Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das strafprozessuale Ermittlungsverfahren: Die Mitwirkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz in strafprozessualen Ermittlungsverfahren vor dem Hintergrund des sog. Trennungsgebots [1 ed.] 9783428542352, 9783428142354

Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist keine strafverfahrensrechtliche Ermittlungsbehörde, aber es arbeitet mit den Str

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Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das strafprozessuale Ermittlungsverfahren: Die Mitwirkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz in strafprozessualen Ermittlungsverfahren vor dem Hintergrund des sog. Trennungsgebots [1 ed.]
 9783428542352, 9783428142354

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 262

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das strafprozessuale Ermittlungsverfahren Die Mitwirkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz in strafprozessualen Ermittlungsverfahren vor dem Hintergrund des sog. Trennungsgebots

Von

Karsten Brandt

Duncker & Humblot · Berlin

KARSTEN BRANDT

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das strafprozessuale Ermittlungsverfahren

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 262

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das strafprozessuale Ermittlungsverfahren Die Mitwirkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz in strafprozessualen Ermittlungsverfahren vor dem Hintergrund des sog. Trennungsgebots

Von

Karsten Brandt

Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Wilhelm Degener, Hamburg

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-14235-4 (Print) ISBN 978-3-428-54235-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84235-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Arbeit wurde im Wintersemester 2012/2013 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Sie befand sich dabei auf dem Stand von November 2012. Für die Drucklegung fanden Entwicklungen in Wissenschaft und Praxis des Jahres 2013 noch Berücksichtigung. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Antiterrordateigesetz vom 24. April 2013 (1 BvR 1215/07) wurde in einem eigenen Kapitel am Ende der Arbeit aufgearbeitet. Tiefer Dank gebührt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Wilhelm Degener, an dessen Lehrstuhl ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig sein durfte. Besonderer Dank gilt ebenfalls dem inzwischen leider verstorbenen Herrn Prof. Dr. Gerhard Fezer, der das Entstehen der Arbeit engagiert befördert und das Zweitgutachten übernommen hat. Genauso danke ich all jenen, die mich bei der Erstellung der Arbeit in vielfältiger Weise unterstützt haben, allen voran Prof. Dr. Judith Brockmann, Prof. Dr. Jan-Hendrik Dietrich, Dr. Matthias Mittag, Prof. Dr. Arne Pilniok und Susan Vogel. Schließlich danke ich meinen Eltern für ihre fortwährende Unterstützung. Berlin, im August 2014

Karsten Brandt

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einleitung

23

A. Vorbemerkung: Nachrichtendienste und Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . .

23

B. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

C. Aktueller Bezug: „Nationalsozialistischer Untergrund“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

2. Teil Bundesamt für Verfassungsschutz und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

31

Kapitel 1 Bundesamt für Verfassungsschutz

32

A. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Originärer Beobachtungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mitwirkungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33 35

B. Einordnung in die Nachrichtendienstarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfassungsschutzbehörden der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Militärischer Abschirmdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bundesnachrichtendienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Aufklärungsgebiete und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 36 37 38 38

C. Grundstrukturen nachrichtendienstlicher Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der sog. intelligence cycle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zentrale Merkmale nachrichtendienstlicher Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strategische Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Opportunitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Quellenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 40 41 42 44 46

D. Befugnisse zur aktiven Informationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über die Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 47

8

Inhaltsverzeichnis II. III.

Generalklausel des § 8 Abs. 1 BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nachrichtendienstliche Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen zum Einsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Generalklausel des § 9 Abs. 1 BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Spezielle Befugnisnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung und Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besonderes Auskunftsverlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtspolitischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befugnisse im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Keine polizeilichen Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Spezifisch nachrichtendienstlicher Terminus mit historischem Kontext 2. Anwendung im heutigen Rechtsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Relativierung über straf(verfahrens)rechtliche Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Speziell: Auswirkungen auf das Besondere Auskunftsverlangen . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 49 49 52 53 54 57 58 58 59 61 61 63 63 64 65

Kapitel 2 Kennzeichen des Ermittlungsverfahrens

66

A. Das Legalitätsprinzip und seine Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ermittlungspflicht bei Anfangsverdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verbot der bloßen Verdachtsschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begrenzung mehrstufiger Ermittlungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 68 68 69

B. Tendenzen zur Vorverlagerung des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorfeldermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorsorge für die künftige Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorverlagerung des materiellen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70 70 71 73 73

C. Befugnisse zur aktiven Informationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Vernachrichtendienstlichung“ des Strafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vergleich mit den Befugnissen des Verfassungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderes Auskunftsverlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74 74 75 76 78 81

Kapitel 3 Feststellung

82

Inhaltsverzeichnis

9

3. Teil Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

86

Kapitel 1 Formen der Mitwirkung

87

A. Klassische Formen der Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

B. Institutionalisierung der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Koordinierungs- und Informationsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Informationsgruppe Rechtsextremismus/-terrorismus . . . . . . . . . . . . . . . 3. Koordinierungsgruppe Internationaler Terrorismus . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Informations- und Analyseboards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration . . . . . . . V. Gemeinsames Internetzentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus . . . . . . . . . . . . . VII. Gemeinsames Extremismus- und Terrorabwehrzentrum . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 91 92 92 94 95 97 101 103 104 105 106

C. Errichtung und Nutzung gemeinsamer Dateien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Kapitel 2 Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

110

A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I. Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 B. Nachrichtendienstrechtliche Regelungen der Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Genese der Übermittlungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Übermittlung nach den §§ 17 ff. BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spezielle Übermittlungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Obligatorische Übermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Staatsschutzdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Echte Staatsschutzdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unechte Staatsschutzdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117 118 118 122 123 123 123 124 125 126 127

10

Inhaltsverzeichnis

IV.

cc) Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fakultative Übermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Übermittlungsanlässe, insbesondere Zweck der öffentlichen Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übermittlung von Zufallsfunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einstufung von Daten als Zufallsfunde . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erlangung von Zufallsfunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Speicherung von Zufallsfunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Löschung und Sperrung von Zufallsfunden . . . . . . . . . . . . . . (5) Zusammenfassung und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erforderlichkeit und Zweckbindung des Empfängers . . . . . . . . . c) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeine Übermittlungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übermittlungsverbote nach § 23 BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überwiegendes Individualinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überwiegende Sicherheitsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Entgegenstehende Übermittlungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige ausdrückliche Übermittlungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übermittlung von Daten aus G10-Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Verfolgung von Straftaten als Übermittlungsanlass . . . . . . . . . . . . . . a) Korrelation zwischen Transferdaten und Katalogstraftat . . . . . . . . . . b) Verfolgbare Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Straftatenkatalog von § 3 Abs. 1 S. 1 und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 . . bb) Straftaten des Mitglieds einer verfassungsschutzrelevanten Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verweisung auf eine Befugnisnorm des Zollkriminalamtes . . . . dd) Übermittlung von Zufallsfunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zufallsfunde betreffend den Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zufallsfunde betreffend Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Straftatverdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Übermittlungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweckbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitere ausdrücklich geregelte Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fehlende Äquivalente zu den §§ 17 ff. BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

130 131 132 133 135 136 136 137 139 139 140 141 141 142 143 144 145 145 147 148 148 148 149 151 151 152 153 154 154 155 157 158 160 161 161 162 162 164

Inhaltsverzeichnis

11

3. Zusammenfassung und Stellungnahme für die Übermittlung nach G10 Spezielle Übermittlungsvorschriften im BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wegfall und Modifizierung ursprünglicher Übermittlungsbegrenzungen a) Daten aus intensiven Grundrechtseingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Daten aus Besonderen Auskunftsverlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übermittlung von Daten aus technischer Wohnraumüberwachung . . . . 3. Übermittlung von IMSI-Catcher-Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Übermittlung von Daten aus Besonderen Auskunftsverlangen . . . . . . . 5. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Keine Regelung des Auskunftsersuchens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164 165 166 166 167 167 168 169 169 170 171

C. Strafverfahrensrechtliche Regelungen der Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anlässe der Datenübermittlung an die Strafverfolgungsbehörde . . . . . . . . 1. Aufgedrängte Datenübermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auskunftsersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Möglichkeiten bei Vorermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang der Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen der Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bereichsspezifische Geheimhaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . bb) Sperrerklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grenzen der Datenverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Genese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überkommenes Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Neuere gesetzgeberische Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gesetz zur Harmonisierung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelung für nachrichtendienstliche Daten (§ 161 Abs. 2 StPO) . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entsprechensklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verdacht bestimmter Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Speziell: Rasterfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwendungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Exkurs: Differenzen zur Verwendung polizeirechtlich erlangter Daten

173 174 174 175 176 179 179 180 184 185 186 186 186 187 187 189

V.

190 191 193 194 195 195 196 197 199 200 202

12

Inhaltsverzeichnis

III.

3. Verwendungsverbote aufgrund § 160 Abs. 4 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

D. Zusammenführung der Verwendungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beschränkungen vor dem Machtbereich der Strafverfolgungsbehörden . . . II. Beschränkungen im Machtbereich der Strafverfolgungsbehörden . . . . . . . . III. Überblick über die Auswirkungen von § 161 Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . .

207 208 209 210

E. Gemeinsame-Dateien-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Antiterrordatei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfasste Personen und Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Speicherinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Datenabruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verwendung der abgerufenen Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gemeinsame Projektdateien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dateierrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rahmen der Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dateneingabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Datenverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

218 220 221 222 225 226 228 230 230 231 232 233 233 234

F. Rechtsextremismus-Datei-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Teilnehmer der Verbunddatei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erfasste Personen und Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Speicherinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Datenabruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verwendung der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Qualifizierte Kontaktanbahnungs- und Fundstellennachweisfunktion . . 2. Analysefunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

234 235 236 237 238 239 242 243 244 246

G. Abschließende Überlegungen zur Mitwirkungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nachrichtendienstliches Binnenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strafverfahrensrechtliches Ersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Antiterrordatei und gemeinsame Projektdateien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsextremismusdatei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Informationspflicht aus § 138 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

247 247 247 248 248 248 249

Inhaltsverzeichnis

13

Kapitel 3 Zusammenfassung

249

4. Teil Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

253

Kapitel 1 Überblick über den Diskussionsstand zum Trennungsgebot

254

Kapitel 2 Konkretisierung der Untersuchung

258

Kapitel 3 Historische Herleitung des Trennungsgebots

259

A. Etablierung deutscher Inlandsnachrichtendienste bis 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 B. Inlandsnachrichtendienste in der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Reichsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Politische Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufgaben und Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organisatorische Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatskommissar für die öffentliche Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kommissariate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Politische Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

262 263 265 265 266 268 269 270 270 272

C. Inlandsnachrichtendienste im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geheime Staatspolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sicherheitsdienst Reichsführer SS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Reichssicherheitshauptamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

274 275 277 278 278

D. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 E. Alliierter Kontrollrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 F. Beratungen im Parlamentarischen Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 II. Verlauf der Beratungen bis zur Übergabe des Polizeibriefes . . . . . . . . . . . . 284

14

Inhaltsverzeichnis III. IV. V.

Der Polizeibrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Verlauf der weiteren Beratungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

G. Beratungen zum Bundesverfassungsschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Alliierte Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Parlamentarische Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

296 296 298 300

Kapitel 4 Grundpfeiler eines Trennungsgebots

302

Kapitel 5 Grundsätze für die nachrichtendienstliche Mitwirkung

304

A. (Einzelfallbezogene) Informationsübermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 B. Legalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 C. Formen der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 I. Klassische (anlassbezogene) Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 II. Moderne (institutionalisierte) Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

Kapitel 6 Vereinbarkeit mit dem Ist-Zustand der Mitwirkungsmöglichkeiten

312

A. Übermittlung nachrichtendienstlicher Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 B. Sonstige klassische Formen der Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 I. Mitwirkung an strafverfahrensrechtlichen Observationen . . . . . . . . . . . . . . . 314 II. Mitwirkung an strafverfahrensrechtlichen Durchsuchungen . . . . . . . . . . . . . 315 C. Institutionalisierte Formen der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Antiterrordatei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gemeinsame Projektdateien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsextremismusdatei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Informations- und Analysezentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

316 316 319 320 321

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

Inhaltsverzeichnis

15

Kapitel 7 Verfassungsrang des Trennungsgebots

325

Kapitel 8 Zusammenfassung

329

5. Teil Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung

333

6. Teil Nachtrag zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2013 342 A. Aussagen zum Trennungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Staatsorganisationsrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhältnis zwischen Trennungsgebot und informationellem Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

342 343 347 349

B. Auswirkungen auf die Formen der Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373

Abkürzungsverzeichnis A. a. a. O. Abs. a. D. a. E. a. F. AfG Alt. Anm. AO APIS Art. ASBw ATDG AufenthG Aufl. AWG BAMF BAO-USA BaWüVerfSchG BayLT BayVSG BbgVerfSchG Bd. BDSG BfDI BfV BGBl. BGH BGHSt BKA BKAG BND

Auflage am angeführten Ort Absatz außer Dienst am Ende alte Fassung Archiv für Gegenwartsforschung Alternative Anmerkung Abgabenordnung vom 1.10.2002, BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61 Arbeitsdatei PIOS – Innere Sicherheit Artikel Amt für die Sicherheit der Bundeswehr Antiterrordateigesetz vom 22.12.2006, BGBl. I S. 3409 Aufenthaltsgesetz i. d. F. vom 25.2.2008, BGBl. I S. 162 Auflage Außenwirtschaftsgesetz vom 6.6.2013, BGBl. I S. 1482 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Besondere Aufbauorganisation USA Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg i. d. F. vom 5.12.2005, GBl. 2006, S. 1. Bayerischer Landtag Bayerisches Verfassungsschutzgesetz i. d. F. vom 10.4.1997, GVBl. S. 70 Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Brandenburg vom 5.4.1993, GVBl. I/93 S. 78 Band Bundesdatenschutzgesetz i. d. F. vom 14.1.2003, BGBl. I S. 66 Bundesbeauftragte(r) für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Bundesamt für Verfassungsschutz Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bundeskriminalamt Bundeskriminalamtgesetz vom 7.7.1997, BGBl. I S. 1650 Bundesnachrichtendienst

Abkürzungsverzeichnis BNDG BPolG BR-Drs. BremVerfSchG BT-Drs. BtMG BT-Prot. BVerfG BVerfGE BVerfSchG BVerfSchG (1950)

BVerwG BZRG bzw. CD-ROM CDU Cilip CR CSU DDR d.h. dk Doppelbuchst. DÖV DP DRiZ Drs. DuD DuR DVBl. E. EDV EGGVG f., ff. FAZ FDP FG

17

Gesetz über den Bundesnachrichtendienst vom 20.12.1990, BGBl. I S. 2954, 2979 Bundespolizeigesetz vom 19.10.1994, BGBl. I S. 2978, 2979 Bundesratsdrucksache(n) Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen vom 28.2.2006, GBl. S. 87 Bundestagsdrucksache(n) Betäubungsmittelgesetz i. d. F. vom 1.3.1994, BGBl. I S. 358 Stenografische Berichte des Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsschutzgesetz vom 20.12.1990, BGBl. I S. 2954 Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz vom 27.9.1950, BGBl. I S. 682 Bundesverwaltungsgericht Bundeszentralregistergesetz beziehungsweise Compact Disc – Read Only Memory Christlich-Demokratische Union Bürgerrechte & Polizei/CILIP Computer und Recht Christlich-Soziale Union Deutsche Demokratische Republik das heißt der kriminalist Doppelbuchstabe(n) Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Partei Deutsche Richterzeitung Drucksache Datenschutz und Datensicherheit Demokratie und Recht Deutsche Verwaltungsblätter Entwurf Elektronische Datenverarbeitung Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27.1. 1877, RGBl. S. 77 folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Demokratische Partei Festgabe

18 Fn. FR FS G10 G10 (1968)

Abkürzungsverzeichnis

Fußnote Frankfurter Rundschau Festschrift Artikel 10-Gesetz vom 26.6.2001, BGBl. I S. 1254, 2298 Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13.8.1968, BGBl. I S. 949 GA Goltdammer’s Archiv für Strafrecht GAR Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus GASIM Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration GBl. Gesetzblatt Gen. General Gestapa Geheimes Staatspolizeiamt Gestapo Geheime Staatspolizei GestapoG Gesetz über die Geheime Staatspolizei GETZ Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum GewArch Gewerbearchiv, Zeitschrift für Gewerbe- und Wirtschaftsverwaltungsrecht GG Grundgesetz vom 23.5.1949, BGBl. I S. 1 ggf. gegebenenfalls GTAZ Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum GV., GVBl., GVOBl. Gesetz- und Verordnungsblatt GVG Gerichtsverfassungsgesetz i. d. F. vom 9.5.1975, BGBl. I S. 1077 Halbs. Halbsatz, Teilsatz HambVerfSchG Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz vom 7.3.1995, GVBl. S. 45 Hdb. Handbuch h. M. herrschende Meinung HRRS Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht Hrsg. Herausgeber i. d. F. in der Fassung IGR Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer/-terroristischer, insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte IMEI International Mobile Equipment Identity IMSI International Mobile Subscriber Identity InnenA-Drs. Ausschussdrucksache des Innenausschusses des Deutschen Bundestages Innenministerkonferenz Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) INPOL Informationssystem der Polizei insb. insbesondere i. S. v. im Sinne von

Abkürzungsverzeichnis i.V. m. JA JR Jura JuS JZ KGIntTE kgl. KGT KJ KPD KritV KrWaffKontrG KWG LB LfV LG lit. LKA LOGIS LT LVerfSchG HE LVerfSchG M-V LVerfSchG S-H MADG MdB m.w. N. NADIS NIAS NJ NJW Nr. NSDAP NStZ NStZ-RR NSU

19

in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Koordinierungsgruppe Internationaler Terrorismus königlich Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung Kritische Justiz Kommunistische Partei Deutschland Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen i. d. F. vom 22.11. 1990, BGBl. I S. 2506 Kreditwesengesetz i. d. F. vom 9.9.1998, BGBl. I S. 2776 Loseblattsammlung Landesamt/-ämter für Verfassungsschutz; Landesbehörde(n) für Verfassungsschutz Landgericht littera, Buchstabe Landeskriminalamt/-ämter Logistik islamistischer Gewalttäter Landtag Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz (Hessen) vom 19.12.1990, GVBl. I S. 753 Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande MecklenburgVorpommern vom 11.7.2001, GVOBl. S. 261 Landesverfassungsschutz Schleswig-Holstein vom 23.3.1991, GVOBl. S. 203 Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst vom 20.12. 1990, BGBl. I S. 2954, 2977 Mandat des Bundestages mit weiteren Nachweisen Nachrichtendienstliches Informationssystem Nachrichtendienstliche Informations- und Analysestelle Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Nummer(n) Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-Rechtsprechungs-Report Nationalsozialistischer Untergrund

20 NTSG NVerfSchG NVwZ OLG OVG PIAS PIOS PostG Präs. PrGS PrMBliV PrPVG RAF RED-G RGBl. RiStBV Rn. RSHA RStPO S. SA SächsLT SächsVerf. SächsVerfGH SächsVSG SD SIM SMS sog. SPD SS StGB StPO StraFo StV SÜG

Abkürzungsverzeichnis NATO-Truppen-Schutzgesetz i. d. F. vom 27.3.2008, BGBl. I S. 490 Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz vom 6.5.2009, GVBl. S. 154 Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Polizeiliche Informations- und Analysestelle Personen, Institutionen, Objekte, Sachen Postgesetz vom 22.12.1997, BGBl. I S. 3294 Präsident Preußische Gesetzessammlung Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung in den Königlich Preußischen Staaten Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz vom 1.6.1931, PrGS S. 77 Rote Armee Fraktion Rechtsextremismus-Datei-Gesetz vom 20.8.2012, BGBl. I S. 1798 Reichsgesetzblatt Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren vom 1.1.1977, Bundesanzeiger 1976 Nr. 245 Randnummer Reichssicherheitshauptamt Reichsstrafprozeßordnung vom 1.2.1877, RGBl. S. 253 Seite(n) Sturmabteilung Landtag des Freistaats Sachsens Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27.5.1992, GVBl. S. 243 Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen Sächsisches Verfassungsschutzgesetz vom 16.10.1992, GVBl. S. 459 Sicherheitsdienst Reichsführer SS Subscriber Identity Module Short Message System so genannte, so genannter, so genanntes Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel der NSDAP Strafgesetzbuch i. d. F. vom 13.11.1998, BGBl. I S. 3322 Strafprozeßordnung i. d. F. vom 7.4.1987, BGBl. I S. 1074, 1319 Strafverteidiger-Forum Strafverteidiger Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20.4.1994, BGBl. I S. 867

Abkürzungsverzeichnis SVerfSchG SZ TDG ThürLfV ThürLT ThürVBl. ThürVSG TKG TMG u. a. USA Var. VereinsG VerfSchG-LSA VG vgl. V-Person VSG Bln VSG NRW VStGB VwVfG WRV z. B. ZFdG ZIS zit. ZRP ZStW

21

Saarländisches Verfassungsschutzgesetz vom 24.3.1993, Amtsblatt S. 296 Süddeutsche Zeitung Teledienstegesetz vom 22.7.1997, BGBl. I S. 1870 Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz Thüringer Landtag Thüringer Verwaltungsblätter Thüringer Verfassungsschutzgesetz vom 30.7.2012, GVBl. S. 346 Telekommunikationsgesetz vom 22.6.2004, BGBl. I S. 1190 Telemediengesetz vom 26.2.2007, BGBl. I S. 179 unter anderem, unter anderen, und andere United States of America Variante Vereinsgesetz vom 5.8.1964, BGBl. I S. 593 Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt i. d. F. vom 6.4.2006, GVBl. LSA 2006, 236 Verwaltungsgericht vergleiche Vertrauens- bzw. Verbindungsperson Gesetz über den Verfassungsschutz in Berlin vom 25.6.2001, GVBl. S. 235 Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen vom 20.12.1994, GV. S. 28 Völkerstrafgesetzbuch vom 26.6.2002, BGBl. I S. 2254 Verwaltungsverfahrensgesetz i. d. F. vom 23.1.2003, BGBl. I S. 102 Weimarer Reichsverfassung vom 11.8.1919, RGBl. S. 1383 zum Beispiel Zollfahndungsdienstgesetz vom 16.8.2002, BGBl. I S. 3202 Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

1. Teil

Einleitung A. Vorbemerkung: Nachrichtendienste und Rechtswissenschaft Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), ein bundesweit tätiger Inlandsnachrichtendienst1 der Bundesrepublik Deutschland, und damit auch das Nachrichtendienstrecht. Angegangen wird damit eine Materie, die zumindest bislang in der deutschen Rechtswissenschaft ein ausgesprochenes Schattendasein führt.2 Ein Befund, der erst recht für die Schnittstelle zwischen Strafprozessrecht und Nachrichtendienstrecht zutrifft.3 Dieser Umstand ist der Anlass für die Anfertigung der vorliegenden Arbeit und bildet zugleich einen besonderen Reiz. Denn die Randstellung, die die Wissenschaft dem Nachrichtendienstrecht einräumt, wird der tatsächlichen Bedeutung der Nachrichtendienste in der Sicherheitsverwaltung nicht gerecht. Das Lichten des wissenschaftlichen Nebels um das Nachrichtendienstrecht und seine Schnittstellen zu anderen Rechtsgebieten wird allerdings durch folgenden,

1 Der Terminus Nachrichtendienst besitzt keine allgemeingültige Definition, sondern steht als Sammelbezeichnung für Behörden, die vor allem verdeckt unter Einsatz konspirativer („nachrichtendienstlicher“) Mittel zum Zwecke der Beschaffung und Auswertung von Informationen tätig werden; Riegel, Datenschutz, S. 47; Droste, Handbuch, S. 27; Hirsch, S. 26. – Ein geläufiges Synonym für Nachrichtendienst ist Geheimdienst; Roewer, Lexikon, S. 160. Teilweise wird jedoch ein inhaltlicher Unterschied zwischen Nachrichtendienst und Geheimdienst vertreten: Der Unterschied soll darin bestehen, dass die Nachrichtendienste allein auf die Beschaffung und Auswertung von Informationen beschränkt sind, während die Geheimdienste darüber hinaus auch aktive Handlungen zur Störung oder Beeinflussung politischer Gegner im In- und Ausland vornehmen; Rose-Stahl, S. 18, Zöller, Informationssysteme, S. 285. Danach wäre das BfV ausschließlich ein Nachrichtendienst (zu den Aufgaben und den Befugnissen des BfV unten Zweiter Teil: Kapitel 1). Roewer, Lexikon, S. 310, wiederum unterscheidet zwischen Nachrichtendiensten im engeren (keine Befugnis zu aktive Handlungen) und Nachrichtendiensten im weiteren (mit Befugnis zu aktiven Handlungen) Sinne. Das StGB schließlich verwendet allein den Begriff des Geheimdienstes (§ 99 StGB) und umfasst mit diesem Terminus auch die Nachrichtendienste nach obiger Definition, vgl. Fischer, StGB, § 99 Rn. 6, und Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 99 Rn. 5 f. 2 So auch die Feststellungen von Sandkuhl, S. 615 (615 ff.), und Rehbein, S. 19. 3 Mit einem spezifisch strafverfahrensrechtlichen Blickwinkel können – soweit ersichtlich – allein folgende Monografien genannt werden: Rehbein und Zöller, Informationssysteme.

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1. Teil: Einleitung

nicht zu unterschätzenden Umstand erschwert: Die hohe Sensibilität nachrichtendienstlicher Tätigkeit und die damit verbundene Gefährdung von Interessen der Bundesrepublik Deutschland führen zu einer äußerst restriktiven staatlichen Informationspolitik. Infolgedessen fehlt es nicht selten an einem Zugang zu Informationen, deren Kenntnis von wissenschaftlichem Interesse wäre.4 Eine vollständige Nachzeichnung nachrichtendienstlicher Tätigkeit ist daher nicht möglich. Auch wenn dieser Schatten wohl einer der entscheidenden Gründe dafür ist, dass sich die Wissenschaft der Thematik Nachrichtendienste nur ungern annimmt, ist aus den beschriebenen Gründen der Weg gleichwohl beschritten worden. Allerdings kommt (auch) diese Untersuchung nicht daran vorbei, mangels allgemein zugänglicher Informationen zwangsweise Lücken setzen zu müssen.5

B. Untersuchungsgegenstand Gegenstand der Arbeit ist die Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren vor dem Hintergrund des Trennungsgebots. Damit wird eine Schnittstelle zwischen Nachrichtendienstrecht und Strafprozessrecht in den Blick genommen. Im Zentrum stehen die Fragen, ob die gegenwärtigen Formen der Mitwirkung, der Ist-Zustand, mit dem Trennungsgebot vereinbar sind und welche Folgen ein Verstoß gegen das Trennungsgebot hat. Hinter diesen Fragen stehen zunächst zwei Problemkomplexe. Der erste Komplex betrifft die Formen der Mitwirkung des BfV im strafprozessualen Ermittlungsverfahren. Zu untersuchen ist, in welchen Formen das BfV gegenwärtig am Ermittlungsverfahren mitwirkt. Ist es z. B. möglich, dass BfV und Strafverfolgungsbehörden gemeinsam Observationen und Vernehmungen durchführen oder zumindest operative Maßnahmen aufeinander abstimmen? In welchen Fällen ist das BfV berechtigt, die Strafverfolgungsbehörden über wahrgenommenes strafrechtlich relevantes Verhalten zu unterrichten? Darf oder muss z. B. das BfV einen im Rahmen einer Observation beobachteten Ladendiebstahl den Strafverfolgungsbehörden mitteilen? Ist es in bestimmten Fällen, z. B. bei einem Tötungsverbrechen, zur Unterrichtung verpflichtet? Muss das BfV einem Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden nachkommen? Dürfen die strafprozessualen Ermittlungsbehörden die nachrichtendienstlichen Informationen in einem Ermittlungsverfahren verwenden? Zur Klärung dieses Komplexes ist es notwendig, zum einen die Praxis und die Formen der Mitwirkung nachzuzeich-

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So bereits Gröpl, S. 33 f., sowie Hefendehl, GA 2011, 209 (212 [insb. Fn. 19]). Das trifft insbesondere auf die Analyse der Befugnisse zur aktiven Informationsbeschaffung (vgl. unten Zweiter Teil: Kapitel 1 D.) sowie bei der Darstellung der tatsächlichen Formen nachrichtendienstlicher Mitwirkung im Strafverfahren (vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 1) zu. 5

1. Teil: Einleitung

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nen6 und zum anderen die hierzu relevanten einfachgesetzlichen Regelungen näher zu analysieren.7 Der zweite Komplex betrifft das Trennungsgebot. Das Trennungsgebot wird regelmäßig auf den Polizeibrief der Alliierten vom 14. April 1949 zurückgeführt8, der dem Parlamentarischen Rat signalisierte, die künftige Bundesregierung dürfe zwar einen Inlandsnachrichtendienst errichten, allerdings dürfe dieser keine Polizeibefugnisse haben.9 Mit dieser Aussage allein lassen sich aber kaum konkrete Folgerungen entnehmen. Daher muss es Aufgabe dieser Untersuchung sein, aufzuzeigen, ob das Trennungsgebot einer Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsbehörden Grenzen setzt. Darüber hinaus ist zu klären, welchen Rang das Trennungsgebot in der Rechtsordnung einnimmt, da nur dann eine Aussage über die Konsequenzen bei einem Verstoß gegen das Trennungsgebot möglich ist. Um die Relevanz der Thematik „Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren“ überhaupt einordnen und in seiner Dimension jedenfalls abstrakt10 erfassen zu können, muss darüber hinaus untersucht werden, ob und ggf. worin ein besonderes Interesse an einer Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren besteht. Plakativ formuliert: Was kann der Nachrichtendienst, was die strafprozessualen Ermittlungsbehörden nicht können? Diese Frage steht insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Strafprozessrecht eigene Ermittlungsbehörden kennt11 und zudem in der Strafrechtswissenschaft über eine bereits erfolgte „Vernachrichtendienstlichung“ des Strafverfahrens diskutiert wird.12 Ebenso besteht Klärungsbedarf, inwieweit ein Nachrichtendienst überhaupt zur Straftataufklärung beitragen kann. Stellt eine entsprechende Mitwirkung des BfV einen bloßen Zufall dar oder gibt es strukturell bedingte Überschneidungen? Damit besteht der Untersuchungsgegenstand aus folgenden miteinander verbundenen Fragestellungen. Erstens: Worin liegt das besondere Interesse an einer Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren? Zweitens: Wel6 Nachgezeichnet werden können freilich nur die öffentlich bekannten Formen der Mitwirkung. 7 Dabei ist auf die spezifischen Regelungen für das BfV (BVerfSchG, G10), auf das Strafprozessrecht (StPO) sowie auf eigenständige Regelungen, die die Zusammenarbeit zwischen Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendiensten betreffen (ATDG, RED-G) einzugehen. 8 Vgl. u. a. die aufgeführten Vertreter unten Vierter Teil: Fn. 41. 9 Zum Polizeibrief vgl. unten Vierter Teil: Kapitel 3 F. III. 10 Für eine konkrete Einordnung fehlt es am hierzu notwendigen Datenmaterial. 11 Klassische Ermittlungsbehörden sind die Staatsanwaltschaften (§ 160 StPO) und die Polizei (§§ 161 Abs. 1 S. 2, 163 StPO); zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaften vgl. § 152 GVG. 12 Vgl. hierzu unten Zweiter Teil: Kapitel 2 C. I.

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1. Teil: Einleitung

che Formen der Mitwirkung bestehen? Drittens: Sind die aufgezeigten Formen der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot vereinbar und welchem Rang kommt das Trennungsgebot in der Rechtsordnung zu? Um den Rahmen dieser Untersuchung nicht zu sprengen, bedarf die Untersuchung vier wesentlicher Beschränkungen. Erstens werden ausschließlich die Formen der aktiven eigenen Informationsbeschaffung des BfV gegenüber Privaten in Blick genommen. Ausgeschlossen bleiben damit die Informationen, die bereits Dritte in In- und Ausland erhoben haben und auf die das BfV zu einem späteren Zeitpunkt zurückgreifen kann.13 Zweitens geht es ausschließlich um das rechtmäßige Handeln des BfV.14 Damit bleiben Fragen, die im Zusammenhang mit einer rechtswidrigen Informationserhebung durch das BfV oder mit einer rechtswidrigen Zusammenarbeit an die strafprozessualen Ermittlungsbehörden stehen, ausgeblendet.15 Drittens wird das Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte, sowohl im Hinblick auf die Informationsbeschaffung als auch auf die Mitwirkung im Strafprozess (weitgehend) ausgeklammert. Das mag auf den ersten Blick überraschen und enttäuschen, erklärt sich aber mit dem primären Untersuchungsziel: die Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem sog. Trennungsgebot. Dieses kann nur dann erreicht werden, wenn die Formen, die nach dem Gesetz vorgesehen sind, auch berücksichtigt werden. Dass es durchaus indiziert ist, die Mitwirkung auf eine Vereinbarkeit mit dem geltenden Grundrechtsschutz zu überprüfen, sei an dieser Stelle ausdrücklich betont.16 Eine vierte Beschränkung

13 Vgl. hierzu die Diskussion um die „Liechtenstein-Steuer-CD“ bei der sich allerdings der BND und nicht das BfV in der Mittlerposition befunden hat: Sieber, NJW 2008, 881 ff., Schünemann, NStZ 2008, 305 ff., Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 ff., Kölbel, NStZ 2008, 241 ff., Kaiser, NStZ 2011, 383 ff., sowie BVerfG NJW 2011, 2417 (mit Anmerkung Wohlers, JZ 2011, 252 ff.). 14 Zu Fragen der in dieser Untersuchung ausgeblendeten Übermittlung von rechtswidrig erlangten Daten an die Strafverfolgungsbehörden und deren Verwendung: Bertram, S. 302 ff.; Zöller, HdbIS, S. 502 f.: als Spurenansatz nicht verwendbar; differenzierend KK/Griesbaum, StPO, § 161 Rn. 40: es komme darauf an, ob die Ausgangsmaßnahme vertretbar gewesen ist; ferner Singelnstein, ZStW 2008, 854 (888 f.); Wolter, FG BGH, S. 963 (992 f.); Paeffgen, FG Hilger, S. 153 (160 f. [Fn. 31]). 15 Nachrichtendienstliche Exzesse wie z. B. der Fall Schmücker (hierzu Aust, passim, sowie die abschließende Verfahrenseinstellung LG Berlin JZ 1992, 159) bleiben somit ausgeklammert. Als weitere Beispiele ausgeblendeter Problemlagen seien noch die im Rahmen der Aufarbeitung des NSU-Komplexes zu Tage getretenen Vorwürfe der Warnung von nachrichtendienstlichen Quellen durch die Verfassungsschutzbehörden vor Strafverfolgungsmaßnahmen sowie der Versuche der Einflussnahme von Verfassungsschutzbehörden auf Ermittlungsmaßnahmen zugunsten einer nachrichtendienstlichen Quelle genannt; hierzu: Schäfer, Gutachten, Rn. 436 f. und Rn. 438. 16 Besonders hervorzuheben sind vier Bereiche: die Befugnis des BfV zur Wohnraumüberwachung (§ 9 Abs. 2 S. 1 und 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20.12. 1990, BGBl. I S. 2954, 2970, im Folgenden BVerfSchG); die Regelung zur Übermittlung von Daten aus Wohnraumüberwachung an Strafverfolgungsbehörden (§ 9 Abs. 2 S. 7 und 8 BVerfSchG); die Ausgestaltung der Antiterrordatei (hierzu BVerfGE 133,

1. Teil: Einleitung

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ergibt sich bereits aus dem Untersuchungsthema unmittelbar. Die Arbeit nimmt ausschließlich die Schnittstelle zwischen Verfassungsschutz und strafprozessualem Ermittlungsverfahren in den Blick. Die Frage nach der gerichtlichen, insbesondere der beweisrechtlichen, Verwertbarkeit nachrichtendienstlicher Informationen bleibt ausgeblendet.17

C. Aktueller Bezug: „Nationalsozialistischer Untergrund“ Die Thematik der Untersuchung hat seit dem Bekanntwerden der mutmaßlichen Existenz der rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) im November 2011 eine Aktualität erlangt, an die bei der Konzeption der Untersuchung nicht zu denken war. Der Auslöser hierfür ist die Frage, wie es mutmaßlich geschehen konnte, dass über einen Zeitraum von acht Jahren (2000 bis 2007) Mitglieder der aus drei Personen bestehenden Terrorgruppe zehn Menschen ermorden, zwei Bombenanschläge verüben und mindestens 14 Banküberfälle begehen konnten18, ohne dass der Zusammenhang der Taten und die dahinterstehende Terrorgruppe von den Sicherheitsbehörden bis zum November 2011 erkannt worden ist.19 Den Fragen, wie dies geschehen konnte und welche Konsequenzen hieraus für die Sicherheitsarchitektur zu ziehen sind, haben sich nicht nur die Medien20, sondern auch die Politik und die Sicherheitsverwaltungen selbst angenommen. So hat noch im November 2011 der Freistaat Thüringen eine unabhängige Kommission unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof a.D. Gerhard Schäfer eingerichtet, um speziell die Rolle der Thüringer Sicherheitsbehörden zu untersuchen.21 Des Weiteren richteten der Deutsche Bundestag22 sowie die Landtage von Bayern23, Sachsen24 und Thüringen25 Untersuchungsausschüsse ein. Zudem wurde auf Initiative des Bundesministeriums des Innern von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (Innenministerkonferenz) eine Bund277) und der Rechtsextremismusdatei; die grundsätzliche Verwendbarkeit sämtlicher nachrichtendienstlich übermittelter Daten als Spurenansatz über § 161 Abs. 2 StPO. 17 Hierzu insbesondere Rehbein, passim; sowie im Hinblick auf präventiv-polizeiliche Daten Bertram, passim. 18 Verfassungsschutzbericht 2011, S. 60 f. 19 Verfassungsschutzbericht 2011, S. 3, 55. 20 U.a. Der Spiegel, 46/2011, S. 1 ff., 47/2011, S. 22 ff., 29 ff., 1/2012, S. 16 ff., sowie Financial Times Deutschland vom 21.9.2012, S. 10: „Landkarte des Versagens“. 21 Schäfer, Gutachten, Rn. 4. 22 Einsetzungsantrag BT-Drs. 17/8453, Beratung und Beschluss BT-PlPr. 17/155, S. 18539D – 18552B. 23 Einsetzungsbeschluss BayLT-Drs. 16/13150. 24 Einsetzungsantrag SächsLT-Drs. 5/8497, Beratung und Beschluss SächsLT-PlPr. 5/ 51, S. 5029–5048. 25 Einsetzungsbeschluss ThürLT-Drs. 5/3969.

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1. Teil: Einleitung

Länder-Expertenkommission Rechtsterrorismus speziell für die Frage nach den zu ziehenden Konsequenzen für die deutsche Sicherheitsarchitektur eingesetzt.26 Auch wenn die Arbeit der Untersuchungsausschüsse und der Bund-Länder-Expertenkommission erst vor Kurzem bzw. noch nicht abgeschlossen worden ist27, sahen sich Politik und Sicherheitsverwaltungen nicht zuletzt auch aufgrund des enormen medialen Drucks bereits mit dem Bekanntwerden des sog. NSU-Skandals zum Handeln gezwungen, um die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei zu verbessern. So wurden die von Polizei und Verfassungsschutzbehörden gemeinsam genutzte Verbunddatei Rechtsextremismus28 und das Gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus29 sowie nunmehr das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum30 eingerichtet. Inwieweit die gesamte Sicherheitsarchitektur, insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei auf Bundes- und Länderebene einer grundlegenden Revision unterzogen wird, bleibt abzuwarten. Der öffentliche Druck geht dahin, die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei deutlich zu verstärken, sie mehr aneinanderzurücken. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Regierungskommission zur Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland sieht zwar übereinstimmend Handlungsbedarf, kommt aber in ihrem im August 2013 vorgelegten Bericht im Konkreten zu keiner einheitlichen Bewertung der gegenwärtigen Sicherheitsarchitektur und den daraus zu ziehenden Konsequenzen.31 Die Bund-Länder-Expertenkommission Rechtsterrorismus hat in ihrem Abschlussbericht konkrete Vorschläge ausgearbeitet, die eine abgestimmtere und effizientere Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutz gewährleisten soll.32

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Vgl. BT-Drs. 17/9463. Zuerst hatte die Schäfer-Kommission ihre Arbeit beendet und im Mai 2012 den sog. Schäfer-Bericht vorgelegt, in dem sowohl die Zusammenarbeit innerhalb des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz (ThürLfV) als auch die Zusammenarbeit von ThürLfV und Thüringer Landeskriminalamt mit mangelhaft bewertet wird; Schäfer, Gutachten, Rn. 485 f. Rund ein Jahr später im April 2013 legte die Bund-Länder-Expertenkommission Rechtsterrorismus ihren Abschlussbericht vor. Der vom Bayerischen Landtag eingesetzte Untersuchungsausschuss hat seine Arbeit im Juli (BayLT-Drs. 16/17740) und der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat seine Tätigkeit im August 2013 (BT-Drs. 17/14600) abgeschlossen. 28 Hierzu unten Dritter Teil: Kapitel 2 F. 29 Hierzu unten Dritter Teil: Kapitel 1 B. VI. 30 Hierzu unten Dritter Teil: Kapitel 1 B. VII. 31 Bäcker/Giesler/Harms/Hirsch/Kaller/Wolff, passim. 32 Bruch/Jost/Müller/Vahldieck, S. 194 ff. (210 ff., 248 ff., 262 ff., 271 ff.). Einen Kurzüberblick zum angestrebten Reformprozess in den Verfassungsschutzbehörden gibt der Verfassungsschutzbericht 2012, S. 21 f.: Stärkung der Zentralstellenfunktion des BfV; Intensivierung der gegenseitigen Unterrichtung; Konzentration des BfV auf Beobachtung gewaltorientierter Bestrebungen und Personen; erhöhte Transparenz und verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. 27

1. Teil: Einleitung

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Gerade vor dem Hintergrund der anhaltenden Forderungen nach einer (noch) engeren Zusammenarbeit zwischen Polizei und Nachrichtendiensten kommt dem Untersuchungsgegenstand eine hohe Relevanz zu. Denn es wird der Ist-Bereich eines wichtigen Teilbereichs aus dem Komplex Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten analysiert und auf die Vereinbarkeit mit dem sog. Trennungsgebot hin überprüft sowie Rang und Bedeutung des Trennungsgebots geklärt. Damit wird für diesen Bereich ein Rahmen gezogen, den es mit den aktuellen Reformüberlegungen auszufüllen gilt.

D. Gang der Untersuchung Die Arbeit nimmt den folgenden Verlauf: In dem zweiten Teil wird zunächst das Bundesamt für Verfassungsschutz vorgestellt und damit das für die weitere Untersuchung notwendige Wissen über Aufgaben, Strukturen und Befugnisse des BfV sowie seiner Stellung innerhalb der deutschen Nachrichtendienstarchitektur vermittelt (Kapitel 1). Danach wird die Frage angegangen, ob ein besonderes Interesse, eine besondere Attraktivität, an einer Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren angenommen werden kann (Kapitel 2 und 3). Hierzu werden die zentralen Kennzeichen des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens, einschließlich aktueller Entwicklungstendenzen, aufgezeigt und der nachrichtendienstlichen Aufklärungstätigkeit gegenübergestellt. Der dritte und umfangreichste Teil dieser Untersuchung steht ganz im Zeichen der Analyse des Ist-Zustandes an Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren. So werden zunächst die Praxis und die bekannten Formen der Mitwirkung vorgestellt (Kapitel 1). Danach werden die bestehenden einfachgesetzlichen Regelungen im Hinblick auf Möglichkeiten, Pflichten und Beschränkungen einer Mitwirkung analysiert (Kapitel 2). Hierbei sind sowohl das Nachrichtendienstrecht als auch das Strafprozessrecht zu berücksichtigen und zueinander in Beziehung zu setzen. Zudem werden die eigenständigen Regelungen zu den von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten gemeinsam genutzten Verbunddateien (Antiterrordatei, Rechtsextremismusdatei) analysiert. Im vierten Teil schließlich wird das Trennungsgebot vorgestellt (Kapitel 1) und ein Bezug zu dem im dritten Teil herausgearbeiteten Ist-Zustand an Mitwirkung hergestellt (Kapitel 2). Danach wird analysiert, welche Vorgaben aus dem Trennungsgebot für eine Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren zu entnehmen sind (Kapitel 3 bis 6) und ob der Ist-Zustand an Mitwirkung mit diesen Vorgaben vereinbar ist (Kapitel 7). Um Aufschluss über die Konsequenzen aus einem Verstoß gegen die Vorgaben aus dem Trennungsgebot zu erhalten, wird auch die Frage beantwortet, ob den Vorgaben des Trennungsgebots zur Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsvorgaben ein Verfassungsrang zukommt (Kapitel 8).

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1. Teil: Einleitung

Im fünften Teil schließlich werden die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst. Nach Abschluss der Arbeit hat das BVerfG sein Urteil zum Antiterrordateigesetz vom 24. April 2013 (1 BvR 1215/07) verkündet. Die generellen Aussagen des Gerichts zur Zusammenarbeit zwischen Polizei und Nachrichtendiensten werden im sechsten Teil in Form eines Nachtrags zum Gegenstand der Untersuchung in Beziehung gesetzt.

2. Teil

Bundesamt für Verfassungsschutz und strafprozessuales Ermittlungsverfahren Der zweite Teil verfolgt zwei Anliegen. Zum einen soll das BfV als solches vorgestellt werden. Das erscheint vor dem Hintergrund der bereits festgestellten Randstellung der Nachrichtendienste in der Rechtswissenschaft erforderlich, um auf die für diese Untersuchung notwendigen Grundlagen über Nachrichtendienste zurückgreifen zu können.1 Zum anderen soll die Frage geklärt werden, worin ein besonderes Interesse an einer Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren gesehen werden kann. Das Kapitel 1 wird dem BfV gewidmet. Zunächst stehen die Grundlagen im Vordergrund. Hierzu werden die Aufgaben (A.) und die Stellung des BfV in der deutschen Nachrichtendienstarchitektur (B.) sowie die Grundstrukturen nachrichtendienstlicher Tätigkeit (C.) – soweit es für das Grundverständnis und die Untersuchung erforderlich ist – vorgestellt. Zugleich dienen diese Informationen aber auch der Beantwortung der Frage nach dem Reiz und der Attraktivität einer Mitwirkung in strafprozessualen Ermittlungsverfahren. Um die aufgeworfene Frage jedoch vollständig beantworten zu können, sind die Befugnisse des BfV zur aktiven Informationsbeschaffung (D.) zu analysieren. Zudem gilt es, die Arbeitsweisen und Möglichkeiten der aktiven Informationsbeschaffung des BfV mit den Prinzipien und Befugnissen zu vergleichen, die das strafprozessuale Ermittlungsverfahren kennzeichnen. Dementsprechend wendet das Kapitel 2 einen vergleichenden Blick auf das strafprozessuale Ermittlungsverfahren. Zunächst ist auf das Legalitätsprinzip (A.) als das hier relevante Kennzeichen des Ermittlungsverfahrens einzugehen, da es einen zentralen Unterschied zur nachrichtendienstlichen Tätigkeit kennzeichnet. Darauf aufbauend werden die Tendenzen zur Vorverlagerung des Strafrechts (B.) und damit die Überlegungen und Maßnahmen zur „Effektivierung“ des Straf- und Strafverfahrensrechts trotz bzw. entgegen dem Legalitätsprinzip in den Blick genommen. Schließlich ist durch einen Vergleich der Befugnisnormen (C.) zu schauen, inwieweit zu den nachrichtendienstlichen Möglichkeiten der aktiven Informationserhebung strafverfahrensrechtliche Entsprechungen bestehen. Mit dieser Gesamtschau kann in Kapitel 3 (Feststellung) die aufgeworfene Frage nach dem Potential und dem Reiz einer Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren beantwortet werden. 1

Zur Randstellung vgl. oben Erster Teil: A.

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

Kapitel 1

Bundesamt für Verfassungsschutz Das BfV ist ein deutscher Inlandsnachrichtendienst mit (Haupt)Sitz in Köln.2 Seine Gründung im Jahr 1950 stand zum einen unter dem unmittelbaren Eindruck des überwundenen nationalsozialistischen Terrorregimes und zum anderen im Zeichen des bereits bestehenden und an Schärfe zunehmenden Ost-West-Konflikts.3 Das Amt wurde als Frühwarnsystem der Demokratie und der Freiheit mit der primären Aufgabe geschaffen, die politischen Entscheidungsträger möglichst frühzeitig über politisch bedeutsame Gefährdungspotentiale, d.h. vor allem verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Aktivitäten, zu unterrichten, damit (noch) rechtzeitig die zu ihrer Abwehr notwendigen Maßnahmen eingeleitet werden können.4 Das BfV ist damit ein Kennzeichen der abwehrbereiten/wehrhaften Demokratie.5 Das BfV ist sowohl Zentralstelle „zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes“ (Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG) als auch Bundesoberbehörde, die dem Bundesministerium des Inneren untersteht (Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG, § 2 Abs. 1 BVerfSchG). Aufgrund dieser Doppelstellung kommen dem BfV zwei Aufgaben zu: Kraft Zentralstelle obliegt es dem BfV, die Tätigkeiten der Länder auf dem Gebiet des nachrichtendienstlichen Verfassungsschutzes zu koordinieren.6 Infolge seiner Eigenschaft als Bundesoberbehörde hat das BfV aber auch die Aufgabe der eigenständigen Informationssammlung.7 Die verfassungsrechtliche Ermächtigung für die entsprechenden bundesgesetzlichen Regelungen stellt in beiden Fällen Art. 73 Nr. 10 lit. b und c GG dar, dem folglich nicht nur ein organisationsrechtlicher, sondern auch ein materiellrechtlicher Inhalt zukommt.8 2 Bezogen auf das Jahr 2012 gibt der Verfassungsschutzbericht 2012, S. 13, folgende Strukturdaten für das BfV an: Zuschuss aus dem Bundeshaushalt 209.713.761,00 Euro, Beschäftigte 2.757. 3 Vgl. unten Vierter Teil: Kapitel 3. 4 Kortmann, S. 33; Stern, S. 221; Wolff/Scheffczyk, JA 2008, 81 (84); Ritter von Lex, BT-Prot. vom 1.6.1950, S. 2388 A, B. Weinhaus, S. 559 (578): „Primäre Aufgabe der Nachrichtendienste ist die Politikberatung im Sinne einer Experten- und Vorwarnfunktion.“ 5 Becker, S. 309 (350 f.); Wolff, DÖV 2009, 597 (603); Brenner, S. 14. 6 Gröpl, S. 133 ff. (149). 7 Gröpl, S. 133 ff. (149). 8 Ausführlich zu den hiermit verbundenen verfassungsrechtlichen Fragestellungen Gröpl, S. 133. So ist insbesondere umstritten, ob die Zuweisung einer bloßen Zentralstellenkompetenz über Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG das Recht zur Vornahme außenwirksamer Maßnahmen, d.h. die aktive Informationsbeschaffung, für das BfV ausschließt. So vertreten von Schatzschneider, Ermittlungstätigkeit, S. 55 ff. Überwiegend wird dies jedoch zu Recht – wenngleich mit unterschiedlicher Begründung – abgelehnt: z. B. Gröpl, S. 133 ff.; Denninger, Rechtsstaat, S. 19 (33); Gusy, DVBl. 1993, 1117 (1122 ff.); von Mangoldt/Burgi, GG, Art. 87 Abs. 1 Rn. 43 ff. (47); ferner BVerfGE 30, 1 (20). Die

Kap. 1: Bundesamt für Verfassungsschutz

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Die einfachgesetzliche Grundlage für die Tätigkeit des BfV bildet das BVerfSchG. Das BVerfSchG (1950) trat am 28. September 1950 in Kraft.9 Im Jahre 1990 wurde das BVerfSchG10 neu gefasst. Die Neufassung erfolgte allerdings nicht mit dem Ziel einer Neubewertung der nachrichtendienstlichen Aufgaben vor dem Hintergrund der Auflösung der DDR und den Veränderungen im sog. Ostblock; so blieb die bestehende Aufgabenstellung des BfV im Grunde unverändert.11 Vielmehr verfolgte der Gesetzgeber mit der Neufassung vordringlich das Ziel, zum einen den Anforderungen des BVerfG aus dem Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 198312 (!) Rechnung zu tragen und zum anderen die Tätigkeiten des BfV einer näheren gesetzlichen Beschreibung zuzuführen.13

A. Aufgaben Geht es in dieser Untersuchung um die Frage, inwieweit das BfV eigene Aufklärungserkenntnisse dem Strafverfahren zur Verfügung stellen kann, ist allein dessen Tätigkeit in seiner Eigenschaft als Bundesoberbehörde von Relevanz.14 Die Aufgaben hierzu sind in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 BVerfSchG abschließend aufgezählt. Dabei ist zwischen den originären Beobachtungsaufgaben (§ 3 Abs. 1 BVerfSchG) und den Mitwirkungsaufgaben beim Geheim- und Sabotageschutz (§ 3 Abs. 2 BVerfSchG) zu unterscheiden. I. Originärer Beobachtungsauftrag Im Rahmen seines originären Beobachtungsauftrages gem. § 3 Abs. 1 BVerfSchG hat das BfV die Aufgabe, Informationen zu sammeln über: hierbei herrschende Meinung räumt dem BfV die Verwaltungskompetenz zur eigenständigen Informationssammlung direkt aus Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG kraft extensiver Interpretation des Begriffs Zentralstelle (vgl. z. B. von Mangoldt/Burgi, GG, Art. 87 Abs. 1 Rn. 47) und nicht wie hier (unter Bezug auf Gröpl) vertreten mittels Rückgriff auf Art. 87 Abs. 3 GG (Bundesoberbehörde) ein. Unklar sind die Ausführungen von Hermes: Einerseits erkennt er in Art. 70 Abs. 1 Nr. 10 GG ein Verbot außengerichteter Eingriffsbefugnisse (Dreier/Hermes, GG, Art. 87 Rn. 48), andererseits versteht er den Begriff Sammlung von Unterlagen zum Zwecke des Verfassungsschutzes in Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG dahingehend, dass er auch die eigenständige Beschaffung einschlägiger Daten umfasst (Dreier/Hermes, GG, Art. 87 Rn. 54), was einen nach außen gerichteten Grundrechtseingriff darstellt. Offenbar fasst Hermes unter außengerichteter Eingriffsbefugnis allein polizeiliche Befugnisse mit Zwangscharakter. 9 Zur Entstehung des BfV und dem Gesetzgebungsverfahren zum BVerfSchG (1950) ausführlich Imle, passim; ferner Vierter Teil: Kapitel 3 G. 10 Gesetz vom 20.12.1990, BGBl. I S. 2954. 11 Bäumler, NVwZ 1991, 643 (644); Busch, CILIP 1991, 75 (78 f.); Schoen, Demokratie, S. 125 (133). 12 BVerfGE 65, 1. 13 BT-Drs. 11/4306, S. 59. 14 Unberücksichtigt bleibt hingegen die Zentralstellenfunktion.

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren „1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, 2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht, 3. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, 4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind.“

In Schlagworten ausgedrückt obliegen dem BfV, in Anlehnung an entsprechende nachrichtendienstliche Arbeitsbegriffe, die Beobachtung des politischen Extremismus und Terrorismus, die Spionageabwehr, die Aufklärung des Ausländerextremismus sowie die Sicherung des Friedens unter den Völkern und Staaten.15 Während der Beobachtungsauftrag von Nr. 1 im Wesentlichen bereits seit 1950 gesetzlich fixiert ist,16 haben die in den Nr. 2 und 3 umschriebenen Aufklärungsrichtungen erst im Jahre 1972 Eingang in das BVerfSchG (1950) gefunden.17 Nr. 4 schließlich ist als Reaktion auf die Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz von 200218 in den Aufgabenkatalog aufgenommen worden.19 Nicht durchsetzen konnte sich der in den 1990er-Jahren äußerst kontrovers diskutierte rechtspolitische Vorschlag, das BfV mit einem eigenständigen Auftrag zur Beobachtung der sog. Organisierten Kriminalität auszustatten.20 Dieser Verzicht darf jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, das BfV habe dieses Beobachtungsfeld vollständig auszublenden. So können und werden bestimmte Formen der Organisierten Kriminalität gleichwohl durch das BfV beobachtet und zwar dann, wenn zugleich auch eines der Beobachtungsfelder von § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BVerfSchG betroffen ist.21 15 Vgl. Rose-Stahl, S. 42 ff.; Gröpl, S. 213 ff.; Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 BVerfSchG Rn. 36; Zöller, Informationssysteme, S. 288. 16 Gesetz vom 27.9.1950, BGBl. I S. 682. 17 Gesetz vom 7.8.1972, BGBl. I S. 1382. 18 Gesetz vom 9.1.2002, BGBl. I S. 361. 19 Gesetz vom 9.1.2002, BGBl. I S. 361. 20 Hierzu u. a. Singer, Werthebach/Droste-Lehnen, ZRP 1994, 57 ff., Gusy, StV 1995, 320 ff. 21 Gusy, StV 1995, 320 (324): Anknüpfungspunkt Beeinflussung der Verfassungsorgane § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG.

Kap. 1: Bundesamt für Verfassungsschutz

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II. Mitwirkungsaufgaben Im Bereich des Geheim- und Sabotageschutzes, der sog. präventiven Spionageabwehr22, hat das BfV gem. § 3 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG mitzuwirken: „1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, 2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen, 3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte, 4. bei der Überprüfung von Personen in sonstigen gesetzlich bestimmten Fällen.“ 23

Im Unterschied zum Aufgabenbereich nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG hat der Verfassungsschutz im Bereich des Geheimschutzes lediglich eine Mitwirkungsaufgabe, d.h., der Nachrichtendienst kann nur auf Veranlassung Dritter und nicht eigeninitiativ tätig werden.24 Mitwirkung bedeutet ferner, dass das BfV lediglich Empfehlungen abgeben kann.25 Die eigentliche Entscheidung trifft die Stelle, die das BfV zur Mitwirkung herangezogen hat.26 Im Verlauf dieser Untersuchung bleibt diese Aufgabenstellung unberücksichtigt, denn sie hat mit der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des BfV im eigentlichen Sinne, um die es hier aber gehen soll, nichts zu tun. Überdies sind – eben wegen der Eigenständigkeit – Befugnisse und Übermittlungsregelungen hinsichtlich dieser Aufgabenstellung nicht im BVerfSchG geregelt.27

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Droste, Handbuch, S. 142. § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BVerfSchG wurde mit dem „Gesetz zum Schutz vor Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch das Verbreiten von hochwertigen Erdfernerkundungsdaten“ vom 23.11.2007, BGBl. I S. 2590 eingefügt; hierzu: BT-Drs. 16/4763, S. 31. 24 Haedge, S. 105. (Ausnahme: Überprüfung eigenen Personals und eigener technischer Sicherheitsmaßnahmen); Droste, Handbuch, S. 144. 25 Droste, Handbuch, S. 142 ff. 26 Gröpl, S. 215; Droste, Handbuch, S. 142 ff. 27 So sind die Befugnisse hinsichtlich der Mitwirkungsaufgaben des BfV im Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) vom 20.4.1994, BGBl. I S. 867 geregelt. Anzumerken ist, dass die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gespeicherten Daten zum Zwecke der Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung übermittelt werden dürfen (§ 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SÜG). 23

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

B. Einordnung in die Nachrichtendienstarchitektur In der Bundesrepublik Deutschland gibt es neben dem BfV noch 18 weitere Nachrichtendienste.28 Dies sind der Bundesnachrichtendienst (BND), der Militärische Abschirmdienst sowie die Landesämter bzw. Landesbehörden29 für Verfassungsschutz (LfV).30 Im Folgenden sind die Aufgaben der anderen Nachrichtendienste zu skizzieren, um das BfV innerhalb der Nachrichtendienstarchitektur einordnen zu können. I. Verfassungsschutzbehörden der Länder Sämtliche Bundesländer haben jeweils eine Behörde bzw. ein Amt für Verfassungsschutz eingerichtet. 31 Sie entsprechen damit der in § 2 Abs. 2 BVerfSchG aufgestellten Verpflichtung, für „die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund und der Länder untereinander [. . .] eine Behörde zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes“ zu unterhalten.32 Die LfV nehmen die gleichen Aufgaben wahr wie das BfV. Hierzu verpflichtet sie bereits § 3 Abs. 1 und 2 BVerfSchG. Einige Landesverfassungsschutzgesetze weisen ihren Diensten im Vergleich zum BfV weiter gehende Aufgaben zu.33 So haben die Verfassungsschutzbehörden der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen den Auftrag zur Beobachtung fortwirkender Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungs- und Abwehrdienste der ehemaligen DDR.34 Die Länder Bayern, Saarland, Thüringen 28 Zu der Frage, warum das Zollkriminalamt nicht zu den Nachrichtendiensten zu zählen ist, siehe Hirsch, S. 34 ff., und Gröpl, S. 290 ff. (295 f.). – Hinzuweisen ist zudem auf das „Archiv für Gegenwartsforschung“ (AfG) als weiteren (vierten) Nachrichtendienst des Bundes, der zwischen 1950 und 1953 unter der Leitung von Friedrich Wilhelm Heinz bestanden hat; Droste, Handbuch, S. 30 f., und Rieger, S. 20: Das AfG fungierte als Nachrichtendienst der „Zentrale für Heimatdienst“, die mit ersten Vorbereitung der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik beauftragt war. 29 Gröpl, S. 212: Als kein eigenständiges Amt, sondern als Behörde des Innenministeriums (sog. Integrationsmodell) haben den Verfassungsschutz organisiert die Länder: Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz und Schleswig-Holstein. Für eine solche Organisationsstruktur könnten nach Gröpl, S. 212, die hohen verwaltungsinternen Kontrollen und enge Anbindungen an die Regierungen sprechen; für das Modell eines selbständigen Landesamtes als dekonzentrierte Landesoberbehörde hingegen „klarer abgegrenzte Kompetenzen, stärkere Transparenz und effektivere demokratische Kontrolle“. 30 Hirsch, S. 26; Rose-Stahl, S. 15; Gröpl, S. 29 f. 31 Eine spezielle Auseinandersetzung zu den Behörden für Verfassungsschutz auf Länderebene unternimmt: Wittmoser, S. 33 ff. Mit der Föderalstruktur des Verfassungsschutzes beschäftigt sich Rödder, passim. 32 Zu der Frage der Vereinbarkeit der Errichtungsverpflichtung von § 2 Abs. 2 BVerfSchG gegenüber den einzelnen Bundesländern mit dem Verfassungsrecht: Gröpl, S. 86 ff. 33 Zur grundsätzlichen Zulässigkeit Droste, Handbuch, S. 52; anders offenbar Schatzschneider, ZRP 1988, 20 (20).

Kap. 1: Bundesamt für Verfassungsschutz

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und Hessen haben ihre Verfassungsschutzbehörden mit der Beobachtung der Organisierten Kriminalität beauftragt.35 Auch dem Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz oblag zwischen September 2003 und April 2006 die Beobachtung der Organisierten Kriminalität.36 In verschiedenen Landesverfassungsschutzgesetzen haben die LfV weitere Mitwirkungsaufgaben erhalten, so z. B. bei der Einstellungsprüfung von Mitarbeitern37 des öffentlichen Dienstes hinsichtlich ihrer Verfassungstreue,38 bei der sicherheitsmäßigen Überprüfung von Einbürgerungsbewerbern39 und bei der Überprüfung von Personen nach dem Waffen-, Sprengstoff- und Jagdrecht.40 II. Militärischer Abschirmdienst Üblicherweise wird der Militärische Abschirmdienst charakterisiert als Teil der Streitkräfte, der in der Bundeswehr und für die Bundeswehr die Aufgaben wahrnimmt, die außerhalb der Bundeswehr den Verfassungsschutzbehörden obliegen.41 Im Einzelnen sind die Aufgaben in § 1 Abs. 1 bis 3 MADG niedergelegt.42 34 § 2 Abs. 1 Nr. 4 SächsVSG; § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 ThürVSG. § 4 Abs. 1 Nr. 2 VerfSchG-LSA: eingeschränkt auf Strukturen und Tätigkeiten im Sinne der §§ 94 bis 99, §§ 129, 129a StGB. Das ist insoweit ein Mehr an Beobachtung als dass in den übrigen LfV sowie beim BfV die Beobachtung dieser Strukturen das Streben gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung voraussetzt; vgl. Droste, Handbuch, S. 54. 35 Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 BayVSG; § 3 Abs. 1 Nr. 4 SVerfSchG; § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 ThürVSG; § 2 Abs. 2 Nr. 5 LVerfSchG HE. Zur Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch das BfV Droste, Handbuch, S. 55 f., 202 ff. 36 §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 3 Abs. 3 SächsVSG a. F. (Änderungsgesetz vom 15.8.2003, GVBl. S. 313). Jedoch erklärte der SächsVerfGH (NVwZ 2005, 1310 [1312]) den eigenständigen Beobachtungsauftrag der Organisierten Kriminalität ohne Rückkopplung mit dem klassischen Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes im Hinblick auf das in Art. 83 Abs. 3 S. 1 SächsVerf. kodifizierte landesverfassungsrechtliche Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutzbehörde für verfassungswidrig; hierzu unten Vierter Teil: Kapitel 7. Der Landesgesetzgeber strich darauf hin die Aufgabennorm gänzlich (Gesetz vom 28.4.2006, GVBl. S. 129), nachdem ursprünglich der Beobachtungsauftrag in modifizierter Form beibehalten werden sollte (vgl. SächsLT Drs. 4/ 3609, S. 3). 37 In dieser Arbeit ist die weibliche Form der männlichen Form gleichgestellt. Lediglich aus Gründen der Vereinfachung und der Lesbarkeit wurde die männliche Form gewählt. 38 § 3 Abs. 3 Nr. 4 BaWüVerfSchG; Art. 3 Abs. 3 BayVSG; § 2 Abs. 6 ThürVSG; § 2 Abs. 2 Nr. 4 SächsVSG; hierzu Droste, Handbuch, S. 53. 39 § 3 Abs. 3 Nr. 5 BaWüVerfSchG; § 2 Abs. 2 Nr. 5 SächsVSG; § 5 Abs. 3 Nr. 4 VSG Bln. 40 § 3 Abs. 3 Nr. 7 BaWüVerfSchG; § 5 Abs. 3 Nr. 4 VSG Bln. 41 Droste, Handbuch, S. 29 f.; Rose-Stahl, S. 131. Die Aufgaben des Militärischen Abschirmdienstes sind in § 1 MADG abschließend aufgeführt. 42 Danach obliegen dem Militärischen Abschirmdienst der Abschirmauftrag (§ 1 Abs. 1 MADG), die Beurteilung der Abschirmlage (§ 1 Abs. 2 MADG) sowie Mitwirkungsaufgaben (§ 1 Abs. 3 MADG).

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

Besonders hervorzuheben ist, dass dem Militärischen Abschirmdienst nicht die militärische Auslandsaufklärung obliegt. Diese Aufgabe nimmt allein der BND wahr.43 Der Grund liegt (vermutlich) darin, dass bei der Gründung der Bundeswehr der BND schon bestanden und die militärische Auslandsaufklärung bereits betrieben hat.44 Der Militärische Abschirmdienst ist im Jahre 1956 durch Erlass des Ministers der Verteidigung, auf der Grundlage von Art. 65a GG, als Teil der Streitkräfte (Art. 87a GG) errichtet worden.45 Er untersteht dem Bundesministerium der Verteidigung.46 III. Bundesnachrichtendienst Der BND nimmt die Aufgabe des deutschen Auslandsnachrichtendienstes wahr47 und ist dem Bundeskanzleramt zugeordnet.48 Nach § 1 Abs. 2 S. 1 BNDG hat er die folgende Aufgabe: „Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus.“

Der BND weist im Vergleich zu anderen Auslandsnachrichtendiensten zwei Besonderheiten auf: Erstens ist der BND sowohl für die zivile als auch die militärische Auslandsaufklärung zuständig (sog. umfassender Aufklärungsauftrag).49 Und zweitens sind Informationsbeschaffung und Auswertung nicht organisatorisch getrennt, vielmehr obliegen beide Aufgabenbereiche dem BND (sog. Integrationsmodell).50 IV. Aufklärungsgebiete und Zusammenfassung Festzuhalten ist: Die Verfassungsschutzbehörden sind zuständig für die Inlandsaufklärung, der BND betreibt die Auslandsaufklärung und der Militärische Abschirmdienst zeichnet sich für die Sicherheit in der Bundeswehr verantwort43

König, S. 97. Gröpl, S. 44. 45 Zur Entstehung(sgeschichte): König, S. 96 f., Gröpl, S. 54, Hansalek, S. 26 ff. 46 BT-Drs. 11/4306, S. 65; Droste, Handbuch, S. 30. Zur verfassungsrechtlichen Legitimation des Militärischen Abschirmdienstes vgl. Gröpl, S. 77 ff. Zur Organisation des Militärischen Abschirmdienstes vgl. Gröpl, S. 230 ff.; Gusy, DÖV 1983, 60 (60 f.). 47 Zur Entstehungsgeschichte des Auslandsnachrichtendienstes BND und dessen Vorläufer, der „Organisation Gehlen“: Gehlen, S. 94 ff., 121 ff., 165 ff., Ritter, Nachrichtendienste, S. 64 ff., Hansalek, S. 16 ff., Brenner, S. 3 f. 48 § 1 Abs. 1 S. 1 BNDG. 49 Gröpl, S. 229 f. 50 Gröpl, S. 229 f.: beide Prinzipien sollen auf Gehlen zurückzuführen sein. Zur Organisation des BND Gröpl, S. 216 ff. 44

Kap. 1: Bundesamt für Verfassungsschutz

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lich.51 Dabei meinen Inlands- und Auslandsaufklärung das Ziel, aber nicht das ausschließliche Operationsgebiet. Insofern ist zwischen Aufklärungsrichtung und Aufklärungstätigkeit zu unterscheiden. Vor diesem Hintergrund ist der BND zum Zwecke der Auslandsaufklärung auch im Inland tätig.52 Jedoch gilt dies nicht auch umgekehrt uneingeschränkt. Regelmäßig können die Verfassungsschutzbehörden nicht zum Zwecke der Inlandsaufklärung im Ausland tätig sein, weil in dieser Konstellation zugleich stets auch der Aufgabenbereich des BND betroffen ist und von diesem die entsprechende Bearbeitung durchgeführt wird.53 Der Militärische Abschirmdienst hingegen ist durch die Auslandseinsätze der Bundeswehr auch im Ausland tätig.54 Auf Bundesebene gibt es mit dem BfV und dem Militärischen Abschirmdienst zwei Inlandsnachrichtendienste. Im Grundsatz ist der Militärische Abschirmdienst aber allein auf den Bereich Bundeswehr beschränkt, sodass im Hinblick auf die Quantität der Aufklärungstätigkeit dem BfV eine wesentlich höhere Bedeutung zukommt. Gegenüber den LfV zeichnet sich das BfV dadurch aus, dass es im gesamten Bundesgebiet tätig ist.55 Auch ihnen gegenüber kommt dem BfV in quantitativer Sicht eine höhere Bedeutung zu. Im eigentlichen Beobachtungsauftrag unterscheiden sich die Dienste hingegen im Grundsatz nicht. Eine hiervon herausgehobene Stellung nimmt der BND ein, was sich sowohl in Aufklärungsrichtung als auch Aufklärungsauftrag zeigt. Auch wenn es insgesamt 19 Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland gibt, werden im Folgenden – sofern nicht (wie im nachfolgenden Abschnitt) Abweichendes gesondert hervorgehoben wird – die Begriffe „BfV“, „Nachrichtendienst“ und „Verfassungsschutz“ synonym für das Bundesamt für Verfassungsschutz verwandt. Denn allein mit dessen Mitwirkung im strafprozessualen Ermittlungsverfahren setzt sich die Untersuchung auseinander, sodass die sonst allgemeineren Begriffe „Nachrichtendienst“ und „Verfassungsschutz“ nicht in ihrer allgemeinen Bestimmung, sondern konkretisiert auf das BfV verwendet werden können.

C. Grundstrukturen nachrichtendienstlicher Tätigkeit Stand bislang das BfV als solches im Vordergrund, indem seine Aufgaben und seine Position in der deutschen Sicherheitsarchitektur herausgearbeitet worden 51

Rose-Stahl, S. 19. Hierzu Schmidt-Eenboom, S. 187 (196 ff.), sowie Gusy, Die Verwaltung 1984, 273 (278, 280 ff.). 53 Gröpl, S. 247 ff., Haedge, S. 185 ff. 54 Eine spezielle Auslandsregelung findet sich in § 14 MAGD. 55 Zu den damit verbundenen Abstimmungsfragen zwischen BfV und der betroffenen Landesbehörde vgl. §§ 5–7 BVerfSchG, insbesondere § 5 Abs. 2 BVerfSchG. 52

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

sind, geht es nun um die Grundstrukturen nachrichtendienstlicher Tätigkeit als solches. Aufgezeigt werden soll, was einen Nachrichtendienst als Nachrichtendienst von seiner grundsätzlichen Arbeitsstruktur her auszeichnet. Hierzu sind die zentralen Merkmale nachrichtendienstlicher Tätigkeit herauszuarbeiten. Vorab ist jedoch der klassische Arbeitsablauf eines Nachrichtendienstes aufzuzeigen, der schon mangels konkreter Gefahr oder Anfangsverdacht erheblich von dem klassischer Gefahrenabwehr- sowie Strafverfolgungsbehörden abweichen muss. I. Der sog. intelligence cycle Der Arbeitsablauf und damit auch die Tätigkeitsstruktur eines Nachrichtendienstes lassen sich mit Zöller56 als ein Kreislauf (sog. intelligence cycle) beschreiben: Das Modell spiegelt wider, wie die Wahrnehmung der nachrichtendienstlichen Kernaufgabe, d.h. die Aufklärung von Regierungsstellen über politisch bedeutsame Gefährdungspotentiale, erfolgt. Der „intelligence cycle“ setzt sich aus fünf Phasen zusammen. In einer ersten Phase werden durch die politische Führung einschließlich der obersten Fachaufsicht sowie der Leitungsspitze des Nachrichtendienstes die zu verfolgenden Aufklärungsziele wie z. B. die Strukturaufklärung des gewaltbereiten Rechtsextremismus in Deutschland festgelegt.57 Die zweite Phase steht für die Gewinnung der benötigten Informationen durch den Nachrichtendienst (Beschaffung).58 In einer dritten Phase werden die gewonnenen Daten aufgearbeitet (z. B. durch Übersetzung), um sie in Phase vier auswerten zu können.59 Damit können schließlich in Phase fünf die zuständigen Entscheidungsträger über das Geschehen in den Aufklärungszielen in Kenntnis gesetzt werden, die so zur Bestimmung von (neuen) Aufklärungszielen befähigt sind.60 Diesem Modell entspricht im Grundsatz, wie bereits mit dem Beispiel Strukturaufklärung gewaltbereiter Rechtsextremismus angedeutet, auch die Tätigkeitsstruktur des BfV. Die Beobachtungsbereiche werden – im Rahmen des gesetzlichen Beobachtungsauftrages – in der Regel durch die Leitungsebene des Verfassungsschutzes festgelegt, an deren Entscheidung die politischen Entscheidungsträger beteiligt sind.61 Damit soll eine planlose und willkürliche Informationssammlung verhindert werden.62 Als Beispiel für die Involvierung der politi56

Zöller, JZ 2007, 763 (766). Zöller, JZ 2007, 763 (766). 58 Zöller, JZ 2007, 763 (766). 59 Zöller, JZ 2007, 763 (766). 60 Zöller, JZ 2007, 763 (766). 61 Albert, Informationsverarbeitung, S. 99 (108 f.); Droste, Handbuch, S. 88. Im Saarland ist die Einbeziehung des Innenministeriums zwingend vorgeschrieben: § 3 Abs. 1 SVSG. 62 Albert, Informationsverarbeitung, S. 99 (108 f.); Droste, Handbuch, S. 88. 57

Kap. 1: Bundesamt für Verfassungsschutz

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schen Leitungsebene kann die Beobachtung der Scientology-Organisation durch den Verfassungsschutz dienen, die von der Innenministerkonferenz in ihren Beratungen vom 5. und 6. Juni 1997 beschlossen worden ist.63 So hat das BfV die Aufgabe, Informationen zu sammeln und auszuwerten (§ 3 Abs. 1 BVerfSchG). Dabei bedeutet Sammlung das „bewusste Festhalten von Informationen“ und Auswertung die „Aufarbeitung von Informationen durch Bewerten, Aufbewahren und Weitergeben“.64 Für die Sammlung und Auswertung sind – mit Ausnahme der Spionageabwehr – jeweils getrennte Organisationseinheiten (Beschaffung und Auswertung) zuständig.65 Über seine Tätigkeit hat das BfV das Bundesministerium des Inneren zu unterrichten (§ 16 Abs. 1 BVerfSchG), damit die Bundesregierung auf Bedrohungslagen der inneren Sicherheit angemessen reagieren kann.66 Mittel der Unterrichtung sind z. B. Lagebilder oder Analysen über extremistische Organisationen.67 Die Tätigkeit des BfV begrenzt sich jedoch nicht allein auf den von dem „intelligence cycle“ umfassten Informationskreislauf. So existieren umfangreiche Regelungen, auf deren Grundlage eine unmittelbare Übermittlung von Daten durch das BfV auch an Dritte, insbesondere an die Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden möglich ist.68 Auch unternimmt das BfV Tätigkeiten, die mit einer Sammlung bzw. Auswertung von Informationen in keinem Zusammenhang stehen. Namentlich seien die sog. Aussteigerprogramme genannt, die das Ziel verfolgen, Personen aus extremistischen bzw. terroristischen Szenen herauszulösen.69 II. Zentrale Merkmale nachrichtendienstlicher Tätigkeit Die nachrichtendienstliche Tätigkeit zeichnet sich durch Grundprinzipien aus, die eben einen Nachrichtendienst als solchen ausmachen. Zur Realisierung des 63 Vgl. Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Scientology der Verfassungsschutzbehörden, S. 5 (http://www.mik.nrw.de/uploads/media/agsc.pdf; letzter Abruf am 31.10. 2014). Damit endete ein politischer Entscheidungsprozess, der mit der 63. Konferenz der Justizminister und -senatoren vom 18. bis 21. Mai 1992 mit einem entsprechenden Prüfauftrag an die Innenministerkonferenz seinen Anfang nahm; hierzu und zur Entwicklung des Prüfauftrages vgl. Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Scientology der Verfassungsschutzbehörden, S. 115. Zur Rechtmäßigkeit der nachrichtendienstlichen Beobachtung der Scientology Organisation: OVG Münster, Urteil vom 12.2.2008 – 5 A 130/05, BeckRS 2008 33834. 64 Rose-Stahl, S. 66. Zu Informationssammlung und -auswertung insgesamt Singer, S. 282 ff. 65 Albert, Informationsverarbeitung, S. 99 (105 ff.); Droste, Handbuch, S. 87; RoseStahl, S. 67. 66 Droste, Handbuch, S. 453 ff. 67 Droste, Handbuch, S. 453 ff. 68 Vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 2 B. 69 Baumann, FS Posser, S. 299 (301), und kritisch Tolmein, StV 1997, 106 (106 ff.).

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

im „intelligence cycle“ beschriebenen Informationskreislaufes sind insbesondere drei Merkmale nachrichtendienstlicher Tätigkeit herauszuheben: strategische Aufklärung, Opportunitätsprinzip und Quellenschutz. 1. Strategische Aufklärung Seinem Aufklärungsauftrag entsprechend führt der Verfassungsschutz im Grundsatz eine strategische Aufklärung durch.70 Darunter wird die Abklärung der Strukturen von Bestrebungen verstanden, die regelmäßig nur durch eine langfristige, auf Jahre angelegte Beobachtung zu realisieren ist.71 Eine solch systematische Aufklärung ist von der Aufklärung der Handlung einzelner Personen losgelöst.72 Es geht gerade darum, einzelfallunabhängig Informationen über Personen, Gruppierungen, Netzwerke und Organisationen zu erhalten und Entwicklungstendenzen auszumachen.73 Um eine strategische Aufklärung betreiben zu können, sind die Nachrichtendienste bereits im Vorfeld von konkreter polizeirechtlicher Gefahr oder dem Verdacht von Straftaten tätig.74 Ein Verdacht, dass im Zusammenhang mit dem Beobachtungsobjekt Straftaten begangen werden, ist daher regelmäßig75 keine Voraussetzung für eine nachrichtendienstliche Aufklärung.76 Vielmehr kann auch ein legales Verhalten Anlass für eine nachrichtendienstliche Beobachtung bieten.77 Der im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens 1950 von der Bayernpartei geäußerte Vorschlag, nur ungesetzliche Bestrebungen nachrichtendienstlich beobachten zu lassen, setzte sich im parlamentarischen Verfahren nicht durch.78 Aus70 Inwieweit im Zuge der Aufarbeitung des NSU-Skandals die politischen Entscheidungsträger bzw. der Gesetzgeber aufgrund hierbei festgestellter Defizite von dem Grundsatz der strategischen Aufklärung abrücken und eine stärkere Beobachtung und Aufklärung von konkreten Personen forcieren werden, bleibt abzuwarten. 71 Droste, Handbuch, S. 299 f.; Albert, FS BfV 50 Jahre, S. 85 (86). 72 Droste, Handbuch, S. 299. 73 Soiné, ZRP 2008, 108 (110 f.); Baumann, Handbuch für Führungskräfte, S. 115 (126 f.); Werthebach/Droste-Lehnen, ZRP 1994, 57 (60). 74 Forster, S. 80 (81 ff.); Baumann, Handbuch für Führungskräfte, S. 115 (126 f.); Albert, ZRP 1995, 105 (106); Albert, FS BfV 50 Jahre, S. 85 (88). 75 Ausnahme § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2: Bestrebungen, die auf eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane oder ihrer Mitglieder zielen. 76 Droste, Handbuch, S. 299. 77 Albert, FS BfV 50 Jahre, S. 85 (88, 99 f.); Albert, ZRP 1995, 105 (106); Borgs/ Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 9. 78 Dorn, S. 158 ff. MdB Etzel von der Bayernpartei begründete den Vorschlag vor dem Parlament mit den folgenden Worten: „Wir halten es für absolut unmöglich und unerträglich, dass gesetzliche Bestrebungen zur Änderung der Grundordnung selbst, also verfassungsmäßige Bestrebungen, hier aufs Korn genommen werden sollen. [. . .] Wir wollen weder eine Schnüffelorganisation noch einen Geheimdienst. Wir begrüßen gewiss die Unterdrückung der Rechtsbrecher und Rechtsbrüche und auch die Einrichtungen, die ihnen entgegenwirken könnten; aber wir wollen unter keinen Umständen

Kap. 1: Bundesamt für Verfassungsschutz

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druck der strategischen Aufklärung ist die Befugnis des BfV, bereits bei tatsächlichen Anhaltspunkten für das Vorliegen von Bestrebungen oder Tätigkeiten gem. § 3 Abs. 1 BVerfSchG die nachrichtendienstliche Beobachtung aufnehmen zu können (§ 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG).79 Dabei stellen die Anforderungen an die Annahme von tatsächlichen Anhaltspunkten per se keine die Effektivität einer wirksamen Vorfeldaufklärung beeinträchtigende Hürde auf.80 Zwar genügen hierfür bloße Vermutungen nicht; jedoch sind bereits „konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis für den Verdacht“ des Vorliegens von Bestrebungen oder Tätigkeiten gem. § 3 Abs. 1 BVerfSchG ausreichend.81 Der Verdacht kann auch aus einer „Gesamtschau aller vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte“ heraus bejaht werden, wenn und obwohl „jeder für sich genommen einen solchen Verdacht noch nicht zu begründen vermag.“ 82 Eine solche Vorfeldtätigkeit bedeutet aber nicht, dass der Verfassungsschutz ausschließlich im Vorfeld von polizeirechtlichen Gefahren und der Planung und Begehung von Straftaten tätig ist.83 Vielmehr stellen auch sie Teilbereiche der nachrichtendienstlichen Aufklärung dar.84 Die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes endet nicht allein deshalb, weil die Kompetenzen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung beginnen.85 Von daher ist die Ausführung von Staatssekretär Lex missverständlich, der im Rahmen der Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für das BfV im Jahre 1950 ausführte, dass die Aufgabe des Verfassungsschutzes beendet sei, sobald sich das Vorliegen von strafbaren Tatbeständen ergebe und die Polizeibehörden oder die Staatsanwaltschaften in Bewegung zu setzen seien.86 Erstens ist es gerade umgekehrt auch möglich, dass der Verfas-

eine Bespitzelung der Menschen, die auf verfassungsmäßigem Wege eine Fortentwicklung des Grundgesetzes oder der Verfassungen der einzelnen Länder anstreben.“ Protokoll des Deutschen Bundestages, 81. Sitzung, 28. Juli 1950, S. 3079. 79 Mit Schoen, Demokratie, S. 125 (133), und Droste, Handbuch, S. 176, ist § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG trotz seiner Stellung in den Aufgabenzuweisungen als befugnisrechtliche Voraussetzung zu begreifen. 80 Ähnlich Lisken/Denninger/Bergemann, HbdPolR, H Rn. 41. 81 BVerwG NVwZ 2011, 161 (164). 82 BVerwG NVwZ 2011, 161, (164 m.w. N.). 83 Baumann, Handbuch für Führungskräfte, S. 115 (127). 84 Albert, FS BfV 50 Jahre, S. 85 (88); Nehm, NJW 2004, 3289 (3293); Baumann, FS Posser, S. 299 (301). 85 Wolff, DÖV 2009, 597 (603). 86 BT-Prot. 1/65 vom 1.6.1950, S. 2394 D. Es ist zu vermuten, dass Ritter von Lex mit seinen Ausführungen ausschließlich das Fehlen exekutiver Befugnisse seitens der Nachrichtendienste herausstellen wollte. So heißt es wörtlich: „Wir haben in keiner Weise die Absicht, dem Bundesamt für Verfassungsschutz irgendwelche Exekutivbefugnisse zu geben. Es hat Nachrichten zu sammeln. Wenn bei diesem Sammeln von Unterlagen sich ergibt, dass irgendwo strafbare Tatbestände vorliegen, dann sind die ordentlichen Polizeibehörden oder die Staatsanwaltschaften in Bewegung zu setzen. Die Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist dann beendet.“

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

sungsschutz eine Beobachtung erst aufnimmt, wenn bereits ein ausreichender Straftatverdacht vorliegt.87 Zweitens kann auch bei Einschreiten von Polizei und Strafverfolgungsbehörden oder des Bundesinnenministeriums der nachrichtendienstliche Beobachtungsauftrag bestehen bleiben.88 Als ein mögliches Beispiel sei auf das Verbot eines Vereins durch den Bundesinnenminister hingewiesen: Nach einem Verbot dürften die Mitglieder des ehemaligen Vereins regelmäßig weiterhin beobachtet werden, um z. B. zu erkennen, ob ein (getarnter) Ersatzverein gegründet wird. Auch anhand von § 129a StGB89 lässt sich eine überlappende Zuständigkeit von Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutz deutlich machen. So wird in der Regel eine Vereinigung i. S. v. § 129a StGB auch eine Bestrebung i. S. v. § 3 BVerfSchG sein.90 Abschließend sei klarstellend das Folgende herausgestellt: Auch wenn die strategische Aufklärung ihrer primären Zielrichtung entsprechend von den Handlungen einzelner Personen losgelöst ist, fallen hierbei – wie bereits die bisherigen Ausführungen nahelegen – zwingend auch Informationen zu Handlungen von Einzelpersonen an.91 Aus der strategischen Aufklärung wiederum ergeben sich zugleich die weiteren Kennzeichen nachrichtendienstlicher Tätigkeit: Opportunitätsprinzip und Quellenschutz. Unter dem Opportunitätsprinzip wird – im Gegensatz zum Legalitätsprinzip – die Wahlmöglichkeit der Verwaltung verstanden, bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rechtsnorm eigenständig über ihr Tätigwerden zu entscheiden.92 2. Opportunitätsprinzip Der Verfassungsschutz unterliegt im Grundsatz dergestalt einem Opportunitätsprinzip, dass er nicht hinsichtlich jeder Straftat, die er im Rahmen seiner Aufklärungstätigkeit wahrnimmt, die Strafverfolgungsbehörden unterrichten muss.93 Dadurch ist es dem Verfassungsschutz grundsätzlich möglich, Planung und Begehung von Straftaten zu beobachten, ohne selbst einzuschreiten oder die Strafverfolgungsbehörden einschalten zu müssen.94

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Borgs/Ebert, B § 1 G10 Rn. 5. Baumann, Handbuch für Führungskräfte, S. 115 (127); Droste, Handbuch, S. 300; ferner Gröpl, S. 303 ff., 339 ff. 89 § 129a StGB steht als Kennzeichen der Vorverlagerung materiellen Strafrechts; hierzu Zweiter Teil: Kapitel 2 B. IV. 90 Baumann, Handbuch für Führungskräfte, S. 115 (127). 91 Droste, Handbuch, S. 299; Albert, FS BfV 50 Jahre, S. 85 (88); Soiné, ZRP 2008, 108 (111); Baumann, Handbuch für Führungskräfte, S. 115 (126 f.). 92 Lisken/Denninger/Rachor, HdbPolR, E Rn. 105, 134. 93 Vgl. hierzu unten B. II. 6. 94 Albert, FS BfV 50 Jahre, S. 85 (89); Werthebach/Droste-Lehnen, ZRP 1994, 57 (60); Korte, S. 41 (60 f.); Forster, S. 80 (81 ff.). 88

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Als Gründe, die für das Opportunitätsprinzip und damit gegen eine zwingende Einschaltung von Strafverfolgungsbehörden sprechen, werden die folgenden Gefahren vorgetragen: Vereitelung nachrichtendienstlicher Operationen, Enttarnung von Quellen, Verhinderung einer umfassenden Aufklärung, Warnung von Hintermännern oder Mittätern.95 Ein weiterer Grund für eine Nichtweiterleitung von Informationen sollen entsprechende Bedingungen ausländischer Partnerdienste darstellen, mit denen die hiesigen Nachrichtendienste im Rahmen ihrer Zusammenarbeit Informationen austauschen.96 Ohne die Einräumung eines entsprechenden Opportunitätsprinzips wäre eine nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung nicht möglich.97 Ein Beispiel für die verzögerte Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden bieten die Schilderungen von Nollau im Fall Guillaume:98 Obwohl das BfV bereits im Mai 1973 Günter Guillaume als Spion der DDR enttarnt habe, seien noch weitere nachrichtendienstliche Aufklärungsmaßnahmen zur weiteren Beweisgewinnung – insbesondere im Hinblick auf das angestrebte Strafverfahren gegen Guillaume – bis März 1974 durchgeführt worden, ohne dass in dieser Zeit der Generalbundesanwalt beim BGH (im Folgenden: Generalbundesanwalt) oder das BKA informiert worden seien. Das BfV habe sich zu diesem Vorgehen entschlossen, um nicht offenbaren zu müssen, dass die Funksprüche des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR an seine Kundschafter (sprich: Spione) in der Bundesrepublik entschlüsselt worden sind. Von daher habe vor der Enttarnung noch nach anderen Beweisen gesucht werden müssen, um Guillaume zu überführen.99 Ein weiteres Beispiel hat der Verfassungsschützer Helmut Albert im Rahmen einer Anhörung vor dem Sächsischen Landtag geliefert: Nach seiner Aussage wirkte der Verfassungsschutz auch an der Aufklärung der RAF mit. Hierbei habe der Verfassungsschutz „Unterlagen bekommen, die vielleicht manchem schon ausgereicht hätten[,] zu sagen: jetzt greifen wir ein. Aber es ging ja darum, wirklich herauszubekommen, wo sich denn die ,Brüder‘ treffen usw.“ 100 Deshalb habe der Verfassungsschutz zunächst weiterermittelt und die Erkenntnisse noch nicht den Strafverfolgungsbehörden übermittelt.101

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Droste, Handbuch, S. 280; ferner Korte, S. 41 (60 f.). Singer, S. 111. Nach Werthebach (Stenografisches Protokoll der mündlichen Anhörung zu LT-Drs. 3/6212, am 4.11.2002, S. 22) übermitteln ausländische Nachrichtendienste der deutschen Polizei keine sensiblen quellengeschützten Informationen, weil diese zu nah an der Justiz sei. 97 Droste, Handbuch, S. 280; Korte, S. 41 (60 f.). 98 Nollau, Das Amt, S. 254 ff., 284 f. 99 Nollau, Das Amt, S. 254 ff., 284 f. 100 Sächsischer Landtag, Drs. 3/9582, S. 31. 101 Sächsischer Landtag, Drs. 3/9582, S. 31. 96

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3. Quellenschutz Der geheime Mitarbeiter oder geheime Nachrichtenzuträger (Informant) ist für einen Nachrichtendienst zur Erkenntnisgewinnung essentiell. Denn „[h]äufig ist es erst der geheime Mitarbeiter, welcher die ,alles entscheidenden‘ Informationen liefert.“ 102 Für die Form der Informationsbeschaffung durch Menschen steht der nachrichtendienstliche Terminus „menschliche Quelle“.103 Wichtige Beispiele hierfür stellen der Under-Cover-Agent (UCA)104 sowie die sog. V-Person 105 dar. Wegen der herausragenden Bedeutung von menschlichen Quellen ergreift der Verfassungsschutz in der Regel umfangreiche Maßnahmen, um diese vor Enttarnung zu schützen.106 Entsprechend wird versucht, quellengestützte Informationen an Dritte nur dergestalt weiterzugeben, dass Rückschlüsse auf die Quelle ausgeschlossen sind.107 Dass dem Quellenschutz auch in der Gegenwart trotz allgegenwärtiger Technisierung und Digitalisierung seitens des Verfassungsschutzes eine herausragende Bedeutung zugeschrieben wird, wurde jüngst bei der Aufarbeitung des NSUKomplexes in Thüringen deutlich. So erklärte ein ehemals zuständiger Abteilungsleiter im thüringischen LfV gegenüber der Schäfer-Kommission, dass „nur in absoluten Ausnahmefällen von besonderer Bedeutung die Dienste darüber nachdenken können und müssen, quellengeschützte Nachrichten weiterzugeben“.108 Als besonders problematisch sah er hierbei an, dass dokumentierte Eingänge oder Ausgänge „im Zweifel spätestens im Strafverfahren zur Enttarnung und Gefährdung der Quelle“ führen können.109

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Droste, Handbuch, S. 280. Vgl. Droste, Handbuch, S. 280. 104 Korte, S. 41 (70 f., 92 ff.): Ein Under-Cover-Agent ist ein langfristig verdeckt arbeitender Mitarbeiter des Nachrichtendienstes, der unter einer Legende auftritt. Demgegenüber abgestuft, da nur auf den Einzelfall ausgerichtet, ist die Ermittlung unter einer Legende; Korte, S. 41 (92). 105 Die V-Person ist ein geheimer, dem Nachrichtendienst nicht angehörender Mitarbeiter, der über einen längeren Zeitraum gegen Bezahlung mit dem Nachrichtendienst zusammenarbeitet „und in der Regel wegen seiner Zugehörigkeit aus einem Beobachtungsobjekt geheim berichten kann“; Droste, Handbuch, S. 268 f. Ferner Korte, S. 41 (88 f.); Borgs/Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 159; Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 BVerfSchG Rn. 150 ff. 106 Droste, Handbuch, S. 280 f. 107 Droste, Handbuch, S. 280 f.; Soiné, NStZ 2007, 247 (247); ähnlich Nehm, NJW 2004, 3289 (3295). Ferner Werthebach, dk 2003, 326 (328): Merkmal der Verfassungsschutz-Mentalität sei es, „möglichst viel über die zu beobachtende Organisation zu wissen“ und das Wissen „nur sehr selektiv an Dritte weiterzugeben“. 108 Schäfer, Gutachten, Rn. 365. 109 Schäfer, Gutachten, Rn. 365. Kritisch zu den daraus im ThürLfV gezogenen Konsequenzen einer weitgehenden Zurückhaltung von wesentlichen Erkenntnissen äußert sich Schäfer-Kommission: Schäfer, Gutachten, Rn. 376. 103

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Für die hohe Bedeutung der menschlichen Quelle sprechen aus nachrichtendienstlicher Sicht drei Gründe:110 Erstens sei der Einsatz von menschlichen Quellen sehr zeit- und kostenintensiv. Von daher erfolge der Einsatz „menschlicher Quellen“ stets mit dem Ziel langfristiger Erkenntnisgewinnung. Nachrichtendienstliche Quellen sollten also nicht aufgrund eines einzelnen Strafverfahrens „verbrannt“ werden.111 Zweitens würden sich einige Hinweisgeber dem Verfassungsschutz insbesondere mit dem Blick auf das Opportunitätsprinzip anvertrauen, z. B. weil sie sich selbst strafbar gemacht haben.112 Und drittens würden auch Opfer, die Sanktionen der Täter fürchten, den Verfassungsschutz als Ansprechpartner aufsuchen.113

D. Befugnisse zur aktiven Informationsbeschaffung Der Nachrichtendienst kann seine Informationen durch aktives oder passives Verhalten gewinnen. Während unter aktiver Informationsgewinnung die Beschaffung der Informationen durch das BfV selbst zu verstehen ist, ist mit passiver Informationsgewinnung das spontane Übermitteln von Informationen durch Dritte an den Verfassungsschutz sowie der Rückgriff auf Informationen von anderen Behörden gemeint. Die Befugnisse zur Erhebung und Auswertung sind in den §§ 8 bis 26 BVerfSchG geregelt.114 Im Folgenden geht es allein um die klassische originäre Informationserhebung durch das BfV, d.h. die aktive Beschaffung von Informationen aus dem Informationsbeherrschungsbereich von Privaten. I. Überblick über die Regelungen Die Befugnisnormen zur originären Informationserhebung durch das BfV finden sich innerhalb des BVerfSchG in den §§ 8, 8a und 9 BVerfSchG. § 8 Abs. 1 110 Insgesamt zur Begründung des Quellenschutzes auch Korte, S. 41 (60 f.). Nach Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 BVerfSchG Rn. 161, dient der Quellenschutz erstens dem persönlichen Schutz der Quelle (hierzu Fall Stiller BVerfG NJW 1981, 1719) und zweitens dem Schutz des Nachrichtendienstes vor „Verbrennen“. Auch der Gesetzgeber anerkennt die Notwendigkeit eines nachrichtendienstlichen Quellenschutzes, vgl. BT-Drs. 16/2950, S. 12. Zur praktischen Unvereinbarkeit des nachrichtendienstlichen Quellenschutzes mit den Anforderungen der Strafverfolgung vgl. auch Nollau, Das Amt, S. 222 ff. 111 Droste, Handbuch, S. 280. 112 Droste, Handbuch, S. 280. 113 Droste, Handbuch, S. 281. 114 Hierbei lässt sich die folgende Struktur skizzieren: § 8 Abs. 1 BVerfSchG befugt das BfV via Generalklausel zur Erfüllung seiner Aufgaben die erforderlichen Informationen zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen. Darauf aufbauend finden sich in den anschließenden Paragrafen spezielle Regelungen zu den einzelnen Phasen (originäre Informationserhebung: § 8 Abs. 2 bis 5, § 8a und § 9 BVerfSchG; nachrichtendienstinterne Auswertung der erhobenen Informationen: §§ 10 bis 16 BVerfSchG; zentrale Übermittlungsvorschriften: §§ 17 bis 26 BVerfSchG).

