolle einschränke. 54

BGHZ 87, S. 337, 345.

55

BGHZ 87, S. 337, 346.

56

Dies sei immer dann der Fall, wenn mit Rücksicht auf schwerwiegende Interessen der betroffenen Kreise die grundsätzliche Selbstbestimmung des Vereins über die Aufnahme von Mitgliedern nicht ohne weiteres hingenommen werden könne; grundlegend: BGHZ 93, S. 151, 152. Die Ablehnung der Aufnahme dürfe im Verhältnis zu den bereits aufgenommenen Mitgliedern nicht zu einer sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und nicht zu einer unbilligen Benachteiligung Antragswilliger führen. Nach einer Interessenabwägung im Einzelfall dürfe die Zurückweisung der Aufnahme nicht unbillig erscheinen; BGH a.a.O. S. 154. Diese Kriterien gelten auch für Sportverbände und ergeben sich mittelbar aus Art. 9 Abs. 1 GG; BGHZ 140, S. 74, 76 ff. Für einen Anwendungsfall, in dem ein Aufnahmezwang abgelehnt wurde, vgl. KG NJW-RR, 1993, S. 183, 184-Vorspiel-Schwuler Sportverein. 57

BGHZ 102, S. 265, 277 (für den Vereinsausschluss); BGHZ 128, S. 93, 110; V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 31 f. 58

Ibid.; vgl. die gleichen Ausführungen schon für den Aufnahmezwang bei BGHZ 93, S. 151, 158.

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

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als grob oder offenbar unbillig anzusehen ist. 59 Dabei ist es gleich, ob es sich um die direkte Anwendung einer Satzungsbestimmung auf ein Vereinsmitglied oder um die Auslegung einer nur mittels einer vertraglichen Vereinbarung in Bezug genommenen Satzungsbestimmung handelt. Bei der Anwendungskontrolle gilt der gleiche Priifungsmaßstab. 60 Diese Herangehensweise des BGH ist für den Fall von generalklauselartigen Tatbeständen zu begrüßen. Wo die angewandte Vereinsnorm den Vereinsorganen keinen Entscheidungsspielraum lässt, führen die oben beschriebenen Maßstäbe aber zu einer uneingeschränkten Kontrolle der Verbandsentscheidung durch das staatliche Gericht. 61 Aus der vollen Tatsachenkontrolle folgt im praktischen Ergebnis eine vollständige Subsumtionskontrolle, weil die uneingeschränkt ermittelten Tatsachen dann nur noch eine einzige regelkonforme Entscheidung zulassen. Dies kollidiert jedoch nicht mit der oben beschriebenen Vereinsautonomie. Dort, wo der Verein durch seine Satzungsautonomie Normen schafft, die bei Feststellung eines Sachverhalts nur eine Rechtsfolge zulassen, kann auch das Gericht die quasi automatische Rechtsfolge feststellen und ist daher nicht auf eine reine Tatsachenkontrolle beschränkt.

2. Schweiz Nach schweizerischem Recht gibt es zwei Ansatzpunkte für eine gerichtliche Überprüfung von Verbandsentscheidungen. Gemäß Art. 75 ZGB kann jedes Vereinsmitglied, das einem Vereinsbeschluss nicht zugestimmt hat, diesen innerhalb einer Ausschlussfrist 62 von einem Monat gerichtlich anfechten. 63 Diese Rechtsschutzmöglichkeit wurde bislang am häufigsten gebraucht und war somit der „Kanal, über den das Recht Eingang in das Vereinsleben" fand [dazu a ) ] 6 4

59 BGHZ 87, S. 337, 346; BGHZ 128, S. 93, 110; kritisch zu diesem im Vergleich mit der Inhaltskontrolle unterschiedlichen Prüfungsmaßstab K. Vieweg in: H. Leßmann/B. Großfeld/L. Vollmer (Hrsg.), FS Lukes (1989), S. 809, 820. 60 BGHZ 128, S. 93, 101, 103; U. Haas/J. m.w.N. 61

Adolphsen, NJW 1996, S.2351, 2352

V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 33 f.

62

BK-Riemer Art. 75 ZGB, Rdnr. 62; BS Κ ZGB-Ηe ini/Scherrer, J. F. Perrin, Droit Civil V, S. 147.

Art. 75, Rdnr. 21;

63 Umfassend M. Baddeley, L'association sportive, S. 309 ff.; zur Inhaltskontrolle Überblick auch bei C. Paul, Grenzwerte im Doping, S. 208. 64

J. F : Perrin, Droit Civil V, S. 136.

II. Staatliche Gerichte

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Flankiert wird dieses Anfechtungsrecht von der Möglichkeit/eine Feststellungsklage zu erheben. Eine solche Klage hat Erfolg, wenn ein bestimmter Beschluss wegen der Verletzung grundlegender verfahrensrechtlicher oder materieller Normen des Vereinsrechts nicht nur anfechtbar, sondern nichtig ist [dazu b)]. Praktisch häufigster Nichtigkeitsgrund ist die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 27 ff. ZGB. Für diese Klage gelten die Beschränkungen durch Art. 75 ZGB nicht. 65

a) Anfechtungsklage

Die Anfechtungsmöglichkeit des Art. 75 ZGB dient allgemein dazu, die Rechtmäßigkeit des vereinsrechtlichen Handelns sicherzustellen. 66 Das Bundesgericht bezeichnet die Vorschrift als „Verfahrensrecht mit Grundrechtsstatus" 67

aa) Formelle Anforderungen Anfechtbar sind neben den Beschlüssen der Generalversammlung auch Beschlüsse anderer, diesem Vereinsorgan untergeordneter Instanzen.68 Dazu zählen etwa das Präsidium oder sonstige Exekutivkomitees. In diese Kategorie fallen aber auch die Entscheidungen der Verbandsgerichte, die keine Schiedsgerichte sind. In der Schweiz sind es ebenfalls meist Disziplinarmaßnahmen, die nach Art. 75 ZGB angefochten werden. 69 Die Anfechtungsmöglichkeit besteht wie im deutschen so auch im schweizerischen Recht nur, sofern die betreffende Stelle vereinsintern als letzte Instanz entschieden hat. 70 Erst zu diesem Zeitpunkt kann davon gesprochen werden, dass die Willensbildung des Vereins oder Verbands abgeschlossen ist. 71 Wie im

65 BSK ZGB- H e ini/Scher re r, Art. 75, Rdnr. 34; Einzelheiten bei M. L'association sportive, S. 310 ff. 66

Baddeley,

M. Baddeley , L'association sportive, S. 312.

67

BGE 118 la, S. 214; M. Baddeley , L'association sportive, S. 281.

68

TAS 98/185 - RSC Anderlecht v. UEFA (1998), TAS Recueil II, S. 459, 463.

69

J. F. Perrin , Droit Civil V, S. 139.

70

BGE 118 II, S. 12, 17; TAS 98/189 - D. & US Bobsleigh and Skeleton Federation v. FI BT, S. 4. 71 BGHZ 47, S. 172, 174; Β. Reichert , Handbuch, Rdnr. 1704; Α. Heini in: P. Forstmoser/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Meier-Hayoz (1982), S. 223, 229; M. Baddeley, L'association sportive, S. 290, Fn. 156; BSK ZGB-Heini/Scherrer, Art. 75 Rdnr. 6.

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

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deutschen Recht ist von diesem Grundsatz der Erschöpfung des vereinsinternen Rechtswegs im Fall der Unzumutbarkeit eine Ausnahme zu machen.72 Ein Verfahrensfehler ist nach schweizerischem Recht nur beachtlich, wenn er Auswirkungen auf das Ergebnis der Beschlussfassung gehabt haben. Ist dies nicht der Fall, ist der Anfechtende insoweit nicht beschwert. 73 Die Anfechtung nach Art. 75 ZGB muss binnen Monatsfrist erfolgen, sofern die Vereinssatzung keine andere Anfechtungsfrist bestimmt wird. Im Hinblick auf die Frist ist die Vorschrift des Art. 75 dispositiv, Art. 63 Abs. 1 ZGB.

bb) Materielle Anforderungen Auf den ersten Blick ist die Anfechtungsklage nach Art. 75 ZGB jedoch auf die Rüge der Verletzung eigener Mitgliedschaftsrechte beschränkt. 74 Nach einer Ansicht können deshalb nur direkte Mitglieder einen Vereinsbeschluss nach Art. 75 ZGB anfechten. Nichtmitgliedern stünden von vornherein nicht die gleichen vereinsrechtlichen Rechte wie dem direkten Mitglied zu. 75 Nichtmitglieder könnten sich anderer Klageformen bedienen, etwa einer Klage wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts 76 oder einer Klage auf Schadensersatz zur Wiedergutmachung von Vermögenseinbußen. 77 Diese Ansicht hätte zur Folge, dass nur die Mitglieds vereine 78 gegen sie selbst ergangene Entscheidungen anfechten könnten, dem einzelnen Sportler aber die Anfechtung nach Art. 75 ZGB versagt bliebe. Allerdings kann nach dieser Ansicht die Verbandssatzung ein direktes Anfechtungsrecht auch zugunsten von Nichtmitgliedern vorsehen und ihnen so eine Klage nach Art. 75 ZGB ermöglichen. Beispielsweise bestimmt die Satzung der Internationalen Reiterlichen Vereinigung

72 Bödme r, Vereinsstrafe und Verbandsgerichtsbarkeit, S. 155; BS Κ ZGB-Heini/ Scherrer, Art. 75 Rdnr. 6. 73

H. Riemer, Anfechtungsklage, Rdnr. 80.

74

BGE 108 II, S. 15, 18 f. Die Entscheidung weist auch darauf hin, dass eine Verletzung des Mitgliedschaftsrechts auch bei einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gegeben ist. Gegen ein zu enges Verständnis U. Scherrer, SpwRt 2002, S. 39, 41. 75

BGE 51 II, S. 525, 534; unter Hinweis auf Art. 65 Abs. 1 ZGB auch TAS 98/200 Α. & S. v. UEFA (1999), S. 26; insoweit nicht abgedruckt in: X X V Y.C.A. (2000), S. 393; fur das deutsche Recht auch K. Viewegs Normsetzung und -anwendung, S. 76 ff., 336 f. 76

U. Scherrer, SpwRt 2002, S. 39.

77

BGE 51 II, S. 525, 534; BSK ZGB-Heini/Scherrer,

78

Art. 75 Rdnr. 15.

Zum pyramidenförmigen Aufbau vgl. K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung, S. 57 ff.; /. Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordination, S. 54.

II. Staatliche Gerichte

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(FEI), dass jede Person oder Organisation, gegen die eine Entscheidung der Organe der FEI ergangen ist, diese auch anfechten kann. 79 Die Satzung der FINA erkennt ein solches Anfechtungsrecht ebenfalls nicht nur Mitgliedern, sondern auch Mitgliedern von Mitgliedern zu. 80 Das Bundesgericht hat sich dieser engen Auffassung in neuerer Zeit nicht angeschlossen, sondern hat ausdrücklich festgestellt, dass die bloße Tatsache der Anwendbarkeit von Verbandsregel werken genügt, damit die betroffene Person von dem Anfechtungsrecht des Art. 75 ZGB Gebrauch machen kann.81 Dieses Recht hänge gerade nicht davon ab, ob sich der jeweilige Athlet der vereinsrechtlichen Disziplinargewalt durch einen Vereinsbeitritt oder nur vertraglich unterworfen habe.82 Im Hinblick auf die gerichtliche Kontrolldichte ist der angegriffene Beschluss schon nach dem Wortlaut des Art. 75 ZGB in vollem Umfang auf seine Vereinbarkeit mit dem Gesetz und den Statuten überprüfbar. Der Begriff des Gesetzes umschreibt alle objektiven Rechtsnormen, die für den jeweiligen Verein gelten, also auch diejenigen dispositiven Rechtsvorschriften, die nicht wirksam abbedungen worden sind. 83 Zu den Statuten zählt das gesamte körperschaftsinterne Recht, also nicht nur die Satzung sondern auch die darauf gründenden Nebenordnungen einschließlich der vereinsrechtlichen Observanz. 84 Allerdings ist es auch nach schweizerischer Ansicht dem staatlichen Richter verwehrt, bei der Subsumtion unbestimmte Rechtsbegriffe oder bei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen eine vollständige Rechtmäßigkeitsprüfung vorzunehmen. Auch schweizerischen Vereinen steht eine Einschätzungsprärogative zu, die dem Richter eine gewisse Zurückhaltung auferlegt. 85

79

Art. 173 Generelle Regeln der FEI.

80

Vgl.: TAS 95/141 - C/FINA (1996), Recueil du TAS, S. 205, 208 = J.D.I. 2001, S. 282, 284. 81 BGE 119 II, S. 271, 276; H. Riemer, Anfechtungsklage, Rdnr. 127; 7. F. Perrin, Droit Civil V, S. 136; zur Berechtigung von indirekten Verbandsmitgliedern auch P. Schlosser, Verbandsgerichtsbarkeit, S. 79, der auf den Gedanken des § 328 BGB verweist. 82 U. Haas, ZEuP 1999, S. 355, 360; aus Sicht des Persönlichkeitsrechts M. Baddeley, ZSR 115 II (1996), S. 135, 231; a.A. BSK ZGB-Heini/Scher re η Art. 75 Rdnr. 15. 83 BSK ZGB-Heini/Scherren Rdnr. 88 ff.

Art. 75

Rdnr. 12; H.

Riemen Anfechtungsklage,

84 BSK ZGB-Heini/Scherren Rdnr. 115 ff.

Art. 75

Rdnr. 13; Η.

Riemer, Anfechtungsklage,

85 A Heini in: P. Forstmoser/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Meier-Hayoz (1982), S. 221, 231 f.; Η. Riemen Anfechtungsklage, Rdnr. 77; BSK ZGB-Heini/Scherren Art. 70 Rdnr. 24.

20

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

Allerdings wird auch argumentiert, im Hinblick auf die Gerichtsfreiheit des Ausschließungsbeschlusses nach Art. 72 Abs. 2 ZGB komme es zu einem generellen Ausschluss der materiellen Überprüfbarkeit von Vereinsbeschlüssen oder doch zumindest zu einer Begrenzung des Überprüfungsmaßstabs auf das Vorliegen von Rechtsmissbrauch oder einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts. 86. Eine enge Interpretation des Begriffs des Vereinsausschlusses würde nach dieser Ansicht sonst zu dem „absurden" Ergebnis führen, dass die weniger einschneidende Disziplinarmaßnahme (wie etwa eine zeitlich befristete Sperre) voller gerichtlicher Kontrolle unterläge, während der Ausschluss als härteste Disziplinarmaßnahme ohne Überprüfung Bestand haben dürfe. 87 Diese Interpretation des Art. 72 Abs. 2 ZGB überrascht und vermag nicht zu überzeugen. 88 Art. 75 ZGB verankert den Grundsatz, dass Entscheidungen von Vereinen unbeschränkt durch die Gerichte auf ihre Vereinbarkeit mit den Statuten und dem Gesetz überprüft werden. Art. 72 Abs. 2 ZGB ist demgegenüber als Ausnahmevorschrift anzusehen89 und daher grundsätzlich eng auszulegen. Schon dem Wortlaut nach erfasst dieser Artikel nur eine Überprüfung der vereinsautonom geregelten Kriterien eines Vereinsausschlusses. Die Rechtsprechung hat die Ausnahmevorschrift des Art. 72 Abs. 2 ZGB noch weiter eingeschränkt. Zunächst sei in jedem Fall eine Überprüfung des Ausschließungsbeschlusses auf das Vorliegen von Willkür oder Missbrauch (Art. 2 Abs. 2 ZGB) zulässig.90 Sofern dem in Rede stehenden Verein eine monopolistische Stellung zukomme, verlange zudem das Persönlichkeitsrecht der Mitglieder (Art. 27 ff. ZGB) nach einer weiteren Beschränkung des Rechts auf Ausschließung, da ansonsten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Betätigung des Betroffenen zu einem beträchtlichen Teil allein in den Händen des Vereins lägen.91 Eine Einschränkung der materiellen Kontrolldichte des Art. 75 ZGB unter Verweis auf Art. 72 Abs. 2 ZGB würde in der Praxis durch eine Nichtigkeitsklage umgangen werden, wenn der Kläger eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beweist.

86 87

Appellationshof Bern ZBJV 1988, S. 311, 314.

J. F. Perrin, keit, S. 131.

Droit Civil V, S. 142 f.; kritisch P. Schlosser, Verbandsgerichtsbar-

88

Einzelheiten auch bei M. Baddeley, L'association sportive, S. 350 ff.

89

Α. Heini in: P. Forstmoser/W.

/?. Schluep (Hrsg.), FS Meier-Hayoz (1982), S. 221,

230. 90 BGE 123 III, S. 193, 196; unter Verweis auf BGE 51 II, S. 237, 242; BGE 90 II, S. 346, 350; H. Riemer, Anfechtungsklage, Rdnr. 70; BSK ZGB-HeinUScherrer, Art. 70 Rdnr. 11. 91

BGE 123 III, S. 193, 198; BSK ZGB-Heini/Scherren M. Kummen Spielregel und Rechtsregel, S. 57.

Art. 70 Rdnr. 11; so bereits

II. Staatliche Gerichte

21

Im Ergebnis unterliegen daher Verbandsmaßnahmen nach schweizerischem Recht einer vollen Kontrolle, bei der nur in kleinen Teilbereichen die Kognition des Richters beschränkt ist. Dies gilt über den Ausschluss aus einem monopolistischen Verein hinaus gleichermaßen für die Überprüfung einer Maßnahme eines nichtmonopolistischen Vereins oder Verbands. 92

b) Nichtigkeitsklage

Nach Ablauf der einmonatigen Frist des Art. 75 ZGB ist eine Anfechtung nach dieser Vorschrift ausgeschlossen. Allerdings kann auch nach Ablauf dieser Frist die Nichtigkeit eines Vereinsbeschlusses im Wege einer Feststellungsklage geltend gemacht werden. 93 Nichtig ist ein Beschluss aber nur dann, wenn er gegen die Grundstruktur der juristischen Person verstößt oder unvereinbar mit Rechtssätzen ist, die dem Schutze Dritter oder der Wahrung öffentlicher Interessen dienen.94 Nichtig sind Beschlüsse von unzuständigen Organen. 95 Beschlüsse sind aber auch dann nichtig, wenn sie gegen eine gesetzliche Vorschrift verstoßen, über die das jeweilige Körperschaftsmitglied nicht wirksam verfügen kann, 96 oder wenn die verletzte Vorschrift auch Rechte und Interessen Dritter wahren soll. 97 Der praktisch häufigste Fall der Nichtigkeit eines Vereinsbeschlusses ist die Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Eine Verfügung über diese Rechtsposition ist ausgeschlossen, Art. 27 Abs. 2 ZGB. Wird eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts behauptet, ist die angegriffene Verbandsmaßnahme auch unter diesem Gesichtspunkt einer vollen Überprüfung zu unterziehen, weil niemand eine widerrechtliche Beschränkung des Persönlichkeitsrechts hinnehmen muss. Die einschränkenden Voraussetzungen des Art. 75 ZGB sind für den Fall der Beschränkung des Persönlichkeitsrechts daher nicht anwendbar. 98 Bei

92 Für den Fall einer Zulassungsentscheidung TAS 98/200 - AEK Athens & Slavia Prag v. UEFA (1999), Recueil du TAS II, S. 38, 69. 93 Die Nichtigkeit kann einredeweise erhoben werden oder ist nach einer negativen Feststellungsklage festzustellen; BK-Riemer, Art. 75 ZGB Rdnr. 128. 94

Vgl. etwa BGE 86 II, S. 78, 88, für die AG.

95

TAS 98/185 - RSC Anderlecht v. UEFA (1998), TAS Recueil II, S. 459,467 f.

96 97

Indem es etwa keine Anfechtungsklage erhebt. H. Riemen Anfechtungsklage, Rdnr. 290.

98 BK-Riemen Art. 75 ZGB Rdnr. 147; A. Heini in: P. Forstmoser/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Meier-Hayoz (1982), S. 221, 231; M. Baddeley, ZSR 115 II (1996), S. 135, 233.

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Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

der Beurteilung der Frage, ob eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts tatsächlich vorliegt, ist durch eine Interessenabwägung zu ermitteln, ob die Interessen des Einzelnen an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit im Einzelfall höher zu gewichten sind als die Interessen des jeweiligen Verbands an der Verfolgung seines Verbandszwecks, Art. 28 Abs. 2 ZGB."

3. Zusammenfassung (1) Zu den Vorteilen der staatlichen Gerichtsbarkeit zählt die allseitige Akzeptanz der Entscheidungen. Sie wird auch dadurch verstärkt, dass den Beteiligten die Möglichkeit gewährt wird, erstinstanzliche Entscheidungen erneut überprüfen zu lassen. Gerade Athleten glauben offenbar häufig, allein vor dem staatlichen Gericht angemessen Gehör zu finden und die Wahrung ihrer verfassungsmäßigen Rechte gewährleistet zu sehen. (2) Die staatliche Gerichtsbarkeit hat aber auf der anderen Seite für die Schlichtung sportbezogener Streitigkeiten auch Nachteile. Der Zeitbedarf bis zum Abschluss des letztinstanzlichen Verfahrens ist mitunter enorm. 100 Hinzu kommt häufig eine Unkenntnis der Richter hinsichtlich der Organisation des Sportlebens und der Funktionsweise sportlicher Wettbewerbe. (3) Als entscheidender Nachteil der staatlichen Gerichtsbarkeit erweist sich jedoch gerade bei internationalen Sachverhalten die territoriale Bindung ihrer Entscheidungen. Während die Gerichte auf nationaler Ebene noch für eine einheitliche Regelauslegung und -anwendung sorgen können, besteht diese Möglichkeit bei den Regelwerken internationaler Verbände nicht mehr. 101 Nationale Gerichte stoßen hier an die Grenzen ihrer Rechtsprechungsbefugnisse. Mangels international einheitlicher Regelauslegung muss der Verband so einer Vielzahl national gefärbter Auslegungsmöglichkeiten Rechnung tragen. (4) In der Gesamtbetrachtung unterscheiden sich die praktischen Folgen einer Überprüfung nach deutschem Recht kaum von denen eines Rekurses nach schweizerischem Recht. Zwar gilt nach deutschem Recht eine nur einge-

99 BGE 123 III, S. 193, 199; vgl. dazu auch die Anmerkung von J. Bondallaz, ZWR 1998, S. 327, 342 m.w.N; Appellationshof Bern ZBJV 1988, S. 311, 313 f.; Richteramt Bern III, SJZ 1988, S. 85, 86; BK-Rieger, Art. 72, Rdnr. 48 f. 100 Im Fall der Sprinterin Katrin Krabbe (heute Zimmermann) wurde das Verfahren über Schadensersatzansprüche wegen der Verhängung einer unrechtmäßigen Dopingsperre erst knapp zehn Jahre nach Erhebung der Dopingvorwürfe beendet; zusammenfassend Th. Summerer, SpwRt 2002, S. 233. 101 St. Netzle, ASA Special Series No. 11, S. 45, 47; als Beispiel für eine internationale Interessenabwägung aber OLG Frankfurt/Main SpwRt 2001, S. 159.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

23

schränkte Subsumtionskontrolle. Die Nachprüfung von Ermessensentscheidungen im schweizerischen Recht unter Beachtung der Einschätzungsprärogative des Verbands und des Persönlichkeitsrechts des jeweiligen Athleten kommt der eingeschränkten Subsumtionskontrolle zumindest für den Bereich der sozialmächtigen Verbände nahe. Jedoch ist die Kontrolldichte der schweizerischen Gerichte höher als die der deutschen Gerichte, wenn es sich um die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt. 102

III. Schiedsgerichtsbarkeit Die Schiedsgerichtsbarkeit hat sich für sportrechtliche Streitigkeiten gerade im internationalen Bereich im letzten Jahrzehnt zu einer echten Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit herausbilden können. Die Vereinbarung eines Schiedsgerichts in den Satzungsbestimmungen der Sportverbände überträgt die Zuständigkeit für die Überprüfung der Verbandsentscheidungen von den staatlichen Gerichten auf von den Parteien selbst besetzte und von ihnen unabhängige Spruchkörper. Im Folgenden soll allgemein das hinter dem Begriff der Schiedsgerichtsbarkeit stehende Konzept erläutert werden (dazu 1.) Der anschließende Teil beschreibt die Geschichte und die Organisation des TAS (dazu 2.), bevor zum Schluss dieses Abschnitts andere Schiedsgerichte im Bereich des Sports kurz vorgestellt werden (dazu 3.).

1. Allgemeines Das Konzept einer Streitschlichtung durch Privatpersonen ist vergleichsweise alt. Ein Grund für die Entstehung dieser Rechtsschutzform, die sich vermutlich mit dem Handel entwickelt hat 1 0 3 , dürfte das Misstrauen ausländischer Händler gegen Entscheidungen von Gerichten eines anderen Gemeinwesens gewesen sein. Spuren privater Streitentscheidung lassen sich mittlerweile bis in das Mesopotamische Reich zurückverfolgen, wo gemeinsame Zeugen für einen Geschäftsabschluss benannt wurden, deren spätere Aussage einen (staats)ge-

102

Zu den Ansätzen in den USA vgl. M. Buchbergen Überprüfbarkeit, S. 204 ff; US Court of Appeals (7th Circuit), No. 99-4146 - S. v. IAAF & USOC, abrufbar unter: www.ca7.uscourts.gov (Abrufdatum 23.11.2003). 103

M. J. MustilU 6 J. Int. Arb. 2 (1989), S. 43.

24

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

richtlichen Prozess überflüssig werden ließ. 104 Die wahre Verbreitung der Schiedsgerichtsbarkeit lässt sich allerdings schwerlich in Zahlen nachweisen, da private Streitschlichtung schon ihrer Natur nach eine Privatangelegenheit war und ist. 105 Nach einer Erläuterung der Kriterien, die ein Entscheidungsgremium erfüllen muss, um als Schiedsgericht anerkannt zu werden [dazu a)], einer Abgrenzung zu anderen alternativen Streitschlichtungsmodellen [dazu b)] und einer Darstellung verschiedener Erscheinungsformen der Schiedsgerichtsbarkeit [dazu c)] sollen auch die Vor- und Nachteile der Schiedsgerichtsbarkeit für die Schlichtung sportbezogener Streitigkeiten allgemein beleuchtet werden [dazu d)].

a) Definition

Unter Schiedsgerichtsbarkeit versteht man eine durch den Staat sanktionierte, durch Private vereinbarte und von ihnen unabhängige Gerichtsbarkeit, die einen bestimmten Rechtsstreit unter Anwendung prozessualer und materieller Regeln entscheidet und deren Entscheidungen grundsätzlich die gleichen rechtlichen Wirkungen (materielle Rechtskraft und Vollstreckbarkeit) zukommen wie den Entscheidungen staatlicher Gerichte. 106 Aus dieser allgemeinen Definition ergeben sich zwei Blickwinkel, aus denen die Schiedsgerichtsbarkeit betrachtet werden kann. 107 Aus einem institutionellen Blickwinkel ist die Schiedsgerichtsbarkeit eine vom Staat delegierte und von ihm akzeptierte private Gerichtsbarkeit. Am Ende des Schiedsverfahrens steht eine Entscheidung, die wie das Urteil eines staatlichen Gerichts durch die staatlichen Vollzugsorgane vollstreckt werden kann. Diese Inanspruchnahme seiner Organe akzeptiert der Staat aber nur, wenn der Entscheidungsprozess gewisse Mindestanforderungen einhält. Unter diesem Ansatz ergeben sich die Vorgaben für die Besetzung des Schiedsgerichts und die Mindestgebote für die

104 S. Lafont, Revue de l'arbitrage 2000, S. 557, 578; zur Verbreitung im antiken Griechenland D. Panagiotopoulos, 6 Villanova Sports & Entertainment Law Journal (1999), S. 49 f. 105 M. J. Mustill, 6 J. Int. Arb. 2 (1989), S. 43. 106

A. Redfern/M. Hunter, Arbitration, Rdnr. 1-04; C. Wagner, Prozessverträge, S. 484; K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 1, Rdnr. 1; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 1 SchKonk, Anm. 1.2; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 33; Obergericht Zürich, ASA Bulletin 1994, S. 259; IPRG-Ehrat, Art. 176 Rdnr. 9. 107

Ρ. Jolidon in: GISS (Hrsg.), Chapitres choisis du droit du sport, S. 51, 52.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

25

Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens. Aus einem vertraglichen Blickwinkel gründet sich die private Schiedsgerichtsbarkeit stets auf ein Rechtsgeschäft. Die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts (und damit der Ausschluss der staatlichen Gerichte) ist nur gegeben, wenn sich die Parteien des Schiedsverfahrens auf diese Rechtsfolge tatsächlich geeinigt haben. Für dieses Rechtsgeschäft stellen sich alle Probleme des allgemeinen Vertragsrechts. Aus diesen beiden Aspekten der privaten Schiedsgerichtsbarkeit entwickeln sich die drei Grundprinzipien des Schiedsverfahrens: die Freiwilligkeit des Abschlusses der Schiedsvereinbarung, die Unparteilichkeit der Schiedsrichter und die Einhaltung grundlegender rechtsstaatlicher Standards bei der Durchführung des Schiedsverfahrens. 108 Die Rechtsprobleme der Schiedsgerichtsbarkeit lassen sich letztlich auf diese drei Prinzipien zurückführen. Dogmatisch herrschte lange Zeit Streit über die Frage, wie die Schiedsgerichtsbarkeit einzuordnen sei. Nach einer Ansicht ist die Schiedsgerichtsbarkeit eine rein materiellrechtlich begründete, privatrechtliche Institution, die grundsätzlich ohne Einfluss auf das Prozessrecht ist. Die Entscheidungsgewalt der Schiedsrichter beruht nach dieser Meinung auf einer Art Vertretung der staatlichen Gerichte, wobei die Vertretungsmacht von den Parteien erteilt wird. 1 0 9 Die Gegenansicht geht weiter und qualifiziert die Schiedsgerichtsbarkeit prozessrechtlich. Sie ist materiell Rechtsprechung, wenngleich sie auch nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist. 110 Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Schiedsgerichte handeln daher nicht in Vertretung staatlicher Gerichte. Sie ersetzen sie vielmehr für das Erkenntnisverfahren. Die Schiedsgerichtsbarkeit ist verfassungsrechtlich unbedenklich.111 Für das deutsche Recht ist die Grundlage der privaten Schiedsgerichtsbarkeit als Amalgam verschiedener grundgesetzlich garantierter Rechte beschrieben worden. 112 Im Hinblick auf die Ersetzung staatlicher Normen durch Parteivereinbarung kann auf Art. 2 Abs. 1 GG (Vertragsfreiheit) zurückgegriffen werden. 113 Diese Vorschrift bietet nicht nur die Grundlage für privatautonome Regeln im materiellrechtlichen Bereich, sondern auch für die teilweise Ersetzung staatlicher Rechtsschutzformen im Prozessrecht. Hinzu kommt die grundgesetzlich ge-

108 Stein/Jonas-P. Schlossen vor §1025 Rdnr. 1; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 1 SchKonk, Anm. 1.2. 109 Nachweise bei Stein/Jonas-P. Schlosser, vor § 1025 Rdnr. 2. 110 BGHZ 51, S. 255, 258; BGHZ 54, S. 392, 395; R. Stoben NJW 1979, S.2001, 2004; Stein/Jonas-P. Schlossen vor § 1025 Rdnr. 3. 111

Maunz/Dürig-Z/erzog, Art. 92 Rdnr. 165; Maunz/Dürig-Dürig, Art. 101 Rdnr. 22.

112

Vgl. zum Folgenden R. Stoben NJW 1979, S. 2001, 2005 ff.

113

Maunz/Dürig-Dwng, Art. 101 Rdnr. 22.

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

26

schützte Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 GG für die Vereinbarung einer Schiedsklausel in den Satzungen juristischer Personen. Letztlich gebietet auch das Subsidiaritätsprinzip unter dem Gesichtspunkt einer sinnvollen Aufgabenteilung zwischen Privaten und der öffentlichen Gewalt, die Schiedsgerichtsbarkeit nicht völlig auszuschließen.114 Die Schiedsgerichtsbarkeit bedeutet keinen vollkommenen Verzicht auf staatlichen Rechtsschutz. Ein vollständiger Ausschluss staatlichen Rechtsschutzes für einen bestimmten Bereich wäre nach deutschem Recht wohl auch unzulässig. 115 Auch bei der Vereinbarung eines Schiedsgerichts verbleibt den staatlichen Gerichten eine Art Reservefunktion. So können sie die Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens oder Verstöße des privaten Spruchkörpers gegen grundlegende Prinzipien eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei einer Anfechtungsklage gegen den Schiedsspruch feststellen. 116 Derartige Fehler führen zudem zur Verweigerung der Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs. 117

b) Abgrenzung

Die Schiedsgerichtsbarkeit ist von ähnlichen Rechtsinstituten abzugrenzen, die sich auch der Hilfe Privater zur Streitbeilegung bedienen.

aa) Alternative Streitbeilegungsmechanismen Im Vergleich zu anderen alternativen Streitschlichtungsmechanismen ist Hauptmerkmal der Schiedsgerichtsbarkeit die Entscheidung eines Rechtsstreits unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit. 118

1.4

R. Stober, NJW 1979, S. 2001, 2008.

1.5

Maunz/Dürig- H erzog, Art. 92 Rdnr. 166 ff.

1.6

§ 1059 Abs. 2 ZPO, Art. 36 SchKonk, Art. 190 Abs. 2 IPRG. Allerdings kann das Anfechtungsrecht in einem Schiedsverfahren nach dem IPRG durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen werden, wenn keine der Parteien ihren Wohnsitz in der Schweiz hat, Art. 192 Abs. 1 IPRG. Versucht eine Partei einen solchen Schiedsspruch in der Schweiz zu vollstrecken, so wird er als ausländischer Schiedsspruch behandelt, Art. 192 Abs. 2 IPRG. 1.7 Art. V UNÜ, § 1060 Abs. 2 ZPO; Art. 194 IPRG und § 1061 ZPO verweisen auf das UNÜ. 118 K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 1, Rdnr. 1; H. Fenn in: W. Gerhardt u.a. (Hrsg.), FS Henckel (1995), S. 173, 191, 195; U. Haas in: FVA des DSB (Hrsg.), Akademieschrift Nr. 49, S. 58, 59.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

27

Sieht etwa eine Vereinbarung zwischen den Parteien eines Rechtsstreits die Anrufung des staatlichen Gerichts nach der Durchführung des vereinbarten Verfahrens vor, so spricht dies gegen das Vorliegen eines Schiedsgerichts, weil der Rechtsstreit nicht endgültig durch Private entschieden wird. 1 1 9 Ähnlich wie das Schiedsverfahren ist das Schlichtungsverfahren oder auch die Mediation zwar ebenfalls auf die außergerichtliche Streitbeilegung unter Beteiligung eines neutralen Dritten angelegt. 120 Anders als bei einem Schiedsverfahren wird in diesen Verfahren aber keine Entscheidung der vorgelegten Streitfragen durch einen neutralen Dritten, sondern vielmehr eine einvernehmliche Vereinbarung der Parteien angestrebt und im Erfolgsfall durch einen Vertrag beurkundet. 121

bb) Schiedsgutachten Die Wirkung der verfahrensbeendigenden Entscheidung als Vollstreckungstitel grenzt die Schiedsgerichtsbarkeit auch vom Schiedsgutachten ab. 122 Letzteres gewährt dem neutralen Dritten lediglich die Befugnis, eine Leistung zu bestimmen oder einen Vertrag anstelle der Parteien zu ändern. 123 Die Entscheidung des Schiedsgutachters hat damit ebenfalls nur die Wirkung eines selbständigen Vertrags. Sie führt lediglich zu Ansprüchen der Parteien, die diese anschließend noch gerichtlich durchsetzen müssen. Demgegenüber tritt die Entscheidung des Schiedsgerichts an die Stelle der Entscheidung eines staatlichen Gerichts. 124

119

BGH BB 1982, S. 1077, 1078; OLG Koblenz NJW-RR 2000, S. 1365.

120

Dazu H. Raeschke-Kessler/K. P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 94 ff.; A. Redfern/M. Hunten Arbitration, Rdnr. 1-49 ff.; zu Möglichkeiten einer Verbindung beider Verfahren H Eidenmüllen RÏW 2002, S. 1. 121 P. Lalive/J.-F. Anm. 1.2. 122

Poudret/C.

Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 1 SchKonk,

BGHZ 6, S. 335, 338; BGHZ 48, S. 25, 28; J. Kurth, NJW 1990, S. 2038.

123

Ausführlich: K -Η. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Stein/Jonas-P. Schlossen vor § 1025 Rdnr. 21 ff.; H. Raeschke-Kessler/K Schiedsverfahren, Rdnr. 451 ff. 174

K -Η. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2, Rdnr. 7.

Kap. 2; P. Bergen

28

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport cc) Verbandsgerichte

Von den Schiedsgerichten sind schließlich die bereits angesprochenen Verbandsgerichte abzugrenzen. 125 Grundsätzlich können auch Vereine und Verbände echte Schiedsgerichte gründen und in Eigenregie betreiben. 126 Die Institutionalisierung eines Schiedsgerichts innerhalb der Vereinsorganisation spricht nicht dagegen, dass ein echtes Schiedsgericht vorliegt. 127 Die Abgrenzung muss vielmehr anhand materieller Kriterien erfolgen. Ein Schiedsgericht liegt nur vor, wenn den Parteien bei der Besetzung des Spruchkörpers die gleichen Rechte eingeräumt sind, wenn auch während des Verfahrens eine Gleichheit zwischen den Parteien herrscht und wenn rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze eingehalten werden. 128 Die letzten beiden Kriterien 129 werden auch von Verbandsgerichten erfüllt, während die Anforderungen an die Überpartei liehe Rechtspflege gerade nicht eingehalten werden. 130 Bei Verbandsgerichten werden die zur Entscheidung berufenen Personen allein aufgrund der Willensbildung des jeweiligen Verbands berufen. Die einem Verband in einem solchen Verfahren gegenüberstehende Partei hat daher im Ver-

125 Zur Abgrenzung allgemein J. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 499 ff.; H. Fenn in: W. Gerhardt u.a. (Hrsg.), FS Henckel (1995), S. 173; U. Haas/B. Gedeon, SpwRt 2000, S. 228; auch Th. Summerer in: PHB-Sportrecht, Rdnr. 280 ff.; für die Schweiz M. Baddeley, ZSR 115 II (1996), S. 135, 235 f.; P. Jolidon in: GISS (Hrsg.), Chapitres choisis du droit du sport, S. 51, 56. 126

BGE 93 I, S. 49, 59; zur Anerkennung des TAS trotz der damals bestehenden organisatorischen Abhängigkeit vom IOC vgl. BGE 119 II, S. 271 = Pra. 84 (1995), S. 753. 127 128

G. Wagner, Prozessverträge, S. 488.

K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 32, Rdnr. 17; J. F. Perrin, Droit Civil V, S. 145; Kantonsgericht Wallis ZWR 1991, S. 346 (Rekurskammer der LS HG kein Schiedsgericht); Richteramt Bern III, SJZ 1988, S. 85, 88 (ehemaliges IAAF Arbitration Panel kein Schiedsgericht); dazu J. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 506; a.A. für letzte Entscheidung U. Haas/C. Prokop, JR 1998, S. 45, 51 ; US Court of Appeals (7th Circuit), No. 99-4146 - S. v. IAAF & USOC, abrufbar unter: www.ca7.uscourts.gov. (Abrufdatum 23.11.2003). In diesem Verfahren erhob offenbar keine der Parteien den Einwand, es handele sich nicht um ein Schiedsgericht im Sinne des UNÜ; J. Paulsson, 9 Arbitration International 4 (1993), S. 359, 363. 129 Zurückhaltend G. Wagner, Prozessverträge, S. 485, der darauf hinweist, dass ein Verstoss der Schiedsordnung gegen zwingendes Verfahrenrecht die Nichtigkeit der jeweiligen Vorschrift nach sich ziehen mag, die Einordnung als Schiedsgericht aber unberührt lässt. 130 BGE 93 I, S. 49, 58; J.-P. RochaU Dir. dello sport 1993, S. 3, 7 = P. Zen-Ruffinen (Hrsg.), Droit et Sport, S. 91, 98; Stein/Jonas-P. Schlosser, vor § 1025 Rdnr. 6; P. Schlosser, Verbandsgerichtsbarkeit, S. 169 ff.; B. Reichert, Handbuch, Rdnr. 2531; U. Haas in: FVA des DSB (Hrsg.), Akademieschrift Nr. 49, S. 58, 59; U. Haas/B. Gedeon, SpwRt 2000, S. 228, 229; J. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 504 f.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

29

gleich zum Verband nicht die gleiche Möglichkeit, auf die Besetzung der Richterbank Einfluss zu nehmen. Damit fehlt es an einer Streitentscheidung durch einen neutralen Dritten. Die Entscheidung dieser Spruchkörper kann damit nicht als Schiedsspruch angesehen werden. 131

dd) Völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit Die völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit, die der Streitschlichtung zwischen Völkerrechtssubjekten dient, hat eine fast noch längere Tradition als die Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit. Grundlage der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit ist meist ein völkerrechtlicher Vertrag. 132 Die hier näher untersuchten Schiedsverfahren haben demgegenüber ihre Grundlage in einem Akt des Privatrechts. Nur soweit in den internationalen Rechtsakten auf die Vorschriften zum privaten Schiedsverfahren verwiesen wird, können dessen Bestimmungen herangezogen werden. 133 Die vorgelegte Darstellung ist daher grundsätzlich nicht auf völkerrechtliche Schiedsgerichte anwendbar.

c) Arten von Schiedsverfahren

Die Schiedsverfahren lassen sich in zwei Untergruppen einteilen: Verfahren vor institutionellen Schiedsgerichten und Verfahren vor Gelegenheitsschiedsge-

131 P. Jolidon in: H. Merz/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Kummer (1980), S. 633, 644 f., nimmt aber lediglich die Aufhebbarkeit eines solchen Spruchs an; U. Haas, ZEuP 1999, S. 355, 365 ff., und J. Adolphsen, SpwRt 2000, S. 159, kommen aufgrund der Entscheidungen des US District Courts for the Southern District of Ohio, YCA 1996, S. 715, 717, und des englischen High Court vom 15.06.1988 - G. v. S. & H., No. CH-88-G2191 (unveröffentlicht) zu dem Ergebnis, dass international unterschiedliche Abgrenzungsmaßstäbe gelten. Die letztgenannte Entscheidung gibt dies jedoch nicht her. Da eine Besetzung des Schiedsgerichts nur durch eine Partei auch einen Verstoss nach deutscher und schweizerischer Interpretation gegen den ordre public im Sinne des Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ darstellt, wäre einem Spruch eines solchen Entscheidungsorgans in beiden Ländern jedenfalls die Anerkennung oder Vollstreckung zu verweigern. 132

Zur Schlichtung von Investmentstreitigkeiten durch das zur Weltbankgruppe gehörende ICSID vgl. A. Redfern/M. Hunter, Arbitration, Rdnr. 1-97; zum Iran-United States Claims Tribunal vgl. dies., Arbitration, Rdnr. 1-105 ff. Demgegenüber ist das Schiedsgericht der WIPO als Schiedsgericht im herkömmlichen Sinne anzusehen, auch wenn es von einer internationalen Organisation verwaltet wird; dazu Chr. Kuner, RIW 1995, S. 965. 133 K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 1, Rdnr. 4 f.; Stein/JonasP. Schlossen vor §1025 Rdnr. 5; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 1 SchKonk, Anm. 1.2.

30

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

richten. 134 In einigen Rechtsordnungen findet man zudem eine Unterscheidung zwischen nationalen und internationalen Schiedsverfahren.

aa) Institutionelle Verfahren und Gelegenheitsverfahren Als institutionelle Verfahren bezeichnet man diejenigen Schiedsverfahren, die von einer Schiedsorganisation verwaltet werden. Zu einem institutionellen Schiedsverfahren kommt es, wenn die Parteien die Anwendung der Schiedsordnung eines institutionellen Schiedsgerichts in ihrer Schiedsvereinbarung vorsehen. Die Schiedsorganisation stellt dann für die Durchführung des Verfahrens bestimmte Regeln und Gremien zur Verfügung. Sie übernimmt bspw. die Zustellung von Schriftstücken oder die Abrechnung des Schiedsverfahrens und unterstützt die Parteien bei der Wahl des Schiedsortes oder bei der Bestellung der Schiedsrichter. Die durch die Schiedsordnung angebotenen Leistungen können bis zu einer formalen Überprüfung des Schiedsspruchs durch die Schiedsorganisation reiche. 135 Bekannte Schiedsorganisationen für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten sind auf internationaler Ebene etwa der „Court of Arbitration of the International Chamber of Commerce (ICC-Court)" mit Sitz in Paris, 136 die „London Chamber of International Arbitration (LCIA)" 1 3 7 oder die US-amerikanische „American Arbitration Association ( A A A ) " 1 3 8 in New York. In Deutschland spielt vor allem das „Deutsche Institut für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS)" 1 3 9 eine große Rolle. Demgegenüber werden Gelegenheitsverfahren durch die Parteien selbst durchgeführt. Den Parteien bleibt so die vollständige Herrschaft über das Schiedsverfahren erhalten. Sie tragen unmittelbar die Verantwortung für die Organisation des Schiedsverfahrens und dessen Abwicklung. Beides erfolgt mangels abweichender Parteivereinbarungen meist unter Anwendung dispositi-

134

Dazu K -Η. Schwab/G. Walter,

Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 1, Rdnr. 10.

135

Vgl. etwa Art. 27 ICC-Schiedsordnung, aber auch Art. 19 Abs. 1 Ad-hoc-Regeln, der nach dem Vorbild der ICC dem Präsidenten der Ad-hoc-Kammer ein Recht auf Korrektur formaler Punkte und ein Hinweisrecht auf materielle Punkte gewährt. 136 Schiedsordnung abgedruckt bei K.-H. Schwab/G. Anhang B.l.

Walter,

Schiedsgerichtsbarkeit,

137 Schiedsordnung abgedruckt bei K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Anhang B.7. 138 Schiedsordnung abgedruckt bei K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Anhang B.6. 139 Schiedsordnung abgedruckt bei K -Η. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Anhang B.4.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

31

ven Gesetzesrechts. Alternativ können sich die Parteien aber auch einer Schiedsordnung bedienen, die keine Schiedsorganisation voraussetzt. Prominentestes Beispiel ist die UNCITRAL Schiedsordnung. 140 Zwischen institutionellem Verfahren und Gelegenheitsverfahren liegt die so genannte „wild cat arbitration". Damit werden Schiedsverfahren bezeichnet, bei denen die Parteien die Anwendung der Verfahrensregeln einer Schiedsinstitution vereinbaren, ohne die Schiedsinstitution selbst mit der Betreuung des Falls zu betrauen. 141 Die Gelegenheitsschiedsgerichte bieten den Vorteil der höheren Flexibilität in der Entscheidungsfindung. Hier gibt es keine starren Verfahrensregeln. Die Parteien können das Verfahren vielmehr unmittelbar selbst spontan („ad hoc") der jeweiligen prozessualen Situation anpassen. Gelegenheitsschiedsgerichte sollten aber nur gewählt werden, wenn die Parteien aus dem gleichen Rechtskreis stammen und damit ähnliche Erwartungen an den formalen Ablauf eines Prozesses haben. Zudem sollte nicht schon von vornherein mit der Inanspruchnahme richterlicher Unterstützungshandlungen gerechnet werden. Dies führt nur zu unnötigen Verfahrens Verzögerungen 142 Institutionelle Schiedsverfahren, die im Vergleich mit Gelegenheitsschiedsgerichten häufig schwerfälliger und teurer sind, bieten aber durch ihre Verfahrensordnung eine Auffanglösung für die meisten Probleme des Schiedsverfahrens an, so dass die Anrufung staatlicher Gerichte auch insoweit überflüssig wird. Zudem bietet die Steuerung des Verfahrens durch eine neutrale Organisation auch den Vorteil, dass Blockadeversuche einer Partei wirkungsvoller abgewehrt werden können. Schließlich sichert die Überwachung des Verfahrens die spätere Vollstreckbarkeit der Entscheidungen und damit die Effektivität des schiedsgerichtlichen Rechtsschutzes ab. 143

bb) Nationale und internationale Schiedsverfahren Die Unterscheidung zwischen nationalen und internationalen Schiedsverfahren ist von Bedeutung, wenn das anwendbare Schiedsverfahrensrecht variiert. Die seit 01.01.1998 geltende Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts im

140

Schiedsordnung abgedruckt bei K.-H. Schwab/G. Anhang B.2.

Walter,

Schiedsgerichtsbarkeit,

141 142 143

H. Raeschke-Kessle r/K. Ρ. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 67. H. Raeschke-Kessler/K. P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 62. H. Raeschke-Kessler/K.

P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 74.

32

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

Zehnten Buch der ZPO 1 4 4 unterscheidet nicht zwischen nationalen und internationalen Schiedsverfahren. Die Schweiz hat diese Unterscheidung bislang auch aus Kompetenzgründen beibehalten müssen. So gilt für nationale Schiedsverfahren das Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit (SchKonk). 145 Auf internationale Schiedsverfahren findet hingegen das 12. Kapitel des Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht (IPRG) Anwendung. 146 Der Anwendungsbereich der schweizerischen Legislativakte grenzt sich nach dem subjektiv angeknüpften Kriterium des Wohnsitzes der Parteien ab. 147 Anders als der französische Gesetzgeber mit Art. 1492 NCCP stellt der schweizerische nicht auf das objektive Entscheidungskriterium der Internationalität des streitigen Rechtsverhältnisses 148 ab. Diese Lösung vermeidet zugunsten einer einfach festzustellenden Bedingung einen Streit über das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Geschäfts. 149 Während sowohl das SchKonk als auch das IPRG grundsätzlich für alle Schiedsgerichte mit Sitz in der Schweiz gelten, findet das IPRG vorrangig Anwendung, wenn eine der Parteien zum Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort nicht in der Schweiz hatte, Art. 176 Abs. 1 IPRG. 150 Die Parteien können allerdings durch eine schriftliche Vereinbarung die Anwendung des IPRG zugunsten des SchKonk ausschließen, Art. 176 Abs. 2 IPRG. 151

d) Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit

im Sport

Die Vor- und Nachteile der Verfahren vor einem Schiedsgericht gegenüber Verfahren vor staatlichen Gerichten sind für die Wirtschaftsschiedsgerichtsbar-

144 Neufassung durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22.12.1997 (BGBl. 1997-1, S. 3224). 145 In der Fassung vom 01.07.1995, AS 1969, S. 1093. 146

In der Fassung vom 16.03.1999, AS 1988, S. 1776.

147

Zur Abgrenzung allgemein A. Redfern/M.

Hunter, Arbitration, Rdnr. 1-17 ff.

148 Der danach maßgebliche „intérêt du commerce international" erfordert das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Kapitalflusses. 149 Λ Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 176 IPRG, Anm. 4. 150

Zur Ermittlung des Wohnsitzes ist auf Art. 20, 21 IPRG zurückzugreifen; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 43 ff.; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 176 IPRG, Anm. 3. 151 Der Ausschluss ist nur unter dieser doppelten Voraussetzung möglich: A. Buchen Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 60; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 176 IPRG, Anm. 19.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

33

keit bereits weithin diskutiert worden. 152 Als Vorteile des Schiedsverfahrens gelten neben der umfassenden Parteiherrschaft über das Verfahren, die es erlaubt, Schwerfälligkeiten des staatlichen Prozessrechts durch Parteivereinbarungen zu überbrücken, vor allem die kürzere Verfahrensdauer, die durch den Instanzenwegfall erzeugte Kostenersparnis bei hohen Streitwerten, der Ausschluss der Öffentlichkeit und die Sach- und Branchenkundigkeit der Entscheidenden. Im internationalen Bereich kommt der psychologisch nicht zu unterschätzende Vorteil der Neutralität des Ortes der Verhandlungen hinzu. Schließlich lassen sich Schiedssprüche in der Regel einfacher als Urteile staatlicher Gerichte in einem fremden Land vollstrecken. 153 Als Nachteil der Schiedsgerichtsbarkeit wird man die nur eingeschränkte Akzeptanz bei vielen juristischen Laien zählen müssen. Während staatliche Gerichtsbarkeit vor allem in nationalen Verfahren allgemein akzeptiert wird, begegnet man der privaten Schiedsgerichtsbarkeit häufig mit Misstrauen. Gerade Athleten glauben, allein vor staatlichen Gerichten fair und angemessen behandelt werden zu können. Als Vorteil der staatlichen Gerichtsbarkeit wird vor allem auch die Möglichkeit von Rechtsmitteln angesehen, die bei Schiedsgerichten regelmäßig fehlt. Trotz aller Gemeinsamkeiten stellen sich die oben genannten Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit im Bereich des Sports mitunter etwas anders dar als bei Verfahren der Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit.

aa) Sachkunde der Schiedsrichter Im Schiedsverfahren können die Parteien schon mit der Auswahl der von ihnen benannten Schiedsrichter dafür Sorge tragen, dass der aufgeworfene Sachverhalt angemessen abgehandelt wird. Die Expertise des Spruchkörpers in einem bestimmen Sachgebiet ermöglicht es den Parteien, sich anders als im Verfahren vor staatlichen Gerichten auf die wesentlichen Fragen des Falls zu konzentrieren. Da Streitigkeiten im Bereich des Sports häufig weniger rechtliche als vielmehr tatsächliche Schwierigkeiten aufweisen, kommt diesem Kriterium besondere Bedeutung zu. Sind die Schiedsrichter mit den tatsächlichen Vorgängen innerhalb der Welt des Sports vertraut, fällt es ihnen leichter, die Argumente der Parteien zu Fra-

152 Ausführlich H. Raeschke-Kessler/K. P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 16 ff.; K -Η. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 1, Rdnr. 8 f.; für die Schweiz in Bezug auf Vereine bereits R. Piaget , ZSR 71 II (1952), S. 267a, 274a. Zu den Nachteilen staatlicher Gerichtsbarkeit in internationalen Verfahren auch J. A. R. Nafziger, 50 American Journal of Comparative Law (2002), S. 161, 172. 153

K -Η. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 1, Rdnr. 8.