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BVerfSchG befugt als Generalklausel das BfV, die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Information zu erheben. Verdrängt wird die Generalklausel durch spezielle Regelungen für bestimmte Formen der Informationserhebungen: den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel (§§ 9, 8 Abs. 2 BVerfSchG)115 und den Besonderen Auskunftsverlangen gegenüber Privaten (§ 8a BVerfSchG). In § 8 Abs. 3, 4 und 5 BVerfSchG schließlich sind die allgemeinen Grundsätze nachrichtendienstlicher Tätigkeit niedergelegt. Sie gelten für jede Informationserhebung auf der Grundlage des BVerfSchG. Während § 8 Abs. 5 BVerfSchG den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit normiert und § 8 Abs. 4 BVerfSchG besondere Kriterien für die offene Datenerhebung beim Betroffenen selbst aufstellt, enthält § 8 Abs. 3 BVerfSchG für den Verfassungsschutz das Verbot polizeilicher Befugnisse, worauf im Folgenden noch näher eingegangen wird.116 § 8b BVerfSchG enthält die Verfahrensregelungen zu den Besonderen Auskunftsverlangen nach § 8a BVerfSchG. Eine spezialgesetzliche Regelung hat die Befugnis zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation sowie der Öffnung und Einsehung von Sendungen, die dem Brief- oder Postgeheimnis unterfallen, erfahren. Die Befugnis hierzu ist entgegen Haedge117 für das BfV abschließend in § 3 G10 geregelt. II. Generalklausel des § 8 Abs. 1 BVerfSchG Nach § 8 Abs. 1 BVerfSchG darf das BfV „die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben“. Die Ermächtigungsnorm ist jedoch gesetzessystematisch dadurch begrenzt, dass keine speziellen Befugnisnormen für die Form der Informationserhebung bestehen dürfen.118 So lautet denn auch der zweite Halbs. von § 8 Abs. 1 BVerf115 Eine gewisse Sonderrolle nahm hierbei die Befugnis zur Eigensicherung gem. § 9 Abs. 2 S. 8 bis 13 BVerfSchG a. F. ein. Sonderrolle deshalb, weil technische Mittel zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen nicht zur primär-aufklärenden Informationserhebung eingesetzt werden, sondern anderweitige Informationserhebung absichern sollen. – Zur Historie dieser Befugnis unten Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. b). 116 Vgl. unten Zweiter Teil: Kapitel 1 D. V. 117 Nach Haedge, S. 129, besitzen auch in den Fällen einer Ermittlungstätigkeit nach G10 die Voraussetzungen in § 9 Abs. 1 BVerfSchG eine eigenständige Bedeutung. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen. Das G10 stellt gegenüber den Befugnisnormen im BVerfSchG eine unabhängige Spezialregelung dar; wie hier Roewer/Höhn, ThürVBl. 1997, 193 (200). 118 Vgl. BT-Drs. 11/4306, S. 61: „keine Auffangvorschrift“. Die in (den gesamten Bereich nachrichtendienstlicher Tätigkeit abdeckende Generalklausel) § 8 Abs. 1 BVerfSchG ebenfalls enthaltene Begrenzung durch entgegenstehende Vorschriften nach Bundesdatenschutzgesetz kommt im Rahmen der Datenerhebung keine praktische Bedeutung zu. Die in § 13 BDSG geregelte Erhebung personenbezogener Daten findet gem. § 27 BVerfSchG bei der Erfüllung der in § 3 Abs. 1 BVerfSchG genannten Aufgaben durch das BfV keine Anwendung.

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SchG: „[S]oweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen.“ Da die Informationserhebung mittels nachrichtendienstlicher Mittel mit §§ 9, 8 Abs. 2 BVerfSchG spezielle Regelungen erfahren hat und demnach ein Rückgriff auf § 8 Abs. 1 BVerfSchG ausgeschlossen ist, kommt als Anwendungsbereich für § 8 Abs. 1 BVerfSchG faktisch nur die offene Informationsbeschaffung in Betracht, d.h. die Gewinnung von Informationen aus offenen Quellen119 sowie aus offenen Befragungen120, sofern es nicht um die Erteilung von Auskünften durch Dienstleistungsanbieter gem. § 8a BVerfSchG geht. III. Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel Einer näheren Ausführung bedarf die Normenstruktur, die den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel regelt. Dass das BfV befugt ist, nachrichtendienstliche Mittel zur Informationserhebung einzusetzen, ergibt sich aus § 8 Abs. 2 BVerfSchG. Wann allerdings das BfV nachrichtendienstliche Mittel einsetzen kann, regelt § 9 BVerfSchG. Insoweit verhalten sich § 9 und § 8 Abs. 2 BVerfSchG wie Tatbestand und Rechtsfolge: Wenn die Voraussetzungen zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel vorliegen (§ 9 BVerfSchG), dann ist deren Einsatz zulässig (§ 8 Abs. 2 BVerfSchG).121 1. Nachrichtendienstliche Mittel Das Schlagwort vom Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel steht für das Kennzeichen für Nachrichtendienste.122 Im Allgemeinen herrscht aber über die inhaltliche Bedeutung von diesem Schlagwort Unkenntnis. Als das BfV im Jahre 1950 seine Arbeit aufnahm, enthielt das BVerfSchG (1950) noch keine Aussage zum nachrichtendienstlichen Mittel. Erst mit der Novellierung des BVerfSchG (1950) im Jahre 1972 wurde die Befugnis aufgenommen, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden.123 Was nachrichtendienstliche Mittel sein sollen, darüber schwieg das Gesetz. Eine inhaltliche Präzisierung des Begriffs erachtete der Gesetzgeber als „untunlich“.124 Im Zuge der Neufassung des BVerfSchG im Jahre 1990 erfuhr 119 Nach Droste, Handbuch, S. 227, sind unter dem nachrichtendienstlichen Begriff „offene Quellen“ Informationsträger zu verstehen, „die für jedermann, wenn auch nur unter gewissen Umständen“ (z. B. in einem Szenelokal oder bei Veranstaltungen), zugänglich sind wie z. B. Zeitungen, Rundfunksendungen, Flugblätter. 120 Hierzu Droste, Handbuch, S. 227. 121 Gusy, DVBl. 1991, 1288 (1291). 122 Bäumler, NVwZ 1991, 643 (644). 123 Gesetz vom 7.8.1972, BGBl. I S. 1382; § 3 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG (1950): „Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben [. . .] ist es befugt, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden.“ 124 BT-Drs. VI/3533, S. 5.

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(auch) der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel eine Neuregelung und damit die heutige Struktur. Während noch der Regierungsentwurf vorsah, im Gesetz die nachrichtendienstlichen Mittel allein mit der Formel „Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung“ zu definieren und deren Benennung ausschließlich in einer Dienstvorschrift vorzunehmen,125 setzte sich im Laufe des parlamentarischen Verfahrens der Vorschlag des Bundesrates durch, exemplarisch einzelne Fallgruppen nachrichtendienstlicher Mittel zu benennen.126 Im Zuge dieser Umstellung ist der Terminus nachrichtendienstliches Mittel aus dem Gesetzestext gestrichen worden, die entsprechenden Befugnisse firmieren nun als „besondere Form der Datenerhebung“.127 Nach § 8 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG darf das BfV „Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung“ anwenden.128 Aus dieser gesetzlichen Regelung lässt sich mit Gusy129 die folgende Befugnis ableiten: 1. Das BfV ist zum Einsatz von Mitteln zur Informationsbeschaffung ermächtigt. Das sind Mittel, durch deren Einsatz die Erlangung der Information entweder selbst realisiert oder aber vorbereitet wird. Als Beispiel kann für die erste Alternative das Abhörgerät und für die zweite Alternative das Tarnkennzeichen genannt werden.130 2. Der Einsatz der nachrichtendienstlichen Mittel muss der geheimen Informationsbeschaffung dienen. Das ist dann der Fall, wenn der Vorgang der Informationsbeschaffung von dem Betroffenen nicht bemerkt (z. B. Überwachung der Telekommunikation) oder dem Verfassungsschutz nicht zugerechnet wird (z. B. Unterhaltung mit einem Under-Cover-Agent131).132 3. Das Mittel muss ansonsten rechtlich unzulässig sein. Für Maßnahmen, die sich innerhalb des Rahmens der allgemeinen Rechtsordnung bewegen (§ 3 Abs. 3 BVerfSchG), bedarf es keiner speziellen Ermächtigungsnorm. Die grundsätzliche rechtliche Unzulässigkeit kann sich z. B. ergeben aus grund-

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BT-Drs. 11/4306, S. 26. BT-Drs. 11/4308, S. 85; unterstützt vom Innenausschuss: BT-Drs. 11/7235, S. 57. 127 § 9 BVerfSchG amtliche Überschrift. 128 Zur – vorliegend irrelevanten – rechtlichen Bedeutung und Entstehungsgeschichte von § 8 Abs. 2 S. 2 und 3 BVerfSchG vgl. Gusy, DVBl. 1991, 1288 (1293 f.). 129 Gusy, DVBl. 1991, 1288 (1290 f.). 130 Vgl. Gusy, DVBl. 1991, 1288 (1291). Unter die zusammenfassende Bezeichnung Mittel der Informationsbeschaffung fallen sowohl nachrichtendienstliche Mittel als auch nachrichtendienstliche Hilfsmittel; zu dieser Differenzierung Korte, S. 41 (51 ff.); Schimpff, S. 64 ff.; Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 BVerfSchG Rn. 137, 175 ff., 183 ff.; Borgs/Ebert, A § 3 Rn. BVerfSchG 140 ff. 131 Zum Under-Cover-Agent vgl. Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. a). 132 Vgl. insgesamt Gusy, DVBl. 1991, 1288 (1291); Roewer/Höhn, ThürVBl. 1997, 193 (198). 126

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rechtlich geschützten Positionen (z. B. Observation) oder aus entgegenstehendem einfachen Gesetzesrecht (z. B. BDSG).133 Auf die damit im unmittelbaren Zusammenhang stehende Problematik, innerhalb welcher Grenzen Angehörige des Verfassungsschutzes und die vom BfV geführten Personen im Rahmen ihrer nachrichtendienstlichen Tätigkeit grundsätzlich strafrechtlich relevante Handlungen begehen können, kann an dieser Stelle nur hingewiesen werden.134 – Das OLG Düsseldorf 135 hat in einem Urteil aus dem Jahr 2011 eine Person wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gem. § 129b Abs. 1 i.V. m. § 129a Abs. 1 StGB verurteilt, obwohl der Angeklagte in diesem Zusammenhang als V-Person für den BND tätig war. In der Begründung führt das Gericht aus, dass (§ 3 BNDG i.V. m.) § 8 Abs. 2 BVerfSchG keine hinreichend konkret ausgestaltete Befugnisnorm darstelle, um die Rechtswidrigkeit von Straftatbeständen entfallen zu lassen.136 Da der vom OLG Düsseldorf entschiedene Fall faktisch ein typisches Einsatzszenario von V-Personen der Nachrichtendienste widerspiegeln wird137, könnte sich der Gesetzgeber zu einer alsbaldigen Änderung der Gesetzeslage veranlasst sehen.138 In § 8 Abs. 2 BVerfSchG hat der Gesetzgeber beispielhaft nachrichtendienstliche Mittel aufgelistet („Einsatz von Vertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen, Tarnpapiere und Tarnkennzeichen“). Die Aufzählung ist aber keineswegs abschließend; stattdessen ist die Befugnisnorm offen ausgestaltet, auch um auf technischen Fortschritt in der verdeckten Informationsbeschaffung schnell reagieren zu können.139 Im Gegensatz dazu finden sich in einigen Landesverfassungsschutzgesetzen ausführliche Kata-

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Vgl. insgesamt Gusy, DVBl. 1991, 1288 (1290). Ausführlich hierzu Droste, Handbuch, S. 359 ff.; ferner: Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 Rn. 169 ff., 179 ff.; Borgs/Ebert, A § 3 Rn. 152 f.; Korte, S. 41 (58 f., 72, 88, 94); kritisch: Schlink, Amtshilfe, S. 273; Schatzschneider, Ermittlungstätigkeit, S. 218 f.; Bäumler, AöR 1982, 30 (49). Speziell zum Problem des – nicht statthaften (streitig) – Rückgriffs auf § 34 StGB vgl. Korte, S. 41 (59); Borgs/Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 153; Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 34 Rn. 7. Zum speziellen Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung eines Amtsrechtes: LK/Rönnau, StGB, Vor § 32 Rn. 233 ff., 244 ff.; Roxin, StrafR AT I, S. 417; Droste, Handbuch, S. 363 f. 135 NStZ 2013, 590. 136 OLG Düsseldorf NStZ 2013, 590 (591). 137 Das deutet auch das OLG Düsseldorf NStZ 2013, 590 (591) an. 138 Eine die Strafbarkeit negierende Befugnisnorm erkennt offenbar auch Soiné, NStZ 2013, 83 (86), in den nachrichtendienstlichen Generalklauseln zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel nicht. Stattdessen stellt Soiné auf § 34 StGB ab, sofern ausdrücklich normierte gesetzliche Erlaubnistatbestände wie z. B. § 6 Abs. 3 S. 2 NVerfSchG fehlen. – Allerdings hat das OLG Düsseldorf NStZ 2013, 590 (592 f.), einen Rückgriff auf beide Varianten im Hinblick auf § 129a StGB ausgeschlossen. 139 Gusy, DVBl. 1991, 1288 (1291); Haedge, S. 125; ferner: BT-Drs. 11/4308, S. 85. 134

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loge an nachrichtendienstlichen Mitteln140, in denen sich jedoch wiederum stets unbestimmte Rechtsbegriffe wie „verdeckte Ermittlungen und Befragungen“ 141 und zum Teil offene Auffangklauseln wie „weitere vergleichbare Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung“ 142 finden. Von daher ist auch in diesen Fällen die von Bergemann vorgenommene Einstufung als abschließende Kataloge143 mit einem Vorbehalt zu versehen. Auch kann deshalb nicht weiterführend zur näheren Bestimmung der nachrichtendienstlichen Mittel auf die entsprechenden Landesausführungen verwiesen werden, obwohl aufgrund des bestehenden Verfassungsschutzverbundes144 davon ausgegangen werden kann, dass die zum Einsatz vorgesehenen nachrichtendienstlichen Mitteln zwischen den einzelnen Verfassungsschutzbehörden weitestgehend einander entsprechen werden. Die in § 8 Abs. 2 BVerfSchG geführte Auflistung nachrichtendienstlicher Mittel kann noch weiter angereichert bzw. präzisiert werden. So sind z. B. die folgenden weiteren Mittel bekannt: Wohnraumüberwachung145, Wohnraumüberwachung zur Eigensicherung von Einsatzkräften (sog. bemannte Wanze)146, Telekommunikationsüberwachung147, IMSI-Catcher148, heimliche Brief- und Postkontrolle149, Under-Cover-Agent150 sowie Computerhacking151. 2. Voraussetzungen zum Einsatz Zwar stellen all diese eben aufgeführten Maßnahmen nachrichtendienstliche Mittel dar, jedoch kann der Verfassungsschutz allein wegen dieser Zuordnung von den Mitteln noch keinen Gebrauch machen. § 8 Abs. 2 BVerfSchG stellt keine Befugnisnorm dar. Die Zulässigkeit des Einsatzes nachrichtendienstlicher 140 § 6 Abs. 3 BbgVerfSchG, § 6 Abs. 2 VSG Bln, § 8 Abs. 1BremVerfSchG, § 8 Abs. 2 HambVerfSchG, § 10 Abs. 1 LVerfSchG M-V, § 6 Abs. 1 NVerfSchG, § 5 Abs. 2 VSG NRW; § 8 Abs. 2 LVerfSchG S-H. 141 Vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 5 LVerfSchG M-V, § 8 Abs. 1 Nr. 5 BremVerfSchG. 142 Vgl. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 VSG Bln; § 8 Abs. 1 Nr. 12 HambVerfSchG; § 5 Abs. 2 Nr. 12 VSG NRW. 143 Lisken/Denninger/Bergemann, HdbPolR, H Rn. 77. 144 Vgl. §§ 1 und 2 BVerfSchG. 145 Vgl. unten Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. b). 146 Vgl. unten Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. b). 147 Vgl. unten Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. b). 148 Vgl. unten Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. b). 149 Vgl. unten Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. b). 150 Zum Under-Cover-Agent vgl. oben Fn. 104. 151 Unter dem im allgemeinen undifferenziert gebräuchlichen Sammelbegriff soll mit Droste, Handbuch, S. 356, der Zugriff auf informationstechnologische Systeme, Rechnersysteme oder Server durch Ausnutzung systemimmanenter Sicherheitslücken/ Schwachstellen (sog. Hacking) oder aber durch einen technischen Angriff (sog. Trojanisches Pferd) verstanden werden.

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Mittel ist für das BfV – mit Ausnahme der Befugnis zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation sowie der Öffnung und Einsehung von Sendungen, die dem Brief- oder Postgeheimnis unterfallen, die in § 3 G10 abschließende Sonderregelung erfahren hat152 – in § 9 BVerfSchG geregelt. a) Generalklausel des § 9 Abs. 1 BVerfSchG Auch im Hinblick auf die Befugnis zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel bedient sich der Gesetzgeber mit § 9 Abs. 1 BVerfSchG einer Generalklausel, die ihrerseits auf der allgemeinen Befugnisnorm von § 8 BVerfSchG aufbaut und diese konkretisiert. Die Gestaltung einer solch offenen Norm ist bewusst gewählt worden. Genaue Einsatzmodalitäten sollen nicht geregelt werden, um die Tätigkeit des BfV einerseits nicht berechenbar zu machen und andererseits flexibel zu halten.153 Zusammengefasst kann das BfV nach der Generalklausel nachrichtendienstliche Mittel einsetzen zur unmittelbaren Wahrnehmung des Beobachtungsauftrages (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BVerfSchG), zur Gewinnung von Quellen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BVerfSchG) sowie zur Eigensicherung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG), wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme der Zweckerreichung vorliegen und der Einsatz auch verhältnismäßig ist. Weitere Anforderungen bestehen nach der Generalklausel zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel nicht. Mit dieser Formel allein wäre nahezu jedes vorstellbare geheime Informationsbeschaffungsmittel für den Verfassungsschutz einsetzbar. Allerdings unterliegt die Generalklausel wie jede andere Datenerhebungsbefugnis auch verfassungsrechtlichen Grenzen. Von besonderer Relevanz ist hierbei – unter Ausklammerung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Allgemeinen154 – zunächst das sich aus Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG ergebende Zitiergebot. So sind Eingriffe in die Schutzbereiche von Art. 10 und Art. 13 GG aufgrund eines Gesetzes nur möglich, wenn das Gesetz das einschränkende Grundrecht benennt.155 Da für einen Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel aufgrund § 9 Abs. 1 BVerfSchG eine solche Zitierklausel nicht besteht, ermächtigt diese Befugnisnorm folglich gerade nicht zu Eingriffen in die Schutzbereiche von Art. 10 und Art. 13 GG.156 Neben dem Zitiergebot ist zudem das Erfordernis einer spezialgesetzlichen Regelung 152

Hierzu bereits oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. I. Vgl. hierzu z. B. BT-Drs. 11/4306, S. 61, 85, 94; BT-Drs. VI/3533, S. 5; BT-Drs. 11/7235, S. 57. 154 Zur (weitgehenden) Ausklammerung des Verfassungsrechts vgl. bereits oben Erster Teil: B. Einen Überblick zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geben Sachs/ Sachs, GG, Art. 20 Rn. 145 ff.; Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 80 ff. 155 Mittag, S. 142 ff.; Sachs/Sachs, GG, Art. 19 Rn. 25 ff.; Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 3 ff. 156 So auch Gusy, DVBl. 1991, 1288 (1291). 153

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

kraft besonders intensiven Grundrechtseingriffs von besonderer Relevanz, welches auch neben den besonders intensiven Eingriffen in Art. 10 und Art. 13 GG Bedeutung erlangen kann. So hat das BVerfG herausgestellt, dass Eingriffe in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme eine besondere gesetzliche Ausgestaltung der Eingriffsnorm inklusive besonderer verfahrensrechtlicher Absicherungen verlange.157 Diesen Anforderungen wird eine Generalklausel gerade nicht gerecht, auch wenn es eine nachrichtendienstliche ist, da die Mindestanforderungen absolut sind. Folglich kann das nachrichtendienstliche Mittel Computerhacking158 nicht auf der Grundlage der Generalklausel eingesetzt werden. Abschließend soll klarstellend herausgehoben werden, dass der Verfassungsschutz den Einsatz von menschlichen Quellen (z. B. Under-Cover-Agent und V-Personen) und damit einer seiner noch heute wichtigsten Arbeitsgrundlagen im Grundsatz auf die nachrichtendienstliche Generalklausel stützen kann.159 b) Spezielle Befugnisnormen Um dem Verfassungsschutz auch nachrichtendienstliche Eingriffe in die von Art. 10 und Art. 13 GG geschützten Bereiche zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber spezielle Befugnisnormen zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel geschaffen, die jeweils (zumindest) den Anforderungen an das Zitiergebot genügen. So hat der Verfassungsschutz gem. § 9 Abs. 2 BVerfSchG unter den dort genannten Voraussetzungen die Befugnis, das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln heimlich mitzuhören und aufzuzeichnen oder einen verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen durchzuführen.160 Dem Verfassungsschutz 157 BVerfG Urteil vom 27.2.2008, BVerfGE 120, 274 (sog. Online-Durchsuchung). Zur Online-Durchsuchung: Roggan, Online-Durchsuchungen, S. 97 ff.; Lepsius, S. 21 ff.; Kühne, Online-Durchsuchen, S. 85 ff.; Hoffmann-Riem, JZ 2008, 1009 ff.; Beulke/Meininghaus, StV 2007, 63 ff.; Eifert, NVwZ 2008, 521 ff.; Hömig, Jura 2009, 207 ff.; Hornung, DuD 2007, 575 ff. Vertiefend zum Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme: Drallé, S. 13 ff., sowie Herrmann, S. 107 ff. 158 Vgl. hierzu oben Fn. 151. 159 Regelungsbedarf könnte sich aber aufgrund der Rechtsprechung des OLG Düsseldorfs NStZ 2013, 590 zur Strafbarkeit von V-Personen wegen § 129b StGB ergeben; hierzu bereits oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 1. 160 Insbesondere an dieser Stelle ist noch einmal ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Frage der Vereinbarkeit der Befugnisnorm mit den Grundrechten in dieser Untersuchung ausgeblendet bleibt (bleiben muss). Dass § 9 Abs. 2 BVerfSchG nicht (mehr) den Anforderungen an Art. 13 GG gerecht wird, ist offenkundig. So stammt die Befugnisnorm im BVerfSchG noch vor der Reform von Art. 13 GG im Jahr 1998 (BGBl. I S. 610) und der darauf ergangenen Entscheidung zum Großen Lauschangriff durch das BVerfG (BVerfGE 109, 279). Dessen Vorgaben sind noch nicht umgesetzt worden. So fehlt z. B. jedwede Regelung zum Schutz des Kernbereichs privater Lebens-

Kap. 1: Bundesamt für Verfassungsschutz

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steht also das nachrichtendienstliche Mittel der Wohnraumüberwachung zur Verfügung. Da das Gesetz den technischen Mitteleinsatz nicht näher eingegrenzt hat, sind sowohl akustische als auch optische Überwachungsmaßnahmen möglich.161 Des Weiteren ist das BfV befugt, „technische Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes und zur Ermittlung der Geräte- oder Kartennummer ein[zu]setzen.“ Die Befugnis wurde mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz als § 9 Abs. 4 BVerfSchG eingefügt und ist durch das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz im Jahre 2007162 erweitert und neu gefasst worden. Damit wird dem BfV der Einsatz von IMSI-Catcher ermöglicht.163 Hierbei ist besonders hervorzuheben, dass der Einsatz eines IMSI-Catchers entgegen einer Kammerentscheidung des BVerfG vom 22. August 2006164 einen Eingriff in Art. 10 GG darstellt165, denn das Fernmeldegeheimnis soll dem Kommunikationsteilnehmer den Schutz gewährleisten, der ohne Einsatz eines entsprechenden Mediums bestünde.166 Der Schutzbereich ist also nicht dahingehend verkürzt, nur das klassische Telefongespräch als solches zu erfassen. Von daher greift der Begründungsansatz des BVerfG167 zu kurz, wenn es darauf abstellt, bei einem IMSI-Catcher-Einsatz würden allein technische Geräte miteinander kommunizieren.168 Völlig zu Recht hat daher der IMSI-Catcher-Einsatz eine von der Generalklausel losgelöste Regelung erfahren. Auch wurde über § 9 Abs. 4 S. 8 BVerfSchG a. F. dem Zitiergebot genüge getan.169 Mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 7. Dezember 2011 hat sich der Gesetzgeber jedoch der oben genannten Kammerentscheidung des

gestaltung; vgl. hierzu BVerfGE 109, 279 (320 ff.); BKGG/Ziekow/Guckelberger, Art. 13 Rn. 100; Jarass/Pieroth, Art. 13 Rn. 30 i.V. m. 26. Dem Konzept dieser Untersuchung (vgl. oben Erster Teil: B.) folgend, wird von dem einfachen Gesetzestext ausgehend die Durchführung einer Wohnraumüberwachung aufgrund § 9 Abs. 2 BVerfSchG angenommen. 161 Droste, Handbuch, S. 314. 162 Gesetz vom 5.1.2007, BGBl. I S. 2. 163 Bei Fox, DuD 2002, 212 (213 f.), findet sich eine Beschreibung des IMSI-Catcher-Einsatzes. 164 BVerfG NJW 2007, 351. So auch KK/Nack, StPO, § 100i Rn. 5; Günther, NStZ 2005, 485 (491 f.). 165 So auch die h. M. vgl. Nachbaur, NJW 2007, 335 (337); Gercke, MMR 2003, 453 (455); Denkowski, Kriminalistik 2002, 117 (119), jeweils m.w. N. Auch der Gesetzgeber verfolgte offenbar zunächst diesen Ansatz wie sich aus § 9 Abs. 4 S. 8 BVerfSchG a. F. ergibt. 166 Vgl. BVerfGE 85, 396; 106, 36; 107, 313; auch in BVerfGE 113, 365 geht das Gericht davon aus, dass Verbindungsdaten und Standortkennung von Mobilfunkeinrichtungen von Art. 10 GG geschützt werden. 167 BVerfG NJW 2007, 351. 168 Im Ergebnis wie hier Jach, DÖV 2012, 797 (801). 169 § 9 Abs. 4 S. 8 BVerfSchG a. F. lautete: „Das Grundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.“

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

BVerfG angeschlossen und „aus Gründen der Rechtsklarheit die Aussage gestrichen, dass auf Grund des § 9 Abs. 4 BVerfSchG das Grundrecht aus Artikel 10 des Grundgesetzes eingeschränkt werde.“ 170 Nach § 3 i.V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 G10 ist das BfV zudem „berechtigt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen“ sowie „die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen zu öffnen und einzusehen.“ Beide Maßnahmen werden hierbei – der Definition des nachrichtendienstlichen Mittels entsprechend – heimlich, d.h. ohne Wissen des Betroffenen durchgeführt. Für das Öffnen und Einsehen von Sendungen, die dem Brief- und Postgeheimnis unterliegen, bedeutet dies mit Borgs/Ebert, dass sie von dem normalen Postverkehr ausgesondert, geöffnet, eingesehen, ggf. vervielfältigt, wieder verschlossen und in den normalen Postverkehr zurückgegeben werden, ohne dass dies im Moment der Maßnahme für den Empfänger oder Sender der Sendung erkennbar ist; insbesondere unterbleibt ein Vermerk auf den Sendungen.171 – Die Überwachung der Telekommunikation nach § 3 G10 stellt wie die Überwachung der Telekommunikation nach § 100a StPO eine Individualüberwachung dar, d.h., es wird zielgerichtet ein bestimmter Anschluss überwacht. Nicht hingegen steht dem BfV die Befugnis zur strategischen Kontrolle zu. Diese Befugnis besitzt ausschließlich der BND (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 5 ff. G10). Kennzeichen der strategischen Telekommunikations- und Postverkehrskontrolle ist, dass sie nur den internationalen Verkehr erfasst und verdachtsunabhängig erfolgt.172 Mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz im Jahre 2002 wurde das BfV auch mit der Befugnis der Wohnraumüberwachung zur Eigensicherung ausgestattet.173 Das BfV durfte nach § 9 Abs. 2 S. 8 und 9 BVerfSchG a. F.174 unter den dort

170 BT-Drs. 17/6925, S. 17. Bei konsequenter Betrachtung ist von daher die Befugnisnorm zur Überwachung des Mobilfunkverkehrs wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot verfassungswidrig; zu den Folgen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot vgl. Sachs/ Sachs, GG, Art. 19 Rn. 32. Aufgrund der hier vorgenommenen weitgehenden Ausblendung des Verfassungsrechts wird die Befugnis gleichwohl weiter als anwendbar fingiert. 171 Borgs/Ebert, B § 1 G10 Rn. 18. 172 Hierzu Lisken/Denninger/Bergemann, HdbPolR, H Rn. 70 f.; Droste, Handbuch, S. 350 ff.; Borgs/Ebert, B § 3 G10 Rn. 1–3; sowie kurz Roewer, Lexikon, S. 448. 173 Dabei waren die Regelungen im Regierungsentwurf (BT-Drs. 14/7386 [neu], S. 3 f.) zum Terrorismusbekämpfungsgesetz noch nicht enthalten, sondern sind erst aufgrund der Beschlussempfehlung des Innenausschusses (BT-Drs. 14/7830, S. 8 f.) aufgenommen worden. Kritisch zur Einfügung der Ermächtigungsnorm im Rahmen des Terrorismusbekämpfungsgesetzes Rublack, DuD 2002, 202 (203): Die Maßnahme stehe in keinem Zusammenhang zum Zweck des Terrorismusbekämpfungsgesetzes. 174 § 9 Abs. 2 S. 8 und 9 BVerfSchG a. F. lautete: „Technische Mittel im Sinne der Sätze 1 und 2 dürfen überdies zum Schutz der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen verwendet werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für deren Leben, Gesundheit oder Freiheit unerlässlich ist. Maßnahmen nach Satz 8 werden durch den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder seinen Vertreter angeordnet.“

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genannten Voraussetzungen technische (optische wie akustische) Mittel zum Schutze der bei einem Einsatz in einer Wohnung tätigen Personen verwenden. Abgedeckt werden sollte hiermit insbesondere das Szenario, bei der an einer Person ein Sender angebracht wird und so ein Mithören der in ihrer Gegenwart geführten Gespräche erlaubt wird, um im Notfall einschreiten zu können.175 Die Befugnis wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 7. Dezember 2012176 aufgehoben, da die Befugnis nicht genutzt worden ist.177 Das BfV ist zum Einsatz dieses nachrichtendienstlichen Mittels folglich nicht mehr befugt. c) Zusammenfassung und Feststellung In einer Zusammenschau lässt sich festhalten: Zwar scheint dem Verfassungsschutz mit der weitgehend unbestimmten Befugnis zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel und der darin enthaltenen zweifachen Nutzung einer Generalklausel (§§ 8 Abs. 2, 9 Abs. 1 BVerfSchG) ein zunächst unbegrenzt scheinender Spielraum zur Aufgabenwahrnehmung zuzustehen, der alle Informationserhebungsfantasien abzudecken vermag. Aber dem wird in der Verfassungswirklichkeit bereits dadurch ein Riegel vorgeschoben, dass zum einen das aus Art. 19 Abs. 1 GG folgende Zitiergebot beachtet werden muss und die Generalklausel eine entsprechende Zitierung nicht enthält. Zum anderen besteht darüber hinaus das Erfordernis einer spezialgesetzlichen Regelung kraft besonders intensiven Grundrechtseingriffs. Bereits diese beiden Grundsätze bilden Anker, die den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel in ihrer Dimension überschaubar machen. Gleichwohl wäre es unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit und den damit verbundenen Anforderungen an Rechtsklarheit und Bestimmtheit gesetzlicher Regelungen178 begrüßenswert, wenn der Gesetzgeber die anwendbaren nachrichtendienstlichen Mittel näher präzisieren würde. Da das Computerhacking179 einen besonders intensiven Grundrechtseingriff darstellt und eine spezialgesetzliche Regelung, wie sie z. B. das BKA mit § 20k BKAG erhalten hat, nicht erfolgt ist, bleibt dieses nachrichtendienstliche Mittel dem BfV nach derzeitiger Rechtslage verwehrt.180

175

Vgl. Droste, Handbuch, S. 319. BGBl. I S. 2576. 177 BT-Drs. 17/6925, S. 17. 178 Zum Rechtsstaatsprinzip und den damit verbundenen Aussagen vgl. den Überblick bei Sachs/Sachs, GG, Art. 20 Rn. 74 ff., und Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 28 ff. 179 Vgl. hierzu oben Fn. 151. 180 Im Hinblick auf die Online-Durchsuchung ist zudem zu berücksichtigen, dass auch Art. 10 GG betroffen sein kann und für einen solchen Eingriff § 9 Abs. 1 BVerfSchG mangels Zitierklausel nicht in Betracht kommt. 176

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

IV. Besonderes Auskunftsverlangen Schließlich steht dem BfV gegenüber Luftfahrtunternehmen und Betreibern von Computerreservierungssystemen und Globalen Distributionssystemen für Flüge sowie Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen sowie Erbringern von Telekommunikationsdienstleistungen und Telediensten ein Anspruch auf Auskunftserteilung über bestimmte Kundendaten zu. Der Befugnistyp des Besonderen Auskunftsverlangens wurde erstmals mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002181 als Abs. 5 bis 12 in § 8 BVerfSchG eingefügt. Die damaligen Befugnisse wurden im Rahmen des Gesetzes zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom 5. Januar 2007182 weiter ausgebaut und in § 8a BVerfSchG als eigenständige Norm gefasst. Mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 7. Dezember 2011183 hat die Befugnis des Besonderen Auskunftsverlangens eine umfassende Modifizierung erfahren.184 1. Rechtspolitischer Hintergrund Die Befugnis zum Besonderen Auskunftsverlangen steht in unmittelbarem Zusammenhang zu den Umständen der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA. Zur Begründung der Einführung führte der Gesetzgeber an185: Die Ermittlungen ergaben recht schnell, dass ein Teil der Attentäter in Deutschland gelebt hat und dass der Terroranschlag in Deutschland mit vorbereitet worden ist. Beides ist von den deutschen Nachrichtendiensten unentdeckt geblieben. In der Ursachenanalyse durch die Nachrichtendienste und der Bundesregierung wurde unter anderem die fehlende Befugnis zur Einholung solcher Daten, die die Logistik terroristischer Gruppen erkennbar macht, ausgemacht. Sofern die Bestrebungen im Inland ihre Vorbereitungshandlungen treffen, hinterlassen sie auch im Inland Spuren, die dem Inlandsnachrichtendienst zugänglich gemacht werden müssen. Als relevante Logistikdaten zählen Informationen über Geldflüsse, Kontenbewegungen, Flugbewegungen, Kommunikationswege, Begleitumstände der Kommunikation und Nutzung von Telediensten. Mittels dieser Daten können Ressourcen und die Gefährlichkeit entsprechender Bestrebungen frühzeitig eingeschätzt werden, Ruhe-, Vorbereitungsräume und Zielgebiete für weitere Anschläge vorausschauend analysiert, terroristische Netzwerke und ihre personelle Zusammensetzung erkannt sowie weitere intensivere Ermittlungsmaßnahmen – wie zum Beispiel die Überwachung der Kommunikationsinhalte – vorbereitet werden.186 181

BGBl. I S. 361 (3142). BGBl. I S. 2. 183 BGBl. I S. 2576. 184 Zu den damit verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen Jach, DÖV 2012, 797 ff. 185 BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 35 f., 39 f. 186 Das den Nachrichtendiensten solcherart Auskunftsansprüche eingeräumt worden sind, ist auf Kritik gestoßen. So moniert der BfDI (19. Tätigkeitsbericht, BT-Drs. 15/ 182

Kap. 1: Bundesamt für Verfassungsschutz

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Im Zuge der Evaluierung der Befugnisse, die über das Terrorismusbekämpfungsgesetz und das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz dem BfV neu eingeräumt worden sind, hat sich die Notwendigkeit einer Modifizierung der Befugnisnorm ergeben. So ergab sich, dass die eingeräumten Befugnisse zur Einholung von Auskünften gegenüber Postdienstleistern zu Umständen des Postverkehrs (§ 8a Abs. 2 Nr. 3 BVerfSchG a. F.) sowie über die Daten, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses gespeichert werden (sog. Bestandsdaten, § 8a Abs. 1 BVerfSchG a. F.), im Evaluierungszeitraum von den Nachrichtendiensten nicht genutzt worden sind.187 Die entsprechenden Befugnisse sind deshalb mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 7. Dezember 2011188 aufgehoben worden. Mit gleichem Gesetz neu eingefügt wurden die Befugnisse zur Einholung von Auskünften bei Computerreservierungssystemen und Globalen Distributionssystemen für Flüge (§ 8a Abs. 2 Nr. 1 BVerfSchG). Dies sah der Gesetzgeber als notwendig an, damit sich der Verfassungsschutz „durch frühzeitige und umfassend verfügbare Informationen über Reisewege Ruhe- und Vorbereitungsräume, aber auch Zielgebiete, internationaler terroristischer Gruppen oder anderer Personen im Beobachtungsbereich des Verfassungsschutzes“ erschließen kann.189 Zudem erhielt das BfV die Befugnis, das Bundesamt für Steuern zu ersuchen, bei den Kreditinstituten die in § 93b Abs. 1 AO bezeichneten Daten abzurufen (§ 8a Abs. 2a BVerfSchG). Ermöglicht wird dem Nachrichtendienst so der Abruf von Kontostammdaten, mittels derer die Banken ermittelt werden können, über die der Verfassungsschutz weitere Auskünfte nach § 8a Abs. 2 Nr. 2 BVerfSchG erfragen kann.190 2. Befugnisse im Einzelnen Im Einzelnen darf das BfV nunmehr Auskunft191 verlangen von: • „Luftfahrtunternehmen sowie Betreibern von Computerreservierungssystemen und Globalen Distributionssystemen für Flüge zu Namen und Anschriften des Kunden sowie zur Inanspruchnahme und den Umständen von Transportleistungen, insbesondere zum Zeitpunkt von Abfertigung und Abflug und zum Buchungsweg“ (§ 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BVerfSchG), 888, S. 110), dass es sich bei den Auskunftsansprüchen im Grunde um polizeiliche Befugnisse handele. 187 BT-Drs. 17/6925, S. 10, 12 ff. 188 BGBl. I S. 2576. 189 BT-Drs. 17/6925, S. 12. 190 BT-Drs. 17/6925, S. 13. 191 Nach Jach, DÖV 2012, 797 (804), „implizieren“ die Auskunftsrechte „eine Aufweichung des Trennungsprinzips von polizeilichen und geheimdienstlichen Befugnissen und bedeuten einen Grundrechtseingriff von erheblicher Bedeutung“.

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

• „Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen [im Folgenden zusammenfassend: Banken] zu Konten, Kontoinhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen, insbesondere über Kontostand und Zahlungsein- und -ausgänge“ (§ 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BVerfSchG)192, • Telekommunikationsdienstleistern zu den in § 96 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 TKG aufgeführten Verkehrsdaten193, d.h.: 1. die Nummer oder Kennung der beteiligten Anschlüsse oder der Endeinrichtung, personenbezogene Berechtigungskennungen, bei Verwendung von Kundenkarten auch die Kartennummer, bei mobilen Anschlüssen auch die Standortdaten, 2. den Beginn und das Ende der jeweiligen Verbindung nach Datum und Uhrzeit und, soweit die Entgelte davon abhängen, die übermittelten Datenmengen, 3. den vom Nutzer in Anspruch genommenen Telekommunikationsdienst, 4. die Endpunkte von festgeschalteten Verbindungen, ihren Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit und, soweit Entgelte davon abhängen, die übermittelten Datenmengen „und sonstigen zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Telekommunikation notwendigen Verkehrsdaten“ (§ 8a Abs. 2 Nr. 4 BVerfSchG),194 • Teledienstleistern195 zu „a) Merkmalen zur Identifikation des Nutzers eines Teledienstes, b) Angaben über Beginn und Ende sowie über den Umfang der jeweiligen Nutzung und c) Angaben über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Teledienste“ (§ 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BVerfSchG) und über die Bestandsdaten (§ 8a Abs. 1 BVerfSchG),196

192

Hierzu Droste, Handbuch, S. 236. Der Begriff „Verkehrsdaten“ ist in § 3 Nr. 30 TKG legal definiert: zu verstehen sind darunter die „Daten, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.“ 194 BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 40, 16/2921, S. 15: Über die letztgenannte Variante werden auch die Standortdaten eines solchen Mobiltelefons erfasst, welches sich nur in einem Stand-by-Modus befindet. Damit ist bei einem aktiv geschalteten Mobiltelefon eine technisch basierende Observation fast in Echtzeit möglich. Im Unterschied hierzu werden über Nr. 1 die Standortdaten eines Mobiltelefons nur erfasst, wenn tatsächlich ein Verbindungsaufbau erfolgt. 195 Die Teledienste waren ursprünglich im Teledienstegesetz vom 22.7.1977, BGBl. I S. 3721 geregelt. Das Teledienstegesetz wurde zum 1.3.2007 aufgehoben und durch das Telemediengesetz (TMG) ersetzt. Die in § 8a Abs. 2 Nr. 5 lit. a bis c BVerfSchG aufgeführten Punkte entsprechen denen der Nutzungsdaten gem. § 15 TMG. 196 Der Auskunftsanspruch über die Bestandsdaten ist mit dem Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz eingeführt worden. Damit können u. a. Vertragsdaten bei Internettauschbörsen erhoben werden; BT-Drs. 16/2921, S. 14. 193

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• Bundeszentralamt für Steuern zu den bei den Kreditinstituten in § 93b Abs. 1 AO bezeichneten Daten (§ 8a Abs. 2a BVerfSchG). § 93b Abs. 1 AO verweist auf § 24c Abs. 1 KWG in dem wiederum die Kontostammdaten aufgelistet sind. Hierunter fallen die Nummer eines Kontos, der Tag der Errichtung und Löschung, der Name sowie bei natürlichen Personen der Tag der Geburt des Inhabers und etwaiger Verfügungsberechtigter sowie Name und Anschrift etwaiger abweichend wirtschaftlich Berechtigter. Hierbei stellen die Auskünfte von • den Telekommunikationsdienstleistern zu den in § 96 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 TKG aufgeführten Verkehrsdaten und sonstigen zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Telekommunikation notwendigen Verkehrsdaten, • den Teledienstleistern zu Merkmalen zur Identifikation des Nutzers eines Teledienstes, Angaben über Beginn und Ende sowie über den Umfang der jeweiligen Nutzung und Angaben über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Teledienste mithin die in § 8a Abs. 2 Nr. 4 und 5 BVerfSchG gefassten Auskunftsansprüche jeweils Eingriffe in Art. 10 GG dar, dem das Gesetz durch die Zitierklausel in § 8c BVerfSchG gerecht wird. V. Keine polizeilichen Befugnisse Dem Verfassungsschutz stehen keine polizeilichen Befugnisse oder Weisungsbefugnisse zu. Dies ordnet § 8 Abs. 3 BVerfSchG ausdrücklich an. Die Vorschrift ist Bestandteil der einfachgesetzlichen Ausprägung des Trennungsgebots, welches an späterer Stelle noch ausführlich behandelt wird.197 1. Spezifisch nachrichtendienstlicher Terminus mit historischem Kontext Der im BVerfSchG formulierte Ausschluss polizeilicher Befugnisse für den Verfassungsschutz lässt sich im Ergebnis auf den sog. Polizeibrief der Alliierten vom 14. April 1949 zurückführen, der an der entscheidenden Stelle besagte: „This agency shall have no police authority.“ 198 Aus diesem Grund ist der Begriff der polizeilichen Befugnisse in § 8 Abs. 3 BVerfSchG als ein spezifisch nachrichtendienstlicher Terminus und nicht im polizeirechtlichen Sinne zu ver197

Vgl. hierzu unten Vierter Teil. Vgl. Denninger, Rechtsstaat, S. 19 (36); Gröpl, S. 311. Dieser Schluss ist deshalb zulässig, weil auch das BVerfSchG (1950) unter maßgeblicher Mitwirkung der Alliierten entstand, die ihre im Polizeibrief von 1949 formulierten Forderungen auch hierbei weiterhin forcierten; vgl. Nehm, NJW 2004, 3289 (3290); Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 BVerfSchG Rn. 200. Ausführlich hierzu unten Vierter Teil: Kapitel 3 F. III. und Vierter Teil: Kapitel 3 G. I. 198

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

stehen.199 Er muss insoweit historisch, d.h. mit Blick auf die Schaffung des BfV im Jahre 1950 interpretiert werden. Hierzu ist zu fragen: Welche Befugnisse sollten dem Verfassungsschutz – im Gegensatz zur Polizei – gerade nicht zugestanden werden?200 Die Antwort auf diese Frage lautet: Dem Verfassungsschutz sollten keine Befugnisse zur Ausübung von Zwang im gegenständlich-körperlichen Bereich wie z. B. Festnahme, Platzverweisung, Durchsuchung von Personen oder Sachen, Beschlagnahme, Identitätsfeststellung, erkennungsdienstliche Maßnahmen oder Sicherstellung zustehen.201 Dass diese Antwort mit der Formel von polizeilichen Befugnissen umschrieben worden ist, erklärt sich vor dem Hintergrund, dass in den 1950er-Jahren die überwiegende Ansicht davon ausging, die bloße Informationserhebung stelle keinen Rechtseingriff dar.202 Ein solcher lag nach damaliger Rechtsauffassung vielmehr erst vor, wenn – klassisch gesprochen – in „Freiheit oder Eigentum der Bürger“ eingriffen werde.203 Entsprechend regelten die Polizeigesetze nicht die Befugnis zur Informationserhebung, sondern erst die (darauf aufbauenden) Zwangsmaßnahmen.204 Doch darf bei dem Rückgriff auf das Polizeirecht der 1950er-Jahre nicht verkannt werden: Auch zu diesem Zeitpunkt bestand kein fester Katalog, der sämtliche dem Verfassungsschutz untersagten polizeilichen Maßnahmen hätte auflisten können. Vielmehr konnte auch schon in den 1950er-Jahren die Zuordnung einer Maßnahme zu dem Begriff „polizeiliche Befugnis“ im Einzelfall zweifelhaft sein.205 Mit der Formel von dem Verbot polizeilicher Befugnisse zielten die Alliierten und in Umsetzung deren Vorgaben auch der deutsche Gesetzgeber primär darauf ab, sicherzustellen, dass ein Wiederentstehen einer Politischen Polizei ausgeschlossen ist.206 199 So aber u. a. noch Riegel, NJW 1979, 952 (953); Bull, S. 133 (150) (der keine ausdrückliche Begrenzung auf Zwangsmittel vornimmt); unklar Denninger, Rechtsstaat, S. 19 (37 f.). Ein solches Verständnis hätte – wie Gusy, DVBl. 1991, 1288 (1290), zu Recht aufführt – aufgrund des Wortlauts von § 8 Abs. 3 BVerfSchG zur Folge, dass dem Verfassungsschutz sämtliche Befugnisse, die der Polizei zustehen, verwehrt sind. In dem Umfang also, in dem der Polizei verdeckte Ermittlungsbefugnisse zustehen, stünden sie dem Verfassungsschutz in Gestalt von nachrichtendienstlichen Mitteln nicht (mehr) zu. 200 Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (486); Gusy, DVBl. 1991, 1288 (1290). 201 Salzwedel, S. 756 (773); Evers, Privatsphäre, S. 98; Roll, JuS 1979, 239 (241); ähnlich BVerfG NJW 2011, 2417 (2420): „Geheimdienste [dürfen] keine polizeilichen Zwangsbefugnisse besitzen [. . .], also etwa keine Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen durchführen oder anderen Zwang ausüben“; ferner: BT-Drs. I/924, S. 4: das BfV ist keine Exekutivbehörde. Restriktiver hingegen Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 BVerfSchG Rn. 200: Es sollte allein das Recht zur Festnahme von Personen ausgeschlossen werden. Eine Begründung für dieses aus dem Wortlaut jedenfalls nicht ohne Weiteres ableitbares Begriffsverständnisses liefert Roewer – abgesehen von einem quellenlosen Abstellen auf den Willen der Alliierten – jedoch nicht. 202 Gröpl, S. 311. 203 Gröpl, S. 311. 204 Vgl. Gröpl, S. 311. 205 Vgl. Roll, JuS 1979, 239 (241). 206 Vgl. Roll, JuS 1979, 239 (241). Ausführlich hierzu unten Vierter Teil.

Kap. 1: Bundesamt für Verfassungsschutz

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2. Anwendung im heutigen Rechtsverständnis Daraus ist für das heutige Verständnis von § 8 Abs. 3 BVerfSchG der Schluss zu ziehen: Das BfV darf keinem Bürger Befehle erteilen oder Ermittlungen unter Einsatz von rechtlichen oder faktischen Zwangsmitteln durchführen.207 Dem Verfassungsschutz sind also strafverfahrensrechtliche Maßnahmen wie Beschlagnahmen (§ 98 StPO) oder Durchsuchungen (§ 102 StPO), die bereits gegenüber der Umwelt offen erkennbar Zwangscharakter haben, von vornherein fremd.208 Das Verbot polizeilicher Befugnisse wirkt sich aber auch im Hinblick auf die verdeckte Ermittlungstätigkeit aus: So ist ihm wegen dieses Verbots untersagt, Sachen, wie z. B. Schriftstücke, heimlich wegzunehmen209, in Wohnungen heimlich einzubrechen210 oder heimlich Durchsuchungen durchzuführen.211 Darüber hinaus ist auch die Informationserhebung unter einer Polizeilegende ausgeschlossen, da dies den Eindruck hervorrufen könnte, dem Handelnden stehen gegebenenfalls polizeiliche Zwangsbefugnisse zu.212 Das Verbot der Wahrnehmung von polizeilichen Befugnissen kann der Verfassungsschutz auch nicht dadurch umgehen, dass er die Polizei mittels Amtshilfe um die entsprechenden ihm verwehrten Maßnahmen ersucht (vgl. § 8 Abs. 3 Halbs. 2 BVerfSchG). So stehen jedenfalls aus diesem Grunde dem Verfassungsschutz Maßnahmen wie die der Netzfahndung gem. § 163d StPO oder der polizeilichen Beobachtung gem. § 163e StPO nicht zu. Weiterhin stehen dem Verfassungsschutz auch keine Befugnisse zu, die der Ausschreibung zur Festnahme gem. § 131 StPO oder der Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung gem. § 131a StPO entsprechen. 3. Keine Relativierung über straf(verfahrens)rechtliche Rechtfertigungsgründe Auch über das Notstandsrecht (§ 34 StGB) bzw. Notwehrrecht (§ 32 StGB) lässt sich für den Verfassungsschutz keine Ermächtigung zum Einsatz von gegenständlich-körperlich wirkenden Zwangseingriffen herleiten, denn die strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe stellen entgegen der Rechtsprechung213 und Teilen der Literatur214 generell keine öffentlich-rechtliche Ermächtigung zu Eingriffen 207 Gröpl, S. 311; Gusy, DVBl. 1991, 1288 (1290); Haedge, S. 132; Borgs/Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 137; Stubenrauch, S. 46; Nehm, NJW 2004, 3289 (3292): „Ausschluss von imperativen Befugnissen“. 208 Droste, Handbuch, S. 294. 209 Droste, Handbuch, S. 290; Salzwedel, S. 756 (773); Friedrichs, S. 151. 210 Salzwedel, S. 756 (773). Noch weiter gehend Evers, Privatsphäre, S. 198 ff: der Verfassungsschutz sei zu gar keinem Eingriff in Art. 13 GG befugt. 211 Droste, Handbuch, S. 289 f.; Friedrichs, S. 151. 212 Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 BVerfSchG Rn. 200; Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (486); Droste, Handbuch, S. 295; Roewer/Höhn, ThürVBl. 1997, 193 (199). 213 Vgl. z. B. BGHSt 27, 260 (262 f.); 31, 304 (307). 214 Roxin, StrafR AT I, § 15 Rn. 112 und § 16 Rn. 103 f.; KK/Griesbaum, StPO, § 163 Rn. 12; Meyer-Goßner, StPO, § 163 Rn. 30.

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

in Grundrechte dar und können damit staatliche Handlungsbefugnisse nicht erweitern.215 Hierfür streiten insbesondere zwei Überlegungen. Zum einen spricht schon die Funktion der strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe gegen die herrschende Auffassung: So dienen sie der Erweiterung des Freiheitsbereichs der Bürger.216 Genau diese Funktion wird aber in ihr Gegenteil verkehrt, wenn sich auch staatliche Hoheitsträger auf die Rechtfertigungsgründe berufen können, um staatliche Eingriffsmaßnahmen zulasten des einzelnen Bürgers zu legitimieren.217 Zum anderen genügen die Ausgestaltungen der Rechtfertigungsnormen auch nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die der Vorbehalt des Gesetzes an die Ausgestaltung von Eingriffsnormen stellt.218 Die Normen sind wegen ihrer generalklauselartigen Ausgestaltung jedenfalls für grundrechtsintensive Eingriffshandlungen zu unbestimmt.219 Bereits aus diesen Überlegungen steht den Mitarbeitern für Verfassungsschutz im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit auch nicht das Recht der vorläufigen Festnahme gem. § 127 Abs. 1 StPO zu.220 Hinzu kommt die folgende Überlegung: Die vorläufige Festnahme gem. § 127 Abs. 1 StPO ist ein Handeln pro magistratu.221 Es soll eine strafgerichtliche Verfolgung ermöglich werden, wozu der Staat dem Bürger eine öffentliche Funktion überträgt.222 Doch gerade die damit verbundene Handlungsform der Festnahme ist eine Befugnis, die dem Verfassungsschutz und damit auch seinen Mitarbeitern versagt ist. Von daher kann dem Verfassungsschutz auch nicht über § 127 Abs. 1 StPO diese Befugnis übertragen werden. 4. Speziell: Auswirkungen auf das Besondere Auskunftsverlangen Im Hinblick auf die „neue“ Befugnis des Verfassungsschutzes zum Besonderen Auskunftsverlangen war es zunächst in der Literatur fraglich, ob – wie vom Gesetzgeber unterstellt223 – die in Anspruch genommenen Unternehmen ihrerseits verpflichtet sind, dem Ersuchen nachzukommen.224 Diese Frage hat der Gesetz215 Mittag, S. 128 ff. m.w. N. Eine andere Frage ist, inwieweit sich der Mitarbeiter des BfV zum Ausschluss seiner Strafbarkeit auf Rechtfertigungsgründe des StGB berufen kann; vgl. hierzu Mittag, S. 226 ff. 216 LK/Zieschang, StGB, § 34 Rn. 8 m.w. N. 217 LK/Zieschang, StGB, § 34 Rn. 8 m.w. N. 218 LK/Zieschang, StGB, § 34 Rn. 9. Zum Vorbehalt des Gesetzes allgemein vgl. Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 44 ff.; Sachs/Sachs, GG, Art. 20 Rn. 113 ff. 219 LK/Zieschang, StGB, § 34 Rn. 9 m.w. N. 220 So aber Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 BVerfSchG Rn. 202; Gröpl, S. 311; Haedge, S. 132; offen lassend Gusy, DVBl. 1991, 1288 (1290). 221 Roxin, StrafR AT I, S. 798. 222 Vgl. LK/Rönnau, StGB, Vor § 32 Rn. 265. 223 Vgl. BT-Drs. 14/7386 [neu], S. 36. 224 Diese Frage wurde bereits mit der Einführung der entsprechenden Befugnisse durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz aufgeworfen. Für eine Verpflichtung: König, S. 247; Rose-Stahl, S. 77; Droste, Handbuch, S. 233; Roßnagel/Riegel, HdbDaten-

Kap. 1: Bundesamt für Verfassungsschutz

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geber mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 7. Dezember 2011225 klarstellend bejaht. § 8b Abs. 6 BVerfSchG ordnet die Verpflichtung zur Auskunftserteilung ausdrücklich an. Aber auch wenn eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung besteht, gilt: Keinesfalls können gegen den in Anspruch Genommenen Zwangsmittel eingesetzt werden, wenn er die gewünschte Auskunft nicht erteilt. Ein Rückgriff auf das Verwaltungsvollstreckungsgesetz ist nicht möglich; das ergibt sich aus dem Verbot der Wahrnehmung polizeilicher Befugnisse.226 Um aber auch eine faktische Zwangswirkung zu vermeiden, ist der Verfassungsschutz verpflichtet, die in Anspruch genommenen Unternehmen über die fehlende Durchsetzbarkeit der Verpflichtung ausdrücklich zu informieren.227 Das ist allerdings gesetzlich nach wie vor nicht vorgesehen. VI. Zusammenfassung Der Verfassungsschutz ist in der Regelung seiner Befugnisse zur aktiven Informationsbeschaffung mit zwei Generalklauseln ausgestattet. Auch wenn das Hauptkennzeichen des Verfassungsschutzes das nachrichtendienstliche Mittel ist, dürfte die offene Informationsbeschaffung auf Grundlage der Generalklausel in § 8 Abs. 1 BVerfSchG die häufigste Datenerhebungsform darstellen.228 Sehr of-

schutzR, S. 1491. Gegen eine Verpflichtung: BfD 19. Tätigkeitsbericht, BT-Drs. 15/888, S. 110; Pütter, CILIP 2002, 66 (67); Zöller, Informationssysteme, S. 294; Garstka, NJ 2002, 524 (524). Obwohl der Gesetzgeber die Diskussion zu Kenntnis genommen hat, verzichtete er im Rahmen der Neufassung der Befugnisse durch das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz auf eine Klärung dieser Frage, weil die Praxis dem Auskunftsersuchen bis dato nachgekommen war; vgl. BT-Drs. 16/2921, S. 14. – Insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch Kreditinstitute Adressaten des Auskunftsanspruchs sind, musste richtigerweise aus teleologischen Gründen stets von einer Auskunftspflicht ausgegangen werden. Denn bei einer bloßen unverbindlichen Bitte um Auskunftserteilung müssten sich die Kreditinstitute genauso wie bei bloßen informatorischen Befragungen durch die Polizei unter Berufung auf ihrer Pflicht zur Wahrung des Bankkundengeheimnisses verweigern; Herzog, Basel II, S. 47 (61 ff. [63]). 225 BGBl. I S. 2576. 226 So auch BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 39. Ebenso Weinhaus, S. 559 (575), der allerdings unter Berufung auf die neuere Rechtsprechung des BVerfG zum sog. strukturellen Vollzugsdefizit (BVerfGE 110, 94) eine gesetzliche Korrektur fordert. 227 Über diese restriktive Auslegung der Auskunftspflicht kann die Einstufung des Besonderen Auskunftsverlangens nach § 8a BVerfSchG als „polizeiähnliche Befugnis“ (so Kutscha, NVwZ 2013, 324 [324]) zumindest relativiert werden. 228 Geläufig ist die 80:20 Formel, die aber auch infrage gestellt wird. Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 BVerfSchG Rn. 137 Fn. 118: „Vielfach wird angenommen [. . .] das Verhältnis von offener zu verdeckter Beschaffung betrage 80 zu 20; diese Zahlenangabe beruht jedoch auf einer schlichten Erfindung anläßlich einer entsprechenden Parlamentsanfrage.“ Konkreter äußert Albert, Informationsverarbeitung, S. 99 (109 f.), die Kritik: „Nach eigenen Erfahrungen des Verfassers liegt der Prozentsatz der mit nachrichtendienstlichen Methoden erhobenen Informationen zumindest in einigen Beobachtungsbereichen deutlich höher; ein Prozentsatz von 40 bis 50% dürfte dort eher

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

fen – und damit mit sehr vielen Fragen versehen – gestaltet sich der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln, als dass diese weder hinsichtlich ihrer inhaltlichen Bestimmung noch hinsichtlich ihrer Einsatzmodalitäten eine konkrete gesetzliche Umschreibung erfahren haben. Stattdessen arbeitet der Gesetzgeber mit einer Generalklausel (§ 9 Abs. 1 BVerfSchG), die gleichwohl zu Grundrechtseingriffen ermächtigt. Jedoch findet die Vielzahl der möglichen nachrichtendienstlichen Mittel ihre Schranke vor Eingriffen in Art. 10 und Art. 13 GG sowie sonstigen besonders intensiven Grundrechtseingriffen. Ein weiteres zentrales Kennzeichen der nachrichtendienstlichen Tätigkeit stellt das über § 8 Abs. 3 BVerfSchG positiv formulierte Verbot polizeilicher Befugnisse dar. Diese als nachrichtendienstlicher Fachterminus zu interpretierende Formel bedeutet in ihrem Kerngehalt, dass das BfV keinem Bürger etwas befehlen oder Ermittlungen unter Einsatz von rechtlichen oder faktischen Zwangsmitteln durchführen darf. Auswirkungen hat dieses Verbot auch auf die für das BfV seit Inkrafttreten des Terrorismusbekämpfungsgesetzes im Jahre 2002 neue Befugnis zum Besonderen Auskunftsverlangen nach § 8a BVerfSchG. Denn hier hat zwar der Gesetzgeber über § 8b Abs. 6 BVerfSchG klargestellt, dass die in Anspruch genommenen Dritten zur Erteilung der Auskunft verpflichtet sind. Gleichwohl könnte das BfV eben wegen des Verbots polizeilicher Befugnisse diese Verpflichtung im Falle einer Weigerung nicht zwangsweise, etwa mit Mitteln nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz, durchsetzen. Kapitel 2

Kennzeichen des Ermittlungsverfahrens Nachdem bislang die Aufmerksamkeit ausschließlich auf das BfV, seine Aufgaben und Befugnisse zur aktiven Informationsbeschaffung sowie die nachrichtendienstlichen Tätigkeitsstrukturen fokussiert war, ist nun der Blick auf das strafprozessuale Ermittlungsverfahren zu richten, um die notwendigen Grundlagen für die Beantwortung der Frage nach dem Potential und dem Reiz einer Mitwirkung des BfV im strafprozessualen Ermittlungsverfahren vollständig zur Verfügung zu haben. Für den hierzu notwendigen Vergleich sind zum einen das ein Ermittlungsverfahren kennzeichnende Legalitätsprinzip und die Versuche der Durchbrechung der hierdurch gesetzten Grenzen herauszuarbeiten. Zum anderen ist zu prüfen, inwieweit die bereits dargestellten nachrichtendienstlichen Befugnisse zur aktiven Informationsbeschaffung eine Entsprechung im strafprozessualen Ermittlungsverfahren gefunden haben. der Realität entsprechen. In gewaltorientierten Organisationen, die einen hohen Aufwand an Konspiration treiben, basieren die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörde fast ausschließlich auf dem Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel.“

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Vorab ist noch das Folgende anzumerken. Das Ermittlungsverfahren, auch Vorverfahren genannt229, soll die Entschließung der Staatsanwaltschaft darüber, ob öffentliche Klage zu erheben ist, vorbereiten (§ 160 Abs. 1 StPO)230 und bildet das erste Stadium des strafverfahrensrechtlichen Erkenntnisverfahrens.231 Nach dem Konzept der StPO liegt die Leitung der Ermittlungen grundsätzlich ganz in der Hand der Staatsanwaltschaft (§ 161 Abs. 1 S. 1 Var. 1 StPO), sie hat den Sachverhalt zu erforschen (§ 160 Abs. 1 StPO); nur für begrenzte Ermittlungsaufträge zieht sie die Polizei hinzu (§ 161 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StPO). In der Praxis freilich hat sich das Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei faktisch umgekehrt: Das Ermittlungsverfahren ist weitgehend in die Hände der Polizei übergegangen. Regelmäßig führt die Polizei die Ermittlungen eigenständig und „übersendet erst nach ihrem Abschluss die Akten an die StA, die dann nur noch entscheidet, ob sie das Verfahren einstellen oder Anklage erheben will“.232 – Ein konkretes Beispiel liefert die Zielfahndung des thüringischen LKA. So ist im Rahmen der Aufarbeitung des NSU-Komplexes in Thüringen durch die Schäfer-Kommission233 bekannt geworden, dass die Tätigkeit des Zielfahndungskommandos des thüringischen LKA offenbar regelmäßig ohne Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft erfolgt ist. – Diese, der Konzeption der StPO entgegengesetzte Entwicklung, ist zwar im Hinblick auf die Verantwortlichkeit der Justiz sehr bedenklich, aber gleichwohl offenbar unumkehrbare Realität geworden.234 Für die Untersuchung muss folglich der Schluss gezogen werden, dass die nachrichtendienstliche Mitwirkungshandlung und damit die Zusammenarbeit im Ermittlungsverfahren regelmäßig nicht zwischen BfV und Staatsanwaltschaft/Generalbundesanwalt, sondern zwischen BfV und Polizei/BKA stattfindet. Wenn im weiteren Verlauf von Strafverfolgungsbehörden gesprochen wird, sind sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die (repressiv tätige) Polizei gemeint.

A. Das Legalitätsprinzip und seine Konsequenzen Die Untersuchung zum Legalitätsprinzip zielt auf die Prüfung ab, inwieweit strukturbedingte Differenzen zwischen Nachrichtendienst- und Strafprozessrecht bestehen, in dessen Folge der Nachrichtendienst als potenziell „effizienter“ und 229 Vgl. Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 39 Rn. 1; Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 309. 230 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 79. 231 Vgl. Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 1 Rn. 9. 232 Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 9 Rn. 21. 233 Schäfer-Kommission, Gutachten, Rn. 430. 234 Kritisch zu der Entwicklung Lisken/Denninger/Frister, HdbPolR, F Rn. 16. Relativierend Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 9 Rn. 21 und 23: unvermeindliche Folge einer entwickelten Industriegesellschaft. Zum oben genannten Beispiel kritisch Schäfer, Gutachten, Rn. 430: „Selbstverständlich müssen sämtliche Akten und Ermittlungsvorgänge der Staatsanwaltschaft vorgelegt werden.“

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

damit für die Strafverfolgungsbehörden bzw. das strafprozessuale Ermittlungsverfahren als „Informationsquelle“ als besonders attraktiv erscheinen könnte. In den Blick zu nehmen ist daher das den Strafprozess kennzeichnende Legalitätsprinzip, unterliegt doch der Verfassungsschutz dem gegenteiligen Opportunitätsprinzip.235 Aufzuzeigen sind die wesentlichen Auswirkungen für den Strafprozess, der eine konsequente Beachtung des Legalitätsprinzips zur Folge hat. An dieser Stelle noch ausgeblendet bleiben die Bemühungen, die seitens der Praxis und Teilen der Literatur unternommen werden, um die „Hürden“ des Legalitätsprinzips zugunsten eines vermeintlich effizienteren Strafverfahrens zu senken.236 I. Ermittlungspflicht bei Anfangsverdacht Zentrales Kennzeichen des Legalitätsprinzips ist die Ermittlungspflicht bei bestehendem Anfangsverdacht. Die Staatsanwaltschaft ist bei Vorliegen aller Prozessvoraussetzungen237 zur Aufnahme der Ermittlungen verpflichtet,238 wenn ein Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO) besteht. Der Sachverhalt ist dann zu erforschen.239 Der notwendige Anfangsverdacht ist gegeben, wenn „nach den kriminalistischen Erfahrungen“ die Möglichkeit dafür besteht, dass eine „verfolgbare Straftat“ begangen worden ist.240 Hierzu sind zwar einerseits bereits Indizien ausreichend, sofern sie sich aus konkreten Tatsachen ergeben.241 Andererseits kann ein Anfangsverdacht nicht allein aus bloßen Vermutungen oder Hypothesen und damit aufgrund von ungeprüften Angaben, Gerüchten oder einseitigen Behauptungen begründet werden.242 Für die Beantwortung der Frage, ob nun die bestehenden Verdachtsmomente für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ausreichen oder nicht, räumt die herrschende Meinung der Staatsanwaltschaft einen Beurteilungsspielraum ein.243 II. Verbot der bloßen Verdachtsschöpfung Aus dem Legalitätsprinzip ist aber nicht nur auf eine Ermittlungspflicht bei bestehendem Anfangsverdacht zu schließen. Vielmehr folgt aus dem Legalitäts235

Vgl. zum Opportunitätsprinzip oben Zweiter Teil: Kapitel 1 C. II. 2. Das bleibt dem nachfolgenden Abschnitt (B.) vorbehalten. 237 Vgl. hierzu Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 273 ff. 238 Sofern nicht einer der in §§ 153 bis 154e, § 374 bzw. 376 StPO, § 45 JGG, §§ 31a, 37 BtMG geregelten Fälle gegeben ist; vgl. SK/Weßlau, StPO, § 152 Rn. 19. 239 Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 39 Rn. 2 ff. 240 Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rn. 4. 241 Senge, S. 701 (703); HK/Gercke, StPO, § 152 Rn. 11. 242 Wie hier Senge, S. 701 (703); a. A. LR/Beulke, StPO, § 152 Rn. 23. 243 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 273 ff.; BGHSt 38, 214 (228). Im Einzelnen ist hier vieles streitig; vgl. BVerfG NJW 1984, 1451 (1452); Beurteilungsspielraum ablehnend: Störmer, ZStW 1996, 494 (512 ff.), und Mittag, S. 66 jeweils m.w. N. zum Streitstand. 236

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prinzip auch das Verbot, Ermittlungen aufzunehmen, um überhaupt einen Anfangsverdacht generieren zu können.244 Dem Anfangsverdacht kommt also auch die Funktion zu, die Ermittlungsbehörden an Ausforschungshandlungen, die auf keinen konkreten Verdacht gegründet sind, zu hindern.245 So gibt der zu fordernde Tatverdacht in Zusammenschau mit den Tatbestandsmerkmalen der Strafvorschriften den Strafverfolgungsbehörden auch eine Begrenzung ihrer Ermittlungsinteressen auf 246, ihm kommt insoweit eine Steuerungsfunktion von Ermittlungshandlungen zu.247 Die hohe Bedeutung, die dieser Begrenzungsfunktion des Anfangsverdachts zukommt, zeigen die Überlegungen zum Umkehrschluss: Würde auf die aufgezeigte Begrenzungsfunktion verzichtet werden, hinge die Aufnahme von Ermittlungen nicht mehr von gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen, sondern von Expertenanalysen und deren „kriminal- und sicherheitspolitischen Schwerpunktsetzungen“ ab.248 III. Begrenzung mehrstufiger Ermittlungsmethoden Vor besondere Herausforderungen scheint das Legalitätsprinzip die Ermittlungsbehörden bei der Durchführung von operativen249, mehrstufigen und deliktsübergreifenden Ermittlungshandlungen zu stellen. Macht es z. B. Sinn, einen Verdeckten Ermittler in ein Drogenkartell einzuschleusen, um durch ihn an die Hintermänner des Kartells zu gelangen und die Strukturen des Kartells aufklären zu können? Ein solcher verdeckter Einsatz würde dann keinen Sinn machen, wenn er unverzüglich wegen der ersten hierbei bekanntgewordenen Straftat abgebrochen und diese eine Straftat verfolgt werden müsste. Denn so wäre es faktisch unmöglich, tief genug in das Kartell einzudringen. Weder die Strukturen noch die Hintermänner könnten hinreichend ausermittelt werden. Für solcherart von mehrstufigen Ermittlungshandlungen gilt – mit Weßlau250 – aus der Sicht des Legalitätsprinzips das Folgende: Das Legalitätsprinzip zwingt zwar nicht zu einem sofortigen, unverzüglichen Einschreiten, sondern lässt durchaus Raum für ein kriminaltaktisches Vorgehen. Die zulässige Grenze ist aber überschritten, wenn die Strafverfolgungsbehörden auf die Verfolgung einzelner Straftaten von vornherein bewusst mit dem Ziel verzichten, um hierdurch eine möglicherweise bessere Aufklärung von schwerwiegenderen oder von einer größeren Anzahl von Straftaten zu erreichen. Der Grund hierfür liegt – wie Weßlau251 weiterhin zutref244 245 246 247 248 249 250 251

SK/Weßlau, StPO, Vor §§ 151 ff. Rn. 6. Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 279 m.w. N. Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 279 m.w. N. Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 263 ff. SK/Weßlau, StPO, Vor §§ 151 ff. Rn. 22. Zum Begriff des operativen Konzepts vgl. Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 25 ff. SK/Weßlau, StPO, Vor §§ 151 Rn. 19. SK/Weßlau, StPO, Vor §§ 151 ff. Rn. 19.

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fend ausführt – darin, dass das Legalitätsprinzip für jede einzelne den Strafverfolgungsbehörden bekannt gewordene Straftat gilt. Denn weder fordert das Legalitätsprinzip, „optimale Ermittlungserfolge in Bezug auf die Summe aller Straftaten zu erzielen“; noch lässt es sich dahingehend relativieren.252 Die Grenze des zulässigen taktischen Zuwartens ist vielmehr erreicht, sobald das Risiko besteht, dass aufgrund weiteren Zuwartens eine spätere Überführung des mutmaßlichen Täters nicht mehr gelingt.253 In einer solchen Situation erfordert das Legalitätsprinzip ein unverzügliches Ergreifen von beweissichernden Maßnahmen; ein weiteres Zurückstellen entsprechender Maßnahmen mit dem Ziel, dadurch umfassendere Ermittlungserfolge erzielen zu können, ist nicht statthaft.254

B. Tendenzen zur Vorverlagerung des Strafrechts Aufgrund der vorhergehenden Überlegungen steht fest, dass das Legalitätsprinzip einer Ausgestaltung des Strafverfahrens als ein System, dass die Strafverfolgungsbehörden zu einem Tätigwerden nach den Grundsätzen von größtmöglicher Aufklärung und Effizienz (um jeden Preis) befähigt, strukturell entgegensteht. Das Legalitätsprinzip wirkt gegen solche Bestrebungen aus dem übergeordneten Gesichtspunkt der Gewährleistung eines rechtsstaatlichen und dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) entsprechenden Verfahrens als Barriere.255 Die Praxis freilich und auch Teile der Literatur versuchen, das Strafverfahren aus ihrer Sicht gleichwohl „effizienter“ zu gestalten und den Strafverfolgungsbehörden gegenüber dem tradierten Verständnis mehr Handlungsmöglichkeiten einzuräumen. Die wesentlichen Entwicklungsströme sollen im Folgenden skizziert werden. I. Vorermittlungen In der Praxis hat sich in den Fällen eines noch nicht zu bejahenden Anfangsverdachts die Sonderform der sog. Vorermittlungen herausgebildet.256 Sie dienen 252

SK/Weßlau, StPO, Vor §§ 151 ff. Rn. 19. Hierzu Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 230 ff.; SK/Weßlau, StPO, Vor §§ 151 ff. Rn. 19. 254 So prägnant SK/Weßlau, StPO, Vor §§ 151 ff. Rn. 19. LR/Beulke, StPO, § 152 Rn. 20, weist darauf hin, dass die vom Gesetzgeber in § 110a StPO prinzipiell ermöglichte Tätigkeit des verdeckten Ermittlers es häufig mit sich bringen wird, „dass im Interesse der Bekämpfung schwerwiegender Verbrechen die Verfolgung einzelner Delikte [. . .] zumindest vorübergehend“ zurückgestellt werden muss. 255 Über die Rechtfertigung des Legalitätsprinzips besteht keine Einigkeit. Überwiegend werden aber zumindest die – wie hier vertreten – Verfassungsgrundsätze Rechtsstaat (Art. 20 Art. 3 GG) und Gleichheit (Art. 3 Abs. 1) GG anerkannt; vgl. LR/Beulke, StPO, § 152 Rn. 12; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 14 Rn. 2; ferner SK/ Weßlau, StPO, Vor §§ 151 ff. Rn. 20 ff. 256 Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rn. 4a. 253

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der Klärung, ob die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zulässig ist, ob also überhaupt ein Anfangsverdacht vorliegt.257 Die Zulässigkeit von Vorermittlungen wird aus dem Legalitätsprinzip hergeleitet, welches die Strafverfolgungsbehörden auch zur „gleichmäßige[n] Strafrechtspflege“ und damit zur Abklärung hinsichtlich des Vorliegens eines Anfangsverdachts verpflichte.258 Entsprechend wird die normative Befugnis zu Vorermittlungen an § 152 Abs. 2 StPO festgemacht.259 Jedoch ist auch bei den Befürwortern des Instituts von Vorermittlungen überwiegend anerkannt, dass sich entsprechende Vorermittlungshandlungen nicht auf § 161 Abs. 1 StPO berufen können, denn dieser setzt mit seinem Verweis auf § 160 Abs. 1 bis 3 StPO ein bereits bestehendes Ermittlungsverfahren und damit einen Anfangsverdacht voraus.260 Von daher, so die weitere Folgerung, kommen als zulässige Vorermittlungshandlungen keine Maßnahmen mit Eingriffscharakter in Betracht; vielmehr würden sich diese im Wesentlichen allein auf interne Abklärungen, Akteneinsicht, Behördenanfragen, Auswertung allgemein zugänglicher Informationen sowie informatorische Befragungen beschränken.261 Vor dem Hintergrund der drohenden Umgehung von Beschuldigtenrechten ist jedoch diese (immer beliebter werdende)262 Praxis kritisch zu hinterfragen.263 So kann z. B. mangels Beschuldigtenstellung der Betroffene informatorisch befragt werden, ohne dass ihm entsprechende Beschuldigtenrechte zustehen, wie z. B. die Belehrungspflicht gem. § 136 StPO.264 In letzter Konsequenz ist das Institut der Vorermittlung daher abzulehnen.265 II. Vorfeldermittlungen Von den Vorermittlungen zu unterscheiden sind die sog. Vorfeldermittlungen bzw. Initiativermittlungen. Gemeint ist damit das verdachtlose Suchen nach bis257 Vgl. SK/Wohlers § 163 Rn. 3; LR/Beulke, StPO, § 152 Rn. 33; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 39 Rn. 17. 258 Keller/Griesbaum, NStZ 1990, 416 (417). 259 So u. a. Keller/Griesbaum, NStZ 1990, 416 (417); Senge, S. 701 (707 ff.); wohl auch Diemer, NStZ 2005, 666 (667 f.); Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rn. 4a. 260 Vgl. Senge, S. 701 (710); Diemer, NStZ 2005, 666 (666 ff.); anders Keller/Griesbaum, NStZ 1990, 416 (417). Ausführlich zu dem Problemkreis der Vorermittlungen: Haas, passim; Lange, S. 30 ff., 78 ff. 261 Senge, S. 701 (710). 262 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 311. 263 Zu dem Institut der Vorermittlung vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 2 C. I. 2. a). 264 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 311; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 39 Rn. 17. Teilweise wird gefordert, die Belehrungsvorschriften der §§ 52 Abs. 3, 55 Abs. 2, 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 S. 2 StPO analog anzuwenden; so z. B. Senge, S. 701 (711 f.). 265 Ablehnend auch: SK/Weßlau, StPO, Vor §§ 151 ff. Rn. 6 und § 152 Rn. 16; SK/ Wohlers § 163 Rn. 3; grundsätzlich zulassend (allerdings ohne Befugnis zu einem Grundrechtseingriff) hingegen Zöller, Informationssysteme, S. 129 ff.; in letzterem Sinne wohl auch LR/Beulke, StPO, § 152 Rn. 34.

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

lang nicht bekannten Straftaten.266 Im Unterschied zu den Vorermittlungen werden hier die Strafverfolgungsbehörden ohne Anlass von außen (z. B. in Gestalt einer Strafanzeige) tätig, es gibt gerade keinen Ansatz zur Erforschung eines Verdachts.267 Man kann den Prozess auch als Verdachtsschöpfung bezeichnen.268 Solche Ermittlungsformen sind jedoch entgegen anderslautenden Stellungnahmen269 mit dem geltenden Strafverfahrensrecht nicht in Einklang zu bringen. Sie richten sich schon vom Grundsatz her gegen Nichtverdächtige270, es fehlt an dem für ein Tätigwerden der Strafverfolgungsbehörden notwendigen Anfangsverdacht.271 Damit aber ist das Strafverfahrensrecht nicht einschlägig. Betroffen ist stattdessen allenfalls das Tätigkeitsgebiet von Polizei oder Nachrichtendiensten.272 Teilweise wird hierin auch ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung gesehen.273 Vor diesem Hintergrund sind auch die in den Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität274 geforderten Initiativermittlungen restriktiv auszulegen. Nr. 6.1 der Richtlinie fordert Staatsanwaltschaft und Polizei auf, „von sich aus im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse Informationen zu gewinnen oder bereits erhobene Informationen zusammenzuführen, um Ansätze zu weiteren Ermittlungen zu erhalten“. Bereits aus den oben entwickelten Gründen ist eine solche Initiativermittlung aus Sicht der Staatsanwaltschaft allenfalls im Rahmen einer Vorermittlung möglich. Gegen ein Zusammenwirken von Polizei und Staatsanwaltschaft im Vorfeld von Anfangsverdacht und Gefahr ohne gesetzliche Grundlage (die RiStBV ist kein Gesetz, sondern „bloße“ Verordnung) sprechen der Grundsatz des Gesetzvorbehaltes sowie die Zweckbindung von Daten.275 266

Vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rn. 4a. Vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rn. 4a; Zöller, Informationssysteme, S. 132. 268 Zöller, Informationssysteme, S. 132. 269 Vgl. Sieber/Bögel, Organisierte Kriminalität, S. 354; Dölling, S. 275 f. (Dölling will die Vorfeldermittlung allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulassen, „in denen das von der StPO vorausgesetzte Zusammenspiel von Gesellschaft und Strafrechtspflegeorganen bei der Anzeige und Verfolgung von Straftaten nicht funktioniert“). 270 Zöller, Informationssysteme, S. 132. 271 Vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rn. 4a. 272 Keller/Griesbaum, NStZ 1990, 416 (418); Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 39 Rn. 18; Wolter, ZStW 1995, 793 (824); Zöller, Informationssysteme, S. 132; LR/Beulke, StPO, § 152 Rn. 22. Grundlegend zu den Vorfeldermittlungen: Weßlau, Vorfeldermittlungen, passim; Artzt, passim; Rudolph, passim. 273 So Zöller, Informationssysteme, S. 132 f.; Wolter, ZStW 1995, 793 (824 ff.). Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass über den Inhalt der Unschuldsvermutung und den daraus folgenden Konsequenzen keine Einigkeit besteht; umfassend hierzu Stuckenberg, passim. 274 RiStBV, Anlage E; kritisch hierzu Schaefer, NJW 1999, 2572 (2572 f.). 275 Zöller, Informationssysteme, S. 132 f. 267

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Darüber hinaus ist eine solch kumulierte Initiativermittlung vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit276 äußerst bedenklich, denn das Zusammenführen von Erkenntnissen aus dem Vorfeld von Anfangsverdacht und dem Vorfeld von „Anfangsgefahr“ würde zu einer „vorsorgenden vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ führen und das hat weder etwas mit der Verhütung noch der Verfolgung von Straftaten zu tun, „sondern um das vorgezogene Eindringen in die Strukturen krimineller Organisationen.“ 277 III. Vorsorge für die künftige Strafverfolgung Das Strafverfahrensrecht kennt zunehmend auch Regelungen, die der Vorsorge für eine effektivere Strafverfolgung in künftigen Verfahren gelten. Namentlich zu nennen sind § 484 StPO (Datenverarbeitung für Zwecke künftiger Strafverfolgung), § 81g StPO (DNA-Analyse für künftige Strafverfahren) und § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO (Maßnahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung). Auf den mit diesen Regelungen verbundenen grundlegenden Streit, ob die Vorsorge für die künftige Strafverfolgung (auch Strafverfolgungsvorsorge genannt) dem Bereich der Strafverfolgung oder dem Bereich der Gefahrenabwehr zuzuordnen ist, kann an dieser Stelle nur hingewiesen werden.278 Das BVerfG ordnet diese Maßnahmen jedenfalls der Strafverfolgung zu.279 IV. Vorverlagerung des materiellen Strafrechts Eine Vorverlagerung des Strafverfahrensrechts erfolgt schließlich auch durch eine Vorverlagerung des materiellen Strafrechts. So werden zunehmend klassische Vorbereitungsstadien und Stadien der Planung von Straftaten selbst unter Strafe gestellt. Das wiederum hat zur Folge, dass sich dementsprechend auch der Anfangsverdacht vorverlagert. Als klassische Beispiele dieser Tendenz können die Organisationsdelikte wie § 129a StGB (Bildung einer terroristischen Vereinigung) auch i.V. m. § 129b StGB (terroristische Vereinigungen im Ausland) genannt werden. Doch ist dieses Phänomen nicht auf Organisationsdelikte begrenzt, wie der ebenfalls thematisch hierher zuzuordnende § 130a StGB (Anleitung von Straftaten) zeigt.280 Der Gesetzgeber baut diesen Weg der Vorverlagerung weiter

276 Zur Korrektivwirkung der mit Verfassungsrang ausgestatteten Verhältnismäßigkeit gegenüber strafverfahrensrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen vgl. Degener, S. 47 ff. 277 Wolter, ZStW 1995, 793 (824 ff. [826]). 278 Vgl. Zöller, Informationssysteme, S. 86 ff.; umfangreiche Nachweise zum Streitstand finden sich bei Mittag, S. 31 Fn. 28. 279 Vgl. BVerfG NStZ 2001, 328; NStZ-RR 2007, 378. 280 Zum Phänomen der Vorverlagerung vgl. Wolff, DÖV 2009, 597 (600); Pütter, CILIP 2008, 3 (5); Weißer, JZ 2008, 388 (390 ff.); zu Unrechtsbegründung und Vorfeldkriminalisierung grundlegend Beck, passim. Ein Plädoyer pro Vorverlagerung halten

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aus, wie die im Jahre 2009 neu eingefügten Straftatbestände § 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), § 89b StGB (Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) und § 91 StGB (Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) zeigen.281

C. Befugnisse zur aktiven Informationsbeschaffung Die Strafverfolgungsbehörden haben umfangreiche Befugnis zur aktiven Informationsbeschaffung. So können sie im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung zur Sachverhaltserforschung von allen Behörden Auskunft verlangen sowie Ermittlungen jeder Art selbst vornehmen (§ 161 Abs. 1 S. 1, § 163 Abs. 1 S. 2 StPO). Für grundrechtsintensive Ermittlungsmaßnahmen muss jedoch eine Spezialermächtigung in der StPO vorliegen; für weniger grundrechtsintensive Ermittlungsmaßnahmen können sich die Strafverfolgungsbehörden hingegen auf ihre jeweilige Ermittlungsgeneralklausel (§ 161 Abs. 1 S. 1, § 163 Abs. 1 S. 2 StPO) berufen.282 Im Unterschied zu den Nachrichtendiensten sind die Strafverfolgungsbehörden zur Ausübung von Zwang befugt, wie die Untersuchungshaft (§ 112 StPO) oder die Beschlagnahme (§ 98 StPO) eindrucksvoll zeigen. Mit anderen Worten: Die Strafverfolgungsbehörden haben gerade das Recht der Ausübung von „polizeilichen Befugnissen“, das dem BfV verwehrt ist.283 I. „Vernachrichtendienstlichung“ des Strafverfahrens Mittlerweile ist es geradezu selbstverständlich, dass den Strafverfolgungsbehörden auch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. So ist z. B. die Überwachung der Telekommunikation (§ 100a StPO) oder aber auch der Einsatz von Verdeckten Ermittlern (§ 110a StPO) aus dem Strafverfahren nicht mehr wegzudenken. Allerdings ist dies nicht selbstverständlich. Während die Durchführung offener Ermittlungsmaßnahmen und deren zwangsweise Durchsetzung, wie das Beispiel der Beschlagnahme oder der Durchsuchung zeigt, seit jeher dem Strafrecht bekannte Befugnisse darstellen284, erweist Griesbaum/Wallenta, NStZ 2013, 369 (371): „ein Gebot der Gewährleistung von Sicherheit“. 281 §§ 89a, 89b, 91 StGB wurden in das StGB eingefügt durch Gesetz vom 30.7. 2009, BGBl. I S. 2437. Zu diesen Vorschriften Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 ff.; Gierhake, ZIS 2008, 397 ff.; Radtke/Steinsiek, ZIS 2008, 383 ff. 282 Streitig; hierzu Hefendehl, StV 2001, 700 (703 f.), und Mittag, S. 137 ff. 283 Zum Verbot polizeilicher Befugnisse aufseiten des Verfassungsschutzes vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. V. 284 Prinzip des Gegenübertretens mit offenem Visier; vgl. hierzu Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 204 ff. (205): „Grundsatz der Offenheit staatlichen Handelns“.

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sich die Befugnis zur Durchführung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen als eine neuere Entwicklung. Diese lässt sich zurückführen auf die Tendenz des Gesetzgebers, die Befugnisse von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden gerade im Hinblick auf die heimlichen Ermittlungsmethoden massiv auszuweiten.285 Während der Startschuss für diese Entwicklung im Polizeirecht in dem „Vorentwurf zur Änderung des Musterentwurfs eines Polizeigesetzes der Innenministerkonferenz vom 12. März 1986“ gesehen werden kann,286 sind im Strafverfahrensrecht die verdeckten Ermittlungsmethoden (jenseits der „klassischen“ Telefonüberwachung) tendenziell erst im Jahre 1992 mit dem „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ 287 gesetzlich verankert worden.288 Das Schlagwort für diese Entwicklung lautet „Vernachrichtendienstlichung“ des Polizei- und Strafverfahrens.289 II. Vergleich mit den Befugnissen des Verfassungsschutzes Stehen also auch den Strafverfolgungsbehörden Befugnisse zur verdeckten Informationserhebung zu und kann dieser Zustand als „Vernachrichtendienstlichung“ des Strafverfahrens bezeichnet werden, ist gleichwohl noch nichts darüber gesagt, inwieweit die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörde den Befugnissen des BfV entsprechen. Zur Klärung dieser Frage sind – im Folgenden – die nachrichtendienstlichen Befugnisse zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel mit den Befugnissen, die das Strafverfahrensrecht den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellt, zu vergleichen. Allerdings kann es allein darum gehen, inwieweit die nachrichtendienstlichen Befugnisse eine strafverfahrensrechtliche Entsprechung erfahren haben.290 Entsprechung bedeutet, dass es nicht um die Frage nach identischen Eingriffsvoraussetzungen geht. Es kommt gerade nicht darauf an, ob z. B. der Verdachtsgrad gleich ist oder jeweils ein Richtervorbehalt besteht. Abzustellen ist vielmehr auf die Art der Maßnahme. Maßgebend ist daher, inwieweit in der tatsächlichen Durchführung der Informationserhebung eine Entsprechung besteht. Mit dieser Relativierung wird berücksichtigt, dass eine vollständige Identität zwischen den Eingriffsbefugnissen schon aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenstellungen von Inlandsnachrichtendienst (Vorfeldauf285

Vgl. die Zusammenstellung bei Albers, S. 143 ff., 184 ff. Schafranek, S. 80, 117 f. 287 Gesetz vom 15.7.1992, BGBl. I S. 1302. 288 Schafranek, S. 80, 122. 289 Vgl. König, S. 232; Zöller, Informationssysteme, S. 326. Zu beachten ist, dass mit dem Begriff der „Vernachrichtendienstlichung“ mitunter auch das Phänomen der systematischen Einbeziehung der Nachrichtendienste in die Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr bezeichnet wird, so u. a. bei: Gärditz, Strafprozeß und Prävention, S. 21 f., und Paeffgen, StV 2002, 336 (340 f.). 290 Der hier verwendete Begriff der Entsprechung gleicht dem in § 161 Abs. 2 StPO. Zu dem dortigen Verständnis vgl. Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 2. a) aa). 286

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

klärung als vorgelagerter Teil der Gefahrenabwehr) und Strafverfahren (Straftataufklärung) gar nicht bestehen kann, muss doch bereits vom Prinzip her der Verfassungsschutz seine Befugnisse immer früher einsetzen können als es die Strafverfolgungsbehörde könnte, die schließlich erst einmal einen Straftatverdacht bejahen muss, um überhaupt tätig zu werden. Dass insoweit Differenzen zwingend sind, ergibt sich bereits aus der bisherigen Untersuchung.291 An dieser Stelle kann es folglich allein von Interesse sein zu prüfen, inwieweit überhaupt das BfV als Inlandsnachrichtendienst Befugnisse zur aktiven Informationsbeschaffung besitzt, die das Strafverfahrensrecht den Ermittlungsbehörden schon der Art nach nicht zur Verfügung stellt und damit nicht nur ein qualitativer, sondern auch ein quantitativer Unterschied besteht. 1. Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel Es wurde festgestellt, dass das BfV über mehrere Vorschriften zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel befugt ist: Zum einen über eine entsprechende (zweifache) Generalklausel, die allerdings aufgrund des Zitiergebots von Art. 19 Abs. 1 GG keine Eingriffe in den Schutzbereich von Art. 10 und Art. 13 GG legitimiert; zum anderen über spezielle Regelungen zur Wohnraumüberwachung, zur Überwachung des Mobilfunkverkehrs und der Überwachung der Telekommunikation und des Postverkehrs.292 Vergleicht man die nachrichtendienstlichen Befugnisse zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel mit den Möglichkeiten des Strafverfahrens, so kann festgestellt werden, dass diese im Zuge der „Vernachrichtendienstlichung“ 293 des Strafverfahrens im Wesentlichen eine Entsprechung erfahren haben. So sind mittlerweile auch im Strafverfahrensrecht klassische nachrichtendienstliche Mittel wie der Einsatz von Verdeckten Ermittlern (§ 110a StPO), längerfristige Observationen (§ 163f StPO), die Befugnis zum Abhören außerhalb der Wohnung (§ 100f StPO) oder der Einsatz weiterer technischer Mittel gem. § 100h StPO niedergeschrieben. Insbesondere kennt die StPO grundsätzlich auch die Befugnisse, die im Nachrichtendienstrecht wegen ihrer besonderen Grundrechtsintensität eine eigenständige Regelung erfahren haben. So finden sich auch dort die Befugnis zur Überwachung der Telekommunikation (§ 100a StPO), die Befugnis zur Überwachung des Mobilfunkverkehrs (§ 100i StPO) sowie die Befugnis zur akustischen Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO). Jedoch haben nicht alle nachrichtendienstlichen Befugnisse ein strafverfahrensrechtliches Äquivalent erhalten. So ist dem Strafverfahrensrecht (aufgrund der zwingenden Vorgabe aus Art. 13 Abs. 3 GG) die optische Wohnraumüberwa291 292 293

Vgl. hierzu oben Zweiter Teil: Kapitel 2 A. I. und Zweiter Teil: Kapitel 1 C. II. Vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. Zu dieser Entwicklungstendenz vgl. bereits oben Zweiter Teil: Kapitel 2 C. I.

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chung fremd. Auch war und ist der StPO die – dem BfV von 2002 bis 2011 zugestandene – Befugnis der Wohnraumüberwachung zur Eigensicherung fremd.294 Schließlich besitzt das Strafverfahren auch nicht die Befugnis zum heimlichen Öffnen und Einsehen von Sendungen, die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegen. Zwar besteht im Rahmen eines Strafverfahrens die Möglichkeit der Beschlagnahme von Postsendungen (§§ 99 f. StPO). Die Postbeschlagnahme und die darauf aufbauende Beschlagnahme ist aber im Gegensatz zu der Überwachung des Postverkehrs gem. § 3 G10 keine heimliche Ermittlungsmaßnahme dergestalt, dass die Post heimlich geöffnet und wieder in den Postverkehr zurückgeführt wird. Ein Verdecken der Maßnahme ist nur insoweit möglich, als dass die Anordnung der Postbeschlagnahme auf bestimmte Postsendungen295 und Telegramme beschränkt wird, die übrigen Sendungen ausgeliefert werden und Absender sowie Sender der Postsendung über die Beschlagnahmeanordnung erst informiert werden, sobald eine Gefährdung des Untersuchungserfolges ausgeschlossen ist (§ 101 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5 StPO). Die beschlagnahmten Postsendungen und Telegramme werden, sofern sie relevant sind, zurückbehalten. Ansonsten sind sie – mit Vermerk über die gerichtliche Öffnung296 – unverzüglich an den vorgesehenen Empfänger weiterzuleiten (§ 100 Abs. 5 S. 2 StPO). Im Übrigen ist auch eine freiwillige Herausgabe durch Post- und Telekommunikationsdienste nicht möglich, da dies einen Verstoß gegen Art. 10 GG darstellen würde.297 Einer ausführlicheren Betrachtung bedarf die Befugnis zum Einsatz von V-Personen.298 Ob neben dem Verfassungsschutz auch die Strafverfolgungsbehörden zum Einsatz von V-Personen befugt sind, ist umstritten.299 Einigkeit besteht noch darüber, dass es für den Einsatz von V-Personen in der StPO keine eigenständige Ermächtigungsnorm gibt.300 Ausdrücklich geregelt ist in §§ 110a ff. StPO allein der Einsatz von Verdeckten Ermittlern. Hierunter fallen sowohl nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 110a Abs. 3 StPO) als auch nach dem Willen des Gesetzgebers allein Beamte des Polizeidienstes. Für V-Personen ist und soll diese Regelung nicht anwendbar sein.301 Das ergibt sich schon daraus, dass V-Personen 294 Aus verfassungsrechtlicher Sicht wäre eine solche Norm – bei präventiver Intention – aber wohl zulässig (Kompetenz des Bundesgesetzgebers nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG kraft Sachzusammenhangs); vgl. Dreier/Hermes, GG, Art. 13 Rn. 86; BKGG/Ziekow/Guckelberger, Art. 13 Rn. 109. 295 Der Begriff Postsendungen ist in § 4 Nr. 5 PostG definiert. 296 HK/Gercke, StPO, § 100 Rn. 19. 297 Vgl. § 39 PostG. Gegenüber Gefahrenabwehrbehörden ist eine Herausgabe in den Fällen von § 138 StGB zulässig (§ 39 Abs. 3 S. 3 PostG). 298 Zum Begriff der V-Person aus nachrichtendienstlicher Perspektive vgl. oben Fn. 105. 299 Vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 110a Rn. 4a. 300 Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 37 Rn. 9. 301 BT-Drs. 12/989, S. 41; BGHSt 41, 42 (44 f.); Meyer-Goßner, StPO, § 110a Rn. 2 und 4a.

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

keine Polizeibeamten sind.302 Umstritten ist jedoch, welche Folgerungen hieraus zu ziehen sind. Gesetzgeber303 wie Rechtsprechung304 halten den Einsatz von VPersonen gleichwohl für zulässig und stützen den Einsatz (letztlich) auf die Generalklauseln der §§ 161, 163 StPO. Nach ihrer Ansicht ist eine spezialgesetzliche Regelung entbehrlich.305 Damit hätte also das Strafverfahrensrecht auch für das nachrichtendienstliche Mittel der V-Person eine Entsprechung. Dem ist jedoch zu widersprechen. Richtigerweise bedarf auch der Einsatz von V-Personen einer spezialgesetzlichen Befugnisnorm. Ein bloßer Rückgriff auf die Generalklauseln ist nicht ausreichend.306 Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass auch der Einsatz von V-Personen einen – wenngleich mittelbaren – Grundrechtseingriff darstellt.307 Zwar sind Privatpersonen als solches nicht grundrechtsverpflichtet, jedoch muss berücksichtigt werden, dass bei einem Einsatz als V-Person die Privatperson durch den Staat zum Zwecke der Informationserhebung instrumentalisiert wird.308 Eine solche staatlich-instrumentalisierte Privatperson nun steht einem grundrechtsverpflichteten Polizeibeamten im Hinblick auf die mit einer Informationserhebung verbundene Eingriffsintensität in nichts nach.309 Da letztlich gerade wegen der Grundrechtsintensität, die mit dem Einsatz von Verdeckten Ermittlern verbunden ist, eine Spezialregelung erfolgt ist310, muss sich wegen der insoweit bestehenden Vergleichbarkeit auch der Einsatz von V-Personen an dem Regelungsgehalt der §§ 110a f. StPO orientieren und insbesondere spezialgesetzlich normiert werden. Da dies nicht erfolgt ist, wäre der Einsatz von V-Personen derzeit nicht zulässig. 2. Besonderes Auskunftsverlangen Seit dem Inkrafttreten des Terrorismusbekämpfungsgesetzes im Jahr 2002 kann das BfV gegenüber Luftfahrtunternehmen, Betreibern von Computerreser302

Hilger, FS Hanack, S. 207 (212 f.). Vgl. BT-Drs. 12/989, S. 41. 304 Stellvertretend BGHSt 41, 42 (43 ff.). 305 BT-Drs. 12/989, S. 41 (sieht V-Personen strafprozessual als „Zeugen, so daß die notwendige gesetzliche Grundlage für ihre Heranziehung im Ermittlungs- und Strafverfahren gegeben ist“); BGHSt 41, 42 (43 ff.); zustimmend Hilger, FS Hanack, S. 207 (212 f.); kritisch Bernsmann/Jansen, StV 1998, 217 (229 f.); Duttge, JZ 1996, 556 (557 ff. [563]); Fezer, JZ 1995, 972 (972); Lagodny, StV 1996, 167 (170 ff.). 306 Mittag, S. 140. 307 Mittag, S. 140. 308 Mittag, S. 140. 309 Mittag, S. 140. 310 LR/Schäfer, StPO, (25. A.), § 110a Rn. 4, nennt ein Motivbündel für die Spezialregelung: Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung; Wahrung des strafprozessualen Systems der Einzeleingriffsermächtigungen; Erhöhung der Rechtssicherheit für den eingesetzten Polizeibeamten. 303

Kap. 2: Kennzeichen des Ermittlungsverfahrens

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vierungssystemen und globalen Distributionssystemen für Flüge sowie Banken und Erbringern von Telekommunikationsdienstleistungen und Telediensten Auskunft über bestimmte Kundendaten verlangen.311 Ein vergleichender Blick auf das Strafverfahrensrecht ergibt das folgende Bild: Im Hinblick auf die Bankkundendaten besteht kein dem § 8a Abs. 2 Nr. 2 BVerfSchG vergleichbarer spezieller strafprozessualer Auskunftsanspruch gegenüber den einzelnen Banken. Selbst bei einer zeugenschaftlichen Vernehmung durch Polizeibeamte sind die Bankmitarbeiter kraft ihrer (zivilrechtlichen) Pflicht zur Wahrung des Bankkundengeheimnisses verpflichtet, keine Angaben zu machen.312 Zu einer Aussage verpflichtet sind die Mitarbeiter erst nach einer ordnungsgemäßen Zeugenladung durch die Staatsanwaltschaft.313 Jedoch geht die Zeugenpflicht nicht so weit, auch über Vorgänge zu berichten, die ein Zeuge aus eigener Wahrnehmung nicht (mehr) rekonstruieren kann.314 Aus Gründen der Wahrung des Bankkundengeheimnisses wird regelmäßig das Bemühen um Sicherstellung gem. § 94 Abs. 1 StPO scheitern.315 Letztlich gelangen daher die Strafverfolgungsbehörden an die vergleichbaren Daten gegenüber den Banken erst über die prozessualen Mittel der Beschlagnahme (§ 94 Abs. 2 StPO), sodass die Banken zur Herausgabe der Daten verpflichtet sind.316 Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass den Strafverfolgungsbehörden zwar kein spezieller strafprozessualer Auskunftsanspruch zusteht, sie jedoch über das allgemeine Instrumentarium der aktiven Informationserhebung (Sicherstellung und Beschlagnahme) ebenfalls Zugang zu den entsprechenden Informationen haben. Darüber hinaus steht den Strafverfolgungsbehörden im Unterschied zu den Nachrichtendiensten bei Weigerung der Herausgabe die Möglichkeit einer Durchsuchung (§ 103 StPO) zur Verfügung.317 Nach § 8a Abs. 2a BVerfSchG hat der Verfassungsschutz einen Anspruch auf Auskunft von Kontostammdaten. Auch den Strafverfolgungsbehörden steht die Mitteilung von Kontostammdaten zu. Nach § 24c Abs. 3 Nr. 2 KWG können sie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht um eine Mitteilung von Kontostammdaten i. S. v. § 24c Abs. 1 S. 1 KWG (Nummer eines Kontos, Tag der Errichtung und Löschung, Name sowie bei natürlichen Personen den Tag der Ge-

311

Vgl. im Einzelnen oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. IV. 2. Herzog, Basel II, S. 47 (61, 63). 313 Vgl. § 161a Abs. 1 S. 1 StPO. 314 Herzog, Basel II, S. 47 (63). 315 Zum Bankkundengeheimnis aus strafverfahrensrechtlicher Sicht allgemein Herzog, Basel II, S. 47 (62 ff.): Allerdings scheine aus Imagegründen eine gegenteilige Entwicklung erkennbar. 316 Herzog, Basel II, S. 47 (66). 317 Den Banken steht dann das Instrument der Abwendungsauskunft zu; Herzog, Basel II, S. 47 (62 ff. [64]). 312

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

burt des Inhabers und etwaiger Verfügungsberechtigter sowie Name und Anschrift etwaiger abweichend wirtschaftlich Berechtigter) ersuchen.318 Einen mit § 8a Abs. 2 Nr. 1 BVerfSchG vergleichbaren speziellen strafprozessualen Auskunftsanspruch gegenüber Luftfahrtunternehmen gibt es nicht.319 Im Ergebnis werden auch hier wie bei den Bankkundendaten letztlich erst mit dem Mittel der Beschlagnahme vergleichbare Datensätze für die Strafverfolgungsbehörden zu erlangen sein, sofern die Mitarbeiter der Luftverkehrsunternehmen sich im Rahmen einer Zeugenvernehmung nicht als Ermittlungsgehilfe beteiligen und freiwillig die notwendigen Nachrecherchen anstellen sowie etwaige Unterlagen herausgeben. Das Gleiche gilt auch im Hinblick auf einen Auskunftsanspruch gegenüber Teledienstleistern. Einen mit § 8a Abs. 2 Nr. 5 und § 8a Abs. 1 BVerfSchG vergleichbaren speziellen strafprozessualen Auskunftsanspruch gegenüber Teledienstleistern gibt es nicht. Die im TMG320 enthaltenen Regelungen zur Auskunftserteilung von Bestands- und Nutzungsdaten gegenüber Strafverfolgungsbehörden stellen für diese keine Ermächtigungsgrundlage dar, denn das TMG regelt allein das Verhältnis zwischen Diensteanbieter und Nutzer; Ermächtigungsgrundlage stellt für die Strafverfolgungsbehörden stattdessen (wiederum) die Beschlagnahme gem. § 94 StPO dar.321 Im Hinblick auf die Befugnis zum Auskunftsverlangen gegenüber den Telekommunikationsdienstleistern ist das Folgende festzustellen: Die Befugnis zur Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten zu Zwecken der Strafverfolgung ist kontinuierlich ausgeweitet worden. Die Entwicklung hat ihren gegenwärtigen Abschluss in § 100g StPO gefunden.322 Die Verkehrsdaten, die das BfV erfragen darf (§ 8a Abs. 2 Nr. 4 BVerfSchG), stehen auch den Strafverfolgungsbehörden zu.323 § 100g Abs. 1 S. 1 StPO verweist auf § 96 Abs. 1 TKG, der über 318

Zu § 24c KWG: Herzog/Christmann, WM 2003, 6 (10). Das Luftverkehrsgesetz (vom 1.8.1922, RGBl. I S. 681) sieht keine entsprechende Datensammlung und auch keine entsprechende Auskunftserteilung vor. Die Bundespolizei kann nach § 31a BPolG die Luftfahrtunternehmen zum Zwecke der Wahrnehmung bestimmter bundespolizeilicher Aufgaben verpflichten, § 8a Abs. 2 Nr. 1 BVerfSchG entsprechende Daten zu erheben und ihr zu übermitteln. 320 § 14 Abs. 2 TMG (Bestandsdaten), § 15 Abs. 5 S. 4 TMG (Nutzungsdaten). 321 Heckmann, S. 211 ff. Hinsichtlich der Nutzungsdaten sei umstritten, ob ein Rückgriff auf §§ 94 ff. StPO ausreichend ist, da unter Umständen auch der Schutzbereich von Art. 10 GG betroffen sein könnte; vgl. Roßnagel/Dix/Schaar, Multimediadienste, § 6 Teledienstdatenschutzgesetz (TDDSG) Rn. 203. 322 Zur Genese: HK/Gercke, StPO, § 100g Rn. 2; speziell zur jüngsten Neuregelung: BT-Drs. 16/5846, S. 50 ff. 323 Nach Auffassung des Gesetzgebers (BT-Drs. 16/5846, S. 54) steht den Strafverfolgungsbehörden über § 100g Abs. 1 S. 1 StPO die sog. Zielwahlsuche zu, die vor der Neufassung der Erhebung von Verkehrsdaten noch ausdrücklich geregelt war (§ 100g Abs. 2 StPO a. F.); kritisch Weßlau, ZStW 2001, 681 (693 ff.). Da sich insoweit die Befugnisnormen entsprechen, steht, sofern man die Zielwahlsuche überhaupt für zulässig 319

Kap. 2: Kennzeichen des Ermittlungsverfahrens

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Nr. 5 auch die Standortdaten eines eingeschalteten Mobiltelefons unabhängig von der aktuellen Nutzung erfasst. Wie dem Verfassungsschutz steht damit auch den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit einer technisch basierenden Observation zu (§ 100g Abs. 1 S. 3 StPO). Im Unterschied zum BVerfSchG, das dem BfV einen Auskunftsanspruch über die Verkehrsdaten begründet, gestattet § 100g StPO den Strafverfolgungsbehörden die Erhebung der Daten, sodass hier tatsächlich eine Observation in Echtzeit möglich ist.324 Darüber hinaus ist das strafverfahrensrechtliche Erhebungsrecht im Unterschied zu dem nachrichtendienstlichen Auskunftsanspruch nicht auf geschäftsmäßige Telekommunikationsdienstleister begrenzt.325 III. Zusammenfassung Insgesamt kann aus dem Vergleich die Schlussfolgerung gezogen werden, dass dem Nachrichtendienst im Grundsatz kein Mittel zusteht, das zumindest im Ergebnis nicht auch das Strafverfahrensrecht kennt.326 Diese Feststellung kann trotz der offen ausgestalteten Generalklausel im Verfassungsschutzrecht zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, die zu weit mehr befugt als die Strafverfolgungsbehörden aus „ihrer“ Generalklausel ableiten können, deshalb getroffen werden, weil die nachrichtendienstliche Generalklausel nicht schrankenlos ist, sondern ihre Grenzen u. a. vor Eingriffen in Art. 10 und Art. 13 GG sowie sonstigen besonders intensiven Grundrechtseingriffen findet. Hinzukommt die mittlerweile erfolgte „Aufrüstung“ des Strafverfahrensrechts mit nachrichtendienstlichen Befugnissen. Freilich ist mit dieser Feststellung keine Identität als solches zwischen den konkreten nachrichtendienstlichen und strafverfahrensrechtlichen Einsatzmitteln und ihren Einsatzmodalitäten gemeint. So ist die strafverfahrensrechtliche Eingriffsschwelle, die zumindest einen Anfangsverdacht fordert, stets zwangsläufig höher als die des Nachrichtendienstes327 und auch die Aufklärungsrichtung und die damit verbundenen Eingriffsmodalitäten sind verschieden. Jedoch können den nachrichtendienstlichen Befugnissen jeweils strafverfahrensrechtliche Entsprechungen gegenübergestellt werden. Als Ausnahmen hiervon ist erachtet, auch den Nachrichtendiensten die Befugnis zur Zielwahlsuche zu. – Über § 100g Abs. 2 S. 2 StPO sind die Strafverfolgungsbehörden auch zur sog. Funkzellenabfrage ermächtigt; KK/Nack, StPO, § 100g Rn. 5. Da im Bereich des nachrichtendienstlichen Auskunftsverlangens das Erfordernis der Angabe einer Telefonnummerangabe generell nicht besteht, steht auch dem BfV die Funkzellenabfrage zu. 324 KK/Nack, StPO, § 100g Rn. 1. 325 BT-Drs. 16/5846, S. 51: „Denn die Erforderlichkeit der Erhebung von Verkehrsdaten [. . .] wird nicht dadurch beseitigt, dass die Telekommunikationsdienste nicht geschäftsmäßig erbracht werden.“ 326 Ähnlich König, S. 255, sowie Hefendehl, GA 2011, 209 (211 f.). 327 Hieran hat auch die Erhöhung der Anforderungen an einen Auskunftsanspruch gem. § 8a BVerfSchG durch das Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 7.12.2011 (BGBl. I S. 2576) nichts geändert.

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

aber die optische Wohnraumüberwachung sowie das heimliche Öffnen und Einsehen von Sendungen, die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegen, auszumachen. Hinsichtlich dieser Befugnisse hat das Strafverfahrensrecht keine Entsprechungen. Im Hinblick auf die nachrichtendienstliche Befugnis des Besonderen Auskunftsverlangens ist (ergänzend) das Folgende hervorzuheben. Auch die Strafverfolgungsbehörden haben Zugriff auf die Daten, auf die das BfV über § 8a BVerfSchG einen Auskunftsanspruch hat. Jedoch kennt die StPO hierfür im Grundsatz keine eigenständige Erhebungsnorm. Lediglich im Hinblick auf die Erhebung von Verkehrsdaten gegenüber Telekommunikationsdienstleistern gibt es mit § 100g StPO eine vergleichbare eigenständige Regelung. Eine weitere eigenständige Befugnisnorm stellt § 24c KWG (Kontostammdaten) dar. Im Unterschied zum Nachrichtendienstrecht können die Strafverfolgungsbehörden die Erlangung der Daten regelmäßig mit Zwang durchsetzen. Im Hinblick auf die spezialgesetzlich geregelte Erhebung von Verkehrsdaten gem. § 100g StPO ist festzuhalten, dass die strafverfahrensrechtliche Befugnis weiter reicht als die entsprechende nachrichtendienstliche Norm in § 8a Abs. 2 Nr. 4 BVerfSchG, da die Strafverfolgungsbehörden nicht nur Auskunft über erhobene Daten, sondern die Erhebung der Daten beanspruchen können. Kapitel 3

Feststellung Die bisherigen Ausführungen in diesem zweiten Teil verfolgten zum einen das Ziel, das BfV als Inlandsnachrichtendienst vorzustellen und zugleich die Grundlagen für die Beantwortung der einleitend aufgeworfenen Frage nach dem besonderen Interesse, dem Reiz und der Attraktivität einer Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren zu schaffen. Das BfV ist ein Nachrichtendienst des Bundes, geschaffen, um die politischen Entscheidungsträger frühzeitig über verfassungsfeindliche und sicherheitsgefährdende Aktivitäten im Inland zu unterrichten, und der hierzu im Grundsatz im gesamten Bundesgebiet unter Ausklammerung des Bereiches Bundeswehr tätig ist. Seinem Aufklärungsauftrag entsprechend ist der Verfassungsschutz bereits im Vorfeld von konkreten Gefahren und Straftaten tätig. Kennzeichen seiner Arbeitsweise sind u. a. die strategische Aufklärung und das Opportunitätsprinzip. Bereits diese beiden Kennzeichen zeigen den Reiz für eine Mitwirkung in strafprozessualen Ermittlungsverfahren auf, unterliegen diese doch geradezu gegenteiligen Prinzipien. So hat das Strafverfahren die Aufgabe, eine konkrete Straftat aufzuklären, und die Ermittlungsbehörden unterliegen hierbei dem Legalitätsprinzip. Dass der Verfassungsschutz trotz seiner ursprünglich primären Auf-

Kap. 3: Feststellung

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gabe, der Information und Beratung von politischen Entscheidungsträgern, durchaus auch relevante Informationen für die Strafverfolgungsbehörden im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung wahrnimmt und das nicht nur zufällig, sondern strukturell bedingt, zeigen die nachfolgenden Überlegungen. Zwar ist das BfV hinsichtlich seines Beobachtungsauftrages als solches im Vorfeld von der Begehung von Straftaten tätig, aber im Zuge seiner Aufklärungstätigkeit kommt es gleichwohl zwangsläufig mit der Planung oder Begehung von Straftaten – und damit mit dem Aufklärungsbereich der Strafverfolgungsbehörden – in Berührung.328 Hierzu ist noch einmal hervorzuheben: Strategische Aufklärung bedeutet nicht, dass der Verfassungsschutz das Verhalten einzelner Personen völlig ausblendet. So ist u. a. das folgende Szenario möglich: Beobachtet das BfV eine Gruppierung mit der Aufklärungsfrage, ob diese verfassungsfeindliche Ziele aktiv verfolgt, so muss es sich auch mit den einzelnen Personen dieser Gruppierung auseinandersetzen. Denn die Gruppierung setzt sich aus Einzelpersonen zusammen. Und diese Personen können nun unabhängig von der Gruppierung oder aber auch innerhalb der Gruppe Straftaten planen oder begehen, die z. B. mit dem eigentlichen Aufklärungsauftrag des BfV nichts zu tun haben. Die Planung oder Begehung dieser Straftaten nimmt der Verfassungsschutz dann also trotz strategischer Aufklärung sehr wohl wahr. Der Verfassungsschutz könnte also unter Umständen die Strafverfolgungsbehörden überhaupt auf das Vorliegen von Straftaten hinweisen sowie den Strafverfolgungsbehörden weiterführende Ermittlungshinweise oder aber auch eigene – unter Umständen aus dem nachrichtendienstlichen Vorfeld stammende – Aufklärungserkenntnisse zur Verfügung stellen. Denkbar ist zudem, dass Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutz im gleichen Aufklärungsgebiet parallel tätig sind.329 Ein Beispiel hierzu bildet der NSU. Der NSU und die damit mutmaßlich verbundenen schweren Verbrechen wie die Tötung von zehn Menschen beschäftigten und beschäftigen sowohl die Strafverfolgungs- als auch die Verfassungsschutzbehörden.330 Infolge der Nichtbindung an ein Legalitätsprinzip ist es dem Verfassungsschutz im Gegensatz zu den Strafverfolgungsbehörden zudem zumindest leichter möglich, kriminelle Strukturen von organisierten Kartellen umfassend auszuleuchten und eine vollständige Aufklärung der Hintergründe anzustreben. – Allerdings muss stets ein primärer Bezug zum nachrichtendienstlichen Aufklärungsauftrag gem. § 3 Abs. 1 BVerfSchG bestehen. Das BfV hat nicht die Aufgabe, primär zu Zwecken

328 So schon Evers, Rechtsstaat, S. 65 (66 ff.). Ferner Isensee/Kirchhof/Götz, HdbStR, § 79 Rn. 42: Die Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden, der Strafverfolgungsbehörden und der Gefahrenabwehrbehörden berühren und überschneiden sich in vielfältiger Weise. 329 Allgemein wird in der Literatur dieses Phänomen unter „Aufgabenüberschneidung“ zusammengefasst, vgl. z. B. Lang, S. 59. 330 Vgl. Schäfer, Gutachten, Rn. 150 ff. und Rn. 295 ff.

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2. Teil: BfV und strafprozessuales Ermittlungsverfahren

einer (späteren) Strafverfolgung tätig zu werden. Das BfV ist keine Strafverfolgungsbehörde.331 Des Weiteren kann ein Reiz an einer Mitwirkung darin gesehen werden, dass dem BfV Instrumente der aktiven Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen, die den Strafverfolgungsbehörden in dem konkreten Ermittlungsstadium in Bezug auf das Ob oder den Umfang verwehrt sind. Zwar kennt im Grundsatz mittlerweile auch das strafprozessuale Ermittlungsverfahren sämtliche nachrichtendienstliche Ermittlungsbefugnisse. Die Ausnahmen hierzu bilden die nachrichtendienstlichen Befugnisse der optischen Wohnraumüberwachung sowie das heimliche Öffnen und Einsehen von Sendungen, die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegen. Jedoch sind die Einsatzschwellen im Strafverfahrensrecht stets höher. Das zeigt sich schon darin, dass die Strafverfolgungsbehörden erst bei dem Vorliegen eines strafrechtlichen Anfangsverdachts zur Informationsbeschaffung befugt sind, ihnen also bloße Ausforschungsmaßnahmen verwehrt sind. Zudem ist infolge der unterschiedlichen Ziele der Informationsbeschaffung der Umfang der Befugnisnormen verschieden. So entsprechen sich z. B. zwar der strafverfahrensrechtliche Verdeckte Ermittler und der nachrichtendienstliche Under-Cover-Agent der Sache nach, beide sind sie verdeckt ermittelnde Beamte. Aber der Under-Cover-Agent ist mit einem – dem Einsatz des Verdeckten Ermittlers nicht vergleichbaren – umfassenderen und vielschichtigeren Aufklärungsauftrag ausgestattet, er unterliegt gerade nicht den (materiellen) Restriktionen von § 110a StPO. An diesen aufgezeigten strukturellen Unterschieden haben im Grundsatz auch die gesetzlichen und von Praktikern forcierten Annäherungen zwischen Verfassungsschutz und Ermittlungsverfahren, zwischen Verfassungsschutzbehörden und Ermittlungsbehörden nichts geändert. Und sie werden es auch nicht, solange die grundlegenden Strukturprinzipien nicht aufgegeben werden. Dass aber eine Annäherung erfolgt ist, kann nicht bestritten werden. Als Beispiele hierfür sind hervorzuheben: Die Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden mit verdeckten Ermittlungsmethoden; die Vorverlagerung des materiellen Strafrechts; die Etablierung von Vorermittlungen durch Strafverfolgungsbehörden; die Befugnis der Strafverfolgungsbehörden zur Vorsorge für die künftige Strafverfolgung; die (zunehmende) Diskussion um Vorfeldermittlungen; die Beauftragung des BfV mit der Aufklärung von Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind; die Befugnis des BfV zu Besonderen Auskunftsverlangen. Kann also trotz der aufgelisteten Annäherungen nach wie vor von einem besonderen Interesse, einer besonderen Attraktivität von nachrichtendienstlicher Mitwirkung in strafprozessualen Ermittlungsverfahren infolge der andersartigen 331 Vgl. in diesem Zusammenhang Zöller, Informationssysteme, S. 325: kein Missbrauch der nachrichtendienstlichen Vorfeldbefugnisse für nicht-nachrichtendienstliche Zwecke.

Kap. 3: Feststellung

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Aufgabenstellung des Verfassungsschutzes und den damit verbundenen Konsequenzen (strategische Aufklärung, Opportunitätsprinzip) bei gleichzeitiger teilweiser Überschneidung mit den Aufgaben des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens ausgegangen werden, stellt sich noch die Frage nach einer Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem nachrichtendienstlichen Quellenschutz. Strukturell betrachtet spricht aus Sicht des BfV der Quellenschutz gegen eine Mitwirkung im Strafverfahren, eben weil die Strafverfolgungsbehörden dem Legalitätsprinzip unterliegen und folglich keinen so umfassenden Quellenschutz bieten können, wie es ein Nachrichtendienst kann. Die Praxis betonte jedoch in jüngerer Zeit, dass die Behörden mittlerweile ein praktikables Miteinander gefunden hätten.332 Diese Versicherungen sind jedoch mit der Aufarbeitung des NSU-Skandals schwer erschüttert worden. Gerade wegen des Quellenschutzes schotteten sich (einzelne) Verfassungsschutzbehörden gegenüber Strafverfolgungsbehörden massiv ab.333 Von daher muss im Moment davon ausgegangen werden, dass es wohl vor allem die Strafverfolgungsbehörden sein werden, die in der nachrichtendienstlichen Mitwirkung in strafprozessualen Ermittlungsverfahren einen besonderen Reiz, eine besondere Attraktivität erkennen und ein besonderes Interesse daran haben. Für den Verfassungsschutz kann ein solches Interesse nicht in gleichem Umfang angenommen werden.

332 So stellte der damalige Präsident des BfV Fromm im Jahre 2001 fest, „dass im Polizeibereich insgesamt das Verständnis für den Quellschutz wächst“, und die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz funktioniere; Fromm, S. 67 (71). 333 So kommt im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen dem LKA und LfV in Thüringen Schäfer, Gutachten, S. 216, zu dem Urteil: „Viel wahrscheinlicher ist, dass das“ Thüringer LfV „die Bedeutung des Quellschutzes im Verhältnis zu den vorgeworfenen Straftaten unangemessen hoch bewertet und dementsprechend wesentliche Erkenntnisse zurückgehalten hat.“

3. Teil

Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren Bislang stand neben der Vorstellung des BfV als Inlandsnachrichtendienst des Bundes die Frage im Vordergrund, ob eine besondere Attraktivität einer Mitwirkung des Verfassungsschutzes in strafprozessualen Ermittlungsverfahren angenommen werden kann. Nachdem die Fragestellung positiv beantwortet und mit den strukturellen Unterschieden in Aufgabenstellung und Arbeitsweise zwischen Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden begründet werden konnte, rückt nun die Mitwirkung selbst in das Zentrum der Betrachtung. Denn die bloße Feststellung einer besonderen Attraktivität an Mitwirkung lässt noch keinen Rückschluss darauf zu, ob auch tatsächlich entsprechende Mitwirkungen stattfinden, in welchen Formen sie sich gestalten und welche gesetzlichen Regelungen hierfür bestehen. In diesem Teil der Arbeit nun sollen diese Fragen geklärt werden. Hierzu ist zunächst ein Überblick über die Praxis zu schaffen und zu untersuchen, welche Formen nachrichtendienstlicher Mitwirkung im Strafverfahren (Kapitel 1) überhaupt bekannt sind. Dabei ist zum einen nach den schon immer bestehenden und bekannten Arten, also den klassischen Formen der Mitwirkung im Ermittlungsverfahren (A.) zu fragen. Von Interesse ist es zum anderen aber auch, inwieweit eine strukturelle Annäherung in der Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden stattgefunden und sich dadurch die Zusammenarbeit institutionalisiert hat sowie welche Plattformen der Zusammenarbeit bestanden und bestehen (B. und C.). Durch diese Zusammenschau ist im Ergebnis (D.) die Beantwortung der Fragen möglich, ob von Beginn an Erkenntnisse des Verfassungsschutzes auch zu Zwecken der Strafverfolgung genutzt werden sollten, inwieweit eine Institutionalisierung in der Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden stattgefunden hat und welche Bedeutung der Zusammenarbeit in heutiger Zeit zugesprochen wird. Darauf aufbauend ist in Kapitel 2 auf die gesetzlichen Regelungen für die aufgezeigten Formen der Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren zu schauen. Denn nur im Rahmen des geltenden Rechts kann eine rechtmäßige Zusammenarbeit erfolgen, um allein deren Untersuchung es geht.1 Bevor die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Zusammenarbeit analysiert werden, 1

Zu dieser Einschränkung vgl. bereits oben Erster Teil: B.

Kap. 1: Formen der Mitwirkung

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ist als Grundlage (A.) zu rekapitulieren, warum Formen der Zusammenarbeit überhaupt eine verbindliche gesetzliche Regelung erfahren haben. Denn wenn auch jenseits der gesetzlichen Regelungen eine nachrichtendienstliche Mitwirkung zulässig wäre, bedürfte es keiner ausführlichen Analyse der einfachgesetzlichen Regelungen zur Zusammenarbeit. Danach sind die nachrichtendienstrechtlichen und die strafverfahrensrechtlichen Regelungen der Mitwirkung zu analysieren (B. und C.). Aus der Zusammenschau beider Regelungsbereiche lässt sich zusammenfassend darstellen, welche Informationen des Verfassungsschutzes überhaupt in das strafprozessuale Ermittlungsverfahren einfließen und inwieweit sie dort verwendet werden dürfen (D.). Nach Abschluss dieser Überlegungen ist der Raum für die Betrachtung der gesetzlichen Regelungen eröffnet, die auf die zuvor analysierten, klassischen Datenübermittlungsvorschriften aufbauen und Bestandteil der Institutionalisierung der Zusammenarbeit sind (E. und F.). Da diese Untersuchung nicht nur das Mitwirken-Dürfen, sondern auch das MitwirkenMüssen umfasst, ist schließlich noch einmal explizit zu prüfen, in welchen Fällen das BfV nicht nur berechtigt, sondern vielmehr gesetzlich verpflichtet ist, an strafprozessualen Ermittlungsverfahren mitzuwirken (G.). Mit diesen Untersuchungsschritten können in Kapitel 3 die eingangs aufgeworfenen Fragen nach den Formen der Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren und die hierzu bestehenden gesetzlichen Regelungen zusammenfassend beantwortet werden. Damit sind zugleich die Grundlagen für den vierten Teil geschaffen, in dem die Mitwirkungsformen auf ihre Vereinbarkeit mit dem sog. Trennungsgebot geprüft werden. Kapitel 1

Formen der Mitwirkung Der Verfassungsschutz ist zwar als Frühwarnsystem der Demokratie und damit vor allem als Einrichtung zur Beratung von politischen Entscheidungsträgern geschaffen worden.2 Gleichwohl ging die Bundesregierung bereits mit der Schaffung des BfV davon aus, dass die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes auch zum Zwecke der Strafverfolgung genutzt werden. So führte der damalige Staatssekretär Ritter von Lex anlässlich der ersten Lesung des BVerfSchG im Deutschen Bundestag im Jahre 1950 aus: Wenn sich beim Sammeln von Nachrichten durch das BfV „ergibt, dass irgendwo strafbare Tatbestände vorliegen, dann sind die ordentlichen Polizeibehörden oder die Staatsanwaltschaften in Bewegung zu setzen.“ 3 2

Vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1. Staatssekretär Ritter von Lex, Protokoll Deutscher Bundestag, 65. Sitzung, 1.6. 1950, S. 2394. 3

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Die Annahme der Bundesregierung hat sich in der Praxis bereits früh bestätigt. So berichtete bereits im Jahre 1966 der damalige Generalbundesanwalt Ludwig Martin von der notwendigen und bedeutsamen Rolle des Verfassungsschutzes bei der Verfolgung von Straftaten gegen den Bestand und die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik.4 Im Laufe der Jahre hat die Unterstützung von Polizei und Strafverfolgungsbehörden für den Verfassungsschutz eine immer größere Bedeutung eingenommen.5 Der Verfassungsschutz hat seine Rolle von einem primär „ausgerichteten politischen Prognoseinstrument hin zur Vorfeldaufklärung auch für die [präventiv wie repressiv tätige] Polizei geändert.“ 6 In der nachrichtendienstrechtlichen Literatur finden sich für diesen Wandel die folgenden zwei Gründe: Erstens sei in der Annäherung die Umsetzung der politischen Vorgaben zu sehen, nach denen „auf dem sensiblen Gebiet der Inneren Sicherheit [. . .] alle Möglichkeiten genutzt werden [sollen], Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren und Straftaten aufzuklären“.7 Zweitens liege dies an der immer weiteren Annäherung von Aufgaben und Befugnissen zwischen den Diensten und der Polizei.8 Denn dies mache eine Zusammenarbeit zwischen den Behörden erforderlich, um einerseits eine gegenseitige Behinderung bei Durchführung der jeweiligen Operationen zu verhindern und andererseits die jeweiligen Ressourcen durch Vermeidung von Doppelermittlungen zu schonen.9 Seit den 1990er-Jahren schließlich kann von einer Institutionalisierung der Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden gesprochen werden.10 Der gesamte Bereich der Darstellung der Praxis ist allerdings mit einem wichtigen Vorbehalt zu versehen: Es kann natürlich nur über die Praxis berichtet werden, die auch öffentlich bekannt ist. Aufgrund der äußerst restriktiven staatlichen Informationspolitik der Nachrichtendienste und ihrer Aufsichtsbehörden11 besteht im Rahmen dieser Untersuchung nur die Möglichkeit einer weitgehend ab4 Martin, S. 81 (83, 91). Am Anfang der Nutzung nachrichtendienstlicher Informationen durch die Strafverfolgungsbehörden steht allerdings das Fiasko der sog. VulkanAffäre im Jahre 1953; vgl. hierzu Protokoll 2. Deutscher Bundestag, 35. Sitzung, 24.6. 1954, S. 1645–1666. 5 Albert, Informationsverarbeitung, S. 99 (117 f.). 6 Albert, FS BfV 50 Jahre, S. 85 (97). Ferner Albert, ZRP 1995, 105 (108). 7 Albert, FS BfV 50 Jahre, S. 85 (97). Ferner Werthebach, dk 2003, 326 (326 ff.). 8 Vgl. hierzu oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. 9 Albert, FS BfV 50 Jahre, S. 85 (96, 98); Fromm, S. 67 (70 f.). 10 Im Ergebnis lassen sich auch Griesbaum/Wallenta, NStZ 2013, 369 (370), zuordnen, die bezogen auf den Staatsschutz von der Umsetzung der „Idee des ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes“ sprechen, wonach der „Staatsschutz insgesamt [. . .] nach der Konzeption des Grundgesetzes dann mustergültig aufgestellt“ sei, „wenn der strafrechtliche Staatsschutz auf den Vorarbeiten des nachrichtendienstlichen Verfassungsschutzes und der polizeilichen Gefahrenabwehr aufbaut.“ 11 Vgl. hierzu bereits oben Erster Teil: A.

Kap. 1: Formen der Mitwirkung

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strakten Darstellung, keinesfalls kann eine vollständige, umfassende Wirklichkeit wiedergegeben werden. Auch kann mangels zugänglicher Informationen nicht auf die durchaus berechtigte Frage eingegangen werden, wie rege denn von den darzustellenden Formen der Mitwirkung Gebrauch gemacht wird.

A. Klassische Formen der Mitwirkung Die klassische Mitwirkungsform schlechthin ist die Übermittlung von nachrichtendienstlich erlangten Informationen an die Strafverfolgungsbehörden zum Zwecke der Strafverfolgung. So findet sich in Nr. 205 Abs. 1 RiStBV der folgende Hinweis für die Staatsanwaltschaft: „In Staatsschutzverfahren [. . .] ist es in der Regel geboten, mit den Behörden für Verfassungsschutz in geeigneter Weise nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zusammenzuarbeiten, damit dort gesammelte Informationen bei den Ermittlungen des Staatsanwalts und dessen Erkenntnisse für die Aufgaben des Verfassungsschutzes ausgewertet werden können. Dies gilt auch für andere Verfahren, bei denen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es um Straftaten zur Durchsetzung extremistischer politischer Ziele geht.“

Entweder leitet der Verfassungsschutz der Strafverfolgungsbehörde auf deren Anfrage hin vorhandene Erkenntnisse über die entsprechenden Personen, Gruppen oder Organisationen zu.12 Oder er informiert eigeninitiativ die Strafverfolgungsbehörden über strafbare Sachverhalte, auf die er im Rahmen seiner Aufklärungstätigkeit gestoßen ist, und löst damit unter Umständen überhaupt erst ein Tätigwerden der Strafverfolgungsbehörden aus.13 Vertreter der Nachrichtendienste weisen hierbei auch auf die Möglichkeit hin, dass der Verfassungsschutz trotz Erkennens von strafrechtlich relevanten Sachverhalten zunächst aus nachrichtendienstlichen Gründen weiter aufklärt und erst nach einer vollständigen Strukturaufklärung die strafrechtlich relevanten gewonnenen Informationen an die Strafverfolgungsbehörden weiterleitet. 14 Doch hat sich die nachrichtendienstliche Mitwirkung von Anfang an nicht nur auf die bloße Übermittlung von Informationen beschränkt. So sind als weitere klassische Mitwirkungsformen die Hinzuziehung von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes als Auskunftspersonen oder Sachverständige bei Tatortbesichtigungen, Vernehmungen, Beschlagnahmen und sonstigen Untersuchungshandlun12

Martin, S. 81 (88 ff.). Martin, S. 81 (88 ff.). 14 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen zum Opportunitätsprinzip oben Zweiter Teil: Kapitel 1 C. II. 2. – Jüngst deutlich geworden ist dies bei der Aufarbeitung des NSUKomplexes. So führt das Schäfer, Gutachten, Rn. 366, aus, dass gegenüber der SchäferKommission der ehemalige Vizepräsident den Thüringischen LfV (sinngemäß) geäußert hat: Das LfV „habe ganz sicher den Ehrgeiz gehabt, die Untergetauchten zu finden. Gerne hätte man der Polizei ein entsprechendes Ergebnis präsentiert, da schließlich zwischen den beiden Behörden gewisse Rivalitäten bestünden.“ 13

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

gen bekannt.15 Seitens der Praxis wird hierzu ausgeführt: Der Verfassungsschutz könne aufgrund seiner Sachkenntnis zum Auffinden wichtiger Tatspuren verhelfen.16 Ein Beispiel vergangener Tage hierfür ist das Auffinden von Mikraten.17 Bei Vernehmungen könne der Verfassungsschutz helfen, unwahre Einlassungen Beschuldigter zu widerlegen und die Aussagen von Zeugen auf ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen.18 Für zulässig erachtet wird auch die quasi umgekehrte Konstellation, dass ein Vertreter der Strafverfolgungsbehörde an Befragungen von Informanten oder Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes teilnimmt.19 Erfährt er hierbei von strafrechtlich relevanten Inhalten, könne dieses Wissen zur Strafverfolgung genutzt werden.20 Möglich sei auch, dass ein Informant bzw. eine Vertrauensperson des Verfassungsschutzes an die Strafverfolgungsbehörde für die Dauer eines Strafverfahrens übergeben wird und (vorübergehend) nicht mehr für den Verfassungsschutz, sondern für die Strafverfolgungsbehörde tätig und von dieser geführt wird.21 Weiterhin führen Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden gemeinsam bzw. aufeinander abgestimmte Observationen durch.22 Im Rahmen der Aufarbeitung des NSU-Komplexes in Thüringen ist bekannt geworden, dass die dortigen (zum Teil gemeinsam mit dem LKA durchgeführten) Observationen des LfV auch dem Auffinden der zur polizeilichen Fahndung ausgeschriebenen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe dienten.23 Allgemein lässt sich festhalten, dass zwischen Polizei und Verfassungsschutz eine gemeinsame, aufeinander abgestimmte Datenerhebung stattfindet.24 Die Mitwirkung in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren bedeutet für den Verfassungsschutz nicht (zwingend), dass mit der Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden die eigene nachrichtendienstliche Aufklärung abgeschlossen ist.25 So sei es auch möglich, dass die konkreten strafverfahrensrechtlichen Maß15

Vgl. RiStBV Nr. 205 Abs. 5. Martin, S. 81 (91). 17 Martin, S. 81 (91). 18 Martin, S. 81 (91). 19 Soiné, NStZ 2007, 247 (249). 20 Soiné, NStZ 2007, 247 (249). 21 Soiné, NStZ 2007, 247 (250). 22 Beispiele hierfür finden sich im Schäfer, Gutachten, Rn. 81 f., 204, 206 ff., 214, 353, 367 f. Hieraus lassen sich zugleich auch die unterschiedlichen Szenarien einer gemeinsamen Observation herausarbeiten: tatsächlich gemeinsam durchgeführte Observation durch Anwesenheit von Polizei und Verfassungsschutz, Observation – auch – auf Veranlassung der jeweils anderen Behörde, Koordinierung von jeweils eigenständig durchgeführten Observationen durch Polizei und Verfassungsschutz. 23 Schäfer, Gutachten, Rn. 149 ff. 24 Nehm, NJW 2004, 3289 (3294). Ferner Soiné, NStZ 2007, 247 (248); Droste, Handbuch, S. 571: Als unzulässig erachtet und auch nicht praktiziert werde aber die Bildung einer „joint section“ aus Polizei und Verfassungsschutz. 25 Vgl. Walter, S. 220 (220 ff.): der einen Überblick über mögliche ineinandergreifende Zusammenarbeitsformen gibt. 16

Kap. 1: Formen der Mitwirkung

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nahmen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer noch andauernden nachrichtendienstlichen Aufklärung stehen.26 Eine solche Konstellation sei z. B. gegeben, wenn der Verfassungsschutz versucht, einen enttarnten Agenten ,umzudrehen‘; im Fall einer Weigerung müssten sofort strafprozessuale Maßnahmen angeordnet werden können, um z. B. eine Flucht verhindern und Beweise sichern zu können.27 Weitere Formen der Mitwirkung stellen schließlich die Bereitstellung von Gerätschaften, Schriftstücken (z. B. Akten), Räumen oder speziellen Einrichtungen (z. B. konspirative Wohnungen) sowie die Herstellung von Verbindungen (z. B. zu ausländischen Diensten) oder die Vermittlung von Kontakten dar.28 Zudem vermittelt der Verfassungsschutz den Strafverfolgungsbehörden durch die Erstellung von Lagebildern relevante, vom Einzelfall losgelöste, Hintergrundinformationen.29

B. Institutionalisierung der Zusammenarbeit Seit den 1990er-Jahren ist eine Institutionalisierung der Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendiensten und Polizei bzw. Strafverfolgungsbehörden auszumachen. Diese Entwicklung kann in drei Stufen (Phasen) gegliedert werden. Mit jeder Stufe wurde die Zusammenarbeit intensiviert: • Phase 1: Bildung von Koordinierungs-/Informationsgruppen, • Phase 2: Bildung von Informations- und Analyseboards, • Phase 3: Bildung von permanent tagenden Zentren30. I. Koordinierungs- und Informationsgruppen Quasi den Anlass für die Bildung neuer Kooperationsformen zwischen Nachrichtendiensten und Polizei bildete die Ermordung des Chefs der Treuhandanstalt 26

Vgl. Walter, S. 220 (221 f.). Vgl. für den Bereich der Spionageabwehr die Fallgestaltungen bei Walter, S. 220 (223 ff.); ferner allgemein Fromm, S. 67 (70 f.). Unumstritten ist die Praxis freilich nicht. So stößt in der Literatur immer wieder besonders die enge Verpflichtung der personellen und informationellen Zusammenarbeit zwischen Polizei/Staatsanwaltschaft Abteilung Staatsschutz und dem Verfassungsschutz auf Kritik (während sich die polizeiliche Staatsschutzabteilung gegenüber den anderen kriminalpolizeilichen Abteilungen abschottet); vgl. z. B. Weichert, CILIP 1991, 61 (69 f.), und Weichert, CR 1990, 281 (284 f.). Zum Staatsschutz bei Polizei und Staatsanwaltschaft vgl. Ziercke, FS Nehm, S. 169 (169), und Goßmann, Kriminalistik 2000, 812 (812). 28 Droste, Handbuch, S. 558. 29 Martin, S. 81 (91). 30 Hierzu zählen GTAZ, GASIM, GAR, GTEZ und das Gemeinsame Internetzentrum; vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 1 B. III. bis Dritter Teil: Kapitel 1 B. VII. 27

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Detlev Karsten Rohwedder am 1. April 1991 durch die RAF: Unter dem Eindruck dieser Tat beschloss die Innenministerkonferenz die Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendiensten und Polizei zu intensivieren.31 1. Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung Im Zuge dessen wurde beim BKA die „Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung“ (KGT) eingerichtet, in der BKA, BfV, der Generalbundesanwalt sowie die LKA und LfV eingebunden waren.32 Die KGT tagte alle vierzehn Tage in großer Runde, d.h. unter Beteiligung sämtlicher Mitglieder.33 Thematisch war die KGT anlassbezogen vorwiegend mit der RAF befasst.34 Die Aufgabe der KGT bestand im Wesentlichen in der Koordinierung35 • des Informationsaustausches zwischen den beteiligten Behörden, • der Systematisierung des Informationsaufkommens, • der Bewertung von Lagebildern, • der Abstimmung von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Maßnahmen, • des Einsatzes von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Ressourcen, • der Fortschreibung und Neuentwicklung von sog. Bekämpfungskonzepten und • der Festlegung von Schwerpunkten in der Terrorismusbekämpfung (Regionen, Personen, Strukturen).36 2. Informationsgruppe Rechtsextremismus/-terrorismus Im Dezember 1992 entstand – wiederum auf Beschluss der Innenministerkonferenz37 – die „Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer/-terroristischer, insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte“

31 Wörlein, CILIP 2008, 50 (50 f.); Stolle/Maurer, CILIP 2004, 29 (29); Diederichs, CILIP 1992, 24 (30); Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/1033. 32 Wörlein, CILIP 2008, 50 (50 f.); Stolle/Maurer, CILIP 2004, 29 (29 f.); Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/1033, S. 2. 33 Stolle/Maurer, CILIP 2004, 29 (30), Diederichs, CILIP 1992, 24 (25 f.): mit dem Hinweis, dass sich darüber hinaus die beteiligten Bundesbehörden wöchentlich trafen. 34 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/1033, S. 3. – Inwieweit die KGT nach der Selbstauflösung der RAF im Jahre 1998 noch zusammentrat, ist nicht bekannt; vgl. Wörlein, CILIP 2008, 50 (51 f.). 35 Zur Auflistung Diederichs, CILIP 1992, 24 (31 f.), sowie Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/1033, S. 2. 36 Diederichs, CILIP 1992, 24 (31 f.), sowie Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/1033, S. 2. 37 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7008, S. 22.

Kap. 1: Formen der Mitwirkung

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(IGR).38 Den Anlass für deren Bildung bildeten die ausländerfeindlichen Ausschreitungen von Hoyerswerda und Rostock.39 Der Teilnehmerkreis der IGR umfasste auf Bundesebene Vertreter von BfV und BKA, des Generalbundesanwalts, Militärischen Abschirmdienstes, Bundesministeriums des Innern, Bundesministeriums der Justiz und auf Länderebene die entsprechenden Landesbehörden.40 Die konkrete Zusammensetzung im Einzelfall erfolgte dem jeweiligen Tagungsgegenstand entsprechend.41 Die Geschäftsführung der IGR oblag dem BfV.42 Die IGR tagte in der Regel vier Mal im Jahr in großer Runde.43 Hinzukamen die – 1993: elf, 1994: fünf – Treffen, an denen allein die Bundesbehörden beteiligt waren.44 Die Aufgabe der IGR entsprach im Wesentlichen der der KGT.45 Ziel war also wiederum „die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden [. . .] zu intensivieren und den gesetzlich zulässigen Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden zu fördern.“ 46 Als Ergebnisse der Zusammenarbeit innerhalb der IGR wird u. a. auf die Aktionen „Notenschlüssel“, „Druckstock“ sowie „Atlantik“ verwiesen.47 Dahinter stehen – koordinierte – Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden der Länder gegen die Verbreitung von rechtsextremistischem oder ausländerfeindlichem Ge-

38 Zur IGR auch Stolle/Maurer, CILIP 2004, 29 (31 f.); Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/10465. 39 So zumindest Wörlein, CILIP 2008, 50 (52). 40 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/8535, S. 21. (Beachte: in der Auflistung bei der Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 13/1117, werden aufseiten der Bundesebene Militärischer Abschirmdienst und das Bundesministerium der Justiz nicht genannt.) 41 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/8535, S. 21. 42 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 13/1117, S. 3. Die sachlichen Überlegungen für die Betrauung des BfV statt des BKA mit der Geschäftsführung wurden nicht näher begründet. 43 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 13/1117, S. 4. 44 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 13/1117, S. 4. 45 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7008, S. 22 f. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 13/6042, S. 7: Die IGR veranlasste auch die Einrichtung von Arbeitsgruppen, wie die Arbeitsgruppe „INTERNET“, die sich aus Vertretern von BfV, BKA und des Generalbundesanwalts zusammensetzte, und deren Hauptaufgabe darin bestand, „durchführbare Möglichkeiten zur gemeinsamen Bekämpfung der Verbreitung rechtsextremistischer Propaganda über das Internet zu erarbeiten.“ 46 So für die KGT Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/1033, S. 2; für die IGR vgl. BT-Drs. 13/6042: „Zielsetzung der IGR ist die Förderung von Maßnahmen im Bereich der Vorfeldaufklärung durch den Verfassungsschutz und damit eine Verbesserung des Informationsaufkommens sowie die Intensivierung des Informationsaustauschs zwischen Verfassungsschutz, Polizei und Justiz.“ 47 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7008, S. 23. IGR-Arbeitsergebnisse flossen zudem in die Durchführung der Vereinsverbote gegen die „Wiking Jugend e. V.“ (1994) und die „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (1995) ein; Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 13/1117, S. 5.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

dankengut.48 So wurden im Rahmen der Aktion „Notenschlüssel“ am 3. Februar 1993 in sieben Bundesländern gleichzeitig Durchsuchungen bei Mitgliedern von Skinhead-Bands und Musikverlagen durchgeführt.49 Die Aktion „Druckstock“ steht für die Durchsuchung von Wohnungen, Postfächern und Kraftfahrzeugen bei 14 mutmaßlichen Herausgebern und Vertreibern rechtsextremistischer Skinhead-Fanzines in sechs Bundesländern am 15. Juli 1993.50 Im Rahmen der Aktion „Atlantik“ wurden am 8. Dezember 1993 mehr als 3000 Exemplare der neonazistischen Vierteljahresschrift „Die Bauernschaft“ beschlagnahmt.51 Die Aktionen „Notenschlüssel“ und „Atlantik“ führten zu weiteren Anschlussmaßnahmen.52 Bekannt ist, dass die IGR Ende 2011 in die neu gegründete „Koordinierungsgruppe politisch motivierte Kriminalität rechts“ überführt worden ist.53 Ebenso ist bekannt, dass neben der IGR, die Bundes- und Länderbehörden zu einem Kooperationsforum zusammenfassten, auf Bundesebene im Jahr 2004 das „Informations- und Analyseboard Rechtsextremistische Kameradschaften“ unter Vorsitz des BKA mit dem BfV und dem Militärischen Abschirmdienst eingerichtet worden ist.54 3. Koordinierungsgruppe Internationaler Terrorismus Eine dritte Auflage erlebte das Koordinierungsgruppen-Konzept nach den Anschlägen in den USA vom 11. September 2001. Unter diesem Eindruck wurde noch im September 2001 die „Koordinierungsgruppe Internationaler Terrorismus“ (KGIntTE) eingerichtet, deren Geschäftsführung nun wieder dem BKA oblag.55 Neben Vertretern von BKA, BfV, den LKA, LfV und des Generalbundes48

Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7008, S. 11 f. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7008, S. 12. 50 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7008, S. 12. 51 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7008, S. 12. 52 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7008, S. 12. 53 Vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/8535, S. 15. 54 Vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/8535, S. 22. 55 Parlamentarischer Staatssekretär Körper, BT-Plenarprotokoll 15/104, S. 9395. – Im Zusammenhang mit den Terroranschlägen ist auch auf die Besondere Aufbauorganisation (BAO)-USA hinzuweisen, die ebenfalls Ausdruck der Institutionalisierung der Zusammenarbeit ist. Hierzu Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/892, S. 2 ff.: Die BAO-USA wurde am 11. September 2001 im BKA eingerichtet und ist am 14. April 2002 wieder aufgelöst worden. Ihr waren zeitweilig bis zu 613 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugeordnet (BT-Drs. 16/892, S. 2 f.). Die Aufgabe der BAO-USA bestand u. a. darin, „die erforderlichen Maßnahmen im Rahmen der durch den Generalbundesanwalt (GBA) im Zusammenhang mit den Anschlägen des 11. September 2001 eingeleiteten und beauftragten Ermittlungsverfahren durchzuführen“ (BT-Drs. 16/892, S. 2). Hierbei fand im Rahmen der BAO-USA ein Informationsaustausch mit dem Zollkriminalamt, dem Bundesgrenzschutz, dem BfV und dem BND (im Rahmen der jeweiligen 49

Kap. 1: Formen der Mitwirkung

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anwalts waren hier auch Vertreter des BND, des Militärischen Abschirmdienstes, der Zentralstelle für Nachrichten der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes eingebunden; die KGIntTE trat anlassbezogen zusammen.56 Zu den Aufgaben der KGIntTE gehörte neben der ständigen Bewertung und Fortschreibung des Lagebildes und der Entwicklung alternativer Lageszenarien auch die Abgabe von Empfehlungen für bundesweit abgestimmte Maßnahmen der Polizeien zur präventiven wie repressiven Terrorismusbekämpfung.57 II. Informations- und Analyseboards Eine neue Dimension der Zusammenarbeit kann in der Bildung von sog. Informations- und Analyseboards gesehen werden, die den Übergang von einer anlassbezogenen Zusammenarbeit hin zu einer auf Permanenz und Institutionalisierung abzielenden Zusammenarbeit bilden.58 So soll einer „Fragmentierung der Informationen“ und der damit verbundenen „Gefahr gravierender Erkenntnisdefizite“ wirksam begegnet werden.59 Ziel der Boards war es, „angesichts verschiedener Informationsinseln Kooperationsformen auszubilden, die ein inselübergreifendes Denken und Handeln zulassen.“ 60 Neben BKA, BND und BfV als ständige Vertreter konnten anlassbezogen noch weitere Sicherheitsbehörden in die Boards

gesetzlichen Regelungen) statt, indem gegenseitig Verbindungsbeamte entsandt wurden, die der BAO-USA als Ansprechpartner zur Verfügung standen, ohne dass diese organisatorisch integriert wurden (BT-Drs. 16/892, S. 3). Neben den Verbindungsbeamten erfolgte auch ein schriftlicher Informationsaustausch (BT-Drs. 16/892, S. 5). Bekannt ist, dass im Rahmen der BAO-USA zwei Strukturermittlungsverfahren durchgeführt worden sind, die den Verdacht der Mitgliedschaft bzw. der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zum Gegenstand hatten (BT-Drs. 16/892, S. 6). Aus diesen Strukturermittlungsverfahren gingen zumindest drei Ermittlungsverfahren mit dem „Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und anderer – im Wesentlichen der Logistik zuzurechnender – Straftaten“ hervor, von denen wiederum jedenfalls zwei gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind (BT-Drs. 16/892, S. 6 f.). 56 Parlamentarischer Staatssekretär Körper, BT-Plenarprotokoll 15/104, S. 9395. 57 Parlamentarischer Staatssekretär Körper, BT-Plenarprotokoll 15/104, S. 9395. 58 Droste, Handbuch, S. 577. 59 Droste, Handbuch, S. 577. Ferner Parlamentarischer Staatssekretär Körper, BTPlenarprotokoll 15/104, S. 9395 f.: Verbesserung des Informationsflusses und des Informationsaustausches. Ein Verstoß gegen das Trennungsgebot wird darin nicht erblickt. Das Trennungsgebot – so Körper – erfordere, „Nachrichtendienste nicht an polizeiliche Dienststellen anzugliedern bzw. ihnen keinen polizeiliche Zwangs- oder Weisungsbefugnisse zuzuerkennen.“ Dagegen werde nicht verstoßen, wenn „im Rahmen der jeweiligen gesetzlichen Befugnisse Informationen“ ausgetauscht, „gemeinsame Lagebilder und Szenarien“ entwickelt „und Handlungsempfehlungen“ abgestimmt werden. Zu den Analyse- und Informationboards auch Lang, S. 94 ff. 60 Kersten, S. 59 (64). M. E. liegt genau da das Problem, denn in anderen Worten formuliert forderte Kersten als BKA-Präsident: die Strafverfolgungsbehörden sollen nachrichtendienstlich denken und umgekehrt.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

eingebunden werden.61 Den Startschuss bildete die Einrichtung des Informationboards „Netzwerke arabische Mudjehadin“ im April 2001.62 Die grundsätzlichen strategischen Ziele eines sog. Informationboards lagen „vor allem darin, Doppelarbeit zu vermeiden und Synergieeffekte zu nutzen“, vorhandene Informationen umfassend zu nutzen, „schnellere Informations- und Entscheidungswege zu implementieren“, gesicherte Entscheidungsgrundlagen zu schaffen, bereichsübergreifendes Denken und Handeln zu fördern sowie sich gegenseitig in der „Fortentwicklung von Methodenwissen zu unterstützen“.63 Die primäre Ausrichtung der beim BKA eingerichteten Informationboards stellte – u. a. – der Austausch personenbezogener Informationen mit Relevanz für strafrechtliche Ermittlungen dar.64 Die Teilnehmer der Boards sollten, unabhängig von konkreten Fällen und Projekten, ihre strafrechtlich relevanten Informationen an einem „runden Tisch“ gemeinsam vorlegen und bewerten.65 Bekannt ist, dass die folgenden Informationboards beim BKA angesiedelt worden sind:66 • Netzwerke arabische Mudjehadin, • Schleusungen über die Tschechische Republik67, • Finanzermittlungen bzw. Finanzierung des Terrorismus, • Narcoterrorismus, • Logistik islamistischer Gewalttäter im Bereich der Schleusungs- und Dokumentenkriminalität (LOGIS).68

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Wörlein, CILIP 2008, 50 (55). Insgesamt hierzu Droste, Handbuch, S. 577 ff., und Wörlein, CILIP 2008, 50 (55). 63 Droste, Handbuch, S. 578. 64 Droste, Handbuch, S. 578; parlamentarischer Staatssekretär Körper, BT-Plenarprotokoll 15/104, S. 9395. 65 Kersten, S. 59 (64): mit dem Hinweis, dass dabei die beteiligten Behörden allein auf Grundlage des für sie geltenden Rechts handeln. 66 Vgl. die Auflistungen bei Droste, Handbuch, S. 577 Fn. 1826; Wörlein, CILIP 2008, 50 (55): dieser ohne LOGIS. Hinweis: Weder die BAO-USA noch die KGIntTE verfügten über eine Anbindung zu einem sog. Informationboard; vgl. hierzu Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/892, S. 7 und Parl. Staatssekretär Körper, BT-Plenarprotokoll 15/104, S. 9395. 67 Stolle/Maurer, CILIP 2004, 29 (34), mit Verweis auf das Bundesministerium des Innern: Das Informationboard „Schleusungen über die Tschechische Republik“ diene u. a. „der Identifizierung von Tätern und Hinterleuten, [der] Initiierung von Ermittlungsverfahren [und der] Einziehung von Gewinnen.“ 68 Droste, Handbuch, S. 577 Fn. 1826: Das Ziel von LOGIS war die Aufklärung des Zusammenspiels zwischen illegaler Migration, Schleuseraktivitäten sowie Urkundsdelikten auf der einen Seite und dem Terrorismus auf der anderen Seite, um mit diesem Wissen Gegenstrategien entwickeln zu können. 62

Kap. 1: Formen der Mitwirkung

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Über die genauen Zielrichtungen sowie Arbeitsweisen der Informationboards ist in der Öffentlichkeit faktisch nichts bekannt.69 Entsprechendes gilt für die Frage, wie lange die Informationboards bestanden bzw. ob und in welcher Form sie noch bestehen.70 Bekannt ist nur, dass das Informationboard „Netzwerke arabische Mudjehadin“ noch existiert und zwar als Arbeitsgruppe Operativer Informationsaustausch unter dem Dach des GTAZ.71 Quasi zur Entlastung der Informationboards wurden die sog. Analyseboards geschaffen, die den tagesaktuellen und damit konkreten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren enthoben waren und der Koordinierung von übergeordneten Gemeinschaftsprojekten der beteiligten Behörden dienten.72 Ziel war es, „in bestimmten Phänomenbereichen genaue Fragestellungen sowie Bearbeitungsrahmen herauszuarbeiten, um etwa Strukturanalysen“ erstellen zu können.73 III. Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum Bereits die bisherigen Analyse- und Informationboards von BfV, BND und BKA zielten „auf die zeitnahe Teilhabe aller Beteiligten am insgesamt verfügbaren Informationsaufkommen zu einer Person oder einem Sachverhalt“ ab.74 Dabei trafen die beteiligten Behörden – jedoch nur – anlassbezogen zusammen.75 Und die Verfassungsschutz- und Polizeibehörden der Länder waren – sofern überhaupt – allenfalls mittelbar beteiligt.76 Mit dem GTAZ ist die behördenübergreifende Zusammenarbeit hinsichtlich des Informationsaustauschs für den Phänomenbereich islamistischer Terrorismus77 nochmals intensiviert worden. Ziel ist die frühzeitige Erkennung entsprechender Bedrohungen sowie eine Abstimmung und Koordinierung von operativen Maßnahmen im gesamten Bundesgebiet.78 Erreicht werden soll dies durch eine institutionalisierte und damit nicht nur anlassbezogene Erstreckung der Zu69

Vgl. Wörlein, CILIP 2008, 50 (55). Vgl. Wörlein, CILIP 2008, 50 (55). 71 Wörlein, CILIP 2008, 50 (55); BT-Drs. 16/10007, S. 6. – Zum GTAZ vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 1 B. III. 72 Droste, Handbuch, S. 578. 73 Droste, Handbuch, S. 578. 74 Droste, Handbuch, S. 580. 75 Droste, Handbuch, S. 580. 76 Droste, Handbuch, S. 580. Zur Frage der Vereinbarkeit des GTAZ mit dem Organisationsrecht und zur Frage der Rechtsform des GTAZ vgl. Weisser, NVwZ 2011, 142 (143 ff.). 77 Vgl. hierzu aus nachrichtendienstlicher Sicht Remberg, Kriminalistik 2008, 82 ff., der zugleich einen Überblick über die diesbezügliche Zusammenarbeit der Nachrichtendienste auf europäischer und internationaler Ebene gibt. 78 Zöller, JZ 2007, 763 (767 f.). 70

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

sammenarbeit.79 In das GTAZ sind insgesamt 40 Behörden80 – BfV, BND, Militärischer Abschirmdienst, BKA, Bundespolizei, Zollkriminalamt, BAMF, LfV, LKA sowie der Generalbundesanwalt – eingebunden.81 Die maßgebenden Behörden sind hierbei das BfV und das BKA.82 Wie sich aus einer Mitteilung der Bundesregierung ergibt, waren im Juli 2008 229 Personen im GTAZ tätig, davon arbeiten 198 Personen für Bundesbehörden und 31 Personen für Landesbehörden.83 Das GTAZ hat am 14. Dezember 2004 in Berlin-Treptow seine Arbeit aufgenommen und setzt sich aus – zur Wahrung des Trennungsgebots zwischen Polizei und Nachrichtendiensten – zwei räumlich eigenständigen Analysezentren zusammen: der Polizeilichen Informations- und Analysestelle (PIAS) und der Nachrichtendienstlichen Informations- und Analysestelle (NIAS).84 Bei der NIAS, die aus der für den islamistischen Terrorismus zuständigen Referatsgruppe des BfV gebildet wird, sind Verbindungsbeamte der LfV, des Militärischen Abschirmdienstes und des BND vertreten.85 Die PIAS wird aus den für den Phänomenbereich islamistischen Terrorismus zuständigen Staatsschutzreferaten des BKA gebildet.86 Innerhalb der PIAS werden u. a. laufende Ermittlungsverfahren mit Bezug zum islamistischen Terrorismus aus den Bundesländern und dem BKA ausgewertet und betreut.87 Auch wird sich mit übergreifenden Analysen zu besonderen Gruppierungen wie z. B. Al Quaida beschäftigt.88 Bei der PIAS sind Verbindungsbeamte von LKA, BfV, BND, Bundespolizei, BAMF, Zollkriminalamt und des Generalbundesanwalts vertreten.89 Die Verbindungsbeamten haben dabei einen permanenten Zugriff

79 Droste, Handbuch, S. 580 f.; Zöller, JZ 2007, 763 (767 f.); ferner Würz, Kriminalistik 2005, 10 (10 f.). 80 Diese Zahl nennt Droste, Handbuch, S. 581. 81 Würz, Kriminalistik 2005, 10 (10 f.); Droste, Handbuch, S. 580 f.; Zöller, JZ 2007, 763 (767 f.). Beachte Wörlein, CILIP 2008, 50 (56): Eingebunden seien zudem ausländische Partnerbehörden; auch können anlassbezogen noch weitere deutsche Behörden hinzugezogen werden. – Nach Droste, Handbuch, S. 582, bleibt die einzelfallbezogene – operative – Ermittlungs- und Fahndungsarbeit wie bislang Sache der Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften. 82 Klee, S. 113. 83 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/10007, S. 5. 84 Zöller, JZ 2007, 763 (767 f.). Nach dem Vorbild des GTAZ haben mittlerweile auch zahlreiche Bundesländer Zusammenarbeitsforen zwischen Polizei und LfV eingerichtet; Droste, Handbuch, S. 580 Fn. 1829, sowie Klee, S. 137 ff. 85 Droste, Handbuch, S. 581. 86 Droste, Handbuch, S. 581, ferner Würz, Kriminalistik 2005, 10 (11 f.): mit Nennung der entsprechenden Referate. 87 Würz, Kriminalistik 2005, 10 (11). 88 Würz, Kriminalistik 2005, 10 (11). 89 Würz, Kriminalistik 2005, 10 (11).

Kap. 1: Formen der Mitwirkung

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auf das relevante Informationsaufkommen ihrer Entsendebehörden, was einen schnellen Informationsaustausch gewährleisten soll.90 Die Verbindungsbeamten wirken in Kooperationsforen bzw. Arbeitsgruppen mit.91 Zur Erfüllung der mit dem Abwehrzentrum verknüpften Aufgaben wurden im GTAZ92 (bzw. in der PIAS93) die folgenden Kooperationsforen bzw. Arbeitsgruppen eingerichtet:94 • Lagebesprechung: Zum einen finden in der PIAS arbeitstägliche Lagebesprechungen statt, an denen alle am GTAZ eingebundenen Behörden beteiligt sind.95 Dabei werden aktuelle Erkenntnisse ausgetauscht und anlassbezogene Erstbewertungen erstellt.96 Ferner werden die bisherigen Arbeitsergebnisse dargestellt und, soweit erforderlich, weitere Arbeitsschritte sowie neue Aufträge zwischen den Behörden vereinbart und zugewiesen.97 Durch diese Lagebesprechungen soll „eine umgehende, bundesweite Weitergabe aller relevanten Informationen zum Phänomenbereich islamistischer Terrorismus sichergestellt“ werden.98 • Gefährdungsbewertung: In der Arbeitsgruppe Gefährdungsbewertung werden anlassbezogen „zwischen BKA, BfV und BND abgestimmte ,Gefährdungsbewertungen‘ zum islamistischen Terrorismus erstellt bzw. fortgeschrieben.“ 99 Hierzu werden aktuelle Lagebilder ausgetauscht.100 • Operativer Informationsaustausch: Dreimal wöchentlich tagt die Arbeitsgruppe Operativer Informationsaustausch mit dem BKA, dem BND und dem BfV als ständige Teilnehmer; weitere Behörden können hier anlassbezogen hinzugezogen werden.101 Die Arbeitsgruppe dient der Identifizierung von Ermittlungsansätzen sowie der Abstimmung von operativen Maßnahmen.102 In diese Arbeitsgruppe ist das Informationsboard „Netzwerke arabische Mudjehadin“ aufgegangen.103 90

Droste, Handbuch, S. 581. Droste, Handbuch, S. 581. 92 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/10007, S. 5. 93 So die Zuordnung bei Würz, Kriminalistik 2005, 10 (11). 94 BT-Drs. 16/10007, S. 5. 95 Würz, Kriminalistik 2005, 10 (11). 96 Würz, Kriminalistik 2005, 10 (11). 97 Würz, Kriminalistik 2005, 10 (11). 98 Würz, Kriminalistik 2005, 10 (11 f.); vgl. insgesamt auch Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/10007, S. 5. 99 Würz, Kriminalistik 2005, 10 (12). 100 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/10007, S. 5. 101 Würz, Kriminalistik 2005, 10 (12) – Stand: 2005. 102 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/10007, S. 5. 103 Vgl. Kleine Anfrage, BT-Drs. 16/9833, S. 5. 91

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

• Fallauswertung: In der Arbeitsgruppe Fallauswertung (sog. Assessmentboard) sprechen sich BfV und BKA sowie ggf. BND über „die Erstellung von einzelfallübergreifenden Lagebewertungen und Analysen zu ausgewählten Bereichen des islamistischen Terrorismus“ mit einem Bezug zu Deutschland ab.104 Es werden aber auch einzelne Sachverhalte oder Tatkomplexe gezielt ausgewertet.105 • Strukturanalyse: In der Arbeitsgruppe Strukturanalyse sprechen sich BfV, BKA und BND „über die Durchführung von Grundlagenprojekten zu Strukturen und Funktionsweisen islamistischer Netzwerke ab“.106 • Auswertung „Islamistisch terroristisches Personenpotential“: In zweiwöchigem Rhythmus treffen sich BfV, BKA sowie anlassbezogen BND und gleichen polizeiliche und nachrichtendienstliche Bewertungen zum islamistisch terroristischen Personenpotenzial ab, was letztlich wohl zu einer Zusammenführung der Erkenntnisse führt.107 Hierdurch sollen Täter- und Unterstützerstrukturen erkennbar und damit bekämpfbar und die Aufklärung der Rekrutierung von Terroristen ermöglicht werden.108 • Ressourcenbündelung: Die Arbeitsgruppe Ressourcenbündelung wird in der Darstellung der Arbeitsweise durch die Bundesregierung nicht mehr aufgeführt,109 was dafür spricht, dass diese Gruppe aufgelöst worden ist.110 In Zeiten ihres Bestehens traf sie sich alle zwei Wochen mit Teilnehmern von BfV, BND und BKA.111 Es wurden internetbezogene Erkenntnisse und Auswertungsergebnisse ausgetauscht und Vereinbarungen über ein arbeitsteiliges Vorgehen hinsichtlich von Recherchen im Internet getroffen.112 Auch fanden hier Absprachen über sonstige Koordinationsfragen statt.113 • Statusrechtliche Begleitmaßnahmen: Diese Arbeitsgruppe wird weder vom BKA noch vom BfV, sondern vom BAMF geleitet.114 Sie wurde vom Bundesministerium des Innern im Juni 2005 eingerichtet.115 Aufgabe der Arbeitsgruppe ist es, möglichst frühzeitig zu erkennen, ob bei nicht-deutschen Personen mit islamistisch-terroristischem Hintergrund vor allem asyl- oder aus104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115

Würz, Kriminalistik 2005, 10 (12). Klee, S. 114. Würz, Kriminalistik 2005, 10 (12). Würz, Kriminalistik 2005, 10 (12). Klee, S. 114. Vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/10007, S. 5. Auch Klee, S. 114, führt diese Arbeitsgruppe nicht mehr auf. Würz, Kriminalistik 2005, 10 (12). Würz, Kriminalistik 2005, 10 (12). Würz, Kriminalistik 2005, 10 (12). Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/3429, S. 1, 16/10007, S. 2. Vgl. Kleine Anfrage, BT-Drs. 16/7943, S. 1.

Kap. 1: Formen der Mitwirkung

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länderrechtliche Maßnahmen indiziert sind.116 Maßnahmen, die die Arbeitsgruppe bereits empfohlen hat, waren u. a.: Rücknahmeverfahren einer Flüchtlingsanerkennung, Ausweisungsverfügung sowie Verhinderung der (Wieder-) Einreise.117 In der Arbeitsgruppe wirken BAMF, BfV, BKA sowie anlassbezogen Bundespolizei, LKA, LfV, der Generalbundesanwalt und Ausländerbehörden mit.118 Laut Mitteilung der Bundesregierung waren im Februar 2008 95 Fälle bei der Arbeitsgruppe anhängig.119 IV. Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration Im Mai 2006 wurde das „Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration“ (GASIM) vom Bundesministerium des Innern als „behördenübergreifendes Informations- und Kooperationszentrum“ eröffnet, ohne jedoch selber eine eigenständige Behörde oder Organisation darzustellen.120 Im GASIM waren zunächst vertreten: das Bundesministerium des Innern, das BKA, die Bundespolizei, das BAMF, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (Zollverwaltung) sowie BND, BfV und Auswärtiges Amt.121 Mit Stand vom Juli 2011 arbeiten nunmehr dauerhaft nur noch zusammen: Bundespolizei, BKA, BAMF, BND sowie Finanzkontrolle Schwarzarbeit (Zollverwaltung); zudem sind auch das Auswärtige Amt sowie das BfV anlassbezogen vertreten.122 Angesiedelt ist das GASIM in Berlin-Treptow.123 Das GASIM ist aus dem „Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrum Schleusungskriminalität“ hervorgegangen, welches bereits im November 2004 eingerichtet worden ist und in dem aber nur das BKA und die Bundespolizei (damals Bundesgrenzschutz) permanent vertreten waren.124 Nach Mitteilung der Bundesregierung waren im März 2008 insgesamt 39 Mitarbeiter beschäftigt.125 Mittlerweile ist die Zahl der dort Beschäftigten jedoch erheblich reduziert worden. So waren nach Mitteilung der Bundesregierung im Juli 2011 nur noch insgesamt 18 Personen dauerhaft dort tätig.126 116

Vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/10007, S. 5. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/8119, S. 2. 118 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/8119, S. 4. 119 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/8119, S. 2. 120 Antwort Bundesregierung, BT-Drs. 16/2420, S. 2. Zum GASIM Spang, Kriminalistik 2007, 95 ff.; kritisch Holzberger, CILIP 2008, 49 ff. 121 Antwort Bundesregierung, BT-Drs. 16/2420, S. 2. Dabei werden die Vertreter von BfV und Auswärtigen Amt nur anlassbezogen hinzugezogen, vgl. Antwort Bundesregierung, BT-Drs. 16/8482, S. 3. 122 Antwort Bundesregierung, BT-Drs. 17/6720, S. 3. 123 Spang, Kriminalistik 2007, 95 (95). 124 Wörlein, CILIP 2008, 50 (58). 125 Antwort Bundesregierung, BT-Drs. 16/8482, S. 3. 126 Antwort Bundesregierung, BT-Drs. 17/6720, S. 3. 117

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Aufgaben des GASIM sind „die Sammlung aller verfügbaren Erkenntnisse auf dem Gebiet der illegalen Migration, deren Auswertung und Analyse, die Erstellung von Lagebildern, die internationale Zusammenarbeit, die Analyse von Zusammenhängen der illegalen Migration mit allgemeiner und organisierter Kriminalität, illegale Beschäftigung und Missbrauch von Sozialleistungen, die Initiierung und Unterstützung von Ermittlungsverfahren sowie der Aufbau und die Wahrnehmung einer Frühwarnfunktion“.127 Wie beim GTAZ erfolgte auch im GASIM die Aufgabenwahrnehmung zunächst in unterschiedlichen Foren bzw. Arbeitsgruppen; hierbei wurden grundsätzlich „alle Kooperationspartner im GASIM an allen Foren beteiligt, auch wenn sie personell nur anlassbezogen vertreten“ waren.128 Es existieren insgesamt sieben Foren:129 • Forum 1: Tägliche Lagebesprechung, • Forum 2: Lagebild Migrationsströme, • Forum 3: Werkvertragsverfahren, • Forum 4: Nachrichtendienstlich-taktische und -strategische Lage, • Forum 5: Strategische Konzepte im Phänomenbereich Illegale Migration, • Forum 6: Migration – Aufenthalt – Kooperation – Infopool, • Forum 7: Operative Maßnahmen im Zusammenhang mit Illegaler Migration.130 Ziel des GASIM ist die „Intensivierung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der illegalen Migration und ihrer Begleit- und Folgekriminalität“. 131 Dabei strebt die Bundesregierung auch eine Einbindung der Länder in das GASIM an, weil diese „neben der Bundespolizei originär für die Verhinderung und Aufklärung von Straftatbeständen, die mit der Schleusungskriminalität zusammenhängen, zuständig“ sind.132 Bereits im Forum 1, der täglichen Lagebesprechung, werden Informationen, einschließlich personenbezogener Daten, über laufende Ermittlungsverfahren ausgetauscht.133

127

Antwort Bundesregierung, BT-Drs. 16/2420, S. 2. Antwort Bundesregierung, BT-Drs. 16/8482, S. 4. 129 Nummerierung und Bezeichnung werden wiedergegen nach Spang, Kriminalistik 2007, 95 (96 f.), der zudem jedes Forum erläutert. 130 Nach Klee, S. 122, ist das Forum 7 „vornehmlich darauf ausgerichtet, Informationen in Erkenntnismitteilungen, Fahndungshinweise und Warnmeldungen umzusetzen, operative (Sofort-)Maßnahmen zu initiieren sowie Ermittlungsverfahren anzustoßen oder zu unterstützen.“ 131 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/2432, S. 2. 132 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/2420, S. 3. 133 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/11636, S. 5. 128

Kap. 1: Formen der Mitwirkung

103

Bekannt ist, dass auf der Basis der Erkenntnisse von Forum 2 (Lagebild Migrationsströme) „vom 13. bis 15. März 2007 von der Bundespolizei, den Länderpolizeien sowie der FKS [Finanzkontrolle Schwarzarbeit (Zollverwaltung)] ,die in dieser Form bislang größte und am breitesten abgestimmte‘ Kontroll- und Fahndungsmaßnahme zur ,Bekämpfung der illegalen Migration und der Schleusungskriminalität‘ durchgeführt“ worden ist.134 In deren Verlauf wurden 90 Haftbefehle vollstreckt und rund 2.000 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten festgestellt.135 Bekannt ist ferner, dass das BKA die Art und Weise der operativen Zusammenarbeit im GASIM gegenüber dem Bundesministerium des Innern massiv kritisiert hat: U.a. erhob es den Vorwurf, die Praxis der Datenübermittlung von BND und Bundespolizei innerhalb des GASIM sei im Hinblick auf das Trennungsgebot136 rechtlich äußerst bedenklich.137 Auch rügte das BKA, dass im GASIM – teilweise unter Außerachtlassung der gesetzlichen Vorschriften138 – personenbezogene Daten ausgetauscht bzw. operative Maßnahmen durchgeführt worden sind.139 Seit dem 1. August 2009 nimmt das GASIM seine Aufgaben „nicht mehr in Foren, sondern in flexiblen, zeitlich begrenzten und projektbezogenen Arbeitseinheiten wahr.“ 140 V. Gemeinsames Internetzentrum Im Januar 2007 wurde das sog. Gemeinsame Internetzentrum eingerichtet.141 In diesem sind etwa 50 Mitarbeiter von BKA, BfV, BND, Militärischen Abschirmdienst, des Generalbundesanwalts sowie – einigen – Vertretern aus entsprechenden Landesbehörden beschäftigt; das Gemeinsame Internetzentrum steht unter der Leitung des BfV und hat seinen Sitz wie das GTAZ und GASIM in Berlin-Treptow.142 Aufgabe des Gemeinsamen Internetzentrums ist „die frühzeitige Erkennung extremistischer und terroristischer Aktivitäten sowie von Rekrutierungs- und Radikalisierungsbemühungen im Internet“.143 Operative Maßnah134

Holzberger, CILIP 2008, 49 (50). Holzberger, CILIP 2008, 49 (50), unter Berufung auf die Presseerklärung des Bundesministeriums des Innern vom 15.3.2007. 136 Vgl. hierzu unten Vierter Teil. 137 Vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/11636, S. 3; die Bundesregierung hat sich den Vorwürfen des BKA nicht angeschlossen. 138 Vgl. hierzu unten Dritter Teil: Kapitel 2. 139 Vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/11636, S. 4 f. und 7; die Bundesregierung hat sich den Vorwürfen des BKA nicht angeschlossen. 140 Antwort Bundesregierung, BT-Drs. 17/6720, S. 3. 141 Klee, S. 117. 142 Wörlein, CILIP 2008, 50 (59). 143 Wörlein, CILIP 2008, 50 (59), (offenbar) mit Verweis auf den Internetauftritt des Bundesminsteriums des Innern zum Gemeinsamen Internetzentrum. 135

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

men werden dabei nicht von dem Gemeinsamen Internetzentrum, sondern von der jeweiligen Behörde durchgeführt.144 Das Gemeinsame Internetzentrum ist zugleich auch Servicecenter für andere nicht am Zentrum beteiligte Sicherheitsbehörden.145 So werden u. a. Informationen zum Hacking oder Verstehen von Botschaften in Bildern durch die islamistische Szene erstellt und den anderen Behörden zur Verfügung gestellt.146 VI. Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus Als eine unmittelbare Reaktion auf die Enttarnung des NSU147 und des Umfangs der mutmaßlich damit in Verbindung stehenden Verbrechen hatte das Bundesministerium des Innern die Einrichtung eines Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus (GAR) beschlossen.148 Das GAR wurde noch im Dezember 2011 eröffnet.149 Als Vorbild für Struktur und Arbeitsweise diente dem GAR das GTAZ.150 Auf Bundesebene waren BfV, BKA, Bundespolizei, BND, Militärischer Abschirmdienst sowie der Generalbundesanwalt beteiligt.151 Die Länder waren mit ihren jeweiligen LfV und LKA beteiligt.152 Zudem war auch Europol in das GAR eingebunden.153 Zur Erfüllung dieser Aufgaben fanden innerhalb des GAR zweimal wöchentlich Tagungen im Plenum statt.154 Zudem existierten (wiederum) fest eingerichtete Arbeitsgruppen.155 Das GAR hatte mit Köln und Meckenheim zwei Sitze und unterlag der gemeinsamen Geschäftsführung von BKA und BfV.156 Das GAR ging in dem GETZ auf und besteht daher nicht mehr als eigenständiges Zentrum.157 144 Wörlein, CILIP 2008, 50 (59), mit Verweis auf Internetauftritt des Bundesministeriums des Innern zum Gemeinsamen Internetzentrum sowie dem Hinweis darauf, dass das Gemeinsame Internetzentrum die deutschen Beiträge für das bei Europol angesiedelte Informationsportal „Check the web“ verfasst. Zum Gemeinsamen Internetzentrum ferner Zöller, JZ 2007, 763 (768); Ruhmannseder, JA 2008, 373 (375 Fn. 16). 145 Klee, S. 118. 146 Klee, S. 118. 147 Zum NSU-Komplex vgl. oben Erster Teil: C. 148 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/8535, S. 14. 149 FAZ vom 17.12.2011, S. 4. 150 Vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/8535, S. 14. 151 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/8535, S. 14. 152 Vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/8535, S. 14 f. 153 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/8535, S. 14. 154 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/8535, S. 14. 155 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/8535, S. 14. 156 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/8535, S. 14. 157 Presseinformation BfV zum GETZ (abrufbar unter www.verfassungsschutz.de/ de/aktuell_thema/meldungen/me_20121115_pm_getz_2012.pdf; letzter Abruf am 31.10.2014), S. 1.

Kap. 1: Formen der Mitwirkung

105

VII. Gemeinsames Extremismus- und Terrorabwehrzentrum Wiederum auf den NSU-Skandal ist, wenngleich nur mittelbar, das vorläufig letzte Abwehrzentrum, das Gemeinsame Extremismus- und Terrorabwehrzentrum (GETZ), zurückzuführen. Der NSU-Skandal bildet deshalb den Anlass, weil die politischen Entscheidungsträger auf Bundesebene über dessen Aufklärung und Aufarbeitung die Notwendigkeit einer generellen und umfassenden Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Sicherheitsbehörden erkannt und in dem GETZ eine adäquate Antwort gesehen haben.158 Das GETZ erstreckt sich von daher (im Unterschied zum GTAZ: Begrenzung auf Islamismus und im Unterschied zum GAR: Begrenzung auf Rechtsextremismus) faktisch auf die gesamten Phänomenbereiche, die der primären Aufklärung durch das BfV obliegen: Rechtsextremismus, Linksextremismus, Ausländerextremismus, Spionageabwehr und Proliferation.159 Das GETZ soll sowohl beim BfV in Köln als auch beim BKA in Meckenheim seinen Sitz haben,160 wenngleich es den Medienberichten folgend gegenwärtig ausschließlich beim BfV in Köln angesiedelt ist.161 Wie schon beim GAR unterliegt auch das GETZ der gemeinsamen Leitung von BfV und BKA.162 Das GETZ wurde am 15. November 2012 durch den damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich eröffnet.163 Teilnehmer des GETZ sollen seitens des Bundes sein: BfV, BND, Militärischer Abschirmdienst, BKA, Bundespolizei, Generalbundesanwalt, Zollkriminalamt, BAMF sowie Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.164 Zudem sollen die Länder über ihre LfV sowie LKA beteiligt werden; auch ist wiederum Europol vertreten.165 Im Hinblick auf die Länder ist bekannt, dass sich gegenwärtig nur sechs Länder daran beteiligen, die anderen aufgrund der Art und Weise der Errichtung und Durchsetzung des GETZ durch die Bundesebene sich gegenwärtig nicht daran beteiligen.166 Da aber das GAR nach Angaben des BfV in dem GETZ aufgegangen ist167, ist davon auszugehen, dass zumindest in diesem Bereich sämtliche bereits am GAR beteiligten Behörden auch im GETZ im Hinblick auf den Phänomenbereich Rechtsextremismus beteiligt sind. 158

Vgl. SZ vom 15.11.2012, S. 5. Presseinformation BfV zum GETZ, Fn. 522, S. 1; SZ vom 13.11.2012, S. 6. Zum Aufklärungsauftrag des BfV vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 A. 160 Presseinformation BfV zum GETZ, Fn. 522, S. 2. 161 Süddeutsche.de vom 15.11.2012. 162 Presseinformation BfV zum GETZ, Fn. 522, S. 2. 163 Vgl. Presseinformation BfV zum GETZ, Fn. 522, S. 2. 164 Presseinformation BfV zum GETZ, Fn. 522, S. 2. 165 Presseinformation BfV zum GETZ, Fn. 522, S. 2. 166 Vgl. SZ vom 15.11.2012, S. 5; SZ vom 13.11.2012, S. 6. 167 Presseinformation BfV zum GETZ, Fn. 522, S. 2. 159

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Auch das GETZ ist in Aufbau und Arbeitsweise dem GTAZ nachgebildet.168 Entsprechend bestehen beim GETZ zwei eigenständige nach Polizei und Verfassungsschutz getrennte Informations- und Analysestellen (NIAS und PIAS).169 Die behördenübergreifende Zusammenarbeit findet in gemeinsamen Arbeitsgruppen statt, wovon in einer wiederum ein „Operativer Informationsaustausch“ erfolgt.170 Zudem finden regelmäßig Lagebesprechungen statt.171 VIII. Zusammenfassung Mit den Institutionalisierungsschüben ist die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden und damit auch zwischen Verfassungsschutz (BfV) und den Strafverfolgungsbehörden (BKA) sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht erheblich ausgebaut worden. Die Verdichtung wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass zuvor an „institutionalisierten“ Zusammenkünften lediglich ein seit 1982 vierteljährlich durchgeführter Treff von Vertretern des BKA, des Generalbundesanwalts, des BfV und des BND zum Austausch von Informationen in Sachen Terrorismus bestanden hat.172 Mittlerweile findet eine permanente Zusammenarbeit in eigens dafür errichteten Zentren statt. Hierbei geht es nicht nur um einen abstrakten Informationsaustausch zur Erstellung von Lagebildern, vielmehr soll das vorhandene Wissenspotential auch zur Identifizierung von Ermittlungsansätzen und zur Abstimmung operativer Maßnahmen173 bzw. zum Anstoßen sowie Unterstützen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren genutzt werden.174 Damit wird das Wissen des Verfassungsschutzes planmäßig – jedoch thematisch begrenzt – auch zu Zwecken der Strafverfolgung genutzt. Die institutionalisierten Zusammenarbeitsformen dienen als „,Impulsgeber‘ für konkrete Ermittlungsmaßnahmen“. 175

168

Vgl. Presseinformation BfV zum GETZ, Fn. 522, S. 2 f. Presseinformation BfV zum GETZ, Fn. 522, S. 3. 170 Presseinformation BfV zum GETZ, Fn. 522, S. 4. 171 Presseinformation BfV zum GETZ, Fn. 522, S. 3. 172 Wörlein, CILIP 2008, 50 (50); Stolle/Maurer, CILIP 2004, 29 (30). Wie der Der Spiegel vom 10.2.1992, S. 36 ff., hinweist, sei allerdings unklar, inwieweit neben dem vierteljährlichen offiziellen Treff noch weitere Zusammenkünfte in aller Stille stattgefunden haben. 173 So die Beschreibung der Tätigkeit GTAZ, Arbeitsgruppe Operativer Informationsaustausch, vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 1 B. III. Nichts anderes ist aus der Antwort der Bundesregierung zum Ziel des ehemaligen GAR zu entnehmen, wenn sie ausführt: „Primäres Ziel ist die Stärkung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit [. . .]. Zwischen Polizei- und Verfassungsschutzbehörden soll der Informationsfluss verbessert und operative Maßnahmen reibungsloser koordiniert werden“; BT-Drs. 17/8535, S. 14. 174 So die Beschreibung GASIM, Forum 7: Operative Maßnahmen im Zusammenhang mit Illegaler Migration, vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 1 B. IV. 175 So für das GTAZ: Klee, S. 115. 169

Kap. 1: Formen der Mitwirkung

107

Ein Kennzeichen sämtlicher Formen der institutionalisierten Zusammenarbeit ist das fehlende öffentliche Wissen darüber, wie die Zusammenarbeit in der Praxis tatsächlich vonstattengeht.176 Begründet wird diese Abschottung nach außen seitens der Bundesregierung mit dem Hinweis, dass „eine öffentliche Darstellung [. . .] schutzbedürftiger operativer, taktischer und strategischer Überlegungen der Sicherheitsbehörden [. . .] die Wirksamkeit der Bekämpfungsmaßnahmen wesentlich beeinträchtigen würde.“ 177 Zudem seien den beteiligten Behörden gerade keine neuen Aufgaben oder Befugnisse zugestanden worden, sie agierten also im Rahmen ihrer bisherigen Aufgaben und Befugnisse.178 Aus dem letzteren Grund – und das ist ein weiteres Kennzeichen sämtlicher Institutionalisierungen – sahen Bundesregierung und Praktiker auch keine Notwendigkeit, für die neuen Formen der Zusammenarbeit eigene gesetzliche Grundlagen bereitzustellen; das gilt auch für die permanent arbeitenden Zentren GTAZ, GASIM, GAR, GETZ und das Gemeinsame Internetzentrum.179 Seitens der Praktiker werden die Institutionalisierungsschübe vor dem Hintergrund eines damit ermöglichten modernen Wissensmanagements gelobt:180 Das in unterschiedlichen Behörden vorhandene (polizeiliche und nachrichtendienstliche) Wissen könne gezielt zusammengeführt, abgeglichen und ggf. zur Veranlassung konkreter Maßnahmen nutzbar gemacht werden.181 Erkenntnisdefizite, Sicherheitslücken sowie Ermittlungspannen würden so vermieden.182 Der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden sowie „deren insgesamt vorhandene Analyse- und Operativkompetenz“ könnten dauerhaft gestärkt werden.183 Doch gibt es auch Kritik: So werden die restriktive Informationspolitik zur konkreten Arbeitsweise in den Zentren und das bewusste Unterlassen einer gesetzlichen Regelung moniert.184 Auch wird in den Institutionalisierungen der Zu176

Kritisch Wörlein, CILIP 2008, 50 (50 ff.); Holzberger, CILIP 2006, 60 (65). So ausdrücklich für die IGR die Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 13/1117, S. 1. Für die BAO-USA vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/892, S. 5. 178 Vgl. für die KGT die Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 12/1033, S. 2 f.; für die IGR die Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 13/1117, S. 2. 179 Stellvertretend Droste, Handbuch, S. 582. Zu beachten ist hierbei insbesondere das die Zentren nicht auf dem Gemeinsamen-Dateien-Gesetz beruhen. Dieses setzt de facto vielmehr bereits die Zentren voraus und regelt die Errichtung und Nutzung von gemeinsamen Dateien der jeweils angeschlossenen Behörden; zum Gemeinsame-Dateien-Gesetz vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 2 E. 180 Die nachfolgenden Aussagen beziehen sich konkret zwar nur auf das GTAZ. Doch lassen sich diese verallgemeinern auf sämtliche Formen der Institutionalisierung. 181 Klee, S. 115. 182 Klee, S. 115. 183 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/10007, S. 6. 184 Vgl. Wörlein, CILIP 2008, 50 (50 ff.); Holzberger, CILIP 2006, 60 (65). Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung bestreitet am Beispiel des GTAZ Weisser, NVwZ 2011, 142 (146). 177

108

3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

sammenarbeit der Verlust der prinzipiellen Unterscheidbarkeit zwischen den im Vorfeld agierenden Nachrichtendiensten und der erst ab einer konkreten Verdachtslage operierenden Polizei bemängelt.185 Festzuhalten ist, dass mit dem jüngsten Zusammenarbeitszentrum GETZ de facto der gesamte primäre Aufklärungsbereich des BfV von einer institutionalisierten Zusammenarbeit auch mit Strafverfolgungsbehörden begleitet wird.