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

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gen der Regelauslegung und -anwendung zu gewichten. 154 So sind etwa in einem Verfahren über die Wirksamkeit einer Dopingsperre vor einem staatlichen Gericht höhere Aufwendungen für die Sachverhaltsdarstellung und die Beweisführung notwendig als in einem Schiedsverfahren, bei dem die Schiedsrichter mit dem grundsätzlichen Ablauf einer Dopingprobe und mit den Sanktionsmodellen vertraut sind und deshalb gezielt auf bestimmte kritische Punkte eingehen können. 155 Andererseits kann die jahrelange Vertrautheit mit der Bearbeitung bestimmter Sachverhalte dazu führen, dass die juristische Bearbeitungstiefe eher gering ist, wenn weniger typische Probleme auftauchen oder eine der Parteien neue rechtliche Argumente anführt. Die Kenntnis der Bedürfnisse des Sports könnte sich auch dann als gedankliches Hindernis erweisen, wenn sich das staatliche Recht doch einmal den als notwendig empfundenen Regeln in den Weg stellt. 156

bb) Dauer des Verfahrens In der Welt des Sports spielt die Dauer einer Auseinandersetzung eine besondere Rolle. 157 Die Karriere eines Athleten beschränkt sich in vielen Sportarten auf einen Zeitraum von wenigen Jahren. Nicht nur während dieser Zeit sind Spitzenathleten von der Unterstützung von Sponsoren abhängig. Bei einem andauernden Streit über eine Startberechtigung sinkt der Werbewert des jeweiligen Athleten erheblich. Bei einer Entscheidung gegen den Athleten muss der Sponsor einen Imageverlust fürchten. Tritt zu diesen grundsätzlichen wirtschaftlichen Überlegungen eine Ungewissheit über die Dauer einer Auseinandersetzung hinzu, ist die wirtschaftliche Karriere eines Athleten bereits weit vor

154

7. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 486; U. Haas in: FVA des DSB (Hrsg.), Akademieschrift Nr. 49, S. 58, 60; ein Beispiel für mangelndes Verständnis beschreibt J.-P. Rochat in: G. Simon (Hrsg.), Cahiers de PINSEP No. 11, S. 54 f. 155 Vgl. etwa M. Beloff/T. Kerr/M. Demetriou, Sports Law, Rdnr. 8.81.; A. Samuel/R. GearharU 6 J. Int. Arb. 1989, S. 39, 41; kritisch zur Rolle der „sachkundigen Schiedsrichter in Vereinsangelegenheiten" L. Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, S. 120; zur Auswahl der Schiedsrichter aufgrund besonderer Fachkunde BGHZ 54, S. 392, 396. 156 Als Beispiel kann hier die Diskussion um die Zulässigkeit der „Strict-liability— Regel" gelten, die seit Jahren und in allen Instanzen mit Vehemenz geführt wird; dazu jüngst K. Vieweg/Chr. Paul, The International Sports Law Journal 1/2002, S. 2; V. Röhricht in: Württembergischer Fußballverband e.V. (Hrsg.), Sportrecht damals und heute, S. 15. 157 J. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 486; U. Haas in: FVA des DSB (Hrsg.), Akademieschrift Nr. 49, S. 58, 59; dazu auch jüngst BGE 129 III, S. 445, 457 = SpwRt 2004, S. 38, 39.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

35

Abschluss der letzten gerichtlichen Instanz beendet. Auch aus diesem Grund folgt dem Verfahren zur Überprüfung einer Vereinsmaßnahme zunehmend der Versuch, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. 158 Damit liegt es nicht nur im Interesse des betroffenen Athleten, sondern auch im Interesse des Vereins oder Verbands, eine schnelle endgültige Entscheidung herbeizuführen. Hier erweist sich das Schiedsverfahren erneut dem Verfahren vor staatlichen Gerichten als überlegen. Durch den Wegfall des Instanzenzugs im schiedsgerichtlichen Verfahren kann in vergleichsweise kurzer Zeit eine für beide Seiten klärende und vollstreckbare Entscheidung herbeigeführt werden. Das bisweilen bemängelte Fehlen einer Berufungsinstanz gegen die Entscheidungen des Schiedsgerichts stellt bei der Überprüfung von Disziplinarentscheidungen ein weniger großes Problem dar als in anderen Bereichen der Schiedsgerichtsbarkeit. Die vor dem Schiedsgericht angegriffene Sanktion ist meist schon vereinsintern auf ihre Regelkonformität überprüft worden. Das Schiedsverfahren ist damit nicht die erste, sondern die letzte Instanz eines gestuften Verfahrens zur Überprüfung einer Entscheidung. Verbandsverfahren und Schiedsverfahren arbeiten an dieser Stelle quasi Hand in Hand. Im Übrigen bleibt es den Parteien eines Schiedsverfahrens unbenommen eine zweite Instanz zu schaffen, die den Schiedsspruch noch einmal überprüft.

cc) Internationalität der Entscheidung Einer der Hauptvorteile der Schiedsgerichtsbarkeit auch im Bereich des Sports liegt darin, dass das Schiedsverfahren wie kein staatliches Gerichtsverfahren dem transnationalen Charakter eines Rechtsstreits gerecht werden kann. 159 Bei der Auslegung der Regelwerke internationaler Verbände können allein Schiedsgerichte einen international einheitlichen Standard kreieren, da sie nicht in gleichem Maße wie staatliche Gerichte auf nationale Besonderheiten Rücksicht nehmen müssen.160 Schwierige Fragen zur Zuständigkeit des jeweiligen staatlichen Gerichts oder Mehrfachzuständigkeiten in verschiedenen Jurisdiktionen mit der Gefahr divergierender Entscheidungen werden durch eine Schiedsvereinbarung sehr einfach vermieden. Die Schiedsvereinbarung

158 Zur Entscheidungsbefugnis von Schiedsgerichten über Schadensersatzansprüche J. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 643 ff. 159 In diesem Sinne mit Bezug zum Fall Katrin Zimmermann (geb. Krabbe) J. A. Faylor, 17 Arbitration International 2 (2001), S. 163, 164; G. Simon, Revue de l'arbitrage 1995, S. 185, 186; St. Netzle, ASA Special Series No. 11, S. 45,47. 160 / Adolphsen , Internationale Dopingstrafen, S. 484 spricht von einer „Denationalisierung" der Verfahren.

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Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

schafft eine einzige internationale Zuständigkeit, die aufgrund des „New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958"161 (UNÜ) von den allermeisten Staaten respektiert wird und zum Ausschluss der Zuständigkeit ihrer staatlichen Gerichte führt. Die negativen Effekte des „forum shopping" werden so erfolgreich vermieden. 162 Schließlich werden Entscheidungen von Schiedsgerichten auf der Grundlage des oben genannten völkerrechtlichen Vertrags in fast allen Ländern der Erde nach den gleichen Regeln anerkannt und vollstreckt. Schiedsverfahren vermeiden so unnötige Mehrfachprozesse bzw. Überlegungen, in welchem Land eine staatsgerichtliche Entscheidung im Notfall durchsetzbar sein muss. 163 Die Verfahrensregeln eines Schiedsgerichts sind im Vergleich zu staatlichen Prozessordnungen einfach und transparent gehalten und für jeden Rechtsanwalt handhabbar. Der Athlet muss so sein Prozessglück nicht in einer ihm fremden Jurisdiktion suchen.

dd) Kosten Im Bereich des Sports steht meist ein kaum finanzstarker Athlet einem ungleich finanzstärkerer Verein oder internationaler Verband gegenüber. 164 Aber auch der Verband muss seine Ausgaben im Bereich der Streitschlichtung gering halten, um seine Mittel zur Förderung des Sports einsetzen zu können. 165 Aufgrund der relativ geringen Streitwerte für die Überprüfung von Vereins- oder Verbandsentscheidungen aus dem Bereich des Sports müssten die wahren Kosten des Schiedsverfahrens im Vergleich zu den Kosten eines staatlichen Verfahrens als gravierender Nachteil empfunden werden. Dies wäre jedoch nur richtig, wenn das Schiedsgericht eine Kostendeckung wie in der Wirtschaftsschiedsgerichtsbar keit anstreben würde. Anders als vor staatlichen Gerichten fehlt im Schiedsverfahren die Möglichkeit einer „Quersubventionierung" der verschiedenen Verfahren. Im Prinzip müssen stets die tatsächlich in dem jeweiligen Fall angefallenen Kosten auf die Parteien umgelegt werden, sofern sich

161 „Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards", New York, 10.06.1958, 330 U.N.T.S. 38; BGBl. 1961 II, S. 122; für die Bundesrepublik in Kraft getreten am 28.09.1961, BGBl. 1962 II, S. 102; für die Schweiz AS 1965, S. 795 (SR 0.277.12). 162

B. Heß, ZZPint. 1998, S. 457,458. Dazu auch J. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 487.

IM

U. Haas in: FVA des DSB (Hrsg.), Akademieschrift Nr. 49, S. 58, 61; zu diesem Aspekt auch BGE 129 III, S. 445,461. 165 A. Samuel/R. Gearhart, 6 J. Int. Arb. 1989, S. 39, 41.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

37

nicht ein Dritter bereit erklärt, die Finanzierung des Schiedsverfahrens zu übernehmen. Die Lösung vieler Schiedsgerichte im Bereich des Sports ist die weitgehende Freistellung der Parteien von Verfahrenskosten und die Übernahme der Kosten durch einen Dritten. Dies stellt einen großen Vorteil für beide Seiten, besonders aber für die Athleten dar. Möglich ist die Freistellung jedoch nur, wenn die Verbände erhebliche Finanzzuschüsse für die Arbeit des jeweiligen Schiedsgerichts gewähren. Die dadurch entstehende finanzielle Abhängigkeit der Schiedsorganisation muss durch eine kreative Struktur aufgefangen werden, die einen faktischen Durchgriff des Geldgebers auf die unmittelbare Arbeit der Schiedsrichter ausschließt. Anderenfalls fehlt es dem Schiedsgericht an der notwendigen institutionellen Unabhängigkeit von beiden Parteien, wenn der Geldgeber selbst am Schiedsverfahren beteiligt ist. 166

2. Tribunal Arbitral du Sport Im Folgenden soll der Tribunal Arbitral du Sport (TAS) im Überblick vorgestellt werden. Einzugehen ist auf die Geschichte [dazu a)], die interne Organisation [dazu b)] und die verschiedenen Schiedsverfahren, die nach der Schiedsordnung vorgesehen sind [dazu c)].

a) Geschichte

aa) Anfangsjahre Die Einrichtung eines Schiedsgerichts zur Entscheidung typischer sportbezogener Streitigkeiten geht auf die Initiative des damaligen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Juan Antonio Samaranch, zurück. 167 Nach einer dreijährigen Vorbereitungsphase unter Führung des jetzigen Präsidenten der Schiedsorganisation und des Schiedsgerichts, Kéba Mbaye, eines Richters am IGH in Den Haag, wurde das Internationale Sportschiedsgericht (Tribunal Arbitral du Sport - TAS, Court of Arbitration for Sports - CAS)

166 Zurückhaltender mit Verweis auf die Finanzierung der staatlichen Gerichte BGE 129 III, S. 445,461 = SpwRt 2004, S. 38,41. 167 K. Mbaye, ASA Bulletin 1990, S. 114, 115 f.; ders., TAS (Hrsg.), Conférence du TAS, S. 11 f.

38

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

1983 in New Delhi gegründet. 168 Die erste Schiedsordnung trat am 30.06.1984 in Kraft. 169 Zunächst war das IOC bemüht, die als exklusiv verstandenen Kompetenzen der Sportverbände bei der Sanktionierung von Regelverstößen von der Zuständigkeit des Schiedsgerichts unangetastet zu lassen.170 So wurde betont, dass das Schiedsgericht nicht dazu berufen sei, „technische Fragen" 171 zu lösen; diese Aufgabe bleibe allein den Sportverbänden und dem IOC vorbehalten. 172 Zu „technischen Fragen" zählte man insbesondere alle Verstöße gegen Vereinsoder Verbandssatzungen. 173 Damals ging man weitgehend noch davon aus, dass solche Entscheidungen ohnehin gerichtsfest seien. 174 Der TAS sollte sich auf die Schlichtung sportbezogener Streitigkeiten beschränken, welche die wirtschaftliche Nutzung des Sports betrafen 175 und nicht in die Zuständigkeit der Verbände bzw. des IOC fielen. 176 Andererseits waren sich die Schöpfer der Schiedsordnung aber auch bewusst, dass sie ein echtes Schiedsgericht aus der Taufe hoben und deshalb an die Vorgaben des staatlichen Rechts in dieser Hinsicht gebunden waren. 177

168 Zur Konzeption Κ . Mbaye, Annuaire du droit français international 1984, S. 409; B. Simma in: K.-H. Böckstiegel u.a. (Hrsg.), FS Seidl-Hohenveldern (1988), S. 573; M. Reeb bei E. Loquin/G. Simon, Tribunal Arbitral du Sport, J.D.I. (Clunet) 2001, S. 234. 169

I "7Λ

M. Reeb in: M. Reeb (Hrsg.), Recueil du TAS, S. XIV. K. Mbaye , Annuaire du droit français international 1984, S. 409, 410 f.

171

„Questions techniques" vgl. K. Mbaye , Annuaire du droit français international 1984, S. 409, 411 und das dort abgebildete Schema; dazu auch B. Simma in: K.-H. Böckstiegel u.a. (Hrsg.), FS Seidl-Hohenveldern (1988), S. 573, 577. 172 So ausdrücklich Art. 4 Abs. 1 a.E. TAS-Code a.F., der von der Zuständigkeit des TAS alle Streitigkeiten ausnimmt, die durch die Olympische Charta selbst gelöst werden können. 173 Κ Mbaye, ASA Bulletin 1990, S. 114, 118. Letztlich läuft dies darauf hinaus, dass die Anwendung von Spielregeln nicht durch das Schiedsgericht überprüft werden kann; dazu schon P. Jolidon, Diskussion, ASA Bulletin 1990, S. 127 f.; im einzelnen unten S. 133 ff. 174 Andererseits verzichtete man aber darauf, den Eid für die Mitglieder der Olympischen Komitees um einen Verzicht auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen das IOC zu ergänzen, da dies nicht als „effektiv" beurteilt wurde; K. Mbaye, ASA Bulletin 1990, S. 114, 116. Die Wahl einer Schiedsklausel zeigt allerdings, dass der Rückgriff auf die Schiedsgerichtsbarkeit mit Hilfe des TAS zunächst schon von dem Willen getragen war, sich staatlicher Kontrolle zu entziehen; G. Simon, Revue de l'arbitrage 1995, S. 185, 189. 175 U. Haas, ZEuP 1999, S. 355, 361; St. Netzle in: V. Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 9; St. Netzle , ASA Special Series No. 11, S. 45,48. 176

K. Mbaye , Annuaire du droit français international 1984, S. 409,412.

177

Vgl. K Mbaye , Annuaire du droit français international 1984, S. 409, 416,424.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

39

Die Schiedsorganisation verfügte von Beginn an über eine Schiedsordnung, die sowohl die organisatorischen Fragen als auch das Verfahren an sich regelte. 178 Eine rechtlich selbständige Struktur bestand allerdings anfangs noch nicht. Organisatorisch war der TAS noch eine Abteilung des IOC, die nur nach innen über eine weitgehende Autonomie verfügte. 179 Anfangs ernannte der Präsident des IOC persönlich 40 und ab 1986 60 Schiedsrichter 180 des Schiedsgerichtshofs auf Vorschlag der verschiedenen Mitglieder der Olympischen Bewegung 181 . Später wurde dieses Ernennungsrecht auf die Hälfte der Mitglieder reduziert. Die andere Hälfte konnte dann bereits direkt von den internationalen Verbänden bestimmt werden, Art. 7 TAS-Code a.F. (1990). Zu Beginn der Geschäfte des TAS war der Präsident des IOC in Personalunion auch der Präsident des TAS. 1 8 2 Die alltägliche Arbeit wurde jedoch von einem so genannten „Exekutivpräsidenten" ausgeführt. Ab 1990 wurde die Personalunion aufgegeben und die Funktionen des Präsidenten und des Exekutivpräsidenten wurden zusammengelegt. Jedoch musste der Präsident des TAS zunächst noch weiterhin Mitglied des IOC sein, Art. 6 Abs. 2 S. 2 TAS-Code a.F. (1990). 183 Das IOC stellte damals auch allein die Finanzierung aus eigenen Mitteln sicher. 184 Nach einem eher ruhigen Start wuchs die Zahl der Schiedsverfahren zu m Ende der achtziger Jahre stetig an. 185 Als entscheidender Schub erwies sich dabei die Öffnung des TAS auch für die Überprüfung von Verbandssanktionen. 186 Anfangs machten die Verbände von diesem Angebot noch zurückhal-

178 Code de l'arbitrage en matière de Sport (Schiedsgerichtsordnung für Streitigkeiten im Bereich des Sports), zuletzt geändert durch Beschluss des CIAS vom 03.12.2003 mit Wirkung zum 01.01.2004, im Folgenden „TAS-Code". Die Regeln können unter www.tas-cas.org (Abrufdatum: 01.03.2004) heruntergeladen werden. Eine („nicht amtliche") deutsche Übersetzung der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung ist abgedruckt bei Chr. Vedder/M. Lämmer, Olympische Charta 2001, S. 87 ff. 179 Die alte Struktur beschreibend noch D. Panagiotopoulos, 6 Villanova Sports & Entertainment Law Journal (1999), S. 49. 180 B. Simma in: K.-H. Böckstiegel u.a. (Hrsg.), FS Seidl-Hohenveldern (1988), S. 573, 576. 181

Zur Olympischen Bewegung B. Simma in: K -Η. Böckstiegel u.a. (Hrsg.), FS Seidl-Hohenveldern (1988), S. 573, 574. 182 K. Mbaye, Annuaire du droit français international 1984, S. 409, 413.; zur frühen Kritik an dieser Personalunion schon ders., ASA Bulletin 1990, S. 114, 125. 183 Zur Reform K. Mbaye, ASA Bulletin 1990, S. 114, 125. 184

M. Reeb in: M. Reeb (Hrsg.), Recueil du TAS, S. XIV.

185

Vgl. den Überblick bei D. Hahn in: TAS (Hrsg.), Recueil du TAS 1993, und die Statistik bei M. Reeb (Hrsg.), Recueil du TAS, S. 664. 186

M. Reeb (Hrsg.), Recueil du TAS II, S. 1.

40

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

tend Gebrauch. Neben einigen schweizerischen Verbänden erkannte bis 1991 nur der Internationale Reiterverband den TAS als letzte Instanz an. 187 Dies erklärt auch, warum sich so viele Entscheidungen bis Anfang der neunziger Jahre mit dem Pferdesport beschäftigten.

bb) Gundel-Entscheidung Von Anfang an betonte der TAS seine Unabhängigkeit von den internationalen Verbänden und seinen Willen, auch als vom IOC unabhängig angesehen zu werden. 188 In einem Urteil aus dem Jahr 1993 entschied das schweizerische Bundesgericht, dass der TAS als echtes Schiedsgericht anzusehen sei. 189 Im einem Verfahren über die Aufhebung einer Entscheidung des TAS erklärte sich das Gericht als zuständig für die Überprüfung der angegriffenen Entscheidung gemäß Art. 190 Abs. 2, 191 IPRG. Voraussetzung der Zuständigkeit war, dass es sich bei der angegriffenen Entscheidung um einen Schiedsspruch, also um eine Entscheidung eines Schiedsgerichts im Sinne des IPRG handelte. Dabei untersuchte das Gericht, ob der TAS als Schiedsgericht bzw. die Schiedsorganisation gegenüber dem im Verfahren verklagten Verband hinreichend unabhängig war. Das Bundesgericht folgte der in der bis zu diesem Zeitpunkt in der juristischen Literatur geäußerten Ansicht 190 und entschied „nicht ohne Zögern", 191 dass die vom TAS gefällten Entscheidungen zumindest dann als Schiedssprüche anzusehen seien, wenn das IOC nicht am Verfahren beteiligt sei. Diese Einschränkung auf Verfahren ohne Beteiligung des IOC traf das Bundesgericht im Hinblick auf die damals zweifellos bestehenden „organischen und wirtschaftlichen Bindungen" 192 zwischen dem TAS und dem IOC. Wie bereits beschrieben, stellte das IOC zu diesem Zeitpunkt nicht nur die Finanzierung des TAS sicher, Art. 71 TAS-Code a.F. (1990), sondern besaß auch die alleinige Kompetenz, die Schiedsregeln zu ändern, Art. 75 TAS-Code a.F.

187

M. Reeb in: ders. (Hrsg.), Recueil du TAS, S. XV.

188

Α. Samuel/R. GearharU 6 J. Int. Arb. 1989, S. 39, 43 f.

189

BGE 119 II, S. 271 = ASA Bulletin 1993, S. 398 = Pra. 84 (1995), S. 753 (deutsche Übersetzung); vgl. dazu auch die Anmerkungen und Beiträge von J. Paulsson, Mealey's International Arbitration Report, 10/1993, S. 12; J. Paulsson, 9 Arbitration International 4 (1993), S. 359; D. Levy , ESPORT NR. 31, S. 37. 190 A. Samuel/R. Gearharu J. Int. Arb. 1989, S. 39; J. A. R. Nafziger, American Journal of International Law 1992, S. 489, 508; D. Oswald in: Univ. de Neuchâtel (Hrsg.), FS Grossen (1992), S. 67, 80 f. 191 [N]on sans hésitation du reste", BGE 119 II, S. 271, 279 = Pra. 84 (1995), S. 753, 759. 192

BGE 119 II, S. 271, 280 = Pra. 84 (1995), S. 753, 760.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

41

(1990), sowie die Hälfte der Schiedsrichter der nur 60 Mitglieder zählenden geschlossenen Liste zu berufen, Art. 7 TAS-Code a.F. (1990). 193

cc) Reform 1994 Nach der Entscheidung des Bundesgerichts wurde der TAS 1994 einer weit reichenden Umstrukturierung unterzogen, die zu seiner heutigen Form führte. 194 Die Eckpunkte der neuen Organisation wurden am 22.06.1994 anlässlich eines olympischen Kongresses in Paris in der so genannten „Pariser Konvention" 1 9 5 niedergelegt. Organisatorisch erhielt der TAS mit der Gründung des „Conseil International de l'Arbitrage en matière de Sport (CIAS)" einen Unterbau, der ihm seitdem eine rechtlich vom IOC unabhängige Position verleiht. 196 In der Konvention von Paris verpflichteten sich die Mitglieder der Olympischen Bewegung zudem, den TAS als Berufungsinstanz für von ihnen getroffene Entscheidungen anzuerkennen. Dieser Verpflichtung sind inzwischen alle Mitglieder der Olympischen Bewegung nachgekommen. Das IOC selbst fügte 1995 den jetzigen Art. 74 der Olympischen Charta ein, der alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen einer Entscheidung durch den TAS zuweist. 197 Der TAS wird heute von insgesamt 33 internationalen olympischen Sportverbänden und etwa zehn nichtolympischen Sportverbänden sowie einer Reihe von regionalen (UEFA, FIBA Europe) und nationalen Sportverbänden als zuständige Instanz für Berufungen gegen die Entscheidungen ihrer Organe anerkannt. 198 Gemäß Art. 13 WADA-Code ist der TAS schließlich auch die letzte Instanz in allen Streitigkeiten, die sich aus der Verhängung von Sanktionen nach dem WADA-Code ergeben. 199

193

Dazu K. Mbaye, Annuaire du droit français international 1984, S. 409,413 ff.

194

Dazu M. Reeb in: ders. (Hrsg.), Recueil du TAS, S. XVIII ff.; G. Schwaam ESPORT NR. 31, S. 33 ff. 195

„Convention relative à la constitution du Conseil International de l'arbitrage en matière de Sport (CIAS)", abgedruckt bei M. Reeb (Hrsg.), Recueil du TAS II, S. 881. 196 „... [A] layer of insulation from one of the Court's primary sources of funds, the International Olympic Committee (IOC)", R. H. McLaren , 12 Marquette Sports Law Review (2001), S. 515, 519. 197

G. Kaufmann-Köhler, ASA Bulletin 1996, 433, 435 = Mealey's International Arbitration Report 2/1997, S. 20, 21. 198

M. Reeb (Hrsg.), Recueil du TAS II, S. 127.

199

Zum Inhalt des WADA-Codes G. Petri, SpwRt 2003, S. 183 ff. u. S. 230 ff. Zu grundrechtlichen Problemen im Zusammenhang mit dem WADA Anti-Doping-Code A. Rigozzi, G. Kaufmann-Kohler,

G. Malinverni,

(2003) I.S.L.R. 3, S. 39.

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

42

Mit der Einführung der neuen Struktur wurde auch die Schiedsordnung wesentlich überarbeitet und nach den Erfahrungen der ersten zehn Jahre den Erfordernissen des schweizerischen Schiedsverfahrensrechts angepasst.200 Zu erwähnen ist hier vor allem die Einführung spezieller Regeln für die Anfechtung von Disziplinarentscheidungen von Verbänden, das so genannte Berufungsverfahren, das zum 01.01.2004 für die Anfechtung aller Entscheidungen von Vereinen und Verbänden geöffnet wurde. 201 Die Rechtsprechung des TAS begann mit dem Fall eines Trainers, der von seinem Verband sanktioniert worden war, weil er die Gegenspieler und den Schiedsrichter mit einem Stock traktiert hatte. Dieser Verstoß gegen den FairPlay-Grundsatz wurde von den Schiedsrichtern als sanktionswürdig bestätigt und der Antrag des Trainers auf Aufhebung dieser Entscheidung wurde zurückgewiesen. 202 Mittlerweile sind die vom TAS behandelten Fälle auf über 600 angewachsen. Die Statistik zeigt, dass die Zahl der Fälle von Jahr zu Jahr zunimmt. 203 Einen Schwerpunkt der Arbeit bilden dabei weiterhin Schiedsverfahren über die Rechtmäßigkeit von Vereins- und Verbandsmaßnahmen. Hier nimmt der TAS eine prominente Stellung vor allem bei der Bekämpfung des Dopings ein. 2 0 4

dd) Lazutina/Danilova-Entscheidung In einem Urteil aus dem Jahr 2003 hat sich das schweizerische Bundesgericht dann ausführlich mit der Frage beschäftigt, ob die Reformen aus dem Jahr 1994 dazu geführt haben, dass der TAS heute generell als eine von den Verbänden und dem IOC unabhängige Schiedsorganisation anzusehen ist. 2 0 5 Es hat diese Frage im Hinblick auf die heutige Organisationsstruktur des TAS, die Benennung der Schiedsrichter und die Finanzierung und die Ausgestaltung der

200

Kaufmann, TAS (Hrsg.), Conférence du TAS, S. 56.

201

Vgl. Art. R47 ff.: engl.: „Appeal Arbitration Procedure"; frz.: „Procédure arbitrale d'appel". 202 Vgl. TAS 86/01 - HC X. v. LSHG (1987), Recueil du TAS, S. 277 ff.; dazu G. Simon , Revue de l'arbitrage 1995, S. 185, 215. 203 Vgl. die Statistiken im Recueil du TAS, S. 661 f. und im Recueil du TAS II, S. 887 f. 204 Dazu Sì. Netzle in: Κ. Vieweg (Hrsg.), Doping, Realität und Recht, S. 197 ff.; B. Pflster, SpwRt 2000, S. 133 ff.; M. Reeb in: V. Röhricht/K. Vieweg (Hrsg.), DopingForum, S. 63 ff.; M. Beioff \n: J. O'Leary (Hrsg.), Drugs and Doping in Sport; S. 39 ff.; F. Oschatz, The International Sports Law Journal 2/2001, S. 22 ff. 205

BGE 129 III, S. 445,455 ff. = SpwRt 2004, S. 38, 39 ff.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

43

einzelnen Schiedsverfahren bejaht. Damit ist der TAS heute zumindest in der Schweiz als unabhängiges Schiedsgericht anerkannt.

b) Organisation Der TAS ist ein institutionelles Schiedsgericht mit Sitz in Lausanne, Schweiz. Die Schiedsinstitution gliedert sich organisatorisch in den „Conseil International de l'Arbitrage en matière de Sport" (CIAS), der als Aufsichtsorgan zwei verschiedene Kammern betreut und in die einzelnen Schiedsgerichte für das jeweilige Verfahren. Die Arbeit des CIAS und der Schiedsgerichte wird logistisch durch ein Sekretariat unterstützt. 206

aa) Conseil International de l'Arbitrage en matière de Sport (CIAS) Der C I A S 2 0 7 ist eine Stiftung schweizerischen Rechts gemäß Art. 80 ZGB. Diese Stiftung wurde mit der Pariser Konvention durch die Mitglieder der Olympischen Bewegung 208 ins Leben gerufen. Der CIAS ist die juristische Trägerorganisation des TAS. Die Stiftung finanziert sich aus den Einnahmen der Verbände durch die Vermarktung der Fernsehrechte an den Olympischen Spielen. Von dem einem Mitglied der Olympischen Bewegung zustehenden Anteil wird ein bestimmter Prozentsatz an die Stiftung überwiesen. 209 Das so eingenommene Geld wird für die Arbeit des TAS und seiner Schiedsgerichte ausgegeben. Mitglieder des CIAS sind 20 „hochklassige Juristen", Art. S4 TAS-Code. Von ihnen werden vier Personen durch die Organisationen der internationalen

206 Die den TAS beschreibende Literatur ist umfassend: zuerst K. Mbaye, Annuaire du droit français international 1984, S. 409; G. Schwaar in: GISS (Hrsg.), Chapitres choisis du droit du sport, S. 59; St. Netzle in: V. Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 9; M. Reeb in: K. Vieweg (Hrsg.), Doping, Realität und Recht, S. 63; auch K. Hofmann, SpwRt 2002, S. 7. 207

Zur Funktion vgl. die Präambel des TAS-Code, abgedruckt bei G. Schwaar, ESPORT Nr. 31, S. 33, 36; A. Polvino, Emory International Law Review 1994, S. 347, 374. 208

Die einzelnen internationalen Verbände wurden dabei durch den Verband der Sommersportarten und den Verband der Wintersportarten repräsentiert. Hinzu kommen das IOC und die Vereinigung der Nationalen Olympischen Komitees, vgl. auch Art. 3 Olympische Charta. 209 Art. 3 Pariser Konvention. Das Budget des CIAS/TAS hatte 2000 ein Volumen von 1,8 Mio. CHF, M. Reeb (Hrsg.), Recueil du TAS II, S. xvi.

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

44

Verbände bestimmt: Ein Mitglied wird durch die Vereinigung der Wintersportverbände delegiert, drei Mitglieder werden durch die Vereinigung der Sommersportverbände entsandt. Vier weitere Mitglieder des CIAS werden durch die Vereinigung der nationalen Olympischen Komitees berufen. Weitere vier Personen werden durch das IOC direkt entsandt. Diese zwölf Mitglieder kooptieren wiederum vier Mitglieder, die unter besonderer Berücksichtigung der Interessen der Athleten ausgewählt werden sollen. Die so bestimmten 16 Mitglieder berufen schließlich vier weitere Mitglieder, die von den bisher genannten Gruppen unabhängig sind. Die Länge des Mandats der Mitglieder beträgt vier Jahre. Eine Wiederwahl ist zulässig, Art. S5 Abs. 1 TAS-Code. Der Präsident des CIAS wird auf Vorschlag des IOC aus der Mitte der Mitglieder des CIAS gewählt, Art. S6 TAS-Code. Er ist gleichzeitig auch Präsident des TAS, Art. S9 TAS-Code. Der CIAS wählt zudem zwei Vizepräsidenten; einen auf Vorschlag der internationalen Verbände und einen auf Vorschlag der Vereinigung der Olympischen Komitees. Die Vizepräsidenten vertreten den Präsidenten in der Reihenfolge ihres Alters. Schließlich wählt der CIAS aus seiner Mitte die Vorsitzenden der beiden Kammern nebst ihren Stellvertretern. Die Mitglieder der CIAS können weder als Schiedsrichter noch als Parteivertreter an den Schiedsverfahren des TAS teilnehmen, Art. S5 Abs. 4 TAS-Code. Zu den Aufgaben des CIAS gehört es, die Schlichtung sportbezogener Streitigkeiten durch Schiedsverfahren oder Mediation zu fördern sowie die Unabhängigkeit des TAS und die Wahrung der Rechte der an den Verfahren beteiligten Parteien zu gewährleisten. Zu diesem Zweck stellt der CIAS vor allem die Verwaltung und Finanzierung des TAS sicher, Art. S2 TAS-Code. 210 Die Schiedsordnung räumt dem CIAS in Art. S6 TAS-Code daher insbesondere die folgenden Befugnisse ein: Änderung der Schiedsregeln, Besetzung der Schiedsrichterliste (Ernennung und Abberufung von Schiedsrichtern), Entscheidungen über die Anträge auf Ablehnung von Schiedsrichtern, Ernennung des Generalsekretärs und Aufsicht über das Sekretariat, finanzielle Kontrolle der Arbeit des TAS sowie Einrichtung eines Prozesskostenhilfefonds. Ferner kann der CIAS mittels Beschluss regionale oder lokale Schiedsgerichtsstrukturen ins Leben rufen, die entweder permanent oder nur kurzfristig tätig werden. Im Herbst 1995 wurde so durch Beschluss des CIAS erstmals eine Kammer geschaffen, die zur Entscheidung von Streitigkeiten anlässlich der Olympischen Spiele einberufen wurde. 211 Diese Kammer kam wegen ihrer als positiv bewerteten

2,0 211

Vgl. dazu auch die Generalermächtigung in Art. S6 Nr. 10 TAS-Code.

Vgl. dazu Beschluss des CIAS vom 28.09.1995 in: Mealey's International Arbitration Report, 2/1997, S. Al.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

45

Arbeit nicht nur bei den Spielen in Atlanta, 212 Nagano 213 und Sydney, 214 sondern auch in Salt Lake City 2 1 5 zum Einsatz. 216 Zudem berief der CI AS auch eine Kammer für die Commonwealth-Spiele in Kuala Lumpur 1998 und Manchester 2002 sowie für die Fußball-Europameisterschaft im Jahr 2000. 217 Eine solche „Ad-hoc-Kammer" besteht aus bis zu 12 besonders ausgewählten Schiedsrichtern, die innerhalb von 24 Stunden über Schiedsanträge entscheiden sollen. Die Mehrzahl der Entscheidungen werden nicht im Plenum des CIAS getroffen, das sich lediglich einmal im Jahr trifft, Art. S8 Abs. 1 TAS-Code. Zuständig für die „alltägliche" Arbeit ist vielmehr ein Ausschuss,218 der aus dem Präsidenten, seinen Vizepräsidenten und den Präsidenten der beiden Kammern besteht, Art. S7 Abs. 1 TAS-Code. Dem Plenum bleiben aber die Kernaufgaben vorbehalten, Art. S7 Abs. 2 TAS-Code. Entscheidungen des CIAS können entweder in Sitzungen oder im Umlaufverfahren getroffen werden. Eine Sitzung ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist, Art. S8 Abs. 2 S. 1 TAS-Code. Für den Ausschuss liegt das Quorum bei drei Personen, Art. S10 Abs. 3 S. 1 TAS-Code. Entscheidungen werden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der Stimmen getroffen. Lediglich zur Änderung der Schiedsordnung bedarf es einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des CIAS. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Präsidenten, Art. S8 Abs. 2 S. 2, S10 Abs. 3 S. 2 TAS-Code. Eine Übertragung des Stimmrechts ist bei Abstimmungen des CIAS unzulässig, Art. S8 Abs. 2 S. 4 TAS-Code. Für Sitzungen des Ausschusses enthält die Schiedsordnung keine vergleichbaren Regelungen. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum auf den Ausschuss des CIAS in dieser Hinsicht andere Verfahrensregelungen Anwendung

Auszüge der Entscheidungen in: M. Reeb (Hrsg.), Recueil du TAS, S. 375; G. Kaufmann-Kohler, ASA Bulletin 1996, S. 433 = Mealey's International Arbitration Report, 2/1997, S. 20; J. Pilgrim , 14 Entertainment and Sports Lawyer 4 (1997), S. 1. 213

Auszüge der Entscheidungen in: M. Reeb (Hrsg.), Recueil du TAS, S. 417 ff; G. Kaufmann- Ko hier, ASA Bulletin 1998, S. 311. 214

Dokumentation der Entscheidungen in: TAS (Hrsg.), CAS-Awards - Sydney 2000; D.-R. Martens/F. Oschatz, SpwRt 2001, S. 4; M. Beioff, Int.S.L.R. 2001, S. 105; G. Kaufmann-Kohler, Arbitration at the Olympics, S. 7 ff. 215 Im Überblick D.-R. Martens/F. Oschatz, SpwRt 2002, S. 89. 216 Schließlich wurde aus Anlass der Commonwealth-Spiele 1998 eine den olympischen Kammern entsprechende Ad-hoc-Kammer gebildet, M. Reeb in: ders. (Hrsg.), Recueil du TAS, S. XIII, XX. 217

218

M. Reeb (Hrsg.), Recueil du TAS II, S. 593; M. Beioff, Int.S.L.R. 2001, S. 105. Frz.: „Bureau", engl.: „Board".

46

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

finden sollen als auf den CIAS selbst. Daher ist auch bei Sitzungen des Ausschusses eine Stimmrechtsübertragung unzulässig.

bb) Tribunal Arbitral du Sport (TAS) Hauptaufgabe des TAS ist es, Konflikte mit einem Bezug zum Sport mittels Schiedsgerichtsbarkeit zu lösen, Art: S3 Abs. 1 TAS-Code. Dazu beruft er von seiner Schiedsrichterliste Schiedsgerichte ein, die aus einem oder drei Schiedsrichtern bestehen, Art: S3 TAS-Code, und stellt den ordnungsgemäßen Ablauf des jeweiligen Schiedsverfahrens sicher, Art. S12 Abs. 1 und 2 TAS-Code. Der TAS wird auf drei Feldern tätig, Art. S12 Abs. 3 TAS-Code: Erstens soll er im ordentlichen Verfahren über Streitigkeiten entscheiden, die aufgrund einer Schiedsvereinbarung an ihn herangetragen werden. Zweitens ist der TAS berufen, im Zuge eines Berufungsverfahrens Entscheidungen von Vereinen und Verbänden zu überprüfen, sofern diese eine Schiedsklausel in ihre Statuten aufgenommen haben oder zwischen den Parteien eine entsprechende Schiedsvereinbarung getroffen wurde. Drittens hat der TAS die Aufgabe, auf Antrag des IOC, eines internationalen Verbands, eines nationalen Olympischen Komitees, eines vom IOC besonders anerkannten Verbands oder des Organisationskomitees der Olympischen Spiele nicht bindende Rechtsgutachten zu erstellen. Als Schiedsrichter des TAS kann nur berufen werden, wer in die Schiedsrichterliste des TAS eingetragen ist, die durch den CIAS erstellt wird, Art. S18 Abs. 1 TAS-Code. Für diese Liste ist eine Mindestzahl von 150 Schiedsrichtern vorgeschrieben, Art. S13 Abs. 2 TAS-Code. Derzeit beträgt die Zahl der Schiedsrichter 186. 219 Als Schiedsrichter kann nur berufen werden, wer eine juristische Ausbildung genossen hat und anerkannte Kenntnisse im Bereich des Sportrechts und/oder der Schiedsgerichtsbarkeit besitzt, gute Kenntnisse des Sports im Allgemeinen hat und mindestens einer der Arbeitssprachen des TAS (Englisch und Französisch) mächtig ist, Art. S14 TAS-Code. Gemäß dieser Vorschrift wird jeweils ein Fünftel der Schiedsrichter auf Vorschlag des IOC, der internationalen Verbände und der Vereinigung der nationalen Olympischen Komitees gewählt. Ein weiteres Fünftel soll durch den CIAS unter besonderer Berücksichtigung der Interessen der Athleten gewählt werden. Das letzte Fünftel ist aus einem Personenkreis zu wählen, der von den vorgenannten Kreisen unabhängig ist. Die Schiedsrichterliste stimmt damit bezüglich der Gewichtung der Gruppen mit den Verhältnissen innerhalb des CIAS überein. Gleichzeitig ist bei der Wahl der Schiedsrichter auch auf eine angemessene geographische Verteilung Rücksicht zu nehmen, Art. S16 TAS-Code. Die Amtsdauer eines

2,9

M. Reeb bei E. Loquin/G. Simon, J.D.I. 2001, S. 233, 239.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

47

Schiedsrichters beträgt vier Jahre; eine Wiederwahl ist zulässig, Art. S13 Abs. 1 TAS-Code. Der TAS ist in zwei Kammern aufgeteilt: eine Kammer für ordentliche Verfahren 220 und eine Kammer für Berufungsverfahren , Art. S3 Abs. 2, S20 TAS-Code. Die erstgenannte Kammer ist für Streitigkeiten zuständig, die aus einem Vertragsverhältnis mit einem Bezug zum Sport entspringen. 222 Die zweite Kammer soll die von Verbandsorganen getroffenen Entscheidungen überprüfen. Für das Verfahren der Kammern wurden jeweils spezielle Regelungen geschaffen. 223 Die Schiedsrichter selbst sind nicht auf die Arbeit in nur einer Kammer beschränkt, Art. S18 Abs. 1 TAS-Code. Beiden Kammern steht jeweils ein Präsident vor, der Mitglied des CIAS ist und selbst nicht als Schiedsrichter benannt werden kann, Art. S5 Abs. 3 TASCode. Der Präsident der Berufungskammer kann bspw. bestimmen, ob die Sache vor einem mit einem oder drei Personen besetzten Schiedsgericht gehört werden soll, Art. R50 TAS-Code. Er benennt allein den Vorsitzenden des Schiedsgerichts und ist insoweit in keiner Weise an Vorschläge der Parteien gebunden, muss jedoch die von den Parteien ernannten Mitschiedsrichter anhören Art. R54 Abs. 2 S. 1 TAS-Code. Im ordentlichen Verfahren ist der Kammerpräsident für die Bestimmung der Zahl der Schiedsrichter und ihre Benennung nur zuständig, wenn es die Parteien versäumen, ihren Pflichten in dieser Hinsicht nachzukommen. Eine weitere Aufgabe der Kammerpräsidenten ergibt sich aus deren Befugnis, vor der Bestellung des ansonsten zuständigen Schiedsgerichts einstweilige Maßnahmen anzuordnen, Art. R37 Abs. 2 TASCode. Der Präsident der Berufungskammer kann zudem die Vollziehung der angegriffenen Vereins- oder Verbandsentscheidung aussetzen, Art. R52 S. 3 TAS-Code.

220

sion".

Frz.: „La Chambre d'arbitrage ordinaire"; engl.: „The Ordinary Arbitration Divi-

221

Frz.: „La Chambre arbitrale d'appel"; engl.: „The Appeals Arbitration Provision". Dies entspricht der ursprünglichen Idee, lediglich rein wirtschaftliche Streitigkeiten mit einem Bezug zum Sport von einem Schiedsgericht entscheiden zu lassen; vgl. A. Samuel/R. Gearhart, J. Int. Arb. 1989, S. 39, 43. Die Zahl der Berufungsverfahren überstieg jedoch schon in den Anfangsjahren deutlich die Zahl der ordentlichen Verfahren; vgl. die Statistik in Recueil du TAS, S. 662. 222

223 Art. R38-R46 TAS-Code für das ordentliche Verfahren und Art. R47-R59 TASCode für das Berufungsverfahren.

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

48

cc) Sekretariat Schließlich verfügt der TAS noch über ein Sekretariat, das die Aufgaben der Geschäftsstelle der Schiedsgerichte wahrnimmt. Das Sekretariat des TAS ist mit einem Generalsekretär und weiteren Sekretären 224 besetzt, Art. S22 Abs. 1 TAS-Code. Der Generalsekretär des TAS übt daneben auch die Funktionen eines Sekretärs des CIAS aus. In dieser Eigenschaft nimmt er an den Sitzungen des CIAS und seines Ausschusses mit beratender Stimme teil, Art. S8 Abs. 3, S10 Abs. 2 TAS-Code. Für die einzelnen Schiedsverfahren können den Schiedsgerichten weitere Gerichtssekretäre zugeteilt werden, deren Aufgabe es ist, das Schiedsgericht bei der Erstellung des Protokolls der Anhörungen sowie bei der Vorbereitung eines Entscheidungsentwurfs zu unterstützen. Als Gerichtssekretäre werden meist junge Anwälte aus der Umgebung des jeweiligen Verhandlungsorts herangezogen. Seit längerer Zeit gibt es zwei Außenbüros des TAS für Amerika (New York) und für Ozeanien (Sydney), die Schiedsverfahren betreuen, die einen starken geographischen Bezug zu diesen Kontinenten aufweisen. 225 In Australien besteht die Besonderheit des Verfahrens darin, dass das Verfahren durch das Außenbüro als ein erstinstanzliches Schiedsverfahren ausgestaltet wurde, und nach dessen Entscheidung eine Berufung zum „normalen" TAS möglich ist. Zwischen 1998 und 2000 wurden insgesamt 12 Verfahren abgewickelt. 226 Ganz im Gegensatz hierzu steht die Arbeit des TAS in den USA. Der TAS wird hier im Wesentlichen als (Berufungs-)Instanz nach einem AAA-Schiedsverfahren tätig. 2 2 7 Geht eine Schiedsklage beim TAS ein, bestimmt das Sekretariat zunächst die Natur des Rechtsstreits und weist danach die eingegangene Schiedsklage einer der beiden Kammern zu. Diese Zuweisung kann durch die Parteien nicht beanstandet werden, Art. S20 Abs. 2 TAS-Code. Die Folgen einer Fehlentscheidung in diesem Verfahrensstadium können gravierend sein. Da den Parteien durch die Schiedsordnung kein Recht auf Anfechtung der Zuweisungsentscheidung gewährt wird und die Regeln zur Besetzung des Schiedsgerichts je nach Verfahrensart variieren, liegt bei einer falschen Entscheidung ein Besetzungsfehler vor. Dieser kann zur Aufhebung des Schiedsspruchs oder zu seiner Nichtaner-

224 Frz.: „Conseiller"; engl.: „Counsel"; im Moment gibt es neben dem Generalsekretär noch zwei weitere Sekretäre und eine Sekretärin. 225

M. Reeb bei E. Loquin/G. Simon, J.D.I. 2001, S. 233, 239.

226

TAS Recueil II, S. 573.

227

Dazu im einzelnen unten Seite 59.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

49

kennung führen. 228 Nach der Zuweisung des Rechtsstreits an die jeweilige Kammer stellt das Sekretariat die Schiedsklage der beklagten Partei zu, außer wenn es schon ganz offensichtlich an einer Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien fehlt, Art. R39 Abs. 1 S. 1, R52 S. 1 TAS-Code. 229 Während des Schiedsverfahrens sichert das Sekretariat die Kommunikation zwischen den Parteien und veranlasst die Zustellung von Schriftstücken, Art. R31 TAS-Code. Es überwacht ferner die Einhaltung der in der Schiedsordnung für die Bestellung des Schiedsgerichts festgesetzten Fristen, Art. R40.2 Abs. 2 TAS-Code. Wenn das Schiedsgericht besetzt ist, stellt das Sekretariat ihm die Verfahrensakten zu, Art. R40.3 Abs. 2, R54 Abs. 3 TAS-Code. Im ordentlichen Verfahren ist das Sekretariat schließlich auch für die Kostenfestsetzung und -beitreibung verantwortlich, Art. R64.2, 64.4 TAS-Code.

c) Verfahrensarten Bis 1994 sah die Verfahrensordnung zwei verschiedene Verfahren vor: ein ordentliches Schiedsverfahren und die Möglichkeit zur Erstellung eines nicht verbindlichen Rechtsgutachtens für Fragen mit Bezug zum Sport. Mit der Reform von 1994 wurden zusätzliche Regeln für ein ,3erufungsverfahren" gegen Disziplinarmaßnahmen von Vereinen und Verbänden eingefügt, das seit 2004 für alle Entscheidungen (Nominierungsentscheidungen, Transferentscheidungen, Verwaltungsentscheidungen) geöffnet ist. Ab 1996 kamen schließlich noch spezielle Schiedsordnungen für die ,Ad-hoc-Kammern" bei den Olympischen Spielen hinzu. Reine Ad-hoc-Verfahren organisiert und betreut der TAS hingegen nur bei Vorliegen besonderer Umstände. 230 Die vier verschiedenen Verfahren, in denen eine Entscheidung des TAS ergehen kann, weisen einige Besonderheiten auf, die im Folgenden im Überblick dargestellt werden.

228 Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ; §§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d., 1060 Abs. 2 ZPO; Art. 36 lit. a SchKonk; Art. 190 Abs. 2 lit. a. IPRG. Im Gegensatz zu den anderen Regelungen macht die ZPO hier allerdings die Einschränkung, dass eine Aufhebung bzw. Nichtanerkennung nur dann auszusprechen ist, wenn „anzunehmen ist, dass sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat". Dazu K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 24, Rdnr. 30. 229 Vgl. dazu TAS 2000/A/288 - T. v. CNOSF (2000), TAS Recueil II, S. 759 f.; TAS 2000/A/297 - R. v. IOC, IWF u.a. (2000), TAS Recueil II, S. 761 f. 230 R. H. McLaren , 12 Marquette Sports Law Review (2001), S. 515, 518; so etwa das Verfahren TAS 2000/A/270 - M.M. & M. v. FINA (2001), S. 4, das eine Wiederaufnahme eines früheren Verfahrens betraf. Das Schiedsverfahren erfolgte hier auf der Grundlage einer eigenständigen Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien.

50

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport aa) Ordentliches Verfahren

Das ordentliche Verfahren dient der Schlichtung von Streitigkeiten, die in vertraglichen Beziehungen mit einem Bezug zum Sport ihren Ursprung haben. Beispiele sind hier neben Veranstalterverträgen auch Sponsorverträge, Managementverträge etc. 231 Hinzu kommen Schiedsverfahren über die zivilrechtliche Verantwortlichkeit bei Unfällen. 232 Damit sammeln sich heute im ordentlichen Verfahren all diejenigen Streitigkeiten, die man bei Gründung des TAS zu den „nicht technischen Verfahren" zählte. Die Vorschriften des ordentlichen Verfahrens weisen grundsätzlich alle Merkmale auf, die aus der Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit bekannt sind. Das Verfahren ist daher von einer weitgehenden Parteiautonomie geprägt. Die Parteien können entscheiden, ob das Schiedsgericht mit einem oder mit drei Schiedsrichtern besetzt sein soll. Nur dort, wo eine solche Einigung fehlt, bestimmt der Präsident der Kammer die Anzahl der Schiedsrichter, Art. R40.1 TAS-Code. Zudem können die Parteien ihre Schiedsrichter und insbesondere auch den Vorsitzenden des Schiedsgerichts nach eigenen Regeln bestimmen, Art. R40.2 Abs. 1 TAS-Code. Die Schiedsordnung enthält für das ordentliche Verfahren auch spezielle Regelungen zu Parteibeitritt und Nebenintervention, Art. R41 TAS-Code. Die Schiedsrichter sind im ordentlichen Verfahren schließlich besonders aufgerufen, eine gütliche Einigung anzustreben, die in einem einvernehmlichen Schiedsspruch niedergelegt wird, Art. R42 TAS-Code. Eine interessante Regelung besteht zur Bestimmung des in der Sache anwendbaren Rechts. Falls sich die Parteien nicht auf die Anwendung anderer Rechtsregeln einigen, schreibt die Schiedsordnung schweizerisches Recht als anwendbares Recht zwingend vor, Art. R45 TAS-Code. Das Schiedsgericht hat daher auch in Fällen, die außer dem Sitz des Schiedsgerichts keinen Bezug zur Schweiz aufweisen, unter Anwendung schweizerischen Rechts zu entscheiden.

bb) Berufungsverfahren Das Berufungsverfahren ist eine Besonderheit, die es auf internationaler Ebene in dieser Form bisher noch nicht gegeben hat. Im Berufungsverfahren werden Entscheidungen der Organe von Sportvereinen oder Sportverbänden auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft. Diese Funktion sollte zwar anfangs von der

231

Vgl. TAS (Hrsg.), Guide de l'arbitrage, S. 10.