C. Errichtung und Nutzung gemeinsamer Dateien Die mit dem Gemeinsamen-Dateien-Gesetz vom 22. Dezember 2006186 ermöglichte Schaffung einer Antiterrordatei und die Errichtung gemeinsamer Projektdateien u. a. zwischen BKA und BfV sind einerseits ebenfalls Institutionalisierungskennzeichen in der Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei und damit auch in der nachrichtendienstlichen Mitwirkung in Strafverfahren. Andererseits stellen sie zugleich eine Reaktion auf die Institutionalisierungen selbst dar. Die Errichtung und Nutzung gemeinsamer Dateien sollen das Zusammenarbeiten zwischen den jeweils beteiligten Behörden wie BKA und BfV effektiveren bzw. überhaupt ermöglichen. Das Gemeinsame-Dateien-Gesetz regelt also allein das Wie des gesetzlichen Informationsaustausches. Da hierzu auf die klassischen Übermittlungsvorschriften Bezug genommen wird, ist das Gemeinsame-Dateien-Gesetz erst im Anschluss an die klassischen gesetzlichen Regelungen der Mitwirkung in den Blick zu nehmen.187 Gleiches gilt für die im August 2012188 in Betrieb genommene Rechtsextremismus-Datei, welche als eine unmittelbare Reaktion auf die Aufdeckung des NSU-Skandals angesehen werden kann. Die Rechtsextremismusdatei orientiert sich zum einen in Aufbau und Struktur weitgehend an der Antiterrordatei, enthält zum anderen aber auch eine erweiterte Funktion. Eine nähere Darstellung erfolgt hier im Anschluss an die Vorstellung des Gemeinsame-Dateien-Gesetz. 189 Jedoch ist bereits an dieser Stelle hervorzuheben, dass jedenfalls das Prinzip der gemeinsamen Nutzung von Datenbanken zumindest für BKA und BfV kein völliges Novum darstellt. Zwar gab es bislang keine (auf Dauer angelegten) eigenständigen gemeinsam geführten Dateien zwischen den beiden Behörden. Doch war bis zur Regelung der Sicherheitsgesetze in den 1990er-Jahre das BKA Abteilung Staatsschutz Verbundteilnehmer beim elektronischen Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS), also der Verbunddatei von BfV und 185 186 187

Vgl. – bezogen auf das GTAZ – Zöller, JZ 2007, 763 (767). BGBl. I S. 3409. Unten Dritter Teil: Kapitel 2 E. zum ATDG-Urteil des BVerfG unten Sechster

Teil. 188 189

Vgl. FAZ vom 20.9.2012, S. 2. Vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 2 F.

Kap. 1: Formen der Mitwirkung

109

den LfV.190 So stellte das BKA Abteilung Staatsschutz einerseits in NADIS Daten ein und hatte andererseits ungefilterten Zugriff auf die in NADIS gespeicherten Daten, also auch solchen ohne jeden strafrechtlichen Bezug.191 Umgekehrt hatte auch das BfV ursprünglich einen Zugriff auf Teilsysteme des elektronisch geführten polizeilichen Informationssystems INPOL, wie z. B. dem Fahndungsbestand (polizeiliche Beobachtung) oder die PIOS Datei Terrorismus.192

D. Ergebnis Zusammenfassend ist das Folgende festzuhalten. Von Beginn an sollten nachrichtendienstlich gewonnene Erkenntnisse auch zu Zwecken der Strafverfolgung genutzt werden. Mittlerweile hat die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden bzw. Polizei trotz des an sich strukturbedingten Konfliktpotentials zwischen Nachrichtendiensten und Strafverfolgungsbehörden erheblich an Bedeutung zugenommen hat.193 Deutliches Kennzeichen hierfür sind die aufgezeigten Institutionalisierungsschübe, die mit GTAZ, GASIM, GAR, GETZ und dem Gemeinsamen Internetzentrum ihren vorläufigen Höhepunkt erfahren haben. De facto wird mittlerweile der gesamte primäre Aufklä190 Riegel, ZRP 1989, 218 (218 f.): Mit der Einführung der EDV im Sicherheitsbereich (Anfang der 1970er Jahre) wurde entsprechend beim BfV der manuelle Zentrale Kartennachweis durch das elektronische Nachrichtendienstliche Informationssystem (NADIS) ersetzt, das als Verbunddatei geführt worden ist. Das NADIS enthielt ein Zentrales Objektverzeichnis und eine Personenzentraldatei; letztere setzte sich aus Grunddaten (wie Personendaten zur eindeutigen Identifizierung, Aktenzeichen) und ergänzenden Kurzhinweisen (wie Telefon-, Kontonummer, Kfz-Kennzeichen) zusammen (Riegel, ZRP 1989, 218 [218 f.]). 191 Vgl. BfD, 6. Tätigkeitsbericht, BT-Drs. 10/877, S. 47. Ursprünglich wurde die Teilnahme des BKA, Abteilung Staatsschutz, an NADIS damit begründet, dass dieses kein eigenes automatisiertes Aktennachweissystem besaß; vgl. BfD, 6. Tätigkeitsbericht, BT-Drs. 10/877, S. 46 f. Aber auch nachdem beim BKA für den Bereich Staatsschutz seit Anfang 1986 mit APIS ein eigenes automatisiertes Informationsverarbeitungssystem eingerichtet worden ist, stellte das BKA, Abteilung Staatsschutz, seine Daten weiterhin auch in NADIS ein; kritisch hierzu der BfD in seinem 9. und 10. Tätigkeitsbericht, BT-Drs. 10/6816, S. 61 f., 11/1693, S. 77 f. – APIS steht für Arbeitsdatei PIOS Innere Sicherheit; da diese als Personen, Institutionen, Objekte, Sachen (PIOS)Datei konstruiert worden ist, können im Gegensatz zur bloßen Registratur von Vorgängen (so die Arbeitsweise von NADIS) auch Personen, Institutionen, Objekte sowie Sachen miteinander verknüpft und einer automatisierten mehrdimensionalen Auswertung zugänglich gemacht werden; Weichert, CR 1990, 213 ff. und 281 ff. 192 Vgl. Bundesbeauftragter für Datenschutz, 1. Tätigkeitsbericht, BT-Drs. 8/2460, S. 27; 2. Tätigkeitsbericht, BT-Drs. 8/3570, S. 45. 193 Als Kernpunkt des Konfliktpotentials ist der Quellenschutz auszumachen. Hierzu Albert, FS BfV 50 Jahre, S. 85 (86); Werthebach, dk 2003, 326 (329); Baumann, Handbuch für Führungskräfte, S. 115 (132); Martin, S. 81 (92): Während die Polizei ein übertriebenes Geheimhaltungsbedürfnis der Nachrichtendienste und eine daraus resultierende restriktive Erkenntnisübermittlung moniert, kritisiert der Verfassungsschutz einen zu offenen polizeilichen Umgang mit sensiblem nachrichtendienstlichen Material; zum Quellenschutz vgl. auch oben Zweiter Teil: Kapitel 1 C. II. 2.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

rungsbereich des BfV von einer institutionalisierten Zusammenarbeit auch mit Strafverfolgungsbehörden begleitet, sodass von einer weitreichenden, strukturell bewusst angelegten Beteiligung des BfV an strafprozessualen Ermittlungsverfahren ausgegangen werden kann. Im Mittelpunkt der Mitwirkung des Verfassungsschutzes in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren steht die Übermittlung nachrichtendienstlich gewonnener Informationen. Aber auch sonstige Formen der Zusammenarbeit – wie die gemeinsame Datenerhebung kraft Observation oder die Hinzuziehung von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes bei Durchsuchungen – werden praktiziert. Im Zuge der gewachsenen datenschutzrechtlichen Sensibilität194 ist ein ungehinderter Zugriff oder die Teilnahme an jeweils fachfremden Verbunddateien weder seitens der Polizei bzw. Strafverfolgungsbehörden noch seitens des Verfassungsschutzes möglich. Insoweit hat die Zusammenarbeit bei aller Institutionalisierung in tatsächlicher Hinsicht eine Restriktion erfahren, um einen verfassungskonformen Zustand zu erreichen. Kapitel 2

Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung Im vorherigen Kapitel standen die Praxis, die Zusammenarbeit, die Formen der Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren als solche im Mittelpunkt. Nunmehr rücken die gesetzlichen Regelungen hierzu in den Vordergrund. Deren Analyse ist notwendig, denn nur im Rahmen des geltenden Rechts kann eine rechtmäßige195 Zusammenarbeit erfolgen. Sowohl die nachrichtendienstlichen Gesetze als auch die StPO enthalten Regelungen, die die Übermittlung von nachrichtendienstlichen Informationen an die Strafverfolgungsbehörden betreffen. Diese Übermittlungsvorschriften sind nicht nur für die klassischen Mitwirkungsformen, sondern auch für die institutionalisierten Formen der Zusammenarbeit von Relevanz. So hat die Institutionalisierung aus operativer, taktischer sowie strategischer Überlegung heraus keine eigenständige gesetzliche Regelung erfahren.196 Zwar wurden Ende 2006 mit dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz und der damit verbundenen Einrichtung einer zentralen Antiterrordatei sowie mit der Schaffung von gemeinsamen Projektdateien zwischen Polizei und Nachrichtendiensten gesetzliche Regelungen geschaffen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Institutionalisierung der Zusammenarbeit stehen. Aber auch diese Regelungen bauen ihrerseits auf den klassischen Übermittlungsvorschriften der nachrichtendienstlichen Gesetze sowie der 194 195 196

Vgl. hierzu unten Dritter Teil: Kapitel 2 A. I. Zu dieser Beschränkung vgl. bereits oben Erster Teil: B. Vgl. z. B. die Antwort der Bundesregierung zur IGR, BT-Drs. 13/1117, S. 2.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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StPO auf.197 Das Gleiche gilt auch für die im Jahr 2012 geschaffene Rechtsextremismusdatei.198 Für die sonstigen klassischen Formen der Mitwirkung – wie z. B. die Durchführung von gemeinsamen Datenerhebungen im Rahmen einer Observation oder die Heranziehung von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes zu einer Tatortbesichtigung – enthalten weder die nachrichtendienstlichen Gesetze noch die StPO spezielle Regelungen.199 Das ist nun nicht etwa als ein Versehen einzustufen, sondern als eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung. Dahinter steht der Gedanke, den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden eine möglichst weitgehende Autonomie bei der Planung und Durchführung ihrer jeweiligen Beobachtungs- und Aufklärungsmaßnahmen einzuräumen.200 Grenzen der Mitwirkungsmöglichkeiten bzw. Mitwirkungsmöglichkeit ergeben sich allein aus den allgemeinen Amtshilfevorschriften (§§ 4 bis 8 VwVfG, Art. 35 GG), die jedoch für den hier relevanten Bereich de facto keine Grenzen aufstellen und von daher unberücksichtigt bleiben (können).201 Ob und inwieweit sich aus dem Trennungsgebot Begrenzungen für die vorgestellten Mitwirkungsmöglichkeiten ergeben, bleibt in diesem Kapitel unberücksichtigt.202 An dieser Stelle kann aber bereits festgehalten werden, dass sich aus dem bloßen Wortlaut des in § 2 Abs. 1 S. 3 und § 8 Abs. 3 BVerfSchG einfachgesetzlich normierten Trennungsgebots keine unmittelbaren Beschränkungen entnehmen lassen. Denn § 2 Abs. 1 S. 3 und § 8 Abs. 3 BVerfSchG beschränken sich darauf, dass zum einen das BfV keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden darf und zum anderen dem BfV keine polizeilichen Befugnisse oder Weisungsbefugnisse zustehen.203 Von daher ergibt sich die folgende Struktur für die vorliegende Untersuchung. Zunächst ist der Blick auf die Übermittlungsvorschriften in den nachrichtendienstlichen Gesetzen, die das BfV betreffen, und der StPO zu werfen. Hierbei ist bei den nachrichtendienstlichen Gesetzen zu prüfen, wann personenbezogene 197 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 1 C. Zum Gemeinsame-Dateien-Gesetz vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 2 E. 198 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 1 C. Zur Rechtsextremismusdatei vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 2 F. 199 Vgl. Nehm, NJW 2004, 3289 (3293); Soiné, NStZ 2007, 247 (249). 200 Nehm, NJW 2004, 3289 (3293); Soiné, NStZ 2007, 247 (249). 201 Das BDSG greift vorliegend nicht. Zwar stellt z. B. auch die gemeinsame Durchführung einer Observation durchaus eine Form der Datenerhebung dar. Aber das BDSG greift nicht, weil aus nachrichtendienstlicher Perspektive das BDSG für die Datenerhebung (§ 13 BDSG) wie auch Übermittlung (§ 15 BDSG) von vornherein gem. § 27 BVerfSchG gesperrt ist. Aus strafverfahrensrechtlicher Sicht wiederum enthält die StPO speziellere Regelungen, was gem. § 1 Abs. 3 S. 1 BDSG einen Rückgriff auf das BDSG ausschließt. 202 Hierzu ausführlich unten Vierter Teil. 203 Vgl. unten Vierter Teil: Kapitel 1.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Daten zum Zwecke der Strafverfolgung an die Strafverfolgungsbehörden exportiert werden können oder müssen (B.). Das Strafverfahrensrecht ist daraufhin zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen die Strafverfolgungsbehörden einerseits vom BfV die Übermittlung von nachrichtendienstlichen Informationen verlangen können und andererseits unter welchen Voraussetzungen sie nachrichtendienstliche Informationen zum Zwecke der Strafverfolgung verwenden dürfen bzw. müssen (C.). Mit diesen beiden Blickrichtungen lässt sich sodann feststellen, welche nachrichtendienstlichen Informationen wann zum Zweck der Strafverfolgung durch die Strafverfolgungsbehörden verwendbar sind (D.). Danach schließlich wird sich dem Gemeinsamen-Dateien-Gesetz (E.) und dem Rechtsextremismusdateiengesetz (F.) zugewandt, in denen die Errichtung, das Betreiben und die Nutzung gemeinsamer Dateien eine gesetzliche Regelung erfahren haben. Zum Abschluss ist (noch einmal) auf die spezifische Frage der Pflicht zur Mitwirkung des BfV in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren einzugehen (G.). Am Anfang (A.) ist jedoch darüber Klarheit zu schaffen, warum über eine Analyse der gesetzlichen Regelungen ein Rückschluss auf Inhalt und Umfang der als zulässig erachteten Mitwirkungsmöglichkeiten des BfV im Ermittlungsverfahren gezogen werden kann.

A. Grundlagen Der Grund für die Rückschließbarkeit von den gesetzlichen Regelungen auf das Dürfen an Mitwirkung liegt im Hinblick auf die Übermittlung personenbezogener Daten in dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung begründet. I. Recht auf informationelle Selbstbestimmung Das BVerfG hat in seinem Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983204 das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG etabliert und in seiner nachfolgenden Rechtsprechung205 stetig konkretisiert und verfestigt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist dabei nicht allein in dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht enthalten, sondern sachgedanklich auch in anderen Grundrechten, wie z. B. Art. 10 GG, verankert.206 Kerninhalt des informationellen Selbstbestimmungsrechts ist „die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. [. . .] Beschränkungen in dieses Recht bedürfen einer gesetzlichen Regelung.“ 207 Notwendig ist hierbei eine bereichsspezifische Regelung, aus der sich 204 205 206 207

BVerfGE 65, 1. Stellvertretend BVerfGE 100, 313; 113, 348; 125, 260; 133, 277. BVerfGE 100, 313 (358 f.); 125, 260 (310). BVerfGE 61, 1 (43 f.).

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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der Zweck, die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben.208 Deswegen kommen weder ein Rückgriff auf das in §§ 4 bis 8 VwVfG geregelte Amtshilferecht noch auf die Regelungen des BDSG in Betracht, denn beide bilden Querschnittsgesetze, die eben keine bereichsspezifische Regelungen enthalten (können).209 Die notwendige Zweckbestimmung prägt dabei nicht nur die erstmalige Erhebung personenbezogener Daten. Auch die weiteren Verarbeitungsschritte sind an den Erhebungszweck gebunden.210 Werden die Daten zu einem anderen als dem Erhebungszweck verwendet, liegt eine Zweckänderung vor. Das wiederum stellt grundsätzlich einen eigenständigen Grundrechtseingriff dar.211 Denn „die Überführung der Daten in einen anderen Verwendungszusammenhang“ können für den Betroffenen mit zusätzlichen, möglicherweise schwereren Folgen verbunden sein.212 Zwar schließt der Grundsatz der Zweckbindung eine Zweckänderung nicht generell aus. Sie bedarf jedoch ihrerseits einer eigenständigen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage.213 Ein Rückgriff auf Vorschriften aus dem allgemeinen Amtshilferecht oder dem Datenschutzrecht reichen hingegen wiederum nicht aus.214 Die Zweckänderung muss durch Allgemeinbelange gerechtfertigt sein, „die die grundrechtlich geschützten Interessen überwiegen. Der neue Verwendungszweck muss sich auf die Aufgaben und Befugnisse der Behörde beziehen, der die Daten übermittelt werden, und hinreichend normklar geregelt sein.“ 215 Schließlich „dürfen der Verwendungszweck, zu dem die Erhebung erfolgt ist, und der veränderte Verwendungszweck nicht miteinander unvereinbar sein.“ 216 Denn „[g]rundrechtsbezogene Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Erhebungsmethoden dürfen nicht dadurch umgangen werden“, dass zu ursprünglich rechtmäßigen Zwecken erhobene Daten „für Zwecke zugänglich gemacht werden, die einen derartigen Methodeneinsatz nicht rechtfertigen würden.“ 217 Hieraus sind folgende Schlüsse zu ziehen: Die Erhebung von personenbezogenen Daten durch den Verfassungsschutz stellt für den von dieser Erhebung Betroffenen regelmäßig einen Grundrechtseingriff dar. Von daher bedarf die aktive Informationserhebung durch das BfV, um die es in dieser Untersuchung geht, einer gesetzlichen Grundlage, die je nach Eingriffsintensität unterschiedlich aus208 209 210 211 212 213 214 215 216 217

BVerfGE 100, 313 (360). Vgl. zur Amtshilfe BVerfGE 65, 1 (46); zum BDSG König, S. 258. BVerfGE 100, 313 (360); 109, 279 (375). BVerfGE 109, 279 (375). BVerfGE 100, 313 (360). Vgl. BVerfGE 65, 1 (51, 62); 100, 313 (360); 109, 279 (375 f.); König, S. 205. Vgl. Singelnstein, ZStW 2008, 854 (860). BVerfGE 100, 313 (360). BVerfGE 100, 313 (360). BVerfGE 100, 313 (389 f.).

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

gestaltet sein muss. Die Darstellung der entsprechenden einfachgesetzlichen Regelung ist bereits erfolgt.218 Aber auch die nachfolgenden Verarbeitungsschritte wie z. B. die Speicherung bedürfen einer Regelung. Sollen die nachrichtendienstlich erhobenen personenbezogen Daten zu Zwecken der Strafverfolgung genutzt werden, stellt dies eine Zweckänderung dar.219 Für die Datenübermittlung notwendig ist also wiederum eine bereichsspezifische Regelung, die den Ansprüchen an die Erhebungsnorm entspricht.220 Der in der Literatur geführte Streit, ob dem Gesetzgeber der datenübermittelnden (d.h. exportierenden) Stelle oder dem Gesetzgeber der die Daten empfangenden (d.h. importierenden) Stelle die Gesetzgebungskompetenz für die Schaffung von Verwendungs- und Übermittlungsregelung zustehe221, kann hier dahingestellt bleiben. Sowohl für das BVerfSchG, das G10 als auch die StPO besitzt jeweils der Bund die Gesetzgebungskompetenz.222 Sofern einander überschneidende Export- und Importregelungen bestehen, müssen beide kumulativ für die Zweckänderung und damit für die Übermittlung beachtet werden: Besteht hierbei eine engere Importregelung, führt dies zu einer nochmaligen Einschränkung der Verwendbarkeit für den Datenempfänger.223 Weiter gehende Verwendungsregelungen in den Importregelungen wiederum können die Vorgaben der Exportregelungen nicht umgehen. Lässt also das Nachrichtendienstrecht in bestimmten Konstellationen keine Übermittlung von Daten zu, kann das damit ausgelöste Übermittlungsverbot auch nicht dann aufgehoben werden, wenn die Verwendungsregelungen im strafverfahrensrechtlichen Importbereich weiter gehende Nutzungen zulassen. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Über eine Analyse der nachrichtendienstlichen Datenexportregelungen und der strafverfahrensrechtlichen Importregelungen können sowohl Umfang als auch Inhalt der staatlich gewollten Mitwirkungsmöglichkeiten des BfV im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Hinblick auf die Übermittlung personenbezogener Daten nachgezeichnet werden. Der nach dem Volkszählungsurteil noch gewährte Übergangsbonus224 existiert knapp 30 Jahre nach dem Urteil nicht mehr.225 218

Vgl. Zweiter Teil: Kapitel 1 D. Vgl. auch Singelnstein, ZStW 2008, 854 (858). 220 Gröpl, S. 258: Die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden ist auch Gegenstand von Richtlinien, Erlassen etc.; doch können diese nicht (mehr) die Zusammenarbeit originär begründen. 221 Vgl. SK/Weßlau, StPO, (LB), Vor § 474 Rn. 14 f., und Singelnstein, ZStW 2008, 854 (863). 222 Für die entsprechende nachrichtendienstrechtliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes vgl. bereits oben Zweiter Teil: Kapitel 1 – die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Strafrecht ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 72 Abs. 1 GG. 223 Singelnstein, ZStW 2008, 854 (864). 224 Hierzu Vogelgesang, DVBl. 1989, 962 ff. 225 Zum Übergangsbonus siehe auch Fn. 496. 219

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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II. Begrifflichkeiten Sowohl die Vorschriften im Nachrichtendienstrecht als auch in der StPO haben mittlerweile eine dem Datenschutzrecht weitgehend entsprechende Terminologie erfahren. Im Folgenden sollen die für diese Untersuchung relevanten Termini erläutert werden. Grundlage hierfür sind die Begriffsbestimmungen im BDSG. Denn diesbezüglich ist das BDSG sowohl für die StPO als auch für die Gesetze der Nachrichtendienste im Grunde anwendbar.226 Auch liegen diese Begriffsbestimmungen den Ausführungen dieser Arbeit zugrunde, sofern im Folgenden nichts anderes hervorgehoben wird. Die Ausführungen zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung beziehen sich nur auf personenbezogene Daten. Entsprechend verwenden auch die in dieser Untersuchung relevanten Übermittlungsvorschriften regelmäßig diesen Terminus.227 Als Ausnahme hervorzuheben ist § 20 Abs. 1 BVerfSchG, der von „Information“ spricht. Personenbezogene Daten sind gem. § 3 Abs. 1 BDSG „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener)“. Als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann.228 In Abgrenzung hierzu können Informationen als Daten ohne Personenbezug bezeichnet werden.229 Dieser Unterscheidung kommt bei der Übermittlung von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen an die Strafverfolgungsbehörde regelmäßig keine Relevanz zu. Sofern der Verfassungsschutz in einem Ermittlungsverfahren durch Datenübermittlung mitwirkt, wird er personenbezogene Daten übermitteln. Schließlich ist es das Ziel des Ermittlungsverfahrens, Sachverhalte zu bestimmten Tatverdächtigen zuordnen oder ausschließen zu können.230 Von daher wird über § 20 Abs. 1 BVerfSchG nicht mehr übermittelt, als wenn der Übermittlungstatbestand auf personenbezogene Daten beschränkt wäre.

226 Vgl. § 1 Abs. 2 und 3 BDSG. Weder die StPO noch das Nachrichtendienstrecht enthalten eigene Begriffbestimmungen. Der Rückgriff auf die Begriffsbestimmungen in § 3 BDSG ist durch § 27 BDSG nicht ausgeschlossen. Die neuere Strafverfahrensgesetzgebung sucht Anschluss an die allgemeine datenschutzrechtliche Terminologie wie die Umstellung von „Information“ auf „personenbezogene Daten“ zeigt (z. B. Wohnraumüberwachung § 100f StPO a. F. zu § 100c StPO). Zum Teil gibt es in der strafverfahrensrechtlichen Terminologie aber auch bewusste Abweichungen wie das Beispiel (Beweis-)Verwertung aufzeigt; hierzu unten Dritter Teil: Kapitel 2 C. 227 Vgl. § 161 Abs. 2 und 3, § 100d Abs. 3 Nr. 5 StPO, § 19 Abs. 1 BVerfSchG, § 4 G10. 228 Vgl. Däubler/Weichert, BDSG, § 3 Rn. 2 ff. (13): Die Bestimmbarkeit ist weit auszulegen. 229 Vgl. Zöller, Informationssysteme, S. 27: Nicht jede Information ist ein personenbezogenes Datum. 230 SK/Weßlau, StPO, (LB), Vor § 474 Rn. 33.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Wegen der faktischen Irrelevanz der Unterscheidung werden in dieser Untersuchung die Termini „personenbezogene Daten“, „Daten“ und „Informationen“ synonym i. S. v. „personenbezogene Daten“ verwandt. Die Erhebung „ist das Beschaffen von Daten über den Betroffenen“ (§ 3 Abs. 3 BDSG). Unter Speichern wird „das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren personenbezogener Daten auf einem Datenträger zum Zweck ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung“ verstanden (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG).231 Teilweise fallen Erhebung und Speicherung der Daten zeitlich zusammen wie z. B. bei einer Observation mit Videoaufzeichnung. Löschen ist „das Unkenntlichmachen gespeicherter personenbezogener Daten“ (§ 3 Abs. 4 Nr. 5 BDSG). Übermittlung ist „das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener personenbezogener Daten an einen Dritten in der Weise, dass [. . .] die Daten an den Dritten weitergegeben werden oder [. . .] der Dritte zur Einsicht oder zum Abruf bereitgehaltene Daten einsieht oder abruft“ (§ 3 Abs. 4 Nr. 3 BDSG). Dabei ist maßgebend, dass die Daten in einen neuen Kontext gelangen, von einem – im Verhältnis zur speichernden Stelle – Dritten zur Kenntnis genommen werden.232 Begrifflich ist zwischen der Spontanübermittlung und der Übermittlung aufgrund Ersuchens zu differenzieren233: Bei einer Spontanübermittlung erfolgt die Übermittlung auf Initiative der übermittelnden Behörde. Bei einer Übermittlung aufgrund Ersuchens liegt die Initiative bei der empfangenden Behörde. Regelmäßig sind in der Übermittlung aufgrund Ersuchens zwei Übermittlungen enthalten234: Die erste Übermittlung liegt in dem Ersuchen selbst, denn hierzu sind bereits Angaben zur Bestimmung der zu übermittelnden Daten und zur Überprüfung der Berechtigung erforderlich. Die zweite Übermittlung stellt dann die Übermittlung der ersuchten Daten selbst dar. Verarbeiten ist ein Oberbegriff, der die Phasen des Speicherns, Veränderns, Übermittelns, Sperrens und Löschens personenbezogener Daten umfasst (§ 3 Abs. 4 S. 1 BDSG).235 Nutzen wiederum „ist jede Verwendung personenbezogener Daten, soweit es sich nicht um Verarbeitung handelt“ (§ 3 Abs. 5 BDSG). Nutzen stellt also einen Auffangtatbestand dar, der greift, wenn keine andere Form der Verarbeitung gegeben ist.236

231

Ausführlich Simitis/Dammann BDSG § 3 Rn. 120 ff. Lisken/Denninger/Petri, HdbPolR, G Rn. 434. 233 König, S. 259. 234 Simitis/Dammann, BDSG, § 3 Rn. 143; deutlicher König, S. 259. 235 Kritisch zu diesem engen Verarbeitungsbegriff – der die Phasen Erhebung und Nutzung nicht mit einschließt – Däubler/Weichert, BDSG, § 3 Rn. 28 f. 236 Däubler/Weichert, BDSG, § 3 Rn. 45; Lisken/Denninger/Bäumler, HdbPolR, (3. A.), J Rn. 78. 232

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Der Begriff „Verwenden“ schließlich wird im BDSG zwar nicht unmittelbar definiert; jedoch ergibt sich aus der Gesetzessystematik der Begriffsbestimmungen in § 3 BDSG, dass Verwenden als der eigentliche Oberbegriff sämtliche Phasen von Verarbeitung und Nutzung umfasst.237 Verwendungsregelungen betreffen daher stets die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen erhobene Daten zu welchen Zwecken genutzt oder verarbeitet werden können.238 Besondere Bedeutung hat dies für das Strafverfahren. Sofern im strafverfahrensrechtlichen Binnenbereich datenschutzrechtliche Verwendungsverbote (wie z. B. § 161 Abs. 2, § 477 Abs. 2 StPO) der Nutzung bzw. Verarbeitung nachrichtendienstlicher Daten entgegenstehen, bedeutet dies, dass jeder Zugriff auf die Daten im Strafverfahren ausgeschlossen ist.239 Das ist für das Strafverfahrensrecht insoweit neu, als dass nach der dort herrschenden Lehre von den Beweisverwertungsverboten die Verwertungsverbote nicht jede Nutzung erfassen, sondern nur die Verwendung in Form der Beweisverwertung.240

B. Nachrichtendienstrechtliche Regelungen der Mitwirkung Für das Verständnis der Regelungen, die die Übermittlung von Informationen durch das BfV an die Strafverfolgungsbehörden betreffen, ist es notwendig, sich die Regelungssystematik in den nachrichtendienstlichen Gesetzen einschließlich deren Genese hinsichtlich der informationellen Zusammenarbeit des BfV mit Dritten zu vergegenwärtigen. Zu beachten ist: Bei der Analyse der Übermittlungsvorschriften steht allein der Transfer von Daten durch das BfV an die Strafverfolgungsbehörden zu Zwecken der Strafverfolgung im Blickpunkt. Der Transfer von Daten an das BfV bleibt an dieser Stellte genauso ausgeklammert wie der Transfer von Daten durch das BfV an andere Stellen als die Strafverfolgungsbehörden. Nach einem ersten Überblick (I.) und Genese (II.) sind die allgemeinen Übermittlungsvorschriften im BVerfSchG zu analysieren (III.). Dann sind die entsprechenden Vorschriften aus dem G10 in den Blick zu nehmen (IV.). Erst danach werden die speziellen Übermittlungsvorschriften im BVerfSchG analysiert (V.), denn diese verweisen auf das G10. Anschließend gilt es, explizit nach den Regelungen zum Auskunftsersuchen durch Strafverfolgungsbehörden zu fragen (VI.) 237

Gola/Schomerus, BDSG, § 3 Rn. 25; ferner Dencker, S. 237 (243). Vgl. Singelnstein, ZStW 2008, 854 (865). 239 Singelnstein, ZStW 2008, 854 (866). Diese Folge räumt bei strikter Anwendung von Verwendungsregelungen im Strafprozess auch Dencker, S. 237 (248), ein, allerdings mit dem Hinweis, dass nicht alle Verwendungsregelungen in der StPO dieser datenschutzrechtlichen Interpretation unterliegen. 240 Singelnstein, ZStW 2008, 854 (865). Zur Problematik Verwendungsverbote und Verwertungsverbote: Singelnstein, ZStW 2008, 854 (865); Dencker, S. 237 (237 ff.); Rogall, FS Kohlmann, S. 465 (481 ff.). 238

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

und die nachrichtendienstrechtlichen Regelungen der Mitwirkung zusammenzufassen (VII.). I. Überblick Zu unterscheiden ist der Informationsaustausch zwischen BfV und den LfV einerseits und der Informationsaustausch zwischen dem BfV und Dritten andererseits. Die Zusammenarbeit zwischen den Verfassungsschutzbehörden hat in den §§ 5 bis 7 BVerfSchG eine eigenständige Regelung erfahren.241 Für die informationelle Zusammenarbeit zwischen dem BfV und Dritten finden sich im dritten Abschnitt des BVerfSchG (§§ 17 bis 26 BVerfSchG) die allgemeinen Regelungen. Darüber hinaus gibt es weitere Übermittlungsvorschriften. So ist die Übermittlung von Daten, die auf der Grundlage von § 3 G10242 erhoben worden sind, in § 4 G10 geregelt. Weitere Übermittlungsvorschriften für das BfV finden sich in § 8b Abs. 2, § 9 Abs. 2 und 4 BVerfSchG. II. Genese der Übermittlungsvorschriften Für die Zusammenarbeit – und damit auch für den Informationsaustausch – zwischen dem BfV und den LfV enthielt das BVerfSchG bereits mit dessen Erstverkündung im Jahre 1950 Regelungen.243 Im Gegensatz dazu fand die informationelle Zusammenarbeit zwischen dem BfV und Dritten erst mit der Neufassung des BVerfSchG im Jahre 1990 eine Regelung.244 Zuvor enthielt im Binnenbereich nachrichtendienstlicher Bundesgesetze245 allein das G10 Vorschriften, die den Informationsaustausch zwischen BfV und Dritten betrafen.246 Das bedeutet 241 Die gegenseitige Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden ist in § 6 BVerfSchG geregelt. 242 Vgl. zu dieser Befugnisnorm oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. b). § 3 G10 befugt die Nachrichtendienste – und damit auch das BfV – zur Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation sowie zur Öffnung und Einsehung von Sendungen, die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegen. 243 §§ 4 und 5 BVerfSchG (1950). Nunmehr finden sich die speziellen Regelungen zur Zusammenarbeit in §§ 5 bis 7 BVerfSchG. Die speziellen Regelungen in §§ 5 bis 7 BVerfSchG sperren die allgemeinen Übermittlungsvorschriften der §§ 17 ff. BVerfSchG; vgl. Rose-Stahl, S. 98, und Droste, Handbuch, S. 476. 244 Zuvor fand sich mit § 3 Abs. 4 BVerfSchG (1950) hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Dritten lediglich eine die Aussage von Art. 35 Abs. 1 GG wiederholende Vorschrift. Dieser Absatz wurde bei der Novellierung des BVerfSchG (1950) im Jahre 1972 eingefügt, um „alle Zweifel daran zu beseitigen, ob die nach Artikel 35 GG bestehende Verpflichtung zur Rechts- und Amtshilfe auch in Bezug auf die Verfassungsschutzämter gilt“ (Schriftlicher Bericht des Innenausschusses zu BT-Drs. VI/3533, S. 5). Entsprechend wurde dieser Vorschrift eine rein deklaratorische Bedeutung zugemessen; Borgs/ Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 171. 245 Jedoch enthielten bereits verschiedene außernachrichtendienstliche Gesetze (z. B. Melderechtsrahmengesetz und Bundeszentralregistergesetz) Vorschriften zur Übermittlung von Daten an den Verfassungsschutz; Borgs/Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 179.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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aber nicht, dass jenseits des Regelungsbereiches des G10 keine informationelle Zusammenarbeit zwischen BfV und Strafverfolgungsbehörden stattfand. Stattdessen wurde – lediglich darüber – diskutiert, ob die im G10 enthaltenen Grenzen der informationellen Zusammenarbeit auch auf die allgemeine Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei bzw. Strafverfolgungsbehörden zu übertragen sind.247 Die sonstige Zusammenarbeit lief rechtlich über das Institut der Amtshilfe.248 Konkrete Regelungen über die Zusammenarbeit zwischen BfV und Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden fanden sich vor und jenseits des G10 allein in Richtlinien. Anhand der Richtlinien, die zum ersten Mal die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden regelten, den sog. Unkeler Richtlinien vom 8. Oktober 1954, lässt sich nachweisen, dass nicht nur die Praxis,249 sondern auch die Bundesregierung von Anfang an auf einen weitgehend umfassenden Informationsaustausch zwischen den Behörden abstellte. So hieß es: „Die Polizei unterrichtet den Verfassungsschutz fortlaufend über alle bemerkenswerten Vorgänge, die für ihn bei der Durchführung seiner Aufgaben [. . .] von Interesse sein können. Der Verfassungsschutz unterrichtet die Polizei über alle Tatsachen, von denen sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben Kenntnis haben muss“.250 Mit der Neufassung des BVerfSchG im Jahre 1990 erfuhr – als Reaktion auf das sog. Volkszählungsurteil des BVerfG251, – auch die informationelle Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutzbehörden und Dritten eine gesetzliche Regelung.252 Sie erfolgte zentral in einem eigenen Abschnitt (§§ 17 bis 26 BVerfSchG). Geschaffen wurde ein System mit differenziert ausgestalteten Übermittlungstatbeständen, die sich nach den Aufgabenstellungen der beteiligten Stellen 246 § 7 Abs. 3 G10 (1968) regelte die Verwendung – und damit auch die Übermittlung – von Daten, die die Nachrichtendienste im Rahmen der sog. Individualkontrolle erlangt haben. Die Daten durften danach nur zur Erforschung und Verfolgung solcher Straftaten verwendet werden, die entweder eine Individualüberwachung gem. § 2 G10 auslösen konnten oder im Katalog von § 138 StGB enthalten waren. § 3 Abs. 2 G10 (1968) regelte die Verwendung – und damit auch die Übermittlung – von Daten, die der BND im Rahmen der sog. strategischen Kontrolle erlangt hat. Grundsätzlich durften die erlangten Daten nicht zum Nachteil von Personen verwendet werden. Außer, wenn gegen die Person eine Individualüberwachung gem. § 2 G10 angeordnet war oder der Verdacht bestand, dass jemand eine Straftat plante, beging oder begangen hatte, die entweder eine Individualüberwachung gem. § 2 G10 auslösen konnte oder im Katalog von § 138 StGB enthalten war. Die beiden Verwendungsvorschriften aus dem Jahre 1968 wurden erstmalig im Jahre 1992 (Gesetz vom 28.2.1992, BGBl. I S. 372) und damit erst nach der Neufassung des BVerfSchG modifiziert. 247 Vgl. hierzu Riegel, NJW 1979, 952 (955): pro und Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 BVerfSchG Rn. 227 Fn. 269: contra. 248 Vgl. Schlink, Amtshilfe, S. 268 ff. 249 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 1. 250 Zitiert nach Borgs/Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 132. 251 Urteil vom 15.12.1983, BVerfGE 65, 1. 252 BT-Drs. 11/4306, S. 59.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

ausrichten.253 Im Kern besitzen diese Vorschriften noch heute ihre Gültigkeit. Die so geschaffenen allgemeinen Übermittlungsregelungen ließen jedoch die speziellen Übermittlungsregelungen im G10 unberührt.254 Durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz im Jahre 2002 wurden in das BVerfSchG spezielle Übermittlungsvorschriften eingefügt, die wiederum den allgemeinen Übermittlungstatbeständen der §§ 17 ff. BVerfSchG vorgehen.255 Mit Ausnahme der Regelung zur Übermittlung von Daten aus einer Wohnraumüberwachung256 korrespondieren die neu eingefügten Übermittlungsvorschriften mit den zeitgleich erfolgten Regelungen zur Erhebung der entsprechenden Daten durch das BfV. Die eingefügten Befugniserweiterungen wurden durch das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz im Jahre 2007 teilweise modifiziert und erweitert, ohne dass jedoch die Übermittlungstatbestände eine inhaltliche Änderung erfahren haben.257 Die vorläufig letzte Modifikation ist mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 7. Dezember 2011 erfolgt.258 Die im BVerfSchG geregelten speziellen Übermittlungsvorschriften beziehen sich zum einen auf Daten, deren Erhebung – und damit auch deren Übermittlung – einen Eingriff in die Grundrechte von Art. 10 bzw. Art. 13 GG, also jeweils einen besonders intensiven Grundrechtseingriff darstellt. Darüber hinaus unterliegen mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 7. Dezember 2011 die Übermittlung sämtlicher Daten aus Besonderen Auskunftsansprüchen gem. § 8a Abs. 2 und 2a BVerfSchG einer einheitlichen speziellen Übermittlungsvorschrift auch dann, wenn deren Erhebung und damit deren Übermittlung keinen besonders intensiven Grundrechtseingriff darstellen. Im Einzel253

BT-Drs. 11/4306, S. 62. Vgl. Gröpl, S. 326; König, S. 273. 255 Durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz (Gesetz vom 9.1.2002, BGBl. I S. 361, berichtigt S. 3142) wurden in das BVerfSchG die folgenden Übermittlungsvorschriften eingefügt: § 8 Abs. 9 S. 9, § 9 Abs. 2 S. 7, 10–12, Abs. 4 S. 3 und 5. 256 § 9 Abs. 2 S. 7 BVerfSchG. Die Befugnis zur technischen Wohnraumüberwachung (§ 9 Abs. 2 S. 1 und 2 BVerfSchG) besteht bereits seit der Neufassung des BVerfSchG 1990 und wurde mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 im Jahre 2000 (durch Einfügung eines grundsätzlichen Richtervorbehaltes, § 9 Abs. 2 S. 3 bis 6 BVerfSchG) modifiziert. 257 Einige Übermittlungstatbestände wurden jedoch umgesetzt. Der durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz eingefügte § 8 Abs. 9 S. 9 wurde durch das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (Gesetz vom 5.1.2007, BGBl. I S. 2) zu § 8a Abs. 5 S. 7 BVerfSchG und die durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz eingefügten § 9 Abs. 4 S. 3 und 5 wurden durch das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz zu § 9 Abs. 4 S. 4 und 6 BVerfSchG. Zu den Befugniserweiterungen selbst vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. 258 BGBl. I S. 2576. Nunmehr unterliegt die Verarbeitung sämtlicher Daten aus dem Besonderen Auskunftsverlangen nach § 8a BVerfSchG über § 8b Abs. 2 S. 7 BVerfSchG den Vorgaben aus § 4 G10. 254

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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nen enthält das BVerfSchG hinsichtlich der Übermittlung folgender Daten an Dritte spezielle Regelungen: • Daten, die aufgrund einer technischen Wohnraumüberwachung gem. § 9 Abs. 2 S. 1 und 2 BVerfSchG erlangt worden sind (Übermittlungsregelung: § 9 Abs. 2 S. 7 und 8 BVerfSchG), • Daten, die mittels Einsatzes eines IMSI-Catchers gem. § 9 Abs. 4 S. 1 BVerfSchG erlangt worden sind (Übermittlungsregelung: § 9 Abs. 4 S. 4 und 6 BVerfSchG)259, • Daten, die das BfV kraft Besonderen Auskunftsanspruchs gem. § 8a Abs. 2 und 2a gegenüber Luftfahrtunternehmen, Betreibern von Computerreservierungssystemen und Globalen Distributionssystemen für Flüge, Banken, Bundeszentralamt für Steuern, Telekommunikations- und Teledienstleistern über bestimmte Personen erlangt hat (Übermittlungsregelung: § 8b Abs. 2 S. 7 BVerfSchG)260. Wie bereits erwähnt, erhielt das 1968 in Kraft getretene G10 (1968) von Beginn an eine Regelung261, die die Verwendung – und damit auch die Übermittlung – von Daten durch die Nachrichtendienste an Dritte betraf. Danach konnte das BfV Daten, die es im Rahmen der sog. Individualkontrolle erlangt hatte, (nur) zur Erforschung und Verfolgung solcher Straftaten übermitteln, die entweder eine Individualüberwachung auslösen konnten262 oder im Katalog von § 138 StGB enthalten waren.263 Im Jahre 1992 wurde der Katalog an Übermittlungsanlässen um Straftaten aus dem AWG und KrWaffKontrG erweitert.264 Durch die Ausweitung der Individualüberwachung sowie der strategischen Überwachung durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994265 wurde korrespondierend auch die Zahl der Übermittlungsanlässe erweitert. Zwar hielten die mit der Novelle verbundenen G10-Erweiterungen in ihrer Gesamtheit einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.266 Auch hat das BVerfG in seiner dritten Abhörentscheidung vom 14. Juli 1999 die Ausgestaltung der Übermittlungstatbestände (von Daten aus strategischer Überwachung) moniert.267 Aber die Möglichkeit der 259 Zur Diskussion, ob der IMSI-Catcher-Einsatz einen Eingriff in Art. 10 GG darstellt, vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. b). 260 Die Befugnis zur Erhebung der Daten durch das BfV gegenüber den Dienstleistern selbst (§ 8a Abs. 1 bis 5 BVerfSchG) stellt keine spezielle Übermittlungsvorschrift dar. Die Regelung zur Übermittlung von Daten an das BfV gem. § 18 BVerfSchG richtet sich nicht an Private. 261 § 7 Abs. 3 G10 (1968). 262 § 2 G10 (1968). 263 Vgl. oben Fn. 246. 264 § 7 Abs. 3 S. 2 G10 (1968). Erweitert durch Gesetz vom 28.2.1992, BGBl. I S. 372. 265 Gesetz vom 28.10.1994, BGBl. I S. 3186 (3194). 266 BVerfGE 100, 313. 267 BVerfGE 100, 313.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Übermittlung von G10-Daten an die Strafverfolgungsbehörden als solche wurde nicht in Zweifel gezogen.268 Auch die beiden vorangegangen Entscheidungen des BVerfG zum G10 aus den Jahren 1970269 und 1984270 stellten dies nicht infrage. Allerdings ist hierbei auch anzumerken, dass weder die Entscheidungen noch die diesen zugrunde liegenden Beschwerden die Übermittlung selbst thematisiert haben. Die notwendige Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben aus der dritten Abhörentscheidung nutzte der Gesetzgeber zu einer gänzlichen Überarbeitung und Neufassung des G10, welches am 26. Juni 2001 verkündet worden ist.271 Mit der Neufassung des G10 wurden freilich nicht nur die verfassungsgerichtlichen Vorgaben umgesetzt. Vielmehr nutzte der Gesetzgeber die Neufassung auch zu einer Erweiterung der Befugnisse zur individuellen wie strategischen Kontrolle.272 Damit korrespondierend wurden auch die Übermittlungsbefugnisse erweitert. So verweist z. B. der Übermittlungstatbestand für Daten aus Individualüberwachung (§ 4 Abs. 4 G10) u. a. auf den Erhebungstatbestand zur Individualaufklärung. Insgesamt hat damit das G10 im Hinblick auf die Übermittlung von Daten durch den Verfassungsschutz an die Strafverfolgungsbehörden merkliche Erweiterungen erfahren. Eine gegenwärtig letzte umfangreiche Änderung des G10 geht auf das Erste Gesetz zur Änderung des Artikel 10-Gesetzes vom 31. Juli 2009273 zurück. An dieser Stelle ist hierbei hervorzuheben, dass der BND im Bereich der Individualüberwachung die Befugnis zur Kontrolle von Telekommunikationsanschlüssen, die sich an Bord deutscher Schiffe außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer befinden, erhalten hat.274 III. Übermittlung nach den §§ 17 ff. BVerfSchG Gegenstand der folgenden Ausführungen ist die Übermittlung von nachrichtendienstlichen Informationen nach den §§ 17 bis 26 BVerfSchG. 268 Der Entscheidung des BVerfG insgesamt im Ergebnis zustimmend: Arndt, NJW 2000, 47 ff.; Möstl, DVBl. 1999, 1394 ff. Als nicht weitreichend hingegen stufen die Entscheidung ein: Albrecht, KritV 2000, 273 ff.; Paeffgen, StV 1999, 668 ff.; Staff, KJ 1999, 586 ff.; Zöller, Informationssysteme, S. 364 ff. Ferner setzen sich mit dem Urteil auseinander: Huber, NVwZ 2000, 393 ff.; Müller-Terpitz, Jura 2000, 296 ff.; Schrader, DuD 1999, 650 ff.; Paeffgen/Gärditz, KritV 2000, 65 ff. 269 Urteil vom 15.12.1970, BVerfGE 30, 1. 270 Beschluss vom 20.6.1984, BVerfGE 67, 157. Die Verfassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen. 271 BGBl. I S. 1254 (2298). 272 Einen Überblick über die wesentlichen Inhalte der Neuregelung bietet Huber, NJW 2001, 3296 ff. 273 BGBl. I S. 2499. Zu den Änderungen insgesamt: Huber, NVwZ 2009, 1321 (1323 ff.). 274 § 3 Abs. 1a G10.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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1. Überblick Die in den §§ 17 bis 26 BVerfSchG enthaltenen Übermittlungsvorschriften zwischen BfV und Dritten lassen sich – unter Ausschluss von § 22a BVerfSchG275 – wie folgt systematisieren: Zunächst ist zwischen den speziellen Übermittlungstatbeständen (§§ 17 bis 22 BVerfSchG), die die verschiedenen Übermittlungskonstellationen berücksichtigen, und den für alle Übermittlungstatbestände geltenden allgemeinen Übermittlungsvorschriften (§§ 23 bis 26 BVerfSchG) zu differenzieren. Die in den speziellen Übermittlungstatbeständen berücksichtigten Übermittlungskonstellationen lassen sich folgendermaßen aufschlüsseln: Zunächst kann nach der Transferrichtung der Übermittlung unterschieden werden. Während die §§ 18 und 22 BVerfSchG die Übermittlung von Daten an die Verfassungsschutzbehörden (BfV, LfV) und den Militärischen Abschirmdienst regeln, erfassen die §§ 19 und 20 BVerfSchG die Übermittlung von Informationen durch das BfV und § 21 BVerfSchG die Übermittlung von Informationen durch die LfV. Innerhalb jeder Übermittlungsrichtung wiederum wird zwischen der Spontanübermittlung von Informationen (z. B. §§ 18 Abs. 1, 19, 20 Abs. 1 BVerfSchG) und der Übermittlung auf Ersuchen (z. B. §§ 18 Abs. 3, 20 Abs. 2 BVerfSchG) unterschieden. Für ein Ersuchen sind die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen in § 17 Abs. 1 und 2 BVerfSchG niedergelegt. Zudem ist – hinsichtlich der Spontanübermittlung – danach zu differenzieren, ob eine Verpflichtung zur Datenübermittlung besteht (obligatorischer Datentransfer, z. B. §§ 18 Abs. 1, 20 Abs. 1 BVerfSchG) oder diese in das Ermessen der übermittelnden Behörde gestellt ist (fakultativer Datentransfer, z. B. § 19 BVerfSchG). 2. Spezielle Übermittlungsvorschriften Für die Übermittlung von Informationen durch das BfV an die Strafverfolgungsbehörden sind die in § 19 Abs. 1 und § 20 Abs. 1 BVerfSchG geregelten Übermittlungstatbestände von Relevanz. § 19 Abs. 1 BVerfSchG bildet die Grundregel zum Transfer von personenbezogenen Daten durch das BfV an inländische Behörden.276 § 20 BVerfSchG widmet sich der Übermittlung von Informationen in Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes. a) Obligatorische Übermittlung § 20 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG regelt die Übermittlung von Informationen durch das BfV an die Strafverfolgungsbehörden zur Verfolgung von Staatsschutzdelik275 § 22a BVerfSchG stellt keine allgemeine Übermittlungsvorschrift dar. Zu dieser Regelung vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 2 E. II. 276 Zur Charakterisierung von § 19 Abs. 1 BVerfSchG als Grundregel Zöller, HdbIS, S. 447 (500).

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ten und ist als obligatorische Transfervorschrift ausgestaltet.277 Das BfV ist demnach zur spontanen Übermittlung, d.h. ohne vorheriges Ersuchen durch eine Strafverfolgungsbehörde, von vorhandenen Informationen zur Verfolgung von Staatsschutzdelikten verpflichtet, wenn die Voraussetzungen des Übermittlungstatbestandes und der allgemeinen Übermittlungsvorschriften vorliegen.278 Nach § 20 Abs. 1 BVerfSchG besteht die Übermittlungspflicht gegenüber den Strafverfolgungsbehörden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Nachzugehen ist der Frage, was unter Staatsschutzdelikten zu fassen und wann eine solche Übermittlung erforderlich ist. aa) Staatsschutzdelikte Der in § 20 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG verwandte Begriff der Staatsschutzdelikte wird in § 20 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG definiert. Danach gelten als Staatsschutzdelikte „die in §§ 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten sowie sonstige Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die in Art. 73 Nr. 10 lit. b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind.“ Mit dem Verweis auf §§ 74a und 120 GVG werden zunächst all die Straftaten erfasst, die auch im Strafverfahrensrecht als Staatsschutzdelikte eingestuft werden.279 Sie werden daher als echte Staatsschutzdelikte bezeichnet.280 In Abgrenzung dazu bilden die

277 Neben der Übermittlung zu repressiven Zwecken regelt § 20 Abs. 1 BVerfSchG zugleich die entsprechende Übermittlung der Informationen an die Polizeien zu präventiven Zwecken. Während der Terminus Verhinderung auf die Gefahrenabwehr abstellt, meint Verfolgung die Strafverfolgung; vgl. Zöller, HdbIS, S. 447 (500), König, S. 265. 278 Vgl. Droste, Handbuch, S. 543. Anders – und gegen den Wortlaut – jedoch Haedge, S. 165, und Zöller, HdbIS, S. 447 (500), die dem BfV auch in den Fällen des § 20 Abs. 1 BVerfSchG einen gewissen Ermessensspielraum zugestehen wollen, um eigene Ermittlungen oder Maßnahmen abschließen zu können. – Diese teleologischen Überlegungen werden jedoch bereits von § 23 Nr. 2 BVerfSchG erfasst, der den übermittelnden Behörden einen entsprechenden Beurteilungsspielraum einräumt. Zur Abgrenzung zwischen Ermessen und Beurteilungsspielraum vgl. Knack/Ruffert, VwVfG, § 40 Rn. 22 (Ermessen) einerseits und Rn. 91 (Beurteilungsspielraum) andererseits. 279 Vgl. Volk, § 5 Rn. 13 f. Davon abzugrenzen ist der materiell-rechtlich geprägte Begriff vom (klassischen) Staatsschutzstrafrecht. Unter diesem Begriff werden die in den ersten fünf Abschnitten des StGB (§§ 80 bis 109h) geregelten Straftatbestände gefasst; vgl. Kindhäuser, Vor §§ 80–92b Rn. 1–3. Nicht alle der zum (klassischen) Staatsschutzstrafrecht gehörigen Delikte werden auch von den §§ 74a und 120 GVG erfasst. Namentlich trifft dies für die §§ 86a, 90a Abs. 1 und 2, 103, 104, 106b bis 109a und 109h StGB zu. 280 In Anlehnung an Droste, Handbuch, S. 543. Vernachlässigt werden soll an dieser Stelle die grundsätzlich vorzunehmende Unterscheidung zwischen den Staatsschutzdelikten und den Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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darüber hinaus von § 20 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG erfassten Straftaten die sog. unechten Staatsschutzdelikte. (1) Echte Staatsschutzdelikte Sowohl § 74a GVG als auch § 120 GVG regeln Zuständigkeitsfragen in Strafsachen. Während § 74a GVG die erstinstanzliche Zuständigkeit der beim Landgericht angesiedelten Staatsschutzkammern bestimmt, enthält § 120 GVG die Voraussetzungen für die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte. Sowohl § 74a Abs. 1 GVG als auch § 120 Abs. 1 und 2 GVG enthalten Straftatenkataloge. Aufgeschlüsselt nach dem jeweiligen materiellrechtlichen Regelungsstandort setzen sich die Kataloge aus den folgenden Straftatbeständen zusammen: Strafgesetzbuch • §§ 80, 80a, 81 bis 83, 84 bis 86, 87 bis 90, 90a Abs. 3, 90b, 94 bis 100a, 102, 105, 106, 109d–109g, 129a (auch i.V. m. § 129b), §§ 234a, 241a StGB, • § 129 StGB, auch i.V. m. § 129b Abs. 1 StGB; außer dieselbe Handlung stellt eine Straftat nach dem BtMG dar, • § 138 StGB, wenn die Nichtanzeige eine Straftat betrifft, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehört, • §§ 211, 212 StGB und die in § 129a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 StGB bezeichneten Straftaten, wenn ein Zusammenhang mit der Tätigkeit einer nicht oder nicht nur im Inland bestehenden Vereinigung besteht, deren Zweck oder Tätigkeit die Begehung von Straftaten dieser Art zum Gegenstand hat, • §§ 211, 212, 239b, 306a, 306b, 306c, 307 Abs. 1 und 3 Nr. 1, § 309 Abs. 2 und 4, § 313 Abs. 2 i.V. m. § 308 Abs. 2 und 3, § 314 Abs. 2 i.V. m. § 308 Abs. 2 und 3, § 316c Abs. 1 und 3 StGB, wenn die Tat nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, – den Bestand oder die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, – Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben oder – die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen des Nordatlantik-Pakts oder seiner nichtdeutschen Vertragsstaaten zu beeinträchtigen; Strafrechtliche Nebengesetze • §§ 6 bis 14 VStGB

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

• § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes281, § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes282 i.V. m. § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes, § 4 Abs. 4 des Halbleiterschutzgesetzes283 i.V. m. § 9 Abs. 2 des Gebrauchsmustergesetzes und § 52 Abs. 2 des Patentgesetzes, • § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 VereinsG; außer dieselbe Handlung stellt eine Straftat nach dem BtMG dar, • Straftaten nach dem AWG sowie bei Straftaten nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 und § 20 Abs. 1 KrWaffKontrG, wenn die Tat nach den Umständen – geeignet ist, die äußere Sicherheit oder die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden, oder – bestimmt und geeignet ist, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören. (2) Unechte Staatsschutzdelikte Im Unterschied zu den echten Staatsschutzdelikten werden die unechten Staatsschutzdelikte nicht mittels (externer) enumerativer Straftatkataloge bestimmt. Stattdessen kommt zunächst einmal faktisch jede Straftat in Betracht. Die Qualifizierung als unechtes Staatsschutzdelikt erfolgt gem. § 20 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BVerfSchG erst über die folgenden tatbestandsunabhängigen Merkmale, die allesamt auf die Person des Täters abstellen: • Das Ziel, das der Täter mit der Begehung der Straftat verfolgt, • das der Begehung der Straftat zugrunde liegende Motiv des Täters sowie • die Zugehörigkeit des Täters zu einer – gesetzlich nicht näher bestimmten/präzisierten – Organisation. Wenn aufgrund eines der drei Kriterien tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Straftat gegen die in Art. 73 Nr. 10 lit. b und c GG genannten Schutzgüter gerichtet ist, dann liegt ein unechtes Staatsschutzdelikt vor. Es ist offenkundig, dass der Erfassung der unechten Staatsschutzdelikte gegenüber den echten Staatsschutzdelikten eine Auffangfunktion zukommen soll. Dabei ist jedoch die Klausel so weit ausgestaltet worden, dass sich die Frage, ob ein unechtes Staatsschutzdelikt oder lediglich ein allgemein-kriminelles Delikt vorliegt, in der nachrichtendienstlichen Praxis häufig nicht eindeutig beantworten lassen wird.284 Mit dieser Übermittlungsklausel ist dem Verfassungsschutz ein so weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt worden, den dieser kaum sachgerecht 281 282 283 284

I. d. F. vom 16.12.1980, BGBl. 1981 I S. 1. I. d. F. vom 28.8.1986, BGBl. I S. 1455. I. d. F. vom 22.10.1987, BGBl. I S. 2294. Vgl. Droste, Handbuch, S. 543.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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ausfüllen kann; die Ausgestaltung des § 20 Abs. 1 BVerfSchG als obligatorischer Übermittlungstatbestand wird jedenfalls durch diesen Beurteilungsspielraum erheblich relativiert.285 Zu dieser Feststellung gelangt man bereits vor dem Hintergrund, dass das BfV über das Abstellen auf tatbestandsunabhängige Merkmale darüber zu entscheiden hat, ob die infrage stehende Straftat sich gegen die in Art. 73 Nr. 10 lit. b und c GG gerichteten Schutzgüter richtet, und dass sich der entsprechende Verdacht allein auf tatsächliche Anhaltspunkte gründen muss. Als Beispiele für unechte Staatsschutzdelikte können genannt werden die Schändung jüdischer Friedhöfe (§§ 168, 304, 123 StGB) oder das Besprühen von Wänden mit verfassungswidrigen Kennzeichen (§§ 86a, 303 StGB).286 Nicht gefolgt werden kann der Ansicht von Droste, nach der auch solche Delikte, die allein der Finanzierung extremistischer Gruppierungen dienen, unechte Staatsschutzdelikte darstellen sollen. In Betracht kommen hierbei Schutzgelderpressung, Rauschgifthandel oder Banküberfälle.287 Auch wenn der Täter oder die Organisation, der der Täter zugehörig ist, sich gegen die in Art. 73 Nr. 10 lit. b oder c GG genannten Schutzgüter richtet, so ist die konkret begangene Straftat selbst nicht unmittelbar gegen die entsprechenden Schutzgüter gerichtet. Sieht man dies anders, so wäre jede kriminelle Handlung gegen die in Art. 73 Nr. 10 lit. b oder c GG genannten Schutzgüter gerichtet. Das aber widerspricht der herausgehobenen Bedeutung der genannten Schutzgüter. bb) Erforderlichkeit Eine Übermittlung kann über § 20 Abs. 1 BVerfSchG nur erfolgen, „wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur [. . .] Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist.“ Zu der Frage, wann die Übermittlung erforderlich ist, schweigen die Gesetzesbegründung288 und im Ergebnis auch die ohnehin nur wenigen Kommentierungen zum BVerfSchG.289 Eine Antwort hierauf lässt sich jedoch aus dem allgemeinen Datenschutzrecht entwickeln. So stellt auch nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 BDSG die Erforderlichkeit ein Tatbestandsmerkmal zur Zulässigkeit der Datenübermittlung an öffentliche Stellen dar, und dort hat der Terminus „Erforderlichkeit“ eine hinreichende Kommentierung erfahren:290 Danach ist eine Übermittlung nur 285

Vgl. auch Haedge, S. 165, und Zöller, HdbIS, S. 447 (500). Vgl. Droste, Handbuch, S. 543. 287 So Droste, Handbuch, S. 543. 288 Vgl. BT-Drs. 11/4306, S. 63. 289 Vgl. z. B. Droste, Handbuch, S. 543 ff., sowie Haedge, S. 163 ff. 290 Dieser Rückschluss ist ohne Weiteres möglich. So sind das BDSG und das BVerfSchG im gleichen Artikelgesetz im Jahre 1990 verabschiedet worden und beide Gesetze waren eine Reaktion auf das Volkszählungsurteil vom BVerfG; vgl. BT-Drs. 11/4306, S. 1 und BGBl. I S. 2954. Entsprechend trug das Artikelgesetz auch die Bezeichnung „Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes“. 286

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

dann erforderlich, wenn der Empfänger seine Aufgaben ohne die Datenübermittlung nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten291 bzw. nicht ordnungsgemäß292 erfüllen könnte. Ausgeschlossen werden soll damit vor allem eine Übermittlung allein aus Gründen der Geeignetheit oder Zweckmäßigkeit für eine Aufgabenerfüllung des Empfängers.293 Damit wird deutlich, dass mit dem Grundsatz der Erforderlichkeit nichts grundlegend Neues postuliert wird. Stattdessen bildet er einen bekannten allgemeinen Maßstab des Verwaltungshandelns. Mithin ist aber auch klar, dass das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellt.294 Folglich kann die Frage, wann eine Übermittlung konkret erforderlich ist, nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden.295 Für die Übermittlung von Daten durch das BfV an die Strafverfolgungsbehörden bedeutet dies: Es sind nur solche Daten übermittelbar, die für eine Strafverfolgung auch tatsächlich verwendbar und den Strafverfolgungsbehörden noch nicht bekannt sind.296 Das führt vor dem Hintergrund der Spontanübermittlung insbesondere zu der Konsequenz, dass sich aus dem übermittelten Datenmaterial der strafrechtliche Anfangsverdacht (§ 152 StPO) eines betreffenden Staatsschutzdeliktes ergeben muss. Ermittlungen unterhalb dieser Schwelle stehen der Strafverfolgungsbehörde in ihrer Eigenschaft als Strafverfolgungsorgan nicht zu.297 Die Beurteilung, ob ein strafrechtlicher Anfangsverdacht vorliegt oder nicht, muss der Verfassungsschutz nach den für das Strafverfahren geltenden Maßstäben vornehmen.298 Danach hat er seine Prognoseentscheidung auszurichten. Nicht statthaft ist es also, dass der Verfassungsschutz im Rahmen dieser Prüfung die Anforderungen absenkt, um sich z. B. ein Eindenken in die strafrechtliche Beurteilungsperspektive zu ersparen oder um eine möglichst umfassende Strafverfolgung zu ermöglichen. Denn ein solches Vorgehen würde den Sinn und Zweck der Prüfung der Erforderlichkeit durch den Sender ad absurdum führen. Es soll gerade verhindert werden, dass der Empfänger ein Zuviel an Informationen erlangt.299 Sind 291 So Schaffland/Wiltfang, § 15 Rn. 16; ähnlich Roßnagel/Globig, HdbDatenschutzR, S. 647. 292 So Simitis/Dammann, BDSG, § 15 Rn. 15. 293 Däubler/Wedde, BDSG, § 15 Rn. 5; Roßnagel/Globig, HdbDatenschutzR, S. 648. 294 Vgl. Gola/Schomerus, BDSG, § 13 Rn. 3. 295 Roßnagel/Globig, HdbDatenschutzR, S. 648. 296 Ähnlich Stubenrauch, S. 217 f. Zur Übermittlung aus Gründen der Verifizierung bereits vorhandener Daten vgl. Simitis/Dammann BDSG § 15 Rn. 16. 297 Vgl. hierzu bereits oben Zweiter Teil: Kapitel 2 A. II. KK/Schoreit, StPO, § 152 Rn. 18c, 31. 298 Zum Anfangsverdacht vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 2 A. I. 299 Zu widersprechen ist Griesbaum/Wallenta, NStZ 2013, 369 (374), die eine frühzeitige Informationsübermittlung an die Staatsanwaltschaft zur „Vorklärung von Sachverhalten“ fordern, „wenn tatsächliche Anhaltspunkte für strafbares Verhalten vorliegen,

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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nämlich erst einmal die Informationen übermittelt worden, so lassen sie sich zwar formal wieder löschen. In den Köpfen der beteiligten Beamten bleiben die Informationen aber erhalten.300 An die Bejahung der Erforderlichkeit durch den Verfassungsschutz ist die Strafverfolgungsbehörde allerdings nicht gebunden, vielmehr hat diese nach dem Empfang der Informationen eigenständig zu prüfen, ob sie ein Ermittlungsverfahren eröffnet oder nicht (vgl. § 25 BVerfSchG, §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO). Folglich kann trotz eines Transfers noch immer die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens abgelehnt werden. Jedoch scheint das Gesetz die eben entwickelten Folgerungen aus dem Merkmal der Erforderlichkeit wieder relativieren zu wollen, indem es (lediglich) nach tatsächlichen Anhaltspunkten für die Erforderlichkeit verlangt. In andere Worte gefasst bedeutet dies: Aus nachrichtendienstlicher Sicht müssen hinreichend konkrete Tatsachen für die Möglichkeit vorliegen, dass ein verfolgbares Staatsschutzdelikt begangen worden ist.301 Hierin ist jedoch keine Relativierung der bislang entwickelten Anforderungen zu sehen.302 Denn auch ein strafrechtlicher Anfangsverdacht gem. § 152 Abs. 2 StPO bedingt lediglich, dass „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Keinesfalls ist durch das Abstellen auf die tatsächlichen Anhaltspunkte eine Verdachtsdopplung dergestalt anzunehmen, dass für einen Transfer schon tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten (Anfangsverdacht gem. § 152 StPO) ausreichend sein sollen. Eine solche Lesart lässt zwar der Wortlaut der Norm zu, als dass tatsächliche Anhaltpunktpunkte für die Erforderlichkeit gefordert werden und der strafrechtliche Anfangsverdacht ein Kriterium der Erforderlichkeit ist. Aber mit dem Abstellen auf den „Verdacht eines Verdachts“ würde dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit überhaupt keine Übermittlungsbegrenzungsfunktion zukommen. Damit wäre die ausdrücklich aufgenommene Erforderlichkeitsklausel ihrer Funktion beraubt. Folglich ist diese Lesart aus teleologischen Gründen zu verwerfen.303 Eine Vorverlagerung des Anmögen diese auch noch nicht ,zureichend‘ im Sinne des gesetzlichen Anfangsverdachtes nach § 152II StPO sein“ – sofern sie diese Aussagen auch auf das Verhältnis Nachrichtendienste und Strafverfolgungsbehörde beziehen. 300 Diese Feststellung in Bezug auf die Unzulänglichkeit einer erst nachträglich angeordneten Verwendungssperre von bereits übermittelten Daten bereits treffend: Stellungnahme des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein zum ATDG-E, unter I.3. Zugriffsmöglichkeiten und Datenübermittlung (BR-Drs. 672/ 06), abrufbar unter www.datenschutzzentrum.de/polizei/stellungnahme-antiterrordatei. htm (letzter Abruf am 31.10.2014); dem im dortigen Zusammenhang zustimmend: Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (190). Zur Verpflichtung des Transferempfängers zur Vernichtung nicht erforderlicher Daten vgl. § 25 S. 2 BVerfSchG. 301 Vgl. Zöller, HdbIS, S. 447 (501). 302 Ähnlich wie hier Stubenrauch, S. 218. 303 Dieser Schluss wird auch nicht dadurch relativiert, dass die Übermittlungsvorschrift § 19 Abs. 1 BVerfSchG allein von der Erforderlichkeit der Übermittlung spricht („wenn der Empfänger die Daten [. . .] benötigt“) und auf den Zusatz von tatsächlichen

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

fangsverdachts ist mit dem Einschub der tatsächlichen Anhaltspunkte nicht verbunden. Zu widersprechen ist damit Zöller, der hierin erstens eine Absenkung der Übermittlungsanforderungen erblickt und zweitens – aus seiner Sicht folgerichtig – dieser Absenkung eine spürbare Auswirkung zumisst.304 cc) Zusammenfassung und Stellungnahme Die Bezeichnung „Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes“ bildet einen unbestimmten Rechtsbegriff, der dem BfV einen sehr weiten Beurteilungsspielraum einräumt. Das gilt insbesondere für die unechten Staatsschutzdelikte, bei denen zur Bestimmung über das Vorliegen einer Angelegenheit des Staats- und Verfassungsschutzes nicht auf die Straftat, sondern auf den Täter abgestellt wird. Die in § 20 BVerfSchG erfassten Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes gehen über das hinaus, was im allgemeinen materiellstrafrechtlichen Sinne unter Staats- und Verfassungsschutz verstanden wird. Dessen Kern ist bereits über die echten Staatsschutzdelikte abgedeckt. Dadurch, dass die Übermittlungspflicht auf die in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b und c GG genannten Schutzgüter Bezug nimmt, unterfällt bereits dieser Übermittlungsvorschrift die Übermittlung sämtlicher Straftaten, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem nachrichtendienstlichen Beobachtungsauftrag gem. § 3 Abs. 1 BVerfSchG stehen. Denn die verfassungsrechtliche Kompetenznorm für die Aufgabenbestimmung des BfV bildet eben dieser Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b und c GG.305 Jedenfalls bei den unechten Staatsschutzdelikten wird die Ausgestaltung der Norm als Übermittlungspflicht durch den weiten Beurteilungsspielraum faktisch relativiert. Das Bestehen einer effektiven Übermittlungspflicht ist folglich bereits an dieser Stelle – und damit unabhängig von weiteren Relativierungen durch die allgemeinen Übermittlungsvorschriften306 – zu verneinen. Die Übermittlung ist nur statthaft, wenn die entsprechenden Daten zur Strafverfolgung erforderlich sind. Der Verfassungsschutz muss hierbei eine Prognoseentscheidung aus strafverfahrensrechtlicher Sicht treffen. Eine Spontanübermittlung an die Strafverfolgungsbehörden ist nur statthaft, wenn (zureichende) tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Eine Abstufung der Verdachtsvoraussetzungen, wonach nur noch der Verdacht eines Verdachts vorzuliegen braucht, ist abzulehnen.

Anhaltspunkten verzichtet. Erstens stellt die Übermittlung nach § 19 BVerfSchG eine fakultative Übermittlung durch den Verfassungsschutz dar. Und zweitens ist der von § 19 Abs. 1 BVerfSchG erfasste Empfängerkreis (jede inländische Behörde) deutlich größer als der von § 20 Abs. 1 BVerfSchG (Staatsanwaltschaften und Polizeien). 304 Zöller, HdbIS, S. 447 (501). 305 Vgl. hierzu oben Zweiter Teil: Kapitel 1 A. 306 Vgl. hierzu unten Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 3.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Auch wenn die durch den Anfangsverdacht aufgestellte Hürde als im Ergebnis sehr niedrigschwellig zu charakterisieren ist, stellt der Anfangsverdacht im Ergebnis gleichwohl eine Hürde dar – zumindest im Sinne eines Mehr als Nichts.307 Zur Veranschaulichung soll hier das von Diemer gebildete Beispiel samt Begründung wiedergegeben werden:308 „So liefert z. B. allein das Inbrandsetzen eines Fahrzeugs, zu dem sich bislang unbekannte Täter öffentlich bekennen, ohne Hinzutreten weiterer Tatsachen häufig noch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme, dass es sich bei den Tätern um mindestens 3 Personen handelt, die einen auf gewisse Dauer angelegten organisatorischen Zusammenschluss im Sinne einer terroristischen Vereinigung nach § 129a StGB bilden. Auch das Auftreten einer fundamentalistischen islamistischen Vereinigung begründet für sich gesehen nicht von vorne herein einen Anfangsverdacht für ein Verbrechen nach §§ 129a, 129b StGB. Kriminalistische oder dienstliche Erfahrungen reichen in beiden Fällen dann nicht aus, wenn sie sowohl in die eine als auch in die andere Richtung gehen. So entspricht es auch solchen Erfahrungen, dass Brandanschläge häufig als Einzeltat spontan zusammen getretener Mittäter erfolgen. Über eine islamistische Vereinigung können z. B. Erkenntnisse anfallen, dass diese zwar fundamentalistisch aber grundsätzlich unpolitisch und pietistisch geprägt ist, andererseits aber einzelne ihrer Mitglieder sich zum Jihad bekennen und sich an terroristischen Aktionen anderer extremistischer Vereinigungen beteiligen. [. . .] In solchen Fällen wird von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach den §§ 129a, 129b StGB jedenfalls zunächst abzusehen sein.“

b) Fakultative Übermittlung Im Gegensatz zu § 20 Abs. 1 BVerfSchG ist die Grundregel für den Transfer nachrichtendienstlicher Informationen an Dritte als eine fakultative Spontanübermittlung ausgestaltet. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG darf das BfV personenbezogene Daten an inländische Behörden übermitteln, „wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt“. Ob also bei Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eine Übermittlung auch tatsächlich erfolgt, steht im Ermessen des Verfassungsschutzes. Bevor der Blick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 19 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG gerichtet werden kann, muss geklärt werden, ob diese Generalklausel überhaupt auf den Datentransfer zu Zwecken der Strafverfolgung anwendbar ist. Zwar bereitet der Wortlaut der Norm keine Probleme. So kommen als Datenempfänger grundsätzlich sämtliche inländischen Behörden und damit auch die Straf-

307 308

Vgl. hierzu Diemer, NStZ 2005, 666 (667). Diemer, NStZ 2005, 666 (667).

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

verfolgungsbehörden in Betracht.309 Jedoch stellt sich die systematische Frage, ob durch die Regelung in § 20 Abs. 1 BVerfSchG die Anwendbarkeit der Generalklausel gesperrt ist. Die Antwort würde ja lauten, wenn durch § 20 Abs. 1 BVerfSchG die Übermittlung von personenbezogenen Daten an die Strafverfolgungsbehörden eine abschließende Regelung erfahren hat. Das ist jedoch nicht der Fall.310 Stattdessen bildet § 20 BVerfSchG lediglich in Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes eine Spezialregelung. In diesem Bereich – und das ist das Entscheidende – soll das BfV verpflichtet sein, die Strafverfolgungsbehörden zu informieren. Dass darüber hinaus dem BfV die Befugnis zusteht, fakultativ die Strafverfolgungsbehörden hinsichtlich sonstiger Straftaten zu unterrichten, tangiert den Regelungsgehalt des § 20 Abs. 1 BVerfSchG nicht. Lediglich in Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes wird die fakultative Übermittlung (§ 19 Abs. 1 BVerfSchG) durch eine Verpflichtung zur Übermittlung (§ 20 Abs. 1 BVerfSchG) verdrängt. Diese Lesart wird auch durch die Gesetzgebungsmaterialien bestätigt.311 aa) Übermittlungsanlässe, insbesondere Zweck der öffentlichen Sicherheit § 19 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG enthält drei Konstellationen, die das BfV zur Übermittlung von personenbezogenen Daten befugt: • Der Transfer ist zur Erfüllung der Aufgaben des BfV erforderlich (Var. 1). • Der Empfänger benötigt die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Var. 2). • Der Empfänger benötigt die Daten sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit (Var. 3). Für die Übermittlung zu Zwecken der Strafverfolgung ist allein die dritte Variante von tatsächlicher Relevanz. Die beiden anderen Varianten hingegen können 309 Unter dem Begriff Behörde werden alle Stellen gefasst, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen; § 1 Abs. 4 VwVfG, § 2 Abs. 1 BDSG sowie Droste, Handbuch, S. 524. Zur Kritik hinsichtlich einer fehlenden Einschränkung der Empfängerbehörden vgl. Ostheimer, S. 121. 310 So – im Ergebnis – auch: Droste, Handbuch, S. 519 f.; König, S. 271 f., im Widerspruch zu S. 266; Rose-Stahl, S. 106; Lisken/Denninger/Denninger/Poscher, HdbPolR, B Rn. 119; Ostheimer, S. 121 f.; Soiné, NStZ 2007, 247 (248 Fn. 23). Wie hier Zöller, Informationssysteme, S. 323; anders aber offenbar Zöller, HdbIS, S. 447 (500). Unklar SK/Wohlers, StPO, § 161 Rn. 31, der für die Übermittlung durch das BfV an die Strafverfolgungsbehörde lediglich auf § 20 BVerfSchG verweist und § 19 Abs. 1 BVerfSchG sowie § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10 unerwähnt lässt. 311 So wird dieses Ergebnis durch die Diskussion bestätigt, die zwischen Bundesrat und Bundesregierung zum Entwurf für das BVerfSchG 1990 stattgefunden hat; vgl. BTDrs. 11/4306, S. 63 (Entwurf), S. 86 (Stellungnahme Bundesrat), S. 94 (Gegenäußerung Bundesregierung): § 20 Abs. 1 BVerfSchG sperrt den in § 19 Abs. 1 BVerfSchG geregelten Übermittlungstatbestand nicht.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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ausgeblendet bleiben. Hierfür sprechen folgende Gründe: Die erste Variante stellt auf die Aufgabenerfüllung des BfV ab312, und die Strafverfolgung ist keine Aufgabe des BfV.313 Im Gegensatz dazu stellt die zweite Variante zwar auf die Aufgabenerfüllung des Empfängers ab. Jedoch erfasst sie nur solche Aufgaben, die dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung314 zuzuordnen sind. Diesen Übermittlungsgrund aber erfasst bereits der in § 20 Abs. 1 BVerfSchG geregelte Übermittlungstatbestand, der § 19 BVerfSchG als lex specialis vorgeht.315 So stellt jede Straftatbegehung, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist, zwingend ein (zumindest) unechtes Staatsschutzdelikt dar.316 Nach der dritten Übermittlungsvariante nun darf das BfV personenbezogene Daten an eine andere inländische Behörde übermitteln, wenn diese „die Daten für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt.“ Mit dem dabei verwendeten Terminus der öffentlichen Sicherheit wird auf den polizeirechtlichen Begriff der öffentlichen Sicherheit abgestellt.317 Öffentliche Sicherheit bedeutet demnach auch an dieser Stelle „die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt“.318 Darin eingeschlossen sind sämtliche Rechtsnormen, deren Nichtbeachtung einen Straftatbestand erfüllen.319 Folglich kann das BfV aufgrund von § 19 Abs. 1 BVerfSchG den Strafverfolgungsbehörden hinsichtlich jeder Straftat personenbezogene Daten übermitteln, wenn und weil die Strafverfolgungsbehörden diese Daten zur Strafverfolgung benötigen. bb) Übermittlung von Zufallsfunden Da bereits über § 20 Abs. 1 BVerfSchG die Übermittlung sämtlicher Straftaten, die in einem (unmittelbaren) Zusammenhang mit dem nachrichtendienst312 Kritisch zur Ausgestaltung dieser Übermittlungsvariante Ostheimer, S. 121: Es fehlt sowohl eine Differenzierung, um welche Aufgaben des BfV es sich handelt, als auch eine konkrete Umschreibung der Empfängerbehörden. 313 Vgl. hierzu oben Zweiter Teil: Kapitel 3. 314 Der Schutzbereich bestimmt sich analog zu §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 2 BVerfSchG; vgl. Droste, Handbuch, S. 519; Ostheimer, S. 121 f. 315 Vgl. dem Grundsatz von lex specialis als Auslegungsmethode: Bydlinski, S. 465. 316 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. a) aa) (2). 317 BT-Drs. 11/4306, S. 63; Droste, Handbuch, S. 519; Ostheimer, S. 122; Gröpl, S. 335: bezogen auf die insoweit parallele Übermittlungsvorschrift § 9 Abs. 1 BNDG; offen lassend hingegen Roßnagel/Riegel, HdbDatenschutzR, S. 1504. 318 Lisken/Denninger/Denninger, HdbPolR, D Rn. 16 ff. Damit verhält sich dieser dritte Übermittlungsgrund gegenüber dem zweiten Übermittlungszweck (Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung) als Auffangklausel. 319 Vgl. Gröpl, S. 335.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

lichen Beobachtungsauftrag stehen, erfasst ist, können im Umkehrschluss über § 19 Abs. 1 BVerfSchG letztlich nur noch solche Daten übermittelt werden, die in keinem (unmittelbaren) nachrichtendienstlichen Zusammenhang stehen und damit für den Verfassungsschutz Zufallsfunde darstellen. Solcherart Daten können beim Verfassungsschutz sowohl im Hinblick auf den Betroffenen, also demjenigen der einer nachrichtendienstlichen Beobachtung unterliegt, als auch auf Dritte anfallen. Der Wortlaut von § 19 Abs. 1 BVerfSchG wiederum deckt die Übermittlung von Zufallsfunden ab. Er fordert keinen Bezug zum Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes; ein solcher ist weder hinsichtlich der Straftat selbst noch hinsichtlich der durch die Übermittlung ausgelösten Strafverfolgung erforderlich.320 Die Möglichkeit der Übermittlung von Zufallsfunden kann entgegen Erb auch nicht ohne Weiteres über einen pauschalen und nicht näher begründeten Verweis auf die „rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit“ verneint werden.321 Denn von einer solchen Selbstverständlichkeit gehen weder der Gesetzeswortlaut, die Gesetzessystematik noch (soweit erkennbar) der Gesetzgeber aus.322 Allerdings lässt sich bei der Analyse der einfachgesetzlichen Gesetzeslage die Frage nach der Übermittlung von Zufallsfunden nicht allein aus der Betrachtung der Übermittlungsvorschriften beantworten. Denn die Vorschrift setzt voraus, dass die Daten überhaupt zur Übermittlung rechtmäßig zur Verfügung stehen. So sind mithin auch die Phasen der Datenverarbeitung in den Blick zu nehmen, die der Übermittlung vorausgehen. Zu klären ist also: Inwieweit können Zufallsfunde erhoben und gespeichert werden und inwieweit sind Zufallsfunde zu löschen oder zu sperren.323 Auch diese Phasen der Datenverarbeitung bedürfen einer einfachgesetzlichen Regelung324 und haben eine solche mit dem zweiten Abschnitt des BVerfSchG auch erfahren. 320 Vgl. Droste, Handbuch, S. 519; Ostheimer, S. 122. Zur Zulässigkeit einer „Zwischenspeicherung“ von Daten, die nicht dem Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes unterfallen, zum Zwecke des Datentransfers vgl. Gröpl, S. 336 f. 321 So aber LR/Erb, StPO, § 161 Rn. 82: „Es dürfte eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit sein, dass die Nachrichtendienste ihre ohne Anfangsverdacht in heimlicher Vorgehensweise erlangten Erkenntnisse nicht nach Gutdünken zur Grundlage einer strafrechtlichen Verfolgung beliebiger Delikte machen können, indem sie diese im Interesse der ,öffentlichen Sicherheit‘ an Strafverfolgungsorgane übermitteln.“ 322 Vgl. zum Willen des Gesetzgebers oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. b): Der Gesetzgeber wollte gerade § 19 Abs. BVerfSchG neben § 20 Abs. 1 BVerfSchG anwendbar sein lassen. 323 Zu beachten ist, dass die Erhebung der Daten nach der Gesetzessystematik nicht zur Datenverarbeitung zählt; vgl. Gola/Schomerus, BDSG, § 3 Rn. 24; Simitis/Dammann, BDSG, § 3 Rn. 101; Däubler/Weichert, BDSG, § 3 Rn. 32. 324 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 A. Nicht nur die Übermittlung, sondern auch die Erhebung und Speicherung von personenbezogenen Daten stellen jeweils eigene Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht dar und bedürfen vor dem Hintergrund des Vorbehalts des Gesetzes einer gesetzlichen Regelung.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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(1) Einstufung von Daten als Zufallsfunde Bevor die der Datenübermittlung vorgelagerten Verarbeitungsstufen analysiert werden, ist der Blick noch einmal den Zufallsfunden als solches zu richten. So gilt es, zwischen zwei Arten von Zufallsfunden zu unterscheiden: den relativen und den absoluten Zufallsfunden. Als relative Zufallsfunde sollen die Daten bezeichnet werden, die im Zeitpunkt ihrer Erlangung als nachrichtendienstlich relevant eingestuft worden sind und deren nachrichtendienstliche Irrelevanz sich erst später herausgestellt hat. Zur Veranschaulichung sei das folgende Beispiel gebildet: Der Verfassungsschutz beobachtet eine soziale Bewegung, die gegen die Privatisierung des öffentlichen Raums protestiert. Im Rahmen seiner Beobachtung erfasst das BfV auch, dass die Personen A und B als Mitglieder der Bewegung im Rahmen dieses Protestes Fensterscheiben in einer neu errichteten Einkaufspassage einwerfen. Im Laufe der Beobachtung gelangt der Nachrichtendienst zu der Erkenntnis, dass sich die Bewegung nicht gegen die in Art. 73 Nr. 10 lit. b und c GG genannten Schutzgüter richtet. Entsprechend wird die Beobachtung der Gruppe eingestellt. Das Wissen um die Zerstörung der Fensterscheiben durch A und B stellt für den Verfassungsschutz nunmehr einen relativen Zufallsfund dar. Als absolute Zufallsfunde hingegen sollen solche Daten gekennzeichnet werden, deren nachrichtendienstliche Irrelevanz bereits im Zeitpunkt ihrer Wahrnehmung feststand. Hierzu das folgende Beispiel: Der Verfassungsschutz observiert die Person C mit Ziel, herauszufinden, ob diese an dem Treffen der terroristischen Vereinigung X teilnimmt. Im Rahmen der Observation beobachtet das Observationsteam, dass C beim Herausfahren aus der Parklücke – versehentlich – ein anderes Auto schrammt und, ohne sich um den Schaden zu kümmern, weiterfährt. Der beobachteten Unfallflucht (§ 142 StGB) ist von vornherein keine nachrichtendienstliche Relevanz zuzusprechen. Dieses nachrichtendienstliche Wissen stellt einen absoluten Zufallsfund dar. In der Praxis freilich wird regelmäßig jeder Erkenntnis um die Begehung von Straftaten zunächst eine nachrichtendienstliche Relevanz zugesprochen werden. Hierfür sprechen zwei Gründe: Erstens ist der nachrichtendienstliche Beobachtungsauftrag sehr weit gefasst. Wie bereits bei den unechten Staatsschutzdelikten aufgezeigt, kann faktisch jede Straftat einen Bezug zum nachrichtendienstlichen Beobachtungsauftrag aufweisen. Und zweitens erfolgt die Einstufung, ob der Erkenntnis eine nachrichtendienstliche Relevanz zukommt oder nicht, durch den Verfassungsschutz selbst. Vor dem Hintergrund einer möglichst umfassenden Aufklärung wird der Verfassungsschutz im Zweifel regelmäßig sämtlichen Erkenntnissen – nach dem Motto „Man weiß ja nie.“ – eine nachrichtendienstliche Relevanz zusprechen.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

(2) Erlangung von Zufallsfunden Zunächst müssen die Zufallsfunde rechtmäßig durch den Verfassungsschutz erlangt worden sein. Erheben, d.h. zielgerichtet beschaffen325, darf der Verfassungsschutz nur solche Daten, die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind (vgl. § 8 Abs. 1 BVerfSchG). Da sich bei den relativen Zufallsfunden erst nachträglich die nachrichtendienstliche Irrelevanz herausstellt, ist es möglich, dass diese Daten rechtmäßig erhoben worden sind. Denkbar ist aber auch, dass der Verfassungsschutz bei Gelegenheit einer nachrichtendienstlichen Aufklärung Kenntnis von der Begehung von Straftaten erlangt. Absolute Zufallsfunde hingegen können stets nur bei Gelegenheit einer nachrichtendienstlichen Aufklärung erlangt werden. (3) Speicherung von Zufallsfunden Vor einer Übermittlung nachrichtendienstlich erlangter Daten an Dritte werden die Daten zunächst – regelmäßig326 – gespeichert.327 Als die hierfür notwendigen328 gesetzlichen Regelungen kommen die §§ 8 Abs. 1 und 10 BVerfSchG in Betracht. Sofern die Daten in Dateien329 gespeichert werden sollen, richtet sich die Zulässigkeit nach § 10 BVerfSchG.330 Für die Speicherung der Daten in Akten331 greift – die als Generalklausel ausgestaltete Befugnisnorm – § 8 Abs. 1 325

Vgl. § 3 Abs. 3 BDSG; Gola/Schomerus, BDSG, § 3 Rn. 24. Keiner (Zwischen-)Speicherung bedürfte es z. B., wenn der Observierende die wahrgenommene Straftatbegehung ohne vorherige dienstliche Niederschrift (und damit regelmäßig ohne Rücksprache mit seinem Vorgesetzten) sofort an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt. Solche Konstellationen sind jedoch als fernliegend einzustufen. – Dies insbesondere vor dem Hintergrund der nachrichtendienstlichen Praxis, die, nach Buschfort, S. 117, zwischen den Abteilungen Beschaffung und Auswertung streng differenziert und für die Weitergabe von Erkenntnissen allein die letztere Abteilung zuständig ist. 327 Zum Begriff Speichern vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 A. II. 328 Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 A. I. 329 Zur Begriffsbestimmung ist (nicht auf § 3 Abs. 2 BDSG sondern) auf § 46 Abs. 1 BDSG abzustellen. § 46 Abs. 1 BDSG enthält die Definition des Dateibegriffs, wie sie vor der Novellierung des BDSG 2001 (Gesetz vom 18.5.2001, BGBl. I S. 904) Gültigkeit besaß. Da das BVerfSchG aus dem Jahre 1990 stammt, ist also zur Bestimmung des Dateibegriffs auf § 46 Abs. 1 BDSG abzustellen. Danach ist eine Datei „eine Sammlung personenbezogener Daten, die durch automatisierte Verfahren nach bestimmten Merkmalen ausgewertet werden kann (automatisierte Datei) oder [. . .] jede sonstige Sammlung personenbezogener Daten, die gleichartig aufgebaut ist und nach bestimmten Merkmalen geordnet, umgeordnet und ausgewertet werden kann (nichtautomatisierte Datei).“ 330 Das BfV hält zur Erfüllung seiner Aufgaben eine Vielzahl von Dateien vor; hierzu: Droste, Handbuch, S. 417 ff., 425 ff. 331 Eine Akte ist „jede amtlichen oder dienstlichen Zwecken dienende Unterlage, die nicht dem Dateibegriff [. . .] unterfällt; dazu zählen auch Bild- und Tonträger. Nicht hierunter fallen Vorentwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen“ (§ 46 Abs. 2 BDSG). 326

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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BVerfSchG.332 Nach beiden Rechtsgrundlagen darf das BfV nur die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Daten speichern.333 Daraus folgt: Die relativen Zufallsfunde können regelmäßig gespeichert werden, sofern der Verfassungsschutz im Zeitpunkt der Speicherung (noch) von einer nachrichtendienstlichen Relevanz der Daten ausgeht. Die absoluten Zufallsfunde hingegen können nicht gespeichert werden, denn hier weiß der Verfassungsschutz bereits mit der Erlangung – und damit vor einer potenziellen Speicherung – der Daten um deren nachrichtendienstliche Irrelevanz. Für eine nachrichtendienstliche (Zwischen-)Speicherung von absoluten Zufallsfunden mit der Absicht, diese Daten zwar nicht zu eigenen Zwecken zu verwenden, aber doch den Strafverfolgungsbehörden zugänglich zu machen, fehlt die rechtliche Befugnis. Auch kann die Befugnis nicht aus der Überlegung hergeleitet werden, die Übermittlungsvorschrift (§ 19 Abs. 1 S. 1 Var. 3 BVerfSchG) lasse die Übermittlung absoluter Zufallsfunde an die Strafverfolgungsbehörde zum Zwecke der Strafverfolgung zu. Ein entsprechender von Gröpl für die Übermittlung von Daten durch den BND entwickelter und mit rein praktischen Gesichtspunkten begründeter Ansatz ist zu verwerfen.334 Erstens kann schon vor dem Hintergrund des Vorbehalts des Gesetzes eine Übermittlungsvorschrift eine fehlende Speicherungsbefugnis nicht ohne Weiteres ersetzen und zweitens lässt sich die Zulässigkeit der Übermittlung auch solcher Daten, die nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem nachrichtendienstlichen Beobachtungsauftrag stehen, bereits mit der sonst nicht möglichen Übermittlungsfähigkeit von relativen Zufallsfunden erklären. (4) Löschung und Sperrung von Zufallsfunden Die gespeicherten Daten müssen – auch noch – zum Zeitpunkt der Übermittlung verfügbar sein. Das ist dann nicht der Fall, wenn vor der Übermittlung die 332 Die Generalklausel § 8 Abs. 1 BVerfSchG befugt das BfV zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten. Die Speicherung stellt eine Verarbeitung von Daten dar; vgl. § 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG. 333 Zu der in § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BVerfSchG erfolgten Konkretisierung der Erforderlichkeit vgl. Droste, Organisierte Kriminalität, S. 425 ff. 334 Gröpl, S. 336 f., will mit dem Argument der weiten Übermittlungsbefugnis aus § 9 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BNDG (bzw. § 19 Abs. 1 S. 1 Var. 3 BVerfSchG) eine Ausnahme zu §§ 4 und 5 BNDG (bzw. §§ 8, 10 ff. BVerfSchG) herleiten und nimmt so eine Befugnis zur Speicherung auch solcher Daten an, die nicht zur Erfüllung der nachrichtendienstlichen Aufgaben benötigt werden: „Anderenfalls wären nicht nur die ausdrücklich normierten Übermittlungsbefugnisse sinnwidrig – auch die Aufklärungsarbeit des BND wäre zu einem nicht geringen Teil reiner Selbstzweck, seine Mitarbeiter leisteten nichts Produktives, Millionen an Steuergeldern für den Etat des Dienstes wären nutzlos verschwendet.“

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Daten im Rahmen der durchzuführenden Dateien- bzw. Aktenpflege (§§ 12 und 13 BVerfSchG)335 zu löschen bzw. zu sperren sind. Für die in Dateien gespeicherten Daten ordnet § 12 Abs. 2 BVerfSchG grundsätzlich die Löschung der Daten an, deren Kenntnis für die nachrichtendienstliche Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist.336 Stellt also das BfV fest, dass die gespeicherten Daten für die eigene Aufgabenstellung nicht (mehr) erforderlich sind, muss es die Daten löschen337 mit der Folge, dass die Daten einer weiteren Verarbeitung nicht mehr zur Verfügung stehen. Entsprechendes gilt auch für die in Akten gespeicherten Daten. Nach § 13 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG hat das BfV die Daten zu sperren, wenn „ohne die Sperrung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden und die Daten für seine künftige Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind.“ 338 Zwar sind im Gegensatz zur Löschung von Daten aus Dateien die in den Akten gespeicherten Daten auch nach der Sperrung noch physisch existent.339 Gleichwohl dürfen die gesperrten Daten nicht mehr genutzt oder übermittelt werden (§ 13 Abs. 2 S. 2 BVerfSchG). Für die relativen Zufallsfunde hat die Dateien- und Aktenpflege folgende Konsequenzen: Sofern mit der Feststellung der nachrichtendienstlichen Irrelevanz zugleich die Entscheidung getroffen wird, die Daten an die Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln, steht der Übermittlung die Verpflichtung zur Löschung bzw. zur Sperrung der Daten nicht entgegen, denn bis zu diesem Zeitpunkt war die Übermittlung der Daten noch statthaft. Sollen jedoch erst nach einer erfolgten Sperrung die Daten den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden, steht dem die Sperrung entgegen. Eine Übermittlung ist dann nicht mehr möglich.340

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Zur Dateien- bzw. Datenpflege Droste, Handbuch, S. 425 ff., 443. Nur wenn durch die Löschung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden würden, sind die Daten nicht zu löschen sondern zu sperren und dürfen nur noch mit Einwilligung des Betroffenen übermittelt werden (§ 12 Abs. 2 S. 2, 3 und 4 BVerfSchG). 337 § 3 Abs. 3 Nr. 5: „Löschen ist das Unkenntlichmachen gespeicherter personenbezogener Daten“; vgl. hierzu Simitis/Dammann, BDSG, § 3 Rn. 172 ff. 338 Vgl. hierzu Droste, Handbuch, S. 425 ff., 444 ff. 339 § 3 Abs. 3 Nr. 4 BDSG: „Sperren ist das Kennzeichnen gespeicherter personenbezogener Daten, um ihre Verarbeitung oder Nutzung einzuschränken“; vgl. hierzu Simitis/Dammann, BDSG, § 3 Rn. 164 ff. 340 Die gesperrten Daten dürfen den Strafverfolgungsbehörden auch nicht zur Behebung einer bestehenden Beweisnot i. S. v. § 20 Abs. 7 BDSG zur Verfügung gestellt werden: § 13 BVerfSchG sieht eine solche Ausnahme nicht vor und § 20 Abs. 7 BDSG ist durch speziellere nachrichtendienstliche Regelung nicht anwendbar, § 27 BVerfSchG. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass mit der – begründeten – Anfrage durch die Strafverfolgungsbehörde (§ 161 StPO) zugleich ein Anlass mitgeliefert wird, die Sperrung wieder aufzuheben; vgl. Droste, Handbuch, S. 446. 336

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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(5) Zusammenfassung und Schlussfolgerung Der Wortlaut der Übermittlungsnorm lässt die Übermittlung von absoluten und relativen Zufallsfunden an die Strafverfolgungsbehörden zu, denn § 19 Abs. 1 BVerfSchG verlangt keinen Bezug zu der nachrichtendienstlichen Aufgabenstellung.341 Trotzdem können regelmäßig nur relative Zufallsfunde übermittelt werden, weil für die absoluten Zufallsfunde keine – der Übermittlung vorgelagerte – Befugnis zur Speicherung besteht. In der Praxis dürfte das aber keine wirksame Barriere zur Übermittlung von strafverfahrensrechtlich relevantem Wissen darstellen: Der nachrichtendienstliche Aufgabenkatalog ist weit gefasst und die Einstufung erfolgt durch den Verfassungsschutz selbst, der insoweit von dem Bemühen um eine effektive Aufgabenwahrnehmung geprägt ist. Die mit der bewussten Einstufung der Daten als (relative) Zufallsfunde einhergehende Sperrungs- und Löschungsverpflichtung steht der Übermittlung dann nicht entgegen, wenn diese zeitlich unmittelbar erfolgen soll. Ein Aufbewahren von Zufallsfunden für eine potenziell spätere Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörde ist jedoch nicht möglich. cc) Erforderlichkeit und Zweckbindung des Empfängers Wiederum müssen die zu übermittelnden Daten für die Strafverfolgungsbehörden erforderlich sein. § 19 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG spricht insoweit von Benötigen. Übermittelt werden dürfen also nur solche Daten, die für eine Strafverfolgung auch tatsächlich verwendbar und die den Strafverfolgungsbehörden noch nicht bekannt sind.342 Hinsichtlich der Straftatbegehung muss ein strafrechtlicher Anfangsverdacht gem. § 152 StPO bestehen. § 19 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG enthält – im Gegensatz zu § 20 Abs. 1 BVerfSchG343 – für den Empfänger eine ausdrückliche Zweckbindung. Danach darf der Empfänger „die übermittelten Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihm übermittelt wurden.“ Damit soll ausgeschlossen werden, dass die Daten dem Empfänger zu seiner eigenen Beliebigkeit zur Verfügung stehen.344 341 Überholt ist damit die Auffassung von Salzwedel, S. 756 (792), der aus dem begrenzten Beobachtungsauftrag zugleich die Begrenzung für die Datenübermittlung ableitete und daher folgerte, dass die Daten zur allgemeinen Verbrechensbekämpfung nicht verwendbar seien, sondern stets ein Bezug zur Staatssicherheit notwendig sei. 342 Zum Kriterium der Erforderlichkeit vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. a) bb). Zur Übermittlung aus Gründen der Verifizierung bereits vorhandener Daten vgl. Simitis/Dammann, BDSG, § 15 Rn. 16. 343 Diesen Unterschied heben König, S. 272, und Griesbaum/Wallenta, NStZ 2013, 369 (377), hervor. 344 Vgl. Droste, Handbuch, S. 526 f. Zu den Anforderungen an eine Zwecksetzung durch die Senderbehörde vgl. BVerfGE 100, 313 (389 f., 396 f.).