232

M. Reeb (Hrsg.), Recueil du TAS II, S. xix.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

51

Arbeit des TAS ausgespart werden, stellt aber heute die Mehrzahl der durchgeführten Schiedsverfahren dar. 233 Die Bezeichnung „Berufungsverfahren" ist irreführend. 234 Gegenstand des Verfahrens ist zwar die Überprüfung einer Entscheidung. Der TAS ist jedoch gerade kein weiteres Glied eines vereinsinternen Entscheidungsprozesses und daher kein Berufungsorgan eines Verbands oder einer anderen Sportorganisation. Der TAS führt auch im Berufungsverfahren ein erstinstanzliches Schiedsverfahren durch, in dem die Rechtmäßigkeit einer durch eine Sportorganisation verhängten Disziplinarstrafe durch eine unabhängige Instanz überprüft wird. Das Berufungsverfahren vor dem TAS steht daher auf der gleiche Stufe wie das Verfahren vor einem staatlichen Gericht, in dem eine solche Entscheidung angegriffen würde. In seinen rechtlichen Grundlagen unterscheidet sich das Berufungsverfahren folglich nicht von anderen Schiedsverfahren. Nur in der konkreten Ausgestaltung der Verfahrensregeln weist das Berufungsverfahren gegenüber dem ordentlichen Verfahren einige Besonderheiten auf. Das Berufungsverfahren des TAS findet statt, wenn gegen eine Entscheidung eines Verbands Schiedsklage erhoben wird. Die bis zum 31.12.2003 bestehende Beschränkung auf Disziplinarsachen wurde aufgegeben und so das Berufungsverfahren für alle Anfechtungsklagen gegen die Entscheidungen von Vereinen und Verbänden geöffnet. Damit deckt sich der Anwendungsbereich des Berufungsverfahrens in sachlicher Hinsicht mit dem des Art. 75 ZGB. Bereits früher hatte der TAS im Berufungsverfahren mit Zustimmung der beteiligten Parteien wiederholt auch über Schiedsklagen gegen andere Verbandsentscheidungen als Disziplinarsachen entschieden. 235 Der TAS ist, insoweit als echte Berufungsinstanz, auch für Berufungen gegen Entscheidungen eines TAS-Schiedsgerichts zuständig, wenn eine solche Appellationsmöglichkeit in den einschlägigen Regelwerken vorgesehen ist, Art. R47 Abs. 2 TAS-Code. Es bleibt abzuwarten, ob von dieser Möglichkeit in den Regelwerken Gebrauch gemacht werden wird. Voraussetzung der Zulässigkeit der Schiedsklage ist stets, dass der Kläger zuvor den vereinsinternen Rechtsweg ausgeschöpft hat, Art. R47 TAS-Code. Die Schiedsklage kann nur binnen der in der Satzung des jeweiligen Vereins oder Verbands festgesetzten Frist erhoben werden. Wurde keine Frist festge-

233 Ca. 65% aller eingeleiteten Verfahren sind Berufungsverfahren, M. Reeb (Hrsg.), Recueil du TAS II, S. xix. 234 235

G. Simon, Revue de l'arbitrage 1995, S. 185, 195.

J.-P. Rockau ASA Special Series No. 11, S. 11, 19; fur eine Beschränkung auf Disziplinarsachen entprechend dem Wortlaut FFSA & FIC & FNSA v. FISA (1997), Recueil du TAS II, S. 12, 17 f.

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

52

setzt, gilt eine Frist von 21 Tagen, Art. R49 TAS-Code. Voraussetzung ist zudem, dass der Kläger vorher alle ihm vereinsintern zustehenden Anfechtungsmittel ausgeschöpft hat, Art. R47 TAS-Code. 236 Im Berufungsverfahren ist das Schiedsgericht grundsätzlich mit drei Schiedsrichtern besetzt. Nur wenn sich die Parteien auf einen Einzelschiedsrichter einigen oder wenn der Präsident der Berufungskammer dies aufgrund der Dringlichkeit der Entscheidung bestimmt, wird die Sache ausnahmsweise durch einen Einzelschiedsrichter entschieden, Art. R50 TAS-Code. Den Parteien ist es verwehrt, selbst den Vorsitzenden des Schiedsgerichts (oder den Einzelschiedsrichter) zu benennen. Dieses Recht ist dem Präsidenten der Berufungskammer vorbehalten, Art. R54 Abs. 2 S. 1 TAS-Code. In Anbetracht der besonderen Stellung des Vorsitzenden bei der Entscheidungsfindung des Schiedsgerichts ermöglicht die Ernennungsbefugnis einen nicht geringen Einfluss auf das Schiedsverfahren. Die Entscheidung des Schiedsgerichts muss unter Anwendung der Statuten und sonstigen Regeln des beteiligten Verbands getroffen werden. Als subsidiäre Rechtsordnung ist das Recht am Sitz des Verbands heranzuziehen, Art. R58 TAS-Code.

cc) Ad-hoc-Kammern Wie bereits oben beschrieben, hat der CIAS von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, für bestimmte Wettkämpfe eine spezielle Kammer des TAS aufzustellen, die über alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesen Wettkämpfen entscheiden soll. Die Regeln dieser so genannten ,Ad-hoc-Schiedsgerichte" stellen eine Spezialfassung der für die sonstigen TAS-Verfahren anwendbaren Schiedsregeln dar. Sie sind auf die Erfordernisse von Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Durchführung bestimmter Wettkämpfe zugeschnitten.237 Die einzelnen Verfahrensvorschriften sind von der Suche nach möglichst hoher Geschwindigkeit des Schiedsverfahrens bei möglichst hoher Qualität geprägt. 238 Der TAS

236

FFSA & FIC & FNSA v. FISA (1997), Recueil du TAS II, S. .12, 19 f.

237

Dazu allgemein G. Kaufmann-Kohler, Arbitration at the Olympics; vgl. dazu Beschluss des CIAS vom 28.09.1995 in: Mealey's International Arbitration Report, 2/1997, S. Al.; J. Pilgrim, 14 Entertainment and Sports Lawyer 4 (1997), S. 1; zu den Entscheidungen von Sydney 2000 D.-R. Martens/F. Oschatz, SpwRt 2001, S. 4; M. Beioff, Int.S.L.R. 2001, S. 105; R. H. McLaren, 12 Marquette Sports Law Review (2001), S. 515, 521; zu den Entscheidungen von Salt Lake City 2002 D.-R. Martens/F. Oschatz, SpwRt 2002, S. 89. 238

Dazu G. Kaufmann-Kohler,

Arbitration at the Olympics, S. 30 ff.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

53

bei den Olympischen Spielen ist deshalb auch als Cavallerie der Streitschlichtung" 2 3 9 bezeichnet worden. Die Anwendbarkeit der Ad-hoc-Regeln beschränkt sich sachlich auf Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit der Austragung eines bestimmten Wettkampfs stehen. So müssen bspw. die Verfahren vor der Ad-hoc-Kammer der Olympischen Spiele von der Schiedsklausel in Regel 74 der Olympischen Charta und von der in den Anmeldeformularen enthaltenen Schiedsvereinbarung gedeckt sein. 240 Die zeitliche Gültigkeit der Schiedsregeln ist ebenfalls beschränkt, Art. 1 Ad-hoc-Regeln. 241 Die Regeln treten etwa eine Woche vor dem Beginn der Wettkämpfe in Kraft, um etwaige Verfahren über die Zulassung von Sportlern entscheiden zu können. Ihre Gültigkeit endet mit dem letzten Tag der Wettkämpfe. Obwohl die Schiedsverfahren ausschließlich am Wettkampfort abgehalten werden, bleibt der formale Sitz der Schiedsgerichte in Lausanne, Schweiz, Art. 7 Abs. 1 Ad-hoc-Regeln. Damit finden die Regelungen zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit des schweizerischen IPRG auch auf diese Verfahren Anwendung, Art. 7 Abs. 2 Ad-hoc-Regeln. 242 Für den Posten eines Schiedsrichters werden durch den CIAS-Ausschuss bis zu zwölf Personen aus der allgemeinen Schiedsrichterliste ausgewählt, Art. 2, 3 Ad-hoc-Regeln. Diese müssen neben einer juristischen Ausbildung und anerkannten Kenntnissen im Bereich des Sports die volle Gewähr für ihre Unabhängigkeit von den jeweiligen Parteien des Schiedsverfahrens bieten und während der Zeit der Wettkämpfe am Austragungsort anwesend sein, Art. 12 Abs. 1 und 2 Ad-hoc-Regeln. Anders als bei anderen TAS-Verfahren ist es den Schiedsrichtern untersagt, selbst als Rechtsvertreter einer Partei vor dem Adhoc-Schiedsgericht zu erscheinen, Art. 12 Abs. 3 Ad-hoc-Regeln.

T7Q 240

J. Pilgrim , 14 Entertainment and Sports Lawyer 4 ( 1997), S. 1.

Nr. 5.1 der Anwendungsregeln zu Art. 49 der Olympischen Charta gibt den genauen Text des Anmeldeformulars vor. Unter Verweis auf die Schiedsklausel zugunsten des TAS in Art. 74 der Olympischen Charta unterwirft sich der Athlet ausdrücklich durch Einzel Vereinbarung; zur Kritik an der Einfügung der Schiedsklausel im Vorfeld der Olympischen Spiele von Atlanta etwa Zeitungsartikel von Kistner und Hoeltzenbein, SZ v. 21.05.1996, S. 19; vgl. auch A. Polvino, Emory International Law Review 1994, S. 347, 376 f. 241

Die Ausführungen zu den „Ad-hoc-Regeln" beziehen sich auf die während der Olympischen Spiele in Salt Lake City geltende Fassung („Arbitration Rules for the XIX Olympic Winter Games in Salt Lake City"). Sie basieren auf den Regeln für die Olympischen Spiele 1996 in Atlanta. 242 BG ASA Bulletin 2001, S. 508, 511.

54

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

Die Ad-hoc-Kammer wird von einem Präsidenten geführt, der Mitglied des CIAS ist, Art. 4 Ad-hoc-Regeln. Es gehört zu seinen Aufgaben, die Schiedsgerichte aus der Liste der Schiedsrichter zusammenzustellen, Verfahren zu verbinden, Art. 11 Ad-hoc-Regeln, über Ablehnungsgesuche zu entscheiden, Art. 13 Ad-hoc-Regeln, und vor der Berufung des Schiedsgerichts einstweilige Anordnungen zu treffen oder die Vollziehung einer angegriffenen Entscheidung auszusetzen, Art. 14 Ad-hoc-Regeln. Als weitere Aufgabe obliegt ihm die Kontrolle der Schiedssprüche vor deren Veröffentlichung, Art. 19 Abs. 1 S. 3 Ad-hoc-Regeln. Dabei hat der Präsident das Recht, formelle Änderungen selbst vorzunehmen und das Schiedsgericht in der Sache auf bestimmte Punkte in der Entscheidung „hinzuweisen". Die Arbeit der Schiedsgerichte wird von einem Sekretariat unterstützt, das unter der Aufsicht des Generalsekretärs geführt wird, Art. 5 Ad-hoc-Regeln. Das Verfahren vor dem Schiedsgericht ist weitestgehend entformalisiert. Für die Schiedsklage wird ein Formular bereitgehalten, das von der Klagepartei ausgefüllt werden kann. Mit Ausnahme der Schiedsklage können Zustellungen nicht nur per Fax, sondern auch per E-Mail bewirkt werden. Das Schiedsgericht kann seine Verfahrensanordnungen auch wirksam per Telefon treffen, sollte sie später aber in schriftlicher Form bestätigen, Art. 9 lit. a) Ad-hoc-Regeln. Eine wichtige Besonderheit ist die Vorgabe von 24 Stunden, die zwischen der Einreichung der Schiedsklage und dem Schiedsspruch maximal vergehen sollten, Art. 18 Ad-hoc-Regeln. Diese Frist spiegelt die Dringlichkeit der Verfahren wider. Entscheidungen im Zusammenhang mit der Durchführung der Wettkämpfe müssen besonders schnell getroffen werden, wenn sie nicht durch Zeitablauf überflüssig werden sollen. Die 24-Stunden-Frist wird meist eingehalten. Kommt es zu Überschreitungen, ist dies meist auf Anträge der Parteien zurückzuführen, Stellungnahmefristen zu verlängern oder mehr Zeit zur Vorbereitung der Anhörung zu gewähren. 243 Neben dieser knappen Frist für das Hauptsacheverfahren gibt es aber auch die Möglichkeit, in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine noch schnellere Entscheidung zu erreichen, Art. 14 Ad-hoc-Regeln. Die Schiedsordnung bietet dem Schiedsgericht ferner die Möglichkeit, den Fall aus dem Ad-hoc-Verfahren in ein herkömmliches Verfahren nach dem TAS-Code überzuleiten, Art. 20 Ad-hoc-Regeln. Von dieser Möglichkeit soll Gebrauch gemacht werden, wenn die Entscheidung in Anbetracht der Komplexität der aufgeworfenen Fragen nicht durch das Ad-hoc-Schiedsgericht abschließend beurteilt werden kann. Von der Wahrnehmung dieser Befugnis haben die Schiedsrichter, sicher auch in Anbetracht des Interesses der Parteien an

243

G. Kaufmann-Kohler,

Arbitration at the Olympics, S. 10 f.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

55

einer endgültigen Entscheidung, bislang aber abgesehen.244 Allerdings begrenzte ein TAS-Schiedsgericht bei den Olympischen Spielen in Sydney aufgrund der engen Zeitvorgaben die Wirkung seiner Entscheidung. Der Ausschluss einer Athletin von den Spielen aufgrund eines Dopingverdachts wurde zwar bestätigt. Die Schiedsrichter stellten aber klar, dass in Übereinstimmung mit dem Willen der Parteien damit keine endgültige Entscheidung über das Vorliegen eines Dopingverstoßes an sich getroffen worden sei. Die Entscheidung solle nur die Frage der Zulassung zu den Olympischen Spielen klären. 245 Dazu ist anzumerken, dass es dem Schiedsgericht auch möglich gewesen wäre, eine einstweilige Anordnung zu erlassen und das Verfahren fortzusetzen. In einem weiteren Fall wiesen die Schiedsrichter darauf hin, dass eine vollständige Überprüfung des Dopingvorwurfs auch in einem Ad-hoc-Verfahren grundsätzlich möglich sei. Der Vertreter des Klägers beschränkte seinen Antrag jedoch auf den Vorwurf der Nichtigkeit wegen einer Verletzung von Verfahrensrechten, um die Schiedsrichter nicht „mit Biochemie zu belasten" 246 . Diese Haltung unterschätzt die Leistungsfähigkeit eines Schiedsverfahrens vor einem Ad-hocSchiedsgericht. 247 Der Schiedsspruch ist auch im Ad-hoc-Verfahren unter Anwendung der jeweiligen Verbandsregeln zu fällen. Anders als in den anderen Schiedsverfahren vor dem TAS 2 4 8 sind die Schiedsrichter aber nicht an eine bestimmte Rechtsordnung gebunden, sondern können unter Beachtung genereller Rechtsprinzipien und unter Anwendung „angemessener Rechtsregeln" entscheiden, Art. 17 Ad-hoc-Regeln. Die Schiedsrichter genießen damit einen sehr großen Entscheidungsspielraum. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Schiedsverfahren vor der Ad-hocKammer kostenlos durchgeführt werden. Der TAS verzichtet insoweit selbst auf die Gebühr von 500 CHF, die im Berufungsverfahren vorzustrecken sind.

244

TAS OG 00/015 - M. v. IAAF, CAS-Awards Sydney 2000, S. 145, 151, beschränkte lediglich seinen Schiedsspruch insoweit, als damit noch keine endgültige Aussage über das Vorliegen eines Dopingverstosses getroffen worden sei. Entschieden worden war nur über die Teilnahmen an den Wettkämpfen. 245

TAS OG 00/015 - M. v. IAAF, CAS-Awards Sydney 2000, S. 145, 151. Das Schiedsgericht wies besonders darauf hin, dass die Klägerin die verbandsinternen Rechtsschutzmöglichkeiten zum Zeitpunkt der Einlegung der Schiedsklage noch nicht ausgeschöpft hatte. 246

72.

TAS OG 00/006 - B. v. IAAF & NOK & IOC, CAS-Awards Sydney 2000, S. 65,

247

So standen dem TAS während der Olympischen Spiele eine Reihe von Sachverständigen auf Abruf zur Seite, deren Unabhängigkeit vorher geprüft worden war; G. Kaufmann-Kohler, Arbitration at the Olympics, S. 39. 248 Vgl. Art. R45 S. 1, R58 TAS-Code.

56

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport dd) Gutachten

Die Schiedsordnung des TAS gewährt schließlich die Möglichkeit, ein nicht verbindliches Rechtsgutachten über jede rechtliche Frage im Zusammenhang mit der Ausübung oder Entwicklung des Sports einzuholen, Art. R60 TASCode. Das Hauptaugenmerk der Gutachtertätigkeit des TAS galt bislang der Abgrenzung von Zuständigkeiten zwischen verschiedenen Sportorganisationen im Zusammenhang mit der Dopingbekämpfung. 249 Der Kreis der Antragsberechtigten zur Gutachtenbestellung ist auf die internationalen Verbände, das IOC, die nationalen Olympischen Komitees, das Organisationskomitee der Olympischen Spiele und die W A D A beschränkt, Art. R60 TAS-Code. Anders als vor der Reform von 1994 sind heute nationale Verbände oder gar einzelne Athleten von der Beauftragung des TAS ausgeschlossen. 250 Nach einer entsprechenden Antragstellung entscheidet der Präsident des TAS über die Zulässigkeit. Er benennt die Gutachter aus der Liste der TASSchiedsrichter und formuliert die Fragen, die diese zu beantworten haben, Art. R61 TAS-Code. Das Verfahren zur Erstellung von Gutachten ist kein Schiedsverfahren, denn den Gutachten kommt schon nach der Schiedsordnung nicht die Wirkung eines Schiedsspruchs zu, Art. R62 S. 2 TAS-Code. Nach beiden Sprachfassungen des Textes des TAS-Codes ist das Ziel des Verfahrens nur die Einholung einer „beratenden Stellungnahme" 251 . Während es im englischen Text nur heißt, das Gutachten stelle „keinen bindenden Schiedsspruch" 252 dar, kommt in der französischen Formulierung klar zum Ausdruck, dass das Gutachten weder einen Schiedsspruch darstellt noch sonst ΒindungsWirkung haben soll. 2 5 3 Auch Art. S12 Abs. 3 lit. c TAS-Code, der die Ziele des TAS formuliert, spricht in beiden Sprachfassungen von einem „unverbindlichen Gutachten". 254 Weil le-

249 Vgl. dazu die Gutachten in Recueil du TAS, S. 456 ff., und Recueil du TAS II, S. 697 ff.; dazu auch J. W. Soek, The International Sports Law Journal 2/2000, S. 15. 250

M. Reeb in: Recueil du TAS, S. 455.

251

Engl.: ,Advisory opinion"; frz.: „Avis consultatif 4; vgl. Art. 60 TAS-Code; gemäß Art. R68 TAS-Code sind der englische und der französische Text gleichermaßen verbindlich. Bei Unterschieden entscheidet allerdings allein der französische Text. 252

„It does not constitute a binding arbitral award."

253

„II [l'avis consultative] ne constitue pas une sentence arbitrale et n'a pas de valeur contraignante." 254

TAS (Hrsg.), Guide de l'arbitrage, S. 21.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

57

diglich abstrakte Rechtsfragen geklärt werden, 255 fehlt es an der Entscheidung eines Rechtsstreits unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit. 256 Den Gutachten kommt auch nicht die beschränkte Bindungswirkung eines Schiedsgutachtens zu. Kennzeichen eines Schiedsgutachtens ist es zwar, dass einem unabhängigen Dritten Fragen zur Auslegung bestimmter Vorschriften vorgelegt werden. 257 Die rechtliche Folge eines Schiedsgutachtens ist es jedoch, dass die Parteien des jeweiligen Verfahrens an das Auslegungsergebnis wie an einen Vertrag gebunden sind und das Ergebnis des Gutachtens in einem späteren streitigen Verfahren als ein Beweismittel von erheblichem Wert zu berücksichtigen wäre. 258 Auch diese beschränkte Bindungswirkung soll einem Gutachten des TAS aber schon nach dem Wortlaut der Schiedsordnung nicht zukommen.

3. Andere Schiedsgerichte im Sport Auf internationaler Ebene ist der TAS die einzige Schiedsinstitution, deren Schiedsordnung speziell auf eine Entscheidung von Streitigkeiten aus allen Bereichen des Sports zugeschnitten ist. Hingegen gibt es auf der Ebene der internationalen Verbände auch Schiedsgerichte, die sich nur mit bestimmten Aspekten der Ausübung einer Sportart befassen [dazu a) und b)] Ein Beispiel für eine sehr ausgeprägte Schiedsgerichtsbarkeit auf nationaler Ebene bieten die USA [dazu c)]. Aber auch in europäischen Ländern gibt es sportartübergreifende Schiedsgerichte [dazu d)]. Schließlich ist kurz auf die Streitschlichtungsmechanismen bei verschiedenen deutschen Verbänden einzugehen, die als Schiedsgerichte im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO anzuerkennen sind [dazu e)].

255

H. Fenn in: W. Gerhardt u.a. (Hrsg.), FS Henckel (1995), S. 173, 185.

256

BGH BB 1982, S. 1077, H. Raeschke-Kessler/K. P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 455; K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2, Rdnr. 1; dazu auch B. Heß, ZZPint 3 (1998), S. 457, 561, Fn. 23; G. Simon, Revue de l'arbitrage 1995, S. 185, 193. 257 Α. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 35 f.; K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2, Rdnr. 3; H. Raeschke-Kessler/K. P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 452.

258

Zur Diskussion über die Rechtsfolgen eines Schiedsgutachtens vgl. K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 2, Rdnr. 5, 15.

58

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport a) FIA Contract Recognition Board

Zu den Schiedsgerichten auf internationaler Ebene gehört zunächst das vom Internationalen Automobilverband (FIA) eingesetzte „Contract Recognition Board" (CRB), das ausschließlich Entscheidungen über die Frage trifft, ob ein Formel-1-Rennfahrer, der einen neuen Vertrag unterschrieben hat, sich noch in einem gültigen Vertragsverhältnis mit einem anderen Rennstall befindet. 259 Dieser Streitschlichtungsmechanismus ist mittlerweile von den englischen Gerichten als Schiedsgericht anerkannt worden. 260

b) Tribunal Arbitral du Football Auch der internationale Fußballbund (FIFA) strebte nach einer Einigung mit der EU-Kommission über die Regeln für Spielertransfers zunächst die Gründung eines eigenen Schiedsgerichts zur Beilegung bestimmter Transferstreitigkeiten an. 261 Dieses Vorhaben wurde später jedoch wieder aufgegeben. Finanzielle Überlegungen dürften hierbei eine entscheidende Rolle gespielt haben. Nach einer Änderung seiner Statuten im Jahr 2003 hat sich auch die FIFA mit Wirkung vom 01.01.2004 als letzter großer internationaler Sportverband dem TAS angeschlossen. Allerdings wurde von der FIFA für die Fußball-Weltmeisterschaft in Südkorea und Japan bereits ein Ad-hoc-Schiedsgericht, die so genannte „World Cup Division of the T A F 4 , ins Leben gerufen. Die hierfür vorgelegte Schiedsordnung 262 stimmte, sowohl was die Organisation als auch was das anwendbare Verfahren betraf, fast wörtlich mit der Schiedsordnung der Ad-hoc-Kammern des TAS überein. Daraus ergibt sich, dass auch für die Arbeit des TAF auf die bereits vom TAS bekannten Strukturen zurückgegriffen werden sollte. So spricht die Schiedsordnung von einer „International Chamber for Football Arbitration (CIAF) 4 4 , 2 6 3 welche die Ermächtigung zur Bestellung der Ad-hoc-

259

Dazu H. Peter, ASA Special Series No. 11, S. 63; G. Kaufmann-Kohle r/H. 17 Arbitration International 2 (2001), S. 173.

Peter,

260

Englisher High Court - Walkinshaw v. Diniz, 17 Arbitration International 2 (2001), S. 193. 261

Vgl. Art. 63 der FIFA Statuten und die Erläuterungen im FIFA „Circular So. 769" aus 2001 ; dazu /. Blackshaw, The International Sports Law Journal 1/2002, S. 31. 262

„Arbitration Rules for the 2002 FIFA World Cup Korea/Japan44 (FIFA Ad-hocRegeln). 263 Art. 2 FIFA Ad-hoc-Regeln. Die Abkürzung steht wohl für „Conseil International d'Arbitrage en matière de Football44.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

59

Kammer besessen haben müsste. Soweit bekannt, hat die Ad-hoc-Kammer der FIFA keine Entscheidungen getroffen. Der Hauptunterschied zu den Ad-hoc-Regeln des TAS bestand darin, dass nicht nur der Sitz eines jeden Schiedsverfahrens auf Genf festgelegt war, sondern dass sich das Schiedsgericht auch zu allen Anhörungen dort versammeln sollte, Art. 7 Abs. 1, 15.3 Abs. 2 Ad-hoc-Regeln der FIFA. Die Parteien sollten vom Austragungsort per Videokonferenz zugeschaltet werden. Zudem waren die Schiedsrichter nicht verpflichtet, sich während der W M an den Austragungsorten der Wettkämpfe oder in Genf aufzuhalten. Wohl auch aus diesem Grund wurde die Frist zum Erlass eines Schiedsspruchs im Vergleich zu den Ad-hoc-Regeln des TAS auf 48 Stunden verdoppelt. Schließlich hatte der Generalsekretär der World Cup Division das Recht, auf Vorschlag des Schiedsgerichts darüber zu entscheiden, ob das Schiedsverfahren auch nach seinem Abschluss fortgesetzt werden sollte, Art. 19 Ad-hoc-Regeln der FIFA. Diese Regel kollidiert mit Art. 18.4 Ad-hoc-Regeln der FIFA. Diese Vorschrift stellt klar, dass Entscheidungen der Ad-hoc-Kammer als endgültig anzusehen sind. Voraussetzung einer Anwendung von Art. 19 Ad-hoc-Regeln der FIFA war aber, dass bereits eine abschließende Entscheidung in der Sache getroffen wurde. Offenbar wurde hier versucht, eine Alternative zur Überleitungsregel des Art. 20 Ad-hoc-Regeln des TAS zu finden. Art. 20 Ad-hocRegeln des TAS vermeidet jedoch gerade den Widerspruch zwischen einer abschließenden Entscheidung und einer anschließenden Fortsetzung desselben Schiedsverfahrens und setzt auf die sinnvolle Kombination von einstweiliger Anordnung und Durchführung eines Schiedsverfahrens nach den allgemeinen Regeln. Auch nach den Ad-hoc-Regeln der FIFA hätte das Schiedsgericht bereits die Möglichkeit gehabt, einstweilige Anordnungen zu treffen, Art. 14 Adhoc-Regeln der FIFA, und mit Zustimmung des Generalsekretärs der Ad-hocKammer das Verfahren über die vorgegebenen 48 Stunden hinaus (vor der Adhoc-Kammer) fortzusetzen, Art. 18.1 Ad-hoc-Regeln der FIFA.

c) Streitschlichtung

in den USA

In den USA ist die Streitschlichtung im Bereich des Sports durch einen klaren Vorrang der Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber einer Entscheidung durch staatliche Gerichte gekennzeichnet.264 Zum einen befinden sich in vielen „collective bargain agreements", die etwa einem deutschen Tarifvertrag entspre-

264

Zur Entwicklung L B. Bingham , Arbitration Journal Dez. 1992, S. 33 mit Regelkreismodell S. 37; zu Ansätzen für Kanada S. Haslip, 11 Marquette Sports Law Journal (2001), S. 245.

60

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

chen, Schiedsklauseln zur Schlichtung der aus ihrer Anwendung entstehenden Streitigkeiten. Zum anderen gibt es im Bereich der Zulassung von Sportlern zu internationalen Wettkämpfen oder der Anerkennung von Sportverbänden als nationale Verbände sowie im Bereich der Dopingbekämpfung eine ausdifferenzierte Streitschlichtung, in deren Zentrum Schiedsverfahren stehen.265

aa) Verfahren zur Zulassung von Sportlern und Verbänden Der „Ted Stevens Olympic and Amateur Sports Act" von 1998, 266 der die Aktivitäten des US-amerikanischen Olympischen Komitees (USOC) regelt, verpflichtet dieses in See. 220509 lit. a, Streitschlichtungsmechanismen einzurichten, die im Fall von Zulassungsstreitigkeiten angerufen werden können. Dazu legt Art. IX § 3 USOC-Satzung fest, dass gegen eine Auswahlentscheidung des USOC für einen internationalen Wettkampf ein Schiedsgericht nach den Regeln der American Arbitration Association (AAA) zuständig ist. 267 Zudem bestimmt See. 220529 lit. a., dass gegen letztinstanzliche Entscheidungen des USOC im Zusammenhang mit der Anerkennung eines nationalen Sportverbands oder der Ausübung von Aufsichtsbefugnissen nach diesem Gesetz ausschließlich die A A A angerufen werden kann, die ein Schiedsverfahren zur Klärung dieser Fragen durchführen soll. 268 Voraussetzung der Anerkennung eines Verbands als nationaler Verband ist schließlich, dass dieser sich zu einer Streitschlichtung durch ein AAA-Schiedsgericht bereit erklärt, Section 220522 lit. a. Nr. 4 . 2 6 9

265

Für Besonderheiten bei Olympischen Spielen vgl. J. Pilgrim , 14 Entertainment and Sports Lawyer 4 ( 1997), S. 1, 23. 266 36 U.S.C. Sec. 2205 ff.; dazu etwa US Court of Appeals for the 7 th Circuit (1984), 741 F.2d, S. 155 - Michels ν. USOC; US Court of Appeals for the Second 7 t h Circuit (2001), 244F.3d S. 580,594 ff. - Decker Slaney v. IAAF. 267 Für das Verfahren bei Nominierungsstreitigkeiten im Fall Sieracki und Lindland v. USA Wrestling, vgl. J. E. Grening , 12 Marquette Sports Law Review, S. 261; J. A. R. Nßfziger in: N. Korchia/C. Pettiti (Hrsg.), Sport et Garanties Fondamentales, S. 591, 594 ff. 268

Vgl. auch Art. VIII § 4 USOC-Satzung.

269

Vgl. auch Art. IV § 4 lit. C USOC-Satzung.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

61

bb) Verfahren wegen Doping Die Streitschlichtungsregeln der US-Anti-Doping-Agentur (USADA) sehen in erster Instanz ebenfalls ein Schiedsverfahren nach den Regeln der A A A vor. 2 7 0 Der durch diese Institution gefällte Schiedsspruch kann dann noch einmal vom TAS überprüft werden. 271 In der ersten Instanz werden die traditionell für Wirtschaftstreitigkeiten anwendbaren Regeln der AAA durch spezielle Vorschriften modifiziert. 272 Im Ergebnis stellt die Schiedsordnung der ersten Instanz daher einen Mix aus Regeln des TAS für das Berufungsverfahren (insbesondere im Hinblick auf die Ernennung des Schiedsgerichts) und den Besonderheiten des US-amerikanischen Verfahrensrechts dar. Eine Besonderheit dieses Verfahrens liegt darin, dass der nationale Verband zunächst keine Entscheidung über die Verhängung einer Dopingstrafe trifft. Die USADA führt die Dopingkontrolle durch und ermittelt den Sachverhalt. A u f der Basis des jeweils auf den Sportler anwendbaren Verbandsrechts spricht sie eine „Empfehlung" aus und eröffnet dem Athleten die Möglichkeit, schon gegen diese Empfehlung Klage zum AAA-Schiedsgericht zu erheben, Art. 9 lit. b (i) USADA-Protokoll. Sofern der Athlet von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, verhängt der nationale Verband die Sperre durch eine eigene Entscheidung. Diese Sperre kann vor dem TAS nur noch mit der Begründung angefochten werden, der Athlet habe von der Berufungsmöglichkeit zur A A A keine ausreichende Kenntnis erhalten. Erfolgt eine Anfechtung der Empfehlung durch den betroffenen Athleten, findet ein Schiedsverfahren nach modifizierten AAA-Regeln statt, Art. 9 lit. b (ii) USADA-Protokoll. Dieses Schiedsverfahren wird zwischen dem Ath-

270

Art. 9b (ii). Protocol for Olympic Movement Testing; abrufbar www.usantidoping.org/files/USADA_Protocol.pdf (Abrufdatum: 23.11.2003).

unter

271

Art. 9b (iii). Protocol for Olympic Movement Testing. Dieses Verfahren wurde zuerst im Zusammenhang mit den Olympischen Winterspielen durchgeführt (im Folgenden USADA-Protokoll); vgl. AAA No.30-190-000912 - USADA v. J., abnifbar unter: www.usantidoping.org/files/PressRelease_l_30_2002_125.pdf (Abrufdatum: 23.11.2003); Berufungsurteil der Ad-hoc-Kammer fur Salt Lake City: TAS OG 1/2002 J. v. IOC, abrufbar unter www.usantidoping.org/files/PressRelease_2_l l_2002_128.pdf (Abrufdatum: 23.11.2003). 272 „American Arbitration Association Supplementary Procedures for Arbitration initiated by the United States Anti-Doping Agency („USADA"). Diese sind als Anhang D zu dem vorgenannten Protokoll mitveröffentlicht.

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

62

leten und der USADA als Parteien geführt. Allerdings räumen die Regeln dem jeweiligen internationalen Verband ausdrücklich das Recht ein, sich an dem laufenden Verfahren als Beobachter oder als weitere Partei zu beteiligen. Alternativ kann der Athlet auch auf die Durchführung des AAA-Verfahrens verzichten und unmittelbar den TAS anrufen, Art. 9 lit. b (iv) USADA-Protokoll. Gegen den erstinstanzlichen Schiedsspruch des AAA-Schiedsgerichts steht sowohl dem Athleten als auch dem internationalen Verband (allerdings nicht der USADA) eine Berufungsmöglichkeit zum TAS zu, Art. 9 lit. b (iii) USADA-Protokoll, Art. R-49A AAA-Regeln. Der Schiedsspruch des TAS bindet nicht nur die am Verfahren beteiligten Parteien, sondern auch den jeweiligen US-amerikanischen National verband. Letztlich ist es der nationale Verband, der je nach Ausgang des Verfahrens die dort ausgeurteilte Sanktion verhängen muss, Art. 9 lit. b (vii) USADA-Protokoll. Rechtlich bedeutet dies, dass Gegenstand des über zwei Instanzen geführten Verfahrens nicht die Überprüfung einer bereits verhängten Verbandsentscheidung ist. Streitgegenstand ist allein die Behauptung der USADA, ein Verstoß gegen die Dopingbestimmungen liege vor und dieser Verstoß berechtige zu einer Sanktion in einer bestimmten Art und Weise. 273 Damit wird nur überprüft, ob der von der USADA geltend gemachte Sanktionsanspruch gerechtfertigt ist. 274 Wie bei der Überprüfung einer bereits verhängten Verbandssanktion ist also auch hier vom Schiedsgericht festzustellen, ob nach den anwendbaren Verbandsregeln aufgrund eines bestimmten Dopingtests eine Sperre in einer vorgeschlagenen Höhe verhängt werden kann oder nicht. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieses innovative Überprüfungsmodell auch auf die Dopingbekämpfung durch andere nationale Anti-Doping-Agenturen übertragen lässt.

; Der TAS unterscheidet denn auch in seiner Herangehensweise nicht zwischen einer Überprüfung einer bereits verhängten Strafe und der Überprüfung eines Sanktionsanspruchs; dazu TAS 2002/A/360 - J. v. USADA (2002). 274

Zur Befugnis des Schiedsgerichts zur Entscheidung einer solchen Frage s. unten S. 344 ff.

III. Schiedsgerichtsbarkeit d) Nationale Sportschiedsgerichte

63 in Europa

Nationale Sportschiedsgerichte gibt es in Europa derzeit noch in Belgien 275 und Luxemburg 276 . Diese sind von den jeweiligen nationalen Olympischen Komitees ins Leben gerufen worden und werden auch von ihnen betrieben. Sie haben auf nationaler Ebene eine ähnliche Zuständigkeit wie der TAS auf internationaler Ebene. Bei der Organisation dieser Schiedsgerichte fallt vor allem auf, dass sie über eine geschlossene Liste von Schiedsrichtern verfugen, die direkt vom Verwaltungsrat des jeweiligen NOK besetzt werden. 277 Den Parteien bleibt es lediglich überlassen, aus dieser Liste die Schiedsrichter ihres Verfahrens auszuwählen. Insofern bestehen Bedenken, ob die an den Schiedsverfahren beteiligten Parteien stets eine gleichberechtigte Stellung bei der Wahl ihrer Schiedsrichter haben. Jedenfalls für den Fall einer direkten Beteiligung des jeweiligen NOK an den Verfahren ist dies zu verneinen. In allen anderen Fällen muss diese Frage durch eine Betrachtung der an dem jeweiligen Verfahren beteiligten Parteien und deren konkrete Einflussmöglichkeit auf die Besetzung der Liste beantwortet werden.

e) Schiedsgerichte

deutscher Verbände

Als Beispiel für deutsche Sportschiedsgerichte ist an erster Stelle das DFBSchiedsgericht zu nennen.278 Auch der DSB sieht in Art. 20 seiner Satzung die Bildung eines Schiedsgerichts für die Auseinandersetzung zwischen Mitgliedsverbänden oder zwischen Mitgliedsverbänden und dem DSB vor. Nach den oben genannten Abgrenzungskriterien ist auch das Schiedsgericht des Deutschen Schützenbundes als Schiedsgericht gemäß §§ 1025 ff. ZPO anzuerkennen. 279 Ebenso ist das Bundesoberschiedsgericht des Deutschen Hockeybundes

275 Schiedsordnung abgedruckt in: ESPORT Nr. 31, S. 134 ff.; dazu F. Fallon , ESPORT Nr. 31, S. 115 ff.; L Silance, Les sports et le droit, S. 409. 276 Schiedsordnung abgedruckt in: ESPORT Nr. 31, S. 137 ff.; dazu G. Rasquin, ESPORT Nr. 31, S. 121 ff.; M. Thiesen in: E. Bournazel (Hrsg.), Droit et Sport, S. 681, 685. 277 Art. 7 belg. Schiedsordnung; F. Fallon , ESPORT Nr. 31, S. 115, 119; Art. 8 luxemb. Schiedsordnung; Rasquin, ESPORT Nr. 31, S. 121, 122.

278

Dazu umfassend M. Vollkommer, RdA 1982, S. 16 ff.; ablehnend Th. Summerer, PHB-Sportrecht, Rdnr. 298 ff. 279 Vgl. § 17 Satzung des deutschen Schützenbundes e.V.

64

Erster Teil: Konfliktlösung im Sport

(DHB) als echtes Schiedsgericht im Sinne der ZPO anerkannt worden. 280 Weitere Beispiele sind die Schiedsgerichte des Deutschen Eishockeybundes (DEB) und des Deutschen Schwimm Verbands (DSV). 281 Der DLV bietet seinen Athleten ebenfalls die Möglichkeit an, im Fall von Streitigkeiten ein Gelegenheitsschiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO zu bilden. 282 Von dieser Möglichkeit haben ca. 90 % der lizenzierten Athleten durch die Unterzeichnung einer entsprechenden Vereinbarung Gebrauch gemacht. Gegen die Entscheidung dieses Schiedsgerichts können die Parteien Berufung zum TAS einlegen. Dieser entscheidet als zweite und letzte Instanz.

4. Zusammenfassung (1) Die Idee der Schiedsgerichtsbarkeit ist sehr alt. Sie hat ihren Einzug in die Welt des Sports zumindest auf internationaler Ebene jedoch erst sehr spät gehalten. Die Besonderheiten von Schiedsverfahren im Vergleich zu Verfahren vor staatlichen Gerichten lassen sich vorteilhaft in die Schlichtung sportbezogener Streitigkeiten integrieren. Schiedsverfahren sind den Verfahren vor staatlichen Gerichten überlegen, wenn es sich um Streitfälle mit grenzüberschreitendem Bezug handelt. Schiedsverfahren erlauben die zwingende Bündelung der internationalen Zuständigkeit in einer einzigen Entscheidungsinstanz unabhängig vom Wohnsitz der Parteien oder von der Verbindung eines Rechtsstreits mit einer bestimmten Rechtsordnung. (2) Mit der Gründung des Tribunal Arbitral du Sport (TAS) wurde das erste Schiedsgericht für die Entscheidung internationaler Sportrechtsstreitigkeiten geschaffen. Spätestens seit seiner Reform im Jahr 1994 hat sich der TAS zu einer vollwertigen und unabhängigen Schiedsorganisation entwickelt. Durch die Gründung des CIAS wurde die rechtliche und organisatorische Trennung des TAS vom IOC vollzogen. Die nunmehr geltende Verfahrensordnung trägt den Besonderheiten der Streitgegenstände der TAS-Verfahren Rechnung und ist an die Standards der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit angepasst.

280 OLG Hamburg, SpwRt 2001, S. 247. Nicht näher erläutert wurde aber die Zusammensetzung des Spruchkörpers. Es wurde lediglich übermittelt, dass er mit „unabhängigen Richtern" besetzt sei. 281

Dazu Th. Summerer, PHB-Sportrecht, Rdnr. 306, 308.

282

Dazu B. Heß in: Württembergischer Fußballverband e.V. (Hrsg.), Sportrecht damals und heute, S. 69, 79; eine Entscheidung dieses Schiedsgerichts ist abgedruckt in SpwRt 2003, S. 212.

III. Schiedsgerichtsbarkeit

65

(3) Der TAS ist nicht das einzige Schiedsgericht in der Welt des Sports. Er ist jedoch das einzige Schiedsgericht, das sich auf internationaler Ebene mit der Entscheidung sportbezogener Streitigkeiten befasst. Auf nationaler Ebene gibt es jedoch eine Fülle von Schiedsgerichten, die von den nationalen Olympischen Komitees oder einzelnen nationalen Verbänden organisiert werden. Auch in Deutschland ist das Schiedsgericht nicht als Novum der Streitschlichtung im Bereich des Sports anzusehen.

Zweiter Teil

Schiedsverfassungsrecht Im Folgenden sollen nun die rechtlichen Grundlagen eines jeden Schiedsverfahrens näher untersucht werden. Sie sind auch für Schiedsverfahren mit einem Bezug zum Sport relevant. Dabei ist zunächst auf die verschiedenen Grenzen einzugehen, die der Entscheidungsgewalt der Schiedsrichter gesetzt sind (dazu I.). Grundvoraussetzung der Anerkennung eines Spruchkörpers als Schiedsgericht ist vor allem die Wahrung des Gebots der überparteilichen Rechtspflege namentlich bei der Besetzung der Schiedsrichterbank. Hierüber wurden im Hinblick auf den TAS immer wieder Zweifel vorgetragen (dazu II.). Voraussetzung einer Tätigkeit des Schiedsgerichts ist zudem, dass der Streitgegenstand schiedsfähig ist (dazu III.). Die Basis einer jeden schiedsrichterlichen Entscheidung bildet schließlich die Schiedsvereinbarung. Auf die Frage ihrer Wirksamkeit und Reichweite ist besonders einzugehen (dazu IV.).

I. Regelungsrahmen Die Schiedsgerichtsbarkeit ist durch eine Vielzahl internationaler und nationaler Vorschriften reglementiert. Man kann im Einzelnen bis zu fünf verschiedene staatliche Rechtsordnungen ausmachen, die auf ein Schiedsverfahren Einfluss ausüben können.1 Hinzu treten vertragliche Abmachungen der Parteien, welche die Einzelheiten der Durchführung des Schiedsverfahrens im Besonderen festlegen und damit gleichfalls die Entscheidungsbefugnis der Schiedsrichter eingrenzen. Auf internationaler Ebene gibt es zunächst eine Reihe multilateraler und bilateraler Verträge, die sich hauptsächlich mit der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen beschäftigen (dazu 1.). Auf nationaler Ebene wird die Schiedsgerichtsbarkeit durch einfache Gesetze reguliert (dazu 2.). Die nationalen Rechtsordnungen enthalten eine Vielzahl dispositiver Re-

1 A. Redfern/M. Hunter, Arbitration, Rdnr. 2-03, nennen dabei das Recht (i) der Geschäftsfähigkeit zum Abschluss der Schiedsvereinbarung, (ii) das auf die Schiedsvereinbarung materiell anwendbare Recht, (iii) das Schiedsverfassungsrecht (oder lex arbitri), (iv) das in der Sache anwendbare materielle Recht und (v) das bei Anerkennung und Vollstreckung anwendbare Recht.

I. Regelungsrahmen

67

geln. Diese ermöglichen es den Parteien, das Schiedsverfahren entweder indirekt über die Bezugnahme auf eine Schiedsordnung oder durch direkte Vereinbarungen auszugestalten (dazu 3.).

1. Internationales Recht Auf internationaler Ebene ist die Schiedsgerichtsbarkeit vor allem von Kollektivverträgen geprägt [dazu a) und b)]. Ergänzt werden diese durch bilaterale Abkommen [dazu c)]. Großen Einfluss auf die Rechts Vereinheitlichung der Schiedsgerichtsbarkeit hat schließlich das UNCITRAL-Modellgesetz gehabt [dazu d)].

a) New Yorker

Übereinkommen

Das „New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958"2 (UNÜ) bildet den Zentralbaustein der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. 3 Mehr als 120 Staaten haben dieses Abkommen mittlerweile ratifiziert. Außer Brasilien und Pakistan befinden sich darunter alle für den internationalen Handel wichtigen Staaten.4 Da dieses Abkommen die Anerkennung von Schiedssprüchen durch die staatlichen Stellen weltweit sicherstellt, ermöglicht es den Siegeszug der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit. Damit bildet das UNÜ den „Kern eines Weltrechts zur privaten Schiedsgerichtsbarkeit" 5. Das UNÜ hat zwei Regelungsbereiche. Neben Regeln zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (dazu Art. III ff. UNÜ) umfasst es auch die Verpflichtung eines staatlichen Gerichts, sich im Fall des Vorliegens

2

„Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards", New York, 10.06.1958, 330 U.N.T.S. 38; BGBl. 1961 II, S. 122; für die Bundesrepublik in Kraft getreten am 28.09.1961, BGBl. 1962 II, S. 102; für die Schweiz AS 1965, S. 795 (SR 0.277.12). 3

Vgl. dazu die Bestandsaufnahme in: ASA Special Series No. 9, The New York Convention of 1958. Das UNÜ ersetzt in seinem Anwendungsbereich sowohl das Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln von 1923 (RGBl. 1925 II, S. 47) als auch das Genfer Abkommen zur Vollsteckung ausländischer Schiedssprüche von 1927 (RGBl. 1930 II, S. 1068, 1269), Art. VII Abs. 2 UNÜ. Dazu auch K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 41, Rdnr. 2. 4 Einen aktuellen Stand der Ratifizierungen findet man unter www.uncitral.org (Abrufdatum: 23.11.2003). 5

B. Heß, ZZPint. 1998, S. 457.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

68

einer wirksamen Schiedsvereinbarung für unzuständig zu erklären und die Sache „in das schiedsrichterliche Verfahren zu verweisen" (Art. I I UNÜ). Als völkerrechtlicher Vertrag hat das U N Ü in seinem Anwendungsbereich Vorrang vor den jeweiligen nationalen Rechtsnormen. 6 Damit verdrängt Art. I I U N Ü die nationalen Vorschriften für die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit (§ 1032 Abs. 1 ZPO bzw. Art. 7 IPRG). Zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche verweist sowohl das Recht Deutschlands als auch das Recht der Schweiz schon selbst auf das UNÜ, § 1061 BGB, Art. 194 IPRG.

aa) Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des U N Ü ist eröffnet, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruchs beantragt wird, der aus Sicht des Anerkennungs- oder Vollstreckungsstaats im Ausland gefällt wurde, Art. I Abs. 1 UNÜ. Nach nunmehr geltender Rechtslage ist dies sowohl nach schweizerischem als auch nach deutschem Recht der Fall, wenn sich der Sitz des Schiedsgerichts in einem anderen Staat befunden hat. 7 In gleicher Weise ist der Anwendungsbereich im Hinblick auf die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit gemäß Art. I I U N Ü eröffnet, wenn das angestrebte Schiedsverfahren seinen Sitz im Ausland hätte.8 Nur wenn das Schiedsverfahren im Inland durchzuführen ist, finden die §§ 1032 Abs. 1, 1031 ZPO bzw. die Art. 7, 178 IPRG Anwendung. 9 Diese Unterscheidung ist von geringer praktischer Relevanz, da sich das U N Ü und die angeführten Vorschriften materiell weitgehend decken. Anwendbar ist das Übereinkommen nur auf die Anerkennung und Vollstreckung von „Schiedssprüchen". Das U N Ü definiert diesen Begriff nicht. 10 Das Gleiche gilt auch für die Frage, ob überhaupt die Zuständigkeit eines „Schieds-

6

Art. 3 Abs. 2 EGBGB; Art. 1 Abs. 2 IPRG.

7

So das Territorialitätsprinzip, das sowohl in E. Deutschland als auch in der Schweiz gilt, § 1025 Abs. 1 ZPO und Art. 176 Abs. 1 IPRG; dazu K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 42, Rdnr. 2; B. Heß, ZZPint. 1998, S. 457, 460; so bereits auch A. J. van den Berg, New York Convention, S. 19. 8 A J. van den Berg, New York Convention, S. 57; K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 42, Rdnr. 10; P. Gottwald in: MünchKomm-ZPO, Art. II UNÜ Rdnr. 21. 9 K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 42, Rdnr. 3; A. J. van den Berg, ASA Special Series No. 9, S. 25, 35, schlägt gleichwohl eine breitere Interpretation vor. Danach kommt das UNÜ auch dann zur Anwendung, wenn eine Partei ausländischer Nationalität ist. 10

A J. van den Berg, New York Convention, S. 44; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 435.

I. Regelungsrahmen

69

gerichts" vereinbart wurde. Diese Frage ist vor allem bei der Erhebung der Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit von Relevanz. Bei der Suche einer Rechtsordnung, nach der sich diese Frage beurteilt, könnte man zunächst an die Anwendung der jeweiligen lex fori denken. 11 Diese Ansicht hätte jedoch zur Folge, dass die Anwendbarkeit eines internationalen Vertrags nach dem nationalen Recht eines Vertragsstaats und damit nach unterschiedlichen Maßstäben zu bestimmen wäre. Ein völkerrechtlicher Vertrag kann aber grundsätzlich nicht allein nach dem Recht einer Vertragspartei ausgelegt werden, Art. 28 W V K . Daher sind die Begriffe „Schiedsgericht" und „Schiedsspruch" autonom auszulegen. Nur ein solcher Ansatz kann eine einheitliche Auslegung der Vorschriften des U N Ü sicherstellen. 12 Dem steht jedoch in der Praxis die generelle Zurückhaltung der staatlichen Gerichte entgegen, sich ohne Bezug auf eine konkrete (und sei es notfalls auch eine ausländische) Rechtsordnung für unzuständig zu erklären. Als pragmatischer Mittelweg, der eine Loslösung des Begriffs der Schiedsgerichtsbarkeit von jeder nationalen Rechtsordnung vermeidet, bietet sich eine Analogie zur Bestimmung des Art. V Abs. 1 lit. a U N Ü an, die für die Frage der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung als selbständige Kollisionsnorm an das von den Parteien gewählte Recht oder an das Recht am Sitz des Schiedsgerichts anknüpft. 13 Die Frage, ob die Entscheidung eines Schiedsgerichts beabsichtigt ist oder ob eine Entscheidung als Schiedsspruch vollstreckt werden kann, ist daher unter Anwendung des Schiedsverfahrensrechts am Sitz des Entscheidungskörpers zu beantworten.

bb) Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit Die Verpflichtung der staatlichen Gerichte, sich bei Vorliegen einer Schiedsvereinbarung für unzuständig zu erklären, ist erst sehr spät in den Entwurf des U N Ü aufgenommen worden. 14 Dieser Teil des Abkommens hat nicht einmal Eingang in den Titel dieses Vertrags gefunden. Gemäß Art. I I Abs. 1 U N Ü erkennen grundsätzlich alle Vertragsstaaten eine schriftliche Klausel an, nach der ein schiedsfähiger Streitgegenstand einem Schiedsgericht übertragen wird. Nach Art. I I Abs. 3 U N Ü prüft das staatliche Gericht, vor dem der Einwand der

11

So im Ergebnis der englische High Court in Walkinshaw v. Diniz, 17 Arbitration International 2 (2001X S. 193, 205 ff. 12

G. Kaufmann-Kohler/H. Peter, 17 Arbitration International 2 (2001), S. 173, 181; A. J. van den Berg, New York Convention, S. 44 ff; P. Gottwald in: MünchKomm-ZPO, Art. I UNÜ Rdnr. 1. 13 Eine Bestimmung nach der lex fori scheidet damit aus; BG bei A. Jolies , ASA Bulletin 1996, S. 255, 259 ff. 14

Stein/Jonas-P. Schlosser, Anh. zu § 1044 Rdnr. 12.

70

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

Schiedsgerichtsbarkeit erhoben wurde, ob die behauptete Schiedsvereinbarung tatsächlich besteht. Liegt eine wirksame Schiedsvereinbarung vor, muss sich das staatliche Gericht für unzuständig erklären und die Parteien auf Einleitung eines Schiedsverfahrens verweisen.

cc) Anerkennung und Vollstreckung Die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs kann nur aus den in Art. V UNÜ abschließend aufgeführten Gründen verweigert werden. Dabei ist zwischen beiden Absätzen des Art. V UNÜ zu unterscheiden. Die in Art. V Abs. 1 UNÜ aufgeführten Gründe führen nur dann zu einer Verweigerung der Anerkennung oder Vollstreckung, wenn sie von demjenigen, gegen den eine solche Maßnahme beantragt wurde, geltend gemacht werden. So führt allein die Tatsache, dass keine den Anforderungen des Art. II UNÜ genügende Schiedsvereinbarung vorgelegen hat, nicht dazu, dass einem Schiedsspruch die Anerkennung oder Vollstreckung nach dem UNÜ zu verweigern ist. Dieser Grund muss zunächst von einer Partei geltend gemacht werden. Die erfolgreiche Geltendmachung setzt schließlich auch voraus, dass die jeweilige Partei mit der Rüge nicht bereits präkludiert ist. Demgegenüber sind die in Art. V Abs. 2 UNÜ genannten Gründe von dem angegangenen staatlichen Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen. Liegen keine Gründe nach Art. V UNÜ vor, ist das staatliche Gericht verpflichtet, dem Antrag auf Anerkennung oder Vollstreckung stattzugeben. Ein Ermessen hinsichtlich Anerkennung oder Vollstreckbarkeitserklärung besteht dann nicht mehr. 15 Art. V I I Abs. 1 UNÜ verankert schließlich das Günstigkeitsprinzip. Danach schließt es das UNÜ nicht aus, internationales oder nationales Recht anzuwenden, das sowohl im Hinblick auf die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung als auch auf die Anerkennung eines Schiedsspruchs günstiger ist als das Abkommen. 16 Dabei kann man allerdings nur wählen, ob man eine Anerkennung nach den Vorschriften des UNÜ oder nach den Vorschriften eines nationalen Rechts betreiben will. Das „Herauspicken" einzelner Bestimmungen ist nicht zulässig. Nach der Rechtslage in der Schweiz und in Deutschland ist die Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips heute praktisch ausgeschlossen. Soweit Art. V I I Abs. 1 UNÜ auf das jeweils geltende nationale Recht verweist, endet dieser Verweis für das deutsche Recht bei § 1061 ZPO und für schweizerisches

15 16

K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 56, Rdnr. 3.

P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 194 IPRG Anm. 1; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 460 ff.; K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 42, Rdnr. 24; BT-Drucks. 13/5274 bei K. P. Berger, Dokumentation, S. 308; vgl. auch BGH NJW 1993, S. 1519, 1520.

I. Regelungsrahmen

71

Recht bei Art. 194 IPRG. Beide Vorschriften verweisen wiederum auf das UNÜ zurück. Über diese Normen gelten die Maßstäbe des UNÜ gleichermaßen im innerstaatlichen Recht. 17

b) Europäisches Übereinkommen

Neben dem UNÜ ist an dieser Stelle noch auf das „Europäische Übereinkommen über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1961" 18 (EÜ) und dessen Zusatzabkommen19 hinzuweisen. Im Gegensatz zu Deutschland ist die Schweiz diesem Vertrag nicht beigetreten. 20 Das EÜ unterscheidet sich vom UNÜ im Wesentlichen dadurch, dass es auch Aussagen zu Fragen der Schiedsvereinbarung, zum Schiedsverfahren selbst und zum Schiedsspruch sowie Bestimmungen zum materiell anwendbaren Recht enthält.21 Das EÜ sollte vor allem die Einschaltung staatlicher Gerichte in Schiedsverfahren bei Ost/West-Handelsstreitigkeiten vermeiden und sicherstellen, dass die Entscheidungen der ständigen Schiedsgerichte der (sozialistischen) Handelskammern grundsätzlich als Schiedssprüche vollstreckt werden können.22 Demzufolge ist der Anwendungsbereich des Abkommens auch auf internationale Handelsgeschäfte beschränkt, bei denen die daran beteiligten Parteien ihren Sitz in verschiedenen Vertragsstaaten haben, Art. 1 Abs. 1 lit. a EÜ. 2 3 Die praktische Bedeutung dieses Abkommens hat seit dem Beginn der neunziger Jahre weiter deutlich abgenommen.24

17 P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 194 IPRG Anm. I ; A. Buchen Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 466 ff. 18

BGBl. 1964 II, S. 426, BGBl. 1965 II, S. 107.

19

Pariser Vereinbarung über die Anwendung des Europäischen Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 17.12.1962, BGBl. 1964 II, S. 449; BGBl. 1965 II, S.271. 20

Zu den Konsequenzen A. Buchen Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 464.

21

K.-H. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 42, Rdnr. 34.

22

Stein/Jonas-P. Schlossen vor § 1044 Rdnr. 31.

23

K.-H. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 42, Rdnr. 14.

24

Stein/Jonas-P. Schlossen vor § 1044 Rdnr. 31.

72

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht c) Bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge

Neben dem UNÜ gibt es sowohl für die Schweiz 25 als auch für Deutschland 26 eine Reihe bilateraler Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen, die zum Teil auch andere Fragen der Schiedsgerichtsbarkeit umfassen. Die meisten dieser bilateralen Abkommen bestehen mit Staaten, mit denen Deutschland oder die Schweiz schon über das UNÜ verbunden sind. Ihre Anwendungsbereiche werden sich aber neben der Anwendung der Regel des Art. 30 Abs. 3 WKV auch durch das Meistbegünstigungsprinzip (Art. V I I UNÜ) abgrenzen lassen.27

d) UNCITRA L-Modellgesetz Das UNCITRAL-Modellgesetz über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.06.1985 (UNCITRAL-MG) hat im letzten Jahrhundert neben dem UNÜ wahrscheinlich den größten Einfluss auf die Entwicklung der Schiedsgerichte ausgeübt. Dieser auf internationale Schiedsverfahren beschränkte Gesetzentwurf wurde den Mitgliedstaaten der UNCITRAL zur Übernahme empfohlen. Seine Kodifikation weltweit anerkannter und auch politisch akzeptabler Standards der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist zum Vorbild einer Reihe von Neuregelungen auf nationaler Ebene geworden. 28 Auch das 1998 in Kraft getretene neue deutsche Schiedsverfahrensrecht basiert weitestgehend auf dem UNCITRAL-Modellgesetz. 29 Das im Jahre 4987 in Kraft getretene 12. Kapitel des schweizerischen IPRG ist von dieser Entwicklung ebenfalls beeinflusst worden, auch wenn die Schweiz das UNCITRAL-MG ausdrücklich nicht übernommen hat. 30

25

Aufzählung bei P. Lalive/J.-F. Anh. II Β.

Poudret/C.

26

Aufzählung bei K.-H. Schwab/G. Walter,

27

Stein/Jonas-P. Schlosser, vor § 1044 Rdnr. 53.

28

K -Η. Schwab/G. Walter,

29

H. Raeschke-Kessler/K.

30

Reymond, Droit de Γ arbitrage suisse,

Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 41, Rdnr. 9.

Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 41, Rdnr. 7. P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 122 ff.

Zu den Bedenken in Anbetracht eines weit entwickelten Schiedsgerichtsrechts in der Schweiz P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, S. 262 f.; Α. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 30.

I. Regelungsrahmen

73

2. Nationales Schiedsverfahrensrecht Jede nationale Rechtsordnung, die in ihrem Machtbereich die Entscheidung von Streitigkeiten durch Privatpersonen als einem staatlichen Urteil gleichwertig anerkennt, enthält auch Regelungen, die sich mit der Reglementierung dieses Bereichs beschäftigen. Für Deutschland sind dies die Vorschriften des Zehnten Buches der ZPO (§§ 1025 ff ZPO). Die Schweiz hat diese Regelung für internationale Schiedsverfahren im 12. Kapitel des IPRG (Art. 176 ff IPRG) kodifiziert. Für nationale Schiedsverfahren sind die Regelungen in einem interkantonalen Konkordat 31 gemäß Art. 48 BV enthalten, da dem Bund insoweit die gesetzgeberische Befugnis fehlt. 32 Das Schiedsverfahrensrecht wird im Folgenden zunächst in seinem Regelungsumfang beschrieben [dazu a)]. Dann ist auf die Kriterien einzugehen, nach denen sich das jeweils auf ein Verfahren anwendbare nationale Schiedsverfassungsrecht bestimmen lässt [dazu b)].

a) Regelungsumfang Das Schiedsverfahrensrecht regelt mehr als das Verfahren vor dem Schiedsgericht. Die Vorschriften enthalten neben einer Reihe dispositiver Bestimmungen vor allem bestimmte Grundvorgaben an ein Schiedsverfahren, denen sich die Parteien nicht entziehen können.33 Nur, wenn die hierzu gemachten Vorgaben eingehalten werden, will die jeweilige Rechtsordnung den Entscheidungen privater Gremien die gleiche Wirkung zumessen wie den Entscheidungen ihrer staatlichen Gerichte. Im Folgenden sollen diese Grundvorgaben des Schiedsverfahrensrechts daher als Schiedsverfassungsrecht bezeichnet werden. Als Schiedsverfassungsrecht ist dasjenige staatliche Recht anzusehen, das den Schiedsrichtern die Befugnis zur Durchführung einer privatrechtlich organisierten Streitschlichtung verleiht und ihnen bei der Durchführung des Schiedsverfahrens Grenzen setzt.34 Dazu gehören zum einen Vorschriften über die Schiedsfähigkeit des Streitgegenstands, die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Schiedsvereinbarung und die Behandlung der Parteien im Verfahren

31

Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit, AS 1969, S. 1093.

32

Art. 122 Abs. 2 BV gibt den Kantonen das Recht, Bestimmungen zum gerichtlichen Verfahren festzulegen. Dem Bund steht lediglich das Recht der Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts zu. Das internationale Schiedsverfahren wird daher als Annex zum IPR gesehen. Dazu A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 28. 33

Besonders deutlich Art. 1 Abs. 3 SchKonk.

34

G. Kaufmann-Kohler,

ICCA Congress Series No. 9, S. 336, 337.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

74

selbst.35 Zum anderen legt das Schiedsverfassungsrecht fest, ob und welcher staatliche Richter gegebenenfalls für die Gewährung von Unterstützungshandlungen für das Schiedsverfahren berufen ist. Schließlich bestimmt das Schiedsverfassungsrecht auch die „Nationalität" des Schiedsspruchs, die für das Vollstreckungsverfahren Bedeutung hat. 36 Demgegenüber können die Parteien das Verfahren im engeren Sinne in Abweichung von den Vorgaben des Schiedsverfahrensrechts regeln. 37 In dieser Hinsicht stellt sich das Schiedsverfahrensrecht nur als sekundäres Prozessrecht für das Schiedsverfahren zur Verfügung. 38 Primär bestimmt sich das Schiedsverfahren daher nach den Vereinbarungen der Parteien, entweder direkt durch vertragliche Vereinbarungen oder indirekt über die Festlegungen in der Schiedsordnung. Hier steht die Parteiautonomie im Vordergrund, die nur durch die Erfordernisse eines fairen, im weitesten Sinne rechtsstaatlichen Verfahrens begrenzt wird. 3 9

b) Anwendungsbereich Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, das auf ein bestimmtes Schiedsverfahren anwendbare Schiedsverfassungsrecht zu bestimmen. Nach einem Ansatz können die Regeln durch den Willen der Parteien direkt bestimmt werden (verfahrensrechtliche Theorie). 40 Nach einem anderen, international nunmehr vorwiegend kodifizierten Ansatz folgt die Bestimmung indirekt aus der Festlegung des Ortes des schiedsrichterlichen Verfahrens (Territorialitätsprinzip).

35

A. Redfern/M.

Hunter, Arbitration, Rdnr. 2-09.

36

Art. I Ziff. 1 S. I UNÜ; vgl. IPRG-EhraU Art. 176 Rdnr. 17.

37

Vgl. § 1042 Abs. 2 ZPO; Art. 182 Abs. 1 a.E. IPRG.

38 A. Panchaud, SJZ 1965, S. 369; H. Raeschke-Kessler/K. ren, Rdnr. 128.

P. Bergen Schiedsverfah-

39 Vgl. schon Art. 18, 19 UNCITRAL-MG; G. Kaufmann-Kohlen Series No. 9, S. 336, 356.

40

ICCA Congress

Diesem Ansatz folgte die ZPO bis zur Neuregelung 1998; vgl. Nachweise bei H. Raeschke-Kessler/K P. Bergen Schiedsverfahren, Rdnr. 131; K.-H. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 30, Rdnr. 4. Ein vergleichbarer Ansatz findet sich noch für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit nach französischem Recht: Art. 1493 Abs. 2 NCCP.

I. Regel ungsrahmen

75

aa) Verfahrensrechtliche Theorie Nach der in Deutschland bis Ende 1997 vorherrschend vertretenen Ansicht kam es bei der Bestimmung, ob ein deutscher Schiedsspruch vorliege, allein auf die Vereinbarung des Verfahrensrechts an. Den Parteien wurde die Freiheit eingeräumt, das jeweils auf das Schiedsverfahren anwendbare Schiedsverfassungsrecht durch eine Vereinbarung frei zu wählen, gleich an welchem Ort das Verfahren durchgeführt wurde. Als Konsequenz dieses Ansatzes galt ein Schiedsspruch in Deutschland selbst dann als ausländischer Schiedsspruch, wenn sich der Sitz des Schiedsverfahrens im Inland befunden hatte.41 Zur Begründung wurde mit Hinweis auf die Anwendbarkeit des Aufhebungsverfahrens nach der ZPO ausgeführt, dass das angewandte ausländische Verfahrensrecht dazu führen müsse, dass der aufgrund dieses Rechts gefällte Schiedsspruch wie die Entscheidung eines ausländischen Gerichts zu behandeln sei. Dessen Entscheidungen könnten aber von deutschen Gerichten nicht aufgehoben werden. 42 Andererseits konnte ein im Ausland gefällter Schiedsspruch nach deutschem Recht aufgehoben werden, wenn die Parteien die Anwendbarkeit der Vorschriften der ZPO über das schiedsrichterliche Verfahren vereinbart hatten. Dies führte etwa zu Problemen, wenn ein Schiedsverfahren in Deutschland unter Anwendung schweizerischen Verfahrensrechts geführt wurde. Nach deutscher Auffassung war der Schiedsspruch dann als ausländischer Schiedsspruch anzusehen. Die Schweiz sieht ihn ebenfalls als ausländischen Schiedsspruch an, da es nach Art. 176 Abs. 1 IPRG allein auf den Sitz des Schiedsverfahren ankommt. Aufgrund der damit verbundenen „Staatenlosigkeit" des Schiedsspruchs war somit in beiden Ländern keine Unterstützung durch ein staatliches Gericht während des laufenden Schiedsverfahrens zu erhalten und auch eine Aufhebungsklage gegen den Schiedsspruch hätte in beiden Ländern abgewiesen werden müssen.

bb) Territorial itätsprinzip Während die verfahrensrechtliche Theorie die Autonomie der Parteien und damit die vertraglichen Grundlagen der Schiedsgerichtsbarkeit in den Vordergrund rückt, stellt das Territorial itätsprinzip mehr auf die Rechtsprechungsfunktion ab. Ähnlich wie ein Gericht hat das Schiedsverfahren nach dieser Ansicht seine engste Beziehung zu dem Staat, in dem sich sein Sitz befinde. 43 41 BGHZ 21, S. 365, 367; BGHZ 96, S. 40, 41 f.; kritisch O. Sandrock, RIW 1992, S. 785, 786, der auf die Isolierung der deutschen Ansicht hinweist. 42

BGHZ 21, S. 365, 368; dazu auch Stein/Jonas-P. Schlosser, § 1044 Rdnr. 10.

43

C. Kaufmann-Kohler,

ICCA Congress Series No. 9, S. 336, 337.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

76

Heute greifen die meisten Rechtsordnungen im Anschluss an Art. 1 Abs. 2 UNCITRAL-MG auf den Sitz des Schiedsgerichts als maßgebenden Faktor zurück. 44 So erklärt nunmehr auch § 1025 Abs. 1 ZPO die Vorschriften des Zehnten Buches dann für anwendbar, wenn sich der „Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens" in Deutschland befindet. Das 12. Kapitel des IPRG gilt gemäß Art. 176 Abs. 1 IPRG für „Schiedsgerichte mit Sitz in der Schweiz" und wenn zudem eine der Parteien ihren Wohnsitz oder Firmensitz im Ausland hat. 45 Terminologisch entspricht die Fassung des § 1025 Abs. 1 ZPO am ehesten der des UNCITRAL-MG, das den „place of arbitration" in den Mittelpunkt rückt. Die Begründung des deutschen Gesetzentwurfs stellt klar, dass mit den Worten „Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens" kein Unterschied zum Begriff „Sitz des Schiedsgerichts" begründet werden sollte. 46 Grundsätzlich bestimmen die Parteien den Sitz des Schiedsgerichts, § 1043 Abs. 1 ZPO, Art. 176 Abs. 3 IPRG. Als wichtigstes Kriterium für ihre Entscheidung ist in der Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit vor allem die Neutralität des Verhandlungsortes angeführt worden. 47 Keine der Parteien eines internationalen Rechtsverhältnisses soll aus dem Ort des Schiedsverfahrens einen Heimvorteil gewinnen können. Jedoch ist neben dem Streben nach vermeintlicher Neutralität auch zu prüfen, ob das dann anwendbare Schiedsverfassungsrecht den Parteien genügend Freiheiten lässt, gleichzeitig aber effektive Unterstützungsmechanismen bereithält und dafür bürgt, dass ein nach diesem Schiedsverfassungsrecht gefällter Schiedsspruch in einer Vielzahl von Ländern vollstreckt werden kann. Falls das Schiedsverfassungsrecht eines bestimmten Ortes nicht besonders ungeeignet für die Zwecke der Parteien ist, werden geographische Gesichtspunkte bei der Bestimmung des Verhandlungsortes im Vordergrund stehen.48 Zur Wahrung der Neutralität des Ortes der Anhörung können die Parteien auch einen anderen Ort als den Sitz des Schiedsgerichts benennen.

44 So jedenfalls auch § 1025 Abs. 1 ZPO und Art. 176 Abs. 1 IPRG; für weitere Nachweise vgl. G. Kaufmann-Kohler, ICCA Congress Series No. 9, S. 336, 338 f, 341. 45 Die Parteien haben die Möglichkeit, durch eine schriftliche Vereinbarung die Anwendung der Bestimmungen des 12. Kapitels des IPRG zugunsten der kantonalen Bestimmungen des SchKonk auszuschliessen, Art. 176 Abs. 2 IPRG. 46

BT-Drucks. 13/5274 bei K P. Berger , Dokumentation, S. 153; ders ., RIW 1993, S. 8 ff. 47

Allgemein A. Redfern/M . Hunter , Arbitration Rdnr. 6-13 ff.; Ο. Sandrock, 1992, S. 785, 787 f., der auf die damit verbundene Zufälligkeit der Sitzbestimmung hinweist. 48

J. Paulsson, 32 I.C.L.Q. (1983), S. 53, 55.

RIW

I. Regelungsrahmen

77

Häufig erfolgt die Sitzbestimmung schon durch die Schiedsvereinbarung. 49 Sie kann sich aber auch aus der Schiedsverfahrensordnung oder nach der Durchführung des dort normierten Bestimmungsverfahrens ergeben. 50 Die Parteien können aber auch die Schiedsrichter ermächtigen, den Sitz festzulegen. Die Schiedsrichter haben bei ihrer Entscheidung über den Sitz den Willen der Parteien zu berücksichtigen. Schließlich kann der Sitz des Schiedsverfahrens sich auch aus den tatsächlichen Umständen des Schiedsverfahrens ergeben. 51. Als Indizien kommen hier neben dem tatsächlichen Verhandlungsort auch der Wohnort der Schiedsrichter oder, sofern es sich um institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit handelt, der Sitz der Institution in Betracht. 52 Für die Schweiz ist vorgeschlagen worden, das 12. Kapitel des IPRG auch anzuwenden, wenn die Parteien keine Abrede über den Sitz des Schiedsgerichts getroffen haben und das Verfahren aber rein faktisch in der Schweiz durchgeführt wurde. 53 Vom Sitz des Schiedsgerichts ist der eigentliche Verhandlungsort abzugrenzen. Beide Orte können zusammenfallen, müssen es aber nicht notwendigerweise. 54 Im Anwendungsbereich des IPRG genügt es, dass der Sitz des Schiedsgerichts formal auf einen Ort der Schweiz festgelegt wird. Diese Festlegung ist unabhängig vom Platz der eigentlichen Verhandlungen für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des IPRG ausreichend. 55 Das gleiche Prinzip gilt heute auch für das deutsche Recht. 56 Schon der Wortlaut des § 1043 Abs. 2 („... ungeachtet des Abs. 1 ...") stellt klar, dass es den Parteien und dem Schiedsgericht freisteht, alle Prozesshandlungen bis hin zur Fällung des Schiedsspruchs an einem anderen Ort als dem des Sitzes des Schiedsverfahrens vorzunehmen. 57

49

A. Panchaud, SJZ 1965, S. 369, 372.

50

Vgl. Art. 14 ICC-SchO; Art. R28 TAS-Code.

51

A. Panchaud, SJZ 1965, S. 369, 372 f.

52

A. Panchaud, SJZ 1965, S. 369, 373.

53

P. Lalive/J.-F. Anm. 11.

Poudret/C.

Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 176 IPRG

54

Vgl. dazu auch Art. 14 Abs. 2 und Abs. 3 ICC-SchO, die es erlauben, dass sowohl die mündliche Verhandlung als auch die Beratung über den Schiedsspruch an einem anderen Ort als dem Sitz des Schiedsgerichts stattfinden. 55 Th. Rüede/R. Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. I I I ; IPRGEhrau Art. 176 Rdnr. 18; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 42; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 176 IPRG Anm. 5 ff.; P. Jolidon, Commentaire, Art. 2 Anm. 22. 56 57

K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 15, Rdnr. 39.

K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 15, Rdnr. 39; H. RaeschkeKessler/K. P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 138; Stein/Jonas-P. Schlosser, Anh. zu § 1044 Rdnr. 3.

78

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

Der Ort, an dem die jeweilige Prozesshandlung vorgenommen wird, kann sich folglich auch in einem anderen Land befinden. 58 Dem Begriff des „Ortes des schiedsrichterlichen Verfahrens" liegt ein „vergeistigter Ortsbegriff' zugrunde. 59 Als juristisches Konzept beinhaltet die Festlegung des Sitzes lediglich die Wahl des Rechtsdomizils des Schiedsverfahrens. 60 Zur wirksamen Festlegung des Sitzes bedarf es folglich weder einer bestimmten Nähe zum Wohnsitz der Parteien noch ist es erforderlich, dass der Rechtsstreit eine Verbindung mit dem für das Verfahren gewählten Sitz des Schiedsverfahrens hat. 61 Eine solche formale Sitzwahl ist jedoch unwirksam, wenn sie als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Dies ist der Fall, wenn die Parteien den Sitz des Schiedsgerichts nur auswählen, um der Anwendung ansonsten zwingender Rechtsnormen zu entgehen.62 Zudem mag eine allzu liberale Handhabung des Territorialitätsprinzips in anderen Ländern nicht anerkannt werden. 63 Im Vollstreckungsverfahren könnte das staatliche Gericht eines Staats unter Umständen geneigt sein, bei der Bestimmung der Nationalität des Schiedsspruchs zusätzliche Kriterien, insbesondere eine Beziehung zwischen dem Sitz des Schiedsgerichts und seinen Verfahrenshandlungen, zu verlangen. 64 Es ist demnach ver-

58 BG, ASA Bulletin 1997, S. 316, 330; G. Kaufmann-Kohler, No. 9, S. 336, 344 ff. 59

ICCA Congress Series

BT-Drucks. 13/5274 bei: Κ P. Berger , Dokumentation, S. 233.

60

BG ASA Bulletin 1997, S. 316, 330; BGE 76 I, S. 338, 349; Th. RUede/R. Haden feldt. Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 116 m.w.N; H. Raeschke-Kessler/K. P. Berger , Schiedsverfahren, Rdnr. 135; K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 30, Rdnr. 7; fiir Australien: NSW Court of Appeal (AC 40650/00) - Raguz, Urteil v. 1.09.2000, CAS-Awards Sydney 2000, S. 185, 209 f., 213; dazu auch G. KaufmannKohler, Arbitration at the Olympics; S. 20; vgl. auch Sec. 3 UK-Arbitration Act 1996: „In this Part ,the seat of the arbitration' means the juridicial seat of the arbitration ..."; dazu M. Beioff,; Int.S.L.R. 2001, S. 105 109. 61

P. Lalive/J.-F. Anm. 7. 62

Th. Riiede/R.

Poudret/C. Hadenfeldt,

Reymond , Droit de l'arbitrage suisse, Art. 176 IPRG Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 112.

63

Skepsis auch schon bei G. Kaufmann-Kohler, ICCA Congress Series No. 9, S. 336, 349; vgl. auch den gekürzten Artikel in französischer Sprache in: Revue de l'arbitrage 1998, S. 517. 64 Ein dahingehender Vorschlag wurde bei der Verabschiedung des UNCITRAL Modellgesetzes jedoch gerade nicht berücksichtigt; vgl. G. Kaufmann-Kohler, ICCA Congress Series No. 9, S. 336, 344.

I. Regelungsrahmen

79

nünftig, gewisse materielle Bindungen mit dem Sitz des Schiedsgerichts zu bewahren. 65 Im Ergebnis ist der Begriff „Sitz des Schiedsgerichts" als formale Bezeichnung des Legaldomizils des Schiedsverfahrens anzusehen. Hauptzweck dieser Bestimmung ist nicht die geographische Verankerung eines Schiedsverfahrens an einen bestimmten Ort, an dem nach dem Willen der Parteien die (Ver-) Handlungen des Schiedsgerichts vorzunehmen sind. Die Anbindung des Schiedsverfahrens an ein nationales Schiedsverfassungsrecht stellt sich vielmehr als juristische „Nabelschnur" 66 dar. 67 Die Wahl des Sitzes des Schiedsgerichts wird so faktisch zur Rechtswahl, zur Wahl des Schiedsverfassungsrechts. 68 Dies führt in der Konsequenz auf die verfahrensrechtliche Theorie zurück, vermeidet aber das Phänomen eines „staatenlosen" Schiedsverfahrens bzw. eines „staatenlosen" Schiedsspruchs. 69 Der TAS wendet die oben beschriebenen Gestaltungsmöglichkeiten an und legt in seiner Schiedsordnung den Sitz eines jeden Schiedsgerichts pauschal auf Lausanne fest, Art. R28 S. 1 TAS-Code. 70 Diese Grundregel gilt auch für Schiedsverfahren, die von den dezentralisierten Büros in New York und in Sydney oder von den Ad-hoc-Kammern abgewickelt werden. 71 Während für die Spiele von Atlanta für die Festlegung des Sitzes noch eine Entscheidung des Präsidenten der Ad-hoc-Kammer getroffen wurde, 72 bestimmten die Schiedsregeln für die Tätigkeit der danach aufgestellten Ad-hoc-Kammern selbst, dass Lausanne Sitz des Schiedsgerichts bleibt, auch wenn die Verfahren am Olym-

65 77z. Rüede/R. Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 117; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 176 IPRG Anm. 8; IPRGEhrat, Art. 176 Rdnr. 18. 66

H. Raeschke-Kessler/K.

P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 135.

61

A. Redfern/M. Hunter, Arbitration, Rdnr. 2-08; K.-H. Schwab/G. gerichtsbarkeit, Kap. 15, Rdnr. 39. 68 IPRG-Karrer, Art. 187 Rdnr. 52; G. Kaufmann-Kohlen No. 9, S. 336, 338 f., 349.

Walter,

Schieds-

ICCA Congress Series

69 Zur Notwendigkeit und den Problemen eines Schiedsverfahrens ohne Sitz: A. Panchaud, SJZ 1965, S. 369, 371 ff. A. Bucher in: P. Forstmoser u.a. (Hrsg.), FS Keller (1989), S. 565, 573; J. Paulsson, 30 I.C.L.Q. (1981), S. 358 ff.; ders., 32 I.C.L.Q. (1983), S. 53 ff.; G. Kaufmann-Kohler, ICCA Congress Series No. 9, S. 336, 350 ff. 70

Λ. Samuel/R. Gearhart, 6 J. Int. Arb. 1989, S. 39,45.

71

G. Kaufmann-Kohler, ICCA Congress Series No. 9, S. 336, 348; vgl. auch den Beschluss zum Sitz des Schiedsgerichts in Atlanta in: Mealey's International Arbitration Report, 2/1997, S. A8; St. Netzle in: V. Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 9, 17. 72 Vgl. dazu die Schiedssprüche des TAS in Atlanta in: Recueil du TAS S. 377ff; der Beschluss und seine Begründung sind abgedruckt in: Mealey's International Arbitration Report, 2/1997, S. A8 und auszugsweise bei M. Beioff, Int.S.L.R. 2001, S. 105, 107.

80

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

piaort durchgeführt werden. 73 Die Anhörungen können demgegenüber an jedem Ort der Welt stattfinden, ohne dass dies zu einer Änderung des Sitzes des Schiedsgerichts führt, Art. R28 S. 2 TAS-Code. Diese Entscheidung steht allein dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts oder vor dessen Ernennung dem Präsidenten der jeweiligen Kammer zu, der allerdings die Parteien anzuhören hat. Die Festlegung eines einzigen Ortes für das schiedsrichterliche Verfahren ist durch den Gleichbehandlungsgrundsatz gerechtfertigt. Nach der Natur der zu entscheidenden Streitigkeiten besteht jedenfalls keine Notwendigkeit, den Sitz des Schiedsgerichts je nach Streitfall verschieden festzulegen. 74 Die Entscheidung sportbezogener Streitigkeiten muss vielmehr schon aufgrund des den Sport tragenden Prinzips der Gleichbehandlung aller Athleten auf weltweit gleichen Standards basieren. 75 Dies gilt insbesondere für die Olympischen Spiele, bei denen fast alle Teilnehmer aus dem Ausland an einen bestimmten Ort reisen. 76 Die Anwendung eines einheitlichen Schiedsverfassungsrechts bei gleichzeitiger Flexibilität hinsichtlich des Verhandlungsortes sichert damit am besten die Interessen der Parteien. 77 Dieser Ansatz ermöglicht es schließlich auch, das Ad-hoc-Verfahren weitestgehend mit den anderen TAS-Verfahren zu harmonisieren, da allen Verfahren die Standards desselben Schiedsverfassungsrechts zugrunde liegen.78 Die Anerkennung dieser Regelung des TAS-Codes durch die staatlichen Gerichte ist mit großer Aufmerksamkeit zu verfolgen. Für die Mehrzahl der Fälle dürften sich keine Schwierigkeiten ergeben, da in der Regel die Verhandlungen am Sitz des TAS in Lausanne geführt werden. Zweifel bestehen allerdings im Hinblick auf Verfahren, die von den Auslandsbüros in Sydney 79 und New York

* Vgl. jeweils Art. 7 Schiedsordnung fur die XVIII. Olympischen Winterspiele in Nagano (Ad-hoc-Regeln Nagano) und der XXVII. Olympiade in Sydney (Ad-hocRegeln Sydney), Schiedsordnung für die XIX. Olympischen Winterspiele in Salt Lake City; R. Wyler in: U. Scherrer (Hrsg.), Einstweiliger Rechtsschutz im internationalen Sport, S. 43,45; G. Kaufmann-Kohler, ASA Bulletin 1998, S. 311, 320. 74 G. Kaufmann-Kohler, ICCA Congress Series No. 9, S. 336, 348; R. Wyler Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 43,49. 75

in: Κ

Beschluss zum Sitz des Schiedsgerichts für die Olympischen Spiele von Atlanta in: Mealey's International Arbitration Report 2/1997, S. A8; A9; G. Kaufmann-Kohler, ICCA Congress Series No. 9, S. 336, 348. 76

G. Kaufmann-Kohler,

ASA Bulletin 1998, S. 311, 320.

77

Als Beispiel mag hier Art. 9 lit. b (iii) USADA Protokoll i.V.m. Art. R-49 A modifizierte AAA Schiedsordnung gelten, woraus sich ergibt, dass fur die Anfechtung eines erstinstanzlichen AAA Schiedsspruchs nach den TAS-Code der Sitz des Schiedsgerichts in der Schweiz bleibt, während die Anhörung aber in den USA stattfinden muss. 78

G. Kaufmann-Kohler,

79

Dazu T. Castle, New Zealand Law Journal 1994, S. 400.

ASA Bulletin 1998, S. 311, 320.

I. Regelungsrahmen

81

organisiert werden, sowie bei Schiedsverfahren während der Olympischen Spiele. 80 Die Konzeption der Regelung fur die Ad-hoc-Schiedsgerichte wurde im Sommer 2000 aus der Sicht des australischen Rechts einer Prüfung unterzogen und für tragfähig erklärt. 81 Das Gericht nahm dabei vor allem Bezug auf die englische Rechtsprechung und See. 3 des UK Arbitration Act 1996. Diese gingen nach Ansicht des Gerichts eindeutig davon aus, dass das Konzept des Sitzes eines Schiedsgerichts nicht geographisch, sondern allein rechtlich zu qualifizieren sei. Folglich lasse es den Parteien die Freiheit, den Sitz des Schiedsgerichts ohne Ansehen des Ortes der Verhandlungen festzulegen. Ferner lege auch Art. 20 i.V.m. Art. 31 Abs. 3 des UNCITRAL-Modellgesetzes eine derartige Interpretation nahe, die zudem von einer Mehrheit der Literatur unterstützt werde. 82 Es bleibt abzuwarten, ob sich andere Rechtsordnungen dieser sehr liberalen Auffassung zur Definition des Schiedsorts anschließen werden. Eine gewisse Präjudizwirkung fur das Gebiet des „common law" ist aber gegeben.83 Zudem hat auch das schweizerische Bundesgericht eine Entscheidung inzident als schweizerischen Schiedsspruch anerkannt, die von einem Ad-hoc-Panel während der Olympischen Spiele getroffen wurde. Das Gericht führte hier lediglich kurz an, dass das Kriterium der Internationalität des Schiedsverfahrens im Sinne des Art. 176 Abs. 1 IPRG jedenfalls erfüllt

3. Schiedsordnungen und individuelle Vereinbarungen An hierarchisch letzter Stelle stehen die Vereinbarungen der Parteien über die Details des Ablaufs eines Schiedsverfahrens. Hierher gehört auch der Fall dass die Parteien in der Schiedsvereinbarung Bezug auf eine Schiedsordnung nehmen [dazu a)]. Anschließend wird der Frage nachgegangen, inwieweit die Parteien die Bestimmungen einer solchen Schiedsordnung durch Individualver-

80

Β. Heß, ZZPint. 1998, S. 457, 460, Fn. 22.

81

NSW Court of Appeal (AC 40650/00) - Raguz, Urteil v. 1.09.2000, CAS-Awards Sydney 2000, S. 185, 209ff; dazu G. Kaufmann-Kohl er, Arbitration at the Olympics; S. 20. 82

Vgl. dazu auch: A. Redfem/M.

Hunter, Arbitration, Rdnm. 2-15, 6-24 f.

83

Für eine streng geographische Anknüpfung an den Ort der Signatur noch Hiscox v. Outhwaite [1991] 2W.L.R. 1321 (Court of Appeals); bestätigt durch das House of Lords [1992] 1 A.C. 562; dagegen jetzt allerdings See. 53 Englischer Arbitration Act (1996), welcher allein auf den vereinbarten Sitz des Schiedsgerichts abstellt; A. Redfern/M. Hunter, Arbitration, Rdnr. 2-15. 84 BG, ASA Bulletin 2001, S. 508, 512.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

82

einbarungen abändern können. Dies ist vor dem Hintergrund der Beschränkung des TAS auf Streitigkeiten mit einem Bezug zum Sport bedeutsam [dazu b)].

a) Allgemeines Die Schiedsordnungen erleichtern den Parteien den Abschluss einer Schiedsvereinbarung, weil sie nicht gezwungen werden, die Details des Schiedsverfahrens selbst zu regeln oder sie darauf hoffen müssen, dass die Schiedsrichter selbst angemessene Regeln finden. 85 Schiedsordnungen enthalten Bestimmungen, die den Ablauf eines Schiedsverfahrens vorgeben und damit das primär auf das Schiedsverfahren anwendbare Prozessrecht. Schiedsordnungen gibt es in zwei Erscheinungsformen. Zum einen werden sie von Schiedsorganisationen aufgestellt und sind die Grundlage für die so genannte institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit. Zum anderen gibt es aber auch Schiedsordnungen, welche die Existenz einer Schiedsorganisation nicht voraussetzen. Dazu zählt vor allem die UNCITRAL-Schiedsordnung. 86 Die Befugnis, derartige Regeln in Abweichung von gesetzlichen Vorschriften aufzustellen, ergibt sich aus den entsprechenden Ermächtigungen durch das Schiedsverfassungsrecht, § 1042 Abs. 3 ZPO, Art. 182 Abs. 1 IPRG. Die Regelungsbefugnis reicht aber nur so weit, wie das Schiedsverfassungsrecht eine Abänderung des staatlichen Rechts erlaubt. 87 Die Schiedsordnung ist damit rechtlich als eine Parteivereinbarung anzusehen. Wird in der Schiedsvereinbarung eine bestimmte Schiedsordnung in Bezug genommen, wird sie mittelbar zur Parteivereinbarung selbst.88 Ob Schiedsordnungen institutioneller Schiedsgerichte als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB anzusehen sind und der dort normierten Inhaltskontrolle unterliegen, ist zweifelhaft. 89 Der BGH hat insoweit lediglich entschieden, dass die Bestimmungen einer Schiedsordnung wie auch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder ausländisches Recht grundsätzlich nicht revisibel sind. 90

85

Zur Befugnis der Schiedsrichter zur Regelung des Verfahrens: § 1042 Abs. 4 S. 1 ZPO, Art. 182 Abs. 2 IPRG. 86 87

88 89

Abgedruckt bei K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Anh. B. 2. K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 1 Rdnr. 10. H. Raeschke-Kessler/K.

P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 625.

Bejahend: H. Raeschke-Kessler/K P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 630; J.-P. Lachmann/A. Lachmann, BB 2000, S. 1633, 1636 ff. 90 BGHZ 104, S. 178, 181 zur ICC Schiedsordnung.

I. Regelungsrahmen

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Individuelle Vereinbarungen stellen einen weiteren Schritt in der Autonomie der Parteien bei der Ausgestaltung des Schiedsverfahrens dar. Durch Individual Vereinbarungen können in den Grenzen des Schiedsverfassungsrechts und einer gegebenenfalls vereinbarten Schiedsordnung zusätzliche oder ergänzende Vereinbarungen getroffen werden, die das Schiedsgericht grundsätzlich zu beachten hat. Am häufigsten sind Individualvereinbarungen über die Besetzung des Schiedsgerichts oder den Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens.

b) Abänderung von Schiedsordnungen durch individualvereinbarungen?

Es ist umstritten, ob Individualvereinbarungen auch Schiedsordnungen institutioneller Schiedsgerichte abändern können.91 Jedenfalls dort, wo die Schiedsorganisation einer Abänderung durch eine individuelle Parteivereinbarung zustimmt, ist diese als wirksam anzusehen. Diese Zustimmung kann auch konkludent mit der Annahme und Durchführung des Schiedsverfahrens mit den geänderten Regeln erfolgen. Dabei kann sich die Schiedsinstitution weigern, eine Schiedsklage anzunehmen, wenn die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung wesentliche Bestimmungen der Schiedsordnung dieser Institution abgeändert haben. Es steht nicht in der Macht der Parteien, eine Schiedsorganisation zu einem Verfahren zu zwingen, das sie eigentlich nicht organisieren will. Im Bereich des TAS-Schiedsverfahrens ändert zum Beispiel das USADAProtokoll den TAS-Code ab. Gemäß Art. 9 lit. b (iii.) USADA-Protokoll müssen Berufungen zum TAS gegen einen erstinstanzlichen AAA-Schiedsspruch in den USA stattfinden. Damit wird die Freiheit des Schiedsgerichts, gemäß Art. R28 S. 2 TAS-Code selbst einen Verhandlungsort festzulegen, eingeschränkt. Der TAS-Code beschränkt die Zuständigkeit dieses Schiedsgerichts auf alle Streitigkeiten, die einen Bezug zum Sport aufweisen, Art. R27 TAS-Code. Die Zuständigkeit des TAS ist daher nur gegeben, wenn es sich um die Entscheidung einer privatrechtlichen Streitigkeit handelt, in deren Mittelpunkt zwar geldwerte Interessen stehen können, die aber jedenfalls der Ausübung einer Tätigkeit mit einem Bezug zum Sport entspringt. 92 Bei der Definition der Zuständigkeit des TAS kann schon fraglich sein, was überhaupt unter Sport zu verstehen ist. Das Phänomen Sport kann jedenfalls nicht als ein feststehender

91 K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 15, Rdnr. 32; für die ICCSchO differenzierend nach verschiedenen Vorschriften R. Kreindler, RIW 2002, S. 249, 252. 92

TAS 91/45 - W v. X. S.A. (1992), Recueil du TAS, S. 19, 22 f.; J.-P. Rachat , ASA Special Series No. 11, S. 11; G. Simon, Revue de l'arbitrage 1995, S. 185, 191.

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Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

Begriff verstanden werden 93, denn der Sport war und ist immer wieder Wandlungen unterworfen. 94 Als pragmatische Lösung bietet es sich an, auf die vom IOC verwandte Definition zurückzugreifen. Danach ist Sport eine „körperliche Aktivität, die eine Art des Spiels, der Anstrengung und von Fall zu Fall auch Geschicklichkeit umfasst und dessen Ausübung ein planvolles Training und die Einhaltung von Regeln und Disziplin voraussetzt" 95. Der TAS hat diese Voraussetzung seiner Schiedsordnung in einer Entscheidung präzisiert. 96 Im Streit stand der Vertrag zum Bau eines Sportbootes, der auch bestimmte Leistungen des Konstrukteurs als Kapitän des Bootes vorsah. Der Schiedsrichter war der Ansicht, dass es im Hinblick auf den nach der Schiedsordnung erforderlichen Bezug zum Sport grundsätzlich im Ermessen des Schiedsgerichts stehe, ob damit ein hinreichender Bezug zum Sport bestehe. Fehle ein solcher Bezug, könne der TAS eine Entscheidung verweigern. 97 Er sei dazu jedoch nicht gezwungen. Vielmehr basiere die Schiedsgerichtsbarkeit auf der Willensübereinstimmung der Parteien, die eine große Freiheit in der Auswahl der Schiedsrichter und der Schiedsorganisation besäßen. Sofern diese aufgrund ihrer Anrufung eine Entscheidung ihres Rechtsstreits durch den TAS wünschten, sei es nicht notwendig, dass die Voraussetzungen eines Bezugs zum Sport objektiv vorlägen. Das Schiedsgericht könne hier trotzdem in der Sache selbst entscheiden.98 Dieser Ansicht ist im Ergebnis zuzustimmen. Allerdings gilt auch hier, dass eine Willensübereinstimmung zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens und den Schiedsrichtern allein nicht genügen kann. Hinzukommen muss vielmehr noch die Zustimmung des TAS, der nicht gezwungen werden kann,

93

J.-P. Rockau ASA Special Series No. 11, S. 11, 12.

94

Vgl. dazu etwa BFH SpwRt 2001, S. 254, der für eine steuerliche Anerkennung als „Sport" (Gemeinnützigkeit nach § 52 AO) eine körperliche Aktivität oder zumindest besondere körperliche Fertigkeiten fordert und darauf hinweist, dass etwa das Schachspiel in die Vorschrift nur im Wege einer gesetzlichen Fiktion einbezogen ist; kritisch F. Holzke, SpwRt 2002, S. 100. 95

„Activité comportant l'existence d'une activité physique impliquant un sens de jeu, de l'effort, et le cas échéant de l'adresse, et dont la pratique suppose un entraînement méthodique et le respect de règle et discipline." J.-P. Rockau ASA Special Séries No. 11, S. 11, 12. 96 TAS 92/81 - L v. Y S.A. (1992), Recueil du TAS du TAS S. 47; vgl. auch: TAS 91/45 - W v. X S.A. (1992), Recueil du TAS du TAS S. 19, 23 = J.D.I. 2001, S. 317, 320. 97

Gerechtfertigt wurde diese Begrenzung mit der Finanzierung der Kosten des TAS durch (damals noch) das IOC; TAS 92/81 - L ν. Y S.A. (1992), Recueil du TAS du TAS S. 47,49. 98

TAS 92/81 - L ν. Y S.A. (1992), Recueil du TAS du TAS S. 47, 49 f.

I. Regelungsrahmen

85

Schiedsverfahren durchzuführen, die keinen Bezug zum Sport aufweisen. 99 Die Einreichung einer Schiedsklage ist in einem solchen Fall als Angebot an den Beklagten und die Schiedsorganisation anzusehen, die Schiedsordnung abzuändern. Mit der Durchführung des Schiedsverfahrens ohne Rüge des Beklagten oder der Schiedsorganisation wird dieses Angebot angenommen.100 Die Zustimmung des TAS wird man schon mit der Zustellung der Schiedsklage an den Beklagten als erteilt anzusehen haben. Erhebt der Beklagte den Einwand, dass der Anwendungsbereich der Schiedsordnung nicht eröffnet sei, entscheidet später das Schiedsgericht auch über diese Frage. 101 Abschließend sei noch auf eine Besonderheit hingewiesen, die sich aus dem Sanktionsverfahren des Internationalen Radsportverbands (UCI) ergibt. Nach den Regeln der UCI ist allein der nationale Verband für die Sanktion eines Dopingvergehens zuständig. Die UCI behält sich allerdings das Recht vor, gegen die durch den nationalen Verband verhängte Sanktion Berufung zum TAS einzulegen. Auf der anderen Seite erkennt Art. R47 TAS-Code jedoch an sich lediglich einer „Partei" des vorangegangenen internen Verfahrens das Recht auf Berufung zu. Daher wurde in einem Schiedsverfahren die Frage aufgeworfen, ob die UCI überhaupt die Aktivlegitimation für ein TAS-Verfahren besitzt, da sie ja formal nicht an dem Verfahren des nationalen Verbands beteiligt war. Das Schiedsgericht war hierzu der Ansicht, dass auch der UCI die Stellung einer „Partei" im Sinne des Art. R47 TAS-Code zukomme, da sie das Verfahren des nationalen Verbands schließlich durch die Meldung des Dopingverstoßes erst eingeleitet habe. 102 In einem weiteren Fall entschieden die Schiedsrichter zudem, dass die Regeln der UCI lediglich eine Delegation der Entscheidungsbefugnis auf die nationalen Verbände beinhalteten. Die Entscheidung sei aber letztlich allein der UCI zuzurechnen, die daher auch allein als Klägerin gegen den jeweiligen Athleten auftreten könne. 103 Diese Entscheidungen bestätigen das Prinzip, dass die Parteien eines Schiedsverfahrens grundsätzlich die Schiedsregeln abändern können, eine Zuständigkeit eines

99

Mit Hinweis auf die Finanzierung der Arbeit des TAS durch die Verbände J.-P. Rockau ASA Special Series No. 11, S. 11, 12 f. 1 ΛΛ K.-H. Schwab/G. Walter, P. Schlosser, § 1034 Rdnr. 8.

Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 15, Rdnr. 30; Stein/Jonas-

101 Vgl. auch die Entscheidung: TAS 92/81 - L ν. Y S.A. (1992), Recueil du TAS S. 47,49. 102 TAS 97/175 - UCI ν. Α. & Fédération Cycliste dOuzbékistan (1998), Recueil du TAS II, S. 145, 150. 103

TAS 98/181, UCI ν. N. & DCU, S. 13.

86

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

Schiedsgerichts aber nur dann gegeben ist, wenn auch die Schiedsorganisation Ii

·

104

selbst zustimmt.

4. Zusammenfassung (1) Das Schiedsverfahren wird auf verschiedenen Ebenen reglementiert. Eine Gleichstellung der Entscheidungen privater Schiedsgerichte mit den Entscheidungen staatlicher Gerichte wird nur akzeptiert, wenn sich die Parteien und das Schiedsgericht an bestimmte Vorgaben halten. An oberster Stelle stehen internationale Verträge. Hierbei bildet das UNÜ das Herzstück der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Es grenzt die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte gegen die Zuständigkeit privater Schiedsgerichte ab und regelt die Voraussetzung einer Anerkennung und Vollstreckung. Andere internationale Abkommen zur Schiedsgerichtsbarkeit treten demgegenüber in den Hintergrund. Das UNCITRAL-MG konnte ebenfalls großen Einfluss auf die nationale Gesetzgebung zur Schiedsgerichtsbarkeit ausüben. (2) Auf nationaler Ebene sind die Schiedsverfahren ebenfalls durch Gesetze reguliert. Diese nationalen Regeln geben bestimmte Mindestanforderungen vor, von denen die Parteien nicht abweichen können. Damit kann man diese Rechtsvorschriften als Schiedsverfassungsrecht bezeichnen. Ihr Anwendungsbereich ist zumindest für Deutschland und die Schweiz eröffnet, wenn der Sitz des Schiedsgerichts in einem der beiden Staaten liegt. Das Konzept des Sitzes des Schiedsverfahrens ist nicht als Bestimmung des geographischen Schwerpunkts des Schiedsverfahrens anzusehen. Vielmehr können die Parteien nach einer verbreiteten Ansicht den Sitz des Schiedsverfahrens durch Vereinbarung frei wählen, ohne dass es èines tatsächlichen Bezugs zwischen dem Schiedsverfahren und dem gewählten Sitz bedarf. Die Wahl des Sitzes stellt sich damit als Rechtswahl, als Wahl des Schieds Verfassungsrechts dar. (3) An letzter Stelle der Hierarchie stehen die Parteivereinbarungen. Die Parteien können das Schiedsverfahren unter Wahrnehmung der Spielräume der dispositiven Regelungen des Schiedsverfahrensrechts durch eigene Abmachungen ausgestalten. Die Inbezugnahme von Schiedsordnungen ist nur die einfachste Möglichkeit. Diese Schiedsordnungen können durch Parteivereinbarungen weiter ergänzt werden. Ihre Abänderung ist aber nur mit Zustimmung der jeweiligen Schiedsorganisation möglich. Dieser soll nicht ein Verfahren aufgezwungen werden dürfen, das sie nicht durchführen will.

104

S. 11 f.

Kritisch allerdings TAS 97/176 - UCI v. J. & Norges Cycleforbund (1998),

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

87

II. Gebot der überparteilichen Rechtspflege Ein Schiedsgericht übt nach seiner Funktion und der Wirkung seiner Entscheidung materielle Rechtsprechung aus. 105 Die Ausgestaltung des Schiedsverfahrens muss deshalb gewährleisten, dass das Schiedsgericht in institutioneller Hinsicht und die Schiedsrichter in persönlicher Hinsicht von den Parteien unabhängig sind. 106 Dies folgt letztlich aus dem Grundsatz, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf. Das Gebot der überparteilichen Rechtspflege gilt als Konstante einer rechtsstaatlichen Rechtsprechung im Schiedsverfahren in vergleichbarem Umfang wie im Verfahren vor staatlichen Gerichten. 107 Die Grenze zwischen der Unabhängigkeit des Schiedsgerichts und der Unabhängigkeit der Schiedsrichter ist danach zu ziehen, ob die abstrakten Regeln für die Besetzung des Schiedsgerichts per se schon zu einer Parteilichkeit des Entscheidungsgremiums führen. Ist dies der Fall, handelt es sich bei dem Entscheidungsgremium schon nicht um ein Schiedsgericht, weil die Richterbank mit der einen Partei engere Bindungen hat als mit der anderen. 108 Entsteht aber der Verdacht der Parteilichkeit erst während eines laufenden Verfahrens und manifestiert er sich an der Person des Schiedsrichters selbst, so ist die Unparteilichkeit der Institution Schiedsgericht als solche nicht zweifelhaft. Die mangelnde Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit eines Schiedsrichters lässt sich durch dessen Auswechselung beseitigen. So kann die Waffengleichheit zwischen den Parteien wiederhergestellt werden. 109 Im Folgenden soll daher zunächst auf die Anforderungen an die institutionelle Unabhängigkeit eines Schiedsgerichts (dazu 1.) und die daraus folgenden Anforderungen an das Ernennungsverfahren der Schiedsrichter (dazu 2.) eingegangen werden. Anschließend wenden sich die Ausführungen der Frage der persönlichen Unabhängigkeit der Schiedsrichter zu (dazu 3.) und beschäftigen sich dann mit den Möglichkeiten einer Ablehnung oder einer Auswechselung

105 BGHZ 51, S. 255, 258; BGHZ 54, S. 392, 395; R. Stober, NJW 1979, S. 2001, 2004; Stein/Jonas-P. Schlosser, vor § 1025 Rdnr. 3. 106

M. Baddeley, L'association sportive, S. 294; Β. Reichert , Handbuch, Rdnr. 2530; U. Haas/C. Prokop, JR 1998, S. 45, 46; U. Haas, ZEuP 1999, S. 355, 363. 107

BGHZ 51, S. 255, 258 f.; BGHZ 54, S. 392, 395; G. Wagner, Prozessverträge, S. 487 ff.; K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9, Rdnr. 6; B. Reichert, Handbuch, Rdnr. 2598; H. Fenn in: W. Gerhardt u.a. (Hrsg.), FS Henckel (1995), S. 173, 187 ff.; U. Haas, ZEuP 1999, S. 355, 366; für Parteischiedsgerichte schon M. Vollkommer in: W. J. Η absehe id/K-H. Schwab (Hrsg.), FS Nagel (1989), S. 474,487. 108 109

G. Wagner, Prozessverträge, S. 489.

BGHZ 51, S. 255, 261 f.; G. Wagner, Prozessverträge, S. 488 f.; H. Fenn in: W. Gerhardt u.a. (Hrsg.), FS Henckel (1995), S. 173, 189; G. Walter/W. Bosch/J. Brönnimann, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S. 103.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

88

der Schiedsrichter (dazu 4.). Maßstab der Betrachtung ist allein die heutige Fassung der Schiedsordnung des TAS. Die Kritik an früheren Fassungen110 soll nur aufgegriffen werden, wenn sie auch heute noch zutreffend ist.