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Sofern das BfV die Daten den Strafverfolgungsbehörden zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit übermittelt, kommt der Zweckbindung im Rahmen der Strafverfolgung jedoch regelmäßig keine praktische Bedeutung zu. Insbesondere kann der Verfassungsschutz die Daten nicht auf die Verfolgung von bestimmten Straftatbeständen oder Straftatkomplexen begrenzen. Dem Verfassungsschutz fehlt hierfür die entsprechende Kompetenz.345 Vielmehr trifft die Strafverfolgungsbehörde eine eigenständige Aufklärungspflicht gem. § 158 StPO. Die Strafverfolgungsbehörde bewertet die strafrechtliche Relevanz des übermittelten Datenmaterials eigenständig. Wenn also in der Praxis die Nachrichtendienste „die Zweckbestimmung durch eine möglichst konkrete Angabe des Betreffs im Übermittlungsschreiben unter Nennung der möglicherweise verletzten Strafvorschrift“ vornehmen346, kommt dem keine Bindungswirkung für die Strafverfolgungsbehörden zu. Stattdessen erlangt die Zweckbindung erst dann Relevanz, wenn die Daten jenseits der Strafverfolgung (z. B. zum Zwecke der Gefahrenabwehr) genutzt werden sollen. Eine Konstellation, die hier keine Rolle spielt. c) Schlussfolgerung Die Übermittlungstatbestände von § 19 Abs. 1 und § 20 Abs. 1 BVerfSchG regeln die Spontanübermittlung und gewähren hierbei dem BfV eine umfassende Übermittlungsbefugnis. Das Wissen um faktisch jede Straftat, die das BfV im Rahmen seiner Beobachtung erfasst, kann im Grundsatz übermittelt werden. Eine zumindest theoretische Grenze besteht nur hinsichtlich solcher Straftaten, die bereits im Moment ihrer nachrichtendienstlichen Erfassung keinen Bezug zum nachrichtendienstlichen Beobachtungsauftrag aufweisen (sog. absolute Zufallsfunde). Beide Übermittlungsvorschriften verlangen für die Übermittlung, dass die Daten für den Empfänger erforderlich sein müssen. Praktische Konsequenz dieser Forderung ist, dass ein strafrechtlicher Anfangsverdacht i. S. v. § 152 StPO vorliegen muss. Der Nachrichtendienst muss hierzu eine Prognose nach strafverfahrensrechtlichen Maßstäben treffen. Rein nachrichtendienstlich relevante Vorfelddaten können folglich nicht übermittelt werden. Der vom Gesetz angelegten Differenzierung zwischen fakultativer und obligatorischer Spontanübermittlung kommt aufgrund des extrem weiten Beurteilungs345 Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der Gesetzgeber die Verwendung der Daten auf bestimmte Straftatbestände festlegt. Eine solche Konstellation stellt die Zweckbindung in § 4 Abs. 4 Nr. 2 und § 4 Abs. 6 S. 1 G10 dar; hierzu unten Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. 346 So laut BT-Drs. 15/2042, S. 6 (Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit dem Gesetz zur Neuregelung von Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses) die entsprechende Praxis bei der Datenübermittlung nach dem G10. Zur Übermittlung nach G10 speziell vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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spielraums bezüglich der Übermittlungsverpflichtung faktisch keine Bedeutung zu. Angesichts der Weite an Übermittlungsmöglichkeiten erscheint die in der Literatur zu findende Forderung, dass „die nachrichtendienstlichen Befugnisse zur Informationserhebung [. . .] nicht zur gezielten Erlangung von ,Zufallsfunden‘ für nicht-nachrichtendienstliche Zwecke missbraucht werden“ dürfen347, zwar verständlich. Doch liegt das Problem nicht in einem möglichen Missbrauch (was eine Regelwidrigkeit indiziert), sondern – berücksichtigt man die Weite der nachrichtendienstlichen Aufgabenstellung – vordergründig in der Existenz einer Übermittlungsnorm, die hinsichtlich der Transferdaten keinen Zusammenhang zur nachrichtendienstlichen Tätigkeit fordert.348 3. Allgemeine Übermittlungsvorschriften Bislang wurden die speziellen Übermittlungsvorschriften (§ 19 Abs. 1 und § 20 Abs. 1 BVerfSchG) mit den dortig geregelten spezifischen Übermittlungsvoraussetzungen analysiert. Doch sind damit die Anforderungen, die das BVerfSchG an eine Übermittlung stellt, noch nicht abschließend erfasst worden. So enthalten die §§ 23 bis 26 BVerfSchG Übermittlungsvorschriften, die ebenfalls zu berücksichtigen sind. Sie gelten sowohl für eine obligatorische Übermittlung nach § 20 Abs. 1 BVerfSchG als auch für eine fakultative Übermittlung nach § 19 Abs. 1 BVerfSchG. Sie stellen so betrachtet allgemeine Übermittlungsvorschriften dar. Im Folgenden ist zu analysieren, inwieweit diese Vorschriften die eben entwickelten obligatorischen und fakultativen Datenübermittlungen beeinflussen i. S. v. beschränken. Von besonderer Relevanz scheinen hierbei die Regelungen in § 23 BVerfSchG zu sein, spricht das Gesetz doch dort ausdrücklich von „Übermittlungsverbote[n]“. a) Übermittlungsverbote nach § 23 BVerfSchG § 23 BVerfSchG bestimmt drei Konstellationen, nach denen eine Übermittlung zu unterbleiben hat: • Die Interessen des Betroffenen überwiegen das Allgemeininteresse (§ 23 Nr. 1 BVerfSchG), • überwiegende Sicherheitsinteressen (§ 23 Nr. 2 BVerfSchG) oder • entgegenstehende besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen (§ 23 Nr. 3 BVerfSchG). 347 Zöller, Informationssysteme, S. 325. Ferner auch Schoen/Frisch, Zivilschutz, S. 110. 348 Kritisch zu § 19 Abs. 1 S. 1 Var. 3 auch Ostheimer, S. 121.

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aa) Überwiegendes Individualinteresse Nach § 23 Nr. 1 BVerfSchG besteht ein Übermittlungsverbot, wenn für die „übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen“. Mit der hierbei durchzuführenden Güterabwägung will der Gesetzgeber „vor allem die Sensibilität der betreffenden Informationen“ sowie die mit der Informationserhebung „verbundene Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen“ berücksichtigt wissen.349 Für die Übermittlung von – jedenfalls rechtmäßig erhobenen350 – nachrichtendienstlichen Daten an die Strafverfolgungsbehörden wird dieser Übermittlungsschranke regelmäßig keine Relevanz zukommen. So kann bereits im Allgemeinen die Praktikabilität und damit auch die Wirksamkeit dieser Verbotsvorschrift bezweifelt werden. So wird regelmäßig der Übermittlungsbehörde das für diese Güterabwägung notwendige Wissen fehlen, denn zu bewerten ist die Verwendung der Daten im Aufgabenbereich des Empfängers.351 Ein Unterlassen der Datenübermittlung aufgrund dieser Verbotsvorschrift ist von daher wohl nur bei einem offensichtlichen Missverhältnis hinsichtlich der geplanten Drittverwendung zu erwarten.352 Zudem muss – speziell im Hinblick auf die Übermittlung von nachrichtendienstlichen Informationen an die Strafverfolgungsbehörden – die Praxisrelevanz der Vorschrift aufgrund der folgenden drei Überlegungen bezweifelt werden: Erstens weist das Verfassungsrecht – abgeleitet aus dem Rechtsstaatsprinzip – der Strafverfolgung eine hohe Bedeutung zu. Wiederholt hat das BVerfG die wirksame Strafverfolgung als ein unabweisbares Bedürfnis hervorgehoben.353 Das Allgemeininteresse an der Übermittlung ist demzufolge stets als hoch einzustufen. Zweitens verlangen bereits die Übermittlungstatbestände (§§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 BVerfSchG) über das Kriterium der Erforderlichkeit das Vorliegen eines strafrechtlichen Anfangsverdachts. Bereits damit ist die Übermittlung von – aus nachrichtendienstlicher Sicht – nur vagen, unsicheren Informationen ausgeschlossen.354 Drittens bestehen für die Übermittlung von Daten, 349

BT-Drs. 11/4306, S. 64. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf die Übermittlung von rechtmäßig erhobenen Daten. Von daher ist auf die Frage, inwieweit die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung die Abwägung beeinflusst, nicht einzugehen. Somit fällt auch der Kernbereich privater Lebensgestaltung als Anwendungsbeispiel für § 23 Nr. 1 BVerfSchG aus (einen solchen diskutiert Zöller, HdbIS, S. 447 [488]). Denn bereits die Erhebung solcher Daten ist rechtswidrig, vgl. BVerfGE 109, 279 (328 ff.). 351 Vgl. Zöller, HdbIS, S. 447 (488), der zugleich die kompetenzrechtliche Frage anspricht, inwieweit die übermittelnde Stelle überhaupt Abwägungen vornehmen kann, die eigentlich dem Zuständigkeitsbereich des Datenempfängers unterliegen. 352 Vgl. Zöller, HdbIS, S. 447 (488). 353 Vgl. BVerfGE 77, 65 (76); 80, 367 (375); 100, 313 (389). 350

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die mittels besonders grundrechtsintensiver nachrichtendienstlicher Mittel erlangt worden sind, besondere Übermittlungstatbestände (§ 4 G10, § 8b Abs. 2, § 9 Abs. 2 und 4 BVerfSchG).355 bb) Überwiegende Sicherheitsinteressen Nach § 23 Nr. 2 BVerfSchG hat die Übermittlung zu unterbleiben, „wenn überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern“. Diese Sperrvorschrift ermöglicht dem BfV die Berücksichtigung eigener Interessen. In der Praxis wird diese Vorschrift regelmäßig in den Fällen der obligatorischen Datenübermittlung durch den Verfassungsschutz an Dritte (§ 20 BVerfSchG) zur Anwendung kommen.356 In den Fällen der fakultativen Informationsübermittlung (§ 19 BVerfSchG) hingegen werden die nachrichtendienstlichen Interessen bereits regelmäßig im zugestandenen Ermessen des Übermittlungstatbestandes selbst Berücksichtigung finden.357 Problematisch an § 23 Nr. 2 BVerfSchG ist ihre Unbestimmtheit. Weder aus der Vorschrift noch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, was unter Sicherheitsinteressen zu verstehen ist.358 Die nachrichtendienstliche Praxis fasst diesen Begriff (wenig überraschend) weit. So werden die – wiederum weit fassbaren – Bereiche Quellenschutz, Schutz operativer Maßnahmen sowie sonstige Gründe der Geheimhaltung als Sicherheitsinteressen angesehen.359 Legt man ein solch weites Begriffsverständnis zugrunde, dann können u. a. die folgenden Gründe einer Übermittlung entgegenstehen: eine Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit der für den Verfassungsschutz arbeitenden Personen (Quellenschutz/Schutz von Nachrichtenzugängen), das Interesse an einer ungestörten weiteren Durchführung nachrichtendienstlicher Ermittlungen (Schutz operativer Maßnahmen) sowie die künftige Arbeitsfähigkeit des Nachrichtendienstes als solches (sonstige Geheimhaltungsgründe).360 354 Zum grundsätzlichen Greifen von § 23 Nr. 1 BVerfSchG in solchen Konstellationen vgl. Droste, Handbuch, S. 553. 355 Vgl. zu diesen unten Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. Dritter Teil: Kapitel 2 B. V. 356 Vgl. Droste, Handbuch, S. 554. 357 Vgl. Droste, Handbuch, S. 554. 358 So findet sich in der einschlägigen Drucksache (BT-Drs. 11/4306, S. 64) zu § 23 Nr. 2 keine erläuternden Ausführungen. Kritisch gegenüber dieser Unbestimmtheit auch Zöller, HdbIS, S. 447 (488). 359 Droste, Handbuch, S. 554; Griesbaum/Wallenta, NStZ 2013, 369 (377). Zum Schutz von Nachrichtenzugängen: Soiné, NStZ 2007, 247 (248). 360 Im Wesentlichen korrespondiert das Kriterium Sicherheitsinteresse mit dem sonst gebräuchlichen Kriterium des Staatswohles, welches einer behördenübergreifenden Übermittlung von Informationen – im Rahmen der Amtshilfe – entgegenstehen kann (vgl. §§ 54, 96 StPO i.V. m. § 68 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes vom 5.2.2009, BGBl. I S. 160; § 5 VwVfG). Auch der Begriff des Staatswohles wird extensiv verstanden; vgl. BVerfGE 57, 250 (284 f.); LR/Schäfer, StPO, (25. A.), § 96 Rn. 55 ff. Insbe-

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Wann freilich das (durchaus weit zu fassende) Sicherheitsinteresse gegenüber der Übermittlungspflicht überwiegt, kann nur anhand des konkreten Einzelfalls – und dessen Einbindung in die nachrichtendienstliche Tätigkeitsstruktur – im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden. Dementsprechend kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass selbst der Übermittlung von Informationen, in deren Zusammenhang bislang von den Strafverfolgungsbehörden als Beschuldigte eingestufte Personen zu entlasten wären, überwiegende Sicherheitsinteressen entgegenstehen.361 Letztlich steht hier dem BfV bei der Anwendung des Übermittlungsverbots ein weiter (und faktisch nicht zu kontrollierender) Beurteilungsspielraum zu.362 cc) Entgegenstehende Übermittlungsregelungen Nach § 23 Nr. 3 BVerfSchG hat die Übermittlung zu unterbleiben, wenn „besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen“. Dieser Vorschrift kommt aufgrund des ohnehin geltenden allgemeinen Rechtssatzes „lex specialis derogat legi generali“ eine rein deklaratorische Bedeutung zu.363 Für den Transfer von Informationen seitens des BfV an die Strafverfolgungsbehörden bestehen im nachrichtendienstrechtlichen Binnenbereich mit § 4 G10 sowie mit § 8b Abs. 2, § 9 Abs. 2 und 4 BVerfSchG spezielle Übermittlungsvorschriften.364 Der Regelungsgehalt dieser – speziellen – Vorschriften kann nicht durch einen Rückgriff auf die allgemeinen Übermittlungsregelungen der §§ 17 ff. BVerfSchG umgangen werden.365 sondere wurde – mit der Einfügung der speziellen Regelung in § 110b Abs. 3 StPO für Verdeckte Ermittler – über das Staatswohl nicht nur die Gefährdung von Leben, Leib oder Freiheit der verdeckt operierenden Person sondern auch die Gefahr ihrer möglichen zukünftigen Verwendung generell mit erfasst; vgl. LR/Schäfer, StPO, (25. A.), § 96 Rn. 64 und § 110b Rn. 19; BT-Drs. 12/989, S. 42. Aufgrund der neueren Rechtsprechung (BVerfGE 109, 279 [366]) und der daraus resultierenden Gesetzgebung (§ 101 Abs. 5 StPO, BT-Drs. 16/5846, S. 60) wird jedoch bezweifelt, ob der speziellen Regelung für Verdeckte Ermittler in § 110b Abs. 3 StPO noch eine allgemeine Bedeutung für sämtliche verdeckt ermittelnden Personen zukommen kann; vgl. KK/Nack, StPO, § 110b Rn. 17. Es ist also wiederum fraglich, ob die künftige Verwendungsmöglichkeit von geheimen Mitarbeitern, die nicht Verdeckte Ermittler sind, von dem Terminus Staatswohl erfasst wird. Von daher könnte der Übermittlungssperre § 23 Nr. 2 BVerfSchG eine größere Abdeckungsbreite als dem über das Staatswohl erfassten Sicherheitsinteressen zukommen. Eine inhaltliche Identität zwischen Staatswohl und Sicherheitsinteressen ist gerade wegen der abweichenden Begriffswahl in § 23 Nr. 2 BVerfSchG nicht zu unterstellen. 361 Vorsichtiger formulierend: Zöller, HdbIS. S. 447 (489). 362 Kritisch ebenfalls Zöller, Informationssysteme, S. 324, und Zöller, HdbIS. S. 447 (488 f.). 363 Vgl. BT-Drs. 11/4306, S. 64; Zöller, HdbIS, S. 447 (489). 364 Vgl. hierzu unten Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. und Dritter Teil: Kapitel 2 B. V. 365 Beachte: § 161 StPO stellt als Auskunftsanspruch der Strafverfolgungsbehörde gegenüber dem Nachrichtendienst keine spezielle Übermittlungsvorschrift i. S. v. § 23

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dd) Zusammenfassung Die Analyse der Übermittlungsverbote ergibt im Hinblick auf die Frage nach einer notwendigen Relativierung der bereits ausgearbeiteten Übermittlungsszenarien ein zweigeteiltes Bild. Soweit es die fakultative Übermittlung betrifft, erfolgt über die Übermittlungsverbote praktisch keine Korrektur. Wenn der Verfassungsschutz personenbezogene Daten an die Strafverfolgungsbehörden übermitteln möchte und die Voraussetzungen von § 19 Abs. 1 BVerfSchG gegeben sind, wird dieser Wunsch auch nicht über den insoweit einschlägigen § 23 Nr. 1 BVerfSchG unterbunden. Ein anderes Bild ergibt sich hingegen bei Betrachtung der obligatorischen Übermittlung. Sofern der Verfassungsschutz nach § 20 Abs. 1 BVerfSchG zur Übermittlung verpflichtet ist, steht ihm mit § 23 Nr. 2 BVerfSchG und dem darin enthaltenen Kriterium des überwiegenden Sicherheitsinteresses ein letztlich kaum überprüfbarer Spielraum zur Verfügung, um von ungewünschten Übermittlungen doch noch absehen zu können.366 § 23 Nr. 3 BVerfSchG wiederum kommt keine eigenständige Bedeutung zu. b) Sonstige ausdrückliche Übermittlungsvorschriften Im Folgenden sollen noch die weiteren Übermittlungsvorschriften vorgestellt und wiederum dahingehend überprüft werden, inwieweit sie den Übermittlungstransfer an die Strafverfolgungsbehörden unterbinden können. Eine tatsächliche Übermittlungssperre stellt § 24 Abs. 1 BVerfSchG (mit seinem Verweis auf § 11 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG) auf. Denn danach darf das BfV Informationen über das Verhalten von Personen unter 16 Jahren nur dann an die Strafverfolgungsbehörden übermitteln, wenn dies zur Verfolgung einer der in § 3 Abs. 1 G10 genannten Straftat oder einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist.367 Allerdings wird damit nur ein relativer Schutz gewährt, was den Zweck des Minderjährigenschutzes, der in der Verhinderung des Mitführens von „Jugendsünden“ zu sehen ist368, durchaus infrage stellen kann.369 Für die Kritik Nr. 3 BVerfSchG dar. So erfasst § 19 Abs. 1 BVerfSchG gerade nicht die Konstellation des Ersuchens und der damit verbundenen Verpflichtung zur Auskunftserteilung; zum Auskunftsersuchen vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 2 C. I. 2. 366 Sofern überhaupt einmal aus § 20 Abs. 1 BVerfSchG heraus eine tatsächliche Übermittlungspflicht anzunehmen ist; zur Kritik an der Ausgestaltung von § 20 Abs. 1 BVerfSchG vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. a) cc). 367 Dass trotz der insoweit irreführenden Paragrafenbezeichnung ,Minderjährigenschutz‘ lediglich die bis zu 16-jährigen erfasst sind, ergibt sich aus der Zusammenschau von § 24 mit § 11 BVerfSchG, auf den verwiesen wird. 368 Droste, Handbuch, S. 450: Es soll die Tatsache Berücksichtigung finden, dass junge Menschen unter 16 Jahren „noch nicht über deutlich ausgeprägte politische Vorstellungen verfügen.“ 369 Neben den genannten Punkten kann zudem die Altergrenze hinterfragt werden. Können sich nicht auch 18- oder 21-jährige in noch vergleichbaren Experimentierphasen

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lassen sich zwei Punkte anführen: Erstens darf stets übermittelt werden, wenn es um eine der in § 3 Abs. 1 G10 genannten Straftaten geht. Von diesem Katalog sind aber nicht nur Fälle der Schwerkriminalität, sondern auch solche der mittleren Kriminalität erfasst.370 Beispielhaft kann hierzu auf den von § 3 Abs. 1 G10 miterfassten Straftatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 StGB verwiesen werden, der in bestimmten Tatvarianten eine Freiheitsstrafe von „nur“ maximal drei Jahren vorsieht. Zweitens darf – wie ausgeführt – unabhängig von einem Straftatkatalog stets übermittelt werden, wenn dies zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Wann aber eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegen soll, lässt das Gesetz unbeantwortet. Es kann hierfür auch auf keine gesicherte Begriffsbestimmung zurückgegriffen werden, wie bereits ein Blick auf die gegenwärtige Strafrechtswissenschaft zeigt. Denn auch die StPO kennt den Terminus und müht sich noch immer um eine abschließende Definition.371 Im Ergebnis ist daher entgegen des eigentlichen Zwecks von § 24 BVerfSchG ein umfangreicher Informationstransfer auch bezüglich Minderjähriger nicht auszuschließen. § 25 BVerfSchG richtet sich an den Übermittlungsempfänger und verpflichtet diesen zu prüfen, ob die ihm „übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind.“ Wenn dies nicht der Fall ist, so sind die Unterlagen regelmäßig zu vernichten oder zumindest zu sperren.372 Mit dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber vor allem ein Regulativ für die Spontanübermittlung schaffen.373 Der im Rahmen der Gesetzgebung vom Bundesrat geäußerte Vorschlag, vor dem Hintergrund von § 163 Abs. 2 StPO die Strafverfolgungsbehörden von dieser Pflicht auszunehmen374, setzte sich nicht durch.375 Herauszuheben ist, dass § 25 BVerfSchG die Übermittlung der Daten selbst gar nicht erfasst. Vielmehr fordert die Norm den Empfänger auf, sich bei fehlender Erforderlichkeit wieder unwissend zu stellen. Solange der Verfassungsschutz bei

befinden? Eine Parallelwertung zum Jugendstrafrecht schließt eine solche Wertung jedenfalls nicht aus. Optional ist das Jugendstrafrecht auf Personen bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres anwendbar; vgl. §§ 105, 3, 1 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz i. d. F. vom 11.12.1974, BGBl. I S. 3427. 370 Zum Katalog vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. 1. b) aa) und bb). 371 Vgl. z. B. Meyer-Goßner, StPO, § 98a Rn. 5: „wann von ,erheblicher Bedeutung‘ gesprochen werden kann, lässt sich allgemein nur schwer bestimmen [. . .] und ob dieses Merkmal erfüllt ist, ergibt sich vielfach erst im Laufe der Ermittlungen“. 372 Zu der Frage, inwieweit auch die Rechtmäßigkeit von Datenerhebung, -vorhaltung oder -übermittlung im Rahmen von § 25 BVerfSchG durch den Empfänger zu überprüfen sind, vgl. Droste, Handbuch, S. 556. 373 Vgl. BT-Drs. 11/4306, S. 64. 374 BT-Drs. 11/4306, S. 87. 375 Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag im Hinblick auf mögliche Spontanübermittlungen ab; BT-Drs. 11/4306, S. 95.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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der Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden seinerseits rechtmäßig gehandelt hat, kommt dieser Vorschrift praktisch keine Bedeutung zu.376 Im Gegensatz zu § 25 richtet sich § 26 BVerfSchG zwar wieder an den Datenübermittler. Jedoch führt auch diese Vorschrift nicht zu einer Unterbindung von Informationsübermittlungen. Vielmehr wird hier der Datenübermittler aufgefordert, weitere Informationen zu übermitteln. So hat der Sender gegenüber dem Empfänger die übermittelten personenbezogenen Daten grundsätzlich zu berichtigen, wenn sich diese nachträglich als unvollständig oder unrichtig erweisen.377 c) Zusammenfassung und Schlussfolgerung Von den allgemeinen Übermittlungsvorschriften stellen letztlich allein der Minderjährigenschutz (§ 24 BVerfSchG) und das Kriterium der überwiegenden Sicherheitsinteressen (§ 23 Nr. 2 BVerfSchG) Grenzen gegenüber den speziellen Übermittlungstatbeständen dar. Die sonstigen Vorschriften beeinflussen die Übermittlungen an die Strafverfolgungsbehörden jedenfalls in praktischer Hinsicht nicht. Die Bedeutung der beiden überhaupt relevanten Übermittlungsbegrenzungen fällt unterschiedlich aus. So ist zum einen (bei absoluter Betrachtung) dem § 24 BVerfSchG nur wenig Bedeutung zuzumessen, da er allein Personen bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres erfasst und nur die Übermittlung von Straftaten der leichten Kriminalität ohne Politikbezug zwingend ausschließt. Eine zumindest potenziell hohe Bedeutung ist hingegen § 23 Nr. 2 BVerfSchG zuzumessen. Hierüber ist es dem Verfassungsschutz trotz einer an sich bestehenden Pflicht möglich, von der Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden abzusehen, wenn und weil überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern. So einleuchtend zunächst das Kriterium der staatlichen Sicherheit sein mag, durch die konkrete faktisch nicht fassbare Ausgestaltung besteht die Gefahr, dass die an sich vom Gesetzgeber gewollte obligatorische Informationsübermittlung aufgehoben wird und der Verfassungsschutz nur dann Daten übermittelt, wenn er es für opportun hält.

376 Die praktische Wirksamkeit der Vorschrift insgesamt kann mit Zöller, HdbIS, S. 447 (489), durchaus bezweifelt werden, weil der Empfänger selbst – und keine unabhängige externe Stelle – die Prüfung vornimmt. 377 Der Gesetzgeber (BT-Drs. 11/4306, S. 64) sieht in der gesetzlichen Fixierung der Nachberichtspflicht eine Bestätigung der bereits schon praktizierten Verwaltungspraxis des BfV. Ostheimer, S. 135 hingegen weist auf eine gegenteilige Verfahrenspraxis hin. Eine Pflicht zum Nachbericht ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der Folgenbeseitigung; vgl. Riegel, Datenschutz, S. 164. Zöller, HdbIS, S. 447 (490), bezweifelt die praktische Effizienz der Nachberichtspflicht wie sie in § 26 BVerfSchG ausgestaltet worden ist und mahnt eine externe Kontrolle an. Zur Nachberichtspflicht vgl. auch § 20 Abs. 8 BDSG; hierzu Simitis/Mallmann, BDSG, § 20 Rn. 91 ff.

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4. Fazit Erlangt der Verfassungsschutz im Rahmen seiner Aufklärungstätigkeit von strafbaren Handlungen Kenntnis, kann er diese regelmäßig in vollem Umfang an die Strafverfolgungsbehörden weitergeben, sofern – nach seiner Prognose – ein strafrechtlicher Anfangsverdacht besteht. Jedenfalls im Übermittlungszeitpunkt muss ein Bezug zum – ohnehin weiten – nachrichtendienstlichen Beobachtungsauftrag nicht (mehr) bestehen. Die – im Grundsatz bestehende – Übermittlungspflicht des Verfassungsschutzes gegenüber den Strafverfolgungsbehörden bei Staatsschutzdelikten (§ 20 Abs. 1 BVerfSchG) wird durch das Übermittlungsverbot bei überwiegenden Sicherheitsinteressen (§ 23 Nr. 2 BVerfSchG) weitgehend geschleift. In praktischer Hinsicht kann somit der Verfassungsschutz selbst entscheiden, ob er die an sich zu übermittelnden Daten übermittelt oder nicht. IV. Übermittlung von Daten aus G10-Überwachung Nach § 4 Abs. 4 G10 dürfen die personenbezogenen Daten, die im Rahmen einer Individualkontrolle der Telekommunikation und des Brief- und Postverkehrs gem. § 3 G10 durch die Nachrichtendienste erhoben worden sind, zu den folgenden drei Zwecken übermittelt werden: • Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten (§ 4 Abs. 4 Nr. 1 G10), • Verfolgung von Straftaten (§ 4 Abs. 4 Nr. 2 G10), • Vorbereitung und Durchführung eines Parteiverbots- oder eines Vereinsverbotsverfahrens (§ 4 Abs. 4 Nr. 3 G10). Da der Gesetzgeber mit § 4 Abs. 4 Nr. 1 G10 trotz der darin enthaltenen Formulierung zur „Aufklärung von Straftaten“ ausschließlich den Bereich der Gefahrenabwehr erfassen will378, ist für die Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden allein § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10 maßgebend. Somit sind die darin aufgestellten Voraussetzungen zu analysieren. Zudem sind (wiederum) die für sämtliche spezielle Übermittlungszwecke geltenden allgemeinen Übermittlungsvorschriften im G10 daraufhin zu prüfen, inwieweit diese die Datenübermittlung begrenzen. 1. Die Verfolgung von Straftaten als Übermittlungsanlass Für die Beantwortung der Frage, wann der Verfassungsschutz Daten zum Zwecke der Strafverfolgung übermitteln darf, bedient sich der Gesetzgeber einer komplexen Verweisungstechnik. Den Ausgangspunkt hierfür bildet wie bereits 378

Vgl. BT-Drs. 14/5655, S. 21.

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ausgeführt § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10. Danach darf der Verfassungsschutz Daten nur übermitteln, „wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand eine in Nummer 1 bezeichnete Straftat begeht oder begangen hat.“ Hinsichtlich der Bestimmung der Straftaten wird damit auf den Tatbestand der Übermittlung zum Zwecke der Gefahrenabwehr (§ 4 Abs. 4 Nr. 1 G10) verwiesen. Doch auch dort findet sich noch keine Auflistung einzelner Straftaten. Stattdessen wird auf die in § 3 Abs. 1 und 1a und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 genannten Straftaten verwiesen. In § 3 Abs. 1 G10 sind die Straftaten aufgezählt, wegen deren Verdacht der Planung, Begehung oder Vollendung eine nachrichtendienstliche Individualüberwachung angeordnet werden kann.379 § 7 Abs. 4 S. 1 G10 wiederum listet die Straftatbestände auf, zu deren Verhinderung der BND personenbezogene Daten, die er im Rahmen seiner strategischen Überwachung380 erlangt hat, an die mit polizeilichen Aufgaben betrauten Behörden übermitteln darf. § 3 Abs. 1a G10, der regelt, wann der BND Telekommunikationsanschlüsse „an Bord deutscher Schiffe außerhalb deutscher Hoheitsgewässer“ überwachen darf, nennt keine Straftaten. Stattdessen findet sich ein Verweis auf die in § 23a Abs. 1 und 3 ZFdG genannten Straftaten. § 23a ZFdG regelt, wann das Zollkriminalamt eine dem § 3 G10 vergleichbare Individualüberwachung durchführen darf. Nachdem Klarheit über die Verweisungsstruktur geschaffen worden ist, können nun die einzelnen Voraussetzungen analysiert werden, die an eine Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörde zu stellen sind. a) Korrelation zwischen Transferdaten und Katalogstraftat Zunächst ist das Verhältnis zwischen den Transferdaten und den Katalogstraftaten zu klären. Genauer formuliert geht es um das Verhältnis zwischen den Daten, die an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden dürfen (Transferdaten), und dem Verdacht der Begehung oder Vollendung einer Katalogstraftat. Die Frage ist: Dürfen nur solche Daten übermittelt werden, die zur Verfolgung einer der in den Straftatkatalogen genannten Straftaten erforderlich sind und hinsichtlich deren Begehung oder Vollendung ein auf bestimmte Tatsachen gründender Verdacht besteht (Alternative 1)? Oder können auch Daten zur Verfolgung von Straftaten übermittelt werden, die nicht in einem der Straftatenkataloge enthalten sind (Alternative 2)? Aus dem Wortlaut von § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10 lässt sich eine Korrelation i. S. v. Alternative 1 nicht zwingend entnehmen. Stattdessen würde dieser es (ganz i. S. v. Alternative 2) auch zulassen, dass die über die Individualüberwachung gewonne379 Eine Sonderstellung nimmt hierbei § 3 Abs. 1 S. 2 G10 ein, da er keinen Straftatenkatalog enthält. 380 Zum Begriff der strategischen Überwachung vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. b).

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nen Daten zur Verfolgung erstens jeder beliebigen Straftat und zweitens unabhängig von einem bestimmten Verdachtsgrad an die Strafverfolgungsbehörden transferiert werden, sofern nur zugleich auch bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, jemand – das müsste streng genommen nicht einmal der von der Datenübermittlung Betroffene selbst sein – begeht eine der in § 3 Abs. 1 und Abs. 1a bzw. § 7 Abs. 4 S. 1 G10 genannten Straftaten oder jemand hat eine solche Straftat begangen.381 Damit wäre das folgende Beispiel denkbar: Der Telefonanschluss von X wird nachrichtendienstlich überwacht. Aufgrund dessen erfährt der Verfassungsschutz von einer Schwarzfahrt, die X unternahm. Davon unabhängig begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass X Propagandamittel der KPD im Inland verbreitet hat. Der Wortlaut der Übermittlungsvorschrift würde die Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden über die Schwarzfahrt (Straftat gem. § 265a StGB) von X zulassen. Zwar ist § 265a StGB in keinem der relevanten Straftatenkataloge enthalten. Für die Übermittlung entscheidend und ausreichend wäre es aber, dass im Moment der Übermittlung bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass der Betroffene eine Katalogstraftat (hier § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 G10 i.V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 1 StGB382) begangen hat. Eine solche Interpretation führt offensichtlich zu Ergebnissen, die mit Sinn und Zweck von Vorschriften zur Begrenzung von Übermittlungen nur schwer zu vereinbaren sind. Sie ist vom Gesetzgeber auch nicht gewollt. Dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift eine nach Alternative 1 gezeichnete Korrelation bezweckt hat, lässt sich wie folgt begründen: Mit der Neufassung des G10 hat der Gesetzgeber die Vorgaben des BVerfG zum Transfer von Daten aus strategischer Kontrolle in das Strafverfahren, die es im Rahmen seiner dritten G-10 Entscheidung383 entwickelt hat, auch zur Grundlage für die entsprechende Transferregelung von Daten aus einer Individualüberwachung genommen.384 Das BVerfG nun hat im Rahmen seiner dritten Abhörentscheidung ausgeführt, dass auch die Übermittlung von Daten aus einer Telefonüberwachung in das Grundrecht von Art. 10 GG eingreift. An die Verhältnismäßigkeit eines solchen Eingriffs hat das Gericht u. a. die folgenden zwei Anforderungen gestellt385: Erstens ist ein Transfer zur Verfolgung jedweder Straftat nicht möglich, sondern er muss auf einen bestimmten Katalog begrenzt sein. Zweitens muss auch der Transfer einen Verdacht voraussetzen, der die von § 100a StPO aufgestellte Schwelle nicht 381 Dieses Phänomen wird in der Literatur regelmäßig nicht gesehen; vgl. Allgayer, NStZ 2006, 603 (606), Huber, NJW 2001, 3296 (3298). 382 Die KPD ist vom BVerfG mit Urteil vom 17.8.1956 (BVerfGE 5, 85) für verfassungswidrig erklärt worden. 383 BVerfGE 100, 313 (390 ff. [394]). Gegenstand der Entscheidung war die Erhebung von Daten mittels strategische Post- und Fernmeldeüberwachung durch den BND und deren weitere Verwendung. 384 Vgl. BT-Drs. 14/5655, S. 16. 385 BVerfGE 100, 313 (390 ff. [394]).

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unterschreitet. Diese beiden Anforderungen werden nur dann erfüllt, wenn eine Korrelation zwischen den Transferdaten und dem Straftatenkatalog besteht. Im Ergebnis können folglich – auch nach dem Willen des Gesetzgebers – nur solche Daten übermittelt werden, die zur Verfolgung einer der in den Straftatkatalogen genannten Straftaten erforderlich sind und hinsichtlich deren Begehung oder Vollendung ein auf bestimmte Tatsachen gründender Verdacht besteht. Eine Übermittlung von Daten zur Verfolgung von Straftaten, die nicht in dem Straftatkatalog enthalten sind, ist nicht möglich. Das gilt unabhängig davon, ob die Daten den Strafverfolgungsbehörden zu Beweiszwecken oder lediglich als Spurenansatz dienen sollen. b) Verfolgbare Straftaten Damit sind nun die Straftaten in den Blick zu nehmen, zu deren Verfolgung der Verfassungsschutz personenbezogene Daten übermitteln kann. Wie bereits ausgeführt, verweist § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10 hierzu auf § 3 Abs. 1 und Abs. 1a und auf § 7 Abs. 4 S. 1 G10. § 3 Abs. 1 S. 1 G10 und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 führen zu Straftatkatalogen. Eine Sonderrolle nimmt demgegenüber der Rückgriff auf § 3 Abs. 1 S. 2 und § 3 Abs. 1a G10 ein. Den Verweisen ist im Folgenden nachzugehen. Dabei gilt es zunächst (aa] bis cc]) zu analysieren, hinsichtlich welcher Straftaten überhaupt eine Übermittlung stattfinden kann. Im Anschluss daran (dd]) ist die Frage zu thematisieren, inwieweit hierbei auch Zufallsfunde übermittelt werden können. aa) Straftatenkatalog von § 3 Abs. 1 S. 1 und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 § 3 Abs. 1 S. 1 und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 stellen – sich überschneidende386 – Straftatenkataloge dar. Fasst man beide Kataloge zusammen, ergibt sich, dass der Verfassungsschutz zur Verfolgung der folgenden Straftaten Daten übermitteln darf: Strafgesetzbuch §§ 80 bis 83, 84 bis 86, 87 bis 89a, 94 bis 96, 97a bis 100a, 109e bis 109g, 129a bis 130, 146, 151 bis 152a, 211, 212, 232 Abs. 3, 4 oder Abs. 5 zweiter Halbs., 239a, 239b, 249 bis 251, 255, 261, 305a, 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, 308 Abs. 1 bis 4, 309 Abs. 1 bis 5, 313, 314, 315 Abs. 1, 3 oder Abs. 4, 315b Abs. 3, 316a, 316b Abs. 1 oder Abs. 3 oder 316c Abs. 1 bis 3 StGB sowie

Strafrechtliche Nebengesetze § 95 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG, § 34 Abs. 1 bis 6 und 8, § 35 AWG, 386 König, S. 278 Fn. 305, ruft den Gesetzgeber auf, „durch redaktionelle Überarbeitung der Verweisungsnormen entsprechende Doppelverweise zu streichen und die verschiedenen Kataloge abzugleichen und zu bereinigen.“

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

§ 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 1, 4, § 30a BtMG, §§ 19 bis 21, § 22a Abs. 1 Nr. 4, 5 und 7 KrWaffKontrG, §§ 87, 89, 94 bis 96, 98 bis 100, 109e bis 109g StGB i.V. m. § 1 NTSG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 VereinsG, §§ 6 bis 12 VStGB.

bb) Straftaten des Mitglieds einer verfassungsschutzrelevanten Vereinigung § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10 verweist über Nr. 1 auch auf § 3 Abs. 1 S. 2 G10387, wo sich allerdings keine Auflistung bestimmter Straftaten findet. Vielmehr befugt § 3 Abs. 1 S. 2 G10 zur Individualüberwachung, „wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass jemand Mitglied einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder deren Tätigkeiten darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.“ 388 Damit ist die Überwachung nicht mehr ausschließlich von der Planung, Begehung oder Verwirklichung bestimmter Straftatbestände abhängig. Stattdessen können sämtliche Aktivitäten eines Mitgliedes389 einer Vereinigung überwacht werden, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von verfassungsschutzrelevanten Straftaten gerichtet ist.390 Für die Datenübermittlung stellt sich folglich die Frage, ob über diesen Verweis überhaupt ein Transfer legitimiert wird. Für ein Nein spricht, dass § 3 Abs. 1 S. 2 G10 keine bestimmten Straftaten nennt. Oder wird der Transfer hinsichtlich jeder Straftat legitimiert, sofern der Verdächtige ein Mitglied einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder Tätigkeiten auf die Begehung von verfassungsschutzrelevanten Straftaten gerichtet sind? Im Ergebnis ist über § 3 Abs. 1 S. 2 G10 überhaupt kein Transfer zu legitimieren. Denn sonst würde dem Verweis auf die Straftatenkataloge in § 3 Abs. 1 S. 1 und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 keine Begrenzungsfunktion zukommen, sofern bereits tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass der von der Übermittlung Betroffene ein Mitglied einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder Tätigkeiten auf die Begehung von verfassungsschutzrelevanten Straftaten gerichtet sind. Übermittelbar wären dann z. B. auch 387 Die Erfassung von § 3 Abs. 1 S. 2 G10 erfolgt gleich zweimal. Erste Variante: § 4 Abs. 4 Nr. 2, § 4 Abs. 4 Nr. 1 lit. a G10; zweite Variante: § 4 Abs. 4 Nr. 2, § 4 Abs. 4 Nr. 1 lit. b, § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. a G10. 388 Diese Befugnis wurde den Nachrichtendiensten durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz im Jahre 1994 eingeräumt – eingefügt als § 2 Abs. 1 S. 2 G10 (1968) durch Gesetz vom 28. 10.1994, BGBl. I S. 3186 (3194). Die Befugnis wurde mit der Neufassung des G10 im Jahre 2001 – Gesetz vom 26.6.2001, BGBl. I S. 1254 (Berichtigung vom 3.9.2001, BGBl. I S. 2298) – unverändert übernommen. 389 Erbs/Kohlhaas/Huber, G10, § 9 Rn. 9: hierfür nicht ausreichend bloße Sympathisanten oder Teilnehmer einer von der Vereinigung organisierten Veranstaltung. 390 Kritisch Arndt, NJW 1995, 169 (169).

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Daten zur Verfolgung einer Sachbeschädigung (§ 303 StGB) oder Schwarzfahrt (§ 265b StGB). Damit aber hätte sich der Gesetzgeber in Widerspruch zu seinem Ansinnen gesetzt, die Vorgaben des BVerfG aus dessen dritter G10-Entscheidung auch auf die Individualüberwachung umzusetzen.391 In der Entscheidung stellte, wie bereits ausgeführt, das Gericht u. a. auch fest, dass ein Transfer nicht zur Verfolgung jedweder Straftat möglich sei, sondern auf einen bestimmten Katalog zu begrenzen ist.392 Von daher ist die Verweisung auf § 3 Abs. 1 S. 2 G10 als ein redaktionelles Versehen der Gesetzgebung einzustufen. Hierfür spricht auch die Stellungnahme des Bundesrates zur Neufassung des G10, in der dieser fälschlicherweise in § 3 Abs. 1 S. 2 G10 Staatsschutzdelikte aufgelistet sieht.393 – Hinzuweisen ist an dieser Stelle allerdings, dass dieser redaktionelle Fehler bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG in dem G10 angelegt war und die strategische Überwachung betraf. Das BVerfG stellte bei der Vorstellung der Normen auf hinreichend bestimmte Straftaten ab, ohne auf die hier aufgeworfene Problemstellung einzugehen. cc) Verweisung auf eine Befugnisnorm des Zollkriminalamtes § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10 verweist über Nr. 1 lit. a auch auf § 3 Abs. 1a G10 und damit auf die „in § 23a Abs. 1 und 3 des Zollfahndungsdienstgesetzes genannten Straftaten“. Verwiesen wird damit auf die Befugnisnorm des Zollkriminalamtes zu der dem G10 vergleichbaren Individualüberwachung. In § 23a Abs. 1 ZFdG sind Straftaten nach dem KrWaffKontrG aufgelistet. Von den genannten Straftaten (§ 19 Abs. 1 und 2, § 20 Abs. 1, § 20a Abs. 1 und 2, § 22a Abs. 1 Nr. 4, 5 und 7, Abs. 2 KrWaffKontrG394) sind allerdings sämtliche bis auf die über das Regelbeispiel des § 22a Abs. 2 KrWaffKontrG mit erfassten § 22a Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 und 6 KrWaffKontrG Straftaten schon über § 4 Abs. 4 Nr. 1 lit. b i.V. m. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. b G10 für transferierbar erklärt worden. Und in § 23a Abs. 3 ZFdG wiederum werden überhaupt keine Straftaten genannt.395 391

Vgl. BT-Drs. 14/5655, S. 13. BVerfGE 100, 313 (391 ff. [392]): Das BVerfG stellte auf ein ausgewogenes Zusammenspiel von Straftatkatalog (Bestimmung der Rechtsgüter und der ihr drohenden Gefahren) und Verdachtsgrad ab. 393 BT-Drs. 14/5655, S. 31 (Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses). 394 Dabei stellt § 22a Abs. 2 KrWaffKontrG als bloße Strafzumessungsnorm (besonders schwerer Fall) keinen eigenen Straftatbestand dar. 395 § 23a Abs. 3 ZFdG: „Die Absätze 1 und 2 geltend entsprechend, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Personen die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gefährden, indem sie rechtswidrig und ohne die hierfür erforderliche Genehmigung oder Entscheidung nach Artikel 4 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 vom 22. Juni 2000 oder nach § 5c oder § 5d der Außenwirtschaftsverordnung die Ausfuhr von [. . .] vorbereiten.“ 392

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Damit stiftet der neu aufgenommene Verweis auf § 3 Abs. 1a G10 vor allem Verwirrung und ist im Ergebnis als eine bereits auf den Entwurf396 zurückführbare gesetzgeberische Fehlleistung zu werten: Der Verweis auf § 23a Abs. 3 ZFdG führt mangels Nennung von Straftaten ins Leere. Die in § 23a Abs. 1 ZFdG wiederum aufgelisteten Straftaten sind bereits zum Großteil dem Transfer zugänglich. Einzig neu hinzugekommen sind § 22a Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 und 6 KrWaffKontrG in einem besonders schweren Fall (§ 22a Abs. 2 KrWaffKontrG). dd) Übermittlung von Zufallsfunden Besteht nun Klarheit, hinsichtlich welcher Straftaten überhaupt eine Übermittlung statthaft ist, kann der Frage nach der Übermittlung von Zufallsfunden nachgegangen werden. Zu unterscheiden ist hierbei – jedenfalls bei der Datenerhebung im Rahmen einer Individualüberwachung – wiederum danach, ob die Zufallsfunde sich auf den von der Überwachung Betroffenen selbst (1) oder auf Dritte (2) beziehen.397 (1) Zufallsfunde betreffend den Betroffenen Bei einigen der unter aa) aufgelisteten Straftatbestände – wie z. B. §§ 306 bis 306c StGB – lässt sich keine (unmittelbare) Verbindung zu den Aufgabenstellungen des Verfassungsschutzes herstellen.398 Gleichwohl fordert die Übermittlungsvorschrift keinen sonstigen Bezug zu der Aufgabenstellung des Verfassungsschutzes. Folglich können auch die im Rahmen einer Individualüberwachung gewonnen nachrichtendienstlichen Zufallsfunde zu Zwecken der Strafverfolgung übermittelt werden. Im Unterschied zu § 19 Abs. 1 BVerfSchG müssen sich jedoch die Zufallsfunde hier einer Katalogstraftat zuordnen lassen. Wiederum kann bei den Zufallsfunden zwar zwischen relativen und absoluten unterschieden werden. Doch kommt dieser Unterscheidung hier – im Gegensatz zu § 19 Abs. 1 BVerfSchG – keine Bedeutung zu, denn im Rahmen der Individualüberwachung fallen die Erhebung und die Speicherung der Daten zusammen. Die absoluten Zufallsfunde sind bereits im Moment der Erlangung regelmä396

Vgl. BR-Drs. 395/05, S. 9. Zum Begriff und zur Typisierung von Zufallsfunden vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. b) bb) (1). 398 Zwar findet sich in § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 lit. b G10 u. a. hinsichtlich der Straftaten §§ 306 bis 306c StGB das zusätzliche Transferkriterium, dass sich diese Straftaten „gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten“ müsse. Doch hebt sich diese Einschränkung aufgrund des parallel anwendbaren Kataloges in § 7 Abs. 4 S. 1 G10 auf. Dort finden sich – um das Beispiel fortzuführen – in § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. b G10 die §§ 306 bis 306c StGB wieder, aber ohne eine eingrenzende Bezugnahme auf den Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes. 397

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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ßig zugleich körperlich fixiert. Von daher kann die Konstellation, dass absolute Zufallsfunde dem Transfer mangels Speicherungsfähigkeit nicht zur Verfügung stehen, nicht eintreten. Entsprechend enthält das G10 zur Individualüberwachung auch keine Ausführungen zur erstmaligen Speicherung der Daten.399 Stattdessen findet sich eine Löschanordnung. Die Daten sind grundsätzlich unverzüglich zu löschen, wenn sie weder zu nachrichtendienstlichen Zwecken noch zur Übermittlung an andere Stellen – gemeint sind damit u. a. die Strafverfolgungsbehörden – benötigt werden (§ 4 Abs. 1 S. 2).400 (2) Zufallsfunde betreffend Dritte Die Frage nach der Übermittlung von Zufallsfunden betreffend Dritte kann sich de facto nur in Bezug auf solche Daten beziehen, die im Rahmen einer Individualüberwachung gem. § 3 G10 erlangt worden sind. Bei einer strategischen Überwachung401 gibt es keine Zielperson und damit auch keinen Dritten.402 Hierzu zunächst das folgende Beispiel: X steht unter dem Verdacht, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein (Straftat nach § 129a StGB). Deshalb wird sein Telefonanschluss nachrichtendienstlich überwacht (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 lit. a G10). Hierbei gewinnt der Verfassungsschutz den auf bestimmte Tatsachen gründenden Verdacht, dass Z den Straftatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) verwirklicht hat. Nach der Übermittlungsvorschrift ist eine Übermittlung der Erkenntnis an die Strafverfolgungsbehörden möglich, wenn und weil § 130 StGB eine von § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10 erfasste Katalogstraftat darstellt und die Übermittlung für die Strafverfolgungsbehörde erforderlich ist. Der Übermittlungstatbestand (§ 4 Abs. 4 Nr. 2 G10) beschränkt in seinem Wortlaut die Übermittlung nicht auf solche Daten, die sich allein auf den Überwachten beziehen. Der Wortlaut der Vorschrift steht auch in Übereinklang mit dem Willen des Gesetzgebers. Dafür spricht die Überlegung, dass das gefundene Ergebnis der herrschenden Rechtsauffassung403 vor der Neufassung des G10 im Jahre 2001 – 399 Jedoch ordnet § 4 Abs. 1 S. 1 G10 an, dass mindestens aller sechs Monate zu prüfen ist, ob die erhobenen personenbezogenen Daten zur nachrichtendienstlichen Aufgabenerfüllung erforderlich sind. 400 Ausnahmsweise unterbleibt die Löschung, soweit die Daten für eine Mitteilung an von der Überwachung Betroffene oder für eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung von Bedeutung sein können (§ 4 Abs. 1 S. 6 G10). In diesem Fall sind die Daten zu sperren und stehen einer anderweitigen Verwendung – wie z. B. einer Übermittlung zu Strafverfolgungszwecken – nicht zur Verfügung (§ 4 Abs. 1 S. 4 G10). 401 Zum Begriff der strategischen Überwachung vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. b). 402 Entsprechend lassen sich von dort auch keine Aussagen zum Umgang mit Zufallsfunden entnehmen; vgl. § 3 Abs. 3 und 5 G10 (1968); BT-Drs. 12/6853, S. 43 f.; BVerfGE 100, 313 (388 ff.). 403 Borgs/Ebert, B § 7 G10 Rn. 7 f.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

als das Gesetz noch keine umfassende Übermittlungsregelung für Daten aus Individualüberwachung zu Zwecken der Strafverfolgung enthielt404 – entspricht. Aus den Ausführungen des Gesetzgebers im Rahmen der Neufassung des G10 im Jahre 2001 lässt sich nicht entnehmen, dass an dieser Praxis etwas geändert werden sollte.405 Die repressive Verwertbarkeit bzw. Verwendbarkeit von nachrichtendienstlichen Zufallsfunden zulasten Dritter wurde letztlich mit einem Rückgriff auf die Rechtsprechung des BGH zur parallelen inner-strafprozessualen Problematik um die Zufallsfunde aus einer Telefonüberwachung gem. § 100a StPO begründet.406 Es ist daher irrelevant, dass sich in der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 4 G10407 keine entsprechende ausdrückliche Stellungnahme findet. Nicht zulässig ist es jedoch, dass Daten zur Verfolgung von Straftaten übermittelt werden, die nicht in einem Straftatkatalog gelistet sind (z. B.: § 265a StGB). Das gilt unabhängig davon, ob die Daten zu Beweiszwecken oder als bloßer Spurenansatz übermittelt werden sollen.408 Der Wortlaut ist eindeutig.409 Im Übrigen entspricht auch dies der Rechtsprechung zur alten Rechtslage, also dem G10 (1968). So hat der BGH im Fallkomplex Traube410 (Dirnhofer-Urteil vom 18. April 1980)411 eine Verwendung der gewonnenen Daten sowohl als Beweismittel412 als auch als Spurenansatz413 jenseits der Katalogtaten ausgeschlos404 Vgl. BT-Drs. 14/5655, S. 16; Droste, Handbuch, S. 343. Eine Begrenzung der Verwertbarkeit stellte § 7 Abs. 3 G10 (1968) auf, der jedoch als lückenhaft galt; vgl. Huber, NJW 2001, 3296 (3298). 405 Vgl. BT-Drs. 14/5655, S. 1 ff. und 16 f. 406 Vgl. BGHSt 29, 247 (Dirnhofer-Urteil, Fall Traube); vgl. hierzu Dünnebier, DuR 1980, 383 ff., und Riegel, JZ 1980, 757 ff.; BVerfG (Kammerentscheidung) NJW 1988, 1075 (zum Beschluss insgesamt kritisch Schlink, NJW 1989, 11 ff.). 407 BT-Drs. 14/5655, S. 16. 408 Zur Differenzierung der Verwendung von Daten zu Beweiszwecken und als Spurenansatz vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 2. b). 409 Allgayer, NStZ 2006, 603 (606). 410 Schilderung in: Dünnebier, DuR 1980, 383 (383). 411 Die Besonderheit dieses Falles war nicht nur, dass im Ergebnis die Daten aus einer G10 Überwachung den Spurenansatz (die G10-Daten bildeten die Grundlage zu einer Hausdurchsuchung, bei der das anklagerelevante Material entdeckt wurde) für die Anklage wegen Nichtkatalogtaten (Verletzung des Dienstgeheimnisses, Verwahrungsbruch) bildeten, sondern dass sich das Material gegen eine Person (Dirnhofer, Regierungsamtsrat im BfV) richtete, die selber gar nicht G10-überwacht worden ist (überwacht wurde der Journalist Faust). Aus eben dieser Dritt-Stellung Dirnhofers heraus hat die Vorinstanz (OLG Köln NJW 1979, 1216), die von einer rechtswidrigen G10-Maßnahme ausgegangen ist, die Eröffnung des Hauptverfahrens angeordnet: In Dirnhofers „Grundrechte wurde bei der Telefonüberwachung, bei der man auf das Versteck des Beweismaterials stieß, nicht eingegriffen. Die Verwertung des mittelbar erlangten Beweismaterials ist keine Fortwirkung einer Verletzung seiner Grundrechte, so daß der Schutz seiner Grundrechte keine entsprechende Ausdehnung des Beweisverwertungsverbots gebietet.“ 412 BGHSt 29, 244 (247). 413 BGHSt 29, 244 (251).

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sen.414 Allerdings begründete der BGH das Ergebnis hinsichtlich des Spurenansatzes weder mit dem Gesetzestext noch mit den Gesetzesmaterialien, sondern durch eine verfassungsrechtliche Abwägung (Prüfung der Verhältnismäßigkeit) zwischen dem Schutzgehalt von Art. 10 GG und dem Grund der Grundrechtseinschränkung durch das G10.415 c) Straftatverdacht Die Übermittlung ist nur möglich, wenn sich der Verdacht der Begehung oder Verwirklichung der Straftat auf „bestimmte Tatsachen“ gründet.416 Damit unterliegt der Transfer der gleichen Verdachtsschwelle, wie sie auch für die Anordnung einer repressiven Telekommunikationsüberwachung gem. § 100a StPO Voraussetzung ist.417 Für die Richtigkeit dieser Überlegung streitet wiederum der Zweischritt: Wille des Gesetzgebers und die Rechtsprechung des BVerfG. So hat das BVerfG für die Übermittlung von aus strategischer Überwachung erlangten Daten an die Strafverfolgungsbehörden einen dem § 100a StPO entsprechenden Verdachtsgrad gefordert.418 Und der Gesetzgeber wollte sich im Rahmen der Neufassung des G10 auch bei der Neugestaltung der Individualüberwachung an den Vorgaben des BVerfG zur strategischen Überwachung orientieren.419 Verlangt wird damit ein qualifizierter Anfangsverdacht420: Es müssen mithin zum 414 Im Ergebnis zustimmend: Dünnebier, DuR 1980, 383 (392). So auch Riegel, JZ 1980, 757 (757), der jedoch (ebenso wie OLG Köln NJW 1979, 1216 [1217]) seinen Ausführungen unterstellt, dass die G10-Maßnahme rechtswidrig gewesen ist. Das ist zwar materiell-rechtlich richtig (vgl. BGH NJW 1978, 431 [431 f.] aus dem sich ergibt, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen, den Anschluss Fausts zu überwachen, von Anfang an nicht vorgelegen haben). Jedoch hat darauf der BGH aber ausdrücklich nicht abgestellt: „Die Frage nach Inhalt und Tragweite des [. . .] Beweisverwertungsverbots stellt sich auch dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Überwachung [. . .] als ursprünglich erfüllt anzusehen sind“ (BGHSt 29, 244 [246]). In dem BGH-Urteil geht es also gerade nicht um die sog. Fernwirkung unzulässig erlangter Beweismittel. 415 BGHSt 29, 244 (249 ff.). Nach Dünnebier, DuR 1980, 383 (390 ff.), hingegen ließe sich das Ergebnis bereits allein mit dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Norm begründen. 416 § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10. 417 So auch Zöller, Informationssysteme, S. 379, für die insoweit gleich gelagerte Konstellation der Übermittlung von Daten aus strategischer Überwachung. Anders – aber nicht nachvollziehbar – offenbar König, S. 276 ff., der in dem Abstellen auf „bestimmte Tatsachen“ auch hinsichtlich der Übermittlung zu Zwecken der Strafverfolgung eine Assoziation zum strafprozessualen Anfangsverdacht gem. § 152 Abs. 1 StPO erblicken will. Ebenfalls zumindest missverständlich Paeffgen, StV 2002, 336 (337), wenn er – hinsichtlich des gleich gelagerten § 7 Abs. 4 Nr. 2 G10 – ausführt: es werde „der Anschein erweckt, dass man sich in den üblichen strafprozessualen Kategorien eines Anfangsverdachts bewege“. 418 BVerfGE 100, 313 (394 f.). 419 Vgl. BT-Drs. 14/5655, S. 13. 420 Erbs/Kohlhaas/Huber, G10, § 4 Rn. 9, spricht von einem begründeten Verdacht, der mit vorliegenden empirischen Erkenntnissen untermauert sein müsse.

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einen Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung, unter Einschluss kriminalistischer Erfahrung, in erheblichem Maße darauf hindeuten, dass jemand eine Katalogtat begangen hat, sei es als Täter oder als Teilnehmer.421 Zum anderen muss dabei der Verdacht bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung durch schlüssiges Tatsachenmaterial erreicht haben und nicht nur unerheblich sein.422 Dabei gilt (wiederum): Auch wenn der Verfassungsschutz keine Strafverfolgungsbehörde ist, muss er aufgrund der gesetzlichen Übertragung der Verdachtsschwelle gleichwohl die strafverfahrensrechtlichen Maßstäbe zur Beurteilung eines qualifizierten Anfangsverdachts anwenden. Es ist folglich nicht möglich, dass aus nachrichtendienstlicher Sicht ein anderes Verständnis an die Verdachtsschwelle gestellt wird. d) Zusammenfassung und Stellungnahme Trotz des intensiven Grundrechtseingriffs, den die Übermittlung von Daten aus einer G10-Überwachung darstellt, ist der Übermittlungstatbestand erstaunlich unpräzise ausgestaltet. So ergibt sich die Korrelation zwischen Transferdaten und Katalogstraftaten aus dem Wortlaut des Gesetzestextes nicht eindeutig. Die Verweise auf die Kataloge in § 3 Abs. 1 S. 1 und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 sowie § 23a ZFdG führen zu Doppelverweisungen. Zudem wird mit § 3 Abs. 1 S. 2 G10 auf eine Datenerhebungskonstellation verwiesen, die gerade nicht für eine Übermittlung an eine Strafverfolgungsbehörde genutzt werden kann. Bereits aus diesem Grund ist dem geradezu überschwänglichen Lob, das dem im Jahre 2001 neu gefassten G10 teilweise entgegengebracht und dem gar ein „Modell- bzw. Vorbildcharakter“ zugesprochen wird423, zu widersprechen. Hinsichtlich der Daten, die übermittelt werden können, muss – wie schon bei der Übermittlung nach § 19 Abs. 1 BVerfSchG424 – kein Zusammenhang zum nachrichtendienstlichen Beobachtungsauftrag bestehen. Jedoch ist die Übermittlung auf einen Straftatenkatalog begrenzt. Weder zu Beweiszwecken noch aus

421

KK/Nack, StPO, § 100a Rn. 34; HK/Gercke, StPO, § 100a Rn. 17. KK/Nack, StPO, § 100a Rn. 34; HK/Gercke, StPO, § 100a Rn. 17. Ob mit dem Erfordernis eines qualifizierten Verdachts überhaupt eine Restriktion gegenüber dem bloßen einfachen Tatverdacht (Anfangsverdacht) geschaffen worden ist, wird in der Literatur teilweise bezweifelt: Weßlau, FG Hilger, S. 57 (59 Fn. 5); Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 336. Der Gesetzgeber allerdings spricht von einer „hohe[n] Übermittlungsschwelle“, vgl. BT-Drs. 14/5655, S. 22. 423 Z. B. König, S. 279: „Insgesamt stellen sich die im G 10 nach seinem jetzigen Stand enthaltenen Vorschriften über die Übermittlung personenbezogener Daten durch die Nachrichtendienste an die Polizei als ausgefeiltes und differenziertes System dar, das den verfassungsrechtlichen und verfassungsgerichtlichen Anforderungen gerecht wird und durchaus Modell- bzw. Vorbildcharakter hat.“ 424 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. b). 422

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Gründen des bloßen Spurenansatzes darf darüber hinaus ein Transfer erfolgen.425 Allerdings ist der die Übermittlung legitimierende Katalog sehr weit gefasst. So bleiben lediglich die leichte Kriminalität und Teile der mittleren Kriminalität ausgeklammert.426 Der Katalog an übermittlungsfähigen Straftaten weist Straftaten auf, die in dem Katalog des § 100a StPO nicht vorgesehen sind. Namentlich sind dies die folgenden Straftatbestände: • § 95 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG427, • § 34 Abs. 8, § 35 AWG428, • § 19 Abs. 4 und 5, § 20 Abs. 3, § 20a Abs. 4 KrWaffKontrG429, • § 1 NTSG430, • § 83 StGB431, • § 152 a Abs. 1 und 2, § 261 Abs. 3, 5 und 8 StGB432, • § 305a, § 308 Abs. 4, § 309 Abs. 5, § 315 Abs. 1 und 4, § 316b Abs. 1 und 3 StGB433, • § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 VereinsG434. Im Zeitpunkt der Übermittlung muss der Verdachtsgrad hinsichtlich der Begehung oder Verwirklichung der Straftat den gleichen Anforderungen genügen wie er für die Erhebung nach § 100a StPO notwendig wäre. Übermittelt werden können auch Daten hinsichtlich Dritter, sofern bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass der Dritte eine Katalogstraftat begeht oder begangen hat. Die Übermittlung ist nicht auf den von der Überwachung Betroffenen begrenzt.

425 Das gilt auch für solche Straftaten, die in einem (engen) Zusammenhang mit einer Katalogtat stehen bzw. ein einheitliches Geschehen i. S. v. § 264 StPO zu einer Katalogtat bilden. In diesem Zusammenhang zumindest missverständlich LR/Erb, StPO, § 160 Rn. 34a, der hinsichtlich der Verwendbarkeit von Zufallsfunden zur Erforschung von Nichtkatalogstraftaten nicht zwischen G10 und § 100a StPO unterscheidet. 426 Zöller, Informationssysteme, S. 349. 427 Katalogzuordnung § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 G10. 428 Katalogzuordnung § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 lit. b G10. 429 Katalogzuordnung § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 lit. b G10. 430 Katalogzuordnung § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 G10. 431 Katalogzuordnung § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 G10. 432 Katalogzuordnung § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 lit. a G10. 433 Katalogzuordnung § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. b G10. Zuordnung von § 316b Abs. 3 StGB auch über § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 lit. b G10. 434 Katalogzuordnung § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 G10.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

2. Allgemeine Übermittlungsvorschriften Sämtliche der in § 4 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 G10 aufgeführten Übermittlungsanlässe unterliegen den folgenden allgemeinen Übermittlungsvorschriften: • Prüfung der Erforderlichkeit (§ 4 Abs. 4 und 6 S. 2 G10), • Zweckbindung des Empfängers (§ 4 Abs. 6 S. 1 G10), • Regelung zur Übermittlung „überschießender“ Daten (§ 4 Abs. 5 G10), • Kennzeichnungspflichten (§ 4 Abs. 2 und 3 G10).435 Entgegen den Ausführungen des Gesetzgebers436 und vereinzelten Stimmen der Literatur437 fordert das G10 keine die Übermittlung selbst betreffende Protokollierung. Zwar enthält das G10 verschiedene Protokollierungspflichten, die sich teils an den Sender (§ 4 Abs. 1 S. 3, Abs. 5 S. 3 G10) und teils an den Empfänger (§ 4 Abs. 6 S. 3 G10) der Daten richten.438 Doch beziehen sich eben diese nicht auf die Übermittlung selbst.439

435 Neben den Vorschriften, die die Datenübermittlung als solches im Blick haben, kennt das G10 noch weitere datenschutzrechtlich motivierte Regelungen, die jedoch eben wegen ihres offenkundig fehlenden Bezuges zur Datenübermittlung vorliegend unberücksichtigt blieben. Ausgeklammert sind die Vorschriften zur G10-Kommission (§ 15 G10), zum parlamentarischen Kontrollgremium (§ 14 G10) sowie zur Unterrichtung des Betroffenen (§ 12 G10). 436 Vgl. BT-Drs. 14/5655, S. 13. Ferner der Bericht gem. § 14 Abs. 1 S. 2 G10 (Berichtszeitraum 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2001), BT-Drs. 14/8312, S. 1 f. 437 Vgl. die pauschalen Ausführungen bei Droste, Handbuch, S. 342, und Hetzer, Kriminalistik 2001, 347 (350). 438 Die Verpflichtung zur Protokollierung in § 4 Abs. 5 S. 3 G10 bezieht sich wie die Notwendigkeit der Übermittlungsentscheidung durch einen Bediensteten mit Befähigung zum Richteramt (§ 4 Abs. 5 S. 2 G10) nach der Gesetzessystematik nur auf die Übermittlung „überschießender“ Daten. Für diese Interpretation spricht auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/5655, S. 17): sie stellt hinsichtlich des relevanten Absatzes nur auf die Übermittlung „überschießender“ Daten ab. Mit dieser Feststellung offenbar übereinstimmend Droste, Handbuch, S. 344. In der Vorstellung der gesetzlichen Regelung der Übermittlung von Daten aus Individualüberwachung werden die Regelungen in § 4 Abs. 5 G10 nicht erwähnt bei Huber, NJW 2001, 3296 (3298), und Hetzer, Kriminalistik 2001, 347 (348), was ebenfalls für keine Einbeziehung der Protokollierungspflicht auf die Übermittlung nach § 4 Abs. 4 G10 spricht. Auch die insoweit parallele Regelung für Daten aus strategischer Übermittlung (§ 7 Abs. 5 G10) führt nicht weiter, sondern enthält die gleiche Problematik. 439 Damit erfüllt das G10 nicht die vom BVerfG (BVerfGE 100, 313 [395 f.]) aufgestellten Vorgaben an eine Übermittlung von Daten aus einer (strategischen) nachrichtendienstlichen Telekommunikationsüberwachung, die verallgemeinerbar sind: Eine gesetzlich angeordnete Verpflichtung der Protokollierung von Übermittlungen sei für die Gewährleistung einer hinreichenden Kontrolle der Übermittlungen durch die dafür vorgesehenen Gremien notwendig. Von daher sind zur Gewährleistung des Grundrechtsschutzes (Art. 10 GG) trotz fehlender gesetzlicher Anordnung die Übermittlungsvorgänge in der Praxis gleichwohl zu protokollieren. Vgl. hierzu auch BVerfGE 113, 33 (75); Lisken/Denninger/Petri, HdbPolR, G Rn. 61.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Im Folgenden nun soll (wiederum und insoweit zu den obigen Ausführungen vergleichend440) geprüft werden, inwieweit die allgemeinen Übermittlungsvorschriften die bislang dargestellten Möglichkeiten des Datentransfers beeinträchtigen können. a) Erforderlichkeit Das Gesetz verpflichtet über § 4 Abs. 4 G10 den Sender und über § 4 Abs. 6 S. 1 G10 auch den Empfänger, zu prüfen, ob die Daten zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich sind. Diese beidseitige Prüfungspflicht besteht auch bei der Übermittlung nach den Vorschriften der §§ 17 ff. BVerfSchG. Bei der dortigen Prüfung wurde die (praktische) Irrelevanz der Prüfungspflicht durch die Strafverfolgungsbehörden als Datenempfänger herausgearbeitet, sofern ein rechtmäßiger Datentransfer erfolgt ist.441 Die Ausführungen haben auch hier ihre Gültigkeit. Eine den Datentransfer unterbindende Funktion wurde jedoch der Prüfungspflicht des Senders zugesprochen.442 Denn im Rahmen der Übermittlung von Daten nach den §§ 19 Abs. 1 und 20 Abs. 1 BVerfSchG erlangt das Kriterium der Erforderlichkeit vor allem deshalb Bedeutung, weil hierüber überhaupt die Übermittlungsschwelle eines strafrechtlichen Anfangsverdachts gem. § 152 StPO begründet wird. Anders verhält es sich jedoch bei § 4 G10. So enthält bereits der Übermittlungstatbestand von § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10 die Übermittlungsschwelle: Eine Übermittlung ist nur möglich, wenn sich der Verdacht der Straftat auf bestimmte Tatsachen gründet.443 Schon deshalb muss folglich die Schwelle des strafrechtlichen Anfangsverdachts gegeben sein. Damit aber kommt im Ergebnis der Prüfungspflicht der Erforderlichkeit aufseiten des Datensenders im Rahmen von § 4 G10 praktisch keine den Datentransfer begrenzende Funktion zu. b) Zweckbindung In § 4 Abs. 6 S. 1 G10 findet sich – wie bei § 19 Abs. 1 BVerfSchG und im Unterschied zu § 20 Abs. 1 BVerfSchG – eine ausdrückliche Zweckbindung für 440 Zu den allgemeinen Übermittlungsvorschriften nach den §§ 23–26 BVerfSchG vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 3. 441 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 3. b). Sofern die Daten nach Sicht des Empfängers nicht (mehr) erforderlich sind, müssen die Daten unverzüglich gelöscht werden. Über die Löschung ist ein Protokoll anzufertigen, und es ist die Strafverfolgungsbehörde unverzüglich zu unterrichten (§ 4 Abs. 6 S. 3 und 4 G10). 442 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. a) bb) und Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. b) c). 443 Bedeutung kommt der Erforderlichkeitsklausel insoweit zu, als dass hierüber vor allem solche Behörden als Empfänger ausgeschlossen werden, die weder mit präventivpolizeilichen Aufgaben bzw. mit solchen der Strafverfolgung betraut sind; BT-Drs. 14/ 5655, S. 16.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

den Empfänger wieder.444 Bei § 19 Abs. 1 BVerfSchG wurde festgestellt, dass der Zweckbindung innerhalb der Nutzung zu Zwecken der Strafverfolgung keine begrenzende Bedeutung beizumessen ist.445 Demgegenüber weist die in § 4 Abs. 6 S. 1 G10 aufgestellte Zweckbindung auch im Hinblick auf die Nutzung der Daten innerhalb der Strafrechtspflege eine begrenzende Wirkung auf. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass bereits die Übermittlung nur hinsichtlich bestimmter Straftaten erfolgen darf. An diesen Straftatenkatalog ist über § 4 Abs. 6 G10 auch die Strafverfolgungsbehörde als Datenempfängerin gebunden und hinsichtlich der Verwendung der übermittelten Daten entsprechend beschränkt. c) Weitere ausdrücklich geregelte Pflichten Die weiteren allgemeinen Übermittlungsvorschriften haben keinen beschränkenden Einfluss auf die bislang herausgearbeiteten Übermittlungsmöglichkeiten. So regelt § 4 Abs. 5 G10, wann auch solche Daten übermittelt werden dürfen, für die die Voraussetzungen des Übermittlungstatbestandes zwar nicht vorliegen, die jedoch mit den zu übermittelnden Daten „untrennbar“ verbunden sind. Mittels dieser Vorschrift wird folglich ein Mehr und kein Weniger an Übermittlung ermöglicht. (Allerdings unterliegen die so übermittelten Daten kraft ausdrücklicher gesetzlicher Klarstellung einem [absoluten] Verwendungsverbot). Mit den in § 4 Abs. 2 S. 1 und 2 G10 geregelten (und über § 4 Abs. 3 bereits wieder relativierten)446 Kennzeichnungspflichten will der Gesetzgeber (dem BVerfG folgend)447 die gesetzlich vorgesehene Zweckbindung bzw. Verwendungsbeschränkung der Daten gewährleisten.448 Damit aber kommt bei einem rechtmäßigen Datentransfer und anschließender rechtmäßiger Datenverwendung der Kennzeichnungspflicht keine begrenzende Funktion zu. – Aus der gleichen Überlegung heraus würde auch eine Protokollierungspflicht der Datenübermittlung zu keiner begrenzenden Funktion führen.449 d) Fehlende Äquivalente zu den §§ 17 ff. BVerfSchG Bei der Vorstellung der allgemeinen Übermittlungsvorschriften des G10 wurde bereits die Parallelität zu den entsprechenden Regelungen in den §§ 17 ff. BVerfSchG aufgezeigt. Jedoch finden sich im G10 nicht sämtliche der zu 444

Erbs/Kohlhaas/Huber, G10, § 4 Rn. 13, spricht von einer strengen Zweckbindung. Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. b) c). 446 Kritisch hierzu zu Recht Zöller, Informationssysteme, S. 377, und Wollweber, DuD 2001, 734 (737). 447 BVerfGE 100, 313 (360 f., 396 f.). 448 Vgl. BT-Drs. 14/5655, S. 16. 449 Vgl. hierzu schon oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 3. b). 445

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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§§ 17 ff. BVerfSchG vorgestellten allgemeinen Übermittlungspflichten. Allerdings gilt es, beim G10 zu berücksichtigen, dass – im Unterschied zum BVerfSchG450 – ein Rückgriff auf die für die Übermittlung relevanten Vorschriften des BDSG nicht ausgeschlossen ist, sodass das BDSG gem. § 1 Abs. 3 S. 1 BDSG subsidiär greifen kann, sofern sich nicht aus dem G10 ein vom Gesetzgeber gewolltes engeres Datenschutzverständnis entnehmen lässt.451 Das G10 enthält keine dem § 23 BVerfSchG entsprechenden Übermittlungsverbote. Allerdings erweist sich dies nicht als Lücke. So hat in der Ausgestaltung des Übermittlungstatbestandes (§ 4 Abs. 4 G10) der Gesetzgeber bereits eine Abwägung zwischen den Interessen des Betroffenen und den Interessen der Allgemeinheit vorgenommen, sodass eine entsprechende Abwägung für den Nachrichtendienst (entsprechend zu § 23 Nr. 1 BVerfSchG) entfällt. Da § 4 Abs. 4 G10 nur eine fakultative Übermittlung darstellt, entfällt auch die Notwendigkeit, die Sicherheitsinteressen des Nachrichtendienstes (entsprechend zu § 23 Nr. 2 BVerfSchG) besonders zu schützen. Der Regelung in § 23 Nr. 3 BVerfSchG (entgegenstehende besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen) kommt hier keine Bedeutung zu, da das G10 eine gesetzliche Sonderregelung ist. Aus diesen Gründen kommt auch ein Rückgriff auf das BDSG mangels eines Regelungsdefizits nicht in Betracht (unabhängig von der Frage, inwieweit sich dort eine dem § 23 BVerfSchG entsprechende Regelungsstruktur findet). Weiterhin enthält das G10 keine dem § 24 BVerfSchG entsprechende Übermittlungssperre hinsichtlich von Informationen über das Verhalten von Personen unter 16 Jahren. Auch das BDSG enthält keine entsprechende Regelung. Da eine Übermittlung nach dem G10 über die in § 3 Abs. 1 G10 genannten Straftaten hinausgeht und hierbei, wie das Beispiel von § 306 StGB zeigt, nicht nur Straftaten von erheblicher Bedeutung erfasst, kommt dieser fehlenden Entsprechung durchaus eine praktische Auswirkung zu. Hierbei darf eine Irrelevanz vor allem deshalb nicht angenommen werden, weil Personen unter 16 Jahren (regelmäßige) keine eigenen Telekommunikationsanschlüsse besitzen. Erstens können auch Personen zwischen sieben und 16 Jahren unter Anwendung des zivilrechtlichen Minderjährigenrechts (§§ 107 ff. BGB) einen Telekommunikationsvertrag abschließen. Zudem können nach dem G10 auch Drittdaten und damit Informationen über Personen unter 16 Jahren übermittelt werden. Schließlich unterliegen den Übermittlungsvorschriften nach dem G10 auch die Erkenntnisse aus der Briefüberwachung. Der Frage, inwieweit aufgrund dieser Überlegungen § 24 BVerfSchG für die Übermittlung nach dem G10 analog anzuwenden ist, kann an dieser Stelle allerdings nicht weiter nachgegangen werden. Aus rechtspolitischer Hin-

450

Die Sperrvorschrift im BVerfSchG ist § 27. Wie hier Gola/Schomerus, BDSG, § 1 Rn. 24; Däubler/Weichert, BDSG, § 1 Rn. 13; differenzierend Simitis/Walz, BDSG, § 1 Rn. 170 ff. 451

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

sicht jedenfalls spricht die vergleichbare Interessenlage für eine entsprechende Anwendung.452 Schließlich enthält das G10 keine dem § 26 BVerfSchG entsprechende Verpflichtung zur Nachberichtung. Hier jedoch hält das BDSG mit § 20 Abs. 8 BDSG eine entsprechende Regelung zum Rückgriff bereit. Ob ein derartiger Rückgriff systematisch und vom Willen des Gesetzgebers auch tatsächlich gedeckt ist, muss allerdings nicht geklärt werden.453 Denn einer solchen Regelung kommt, wie bereits bei der Vorstellung von § 26 BVerfSchG ausgeführt, keine den Datentransfer unterbindende Funktion zu.454 e) Fazit Keine der vorgestellten, die Übermittlung betreffenden allgemeinen Datenschutzvorschriften des G10 entfaltet eine den Transfer tatsächlich beschränkende Wirkung, wenn sich sowohl Verfassungsschutz als auch die Strafverfolgungsbehörden rechtmäßig verhalten. Aufgrund der spezifischen Ausgestaltung des Übermittlungstatbestandes gilt dies hier – im Unterschied zum BVerfSchG – auch für das Merkmal der Erforderlichkeit der Datenübermittlung. Zwar enthält das G10 keine vollständige Entsprechung zu den allgemeinen Übermittlungsvorschriften der §§ 17 ff. BVerfSchG, was auch durch die hier subsidiär anwendbaren Vorschriften des BDSG nicht vollumfänglich kompensiert werden könnte. Eine relevante Auswirkung hat dies im Hinblick auf eine Begrenzung des Datentransfers allein beim Minderjährigenschutz. Hier spricht vieles für eine analoge Anwendung von § 24 Abs. 1 BVerfSchG auf die Übermittlung nach dem G10. In praktischer Hinsicht dürfte dieser Frage aufgrund der zu vermutenden äußerst geringen Zahl an Betroffenen allerdings kaum Bedeutung zukommen. 3. Zusammenfassung und Stellungnahme für die Übermittlung nach G10 Zusammenfassend lässt sich für die Übermittlung nach G10 das Folgende festhalten: Der spezifische Übermittlungstatbestand ist unpräzise ausgestaltet. Die Verweisungsketten führen teilweise in die Irre und zu Dopplungen. 452

Zum rechtspolitischen Hintergrund von § 24 BVerfSchG vgl. oben Fn. 369. Für das Strafverfahrensrecht (8. Buch, §§ 474 ff. StPO) wird aufgrund fehlender ausdrücklicher eigener Regelung ein Rückgriff auf § 20 Abs. 8 BDSG bzw. entsprechende landesrechtliche Norm angenommen; vgl. SK/Weßlau, StPO, (LB), § 478 Rn. 17. 454 Zu beachten gilt hier allerdings, dass sich die Pflicht zum Nachbericht bereits – auch ohne entsprechende ausdrückliche gesetzliche Regelung – aus dem Grundsatz der Folgenbeseitigung ergibt; Riegel, Datenschutz, S. 164. Zur Nachberichtspflicht allgemein auch Simitis/Mallmann, BDSG, § 20 Rn. 91 ff. Zur Anwendbarkeit von § 20 Abs. 8 BDSG auf das G10 vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 BDSG, Simitis/Dix § 1 Rn. 170 ff. 453

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Im Ergebnis können sowohl zu Beweiszwecken und als Spurenansatz nur die Daten zur Verfolgung solcher Straftaten übermittelt werden, die im G10 aufgelistet sind. Die an sich begrenzende Funktion eines enumerativen Kataloges wird allerdings dadurch relativiert, dass der im G10 ermittelbare Katalog an Straftaten weit gefasst ist und auch solche Tatbestände erfasst, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem nachrichtendienstlichen Beobachtungsauftrag stehen. Auch weist der Katalog Straftaten aus, bei denen eine Überwachung der Telekommunikation gem. § 100a StPO nicht angeordnet werden dürfte. Übermittelt werden kann nur dann, wenn der Verdachtsgrad erreicht ist, der auch für die Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung erforderlich ist. Den im G10 enthaltenen allgemeinen Übermittlungsvorschriften kommt keine die Übermittlung begrenzende Funktion zu. Gleiches gilt für das subsidiär greifende BDSG. Jedoch sprechen gewichtige Argumente dafür, den über § 24 BVerfSchG normierten Minderjährigenschutz auch auf die Übermittlung nach dem G10 analog zu erstrecken. V. Spezielle Übermittlungsvorschriften im BVerfSchG Die im BVerfSchG geregelten speziellen Übermittlungsvorschriften beziehen sich zum einen auf Daten, deren Erhebung – und damit auch deren Übermittlung – einen Eingriff in die Grundrechte von Art. 10 bzw. Art. 13 GG darstellt. Darüber hinaus unterliegt die Übermittlung sämtlicher Daten aus Besonderen Auskunftsansprüchen gem. § 8a Abs. 2 und 2a BVerfSchG einer einheitlichen speziellen Übermittlungsvorschrift. Im Einzelnen enthält das BVerfSchG hinsichtlich der Übermittlung folgender Daten an Dritte spezielle Regelungen: • Daten, die aufgrund einer technischen Wohnraumüberwachung gem. § 9 Abs. 2 S. 1 und 2 BVerfSchG erlangt worden sind (Übermittlungsregelung: § 9 Abs. 2 S. 7 und 8 BVerfSchG), • Daten, die mittels Einsatzes eines IMSI-Catchers gem. § 9 Abs. 4 S. 1 BVerfSchG erlangt worden sind (Übermittlungsregelung: § 9 Abs. 4 S. 4 und 6 BVerfSchG)455, • Daten, die das BfV kraft Besonderen Auskunftsanspruchs gem. § 8a Abs. 2 und 2a gegenüber Luftfahrtunternehmen, Betreibern von Computerreservierungssystemen und Globalen Distributionssystemen für Flüge, Banken, Bundeszentralamt für Steuern, Telekommunikations- und Teledienstleistern über bestimmte Personen erlangt hat (Übermittlungsregelung: § 8b Abs. 2 S. 7 BVerfSchG)456. 455 Zur Diskussion, ob der IMSI-Catcher-Einsatz einen Eingriff in Art. 10 GG darstellt, vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. b). 456 Die Befugnis zur Erhebung der Daten durch das BfV gegenüber den Dienstleistern selbst (§ 8a Abs. 1 bis 5 BVerfSchG) stellt keine spezielle Übermittlungsvorschrift

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Ein Rückgriff auf das BDSG ist hier aufgrund der über § 27 BVerfSchG erfolgten Sperrung der für die Übermittlung relevanten Normen von vornherein nicht möglich. 1. Wegfall und Modifizierung ursprünglicher Übermittlungsbegrenzungen Bevor die geltenden speziellen Übermittlungsbeschränkungen analysiert werden, ist darauf hinzuweisen, dass im Zuge verschiedener Modifizierungen spezielle Übermittlungsbeschränkungen weggefallen sind. An deren Stelle greifen nunmehr die allgemeinen Übermittlungsregeln gem. §§ 17 ff. BVerfSchG mit der Folge, dass die Anforderungen an den Transfer dieser Daten erleichtert worden sind. a) Daten aus intensiven Grundrechtseingriffen Bis zur Änderung des BVerfSchG im Jahre 2002 schränkte § 9 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG a. F. die Übermittlung von solchen Daten ein, die das BfV durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erlangte, „die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses“ gleichkamen. Die weitere Verwendung und damit auch Übermittlung dieser Daten durfte nur nach Maßgabe von § 4 Abs. 4 G10 erfolgen.457 Diese Beschränkung ist im Zuge des Terrorismusbekämpfungsgesetzes weggefallen.458 Als Beispiel für eine entsprechende Maßnahme, die nun nicht mehr den strengeren Übermittlungsvorschriften von § 4 Abs. 4 G10 unterliegt, kann das Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes außerhalb von Wohnungen mittels verdecktem Einsatz technischer Mittel (strafprozessuale Parallelmaßnahme: § 100h StPO) genannt werden.

dar. Die Regelung zur Übermittlung von Daten an das BfV gem. § 18 BVerfSchG richtet sich nicht an Private. 457 Mit der Neufassung des BVerfSchG im Jahre 1990 wurde die Verwendung nach Maßgabe von § 7 Abs. 3 G10 (1968) beschränkt. Mit der Neufassung des G10 anno 2001 wurde das BVerfSchG entsprechend angepasst. Dabei unterlief dem Gesetzgeber aber ein redaktionelles Versehen: statt auf § 4 Abs. 4 G10 verwies § 9 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG i. d. F. vom 26.6.2001 auf § 4 Abs. 3 G10. Das redaktionelle Versehen blieb bis zur Aufhebung der Vorschrift durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz unkorrigiert. 458 Hierbei ist zu vermuten, dass sich der Gesetzgeber des Wegfalls dieser Übermittlungsbeschränkung nicht bewusst gewesen ist. In der Gesetzesbegründung jedenfalls hatte der Gesetzgeber nur die Übermittlungsvorschriften für Daten aus technischer Wohnraumüberwachung im Blick; vgl. BT-Drs. 14/7864, S. 12. Hierfür spricht, dass die Änderung erst im Innenausschuss erfolgt ist; vgl. den Ursprungsentwurf unter BT-Drs. 14/7386, S. 4.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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b) Daten aus Besonderen Auskunftsverlangen Mit Einführung der Befugnisnorm zum Besonderen Auskunftsverlangen durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz konnten sämtliche dieser Daten nur nach Maßgabe des § 4 G10 verwendet werden.459 Mit der Überarbeitung der Befugnisnorm durch das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz im Jahre 2007 unterlagen nur noch die Daten einem besonderen Transfervorbehalt, deren Erhebung und damit auch deren Transfer einen Eingriff in Art. 10 GG darstellen. Unter einer besonderen Übermittlungsbegrenzung standen mithin nur noch die sog. Verbindungsdaten, welche der Verfassungsschutz von Post- und Teledienstleistern erhalten hat.460 Mit dem Gesetz zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes vom 7. Dezember 2011 wiederum unterliegen sämtliche Daten, die kraft Besonderen Auskunftsverlangens gem. § 8a Abs. 2 und 2a BVerfSchG erlangt worden sind, den Übermittlungsvoraussetzungen von § 4 G10. Mithin unterfallen von den Daten, die über das Besondere Auskunftsverlangen erlangt werden können, nur noch die Bestandsdaten gem. § 8a Abs. 1 BVerfSchG den allgemeinen Übermittlungsvorschriften nach den §§ 17 ff. BVerfSchG. 2. Übermittlung von Daten aus technischer Wohnraumüberwachung Für Daten, die im Rahmen einer Wohnraumüberwachung gem. § 9 Abs. 2 S. 1 und 2 BVerfSchG erlangt worden sind, enthält § 9 Abs. 2 S. 7 BVerfSchG eine spezielle Verwendungsregelung. Danach dürfen die erhobenen Informationen (nur) nach Maßgabe des § 4 Abs. 4 G10 verwendet werden.461 Durch den Verweis auf § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10 dürfen die Daten folglich auch zu Zwecken der Strafverfolgung an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden: Hierzu müssen bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass der von der Übermittlung Betroffene eine entsprechend verfolgbare Katalogstraftat be-

459

§ 8 Abs. 9 S. 9 BVerfSchG i. d. F. vom 9.1.2002. Vgl. § 8a Abs. 5 S. 7 BVerfSchG a. F. 461 An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass im Rahmen dieser Untersuchung allein die einfachgesetzlichen Regelungen in ihrer Anwendung untersucht werden können; hierzu bereits unten Erster Teil: B. Auf die erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, die sich bei einem Verweis der Übermittlungsvorschrift von Daten aus einem Eingriff in Art. 13 GG auf die Vorschriften zur Übermittlung von Daten, die aus einem Eingriff in Art. 10 GG stammen, stellen, kann hier nur hingewiesen werden. So ergeben sich verfassungsrechtliche Zweifel schon deshalb, weil die Eingriffsschranken gem. Art. 13 Abs. 4 S. 1 GG („Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit“) strengere Anforderungen stellen als die Eingriffsschranken nach Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG („Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes“) und nicht nur die Erhebung, sondern auch die Übermittlung einen genauso intensiven Eingriff in das betroffene Grundrecht darstellt; hierzu bereits unten Dritter Teil: Kapitel 2 A. I. 460

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

geht oder begangen hat und die Übermittlung muss für die Strafverfolgungsbehörde erforderlich sein.462 Des Weiteren verweist § 9 Abs. 2 S. 8 BVerfSchG noch auf § 4 Abs. 6 G10 und verpflichtet damit den Empfänger der Daten zur Wahrung der Zweckbindung und zur Prüfung der Erforderlichkeit. Bei fehlender Erforderlichkeit ist der Empfänger zur Löschung verpflichtet. Diese ist zudem zu protokollieren. Auch ist das BfV über die Löschung in Kenntnis zu setzen.463 Aus dem Nichtverweis zu § 4 Abs. 5 G10 ist der Schluss zu ziehen, dass die Übermittlung von „überschießenden“ Daten nicht statthaft ist. Im Vergleich zu den allgemeinen Übermittlungsvorschriften der §§ 17 ff. BVerfSchG fällt auf, dass der Minderjährigenschutz (§ 24 BVerfSchG), die Nachberichtspflicht (§ 26 BVerfSchG) sowie die Übermittlungsverbote (§ 23 BVerfSchG) hier keine ausdrückliche Entsprechung finden. Im Unterschied zum Spezialgesetz G10 stellt sich hier allerdings die Frage, ob Minderjährigenschutz und Nachberichtspflicht auch für die Übermittlung nach § 9 Abs. 2 BVerfSchG unmittelbar gelten sollen. Der Wortlaut von § 24 und § 26 BVerfSchG legt dies nahe, denn in beiden Regelungen wird auf die Übermittlung nach den Vorschriften des BVerfSchG (als Ganzes) abgestellt.464 Anders hingegen verhält es sich mit den Übermittlungsverboten gem. § 23 BVerfSchG. Sie sind nur bei einer Übermittlung nach den §§ 17 ff. BVerfSchG anwendbar. An dieser Stelle soll den hiermit verbundenen Fragestellungen aus den bereits im Rahmen von G10 genannten Gründen nicht weiter nachgegangen werden.465 Auch hier kommt allein dem Minderjährigenschutz überhaupt eine den Datentransfer eingrenzende Funktion zu. Systematik und Telos streiten für eine Beachtung des speziellen Minderjährigenschutzes, auch wenn diesem de facto kaum Bedeutung zukommen wird. 3. Übermittlung von IMSI-Catcher-Daten Für Daten, die mittels Einsatzes eines IMSI-Catchers gem. § 9 Abs. 4 S. 1 BVerfSchG erlangt worden sind, enthalten die § 9 Abs. 4 S. 4 und 6 BVerfSchG spezielle Übermittlungsregelungen.

462 Zu den hiermit verbundenen Einzelheiten kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden; Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. 1. 463 Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. 2. 464 Dem Gesetzgeber kann bezüglich der Erfassung von §§ 24, 26 BVerfSchG auf den Übermittlungsvorgang nach § 9 Abs. 2 BVerfSchG ein solches Ansinnen allerdings kaum unterstellt werden. Vielmehr hat der Gesetzgeber auf die im G10 enthaltenen Vorgaben an eine Datenübermittlung abgestellt. Dafür spricht neben der Übernahme des Übermittlungstatbestandes § 4 Abs. 4 Nr. 1 und 2 G10 auch die Verweisung auf § 4 Abs. 6 G10 hinsichtlich der Pflichten des Empfängers. Und im G10 sind Minderjährigenrecht und Nachberichtspflicht nicht geregelt. 465 Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. 2. d).

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Hinsichtlich der Voraussetzung für eine Übermittlung gilt im Grundsatz das Gleiche wie für die Übermittlung von Daten aus einer G10-Überwachung.466 Denn § 9 Abs. 4 S. 4 BVerfSchG verweist für die weitere Verarbeitung der Daten und damit auch für die Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden in Gänze auf die in § 4 G10 festgehaltenen Vorschriften. Damit unterliegt die Übermittlung von IMSI-Catcher-Daten grundsätzlich den gleichen Voraussetzungen wie die Übermittlung von Daten aus einer Individualüberwachung gem. § 3 G10. Eine Besonderheit gilt jedoch für die personenbezogenen Daten eines von der Erhebungsmaßnahme erfassten Dritten. Diese Daten unterliegen gem. § 9 Abs. 4 S. 6 BVerfSchG einem absoluten Verwendungsverbot. Sie können daher auch zu Zwecken der Strafverfolgung nicht übermittelt werden. 4. Übermittlung von Daten aus Besonderen Auskunftsverlangen Für Daten, die das BfV kraft Besonderen Auskunftsanspruchs gem. § 8a Abs. 2 und 2a BVerfSchG gegenüber Luftfahrtunternehmen sowie Betreibern von Computerreservierungssystemen und Globalen Distributionssystemen für Flüge, Banken, Bundeszentralamt für Steuern, Telekommunikations- und Teledienstleistern über bestimmte Personen erlangt hat, enthält § 8b Abs. 2 S. 7 BVerfSchG eine spezielle Übermittlungsregelung. Diese verweist (wie der eben vorgestellte § 9 Abs. 4 S. 4 BVerfSchG für die IMSI-Catcher-Daten) für die weitere Verarbeitung der erhobenen Daten auf § 4 G10 – nun allerdings ohne weitere Ausnahme. Damit unterliegt auch die Übermittlung dieser Daten durch den Verfassungsschutz an die Strafverfolgungsbehörden den gleichen Voraussetzungen wie die Übermittlung von Daten aus einer Individualüberwachung gem. § 3 G10. 5. Zusammenfassung und Stellungnahme Sämtliche der im BVerfSchG enthaltenen speziellen Übermittlungsvorschriften verweisen mit unterschiedlicher Reichweite auf die Übermittlungsvorschriften nach dem G10. So besteht für die Übermittlung von IMSI-Catcher-Daten und Daten aus Besonderen Auskunftsverlangen gem. § 8a Abs. 2 und 2a BVerfSchG ein vollständiger Verweis auf die Vorschriften des G10. Eine Ausnahme von dem Gleichlauf besteht nur hinsichtlich der Daten Dritter beim IMSI-Catcher-Einsatz, die einem absoluten Übermittlungsverbot unterliegen. Für die Übermittlung von Daten aus technischer Wohnraumüberwachung wird ebenfalls im Grundsatz auf die Vorschriften des G10 verwiesen. Ausgespart ist hierbei aber § 4 Abs. 5 G10 mit der Folge, dass die Übermittlung von überschie466

Hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

ßenden Daten ausgeschlossen ist. Eine richterliche Überprüfung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Maßnahme findet nicht statt. Auf die allgemeinen Übermittlungsvorschriften der §§ 17 ff. BVerfSchG wird nicht ausdrücklich Bezug genommen. Auch wenn vom Gesetzgeber nicht bewusst entschieden, ist auch in den hiesigen Übermittlungskonstellationen der über § 24 BVerfSchG gefasste, spezifische Minderjährigenschutz zu berücksichtigen, der hier in systematischer und grammatikalischer Hinsicht unmittelbar angewendet werden kann. Schließlich bleibt festzuhalten, dass mit den neuen Vorschriften die ursprünglich allgemeiner gehaltenen Übermittlungsbegrenzungen weggefallen sind. VI. Keine Regelung des Auskunftsersuchens Sämtliche der vorgestellten Übermittlungsvorschriften regeln allein die Spontanübermittlung durch den Verfassungsschutz, sei diese nun fakultativ oder obligatorisch ausgestaltet. Damit ist aber bislang noch nicht die Konstellation erfasst, in der die Strafverfolgungsbehörden den Verfassungsschutz um die Übermittlung von Informationen ersuchen.467 Tatsächlich existieren im Binnenbereich der nachrichtendienstlichen Gesetze im Grundsatz468 keine Regelungen, die es den Strafverfolgungsbehörden gestatten, das BfV um Übermittlung von Informationen zu ersuchen.469 Anders sieht dies hingegen im Bereich der Gefahrenabwehr aus. So regelt § 20 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG, dass die Polizeibehörden zur Verhinderung von Staatsschutzdelikten den Verfassungsschutz um Übermittlung der erforderlichen Informationen ersuchen können. Die fehlende Regelung ist allerdings nicht als gesetzgeberisches Versehen zu werten. Denn aus diesem Befund ist nicht der Schluss zu ziehen, den Strafverfolgungsbehörden stehe kein Auskunftsanspruch zu. Vielmehr sollen und können sie auf den Auskunftsanspruch gem. § 161 StPO vollständig zurückgreifen.470 467

Vgl. für §§ 17 ff. BVerfSchG König, S. 265; Zöller, HdbIS, S. 447 (501). Eine faktische Ausnahme kann in § 22a BVerfSchG gesehen werden; vgl. hierzu Dritter Teil: Kapitel 2 E. II. 469 Anders noch war im Entwurf auch für die Strafverfolgungsbehörden ein entsprechendes Ersuchensrecht vorgesehen (§ 15 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG-E, BT-Drs. 11/4306, S. 28). Der Bundesrat hat jedoch in seiner Stellungnahme vorgeschlagen, das Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden gegenüber dem Umfang wie ihn bereits § 161 StPO gewährt nicht einzuengen (vgl. BT-Drs. 11/4306, S. 86 f.). Aus der Gegenäußerung der Bundesregierung geht hervor, dass diese stets den Auskunftsanspruch aus § 161 Abs. 1 StPO als neben den Vorschriften nach den §§ 19 und 20 BVerfSchG für anwendbar erachtet hat (vgl. BT-Drs. 11/4306, S. 95: § 161 StPO bleibt unberührt). Entsprechend ist Zöller, HdbIS, S. 447 (501), zuzustimmen, nach dem sich das Fehlen eines entsprechenden Auskunftsanspruchs für die Strafverfolgungsbehörden nur vor dem Hintergrund von § 161 Abs. 1 S. 1 StPO erklären lässt. Zu widersprechen ist damit König, S. 285, der § 161 StPO gegenüber §§ 19 ff. BVerfSchG zurücktreten lassen will. 470 Vgl. hierzu unten Dritter Teil: Kapitel 2 C. I. 2. 468

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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VII. Fazit Im nachrichtendienstlichen Binnenrecht finden sich an mehreren Stellen Regelungen zur Übermittlung von Daten (auch) an die Strafverfolgungsbehörden. Sämtliche Übermittlungsvorschriften im nachrichtendienstrechtlichen Binnenbereich regeln unmittelbar allein die Spontanübermittlung durch den Verfassungsschutz. Auf die Einfügung von Vorschriften zur Übermittlung aufgrund Ersuchens von Strafverfolgungsbehörden wurde bewusst verzichtet, um die strafverfahrensrechtlichen Regelungen nicht einzuschränken. Sämtliche Übermittlungsvorschriften erlauben eine Übermittlung zur Strafverfolgung im umfassenden Sinne. Erfasst ist mithin die Übermittlung der Daten zur Erforschung des Sachverhalts und zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des mutmaßlich Beschuldigten. Zudem kann die Übermittlung sowohl zu Zwecken des Beweises als auch zur Nutzung als Spurenansatz erfolgen. Innerhalb der zentralen Übermittlungsvorschriften der §§ 17 ff. BVerfSchG bilden § 20 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 BVerfSchG die einschlägigen Tatbestände für die Übermittlung von nachrichtendienstlichen Daten an die Strafverfolgungsbehörden. In ihrer Zusammenschau gewähren sie dem BfV eine umfassende Übermittlungsbefugnis. Das Wissen um faktisch jede Straftat, die das BfV im Rahmen seiner Beobachtung erfasst, kann im Grundsatz übermittelt werden. Auch (relative) Zufallsfunde können transferiert werden, also Daten, die zum Zeitpunkt der Übermittlung in keinem nachrichtendienstlichen Zusammenhang mehr stehen.471 Während § 19 Abs. 1 BVerfSchG dem BfV die Möglichkeit zur fakultativen Datenübermittlung einräumt, verpflichtet § 20 Abs. 1 BVerfSchG das BfV hierzu. In tatsächlicher Hinsicht kommt dieser konzeptionellen Unterscheidung jedoch keine Bedeutung zu. So weist bereits der Übermittlungstatbestand von § 20 Abs. 1 BVerfSchG hinsichtlich der unechten Staatsschutzdelikte dem Verfassungsschutz einen sehr weiten Beurteilungsspielraum zu. Hinzukommt von den in den §§ 23 bis 26 BVerfSchG zusammengefassten allgemeinen Übermittlungsvorschriften das Übermittlungsverbot kraft überwiegender Sicherheitsinteressen gem. § 23 Nr. 2 BVerfSchG. Über das nicht näher definierte Merkmal und auch abstrakt nur schwer zu bestimmende Kriterium der überwiegenden Sicherheitsinteressen wird die an sich bestehende Übermittlungspflicht weitgehend „geschleift“. Eine Übermittlung der Daten setzt nach beiden Übermittlungstatbeständen eine Prognoseentscheidung des Verfassungsschutzes voraus, dass die Daten für die Strafverfolgungsbehörden auch erforderlich sind. Das ist nur dann zu bejahen, wenn die Daten durch die Strafverfolgungsbehörden verwendet werden können, was zumindest einen strafrechtlichen Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO) 471 Eine zumindest theoretische Grenze besteht hinsichtlich absoluter Zufallsfunde, vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. b) bb).

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

voraussetzt. Eine Übermittlung von rein nachrichtendienstlich relevanten Vorfelddaten ist mithin ausgeschlossen.472 Neben § 23 Nr. 2 BVerfSchG kommt von den allgemeinen Übermittlungsvorschriften im Rahmen dieser Untersuchung allein noch dem in § 24 BVerfSchG geregelten Minderjährigenschutz eine Bedeutung zu, wenngleich dieser – da er nur Personen bis Vollendung des 15. Lebensjahres erfasst – von geringer Relevanz sein dürfte. Das zum Zwecke des Minderjährigenschutzes aufgestellte Übermittlungsverbot muss aufgrund der steten Vergleichbarkeit der Interessenlagen auch für die außerhalb der §§ 17 ff. BVerfSchG geregelten Übermittlungstatbestände Beachtung finden. Für die Übermittlung von Daten, die das BfV aufgrund • einer Individualkontrolle der Telekommunikation oder des Brief- und Postverkehrs, • einer technischen Wohnraumüberwachung, • eines IMSI-Catcher-Einsatzes oder • eines Besonderen Auskunftsanspruchs gem. § 8a Abs. 2 und 2a BVerfSchG gegenüber Luftfahrtunternehmen sowie Betreibern von Computerreservierungssystemen und Globalen Distributionssystemen für Flüge, Banken, Bundeszentralamt für Steuern, Telekommunikations- und Teledienstleistern über bestimmte Personen erlangt hat, enthalten § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10 sowie § 8b Abs. 2 und § 9 Abs. 2 und 4 BVerfSchG spezielle Übermittlungsvorschriften. Hierbei verweisen die Vorschriften im BVerfSchG im Wesentlichen auf das G10. Übereinstimmend können die Daten mithin nur zur Verfolgung solcher Straftaten übermittelt werden, die in dem sich über § 3 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 4 S. 1 G10 und § 23a Abs. 1 ZFdG ergebenden Straftatenkatalog enthalten sind.473 Die an sich begrenzende Funktion einer solchen Enumeration wird allerdings dadurch relativiert, dass der sich hier ergebende Katalog an Straftaten weit gefasst ist. Kennzeichen hierfür sind zum einen, dass auch solche Straftatbestände erfasst sind, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem nachrichtendienstlichen Beobachtungsauftrag stehen, und zum anderen auch solche Straftaten erfasst werden, hinsichtlich derer eine Überwachung der Telekommunikation gem. § 100a StPO nicht angeordnet werden dürfte. Die Begrenzung auf den Straftatenkatalog gilt hierbei nicht 472 Nochmals sei hervorgehoben, dass dies auch für die Übermittlung nach § 20 Abs. 1 BVerfSchG gilt. Eine Herabstufung der Anforderungen auf den Verdacht eines Verdachts einer Straftat ist nicht möglich; vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. a) bb). 473 Die Verweisungen auf § 3 Abs. 1 S. 2 G10 und § 23a Abs. 3 ZFdG gehen fehl; vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. 1. b) bb) und Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. 1. b) cc).

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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nur für den Verfassungsschutz, sondern auch für die Strafverfolgungsbehörden. Voraussetzung der Übermittlung ist, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht einer Katalogstraftat begründen. Übermittelt werden kann folglich nur dann, wenn der Verdachtsgrad erreicht ist, der auch für die Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung erforderlich ist. Hierzu hat der Verfassungsschutz vor der Übermittlung eine entsprechende Prognoseentscheidung zu treffen. Mit Ausnahme der Daten aus einem IMSI-Catcher-Einsatz474 können die gewonnen Daten (als Zufallsfunde) auch zur Verfolgung der Straftat eines Dritten übermittelt werden. Für die Übermittlung nachrichtendienstlicher Daten an die Strafverfolgungsbehörden ist eine vorherige Einschaltung eines Gerichts nicht erforderlich.475

C. Strafverfahrensrechtliche Regelungen der Mitwirkung Nachdem der Blick auf die nachrichtendienstrechtlichen Regelungen zur Übermittlung von Informationen durch das BfV an die Strafverfolgungsbehörden gerichtet war476, sind nun die entsprechenden strafverfahrensrechtlichen Regelungen zu analysieren. Es gilt zu untersuchen, welche nachrichtendienstlichen Daten in den Machtbereich der Strafverfolgungsbehörden gelangen (können). Hierzu ist das Strafverfahrensrecht zunächst dahingehend zu überprüfen, aus welchen Anlässen welche Datenübermittlungen an die Strafverfolgungsbehörden stattfinden können bzw. müssen (I.). In diesem Rahmen stellt sich insbesondere im Hinblick auf Spontanübermittlungen die Frage, inwieweit Strafverfolgungsbehörden an sie gerichtete Übermittlungsdaten in ihrem Machtbereich auch aufnehmen müssen. Darauf aufbauend ist zu klären, inwieweit die Strafverfolgungsbehörden die in ihren Machtbereich gelangten nachrichtendienstlichen Daten zu Zwecken der Strafverfolgung verwenden können. Das führt zu der Frage nach den strafverfahrensrechtlichen Grenzen der Datenverwendung (II.). Nach diesen Untersuchungsschritten können die strafverfahrensrechtlichen Regelungen zusammengefasst werden (III.).

474

Absolute Verwendungssperre über § 9 Abs. 4 S. 6 BVerfSchG. Eine Ausnahme bestand für die Übermittlung von Daten, die im Rahmen eines Einsatzes zur Eigensicherung im Wohnraum erlangt worden sind. Die Befugnis wurde mit Gesetz vom 9.1.2002 (BGBl. I S. 361) eingefügt. Nach § 9 Abs. 2 S. 11 BVerfSchG a. F. musste regelmäßig vor der Verwendung und damit auch vor der Übermittlung der Daten die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt werden. Die Befugnis zur Wohraumüberwachung bei Eigensicherung ist mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 7.12.2011 (BGBl. I S. 2576) aufgehoben worden. 476 Oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. 475

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

I. Anlässe der Datenübermittlung an die Strafverfolgungsbehörde Auf die Frage, aufgrund welcher Anlässe eine Datenübermittlung durch den Verfassungsschutz an die Strafverfolgungsbehörden stattfinden kann, lassen sich zwei Konstellationen ausmachen: Entweder übermittelt der Nachrichtendienst spontan, also eigeninitiativ, Daten an die Strafverfolgungsbehörde oder aber die Datenübermittlung erfolgt aufgrund eines Ersuchens durch die Strafverfolgungsbehörde. Aus strafverfahrensrechtlicher Perspektive stellt sich dabei die erste Konstellation als eine „aufgedrängte Datenübermittlung“ dar.477 1. Aufgedrängte Datenübermittlung Die Konstellation der aufgedrängten Datenübermittlung stellt im Grunde die Kehrseite zu der im vorherigen Kapitel dargestellte Übermittlungsanlässe nach nachrichtendienstlicher Gesetzeslage dar.478 Dort wurde herausgearbeitet, wann der Verfassungsschutz eigeninitiativ welche Daten an die Strafverfolgungsbehörden übermitteln darf bzw. muss. Durch das im Strafverfahrensrecht geltende Legalitätsprinzip (§ 160 Abs. 1 StPO) ist die Strafverfolgungsbehörde gezwungen, Ermittlungen aufzunehmen.479 Die Ermittlungspflicht wird ausgelöst, wenn und weil das BfV als andere Behörde480 der Strafverfolgungsbehörde entsprechende Verdachtsmomente mitteilt.481 Die Strafverfolgungsbehörde kann folglich die übermittelten Daten nicht einfach abweisen oder ignorieren. Die Konstellationen, in denen eine Datenübermittlung keine Ermittlungspflicht auslöst, sind in dem hier untersuchten Bereich de facto nicht relevant. So wird etwa eine Ermittlungspflicht dann nicht ausgelöst, wenn bereits eine erste Sachverhaltsprüfung durch die Staatsanwaltschaft ergibt, dass das ihr bekannt gewordene Verhalten von vornherein nicht die Voraussetzungen einer verfolgbaren Straftat erfüllt oder einer Strafverfolgung nicht behebbare Verfahrenshindernisse (z. B. Verjährung, Strafklageverbrauch) entgegenstehen oder das Verfahren aufgrund einer Ausnahme vom Legalitätsprinzip eingestellt werden kann (z. B. §§ 153 Abs. 1, 376 StPO) oder Verwendungsregelungen (§ 160 Abs. 4 StPO) entgegenstehen.482 Die Irrelevanz liegt darin begründet, dass es hier allein um den

477

Zum Terminus „aufgedrängte Datenübermittlung“: Rieß, FG Hilger, S. 171 (178). Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. 479 Zum Legalitätsprinzip vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 2 A. LR/Rieß, StPO, (25. A.), § 160 Rn. 20; LR/Erb, StPO, § 160 Rn. 21. 480 LR/Rieß, StPO, (25. A.), § 161 Rn. 9; SK/Wohlers, StPO, § 161 Rn. 20: Träger der unmittelbaren und mittelbaren Staatsgewalt. 481 Vgl. LR/Rieß, StPO, (25. A.), § 160 Rn. 24. 482 Vgl. LR/Erb, StPO, § 160 Rn. 31 ff.; HK/Zöller, StPO, § 160 Rn. 4, 17. 478

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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rechtmäßigen Informationstransfer geht und der Nachrichtendienst eine Prognoseentscheidung hinsichtlich des Verdachtsgrades aus strafverfahrensrechtlicher Beurteilungsperspektive vor einer Spontanübermittlung anzustellen hat. Der Vollständigkeit wegen sei schließlich noch auf das Folgende hingewiesen: Selbst wenn die Datenübermittlung keine Ermittlungspflicht auslösen sollte, so nimmt die Strafverfolgungsbehörde die übermittelten Daten gleichwohl zwingend zur Kenntnis. Denn auch die Entscheidung der Nichtaufnahme von Ermittlungen bedingt eine Prüfung des übermittelten Materials. Besonders deutlich wird dies bei der Entscheidung über eine Einstellung des Verfahrens. Mit der Übermittlung sind die Daten in den Machtbereich (im Sinne des Kenntnisbereichs) der Strafverfolgungsbehörde gelangt. 2. Auskunftsersuchen Zunächst einmal erweist sich das Auskunftsersuchen nicht als (bloße) Kehrseite zum nachrichtendienstlichen Übermittlungskapitel.483 Denn hier geht es darum, dass die Strafverfolgungsbehörde an den Nachrichtendienst herantritt und von ihm die Übermittlung von Informationen verlangt. Gerade diese Konstellation fand im nachrichtendienstrechtlichen Binnenbereich keine Regelung. Freilich erfolgte dieses Unterlassen, wie die gesetzgeberische Diskussion zu § 20 BVerfSchG zeigt, nicht etwa aus Unachtsamkeit, sondern vor dem Hintergrund bereits bestehender strafverfahrensrechtlicher Regelungen.484 Das staatsanwaltschaftliche Auskunftsersuchen ist in § 161 Abs. 1 StPO niedergelegt. Danach sind gem. Satz 1 Var. 1 alle inländischen Behörden und damit auch der Verfassungsschutz gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zur Erteilung von Auskunft verpflichtet.485 Im Folgenden sind Umfang und Grenzen dieses Anspruchs (begrenzt auf den hiesigen Untersuchungsgegenstand) auszuloten.486 An dieser Stelle soll noch klarstellend auf das Folgende hingewiesen werden: Zwar wurde der Wortlaut des § 161 Abs. 1 StPO mit dem Strafverfahrensände483

Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. VI. 485 Die dogmatische Herleitung des Auskunftsverlangens und der damit korrespondierenden Auskunftspflicht ist umstritten, aber ohne erhebliche praktische Bedeutung. LR/Erb, StPO, § 161 Rn. 5, und KK/Griesbaum, StPO, § 161 Rn. 2.: Im Wesentlichen geht es darum, ob die Pflicht zur Auskunftserteilung aus dem Grundsatz der Amtshilfe (Art. 35 Abs. 1 GG) abzuleiten ist oder eine spezifisch strafprozessuale Sonderregelung darstellt. 486 Untergeordnet ist demgegenüber das Auskunftsersuchen der Polizei nach § 163 Abs. 1 S. 2 StPO, denn hiernach besteht eine Pflicht zur Auskunft nur bei Gefahr in Verzug. Im Übrigen gelten aber die gleichen Grundsätze wie bei § 161 StPO; LR/Rieß, StPO, (25. A.), § 161 Rn. 32a. 484

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

rungsgesetz 1999 neu gefasst, um den Anforderungen an das Volkszählungsurteil von 1983 (!) gerecht zu werden:487 Aus dem bloßen Stellenkönnen (Aufgabenzuweisung) eines Auskunftsanspruchs wurde ein Stellendürfen (Befugnisnorm). Erklärtes Ziel der Gesetzgebung war es jedoch, (jedenfalls hinsichtlich des Auskunftsanspruchs) die bis dahin gängige Praxis nicht zu ändern.488 Folglich zwingt die Neufassung des Auskunftsanspruchs nicht zu einer Neubewertung der bereits im nachrichtendienstrechtlichen Binnenbereich erläuterten Erwägung des Gesetzgebers, aufgrund des schon bestehenden strafverfahrensrechtlichen Auskunftsanspruchs auf eine eigene Regelung zu verzichten, auch wenn diese schon im Hinblick auf die Neufassung des BVerfSchG im Jahre 1990 und damit vor der jetzigen Fassung des Auskunftsanspruchs erstellt worden ist. a) Möglichkeiten bei Vorermittlungen Wie bereits ausgeführt, kann nun auch die Strafverfolgungsbehörde ihrerseits nicht einfach grundlos tätig werden. Vielmehr ist aus dem Legalitätsprinzip, dem die Strafverfolgungsbehörde unterliegt, das Verbot der bloßen Verdachtsschöpfung zu entnehmen. Das bedeutet, dass ohne Anfangsverdacht die Ermittlungsbehörde gegenüber den Nachrichtendiensten kein Auskunftsverlangen stellen kann.489 An dieser Stelle ist nun noch einmal auf das Institut der Vorermittlung einzugehen. Es wurde bereits festgestellt, dass hierbei die Strafverfolgungsbehörde tätig wird, um abzuklären, ob überhaupt ein Anfangsverdacht besteht. Auch wenn viele Gründe dafür sprechen, das Institut als solches abzulehnen, wird es gleichwohl mehrheitlich anerkannt und vor allem auch praktiziert.490 Hierbei ist zwar wiederum überwiegend anerkannt, dass mangels Rückgriffsmöglichkeit auf § 161 Abs. 1 StPO den Strafverfolgungsbehörden der Einsatz von Maßnahmen mit Zwangs- und Eingriffscharakter verwehrt ist.491 Regelmäßig findet sich aber das Ersuchen von Behörden um Auskunft als taugliche Vorermitt-

487 BT-Drs. 14/1484, S. 1; Hilger, NStZ 2000, 561 (562 f.); Hefendehl, StV 2001, 700 (700). 488 Rieß, FG Hilger, S. 171 (175: bloße Verbalkosmetik); Brodersen, NJW 2000, 2536 (2538: „Ziel [. . .] war es, dass sich [. . .] nichts ändert.“). Kritisch zur Übertragung des in einer anderen Materie ergangenen Vokszählungsurteils auf das Strafprozessrecht äußern sich u. a. Schnarr, StraFo 1998, 217 (223), und LR/Rieß, StPO, (25. A.), § 163 Rn. 101. Zum Verhältnis zwischen Generalklausel und Gesetzesvorbehalt Mittag, S. 137 ff. Ausgehend von der Idee des Volkszählungsurteils – der Begrenzung der Datenverarbeitung – kann allerdings das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 mit Dencker, S. 237 (241), zu Recht „als gesetzgeberische[ ] Satire auf das Volkszählungsurteil bezeichne[t]“ werden. 489 Vgl. hierzu oben Zweiter Teil: Kapitel 2 A. I. 490 Vgl. hierzu oben Zweiter Teil: Kapitel 2 B. I. Nach Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rn. 4a, sind Vorermittlungen in der Praxis häufig zu beobachten. 491 Senge, S. 701 (710); Diemer, NStZ 2005, 666 (666).

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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lungsmaßnahme.492 Von daher ist an dieser Stelle – trotz aller Vorbehalte gegenüber dem Institut als solches – zu prüfen, inwieweit der Verfassungsschutz kraft Auskunftsersuchens zur Datenübermittlung verpflichtet sein kann, auch wenn seitens der Strafverfolgungsbehörde selbst kein Anfangsverdacht vorliegt, sondern gerade dessen Vorliegen abgeklärt werden soll. Die Antwort auf diese Frage ist in der Überlegung zu finden, dass die Übermittlung von personenbezogenen Daten durch den Verfassungsschutz an die Strafverfolgungsbehörde einen Grundrechtseingriff darstellt, der aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes einer gesetzlichen Legitimation bedarf.493 Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Übermittlung aufgrund eines Ersuchens durch die Strafverfolgungsbehörde erfolgen soll. An einer entsprechenden einfachgesetzlichen Legitimation fehlt es jedoch, da ein Rückgriff auf § 161 Abs. 1 StPO bei Vorermittlungshandlungen gesperrt ist.494 Auch kommt ein Rückgriff auf den vom BVerfG in seinem Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983495 eingeräumten Übergangsbonus nach über 30 Jahren nicht mehr in Betracht.496 Nach Diemer hingegen soll eine Übermittlung kraft der folgenden Konstruktion statthaft sein497: Da über § 152 Abs. 2 StPO die Vorermittlung legitimiert werde, könne die Strafverfolgungsbehörde auch aufgrund von § 152 Abs. 2 StPO andere Behörden um Auskunft ersuchen. Die Übermittlung der Daten selbst erfolge dann allerdings auf der Grundlage derjenigen Spezialnormen, nach denen die ersuchte Behörde im Rahmen ihres Aufgabenbereichs befugt und verpflichtet sei. Der Verfassungsschutz könne folglich über § 19 Abs. 1 und § 20 Abs. 1 BVerfSchG dem Ersuchen nachkommen. Denn dass z. B. ein Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts dem von § 19 Abs. 1 BVerfSchG geforderten Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit dient, unterliege keinem Zweifel. Entsprechend könne nichts anderes für die der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zwingend vorgeschalteten Prüfung des Anfangsverdachts gelten. – Mit diesem Modell setzt sich Diemer jedoch in einen Widerspruch zur bestehenden Sicherheitsarchitektur,

492 Senge, S. 701 (710); Diemer, NStZ 2005, 666 (667); Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rn. 4a: „Zwangs- und Eingriffsmaßnahmen, mit Ausnahme von Eingriffen in das informationelle Selbstbestimmungsrecht, dürfen nicht vorgenommen werden.“ 493 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 A. 494 Wie hier wohl auch Zöller, Informationssysteme, S. 129 ff.; HK/Gercke, StPO, § 152 Rn. 5; HK/Zöller, StPO, § 159 Rn. 9; (zumindest für den Fall der Aktenbeziehung) Senge, S. 701 (710); anders wohl Keller/Griesbaum, NStZ 1990, 416 (417). 495 BVerfGE 65, 1. 496 So auch Senge, S. 701 (710); Zöller, Informationssysteme, S. 130. Anders hingegen Lange, S. 142 ff.: hinzunehmen, „um eine sonst im Vorermittlungsverfahren eintretende Funktionsunfähigkeit zu vermeiden.“ – Zum Übergangsbonus vgl. bereits oben Fn. 224. 497 Diemer, NStZ 2005, 666 (668).

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

in der das Legalitätsprinzip für die Strafverfolgungsbehörden eine negative Begrenzungsfunktion zukommt: Der Gesetzgeber hat in der Ausgestaltung von § 161 StPO explizit entschieden, dass die Strafverfolgungsbehörden erst bei einem bestehenden Anfangsverdacht grundrechtsrelevante Ermittlungsmaßnahmen einleiten können.498 Diese Entscheidung umgeht das Modell. Sie höhlt den Unterschied zwischen Spontanübermittlung und Übermittlung aufgrund Ersuchens aus. Das Fehlen einer strafprozessualen Kompetenznorm soll durch einen Rückgriff auf die Kompetenznorm der ersuchten Behörde für Spontanübermittlungen ersetzt werden. Das Scheitern dieses Ansatzes lässt sich am Übermittlungsmerkmal der Erforderlichkeit festmachen. Wie bereits aufgezeigt, bedingt eine Übermittlung nach den Regelungen zur Spontanübermittlung über das Merkmal der Erforderlichkeit das Vorliegen eines strafrechtlichen Anfangsverdachts.499 Genau daran fehlt es in den hiesigen Konstellationen. Dem Modell von Diemer kann regelmäßig nicht einmal so weit gefolgt werden, als dass zumindest die Strafverfolgungsbehörde bei dem Verfassungsschutz im Rahmen der Vorermittlung um Erkenntnisse nachfragen500 und dieser dann durch die Kombination von Nachfrage und eigenen Erkenntnissen einen Straftatverdacht bejahen und somit nach den Vorschriften zur spontanen Übermittlung die Erkenntnisse transferieren könnte.501 Denn die Strafverfolgungsbehörde müsste gerade deutlich machen, dass es sich nicht um ein Ersuchen im eigentlichen Sinne handelt und ihr Verlangen entsprechend näher darlegen. Die Strafverfolgungsbehörde hat solcherart motivierte Anfragen stets besonders kenntlich zu machen. Für den Nachrichtendienst muss erkennbar sein, dass im Moment der Anfrage seitens der Strafverfolgungsbehörde kein Anfangsverdacht besteht, er also nicht aufgrund § 161 Abs. 1 StPO, sondern kraft der Vorschriften zur Spontanübermittlung tätig werden soll. Dann aber muss die Strafverfolgungsbehörde gegenüber dem Verfassungsschutz regelmäßig personenbezogene Daten mit einem potenziell strafrechtlich relevanten Verhalten in Verbindung bringen. Das wiederum stellt gegenüber der betroffenen Person einen Grundrechtseingriff dar. Doch für eine solche Anfrage gibt es keine gesetzliche Grundlage. § 161 Abs. 1 StPO greift nicht und § 152 Abs. 2 StPO legitimiert keine Grundrechtseingriffe.502

498

Oben Zweiter Teil: Kapitel 2 C. und Zweiter Teil: Kapitel 2 A. Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. a) bb) und Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. b) cc). 500 Von einem „Ersuchen“ kann wie oben aufgezeigt bei einem Vorermittlungsverfahren nicht gesprochen werden. 501 Mit anderen Worten: der Verfassungsschutz führt, von der Strafverfolgungsbehörde veranlasst, eine Spontanübermittlung an die Strafverfolgungsbehörde aufgrund ihrer Veranlassung durch. 502 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 A. 499

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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b) Umfang der Auskunftspflicht Sofern aber die Strafverfolgungsbehörde auf der Grundlage von § 161 Abs. 1 StPO eine andere Behörde um Auskunft ersucht, ist die in Anspruch genommene Behörde und damit auch der Verfassungsschutz im Grundsatz verpflichtet, der Strafverfolgungsbehörde Auskunft zu erteilen.503 Hierbei ist die in Anspruch genommene Behörde verpflichtet, möglichst umfassende und vollständige Informationen zu liefern.504 Das bedeutet, sie muss dem Auskunftsverlangen entsprechend die (nicht nur in den Akten festgehaltenen) relevanten Informationen der Strafverfolgungsbehörde zur Verfügung stellen.505 Zudem kann die Staatsanwaltschaft auch Mitarbeiter der ersuchten Behörde vernehmen und die Vorlage der relevanten Unterlagen verlangen.506 c) Grenzen der Auskunftspflicht Dieser zunächst einmal recht umfassend erscheinende Auskunftsanspruch unterliegt jedoch Begrenzungen. So erstreckt sich der Anspruch nur auf rechtmäßig erlangte Informationen.507 Einer Aufforderung zur Übermittlung von rechtswidrig erlangten Informationen hingegen stünde der auf zulässige Maßnahmen begrenzte Grundsatz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens entgegen.508 Zudem können nach allgemeiner Auffassung dem Auskunftsanspruch Zeugnisverweigerungsrechte, Beschlagnahmeverbote, Beweisverwertungsverbote, bereichsspezifische Geheimhaltungspflichten oder Sperrerklärungen entgegenstehen.509 Das Bestehen solcherart Grenzziehung ist zunächst einmal schon deshalb ohne Weiteres nachvollziehbar, weil das Ziel des Strafverfahrens gerade nicht darin bestehen kann, die Wahrheit um jeden Preis zu erforschen.510 Im Hinblick auf das Ersuchen gegenüber einem Nachrichtendienst erscheinen insbesondere die bereichsspezifischen Geheimhaltungspflichten sowie die Sperrerklärungen erläuterungsbedürftig. Ihnen ist daher im Folgenden nachzugehen.

503

Meyer-Goßner, StPO, § 161 Rn. 1. BGHSt 29, 109 (112). 505 Vgl. LR/Erb, StPO, § 161 Rn. 6 f.; SK/Wohlers, StPO, § 161 Rn. 25; HK/Zöller, StPO, § 161 Rn. 5. 506 KK/Griesbaum, StPO, § 161 Rn. 6; HK/Zöller, StPO, § 161 Rn. 4. 507 Wollweber, NJW 2000, 3623 (3623); HK/Zöller, StPO, § 161 Rn. 3; a. A. offenbar Brodersen, NJW 2000, 2536 (2539), der auf den insoweit offenen Wortlaut von § 161 Abs. 1 S. 1 StPO abstellt. 508 Wollweber, NJW 2000, 3623 (3623). 509 LR/Erb, StPO, § 161 Rn. 14; LR/Rieß, StPO, (25. A.), § 161 Rn. 14 ff.; SK/Wohlers, StPO, § 161 Rn. 26; HK/Zöller, StPO, § 161 Rn. 8. 510 Vgl. hierzu BGHSt 14, 358 (365). 504

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

aa) Bereichsspezifische Geheimhaltungsvorschriften Dass bereichsspezifische Geheimhaltungsvorschriften gegenüber dem strafverfahrensrechtlichen Auskunftsanspruch Vorrang haben und diesen insoweit sperren, ist ein seit jeher anerkannter Grundsatz, sofern es sich dabei um bundesrechtliche Vorschriften handelt.511 Seit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999512 findet sich hierzu im Strafverfahrensrecht – an insoweit systematisch verfehlter Stelle513 – mit § 160 Abs. 4 StPO auch eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift. Die eigentliche Bedeutung dieser Regelung liegt denn auch vor allem in der (allerdings hier nicht relevanten) Klarstellung, dass auch landesrechtliche Regelungen Vorrang haben, sofern sie dem Bundesrecht entsprechen.514 So anerkannt der Grundsatz der bereichsspezifischen Geheimhaltungsvorschriften als solches auch ist, die Antwort auf die Frage, wann in einer spezialgesetzlichen Regelung (auch) eine Sperrung des Auskunftsanspruchs zu sehen ist, bleibt auch mit der Neuregelung im Einzelfall schwierig.515 Mit der Regelung in § 160 Abs. 4 StPO ist zudem eine Anpassung dergestalt erfolgt, als dass sich dort statt des in der überkommenen strafverfahrensrechtlichen Literatur gebräuchlichen Terminus der bereichsspezifischen Geheimhaltungsvorschriften516 der Terminus der entgegenstehenden Verwendungsregelungen findet. Von einer terminologischen Anpassung kann deshalb gesprochen werden, weil sich diese Terminologie mittlerweile auch in anderen datenschutzbezogenen Regelungen des Strafverfahrens (z. B. § 98b Abs. 1 S. 6 und § 477 Abs. 2 S. 1 StPO sowie § 12 Abs. 3 EGGVG) findet. Dabei ist der Begriff der Verwendungsregelung freilich gar kein dem allgemeinen Datenschutzrecht (z. B. dem BDSG) entliehener terminus technicus. Tatsächlich ist der Begriff der Verwendungsregelung nirgends definiert.517 Die Bedeutung lässt sich aber unter Rückgriff auf die Motive des Gesetzgebers bestimmen. Danach ist unter dem Terminus der entgegenstehenden Verwendungsregel sowohl der „Schutz besonde511

Vgl. LR/Erb, StPO, § 161 Rn. 17a. Zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 vgl. auch unten Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 1. b) bb) (2). 513 SK/Wohlers, StPO, § 160 Rn. 72; HK/Zöller, StPO, § 160 Rn. 17; LR/Rieß, StPO, (25. A.), § 160 Rn. 9c: Grund ist eine fehlende redaktionelle Anpassung im Gesetzgebungsverfahren. 514 BT-Drs. 14/1484, S. 23, 40, 46; SK/Wohlers, StPO, § 160 Rn. 73 ff. Das vorliegend die bereichsspezifischen Geheimhaltungsvorschriften auch für die Strafverfolgungsbehörden Beachtlichkeit besitzen, ergibt sich ohne Weiteres schon daraus, dass die hier relevanten Vorschriften vom Bundesgesetzgeber erlassen worden sind. 515 Vgl. Hilger, StraFo 2001, 109 (111): Stellen Zeugnisverweigerungsrechte entgegenstehende Verwendungsregelungen dar? 516 An diesen Terminus offenbar immer festhaltend: LR/Erb, StPO, § 160 Rn. 34a, 39b. 517 So schon SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 5; unkritisch hingegen HK/Zöller, StPO, § 160 Rn. 17. 512

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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rer Amts- und Berufsgeheimnisse“ als auch „die Beachtung sonstiger Regelungen [. . .], die einen gesteigerten Schutz personenbezogener Daten bewirken sollen“, zu verstehen.518 § 160 Abs. 4 StPO wendet sich im Rahmen eines Auskunftsersuchens unmittelbar an den Datenübermittler.519 Der Verfassungsschutz darf bei einer entgegenstehenden Verwendungsregelung dem Ersuchen der Strafverfolgungsbehörden nicht entsprechen, da diese dem Auskunftsanspruch selbst und damit auch der Übermittlung aufgrund des Auskunftsanspruchs entgegensteht.520 Regelmäßig geht es zunächst einmal um die Analyse, ob und inwieweit sich aus dem Gesetz, das die Erhebung der Daten regelt, auch Regelungen über die Verwendung der Daten entnehmen lassen, die einem strafverfahrensrechtlichen Auskunftsanspruch entgegenstehen. Dabei darf sich die Suche nicht auf ausdrücklich normierte Verbote von Datenweitergaben beschränken, wie sie sich z. B. in § 30 Abs. 1 AO (Steuergeheimnis) oder § 35 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialgeheimnis) finden.521 Denn für die Annahme einer entgegenstehenden Verwendungsregelung ausreichend und maßgebend ist allein das Vorliegen einer bereichsspezifischen Regelung, die dem strafverfahrensrechtlich begründeten Auskunftsanspruch gegenüber spezieller ist.522 Im hier relevanten nachrichtendienstrechtlichen Binnenbereich findet sich nun weder ein ausdrückliches Verbot einer Datenweitergabe noch überhaupt eine Regelung zum Ersuchen durch die Strafverfolgungsbehörden.523 So wurde, wie bereits ausgeführt, bewusst auf eine Regelung verzichtet, um den Auskunftsanspruch aus § 161 Abs. 1 StPO nicht einzuschränken.524 Eine noch im Regierungsentwurf zum BVerfSchG 1990 vorgesehene Regelung525 eines Ersuchens der 518 BT-Drs. 14/1484, S. 22 f.; ferner SK/Wohlers, StPO, § 160 Rn. 72; HK/Zöller, StPO, § 160 Rn. 17; KK/Griesbaum, StPO, § 160 Rn. 39. 519 Vgl. SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 7, für den insoweit vergleichbaren Regelungsgehalt in § 477 StPO. 520 Vgl. SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 7 und 39, für den insoweit vergleichbaren Regelungsgehalt in § 477 StPO. 521 Zu diesem Trugschluss könnte man insbesondere im Hinblick auf den alten Terminus „bereichsspezifische Geheimhaltungsvorschriften“ kommen. Doch gibt dieser Terminus spiegelbildlich nur das Ergebnis von einschränkenden Übermittlungsvorschriften wieder. 522 LR/Erb, StPO, § 161 Rn. 14, 3e; SK/Wohlers, StPO, § 161 Rn. 29; HK/Zöller, StPO, § 161 Rn. 10: Durch das Erfordernis einer bereichsspezifischen Regelung lassen sich aus der allgemeinen Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, dem Anspruch auf Geheimhaltung gem. § 30 VwVfG oder den Bestimmungen des BDSG keine Sperrungen des Auskunftsanspruchs ableiten; unklar hingegen noch HK/Krehl, StPO, (3. A.), § 160 Rn. 13. 523 Zu den Übermittlungsverboten gem. § 23 BVerfSchG vgl. unten Dritter Teil: Kapitel 2 C. I. 2. c) bb). 524 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. VI. 525 § 15 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG-E, BT-Drs. 11/4306, S. 28.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Strafverfolgungsbehörden um Übermittlung von Informationen zur Verfolgung von Staatsschutzdelikten ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen worden. Mit der Streichung der entsprechenden Regelung sollte klargestellt werden, dass der Auskunftsanspruch gem. § 161 Abs. 1 StPO auch im gesamten Bereich des Verfassungsschutzes im Grundsatz greifen soll.526 Gleichwohl ist der Umfang des Auskunftsanspruchs begrenzt. Die Beschränkungen ergeben sich aus den Regelungen zur spontanen Übermittlung von Informationen durch den Verfassungsschutz an die Strafverfolgungsbehörden. Denn die Regelungen der nachrichtendienstlichen Spontanübermittlung sind unter dem Eindruck des Schutzes der personenbezogenen Daten des von der Übermittlung Betroffenen justiert worden.527 Sie stellen also gegenüber einem weiter gehenden strafverfahrensrechtlichen Auskunftsverlangen einen gesteigerten Schutz personenbezogener Daten dar. Soweit das BfV kraft nachrichtendienstlicher Binnenregelung in der Übermittlung beschränkt ist, spontan die Strafverfolgungsbehörden zu informieren, ist grundsätzlich auch die Pflicht zur Auskunftserteilung aufgrund eines Ersuchens gem. § 161 Abs. 1 StPO blockiert. Damit ist nun zu klären, welche nachrichtendienstlichen Übermittlungsvorschriften nach den vorgezeichneten Kriterien gegenüber dem strafverfahrensrechtlichen Auskunftsanspruch entgegenstehende Verwendungsregelungen (bzw. bereichsspezifische Geheimhaltungsvorschriften) darstellen. Das sind zunächst einmal sämtliche Übermittlungsvorschriften, die einen Eingriff in Art. 10 und 13 GG darstellen: § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10, § 8b Abs. 2 S. 7 sowie § 9 Abs. 2 S. 7, Abs. 4 S. 4 und 6 BVerfSchG. Denn, wie aufgezeigt, zeichnen sich diese Übermittlungsvorschriften dadurch aus, dass sie einen gesteigerten Verdachtsgrad fordern und auf bestimmte Straftatbestände beschränkt sind.528 Damit gehen sie über das hinaus, was das Auskunftsverlangen nach § 161 Abs. 1 StPO voraussetzt. Hinzukommt die Übermittlung der Daten, die das BfV kraft Besonderen Auskunftsanspruchs gem. § 8a Abs. 2 und 2a gegenüber Luftfahrtunternehmen, Betreibern von Computerreservierungssystemen, Globalen Distributionssystemen für Flüge, Banken sowie dem Bundeszentralamt für Steuern erlangt hat. Zwar stellt die Übermittlung dieser Daten keinen Eingriff in

526 BT-Drs. 11/4306, S. 86 f., 95: Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf darauf gedrängt, sicherzustellen, dass das Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden gegenüber dem Umfang, den (bislang) § 161 StPO gewährt, durch die Einfügung eines speziellen Auskunftsersuchens der Strafverfolgungsbehörden im BVerfSchG nicht eingeengt wird. Aus der Gegenäußerung der Bundesregierung geht hervor, dass diese den Auskunftsanspruch aus § 161 Abs. 1 StPO für die Verfolgung von Nicht-Staatsschutzdelikten bei Einfügung eines speziellen auf Staatsschutzdelikte begrenzten Auskunftsersuchens als nicht eingeschränkt ansah. 527 Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. II. 528 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Art. 10 oder 13 GG dar. Jedoch unterliegt auch die Übermittlung dieser Daten der Vorschrift nach § 8b Abs. 2 S. 7 BVerfSchG. Für die Übermittlung von personenbezogenen Daten, die das BfV im Rahmen • einer Individualkontrolle der Telekommunikation und des Brief- und Postverkehrs, • einer technischen Wohnraumüberwachung, • eines IMSI-Catcher-Einsatzes, • eines Besonderen Auskunftsanspruchs gem. § 8a Abs. 2 und 2a BVerfSchG erlangt hat, bestehen mithin entgegenstehende Verwendungsregelungen, die den Auskunftsanspruch begrenzen. In diesen Fällen kann dem Auskunftsersuchen nur insofern nachgekommen werden, als auch die Voraussetzungen der entsprechenden nachrichtendienstlichen Übermittlungsregelung vorliegen. Hiervon kann selbst dann nicht abgewichen werden, wenn die Übermittlung allein zum Zwecke des Spurenansatzes529 erfolgen soll.530 Denn die Ausgestaltung der Übermittlungsvorschrift zur Spontanübermittlung sieht eine solche Aufweichung nicht vor.531 Demgegenüber stellen die allgemeinen Übermittlungsvorschriften nach den §§ 17 ff. BVerfSchG grundsätzlich keine entgegenstehenden Verwendungsregelungen dar. In ihren spezifischen Übermittlungstatbeständen (§§ 19 Abs. 1 und 20 Abs. 1 BVerfSchG) gehen sie nicht über die Anforderungen hinaus, die auch im Rahmen des Ersuchens nach § 161 Abs. 1 StPO zu stellen sind.532 So genügt der (einfache) Anfangsverdacht, und eine Begrenzung auf bestimmte Straftatbestände ist gerade nicht vorgenommen worden.533 Auch ist aus der Streichung der noch im Entwurf zum neuen BVerfSchG vorgesehenen Ersuchensregelung für Strafverfolgungsbehörden534 zu § 20 BVerfSchG keine Sperrung des Ersuchens zu folgern. Vielmehr kann sich das Ersuchen auch auf nachrichtendienstliche Zufallsfunde erstrecken.535 Schließlich ergibt sich nichts anderes aus den in § 23 BVerfSchG enthaltenen Übermittlungsverboten, insbesondere der Fallgruppe der überwiegenden Sicherheitsinteressen. So ist der Anwendungsbereich von § 23 BVerfSchG bereits durch seinen Wortlaut auf die Übermittlung nach den Vorschriften der §§ 17 ff. BVerfSchG begrenzt. Und aus diesem Regelungsbereich wiederum wurde das Ersuchen durch die Strafverfolgungsbehörde bewusst her529 Zur Unterscheidung zwischen der Verwendung von Daten zu Beweiszwecken und als Spurenansatz vgl. Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 2. b). 530 Zumindest missverständlich insoweit LR/Erb, StPO, § 160 Rn. 34a. 531 Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. 1. b) dd). 532 Zumindest missverständlich insoweit SK/Wohlers, StPO, § 161 Rn. 31. 533 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 534 Vgl. oben Fn. 524. 535 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 C. I. 2. b).

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

ausgehalten.536 Grundlage für das Ersuchen soll allein die Regelung in § 161 Abs. 1 StPO bilden. Daher stellt § 23 BVerfSchG keine entgegenstehende Verwendungsregelung dar.537 Anderes gilt hingegen bezüglich des Minderjährigenschutzes gem. § 24 BVerfSchG. Dieser ist nicht auf die Übermittlung nach den §§ 17 ff. BVerfSchG begrenzt worden und stellt das gesetzgeberische Ergebnis einer Abwägung zwischen den Grundrechten des Minderjährigen und den Sicherheitsinteressen dar.538 Mithin enthält diese Regelung gegenüber dem Auskunftsverlangen nach § 161 Abs. 1 StPO einen gesteigerten Schutz personenbezogener Daten.539 bb) Sperrerklärungen Auch Sperrerklärungen können einem Auskunftsanspruch entgegenstehen. Allerdings sind hierfür nur solche tauglich, die sich gegen das staatsanwaltschaftliche Auskunftsersuchen erstrecken. Das bedeutet zwar nicht, dass sich diese ausschließlich in der StPO finden lassen müssen. So lassen sich Grenzen der Auskunftspflicht auch unmittelbar aus der Verfassung ableiten.540 Im Hinblick auf einfachgesetzliche Sperrvorschriften jenseits der StPO muss jedoch geprüft werden, ob sich diese auch auf ein Auskunftsverlangen von Strafverfolgungsbehörden erstrecken. Relevanz hat dies für die in § 23 BVerfSchG niedergelegten Übermittlungsverbote. Insbesondere fragt sich, ob der Verfassungsschutz ein staatsanwaltschaftliches Auskunftsbegehren unter Berufung auf überwiegende Sicherheitsinteressen gem. § 23 Nr. 2 BVerfSchG verweigern darf. Die Antwort lautet aus den gleichen wie den unter aa) genannten Gründen: nein. Zwar statuiert § 23 BVerfSchG Übermittlungsverbote. Doch ist der Anwendungsbereich von § 23 BVerfSchG auf die Übermittlung nach den Vorschriften der §§ 17 ff. BVerfSchG begrenzt und für das Auskunftsverlangen einer Strafverfolgungsbehörde bewusst ausgeschlossen worden.541 Will also das BfV einem Auskunftsanspruch der Strafverfolgungsbehörde aufgrund überwiegender Sicherheitsinteressen nicht nachkommen, bedarf es einer Sperrerklärung nach den §§ 96, 54 StPO (analog).542 Wie bereits bei der Vorstel536

Vgl. oben Fn. 469. Im Ergebnis ebenso Soiné, NStZ 2007, 247 (249); a. A. König, S. 285, der die in den Nachrichtendienstgesetzen enthaltenen Vorschriften der Datenübermittlung als leges speziales auch im strafprozessualen Bereich ansieht. 538 Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 3. b). 539 In Übereinklang dazu ist § 24 BVerfSchG im Binnenbereich der Übermittlungsvorschriften für das BfV auch außerhalb der §§ 17 ff. BVerfSchG zu beachten; vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. 2. d) und Dritter Teil: Kapitel 2 B. V. 540 SK/Wohlers, StPO, § 96 Rn. 3; HK/Gercke, StPO, § 96 Rn. 3. 541 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. VI. 542 Zur Sperrerklärung vgl. KK/Nack, StPO, § 96 Rn. 1 ff., sowie Bertram, S. 235 f. 537

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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lung von § 23 Nr. 2 BVerfSchG angedeutet, haben zwar die Regelungen in § 23 Nr. 2 BVerfSchG und § 94 StPO im Kern den gleichen Bedeutungsgehalt. Aufgrund der Unbestimmtheit der verfassungsschutzrechtlichen Norm kann jedoch ein gegenüber § 96 StPO extensiveres Geheimhaltungsverständnis nicht ausgeschlossen werden.543 Überdies müssen die formalen Voraussetzungen eingehalten werden. Insbesondere darf eine Sperrerklärung nur von der obersten Dienstbehörde abgegeben werden.544 3. Zusammenfassung Strafverfolgungsbehörden können aus zwei Anlässen mit nachrichtendienstlichen Daten in Berührung kommen: Entweder der Verfassungsschutz übermittelt die Daten spontan. Oder sie ersuchen den Verfassungsschutz um Übermittlung von Daten. Sofern aus einem der beiden Gründe den Strafverfolgungsbehörden Daten übermittelt werden, gelangen sie in deren Machtbereich und werden von diesen zumindest zur Kenntnis genommen. Regelmäßig werden die Daten Bestandteil von Ermittlungen zur Straftataufklärung. Die Art der übermittlungsfähigen Daten ist in beiden Fällen gleich. Für die Spontanübermittlung bestimmt sich die Befugnis zur Übermittlung ausschließlich nach dem Nachrichtendienstrecht.545 Der gleiche Rahmen zur Datenübermittlung besteht aber grundsätzlich auch dann, wenn die Strafverfolgungsbehörden den Verfassungsschutz um Auskunft ersuchen. So sind die allgemeinen Übermittlungsbefugnisse nach Nachrichtendienstrecht (zur Spontanübermittlung) identisch mit den Voraussetzungen für die Strafverfolgungsbehörden zum Ersuchen. Insbesondere werden in beiden Fällen ein strafrechtlicher Anfangsverdacht und die Beachtung des über § 24 BVerfSchG gewährten Minderjährigenschutzes vorausgesetzt. Die im Hinblick auf die Spontanübermittlung im Nachrichtendienstrecht aufgestellten besonderen Übermittlungsvoraussetzungen für Daten546 hat der Verfassungsschutz auch bei einem Ersuchen durch die Strafverfolgungsbehörden zu beachten. Denn die besonderen Übermittlungstatbestände stellen – wie auch § 24 BVerfSchG – bereichsspezifische Geheimhaltungsvorschriften dar und begrenzen damit als spezielle Verwendungsregelungen gem. § 160 Abs. 4 StPO das Auskunftsverlangen. Über das Auskunftsersuchen können also keine Übermittlungen legalisiert werden, die nicht auch über eine Spontanübermittlung möglich wären. Die nachrichtendienstlichen Übermittlungsregelungen sind folg543

Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 3. a) bb). BGHSt 29, 390 (393); 30, 34; BGH NStZ 1987, 518 (519); BGH StV 1988, 45 (46); LR/Erb, StPO, § 161 Rn. 17; HK/Zöller, StPO, § 161 Rn. 9; a. A. offenbar Ostendorf, DRiZ 1981, 4 (6). 545 Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 C. I. 1. 546 Im Einzelnen sind dies § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10, § 9 Abs. 2 S. 7, § 9 Abs. 4 S. 4 und 6 sowie § 8b Abs. 2 S. 7 BVerfSchG. 544

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

lich durch ein Auskunftsersuchen nicht aushöhlbar. Auch über das Institut der sog. Vorermittlungen ist keine Ausweitung des Auskunftsersuchens gegenüber der Befugnis zur Spontanübermittlung möglich. Sofern man Vorermittlungen überhaupt für zulässig erachtet, ist den Strafverfolgungsbehörden hierbei jedenfalls ein Ersuchen um Auskunft gegenüber dem Verfassungsschutz nicht gestattet. Das Auskunftsersuchen geht allerdings im Hinblick auf die Begrenzung einer nachrichtendienstlich motivierten Unterbindung der Übermittlung gegenüber den Regelungen zur Spontanübermittlung hinaus, als der Verfassungsschutz ein Ersuchen nicht unter Berufung auf § 23 BVerfSchG, insbesondere nicht unter Berufung auf überwiegende Sicherheitsinteressen gem. § 23 Nr. 2 BVerfSchG verweigern kann. Stattdessen ist dies nur über eine Sperrerklärung möglich, die den Anforderungen der §§ 96, 54 StPO (analog) genügen muss. Diese wiederum stellen zumindest in formaler Hinsicht gegenüber § 23 Nr. 2 BVerfSchG höhere Anforderungen auf. So kann eine Sperrerklärung nach den §§ 96, 54 StPO (analog) nur durch die oberste Dienstbehörde erfolgen. Für ein Übermittlungsverbot nach § 23 Nr. 2 BVerfSchG ist hingegen die Einschaltung der Aufsichtsbehörde nicht erforderlich. II. Grenzen der Datenverwendung Bislang wurde aus strafverfahrensrechtlicher Sicht geprüft, inwieweit nachrichtendienstliche Daten rechtmäßig in den (Macht-)Bereich der Strafverfolgungsbehörden gelangen können. Jetzt gilt es zu untersuchen, inwieweit die Strafverfolgungsbehörden befugt sind, diese Daten zum Zwecke der Strafverfolgung zu verwenden. Hierzu ist das System strafverfahrensrechtlicher Verwendungsregelungen für Daten, die durch außerstrafverfahrensrechtliche Maßnahmen erlangt worden sind, zu analysieren.547 1. Überblick a) Regelungssystematik Zunächst ist ein Überblick über die Regelungssystematik zu geben. In der StPO finden sich mit § 161 Abs. 2 und 3 sowie § 100d Abs. 5 Nr. 2 drei spezielle Regelungen für die Verwendung von Daten aus außerstrafverfahrensrechtlichen Maßnahmen. Dabei stehen diese Normen ihrerseits wiederum in einem Stufenverhältnis zueinander, denn die Regelungen in § 161 Abs. 3 und § 100d Abs. 5

547 Zur Unterscheidung zwischen Verwendungsregelungen und Verwertungsverboten im Strafverfahrensrecht Dencker, S. 237 (passim); Rogall, JZ 2008, 818 (827 f.); Singelnstein, ZStW 2008, 854 (865 ff.).

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Nr. 2 sind gegenüber § 161 Abs. 2 StPO spezieller. So erfasst § 161 Abs. 2 StPO allgemein die Verwendung von personenbezogenen Daten, die aufgrund einer Maßnahme erlangt worden sind, die nach der StPO nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig ist. Demgegenüber bezieht sich § 161 Abs. 3 StPO auf die Verwendung von personenbezogenen Daten, die im Rahmen der Eigensicherung in oder aus einer Wohnung auf polizeirechtlicher Grundlage erlangt worden sind.548 § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO schließlich regelt, wann personenbezogene Daten aus einer polizeirechtlichen Wohnraumüberwachung verwendbar sind.549 – Zur Komplettierung der Systematik der strafverfahrensrechtlichen Verwendungsregelungen von außer-strafprozessual basierenden Datenerhebungen sind noch die Generalklausel § 161 Abs. 1 StPO als die allgemeine Verwendungsvorschrift550 sowie das in § 160 Abs. 4 StPO statuierte Verwendungsverbot hinzuzufügen. b) Genese Das Strafverfahrensrecht kennt erst seit jüngerer Zeit spezielle Regelungen für die Verwendung von Daten aus außerstrafverfahrensrechtlichen Maßnahmen. Da Verwendungsregelungen regelmäßig die Verwendung (auch) begrenzen, wird bereits an dieser Stelle erkennbar, dass das herkömmliche strafverfahrensrechtliche Denken die Verwendung als unproblematisch einstufte. Erst vor diesem Hintergrund werden die gesetzgeberischen Entwicklungsschritte in ihrer ganzen Dimension verständlich und fassbar. Der Gesetzgeber rekurrierte ja ebenfalls auf dieses überkommene Verständnis. Von daher soll im Folgenden zunächst ein Blick auf das überkommene Verständnis zur Verwendung und Verwertung außerstrafprozessual erlangter Daten geworfen werden, bevor die gesetzgeberischen Entwicklungen analysiert werden. aa) Überkommenes Verständnis Die zumindest bis Ende der 1980er-Jahre noch allgemein herrschende Auffassung zum vorliegenden Fragenkreis lässt sich wie folgt zusammenfassen: Das Strafprozessrecht ist ein auf „Datenübermittlung angelegtes Gesamtsystem“ und zwingend auf die Transferierung von Informationen durch andere angewiesen.551 Entsprechend ist eine Verwendung und Verwertung von präventiv erhobenen Da548 Für die von § 161 Abs. 3 StPO erfasste Eigensicherung kennt das Strafverfahrensrecht keine parallele Ermächtigungsnorm, da die Eigensicherung der Gefahrenabwehr dient; zur „bemannten Wanze“ vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. b). 549 Das Spezialitätsverhältnis ergibt sich für § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO aus der klarstellenden Regelung in § 161 Abs. 2 S. 2 StPO: „§ 100d Abs. 5 Nr. 3 bleibt unberührt“. 550 Vgl. Rieß, FG Hilger, S. 171 (175); Singelnstein, ZStW 2008, 854 (875); Zöller, JZ 2007, 763 (771). 551 Rieß, FG Hilger, S. 171 (173).

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

ten regelmäßig problemlos zulässig, ohne dass es hierzu einer spezifischen Regelung bedürfe.552 So war denn auch der BGH bis in die 1990er-Jahre hinein nur sporadisch mit solcherart Fragen befasst.553 Aber auch der BGH selbst teilte diese Sorglosigkeit. Dies lässt sich an zwei Entscheidungen aus den 1990er-Jahren aufzeigen. Dabei handelt es sich um Entscheidungen, die nach heutiger Rechtslage keinen Bestand mehr hätten. Allerdings betreffen beide Entscheidungen die Verwendung von präventiv-polizeilichen (und nicht nachrichtendienstlich) erlangten Daten. So bejahte der BGH in seiner sog. Videoentscheidung vom 14. Mai 1991554 die Verwertung (und damit auch die Verwendung) von Daten aus einer länger andauernden polizeilichen Videoüberwachung, obwohl zum Zeitpunkt der Ermittlungen (Juli 1987 bis Januar 1988) das Strafverfahrensrecht selbst keine Rechtsgrundlage für eine derartige Maßnahme besaß.555 Der BGH stützte seine Entscheidung auf die Pflicht des Strafverfahrens zur umfassenden Aufklärung und auf die Überlegung, dass die Überwachung jedenfalls aus polizeirechtlichen Gründen hinzunehmen und dass keine Umgehung der strafverfahrensrechtlich bestehenden Anordnungshürden erkennbar gewesen sei.556 In der sog. Blockhüttenentscheidung des BGH vom 7. Juni 1995557 ging es um die Verwendung von Daten aus einem Großen Lauschangriff. Wiederum führte die Polizei die Maßnahme zu einem Zeitpunkt (Herbst 1993) durch, als – jedenfalls – das Strafverfahrensrecht eine entsprechende Befugnis noch nicht besaß. Und wiederum hatte der BGH gegen eine Verwendung der Daten im Strafverfahren – hier

552

Rieß, FG Hilger, S. 171 (173). Vgl. Schnarr, StraFo 1998, 217 (218). 554 BGH NStZ 1992, 44. 555 Im Ergebnis zustimmend: Rogall, NStZ 1992, 45 ff.; Schön, NStZ 1992, 504; Hippel/Weiß, JR 1992, 316 ff.; Kramer, NJW 1992, 2732 ff.; nach deutschem Verfassungsrecht (und unter Ausklammerung von Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4.11.1950, BGBl. 1952 II S. 685, 953) auch Amelung/Kerckhoff, JuS 1993, 196 ff. Die Entscheidung (nicht nur in den Gründen, sondern auch) im Ergebnis ablehnend: Merten, NJW 1992, 354 f.; Wolter, Jura 1992, 520 ff.; wohl auch Gusy, StV 1991, 499 f. Hassemer, JuS 1992, 161 f., bespricht die Entscheidung kritisch, nimmt zu der Frage des Transfers aber keine eigene Stellung, sondern stellt diesen als einen Brückenschlag des BGH zwischen Polizeirecht und Strafverfahrensrecht dar. 556 BGH NStZ 1992, 44 (45). Wörtlich heißt es: „Ist die geschehene Überwachung jedenfalls aus polizeirechtlichen Gründen hinzunehmen, so sind ihre Ergebnisse auch im Strafverfahren als Beweismittel verwertbar, obwohl in der Strafprozessordnung bisher eine Vorschrift über diese besonderen Ermittlungsmaßnahmen fehlt. Bedenken könnten nur bestehen, wenn zur Zeit der Ermittlungen ein wirklicher Anlass für präventivpolizeiliches Handeln nicht bestanden hätte – diese also auch nicht rechtmäßig gewesen wäre –, weil (etwa) der polizeiliche Weg nur beschritten worden wäre, um nicht bestehende strafprozessuale Bestimmungen zu ersetzen. Davon kann jedoch [. . .] keine Rede sein. Dann läge aber kein Sinn darin, rechtmäßig erlangte polizeiliche Erkenntnisse dem Strafverfahren vorzuenthalten. Das widerspräche – solange kein spezielles Verwertungsverbot entgegensteht – der Pflicht zu umfassender Aufklärung.“ 557 BGH NJW 1996, 405. 553

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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konkret zu Begründung einer Durchsuchung gem. § 103 StPO – keine Bedenken. Selbst eine landesrechtliche Regel, die die Verwendung der Daten auf rein präventive Zwecke beschränkte, standen für den BGH einer Verwendung nicht entgegen.558 bb) Neuere gesetzgeberische Entscheidungen Die Entwicklung zum heutigen Regelungssystem in der StPO lässt sich an drei Gesetzen festmachen: dem „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ vom 4. Mai 1998559, dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 vom 2. August 2000560 und dem „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG“ vom 21. Dezember 2007561.

558 BGH NJW 1996, 405 (405 f.). Darin heißt es: „Darüber, ob diese landesgesetzliche Zweckbindung der Daten eine Weitergabe zu ausschließlich repressiven Zwecken verbietet, und darüber, ob dann, wenn dies der Fall wäre, die Weitergabe entgegen einem solchen Verbot zu einer strafprozessualen Unverwertbarkeit der in die Hände des Generalbundesanwalts gelangten Erkenntnisse führen würde, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn die Weitergabe der erhobenen Informationen an den Generalbundesanwalt war das allein erfolgversprechende Mittel, mit dem das Landeskriminalamt im Rahmen der ihm obliegenden vorbeugenden Verbrechensbekämpfung die Fortsetzung der Betätigung der Beschuldigten in der kriminellen Vereinigung [. . .] wirksam unterbinden konnte. [. . .] Da die [. . .] Vereinigungen bundesweit tätig sind [. . .], erscheint die Beseitigung dieser ständigen Gefahrenquelle für menschliche und sachliche Anschlagsziele nur durch bundesweit aufeinander abgestimmte strafprozessuale Exekutiv-Maßnahmen möglich, wie sie allein durch den Generalbundesanwalt bewirkt werden können. Jedenfalls bei dieser Verfahrenssituation verstößt die Weitergabe der Daten an den Generalbundesanwalt und deren Verwertung im vorliegenden Ermittlungsverfahren nicht gegen den auf Gefahrenabwehr ausgerichteten Gesetzeszweck des (Polizeigesetzes von Rheinland-Pfalz), so dass schon deswegen im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens ein Verwertungsverbot ausscheidet.“ (Bestätigt wurde diese Entscheidung (mittelbar) in der sog. Vereinsbüroentscheidung [BGH NStZ 1997, 195]). – Die Entscheidung des BGH ist sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis in der Literatur (überwiegend) zu Recht auf Ablehnung gestoßen. Bestritten wurden vor allem zwei Punkte: erstens dass der Lauschangriff tatsächlich zu präventiven Zwecken erfolgte und zweitens dass die Repression als Bestandteil der Prävention betrachtet werden könne; vgl. Welp, NStZ 1995, 602 ff.; Staechelin, ZRP 1996, 430 ff.; Bockemühl, JA 1996, 695 ff.; Kretschmer, Jura 1997, 581 ff. (585); Köhler, StV 1996, 186 f. (offen hingegen Scholz, NStZ 1997, 196 ff. [197]: zwischen präventiven und repressiven Maßnahmen könne nicht stringent unterschieden werden). Die Verwendung von präventiv erhobenen Daten zu repressiven Zwecken stelle eine Zweckänderung dar und hierfür sei eine gesetzliche Ermächtigung notwendig, die hier fehle; vgl. mit zum Teil differenzierenden Ausgangspunkten Welp, NStZ 1995, 602 ff.; Staechelin, ZRP 1996, 430 ff.; Bockemühl, JA 1996, 695 ff. 559 BGBl. I S. 845. 560 BGBl. I S. 1253. 561 BGBl. I S. 3198.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

(1) Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität Die StPO hat mit der Einführung der akustischen Wohnraumüberwachung im Jahre 1998562 neben einem originär strafverfahrensrechtlichen Eingriffstatbestand zugleich ihre erste spezielle Verwendungsregel für außerstrafverfahrensrechtlich erlangte Daten erhalten. Allerdings bezog sich bereits diese Regelung ausschließlich auf die Verwendung von Daten aus präventiv-polizeilicher Wohnraumüberwachung. Der Umgang mit Daten aus nachrichtendienstlicher Herkunft wurde – auch in Gesetzesbegründung und Gesetzgebungsverfahren – nicht thematisiert.563 Daran änderte sich auch nichts, als sich der Gesetzgeber im Zuge der durch das Urteil des BVerfG vom 3. März 2004564 notwendig gewordenen Neugestaltung der repressiven Wohnraumüberwachung entschloss, diese Verwendungsregel neu zu gestalten.565 Die mit Gesetz vom 24. Juni 2005566 geschaffene neue Regelung entspricht mit Ausnahme von redaktionellen Änderungen567 der heutigen Vorschrift in § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO. Diese wiederum geht zurück auf das „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG“ vom 21. Dezember 2007568, mit dem eine Harmonisierung des Gesamtsystems der strafprozessualen heimlichen Ermittlungsmethoden angestrebt worden ist.569 562 Die Regelung fand sich in § 100f Abs. 2 StPO mit Stand Änderungsgesetz vom 4.5.1998, BGBl. I S. 845: „Sind personenbezogene Informationen durch eine polizeirechtliche Maßnahme erlangt worden, die der Maßnahme nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 entspricht, dürfen sie zu Beweiszwecken nur verwendet werden, soweit sich bei Gelegenheit der Auswertung Erkenntnisse ergeben, die zur Aufklärung einer in § 100c Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Straftat benötigt werden.“ 563 Vgl. BT-Drs. 12/989, S. 20 ff., 38 ff. 564 BVerfGE 109, 279. Das BVerfG hat am 3.3.2004 zentrale Vorschriften der StPO mit Stand Änderungsgesetz vom 4.5.1998, BGBl. I S. 845, 847, zur akustischen Wohnraumüberwachung mit der Verfassung für unvereinbar erklärt. (Im Einzelnen waren dies §§ 100c Abs. 1 Nr. 3, 100d Abs. 3, 100d Abs. 5 S. 2, 100f Abs. 1, 101 Abs. 1 sowie § 100d Abs. 4 S. 3 i.V. m. § 100b Abs. 6.) Nicht unmittelbar davon betroffen war jedoch die Transfernorm § 100f Abs. 2 StPO mit Stand Änderungsgesetz vom 4.5.1998, BGBl. I S. 845, die vom BVerfG aber auch keiner verfassungsrechtlichen Überprüfung unterzogen worden ist; vgl. BVerfGE 109, 279 (375). Weder waren die präventive Wohnraumüberwachung als solches noch die Frage der Verwendbarkeit von präventiv gewonnenen Daten für repressive Zwecke Beschwerdegegenstand. 565 Aus Sicht des Gesetzgebers unterliegt durch die Neuregelung die Übermittlung erhöhten Anforderungen; vgl. BR-Drs. 722/04, S. 35 i.V. m. S. 34. 566 BGBl. I S. 1841. 567 Die Regelung wurde von § 100d Abs. 6 Nr. 3 zu § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO umgestellt. Der Terminus „personenbezogene Information“ ist durch „personenbezogene Daten“ ersetzt worden. 568 BGBl. I S. 3198, 3201. 569 So die Zielstellung des Gesetzes, BR-Drs. 275/07, S. 1 („harmonisches Gesamtsystem“).

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

191

(2) Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 Die zweite Verwendungsregelung fand mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999570 Einzug in die StPO und betraf die Eigensicherung. Die damals eingefügte Vorschrift entspricht der heutigen Regelung in § 161 Abs. 3 StPO.571 Auch sie bezog und bezieht sich allein auf eine präventiv-polizeirechtliche Maßnahme als Ausgangsmaßnahme. Das ist insoweit konsequent, als dass sich die Vorgängerregelung hierzu im BKAG fand,572 was wiederum dem Umstand geschuldet war, dass eine mit dem Entwurf zum „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ vom 25. Juli 1991573 vorgesehene Regelung in der StPO durch die Bundesregierung mit der Begründung abgelehnt wurde, die Eigensicherung sei eine allein präventive Materie und müsse in den Polizeigesetzen geregelt werden.574 Folgerichtig wurde hierbei in sämtlichen Phasen der entsprechende Umgang mit Daten aus nachrichtendienstlicher Herkunft nicht thematisiert.575 Neben der speziellen Materie Eigensicherung wurde im Rahmen des Strafverfahrensänderungsgesetzes 1999 zugleich die Einführung einer allgemeineren Verwendungsregelung diskutiert. So sah der Regierungsentwurf die Einfügung der folgenden Vorschrift in die StPO vor:

570

Gesetz vom 2.8.2000, BGBl. I S. 1253, 1255: § 161 Abs. 2 StPO-2000. Gesetz vom 21.12.2007, BGBl. I, S. 3198, 3204. Umstellung zu § 161 Abs. 3 StPO. Außerdem wurde wiederum der Begriff „personenbezogene Informationen“ durch „personenbezogene Daten“ ersetzt. 572 Als Vorgängerregelung wird allgemein § 16 Abs. 3 BKAG a. F. vom 7.7.1997 (BGBl. I S. 1650, 1657) aufgefasst; vgl. SK/Wohlers, StPO, § 161 Rn. 54. Die BKA-Regelung hatte den folgenden Wortlaut: „Personenbezogene Informationen, die durch den Einsatz technischer Mittel zur Eigensicherung von nicht offen ermittelnden Bediensteten erlangt werden, dürfen [. . .] im Rahmen eines Strafverfahrens zu Beweiszwecken nur zur Aufklärung einer in § 100a der Strafprozeßordnung bezeichneten Straftaten verwendet werden. Wurden die personenbezogenen Informationen in oder aus einer Wohnung erlangt, so dürfen sie im Strafverfahren zu Beweiszwecken nur verwendet werden, soweit sie zur Verfolgung einer Straftat nach den §§ 211, 212, 239a, 239b oder § 316c des Strafgesetzbuches oder einer der in § 100a Satz 1 Nr. 4 der Strafprozeßordnung bezeichneten Straftaten erforderlich sind und ein Vorsitzender Richter einer Strafkammer des Landgerichts, in dessen Bezirk das Bundeskriminalamt seinen Sitz hat, zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme festgestellt hat.“ Mit der Umsetzung in die StPO verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, zu vermeiden, „dass insbesondere unterschiedliche landesrechtliche Regelungen zu einem unterschiedlichen Verwertungsumfang für Strafverfahrenszwecke führen“; BT-Drs. 14/1484, S. 23. Zugleich wurden die bisherigen – in den Worten Brodersens, NJW 2000, 2536 (2539) – „restriktiven Verwendungsbeschränkungen [. . .] erheblich zurück[geschnitten]“. 573 BT-Drs. 12/989, S. 12: vorgesehen als § 100c Abs. 3 S. 2 StPO-E. 574 BT-Drs. 12/989, S. 58. 575 Vgl. für das StVG 1999: BR-Drs. 65/99, S. 46 f.; BR-Drs. 65/1/99, S. 4 f.; BRDrs. 64/1/00, S. 8 f. 571

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

„Sind personenbezogene Informationen durch eine polizeirechtliche Maßnahme erlangt worden, die der Maßnahme nach § 98a entspricht, dürfen sie zu Beweiszwecken nur verwendet werden, soweit sich bei Gelegenheit der Auswertung Erkenntnisse ergeben, die zur Aufklärung einer in § 98a Abs. 1 bezeichneten Straftat benötigt werden. Satz 1 gilt entsprechend, soweit polizeirechtliche Maßnahmen den in § 100c Abs. 1 Nr. 2, § 110a genannten Maßnahmen entsprechen.“ 576

Danach sollte also die Verwendung von personenbezogenen Daten aus präventiv-polizeilichen Rasterfahndungen, Abhörmaßnahmen außerhalb von Wohnungen oder Einsätzen von Verdeckten Ermittlern zu Beweiszwecken nur dann möglich sein, wenn die Auswertungserkenntnisse zur Aufklärung einer entsprechenden strafprozessualen Katalogtat benötigt werden.577 Hervorzuheben ist, dass auch hier nur polizeiliche, nicht aber nachrichtendienstliche Maßnahmen im Blickpunkt standen. Doch setzte sich der Vorschlag im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht durch. Die Vorschrift wurde im Zuge der Beratungen im Vermittlungsausschuss gestrichen. Mit der Streichung sollte eine im Grundsatz vollständige Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus präventiv-polizeilich Datenerhebungen erreicht werden.578 Dass dies möglich sei, habe der BGH in seiner sog. Videoentscheidung vom 14. Mai 1991579 anerkannt. Eine hiervon abweichende Erschwerung des Datentransfers sei der Öffentlichkeit nicht vermittelbar; darüber hinaus sei die in dem Entwurf aufgegriffene Figur des „hypothetischen Ersatzeingriffs“ dogmatisch nicht abschließend geklärt.580

576

BT-Drs. 14/1484, S. 6: vorgesehen als § 161 Abs. 2 StPO-E. Hilger, StraFo 2001, 109 (111); kritisch zu diesem Entwurf Albrecht, StV 2001, 416 (419). 578 Hilger, StraFo 2001, 109 (111); Brodersen, NJW 2000, 2536 (2538). 579 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 1. b) aa). 580 BT-Drs. 14/2886, S. 3 (Anrufung des Vermittlungsausschusses); BT-Drs. 14/2595, S. 26 f. (Bericht des Rechtsausschusses). Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses fand zwar einige Fürsprecher in der Literatur (so LR/Rieß, StPO, [25. A.], § 161 Rn. 64 i.V. m. § 160 Rn. 8; Brodersen, NJW 2000, 2536 [2542]; Meyer-Goßner, StPO, § 161 Rn. 19; Griesbaum, S. 125 [132]), wurde aber überwiegend abgelehnt (u. a. Albrecht, StV 2001, 416 [419]; Dencker, S. 237 [242, 252 f., 254]). Insbesondere wurde ein Widerspruch zu den begrenzenden Regelungen für die Erkenntnisse (Zufallsfunde), die im Rahmen repressiver Maßnahmen gewonnen werden, beklagt (SK/Wohlers, StPO, § 161 Rn. 52; auch Meyer-Goßner, StPO, § 161 Rn. 19) und darauf aufbauend (auch) im Hinblick auf das Willkürverbot bzw. das Verhältnismäßigkeitsprinzip verfassungsrechtlicher Zweifel erhoben (Hilger, NStZ 2000, 561 [564]). Auch die gesetzgeberische Intention, durch die Streichung einen im Grundsatz vollständigen Datentransfer ermöglicht zu haben, wurde als mit dem Verfassungsrecht inkompatibel erklärt, eben weil es nun an einer hierfür notwendigen Legitimierung (Befugnisnorm) der damit verbundenen Zweckänderung fehle (SK/Wohlers, StPO, § 161 Rn. 52; Hefendehl, StV 2001, 700 [705 f.]. Wolter, FG BGH, S. 963 [992 f.]). 577

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

193

(3) Gesetz zur Harmonisierung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen Allerdings griff der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007581 den im Rahmen der Beratungen zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 noch verworfenen Gedanken wieder auf und führte mit dem heutigen § 161 Abs. 2 StPO eine allgemeine Verwendungsregel ein, die sich nicht nur auf polizeirechtliche, sondern ausweislich der Gesetzesbegründung auch auf nachrichtendienstlich erhobene Daten bezieht582 und die zudem nicht auf enumerativ festgelegte Datenerhebungsmaßnahmen begrenzt ist.583 Das Wiederaufgreifen der ursprünglich verworfenen Idee begründet die Bundesregierung wie folgt: „Aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und dem Ziel einer Harmonisierung des Rechts der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen und Verbesserung des Rechtsschutzes Betroffener folgend war eine solche Regelung nunmehr geboten.“ 584

Mit dieser Vorschrift soll an die „Idee des so genannten hypothetischen Ersatzeingriffs“ angeknüpft, der bereits (nunmehr) in § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO angelegte Gedanken generalisiert, dem datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgebot Rechnung getragen und einer Umgehung von Entscheidungen des Strafprozessgesetzgebers durch ein Ausweichen auf außerstrafprozessuale Eingriffsbefugnisse vorgebeugt werden.585

581

BGBl. I S. 3198, 3204. Vgl. BR-Drs. 275/07, S. 148. 583 Im Vergleich zu dem Regelungsentwurf des § 161 Abs. 2 StPO im Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 lassen sich folgende fünf Unterschiede feststellen: (1+2) Der Anwendungsbereich ist nicht mehr auf bestimmte präventiv-polizeiliche Maßnahmen beschränkt, sondern erfasst jede – präventiv-polizeiliche aber (nunmehr eindeutig) auch nachrichtendienstliche – Maßnahme, deren Äquivalent nach der StPO den Verdacht einer bestimmten Straftat voraussetzt. (3) Die normierten Einschränkungen greifen nicht, sofern der von der Maßnahme Betroffene in die Verwendung zu Beweiszwecken einwilligt. (4) Der noch im Entwurf zum Strafverfahrensänderungsgesetz vorgesehene Einschub „bei Gelegenheit der Auswertung“ ist entfallen. Mit dieser Formulierung sollte an die entsprechenden parallelen strafverfahrensrechtlich begrenzenden Verwertungsvorschriften (u. a. § 98b Abs. 3 S. 3 StPO a. F.) angeknüpft werden, vgl. BT-Drs. 14/1484, S. 23. In der Neufassung der strafverfahrensrechtlich begrenzenden Verwertungsvorschriften in § 477 Abs. 2 StPO durch Gesetz vom 21.12.2007, BGBl. I S. 3198, wurde jedoch ebenfalls auf diesem Einschub verzichtet, ohne dass sich an der bisherigen Bedeutung etwas ändern sollte, vgl. BR-Drs. 275/07, S. 153 f. Vom Wortlaut jedenfalls ist nun eine gezielte Suche nach Zufallsfunden möglich. (5) Das gleiche Phänomen ist bei dem Kriterium „benötigt“ festzustellen. Vom Wortlaut kommt es auf eine entsprechende Verhältnismäßigkeits-Prüfung nicht mehr an. 584 BR-Drs. 275/07, S. 149. 585 BR-Drs. 275/07, S. 147 f. 582

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Dem Harmonisierungsgedanken entsprechend wurde mit § 477 Abs. 2 S. 2 StPO eine Regelung geschaffen, die – spiegelbildlich zu § 161 Abs. 2 StPO – die Übermittlung von Daten, die durch entsprechende Maßnahmen auf strafverfahrensrechtlicher Rechtsgrundlage erhoben worden sind, für andere Strafverfahren regelt.586 c) Zwischenfazit Ausgehend vom Wortlaut und der Genese der Regelungssystematik ist im Hinblick auf Daten nachrichtendienstlichen Ursprungs allein die Regelung des § 161 Abs. 2 StPO von Relevanz. Denn die spezielleren Verwendungsvorschriften in § 161 Abs. 3 und § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO erfassen ausdrücklich nur solche Daten, die aus einer polizeirechtlichen Maßnahme stammen. Der Verfassungsschutz ist jedoch weder der Polizei zugehörig, noch dieser gleichzusetzen.587 Dass aber auch der Verfassungsschutz (zumindest nach einfach-gesetzlicher Regelungslage) Wohnraumüberwachungen vornehmen und hierbei auch repressiv relevante Daten erlangen kann, muss dem Gesetzgeber bekannt gewesen sein. Von daher ist weiter zu unterstellen, dass der strafprozessuale Gesetzgeber bis zur Neufassung von § 161 Abs. 2 StPO die Frage nach der Verwendung von nachrichtendienstlich erhobenen Daten bewusst ausgeblendet hat. Ein mögliches Motiv mag darin begründet liegen, das sensible Thema „Nachrichtendienste“ nicht ohne Weiteres in die Öffentlichkeit tragen zu wollen.588 Es mag vielleicht auch darin bestehen, nicht zu wissen, wie die Figur des hypothetischen Ersatzeingriffs bei nachrichtendienstlich erhobenen Maßnahmen angewandt werden sollte. Es mag auch ein ganz anderes Motiv oder Motivbündel Grund für die Nichtimplementierung der Nachrichtendienste in den Regelungen jenseits des heutigen § 161 Abs. 2 StPO gewesen sein. Entscheidend und ausreichend ist allein die Tatsache, dass die Ausblendung der Nachrichtendienste eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers war. Von vornherein ausgeschlossen ist damit jedenfalls eine analoge Anwendung von § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO und § 161 Abs. 3 StPO. Denn eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus589, die hier gerade zu verneinen ist. 586

Vgl. BR-Drs. 275/07, S. 153 f. Das ergibt sich bereits aus der Untersuchung im zweiten Teil, vgl. Zweiter Teil: Kapitel 3, vgl. ferner Vierter Teil: Fn. 403. Auch Zöller, JZ 2007, 763 (771), wendet die Normen nicht analog an. 588 Diese Vermutung äußert im Hinblick auf das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 Zöller, HdbIS, S. 447 (502). 589 Zur Rechtsfigur der Analogie als Mittel der ergänzenden Rechtsfortbildung: Bydlinski, S. 472 ff. Darüber hinaus wäre als ein weiteres Problem das Folgende herauszustreichen: Die Verwendungsnormen stellen Ermächtigungsgrundlage für Grundrechtseingriffe (die Verwendung von Daten durch Dritte) dar. Es ist aber zu Recht sehr zweifelhaft, ob Analogien einen Grundrechtseingriff legitimieren können; vgl. hierzu Mittag, S. 120 ff. 587

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

195

Allerdings ist nach der Analyse von § 161 Abs. 2 StPO zu schauen, welche Unterschiede sich im Hinblick auf die Verwendbarkeit nachrichtendienstlicher Daten ergeben, wäre die gegenüber § 161 Abs. 2 StPO speziellere Vorschrift des § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO analog anwendbar. Damit wird deutlich, ob in der gegenwärtigen Praxis ein Gefälle im Hinblick auf die Verwendung von nachrichtendienstlich und präventiv-polizeilich erhobenen Daten zu befürchten ist. Auf § 161 Abs. 3 StPO hingegen muss nicht näher eingegangen werden, da dem BfV eine Befugnis zu einer der Eigensicherung dienenden Wohnraumüberwachung nicht mehr zusteht.590 2. Regelung für nachrichtendienstliche Daten (§ 161 Abs. 2 StPO) § 161 Abs. 2 S. 1 StPO stellt eine allgemeine Verwendungsbeschränkung für außerstrafprozessual erhobene Daten dar und hat den folgenden Wortlaut: „Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die auf Grund einer entsprechenden Maßnahme nach anderen Gesetzen erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetze hätte angeordnet werden dürfen.“

a) Anwendungsbereich § 161 Abs. 2 S. 1 StPO erfasst die Verwendung von personenbezogenen Daten, die durch eine außerstrafprozessuale Maßnahme erlangt worden sind, deren strafprozessuale Entsprechung nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig ist. Der Tatbestand von § 161 Abs. 2 S. 1 StPO enthält folglich drei Voraussetzungen. Erstens müssen die Daten über eine Ermächtigungsgrundlage außerhalb des Strafverfahrensrechts erlangt worden sein. Zweitens muss die außerstrafprozessuale Maßnahme eine strafverfahrensrechtliche Entsprechung haben. Und drittens darf eine Datenerhebung aufgrund der entsprechenden strafverfahrensrechtlichen Maßnahme nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig sein. Keine Schwierigkeiten bereitet die erste Voraussetzung. Als außerstrafprozessuale Maßnahmen kommen zweifelsfrei auch solche der Nachrichtendienste in Betracht. Denn im Gegensatz zu § 161 Abs. 3 und § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO ist hier der Wortlaut nicht auf polizeirechtliche Maßnahmen beschränkt, sondern umfasst Maßnahmen aufgrund sämtlicher außerstrafverfahrensrechtlicher Gesetze.591

590

Vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. b). So schon BR-Drs. 275/07, S. 148; ebenso Meyer-Goßner, StPO, § 161 Rn. 18b; KK/Griesbaum, StPO, § 161 Rn. 35; HK/Zöller, StPO, § 161 Rn. 31; Singelnstein, ZStW 2008, 854 (878). 591

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Einer näheren Betrachtung hingegen bedürfen die Entsprechensklausel und der geforderte Verdacht bestimmter Straftaten. aa) Entsprechensklausel Die Maßnahme, mit der die Information erlangt worden ist, muss eine strafverfahrensrechtliche Entsprechung haben. Dabei dürfen an das Kriterium der Entsprechung keine zu engen Voraussetzungen geknüpft werden. So ist es nicht erforderlich, dass die Eingriffsvoraussetzungen im Einzelnen vergleichbar sind.592 Ausreichend ist vielmehr schon „eine Entsprechung in der Art der Maßnahme“.593 Abzustellen ist hierzu auf die Vergleichbarkeit in der tatsächlichen Durchführung der Maßnahme. Zur Begründung kann auf die Ausführungen verwiesen werden, die bereits bei dem Vergleich der nachrichtendienstlichen und strafprozessualen Befugnisse erfolgt sind: Die strukturellen Unterschiede zwischen nichtstrafprozessualer (wie nachrichtendienstlicher) und strafprozessualer Tätigkeit sowie die damit korrespondierende unterschiedliche Ausgestaltung der Befugnisnormen durch den (jeweiligen) Gesetzgeber zwingen zu einer entsprechenden Relativierung.594 Bei der Vorstellung der nachrichtendienstlichen Befugnisse wurde bereits festgestellt, dass sich im Grundsatz mittlerweile sämtliche, den Nachrichtendiensten zustehenden Befugnisse auch im Strafverfahrensrecht wiederfinden, wenngleich unter erhöhten Anforderungen. Als Ausnahmen hierzu wurden folgende nachrichtendienstliche Befugnisse ausgemacht: • optische Wohnraumüberwachung595, • das heimliche Öffnen und Einsehen von Sendungen, die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegen.596 Für diese Befugnisse gibt es folglich keine strafprozessualen Entsprechungen i. S. v. § 161 Abs. 2 StPO. Für diese Befugnisse ist nun der Frage nachzugehen, was aus dem Fehlen einer strafprozessualen Entsprechung folgt. Hierfür gibt es im Grundsatz nur eine Ant592

KK/Griesbaum, StPO, § 161 Rn. 35. KK/Griesbaum, StPO, § 161 Rn. 35. So auch die Interpretation der Entsprechensklausel in § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO (bzw. dessen Vorgängerregelung § 100f Abs. 2 StPO a. F.): Bludovsky, S. 350; LR/Schäfer, StPO, (25. A.), § 100f Rn. 21; a. A. offenbar HK/Lemke, StPO, (3. A.), § 100f Rn. 4: Notwendig ist ein Entsprechen „in vollem Umfang“. 594 Vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 2 C. II. 595 Das optische und akustische Wohnraumüberwachung nicht einander entsprechen ist auch im Strafverfahrensrecht (bezogen auf § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO) allgemeine Meinung; vgl. z. B. Bludovsky, S. 350 und 356; Bertram, S. 235; SK/Wolter, StPO, § 100d Rn. 66. 596 Vgl. hierzu oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. VI. 593