1. Institutionelle Unabhängigkeit des Schiedsgerichts Der Weg zu den staatlichen Gerichten durch eine privatschriftliche Vereinbarung nur ausgeschlossen werden, wenn dadurch die Zuständigkeit eines echten Schiedsgerichts vereinbart wird. 111 Für die Frage, ob überhaupt ein Schiedsgericht entschieden hat, kommt es entscheidend auf die Unabhängigkeit des Spruchkörpers an. Das Verbot des Richters in eigener Sache gilt für ein Schiedsgericht im gleichen Maße wie für ein staatliches Gericht. 112 Zunächst sind daher die Anforderungen der Schieds verfassungsrechte Deutschlands und der Schweiz einander gegenüberzustellen [dazu a)], bevor anschließend auf die Unabhängigkeit des TAS selbst eingegangen werden kann [dazu b)].

a) Anforderungen

aa) Allgemeines Für Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz folgt die Vorgabe einer von den Parteien unabhängig besetzten Schiedsrichterbank nicht nur aus Art. 30 Abs. 1 S. 1 Bundesverfassung (BV), 1 1 3 sondern auch aus Art. 6 Abs. 1 EMRK. 1 1 4 Die genannten Vorschriften gewähren den Prozessparteien unabhän-

110 Etwa: P. Schlosser S. 467, 476. 111

in: Κ. A. Bettermann

u.a. (Hrsg.), FS Zeuner (1994),

M. Baddeley , L'association sportive, S. 282.

112

BGHZ 98, S. 70, 72; G. Wagner , Prozessverträge, S. 487 f; K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9, Rdnr. 4; Th. Riiede/R. Hadenfeldt , Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 140; G. Walter/W. Bosch/J. Brönnimann, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S. 100; dies wurde früher in Deutschland noch anders gesehen, dazu W. J. Habscheid, NJW 1962, S. 5, 7. 113

BGE 129 III, S. 445, 454 = SpwRt 2004, S. 38, 39 f; für Art. 58 BV (alt): BGE 117 la, S. 166, 168; BGE 119 II, S. 271, 275; BG ASA Bulletin 1997, S. 99, 104; Th. Rüede/R. Hadenfeldt, Supplement 1999, S. 35 unter Verweis auf BGE 124 I, S. 255, 261; M. Baddeley, L'association sportive, S. 263. 114

W. J. Habscheid in: W. Gerhardt u.a. (Hrsg.), FS Henckel (1995), S. 341, 344; gegen eine Anwendbarkeit mit dem Hinweis, es handele sich nicht um ein staatliches Gericht, als Adressat sei der Staat aber nur für seine eigenen Gerichte verantwortlich: Ch. Jarrosson, Revue de l'arbitrage 1989, S. 573, 576 ff. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Staat auch Sorge für Schiedsgerichte mit Sitz in seinem Hoheitsgebiet tragen

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

89

gig von den für sie anwendbaren Verfahrensregeln einen Anspruch darauf, dass jeder Rechtsstreit von einer unabhängigen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richterbank ohne Einwirkung sachfremder Umstände entschieden wird. 1 1 5 Damit wird garantiert, dass keine Umstände, die außerhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zu Lasten einer Partei auf das Urteil einwirken. 1,6 Für Deutschland kann in der gleichen Frage zwar ebenfalls auf Art. 6 Abs. 1 EMRK, nicht jedoch unmittelbar auf Art. 97 Abs. 1 GG zurückgegriffen werden, da letztere Vorschrift eindeutig nur für die staatlichen Gerichte gilt. 1 1 7 Das Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege ist aber in jedem Fall Bestandteil des deutschen ordre public. 118 Ein Verstoß führt daher stets zur Aufhebung oder Nichtanerkennung der Entscheidung.119 Ansatzpunkt für eine Untersuchung zur Wahrung des Gebots der überparteilichen Rechtspflege ist die Konstituierung des Spruchorgans als solches. 120 Die persönliche Unabhängigkeit eines Mitglieds bleibt an dieser Stelle zunächst unberücksichtigt. 121 Während die Unabhängigkeit der Schiedsrichter im Wege einer repressiven Kontrolle 122 im Einzelfall gesichert wird, kann das damit verbundene Ablehnungsverfahren die Mängel in den Besetzungsregeln des Schiedsgerichts nicht ohne weiteres beheben.123 Keine der Parteien soll bereits bei der Besetzung des Schiedsgerichts eine Position einnehmen dürfen, die den Verfahrensausgang nicht mehr offen erscheinen lässt. Die Überparteilichkeit des Schiedsgerichts ist in Frage gestellt, wenn das Spruchgremium für einen

muss, da deren Entscheidungen letztlich wie Urteile staatlicher Gerichte vollstreckbar sind. 1,5 BG ASA Bulletin 1997, S. 99, 105; im Vebandsstrafverfahren ist diese Vorschrift hingegen nicht anwendbar TAS 2000/A/290 - X. & Everton FC v. UEFA (2001), TAS Recueil II, S. 556, 564. 116

BGE 1241, S. 255, 261.

117

Normadressat ist insoweit nur der staatliche Richter, der hoheitliche Funktionen ausübt, Maunz/Dürig-Scfco/z, Art. 97 Rdnr. 6 f; mit Hinweis auf Art. 1 Abs. 3 GG: K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9, Rdnr. 4. 118

St. Koussoulis, ZZP 107 (1994), S. 195, 205; W. J. Habscheid, NJW 1962, S. 5, 12; zum Standard nach schweizerischem Recht: G. Kaufmann-Köhler, SZIER 1993, S. 273. 119 1

BGHZ 65, S. 59, 62; BGH NJW 1986, S. 3077. M. Baddeley , L'association sportive, S. 264.

121

W. J. Habscheid, SAG 1985, S. 157, 162; F. Ebbing, NZG 1999, S. 754, 757; vgl. auch BGE 97 I, S. 488,492. 122

G. Walter/W.

123

Vgl.: BGE 119 II, S. 271, 276, BGHZ 54, S. 393, 399.

Bosch/J. Brönnimann, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S. 109.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

90

unbefangenen Betrachter den Eindruck erweckt, eine Partei könnte gegenüber der anderen Partei bei der Entscheidungsfindung benachteiligt werden. 124 Es versteht sich von selbst, dass der gesetzliche Vertreter einer Partei, wie die Partei selbst, nicht auch deren Schiedsrichter sein kann. 125 Damit scheiden natürliche Personen, die Mitglieder von Organen eines Sportvereins oder Sportverbands sind, als Schiedsrichter für Verfahren unter Beteiligung dieser Vereine oder Verbände aus. 126 Ferner ist es auch unzulässig, dass als Schiedsrichter mehrheitlich oder gänzlich nur Personen wählbar sind, die mit einer Partei derart verbunden sind, dass ihre persönliche Unabhängigkeit schon deshalb in Frage steht. 127 Dies kann vor allem dann der Fall sein, wenn als Schiedsrichter nur Mitglieder eines Vereins benannt werden können, eine der Parteien aber nicht Mitglied dieses Vereins ist. 128 Zudem müssen beiden Parteien bei der Ernennung der Schiedsrichter die gleichen Rechte eingeräumt werden. Die Bevorzugung einer Partei ist ausgeschlossen.129 Diese Anforderung setzt sich auch innerhalb des Verfahrens im Gedanken der Gleichheit der Parteien im Schiedsverfahren fort. 130 Eine Bevorzugung kann sich insbesondere daraus ergeben, dass einer Partei das Recht eingeräumt ist, alle oder auch nur die Mehrzahl der Schiedsrichter allein zu benennen.131 Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine der Parteien neben ei-

124

BGHZ 54, S. 392, 395.

125

K.-H. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9, Rdnr. 6; G. Wagner, Prozessverträge, S. 499; weitere Beispiele bei Th. RUede/R. Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 145; B. Reichert, Handbuch, Rdnr. 2616. 126

L Vollmer,

127

Beispiele bei J. Münch in: MünchKomm-ZPO, § 1036 Rdnr. 6.

Satzungsmäßige Schiedsklauseln, S. 148; E. Deutsch, VersR, S. 2, 6.

128

BGHZ 51, S. 255, 258 unter Verweis auf BGE 80 I, S. 336; dazu schon M. Guldnen ZSR 71 II (1952), S. 207a, 239a. 129

BGHZ 128, S. 93, 109; K.-H. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9, Rdnr. 9; St. Koussoulis, ZZP 107 (1994), S. 195, 204 f.; dies war früher in Deutschland nicht unumstritten, vgl. W. J. Habscheid, NJW 1962, S. 5, 8; für die Schweiz: BGE 97 I, S. 488, 489; Th. Rüede/R. Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 143; M. Guldnen ZSR 71 II (1952), S. 207a, 236a; Kantonsgericht Waadt, ASA Bulletin 1998, S. 134, 138; Kantonsgericht Wallis ZWR 1991, S. 346, 353; M. Baddeley, L'association sportive, S. 267. 130

P. Lalive , Semaine Judiciaire 1990, S. 362, 365; W. J. Habscheid , NJW 1962,

S. 5, 9. 131 Th. Rüede/R. Hadenfeldt , Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 143; K-H. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9 Rdnr. 10; a.Α. noch Ρ. Schlossen Verbandsgerichtsbarkeit, S. 180, der eine Wahl durch Verbandsorgane zumindest dann als zulässig erachten will, wenn an dem Rechtsstreit mit dem Verband ein unmittelbares oder mittelbares Vereinsmitglied beteiligt sei. Dann komme der Wahrung des Verbands-

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

91

nem Beisitzer auch den Vorsitzenden des Schiedsgerichts bestimmen darf. 132 Einvernehmliche Beschränkungen des Auswahlrechts, die für alle Parteien gleichermaßen gelten wie die Vereinbarung einer Liste oder etwa die Forderung bestimmter Qualifikationen sind hingegen grundsätzlich zulässig. 133 Die Vereinbarung einer geschlossenen Schiedsrichterliste kann aber nur als gültig angesehen werden, wenn die Liste eine bestimmte Sachkunde der Schiedsrichter sicherstellen soll und wenn sie groß genug ist, damit allen Parteien eine echte Wahlmöglichkeit bleibt und so die Anforderungen an eine unabhängige Rechtsprechung gewahrt bleiben. 134 Bei der Besetzung der Liste ist somit darauf zu achten, dass alle potentiell als Parteien in Betracht kommenden Gruppen angemessen an dem Nominierungsverfahren beteiligt werden oder dass die Besetzung von vornherein durch eine im Hinblick auf zukünftige Verfahren neutrale Stelle vorgenommen wird. 1 3 5 Die Aufstellung einer geschlossenen Liste darf im Ergebnis nicht dazu führen, dass das Übergewicht einer Partei damit quasi institutionalisiert wird. 1 3 6 Die oben dargelegten Grundsätze gelten ohne Einschränkungen auch für diejenigen Schiedsgerichte, die durch Verbandssatzungen eingesetzt werden. 137 Demgegenüber sind Entscheidungen von Verbandsgerichten, bei denen mit persönlicher und sachlicher Unabhängigkeit ausgestattete Schlichter 138 durch

zwecks besonderes Gewicht zu. Diese Auffassung übersieht, dass für solche Gedanken in der Schiedsgerichtsbarkeit, anders als in der Verbandsgerichtsbarkeit kein Platz ist. 132 K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9, Rdnr. 11, der von dieser Aussage jedoch „Verbandschiedsgerichte" ausnehmen will. Dies widerspricht ohne Grund den oben dargestellten Grundsätzen. Zum Schiedsgericht des DFB vgl. M. Vollkommen RdA 1982, S. 16, 18, LG Frankf\irt/Main NJW 1983, S. 761, 763. 133 K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9, Rdnr. 11; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit suisse de l'arbitrage, Art. 19 SchKonk Anm. 2, A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 167. 134 K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9, Rdnr. 11; Th. Rüede/R. Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 139; das Interesse an einer kontinuierlichen, sachkundigen Rechtsprechung reicht allein hingegen nicht aus: L. Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, S. 155. 135

Zum Verbot der Nähe zu einer Partei in diesem Fall: BGHZ 51, S. 255, 260 f.; Die Ernennung der Schiedsrichter durch eine unabhängige Stelle beseitigt den Makel der Parteilichkeit, J. F. Perrin, Droit Civil V, S. 146. 136 K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9, Rdnr. 11 ; Stein/Jonas-P. Schlosser, § 1032 Rdnr. 18; für die Schweiz A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 167; zu den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten vgl. L. Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, S. 150 ff. 137 Th. Rüede/R. Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 146 ff.; differenzierend allerdings K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9, Rdnr. 11. 138

Dazu P. Schlossen Verbandsgerichtsbarkeit, S. 170 ff.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

92

Beschluss eines Vereinsorgans ins Amt gesetzt werden, nur Akte der Eigengeschäftsführung und keine schiedsgerichtlichen Entscheidungen.139

bb) Ernennung der Schiedsrichter durch eine Partei bei Säumnis der anderen Partei? Ein Übergewicht kann sich faktisch auch ergeben, wenn eine Partei es versäumt, ihren Mitschiedsrichter fristgemäß zu benennen und dieser dann von der anderen Partei ernannt wird, weil die Parteivereinbarungen dies so vorsehen. Der BGH hat dazu in einem Verfahren über die Aufhebung eines deutschen Schiedsspruchs entschieden, dass diese Verfahrensweise wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der überparteilichen Rechtspflege unwirksam ist. 140 Der Fall sei nicht anders zu behandeln, als ob einer Partei bereits von vornherein das alleinige Recht auf Schiedsrichterbenennung eingeräumt worden wäre. 141 Sei eine Partei mit der Ernennung ihres Mitschiedsrichters säumig, müsse dieser Mitschiedsrichter durch eine von den Parteien unabhängige Instanz oder das staatliche Gericht benannt werden. 142 In Abgrenzung zu der vorgenannten Entscheidung hat der BGH später für den Anwendungsbereich des UNÜ aber entschieden, dass die hilfsweise Ernennung durch eine Partei nicht gegen den internationalen ordre public verstößt. 143 Eine daraufhin ergangene Entscheidung könne daher in Deutschland als Schiedsspruch vollstreckt werden. Hier komme es allein darauf an, ob sich diese (an sich fehlerhafte) Besetzung auf die Entscheidung des konkreten Falls ausgewirkt habe. Dies war nach Ansicht des BGH nicht der Fall. 1 4 4 Angesichts dieser Entscheidungen ist in der Literatur vorgeschlagen worden, das Übergewicht einer Partei nur anhand der Bestimmungen des ursprünglichen Besetzungsverfahrens zu beurteilen. 145 Entstehe das Übergewicht einer Partei erst als Folge der Säumnis einer Seite, sei dies lediglich die Folge einer willent-

139

BGE 119 II, S. 271, 276; Kantonsgericht Wallis, ZWR 1991, S. 346, 355.

140

BGHZ 54, S. 392, 395.

141

BGHZ 54, S. 392, 397.

142

BGHZ 54, S. 392, 398 f.

143

BGHZ 98, S. 70, 75.

144

Ablehnend mit dem Hinweis, dass sich dies so gut wie nie nachweisen lasse, Stein/Jonas-P. Schlossen § 1032 Rdnr. 18b. 145 G. Walter/W. Bosch/J. Brönnimann, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S. 103 mit Verweis auf BGHZ 98, 70, 75 f.; vgl. dazu auch Y. Derains in: K.-H. Böckstiegel/O. Glossner (Hrsg.), FS Bülow (1981), S. 31, 34 ff.; K.-H. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9, Rdnr. 10.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

93

liehen Unterlassung der dann benachteiligten Partei. Dies genüge zur Legitimation der benachteiligenden Besetzung.146 Dem ist nicht zuzustimmen. Diese Ansicht übersieht, dass es immer nur auf die Betrachtung des konkreten Einzelfalls ankommen kann. Die Besetzung des Schiedsgerichts durch nur eine Partei, aufgrund welcher Vereinbarung auch immer, begegnet auch dann grundsätzlichen Bedenken im Hinblick auf das Neutralitätsgebot, wenn sie letztlich durch die Säumnis einer Seite hervorgerufen wurde. Letztlich ist entscheidend, wie das Schiedsgericht im Einzelfall bei seiner Entscheidung besetzt wurde, und nicht, wie es ursprünglich hätte besetzt werden sollen. Die Parteien können ihr Ernennungsrecht daher zwar auf einen neutralen Dritten übertragen, nicht jedoch auf eine der Parteien. 147 Das Neutralitätsgebot besteht im öffentlichen Interesse, so dass die Parteien hierüber grundsätzlich keinerlei abweichende Abmachungen treffen können. 148 Eine Ausgestaltung ist nur möglich, wenn das Gebot der überparteilichen Rechtspflege im Ergebnis eingehalten bleibt. Aus diesem Grund übertragen die meisten Schiedsordnungen das Recht auf Besetzung einer neutralen Stelle. 149 Für Deutschland hat dieser Streit im Hinblick § 1035 Abs. 4 ZPO an Bedeutung verloren. § 1035 Abs. 4 ZPO schreibt für den Fall der Säumnis im Ernennungsverfahren vor, dass jede Partei das staatliche Gericht zur Benennung des Schiedsrichters anrufen kann. Die Bestimmung erweitert § 1035 Abs. 3 S. 3 ZPO, der für den Fall, dass die Parteien von vornherein kein Benennungsverfahren vereinbart haben, ebenfalls eine Sekundärzuständigkeit des staatlichen Gerichts vorsieht. Dem steht auch nicht der letzte Halbsatz des § 1035 Abs. 4 ZPO entgegen, der abweichende Parteivereinbarungen zulässt. Solche Abweichungen sind nur in den Grenzen der Gestaltungsbefugnisse der Parteien eines Schiedsverfahrens zulässig. Hierzu zählt aber die Übertragung der Ernennung der Mehrheit der Schiedsrichter durch nur eine Partei gerade nicht. 150

146

Κ. P. Bergen RIW 1993, S. 702, 706.

147

Zöller-/?. Geirrten § 1034 Rdnr. 10.

148

BGHZ 98, S. 70, 72; unter Ablehnung von BGHZ 65, S. 59, 64, der die Ernennung eines Organmitgliedes einer Partei als zulässig ansah, wenn sie auf einem gemeinsamen Willensentschluss der Parteien beruhe, diese Ernennung erst nach Auftreten des Rechtsstreits vorgenommen werde und der so ernannte Schiedsrichter faktisch nur „eine lose Verbindung" zu einer der Parteien hatte; dazu auch frz. Cour de Cassation, Revue de l'arbitrage 1992, S. 470,471 - Dutco. 149

Vgl. nur: Art. R40.2. R53 TAS-Code, Art. 8 ICC-SchO; Art. 6 Abs. 2 UNCITRAL-SchO. 150

Im Ergebnis auch H. H. Raeschke-Kessler/K. Rdnr. 435.

P. Bergen Schiedsverfahren,

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

94

cc) Rechtsfolgen unzulässiger Ernennungsverfahren Für interne Schiedsverfahren der Schweiz bestimmt Art. 19 Abs. 2 SchKonk, dass im Fall des überwiegenden Einflusses einer Partei auf die Bestellung des Schiedsgerichts das gesamte Schiedsgericht abgelehnt werden kann. Ein neues Schiedsgericht ist dann im Einklang mit Art. 11,12 SchKonk zu bestellen. Eines solchen Antrags an das staatliche Gericht bedarf es jedoch dann nicht, wenn sich die Parteien selbst auf ein Ersetzungsverfahren einigen. 151 In den Regelungen des IPRG fehlt eine entsprechende Bestimmung. Nach einer Ansicht liegt im Fall des Übergewichts einer Partei im Ernennungsverfahren eine Teilnichtigkeit der Schiedsvereinbarung vor. 1 5 2 Die Teilnichtigkeit hat nach dieser Ansicht zur Folge, dass keine rechtlich bindende Abmachung über das Ernennungsverfahren existiere und daher gemäß Art. 179 Abs. 2 IPRG letztlich der staatliche Richter angerufen werden könne. Der staatliche Richter ernenne dann die Schiedsrichter gemäß Art. 11 SchKonk. Die Gegenansicht fasst die Unparteilichkeit des Schiedsgerichts unter die Unabhängigkeit der Schiedsrichter und gewährt daher lediglich ein Ablehnungsrecht. 153 Die zuletzt genannte Ansicht vermag jedoch nicht zu erklären, wie der Posten des abgelehnten Schiedsrichters mittels der getroffenen Parteivereinbarung besetzt werden kann, ohne dass erneut der Vorwurf der Parteilichkeit des Schiedsgerichts an sich entsteht. Derjenige, der sich auf die Unparteilichkeit beruft, hätte erneut das Recht, den neu ernannten Schiedsrichter abzulehnen und somit im Ergebnis das Schiedsverfahren auf Dauer lahm zu legen. 154 Daher ist für internationale Schiedsverfahren von einer Teilnichtigkeit der Schiedsvereinbarung auszugehen und das Schiedsgericht gemäß Art. 179 Abs. 2 IPRG i.V.m. Art. 11, 12 IPRG mit Hilfe des staatlichen Gerichts zu bestellen. Die Neubesetzung durch das staatliche Gericht vermeidet bereits am Beginn des Schiedsverfahrens, dass die Rechtsprechung bei einem Verstoß gegen das Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege dem Spruchkörper generell die Anerkennung als Schiedsgericht

151 W. J. Habscheid, SAG 1985, S. 157, 162; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit suisse de l'arbitrage, Art. 19 SchKonk. Anm. 3; im Fall mangelnder Einigung der Parteien kann allerdings auch hier das staatliche Gericht angerufen werden, Art. 12 SchKonk. 152

Th. Rüede/R. Hadenfeldt,

Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 141.

153

P. Lalive , Semaine Judiciaire 1990, S. 362, 365; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit suisse de l'arbitrage, Art. 179 IPRG Anm. 3; A. Bucher , Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 167. 154

So fur das deutsche Recht: BGHZ 51, S. 255, 261.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

95

im Sinne des 12. Kapitels des IPRG verweigert. 155 Fehlt dem Entscheidungsorgan die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit, hebt das schweizerische Bundesgericht einen Schiedsspruch jedenfalls wegen Verstoßes gegen Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG (vorschriftswidrige Zusammensetzung des Schiedsgerichts) auf. 156 Für Schiedsverfahren mit Sitz in Deutschland bestimmt die Spezialvorschrift des § 1034 Abs. 2 ZPO, dass im Fall eines Übergewichts einer Partei bei der Bestellung des Schiedsgerichts die benachteiligte Partei einen Antrag an das staatliche Gericht stellen kann und das Schiedsgericht dann abweichend von den Parteivereinbarungen nach den gesetzlichen Regelungen zu besetzen ist. Dies entspricht im praktischen Ergebnis der früher in Deutschland angenommenen Teilnichtigkeit der Schiedsabrede. 157 Die Ablehnung des Schiedsrichters oder des gesamten Schiedsgerichts allein führt auch nach deutschem Recht nicht zum gewünschten Ziel, da die neuen Mitglieder in dem gleichen zur Parteilichkeit führenden Verfahren ernannt werden müssten.158 Das staatliche Gericht wird das Schiedsgericht gemäß den gesetzlichen Bestimmungen des § 1035 ZPO benennen.159 Diese gesetzliche Regelung ermöglicht es, auch dann ein Schiedsverfahren durchzuführen, wenn die Regeln zur Besetzung des Spruchkörpers an sich gegen das Verbot, Richter in eigener Sache zu sein, verstoßen. Die Vorschrift des § 1034 Abs. 2 ZPO hat allerdings nicht zur Folge, dass nunmehr geringere Anforderungen an die Unparteilichkeit der Schiedsgerichte zu stellen sind als vorher. 160 Fraglich ist allerdings, ob angesichts der Möglich-

155 Vgl. nur den Gedankengang in BGE 119 II, S. 271, 275 f. gegen P. Jolidon in: H. Merz/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Kummer (1980), S. 633, 644, der lediglich von einer Aufhebbarkeit des Schiedsspruchs ausgeht. 156

BGE 129 III, S. 445, 449.

157

BGHZ 51, S. 255, 262 f.; mit Verweis auf § 139 BGB: BGHZ 54, S. 392, 400; K.H, Schwab/G. Waiter , Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 9, Rdnr. 12; F. Ebbing, NZG 1999, S. 754, 757. 158 159 160

Vgl. BGHZ 54, S. 392, 399. Thomas/Putzo-Thomas, § 1034 Rdnr. 6.

So aber U. Haas/B. Gedeon , SpwRt 2000, S. 228, 230 unter Verweis auf die Fälle US District Court for the Southern District of Ohio YCA 1996, S. 715, 717 - Reynolds v. IAAF, dazu: A. Polvino , Emory International Law Review 1994, S. 347, 352 ff.; L. B. Bingham , Arbitration Journal Dez. 1992, S. 33, 35) und US Court of Appeals for the Second 7 t h Circuit (2001) 244 F.3d S. 580, 590 ff. - Decker Slaney v. IAAF. Die angeführten Entscheidungen erkennen den Entscheidungen des inzwischen abgeschafften IAAF Arbitration Panel (dazu umfassend L. Tarasti , Legal Solutions in International Doping Cases [2000]) die Wirkungen von Schiedssprüchen zu; zustimmend U. Haas/C. Prokop, JR 1998, S. 45, 51. Die ebenfalls dort angeführte Entscheidung des Englischen High Court vom 15.06.1988 - G. v. S. & H., No. CH-88-G-2191, unveröffentlicht, gibt

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

96

keit des § 1034 Abs. 2 ZPO nicht auch Verbandsgerichte als Schiedsgerichte tätig werden, nachdem eine der Parteien einen Antrag auf Durchführung des gesetzlichen Ernennungsverfahrens gestellt hat. Jedoch ist zunächst zu untersuchen, ob der angerufene Spruchkörper die sonstigen Anforderungen an ein Schiedsgericht erfüllt. Hier wird es vor allem darauf ankommen, ob er nach seiner Bestimmung über einen Streit unter Ausschluss des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten entscheiden soll. 161 Beide Parteien müssen diese Rechtsfolge beabsichtigt haben. Indizien lassen sich, zumindest was die Intentionen des Verbands betrifft, in den Satzungsbestimmungen oder in der jeweils anwendbaren Verfahrensordnung finden. Soll danach die Entscheidung des Gremiums lediglich den vereinsinternen Instanzenzug abschließen, ist nach dem Willen des Verbands gerade keine Entscheidung eines Schiedsgerichts gewollt. Andererseits kann eine Bestimmung, die den Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit durch eine Satzungsbestimmung vorschreibt, auch so interpretiert werden, dass eine Entscheidung durch ein Schiedsgericht möglich gemacht werden soll. 162 Nur ein Schiedsspruch führt dazu, dass die angegriffene Maßnahme nicht mehr Gegenstand eines Verfahrens vor den staatlichen Gerichten sein kann. Damit kommt der Bestimmung, gegen Entscheidungen einer Überprüfungsinstanz sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ausgeschlossen, eine völlig neue Bedeutung zu. Diese Bestimmung ist somit nicht mehr in jedem Fall schlicht unwirksam, 163 sondern kann dazu führen, dass die Entscheidung der letzten Vereinsinstanz als Schiedsspruch ergeht, wenn der Spruchkörper im Verfahren des § 1034 Abs. 2 ZPO besetzt wird.

dd) Spätester Rügezeitpunkt Abschließend wird untersucht, ob und gegebenenfalls bis zu welchem Zeitpunkt die mangelnde Unabhängigkeit geltend gemacht werden muss. Für das schweizerische Recht bestimmt Art. 19 Abs. 1 SchKonk, dass die fehlende Unabhängigkeit eines Schiedsrichters gemäß Art. 20 SchKonk nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung gerügt werden kann. Wird die Frist

dieses aber gerade nicht her. Hier wird die Entscheidung gerade nicht als Schiedsspruch behandelt, sondern eine Neuentscheidung in der Sache vorgenommen; a.A. aber U. Haas, ZEuP 1999, S. 355, 366. 161 So bereits M. Vollkommer (1989), S. 474,487. 162 M. Vollkommer S. 474, 489. 163

in: W. J. Habseheid/K.-H.

in: W. J. Habscheid/K.-H.

So noch BGHZ 128, S. 93, 109.

Schwab (Hrsg.), FS Nagel

Schwab (Hrsg.), FS Nagel (1989),

97

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

versäumt, kann dieser Fehler nach dem SchKonk auch nicht mehr im Aufhebungsverfahren geltend gemacht werden. 164 Schon wegen der Verfassungsgarantie des neutralen Richters, Art. 30 Abs. 1 BV, ist die Vorschrift des Art. 36 lit. a SchKonk jedoch teleologisch zu reduzieren. Ein Schiedsspruch ist stets aufzuheben, falls das Schiedsgericht insgesamt nicht als unabhängig von den Parteien anzusehen ist, selbst wenn die Rüge nach Art. 19 Abs. 2 SchKonk unterblieben ist. 165 Für das IPRG fehlt schon eine den Art. 19, 20 SchKonk entsprechende Vorschrift. Allerdings hat das Bundesgericht in einem Aufhebungsverfahren unter dem IPRG entschieden, dass diejenige Partei, die eine Aufhebung beantragt, bereits im Schiedsverfahren die mangelnde Unabhängigkeit des Schiedsgerichts gerügt haben muss. 166 Diese Ansicht ist unrichtig. Zunächst stimmt schon die Verweisung auf ein früheres Urteil des Bundesgerichts 167 nicht. Dort hatte sich das Bundesgericht lediglich mit der Frage der Unabhängigkeit von Sachverständigen in einem Schiedsverfahren befasst und entschieden, dass die Rüge der mangelnden Unabhängigkeit bereits im Schiedsverfahren selbst geltend gemacht werden muss. Dies ist auch durchaus sachgerecht, da in dem früheren Verfahren über eine Frage des Verfahrens im engeren Sinne zu entscheiden war. Hier ist hingegen zu entscheiden, ob das staatliche Rechtsprechungsmonopol durch eine private Vereinbarung begrenzt werden kann. Für diese Frage ist kann es nicht darauf ankommen, ob dieser Fehler gerügt wird oder nicht. Vielmehr ist von Amts wegen zu prüfen, ob überhaupt eine Entscheidung eines Schiedsgerichts im Sinne des IPRG vorliegt. Daher kann die mangelnde Unabhängigkeit des Schiedsgerichts insgesamt im Aufhebungs- oder Vollstreckungsverfahren geltend gemacht werden, ohne dass es einer vorherigen Rüge bedarf. Streitgegenstand ist die Frage der Anerkennung des Spruchkörpers als Schiedsgericht 168 und nicht nur die Wirksamkeit einer einzelnen Verfahrenshandlung des Spruchorgans. Im deutschen Recht bestimmt § 1034 Abs. 2 ZPO, dass ein Antrag auf Neubesetzung des Schiedsgerichts innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis der Besetzung zu stellen ist. Wird dieser Antrag nicht fristgerecht eingereicht, so ist das Schiedsverfahren mit dem parteiisch besetzten Schiedsgericht zunächst bis zu einer endgültigen Entscheidung durchzuführen. Der Verstoß gegen das Ver-

164

P. Lalive/J.-F.

Poudret/C.

Reymond, Art. 20 SchKonk, Anm. 3.

165

W. J. Habscheid, SAG 1985, S. 157, 162; M. Baddeley, S. 301 ff.; U. Haas, ZEuP 1999, S. 355, 363 m.w.N. 166

BG a.a.0 unter Verweis auf BGE 126 III, S. 249, 253 f.

167

BGE 126 III, S. 249, 253 f.

168

Dazu BGE 119 II, S. 271,275.

L'association sportive,

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

98

bot, Richter in eigener Sache zu sein, führt jedoch nicht zur Aufhebung des Schiedsspruchs nach § 1059 Abs. 1 lit. d ZPO. Derjenige, der den Verstoß gegen das im Fall der Teilnichtigkeit anwendbare Ernennungsverfahren des § 1035 Abs. 3 ZPO geltend macht, muss sich den Einwand der Präklusion entgegenhalten lassen, § 1027 ZPO. 1 6 9 Das Ernennungsverfahren nach § 1035 Abs. 3 ZPO gehört zu den in § 1027 ZPO genannten Bestimmungen, die unter dem Vorbehalt abweichender Parteivereinbarungen stehen. Der Schiedsspruch ist gleichwohl aufzuheben bzw. seine Vollstreckbarerklärung ist zu verweigern, weil bei einem Verstoß gegen den Grundsatz der Überparteilichkeit des Schiedsgerichts auch ein Verstoß gegen den ordre public im Sinne des § 1059 Abs. 2 lit. b ZPO vorliegt. Die Prüfung erfolgt hier von Amts wegen und nicht nur auf Einrede. Im praktischen Ergebnis erhält derjenige, der bei der Besetzung des Schiedsgerichts einen Nachteil erlitten hat, daher das Recht zu wählen, Wahlrecht, ob er von der Möglichkeit des § 1034 Abs. 2 Gebrauch macht oder ob er sich auf diesen Fehler erst im Aufhebungs- oder Vollstreckungsverfahren beruft.

b) Unabhängigkeit des TAS

Das Bundesgericht hat in zwei grundlegenden Entscheidungen die institutionelle Unabhängigkeit des TAS sowohl von den Sportverbänden 170 als auch vom IOC 1 7 1 bestätigt.

aa) „Gundel-Entscheidung" In der ersten der beiden Entscheidungen aus dem Jahre 1993 ging es um die Aufhebung eines Schiedsspruchs, der in einem Verfahren zwischen einem Sportler und einem internationalen Verband ergangen war. Der Kläger trug insbesondere vor, dass es sich bei der Entscheidung des TAS schon deshalb nicht um einen Schiedsspruch handele, weil dem beklagten Verband ein überproportionaler Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts zukomme. Das Bundesgericht hat richtig ausgeführt, dass nur ein Bruchteil der Schiedsrichter auf der geschlossenen Liste von dem jeweils beklagten Einzelverband bestimmt werden könne. Damit bliebe dem Athleten stets die Möglichkeit, unter der überwiegenden Mehrzahl der anderen Schiedsrichter einen auszuwäh-

169

7.-P. Lachmann/A. Lachmann, BB 2000, S. 1633, 1638.

170

BGE 119 II, S. 271 = ASA Bulletin 1993, S. 398.

171

BGE 129 III, S. 445 = SpwRt 2004, S. 38, 39 ff.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

99

len, der nicht durch den Einfluss der gegnerischen Partei auf die Liste gelangt sei. Ein faktisches Übergewicht einer Partei bei der Schiedsrichterbestellung sei folglich zu verneinen. 172 Hinzu komme die Möglichkeit, einzelne (in der Regel von der Gegenseite) benannte Schiedsrichter abzulehnen, was zusätzlich zur Sicherung der institutionellen Unabhängigkeit beitrage. 173 Damit sah das Bundesgericht die Unabhängigkeit des TAS zumindest für Verfahren gewährleistet, an denen internationale Verbände als Parteien beteiligt sind. Allerdings hatte das Bundesgericht zunächst noch offen gelassen, wie es im Fall einer Parteistellung des IOC entscheiden würde. 174 Die Zweifel des Bundesgerichts bezogen sich vor allem auf die Finanzierung der Arbeit des TAS durch das IOC sowie auf dessen Zuständigkeit für Änderungen der Verfahrensregeln.

bb) Diskussion in der Literatur Schon nach der Reform von 1994 bestand jedoch kein Grund mehr, an einer Unabhängigkeit des TAS auch im Hinblick auf das IOC zu zweifeln. 175 Die Umstände, die das Bundesgericht in seiner Entscheidung von 1993 zur Zurückhaltung bewogen hatten, 176 wurden ohne Ausnahme beseitigt. Die Finanzierung der Arbeit des TAS wird nicht mehr allein durch das IOC, sondern anteilig auch durch die internationalen Verbände sichergestellt. Sie erfolgt auch nicht direkt für jedes einzelne Schiedsverfahren, sondern durch die Ausstattung einer Stiftung (CIAS) mit dem notwendigen Kapital. Zudem wird die Aufsicht über die Schiedsverfahren des TAS allein vom CIAS ausgeübt, der an den Schiedsverfahren nicht beteiligt ist. Der CIAS wird unter gleichmäßiger Beteiligung aller interessierten Kreise gebildet. Er wählt aus dem Kreis seiner Mitglieder die Exekutivfunktionen des TAS (den Präsidenten des TAS und die Präsidenten der jeweiligen Kammern). Allein der CIAS entscheidet über die Abänderung der Schiedsordnung des TAS oder die Ablehnung oder Abberufung von Schiedsrichtern. Der Einfluss des IOC auf das einzelne TAS-Schiedsverfahren ist durch diese Mediatisierung verschwunden. 177 Der TAS-Code billigt dem 172 Dies mit der Bemerkung, dass die Anerkennung des TAS „nicht ohne ein gewisses Zögern" („non sans hésitation du reste") erfolgen könne, BGE 119 II, S.271, 279. 173 BGE 119 II, S. 271,280. 174

BGE 119 II, S. 271, 279; BG ASA Bulletin 2001, S. 508, 512.

175

G. Simon, Revue de l'arbitrage 1995, S. 185, 210; U. Haas, ZEuP 1999, S. 355, 368; zurückhaltend noch M. Baddeley, ZSR 115 II (1996), S. 135, 237. 176 177

Dazu noch M. Baddeley, L'association sportive, S. 272 f.

R. H. McLaren , 12 Marquette Sports Law Review, S. 515, 519 spricht von einer Isolationsschicht („layer of insulation"), die der CIAS zwischen dem IOC und der Arbeit des TAS gelegt habe.

100

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

IOC lediglich zu, den Präsidenten des TAS vorzuschlagen, der jedoch von der Mehrheit der Mitglieder des CIAS gewählt werden muss. Zudem hat auch der Präsident des CIAS oder des TAS im Hinblick auf die einzelnen Schiedsverfahren keine nennenswerten Befugnisse. Ihm kommt lediglich eine Reservefunktion für den Fall der erfolgreichen Ablehnung der Kammerpräsidenten zu, Art. S21 Abs. 2 TAS-Code. In der Ausübung dieser Funktionen kann aber auch der Präsident des TAS wegen mangelnder Unabhängigkeit abgelehnt werden. Schließlich werden auch die Schiedsrichter nicht mehr allein durch das IOC bestimmt, sondern auf Vorschlag der interessierten Kreise durch den CIAS gewählt. So ist es letztlich die Zwischenschaltung des vom Konzept her paritätisch besetzten CIAS, die garantiert, dass keine der potentiellen Parteien eines Schiedsverfahrens vor dem TAS direkt oder indirekt einen überwiegenden Einfluss auf die Besetzung der Schiedsrichterbank oder auf die Gestaltung und Durchführung des jeweiligen Schiedsverfahrens nehmen kann. 178 Die institutionelle Unabhängigkeit des TAS ist auch nach der „GundelEntscheidung" des Bundesgerichts weiterhin mit Hinweis auf die geschlossene Schiedsrichterliste diskutiert worden. 179 Argumentiert wurde, dass den Verbänden bei der Besetzung der Liste gegenüber den Athleten ein Übergewicht zukomme und so eine unabhängige Besetzung der später zu einer Entscheidung berufenen Schiedsgerichte nicht möglich sei. 180 Insoweit setze sich die Überlegenheit der Verbände bei der Besetzung der Ämter des CIAS über die Besetzung der Schiedsrichterliste in das einzelne Schiedsverfahren fort. Diese Auffassung bemängelt vor allem, dass die Interessen der Athleten bei der Besetzung des CIAS und damit auch bei der Ernennung der TAS-Schiedsrichter weitgehend unberücksichtigt blieben. Dies ist jedoch unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nicht richtig. Die Mitglieder der Olympischen Bewegung (Olympische Komitees und internationale Verbände) haben zwar rein rechnerisch eine 3/5-Mehrheit im CIAS inne. Jedoch werden weitere acht Mitglieder dieses Gremiums kooptiert, wobei vier von ihnen die Interessen der Athleten besonders wahren sollen, Art. S4 TAS-Code. Hinzu kommt, dass 2/5 der Schiedsrichter nicht durch die

178

J. Paulsson, 9 Arbitration International 4 (1993), S. 359, 368.

179

Hodler, Diskussion, ASA Bulletin 1990, S. 132; zuletzt LG München SpwRt 2000, S. 155, 156: In dieser Entscheidung verneint das Gericht ohne Begründung, dass es sich beim TAS um ein Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO handelt. Dagegen unter Verweis auf den Maßstab des Art. II UNÜ: J. Adolphsen, SpwRt 2000, S. 159. Die Entscheidung wurde durch das OLG München SpwRt 2001, S. 64, 65 unter Anerkennung des TAS als Schiedsgericht aufgehoben. 180

Dazu St. Netzle in: V. Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 9, 12; B. Heß, ZZPint. 1998, S. 457, 470; D. Hantke, SpwRt 1998, S. 186, 187; kritisch auch J. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 493,497.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

101

Mitglieder der Olympischen Bewegung vorgeschlagen werden können. Diese Regeln sichern eine gleichmäßige Beteiligung aller an den Schiedsverfahren beteiligten Kreise schon bei der Besetzung der Schiedsrichterliste. Die Kritiker müssen sich zudem fragen lassen, welche Alternativen es zu dem angewandten Kooptationsverfahren für die Athletenvertreter gibt. Auf internationaler Ebene gibt es derzeit noch keine sportartübergreifende Athletenvertretung, die demokratisch legitimierte Mitglieder in den CIAS entsenden könnte. Bestrebungen, diese Situation zu ändern, sind auch mangels Interesses auf Seiten der Betroffenen bislang erfolglos geblieben. Daher wäre die Legitimation direkt in den CIAS gewählter Athletenvertreter heute auch nicht höher als nach Durchführung des Kooptationsverfahrens gemäß Art. S4 lit. d, S14 TAS-Code. Auch die große Zahl der gelisteten Schiedsrichter ermöglicht es, für jedes Verfahren ein unabhängiges Schiedsgericht zu besetzen.181 Zudem wurde die Zahl der wählbaren Schiedsrichter von anfangs 40 auf mittlerweile über 200 erhöht. Anders als in älteren Fassungen der Schiedsordnung ist heute keine Höchstzahl an Schiedsrichtern vorgegeben, sondern die Mindestzahl der Schiedsrichter wurde auf 150 festgelegt, Art. S13 Abs. 2 TAS-Code. Sollten die Parteien Zweifel an der Unabhängigkeit bereits benannter Schiedsrichter haben, so steht ihnen jederzeit die Möglichkeit einer Ablehnung zu. 1 8 2 Letztlich dient die beschränkte Zulassung von Schiedsrichtern vor dem TAS auch der Sicherung der Qualität der Entscheidungen.183 Sollte mit der geschlossenen Liste zugleich die Idee einer gewissen Kontrolle der Richtung der zu erwartenden Entscheidungen verbunden gewesen sein, ist dieser Ansatz heute als gescheitert anzusehen. Die Entscheidungen des TAS haben zum weit überwiegenden Teil bewiesen, dass die Schiedsrichter in der Lage sind, sich von den Interessen der Olympischen Komitees, aber auch von denen der Verbände zu emanzipieren. Allerdings kann sich die geschlossene Schiedsrichter!iste im ordentlichen Verfahren als Hindernis erweisen. Nach dem Ende der besonderen Situation von Schiedsgerichten osteuropäischer Handelskammern ist es außerhalb des Sports stehenden Unternehmen schwer zu vermitteln, warum sie für ein Schiedsverfahren vor dem TAS „ihren" Schiedsrichter nur aus einer begrenzten Liste auswählen sollen, anstatt ihn, wie in den anderen Verfahren der Schiedsgerichtsbarkeit, frei wählen zu können. Sollte der TAS Interesse haben, die ordentlichen Schiedsverfahren als umsatzträchtiges Geschäftsfeld weiterzuentwickeln, sollte zumindest für diesen Bereich die Beschränkung der Schiedsrichterauswahl auf die Liste aufgehoben werden. Aber auch für das Berufungs-

181

P. Schlosser in: K. A. Bettermann UM (Hrsg.), FS Zeuner (1994), S. 467, 478; A. Polvino, Emory International Law Review 1994, S. 347, 363. 182

Dazu unten S. 115 ff.

183

Dazu noch A. Samuel/R. Gearhart, 6 J. Int. Arb. 1989, S. 39, 44,49.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

102

verfahren ist zu überlegen, ob ein Festhalten am Prinzip der geschlossenen Liste für alle Schiedsrichter noch sinnvoll ist. Die Akzeptanz des Verfahrens könnte auch an dieser Stelle wesentlich gesteigert werden, wenn es den Parteien überlassen bliebe, jeweils einen Mitschiedsrichter frei zu wählen. Dies würde das Vertrauen der Parteien in das Entscheidungsgremium erhöhen. Im Berufungsverfahren könnte so lediglich die Auswahl des Vorsitzenden des Schiedsgerichts auf die Mitglieder einer (kleineren) Liste beschränkt werden. Dies sichert die Kompetenz des Schiedsgerichts in fachlichen Fragen und die Qualität der Entscheidungen hinreichend ab. Derzeit scheint es allerdings eher die Politik des TAS zu sein, die Liste über eine schrittweise Vergrößerung der Anzahl der Schiedsrichter künftig insgesamt und für alle Verfahren praktisch überflüssig zu machen. 184 Die endgültige Abschaffung der Liste hätte wahrscheinlich geringe praktische Auswirkungen, 185 wäre aber sicher von einer großen Signalwirkung begleitet und als weiterer Meilenstein in der Entwicklung des TAS zu bewerten.

cc) „Lazutina/Danilova-Entscheidung" Die Neuerungen in der Schiedsordnung und die Diskussionen in der Literatur könnten dazu beigetragen haben, das Bundesgericht davon zu überzeugen, das der TAS auch im Hinblick auf das IOC unabhängig ist. In einem Urteil vom Mai 2003 186 bejahte das schweizerische Bundesgericht die volle Unabhängigkeit des TAS auch für Verfahren unter Beteiligung des IOC. Das Bundesgericht wollte mit dieser Entscheidung ausdrücklich Rechtssicherheit für die einzelnen Athleten schaffen und die unklare Situation beenden, die seit der „GundelEntscheidung" entstanden war. 187 Zunächst wies das Bundesgericht die Ansicht der Antragsteller zurück, das IOC übe eine „faktische Kontrolle" über den CIAS als Trägerorganisation des Schiedsgerichts aus. 188 Das Bundesgericht unterstrich, dass die Pluralität derje-

184 IOC

So schon St. Netzle in: V. Röhricht (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 9,12.

M. Baddeley , L'association sportive, S. 274.

186

BGE 129 III, S. 445 = SpuRt 2004, S. 38.

187 „Résoudre cette question de principe, qui demeure en suspens depuis un dizaine d'années, contribuera d'ailleurs à clarifier la situation assez floue qui s'est instaurée dans l'intervalle et, partant, à établir la sécurité du droit dans l'intérêt bien compris dans tous les athlètes qui pourraient être confrontés au même problème que les recourantes à l'avenir." BG, Urt. v. 27.05.2003 (Az.: 4P.267, 268, 269, 270/2002), unter 2.1 (S. 6 des Urteils); abrufbar unter www.bger.ch (Abrufdatum 23.11.2003), insoweit nicht abgedruckt bei BGE 129 III, S.445. 188 BGE 129 III, S. 445,455 f. = SpwRt 2004, S. 38,40.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

103

nigen Organisationen, die berechtigt seien, den Stiftungsrat zu wählen, allenfalls eine theoretische, aber praktisch zu vernachlässigende Möglichkeit einer Kontrolle durch das IOC ließe. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass die Mitglieder des Stiftungsrats auch Personen sein könnten, die mit den wahlberechtigten Organisationen in keinem Zusammenhang stünden. Die Organe des CIAS seien zudem auch nicht „strukturell abhängig" vom IOC, obgleich es in der Tat gewisse personelle Überschneidungen gebe. Der CIAS sei in seinen Entscheidungen unabhängig. Er könne auch keinen Einfluss auf das einzelne Schiedsverfahren ausüben, wenn man einmal von Entscheidungen über Schiedsrichterablehnungen absehe. Im Hinblick auf das System der geschlossenen Schiedsrichterliste hob das Gericht hervor, dass schon die Anzahl der Schiedsrichter auf der Liste zu einer echten Auswahlmöglichkeit für die Parteien führe. Dabei spiele die Nationalität, die Sprache und auch die Sportart der einzelnen Schiedsrichter für das jeweilige Schiedsverfahren nur eine untergeordnete Rolle. 189 Das Gericht folgte damit nicht der Argumentation der Antragsteller, diese drei Faktoren würden die Auswahlmöglichkeit für ein konkretes Schiedsverfahren so stark reduzieren, dass die Unabhängigkeit des Schiedsgerichts nicht mehr gewährleistet sei. Ein solcher Fall sei die absolute Ausnahme und müsse daher vernachlässigt werden. Das Bundesgericht unterstrich zudem, dass das gewählte Verfahren zur Besetzung der Liste dafür bürge, dass dem IOC kein überwiegender Einfluss auf die Auswahl der Schiedsrichter zukomme. Allerdings übten die Richter auch Kritik an der ,Lesbarkeit" der Liste. Das Gericht schlug vor, zu den Angaben über die Schiedsrichter den Hinweis aufzunehmen, auf wessen Vorschlag der jeweilige Schiedsrichter auf die Liste gesetzt worden sei. Schließlich nahm das Bundesgericht auch noch zum Einfluss des Finanzierungsverfahrens auf die Unabhängigkeit des TAS Stellung. 190 Das System der Einbehaltung der Fernseheinnahmen der Olympischen Spiele durch das IOC und die Weiterreichung an den TAS auf Rechnung der Verbände bezeichneten die Richter aus Sicht der Vereine als „Einziehungsverfahren" oder eine Art „Quellensteuer". Dieses System beruhe auf praktischen Erwägungen und vermeide letztlich, dass der CIAS seine Forderungen gegenüber jedem internationalen Verband geltend machen müsse. Setzte das IOC dieses Verfahren aus, habe der CIAS nach der Pariser Konvention dennoch einen Einzelanspruch gegen jeden finanzierenden Verband. Letztlich werde durch die Bündelung der Finanzierung erreicht, dass dem CIAS stets ausreichende Mittel zur Finanzierung der Arbeit des TAS zur Verfügung stünden. Eine andere, vergleichbar sichere Methode der Finanzierung sei hingegen nicht denkbar. Das Gericht

189

BGE 129 III, S. 445,458 = SpwRt 2004, S. 38,40.

190

BGE 129 III, S. 445,460 f. = SpwRt 2004, S. 38,41.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

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begrüßte zudem, dass letztlich die Verbände die Finanzierung sicherstellten und damit erreicht werde, dass der einzelne Athlet von Verfahrenskosten entlastet werde, wenn er die Disziplinarentscheidung eines Verbands anfechte.

2. Ernennungsverfahren Nunmehr ist auf das Verfahren einzugehen, das bei der Besetzung des Schiedsgerichts angewandt wird. Den abdingbaren gesetzlichen Vorschriften der Schweiz und Deutschlands wird das Verfahren nach dem TAS-Code gegenübergestellt. Einzugehen ist zunächst auf den Grundfall eines Schiedsverfahrens mit zwei Beteiligten [dazu a)]. Dann sind Besonderheiten zu behandeln, die sich aus der Beteiligung von mehr als einer Partei auf Kläger- oder Beklagtenseite ergeben [dazu b)].

a) Schiedsverfahren

mit zwei Parteien

aa) Allgemeines Das Prinzip der gleichmäßigen Repräsentation der Parteien bei der Besetzung des Schiedsgerichts findet seine praktische Ausprägung im Ernennungsverfahren. Hier zeigt es sich, ob den Parteien tatsächlich die gleichen Rechte eingeräumt werden, an der Besetzung der Schiedsrichterbank mitzuwirken. 191 Das Recht einer Partei auf Benennung eines Schiedsrichters ist als Grundrecht im Schiedsverfahren angesehen worden. 192 Den Parteien steht es nach deutschem Recht zunächst frei, die Anzahl der Schiedsrichter zu vereinbaren, § 1034 Abs. 1 S. 1 ZPO. In Ermangelung einer Festlegung der Anzahl der Schiedsrichter in der Schiedsvereinbarung oder in der anwendbaren Schiedsordnung entscheidet ein Dreierschiedsgericht, § 1034 Abs. 1 S. 2 ZPO. Nach den auf Art. 11 UNCITRAL-MG basierenden Regelungen können die Parteien auch das jeweilige Verfahren zur Bestellung der Schiedsrichter selbst festlegen, § 1035 Abs. 1 ZPO. Dies kann direkt in der Schiedsvereinbarung oder indirekt durch die Vereinbarung einer Schiedsordnung geschehen. Das Recht auf Bestellung kann aber auch einem neutralen Dritten, etwa einer

191

St. Koussoulis, ZZP 107 (1994), S. 195, 204 f.

192

K.-H. Schwab/G. Walter,

Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 10 Rdnr. 14.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

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Schiedsorganisation oder einer Privatperson, übertragen werden. 193 Fehlt eine Vereinbarung der Parteien über das Ernennungsverfahren, haben die Parteien bei einem Einzelschiedsrichter zunächst Gelegenheit, sich über dessen Person zu einigen. Bei einem mit drei Personen zu besetzenden Schiedsgericht ernennt zunächst jede Partei einen Schiedsrichter. Die beiden so ernannten Schiedsrichter sind verpflichtet, sich einen Vorsitzenden zu suchen. Kommen die Parteien oder die Mitschiedsrichter ihren Verpflichtungen aus der Schiedsvereinbarung oder dem Gesetz nicht binnen der darin vorgesehenen Fristen nach, kann das staatliche Gericht angerufen werden, das anschließend den oder die Schiedsrichter anstelle der Parteien bestellt, § 1035 Abs. 3, 4 ZPO. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung auch die Partei vorgaben insbesondere im Hinblick auf die Qualifikation der Schiedsrichter zu beachten, § 1035 Abs. 5 ZPO. Im schweizerischen Recht bestimmt Art. 179 Abs. 1 IPRG dem Prinzip der Parteiautonomie folgend, 194 dass Schiedsrichter gemäß der Vereinbarung der Parteien ernannt, abberufen oder ersetzt werden. Auch im schweizerischen Recht zählen zu diesen Vereinbarungen neben den ausdrücklichen Bestimmungen in der Schiedsvereinbarung selbst die Regelungen in Schiedsordnungen. 195 Bei Fehlen einer Vereinbarung können sich die Parteien zunächst an den Vorgaben des Art. 11 Abs. 3 SchKonk orientieren, der das gleiche Verfahren wie das deutsche Recht vorsieht. Führt der Ernennungsversuch durch die Parteien zu keinem Ergebnis, kann in nationalen (Art. 12 SchKonk) wie internationalen Verfahren (Art. 179 Abs. 2 IPRG) der staatliche Richter am Sitz des Schiedsgerichts angerufen werden. Dies gilt auch, wenn die Ernennung trotz der Vorgaben in der Klausel zu scheitern droht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Partei ihre Mitwirkung im Ernennungsverfahren verweigert. 196 Der Richter darf die Ernennung nur verweigern, wenn er nach einer summarischen Prüfung feststellt, dass keine Schiedsvereinbarung besteht oder die Sache nicht schiedsfähig ist, Art. 179 Abs. 3 IPRG. 197 Der Parteivereinbarung ist weitestgehend der Vorrang zu gewähren. 198 Die Bestellung durch das staatliche Gericht erfolgt gemäß

193 P. Berger, Schiedsverfahren, H. Raeschke-Kessler/K. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 10 Rdnr. 3 ff. 194 P. Lalive/J.-F. Anm. 20.

Poudret/C.

Reymond,

Droit de l'arbitrage suisse, Einl. IPRG

195 A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 145; P. Lalive/J.-F. mond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 179 IPRG Anm. 2. 196

Rdnr. 492 ff.; K.-H.