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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wort, nämlich die der vollständigen strafverfahrensrechtlichen Verwendungssperre. Wenn das Strafverfahrensrecht noch nicht einmal die Maßnahme kennt, nach der aufgrund eines anderen Gesetzes Daten erhoben worden sind, dann können solcherart erlangte Daten erst recht nicht verwendet werden.597 Dieser Grundsatz gilt allerdings nur unter zwei Vorbehalten: Zum einen darf keine spezielle – den § 161 Abs. 2 StPO verdrängende – Verwendungsregelung greifen. Bei strafprozessualer Binnenbetrachtung ist hierbei an § 161 Abs. 3 und § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO zu denken. Zum anderen darf die Verwendungsregelung in § 161 Abs. 2 StPO selbst keine bestimmten Verwendungsformen von ihrem Regelungsgehalt unberücksichtigt lassen wollen.598 bb) Verdacht bestimmter Straftaten Mit dem Kriterium des Verdachts bestimmter Straftaten hat der Gesetzgeber einen neuartigen Terminus etabliert599, der entgegen Singelnstein600 bereits aus sich heraus hinreichend bestimmt ist. Allerdings findet dieses Kriterium in der Kommentierung zu § 161 StPO regelmäßig keine weiterführende Erläuterung, sondern wird als geradezu bekannt vorausgesetzt.601 Für die Annahme des Verdachts bestimmter Straftaten ist maßgebend, dass die strafprozessuale Maßnahme nur im Hinblick auf bestimmte, d.h. im Einzelnen konkretisierte Straftaten zulässig ist.602 Dabei ist mit der Konkretisierung nicht ausschließlich das Erfordernis eines Straftatkatalogs zu verbinden, ausreichend ist vielmehr jede gattungsmäßige oder sonstige Spezialisierung.603 Erfasst werden daher z. B. neben der Beschränkung auf Katalogtaten auch Beschränkungen auf Straftaten von erheblicher Bedeutung, auf Verbrechen oder auf Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen worden sind.604 Irrelevant ist demgegenüber, ob die strafprozes597 Vgl. KK/Griesbaum, StPO, § 161 Rn. 35. Singelnstein, ZStW 2008, 854 (880), hingegen sieht in einer solchen Konstellation den § 161 Abs. 1 StPO als einschlägige Verwendungsregel an, die dann jedoch den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an besonders intensive Grundrechtseingriffe zu stellen sind, nicht genüge. 598 Vgl. hierzu unten Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 2. b). 599 So auch Singelnstein, ZStW 2008, 854 (879); sowie SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 23, zur insoweit parallelen Regelung in § 477 Abs. 2 S. 2 StPO. 600 Singelnstein, ZStW 2008, 854 (879). 601 Vgl. KK/Griesbaum, StPO, § 161 Rn. 35 ff.; SK/Wohlers, StPO, § 161 Rn. 53; HK/Zöller, StPO, § 161 Rn. 31 ff.; LR/Erb, StPO, § 161 Vor Rn. 1. Das gleiche Phänomen findet sich bei Bertram, S. 229 f. Anders hingegen die Kommentierungen zum insoweit parallelen § 477 Abs. 2 S. 2: vgl. z. B. SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 23, und LR/Hilger, StPO, § 477 Rn. 8. 602 So schon Singelnstein, ZStW 2008, 854 (879); SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 23. 603 So schon Singelnstein, ZStW 2008, 854 (879); SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 23. 604 So schon Singelnstein, ZStW 2008, 854 (879); SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 23; zum ganzen Komplex insgesamt ähnlich LR/Hilger, StPO, § 477 Rn. 8.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

suale Maßnahme einen zum einfachen Anfangsverdacht qualitativ gesteigerten Verdachtsgrad fordert.605 Auch ist es gleichgültig, ob es sich um eine verdeckte oder eine offene Ermittlungsmaßnahme handelt.606 Einen Verdacht bestimmter Straftaten setzen im Strafverfahrensrecht die folgenden Befugnisnormen voraus: § 98a (Rasterfahndung), § 100a (Telekommunikationsüberwachung), § 100c (Wohnraumüberwachung), § 100f (Abhören außerhalb der Wohnung), § 100g (Verkehrsdatenerhebung), § 100h Abs. 1 Nr. 2 (Einsatz besonderer für Observationszwecke bestimmte technische Mittel außerhalb der Wohnung), § 100i (IMSI-Catcher), § 110a (Verdeckter Ermittler), § 111 (Kontrollstelle), § 131 Abs. 3 (Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme), § 131a Abs. 3 (Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung), § 131b (Veröffentlichung von Abbildungen), § 163d (Schleppnetzfahndung), § 163e (Polizeiliche Beobachtung), § 163f (längerfristige Observation) StPO.607

Damit sind grundsätzlich alle spezialgesetzlich geregelten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen der StPO erfasst. Ausgenommen sind allein die Postbeschlagnahme (§ 99 StPO) und die Herstellung von Bildaufnahmen außerhalb von Wohnungen (§ 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO), deren Anordnung von keinem bestimmten Straftatenverdacht abhängig ist.608 Von der Liste der Maßnahmen, die einen Verdacht bestimmter Straftaten bedingen, können die §§ 111, 131 Abs. 3, 131a Abs. 3, 163d und 163e StPO wiederum ausgeklammert werden, da entsprechende Befugnisse dem BfV aufgrund der Untersagung des Einsatzes polizeilicher Befugnisse nicht zustehen können.609 Die Veröffentlichung von Abbildungen gem. § 131b StPO kann ebenfalls ausgeblendet bleiben, da eine solche Maßnahme gerade nicht von den Nachrichtendiensten angewandt wird.610 Für Informationen hingegen, die aufgrund einer Maßnahme erlangt worden sind, deren strafverfahrensrechtliche Entsprechung nicht vom Verdacht bestimmter Straftaten abhängig ist, bestehen aus der Perspektive des strafprozessualen Binnenbereichs keine gesonderten Verwendungsbeschränkungen.611 605

So auch Singelnstein, ZStW 2008, 854 (879). So auch Singelnstein, ZStW 2008, 854 (879); SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 23. 607 Singelnstein, ZStW 2008, 854 (879). 608 Singelnstein, ZStW 2008, 854 (879); SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 23; im Ergebnis ebenso Meyer-Goßner, StPO, § 161 Rn. 18b. Sämtliche der hier zitierten Vertreter vergessen allerdings die Generalklausel § 161 Abs. 1 StPO mit auszunehmen. Zur Frage, inwieweit bereits die Generalklausel Grundlage für heimliche Ermittlungsmaßnahmen sein kann, vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 2 C. und Zweiter Teil: Kapitel 2 C. II. 1. sowie Mittag, S. 137 ff., und Hefendehl, StV 2001, 700 (703 ff.). Damit verbleiben als beachtliche Regelungen: §§ 98a, 100a, 100c, 100f, 100g, 100h Abs. 1 Nr. 2, 100i, 110a, 163d, 163e, 163f StPO. 609 Vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. V. 610 Vgl. zur nachrichtendienstlichen Tätigkeit allgemein oben Zweiter Teil: Kapitel 1 C. 611 So auch HK/Zöller, StPO, § 161 Rn. 31. Für die speziellere Verwendungsbeschränkung in § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO gilt das gleiche. Auch die strafprozessuale 606

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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cc) Speziell: Rasterfahndung Einer näheren Betrachtung bedarf die Rasterfahndung. Wie eben aufgezeigt, verlangt die Rasterfahndung nach § 98a StPO den Verdacht bestimmter Straftaten. Ergebnisse von Rasterfahndungen, die nicht auf strafverfahrensrechtlicher Grundlage durchgeführt worden sind, können also nur im Rahmen der Voraussetzungen von § 161 Abs. 2 StPO im Strafverfahren verwendet werden. Fraglich ist jedoch, ob das BfV überhaupt eine entsprechende Rasterfahndung seinerseits durchführen kann, ob es also überhaupt zu einer entsprechenden Maßnahme befugt ist. Kennzeichen der strafprozessualen Rasterfahndung nach den §§ 98a und 98b StPO ist, dass die Strafverfolgungsbehörde offen auf die anderen Behörden oder auf Private zugeht und diese um eine Rasterung in ihren jeweiligen Datenbeständen im Hinblick auf dritte Personen bittet. Hierzu sind wiederum die Behörden oder Privaten verpflichtet. Eine identische Befugnisnorm besitzt das BfV nicht.612 Jedoch ist es dem BfV – zumindest theoretisch – möglich, verdeckt unter Zuhilfenahme nachrichtendienstlicher Mittel auf die Datenbestände zuzugreifen und die Daten zu rastern. Aus der Einräumung der Befugnis zum Besonderen Auskunftsverlangen nach den §§ 8a und 8b BVerfSchG darf nicht geschlossen werden, dass die Informationserlangung über den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel (generell) ausgeschlossen sei. Eine solche einschränkende Wirkung ist weder dem Gesetzestext, der Gesetzessystematik noch dem Willen des Gesetzgebers zu entnehmen. Die Frage ist damit, ob beide Maßnahmen einander i. S. v. § 161 Abs. 2 StPO entsprechen. Vor dem Hintergrund, dass an die Entsprechensklausel gerade keine engen Anforderungen zu stellen sind, ist die Frage zu bejahen. Hierfür spricht folgende Überlegung. Entscheidendes Merkmal der Rasterfahndung ist, dass Datenbestände anderer Behörde oder von Privaten über Dritte gerastert werden können. Demgegenüber untergeordnet sind das Auftreten gegenüber den anderen Behörden oder Privaten sowie die Frage nach der Verpflichtung. Auch wenn es also einen erheblichen Unterschied macht, ob offen oder verdeckt ein Datenbestand gerastert wird, ist aus Sicht der offenen Rasterfahndung eine Entsprechung bei einer heimlichen Rasterung zu bejahen. Es wird auf externe Daten zurückgegriffen, um Daten Dritter zu rastern.613 Wohnraumüberwachung gem. § 100c StPO ist vom Verdacht bestimmter Straftaten abhängig. Die zweite spezielle Verwendungsvorschrift – § 161 Abs. 3 StPO – kann hier nicht vergleichend herangezogen werden, da die „bemannte Wanze“ als Eigensicherung eine rein präventive Maßnahme, ohne strafverfahrensrechtliche Entsprechung ist. 612 Anderes gilt zum Teil für die LfV. So kennt z. B. das BbgVerfSchG mit § 15 die Befugnis zur Registereinsicht. 613 Von Relevanz sind vorliegend nur die Datenbestände von Privaten, da die Untersuchung seitens der Nachrichtendienste allein die Befugnis zur aktiven Informationserhebung von und gegenüber Privaten im Blick hat, vgl. zu dieser Einschränkung oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

b) Verwendungsbeschränkung Ist der Anwendungsbereich des § 161 Abs. 2 StPO eröffnet, können die nachrichtendienstlich erhobenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen614 zu Beweiszwecken im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach dem Strafverfahrensrecht hätte angeordnet werden können. Damit macht der Gesetzgeber die strafprozessuale Verwendbarkeit von der Bejahung eines hypothetischen Ersatzeingriffs abhängig, begrenzt die Restriktion aber auf Beweiszwecke. Die Figur des hypothetischen Ersatzeingriffs verbirgt sich in der Formulierung, nach der die Daten „im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden [dürfen], zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen.“ Mit dieser Umschreibung will der Gesetzgeber folgendes zum Ausdruck bringen: Die Daten dürfen durch die Strafverfolgungsbehörde nur dann verwendet werden, wenn die Daten in dem konkreten Strafverfahren zum Zeitpunkt der Übermittlung auch auf der Grundlage des Strafverfahrensrechts hätten erhoben werden können.615 Zuzugeben ist hierbei allerdings, dass sich dies – insbesondere das Erfordernis einer konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Betrachtung – nicht ohne Weiteres aus der gesetzlichen Formulierung ergibt.616 Allerdings soll die eben aufgezeigte Beschränkung nur im Hinblick auf die Verwendung zu Beweiszwecken gelten. Soweit die Daten hingegen nur als Spurenansatz oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten verwendet werden (sollen), greift sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Willen des Gesetzgebers617 die Verwendungsbeschränkung nicht. Die Daten dürfen daher zur Begründung eines Anfangsverdachts oder zum Erlass eines (richterlichen) Beschlusses zu Haussuchungen sowohl im Verfahren gegen den Beschuldigten als auch in Verfahren gegen Dritte verwendet werden und dies unbeschränkt, also nicht nur zur Verfolgung bestimmter Straftaten.618 614 KK/Griesbaum, StPO, § 161 Rn. 37; HK/Zöller, StPO, § 161 Rn. 31: Die Verwendungsbeschränkung des hypothetischen Ersatzeingriffs entfällt, sofern der Betroffene in die Verwendung einwilligt. 615 Zur Interpretation des Gesetzgebers vgl. BR-Drs. 275/07, S. 147; 722/04, S. 34 f. Der hier vorgenommenen Interpretation zustimmend: Singelnstein, ZStW 2008, 854 (880); SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 25 f., zur insoweit parallelen Regelung in § 477 Abs. 2 S. 2 StPO; wohl auch Bertram, S. 230. Unklar hingegen SK/Wohlers, StPO, § 161 Rn. 53 (Fn. 139). Auf den Erhebungs- statt dem Übermittlungszeitpunkt als den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt stellt offenbar Schnarr, StraFo 1998, 217 (223), ab. 616 Kritik üben insbesondere Bertram, S. 230; Singelnstein, ZStW 2008, 854 (880 f.); SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 25. 617 Vgl. BR-Drs. 275/07, S. 148. 618 So die konsequente Folgerung bereits bei KK/Griesbaum, StPO, § 161 Rn. 36.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Der Gesetzgeber beruft sich hierbei auf die Rechtsprechung, nach der rechtmäßig gewonnene Zufallserkenntnisse stets „Anlass zu weiteren Ermittlungen zur Gewinnung neuer Beweismittel sein“ können.619 Bereits mit der für eine weiter gehende Ermittlung geforderten Rechtmäßigkeit der gewonnenen Zufallserkenntnisse werde der Grundrechtsschutz hinreichend gewahrt; mit der hier vorgenommenen Differenzierung könne auch dem Interesse an einer wirksamen Strafrechtspflege Rechnung getragen werden.620 In der Literatur findet die Rechtsauffassung des Gesetzgebers (letztlich sogar unabhängig von der Bewertung der Rechtsprechung, auf die sich der Gesetzgeber beruft) mit gewichtigen Gründen Widerspruch.621 So mache es aus Sicht des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, dessen Gewährleistung § 161 Abs. 2 StPO anstrebt, keinen Unterschied, ob die Daten als Spurenansatz oder unmittelbar zu Beweiszwecken verwendet werden (sollen).622 Denn beide Formen der Datenverwendung stellten gegenüber dem ursprünglich außerstrafverfahrensrechtlichen Zweck ihrer Erhebung eine beachtliche Zweckänderung dar.623 In beiden Fällen gehe es um die Erreichung des Ziels eines jeden Strafverfahrens: der Sammlung von Beweismaterial. Von daher diene auch die Verwendung der Daten als Spurenansatz im Ergebnis Beweiszwecken.624 – Trotz dieser beacht619 BR-Drs. 275/07, S. 148, mit Verweis auf BVerfG NJW 2005, 2766: Hier hatte das Gericht eine Verwendung von Zufallserkenntnissen aus einer strafprozessual angeordneten und rechtmäßig durchgeführten Telefonüberwachung als Grundlage (Anlass) zu weiteren Ermittlungen von Nicht-Katalogstraftaten unter Berufung auf BGHSt 27, 355 (357), und BGH NStZ 1998, 426 (427), bestätigt. – Dass mit der gewählten Gesetzestechnik, der Beschränkung auf den Transfer zu Beweiszwecken, aus Sicht des Gesetzgebers der Transfer zu Zwecken des Spurenansatzes ohne spezielle Regelung und ohne der für den Transfer zu Beweiszwecken geltenden Beschränkungen möglich sein soll, überrascht insofern, als dass hinsichtlich der Regelung des Transfers von Daten aus einer präventiven akustischen Wohnraumüberwachung bei der Umstellung von § 100f Abs. 2 StPO mit Stand Änderungsgesetz vom 4.5.1998, BGBl. I S. 845 (enthielt die Begrenzungsformel: „zu Beweiszwecken nur verwendet werden“) zu § 100d Abs. 6 Nr. 3 StPO mit Stand Änderungsgesetz vom 24.6.2005, BGBl. I S. 1841 (enthielt keine Begrenzung auf Beweiszwecke) der Gesetzgeber noch ausführte: „Da die Verwendung als Spurenansatz dem Bundesverfassungsgericht zufolge zulässig ist [. . .] und es sich dabei um eine kriminalistisch wichtige Verwendungsmöglichkeit handelt, wird von einer Begrenzung auf eine Weiterverwendung zu Beweiszwecken [. . .] abgesehen“ (BRDrs. 722/04, S. 34 f.). Danach würde durch § 161 Abs. 2 StPO (seit Änderungsgesetz vom 21.12.2007, BGBl. I S. 3198) ein Transfer zu Zwecken eines weiter gehenden Spurenansatzes nicht möglich sein. 620 BR-Drs. 275/07, S. 148; BVerfG NJW 2005, 2766. Zur Verwendung von Zufallserkenntnissen aus strafverfahrensrechtlichen Maßnahmen im Strafverfahren aus der Sicht von Gesetzgeber und BVerfG siehe Allgayer, NStZ 2006, 603. 621 Genannt seien: Dencker, S. 237 (249 ff.); Singelnstein, ZStW 2008, 854 (884 ff.); SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 27. 622 Singelnstein, ZStW 2008, 854 (885). 623 SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 27; Dencker, S. 237 (250 f.). 624 SK/Weßlau, StPO, (LB), § 477 Rn. 27; ähnlich Singelnstein, ZStW 2008, 854 (885 f.).

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

lichen Kritik wird aus den bereits in der Einleitung625 genannten Gründen im Folgenden der Auffassung von Gesetzgeber und Rechtsprechung gefolgt und diese konsequent fortgesetzt. Wenn nun aber – der Auffassung des Gesetzgebers und der Rechtsprechung folgend – eine Verwendungsbeschränkung nur im Hinblick auf Beweiszwecke erfolgen soll, dann kann auch kein umfassendes Verwendungsverbot hinsichtlich solcher Daten bestehen, die mit Maßnahmen erlangt worden sind, die keine strafverfahrensrechtliche Entsprechung haben. Stattdessen müssen diese Daten den Strafverfolgungsbehörden zum Zwecke der Verwendung als Spurenansatz offenstehen. Namentlich betrifft dies die nachrichtendienstlich gewonnen Daten aus • optischer Wohnraumüberwachung, • heimlichem Öffnen und Einsehen von Sendungen, die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegen. c) Exkurs: Differenzen zur Verwendung polizeirechtlich erlangter Daten Wie bereits angekündigt626, soll nun im Wege eines Exkurses die gegenüber § 161 Abs. 2 StPO speziellere Vorschrift über die Verwendung von Daten aus polizeirechtlicher Wohnraumüberwachung, § 100d Abs. 5 Nr. 3 S. 1 StPO, daraufhin überprüft werden, welche Unterschiede sich zu § 161 Abs. 2 StPO ergeben. § 100d Abs. 5 Nr. 3 S. 1 StPO hat den folgenden Wortlaut: „Sind verwertbare personenbezogene Daten durch eine entsprechende polizeirechtliche Maßnahme erlangt worden, dürfen sie in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der insoweit überwachten Personen nur zur Aufklärung einer Straftat, auf Grund derer die Maßnahme nach § 100c angeordnet werden könnte, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden.“

Ein terminologischer Vergleich der beiden Vorschriften (§ 100d Abs. 5 Nr. 3 S. 1 und § 161 Abs. 2 StPO) lässt im Hinblick auf die repressive Verwendbarkeit von Daten, die aus einer polizeirechtlichen – akustischen627 – Wohnraumüberwachung stammen, zwei Unterschiede erkennen: Zum einen fordert § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO verwertbare personenbezogene Daten und zum anderen enthält die Vorschrift keine Verwendungsbegrenzung nur für Beweiszwecke. Über die Anforderungen, die an die Erlangung von verwertbaren personenbezogenen Daten zu stellen sind, besteht Uneinigkeit. Im Kern geht es darum, ob die erhobenen Daten nur dann verwendet werden dürfen, wenn die Daten – neben der weiteren Voraussetzung des hypothetischen Ersatzeingriffs, die die Frage 625

Hierzu oben Erster Teil: B. Oben Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 1. c). 627 Auch § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO enthält wie § 161 Abs. 2 StPO eine Entsprechensklausel. 626

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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nach den strafprozessualen Verwertungsverboten mit einschließt628 – auch im Ausgangsverfahren verwertet werden dürften,629 oder aber ob sich die Frage nach der Verwertbarkeit allein auf die Verwertungsverbote nach § 100c StPO und nicht auf das Polizeirecht, d.h. das tatsächliche Ausgangsverfahren bezieht.630 Da die vorliegende Untersuchung allein die rechtmäßige und damit auch (im nachrichtendienstlichen Binnenbereich) verwertbare Datenerhebung zur Arbeitsgrundlage erhoben hat, kommt diesem Meinungsstreit hier keine Bedeutung zu und bedarf keiner Entscheidung. Aufgrund der fehlenden Eingrenzung der Verwendungsbeschränkung zu Beweiszwecken müssen (hier nun mit Willen des Gesetzgebers) sämtliche Übermittlungsvoraussetzungen einschließlich der des hypothetischen Ersatzeingriffs auch dann vorliegen, wenn die Daten als „bloßer“ Spurenansatz verwendet werden sollen. Der Gesetzgeber verzichtete bewusst auf eine Differenzierung zwischen der Verwendung zu Beweiszwecken und der Verwendung zu sonstigen Zwecken.631 Ist also die Verwendungsbeschränkung nicht auf Beweiszwecke beschränkt, führt dies dazu, dass Daten aus optischer Wohnraumüberwachung mangels strafverfahrensrechtlicher Entsprechung gänzlich einem Verwendungsverbot unterliegen. Auch eine Nutzung als Spurenansatz ist nicht möglich. Hierin ist im Rahmen des hiesigen Untersuchungsgegenstandes der einzig relevante Unterschied bezüglich der repressiven Verwendung von präventiv erhobenen Daten aus Wohnraumüberwachung auszumachen. 3. Verwendungsverbote aufgrund § 160 Abs. 4 StPO Auch im strafverfahrensrechtlichen Binnenbereich gelten die über § 160 Abs. 4 StPO erfassten Verwendungsverbote. Nicht nur gegenüber den datenerhebenden Stellen ist die Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörde begrenzt. Vielmehr sind auch die Strafverfolgungsbehörden selbst an die hierüber erfassten Verwendungsverbote gebunden. Von daher können die Strafverfolgungsbehörden die vom Verfassungsschutz erlangten Daten ausschließlich in dem Rahmen verwenden, der bereits bei der Begrenzung des Auskunftsanspruchs infolge bereichsspezifischer Geheimhaltungsvorschriften gezogen worden ist.632 628 Kritisch Löffelmann, NJW 2005, 2033 (2036), und ZIS 2006, 87 (96): die Beschränkungen gehen über die Forderungen des BVerfG (Verwendungsverbot nur für kernbereichsrelevante Informationen) hinaus. 629 So SK/Wolter, StPO, § 100d Rn. 64, 69 und 69a. 630 So BGH StV 2009, 675 (676) – (Besprechung bei Gusy, HRRS 2009, 489 ff.; Löffelmann, JZ 2010, 455 [455 f.]); KK/Nack, StPO, § 100d Rn. 18; Meyer-Goßner, StPO, § 100d Rn. 6; hierzu offenbar auch tendierend Bertram, S. 234 f. 631 Vgl. BR-Drs. 722/04, S. 34 f. Der hieraus gezogene Schluss ist allgemeine Meinung: u. a. Löffelmann, NJW 2005, 2033 (2036); Glaser/Gedeon, GA 2007, 415 (435); Singelnstein, ZStW 2008, 854 (884); Bertram, S. 235; SK/Wolter, StPO, §100d Rn. 67. 632 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 C. I. 2. c) aa).

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Die (notwendige) Adressatenstellung für die Strafverfolgungsbehörden resultiert unmittelbar aus § 160 Abs. 4 StPO. Diese Vorschrift will gerade für den Kollisionsfall den Vorrang des Erhebungsgesetzes gegenüber dem Empfängergesetz einräumen.633 Dies lässt sich nur dann realisieren, wenn auch die Strafverfolgungsbehörden an diese Kollisionsregel gebunden sind.634 Ausdrücklich hervorzuheben ist, dass sich für die Strafverfolgungsbehörden weder die bereichsspezifischen Geheimhaltungsvorschriften gegenüber § 161 Abs. 2 StPO noch umgekehrt § 161 Abs. 2 StPO gegenüber den bereichsspezifischen Geheimhaltungsvorschriften aufheben. Stattdessen hat die Behörde beide Beschränkungsmodalitäten zu beachten. Die bereichsspezifischen Geheimhaltungsvorschriften im Nachrichtendienstrecht resultieren aus der unmittelbaren gesetzgeberischen Beschäftigung mit dem Verfassungsschutz und der Frage, welche Daten den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden können. In einem zeitlich späteren Gesetzgebungsverfahren wurde § 161 Abs. 2 StPO geschaffen.635 Dortiges Anliegen war es, im strafverfahrensrechtlichen Binnenbereich eine Harmonisierung für die Verwendung von Daten aus heimlichen Ermittlungsmethoden zu schaffen.636 Nicht bezweckt war es jedoch, bereichsspezifische – aus den Fachgesetzen der erhebenden Stellen stammende – Geheimhaltungsvorschriften in ihrer Wirkung zu beschneiden. Dies zeigt neben dem Gesetzeszweck auch das Nebeneinander von § 160 Abs. 4 und § 161 Abs. 2 StPO.637 4. Zusammenfassung Das Strafverfahrensrecht kennt mit den §§ 100d Abs. 5 Nr. 3, 161 Abs. 2 und 3 StPO zunächst drei spezifische Regelungen, die die Verwendung von Daten, die durch außerstrafverfahrensrechtliche (Ermittlungs-)Maßnahmen erlangt worden sind, begrenzen. Von diesen drei Regelungen ist nur § 161 Abs. 2 StPO für Daten aus nachrichtendienstlicher Herkunft anwendbar. Dieser wiederum beschränkt allein die Verwendung der Daten zu Beweiszwecken. Die repressive Nutzung der Daten als Spurenansatz hingegen wird von § 161 Abs. 2 StPO nicht erfasst und damit auch 633

So BT-Drs. 14/1484, S. 22. Inwieweit freilich der Gesetzgeber die hierzu notwendigen Vorkehrungen (Verpflichtung zur Protokollierung und Kennzeichnung) geschaffen hat, muss im Rahmen dieser Untersuchung unberücksichtigt bleiben. 635 §161 Abs. 2 StPO wurde eingeführt mit Gesetz vom 21.12.2007, BGBl. I S. 3198. 636 Vgl. BR-Drs. 275/07, S. 1, 147 f. 637 Entsprechend ist auch nicht möglich, dass der Verfassungsschutz aufgrund eines Ersuchens die eigenen bereichsspezifischen Übermittlungsvoraussetzungen unter Rückgriff auf § 161 Abs. 2 StPO für irrelevant erklärt. Darüber hinaus ist der Verfassungsschutz kein Adressat von § 161 Abs. 2 StPO. 634

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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nicht begrenzt. Dieser sich aus der Normanalyse ergebende grammatikalische Befund entspricht auch der ausdrücklichen Vorstellung des Gesetzgebers. Die Verwendung der Daten zu Beweiszwecken macht § 161 Abs. 2 StPO von den folgenden Voraussetzungen abhängig: Die nachrichtendienstliche Maßnahme, mit der die Daten erhoben worden sind, muss eine strafverfahrensrechtliche Entsprechung haben. Mangels entsprechender strafverfahrensrechtlicher Befugnisnorm sind von daher nachrichtendienstliche Daten aus optischer Wohnraumüberwachung638 oder dem heimlichen Öffnen und Einsehen von Sendungen, die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegen,639 nicht verwendbar. Sofern die strafverfahrensrechtliche Entsprechungsmaßnahme nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig ist, müssen zur repressiven Verwendung zudem die Voraussetzungen des hypothetischen Ersatzeingriffs vorliegen. Das bedeutet: Die Daten dürfen nur dann verwendet werden, wenn sie in dem konkreten Strafverfahren zum Zeitpunkt der Übermittlung auch auf der Grundlage des Strafverfahrens hätten erhoben werden können. Relevanz erlangt dies im Hinblick auf die folgenden Maßnahmen: Überwachung der Telekommunikation640, Überwachung des Wohnraums641, Abhören außerhalb von Wohnungen642, Erhebung von Verkehrsdaten643, Einsatz technischer Mittel zum Zwecke der Observation (die weder die Aufnahme noch die Aufzeichnung von Wort und Ton ermöglichen)644, Einsatz von IMSI-Catchern645, Einsatz von Verdeckten Ermittlern646, längerfristige Observation647 und Rasterfahndung648. Diese nachrichtendienstrechtlich zulässigen Maßnahmen setzen in ihrer jeweiligen strafverfahrensrechtlichen Entsprechensnorm das Vorliegen bestimmter Tatsachen voraus. 638

Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 2 S. 1 und 2 BVerf-

SchG. 639

Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 3 Abs. 1 G10. Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 3 Abs. 1 G10; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 100a StPO. 641 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 2 S. 1 und 2 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm § 100c StPO. 642 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 1 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: 100f StPO. 643 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 8a Abs. 2 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 100g StPO. 644 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 1 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO. 645 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 4 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 100i StPO. 646 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 1 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 110a StPO. 647 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 1 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 163f StPO. 648 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 1 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 98a StPO. 640

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Die nur für polizeirechtliche Daten geltenden Verwendungsregelungen in § 100d Abs. 5 Nr. 3 und § 161 Abs. 3 StPO führen im Vergleich zur nachrichtendienstrechtlichen Systematik allein im Hinblick auf die Verwendung der Daten aus optischer Wohnraumüberwachung zum Zwecke des Spurenansatzes zu Unterschieden. Für polizeirechtlich erlangte Daten ist eine solche Verwendung verboten. Für nachrichtendienstrechtlich erlangte Daten ist eine solche Verwendung bei gesetzessystematischer Betrachtung möglich. Eine analoge Anwendung der für polizeirechtlich erlangte Daten geltenden Vorschriften auf nachrichtendienstlich erlangte Daten scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus. Über die spezifische Verwendungsregelung innerhalb der StPO hinaus sind über § 160 Abs. 4 StPO die bereichsspezifischen Geheimhaltungsvorschriften bzw. entgegenstehende Verwendungsregelungen aus dem Verfassungsschutzrecht zu beachten. Die dortigen Vorgaben binden nicht nur den Sender, sondern auch die Strafverfolgungsbehörden als Adressaten. III. Fazit Für die Strafverfolgungsbehörden bestehen nach der gesetzlichen Regelungsstruktur zwei Möglichkeiten mit nachrichtendienstlichen Daten in Berührung zu kommen. Entweder übermittelt der Verfassungsschutz ihnen spontan seine nachrichtendienstlichen Erkenntnissen oder die Strafverfolgungsbehörden ersuchen das BfV um Übermittlung entsprechender Daten. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines strafrechtlichen Anfangsverdachts. Aus diesem Grund können bei bloßen Vorermittlungen649 keine Anfragen gegenüber dem BfV erfolgen. Sofern die Strafverfolgungsbehörden den Verfassungsschutz um Übermittlung von Informationen ersuchen, ist dieser grundsätzlich verpflichtet, dem nachzukommen. Grenzen können sich allein daraus ergeben, dass die vorhandenen Daten rechtswidrig erlangt worden sind oder Zeugnisverweigerungsrechte, Beschlagnahmeverbote, Beweisverwertungsverbote, bereichsspezifische Geheimhaltungspflichten sowie Sperrerklärungen einer Übermittlung entgegenstehen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung sind hierbei insbesondere die bereichsspezifischen Geheimhaltungsvorschriften sowie die Sperrerklärungen von Relevanz. Über die bereichsspezifischen Geheimhaltungsvorschriften, die in § 160 Abs. 4 StPO mit dem gleichbedeutenden Terminus entgegenstehende Verwendungsregelungen eine ausdrückliche Regelung erfahren haben, stellen sämtliche speziellen Übermittlungsvoraussetzungen jenseits der Regelungen in den §§ 17 ff. BVerfSchG, die an eine Spontanübermittlung durch den Verfassungsschutz an die Strafverfolgungsbehörden gestellt werden, zugleich auch Grenzen gegenüber

649 Sofern dieses Institut überhaupt anzuerkennen ist, vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 C. I. 2. a).

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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einem Auskunftsersuchens dar. Gleiches gilt für den über § 24 BVerfSchG zu gewährleistenden Minderjährigenschutz. Das Auskunftsersuchen ermöglicht also keine Aushöhlung der nachrichtendienstlichen Regelungen zur Spontanübermittlung. Allerdings geht das Ersuchen im Hinblick auf die Begrenzung einer nachrichtendienstlich motivierten Unterbindung der Übermittlung insoweit über die Regelungen zur Spontanübermittlung hinaus, als der Verfassungsschutz ein Auskunftsverlangen nicht unter Berufung auf überwiegende Sicherheitsinteressen gem. § 23 Nr. 2 BVerfSchG verweigern kann. Stattdessen ist dies nur über eine Sperrerklärung möglich, die den Anforderungen der §§ 96, 54 StPO (analog) genügt. Zu beachten ist, dass bei einem Auskunftsersuchen die Prüfpflicht bezüglich der Erforderlichkeit der Daten für die Strafverfolgungsbehörden – und damit die Frage des Anfangsverdachts – (jedenfalls) für den Regelfall allein in den Händen der Strafverfolgungsbehörden liegt. Die §§ 161 Abs. 1 S. 1 und 163 Abs. 1 S. 2 StPO „verdrängen“ insoweit die §§ 19 Abs. 1 und 20 Abs. 1 BVerfSchG. Die Strafverfolgungsbehörden ersuchen um Auskunft, ohne die Gründe, die der Bejahung eines Anfangsverdachts zugrunde liegen, den jeweils angefragten Behörden mitzuteilen. Im Hinblick auf die strafverfahrensrechtliche Verwendbarkeit nachrichtendienstlicher Daten stellt allein § 161 Abs. 2 StPO eine beachtliche die Verwendung begrenzende Regelung dar; jedoch beschränkt allein auf die Verwendung zu Beweiszwecken. Daraus folgt, dass sämtliche nach den bisherigen Kriterien in den Machtbereich der Strafverfolgungsbehörden gelangten nachrichtendienstlichen Daten zum Zwecke des Spurenansatzes verwendbar sind. Nach § 161 Abs. 2 StPO dürfen nachrichtendienstliche Daten zu Beweiszwecken in einem Strafverfahren nur verwendet werden, wenn die nachrichtendienstliche Maßnahme, mit der die Daten erhoben worden sind, eine strafverfahrensrechtliche Entsprechung hat. Sofern die strafverfahrensrechtliche Entsprechungsmaßnahme nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig ist, muss zudem die Voraussetzung des hypothetischen Ersatzeingriffs gegeben sein. Des Weiteren müssen auch die Strafverfolgungsbehörden die über § 160 Abs. 4 StPO erfassten entgegenstehenden Verwendungsregelungen aus dem Verfassungsschutzrecht berücksichtigen.

D. Zusammenführung der Verwendungsregelungen Nachdem die Möglichkeiten der Datenübermittlung zum einen aus der Perspektive des Nachrichtendienstrechts als Sender und zum anderen aus der Perspektive des Strafverfahrensrechts als Empfänger betrachtet worden sind, ist es die Aufgabe des vorliegenden Abschnitts, die Ergebnisse zusammenzuführen. Aus der zusammenschauenden Betrachtung heraus ist es möglich aufzuzeigen,

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

welche nachrichtendienstlichen Daten nach der gegenwärtigen Gesetzeslage und dem Willen des Gesetzgebers dem Verfassungsschutz wann und zu welchem Zweck zur Verfügung stehen. Die Zusammenschau erfolgt hierbei allerdings nur unter der Perspektive aufzuzeigen, welche Daten jedenfalls den Strafverfolgungsbehörden zu welchem Zweck zur Verfügung stehen können. Ausgeblendet bleibt, inwieweit der Verfassungsschutz im Einzelfall auf eine Übermittlung verzichten muss650 bzw. kann651.652 I. Beschränkungen vor dem Machtbereich der Strafverfolgungsbehörden Das Nachrichtendienstrecht stellt an die Übermittlung von personenbezogenen Daten an Strafverfolgungsbehörden, die der Verfassungsschutz im Rahmen einer Individualkontrolle der Telekommunikation und des Brief- und Postverkehrs, einer technischen Wohnraumüberwachung, eines IMSI-Catcher-Einsatzes oder eines Besonderen Auskunftsanspruchs gem. § 8a Abs. 2 und 2a BVerfSchG gegenüber Luftfahrtunternehmen sowie Betreibern von Computerreservierungssystemen und Globalen Distributionssystemen für Flüge, Banken, Bundeszentralamt für Steuern, Telekommunikations- und Teledienstleistern erlangt hat sowie generell an die Übermittlung von Informationen über das Verhalten Minderjähriger (§ 24 BVerfSchG) erhöhte Anforderungen und begrenzt damit die Übermittlungsbefugnis. Diese nachrichtendienstrechtlichen Begrenzungen stellen aus strafverfahrensrechtlicher Perspektive zugleich bereichsspezifische Geheimhaltungsvorschriften dar. Sie begrenzen also nicht nur die nachrichtendienstliche Spontanübermittlung, sondern auch das Auskunftsersuchen durch die Strafverfolgungsbehörden.653 Die hierbei aufgestellten Übermittlungsbarrieren gelten (gesetzessystematisch begründet: mangels Differenzierung) vollumfänglich. Sie sind also auch dann zu beachten, wenn die zu übermittelten Daten nicht als Beweismittel, sondern „nur“ als Spurenansatz genutzt werden sollen. Die eben aufgezeigten besonderen Prüfpflichten obliegen dem Verfassungsschutz. Er hat diese vor jeder Übermittlung zu überprüfen. Im Falle einer Spontanübermittlung obliegt dem Verfassungsschutz auch stets die Prognoseentscheidung über das Vorliegen eines Anfangsverdachts. Bei einer Übermittlung aufgrund Ersuchens trifft den Verfassungsschutz diese Pflicht nicht. Das erscheint

650 Konstellation von § 23 BVerfSchG, insbesondere § 23 Nr. 2 BVerfSchG: überwiegende Sicherheitsinteressen. 651 Konstellation von §§ 96, 54 StPO (analog): Sperrerklärung. 652 Vgl. hierzu zusammenfassend unten Dritter Teil: Kapitel 2 G. 653 Die in § 23 BVerfSchG gefassten Übermittlungsverbote (insbesondere § 23 Nr. 2 BVerfSchG: überwiegende Sicherheitsinteressen) begrenzen allein die Spontanübermittlung. Sie können einem Auskunftsersuchen nicht entgegengehalten werden.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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auch nicht notwendig, da die Strafverfolgungsbehörde nur bei Bejahung eines Anfangsverdachts ein Ersuchen stellen darf. II. Beschränkungen im Machtbereich der Strafverfolgungsbehörden Die im Strafverfahrensrecht geltenden Verwendungsregelungen begrenzen zwar die Verwendung der Daten, können aber die Kenntnisnahme der Daten durch die Strafverfolgungsbehörden selbst nicht mehr verhindern. Das liegt daran, dass zwischen Sender und Empfänger keine Zwischenstelle geschalten ist, die vorab die strafverfahrensrechtliche Verwendbarkeit prüft.654 Der Umfang der Verwendungsmöglichkeiten von nachrichtendienstlichen Daten, die in den Machtbereich der Strafverfolgungsbehörden gelangt sind, richtet sich für die Strafverfolgungsbehörden zunächst nach der Verwendungsregelung in § 161 Abs. 2 StPO. Die Vorschrift soll allerdings nur die Verwendbarkeit der Daten zu Beweiszwecken beschränken. Im Hinblick auf die Verwendung als Spurenansätze greift § 161 Abs. 2 StPO nach der Konzeption des Gesetzgebers nicht. Folgt man dem, so sind die nachstehenden Konsequenzen zu ziehen: Sofern die Daten aus einer Maßnahme stammen, die keine Entsprechung im Strafverfahrensrecht haben, ist ihre Verwendung zu Beweiszwecken gesperrt, sofern der Betroffene nicht hierzu einwilligt. Das betrifft nach derzeitiger Rechtslage nachrichtendienstliche Daten aus optischer Wohnraumüberwachung655 oder dem heimlichen Öffnen und Einsehen von Sendungen, die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegen.656 Die übrigen Daten dürfen, sofern die strafverfahrensrechtliche Entsprechungsmaßnahme nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig ist, dann zu Beweiszwecken verwendet werden, wenn sie in dem konkreten Strafverfahren zum Zeitpunkt der Übermittlung auch auf der Grundlage des Strafverfahrens hätten erhoben werden können. Das betrifft nach der derzeitigen Rechtslage Daten, die aus den folgenden nachrichtendienstlichen Maßnahmen stammen: Überwachung der Telekommunikation657, Überwachung des Wohnraums658, Abhören außerhalb

654 Zöller, HdbIS, S. 447 (489), äußerte bereits im Hinblick auf die Prüfung der Erforderlichkeit eines Datentransfers die Überlegung, hierfür eine unabhängige, externe Stelle einzurichten. Jedoch verwarf er den Gedanken auch gleich wieder aufgrund des damit verbundenen hohen Arbeitsaufwandes infolge des enormen Datenaufkommens. 655 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 2 S. 1 und 2 BVerfSchG. 656 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 3 Abs. 1 G10. 657 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 3 Abs. 1 G10; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 100a StPO. 658 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 2 S. 1 und 2 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm § 100c StPO.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

von Wohnungen659, Erhebung von Verkehrsdaten660, Einsatz technischer Mittel zum Zwecke der Observation (die weder die Aufnahme noch die Aufzeichnung von Wort und Ton ermöglichen)661, Einsatz von IMSI-Catchern662, Einsatz von Verdeckten Ermittlern663, längerfristige Observation664 und Rasterfahndung.665 – Die sonstigen, bislang noch nicht erfassten Daten erfahren über § 161 Abs. 2 StPO keine Verwendungsbeschränkung. Adressaten dieser Verwendungsbeschränkung sind allein die Strafverfolgungsbehörden. Nicht jedoch richtet sich die Regulierung an den Verfassungsschutz. Er hat eine diesbezügliche Prüfung vor Übermittlung der Daten nicht vorzunehmen. Darüber hinaus haben über § 160 Abs. 4 StPO die Strafverfolgungsbehörden die bereichsspezifischen Geheimhaltungsvorschriften aus dem Nachrichtendienstrecht zu beachten.666 Praktische Auswirkungen hat dies insbesondere im Hinblick auf dortige Begrenzungen durch Straftatkataloge. Hinsichtlich der in den dortigen Katalogen nicht genannten Straftaten können die Daten weder zu Beweiszwecken noch als Spurenansätze verwendet werden. III. Überblick über die Auswirkungen von § 161 Abs. 2 StPO Im Folgenden sollen überblicksartig die konkreten Beschränkungen aufgezeigt werden, die sich für die Strafverfolgungsbehörden im Hinblick auf die Verwendung von nachrichtendienstlich erhobenen Daten über § 161 Abs. 2 StPO ergeben, obgleich sie sich schon in ihrem Machtbereich (i. S. v. Kenntnisbereich) befinden. In diesem Rahmen wird zugleich die Begrenzungswirkung von § 160 Abs. 4 StPO mit berücksichtigt, um insoweit ein abschließendes Bild über die Verwendung nachrichtendienstlicher Daten aufzeigen zu können.

659 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 1 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: 100f StPO. 660 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 8a Abs. 2 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 100g StPO. 661 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 1 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO. 662 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 4 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 100i StPO. 663 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 1 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 110a StPO. 664 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 1 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 163f StPO. 665 Nachrichtendienstliche Ermächtigungsgrundlage: § 9 Abs. 1 BVerfSchG; strafverfahrensrechtliche Entsprechensnorm: § 98a StPO. 666 Vgl. hierzu unten Dritter Teil: Kapitel 2 C. I. 2. c) aa) und Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 3.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

211

• Daten aus Wohnraumüberwachung Verwendung der Daten zu Beweiszwecken Verwendung der Daten als Spurenansatz Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen zur Anordnung einer Wohnraumüberwachung gem. § 100c StPO vorliegen. Das bedeutet insbesondere:

Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen von § 9 Abs. 2 S. 7 BVerfSchG (Wohnraumüberwachung)667 vorliegen. Das bedeutet insbesondere:

nur Daten aus akustischer Wohnraumüber- Daten aus akustischer und optischer wachung und Wohnraumüberwachung und • Vorliegen einer in § 100c Abs. 2 StPO • Vorliegen einer in § 3 Abs. 1 S. 1 und 1a und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 gelisteten gelisteten Katalogtat Katalogtat • Straftatverdacht gründet sich auf be• Straftatverdacht gründet sich auf bestimmte Tatsachen (qualifizierter Tatstimmte Tatsachen (qualifizierter Tatverdacht) verdacht). • Besondere Schwere der Katalogtat auch im Einzelfall • Beachtung der Subsidiaritätsklausel gem. § 100c Abs. 1 Nr. 4 StPO • Beachtung der Verwertungsverbote nach § 100c Abs. 5 und 6 StPO. Hinsichtlich der folgenden Straftaten überschneiden sich die Kataloge von § 100c Abs. 2 StPO und § 3 Abs. 1 S. 1 und 1a und § 7 Abs. 4 S. 1 G10. Folglich können nur zur Aufklärung dieser Straftaten die nachrichtendienstlichen Daten aus akustischer Wohnraumüberwachung verwendet werden:

Neben den bereits zu Beweiszwecken gelisteten Straftaten stehen die Daten zur Verfolgung von Spurenansätzen hinsichtlich der folgenden Straftaten zur Verfügung:

§§ 80, 81, 94, 95 Abs. 3, 96 Abs. 1, 97a, 98 Abs. 1 S. 2, 99 Abs. 2, 100, 100a Abs. 1 bis 3, 129a, 129b, 146, 151, 152a Abs. 3, 211, 212, 232 Abs. 3, 4 oder Abs. 5 zweiter Halbs., 239a, 239b, 250, 251, 255, 261 (unter den in § 261 Abs. 4 S. 2 genannten Voraussetzungen) StGB sowie

§§ 83, 84 bis 86, 87 bis 89a, 95 Abs. 1 und 2, 96 Abs. 2, 98 Abs. 1 S. 1, 99 Abs. 1, 100a Abs. 1 bis 3, 109e bis 109g, 130, 152a Abs. 1 und 2, 249, 261 (ohne Regelbeispiel gem. § 261 Abs. 4 S. 2), 305a, 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, 308 Abs. 1 bis 4, 309 Abs. 1 bis 5, 313, 314, 315 Abs. 1, 3 oder Abs. 4, 315b Abs. 3, 316a, 316b Abs. 1 oder Abs. 3 oder 316c Abs. 1 bis 3 StGB sowie

§§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 1, 4, 30a BtMG, §§ 19 Abs. 2, 20 Abs. 1, 22a Abs. 1 i.V. m. § 95 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG, §§ 34 Abs. 1 bis 6 und 8, 35 AWG, Abs. 2 KrWaffKontrG, §§ 6 bis 12 VStGB. §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 2, 22a Abs. 1 Nr. 4, 5 und 7 KrWaffKontrG, §§ 87, 89, 94 bis 96, 98 bis 100, 109e bis 109g StGB i.V. m. § 1 NTSG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 VereinsG. 667

Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. V. 2.

212

3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

• Daten aus Telekommunikationsüberwachung Verwendung der Daten zu Beweiszwecken Verwendung der Daten als Spurenansatz Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen zur Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung gem. § 100a StPO vorliegen. Das bedeutet insbesondere:

Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen von § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10 vorliegen.668 Das bedeutet insbesondere:

• Vorliegen einer in § 100a Abs. 2 StPO • Vorliegen einer in § 3 Abs. 1 S. 1 und 1a und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 gelisteten gelisteten Katalogtat Katalogtat • Straftatverdacht gründet sich auf be• Straftatverdacht gründet sich auf bestimmte Tatsachen (qualifizierter Tatstimmte Tatsachen (qualifizierter Tatverdacht) verdacht). • Schwere der Katalogtat auch im Einzelfall • Beachtung der Subsidiaritätsklausel gem. § 100a Abs. 1 Nr. 3 StPO • Beachtung der Verwertungsverbote nach § 100a Abs. 4 und § 160a StPO.669 Hinsichtlich der folgenden Straftaten überschneiden sich die Kataloge von § 100a Abs. 2 StPO und § 3 Abs. 1 S. 1 und 1a und § 7 Abs. 4 S. 1 G10. Folglich können nur zur Aufklärung dieser Straftaten die nachrichtendienstlichen Daten aus Überwachung der Telekommunikation verwendet werden:

Neben den bereits zu Beweiszwecken gelisteten Straftaten stehen die Daten zur Verfolgung von Spurenansätzen hinsichtlich der folgenden Straftaten zur Verfügung:

§§ 80 bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 94 bis 96, 97a bis 100a, 109e bis 109g, 129a bis 130, 146, 151, 152, 152a Abs. 3, 211, 212, 232 Abs. 3, 4 und Abs. 5 zweiter Halbs., 239a, 239b, 249 bis 252, 255, 261 Abs. 1, 2 und 4, 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, 308 Abs. 1 bis 3, 309 Abs. 1 bis 4, 313, 314, 315 Abs. 3, 315b Abs. 3, 316a, 316b Abs. 1 oder Abs. 3 oder 316c Abs. 1 bis 3 StGB sowie

§§ 83, 152 a Abs. 1 und 2, 261 Abs. 3, 5 und 8, 305a, 308 Abs. 4, 309 Abs. 5, 315 Abs. 1 und 4, 316b Abs. 1 und 3 StGB sowie § 95 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG, §§ 34 Abs. 8, 35 AWG, §§ 19 Abs. 4 und 5, 20 Abs. 3, 20a Abs. 4 KrWaffKontrG, § 1 NTSG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 VereinsG.670

§ 34 Abs. 1 bis 6 AWG, §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 1 und 4, 30a BtMG,

668

Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. Zu beachten ist hierbei, dass auch das G10 (mit Gesetz vom 31.7.2009, BGBl. I S. 2499) über § 3a und §3b Vorschriften zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und zum Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen hat und insoweit bereits schon die Übermittlung in den Machtbereich der Strafverfolgungsbehörde beschränkt ist. 670 Zur Erarbeitung der Liste vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. 1. d). 669

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

213

Verwendung der Daten zu Beweiszwecken Verwendung der Daten als Spurenansatz §§ 19 Abs. 1 bis 3, 20 Abs. 1 und 2, 20a Abs. 1 bis 2, 21, 22a Abs. 1 Nr. 4, 5 und 7 KrWaffKontrG, §§ 6 bis 12 VStGB.

• Daten aus Einsatz von IMSI-Catchern Verwendung der Daten zu Beweiszwecken Verwendung der Daten als Spurenansatz Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen zur Anordnung eines IMSI-Catcher-Einsatzes gem. § 100i StPO vorliegen. Das bedeutet insbesondere:671

Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen von § 9 Abs. 4 S. 4 BVerfSchG vorliegen.672 Das bedeutet insbesondere:

• Vorliegen einer Straftat von erheblicher • Vorliegen einer in § 3 Abs. 1 S. 1 und 1a und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 gelisteten Bedeutung673, insbesondere eine in Katalogtat § 100a Abs. 2 bezeichnete Straftat674 • Straftatverdacht gründet sich auf be• Straftatverdacht gründet sich auf bestimmte Tatsachen (qualifizierter Tatstimmte Tatsachen (qualifizierter Tatverdacht). verdacht) • Erhebliche Bedeutung der Straftat auch im Einzelfall • Beachtung der Verwertungsverbote nach § 160a StPO. Die Straftat von erheblicher Bedeutung muss in dem Katalog von § 3 Abs. 1 S. 1 und 1a und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 enthalten sein, denn nur hinsichtlich dieser Daten ist eine Übermittlung durch den Verfassungsschutz überhaupt möglich. Folglich können nur zur Aufklärung dieser Straftaten die nachrichtendienstlichen Daten aus IMSI-Catcher-Einsatz verwendet werden:

Die Daten stehen zur Verfolgung von Spurenansätzen hinsichtlich sämtlicher der in dem Katalog von § 3 Abs. 1 S. 1 und 1a und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 gelisteten Straftaten zur Verfügung:

§§ 80 bis 83, 84 bis 86, 87 bis 89a, 94 bis 96, 97a bis 100a, 109e bis 109g, 129a bis 130, 146, 151 bis 152a, 211, 212, 232 Abs. 3, 4 oder Abs. 5 zweiter Halbs., 239a,

671 Die in § 100i Abs. 2 S. 2 StPO verfasste Verwendungsregel hinsichtlich Daten Dritter kann vorliegend unberücksichtigt bleiben, weil hierzu bereits kein Transfer seitens des Verfassungsschutzes infolge der Verwendungsregel in § 9 Abs. 4 S. 6 BVerfSchG erfolgen darf; vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. V. 3. 672 Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. V. 3. 673 Zum Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung als Eingriffsvoraussetzung vgl. Rieß, GA 2004, 623 ff. 674 Die Katalogtaten in § 100a Abs. 2 StPO sind nur beispielhaft und nicht abschließend zu verstehen; vgl. KK/Nack, StPO, § 100i Rn. 7, und HK/Gercke, StPO, § 100i Rn. 9.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Verwendung der Daten zu Beweiszwecken Verwendung der Daten als Spurenansatz 239b, 249 bis 251, 255, 261, 305a, 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, 308 Abs. 1 bis 4, 309 Abs. 1 bis 5, 313, 314, 315 Abs. 1, 3 oder Abs. 4, 315b Abs. 3, 316a, 316b Abs. 1 oder Abs. 3 oder 316c Abs. 1 bis 3 StGB sowie § 95 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG, § 34 Abs. 1 bis 6 und 8, 35 AWG, §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 1 und 4, 30a BtMG, §§ 19 bis 21, 22a Abs. 1 Nr. 4, 5 und 7 KrWaffKontrG, §§ 87, 89, 94 bis 96, 98 bis 100, 109e bis 109g StGB i.V. m. § 1 NTSG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 VereinsG, §§ 6 bis 12 VStGB.

• Verkehrsdaten/Verbindungsdaten Verwendung der Daten zu Beweiszwecken Verwendung der Daten als Spurenansatz Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen zur Erhebung von Verkehrsdaten gem. § 100g StPO vorliegen. Das bedeutet insbesondere:675

Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen von § 8a Abs. 2 BVerfSchG vorliegen.676 Das bedeutet insbesondere:

• Vorliegen einer Straftat von – auch im • Vorliegen einer in § 3 Abs. 1 S. 1 und 1a und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 gelisteten Einzelfall – erheblicher Bedeutung677, Katalogtat insbesondere eine in § 100a Abs. 2 be678 zeichnete Straftat , oder einer Straftat • Straftatverdacht gründet sich auf bestimmte Tatsachen (qualifizierter Tatmittels Telekommunikation679 unter verdacht). Beachtung der Subsidiaritätsklausel gem. § 100g Abs. 1 S. 2 StPO • Straftatverdacht gründet sich auf bestimmte Tatsachen (qualifizierter Tatverdacht) • Beachtung der Verwertungsverbote nach § 160a StPO. 675 Die über § 100g Abs. 1 S. 3 StPO aufgestellten Voraussetzung zur Erhebung von Standortdaten in Echtzeit können vorliegend dahingestellt bleiben, da das Nachrichtendienstrecht eine Erhebung solcher Daten über § 8a Abs. 2 BVerfSchG nicht gestattet und diese Daten folglich nicht übermittelt werden können. 676 Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. V. 4. 677 Zum Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung als Eingriffsvoraussetzung vgl. Rieß, GA 2004, 623 ff. 678 Die Katalogtaten in § 100a Abs. 2 StPO sind nur beispielhaft und nicht abschließend zu verstehen; vgl. KK/Nack, StPO, § 100g Rn. 6, und HK/Gercke, StPO, § 100g Rn. 11. 679 Erfasst werden sollen hierüber insbesondere zum einen die Straftaten, bei denen die Telekommunikation ein notwendiges Tatmittel darstellt, und zum anderen die Delikte, bei denen die Anonymität der Telekommunikation genutzt wird; KK/Nack, StPO, § 100g Rn. 8, ähnlich SK/Wolter, StPO, § 100g Rn. 23.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Verwendung der Daten zu Beweiszwecken Verwendung der Daten als Spurenansatz Die Straftat von erheblicher Bedeutung oder die Straftat mittels Telekommunikation muss in dem Katalog von § 3 Abs. 1 S. 1 und 1a und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 enthalten sein, denn nur hinsichtlich dieser Daten ist eine Übermittlung durch den Verfassungsschutz überhaupt möglich. Folglich können nur zur Aufklärung dieser Straftaten die nachrichtendienstlich erhobenen Verkehrsdaten verwendet werden:

Die Daten stehen zur Verfolgung von Spurenansätzen hinsichtlich sämtlicher der in dem Katalog von § 3 Abs. 1 S. 1 und 1a und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 gelisteten Straftaten zur Verfügung:

§§ 80 bis 83, 84 bis 86, 87 bis 89a, 94 bis 96, 97a bis 100a, 109e bis 109g, 129a bis 130, 146, 151 bis 152a, 211, 212, 232 Abs. 3, 4 oder Abs. 5 zweiter Halbs., 239a, 239b, 249 bis 251, 255, 261, 305a, 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, 308 Abs. 1 bis 4, 309 Abs. 1 bis 5, 313, 314, 315 Abs. 1, 3 oder Abs. 4, 315b Abs. 3, 316a, 316b Abs. 1 oder Abs. 3 oder 316c Abs. 1 bis 3 StGB sowie § 95 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG, §§ 34 Abs. 1 bis 6 und 8, 35 AWG, §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 1 und 4, 30a BtMG, §§ 19 bis 21, 22a Abs. 1 Nr. 4, 5 und 7 KrWaffKontrG, §§ 87, 89, 94 bis 96, 98 bis 100, 109e bis 109g StGB i.V. m. § 1 NTSG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 VereinsG, §§ 6 bis 12 VStGB.

• Daten aus Einsatz von Verdeckten Ermittlern Verwendung der Daten zu Beweiszwecken

Verwendung der Daten als Spurenansatz

Für die Verwendung der Daten als Spurenansatz gibt es keine Beschränkung durch bereichsspezifische Geheimhal• Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte, dass tungsvorschriften gem. eine Straftat von erheblicher Bedeutung § 160 Abs. 4 StPO. 1. auf dem Gebiet des unerlaubten Betäubungsmitteloder Waffenverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung, 2. auf dem Gebiet des Staatsschutzes (§§ 74a, 120 GVG), 3. gewerbs- oder gewohnheitsmäßig oder 4. von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert begangen worden ist; oder zur Aufklärung von Verbrechen, soweit auf Grund bestimmter Gefahren die Gefahr der Wiederholung besteht oder die besondere Bedeutung der Tat den Einsatz gebietet. • Beachtung der Subsidiaritätsklausel gem. § 110a Abs. 1 S. 3 bzw. S. 4 StPO • Beachtung der Verwertungsverbote nach § 160a StPO. Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen für den Einsatz von Verdeckten Ermittlern gem. § 110a StPO vorliegen. Das bedeutet insbesondere:

216

3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

• Daten aus Abhören außerhalb von Wohnungen Verwendung der Daten zu Beweiszwecken

Verwendung der Daten als Spurenansatz

Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen für das Abhören außerhalb von Wohnungen gem. § 100f StPO vorliegen. Das bedeutet insbesondere:

Für die Verwendung der Daten als Spurenansatz gibt es keine Beschränkung durch bereichsspezifische Geheimhaltungsvorschriften gem. § 160 Abs. 4 StPO.

• Vorliegen einer in § 100a Abs. 2 bezeichneten Straftat • Straftatverdacht gründet sich auf bestimmte Tatsachen (qualifizierter Tatverdacht) • Erhebliche Bedeutung der Straftat auch im Einzelfall • Beachtung der Subsidiaritätsklausel gem. § 100f Abs. 1 a. E. StPO • Beachtung der Verwertungsverbote nach § 160a StPO.

• Daten aus Einsatz weiterer technischer Mittel zwecks Observation Verwendung der Daten zu Beweiszwecken

Verwendung der Daten als Spurenansatz

Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen für den Einsatz weiterer technischer Mittel zum Zwecke der Observation, die – allerdings – weder die Aufnahme noch die Aufzeichnung von Wort und Ton ermöglichen, gem. § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO vorliegen. Das bedeutet insbesondere:

Für die Verwendung der Daten als Spurenansatz gibt es keine Beschränkung durch bereichsspezifische Geheimhaltungsvorschriften gem. § 160 Abs. 4 StPO.

• Vorliegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung680 • Beachtung der Subsidiaritätsklausel • Beachtung der Verwertungsverbote nach § 160a StPO.

• Daten aus längerfristiger Observation Eine längerfristige Observation i. S. v. § 163f StPO liegt vor, wenn die Beobachtung durchgehend länger als 24 Stunden dauert oder an mehr als zwei Tagen stattfindet.

680 Zum Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung als Eingriffsvoraussetzung vgl. Rieß, GA 2004, 623 ff.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

217

Verwendung der Daten zu Beweiszwecken

Verwendung der Daten als Spurenansatz

Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen für eine längerfristige Observation gem. § 163f StPO vorliegen. Das bedeutet insbesondere:

Für die Verwendung der Daten als Spurenansatz gibt es keine Beschränkung durch bereichsspezifische Geheimhaltungsvorschriften gem. § 160 Abs. 4 StPO.

• Vorliegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung681 • Straftatverdacht gründet sich auf zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten • Beachtung der Subsidiaritätsklausel • Beachtung der Verwertungsverbote nach § 160a StPO.

• Daten aus Rasterfahndung Verwendung der Daten zu Beweiszwecken

Verwendung der Daten als Spurenansatz

Verwendungsregeln aus dem Machtbereich der Behörde, aus dem die Daten erlangt worden sind, müssen über § 160 Vorliegen einer der folgenden Straftaten: auf dem GeAbs. 4 StPO auch bei eibiete des unerlaubten Betäubungsmittel- oder Waffenver- ner Weitergabe an Dritte kehrs, auf dem Gebiet der Geld- oder Wertzeichenfälbeachtet werden. schung; auf dem Gebiet des Staatsschutzes (§ 74a und § 120 GVG); auf dem Gebiet der gemeingefährlichen Straftaten; gegen Leib oder Leben, die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit; gewerbs- oder gewohnheitsmäßig; von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert Straftat ist von erheblicher Bedeutung682 Straftatverdacht gründet sich auf zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten Beachtung der Subsidiaritätsklausel Beachtung der Verwertungsverbote nach § 160a StPO Keine entgegenstehenden Verwendungsregeln (§ 98b Abs. 1 S. 6 StPO).

Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen für eine Rasterfahndung gem. § 98a StPO vorliegen. Das bedeutet insbesondere: •

• • • • •

681 Zum Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung als Eingriffsvoraussetzung vgl. Rieß, GA 2004, 623 ff. 682 Zum Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung als Eingriffsvoraussetzung vgl. Rieß, GA 2004, 623 ff.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

• Daten aus „heimlicher Brief- und Postkontrolle“ Verwendung der Daten zu Beweiszwecken

Verwendung der Daten als Spurenansatz

Mangels Entsprechungsklausel dürfen Daten, die aus dem heimlichen Öffnen und Einsehen von Sendungen, die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegen, nicht zu Beweiszwecken verwendet werden.

Im Moment der Übermittlung müssen für das konkrete Strafverfahren die Voraussetzungen von § 4 Abs. 4 Nr. 2 G10 vorliegen.683 Das bedeutet insbesondere: • Vorliegen einer in § 3 Abs. 1 S. 1 und 1a und § 7 Abs. 4 S. 1 G10 gelisteten Katalogtat • Straftatverdacht gründet sich auf bestimmte Tatsachen (qualifizierte Tatverdacht). Die Daten stehen zur Verfolgung von Spurenansätzen hinsichtlich der folgenden Straftaten zur Verfügung: §§ 80 bis 83, 84 bis 86, 87 bis 89a, 94 bis 96, 97a bis 100a, 109e bis 109g, 129a bis 130, 146, 151 bis 152a, 211, 212, 232 Abs. 3, 4 oder Abs. 5 zweiter Halbs., 239a, 239b, 249 bis 251, 255, 261, 305a, 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, 308 Abs. 1 bis 4, 309 Abs. 1 bis 5, 313, 314, 315 Abs. 1, 3 oder Abs. 4, 315b Abs. 3, 316a, 316b Abs. 1 oder Abs. 3 oder 316c Abs. 1 bis 3 StGB sowie § 95 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG, §§ 34 Abs. 1 bis 6 und 8, 35 AWG, §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 1, 4, 30a BtMG, §§ 19 bis 21, 22a Abs. 1 Nr. 4, 5 und 7 KrWaffKontrG, §§ 87, 89, 94 bis 96, 98 bis 100, 109e bis 109g StGB i.V. m. § 1 NTSG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 VereinsG, §§ 6 bis 12 VStGB.

E. Gemeinsame-Dateien-Gesetz Am 31. Dezember 2006 ist das Gemeinsame-Dateien-Gesetz684 in Kraft getreten. Mit diesem Artikelgesetz wurden die Einrichtung einer zentralen Antiterrordatei sowie die Schaffung von gemeinsamen Projektdateien zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ermöglicht. Der Gesetzgeber will damit auf die „anhaltend hohe Bedrohung durch den internationalen Terrorismus“ reagieren, der einen effektiveren Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden erfordere.685 Letztlich baut das Gemeinsame-Dateien-Gesetz auf die Institutionalisierung der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden einschließlich der Strafverfolgungsbehörden auf 686 und will diese Zusammenarbeit noch effizienter gestal683 684 685 686

Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. IV. Gesetz vom 22.12.2006, BGBl. I S. 3409. BT-Drs. 16/2950, S. 12. Hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 1 B.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

219

ten.687 Entsprechend wurde der symbolische Knopfdruck zum Start der Antiterrordatei im GTAZ in Berlin-Treptow vollzogen.688 Konzipiert sind sowohl die Antiterrordatei als auch die gemeinsamen Projektdateien auf eine Zusammenarbeit zwischen Polizei und Nachrichtendiensten. Doch darf dies nicht vorschnell dahingehend fehlinterpretiert werden, die Dateien hätten mit dem hiesigen Untersuchungsgegenstand nichts zu tun, als dass es hier um eine Zusammenarbeit von allein präventiv tätigen Behörden gehe. So ist die Polizei nicht nur Gefahrenabwehr-, sondern auch Strafverfolgungsbehörde.689 Auch sind die Errichtungsgründe für die Dateien nicht auf Zwecke der Gefahrenabwehr begrenzt. Der Bezug zur Strafverfolgung wird im Rahmen des ATDG sogar ausdrücklich dergestalt herausgestellt, als dass der Zugriff des Generalbundesanwalts auf die Datei über die Kriminalämter eine eigene Regelung erfahren hat.690 Dass die Staatsanwaltschaften bzw. der Generalbundesanwalt nicht in einem Atemzug mit Verfassungsschutz- und Polizeibehörden genannt werden, zeigt ein weiteres Mal die in tatsächlicher Hinsicht untergeordnete Bedeutung der Staatsanwaltschaften in den Ermittlungsverfahren.691 Im Folgenden sind die Regelungen für die Dateien (Antiterrordatei [I.], Projektdateien [II.]) als solches vorzustellen.692 Zu schauen ist hierbei, inwieweit sich hierüber neue, erweiterte Formen der Mitwirkungsmöglichkeiten des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren ergeben.693 Das ATDG lag dem BVerfG zur Prüfung vor. Da das BVerfG sein Urteil erst nach Abschluss der Untersuchung694 am 24. April 2013695 verkündet hat, konnten die die Antiterrordatei unmittelbar selbst betreffenden und hier relevanten Ausführungen überwiegend nur kursorisch und in Beschränkung auf eine reine Berichtsform als eigenständiger Nachtrag berücksichtigt werden.696 Zusammen687

Vgl. BT-Drs. 16/2950, S. 12. Wörlein, CILIP 2008, 50 (57 f.). 689 Vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 2. 690 § 6 Abs. 4 ATDG. 691 Vgl. zur Stellung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren bereits oben Zweiter Teil: Kapitel 2. 692 Die Verfassungsmäßigkeit des Gemeinsamen-Dateien-Gesetz wird nicht eigenständig untersucht; vgl. oben Erster Teil: B. 693 Aufgrund dieser Schwerpunktsetzungen bleiben Fragen zur datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit sowie Verfahrenssicherungen (vgl. §§ 8–11 ATDG; § 22a Abs. 2 S. 3, Abs. 3 und 5 BVerfSchG; § 9a Abs. 2 S. 3, Abs. 3 und 5 BNDG; § 9a Abs. 2 S. 3, Abs. 3 und 5 BKAG) ausgeblendet. – Kritisch zur Ausgestaltung im ATDG u. a. Wolff/Scheffczyk, JA 2008, 81 (88), und Stubenrauch, S. 234 ff. Das BVerfG nimmt unter BVerfGE 133, 277 (365 ff., 372) zu den an die Antiterrordatei zu stellenden Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz, aufsichtsrechtliche Kontrolle sowie Löschungsvorschriften Stellung. 694 Die Arbeit wurde im November 2012 abgeschlossen. 695 BVerfGE 133, 277. 696 Hierzu unten Sechster Teil. 688

220

3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

gefasst erhebt das Gericht in der Errichtung der Antiterrordatei als solches keine verfassungsrechtlichen Bedenken, erkennt jedoch in der konkreten Ausgestaltung vereinzelt Verstöße gegen das Verfassungsrecht.697 I. Antiterrordatei Die Antiterrordatei wird – beim BKA – zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland vom BKA, der Bundespolizei, den LKA, dem BfV, den LfV, dem Militärischen Abschirmdienst, dem BND und dem Zollkriminalamt geführt (§ 1 Abs. 1 ATDG). Das sind zusammengerechnet 38 Sicherheitsbehörden.698 An der Antiterrordatei können gem. § 1 Abs. 2 ATDG noch weitere Polizeivollzugsbehörden teilnehmen, sofern diese nicht nur im Einzelfall „Aufgaben zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland“ wahrnehmen und ihr Zugriff auf die Antiterrordatei erforderlich und angemessen ist.699 Allerdings hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur Antiterrordatei eine Unvereinbarkeit von § 1 Abs. 2 ATDG mit dem Bestimmtheitsgebot und damit mit dem Grundgesetz festgestellt.700 Die Antiterrordatei wurde am 30. März 2007 frei geschaltet.701 Nach Auskunft der Bundesregierung waren bereits am 28. Mai 2008 17.745 personenbezogene Datensätze in der Antiterrordatei gespeichert.702

697 BVerfG – 1 BvR 1215/07 – Urteil vom 24.4.2013, BVerfGE 133, 277; hierzu Gärditz, JZ 2013, 633 ff., Kasiske, NJW-Spezial 2013, 312 f., Arzt, NVwZ 2013, 1328 ff., Frenz, DVBl. 2013, 783 ff. 698 Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (186). 699 Kritisch zu der Öffnungsklausel von § 1 Abs. 2 ATDG Ruhmannseder, JA 2008, 373 (374). Nach Schaar (Stellungnahme, InnenA-Drs. 16(4)131 G, S. 5) kommen über diese Öffnungsklausel die Hinzuziehung von „mehrere[n] hundert Behörden“ in Betracht. – Zur tatsächlichen Entwicklung vgl. Evaluierungsbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 17/12665 (neu), S. 18. 700 BVerfGE 133, 277 (336 ff.) – zur Rechtsfolge (375 ff.). 701 Zöller, JZ 2007, 763 (768). 702 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/10007, S. 7, mit dem Hinweis, dass aufgrund Doppelspeicherung die Zahl der gespeicherten Personen niedriger sein kann. Klee, S. 146 f.: der überwiegende Teil der erfassten Personen lebt „nicht in Deutschland, sondern gehört radikalen, islamistischen Organisationen im Ausland an, die wiederum Verbindungen und Kontakte ins Inland unterhalten. Die Zahl der in Deutschland lebenden, in der Antiterrordatei gespeicherten Personen macht weniger als ein Viertel der Gesamtzahl erfasster Personen aus. Nur ein kleiner Teil dieser Personen wird von den Sicherheitsbehörden als tatsächlich gewaltbereit, gefährlich und in terroristische Gruppen eingebunden eingestuft (sog. Gefährder).“ – Laut BVerfG (BVerfGE 133, 277 [306]) enthielt die Datei im August 2012 17.101 Datensätze zu Personen (mit ungefähr 920 Doppelnennungen); davon haben 2.888 der erfassten Personen (das sind 16,9% des Gesamtbestandes) ihren Wohnsitz im Inland. Zum Problem der Mehrfacherfassung siehe Evaluierungsbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 17/12665 (neu), S. 30.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

221

1. Erfasste Personen und Objekte In der Antiterrordatei werden – soweit dies für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist (§ 2 S. 1 a. E. ATDG) – folgende Personen bzw. Objekte geführt: • Mitglieder oder Unterstützer einer terroristischen Vereinigung gem. § 129a StGB, die einen internationalen Bezug aufweist, oder einer terroristischen Vereinigung gem. § 129a i.V. m. § 129b StGB mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland (§ 2 S. 1 Nr. 1 lit. a ATDG) oder sog. Kontaktpersonen von diesen (§ 2 S. 1 Nr. 3 ATDG), • Mitglieder oder Unterstützer einer Gruppierung, die eine terroristische Vereinigung nach § 2 S. 1 Nr. 1 lit. a ATDG unterstützt (§ 2 S. 1 Nr. 1 lit. b ATDG), • Personen, die rechtswidrig Gewalt703 als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange anwenden oder eine solche Gewaltanwendung unterstützen, vorbereiten, befürworten704 oder durch ihre Tätigkeiten vorsätzlich hervorrufen (§ 2 S. 1 Nr. 2 ATDG) oder sog. Kontaktpersonen von diesen (§ 2 S. 1 Nr. 3 ATDG), • Vereinigungen, Gruppierungen, Stiftungen, Unternehmen, Sachen, Bankverbindungen, Anschriften, Telekommunikationsanschlüsse, Telekommunikationsendgeräte, Internetseiten oder E-Mail-Adressen, sofern tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass diese Organisationen, Sachen etc. in Zusammenhang mit einer Person gem. § 2 S. 1 Nr. 1 und 2 ATDG stehen und durch sie Hinweise für die Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus gewonnen werden können (§ 2 S. 1 Nr. 4 ATDG). Der von § 2 ATDG erfasste Personenkreis hielt einer verfassungsrechtlichen Überprüfung durch das BVerfG in seiner Gänze nicht stand. Im Einzelnen monierte das Gericht das Folgende: § 2 S. 1 Nr. 1 lit. b ATDG sei nicht mit dem Übermaßverbot vereinbar, soweit auch Personen erfasst werden, „die eine unterstützende Vereinigung lediglich unterstützen.“ 705 § 2 S. 1 Nr. 2 ATDG verstoße gegen das Übermaßverbot, sofern hierüber auch solche Personen erfasst werden, die allein die Gewalt befürworten.706 Die Erfassung von Kontaktpersonen über § 2 S. 1 Nr. 3 ATDG verstoße gegen das Übermaßverbot und gegen das Be703 Kritisch zur fehlenden Eingrenzung des Gewaltbegriffs wie es etwa in § 129a StGB versucht worden ist (Eignung zur erheblichen Einschüchterung der Bevölkerung): Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (878). 704 BT-Drs. 16/2950, S. 15: Befürworten „setzt voraus, dass die betreffende Person die entsprechende Gewaltanwendung gutheißt. Dies könnte insbesondere bei so genannten Hasspredigern der Fall sein.“ Kritisch hierzu Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (878); Ellermann, Die Polizei 2007, 181 (183); Stellungnahme Poscher, InnenA-Drs. 16(4)131 J, S. 15. 705 BVerfGE 133, 277 (340 f.) – zur Rechtsfolge (375 ff.). 706 BVerfGE 133, 277 (347 f.) – zur Rechtsfolge (375 ff.).

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

stimmtheitsgebot.707 Schließlich ist noch herauszustellen, dass allein aufgrund einer 4:4-Entscheidung kein Verstoß in der Erfassung von Personen, die rechtswidrig Gewalt vorsätzlich hervorufen (§ 2 S. 1 Nr. 2 ATDG), festgestellt worden ist.708 2. Speicherinhalt Die zu diesen Personen, Organisationen, Sachen etc. zu speichernden Daten sind in § 3 ATDG festgelegt. Eine (weitere) Speicherungsbegrenzung ergibt sich bereits aus § 2 S. 2 ATDG: Danach können überhaupt nur solche Daten gespeichert werden, die von den „beteiligten Behörden nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften automatisiert verarbeitet werden dürfen.“ Durch das Abstellen auf die jeweilige fachgesetzliche Speicherungsregelung wird aber allein verhindert, dass über das ATDG in die Antiterrordatei mehr eingespeist wird, als es nach den jeweiligen Fachgesetzen per se möglich wäre. So wird z. B. das grundsätzlich über § 11 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG aufgestellte Verbot für das BfV, Daten von Minderjährigen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in Dateien zu speichern, auch auf die Antiterrordatei übertragen.709 Hinsichtlich der von § 2 S. 1 Nr. 4 ATDG erfassten Organisationen, Sachen etc. sind Angaben zu deren Identifizierung mit Ausnahme weiterer personenbezogener Daten zu speichern (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ATDG). Bei den von § 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 ATDG erfassten Personen unterscheidet das Gesetz im Hinblick auf die hierüber zu speichernden Daten zwischen den Grunddaten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ATDG) und den erweiterten Grunddaten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ATDG).710 Als sog. Grunddaten sind gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ATDG u. a. „der Familienname, die Vornamen, frühere Namen“, Namenschreibweisen, „das Geschlecht, das Geburtsdatum, der Geburtsort, der Geburtsstaat, [. . .] gegenwärtige und frühere Anschriften, besondere körperliche Merkmale, Sprachen, Dialekte, Lichtbilder, die Bezeichnung der Fallgruppe“, der die jeweilige Person zuzurechnen ist (z. B. Mitglied einer terroristischen Vereinigung, Unterstützer einer terroristischen Vereinigung oder Kontaktperson eines Mitglieds oder Unterstützers), zu speichern.711 707

BVerfGE 133, 277 (348 ff.) – zur Rechtsfolge (375 ff.). BVerfGE 133, 277 (342 ff.). Kritisch zum daraus resultierenden Ergebnis Arzt, NVwZ 2013, 1328 (1331). 709 So das Beispiel (bezogen auf das RED-G) in BT-Drs. 17/8672, S. 14. Vgl. zur Speicherung von Daten in nachrichtendienstlichen Dateien bereits oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. b) bb) (3) und zur spezifischen Regelung zur Übermittlung von Daten Minderjähriger oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 3. b). 710 Klee, S. 150 Fn. 605: Die Differenzierung zwischen Grunddaten und erweiterten Grunddaten stellt einen rechtspolitischen Kompromiss zwischen den Ländern (Volltextdatei) und dem Bund (bloße Indexdatei) dar. – Zu den unterschiedlichen Vorstellungen siehe BT-Drs. 15/4413, BVerfGE 133, 277 (293). 711 Kritisch zum Begriff „Grunddaten“ Zöller, JZ 2007, 763 (768 f.): Damit werde eine Beschränkung auf eine Art Basisdatensatz suggeriert über die der Katalog aber hin708

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

223

Als sog. erweiterte Grunddaten sind gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ATDG u. a. zu speichern: genutzte Telekommunikationsanschlüsse und Telekommunikationsendgeräte, E-Mail-Adressen, Bankverbindungen, Schließfächer, auf die Person zugelassene oder von ihr genutzte Fahrzeuge, besondere Fähigkeiten (z. B. in der Herstellung von Sprengstoffen oder Waffen), Angaben zur Gefährlichkeit, Fahrund Flugerlaubnisse, Kontaktpersonen.712 Schließlich können über die Auffangklausel713 des § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b Doppelbuchst. rr ATDG (sog. Freitextfeld714) noch zusätzliche besondere Bemerkungen, ergänzende Hinweise und Bewertungen in die Datei eingespeist werden, sofern diese Angaben auf tatsächlichen Anhaltspunkte beruhen und deren Eingabe nach „pflichtgemäßen Ermessen geboten und zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus unerlässlich ist“. Selbst über die Kontaktpersonen (§ 3 S. 1 Nr. 3 ATDG) können solche erweiterten Grunddaten eingespeist werden.715 Die beteiligten Behörden sind gem. § 2 S. 1 ATDG verpflichtet, die hierzu vorhanden Daten (Grunddaten wie erweiterte Grunddaten) in die Antiterrordatei einzuspeisen.716 Auslöser der Verpflichtung zur Speicherung ist bereits das Vorausgeht. Schon auf Grundlage dieser Informationen ließen „sich in erheblichen Umfang Rückschlüsse auf die Lebensumstände von Personen ziehen und kriminalitätsbezogene Zusammenhänge erkennen.“ Ähnlich äußert sich auch das BVerfG (BVerfGE 133, 277 [350]): „Umfang und Aussagekraft dieser Daten sind allerdings durchaus erheblich.“ 712 Laut Evaluierungsbericht der Bundesregierung zur Antiterrordatei (BT-Drs. 17/ 12665 [neu], S. 38) sind 44% der Datensätze mit erweiterten Grunddaten befüllt (Stand: August 2011). 713 So die Bezeichnung von Zöller, JZ 2007, 763 (768, 770). Die in der Literatur geäußerte Kritik, wonach hierüber ganze Aktenbestände in die Datei eingespeist werden könnten (so Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 [878]; Zöller, JZ 2007, 763 [770]; Lang, S. 211; anders aber Klee, S. 150 Fn. 606), wurde vom BVerfG (BVerfGE 133, 277 [360]) nicht geteilt: „Als bloße Ergänzungen erlaubt die Vorschrift auch nicht etwa, ganze Akten in die Datei einzustellen, sondern begrenzt entsprechende Eingaben – nach derzeitiger Praxis durch eine technische Begrenzung auf 2000 Zeichen – auf punktuelle Erläuterungen.“; kritisch Arzt, NVwZ 2013, 1328 (1331): nicht überzeugend. – Laut Evaluierungsbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 17/12665 (neu), S. 39, enthalten 5,5% der Personendatensätze Eintragungen im Freitextfeld. – Am Freitextfeld wird zudem die Möglichkeit, sog. weiche personenbezogene Daten – z. B. nicht überprüfbare oder nicht überprüfte Hinweise und Vermutungen – ohne hinreichend konkrete Festlegungen des Gesetzgebers zu erfassen, kritisiert: BfD, 21. Tätigkeitsbericht, S. 61; Zöller, JZ 2007, 763 (770); ebenso Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (189). Ellermann, Die Polizei 2007, 181 (186), sieht als Probleme der Freitextdatei die Datenpflege im Hinblick auf Aktualität und die inhaltliche Richtigkeit der Angaben. 714 Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (878); Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (189). 715 Kritisch zu Umfang und Bezeichnung „erweiterter Grunddaten“ Zöller, JZ 2007, 763 (769 f.): Der „Sache nach ein Euphemismus für alle Informationen, die auch nur unter entferntesten Umständen für die Aufklärung oder Bekämpfung von terroristischen Verhaltensweisen in Betracht kommen können.“ Der Katalog gleiche „einem Wunschzettel der deutschen Sicherheitsbehörden.“ 716 Gem. § 2 S. 1 ATDG sind bereits erhobene (siehe § 3 Abs. 3 BDSG) Daten einzustellen. Keine – zwingende – Voraussetzung ist somit, dass die Daten bereits bei der

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

liegen von tatsächlichen Anhaltspunkten. Das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen Anhaltspunkte ist im Zusammenhang mit der Speicherverpflichtung erfüllt, „wenn die im Einzelfall vorliegenden Anhaltspunkte nach nachrichtendienstlichen oder polizeilichen Erfahrungswerten die Einschätzung rechtfertigen, dass die Erkenntnisse zu den betreffenden Personen zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus beitragen.“ 717 Im Hinblick auf den geforderten Bezug zum Terrorismus müssen folglich keine konkreten Tatsachen vorliegen, es genügen schon Indizien.718 Zu welchem Zweck die einzuspeisenden Daten ursprünglich erhoben worden sind, ist nach dem ATDG irrelevant. Aufgrund einer fehlenden entsprechenden Differenzierung führt die Speicherungspflicht des ATDG auch zu Zweckänderungen.719 Denen mit der Verpflichtung zur Dateneinspeisung kollidierenden Geheimhaltungsinteressen trägt § 4 ATDG Rechnung, nach dem auch eine beschränkte oder verdeckte Speicherung möglich ist. Bei einer beschränkten Speicherung kann von einer Speicherung der sog. erweiterten Grunddaten ganz oder teilweise abgesehen werden (§ 4 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 ATDG).720 Bei der verdeckten Speicherung werden die Daten so eingegeben, dass die abfragende Behörde keine Treffermeldung und auch keinen Zugriff auf die gespeicherten Daten erhält (§ 4 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ATDG).721 Stattdessen wird die Behörde, die die verdeckten Daten eingegeben hat, automatisch auf die Anfrage hingewiesen und hat regelmäßig von sich aus mit der abfragenden Behörde Behörde gespeichert worden sind (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG); Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (877). Anders sieht dies offenbar Klee, S. 148: Die Daten müssen bereits bei der Behörde gespeichert worden sein. – Sind aber für die Speicherung der entsprechenden Daten auf Grund spezialgesetzlicher Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besondere Anforderungen zu beachten, kann auch eine Speicherung in der Antiterrordatei nur unter diesen Einschränkungen erfolgen; Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (186). Von der Speicherungspflicht besteht hinsichtlich dem Freitextfeld (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b Doppelbuchst. rr) eine Ausnahme, als dass der dortige Eintrag in das pflichtgemäße Ermessen der Behörde gestellt ist. 717 Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/10007, S. 7; ferner Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (878). Zum Begriff der tatsächlichen Anhaltspunkte: Lisken/ Denninger/Rachor, HdbPolR, E Rn. 157 ff. 718 Zöller, JZ 2007, 763 (770); Lang, S. 207 f.; Antwort der Bundesregierung, BTDrs. 16/10007, S. 7. Wohl nicht zu Unrecht weißt allerdings Lisken/Denninger/Rachor, HdbPolR, E Rn. 157 – freilich ohne Bezug zur Antiterrordatei – darauf hin, dass der sprachlichen Differenzierung zwischen Tatsachen und tatsächlichen Anhaltspunkten und dem damit verbundenen Nuancen in der Lebenswirklichkeit keine Entsprechung gegenübersteht. In der konkreten Ausgestaltung jedenfalls sehen Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (878), so einen Bereich eröffnet, der weit in das Vorfeld eines tatsächlichen Terrorismusbezugs reicht; kritisch ebenfalls Zöller, JZ 2007, 763 (770). 719 Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (878). 720 Laut Evaluationsbericht der Bundesregierung zur Antiterrordatei (BT-Drs. 17/ 12665 [neu], S. 33) wird von der Möglichkeit der beschränkten Speicherung in der Praxis selten Gebrauch gemacht. So gaben nur 6% der Nutzer an, hiervon häufiger Gebrauch zu machen (Stand: August 2011). 721 Laut Evaluationsbericht der Bundesregierung zur Antiterrordatei (BT-Drs. 17/ 12665 [neu], S. 35) sind 13% der Daten verdeckt gespeichert (Stand: August 2011).

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Kontakt aufzunehmen (§ 4 Abs. 2 ATDG). Der Gesetzgeber hat hierbei vor allem solche Informationen im Blick, die entweder „von ausländischen Partnerdiensten kommen und mit einer Verwendungsbeschränkung versehen sind“ oder polizeiliche bzw. nachrichtendienstliche Quellen betreffen und „aus Gründen des Quellenschutzes nicht oder insgesamt nicht offen gespeichert werden können.“ 722 3. Datenabruf Alle „beteiligten Behörden dürfen die in der Antiterrordatei gespeicherten Daten im automatisierten Verfahren nutzen, soweit dies zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich ist“ (§ 5 Abs. 1 S. 1 ATDG).723 Sofern kein Fall der verdeckten Speicherung vorliegt, werden gem. § 5 Abs. 1 S. 2 ATDG im Falle eines Treffers bei jeder Abfrage die sog. Grunddaten und das Akten- bzw. Geschäftszeichen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 ATDG) angezeigt. Hierbei ist jedoch laut BVerfG § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit. a ATDG insoweit wegen Verstoßes gegen das Übermaßverbot verfassungswidrig, als dass die Recherche auch in den erweiterten Grunddaten möglich ist und im Trefferfall die zugehörigen einfachen Grunddaten automatisch offengelegt werden.724 Zudem moniert das BVerfG725, dass das ATDG keine Differenzierung nach der Art der Gewinnung der eingestellten Daten vorsehe. So werde weder bei der Eingabe noch beim Abruf der Grunddaten danach differenziert, ob die Daten z. B. aus einer Observation oder einer Telefonüberwachung stammen. Die dadurch bedingte undifferenzierte Einbeziehung auch von solchen Daten, die aus Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 GG), das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) oder das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) stammen, verstoße eben gegen diese Grundrechte. Um einen Zugriff auf die sog. erweiterten Grunddaten zu erhalten, muss die abfragende Behörde regelmäßig erst bei der speichernden Stelle ein entsprechendes Ersuchen stellen (§ 5 Abs. 1 S. 3 ATDG). Ob ein Zugriff gewährt wird, richtet sich dann nach den jeweils geltenden Übermittlungsvorschriften (§ 5 Abs. 1 S. 4 ATDG). Wird zum Zwecke der Strafverfolgung um eine Übermittlung er722 BT-Drs. 16/2950, S. 19. Zum Quellen- und Geheimschutz durch verdeckte bzw. beschränkte Speicherung vgl. Ellermann, Die Polizei 2007, 181 (188). Zum nachrichtendienstlichen Quellenschutz allgemein vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 C. II. 3. 723 Laut BVerfGE 133, 277 (307) erfolgten im Zeitraum von März 2007 bis Herbst 2012 durchschnittlich 1.200 Suchanfragen pro Woche. 724 BVerfGE 133, 277 (363 ff.) – zur Rechtsfolge (375 ff.). 725 BVerfGE 133, 277 (372 ff.) – zur Rechtsfolge (375 ff.); als gangbaren Weg für eine künftige Lösung deutet das Gericht die verdeckte Speicherung der entsprechenden Daten an.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

sucht, richtet sich dies nach § 161 Abs. 1 bzw. § 163 Abs. 1 S. 2 SPO726 und nicht etwa nach den nachrichtendienstlichen Übermittlungsvorschriften zur Spontanübermittlung.727 Wird der Zugriff erlaubt, so werden die Daten entsprechend freigeschaltet, wobei eine konventionelle Übermittlung – die darüber hinausgehende Informationen beinhalten kann – weiterhin nicht ausgeschlossen ist.728 Auf das Ersuchen und damit auf die Zwischenschaltung der die Daten einstellenden Behörde darf aber im Eilfall verzichtet werden. Dann kann die abfragende Behörde unmittelbar auf die erweiterten Grunddaten zugreifen; ein Eilfall ist gem. § 5 Abs. 2 S. 1 ATDG gegeben, wenn der unmittelbare Zugriff auf die sog. erweiterten Grunddaten „aufgrund bestimmter Tatsachen zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für Sachen von erheblichem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, unerlässlich ist und die Datenübermittlung aufgrund eines Ersuchens nicht rechtzeitig erfolgen kann“.729 Aus repressiven Gründen ist mithin kein Eilfall konzipierbar. Folglich haben die Strafverfolgungsbehörden keinen Eilfallzugriff auf nachrichtendienstliche Daten. 4. Verwendung der abgerufenen Daten § 6 Abs. 1 ATDG regelt, zu welchen Zwecken die abgerufenen Daten verwendet werden dürfen.730 Zunächst können die Daten für einen Trefferabgleich genutzt werden (§ 6 Abs. 1 S. 1 Fall 1 ATDG). Dabei wird geprüft, ob ein bei der Recherche erzielter Treffer tatsächlich der gesuchten Person, Organisation oder Sache etc. zuzuordnen ist.731 Weiterhin kann die abrufende Behörde die Daten für ein reguläres732 „Ersuchen um Übermittlung von Erkenntnissen zur Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgabe zur Aufklärung oder Bekämpfung des internatio-

726

Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 C. Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. Zumindest missverständlich insoweit die Gesetzesbegründung, als dass sie für das BfV allein § 20 Abs. 1 BVerfSchG angibt. Doch regelt dieser weder gegenüber den Strafverfolgungsbehörden (§ 161 Abs. 1 S. 1 und § 163 Abs. 1 S. 2 StPO) noch gegenüber der präventiv tätigen Polizei das Ersuchen (stattdessen: § 20 Abs. 2 BVerfSchG). 728 Wolff/Scheffczyk, JA 2008, 81 (83); Ellermann, Die Polizei 2007, 181 (186). 729 Kritisch zur Regelung des Eilfalls Zöller, JZ 2007, 763 (770); Ruhmannseder, JA 2008, 373 (375); Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (189 f.); Lang, S. 217 f.; Busch, CILIP 2006, 52 (55); Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (878); im Ergebnis auch Ellermann, Die Polizei 2007, 181 (186). Das BVerfG (BVerfGE 133, 277 [364 f.]) erblickt in der Regelung des Eilfalls keine verfassungsrechtlichen Bedenken. 730 Für die im Eilfall abgerufen Daten gilt die Verwendungsbegrenzung gem. § 6 Abs. 2 ATDG: die Daten dürfen nur zu dem Zweck verwendet werden, der auch den Eilfall begründet hat. 731 BT-Drs. 16/2950, S. 21. 732 Zöller, JZ 2007, 763 (769). 727

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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nalen Terrorismus verwenden“ (§ 6 Abs. 1 S. 1 Fall 2 ATDG). Ein solches Ersuchen richtet sich dann wiederum nach den klassischen Übermittlungsvorschriften (§ 7 ATDG), vorliegend also nach § 161 Abs. 1 S. 1 bzw. § 163 Abs. 1 S. 2 StPO.733 Darüber hinaus dürfen gem. § 6 Abs. 1 S. 2 ATDG die abgerufenen Daten mit Zustimmung der speichernden Behörde auch „zur Verfolgung einer besonders schweren Straftat oder zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person“ verwendet werden.734 Bei der Erteilung der Zustimmung sind die geltenden Übermittlungsverbote – wie in § 23 BVerfSchG oder § 27 BKAG niedergelegt – zu beachten.735 Herauszustellen ist, dass die Grunddaten nur dazu berechtigen, die Behörden zu ermitteln, an die man konkrete Übermittlungsersuchen stellen kann. Zu einem anderen Zweck sind die Grunddaten erst verwendbar, wenn auch die sog. erweiterten Grunddaten freigegeben werden bzw. wenn ein Eilfall vorliegt.736 Soweit das Bundeskriminalamt oder die Landeskriminalämter auf Ersuchen oder im Auftrag des Generalbundesanwalts die Antiterrordatei nutzen, übermitteln sie die Daten, auf die sie Zugriff haben, dem Generalbundesanwalt für die Zwecke der Strafverfolgung (§ 6 Abs. 4 S. 1 ATDG). Der Generalbundesanwalt darf die Daten für ein Ersuchen nach § 6 Abs. 1 S. 1 ATDG verwenden (§ 6 Abs. 4 S. 2 ATDG). Von Relevanz dürfte diese Regelung insbesondere für Verfahren nach den §§ 129a, 129b StGB sein, in denen dem Generalbundesanwalt die Sachleitungsbefugnis obliegt.737

733 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 3. Zumindest missverständlich die Gesetzesbegründung. Die Richtigkeit dieser Überlegung wird nicht dadurch infrage gestellt, dass in den Gesetzesbegründungen zwar die §§ 18–22 BVerfSchG aufgeführt sind, nicht aber §§ 161, 163 StPO; vgl. BT-Drs. 16/2950, S. 21. So sind die Vorschriften für das präventiv-polizeiliche Ersuchen durchaus von Relevanz und die in der Gesetzesbegründung aufgelisteten Übermittlungsvorschriften nur beispielhaft. 734 Anders BT-Drs. 16/2950, S. 21, und Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (187): danach legitimiert § 6 Abs. 1 S. 2 ATDG auch die Verwendung der Daten zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Sachen von erheblichem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist. Eine Erweiterung auf die Gefahrenabwehr hinsichtlich Sachen findet sich im abschließend gefassten Wortlaut von § 6 Abs. 1 S. 2 ATDG jedoch nicht. Einen Interpretationsfehler anderer Art begeht Zöller, JZ 2007, 763 (769), indem er § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 alternativ (statt – wie es das Verbindungswort „und“ zwischen Nr. 1 und 2 zwingend vorgibt – kumulativ) liest. Entsprechend gelangt Zöller zu der Aussage: „Als Anwendungsfälle nennt § 6I2 ATDG zum einen die Erforderlichkeit des Datenmaterials für die Verfolgung besonders schwerer (allgemeiner) Straftaten oder die Abwehr einer (allgemeinen) Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person (Nr. 1) und zum anderen sogar vollkommen beliebige weitere Verwendungszwecke, sofern nur die dateneingebende Behörde zustimmt“. 735 BT-Drs. 16/2950, S. 21. 736 Wolff/Scheffczyk, JA 2008, 81 (86), mit Kritik am Gesetzgeber, der diese wichtige Trennung zwischen Nutzung und weiterer Nutzung nicht deutlich herausgestellt hat. 737 BT-Drs. 16/2950, S. 21.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

5. Feststellung Werden allein BKA und BfV in den Blick genommen, stellt – bereits auf Grundlage der bisherigen Ausführungen – die Antiterrordatei keine völlig neue Form des unmittelbaren elektronischen Zugriffs auf Datensätze der jeweils anderen Behörde dar. Die frühere Form der Zugriffsrechte auf NADIS und INPOL ging sogar deutlich über den jetzt zulässigen Datenzugriff hinaus.738 Das zeigt zum einen die frühere Zugriffsmöglichkeit des BfV auf Teilsysteme von INPOL. Erstens stellte das BfV selbst keine Daten in INPOL ein und zweitens hatte das BfV Zugriff auf Dateien, die mit seinem Tätigkeitsbereich nicht vereinbar waren (z. B. die Fahndungsdatei). Hinsichtlich des Zugriffs des BKA Abteilung Staatsschutz auf den entsprechenden Datensektor bei NADIS sah es zwar insofern anders aus, als dass hier auch das BKA Daten einstellte. Allerdings erhielt in diesem Bereich das BKA – soweit ersichtlich – eine vollständige Trefferliste. Eine Begrenzung auf Daten, die zur Strafverfolgung erforderlich waren, erfolgte nicht. Im Unterschied zur Antiterrordatei war der über NADIS ermöglichte gemeinsame Datenverbund zwischen BKA Abteilung Staatsschutz und den Behörden für Verfassungsschutz nicht begrenzt auf das Arbeitsfeld internationaler Terrorismus. Zudem wurden die im NADIS eingespeisten Kurzhinweise (vergleichbar mit den erweiterten Grunddaten der Antiterrordatei allerdings ohne Freitextfeld) regelmäßig bereits mit Abruf der Grunddaten übermittelt.739 Für BfV und BKA (jedenfalls) stellt folglich die Antiterrordatei per se kein Novum dar, sondern sie kann umgekehrt, was zumindest den Abruf der Informationen als solches angeht, sogar als eine Beschränkung gegenüber dem früher Möglichen angesehen werden, auch wenn damals freilich die technische Realisierung von Zusammenarbeit nicht den heutigen Stand hatte und damit aus technischen Gründen die Zusammenarbeit zwangsläufig beschränkt gewesen sein muss. Bezogen auf die in dieser Untersuchung interessierende Frage nach der Mitwirkung des Verfassungsschutzes im Strafverfahren kann zunächst den Ausführungen des Gesetzgebers zum ATDG insgesamt zugestimmt werden, wenn er resümiert, mit dem ATDG seien für die beteiligten Behörden keine neuen Aufgaben geschaffen worden.740 So darf der Verfassungsschutz in die Antiterrordatei nicht mehr Daten einstellen als er ohnehin im Rahmen seiner bisherigen Aufgabenwahrnehmung erlangt. Auch haben die teilnehmenden Behörden – und damit auch die Strafverfolgungsbehörden – im Grundsatz keinen ungehinderten Zugang auf nachrichtendienstliche Daten. Stattdessen erhalten sie nur die Daten, die ihnen der Verfassungsschutz aufgrund der bestehenden Übermittlungsvorschrif-

738 Zur früheren Lage – auf die im Folgenden Bezug genommen wird – vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 1 C. 739 Vgl. Riegel, ZRP 1989, 218 (219). 740 Vgl. BT-Drs. 16/2950, S. 14.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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ten bereits übermitteln könnte. Der Verfassungsschutz hat zuvor die klassischen Übermittlungsvoraussetzungen zu prüfen. Inwieweit die Prüfung noch in der Gründlichkeit erfolgt, wie sie bei einem traditionellen manuellen Heraussuchen und Zusammenstellen der Informationen geschehen wird, kann an dieser Stelle nur als Problem aufgeworfen741, aber nicht beantwortet werden. Bedenken ergeben sich dabei besonders im Hinblick auf das Freitextfeld, in dem zumindest theoretisch enorme Daten eingespeist sein können. Gleichwohl besteht im Grundsatz von der Konzeption der Datenübermittlung her kein Unterschied gegenüber dem bisher Erarbeiteten.742 Jedoch erhält die Strafverfolgungsbehörde losgelöst von den bisherigen Übermittlungsvorschriften bei einer Abfrage zumindest Kenntnis von den durch den Verfassungsschutz verpflichtend eingespeisten Grunddaten, sofern der Verfassungsschutz keine versteckte Speicherung vorgenommen hat. Die Strafverfolgungsbehörde erhält also Kenntnis, dass der Verfassungsschutz über eine bestimmte Person etc. Kenntnisse (welcher Art auch immer) besitzt. Damit geht die Antiterrordatei dann doch über das bisher Mögliche hinaus. Zwar besteht, sofern der Verfassungsschutz die Übermittlung der hierzu gehörenden erweiterten Grunddaten oder sonstiger Unterlagen verweigert, hinsichtlich dieser Daten ein umfassendes Verwendungsgebot. Gleichwohl kann dieses Verwendungsverbot das einmal erlangte Wissen der Strafverfolgungsbehörden in tatsächlicher Hinsicht nicht rückgängig machen oder auslöschen.743 Die Strafverfolgungsbehörde weiß um das Vorhandensein von Informationen, um die nachrichtendienstliche Erfassung der betroffenen Person etc. Aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden kommt der Antiterrordatei zusammenfassend betrachtet eine qualifizierte Kontaktanbahnungs- und Fundstellennachweisfunktion zu.744 Qualifiziert ist die Datei dabei in gleich zweierlei Richtung: Zum einen werden dem Abrufer im Falle eines Treffers gerade nicht nur die Fundstelle, sondern auch sofort die Grunddaten mit angezeigt. Zum anderen sind bereits über die Felder der erweiterten Grunddaten einschließlich Freitextfeld umfangreiche Daten vorab eingestellt worden, die sofort freigeschaltet werden können.