Poudret/C.

Rey-

A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 151.

197

Dabei hat er lediglich den Bestand, nicht aber die Gültigkeit oder genaue Tragweite der Schiedsvereinbarung prima facie festzustellen; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 179 IPRG Anm. 5; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 148. 198 BGE 110 la, S. 62; Λ Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 153.

16

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

den Vorschriften des Schiedskonkordats, Art. 179 Abs. 2 IPRG. 199 Nach den Bestimmungen des SchKonk besteht ein Schiedsgericht grundsätzlich aus drei Personen, Art. 10 Abs. 1 SchKonk. 200

bb) TAS-Schiedsordnung Im TAS-Verfahren steht es den Parteien frei, sich auf einen oder drei Schiedsrichter zu einigen, Art. R40.1 S. 1, R50 TAS-Code. Können sich die Parteien nicht einigen, legt im ordentlichen Verfahren der Präsident der ordentlichen Kammer die Anzahl der Schiedsrichter fest. Er soll sich dabei vom Streitwert und von der Komplexität des Verfahrens leiten lassen, Art. R40.1 S. 2 TAS-Code. Im Berufungsverfahren werden grundsätzlich drei Schiedsrichter berufen. Der Präsident der Berufungskammer hat jedoch auch hier die Möglichkeit, nur einen Einzelschiedsrichter zu bestimmen, wenn die Sache eilbedürftig ist, Art. R50 TAS-Code. In ordentlichen TAS-Verfahren können die Parteien das Ernennungsverfahren frei vereinbaren, Art. R40.2 Abs. 1 S. 1 TAS-Code. Fehlt eine solche Vereinbarung, bestimmt die Schiedsordnung, dass bei einem Verfahren mit nur einem Schiedsrichter die Parteien diesen gemeinsam innerhalb einer Frist von 15 Tagen benennen müssen, Art. R40 Abs. 2 S. 1 TAS-Code. Wird die Frist nicht eingehalten, ernenn der Präsident der ordentlichen Kammer den Einzelschiedsrichter, Art. R40.2 Abs. 2 S. 2 TAS-Code. Im Verfahren mit drei Schiedsrichtern ernennt jede Partei innerhalb einer bestimmten vom Sekretariat vorgegebenen Frist zunächst einen Schiedsrichter, Art. R40.2 Abs. 3 S. 1 TASCode. Die beiden Schiedsrichter einigen sich innerhalb einer weiteren vom Sekretariat vorgegebenen Frist gemeinsam auf ihren Vorsitzenden, Art. R40.2 Abs. 3 S. 3 TAS-Code. Sollten die Fristen zur Ernennung nicht eingehalten werden, tritt wieder der Präsident der ordentlichen Kammer zunächst an die Stelle der Parteien für die Ernennung der Schiedsrichter und gegebenenfalls auch an die Stelle der säumigen Schiedsrichter hinsichtlich der Ernennung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts, Art. R40.2 Abs. 3 S. 2, 4 TAS-Code. 201 Alle

100 P. Lalive/J.-F. Anm. 2.

Pouäret/C

Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 179 IPRG

1ΛΛ

Art. 10 Abs. 1 SchKonk; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 10 SchKonk Anm. 2. Die Vorschrift lässt für rein interne Schiedsverfahren ausdrücklich auch die Ernennung eines Schiedsgerichts mit einer geraden Anzahl an Schiedsrichtern zu, Art. 10 Abs. 2 SchKonk; vgl. auch Art. 11 Abs. 4 SchKonk; dazu Th. Rüede/R. Hadenfeldt, Supplement 1999, S. 34. 201 Beispiel bei TAS 97/175, UCI v. A. & Fédération Cycliste d'Ouzbékistan (1998), Recueil du TAS II, S. 145, 148.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

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durch die Parteien ernannten Schiedsrichter und auch der Vorsitzende des Schiedsgerichts müssen durch den Präsidenten der ordentlichen Kammer bestätigt werden, Art. R40.3 Abs. 1 S. 1 TAS-Code. Vor der Bestätigung hat sich der Präsident davon zu überzeugen, dass in der Person der Schiedsrichter die Voraussetzungen des Art. R33 TAS-Code vorliegen. Dieses Verfahren weist damit gegenüber den allgemein üblichen Verfahren der Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit keine Besonderheiten auf. 202 Im Berufungsverfahren sind der Freiheit der Parteien zur Schiedsrichterbenennung engere Grenzen gesetzt als im ordentlichen Verfahren. Die Parteien haben lediglich im Verfahren mit drei Schiedsrichtern die Möglichkeit, jeweils einen Schiedsrichter zu benennen, Art. R48 Abs. 1, R35 S. 1 TAS-Code. Der Kläger ist verpflichtet, den Namen des Schiedsrichters bereits in seiner Klageschrift anzugeben, Art. R48 Abs. 1 TAS-Code. Dem Beklagten wird eine Frist von 10 Tagen nach Klagezustellung gewährt, binnen derer er seinen Schiedsrichter benennen muss, Art. R53 S. 1 TAS-Code. Auch hier müssen die parteiernannten Schiedsrichter vom Präsidenten der Berufungskammer bestätigt werden, Art. R54 Abs. 2 S. 2 TAS-Code. Auch im Berufungsverfahren muss sich der Präsident der Berufungskammer von der Erfüllung der Voraussetzung des Amtes eines TAS-Schiedsrichters überzeugen, Art. R54 Abs. 2 S. 3 TAS-Code. Bei Fristüberschreitung ernennt der Präsident der Berufungskammer auch im Berufungsverfahren den jeweiligen Schiedsrichter für die säumige Partei, Art. R53 S. 2 TAS-Code. Im Unterschied zum ordentlichen Verfahren werden aber der Einzelschiedsrichter und der Vorsitzende des Schiedsgerichts (dieser nach Konsultation der Mitschiedsrichter) stets durch den Präsidenten der Berufungskammer bestimmt, Art. R54 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 TAS-Code. Insoweit ist die Autonomie der Parteien begrenzt. Der Präsident der Berufungskammer hat damit großen Einfluss auf das Schiedsverfahren selbst, da bei einem Dreierschiedsgericht die Durchführung des Verfahrens und die abschließende Entscheidung wesentlich von der Person des Präsidenten geprägt werden. Im Ad-hoc-Verfahren werden alle Schiedsrichter durch den Vorsitzenden der Ad-hoc-Kammer berufen, Art. 11 Abs. 1 Ad-hoc-Regeln. Die Parteien können hier gar keinen Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts nehmen. Das Recht auf Ablehnung bleibt den Parteien allerdings erhalten, Art. 13 Abs. 1 Ad-hoc-Regeln. Diese direkte Ernennung der Schiedsrichter durch Mitglieder des CIAS ist wiederholt kritisiert worden. Für das Ad-hoc-Verfahren ist die vollständige Besetzung des Spruchkörpers durch den Präsidenten der Ad-hoc-Kammer aber

202 Vgl. etwa Art. 8 Abs. 4 ICC-SchO, Art 7 LCIA Schiedsordnung; Art. 6 AAA Regeln; Art. 7 UNCITRAL Schiedsordnung.

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Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

durchaus sinnvoll. 203 Sie rechtfertigt sich aus dem Bedürfnis einer schnellen Streitentscheidung und aus der begrenzten Anzahl von Schiedsrichtern. Bliebe es den Parteien unter Fristsetzung überlassen, ihre Schiedsrichter zu benennen, könnten Zeitverzögerungen entstehen, so dass die 24-Stunden-Regel kaum einzuhalten wäre. Gleichzeitig lassen sich durch dieses Besetzungsverfahren Interessenkonflikte und daraus folgende Ablehnungsverfahren von vornherein vermeiden. Nur der Kammerpräsident hat den Überblick über die bereits anhängig gemachten Verfahren und die an diesen Verfahren beteiligten Schiedsrichter. Für das Berufungsverfahren gibt es allerdings keinen Grund, warum der Vorsitzende des Schiedsgerichts ausschließlich vom Präsidenten der Berufungskammer bestimmt werden sollte. Zur Verteidigung dieser Bestimmung ließe sich allenfalls anführen, dass mit diesem Besetzungsverfahren Einheitlichkeit der Auslegung der Regeln der internationalen Verbände gesichert wird. Die Besorgnis einer uneinheitlichen Regelauslegung mag in den Anfangsjahren der Tätigkeit des TAS die besondere Besetzungsregel gerechtfertigt haben. Mittlerweile bieten die bisher ergangenen Schiedssprüche im Berufungsverfahren aber hinreichende Leitlinien für zukünftige Entscheidungen. Es ist daher an der Zeit, im Berufungsverfahren dem Parteiwillen weiter als bisher den Vorrang zu gewähren. Würde das System der geschlossenen Liste für die Mitschiedsrichter aufgegeben, ließe sich im Gegenzug die Auswahl des Vorsitzenden jedoch mit dem Hinweis rechtfertigen, dass bei der Überprüfung von Verbandsentscheidungen im Schiedsverfahren weiterhin eine besondere Fachkompetenz bestehen müsse. Behält der TAS das System der geschlossenen Liste hingegen für alle Schiedsrichterpositionen bei, wären sicher auch die beiden durch die Parteien ernannten Mitschiedsrichter im Berufungsverfahren in der Lage, sich selbständig auf die Person des Vorsitzenden des Schiedsgerichts zu einigen. Falls dieser zeitlich zu beschränkende Versuch nicht von Erfolg gekrönt ist, könnte der Präsident der Berufungskammer immer noch als Ernennungsorgan tätig werden. Deshalb genügt auch die schüchterne Öffnung des Ernennungsverfahrens ab 2004, mit der eine Konsultationspflicht für die Mitschiedsrichter eingeführt wurde, nicht. Zumindest sollte den Parteien aber in Anlehnung an Art. 8.4 ICC-SchO die Möglichkeit eröffnet werden, ein von den Regeln der Schiedsordnung abweichendes Ernennungsverfahren in der Schiedsklausel zu vereinbaren.

203 A.A. Β. Heß, ZZPint. 1998, S. 457, 470, der auch hier auf die Übermacht der Verbände im CIAS hinweist, die sich bei der Benennung der Ad-hoc-Kammer fortsetzt, dessen Präsident ebenfalls CIAS-Mitglied ist. So komme letztlich den Verbänden ein strukturelles Übergewicht bei der Benennung des Schiedsgerichts zu.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege b) Schiedsverfahren

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mit mehr als zwei Parteien

aa) Allgemeines Besonderheiten ergeben sich, wenn auf Kläger oder Beklagtenseite mehrere Parteien am Verfahren beteiligt werden sollen. Diese Fälle sind in der Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit und auch in Sportschiedsgerichtsbarkeit recht häufig. 204 Oft enthalten die Schiedsvereinbarungen und auch die Schiedsordnungen für solche Fälle keine besonderen Regeln. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit mehrere auf einer Seite Beteiligte hinsichtlich der Benennung eines Schiedsrichters einem Einigungszwang unterworfen werden dürfen und nach welchen Regeln im Fall des Ausbleibens einer solchen Einigung verfahren werden soll. Ansatzpunkt ist auch an dieser Stelle der Grundsatz, dass in der Schiedsgerichtsbarkeit den am Verfahren beteiligten Personen das gleiche Recht an der Besetzung des Schiedsgerichts einzuräumen ist. Auf dieses Recht können die Beteiligten nicht schon vor der Entstehung der jeweiligen Streitigkeit verzichten. 205 Die französische Cour de Cassation206 hat in einer grundlegenden Entscheidung geurteilt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz als Bestandteil des ordre public grundsätzlich gebiete, auch im Fall des Mehrparteienverfahrens jeder der Parteien das gleiche Recht an der Schiedsrichterernennung einzuräumen. 207 Eine Abänderung dieses Grundsatzes könne allenfalls nach Entstehung der Streitigkeit getroffen werden. 208 Diese Entscheidung ist vor allem wegen ihrer Allgemeinheit viel kritisiert worden. 209 Sie ist so zu verstehen, dass der Gleichheitsgrundsatz des Schiedsverfahrens immer dann verletzt ist, wenn eine der Parteien ein geringeres Recht an der Benennung der Schiedsrichter hat. Gegen die Ansicht der Cour wurde vor allem vorgetragen, dass diese Rechtsprechung dem Willen der Parteien und deren Gestaltungsbefugnis im Hinblick auf die Schiedsvereinbarung nicht hin-

m M. Platte, Arbitration International 2002, S. 67 berichtet, dass 50% aller LCIA Verfahren und mehr als 20 % der ICC-Verfahren mit mehr als zwei Parteien geführt werden. Für den TAS liegen keine verlässlichen Zahlen vor. 205

Stein/Jonas-P. Schlossen § 1032 Rdnr. 18c.

206

Cour de Cassation, Revue de l'arbitrage 1992, S. 470, 472 - Dutco mit Anm. P. Bellet, S. 473 = ASA Bulletin 1992, S. 295 = BB 1992 Beilage Nr. 15, S. 27. 207 Dazu P. Bellet, Revue de l'arbitrage 1992, S. 473, 474 ; Κ. P. Berger RIW 1993, S. 702, 706. 208 209

Cour de Cassation, Revue de l'arbitrage 1992, S. 470, 472 - Dutco.

Κ. P. Bergen RIW 1993, S. 750; St. Koussoulis , ZZP 107 (1994), S. 195, 202 m.w.N.; K.-H. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 10, Rdnr. 15.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

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reichend Rechnung trage. 210 Dies ist schon der Fall, wenn einer klagenden Partei zwei beklagte Parteien gegenüberstehen und die letzteren gemeinsam einen Schiedsrichter ernennen müssen. Hier steht den beklagten Parteien rechnerisch gesehen nur das Recht zu, jeweils einen „halben" Schiedsrichter zu benennen, während der Kläger allein einen „ganzen" Schiedsrichter ernennt. Einigen sich die Beklagten auf eine Person, verzichten sie insoweit auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsprinzips. Dies hat auch die Cour für zulässig angesehen. Einigen sich die Parteien hingegen nicht, etwa weil sie sich zu Unrecht zusammen verklagt sehen oder weil sie gegensätzliche Interessen verfolgen, muss der Gleichbehandlungsgrundsatz weiter eingehalten werden. 211 Der BGH hat sich im Zusammenhang mit einer Anfechtungsklage gegen einen Gesellschafterbeschluss einer GmbH mit der Frage auseinander gesetzt, wie bei einem Mehrparteienverfahren das Schiedsgericht zu besetzen ist. Das Gericht hat in seiner Entscheidung jedoch lediglich festgestellt, dass die Frage, wie in einem solchen Fall zu verfahren ist, bisher noch nicht hinreichend geklärt sei. Als Lösungsmöglichkeiten kommen aber nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich alle der im Folgenden aufgezeigten Möglichkeiten in Betracht. 212 Der wohl einfachste Ansatzpunkt einer Lösung besteht darin, die Zahl der Schiedsrichter zu erhöhen. 213 Für ein Verfahren mit drei Parteien liefe dies im Ergebnis auf ein Gericht mit vier Schiedsrichtern (drei Parteischiedsrichtern und einem Vorsitzenden) hinaus. Dieser Weg ist jedoch nur gangbar, wenn die Schiedsvereinbarung die Zahl der Schiedsrichter nicht begrenzt. 214 Alternativ kann daran gedacht werden, der Schiedsorganisation die Befugnis einzuräumen, die Verfahren so zu trennen, dass immer nur zwei Parteien an einem Schiedsverfahren teilnehmen. Dies ist zumindest dann anzustreben, wenn erkennbar ist, dass die Voraussetzungen einer notwendigen Streitgenossenschaft nicht vorliegen und sich die Parteien einer Seite nicht auf einen gemeinsamen Schiedsrichter einigen können oder dies nur unter Protest tun. Liegen hingegen

210

Ρ. Bellet, Revue de l'arbitrage 1992, S. 473,479.

211

Die gesamte Argumentation setzt natürlich voraus, dass man die parteiernannten Schiedsrichter zumindest nicht in jedem Fall als unparteiisch ansehen kann (s.u. S. 125). Anderenfalls stellt sich das Problem der ausgeglichenen Repräsentation aller beteiligten Interessen nicht mit der gleichen Schärfe, Stein/Jonas-P. Schlossen § 1034 Rdnr. 25; K. P. Bergen RIW 1993, S. 702, 706 weist auch auf die psychologischen Folgen des Zwangs zur Einigung hin, die insbesondere dann zu beachten seien, wenn die Parteien einer Seite schon unterschiedlicher Herkunft seien. 2.2

BGHZ 132, S. 278, 288 f.

2.3

Dies haben vor allem amerikanische Gerichte angenommen, P. Bellet, Revue de l'arbitrage 1992, S. 473,475 f. 214

P. Bellet, Revue de l'arbitrage 1992, S. 473,480.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege die Voraussetzungen einer notwendigen Streitgenossenschaft vor, kann man eine Seite des Verfahrens wie eine Partei behandeln und sie auffordern, einen gemeinsamen Schiedsrichter zu benennen.215 Ferner bestünde die Möglichkeit, die Parteien einer Seite schon dann als eine Partei anzusehen, wenn sie die gleichen Interessen vertreten, und für die Gleichrichtung der Interessen Fallgruppen zu bilden. 216 Dies ist für die Praxis jedoch häufig zu ungenau. Aufgrund dieser Schwierigkeiten wurde schließlich vorgeschlagen, alle Schiedsrichter, die durch die Parteien zu benennen sind oder das Schiedsgericht insgesamt durch die Schiedsorganisation ernennen zu lassen.217 Die neutrale Stelle, die sonst nur zur sekundären Ernennung berufen sei, werde so zur primären Ernennungsstelle hochgestuft. 218 Die Gleichbehandlung der Parteien wird durch diesen Ansatz sicherlich am besten gewahrt, weil das Recht auf Bestellung des Schiedsgerichts allen Parteien gleichermaßen und einer neutralen Stelle übertragen wird. 2 1 9 Als Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass angesichts der Vorgaben der Cour pragmatisch vorgegangen werden sollte. Die einfachste Lösung besteht darin, im institutionellen Schiedsverfahren der Schiedsorganisation das Recht einzuräumen, Verfahren, die offensichtlich nicht miteinander in Beziehung stehen, schon vor der Besetzung des Schiedsgerichts zu trennen. Will man auch diese Unsicherheiten vermeiden, bleibt nur der Ansatz, zumindest die Parteischiedsrichter 220 oder auch das gesamte Schiedsgericht 221 durch die Schiedsorganisation als einem unabhängigen Dritten ernennen zu lassen. 222 Bei Gelegenheitsschiedsgerichten muss diese Aufgabe dem staatlichen Gericht zufallen. 223

215 K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 10 Rdnr. 14; KG KTS 1966, S. 100; so jedenfalls auch Stein/Jonas-P. Schlossen § 1034 Rdnr. 25e; Κ P. Bergen RIW 1993, 702, 705 weist auf das Problem der Definition der Streitgenossenschaft hin, die je nach Sitzstaat unterschiedlich ausfallen kann. Diese Frage Messe sich jedoch durch eine Definition in der Schiedsvereinbarung beheben. 2,6

Κ P. Bergen RIW 1993, S. 702, 707 f.; Stein/Jonas-P. Schlossen §1034 Rdnr. 25; K.-H. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 10, Rdnr. 15 wollen ein Mehrparteienschiedsverfahren bei nicht eindeutig gleichlaufenden Interessen als generell unzulässig ansehen. 217

K.-H. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 10, Rdnr. 15.

2.8

Κ. P. Bergen RIW 1993, S. 702, 707; so im Ansatz bereits A. Buchen Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 154. 2.9 A. Buchen Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 155; in diese Richtung auch BGHZ 132, 279,288. 220

Vgl. Art. 18 WIPO SchO, § 13 DIS SchO.

221

Vgl. Art. 10 ICC-SchO, Art. 6 Abs. 5 AAA Regeln, Art. 8 LCIA Regeln.

222

Af. Platte, Arbitration International 2002, S. 67, 75 ff.

223

K.-H. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 10, Rdnr. 15.

12

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

Nur so kann der Grundsatz gewahrt werden, dass alle beteiligten Parteien gleich viel oder gleich wenig Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts nehmen können. 224 Etwas anderes gilt natürlich, wenn ein Dritter freiwillig einem Schiedsverfahren beitritt, für das die Schiedsrichter bereits bestellt sind. Der Beitritt des Dritten muss als Zustimmung zur Besetzung des Schiedsgerichts angesehen werden. In dem Entschluss, sich an dem Verfahren zu beteiligen, ist ein Verzicht auf die Rüge der mangelnden Gleichberechtigung bei der Besetzung des Schiedsgerichts zu sehen.225 Dies bedeutet aber auch, dass eine Beteiligung eines Dritten durch eine parteierweiternde Widerklage gegen dessen Willen nur bis zur Bestellung des Schiedsgerichts möglich sein kann. Wird die Drittwiderklage erst nach der Bestellung des Schiedsgerichts erhoben, kann der Dritte nicht gezwungen werden, ein Verfahren vor einem Schiedsgericht zu führen, an dessen Besetzung er nicht mitwirken konnte. Anders ist nur zu entscheiden, falls der Dritte sich widerspruchslos auf ein Schiedsverfahren einlässt, bei dem die Schiedsrichter schon bestellt sind.

bb) TAS-Schiedsordnung Die Schiedsordnung des TAS enthält sowohl im ordentlichen Verfahren als auch per Verweisung im Berufungsverfahren Vorschriften für Mehrparteienschiedsgerichte. Auch für das Berufungsverfahren gibt eine Reihe von Beispielen, bei denen auf einer Seite des Verfahrens mehrere Parteien auftraten. 226 Denkbar sind vor allem auch Fälle, in denen die Mitglieder einer Mannschaft (also nicht der Verein dieser Mannschaft) gemeinsam eine an die Mannschaft gerichtete Entscheidung angreifen wollen oder in denen der Athlet durch seinen National verband bei der Klage gegen den internationalen Verband unterstützt wird. Vorstellbar ist auch, dass sich ein Sportler gleichzeitig gegen eine durch den nationalen Verband ausgesprochene Entscheidung und gegen deren Über-

224

H. Raeschke-Kessler/K. P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 786; P. Bellet, Revue de l'arbitrage 1992, S. 473, 481 f.; Κ. P. Bergen RIW 1993, S. 702, 707; anders St. Koussoulis, ZZP 107 (1994), S. 195, 207 f., der trotz allem die Pflicht der Parteien betont, sich auf einen Schiedsrichter zu einigen. 225

P. Schlossen Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 570. Im übrigen bleibt der hinzutretenden Partei aber stets das Recht, einzelne Schiedsrichter wegen fehlender persönlicher Unabhängigkeit abzulehnen. 226 Vgl. nur die Fälle: TAS 94/129 - USA Shooting & Q. v. UIT, Recueil du TAS du TAS S. 187 ff.; TAS 94/123 - FIBA v. W. & Brandt Hagen e.V., Recueil du TAS du TAS S. 317; TAS 96/153 - Watt v. ACF & Tyler-Sharman, Recueil du TAS du TAS S. 335, in denen diese Probleme jedoch nicht angesprochen wurden.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

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nähme durch den internationalen Verband zur Wehr setzt und beide zusammen verklagt. Schließlich kann auch an einen Fall gedacht werden, bei dem sich ein Athlet auf Seiten seines Verbands an einer Klage beteiligen will, die ein anderer Athlet gegen seine Disqualifikation gerichtet hat. Nach der Vorschrift des Art. R41.1 TAS-Code legt in Mehrparteienverfahren zunächst die Parteivereinbarung die Anzahl und das Verfahren der Ernennung der Schiedsrichter fest, Art. R41.1 Abs. 1 S. 2 TAS-Code. Ist die Anzahl der Schiedsrichter nicht bestimmt, entscheidet der Präsident der jeweiligen Kammer zunächst über die Anzahl der Schiedsrichter, Art. R41.1 Abs. 1 S. 2, R40.1. TAS-Code. Im Fall eines Einzelschiedsrichters erhalten alle Parteien Gelegenheit, sich auf einen Schiedsrichter zu einigen. Falls diese Einigung binnen zwanzig Tagen nicht gelingt, wird der Einzelschiedsrichter durch den Präsidenten der Kammer ernannt, Art. R41.1 Abs. 2 S. 1, R40.2 Abs. 2 TASCode. Die Regelung bei Dreierschiedsgerichten ist komplizierter. Sofern es auf einer Seite mehrere Parteien gibt, sind diese zunächst aufgerufen, sich auf einen Mitschiedsrichter zu einigen. Bei fehlender Einigung ernennt der Präsident der Kammer den jeweiligen Mitschiedsrichter. 227 Existieren auf beiden Seiten jeweils mehrere Parteien und versäumt es eine Seite, ihren Schiedsrichter rechtzeitig zu ernennen, wird der Mitschiedsrichter der säumigen Partei durch den Präsidenten der Kammer ernannt, Art. R41.1 Abs. 2 S. 4 TAS-Code. Nehmen an einem Verfahren drei oder mehr Parteien „mit auseinander gehenden Interessen" 228 teil, werden beide Mitschiedsrichter durch den Präsidenten der Kammer benannt, sofern sich die beteiligten Parteien nicht über die Personen der Mitschiedsrichter einigen können, Art. R41.1 Abs. 2 S. 5, 6 TAS-Code. Für die Ernennung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts gilt in allen Fällen das allgemeine Bestellungsverfahren, Art. R41.1 Abs. 2 S. 6, R40.2. Abs. 3 S. 3, 4 TAS-Code. Im Berufungsverfahren tritt die Berufung durch den Kammerpräsidenten an die Stelle der Wahl durch die Mitschiedsrichter, Art. R54 Abs. 4 TAS-Code. Stehen bereit am Anfang des Schiedsverfahrens auf einer Seite mehrere Parteien, die keine auseinander gehenden Interessen haben, wird mangels einer Einigung dieser Seite nur der von ihr zu benennende Mitschiedsrichter durch den Kammerpräsidenten berufen, Art. R41.1 Abs. 2 S. 4 TAS-Code. Die andere

227 Art. R41.1. Abs. 2 S. 2-4 TAS-Code; die Regeln geben keine Frist für die Einigung der Parteien vor. Man wird im Interesse einer schnellen Verfahrenseinleitung dem Sekretariat die Befugnis zubilligen müssen, der jeweiligen Partei eine Frist zu setzen. Diese braucht die zwanzig Tage des Art. R40.2. Abs. 2 S. 1 TAS-Code nicht zu erreichen, da sich hier nicht zwei sich gegenüberstehende Parteien einigen müssen.

228

Engl.: „with divergent interests"; frz.: „ayant des intérêts divergents".

1

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

Seite kann ihren Schiedsrichter weiterhin selbst bestimmen. Damit wird an dieser Stelle zwar dem Parteiwillen in besonders weitem Umfang Vorrang eingeräumt, andererseits bleibt aber die Gleichbehandlung der Parteien nicht gewahrt. Während eine Partei einen Schiedsrichter selbständig auswählen kann, bleibt die andere Partei an die Wahl durch den TAS gebunden. Es wäre besser, bei jeder mangelnder Einigung durch die Parteien einer Seite beide Mitschiedsrichter durch den Kammerpräsidenten ernennen zu lassen und dies nicht nur im Fall der Beteiligung von Parteien „mit auseinander gehenden Interessen" auf einer Seite zu tun. Nur so wird für alle Parteien für die gleiche Ausgangsposition gesorgt. Im Fall des Parteibeitritts oder der Drittwiderklage werden die Schiedsrichter, nach der vorläufigen Zulassung des entsprechenden Antrags, ebenfalls gemäß der Vereinbarung aller, auch der hinzutretenden Parteien ernannt, Art. R41.4 Abs. 3 S. 1 TAS-Code. Kommt eine entsprechende Vereinbarung nicht zustande, entscheidet der Präsident der Kammer zunächst über die Anzahl der Schiedsrichter. Im Fall eines Einzelschiedsrichters kommt Art. R40.1 Abs. 2 TAS-Code zur Anwendung, Art. R41.4 Abs. 3 S. 3 TAS-Code. Im Fall eines Dreierschiedsgerichts ernennt der Präsident der Kammer die beiden Mitschiedsrichter direkt. Die beiden Mitschiedsrichter einigen sich dann wiederum gemäß Art. R40.2 Abs. 3 S. 3 TAS-Code auf den Vorsitzenden des Schiedsgerichts, Art. R41.4 Abs. 3 S. 4 TAS-Code. Können sich die Mitschiedsrichter nicht binnen der vom Sekretariat gesetzten Frist verständigen, wird der Vorsitzende ebenfalls durch den Präsidenten der Kammer ernannt, Art. R41.4 Abs. 3 S. 4, R40.2 Abs. 3 S. 3 TAS-Code. Im Berufungsverfahren tritt die Ernennung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts durch den Präsidenten der Berufungskammer an die Stelle der gemeinsamen Benennung durch die Mitschiedsrichter, Art. R54 Abs. 4 TAS-Code. Im Ad-hoc-Verfahren der Olympischen Spiele sind Mehrparteienverfahren ebenfalls recht häufig. Hier werden jedoch alle Schiedsrichter direkt vom Präsidenten der Ad-hoc-Kammer ernannt, Art. 11 Abs. 1 Ad-hoc-Regeln. Die Probleme des Mehrparteienverfahrens stellen sich daher im Ad-hoc-Verfahren vor dem TAS nicht. Im TAS-Verfahren werden mangels Einigung der Parteien auf ein Ernennungsverfahren nur in den Fällen der nachträglichen Parteimehrheit beide Mitschiedsrichter durch den Präsidenten der jeweiligen Kammer ernannt. Dies entspricht dem Verfahren, das Art. 10.2 ICC-SchO für alle Fälle der Mehrparteienschiedsverfahren vorsieht, falls sich eine Seite nicht auf einen gemeinsamen Schiedsrichter einigen kann. Ein solches Verfahren weicht am wenigsten von dem sonst üblichen Benennungsverfahren für Verfahren mit zwei Parteien ab. Den Mitschiedsrichtern bleibt das Recht, ihren Vorsitzenden selbst zu bestimmen. Gleichzeitig stellt dieses Besetzungsverfahren die Gleichbehandlung der Parteien sicher. Allen Parteien wird im gleichen Umfang das Recht auf Ernennung eines Schiedsrichters ihrer Wahl entzogen. Im Berufungsverfahren

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

1

hat dieses Ernennungsverfahren allerdings zur Konsequenz, dass das Schiedsgericht insgesamt durch den Kammerpräsidenten als Organ der Schiedsorganisation ernannt wird.

3. Auswechselung von Schiedsrichtern Die Befangenheit eines Schiedsrichters ist wie die eines staatlichen Richters nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede hin zu berücksichtigen. Dabei kann auch auf das Recht auf Geltendmachung eines Ablehnungsgrundes bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit verzichtet werden. 229 Im Folgenden soll nun auf das Verfahren zur Ablösung einzelner Schiedsrichter auf Antrag einer der Parteien [dazu a)] und durch die Schiedsorganisation „von Amts wegen" [dazu b)l eingegangen werden.

a) Ablehnung einzelner Schiedsrichter aa) Ablehnungsverfahren Gemäß dem an Art. 13 UNCITRAL-MG orientierten § 1037 Abs. 1 ZPO steht es den Parteien grundsätzlich frei, das Verfahren zur Ablehnung einzelner Schiedsrichter selbst festzulegen. Werden keine Abmachungen getroffen, so kann jede der Parteien ihr Ablehnungsgesuch binnen einer Frist von zwei Wochen ab Kenntnis des Ablehnungsgrundes dem Schiedsgericht zur Entscheidung unterbreiten, § 1037 Abs. 2 S. 1 ZPO. Tritt der abgelehnte Schiedsrichter nicht zurück oder einigen sich die Parteien nicht einvernehmlich auf seine Ablösung, so entscheidet das Schiedsgericht über das Gesuch, § 1037 Abs. 2 S. 2 ZPO. Während der Regierungsentwurf noch vorsah, dass der abgelehnte Schiedsrichter an der Entscheidung nicht mitwirken dürfe, wurde diese Passage durch den Rechtsausschuss aufgehoben. Der Rechtsausschuss bemerkte, dass das Verbot, Richter in eigener Sache zu sein, in der Schiedsgerichtsbarkeit nicht in gleichem Maße wie vor dem staatlichen Gericht gelte. Schlösse man den abgelehnten Schiedsrichter von einer Entscheidung aus, wären die Interessen der ablehnenden Partei überrepräsentiert. 230 Für die Abstimmung durch die Schiedsrichter ist die Hinzuziehung des abgelehnten Schiedsrichters für den häufigen Fall des Dreierschiedsgerichts ohne Auswirkungen. Dem Ablehnungsantrag wird nur stattgegeben, wenn ihm zwei Personen positiv zustim-

22Q 2 3 0K.-H.

Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 14, Rdnr. 2. BT-Drucks. 13/9124, bei Κ. P. Bergen Dokumentation, S. 206.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

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men. Sonst gilt er als abgelehnt. Für die zustimmende Entscheidung kommen aber nur die beiden Mitschiedsrichter in Frage. Stimmt auch der abgelehnte Schiedsrichter für den Ablehnungsantrag, ist das Ablehnungsgesuch schon deshalb erledigt, weil sein Verhalten als Rücktritt vom Schiedsrichteramt anzusehen ist. 231 Das durch die Parteien vereinbarte Verfahren ist nach deutschem Recht nur ein Vorschaltverfahren. Letztlich entscheidet zwingend das staatliche Gericht über das Ablehnungsgesuch, § 1037 Abs. 3 S. 1 ZPO. Den Antrag können die Parteien durch eine Vereinbarung nicht ausschließen, sie können nur die in dieser Vorschrift vorgesehene Frist von einem Monat abändern. 232 Wird diese Anfechtungsfrist versäumt, präkludiert die jeweilige Partei mit ihrem Recht auf Ablehnung auch für das Aufhebungsverfahren. 233 Zu beachten ist allerdings, dass diese Präklusion nur für die jeweiligen Ablehnungsgründe gilt. Steht die Überparteilichkeit des Schiedsgerichts insgesamt in Frage (etwa, weil ein Vertretungsorgan einer Partei als Schiedsrichter bestellt wurde), liegt neben dem Ablehnungsgrund auch ein Verstoß gegen den ordre public vor. Der Schiedsspruch ist gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO aufzuheben. 234 Auch nach IPRG und SchKonk besitzen die Parteien die Möglichkeit, schon während des laufenden Verfahrens einzelne Schiedsrichter abzulehnen, Art. 180 IPRG, Art. 18 SchKonk. Auch nach schweizerischem Recht können die Parteien eine Vereinbarung hinsichtlich der Ablehnungsgründe, Art. 180 Abs. 1 lit. a und b IPRG, und hinsichtlich des Ablehnungsverfahrens, Art. 180 Abs. 3 IPRG, treffen. Der Ablehnungsgrund der mangelnden Unabhängigkeit des jeweiligen Schiedsrichters, Art. 180 Abs. 1 lit. c IPRG, kann durch die Parteivereinbarungen jedoch nicht ausgeschlossen werden. 235 Über das Ablehnungsgesuch entscheidet bei einem internationalen Schiedsverfahren daher grundsätzlich das nach der Parteivereinbarung zuständige Gremium. Das staatliche Gericht entscheidet nur, wenn die Parteien kein Ablehnungsverfahren vereinbart haben, Art. 180 Abs. 3 IPRG. 236 Damit ist die

231

BT-Drucks. 13/5274 bei K. P. Berger, Dokumentation, S. 205.

232

BT-Drucks. 13/5274 bei Κ . P. Berger , Dokumentation, S. 205.

233

BGH VersR 2000, S. 1125, Zöller-/?. Gelmer, , § 1037 Rdnr. 6.

234

Demgegenüber will die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 13/5274 bei Κ. P. Berger, Dokumentation, S. 205 unter Verweis auf BGHZ 65, S. 69) trotzdem § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO anwenden. Der dabei gegebene Hinweis auf die Entscheidung des BGH verfängt nicht, da sich der BGH zur Präklusion gerade nicht geäussert hat. 235

P. Lalive/J.-F. Anm. 10.

Poudret/C.

Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 180 IPRG

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

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Zuständigkeit des staatlichen Richters bei internationalen Verfahren, anders als im deutschen Recht, in vollem Umfang abdingbar. 237 Legen die Parteien ein abweichendes Verfahren fest, so ist die Entscheidung des darin festgelegten Gremiums zunächst abschließend. Allerdings können die Ablehnungsgründe im Verfahren auf Aufhebung des Schiedsspruchs erneut geltend gemacht werden, Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG (unrichtige Zusammensetzung des Schiedsgerichts). Im internen Schiedsverfahren ist die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch wie im deutschen Recht ausschließlich dem staatlichen Richter vorbehalten, Art. 21 Abs. 1 SchKonk. Abweichende Vorschriften einer Schiedsordnung sind für diese Fälle nicht anwendbar. 238 Die Bestimmungen der Schweiz und Deutschlands enthalten zudem die Einschränkung, dass eine Partei den von ihr benannten Schiedsrichter nur aufgrund von Tatsachen ablehnen kann, die ihr nach dessen Ernennung bekannt geworden sind, Art. 180 Abs. 2 IPRG bzw. § 1036 Abs. 2 S. 2 ZPO. 2 3 9 Es handelt sich insoweit um eine Ausprägung des Verbots des venire contra factum proprium. 2 4 0 Diese Bestimmung verwehrt es einer Partei, den Prozess durch ein Ablehnungsverfahren zu verzögern, das auf bewusst in der Reserve gehaltenen Gründen basiert, die dieser Partei bereits zum Ernennungszeitpunkt bekannt waren. 241 Ein erfolgreich abgelehnter Schiedsrichter scheidet aus seinem Amt. Seine Position wird nach den Vorschriften des Ernennungsverfahrens neu besetzt, sofern sich die Parteien nicht auf ein abweichendes Verfahren einigen. 242 Dies stellt § 1039 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO ausdrücklich klar.

236 Dieser wendet dann ausschließlich das IPRG an, P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 180 IPRG Anm. 11; a.A. A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 175, der in Analogie zu Art. 179 Abs. 2 IPRG zumindest teilweise das SchKonk anwenden will. 237

P. Lalive/J.-F. Anm. 11. 238

Poudret/C.

Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 180 IPRG

BGE 111 la, S. 255, 256.

239

Art. 18 Abs. 3 SchKonk präzisiert für seinen Anwendungsbereich insoweit, dass die Tatsache entweder erst nach der Ernennung entstanden ist oder die Partei glaubhaft macht, dass sie von ihrem Bestehen keinerlei Kenntnis hatte; so bereits M. Guldner, ZSR71 II (1952), S. 207a, 251a. 240 BT-Drucks. 13/5274 bei K. P. Berger, Dokumentation, S. 201; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 173. 241 P. Lalive/J.-F. Anm. 7.

Poudret/C.

Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 180 IPRG

242 H. Raeschke-Kessler/K. P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 545; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 182; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 179 IPRG Anm. 12.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

1

bb) Ablehnungsfrist Das Ablehnungsgesuch gegen einen Schiedsrichter ist nach schweizerischem Recht unverzüglich nach der Kenntnis des Ablehnungsgrundes zu stellen, Art. 180 Abs. 2 S. 2 IPRG. Anderenfalls verwirkt die zur Ablehnung berechtigte Partei ihren Anspruch. 243 Dies gilt auch für die spätere Geltendmachung im Aufhebungsverfahren. 244 Von der Verwirkung sind nicht nur Aufhebungsgründe betroffen, die der jeweiligen Partei positiv bekannt waren. Von ihr werden auch diejenigen Gründe erfasst, die der betroffenen Partei bei Anwendung der notwendigen Sorgfalt hätten bekannt sein müssen.245 Ein Schiedsspruch kann aber dann noch aufgehoben werden, wenn eine Partei das Ablehnungsgesuch rechtzeitig stellte, ein durch die Parteien eingesetzten Gremium 246 oder der staatliche Richter 247 dieses Gesuch aber zurückgewiesen hatte. Als Aufhebungsgrund für den Schiedsspruch kommen allerdings von vornherein nur Ablehnungsgründe in Betracht, welche die Rechtsstaatlichkeit der Entscheidungsfindung in Frage stellen. Wenn die Verletzung lediglich von den Parteien vereinbarte Anforderungen (Art. 180 Abs. 1 lit. a IPRG; etwa eine besondere Sachkunde) betrifft, scheidet eine Anfechtung aus. 248 Auch im deutschen Recht können Ablehnungsgründe, die nicht innerhalb der in § 1037 Abs. 2 S. 1 ZPO vorgeschriebenen Frist erhoben wurden, später nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden. 249 Die jeweilige Partei ist dann mit ihrem Vortrag auch für das Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren präkludiert. 250 Die Wirkungen einer Entscheidung des staatlichen Gerichts im Ablehnungsverfahren nach der ZPO bzw. die Säumnis einer Partei, dieses Verfahren durchzuführen, sind damit weit reichender als nach schweizerischem Recht. Diese Verschärfung erklärt sich für das deutsche Recht aus der oben

243

BG, ASA Bulletin 1993, S. 398, 407 (insoweit nicht abgedruckt bei BGE 119 II,

S. 271). 244 W. J. Habscheid, SAG 1985, S. 157, 162; M. Guldner, ZSR 71 II (1952), S. 207a, 252a.; unverzichtbare Grundrechtsansprüche unterliegen jedoch nicht dieser Verwirkung: BGE 118 la, S. 282, 292 ff.; BG ASA Bulletin 1997, S. 99, 101. 245

BG ASA Bulletin 1993, S. 398, 408 (insoweit nicht abgedruckt bei BGE 119 II,

S. 271). 246

BG ASA Bulletin 1997, S. 99, 101.

947 A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 180; P. Lalive/J.-F. mond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 180 IPRG Anm. 12. 248 BG, ASA Bulletin 1997, S. 99, 103f.

Poudret/C.

249

K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 14, Rdnr. 12.

250

BT-Drucks. 13/5274 bei K. P. Berger, Dokumentation, S. 205.

Rey-

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

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geschilderten Letztentscheidungskompetenz des staatlichen Gerichts nach § 1037 Abs. 3 ZPO.

cc) TAS-Schiedsordnung Sollte in einem TAS-Verfahren die Unabhängigkeit eines Schiedsrichters zweifelhaft sein, hat jede Partei die Möglichkeit, ein Verfahren zur Schiedsrichterablehnung einzuleiten, Art. R34 Abs. 1 S. 1 TAS-Code. Der Antrag muss innerhalb von sieben Tagen ab Kenntnis des Ablehnungsgrundes gestellt werden, Art. R34 Abs. 1 S. 2 TAS-Code. Die Entscheidung über das Gesuch auf Ablehnung eines einzelnen Schiedsrichters steht jedoch allein dem CIAS zu, der durch seinen Ausschuss eine Entscheidung trifft, die kurz begründet werden muss, Art. R34 Abs. 2 TAS-Code. Zuvor ist den Parteien und allen Schiedsrichtern Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme zu geben. Die Entscheidungen des CIAS, die in etwa 5 Fällen pro Jahr auftreten, werden durch das Sekretariat vorbereitet und ergehen meist im schriftlichen Verfahren. Das Verfahren selbst und die Entscheidung sind mit Rücksicht auf die Persönlichkeit der Schiedsrichter nicht öffentlich. Der Antrag hat Erfolg, wenn legitime Zweifel an der Unabhängigkeit des angegriffenen Schiedsrichters bestehen, Art. R34 Abs. 1 TAS-Code. Es kommt also auch hier nicht darauf an, ob tatsächlich ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. In der Mehrzahl der Fälle erklären die Schiedsrichter schon bei der Einleitung des Ablehnungsverfahrens ihren Rücktritt. Bisher hatte nach Auskunft des Sekretariats auch nur ein formell zu entscheidender Antrag Erfolg. Die Mitglieder des CIAS stimmten einem Ablehnungsantrag zu, der einen Schiedsrichter betraf, der in einem gleichzeitig vor dem TAS anhängigen und gleich gelagerten Fall für die ihn ernennende Partei als Anwalt tätig war. Seit Beginn des Jahres 2004 kann der CIAS Entscheidungen über Ablehnungsgesuche veröffentlichen, Art. R34 Abs. 2 S. 4 TAS-Code. Lehnt eine Partei alle Mitglieder des Schiedsgerichts gleichzeitig wegen Befangenheit ab, so kann auch das Schiedsgericht selbst dieses Gesuch zurückweisen, wenn es missbräuchlich oder offenbar unbegründet ist. Diese Abweichung vom Verfahren des TAS-Codes stellt jedenfalls keinen Verstoß gegen den ordre public dar und führt daher nicht zur Aufhebung des Schiedsspruchs wegen dieses Verfahrensverstoßes. 251 Allerdings sollten die Schiedsgerichte mit einer solchen Entscheidung sehr zurückhaltend sein, und wie im TAS-Code vorgesehen grundsätzlich jedes Ablehnungsgesuch dem CIAS vorlegen.

251

BGE 129 III, S. 445,464 f. m.w.N. u.a. BGE 114 la, S. 278, 279.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

12

Auch die Mitglieder des CIAS müssen unabhängig sein und können abgelehnt werden, wenn begründete Zweifel an ihrer Unabhängigkeit im Hinblick auf ein laufendes Schiedsverfahren bestehen, Art. SI 1 Abs. 1 TAS-Code. Gleiches gilt für die Präsidenten der Kammern, Art. S21 TAS-Code. Dies gilt insbesondere, wenn ein Schiedsverfahren mit Beteiligung eines Verbandes geführt wird, dem das Mitglied des CIAS angehört (wohl: nahe steht) oder wenn ein Rechtsanwalt der Kanzlei des Mitglieds als Parteivertreter oder Schiedsrichter agiert. In einem solchen Fall soll das CIAS-Mitglied selbständig zurücktreten und wird an den folgenden Beratungen über das jeweilige Schiedsverfahren nicht teilnehmen und über dieses Schiedsverfahren auch keine Informationen erhalten, Art. SI 1 Abs. 3, S21 Abs. 3 TAS-Code.

b) Amtsenthebung Neben Vorschriften zur Ablehnung von Schiedsrichtern wegen mangelnder Unabhängigkeit gibt es auch die Möglichkeit ihrer Abberufung. Gemäß § 1038 Abs. 1 S. 1 ZPO endet das Amt des Schiedsrichters, wenn dieser rechtlich oder tatsächlich außerstande ist, seine Aufgaben zu erfüllen, oder wenn dieser aus anderen Gründen seinen Pflichten nach der Schiedsordnung nicht nachkommt und deshalb von seinem Amt zurücktritt oder von den Parteien entlassen wird. Wie sich aus dem Zusammenspiel dieser Vorschrift mit § 1039 Abs. 1 S. 1 ZPO ergibt, können sich die Parteien auch ohne Vorliegen eines der in § 1038 Abs. 1 S. 1 ZPO genannten Gründe auf eine Absetzung des Schiedsrichters einigen. 252 Sofern sich die Parteien nicht einigen, kann jede von ihnen das staatliche Gericht anrufen, § 1038 Abs. 1 S. 2 ZPO. Diese Anrufung kann aber durch Parteivereinbarung ausgeschlossen werden. 253 Sollte das staatliche Gericht zur Entscheidung angerufen werden, so kann es den Schiedsrichter nur aus den in § 1038 Abs. 1 S. 1 ZPO aufgeführten Gründen entlassen.254 Anders als bei übereinstimmendem Wunsch beider Parteien muss hier stets ein wichtiger Grund für die Entlassung vorliegen. Nach dem schweizerischen Gesetz und mangels einer anders lautenden Schiedsvereinbarung können Schiedsrichter ebenfalls nur durch eine gemeinsame schriftliche Vereinbarung der Parteien 255 oder durch Entscheidung eines

252

BT-Drucks. 13/5274 bei K. P. Berger, Dokumentation, S. 209.

253

BT-Drucks. 13/5274 bei Κ. P. Bergen Dokumentation, S. 210.

254

Vgl. dazu den Kommentar zur Vorbild Vorschrift des Art. 14 UNCITRAL-MG: UN-Dokument Nr. A/CN.9/264 bei Κ. P. Bergen Dokumentation, S. 210. 255

P. Lalive/J.-F: Anm. 9.

Poudret/C.

Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 179 IPRG

II. Gebot der berparteilihen Rechtspflege

1

staatlichen Richters aus wichtigem Grund abberufen werden. 2 5 6 Letzterer hat bei der Beurteilung der Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, mit großer Sensibilität vorzugehen, um sich so wenig wie möglich dem Vorwurf des Eintretens in die Hauptsache auszusetzen. Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs „wichtiger Grund" ist vorgeschlagen worden, sich an der Interpretation anderer Rechtsvorschriften, die diese Formel auch verwenden, zu orientieren. Ein wichtiger Grund soll demnach vorliegen, wenn die Vertrauensbasis, auf der die Entscheidungsgewalt des Schiedsrichters basiert, dermaßen erschüttert ist, dass eine weitere Zusammenarbeit ausgeschlossen ist. 2 5 7 Indizien dafür sind die Verletzung von Sorgfaltspflichten und die Überschreitung der eingeräumten Befugnisse. Ausgeschlossen bleiben müssen aber Gründe, die zu einer mangelnden Unabhängigkeit führen, da hierfür allein das speziellere Ablehnungsverfahren zur Verfügung steht. 258 Auch im Verfahren vor dem T A S haben die Parteien die Befugnis, einen Schiedsrichter durch eine gemeinsame Vereinbarung von seinen Funktionen abzuberufen. Zudem besteht nach dem TAS-Code die Möglichkeit, einen Schiedsrichter von Amts wegen seiner Funktionen zu entheben, Art. R35 TASCode. 2 5 9 Diese Entscheidung kann auch durch den Ausschuss des CIAS getroffen werden, Art. R35 S. 2 TAS-Code. Vor dem Erlass der Entscheidung, die kurz zu begründen ist, muss den Parteien und den Schiedsrichtern Gelegenheit gegeben werden, sich schriftlich zu den Vorwürfen zu äußern, Art. R35 S. 3 TAS-Code. Eine Amtsenthebung kommt nur in Betracht, wenn der fragliche Schiedsrichter sich seiner Funktion „verweigert", „verhindert ist" oder (seit 1999) schlicht die ihm nach der Schiedsordnung obliegenden Pflichten „nicht erfüllt", Art. R35 S. 1 TAS-Code. Bei der Anwendung dieser Vorschrift ist Zurückhaltung geboten. Die Gründe für eine Amtsenthebung sind sehr allgemein gehalten. Sie sollten jedenfalls nicht dazu benutzt werden, unbequeme Schiedsrichter mit dem Hinweis auf mangelnde „Vertragstreue" ihres Amtes zu entheben. Dem Antrag ist nach dem oben Gesagten nur stattzugeben, wenn tatsächlich ein wichtiger Grund im Sinne des Art. 22 Abs. 2 SchKonk vorliegt. Für die Entscheidung des CIAS kann in dieser Hinsicht kein anderer Maßstab gelten als für die Entscheidung des staatlichen Gerichts.

256 Art. 22 SchKonk und Art. 179 IPRG, der auch für den Fall der Abberufung auf das SchKonk verweist, A. Buchen Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 162. 257 Zum Vorhergehenden: P. Lalive/J.-F. suisse Art. 22 SchKonk Anm. 2.

Poudret/C.

Reymond, Droit de l'arbitrage

258 P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse Art. 22 SchKonk Anm. 2; P. Jolidon, Commentaire, S. 314 f. 259

Vgl. auch Art. 12.2 ICC-SchO.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

12

4. Persönliche Unabhängigkeit der Schiedsrichter Nach der Betrachtung der Unabhängigkeit des Schiedsgerichts als Institution soll nunmehr die Unabhängigkeit des Schiedsrichters als Person ins Auge gefasst werden. Es ist daher zu fragen, welche Anforderungen an das Amt des Schiedsrichters generell zu stellen sind [dazu a)] und wie der TAS-Code die Vorgaben des Schiedsverfassungsrechts umsetzt [dazu b)].

a) Allgemeine Anforderungen aa) Allgemeines Die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit wird für das deutsche Recht durch § 1036 Abs. 1 ZPO zur Voraussetzung für das Amt des Schiedsrichters gemacht. Jeder Schiedsrichter muss gegenüber den Parteien vor und während des Verfahrens alle Umstände offen legen, die Zweifel an seiner Unabhängigkeit und Unparteilichkeit wecken könnten. Das deutsche Recht folgt damit der Vorgabe des Art. 12 UNCITRAL-MG. 2 6 0 Neben diesen beiden Grundanforderungen können die Parteien eines Schiedsverfahrens noch weitere Voraussetzungen vereinbaren, die eine Person erfüllen muss, um das Amt eines Schiedsrichters wahrnehmen zu können. Diese Möglichkeit ergibt sich für das deutsche Recht nur aus einem Umkehrschluss aus den Gründen, die eine Partei berechtigen, einen Schiedsrichter abzulehnen, vgl. § 1036 Abs. 2 S. 1 ZPO. In Bezug auf die Anforderungen an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter wurde die frühere Regelung des § 1032 Abs. 1 ZPO a.F. geändert. Diese Vorschrift hatte wie Art. 18 Abs. 1 SchKonk auf die für Richter geltenden Unabhängigkeitsbestimmungen verwiesen. Aus dem Verzicht auf den Verweis der richterlichen Unabhängigkeit folgt, dass an die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Schiedsrichter heute nicht mehr per se die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines staatlichen Richters. Auch im Hinblick auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Schiedsrichters ist stets auf die Umstände des konkreten Einzelfalls Rücksicht zu nehmen, so dass generelle Aussagen schwierig sind. 261 Nach einer allgemeinen Definition fehlt es an der Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit, wenn vom Standpunkt einer Partei aus genügend objektive Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet

260 261

BT-Drucks. 13/5274 bei: K P. Berger, Dokumentation, S. 200.

Beispiele bei K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 14 Rdnr. 8; H. Raeschke-Kessler/K. P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 469 ff.; Stein/Jonas-P. Schlosser, § 1032 Rdnr. 21.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

13

sind, Misstrauen zu erregen. 262 Die in § 41 ZPO aufgeführten Ablehnungsgründe bleiben auch nach der Neufassung des § 1032 Abs. 1 ZPO a.F. Beispiele, die jedenfalls Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nahe legen. 263 Auch die gesetzlichen Vorschriften der Schweiz enthalten keine konkreten Vorgaben hinsichtlich bestimmter Qualitäten der Schiedsrichter. 264 Allerdings kann auch hier aus den Ablehnungsgründen geschlossen werden, welche Qualitäten ein Schiedsrichter a priori mitbringen sollte. 265 Gemäß Art. 180 Abs. 1 lit. a und b IPRG muss der Schiedsrichter auch nach schweizerischem Recht den von den Parteien vereinbarten Anforderungen entsprechen. Zudem dürfen insbesondere auch keine berechtigten Zweifel an seiner Unabhängigkeit bestehen. 2 6 6 Nach Ansicht des Bundesgerichts ist diese Garantie der Unabhängigkeit im Sinne des Art. 180 Abs. 1 lit. c IPRG oder des Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen. 267 Daher kommt es auch nach schweizerischem Recht nicht allein auf das subjektive Empfinden einer Prozesspartei an. Die Zweifel an der Unvoreingenommenheit müssen sich vielmehr auf konkrete Tatsachen beziehen, die bei objektiver Betrachtung durch einen vernünftigen Menschen geeignet sind, Misstrauen an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Schiedsrichters zu wecken. 2 6 8 Der Beweis einer tatsächlichen Befangenheit wird damit gerade nicht verlangt. Es genügen ernstliche Zweifel. Bei der Betrachtung der objektiven Umstände ist auch die Person des angegriffenen Schiedsrichters wesentlich zu berücksichtigen. 269 Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes hängt damit auch nach schweizerischem Recht wesentlich von der Wertung der konkreten Umstände im Einzel-

262 Vgl. BVerfGE 88, S. 17, 23; K.-H. Schwab/G. Walten Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 14, Rdnr. 7; H. Raeschke-Kessler/K. P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 478. 263

Walter, 264

ter/W.

BT-Drucks. 13/5274 bei: Κ. P. Berger, Dokumentation, S. 201; K -Η. Schwab/G. Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 14 Rdnr. 7. Th. Rüede/R. Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 137; G. WalBosch/J. Brönnimann, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S. 99.

265 P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit suisse de l'arbitrage, Art. 179 Rdnr. 3; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 153. 266

BGE 111 la, S, 259, 263; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 167.

267

BGE 1191a, S.221, 226; BG ASA Bulletin 1997, S. 99, 105; vgl. auch BGE 124 I, S. 255, 261. 268 269

BGE 117 la, S. 324, 326; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 167.

P. Lalive/J.-F. Anm. 5.

Poudret/C.

Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 180 IPRG

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

12

fall a b . 2 7 0 Unerheblich ist zunächst, dass das IPRG wie Art. 18 des SchKonk neben Zweifeln an der Unabhängigkeit des Schiedsrichters nicht auch Zweifel an dessen Unparteilichkeit als Ablehnungsgrund nennt. Grund dieser Auslassung ist die Anpassung an die tatsächlichen Gegebenheiten des internationalen Schiedsverfahrens,

welches

das

Phänomen

des

parteiernannten

und

-

beeinflussten Schiedsrichters kennt. 271 Die Unterscheidung, nach der die Unabhängigkeit ein eher objektives Konzept umschreibt und die Idee der Unparteilichkeit mehr auf die intellektuelle Einstellung des Schiedsrichters abstellt, 272 wird zudem überflüssig, wenn man den Begriff der Unabhängigkeit so interpretiert, dass er sowohl objektive als auch subjektive Elemente enthält. Unabhängig ist demnach derjenige Schiedsrichter, der keine objektive Beziehung zu einer der Parteien, der Schiedsorganisation oder dem Streitgegenstand unterhält, aber auch eine Geisteshaltung besitzt, die ihn auf gleich weiter Entfernung von beiden Parteien hält. 2 7 3 Eine arbeits-

oder gesellschaftsrechtliche

Abhängigkeit

zwischen

dem

Schiedsrichter und einer Partei oder auch enge berufliche Bindungen zwischen ihnen können die Unabhängigkeit unter bestimmten Umständen ausschließen. Rechtsberatende oder sonstige geschäftliche Verbindungen zwischen einer Partei oder ihrem Anwalt und einem Schiedsrichter sind als häufiges Phänomen jedoch nicht leichthin als Ablehnungsgrund zu betrachten. 274 Von einem Anwalt darf durchaus erwartet werden, dass er kollegiale Verbundenheit und schiedsrichterliche

Neutralität

auseinander

zu halten

vermag. 2 7 5

Ein

als

Schiedsrichter tätiger Anwalt ist aber als befangen anzusehen, wenn er zu einer Partei in einer laufenden Mandatsbeziehung steht oder wenn er für eine Partei bereits mehrmals tätig geworden ist, so dass von einer Dauerberatung gesprochen werden kann. 2 7 6 Schließlich stellt sich noch die Frage, nach welchen Kriterien Schiedsrichter ausgewählt werden sollten. Hier werden immer wieder die beruflichen Fähigkeiten und die Persönlichkeit des Schiedsrichters besonders hervorgehoben. Zudem wird auch auf die Tatsache hingewiesen, dass die Auswahl eines Mit-

27 0 Ρ Lalive/J.-F. Anm. 5.

Poudret/C.

Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 180 IPRG

271 27 2 27 3

Vgl. A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 168; Einzelheiten s. u. P. Lalive , Semaine Judiciaire 1990, S. 362, 364. P. Lalive , Semaine Judiciaire 1990, S. 362, 366.

274

BG ASA Bulletin 1997, S. 99, 104 f. m.w.N.; BGE 129 III, S. 445,466 f. = SpuRt 2004, S. 38, 41 f. 275

BG ASA Bulletin 1997, S. 99, 107.

276

BGE 116 la, S. 485, 489.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

1

Schiedsrichters häufig auch durch eine bestimmte nationale Herkunft mitbestimmt wird. Von der Person des Vorsitzenden des Schiedsgerichts wird eine über eine einfache Unabhängigkeit hinausgehende Unparteilichkeit verlangt und in den Mittelpunkt des Auswahlinteresses beider Parteien gerückt. 277 Hinsichtlich der beruflichen Fähigkeiten wird neben der Qualifikation als guter Jurist auch die Fähigkeit zu einem effektiven Prozessmanagement gefordert. Für das Schiedsverfahren in Streitigkeiten mit einem Bezug zum Sport ist darüber hinaus noch eine Sensibilität gegenüber der Organisation des Sports und der Durchführung sportlicher Wettbewerbe und den daraus resultierenden Besonderheiten der aufgeworfenen Streitfragen zu fordern. Diese Fähigkeit ist eine Spielart der Forderung nach der Branchenerfahrung des Schiedsrichters, die in der Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit eine zentrale Rolle spielt. 278

bb) Unparteilichkeit parteiernannter Schiedsrichter Anders als bei staatlichen Richtern haben insbesondere die von den Parteien ernannten Mitschiedsrichter häufig eine zumindest lose Beziehung zu den Parteien. So werden die Parteien versuchen, einen Schiedsrichter auszuwählen, der ihrer Rechtsauffassung gegenüber nicht nur aufgeschlossen, sondern unter Umständen auch bereit ist, diese Meinung in der Beratung über den Schiedsspruch zu vertreten. In Anbetracht dieser Tatsachen kann man sich an dieser Stelle damit begnügen, die von den Parteien ernannten Schiedsrichter weniger streng zu behandeln und dafür um so mehr Wert auf die Unparteilichkeit des Vorsitzenden des Schiedsgerichts zu legen. 279 Alternativ bleibt nur die Möglichkeit, an alle Schiedsrichter die gleichen Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu stellen. Auch die Neufassung des deutschen Rechts hat die Anforderungen an die Unparteilichkeit parteiernannter Schiedsrichter bewusst offen gelassen.280 Nach überwiegender Ansicht gilt auch in Deutschland in Anlehnung an die Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts der pragmatische Ansatz, 281 nach dem parteiernannte Schiedsrichter im Hinblick auf ihre Unparteilichkeit

27 7

G. Kaufmann-Kohler,

ZSR 1989, S. 403, 406.

27 8

G. Kaufmann-Kohler,

ZSR 1989, S. 403, 408.

279

Dazu umfassend A. Bucher in: H. Merz/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Kummer (1980), S. 599. 280 BT-Drucks. 13/5274 bei: K P. Berger , Dokumentation, S. 201. 281 BG ASA Bulletin 1997, S. 99, 104. Vgl. auch das Urteil BGE 129 III, S. 445, 454, in dem das Bundesgericht anklingen lässt, dass die Frage der Unabhängigkeit des gesamten Schiedsgerichts nur für jeden Einzel fall entschieden werden könne.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

12

großzügiger behandelt werden können als der Vorsitzende des Schiedsgerichts. 282 Bei der Schiedsgerichtsbarkeit diene das Neutralitätsgebot überwiegend dem Schutz der Parteien, während bei der staatlichen Gerichtsbarkeit das öffentliche Interesse im Vordergrund stehe.283 Eine andere Ansicht sei im Hinblick auf die Praxis schiedsrichterlicher Verfahren illusorisch. Allein die Tatsache, dass der Schiedsrichter von einer Partei benannt werde, müsse schließlich schon Zweifel an der Unparteilichkeit wecken. 284 Daher kann nur eine intensive Verbundenheit des parteiernannten Schiedsrichters mit einer Partei das Gebot der Unparteilichkeit verletzen. Letztlich kommt es folglich darauf an, ob die Neutralität des Schiedsgerichts insgesamt gewahrt bleibt. 285 Der möglicherweise bestehende Einfluss der Parteien auf die von ihnen ernannten Schiedsrichter wird sich in der Regel kompensieren. 286 Umso wichtiger ist es, dass zumindest der Vorsitzende des Schiedsgerichts über jeden Zweifel an seiner Unparteilichkeit erhaben ist und bleibt. 287 Letztlich kommt es darauf an, dass das Schiedsgericht als solches unparteiisch ist. Der Wortlaut des IPRG unterscheidet wie derjenige der ZPO ebenfalls nicht zwischen den einzelnen Schiedsrichtern. Der Gesetzgeber des IPRG ist allerdings schon im Ansatz nicht so weit wie bei den Regelungen des Schiedskonkordats oder auch der ZPO gegangen und hat von den Schiedsrichtern nur die Unabhängigkeit von den Parteien, nicht aber ihre Unparteilichkeit gefordert, Art. 180 Abs. 1 lit. c IPRG. 288 Aus der fehlenden Erwähnung der Unparteilichkeit bzw. der Streichung dieser Anforderung im Gesetzgebungsverfahren 289 ist gefolgert worden, dass das IPRG die Tatsache akzeptiere, dass parteiernannte Schiedsrichter gegenüber den Interessen der sie ernennenden Partei aufgeschlossener seien, als dies hinsichtlich der Interessen der Gegenseite der Fall

282

K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 14, Rdnr. 7; H. RaeschkeKessler/K. P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 468; die ist nicht unumstritten, dazu Nachweise bei Stein/Jonas-P Schlosser, § 1032 Rn. 82. 2Jtt H. Raeschke-Kessler/K P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 414. BGHZ 54, S. 392, 396; Stein/Jonas-P. Schlosser, § 1032 Rdnr. 20.

284 285

P. Schlossen TZ? 93, S. 121, 140; BGHZ 54, S. 392, 397.

286

BGHZ 54, S. 392, 396.

287

BG ASA Bulletin 1997, S. 99, 104; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse Art. 180 IPRG Anm. 4; mit Hinweis auf die alleinige Entscheidungsbefugnis gemäß Art. 189 Abs. 2 IPRG auch P. Lalive, Semaine Judiciaire 1990, S. 362, 370. 288

Vgl. andererseits Art. 18 Abs. 1 SchKonk, § 1036 Abs. 2 S. 1 ZPO.

289

Dazu E. Bucher in: H. Merz/W.

R. Schluep (Hrsg.), FS Kummer (1980), S. 599.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

1

sei. 290 Der im SchKonk verfolgte Ansatz der Unparteilichkeit schränke die Flexibilität der Parteien gerade in internationalen Schiedsverfahren zu sehr ein. 291 Hinzu komme, dass eine vollständige Unparteilichkeit der parteiernannten Schiedsrichter von der ernennenden Partei zwar idealistisch, in der Wirklichkeit aber unrealistisch sei. 292 Letztlich dürften aber die Unterschiede nicht qualitativer, sondern allenfalls quantitativer Natur sein. 293 Nach Ansicht des Bundesgerichts dürfe der Schiedsrichter nicht in einer Art und Weise an die ernennende Partei gebunden sein, dass er letztlich deren Repräsentant sei. 294 Jeder Schiedsrichter müsse trotz aller Unterschiede die Garantie dafür bieten, dass er bei der Ausübung seiner Funktion in seiner Willensbildung frei sei. 295 Die Unterscheidung zwischen dem Vorsitzenden und seinen Mitschiedsrichtern folgt der Realität in internationalen Schiedsverfahren. Parteiernannte Schiedsrichter werden mitunter wie selbstverständlich als Parteivertreter angesehen.296 Verlangte man von allen Schiedsrichtern das gleiche Maß an Unparteilichkeit, würden die meisten Verfahren durch Ablehnungsgesuche beider Seiten blockiert werden.

b) TAS-Schiedsordnung Die Schiedsordnung des TAS fordert von den Schiedsrichtern der TASVerfahren zunächst, dass sie sowohl bei der Übernahme ihres Amtes als auch während des Schiedsverfahrens unabhängig von den Parteien sein und bleiben müssen, Art. R33 Abs. 1 TAS-Code. Diese Vorschrift unterscheidet nicht zwi-

290 A. Buchen Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 168 ff.; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 180 IPRG Rdnr. 4; P. Lalive, Semaine Judiciaire 1990, S. 362, 371; zur strengeren Rechtslage in Frankreich, die von allen Schiedsrichtern volle Unparteilichkeit verlangt, vgl. D. Hascher in: E. Bournazel (Hrsg.), Sport et Droit, S. 673, 674 f.

291

Zur Rechtslage nach dem SchKonk: P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse Art. 18 SchKonk Anm. 1; P. Lalive, Semaine Judiciaire 1990, S. 362, 367 f. 292

„... [E]st certes respectable par son idéalisme, mais ... fort critiquable par son irréalisme."; P. Lalive , Semaine Judiciaire 1990, S. 362, 369; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond , Droit de l'arbitrage suisse Art. 180IPRG Rdnr. 4. 293 E. Bucher in: H. Merz/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Kummer (1980), S. 599, 611 f. 294

το«

BGE 129 III, S. 445,466 f.

Λ. Bücher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 170.

296

Α. Redfern/M. Hunten Arbitration, Rdnr. 4-47 ff.; Dies wird vor allem in Schiedsverfahren mit Beteiligten aus arabischen Ländern deutlich; zurückhaltender E. Bucher in: H. Merz/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Kummer (1980), S. 599, 610.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

12

sehen den Mitschiedsrichtern und dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts. Für alle gelten daher grundsätzlich die gleichen Anforderungen. Allerdings wird man im Einzelfall aus den oben genannten Gründen bei parteiernannten Schiedsrichtern etwas großzügiger sein können. In der ersten Fassung der Schiedsordnung des T A S wurden insgesamt sieben Gründe aufgezählt, bei deren Vorliegen eine mangelnde Unabhängigkeit anzunehmen war, Art. 16 TAS-Code a.F. ( 1 9 9 0 ) . 2 9 7 Diese Vorschrift orientierte sich vor allem an den Ausschlussgründen für staatliche Richter, war jedoch auch offen für andere wichtige Gründe, die Zweifel an der Unabhängigkeit der Schiedsrichter wecken könnten. Die Schiedsordnung des T A S enthält heute lediglich Vorgaben hinsichtlich der sachlichen und der zeitlichen Unabhängigkeit der Schiedsrichter. Zunächst bestimmt Art. S18 Abs. 2 TAS-Code, dass die Schiedsrichter bei ihrer Aufnahme in die Schiedsrichterliste eine Erklärung unterzeichnen müssen, in der sie sich verpflichten, ihre Tätigkeit nur persönlich und in voller Objektivität sowie Unabhängigkeit auszuüben. Art. R33 Abs. 2 TAS-Code bestimmt ferner, dass TAS-Schiedsrichter neben der Gewähr der Unabhängigkeit von den Parteien auch die notwendige Verfügbarkeit besitzen müssen, ein Schiedsverfahren innerhalb kürzester Zeit durchzuführen. Für die Schiedsrichter

der Ad-hoc-Panel bei den Olympischen Spielen

bestimmt

Art. 12 Abs. 2 Ad-hoc-Regeln zudem, dass sie bei den Olympischen Spielen ständig am Olympiaort anwesend sein müssen. Die zeitliche und örtliche Verfügbarkeit ist ein Eckstein für die erfolgreiche Durchführung eines Schiedsverfahrens. Die Einhaltung dieser Anforderungen ist vom Kammerpräsidenten vor der Einleitung des jeweiligen Schiedsverfahrens zu prüfen. Dieser muss die nicht von ihm selbst benannten Schiedsrichter bestätigen, Art. R40.3 Abs. 1, R54 Abs. 2 S. 3 TAS-Code. Die Schiedsrichter eines jeden Verfahrens unterzeichnen bei Amtsantritt erneut eine Erklärung, in der sie ihre Unabhängigkeit bestätigen bzw. auf Umstände hinweisen, die Zweifel an ihrer Unabhängigkeit aufkommen lassen könnten. 298 Die Verpflichtung, auf derartige Umstände hinzuweisen, besteht während des gesamten Verfahrens fort, Art. R33 Abs. I TAS-Code. Ein Interessenkonflikt kann sich vor allem ergeben, wenn ein Schiedsrichter für eine der Parteien in anderen laufenden Schiedsverfahren als Anwalt tätig war bzw. tätig ist. 2 9 9 Die Tätigkeit als Anwalt einer Partei ist den TAS-

297

A. Samuel/R. GearharU 6 J. Int. Arb. 1989, S. 39, 46; A. Polvino, Emory International Law Review 1994, S. 347, 364. 298

Für Beispiele vgl. auch K. Mbaye, Annuaire du droit français international 1984, S. 409,415. 299

Demgegenüber genügt der Wechsel zwischen Schiedsrichteramt und Parteivertretung grundsätzlich nicht fìir hinreichende Zweifel an der Unabhängigkeit, BGE 129 III, S. 445, 467 = SpwRt 2004, S. 38, 42.

II. Gebot der Überpartei liehen Rechtspflege

1

Schiedsrichtern mit Ausnahme der Ad-hoc-Verfahren der Olympischen Spiele (Art. 12 Abs. 3 Ad-hoc-Regeln) nicht verboten. Allerdings ist in einem solchen Fall der Interessenkonflikt eines Schiedsrichters so offensichtlich, dass er nicht mehr als unabhängig angesehen werden kann. Für die Schiedsverfahren vor dem T A S tritt noch ein weiterer Aspekt hinzu, der einen häufigen Wechsel zwischen der Rolle des Anwalts und der des Schiedsrichters problematisch erscheinen lässt. Besonders bei Dopingfällen stellen sich im TAS-Berufungsverfahren häufig die gleichen rechtlichen und häufig auch ähnliche tatsächliche Fragen, ohne dass notwendigerweise auch die gleichen Parteien in den Rechtsstreit involviert sind. Der Anwalt eines Verfahrens könnte so versucht sein, sich durch die Entscheidung in einem anderen Verfahren, an dem er als Schiedsrichter beteiligt ist, selbst Argumentationsmaterial zu schaffen. Dies betrifft weniger den Tenor der Entscheidung als vielmehr die Formulierung der Entscheidungsgründe und die darin niedergelegten Argumentationslinien. Das daraus entstehende Problem hat zwar keinen großen Einfluss auf die Unabhängigkeit des Schiedsrichters von den am Verfahren beteiligten Parteien Es ist aber als Problem der „Unabhängigkeit vom Streitgegenstand" anzusehen, weil diese Fallgestaltung zu einer Festlegung des Schiedsrichters führen kann, die einer unvoreingenommenen Entscheidung in der vorliegenden Sache entgegensteht. 300 Es wird vom Einzelfall abhängen, ob die objektiv begründbare Gefahr besteht, dass sich der Schiedsrichter durch seinen Einfluss auf den Inhalt der Entscheidung die Basis einer erfolgreichen Prozessvertretung in einem Parallelfall schaffen könnte. Nur wenn nachgewiesen ist, dass der Schiedsrichter als Parteivertreter in einem Verfahren tätig ist, dessen Tatsachen denen des laufenden Verfahrens gleichen, wird man ernsthaft über eine mangelnde Unabhängigkeit nachdenken müssen. Seit dem 01.01.2004 verlangt der T A S 3 0 1 , dass die Schiedsrichter eines laufenden Verfahrens nicht zur gleichen Zeit die Prozessvertretung in einem weiteren Schiedsverfahren vor dem T A S übernehmen. Dies gilt gleichermaßen für parteiernannte Schiedsrichter wie auch für die Vorsitzenden des Schiedsgerichts. Diese Forderung geht folglich weiter, da sie die gleichzeitige Prozessvertretung und Schiedsrichtertätigkeit unabhängig vom Inhalt der jeweiligen Schiedsverfahren unterbinden will. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Forderung in der Praxis umsetzen lässt. Schon bisher gehörte es zur Politik des T A S , im Berufungsverfahren den Posten des Vorsitzenden des Schiedsgerichts nur zurückhaltend mit Personen zu besetzen, die wiederholt auch Mandate von Parteien in Schiedsverfahren vor dem T A S wahrnehmen. Gerade die Position

300 301

Dazu Zöller-Af. Vollkommen § 42, Rdnr. 15.

Diese Forderung wird in einem an alle Schiedsrichter gerichteten Memorandum, nicht aber in der Schiedsordnung erhoben.

1

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

des Vorsitzenden erlaubt es, auf den konkreten Inhalt eines Schiedsspruchs entscheidenden Einfluss zu nehmen. Durch die Zurückhaltung bei der Ernennung werden die oben angesprochenen Interessenkonflikte zwar nicht gänzlich vermieden, jedoch weitgehend zurückgedrängt.

5. Zusammenfassung (1) Das Gebot der überparteilichen Rechtspflege ist ein unabdingbarer Grundsatz jedes gerichtlichen

Verfahrens.

Da

Schiedsgerichte

Rechtspre-

chungsfunktion ausüben, gilt dieser Grundsatz auch für das schiedsrichterliche Verfahren. Das Hauptaugenmerk bei der Prüfung ruht auf dem Verfahren zur Besetzung der Schiedsrichterbank. Hier müssen allen Parteien eines Schiedsverfahrens grundsätzlich dieselben Mitwirkungsrechte eingeräumt sein. Kommt eine Partei ihrem Ernennungsrecht nicht binnen einer angemessenen Frist nach, ist die Ernennung hilfsweise durch eine von den Parteien unabhängige Stelle vorzunehmen. Heute steht außer Zweifel, dass der TAS hinreichende institutionelle Unabhängigkeit von jeder potentiellen Partei eines Schiedsverfahrens besitzt. Die Beschränkung dieser Aussage auf Verfahren ohne Beteiligung des I O C ist nicht gerechtfertigt. Die vielfach geäußerte Kritik am System der geschlossenen Schiedsrichterliste ist aus rechtlicher Sicht unberechtigt. Eine zumindest teilweise Aufhebung der dadurch ausgelösten Beschränkung der Wahlfreiheit der Parteien kann jedoch einen wichtigen Beitrag zur weiteren Erhöhung der Akzeptanz des Schiedsgerichts leisten. (2) I m konkreten Ernennungsverfahren versucht auch der TAS-Code, den Parteien weitestgehend die gleichen Rechte einzuräumen. Dies gilt zumal für Verfahren, an denen nur zwei Parteien beteiligt sind. Hier fallt allerdings auf, dass die Rechte der Parteien im Berufungsverfahren insoweit eingeschränkt sind, als der Vorsitzende des Schiedsgerichts allein vom Präsidenten der Berufungskammer ernannt werden kann. An dieser Stelle ist noch Raum fur eine weitere Stärkung der Parteirechte. Bei Mehrparteienverfahren ist es unabdingbar, eine pragmatische Lösung zu finden, mit der alle Parteien in gleicher Weise an der Schiedsrichterbestellung beteiligt werden können. In einem solchen Fall bietet es sich an, die von den Parteien zu ernennenden Schiedsrichter durch eine neutrale Stelle (in der Regel die Schiedsorganisation) oder das staatliche Gericht bestimmen zu lassen. Der TAS-Code versucht diesem Ansatz Rechnung zu tragen. (3) Ein weiterer zentraler Punkt für die Beachtung des Gebots der überparteilichen Rechtspflege ist die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der einzelnen Schiedsrichter. Die Parteien sind sowohl nach deutschem als auch nach schweizerischem Recht ermächtigt, bestimmte Vorgaben zu machen, welche die Schiedsrichter erfüllen müssen. Unabdingbar ist jedoch, dass die Schieds-

III. Schiedsfähigkeit

131

richter in ihrer Amtsführung so unabhängig sind, dass sie ohne Rücksicht auf die Interessen einer Partei entscheiden können. Hinsichtlich der Unparteilichkeit wird man bei den durch die Parteien ernannten Schiedsrichtern weniger streng sein dürfen als bei der Person des Vorsitzenden des Schiedsgerichts. Der Unterschied zwischen beiden darf aber nur quantitativer und nicht qualitativer Art sein. Auch die Parteischiedsrichter sind letztlich Schiedsrichter und keine Partei Vertreter in der Verhandlung und in der Schiedsurteilsberatung. Der TASCode enthält keine speziellen Anforderungen hinsichtlich der Unabhängigkeit der Schiedsrichter. Sie verlangt allerdings, dass die Schiedsrichter die zur Führung des Schiedsverfahrens notwendige Zeit aufbringen können. Dies müssen sie zu Beginn des Verfahrens zusammen mit ihrer Unabhängigkeit versichern. Sie sind zudem verpflichtet, jede Veränderung dieser Umstände unverzüglich nach ihrem Eintreten bekannt zu geben. (4) Hat eine Partei begründete Zweifel an der Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit eines Schiedsrichters, kann sie diesen ablehnen. Die Ablehnung ist unverzüglich nach Bekannt werden des Ablehnungsgrundes zu erklären. Erfolgt sie nicht fristgemäß, präkludiert die Partei mit diesem Grund auch für ein späteres Anfechtungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren. Über die Ablehnung von Schiedsrichtern entscheidet nach dem TAS-Code der CIAS als unabhängiges Gremium. Der C I A S hat auch zu entscheiden, ob ein Schiedsrichter seines Amtes enthoben werden soll. Die Amtsenthebung entspricht der Kündigung aus wichtigem Grund. Dem Antrag auf Amtsenthebung kann nur stattgegeben werden, wenn sich ein Schiedsrichter

einer schweren Pflichtverletzung

des

Schiedsrichtervertrags schuldig gemacht hat.

III. Schiedsfähigkeit Die Schiedsfähigkeit bestimmt, welche Arten von Streitigkeiten zur Entscheidung auf ein Schiedsgericht übertragen werden können. Fehlt es an der Schiedsfähigkeit des Streitgegenstands, kann über ihn nur ein staatliches Gericht urteilen. Es ist allein dem jeweiligen nationalen Schiedsverfassungsrecht überlassen, den Umfang der Entscheidungsmöglichkeiten durch Schiedsgerichte zu bestimmen. 302 Die Schiedsfähigkeit des Streitgegenstands ist an mehreren Stellen von Bedeutung. Zum einen muss sich ein staatliches Gericht nur bei Vorliegen einer Schiedsvereinbarung über einen schiedsfähigen Streitgegenstand für unzuständig erklären, Art. I I Abs. 3 U N Ü . Damit wird die Schiedsfähigkeit zur Voraus-

302

A. Redfern/M.

Hunter, Arbitration, Rdnr. 3-21.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

12 setzung der

Gültigkeit

einer

Schiedsvereinbarung. 303

Zum

anderen

sind

Schiedssprüche nur vollstreckbar, wenn der darin behandelte Anspruch nach dem Recht des Vollstreckungsstaats schiedsfähig ist, Art. V Abs. 2 lit. a U N Ü . Schon aus diesem Grund ist es notwendig, nicht nur auf die Definition der Schiedsfähigkeit in dem Land, in dem das Schiedsgericht seinen Sitz hat, zu achten. Die Schiedsfähigkeit muss vielmehr auch für potentielle Vollstreckungsstaaten gegeben sein. 3 0 4 Schiedsfähig sind zunächst grundsätzlich nur diejenigen Fragen, die als Rechtsfragen anzusehen sind. Streitigkeiten, die außerhalb rechtlicher Beziehungen entstehen, können weder durch ein staatliches Gericht noch durch ein Schiedsgericht entschieden werden (dazu 1.). Danach werden die Vorgaben des schweizerischen und des deutschen Schieds Verfassungsrechts und deren Begrenzungen dargestellt (dazu 2.), bevor zuletzt der Frage nachgegangen wird, ob die Schiedsfähigkeit von Amts wegen zu prüfen ist (dazu 3.).

1. Rechtliche Streitigkeit Erste Voraussetzung der Schiedsfähigkeit ist, dass es sich um die Entscheidung einer Rechtsfrage handelt. Schiedsgerichte können als Alternative zu einem staatlichen Gericht nur zu Fragen angerufen werden, über die auch das staatliche Gericht selbst eine Entscheidung treffen kann. 3 0 5 Dort, wo dem staatlichen Gericht eine Entscheidung mangels Vorliegens einer Rechtsbeziehung verwehrt ist, bleibt sie auch dem Schiedsgericht verschlossen. Eine Entscheidung eines solchen Streits kann folglich nicht als Schiedsspruch behandelt werden. 3 0 6 Die deutsche ZPO spricht in § 1029 Abs. 1 ZPO von der Entscheidung einer Streitigkeit, die aus einem „bestimmten Rechtsverhältnis" entstanden ist oder künftig entstehen wird. 3 0 7 Dies ist als Verweis auf den Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit im Sinne der § 13 G V G , § 3 EGZPO verstanden worden. 3 0 8 Zudem spricht § 1030 Abs. 1 ZPO von der Schiedsfähigkeit von ,An-

303 BGE 118 II, S. 353, 355; P. Gottwald Rdnr. 9. 304

A. Redfern/M.

in: MünchKomm-ZPO, Art. II UNÜ

Hunter, Arbitration, Rdnr. 3-22.

305

K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 3, Rdnr. 4; P. Jolidon, Arbitrage et sport in: H. Merz/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Kummer (1980), S. 633, 646; M. Baddeley, L'association sportive, S. 262. 306

P. Jolidon, Commentaire, S. 232.

§ 1025 Abs. 1 ZPO a.F. hatte hingegen noch von der „Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit" gesprochen. 308

K.-H. Schwab/G. Walter,

Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 3, Rdnr. 2.

III. Schiedsfähigkeit

13

Sprüchen". Auch dies zeigt, dass nur Rechtsfragen zum Gegenstand eines Schiedsverfahrens gemacht werden können. Nach schweizerischem Recht sind ebenfalls nur Rechtsbeziehungen in den Begriff der Schiedsfähigkeit nach Art. 177 Abs. 1 EPRG einzubeziehen. 309 Für den Bereich des Sports stellt sich insbesondere die Frage, ob etwa die Anwendung bestimmter, nur die Organisation und Durchführung des Wettkampfs betreffender Regeln (so genannte Spielregeln) einer rechtlichen Überprüfung entzogen ist. Im Folgenden soll untersucht werden, ob solche Normenkomplexe von der Schiedsfähigkeit an sich auszuschließen sind, weil sie den „Lebensnerv" 310 des Sports treffen und aus ihrer Auslegung entstehende Streitigkeiten nicht als Rechtsstreitigkeiten anzusehen sind. Dabei ist zunächst die Entwicklung von Rechtsprechung und Lehre nachzuzeichnen [dazu a)], bevor auf die Rechtsprechung des T A S zu diesem Problem eingegangen wird [dazu b)].

a) Rechtsprechung und Lehre Bei der Frage nach einem rechtsfreien Raum für den Sport sind die Schweiz und Deutschland bisher unterschiedliche Wege gegangen. Besonders in der Schweiz wurde viele Jahre über die Abgrenzungsmöglichkeiten

zwischen

Spielregeln und Rechtsregeln diskutiert.

aa) Schweiz Nach einer zumindest früher sehr weit verbreiteten Ansicht 3 1 1 kann es bei Spiel und Sport einen rechtsfreien Raum geben, in dem die korrekte Anwendung der dafür aufgestellten Regeln keiner gerichtlichen Nachprüfung unterzogen werden kann. Innerhalb dieses rechtsfreien Raums besäßen die Verbände eine autonome Sanktionsgewalt, die von außen weder durch ordentliche Ge-

309

Ρ Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit suisse de l'arbitrage, Art. 177 Anm. 1; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 86. 310 BGE 108 II, S. 15, 20. 311

Zuletzt BGE 119 II, S. 271, 275; Überblick bei M. Baddeley, tive, S. 352 ff.; J.-P. Rochau Diretto dello sport, 1993, S. 3, 9 ff.; dafür Commentaire, S. 160; Th. Rüede/R. Hadenfeldt , Schweizerisches S. 38 und dies. Supplement 1999, S. 18; nicht mehr angesprochen S. 350 ff.

L'association sporauch: Ρ Jolidon, Schiedsgerichtsrecht, bei BGE 121 III,

1

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

richte noch durch Schiedsgerichte kontrolliert werden könne. 3 1 2 Die Diskussion wird wesentlich von der Unterscheidung zwischen Spielregel und Rechtsregei geprägt worden. Diese Begriffsbildung geht auf eine Systematisierung von Max Kummer 3 1 3 zurück. Zur Begrenzung der Macht der Verbände 3 1 4 stellt er das geschlossene System der Spielregeln dem System der Rechtsregeln gegenüber und definiert die Spielregel als: „... eine Regel, deren Verletzung mit einem sich auf das laufende Spiel beschränkenden Spielnachteil geahndet wird, sonach mit einem Mittel eben dieses ^Spiels gestützt auf eine Regel, die Teil des geschlossenen Spiel regel systems bildet.4" Die Anwendung derartiger Spielregeln sei im Nachhinein nicht überprüfbar, da sie nicht Bestandteil der Rechtsordnung seien. Die Unanfechtbarkeit der Anwendung einer solchen Regel sei als unmittelbarer Bestandteil des Spiels ebenfalls Spielregel, „seine grundlegende Regel". 3 1 6 Jeder der zum Spiel antrete, beuge sich ihr zusammen mit den anderen Austragungsregeln. 317 Das Konzept der Spielregel erschöpft sich schon der Definition nach in der Verhängung eines Nachteils zu Lasten eines Teilnehmers für das laufende Spiel. Kummer folgert aus diesem Ansatz, dass diese Immunität für jede Entscheidung, die „über das Spiel, insbesondere die Spieldauer hinauswirkt" 318 , nicht gelten könne. 3 1 9 Dies berühre insbesondere für die Vereinsstrafen. 320 Da-

So bereits Kassationsgericht Zürich SJZ 1957, S. 152, 154 - Zürich Young Fellows; vgl. auch BGE 103 la, S. 410, 412 ff.; Th. Rüede/R. Hadenfeldt, Supplement 1999, S. 18. 313 M. Kummer, Spielregel und Rechtsregel (1973); erste Systematisierungen schon bei P. Schlosser, Verbandsgerichtsbarkeit (1972), S. 86 ff. 314

M. Kummen Spielregel und Rechtsregel, S. 78.

3,5

M. Kummen Spielregel und Rechtsregel, S. 44; darunter versteht er nicht nur die Spielregel i.e.S. (die für ein einzelnes Spiel gelten sondern auch die Organisationsregeln von Turnieren (sog. Regel des Mehrstufenspiels), M. Kummen Spielregel und Rechtsregel, S. 66 ff. 316

M. Kummen Spielregel und Rechtsregei, S. 40.

3,7

Nach M. Kummen Spielregel und Rechtsregei, S. 43 f. willigen die Spieler im Voraus in die Entscheidung von Spiel Situationen durch einen Spielrichter und dessen menschliche Schwächen ein; vgl. auch H. Kiener in: P. Zen-Ruffinen (Hrsg.), Droit et sport, S. 109, 125. 318 319

M. Kummen Spielregel und Rechtsregei, S. 45; Hervorhebung durch Verfasser.

Gleiches gilt fur einen Spielrichter, der sich bewusst über die Spielregeln hinwegsetzt (etwa, weil er bestochen worden ist), da er insoweit nicht mehr als Spielrichter anzusehen ist, M. Kummen Spielregel und Rechtsregei, S. 65. In diesem Zusammenhang macht Kummer schon auf die Gefahr des Missbrauchs des Spielregelkonzeptes durch Verbände aufmerksam, die Rechtsregeln den „Tarnanstrich" der Spielregel verleihen. M. Kummen Spielregel und Rechtsregei, S. 46 oben.

III. Schiedsfähigkeit

13

mit stellt schon Kummer selbst die Wirkung der getroffenen Entscheidung in den Vordergrund seiner Qualifikation. Im Ergebnis trifft er damit keine materielle Zuordnung der jeweiligen Vereinsvorschrift zu einem Regelsystem, sondern stellt allein auf die Auswirkungen der Regelanwendung im Einzelfall ab. 3 2 1 Die schweizerische Rechtsprechung nahm die Organisationsregeln sportlicher Wettbewerbe zunächst völlig von einer rechtlichen Überprüfung aus. 3 2 2 Eine rechtlich überprüfbare Vereinsstrafe liege nur vor, wenn sie für das betroffene Mitglied eine Minderung seiner korporativen Rechte bedeute, sei es durch Entzug von Rechten oder durch die Belastung mit besonderen Pflichten. Diese Auswirkung müsse jedoch eine direkte und nicht nur eine indirekte Folge der Entscheidung sein. 3 2 3 Die Nichtanwendung einer Zulassungsregel durch die Vorinstanz wurde auch vom Bundesgericht im Fall eines Vereinswechsels eines Amateurs zunächst noch als „vertretbar" 324 bezeichnet, weil im vorliegenden Fall keine vom Zivilrecht geschützten Interessen vorlägen. Allerdings wies das Bundesgericht in dieser Entscheidung darauf hin, dass die Grenzen zwischen Spielregeln und Rechtsregeln „fließend" 325 seien und eine rechtliche Überprüfung vorgenommen werden müsse, wenn die getroffenen Entscheidungen in erheblicher Weise in die Rechtssphäre des Betroffenen eingriffen. 326 Nach einer weiteren Entscheidung müsse eine rechtliche Überprüfung einer Verbandsentscheidung stattfinden, wenn die Verletzung einer sonstigen dem Verein gegen-

320 M. Kummer, Spielregel und Rechtsregei, S. 48 ff.; für Deutschland aber auch V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 24. 321

Aus diesem Ansatz heraus kann die von ihm angenommene Nichtüberprüfbarkeit von Nominierungsentscheiden (M. Kummer, Spielregel und Rechtsregei, S. 71, 73) jedoch nicht erklärt werden. Auch in diesen Fällen erschöpft sich die Wirkung der Entscheidung nicht in einem bloßen Spielnachteil. Allein die angeblich „subjektiv willkürliche" (A/. Kummer, Spielregel und Rechtsregel, S. 73) Natur der Auswahlentscheidung rechtfertigt keine Abweichung vom Prinzip. Da sich auch hier die Wirkung der Nichtzulassung nicht allein in der (noch nicht bestehenden) Spiel situation erschöpft, müssen Nominierungsentscheidungen dem Rechtssystem zugeordnet werden; so auch BGE 118 II, S. 12, 16 f.; anders noch Richteramt Bern III, Entscheid vom 11.04.1988; bei H. Kiener in: P. Zen-Ruffinen (Hrsg.), Droit et sport, S. 109, 136: „Ein Rechtsanspruch auf Mitspielen besteht nicht". 322

Unter Verneinung eines Rechtsanspruchs auf Einhaltung der Spielregeln: Kassationsgericht Zürich SJZ 1957, S. 152, 153. 323 Kassationsgericht Zürich SJZ 1957, S. 152, 153. 324 BGE 103 la, S. 410,412 f.; unter Verweis auf M. Kummer, Spielregel und Rechtsregel, S. 24, 68 ff. Das Bundesgericht war in diesem Fall in seiner Kognition auf eine willkürüberprüfung beschränkt, vgl. Art. 90 Abs. 1 OG. 325

BGE 1031a, S. 410,412.

326

BGE 1031a, S. 410,413.

16

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

über bestehenden Pflicht (wie die Nichtzahlung des Beitrags) mit einem Spielnachteil geahndet werde. 3 2 7 Die späteren Entscheidungen setzten den Trend hin zu einer umfassenderen gerichtlichen Überprüfung verbandsrechtlicher Entscheidungen fort. Zusammen mit dieser Ausweitung der Zuständigkeit erfolgte aber eine Einengung der Überprüfungsdichte. In einem Fall sah die Vorinstanz 328 die Verhängung einer dreijährigen Sperre als nicht justiziabel an. Die Berufungsinstanz 329 stellte, in der Tradition von Kummer verhaftet, fest, dass auch die Ahndung eines Verstoßes gegen eine Spielregel im engeren Sinne nicht nur Spielstrafe sein könne, wenn ihre Wirkung über das laufende Spiel hinausgehe. Derartige Sanktionen unterlägen stets der richterlichen Prüfung. Der richterliche Prüfungsmaßstab sei nach Ansicht des Gerichts aber durch die Ausschlussautonomie des Verbands (Art. 72 Abs. 2 Z G B ) eingeschränkt. So könne die Sanktion nur aufgehoben werden, wenn sie rechtsmissbräuchlich sei, gesetzliche oder statuarische Vorschriften verletze bzw. in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen in unzulässiger Weise eingreife. 330 Dies gelte insbesondere, falls der Verband eine Monopolstellung innehabe. Jedenfalls dann müssten die Interessen des Verbands an der Wahrung seiner Ausschlussautonomie hinter den Interessen des einzelnen Mitglieds zurückstehen. 331 Der Ansatz, das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen gegen Maßnahmen eines Monopolverbands besonders zu schützen, wurde in späteren Entscheidungen vertieft. 332 Schließlich wurde die Unterscheidung zwischen Spielregeln und Rechtsregeln für den Bereich der Verletzung des Persönlichkeitsrechts völlig aufgegeben. Das schweizerische Bundesgericht stellte fest, dass jegliches menschliche Verhalten, und damit eben auch die Anwendung von Spielregeln, geeignet sei, eine solche Verletzung des Persönlichkeitsrechts herbeizuführen. In diesem Bereich sei die Unterscheidung zwischen Spielregeln und Rechtsregel völlig ohne Bedeutung. 333

327 BGE 108 II, S. 15, 22; so bereits M. Kummer, Spielregel, Rechtsregel, S. 47; zur Vorgeschichte: H. Kiener in: P. Zen-Ruffinen (Hrsg.), Droit et sport, S. 109, 128. 328

Richteramt Bern III, Entscheid vom 28.04.1986; bei H. Kiener in: P. Zen-Ruffinen (Hrsg.), Droit et sport, S. 109, 132. 329

Appellationshof Bern ZBJV 1988, S. 311.

330

Appellationshof Bern ZBJV 1988, S. 311, 314.

331

ibid.

332

Richteramt Bern III, SJZ 1988, S. 85;mit Anm. U. Scherrer, SJZ 1988, S. 136, der auf eine angemessene Berücksichtigung der Interessen des betroffenen Verbands gerade im internationalen Maßstab hinweist; Kantonsgericht Wallis, RVJ 1991, S. 356, 351. 333 BGE 120 II, S. 369, 371; so bereits die Vorinstanz: Kantonsgericht Wallis RVJ 1991, S. 346, 351; vgl. auch: Kantonsgericht St. Gallen SJZ 1991, S. 284, 285; M. Bad-

III. Schiedsfähigkeit

13

Von den zuletzt genannten Entscheidungen hebt sich nur ein Urteil des Bundesgerichts ab. Darin entschieden die Richter, dass der Übergang zwischen Spielregeln und Rechtsregeln zwar fließend sei, die Unterscheidung jedoch aufgrund der wahren Natur der fraglichen Norm als eines objektiven Kriteriums getroffen werden müsse. Auf die Auswirkungen der Anwendung der Norm im konkreten Fall solle es gerade nicht ankommen. 3 3 4 Diese Entscheidung ist allerdings ein Einzelfall geblieben. In späteren Urteilen stellte das Bundesgericht wieder allein auf die Möglichkeit einer Beschränkung rechtlicher Interessen ab, die gegeben sei, wenn die persönliche oder wirtschaftliche Sphäre betroffen sei. 3 3 5 Aufgrund der widersprüchlichen Rechtsprechung wurde das Konzept der autonomen Spielregel in der Literatur bereits früh abgelehnt. Es führe zu unnötiger Rechtsunsicherheit 336 und entbehre im Hinblick auf die eindeutige Regelung des Art. 75 Z G B jeglicher rechtlichen Grundlage. 337 Schon in der Gesetzgebungsphase des Art. 75 Z G B sei eine Trennung zwischen ökonomischen (und damit anfechtbaren) und nur den ideellen Bereich betreffenden (nicht anfechtbaren) Vereinsbeschlüssen ausdrücklich verworfen worden. 3 3 8 Hinzu komme schließlich, dass Spielregeln und Rechtsregeln schon im Ansatz nicht auseinander zu halten seien. 339 Nachdem sich gezeigt hat, dass die Gerichte die Unterscheidung zwischen Spielregel und Rechtsregel nicht anwenden, wenn es um eine Einschränkung des Persönlichkeitsrechts geht, wurde noch einmal verstärkt gefordert, auf die Unterscheidung hinsichtlich der vereinsrechtlichen Anfechtungsklagen nach Art. 75 Z G B generell zu verzichten. 340 Es könne keinen Unterschied machen,

deley, ASA Bulletin 1997, S. 143, 146; Th. Rüede/R. S. 18. 334

Hadenfeldt,

Supplement 1999,

BGE 118 II, S. 12, 17; dazu auch TPI Genf, SpwRt 1996, S. 166.

335

BGE 119 II, S. 271, 281; BGE 120 II, S. 369, 370; das Problem wurde dann in BGE 121 III, S. 350 nicht mehr angesprochen. 336 P. Jolidon in: H. Merz/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Kummer (1980), S. 633, 653; M. Baddeley, L'association sportive, S. 367; dies., ASA Bulletin 1997, S. 143, 147. 337

y. F. Perrin , Droit Civil V, S. 141, Fn. 87; M. Baddeley , L'association sportive,

S. 371. 338

BK-Riemer, Art. 75 ZGB Rdnr. 24 m.w.N.

339

M. Baddeley, L'association sportive, S. 368; J. F. Perrin, Droit Civil V. S. 140 f. ; M. Baddeley, ASA Bulletin 1997, S. 143, 145. 340 So bereits P. Jolidon in: H. Merz/W. R. Schluep (Hrsg.), FS Kummer (1980), S. 633, 650 ff.; M. Baddeley, L'association sportive, S. 341; dies., ZSR 115 II (1996), S. 135, 242 f.; dies., ASA Bulletin 1997, S. 143, 146 und die dortigen Nachweise in Fn. 11.

1

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

ob eine Persönlichkeitsverletzung behauptet oder der gleiche Sachverhalt nur unter dem Aspekt der rechtswidrigen Anwendung einer Vereinsregel überprüft werde. 3 4 1 Vielmehr seien alle Entscheidungen eines Vereins mit dem gleichen Maßstab zu überprüfen, weil es anderenfalls zu nicht erklärbaren Inkohärenzen der Entscheidungsmaßstäbe und damit letztlich zur Ungerechtigkeit komme. 3 4 2 Erst beim Überprüfungsmaßstab könne berücksichtigt werden, dass den Vereinen und Verbänden aus den Eigenarten des sportlichen Wettbewerbs ein gewisses „Ermessen" zukomme, das lediglich einer Willkürkontrolle unterzogen werden dürfe. 3 4 3 Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass sowohl das Bundesgericht als auch die Literatur der Schweiz heute nicht mehr zwischen Spielregel und Rechtsregel unterscheiden wollen. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob die angegriffene Entscheidung Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Interessen des Betroffenen und insbesondere auf sein Persönlichkeitsrecht hat. 3 4 4 Ein Ermessensspielraum, der sich aus der Vereinsautonomie ergibt, ist bei der Beurteilung spielbezogener Sachverhalte allenfalls durch eine Begrenzung des Überprüfungsmaßstabs zu berücksichtigen.

bb) Deutschland In Deutschland hat in letzter Z e i t 3 4 5 nur noch Pfister für eine Einteilung der Verbandsregeln in sporttypische, nicht überprüfbare Spielregeln einerseits und nicht sporttypische, überprüfbare Rechtsregeln andererseits plädiert. 346 Sein Ansatz basiert auf der Autonomie der Sportverbände zur Regelsetzung, welche

341

Zur Kritik vgl. auch M. Baddeley, L'association sportive, S. 377; und P. Jolidon , ZBJV 1991, S. 213, 226. 342

M. Baddeley , ZSR 115 II (1996), S. 135, 244.

343

M. Baddeley , L'association sportive, S. 378 f; dies ., ASA Bulletin 1997, S. 143,

152. 344 H. Kiener in: P. Zen-Ruffinen Diretto dello sport, 1993, S. 3, 10.

(Hrsg.), Droit et sport, S. 109, 115; J.-P. Rockau

345 Vgl. aber W. Flume in: K. A. Bettermann/A. Zeuner (Hrsg.), FS Bötticher (1969), S. 101, 122 f., Vereinsstrafen, „die für den Betroffenen keinen rechtlich relevanten Vermögensnachteil bedeuten und nicht als Eingriff in die Ehre zu betrachten sind", seien rechtlich bedeutungslos; Diesem Ansatz folgt auch P. Schlosser, Verbandsgerichtsbarkeit, S. 89. 346

S. 221.

B. Pfister

in: dersM.

R. Will

(Hrsg.), FS Lorenz, S. 171; ders., Sp«Rt 1998,

III. Schiedsfähigkeit

13

die Verbände ermächtige, innerhalb des dispositiven Rechts 3 4 7 ihre Angelegenheiten frei von staatlicher Kontrolle regeln zu können. 348 Dabei sollen die Beteiligten selbst festlegen, welche Regeln einer Überprüfung durch Gerichte zugänglich sein sollen. 3 4 9 Letztlich seien nur diejenigen Regeln, die „unmittelbar auf Rechts- oder Vermögenspositionen der Beteiligten einwirken", 3 5 0 als Rechtsregeln anzuerkennen und damit gerichtlich überprüfbar. Auch Pfister muss jedoch zugeben, dass die Übergänge zwischen beiden Bereichen fließend sind, weil sich die Anwendung der Spielregel könne auch mittelbar auf die finanzielle Lage der Beteiligten auswirken könne. 351 In Deutschland wurde die Unterscheidung zwischen Spielregel und Rechtsregel von den Gerichten in dieser Form ohnehin nicht vorgenommen. 352 Der B G H hat seit Anfang der achtziger Jahre begonnen, grundsätzlich alle Vereinsentscheidungen einer Kontrolle zu unterziehen. Ausgehend von der Rechtstatsache der großen gesellschaftlichen Macht vor allem auch der Sportverbände nahm dieses Gericht von dem früher herrschenden Leitbild des freiwilligen Vereinsbeitritts mit Unterwerfung unter die vereinsautonome Strafgewalt Abstand. 353 Unter Beachtung der grundgesetzlich durch Art. 9 Abs. 1 G G gewährten Verbandsautonomie beschränkt der B G H jedoch seinen Überprüfungsmaßstab in Abhängigkeit von der sozialen Macht des sanktionierenden Verbands. 354 Nur in einer Entscheidung deuteten die Richter an, dass „Spielregeln im engeren Sinn" von einer Überprüfung durch die staatliche oder schiedsrichterliche Gerichtsbarkeit auszunehmen seien. 355 In dieser Entscheidung beschrieben die Richter die Spielregel als eine die „spezielle Sportart im engsten Sinne" charak-

347

Dazu zähle insbesondere auch das Kartellrecht, B. Pfister,

SpwRt 1998, S. 221,

224. 348 Β. Pfister S. 221,224.

in: ders./M.

R. Will (Hrsg.), FS Lorenz, S. 171, 191; ders., SpwRt 1998,

349 Unter Berufung auf §§ 657 ff., 661 Abs. 2 BGB: B. Pfister, SpwRt 1998, S. 221, 223; Auch das OLG Frankfurt/Main SpwRt 1998, S. 237, 238 geht unter Berufung auf § 661 BGB von einem Ausschluss der Überprüfbarkeit von Spielentscheidungen aus. Ablehnend bereits P. Schlosser, Verbandsgerichtsbarkeit, S. 112. 350

B. Pfister,

SpwRt 1998, S. 221, 224.

351

B. Pfister in: dersJM. R. Will (Hrsg.), FS Lorenz, S. 171, 179, kritisch auch B. Heß in: ders./W.-D. Dressler {Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen des Sports, S. 1, 22. 352 B. Heß, ZZPint. 1998, S.457, 461; Κ Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 22 f. 353

BGHZ 87, S. 337, 344 f.

354

Dazu allgemein oben Seite 9 ff.

355

BGHZ 128, S. 93, 110.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

1

terisierend. 356 Die hier anklingende Unterscheidung ist jedoch nur als Randbemerkung zu verstehen. Sie wurde später nicht mehr aufgegriffen, geschweige denn weiter ausgebaut. 357 Allerdings können nach einer Auffassung so genannte Tatsachenentscheidungen von Feldschiedsrichtern 358 sowie bestimmte Nominierungsentscheidungen durch eine ausdrückliche Satzungsbestimmung von einer gerichtlichen Überprüfung ausgeschlossen werden. 3 5 9 Als Zwischenergebnis

ist auch für Deutschland festzuhalten, dass der Unter-

scheidung zwischen Spielregel und Rechtsregel keine Bedeutung zukommt. 3 6 0 Erst bei der Frage nach der Überprüfungstiefe ergeben sich unter dem Aspekt der Vereinsautonomie Beschränkungen: Je eher eine Verbandsmaßnahme dem Kernbereich der Tätigkeit des Verbands zugerechnet werden kann, desto größer muss auch das von gerichtlicher Kontrolle freie Ermessen oder der Beurteilungsspielraum 361 bei der Regelanwendung sein. Umgekehrt muss sich die gerichtliche Überprüfung dort um so weniger zurückhalten, wo die angegriffene Maßnahme über diesen Kernbereich hinaus Wirkungen in die Rechtssphäre anderer Personen entfaltet. Dies bedeutet für den Sport, dass man bei der Überprüfung der so genannten „Tatsachenentscheidungen" eines Feldschiedsrichters von Seiten der Gerichte größte Zurückhaltung üben sollte. 362 Aber auch hier ist von einer generellen Überprüfbarkeit

auszugehen. Erst die grundsätzliche

Überprüfung der Entscheidung mit einem angemessenen Prüfungsmaßstab ermöglicht einen sachgerechten Schutz gegen offensichtlich falsche oder willkürliche Entscheidungen auch des Feldschiedsrichters. 363 Sobald die Wirkun-

356

BGHZ 128, S. 93, 97.

357

Vgl. BGHZ 142, S. 304, 306 zu Transferregelungen.

358

Im Folgenden soll der Begriff "Feldschiedsrichter" einheitlich für alle Schiedsrichter, Kampfrichter und Punktrichter verwandt werden, die während eines laufenden Wettbewerbs unmittelbar auf das Wettkampfgeschehen einwirkende Entscheidungen treffen. 359 B. Reichert, Handbuch, Rdnr. 1700; V. Röhricht in: ders. (Hrsg.), Sportgerichtsbarkeit, S. 19, 24. 360 Zur Verrechtlichung des Sports J. Adolphsen in: C.-H. Witt/M. Casper; L. Bednarz/M. Gebauer/ J. Gernoth/M. Grahn/J. Haubold/ S. Huber/G. Schulze/ C. Teichmann/N. Witteborg (Hrsg.), Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2002, S. 281, 283. 361 L. Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, S. 43 f.; zum Gebot der Interessenabwägung K. Vieweg, Nomsetzung, S. 235. 362 Zur Beschränkung der Überprüfbarkeit von Entscheidungen durch die Einräumung von Ermessensspielräumen allgemein G. Wagner, Prozessverträge, S. 465; a.A. Th. Summerer in: PHB-Sportrecht, Rdnr. 339, der auf die wirtschaftlichen Folgen der jeweiligen Entscheidung abstellen will. 363

Vgl. dazu DFB-Sportgericht SpwRt 2001, S. 258.

III. Schiedsfähigkeit

141

gen der Entscheidungen über die bloße Spielsituation hinausreichen und auch Vermögensinteressen betroffen werden, sind die vereinsrechtlichen Entscheidungen auch im Bereich des Sports in größerer Tiefe zu überprüfen.

b) TAS-Entscheidungen Auch in der Rechtsprechung des T A S spiegelt sich der oben geschilderte Ansatz wider, grundsätzlich alle Entscheidungen von Schiedsrichtern oder Vereinsorganen einer Prüfung zu unterziehen. Zwar wurde in einer Vielzahl von Entscheidungen die Unterscheidung zwischen Spielregel und Rechtsregel gesehen und diskutiert. Die Schiedsgerichte bewerteten die Unterscheidung jedoch nur als maßgeblich auf der Rechtsfolgenseite. Im Bereich der „Tatsachenentscheidungen" von Feldschiedsrichtern erfolgte, wie bereits für die Schweiz und für Deutschland vorgeschlagen, so eine Beschränkung des Überprüfungsmaßstabs auf eine Willkürkontrolle. Der T A S schien zunächst entschlossen, an der Unterscheidung zwischen Spielregeln und Rechtsregeln festzuhalten. So unterstrich der Gründungspräsident des TAS, dass es nicht die Aufgabe des T A S sein könne, „technische" Fragen zu lösen. Dies läge allein in der Macht der Sportverbände. Der T A S hingegen solle sich den „verbleibenden", „nicht-technischen" Disputen widmen. Dazu zählten vor allem vermögensrechtliche Streitigkeiten („wirtschaftliche Fragen betreffend"), insbesondere aber auch „dogmatische" Fragen („generelle Prinzipien des Sports betreffend"). 364 Diese Unterscheidung spiegelte sich besonders in der ersten Fassung des TAS-Codes wider, die nur eine schiedsrichterliche Verfahrensordnung für wirtschaftliche Streitigkeiten und im Übrigen die Einholung nichtbindender Gutachten zu „dogmatischen" Fragen vorsah. Erst 1994 wurde das bereits erwähnte spezielle Berufungsverfahren gegen Verbandsentscheidungen eingeführt. Immer häufiger nahmen nun verschiedene Verbände Schiedsklauseln in ihre Satzungen auf. So gelangten mehr und mehr Vereinsstrafen zum T A S , die in einem Schiedsverfahren auf Rechtmäßigkeit überprüft wurden. Letzte Spuren der Unterscheidung zwischen technischen und nicht-technischen Fragen finden sich aber immer noch in der Formulierung des Art. R27 Abs. 2 TAS-Code. In einem der ersten Fälle, die vom T A S entschieden wurden, hatte der Schiedsrichter zu Beginn der Verlängerung eines Eishockeyspiels einen Seitenwechsel angeordnet, obwohl ein solcher nach den Wettkampfregeln nicht stattfinden sollte. Hier überprüften die (schweizerischen) Schiedsrichter in vollem Umfang die ordnungsgemäße Regelanwendung durch den Feldschiedsrich-

364

K. Mbaye, Annuaire français de droit international 1984, S. 409,411.

12

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

ter, ohne auf die Unterscheidung zwischen Spielregel und Rechtsregel einzugehen. 3 6 5 Trotzdem stellten sie am Ende ihrer Entscheidung zusammenfassend klar, dass der Feldschiedsrichter im Regelfall über ein weites Ermessen in seiner Entscheidungsfindung verfüge. Allerdings sei er dort, wo die Regeln kein Ermessen ließen, an den klaren Wortlaut der Vereinsvorschriften gebunden. 366 Falls diese Vorschriften kein besonderes Ermessen einräumten, könne die Regelanwendung also vom T A S auch für den Fall einer Feldschiedsrichterentscheidung in vollem Umfang überprüft werden. 3 6 7 In einem weiteren Fall, der eine Nominierung betraf, nahm der Einzelschiedsrichter des T A S Bezug auf den Wortlaut der Schiedsvereinbarung. Da sich danach die Zuständigkeit des T A S ausdrücklich auf alle im Zusammenhang mit einer Nominierung zu den Olympischen Spielen stehenden Fragen erstreckte, war der Schiedsrichter der Auffassung, dass er nicht nur auf die Überprüfung von Rechtsfragen beschränkt sei, sondern auch über Sachverhalten entscheiden könne, die rechtlich nicht relevant seien. 3 6 8 Allerdings schränkte der Schiedsrichter seine Überprüfungsbefugnis insoweit ein, dass er seine Ansichten nicht ohne weiteres an die Stelle der Entscheidungen des entscheidenden Verbands setzen könne, sondern vielmehr darauf beschränkt sei, die Entscheidung des Verbandes danach zu beurteilen, ob sie den Geboten der Fairness unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen genüge. 3 6 9 Eine weitere, im Übrigen sehr knappe Entscheidung 370 der Ad-hoc-Kammer bei den Olympischen Spielen in Atlanta wurde als Kernfall für die Anwendung des Prinzips Spielregel / Rechtsregei durch den T A S bezeichnet. 371 Ein Boxer trug vor, dass der Kampfrichter zu Unrecht einen Tiefschlag gesehen habe und er folglich auch zu Unrecht vom Wettkampf disqualifiziert worden sei. Die Schiedsrichter hatten sich in Anwendung schweizerischen Rechts also mit der Frage auseinander zu setzen, ob eine derartige Maßnahme schiedsgerichtlich

365

TAS 93/103 - SC Lagnau v. LSHG (1993), Recueil du TAS S. 307, 310 ff.

366

TAS 93/103 - SC Lagnau v. LSHG (1993), Recueil du TAS S. 307, 314.

367

Zu Ermessenssituationen vgl. BK-Riemer, Art. 75 ZGB, Rdnr. 25; BSK ZGBHeini/Scherrer, Art. 75, Rdnr. 11: Eine Überprüfung soll dann nur auf Ermessensfehler (Ermessensmissbrauch, Ermessensüberschreitung) stattfinden. 368

TAS 96/153 - Watt v. ACF & Tyler-Sharman (1996), Recueil du TAS S. 335,

340. 369

TAS 96/153 - Watt v. ACF & Tyler-Sharman (1996), Recueil du TAS S. 335,

341. 370 371

TAS JO 96/006 - M. v. AIBA (1996), Recueil du TAS S. 409 ff.

M. Baddeley , ASA'Bulletin 1997, S. 143; J.-P. Rochat , ASA Special Series No. 11, S. I l , 17.

III. Schiedsfähigkeit

13

überprüfbar sei. Sie nahmen Bezug auf die Ansicht Baddeleys 372 , nach der die Besonderheiten der Spielregeln, die sich nicht wesentlich von anderen Sozialregeln unterschieden, eine juristische Immunität nicht rechtfertigen könnten. Sie erkannten, dass anderen Rechtsordnungen eine derartige Trennung völlig fremd sei. Folglich wurde der gesamte Streit generell als schiedsfähig angesehen. 3 7 3 Über das Vorliegen eines Tiefschlags im Sinne der Boxregeln wurde allerdings

nicht entschieden.

Solche Entscheidungen

könnten durch das

Schiedsgericht nur auf eine Gesetzes- oder Statutenverletzung oder (auf) die Verletzung allgemeiner Rechtsprinzipien hin überprüft werden. 3 7 4 Die Schiedsrichter waren der Ansicht, dass technische Entscheidungen allein vom besser platzierten Kampfrichter zu treffen seien. Eine Gesetzesverletzung, ein Missbrauch oder einer willkürliche Falschentscheidung (wörtlich: „Böswilligkeit" oder „Schädigungsabsicht" 375 ) konnten nicht festgestellt werden. Dieser Ansatz wurde später in einem anderen Fall, der eine Disziplinarstrafe im Anschluss an Ausschreitungen bei einem Wasserballspiel zum Gegenstand hatte, fortgeführt. Auch hier waren die Schiedsrichter der Meinung, dass eine Aufhebung nur in Frage kommen könne, wenn die angewandten Regeln gegen generelle Rechtsprinzipien verstießen, die Anwendung der Regeln willkürlich sei oder die verhängte Strafe offensichtlich unverhältnismäßig oder ungerecht erscheine. 376 In einer Entscheidung während der Olympischen Spiele von Sydney wurde dieser Maßstab erneut aufgegriffen. 377 Vor der Ad-hoc-Kammer des T A S wurde gegen die Verweigerung der Zulassung zu einem Boxwettkampf geklagt. Der Sportler war nicht zum Wiegen erschienen. Auch hier waren die Schiedsrichter der Ansicht, dass die angewandten Verbandsregeln als Spielregeln im weitesten Sinne anzusehen seien. Diese Qualifikation bedeute jedoch gerade nicht, ihre Anwendung von einer Überprüfung generell auszunehmen. 378 Auch diejenigen Regeln, die unmittelbar der Ausgestaltung des Wettbewerbs, den zu verwendenden Einrichtungen und der Zulassung seiner Teilnehmer dienten, seien als solche grundsätzlich auf ihre Vereinbarkeit mit generellen Rechtsprin-

372

M. Baddeley , L'association sportive, S. 377 f.

373

TAS JO 96/006 - Μ v. AIBA (1996), Recueil du TAS S. 409, 411 ; bestätigend TAS 99/A/251 - HC Ambri-Piotta v. LSHG (2000), S. 4. 374

TAS JO 96/006 - M ν. AIBA (1996), Recueil du TAS S. 409,411.

375

„[Violation de la loi, un abus ou un acte de malveillance"; ibid. TAS 96/157 - FIN v. FINA (1997), Recueil du TAS S. 351, 358: only if the rules adopted ... are contrary to the general principles of law, if their application is arbitrary, or if the sanction provided by the rules can be deemed excessive or unfair on their face". 376

377

Dazu: G. Kaufmann- Kohler, Arbitration at the Olympics, S. 25 f. TAS OG 00/004 - Κ. v. AIBA (2000), CAS-Awards Sydney 2000, S. 41,48.

378

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

1

zipien und auf die Wahrung der grundlegenden Rechte der Athleten hin zu überprüfen. Dazu zählten insbesondere die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Verhältnismäßigkeitsprinzips. 379 Ferner sei aber auch die Anwendung der so für gültig angesehenen Regeln im Einzelfall überprüfbar. Auch hierbei seien die oben genannten Prinzipien und der beschriebene beschränkte Prüfungsmaßstab heranzuziehen. Die Entscheidung selbst könne also nur daraufhin überprüft werden, ob sie offensichtlich willkürlich sei oder eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bedeute. 380 Zur Feststellung, ob ein Fall der Ungleichbehandlung vorliege, sei eine Interessenabwägung

vorzuneh-

men. 3 8 1 In einem weiteren Fall, der die Disqualifikation eines Gehers betraf, unterstrichen die Schiedsrichter des T A S erneut, dass sie nicht bereit seien, Entscheidungen eines Feldschiedsrichters zu überprüfen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei lediglich zu machen, wenn der Schiedsrichter nicht in gutem Glauben („in bad faith") gehandelt habe, etwa, weil er bestochen worden sei. 3 8 2 Die Entscheidung wurde daher auch hier auf eine offensichtliche Verletzung der Wettkampfregeln oder eine Verletzung grundlegender Rechte des Athleten hin überprüft. 383 In einem dritten F a l l 3 8 4 wurde schließlich von der Klägerin die Korrektheit eines Zieleinlaufs beim Rudern in Zweifel gezogen. Als Grund wurde die Ungenauigkeit der eingesetzten elektronischen Messinstrumente angeführt. Die Schiedsrichter diskutierten zwar, ob sie die Zielentscheidung als solche überprüfen könnten. Sie stellten dabei jedoch klar, dass sich die Angriffe nicht gegen die eigentliche Entscheidung richteten, sondern gegen die Tauglichkeit der Messausrüstung zur Ermittlung des Zieleinlaufs. Deren Funktionstüchtigkeit könnten sie aber in vollem Umfang überprüfen. 385 Letztlich läuft diese Entscheidung auf eine Überprüfung der korrekten Ermittlung der Tatsachen einer Schiedsrichterentscheidung hinaus. Sie stimmt daher mit einer umfassenden Tatsachenkontrolle durch das Schiedsgericht überein. Während der Olympischen Winterspiele von Salt Lake City verwiesen die

379

TAS OG 00/004 - Κ. v. AIBA (2000), CAS-Awards Sydney 2000, S. 41, 49.

380

,,[A]pparaître manifestement excessive, arbitraire ou créer une inégalité de traitement injustifiée": TAS OG 00/004 - Κ. ν. AIBA (2000), CAS-Awards Sydney 2000, S. 41, 50. 381 Ibid. 382

TAS OG 00/013 - S. v. IAAF (2000), CAS-Awards Sydney 2000, S. 131, 134f.

383

TAS OG 00/013 - S. v. IAAF (2000), CAS-Awards Sydney 2000, S. 131, 135.

384

TAS OG 00/012 - Ν. v. FISA & IOC (2000), CAS-Awards Sydney 2000, S. 123.

385

TAS OG 00/012 - Ν. ν. FISA & IOC (2000), CAS-Awards Sydney 2000, S. 123,

128.

III. Schiedsfähigkeit

1

Schiedsrichter schließlich in einer Entscheidung nur noch auf die frühere Rechtsprechung des T A S . 3 8 6 Schließlich gibt es auch ein Gutachten des T A S , das sich zusammenfassend mit der Überprüfung von Vereinsstrafen auseinander setzt. 387 Der Gutachter unterscheidet vier verschiedene Formen von Entscheidungen und knüpft an sie jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen im Hinblick auf die Überprüfungsbefugnis des TAS. Erstens sei eine Entscheidung, die in Auslegung der Verbandssatzung ergangen sei, in vollem Umfang schiedsgerichtlich überprüfbar. Der Verband könne nicht selbst letztinstanzlich über die Auslegung seiner eigenen Regeln entscheiden. 388 Angesichts der möglichen Verletzung persönlicher oder wirtschaftlicher Interessen der einzelnen Sportler werde der T A S zweitens auch alle an die Athleten direkt gerichteten Entscheidungen vollständig überprüfen. 3 8 9 Davon zu unterscheiden sei allerdings die dritte Form von Entscheidungen, die in Anwendung der Organisationsregeln für sportliche Wettbewerbe (etwa die Zulässigkeit von Hilfsmitteln) ergingen. Hier sei eine Überprüfung der Regel selbst nur auf ihre Vereinbarkeit mit generellen Rechtsprinzipien möglich. Ihre Anwendung im Einzelfall könne nur daraufhin überprüft werden, ob sie willkürlich sei oder ob das erzielte Ergebnis offensichtlich als unangemessen oder ungerecht betrachtet werden müsse. 390 Als vierte Überprüfungsmöglichkeit komme schließlich noch die Einhaltung der eigenen Verfahrensregeln in Betracht, die wiederum ohne Einschränkungen überprüfbar sei. 3 9 1 Nur außerhalb dieser vier Gestaltungen verbleibe den Verbänden ein bestimmter autonomer Beurteilungsspielraum, der vom T A S zu respektieren sei. 3 9 2 Dieses Gutachten unterstreicht die Haltung des T A S , wonach grundsätzlich alle Fragen, welche die Parteien aufwerfen, durch das Schiedsgericht beantwortet werden können, im Einzelfall jedoch eine verringerte Kontrolldichte angewendet werden muss. Diesen Ausführungen widerspricht lediglich ein Schiedsspruch des TAS. Die Schiedsklage griff die Entscheidung eines Kampfrichters an, ein Rollstuhlrennen nach einer Kollision wiederholen zu lassen. Die Schiedsrichter nahmen die oben beschriebene Rechtsprechung des T A S ausdrücklich zur Kenntnis, entschieden aber lapidar, dass sie diesen Streit trotzdem für schiedsfähig und

386

TAS OG 02/007 - KOC. v. ISU (2002), S. 8 f.

387

TAS 2000/C/267, AOC (2000).

388

TAS 2000/C/267, AOC (2000), S. 16.

389

TAS 2000/0267, AOC (2000), S. 17.

390

TAS 2000/C/267, AOC (2000), S. 18f.

391

TAS 2000/0267, AOC (2000), S. 19.

392

TAS 2000/C/267, AOC (2000), S. 20.

16

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

die Entscheidung des Kampfrichters auch für voll überprüfbar hielten. 393 Die anschließend durchgeführte Prüfung ergab, dass die Entscheidung des Kampfrichters falsch war, da er nach Ansicht der Schiedsrichter eine Regel unrichtig interpretiert hatte. Diese Entscheidung greift sehr weit in das Ermessen der Kampfrichter ein, da sie auch deren korrekte Regelanwendung in jedem Einzelfall überprüft, ohne auf die konkrete Entscheidungssituation Rücksicht nehmen zu können. Der Fall einer offensichtlichen oder gar willkürlichen Entscheidung des Feldschiedsrichters lag in dem zuletzt beschriebenen TAS-Schiedsspruch gerade nicht vor. Dieser Schiedsspruch ist aber ein Einzelfall geblieben.

c) Bewertung Das Phänomen Recht kann nur durch das Merkmal des Zwangs von dem der Moral und Sittlichkeit geschieden werden. 3 9 4 Während die Verletzung moralischer und sittlicher Bestimmungen ohne Sanktionen bleibt, die in das Persönlichkeitsrecht oder die Vermögensrechte des Verletzers eingreifen, können Verstöße gegen rechtliche Bestimmungen mit zwangsweise durchsetzbaren Sanktionen belegt werden. Folglich ist es zulässig, ohne Betrachtung des Einzelfalles von den generell möglichen Auswirkungen einer Regelverletzung auf die Qualität der angewandten Norm zu schließen. Demgegenüber ist ein Ansatz verfehlt, der von vornherein bestimmte Normenkomplexe aus dem Kreis der Rechtsnormen ausscheiden will, ohne die möglichen Auswirkungen ihrer Anwendung auf die Regelunterworfenen zu betrachten. 395 Nur wenn man ermittelt, welche Auswirkungen die Regelanwendung für eine bestimmte Person haben kann, ist es möglich, den verbindlichen und damit rechtlichen Bereich und den unverbindlichen, gesellschaftlichen Bereich sinnvoll voneinander abzugrenzen. Im Bereich des Sports können auch die Entscheidungen des Feldschiedsrichters, dass der Ball im ,Aus" gewesen sei, oder eine Disqualifikation wegen Verlassens der Bahn für den Regeluntworfenen vermögensrechtliche Folgen haben. Die Verbandsregeln, die einer solchen Entscheidung zugrunde liegen, sind daher stets als Rechtsregeln anzusehen, ohne dass es auf ihre Auswirkungen im konkreten Einzelfall ankommen kann. Sie beanspruchen unmittelbare Geltung und werden mit den Mitteln des Verbandsrechts durchgesetzt. Aus der Vereinsautonomie ergibt sich hingegen nicht, dass bestimmte Entscheidungen, die Rechtsnormen anwenden, einer (schieds-)gerichtlichen Überprüfung gene-

393

TAS 2000/A/305 - CPC v. IPC, Recueil du TAS II, S. 567,568.

394 395

P. Schlossen Verbandsgerichtsbarkeit, S. 90. Dazu schon die Diskussion in: ASA Bulletin 1990, S. 131 ff.

III. Schiedsfähigkeit

1

rell entzogen bleiben müssen. 396 In der Konsequenz sind alle Entscheidungen eines Vereins oder Verbands, die eine Pflicht zur Befolgung auslösen, dem rechtlichen Bereich zuzuordnen. Sie sind grundsätzlich als schiedsfähig anzusehen. Bejaht man die generelle Schiedsfähigkeit von Vereins- und Verbandsentscheidungen im Bereich des Sports stellt sich an zweiter Stelle die Frage, in welcher Tiefe eine bestimmte Entscheidung materiell überprüfbar ist. Hier scheint ein flexibler Ansatz geboten. Die Wettkampfsituation, die den Feldschiedsrichter zu einer bestimmten Entscheidung veranlasst hat, ist im Nachhinein „am grünen Tisch" in allen Einzelheiten nicht mehr reproduzierbar und damit nicht in vollem Umfang zu überprüfen. 397 Auch Fernsehbilder helfen der Wahrheitsfindung durch das Schiedsgericht nicht, da sie nie die genaue Position des Schiedsrichters und dessen Blickrichtung wiedergeben. Die Situation ist in dieser Hinsicht mit der einer gerichtlichen Kontrolle von Prüfungsentscheidungen vergleichbar. 398 Je mehr die Entscheidung dem Verbandszweck zuzuordnen ist, desto mehr ist die Autonomie dieses Verbands bei der Interpretation seiner Regelwerke im Hinblick auf die darin enthaltenen Beurteilungs- und Ermessensspielräumen 399 zu beachten. Dies zieht als konkrete Folge eine entsprechende

Beschränkung

der

(schieds-)richterlichen

Kontrolldichte

nach

sich. 4 0 0 Hier ist der pragmatische Ansatz des T A S zu begrüßen. Er ermöglicht die Kontrolle jeder Verbandsentscheidung und so auch einen effektiven Schutz des einzelnen Wettkämpfers vor offensichtlich falschen oder willkürlichen Entscheidungen der Feldschiedsrichter oder Wettkampfrichter. Gleichzeitig wahrt dieser Ansatz durch die Beschränkung der Überprüfungstiefe die Autonomie bestimmter Wettkampfentscheidungen. Zwar weicht der T A S auf den ersten Blick von seiner Verpflichtung gemäß Art. R57 Abs. 1 S. 1 TAS-Code ab, wonach das Schiedsgericht eine Entscheidung in voller tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüfen muss. Diese Norm ist jedoch als Maximalmaßstab zu sehen. Sie soll sicherstellen, dass die Schiedsrichter bei ihrer Entscheidungsfindung nicht durch entgegenstehende Verbandsregeln behindert werden. Es bleibt ihnen aber unbenommen, nach einer Interessenabwägung die ihnen eingeräumten Befugnisse zu begrenzen. Dies muss insbesondere dort gelten, wo eine volle

396

P. Schlosser, Verbandsgerichtsbarkeit, S. 100.

397

Th. Summerer in: PHB-Sportrecht, Rdnr. 343; J. A. R. Nafziger Pettiti (Hrsg.), Sport et Garanties Fondamentales, S. 591,605. 398

P. Schlossen Verbandsgerichtsbarkeit, S. 209.

399 400

Dazu schon P. Schlossen Verbandsgerichtsbarkeit, S. 102 ff. G. Wagnen Prozessverträge, S. 465 f.

in: N. Korchia/C.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

1

Überprüfbarkeit, wie bei den Entscheidungen von Feldschiedsrichtern, schon in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich ist. So kann eine konkrete Spielsituation „am grünen Tisch" mit den dort zur Verfügung stehenden Beweismitteln nicht mehr authentisch nachvollzogen werden. Somit können die Schiedsrichter auch nicht zuverlässig beurteilen, ob die Entscheidung des Feldschiedsrichters objektiv gegen die Regeln verstieß. Dieser Beweismangel geht dann zu Lasten desjenigen, der sich auf die Regelverletzung beruft und äußert sich im Ergebnis in einer faktisch eingeschränkten Kontrolldichte im Hinblick auf die Entscheidungen der Feldschiedsrichter oder Wettkampfrichter. Hinzu kommt, das manche Regeln den Schiedsrichtern Beurteilungsspielräume zubilligen (,ß-Note"), die schon wegen ihrer Subjektivität nicht vollständig auf eine „Richtigkeit" überprüft werden können, weil sich der Schiedsrichter nicht an die Stelle des zu einer persönlichen Beurteilung aufgerufenen Wettkampfrichters setzen kann. Insoweit ist bereits in der Verbandsregel angelegt, dass allein subjektive und damit zu einem gewissen Grad willkürliche Eindrücke Grundlage einer Wettkampentscheidung sind. Aus diesen Gründen ist es angemessen, dass sich die Schiedsrichter bei Entscheidungen von Feldschiedsrichtern oder Wettkampfrichtern in solchen Fällen auf eine begrenzte Überprüfung beschränken, um die tatsächlich nicht nachstellbare Spielsituation oder die Bewertungsspielräume der Verbandsregeln angemessen zu berücksichtigen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Anwendung von Vereinsregeln im Fall einer uneingeschränkten Schiedsvereinbarung stets dem rechtlichen Bereich zuzuordnen ist. Eine Abgrenzung zwischen Spielregel und Rechtsregei mit Hilfe des Erfordernisses einer möglichen Verletzung von Persönlichkeitsrechten scheint wegen der damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten unzweckmäßig. Jedem Vereinsmitglied muss es zudem möglich sein, die Einhaltung von Vereinsregeln durch eine unabhängige Instanz kontrollieren zu lassen. Zuzugeben ist aber, dass es gerade bei Sportvereinen auch Entscheidungen gibt, die einer nachträglichen Prüfung mit voller Kognition durch Gerichte oder Schiedsgerichte nicht zugänglich sein sollten, da sie auf einer bestimmten, später nicht mehr in gleichem Maße reproduzierbaren Situation basieren und sich auch in selbiger erschöpfen. 401 Auch in diesem Fall ist von einer grundsätzlichen Überprüfbarkeit der Maßnahmen auszugehen. Durch die Begrenzung der Überprüfungstiefe lässt sich im Einzelfall der Beurteilungs- oder Ermessensspielraum des jeweiligen Vereinsorgans (insbesondere der Feldschiedsrichter) ausreichend und angemessen wahren. 4 0 2

401

In jüngerer Zeit nur noch J.-P. Rochat in: P. Zen-Ruffinen (Hrsg.), Droit et Sport, S. 91, 96 f.; für Bewahrung der Unanfechtbarkeit der Feldschiedsrichterentscheidungen auch M. Beloff/T. Kerr/M. Demetriou, Sports Law, Rdnr. 8.108. 402 M. Baddeley, ASA Bulletin 1997, S. 143, 151 f. unter Hinweis auf Art. 63 Abs. 1 ZGB.

III. Schiedsfähigkeit

1

2. Vermögensrechtliche Streitigkeit Im Folgenden soll näher auf die Schiedsfähigkeit nach der ZPO und dem IPRG eingegangen werden [dazu a)]. Dabei ist besonders die Frage zu berücksichtigen, ob Klagen gegen Vereinsbeschlüsse schiedsfähig sind [dazu b)] Im Anschluss daran sind diejenigen Gebiete zu betrachten, die nach den Rechtsordnungen der beiden Länder von einer Schiedsfähigkeit ausgeschlossen sind [dazu c)].

a) Grundkonzept International sind grundsätzlich zwei Ansätze zu finden, nach denen die Schiedsfähigkeit bestimmt wird. Eine Reihe von Rechtsordnungen stellt auf die Verfügungsbefugnis der Parteien über den Streitgegenstand a b . 4 0 3 Diesen Ansatz verfolgte bis zum 01.01.1998 auch das deutsche Recht, § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. Für die Schweiz kommt es bei internen Schiedsverfahren auch heute noch auf dieses Merkmal an, Art. 5 SchKonk. In internationalen Rechtsverhältnissen stellt sich das kollisionsrechtliche Problem, nach welchem Recht die Verfügungsbefugnis über den Streitgegenstand zu bestimmen ist. 4 0 4 Hier gäbe es die Möglichkeit an das in der Sache selbst anwendbare materielle Recht 4 0 5 oder an das Schiedsverfassungsrecht am Sitz des Schiedsgerichts anzuknüpfen. 406 Wegen der aus diesem Ansatz entstehenden Probleme kommt es bei der Frage nach der Schiedsfähigkeit in einer Vielzahl von Rechtsordnungen heute darauf an, ob es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt. Diese materielle Lösung bietet den Vorteil, dass Diskussionen über die richtige Anknüpfung vermieden werden. Ausschlaggebend für die Auslegung des Begriffs der vermögensrechtlichen Streitigkeit kann allein das Schiedsverfassungsrecht sein. 4 0 7 Das deutsche Recht verfolgt aber weiterhin eine Kombination aus beiden Ansätzen. Gemäß § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO ist zunächst jeder vermögensrechtliche Anspruch schiedsfähig. Für nicht vermögensrechtliche Ansprüche kommt es nach der Regelung des § 1030 Abs. 1 S. 2 ZPO auf die Vergleichsfähigkeit

403 Vgl.: Art. 806 ital. ZPO; Art. 1020 Abs. 3 ndl. ZPO; Art. 1676 Abs. 1 belg. ZPO; Art. 1 Abs. 1 schwed. ZPO. 404

A. Bûcher, Schiedsgerichtsrecht, Rdnr. 88.

405

Für die Schweiz: A. Buchen Schiedsgerichtsrecht, Rdnr. 88; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 5 SchKonk Anm. 2. 406

Dazu auch J.-F. PoudreU ASA Special Series No. 8, S. 23, 29.

407

Für Deutschland: H. Raeschke-Kessler/K. P. Bergen Schiedsverfahren, Rdnr. 164; für die Schweiz: A. Buchen Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 90.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

1

an, die nur gegeben ist, wenn die Parteien über den Gegenstand des Schiedsverfahrens frei verfügen können. 4 0 8 Die Regelung der ZPO strebt an, die Schiedsfähigkeit nur dort auszuschließen, wo sich der Staat im Interesse besonders schutzwürdiger Rechtsgüter ausdrücklich ein Entscheidungsmonopol vorbehalten hat. 4 0 9 Die Interpretation des Begriffs der vermögensrechtlichen Streitigkeit in § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO folgt dem Vorbild des Art. 177 I P R G . 4 1 0 U m das Interesse an ausschließlich staatlicher Rechtsprechung zu wahren, genügt es, nur im Bereich der nicht-vermögensrechtlichen Streitigkeiten auf die Vergleichsfähigkeit abzustellen. 411 Als nicht schiedsfähig sind daher lediglich nicht-vermögensrechtliche

Streitigkeiten, die keinem Vergleich

zugänglich

sind, einzustufen. 412 Dazu zählen hauptsächlich Ehescheidungen und andere der Parteidisposition entzogene Statusverfahren. 413 Gemäß Art. 177 Abs. 1 IPRG sind in internationalen Schiedsverfahren nur „vermögensrechtlichen" Ansprüche schiedsfähig. Diese Vorschrift ist als selbständige Sachnorm zu verstehen. 414

Zur Bestimmung des Begriffsinhalts

kommt daher allein schweizerisches Recht zur Anwendung. 4 1 5 Im Sinne einer einheitlichen Auslegung mit Art. 5 Abs. 1 I P R G 4 1 6 und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu Art. 44 O G fällt zunächst jeder auf eine Geldleistung gerichtete Anspruch unter den Begriff der vermögensrechtlichen Streitigkeit. 417 Derartige geldwerte Ansprüche können aus jeder schuldrechtlichen Beziehung entstehen. Schon diese Definition umfasst daher Ansprüche aus Persönlichkeitsverletzungen und aus dem Bereich des Gesellschaftsrechts, falls diese unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind. 4 1 8

408

Thomas/Putzo-Pwfctf, § 794 Rdnr. 13.

409

So bereits der BGH zur alten Rechtslage: BGH NJW 1991, S.2215, 2216; BGHZ 132, S. 278, 283. 4,0

BT-Drucks. 13/5274 bei K P. Berger, Dokumentation, S. 179.

411

BT-Drucks. 13/5274 bei K. P. Berger, Dokumentation, S. 179.

4,2

Dazu H. Raeschke-Kessler/K.

P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 209.

413

So bereits BGHZ 132, S. 278, 283 in Vorgriff auf das nunmehr geltende Recht unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 13/5274 bei K. P. Berger, Dokumentation, S. 179. 414 BGE 118 II, S. 193, 196; BGE 118 II, S. 353, 355; Botschaft, BB1. 1983 I, S. 460; P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Le droit de l'arbitrage suisse, Art. 177 IPRG Bosch/J. Brönnimann, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Anm. 1; G. Walter/W. S. 54; Th. Rüede/R. Hadenfeldt, Supplement 1999, S. 20. 4.5

G. Walter/W.

4.6

So schon die Gesetzesbegründung (Botschaft) in: BB1. 1983 I, S. 461.

Bosch/J. Brönnimann, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S. 58.

417

Bosch/J. Brönnimann, Internationale IPRG-Heß, Art. 5 Rdnr. 50; G. Walter/W. Schiedsgerichtsbarkeit, S. 58, A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 90. 418 G. Walter/W. Bosch/J. Brönnimann, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S. 58.

III. Schiedsfähigkeit

11

Die Beschränkung auf Klagen, welche die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstand haben, ist schon früh als zu eng empfunden worden. 4 1 9 Eine Erweiterung auch auf nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten unter Bezugnahme auf die Vergleichsberechtigung wie im deutschen Recht 4 2 0 wird im Text jedoch nicht vorgenommen. Im Hinblick auf die zuweilen als umfassender empfundene Definition des Schiedskonkordats 421 ist vorgeschlagen worden, den Begriff der vermögensrechtlichen Streitigkeit funktional zu interpretieren. Danach sei primär auf die mit der Klage verfolgten Zielsetzungen abzustellen. Der Streitgegenstand müsse wirtschaftliche und nicht nur ideelle Interessen berühren. 422 Es komme darauf an, ob mit der Schiedsklage ein wirtschaftlicher Z w e c k 4 2 3 in Abgrenzung zu reinen Statusstreitigkeiten 424 verfolgt werde. Das Bundesgericht hat sich dieser Auffassung mit der Begründung angeschlossen, der Gesetzgeber des IPRG habe den Zugang zur Schiedsgerichtsbarkeit weit öffnen wollen. Als vermögensrechtlich im Sinne des Art. 177 IPRG sei daher jeder Anspruch anzusehen, der einen Geldwert habe. Anders gesagt seien solche Klagen vermögensrechtlicher Natur, deren Entscheidungsinteresse für mindestens eine der Parteien in Geld bemessen werden könne, auch wenn keine Zahlungsklage vorliege. 425 Aufgrund dieser liberalen Auslegung bedürfe es keiner gelegentlich vorgeschlagenen Gleichstellung mit der Regelung des Schiedskonkordats. 426 Beide Gesetze gingen vielmehr von ganz verschiedenen Konzepten aus. 4 2 7

419

BGE 108 II, S. 15, 18 stufte die Uberprüfung von Vereinsbeschlüssen als nicht vermögensrechtliche Streitigkeit ein, die damit an sich auch nicht schiedsfähig wäre. 420 § 1030 Abs. 1 S. 2 ZPO. 421 Art. 5 SchKonk: danach ist jeder Anspruch schiedsfähig, sofern eine Verfügung nicht gesetzlich ausgeschlossen ist, oder ausdrücklich nur das staatliche Gericht zur Entscheidung zuständig ist. Mit Verweis auf die Regelung in Art. 19 Abs. 2 OR: Th. Rüede/R. Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 49; P. Jolidon, Commentaire, S. 152 ff.; Für den Bereich der Persönlichkeitsrechtsverletzung ist darauf hingewiesen worden, dass die Schiedsfähigkeit dann ausscheiden müsse, wenn eine übermäßige Bindung des Betroffenen vorliege. Insoweit fehle es an der Verfügbarkeit des Anspruchs, vgl. H. Hausheer/R. E. Aebi-Müller, ZBJV 137 (2001), S. 337, 362. 422

P. Lalive/J.-F. Poudret/C. Reymond, Droit de l'arbitrage suisse, Art. 177 IPRG Anm. 2; IPRG-Vischer, Art. 177 Anm. 3. 423

G. Walter/W. Bosch/J. Brönnimann, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S. 58; unter Verweis auf BGE 108 II, S. 77, 78 (zu Art. 44 OG). 424 So IPRG-Volken, Art. 5 Rdnr. 11. 425 426

BGE 118 II, S. 353, 356.

So aber W. Wengen ASA Bulletin 1992, S. 14, 20; ursprünglich auch Th. Rüede/R. Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, S. 55 ausdrücklich als „irrig" aufgegeben in: dies., Supplement 1999, S. 20; dagegen auch IPRG-Briner, Art. 177 Rdnr. 11. Die Gleichstellung überschreitet klar die Wortlautgrenze des Art. 177 Abs. 1 IPRG: G. Walter/W. Bosch/J. Brönnimann, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, S. 58

12

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

Im Ergebnis ist der Begriff der vermögensrechtlichen Streitigkeit daher eher wirtschaftlich als juristisch aufzufassen. 428 Sowohl nach § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO als auch nach Art. 177 Abs. 1 IPRG genügt ein wie auch immer geartetes wirtschaftliches Interesse des Klägers an der schiedsgerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs. 429 Folglich kann allgemein auf die im deutschen Zivilprozessrecht geltende Definition der vermögensrechtlichen Streitigkeit zurückgegriffen werden. Dazu zählen alle Meinungsverschiedenheiten, die auf einem Rechtsverhältnis beruhen, das auf Gewinn von Geld oder geldwerten Gegenständen gerichtet ist, auch wenn konkret auf eine Leistung, Feststellung oder Gestaltung geklagt wird, die nicht unmittelbar in Geld ausgedrückt werden kann. 4 3 0 Im Gegensatz dazu sind Ansprüche als nicht-Vermögensrecht!ich einzustufen, die lediglich ideelle Interessen wahren, ohne dass gleichzeitig auch wirtschaftliche Nachteile entstehen. 431 Letztere sind nach der Konzeption des IPRG als nicht schiedsfähig anzusehen. Im Anwendungsbereich der ZPO kommt es hingegen darauf an, ob sich der Gesetzgeber für den jeweiligen nichtvermögensrechtlichen Streitgegenstand ein staatliches Rechtsprechungsmonopol vorbehalten wollte. Der T A S hatte sich in einem Fall mit der Frage des vermögensrechtlichen Charakters einer Streitigkeit auseinander zu setzen. 432 Die in Art. 61 und Art. 62 Abs. 1 der Statuten der U E F A enthaltenen Schiedsklauseln sehen eine Zuständigkeit des T A S nur für „zivilrechtliche (vermögensrechtliche) Streitsachen" 4 3 3 vor. Gemäß Art. 62 Abs. 2 der U E F A Statuten sind Streitigkeiten „sportlicher Natur" von der Zuständigkeit des T A S ausgenommen. Der T A S sah sich mit einer Strafe konfrontiert, die aus der Zahlung einer Geldsumme und einer Sperre des Heimstadions für ein UEFA-Cup-Spiel bestand. Die Schiedsrichter waren zunächst der Auffassung, dass sie es nicht mit einem Fall

und trifft auch nicht die Intention des Gesetzgebers. A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 93. 427

BGE 118 II, S. 353, 355 f.

428

J.-F. FoudreU ASA Special Series No. 8, S. 23, 29; P. Lalive/J.-F Reymond , Droit suisse de l'arbitrage, Art. 177 IPRG Anm. 2.

Poudret/C.

429 H. Raeschke-Kessler/K. P. Berger , Schiedsverfahren, Rdnr. 160; Beispiele bei KH. Schwab/G. Walter, Schiedsverfahren, Kap. 4, Rdnr. 4. 430

Thomas/Putzo-PMfzö, ZPO, Einl. IV Rdnr. 1.

431

Thomas/Putzo-Pwtto, ZPO, Einl. IV Rdnr. 2.

432

TAS 98/199 - Real Madrid v. UEFA (1998), J.D.I. 2001, S. 270 m. Anm. G. Simon, J.D.I. 2001, S. 279 = Recueil du TAS II, S. 479. 433 Engl.: „ ... all civil law disputes (of a pecuniary nature)"; Frz.:,,... tous les litiges relevant du droit civil (de nature patrimoniale)".

III. Schiedsfähigkeit

13

der Abgrenzung zwischen Spielregel und Rechtsregel zu tun hätten. 434 Vielmehr handele es sich um eine Einschränkung der Schiedsklausel und damit eher um eine Kompetenzabgrenzung „a limine". Ausgehend von den Auswirkungen der Entscheidung sei der vorherrschende Charakter der angegriffenen Maßnahme zu ermitteln. Falls die Entscheidung hauptsächlich sportlicher Natur sei, könne sie (nach der Schiedsklausel der U E F A ) nicht überprüft werden. 435 Im Folgenden riefen die Schiedsrichter in Erinnerung, dass in einem früheren F a l l 4 3 6 die Schiedsfähigkeit bejaht worden sei, weil die angegriffene Entscheidung zu finanziellen Einbußen des Vereins geführt habe. Der T A S sei daher zumindest für die Klage gegen die Verhängung der Geldstrafe zuständig. Demgegenüber könne die Stadionsperre aber nicht überprüft werden. Die Hauptwirkung der Sperre liege im Verlust der Möglichkeit eines Heimspiels und damit allein auf dem Gebiet des Sports. Zwar sei diese Sperre auch mit dem Verlust von Einnahmen verbunden, was einer vermögensrechtlichen Einbuße gleichkomme. Dies seien jedoch nur indirekte Folgen der Entscheidung und anders als bei der Verhängung einer direkten Geldstrafe daher nicht geeignet, die Einstufung als vermögensrechtliche und damit schiedsfähige Streitsache zu rechtfertigen. Hinzu komme, dass es die Kläger versäumt hätten, die vermögensrechtlichen Nachteile im konkreten Fall im Einzelnen nachzuweisen. 437 Die Abgrenzung kann vom Ergebnis her angezweifelt werden. Richtig ist allerdings, dass die Schiedsklausel der U E F A den Fall einer Entscheidung, die sowohl vermögensrechtliche Teile als auch rein sportliche Teile hat, (damals) nicht unmittelbar regelte. 438 Zu begrüßen ist der Ansatz, nach dem im Einzelfall eine Abgrenzung nach dem Schwerpunkt der vorgetragenen Klage zu treffen ist. 4 3 9 Allerdings wäre die Anfechtung des Verbots eines Heimspiels in Anbetracht der offensichtlich erheblichen finanziellen Auswirkungen auf den Verein ebenfalls als vermögensrechtliche Streitigkeit anzusehen. Der Sinn einer solchen Strafe ist heutzutage eben nicht mehr nur im Verlust eines Heimspiels, sondern zumindest auch im Verlust der Einnahmen zu sehen. Dies hätte auch den Schiedsrichtern klar sein müssen, so dass es eines Nachweises konkreter Zahlen in dieser Hinsicht nicht bedurft hätte.

434

Abgrenzung zu TAS JO 96/006 - Μ v. AIBA (1996), Recueil du TAS S. 409.

435

TAS 98/199 - Real Madrid v. UEFA (1998), J.D.I. 2001, S. 270, 273 = Recueil du TAS II, S. 479,483. 436

TAS 98/185 - RSC Anderlecht v. UEFA (1998), TAS Recueil II, S. 459,462.

437

TAS 98/199 - Real Madrid v. UEFA (1998), J.D.I. 2001, S. 270, 274 = Recueil du TAS II, S. 479,485. 438 Heute ist die Anfechtung „von Teilen eines Entscheids, die sportlicher Natur sind," gemäß Art. 62 Abs. 2 der UEFA-Statuten ausgeschlossen. 439

G. Simon, J.D.I. 2001, S. 279, 281.

Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

1

b) Vereinsbeschlüsse Wie bereits ausgeführt, kann nach schweizerischem Recht jedes Mitglied, das einem Vereinsbeschluss nicht zugestimmt hat, diesen innerhalb einer einmonatigen Ausschlussfrist 440 gerichtlich anfechten, Art. 75 ZGB. Das Anfechtungsrecht des Art. 75 Z G B steht aber in gleichem Maße auch indirekten Mitgliedern und anderen Personen offen, die den jeweiligen Regelwerken unterworfen sind. 441 Die Vereine oder Verbände können auch nach schweizerischem Recht zur Überprüfung ihrer Beschlüsse anstelle der staatlichen Gerichte ein Schiedsgericht vorsehen. 442 Art. 75 Z G B fordert gerade nicht den staatlichen Richter selbst, sondern lediglich eine staatlich anerkannte Gerichtsbarkeit, was in der französischen Formulierung: „attaquer en justice" besonders deutlich wird. 4 4 3 Die angerufene Entscheidungsinstanz muss natürlich den Anforderungen an echte Schiedsgerichte genügen, um eine echte Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit bieten zu können. 444 Der T A S hat diese Voraussetzungen in einem Schiedsverfahren gegen einen statutenändernden Beschluss der Mitgliederversammlung aufgegriffen und ausdrücklich bestätigt. 445 Der zivilrechtliche Charakter einer vereinsrechtlichen Streitigkeit ist unter schweizerischem Recht jedenfalls unumstritten. 446 Auf der anderen Seite ist die im Bereich des Sports häufig gegen eine Verbandsmaßnahme vorgetragene Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht ohne weiteres als vermögensrechtliche Streitigkeit anzusehen. Vielmehr kommt es auch hier darauf an, ob sich das hinter der Persönlichkeitsverletzung stehende Interesse in Geld bemessen lässt. Nur wenn die Anfechtung im Wesentlichen

440 BSK TJGB-Heini/Scherrer, Art. 75 Rdnr. 21; J. F. Perrin, Droit Civil V, S. 147; Erhalten bleibt danach lediglich die Möglichkeit, eine Nichtigkeit (im Unterschied zur bloßen Anfechtbarkeit) einredeweise zu erheben oder im Wege der negativen Feststellungsklage feststellen zu lassen; BK-Riemen Art. 75 ZGB Rdnr. 128. 441 BGE 119 II, S. 271, 276; TAS 98/200 - AEK Athens & Slavia Prag v. UEFA (1999), Recueil du TAS II, S. 38, 63. 442 BGE 119 II, S. 271, 276 f.; BSK ZGB-Heini/Scherren Art. 75 Rdnr. 28; M. Baddeley, L'association sportive, S. 261; vgl. auch die umfassenden Nachweise bei Chr. Fuchs, Vereinsstrafe, S. 216, Fn. 1028. 443

J. F. Perrin, Droit Civil V, S. 144; BGE 71 II, S. 176, 180 (für Art. 577 OR, der ebenfalls von einer Anfechtungsmöglichkeit vor dem Richter spricht). 444

BK-Riemen Art. 75 ZGB, Rdnr. 85 m.w.N.; vgl. auch BGE 71 II, S. 176, 182.

445

TAS 95/139 - HC Y v. LSHG (1995), Recueil du TAS S. 323, 326 f.; unter Bezug auf BGE 97 I, S. 488, 489 ff.; vgl. auch: TAS 98/185 - RSC Anderlecht v. UEFA (1998), TAS Recueilli, S. 459, 462 f.; TAS99/A/251 - HC Ambri-Piotta v. LSHG (2000), S. 4. 446

Nachweise bei: TAS 96/166 - Κ ν. FEI (1997), Recueil du TAS S. 361,371.

III. Schiedsfähigkeit

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auf die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Maßnahme gestützt wird, ist auch eine Schiedsfähigkeit gemäß Art. 177 Abs. 1 IPRG anzunehmen. 447 Sind Ansprüche vermögensrechtlicher

Natur mit Ansprüchen

nichtvermögensrecht-

licher Natur untrennbar verbunden, so muss für jeden Fall einzeln ermittelt werden, welche Interessen in dem jeweiligen Rechtsstreit überwiegen. 448 Daher sind Klagen von Profisportlern auf Aufhebung vereinsrechtlicher Sanktionen (etwa Sperren wegen Doping) als schiedsfähig anzusehen. Demgegenüber fällt die Anfechtung einer Besetzung eines Ehrenamtes wohl nicht unter den Begriff der vermögensrechtlichen Streitigkeit. Auch nach deutschem Recht ist grundsätzlich von einer Schiedsfähigkeit der Klagen von Mitgliedern gegen die Beschlüsse ihrer Vereine auszugehen. 449 Dasselbe gilt für Klagen von Personen, die sich den Regelungen eines Verbands durch einen rechtsgeschäftlichen Einzelakt unterworfen haben. 4 5 0 Auch hier tritt das Schiedsgericht in seiner Funktion und Wirkungsweise an die Stelle des staatlichen Gerichts. 451 Nach deutschem Recht sind aber auch nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit Entscheidungen von Vereinen oder Verbänden schiedsfähig. Berührt eine Entscheidung keine wirtschaftlichen Interessen des Betroffenen, dann ist sie trotzdem als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit schiedsfähig, weil kein Interesse an einem staatlichen Entscheidungsmonopol besteht. 452

c) Gesetzliche Begrenzungen Welche rechtlichen Beziehungen durch die Bestimmungen des nationalen Rechts von einer Entscheidung durch Schiedsgerichte ausgeschlossen werden, ist letztlich eine Frage der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Vorstellungen des jeweiligen Staats. 453 Der Schutz bestimmter öffentlicher Interessen

447

A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 93; a.A. H. Hausheer/R. E. Aebi-Miillen ZBJV 137 (2001), S. 337, 360, die darauf abstellen wollen, dass Verletzungen des Persönlichkeitsrechts nie ausschließlich (!) wirtschaftlicher Natur und damit generell nicht schiedsfähig seien. 448

440

Ä. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 91.

BT-Drucks. 13/5274 bei Κ. P. Bergen Dokumentation, S. 319; J. Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 533 ff.; D. Reuter in: MünchKomm, § 25 Rdnr. 58; B. Reichert, Handbuch, Rdnr. 1699; Palandt-Zfemr/c/w, § 25 Rdnr. 20. 450 Vgl. BGHZ 128, S. 93, 103 f. 451

B. Reichert, Handbuch, Rdnr. 1863.

452

Zu diesem Kriterium: BT-Drucks. 13/5274 bei Κ. P. Bergen Dokumentation, S. 180. 453 A. Redfern/M. Hunten Arbitration, Rdnr. 3-21.

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Zweiter Teil: Schiedsverfassungsrecht

führt an dieser Stelle dazu, dass ein streitiges Verfahren ausschließlich unter der Obhut eines staatlichen Gerichts durchgeführt werden darf. 4 5 4 Dazu zählen allerdings nur Vorschriften, die gerade unter dem Blickwinkel des ordre public die Behandlung bestimmter Streitigkeiten exklusiv einem staatlichen Gericht zuweisen. 455 Dem Schiedsgericht bleibt es aber in jedem Fall unbenommen, über nicht schiedsfähige Vorfragen (etwa die Nationalität einer Spielerin 4 5 6 ) zu entscheiden. 457 Zudem können die Schiedsrichter Verteidigungsrechte in Betracht ziehen, die ebenfalls nicht schiedsfähig sind. 4 5 8

aa) Ausdrückliche Regelungen Im deutschen Recht sind zunächst Mietstreitigkeiten über Wohnraum, der in Deutschland gelegen ist, von der Schiedsfähigkeit ausdrücklich ausgenommen, § 1030 Abs. 2 ZPO. Die früher bestehende Begrenzung im Bereich des Wettbewerbsrechts, § 9 1 Abs. 2 G W B a.F., 4 5 9 wurde inzwischen ersatzlos gestrichen. 4 6 0 Kartellrechtliche Ansprüche sind heute nach deutschem Recht auch als Hauptfrage schiedsfähig. 461 Auseinandersetzungen über Fragen des geistigen Eigentums sind ebenfalls grundsätzlich als schiedsfähig anzusehen. 462

454 A. Buchen Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 97 ff.; P. Lalive/J.-F. mond, Le droit de l'arbitrage suisse, Art. 177 IPRG Anm. 6.

Poudret/C.

Rey-

455 BGHZ 132, S. 278, 283; BT-Drucks. 13/5274 bei K. P. Berger, Dokumentation, S. 1030; BGE 118 II, S. 352, 356 f.; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 94. 456

Vgl. TAS 98/209 - Spanish Basketball Federation v. FIBA.

457

K.-H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 3, Rdnr. 10; H. RaeschkeKessler/K. P. Berger, Schiedsverfahren, Rdnr. 211; A. Bucher, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 92 a.E. 4