741 So bereits schon Stellungnahme Roggan/Bergemann, InnenA-Drs. 16(4)131 D, S. 18 (für die Projektdateien). 742 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. und Dritter Teil: Kapitel 2 C. 743 In diesem Sinne äußern sich bereits kritisch zur Wirkamkeit des Löschungs- und Verwertungsverbots die Stellungnahme des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein zum ATDG-E, Fn. 665, unter I.3., sowie Ruhmannseder, StrafFo 2007, 184 (190). 744 Die Bundesregierung (BT-Drs. 16/10007, S. 8 f.) stuft die Antiterrordatei generalisierend als ein „Kommunikationsanbahnungsinstrument“ ein. Diese Sicht hat auch das BVerfG (BVerfGE 133, 277 [369]) übernommen: „Die Antiterrordatei dient im Kern der Informationsanbahnung zur Vorbereitung weiterer Ermittlungen“.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

II. Gemeinsame Projektdateien Durch das Gemeinsame-Dateien-Gesetz wurde ferner die Möglichkeit zur Errichtung von projektbezogenen gemeinsamen Dateien geschaffen, die vom BfV, BND oder BKA anlassbezogen errichtet werden können. Die hierzu notwendigen gesetzlichen Regelungen – die einander entsprechen745 – finden sich in § 22a BVerfSchG, § 9a BNDG und § 9a BKAG. Die Einräumung der Möglichkeit zur Errichtung von sog. Projektdateien ist vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Analyse- und Informationboards geschehen.746 So findet sich in der Gesetzesbegründung ein Rückgriff auf die vom BKA betreute Arbeitsgruppe „Netzwerke Arabischer Mudjehadin“.747 Bei diesen klassischen Analyse- und Informationboards waren die daran beteiligten Behörden gezwungen gewesen, im Rahmen der Projektarbeit jeweils eigene Dateien anzulegen, auf die die anderen Behörden keinen Zugriff hatten.748 Informationen, die allen Projektmitarbeitern des Analyse- bzw. Informationboards zur Verfügung stehen sollten, waren daher mittels Datenträgern (z. B. CD-ROMs) den anderen Behörden zugänglich zu machen, die die so übermittelten Daten dann in ihrer eigenen Datei einspeisten.749 Über die nunmehr eingeräumte Möglichkeit der Bildung einer gemeinsamen Projektdatei wird den beteiligten Behörden erlaubt, eine Datei zu errichten, auf die sie gemeinsam zugreifen können. Der Gesetzgeber verspricht sich so eine erhebliche Arbeitserleichterung.750 1. Dateierrichtung BfV, BND oder BKA sind jeweils berechtigt Projektdateien zu errichten. An einer solchen Datei können neben BfV, BND bzw. BKA noch die LfV, der Militärische Abschirmdienst, der BND, die Polizeibehörden des Bundes und der Länder und das Zollkriminalamt teilnehmen.751 Dabei ist die Errichtung einer Projektdatei nur zulässig, wenn sie einer konkreten projektbezogenen Zusammenarbeit dient.752 Folglich müssen „Projektauftrag, Projektziele sowie die Verfahrensweisen der beteiligten Sicherheitsbehörden [. . .] zu Beginn des Projekts zwischen den beteiligten Behörden konkret vereinbart werden.“ 753 Die Projektdatei ist re-

745 746 747 748 749 750 751 752 753

BT-Drs. 16/2950, S. 13. Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 1 B. II. BT-Drs. 16/2950, S. 13. BT-Drs. 16/2950, S. 13; Droste, Handbuch, S. 578 f. BT-Drs. 16/2950, S. 13; Droste, Handbuch, S. 578 f. BT-Drs. 16/2950, S. 13. § 22a Abs. 1 S. 1 BVerfSchG, § 9a Abs. 1 S. 1 BNDG, § 9a Abs. 1 S. 1 BKAG. § 22a Abs. 1 S. 1 BVerfSchG, § 9a Abs. 1 S. 1 BNDG, § 9a Abs. 1 S. 1 BKAG. BT-Drs. 16/2950, S. 23.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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gelmäßig auf höchstens zwei Jahre zu befristen; sie kann jedoch zweimal um jeweils ein Jahr verlängert werden.754 2. Rahmen der Projekte Die konkreten Projekte, denen die Zusammenarbeit mittels einer gemeinsamen Datei dienen soll, müssen sich in einem vorgegebenen Rahmen bewegen. Dieser ist für BfV, BND und BKA unterschiedlich ausgestaltet. Errichtet das BfV eine gemeinsame Datei muss die projektbezogene Zusammenarbeit gem. § 22a Abs. 1 S. 2 BVerfSchG den Austausch und die gemeinsame Auswertung von Erkenntnissen im Hinblick auf die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BVerfSchG genannten Bestrebungen und Tätigkeiten bezwecken. Dabei müssen die entsprechenden Bestrebungen oder Tätigkeiten durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gekennzeichnet sein. Mit letzterer Eingrenzung soll analog zu § 18 Abs. 1 BVerfSchG ein Terrorismusbezug hergestellt werden.755 Errichtet der BND eine gemeinsame Datei muss die projektbezogene Zusammenarbeit gem. § 9a Abs. 1 S. 2 BNDG den Austausch und die gemeinsame Auswertung von Erkenntnissen im Hinblick auf die in § 5 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 bis 3 G10 genannten Gefahrenbereiche756 oder die in § 5 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 bis 6 G10 genannten Gefahrenbereiche757, soweit deren Aufklärung Bezüge zum internationalen Terrorismus aufweist, bezwecken. Mit der Forderung eines Bezuges zum internationalen Terrorismus hinsichtlich der Aufklärung der von § 5 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 bis 6 G10 erfassten Gefahrenbereiche soll gewährleistet werden, dass die vom BND errichteten Projektdateien nicht der nachrichtendienstlichen Aufklärung von allgemeiner – organisierter – Kriminalität dienen.758 Errichtet das BKA eine gemeinsame Datei, muss die projektbezogene Zusammenarbeit gem. § 9a Abs. 1 S. 2 BKAG den Austausch und die gemeinsame Auswertung von Erkenntnissen zu: 754

§ 22a Abs. 4 BVerfSchG, § 9a Abs. 4 BNDG, § 9 Abs. 4 BKAG. BT-Drs. 16/2950, S. 23. 756 Über § 5 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 bis 3 G10 werden dabei die folgenden Gefahrenbereiche erfasst: bewaffneter Angriff auf die Bundesrepublik Deutschland (Nr. 1), die Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit unmittelbaren Bezug zur Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2) sowie die internationale Verbreitung von Kriegswaffen und der unerlaubte Außenwirtschaftsverkehr mit Waren, Datenverarbeitungsprogrammen und Technologien in Fällen von erheblicher Bedeutung (Nr. 3). 757 § 5 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 bis 6 G10 erfassen die Gefahren: unbefugte Verbringung von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in die Bundesrepublik Deutschland (Nr. 4), Beeinträchtigung der Geldwertstabilität im Euro-Währungsraum durch im Ausland begangene Geldfälschungen (Nr. 5), international organisierte Geldwäsche in Fällen von erheblicher Bedeutung (Nr. 6). 758 BT-Drs. 16/2950, S. 24. 755

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

• Straftaten nach § 99 StGB, • Straftaten nach § 129a StGB, auch i.V. m. § 129b StGB, • Straftaten nach § 34 Abs. 1 bis 6 AWG, soweit es sich um einen Fall von besonderer Bedeutung handelt, oder • Straftaten, die mit den zuvor erfassten Straftaten in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, bezwecken. Der Straftatenkatalog ist laut dem Gesetzgeber „vor dem Hintergrund einer effektiven Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen. Die Berücksichtigung der geheimdienstlichen Agententätigkeit und der Proliferation ermöglicht die Auswertung wichtiger Bezüge zu Netzwerken des internationalen Terrorismus.“ 759 3. Dateneingabe Die an der Projektarbeit beteiligten Behörden dürfen die Daten nur dann in die gemeinsame Datei eingeben, wenn sie diese Daten allen an dem Projekt beteiligten Behörden nach den geltenden Übermittlungsvorschriften übermitteln dürfen.760 Über die Projektdatei werden also weder neue Datenerhebungs- noch neue Übermittlungsvorschriften für die beteiligten Behörden geschaffen; sollte folglich nach den klassischen Übermittlungsvorschriften ein Datum auch nur einer der beteiligten Behörden nicht übermittelt werden dürfen, darf es nicht eingestellt werden.761 Sofern also eine Strafverfolgungsbehörde an der Projektdatei beteiligt ist, muss der Verfassungsschutz bei der Dateneinspeisung die entwickelten Vorgaben zur Spontanübermittlung beachten.762 Mithin finden hier auch die nachrichtendienstlichen Geheimhaltungsbedürfnisse weiterhin Berücksichtigung. So wird z. B. das BfV die Dateneinspeisung unterlassen, wenn dies – aus seiner Sicht – aus Quellenschutzgründen erforderlich ist (§ 23 Nr. 2 BVerfSchG).763 Aus diesem Grund sehen Vertreter der Nachrichtendienste in dem durch die Projektdateien ermöglichten gemeinsamen Datenzugriff mit Behörden, die dem Legalitätsprinzip unterliegen, keine Gefährdung der nachrichtendienstlichen Arbeitsfähigkeit.764 Ferner ist eine Eingabe nur zulässig, wenn „die Behörde, die die Daten eingegeben hat, die Daten auch in eigene Dateien speichern darf.“ 765 Auch die für die 759 760 761 762 763 764 765

BT-Drs. 16/2950, S. 25. § 22a Abs. 2 S. 1 BVerfSchG, § 9a Abs. 2 S. 1 BNDG, § 9a Abs. 2 S. 1 BKAG. BT-Drs. 16/2950, S. 23. Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2. Ausführlich hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 3. a) bb). Vgl. Droste, Handbuch, S. 587. § 22 Abs. 2 S. 2 BVerfSchG, § 9a Abs. 2 S. 2 BNDG, § 9a Abs. 2 S. 2 BKAG.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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jeweiligen Behörden geltenden klassischen Speicherbefugnisse dürfen folglich im Rahmen einer Projektdatei nicht umgangen werden.766 4. Datenverwendung Die personenbezogenen Daten aus der gemeinsamen Datei dürfen nur verwendet werden, soweit sie im Zusammenhang mit der projektbezogenen Zusammenarbeit für die Erfüllung der jeweiligen Aufgaben der Behörden erforderlich sind.767 Bei der Verwendung der Daten sind die beteiligten Behörden an ihre jeweils für sie geltenden entsprechenden Vorschriften gebunden.768 Neue Kompetenzen werden hierfür durch die Befugnis zur Errichtung von Projektdateien nicht geschaffen. 5. Feststellung Zunächst kann wiederum festgestellt werden, dass sich durch die Einführung der Projektdateien die Aufgabenstellung des Verfassungsschutzes nicht geändert hat. Auch das Einstellen von Daten in eine Projektdatei und das Verwenden der Daten aus der Datei richtet sich nach den traditionellen fachspezifischen gesetzlichen Regelungen. Der sofortige Datenzugriff durch die Projektteilnehmer und die damit nicht mehr vorgesehene Kontrolle durch die jeweils dateneingebende Behörde führt im Hinblick auf die tradierten Übermittlungsvorschriften, die die Grundlage für den Datentransfer bilden, zu einem Widerspruch. Denn die Übermittlungsvorschriften sind für die Übermittlung im Einzelfall konzipiert worden und die Prüfung der Übermittlungsvoraussetzungen erfolgt unmittelbar vor der Entscheidung über die Datenübermittlung.769 Hier aber können Informationen in mehreren zeitlichen Phasen zusammengetragen werden, die jeweils im Hinblick auf sämtliche Projektteilnehmer nach Übermittlungsfähigkeit durch die einstellende Behörde im Moment der Dateneinstellung bewertet werden müssen.770 Für die im Rahmen dieser Untersuchung interessierende Konstellation bedeutet dies: Der Verfassungsschutz stellt Daten ein und muss auch prüfen, ob die Daten den Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden können (sofern diese an dem Projekt beteiligt sind). Ruft die Strafverfolgungsbehörde die Daten zu einem späteren Zeitraum (das kann auch erst nach zwei Jahren sein)771 ab, erfolgt keine Prüfung durch den Verfassungsschutz mehr. 766

BT-Drs. 16/2950, S. 23. § 22a Abs. 1 S. 3 BVerfSchG, § 9a Abs. 1 S. 3 BNDG, § 9a Abs. 1 S. 3 BKAG. 768 Vgl. § 22a Abs. 1 S. 4 BVerfSchG, § 9 Abs. 1 S. 4 BNDG, § 9 Abs. 1 S. 4 BKAG. 769 Stellungnahme Roggan/Bergemann, InnenA-Drs. 16(4)131 D, S. 18 f. 770 So schon Stellungnahme Roggan/Bergemann, InnenA-Drs. 16(4)131 D, S. 18 f. 771 § 22a Abs. 4 BVerfSchG, § 9 Abs. 4 BKAG, § 9a Abs. 4 BNDG. 767

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

III. Zusammenfassung Sowohl mit der Antiterrordatei als auch mit den Projektdateien erleichtert der Gesetzgeber die Kommunikation zwischen den daran beteiligten Behörden. Der Datenaustausch wird effektiviert, die Institutionalisierung der Zusammenarbeit weiter ausgebaut. Das planmäßige Zusammenführen von personenbezogenen Daten unterschiedlicher Behörden stellt aber zugleich einen gesteigerten Grundrechtseingriff dar.772 Ein hinreichendes gesetzgeberisches Bewusstsein ist hierfür allerdings nicht zu erkennen. So ist die Antiterrordatei zwar auch, aber eben nicht nur ein „Kommunikationsanbahnungsinstrument“ 773 zwischen den beteiligten Behörden. Und auch wenn im Rahmen von INPOL und NADIS bereits schon in früherer Zeit ein Informationsaustausch zwischen BKA und BfV stattgefunden hat, so war der Umfang der so unmittelbar übermittelten Informationen doch nicht vergleichbar mit dem, was jetzt – wenn auch unter höheren Anforderungen als damals – möglich ist. Für die hiesige Untersuchung ist insbesondere das Folgende hervorzuheben: Mittels dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz werden Informationen des Verfassungsschutzes planvoll und systematisch auch den Strafverfolgungsbehörden zum Erkennen und ggf. auf Abruf bereitgestellt.774

F. Rechtsextremismus-Datei-Gesetz Bei dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz freilich ist es zur Förderung der Institutionalisierung der Zusammenarbeit durch den Bundesgesetzgeber nicht geblieben. Hinzugekommen ist mittlerweile das Rechtsextremismus-Datei-Gesetz. Die Schaffung der Rechtsextremismusdatei kann dabei als eine unmittelbare Reaktion auf den NSU-Skandal eingestuft werden, auch wenn sich ein solch ausdrücklicher Bezug in der Gesetzesbegründung nicht findet.775 Ihre rechtliche Grundlage wurde mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus vom 20. August 2012776 geschaffen.777 Sie wurde von dem damaligen 772 Stellungnahme Roggan/Bergemann, InnenA-Drs. 16(4)131 D, S. 18: „neue – intensivere – Eingriffsqualität“. 773 So Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 16/10007, S. 8. – Ähnlich auch die Einstufung durch das BVerfG (BVerfGE 133, 277 [369]). 774 Bei den Projektdateien nur unter der Voraussetzung, dass BfV und eine Strafverfolgungsbehörde daran beteiligt sind. 775 Vgl. BT-Drs. 17/8672, S. 10 ff. Jedoch finden sich in der Gesetzesbegründung zur neu eingeführten erweiterten Datennutzung (§ 7 RED-G) Bezüge zum NSU als dass dort explizit auf die „,Ceska‘-Morde“ sowie das „Zwickauer Trio“ abgestellt wird; BTDrs. 17/8672, S. 19. 776 BGBl. I S. 1798. 777 Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Rechtsextremismusdatei äußert Poscher, InnenA-Drs. 17(4)460 D, S. 4 ff.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

235

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich am 19. September 2012 in Betrieb genommen; der symbolische Mausklick erfolgte wie schon bei der Antiterrordatei in Berlin-Treptow und damit an dem Ort, an dem sich u. a. das GTAZ befindet.778 Thematisch ist die Rechtsextremismusdatei allerdings dem GAR bzw. dem heutigen GETZ zuzuordnen, welches in Köln und Meckenheim angesiedelt worden ist.779 Die Rechtsextremismusdatei ist an die Antiterrordatei angelehnt und zu dieser im Wesentlichen analog aufgebaut. Überlegt wurde gar, die Antiterrordatei um den Faktor Rechtsextremismus zu erweitern und keine eigenständige neue Verbunddatei zu schaffen.780 Der Gesetzgeber hat sich jedoch im Ergebnis gegen diese Überlegung ausgesprochen und hierfür im Wesentlichen drei Punkte angeführt781: Erstens sei für den Phänomenbereich Rechtsextremismus ein abweichender Datenkranz erforderlich, zweitens bedarf es einer erweiterten Möglichkeit zur Datennutzung und schließlich soll der BND nicht Teilnehmer einer Verbunddatei mit der Thematik Rechtsextremismus sein, weil dieser hierfür keinen gesetzlichen Auftrag besitze. Hervorzuheben ist der zweite Punkt. Gegenüber der Antiterrordatei kennt die Rechtsextremismusdatei eine neue Verwendungsform für die eingespeisten Daten: die sog. erweiterte Datennutzung (§ 7 RED-G).782 I. Teilnehmer der Verbunddatei Feste Teilnehmer der Verbunddatei Rechtsextremismus sind 36 Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern. Hierzu gehören das BKA, die Bundespolizei, die LKA, die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder sowie der Militärische Abschirmdienst (§ 1 Abs. 1 RED-G). Im Unterschied zur Antiterrordatei, die 38 feste Verbundteilnehmer kennt, nehmen an der Rechtsextremismusdatei der BND sowie das Zollkriminalamt nicht teil. Wie auch bei der Antiterrordatei können gem. § 1 Abs. 2 REG-G noch weitere Polizeivollzugsbehörden an der Rechtsextremismusdatei teilnehmen, sofern diese nicht nur im Einzelfall Aufgaben zur Bekämpfung des gewaltbereiten Rechtsextremismus wahrnehmen und ihr Zugriff auf die Rechtsextremismusdatei erforderlich und angemessen ist. Auch sind wiederum die Staatsanwaltschaften bzw. die Bundesanwaltschaft nicht als primäre Teilnehmer an der Datei vorgesehen. Jedoch ordnet § 6 Abs. 4 RED-G an, dass ihnen seitens der Polizei die erlangten Daten aus der Datei zu übermitteln sind, soweit die jeweilige Polizeibehörde auf Ersuchen oder im Auftrag der Staatsanwaltschaft Zugriff auf die Datei genommen hat. Die parallele Transfer778

Vgl. FAZ vom 20.9.2012 S. 2. Zum GAR vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 1 B. VI. Zum GETZ vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 1 B. VII. 780 BT-Drs. 17/8672, S. 10. 781 Vgl. BT-Drs. 17/8672, S. 10. 782 Hierzu unten Dritter Teil: Kapitel 2 F. V. 779

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

norm im ATDG sieht hier nur die Bundesanwaltschaft, nicht aber die Staatsanwaltschaften der Länder vor (§ 6 Abs. 4 ATDG). Der wesentliche Grund hierfür wird darin zu sehen sein, dass die Strafverfolgung von rechtsextremistischen Straftaten regelmäßig auch den Staatsanwaltschaften der Länder und gerade nicht der Bundesanwaltschaft obliegt (vgl. § 142a GVG).783 II. Erfasste Personen und Objekte In der Rechtsextremismusdatei werden – soweit dies für die Aufklärung oder Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus erforderlich ist (§ 2 S. 1 a. E. RED-G) – folgende Personen bzw. Objekte geführt: • Mitglieder oder Unterstützer einer terroristischen Vereinigung gem. § 129a StGB mit rechtsextremistischem Hintergrund (§ 2 Nr. 1 lit. a RED-G) oder sog. Kontaktpersonen von diesen (§ 2 Nr. 3 RED-G), • Beschuldigte oder rechtskräftig Verurteilte als Täter oder Teilnehmer einer rechtsextremistischen Gewalttat (§ 2 Nr. 1 lit. b RED-G) oder Kontaktpersonen von diesen (§ 2 Nr. 3 RED-G), • „Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie rechtsextremistische Bestrebungen verfolgen und in Verbindung damit zur Gewalt aufrufen, die Anwendung von rechtsextremistisch begründeter Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange unterstützen, vorbereiten oder durch ihre Tätigkeit vorsätzlich hervorrufen oder bei denen Schusswaffen ohne die erforderlichen waffenrechtlichen Berechtigungen, Kriegswaffen oder Explosionsstoffe aufgefunden wurden“ (§ 2 Nr. 2 RED-G)784 oder Kontaktpersonen von diesen (§ 2 Nr. 3 RED-G), • rechtsextremistische Vereinigungen und Gruppierungen, Sachen, Bankverbindungen, Anschriften, Telekommunikationsanschlüsse, Telekommunikationsendgeräte, Internetseiten oder Adressen für elektronische Post, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie im Zusammenhang mit einer Person nach § 2 Nr. 1 oder Nr. 2 RED-G stehen und durch sie Hinweise für die Aufklärung oder Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus gewonnen werden können (§ 2 Nr. 4 RED-G).

783 Die Gesetzesbegründung thematisiert die Abweichung zum ATDG nicht; vgl. BTDrs. 17/8672, S. 19. 784 Der Gesetzentwurf (BT-Drs. 17/8672, S. 13) hebt hervor, dass die Tatbestandsmerkmale des Unterstützens sowie Vorbereitens jeweils aktive Handlungen voraussetzen und aus § 2 Nr. 2 RED-G keine Gesinnungsdatei werde: „[E]in bloßes Gutheißen von Gewalt ohne objektivierbaren Beitrag zu einer rechtsextremistischen Gewalttat reicht nicht aus“.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

237

III. Speicherinhalt Die zu diesen Personen, Organisationen oder Sachen etc. zu speichernden Daten sind in § 3 RED-G festgelegt und orientieren sich weitgehend an den Vorgaben für die Antiterrordatei. Dementsprechend ist auch hier die Speicherung auf solche Daten beschränkt, die überhaupt von den beteiligten Behörden nach den für sie geltenden Vorschriften automatisiert verarbeitet werden dürfen (§ 2 S. 2 RED-G).785 Analog zur Antiterrordatei differenziert gem. § 3 Abs. 1 RED-G die Rechtsextremismusdatei im Hinblick auf die über § 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 RED-G zu speichernden Personen zwischen den Grunddaten und den erweiterten Grunddaten. Auch den einzuspeisenden Datenkranz betreffend ist die Antiterrordatei als Modell der Rechtsextremismusdatei unverkennbar, wenngleich vor dem Hintergrund der Thematik „gewaltbereiter Rechtsextremismus“ Modifizierungen vorgenommen worden sind und der Datenkranz insgesamt eine Ausweitung erfahren hat.786 Folglich kennt auch die Rechtsextremismusdatei über § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b Doppelbuchst. oo) RED-G wiederum eine als Freitextfeld ausgestaltete Auffangklausel787, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Daten auf Tatsachen statt wie bei der Antiterrordatei auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen.788 Wie auch bei der Antiterrordatei sind die beteiligten Behörden nach § 2 Abs. 1 RED-G verpflichtet, die vorhandenen Daten in die Rechtsextremismusdatei einzuspeisen. Ein Vergleich des Wortlauts zu den Speicherungsvoraussetzungen zwischen Antiterrordatei und Rechtsextremismusdatei ergibt folgende Abweichung: 785

Zur Bedeutung vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 2. Die Datenarten „Sprachen“ und „Dialekt“ werden in der Rechtsextremismusdatei nicht als Grunddaten gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a RED-G geführt. Jedoch werden „Sprachkenntnisse“ gem. § 3 Abs. 2 Nr. 2 lit. b Doppelbuchst. ss als erweiterte Grunddaten in die Datei aufgenommen. Die aus der Antiterrordatei bekannten (den erweiterten Grunddaten zugehörigen) Datenarten „Volkszugehörigkeit“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b Doppelbuchst. gg ATDG), „Religionszugehörigkeit“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b Doppelbuchst. hh ATDG) sowie die Bezeichnung der konkreten Vereinigung, die die betreffende Person angehören oder unterstützen soll, (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b Doppelbuchst. pp ATDG) gehören der Rechtsextremismusdatei nicht an. Doch wurden umgekehrt auch neue Datenarten in den Datenkranz der erweiterten Grunddaten aufgenommen. Neben den bereits erwähnten „Sprachkenntnissen“ sind dies gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b Doppelbuchst. pp bis uu RED-G: aktuelle Haftbefehle mit rechtsextremistischen Hintergrund; besuchte rechtsextremistische Konzerte/sonstige Veranstaltungen; Angaben über Besitz/Erstellung von rechtsextremistischen Druckerzeugnissen etc. in nicht geringer Menge; Mitgliedschaft und Funktionen in rechtsextremistischen Vereinen/Organisationen; Zugehörigkeit zu rechtsextremistischen Netzwerken/sonstigen rechtsextremistischen Gruppierungen. 787 Vgl. zur Kritik an dem Freitextfeld der Antiterrordatei oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 2. 788 Auf die zu Recht bestehende Skepsis im Hinblick auf eine praktische Wirksamkeit der Differenzierung von Tatsachen und tatsächlichen Anhaltspunkten wurde bereits hingewiesen: oben Fn. 718. 786

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Die Antiterrordatei enthält eine Präzisierung des Verdachtsgrades für die Speicherungspflicht: Danach ist es gem. § 2 Abs. 1 S. 1 ATDG Voraussetzung, dass sich aus den vorhandenen nachrichtendienstlichen oder polizeilichen Erkenntnissen tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich diese Daten auf die in § 2 S. 1 Nr. 1 bis 4 ATDG beschriebenen Personen, Gruppierungen oder Sachen beziehen. Auf den Verdachtsgrad „tatsächliche Anhaltspunkte“ verzichtet die Rechtsextremismusdatei. Hieraus leitet der Gesetzgeber – ohne Bezugnahme auf einen Vergleich zur Antiterrordatei – folgende Voraussetzung zur Speicherung ab: Tatsachen müssen die Annahme rechtfertigen, dass sich die Erkenntnisse auf die in § 2 S. 1 Nr. 1 bis 4 RED-G beschriebenen Personen, Gruppierungen oder Sachen beziehen.789 Ein in der Praxis messbarer Unterschied ist hieraus jedoch nicht zu erwarten. Zu welchem Zweck die einzuspeisenden Daten ursprünglich erhoben worden sind, ist auch nach dem RED-G irrelevant, weshalb die Speicherungspflicht wiederum zur Zweckänderung führen kann. Auch die Rechtsextremismusdatei versucht mit § 4 RED-G den mit der Verpflichtung zur Dateneinspeisung kollidierenden Geheimhaltungsinteressen Rechnung zu tragen und ermöglicht eine beschränkte oder verdeckte Speicherung. Hinsichtlich der Voraussetzungen und des Verfahrens hierfür bestehen gegenüber der Antiterrordatei keine Unterschiede.790 IV. Datenabruf Auch im Hinblick auf den Datenabruf kann weitgehend auf die Ausführungen zur Antiterrordatei verwiesen werden. Der den Datenabruf regelnde § 5 RED-G entspricht im Grundsatz dem § 5 ATDG. Alle beteiligten Behörden dürfen die in der Rechtsextremismusdatei „gespeicherten Daten im automatisierten Verfahren nutzen, soweit dies zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben zur Aufklärung oder Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus erforderlich ist“ (§ 5 Abs. 1 S. 1 RED-G). Sofern kein Fall der verdeckten Speicherung vorliegt, werden gem. § 5 Abs. 1 S. 2 RED-G im Falle eines Treffers bei jeder Abfrage die Grunddaten und das Akten- und Geschäftszeichen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 RED-G) angezeigt. Um Zugriff auf die erweiterten Grunddaten zu erhalten, muss die abfragende Behörde regelmäßig erst bei der speichernden Stelle ein entsprechendes Ersuchen stellen (§ 5 Abs. 1 S. 3 RED-G). Ob ein Zugriff gewährt wird, richtet sich dann wiederum nach den jeweils geltenden Übermittlungsvorschriften (§ 5 Abs. 1 S. 4 RED-G). Für die Übermittlung zum Zwecke der Strafverfolgung ist damit § 161 StPO bzw. § 163 StPO maßgeblich. Wird der Zugriff erlaubt, so werden die Daten freigeschaltet. Eine konventionelle Übermittlung – einschließlich von darüber hinausgehenden Informationen – ist auch für den Bereich Rechtsextremismus möglich. Der in der 789 790

BT-Drs. 17/8672, S. 13. Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 2.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Rechtsextremismusdatei vorgesehenen Eilfallregelung, die ein vorheriges Ersuchen entbehrlich und stattdessen einen unmittelbaren Zugriff für die abfragende Behörde auch auf die erweiterten Grunddaten ermöglicht, kommt im Bereich der Strafverfolgung wie schon bei der Antiterrordatei keine Bedeutung zu. So bedingt ein Eilfall auch nach § 5 Abs. 2 S. 1 RED-G eine Erforderlichkeit allein zur präventiven Gefahrenabwehr.791 Folglich haben die Strafverfolgungsbehörden keinen Eilfallzugriff auf nachrichtendienstliche Daten. V. Verwendung der Daten Zu welchen Zwecken die abgerufenen Daten verwendet werden dürfen, regelt § 6 Abs. 1 RED-G792: Die Daten dürfen erstens für einen Trefferabgleich und zweitens für ein Ersuchen der Behörde „um Übermittlung von Erkenntnissen zur Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgabe zur Aufklärung oder Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus“ genutzt werden. Letzteres richtet sich gem. § 8 RED-G nach den klassischen Übermittlungsvorschriften, für die Strafverfolgungsbehörden also nach den §§ 161 Abs. 1 S. 1 und 163 Abs. 1 S. 2 StPO. Drittens dürfen die Daten mit Zustimmung der speichernden Behörde auch zur Verfolgung einer besonders schweren Straftat oder zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person genutzt werden, ohne das ein Bezug zum Rechtsextremismus bestehen muss, soweit dies erforderlich ist. Diese drei eben geschilderten Fälle finden sich analog auch in der Regelung zur Antiterrordatei.793 Eine vierte und der Antiterrordatei noch unbekannte Variante stellt die sog. erweiterte Datennutzung dar, welche in § 7 RED-G geregelt ist. Hierüber soll eine projektbezogene Nutzung der Datei ermöglicht werden. Die einmal vorhandenen und in die Datei eingespeisten Daten sollen also zu weiter gehenden Zwecken als der bloßen Kontaktanbahnung und Übermittlung nach Ersuchen genutzt werden; zwar auf den von § 7 RED-G gezogenen Rahmen beschränkt, aber soweit dann immerhin doch geht die Rechtsextremismusdatei im Gegensatz zur Antiterrordatei über eine „bloße“ qualifizierte Kontaktanbahnungs- und Fundstellendatei hinaus und wird zur Analysedatei.794 Unter erweiterter Nutzung kann also die Nutzung der Datei als Analysedatei verstanden werden.795 791 Erwähnung soll an dieser Stelle finden, dass an den Eilfall in der Rechtsextremismusdatei höhere Anforderungen als in der Antiterrordatei gestellt werden. Dies geht zurück auf eine Initiative des Innenausschusses, vgl. BT-Drs. 17/10155, S. 7 f. 792 Für die im Eilfall aufgerufenen Daten gilt analog zur Antiterrordatei wiederum eine Verwendungsbegrenzung, welche in § 6 Abs. 2 RED-G geregelt ist: die Daten dürfen nur zu den präventiven Zwecken des Eilfalles genutzt werden. 793 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 4. 794 So auch Stellungnahme Maurer, InnenA-Drs. 17(4)460 A, S. 3, und Stellungnahme Eisvogel, InnenA-Drs. 17(4)460 G, S. 2.

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

Der Grund für die Einführung sind für den Gesetzgeber die bei der Aufarbeitung des behördlichen Versagens rund um die Aufklärung des NSU-Komplexes zutage getretenen massiven Mängel in der Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden gewesen. Er sah sich vor die Notwendigkeit gestellt, nicht nur den Informationsaustausch zwischen Polizei und Nachrichtendiensten zu verbessern, sondern auch die Möglichkeit einer systematischen Nutzung der vorhandenen Daten zu schaffen.796 Was unter einer erweiterten Nutzung bzw. Analyse im Zusammenhang mit der Rechtsextremismusdatei zu verstehen ist, beschreibt § 7 Abs. 2 S. 1 RED-G mit vier Fallgruppen: • Das „Herstellen von Zusammenhängen zwischen Personen, Personengruppierungen, Institutionen, Objekten und Sachen“, • „der Ausschluss von unbedeutenden Informationen und Erkenntnissen“, • „die Zuordnung eingehender Informationen zu bekannten Sachverhalten“ sowie • „die statistische Auswertung der gespeicherten Daten.“ Die hierzu zulässigen technischen Mittel listet § 7 Abs. 2 S. 2 RED-G auf. Danach dürfen die beteiligten Behörden • Daten aus der Datei abfragen und zwar „auch mittels 1. phonetischer oder unvollständiger Daten, 2. der Suche über eine Mehrzahl von Datenfeldern, 3. der Verknüpfung von Personen, Institutionen, Organisationen, Sachen oder 4. der zeitlichen Eingrenzung der Suchkriterien“ sowie • „räumliche und sonstige Beziehungen zwischen Personen und Zusammenhänge zwischen Personen, Personengruppierungen, Institutionen, Objekten und Sachen darstellen“ sowie • „die Suchkriterien gewichten.“ Als Beispiel für die erweiterte Nutzung nennt der Gesetzgeber die kartografische Darstellung von Tatorten und Aufenthaltsorten der Verdächtigen, die Visualisierung von Beziehungszusammenhängen und der räumlichen Verteilung sowie von Reisetätigkeiten des einschlägigen Personenpotenzials.797 795 Die neue Datennutzungsmöglichkeit befürworten die Stellungnahmen von Eisvogel, InnenA-Drs. 17(4)460 G, S. 2; Maurer, InnenA-Drs. 17(4)460 A, S. 3 f. Kritisch hingegen die Stellungnahmen von Poscher, InnenA-Drs. 17(4)460 D, S. 11 f.; Wolff, InnenA-Drs. 17(4)460 B, S. 3 und 8 f.; Hilbrans, InnenA-Drs. 17(4)460 F neu, S. 7; Roggan, InnenA-Drs. 17(4)460 C, S. 7; Schaar, InnenA-Drs. 17(4)460 E, S. 16 f. 796 Vgl. BT-Drs. 17/8672, S. 19. 797 BT-Drs. 17/8672, S. 19.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

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Die Übermittlung von Erkenntnissen, einschließlich von in der Datei gespeicherten Erkenntnissen798, richtet sich dabei gem. § 8 RED-G wiederum nach den jeweils geltenden allgemeinen Übermittlungsvorschriften. Wann, d.h. in welchen Konstellationen, die Rechtsextremismusdatei als die eben beschriebene Analysedatei durch die an ihr beteiligten Behörden genutzt werden kann, regelt § 7 Abs. 1 RED-G. Unter der Bedingung, dass die Nutzung der Daten als Projektdatei im Einzelfall erforderlich ist, um weitere Zusammenhänge aufzuklären (§ 7 Abs. 1 S. 1 RED-G), ist die erweiterte Datennutzung für einen maximalen Zeitraum von vier Jahren pro Projekt (§ 7 Abs. 3 S. 2 und 3 RED-G) für die folgenden drei Konstellationen vorgesehen: • Sammlung und Auswertung von Informationen über konkrete rechtextremistische Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder Gewaltanwendungen vorzubereiten (§ 7 Abs. 1 S. 1 Var. 1 RED-G), • Verfolgung gewaltbezogener rechtsextremistischer Straftaten nach den §§ 88 bis 89b, 91, 102, 105, 106, 108, 125a bis 129a, 211, 212, 224, 226, 227, 239a, 239b, 306 bis 306c, 308 und 310 StGB (§ 7 Abs. 1 S. 1 Var. 2, S. 3 RED-G) sowie • Verhinderung gewaltbezogener rechtsextremistischer Straftaten nach den §§ 88 bis 89b, 91, 102, 105, 106, 108, 125a bis 129a, 211, 212, 224, 226, 227, 239a, 239b, 306 bis 306c, 308 und 310 StGB, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine solche Straftat begangen werden soll (§ 7 Abs. 1 S. 2 und 3 RED-G). Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand ist die an zweiter Stelle genannte Konstellation von Relevanz, wird doch darüber die Möglichkeit der erweiterten Datennutzung zum Zwecke der Strafverfolgung eröffnet. Demgegenüber stellen das Szenario eins auf nachrichtendienstliche und Szenario drei auf gefahrenabwehrrechtliche Zwecke ab.799 Mittelbar haben im Rahmen der zweiten Konstellation auch die Staatsanwaltschaften Zugriff auf die gewonnenen Erkenntnisse, sofern die Polizeibehörden auf deren Ersuchen oder in deren Auftrag gehandelt haben (§ 7 Abs. 5 RED-G). Ungeklärt lässt das Gesetz die Bindung der Strafverfolgungsbehörden an die Projektanforderungen, d.h. an die Vorgaben zur erweiterten Datennutzung nach 798

Dies hebt die Gesetzesbegründung hervor: BT-Drs. 17/8672, S. 20. Aus systematischer Hinsicht ergibt sich, dass weder im Rahmen eines nachrichtendienstlichen noch im Rahmen eines gefahrenabwehrechtlich errichteten Analyseprojekts die Rechtsextremismusdatei von den Strafverfolgungsbehörden zu Strafverfolgungszwecken analytisch genutzt werden kann. Denn ansonsten würden die speziellen Voraussetzungen, die über § 7 S. 1 Alt. 2 RED-G (zweites Szenario) gerade für eine entsprechende repressive Nutzung gestellt werden, umgangen werden. Schon mangels Auftrags können die Projektnutzer nicht für die Strafverfolgungsbehörde entsprechende Analysen zu dem primären Zwecke der Gewinnung von Erkenntnissen für eine spätere Strafverfolgung durchführen. 799

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

§ 7 RED-G im Hinblick auf die weitere repressive Verwendung der Daten. Zur Verdeutlichung der Problematik sei das folgende Beispiel gebildet: Das LKA Sachsen nutzt im Rahmen der Erfüllung seiner Aufgaben die Rechtsextremismusdatei zu Analysezwecken gem. § 7 RED-G entsprechend den dortigen Vorgaben. Im Zuge der Analyse ergibt sich, über eine Verknüpfung von eigenen Erkenntnissen und Erkenntnissen aus einem von dem BfV eingespeisten und gegenüber dem LKA Sachsen freigeschalteten Freitextfeld, der Verdacht, dass die Person X einen (nicht rechtsextremistisch motivierten) schweren Raub gem. § 250 Abs. 1 StGB begangen hat. Hinsichtlich dieser Straftat dürfte die Rechtsextremismusdatei gerade nicht zu Analysezwecken genutzt werden. Dürfen gleichwohl die über die Analysefunktion gewonnenen (und auch ausschließlich hierüber gewinnbaren) Erkenntnisse verwendet werden? Zu der hinter diesem Beispiel stehenden Frage nach der unbeabsichtigten Generierung und Verwendung von Zufallsfunden gibt das RED-G keine Antwort, stellt damit aber auch kein Verwendungsverbot auf. Mangels spezifischer Regelung innerhalb des RED-G richtet sich – unter dem Vorbehalt der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit – die Verwendbarkeit der bereits im Machtbereich der Strafverfolgungsbehörden befindlichen nachrichtendienstlichen Daten allein nach den spezifischen strafverfahrensrechtlichen Verwendungsvorschriften.800 VI. Feststellung Da die Antiterrordatei in weiten Teilen gewissermaßen Pate für die Rechtsextremismusdatei stand, verfangen sich auch hier wesentliche Kritikpunkte, die bereits gegenüber der Antiterrordatei geäußert worden sind.801 Hervorzuheben ist allerdings, dass der Gesetzgeber partiell Veränderungen vorgenommen und damit durchaus gegenüber der Antiterrordatei geäußerte Kritikpunkte berücksichtigt hat.802 Schließlich wurde mit der sog. erweiterten Datennutzung gem. § 7 REDG die Möglichkeit geschaffen, die Rechtsextremismusdatei neben ihrer qualifizierten Kontaktanbahnungs- und Fundstellenfunktion803 auch als Analysedatei zu 800

Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 2. Hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 802 So wurden u. a. die Anforderungen an die Speicherung von Personen nach § 2 S. 1 Nr. 2 und 3 RED-G gegenüber den Regelungen in dem ATDG erhöht (§ 2 S. 1 Nr. 2 RED-G: das bloße Befürworten von Gewalt ist nicht mehr ausreichend. § 2 S. 1 Nr. 3 RED-G: Kontaktperson muss nunmehr selbst Angehöriger der rechtsextremistischen Szene sein; positiv hierzu Stellungnahme Poscher, InnenA-Drs. 17(4)460 D, S. 6 ff.; nach wie vor kritisch Stellungnahme Schaar, InnenA-Drs. 17(4)460, S. 12 ff.). Ferner wird nunmehr für die Annahme von Kontaktpersonen (§ 2 S. 1 Nr. 3 RED-G) und für die Einstellung von Daten in das Freitextfeld innerhalb der erweiterten Grunddaten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b Doppelbuchst. oo RED-G) das Vorliegen von Tatsachen statt tatsächlichen Anhaltspunkten hinsichtlich des jeweils geforderten Verdachts gefordert. 803 Vgl. zur Klassifizierung der Antiterrordatei oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 5. 801

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

243

verwenden. Damit geht die Rechtsextremismusdatei über die Funktionsmöglichkeiten der Antiterrordatei hinaus. 1. Qualifizierte Kontaktanbahnungs- und Fundstellennachweisfunktion Im Hinblick auf die in dieser Untersuchung interessierende Frage nach der Mitwirkung des Verfassungsschutzes im Strafverfahren kann zum einen auf die Feststellungen zur Antiterrordatei804 verwiesen werden, und zwar in dem Rahmen, wie die Rechtsextremismusdatei analog zur Antiterrordatei als qualifiziertes Kontaktanbahnungs- und Fundstellennachweisinstrument genutzt wird. Auch über die Rechtsextremismusdatei erlangen die Strafverfolgungsbehörden im Grundsatz keinen ungehinderten Zugriff auf nachrichtendienstliche Daten. Stattdessen erhalten sie wiederum nur die Daten, die ihnen das BfV aufgrund der bestehenden Übermittlungsvorschriften ohnehin übermitteln könnte (§ 8 RED-G). Allerdings stellt sich auch hier das bereits bei der Analyse der Antiterrordatei herausgearbeitete Problem, dass die Übermittlungsvorschriften auf eine klassisch manuelle Übermittlung ausgerichtet sind. Inwieweit in der Praxis dann bei einer bloßen Freigabe von bereits eingespeisten Daten dieselben Anforderungen gestellt werden wie bei einer manuellen Zusammenstellung, ist auch hier kritisch zu hinterfragen. Besonders problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang das Freitextfeld, in dem auch in der Rechtsextremismusdatei zumindest theoretisch enorme Datenmengen eingespeist sein können. Weiterhin erhalten auch nach der Rechtsextremismusdatei die Strafverfolgungsbehörden von den klassischen Übermittlungsvorschriften losgelöst Kenntnis von den durch den Verfassungsschutz eingespeisten Grunddaten, sofern der Verfassungsschutz keine versteckte Speicherung vorgenommen hat. An den Fakt der tatsächlichen Kenntnisnahme vermag auch hier das – sich aus der gesetzlichen Systematik (§ 6 RED-G) ergebende – umfassende weitere Verwendungsverbot im Falle eines Nichtabrufs der erweiterten Grunddaten oder deren Versagung durch das BfV nichts ändern.805 Im Unterschied zur Antiterrordatei haben bei der Rechtsextremismusdatei auch die Staatsanwaltschaften der Länder einen eigenen mittelbaren Zugriff auf die in der Datei gespeicherten Daten (§ 6 Abs. 4 RED-G). Eine Begrenzung allein auf die Bundesanwaltschaft besteht im Gegensatz zur Antiterrordatei nicht. Zu einem unmittelbaren Zugriff auf die Verbunddatei sind die Staatsanwaltschaften aber wiederum nicht befugt. Diese gegenüber den Polizeibehörden abgeschwächte Position zeigt den Verlust der gesetzlich eigentlich vorgesehenen Lei804

Oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 5. Zu dieser der Antiterrordatei entsprechenden Verwendungsverbotssystematik vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 4. Weder aus dem unmittelbaren Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/8672, S. 18) geht dieser zwingende Verwendungsverbotsschluss in der gewünschten Deutlichkeit hervor. 805

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3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

tungsfunktion der Staatsanwaltschaft in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in tatsächlicher Hinsicht deutlich auf.806 2. Analysefunktion Die Verwendbarkeit der Verbunddatei als Analysedatei (§ 7 RED-G) stellt zwar gegenüber der Antiterrordatei ein Novum dar. Allerdings ist die Möglichkeit der Schaffung einer von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden gemeinsam genutzten Projektdatei vor dem Hintergrund der mit dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz zugleich eingeführten Befugnis zur Errichtung von projektbezogenen gemeinsamen Dateien (§ 22a BVerfSchG, § 9a BKAG, § 9a BNDG) per se nichts Unbekanntes gewesen.807 Gleichwohl bestehen bei einem Vergleich beider Formen einer Projektdatei beachtliche Unterschiede: • Bei einer über das Gemeinsame-Dateien-Gesetz ermöglichten Projektdatei müssen die Daten nach Gründung des Projekts und Errichtung der Datei überhaupt erst einmal eingespeist werden. Ein Zugriff auf eine bereits existierende Verbunddatei oder sonstige Dateien ist über die Projektdatei nicht möglich. Bereits bei der Einspeisung in die Projektdatei nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz muss geprüft werden, ob die Dateien von den teilnehmenden Projektpartnern auch abgerufen werden können, da mit der Dateneingabe bereits eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit der anderen ermöglicht wird. Zugleich werden hier bereits sämtliche Daten eingespeist, denn es soll keine „bloße“ qualifizierte Kontaktanbahnung plus Fundstellennachweis ermöglicht werden. Im Gegensatz dazu kann bei der Projektdatei nach § 7 RED-G zwar auf die Rechtsextremismusdatei – und damit auf die Daten, die von den Verbundteilnehmern verpflichtend zu Zwecken der Kontaktanbahnung und des Fundstellennachweises eingeben worden sind – zurückgegriffen werden. Jedoch muss im Fall einer Treffermeldung für die Übermittlung der erweiterten Grunddaten und darüber hinausgehender Daten eine manuelle Prüfung durch die die Daten einstellende Behörde vorgenommen werden. • Die Eingabe der Daten in eine Projektdatei nach dem Gemeinsame-DateienGesetz erfolgt in Kenntnis des gemeinsam festgelegten Projekts. Überdies besteht keine Pflicht zur Dateneinspeisung durch die teilnehmenden Behörden. Nach § 7 RED-G hingegen sind die beteiligten Behörden zur Dateneingabe verpflichtet, da die Nutzung als Projektdatei nur eine zusätzliche Nutzungsart der Rechtsextremismusdatei neben ihrer primären Funktion als qualifizierte Kontaktanbahnungs- und Fundstellennachweisdatei darstellt. Von daher ist 806

Zu dieser Feststellung bereits oben in der Einleitung zu Zweiter Teil: Kapitel 2. Vgl. zu den Projektdateien nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. II. 807

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

245

zum Zeitpunkt der Dateneingabe auch noch gar nicht bekannt, für welches konkrete Projekt die Daten einmal zu Analysezwecken genutzt werden sollen. Das Projekt wird im Zweifel erst nach der Eingabe des dann relevanten Datenmaterials gegründet. • Zur Errichtung einer projektbezogenen gemeinsamen Datei nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz sind allein BfV, BKA und BND berechtigt. Nach § 7 RED-G hingegen sind sämtliche beteiligte Behörden zur Anordnung einer erweiterten Datennutzung berechtigt. • Die Projektdateien nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz sind zu sämtlichen Zwecken im Rahmen der jeweiligen Aufgabenstellung von BfV, BND und BKA möglich. Hingegen verlangt § 7 Abs. 1 RED-G einen Bezug auf Rechtsextremismus und engt über weitere Vorgaben (u. a. enumerativer Straftatenkatalog) das Anwendungsfeld noch weiter ein. • Geradezu umgekehrt verhält es sich mit der weiteren Verwendung einmal gewonnener Daten. Die Verwendung der Daten aus den projektbezogenen gemeinsamen Dateien nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz ist auf den Projektzweck begrenzt. Eine solche Begrenzung ist dem § 7 RED-G nicht zu entnehmen. So können unbeabsichtigt generierte Zufallsfunde, also Daten zu Straftatbeständen jenseits des Straftatenkatalogs bzw. Erkenntnisse ohne konkreten rechtsextremistischen Bezug, unter dem Vorbehalt der spezifischen strafverfahrensrechtlichen Regelungen verwendet werden. Trotz der aufgezeigten Unterschiede ist vom Grundansatz – der Schaffung einer Projektdatei zu Analysezwecken – doch eine Vergleichbarkeit zwischen der Möglichkeit der Errichtung von Projektdateien nach dem Gemeinsame-DateienGesetz und § 7 RED-G unverkennbar. Festzuhalten ist zudem, dass es dem BKA sowie dem BfV unbenommen ist, auch im Zusammenhang mit Rechtsextremismus eine Projektdatei nach § 22a BVerfSchG bzw. § 9a BKAG einzurichten. Eine Verdrängung durch § 7 RED-G ist weder dessen Wortlaut noch der Systematik zu entnehmen. § 7 RED-G ist insoweit ein aliud und kein lex specialis zu § 22a BVerfSchG und § 9a BKAG. Im Hinblick auf die Nutzung der Rechtsextremismusdatei als Analyseinstrument auf der einen und als qualifiziertes Kontaktanbahnungs- und Fundstellennachweisinstrument auf der anderen Seite sind die folgenden für die Untersuchung relevanten Parallelen zu ziehen: Auch im Rahmen der Nutzung von Rechtsextremismusdatei zu Projektzwecken erlangt die abfragende Behörde zunächst allein die Grunddaten. Der Zugriff auf die erweiterten Grunddaten sowie sonstiger Unterlagen richtet sich wiederum nach den klassischen Übermittlungsvorschriften (§ 8 RED-G). Die damit bereits aufgeführten Probleme808 greifen auch hier Platz. Schließlich haben im Rahmen der Nutzung der Rechtsextremis808

Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 5.

246

3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

musdatei als Projektdatei auch die Staatsanwaltschaften der Länder einen eigenen mittelbaren Zugriff auf die hierbei gewonnenen Erkenntnisse (§ 7 Abs. 5 REDG). 3. Zusammenfassung Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Rechtsextremismusdatei gerade vor dem Hintergrund ihrer zwei Funktionen – qualifizierte Kontaktanbahnung einschließlich Fundstellennachweis einerseits und Nutzung zur Datenanalyse andererseits – gegenüber der Antiterrordatei eine neue Qualität zukommt. Diese ist auch nicht mit einer bloßen Addition von Antiterrordatei und Projektdatei nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz zu bestimmen. Dass hiermit eine weiter gehende Qualität verbunden ist, manifestieren gerade die aufgezeigten Unterschiede zwischen Rechtsextremismusdatei und Projektdateien nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz. Die Rechtsextremismusdatei geht über die durch das Gemeinsame-Dateien-Gesetz geschaffenen Möglichkeiten hinaus. Von daher ist es befremdlich, dass die Ausführungen des Gesetzgebers zu den damit verbundenen rechtlichen Fragestellungen nicht gerecht werden:809 Sie konzentrieren sich stattdessen vorwiegend auf die Schilderung der politischen Notwendigkeit für eine solche Konstruktion. Hingegen sucht man nach einer Auseinandersetzung zwischen § 7 RED-G und den Projektdateien nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz vergeblich. Es fehlen jegliche Aussagen, ob oder warum bislang noch nicht eine Projektdatei mit Bezug zum Rechtsextremismus nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz initiiert worden ist und warum es nun im Vergleich zu dieser Regelung eine neue Form einer Projektdatei in Gestalt von § 7 RED-G bedurft hat.810 Auch fehlt jede Auseinandersetzung zu der nun offenbar durchaus gegebenen oder doch zumindest nahe liegenden Möglichkeit, dass Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der Nutzung der Datei zu Projektzwecken nachrichtendienstlich eingestellte Daten, die ohne Ansehung auf ein konkretes Projekt in die Datei in ihrer Funktion der Kontaktanbahnung und eines Fundstellennachweises durch die Verfassungsschutzbehörden verpflichtend eingespeist worden sind, nach polizeilichen Kriterien kategorisieren können.811 Überhaupt wird die Funktionsweise der Projektdatei nach § 7 RED-G nur unzureichend beschrieben: So ergibt sich z. B. aus dem Gesetzestext nicht, auf welche Datenbestände im Einzelnen überhaupt zurückgegriffen werden darf, insbesondere ob auch ein Zugriff auf die verdeckten Dateien möglich ist.812 Auch fehlt jeder Hinweis, wie der Zusammenhang zwischen Datenfreigabe der erweiterten Grunddaten einschließlich des Freitextfeldes mit dem Projektbezug sichergestellt wer809 810 811 812

Vgl. BT-Drs. 17/8672, S. 10 ff. Stellungnahme Hilbrans, InnenA-Drs. 17(4)460 F neu, S. 7. Stellungnahme Roggan, InnenA-Drs. 17(4)460 C, S. 7. Stellungnahme Wolff, InnenA-Drs. 17(4)460 B, S. 3.

Kap. 2: Gesetzliche Regelungen der Mitwirkung

247

den soll. Letztlich ist Poscher in seiner Stellungnahme zuzustimmen, wenn er ausführt, es sei überhaupt „nicht erkennbar, dass die Konzeption der gemeinsamen Datei für die angestrebte Projektnutzung ausgelegt ist.“ 813

G. Abschließende Überlegungen zur Mitwirkungspflicht Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten B bis F die bekannten Formen der Mitwirkung in ihrer Gesamtheit dargestellt worden sind, soll nunmehr abschließend der Frage nachgegangen werden, ob und wann der Verfassungsschutz in einem Strafverfahren mitwirken muss. Den Ausgangspunkt der Überlegungen hierzu bildet der Grundsatz des im Nachrichtendienstrecht geltenden Opportunitätsprinzips.814 I. Nachrichtendienstliches Binnenrecht Dem Opportunitätsprinzip entsprechend sind auch die nachrichtendienstrechtlichen Übermittlungsvorschriften ausgestaltet. Im Grundsatz erfolgt die Spontanübermittlung fakultativ. Zwar kennt das Verfassungsschutzrecht mit § 20 Abs. 1 BVerfSchG auch eine Verpflichtung des BfV zur Übermittlung von Daten an die Strafverfolgungsbehörden. Jedoch ist hierbei zum einen bereits bei den unechten Staatsschutzdelikten die Beurteilung, ob überhaupt ein Staatsschutzdelikt im Sinne der Übermittlungsnorm vorliegt, durch einen großzügig eingeräumten Beurteilungsspielraum weitgehend in die Hände des Verfassungsschutzes gelegt.815 Zum anderen hat der Verfassungsschutz unter Berufung auf überwiegende Sicherheitsinteressen sogar die Pflicht, die Übermittlung gem. § 23 Nr. 2 BVerfSchG zu verweigern. Und da der Terminus überwiegende Sicherheitsinteressen keine nähere Definition erfahren hat, obliegt es wiederum weitgehend allein dem Beurteilungsspielraum des Verfassungsschutzes, ob er von einer Übermittlung absieht oder nicht.816 II. Strafverfahrensrechtliches Ersuchen Anders sieht es jedoch aus, wenn die Strafverfolgungsbehörde mit einem Ersuchen an den Verfassungsschutz herantritt. In dieser Konstellation, die sich im Ausgangspunkt nach dem Strafprozessrecht (§ 161 Abs. 1 S. 1 und § 163 Abs. 1 S. 2 StPO) und nicht dem Nachrichtendienstrecht richtet, ist der Verfassungsschutz zur Mitwirkung verpflichtet, sofern er im Rahmen seiner eigenen Übermittlungsbefugnisse Daten übermitteln kann. Ihm steht hierbei keine Berufung 813 814 815 816

Stellungnahme Poscher, InnenA-Drs. 17(4)460 D, S. 11. Vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 C. II. 2. Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. a) aa) (2). Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 3. a) bb).

248

3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

auf überwiegende Sicherheitsinteressen gem. § 23 Nr. 2 BVerfSchG zu. Will er die Auskunft verweigern, muss er über den voraussetzungsreicheren Weg der Sperrerklärung gem. §§ 96, 54 StPO (analog) gehen.817 III. Antiterrordatei und gemeinsame Projektdateien Im Hinblick auf die Antiterrordatei ist festzuhalten: Zwar ist hier der Verfassungsschutz zur Mitwirkung verpflichtet, aber diese neue Verpflichtung beschränkt sich auf die Dateneingabe. Im Hinblick auf die Auskunftserteilung unterliegt der Verfassungsschutz gegenüber den Strafverfolgungsbehörden wiederum den klassischen Regeln des Ersuchens, was zwar auch zu einer Mitteilungspflicht führt, aber nicht zu einer erweiterten Übermittlungsverpflichtung.818 Bei den gemeinsamen Projektdateien schließlich obliegt es schon einmal dem BfV überhaupt an einem solchen Projekt mitzuwirken. Eine Verpflichtung hierzu besteht nicht. Zudem richtet sich die Dateneingabe durch den Verfassungsschutz nach den tradierten Vorschriften zur Spontanübermittlung. Hier steht dem Verfassungsschutz also die Berufung auf überwiegende Sicherheitsinteressen zu.819 IV. Rechtsextremismusdatei Auch im Rahmen der Rechtsextremismusdatei kommt es zu keiner Ausweitung der nachrichtendienstlichen Mitwirkungspflicht in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegenüber den tradierten Vorgaben. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Nutzung der Rechtsextremismusdatei in ihrer qualifizierten Kontaktanbahnungs- und Fundstellenfunktion analog zur Antiterrordatei als auch in ihrer Analysefunktion nach § 7 RED-G. Einzig die Verpflichtung zur Eingabe der Daten in die Datei stellt wie auch bei der Antiterrordatei eine Verpflichtungserweiterung dar, die sich aber auf die Mitteilung über die Existenz von Daten begrenzt. Eine Erweiterung der aktiven Übermittlungsverpflichtung ist hiermit wiederum nicht verbunden. V. Informationspflicht aus § 138 StGB Insbesondere in der verfassungsschutzrechtlichen Literatur findet sich regelmäßig die Formulierung, die Grenze des Opportunitätsprinzips bilde § 138 StGB: Wie jeden so verpflichte § 138 StGB auch den Verfassungsschutz, die Strafverfolgungsbehörden zu unterrichten.820 Über § 138 StGB eine zwingende Unter817

Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 C. I. Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 819 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. II. 820 Z. B. Bundesamt für Verfassungsschutz, Aufgabe, Befugnisse, Grenzen, S. 81 f.; Korte, S. 41 (60 f.); Rose-Stahl, S. 106; Haedge, S. 166. Ferner Griesbaum, S. 125 (133), und Singer, S. 115. Zumindest missverständlich auch Gusy, ZRP 1987, 45 (50). 818

Kap. 3: Zusammenfassung

249

richtung der Strafverfolgungsbehörden anzunehmen, ist jedoch nicht begründbar. So stellt § 138 StGB ein echtes Unterlassungsdelikt dar, dessen kriminalpolitische Bedeutung in der Verpflichtung jedermanns liegt, sich um die Verhinderung nach seiner Kenntnis bevorstehender, im Einzelnen bestimmter Straftaten zu bemühen.821 § 138 StGB verpflichtet den Bürger nicht zur Erstattung einer Strafanzeige gem. § 158 StPO, enthält also keine Pflicht zur Unterstützung der staatlichen Strafverfolgung.822 Stattdessen beinhaltet § 138 StGB die Pflicht zur Warnung.823 VI. Fazit Dass die nachrichtendienstliche Tätigkeit kennzeichnende Opportunitätsprinzip setzt sich im Grundsatz auch im Hinblick auf die Mitwirkungsverpflichtung an Strafverfahren fort. Zwar kennt bereits das nachrichtendienstliche Binnenrecht mit § 20 Abs. 1 BVerfSchG eine Übermittlungsverpflichtung. Doch wird diese Durchbrechung des Opportunitätsprinzips ihrerseits durch die Möglichkeit der Berufung auf entgegenstehende überwiegende Sicherheitsinteressen weitgehend durchbrochen. Eine Durchbrechung des Opportunitätsprinzips stellt zudem das Ersuchen durch die Strafverfolgungsbehörden dar. Weiter gehende Durchbrechungen lassen sich jedoch weder in den gemeinsamen Projektdateien noch in der Antiterrordatei ausmachen. Auch aus § 138 StGB lässt sich keine Mitwirkungspflicht entnehmen. Regelmäßig muss der Verfassungsschutz seine eigene Aufklärungstätigkeit nicht durch die Einschaltung von Strafverfolgungsbehörden gefährden. Möglich ist folglich, dass der Verfassungsschutz im Rahmen seines eigenen Aufklärungsauftrags (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG) zugleich einen Sachverhalt auch in strafrechtlicher Hinsicht mit „ausermittelt“ und nach Abschluss der nachrichtendienstlichen Aufklärung den Strafverfolgungsbehörden einen dann bereits faktisch „ausermittelten“ Sachkomplex übermittelt.824 Kapitel 3

Zusammenfassung Sowohl nach dem Willen des Gesetzgebers als auch nach der gesetzlichen Regelungsstruktur kann die Mitwirkungsmöglichkeit des Verfassungsschutzes in 821 Fischer, StGB, § 138 Rn. 2; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, § 138 Rn. 1 f. 822 Fischer, StGB, § 138 Rn. 22. 823 Fischer, StGB, § 138 Rn. 22. 824 Vgl. hierzu bereits Zweiter Teil: Kapitel 1 C. II. 2. Nicht möglich ist freilich, dass das BfV allein zum Zwecke der Straftataufklärung tätig wird. Stets muss ein Bezug zum eigenen Aufgabenkreis vorliegen. Der Verfassungsschutz ist keine Strafverfolgungsbehörde.

250

3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sehr vielgestaltig sein. Von hoher Relevanz ist hierbei die Übermittlung von Informationen. Aber auch eine tatsächliche Zusammenarbeit wie z. B. die gemeinsame Durchführung von Observationen kennt die Praxis. Die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei und damit auch die Mitwirkung des Verfassungsschutzes in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Neben einer einzelfall- und anlassbezogenen Zusammenarbeit kann mittlerweile auch eine institutionalisierte Zusammenarbeit attestiert werden, wie GASIM, GTAZ und jüngst GAR sowie GETZ zeigen. Insoweit kann gesagt werden, dass die Behörden näher rücken. Dabei haben bislang weder die Formen der tatsächlichen Zusammenarbeit (Observationen, Durchsuchungen, Befragen) noch die neuen Zentren der Zusammenarbeit eine gesetzliche Regelung erfahren. Das ist kein Versehen. Dahinter steht die bewusste Entscheidung von Bundesregierung und Gesetzgeber, diese Bereiche möglichst flexibel und wenig einsehbar zu gestalten. Aufgrund des Volkszählungsurteils des BVerfG vom 15. Dezember 1983825 und seiner nachfolgenden verfassungsgerichtlichen Konkretisierungen haben jedoch die Übermittlungen von personenbezogenen Daten (und nur solche Informationen sind vorliegend von Relevanz) gesetzliche Regelungen erfahren. Vorschriften hierzu finden sich sowohl in den nachrichtendienstlichen Gesetzen als auch in der StPO sowie in dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz und dem RED-G als Folgeregelungen der Institutionalisierung der Zusammenarbeit. Die Übermittlungsvorschriften gestatten es dem Verfassungsschutz weitgehend, Informationen an die Strafverfolgungsbehörden eigeninitiativ zu übermitteln. Grundvoraussetzung ist hierbei stets, dass die Daten für den Empfänger erforderlich sind, er sie mithin verwenden kann. Im Hinblick auf den Empfänger „Strafverfolgungsbehörden“ bedeutet dies: Es muss stets ein strafrechtlicher Anfangsverdacht vorliegen, was die Übermittlung (bloßer) nachrichtendienstlicher Vorfelddaten ausschließt. Weiterhin müssen auch stets die allgemeinen Übermittlungsvorschriften der §§ 23 ff. BVerfSchG beachtet werden. Hervorzuheben ist an dieser Stelle der Minderjährigenschutz gem. § 24 BVerfSchG. Unter diesen Voraussetzungen kann der Verfassungsschutz sogar (relative) Zufallsfunde sowohl von dem eigentlich Betroffenen der nachrichtendienstlichen Aufklärung als auch im Hinblick auf Dritte übermitteln. Sofern der Verfassungsschutz Daten transferieren will und damit in den Schutzbereich von Art. 13 Abs. 1 oder Art. 10 Abs. 1 GG eingreift, gelten gesteigerte Übermittlungsvoraussetzungen: Es müssen bestimmte Tatsachen den Straftatverdacht begründen und die Straftaten, hinsichtlich derer übermittelt werden kann, sind enumerativ begrenzt. Gleiches gilt

825

BVerfGE 65, 1.

Kap. 3: Zusammenfassung

251

für die Übermittlung von Daten, die das BfV kraft „Besondere Auskunftsverlangen“ (§ 8a BVerfSchG) erhoben hat. Die nachrichtendienstrechtlichen Vorschriften berechtigen zwar zur Datenübermittlung, aber im Grundsatz verpflichten sie nicht zur Datenübermittlung. Stattdessen gilt insoweit weitgehend das Opportunitätsprinzip. Möglich ist folglich, dass der Verfassungsschutz nach Abschluss der nachrichtendienstlichen Aufklärung den Strafverfolgungsbehörden einen bereits faktisch „ausermittelten“ Sachkomplex übermittelt. Möglich ist aber auch, dass der Verfassungsschutz genau dies unterlässt. Eine Verpflichtung des Verfassungsschutzes zur Datenübermittlung kann sich jedoch aus zwei Gründen ergeben: Entweder das BfV hat strafrechtlich relevante Informationen von Staatsschutzdelikten gem. § 20 Abs. 1 BVerfSchG oder aber die Strafverfolgungsbehörden ersuchen das BfV um eine Informationsübermittlung gem. § 161 Abs. 1 S. 1 oder § 163 Abs. 1 S. 2 StPO. § 20 Abs. 1 BVerfSchG verpflichtet das BfV zur Spontanübermittlung an die Strafverfolgungsbehörden. In tatsächlicher Hinsicht ist jedoch die Verpflichtung jedenfalls durch das Übermittlungsverbot der überwiegenden Sicherheitsinteressen gem. § 23 Nr. 2 BVerfSchG weitgehend geschleift. Es kann davon ausgegangen werden, dass es im Bereich der Spontanübermittlung insgesamt, also sowohl in fakultativer wie auch in obligatorischer Hinsicht, weitgehend allein in den Händen nachrichtendienstlicher Interessenabwägung liegt, ob die Strafverfolgungsbehörden informiert werden oder nicht. Mit anderen Worten: In tatsächlicher Hinsicht ist das Opportunitätsprinzip trotz an sich bestehender Übermittlungsverpflichtung nicht durchbrochen. Sofern die Strafverfolgungsbehörden das BfV um Datenübermittlung ersuchen, ist es grundsätzlich verpflichtet, dem nachzukommen. Insbesondere kann sich das BfV in diesen Fällen nicht auf das Übermittlungsverbot in § 23 Nr. 2 BVerfSchG stützen. Zur Geltendmachung überwiegender Sicherheitsinteressen ist dann vielmehr das Einholen einer Sperrerklärung erforderlich, die den Anforderungen der §§ 54, 96 StPO genügt. Über das Übermittlungsersuchen können aber nicht mehr Daten übermittelt werden, als es das BfV auch eigeninitiativ tun könnte (§ 160 Abs. 4 StPO). Folglich ist über das Auskunftsersuchen auch kein Aushöhlen der nachrichtendienstrechtlichen Vorschriften zur Spontanübermittlung möglich. Von den strafverfahrensrechtlichen Verwendungsregelungen für Daten, die von außerstrafverfahrensrechtlichen Maßnahmen stammen, ist allein § 161 Abs. 2 StPO für Daten aus nachrichtendienstlicher Herkunft anwendbar. Über diese Vorschrift wird nur die Verwendung der Daten zu Beweiszwecken erfasst. Nicht eingeschränkt ist mithin die Verwendung der Daten als Spurenansätze. Die nachrichtendienstlichen Daten sind zu Beweiszwecken nur verwendbar, wenn die nachrichtendienstliche Maßnahme, mittels derer die Daten erlangt worden sind, auch

252

3. Teil: Nachrichtendienstliche Mitwirkung im Ermittlungsverfahren

eine strafverfahrensrechtliche Entsprechung hat. Sofern die Entsprechungsmaßnahme nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig ist, muss zudem die Voraussetzung des hypothetischen Ersatzeingriffs gegeben sein. Mit dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz wurden die Antiterrordatei sowie die Möglichkeit der Errichtung und Nutzung gemeinsamer Projektdateien geschaffen. Über beide Formen wird die Datenübermittlung, die per se weiterhin nach den klassischen Übermittlungsregelungen abläuft, den modernen Formen der institutionalisierten Zusammenarbeit u. a. zwischen Verfassungsschutz und Polizei bzw. Strafverfolgungsbehörden angepasst. Ermöglicht wird insbesondere das vorrätige Einspeisen großer Datenmengen durch die Nachrichtendienste in eine Datei mit dem Zweck, für einen (späteren) Abruf auch den Strafverfolgungsbehörden unmittelbar bereitzustehen. Bezüglich der Antiterrordatei ist noch das Folgende anzumerken: Die unmittelbare Trefferanzeige der Grunddaten stellt gegenüber den klassischen Übermittlungsvorschriften ein Novum dar. Denn die Grunddaten werden gerade unabhängig von den Übermittlungsvorschriften angezeigt. Das Schlagwort seitens der Bundesregierung heißt hierzu durchaus passend „Kommunikationsanbahnungsinstrument“ 826 (wenngleich es – im Unterschied zur Ansicht der Bundesregierung – gerade nicht mit einem positiven Vorzeichen zu versehen ist). Die Ausführungen gelten entsprechend für die Rechtsextremismusdatei nach dem RED-G. Hervorzuheben ist hier, dass nunmehr eine Analysefunktion in einer nicht primär für Analyse errichteten Verbunddatei vorgesehen ist und damit die über das Gemeinsame-Dateien-Gesetz noch getrennten Funktionen – Kontaktanbahnungs-/Fundstellennachweis und Analysefunktion – bezogen auf bestimmte Facetten des Rechtsextremismus zusammengezogen worden sind. Damit haben die Institutionalisierung der Zusammenarbeit und das Bestreben des Annäherns der verschiedenen Sicherheitsbehörden einschließlich der Strafverfolgungsbehörden ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.

826

Vgl. z. B. BT-Drs. 16/10007, S. 8.

4. Teil

Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot Nachdem im zweiten Teil dieser Untersuchung ein besonderes Interesse an der Mitwirkung des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren festgestellt werden konnte und im dritten Teil die Formen hierzu aufgezeigt worden sind, geht es nun darum, ob die aufgezeigten Mitwirkungsmöglichkeiten mit dem sog. Trennungsgebot vereinbar und welche Konsequenzen damit verbunden sind. Mit diesem vierten Teil wird das Untersuchungsziel dieser Arbeit erreicht. Der Begriff des Trennungsgebots ist seit seiner Etablierung in den 1980er-Jahren sowohl juristischer Fachbegriff als auch politisches Schlagwort.1 Im geltenden Verfassungsschutzrecht des Bundes ist das Trennungsgebot einfachrechtlich in § 2 Abs. 1 S. 3 und § 8 Abs. 3 BVerfSchG niedergelegt. Danach darf erstens das BfV „einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden“ und zweitens stehen dem BfV polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse nicht zu; auch darf es „die Polizei [. . .] nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen es selbst nicht befugt ist.“ De facto ist diese einfachrechtliche Ausgestaltung des Trennungsgebots identisch mit derjenigen des BVerfSchG von 1950.2 Weder über dessen Inhalt und Reichweite noch über dessen Rang in der Rechtsordnung herrscht Einigkeit.3 Die Diskussion um das Trennungsgebot betrifft dabei nicht allein die Frage um die Mitwirkung des Verfassungsschutzes in strafprozessualen Ermittlungsverfahren. Vielmehr stellt diese (allenfalls) einen Teilaspekt dar. Von daher ist zunächst ein Überblick über den Diskussionsstand zum Trennungsgebot zu schaffen (Kapitel 1). Darauf aufbauend ist eine Konkretisierung vorzunehmen, denn das Trennungsgebot kann und muss nicht umfassend untersucht werden. Stattdessen ist eine Konkretisierung der Fragestellung zu den bislang erarbeiteten Mitwirkungsformen des BfV in strafprozessualen Ermittlungsverfahren vorzunehmen (Kapitel 2). Zur Bestimmung des Inhalts und 1

Vgl. hierzu unten Vierter Teil: Kapitel 1. § 3 Abs. 2 BVerfSchG (1950) „Polizeiliche Befugnisse oder Kontrollbefugnisse stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zu. Das Amt darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden“. § 3 Abs. 3 BVerfSchG (1950) geändert durch Gesetz vom 7.8.1972, BGBl. I S. 1382: „Polizeiliche Befugnisse oder Kontrollbefugnisse stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zu. Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben [. . .] ist es befugt, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden. Das Amt darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden.“ 3 Vgl. hierzu unten Vierter Teil: Kapitel 1. 2

254

4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

des Rangs des Trennungsgebots in Bezug zur nachrichtendienstlichen Mitwirkung in Strafverfahren ist eine historische Analyse erforderlich (Kapitel 3). Hierfür spricht, dass der Ursprung des Trennungsgebots herkömmlicherweise in dem sog. Polizeibrief der Alliierten vom 14. April 1949 gesehen wird.4 Zu untersuchen ist, weshalb das Trennungsgebot in das BVerfSchG (1950) aufgenommen worden ist, welcher Bezug hierbei zum besagten Polizeibrief und zum Grundgesetz besteht und welche Bedeutung bei Verkündung von Grundgesetz bzw. BVerfSchG (1950) die Alliierten, der Parlamentarische Rat und der Gesetzgeber des BVerfSchG (1950) dem Trennungsgebot zugemessen haben. Darauf aufbauend lassen sich die allgemeinen Kernaussagen des Trennungsgebots (Kapitel 4) und (darauf wiederum aufbauend) die Grundsätze für die nachrichtendienstliche Mitwirkung (Kapitel 5) bestimmen. Damit ist die Basis für die Prüfung geschaffen, ob die im dritten Teil herausgearbeiteten Formen der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot vereinbar sind (Kapitel 6). Um die Konsequenzen eines Verstoßes gegen das Trennungsgebot bestimmen zu können, ist zudem die Frage nach dem Verfassungsrang in den Blick zu nehmen (Kapitel 7). Damit können schließlich die gestellten Fragen zusammenfassend beantwortet werden, ob die bislang aufgezeigten Mitwirkungsformen mit dem sog. Trennungsgebot vereinbar und welche Konsequenzen damit verbunden sind (Kapitel 8). Kapitel 1

Überblick über den Diskussionsstand zum Trennungsgebot Wie bereits erwähnt, ist im geltenden BVerfSchG das Trennungsgebot in § 2 Abs. 1 S. 3 und § 8 Abs. 3 BVerfSchG niedergelegt: Danach darf erstens das BfV keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden und zweitens stehen dem BfV keine polizeilichen (Weisungs-)Befugnisse zu. Stellt man allein auf den Wortlaut ab, lassen sich mit Gusy aus dem einfachgesetzlich niedergelegten Trennungsgebot unmittelbar zunächst zwei Konsequenzen ziehen:5 Zum einen hat das Trennungsgebot eine organisationsrechtliche Dimension: Polizei und Verfassungsschutz müssen unterschiedliche Behörden sein. Weder darf der Verfassungsschutz der Polizei noch umgekehrt die Polizei dem Verfassungsschutz angegliedert werden. Ersteres steht ausdrücklich im Gesetz (§ 2 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG). Letzteres ergibt sich aus § 8 Abs. 3 BVerfSchG: Wenn dem BfV keine polizeilichen Befugnisse zustehen dürfen, kann er sich diese auch nicht mittels Angliederung von Polizeibehörden verschaffen.6 Zum anderen ist 4 So u. a. MD/Ibler, GG, Art. 87 Rn. 142; Isensee/Kirchhof/Götz, HdbStR, § 79 Rn. 43; Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 377; Zöller, JZ 2007, 763 (767). 5 Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (467 f., 483 f.). 6 Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (467 f., 483 f.); Baumann, DVBl. 2005, 798 (800).

Kap. 1: Überblick über den Diskussionsstand zum Trennungsgebot

255

dem Trennungsgebot eine befugnisrechtliche Dimension zu entnehmen: Dem Verfassungsschutz stehen keine polizeilichen Befugnisse zu.7 Besteht insoweit weitgehend Einigkeit in der Literatur8, ist jedoch alles weitere hierzu stark umstritten. Das beginnt bereits bei der Bestimmung der Reichweite der organisationsrechtlichen und befugnisrechtlichen Dimension des Trennungsgebots.9 Hinzukommt kommt die Diskussion, ob und inwieweit dem Trennungsgebot noch weitere Dimensionen zuzusprechen sind.10 Die Schlagworte hierzu lauten funktionelle Trennung, informationelle Trennung sowie personelle Trennung.11 Während z. B. von einem Teil der Literatur eine Auswirkung des Trennungsgebots auf die informationelle Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei bzw. Strafverfolgungsbehörde grundsätzlich verneint wird12, erblicken andere hierin den Hauptanwendungsfall des Trennungsgebots in heutiger Zeit.13 Auch die Frage, ob das Trennungsgebot mit Verfassungsrang ausgestattet ist, bildet Gegenstand von Auseinandersetzungen.14 Entsprechend werden rechtspolitische Entscheidungen oder Entwicklungen, die im Spannungsfeld von Nachrichtendiensten, Polizei und Strafverfolgungsbehörden stehen, häufig mit der Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Trennungsgebot in Verbindung gebracht. Beispielhaft seien hier genannt: Kann die Polizei auch Aufgaben im Gefahrenvorfeld wahrnehmen?15 Können auf die Polizei und die Strafverfolgungsbehörden heimliche Ermittlungsmethoden übertragen wer-

7 Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (467 f., 485 f.). Zur Bedeutung der Terminus polizeiliche Befugnisse vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. V. 8 Streiß, S. 168: „Der unbestrittene Kern“. 9 So ist umstritten, ob aus der befugnisrechtlichen Dimension ein Verbot nachrichtendienstlicher Mittel für die Polizei folge; Streiß, S. 169 ff., sowie unten Fn. 16. Die Vereinbarkeit der Aufgabenüberschneidung zwischen polizeilichem Staatsschutz und Verfassungsschutz wird (auch) unter dem Blickwinkel des organisationsrechtlichen Trennungsgebots diskutiert; vgl. König, S. 223 ff. 10 Ablehnend jedoch: Günter Gold Stenografisches Protokoll zur Anhörung „Gesetz zur Änderung des Sächsischen Verfassungsschutzgesetz“ (LT-Drs. 3/6212Ä, S. 6); im Ergebnis ebenso Roewer, DVBl. 1986, 205 (207 f.): die von ihm ausgemachten Trennungen in Aufgabe und Befugnis leitet er letztlich nicht aus dem hier zu Diskussion stehenden Trennungsgebot her. 11 Vgl. Streiß, S. 167 ff.; Baumann, DVBl. 2005, 798 (800); Gusy, Jahrbuch 2008/09, S. 177 (182 f.). Ein vom herkömmlichen institutionellen Trennungsgebot abweichenden Ansatz wählen Paeffgen/Gärditz, KritV 2000, 65 (68 ff.), die von einem kompetenzionell-föderalen Trennungsgebot ausgehen. 12 So Borgs/Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 131; Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 BVerfSchG Rn. 198; Wolff/Scheffczyk, JA 2008, 81 (84); Hirsch, S. 97; Nehm, NJW 2004, 3289 (3294); Jach, DÖV 2012, 797 (798 f.). 13 So Baumann, DVBl. 2005, 798 (801); Stellungnahme Schaar, InnenA-Drs. 16(4)131 G, S. 4; ähnlich Stellungnahme Hilbrans, InnenA-Drs. 16(4)131 K, S. 3. 14 Vgl. unten Vierter Teil: Kapitel 7. 15 Vgl. Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (474 ff., 485 ff.); Stubenrauch, S. 41 ff.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

den?16 Inwieweit darf der Verfassungsschutz Teile seiner Aufgaben an die Polizei delegieren bzw. diese um Mithilfe ersuchen?17 Dürfen Polizei oder Strafverfolgungsbehörden Informationen an die Verfassungsschutzbehörden übermitteln?18 Auch die im Rahmen dieser Untersuchung aufgezeigten Mitwirkungs- und Zusammenarbeitsformen sind Bestandteil der Auseinandersetzung.19 Dass die Auseinandersetzung über Rang und Bedeutung des Trennungsgebots regelmäßig im Spannungsfeld zwischen Recht und Politik verläuft, zeigt bereits die Entstehung des Terminus „Trennungsgebot“ selbst und dessen Etablierung in der wissenschaftlichen Diskussion. Das Schlagwort „Trennungsgebot“ tauchte – soweit ersichtlich – erstmals Anfang der 1980er-Jahre20 im Zuge der aufkommenden Datenschutz-Diskussion im Bereich der Amtshilfe zwischen den verschiedenen Sicherheitsbehörden auf.21 Im Mittelpunkt dieser Diskussion stand zunächst die Frage nach dem Verfassungsrang, die zu teilweise heftigen Kontroversen in der Literatur führte.22 Demgegenüber blieb die Frage nach der inhaltlichen Ausgestaltung des Trennungsgebots im Einzelnen zunächst weitgehend ausgeblendet.23 Der Grund für die Gewichtung der Diskussion auf den Verfassungs16 Eine Begrenzungsfunktion kraft Trennungsgebots nehmen an u. a.: Baumann, DVBl. 2005, 798 (800); Albert, ZRP 1995, 105 (106); Lisken, DRiZ 1987, 184 (188); Lang, S. 111 ff.; wohl auch Werthebach/Droste-Lehnen, ZRP 1994, 57 (63); ablehnend hingegen u. a.: Borgs/Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 123; Nehm, NJW 2004, 3289 (3293); Albers, S. 229; Soria, S. 359 (365); Möstl, DVBl. 1999, 1394 (408 Fn. 49); BK/Werthebach/Droste, GG, Art. 73 Nr. 10 Rn. 252: grundsätzlich; differenzierend (Begrenzung auf Staats- und Verfassungsschutz) Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 223 ff.; Schafranek, S. 176 ff.; alternativ Stubenrauch, S. 41 ff. Ferner: Paeffgen/Gärditz, KritV 2000, 65 (66): „Semipermeabilität der Trennwand zwischen Polizei und Verfassungsschutz“; Wolter, GA 1988, 49–90; 129–142 (86); Rogall, JZ 1987, 847 (850). Es stellen sich in diesem Zusammenhang aber auch noch weitere Fragen, die jedoch von dieser Perspektive her bislang kaum publizistische Aufmerksamkeit erfahren haben: Inwieweit ist die Vorverlagerung der Strafbarkeit, insbesondere im Staatsschutz- und Terrorismusbereich, vor dem Hintergrund der damit verbundenen Vorverlagerung der Tätigkeit der Ermittlungsbehörden zulässig? Statthaftigkeit der Errichtung spezieller polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Staatsschutzabteilungen? 17 Vgl. Ostheimer, S. 116, sowie Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (880). 18 Im Mittelpunkt der Diskussion steht hierbei die Frage, inwieweit der Verfassungsschutz Informationen übermittelt bekommen kann, die mit polizeilichen Befugnissen erhoben worden sind, also vom Verfassungsschutz selbst nicht hätte erhoben werden können. Einen Verstoß gegen das Trennungsgebot nehmen an: Riegel, NJW 1979, 952 (954); Baumann, DVBl. 2005, 798 (807); so wohl auch Kutscha, ZRP 1986, 194 (197); contra hingegen: Martens JR 1981, 356; Steinbömer DVBl. 1981, 346; Gusy, ZRP 1987, 45 (51); Nehm, NJW 2004, 3289 (3295); Schafranek, S. 176; Wolff/Scheffczyk, JA 2008, 81 (84); differenzierend: Bull, S. 133 (149 ff., 154 ff.), und Stubenrauch, S. 59 ff. 19 Vgl. hierzu unten Vierter Teil: Kapitel 5 und Vierter Teil: Kapitel 6. 20 König, S. 122; Roewer, DVBl. 1986, 205 (205 Fn. 2 gibt Literatur erst ab 1980er Jahre an). 21 Vgl. Bull, S. 133 (150), und Denninger, ZRP 1981, 231 (231). 22 Hierzu unten Vierter Teil: Kapitel 7. 23 Sandkuhl, S. 615 (616); Gusy, Jahrbuch 2008/09, S. 177 (182).

Kap. 1: Überblick über den Diskussionsstand zum Trennungsgebot

257

rang kann für den Zeitraum der 1980er-Jahre mit der Vorbereitung der Novellierung des BVerfSchG (die in der Neufassung des BVerfSchG im Jahre 1990 mündete) erklärt werden. So war es zunächst unklar, ob der Gesetzgeber das bereits in § 3 Abs. 2 BVerfSchG (1950) enthaltene einfachgesetzliche Trennungsgebot überhaupt – so wie letztlich geschehen – in die Neufassung übernehmen würde.24 Dass der Begriff „Trennungsgebot“ erst in den 1980er-Jahren aufkam, darf jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, in den Jahren zuvor habe keine Auseinandersetzung über Inhalt und Grenzen der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz stattgefunden. Das Gegenteil ist richtig, wenngleich die entsprechenden Diskussionen unter geradezu umgekehrten Vorzeichen geführt worden sind: So sind die einfachgesetzlichen Vorgaben der Trennung von Polizei und Verfassungsschutz als Gegebenheit ohne weiteres Hinterfragen hingenommen worden.25 Zur Kompensierung der Trennung wurde überwiegend eine notwendige (enge) Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei betont.26 In den Anfangsjahren des Verfassungsschutzes wurde dieser gar als eine Art spezielle polizeiliche Behörde eingestuft.27 Insgesamt kann festgestellt werden, dass das Trennungsgebot zwar ein gern gebrauchtes Schlagwort ist, es aber weniger juristisch denn politisch aufgeladen ist.28 Überhaupt hat das das Trennungsgebot bislang nur vereinzelt eine vertiefende monografische Untersuchung erfahren.29 Und erst recht fehlt es – soweit 24 Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (467). Nicht gefolgt werden kann in diesem Zusammenhang König, S. 122, der die Diskussion um den Verfassungsrang des Trennungsgebots offenbar mit der Frage nach Notwendigkeit und Umfang gesetzlicher Regelungen der informationellen Zusammenarbeit in einen unmittelbaren Zusammenhang sieht. Denn diese – grundrechtlich motivierte – Diskussion wurde im Hinblick auf das Trennungsgebot auf dessen einfachgesetzlicher Ausgestaltung ohne Rückgriff auf einen etwaigen Verfassungsrang geführt: Gestritten wurde, ob und inwieweit das im BVerfSchG enthaltene (einfachgesetzliche) Trennungsgebot zu einer Sensibilisierung im Bereich der informationellen Zusammenarbeit zwinge; vgl. z. B. die von König selbst aufgeführten Verweise: Denninger, ZRP 1981, 231 (232 ff.); Riegel, NJW 1979, 952 (953 ff.); ferner Scholz/Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung, S. 184 ff. 25 König, S. 120 f. mit Verweisen auf die ältere Literatur. 26 König, S. 120 f. mit Verweisen auf die ältere Literatur. 27 Vgl. z. B. Ritter von Lex (Staatssekretär Bundesinnenministerium), Protokoll Deutscher Bundestag, 65. Sitzung am 1.6.1950, S. 2388 f.: „polizeilicher Verfassungsschutz“; Greve (SPD), Deutscher Bundestag, 65. Sitzung am 1.6. 1950, Protokoll S. 2391: „polizeilicher Verfassungsschutz“; Evers, Privatsphäre, S. 96 ff., insb. S. 98: „politisch-polizeiliche Behörde“; Schäfer, Verfassungsschutz, S. 37 (46); Salzwedel, S. 756 (772). 28 So schreibt Roewer, Lexikon, S. 462: „Schlagwort im politischen Meinungskampf mit dem zum Ausdruck gebracht werden soll, dass Nachrichtendienste und Polizei in Deutschland nicht zusammenarbeiten dürfen.“ Zur Einordnung des Trennungsgebots (auch) als politischen Begriff ferner Streiß, S. 149 ff. 29 Hervorzuheben sind insoweit die Untersuchungen von: Dorn, passim; Klee, S. 48 ff.; König, S. 118 ff. und 155 ff.; Lang, S. 99 ff.; Schafranek, S. 166 ff.; Streiß, S. 141 ff.; Stubenrauch, S. 24 ff., sowie aus soziologischer Sicht Imle, passim.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

ersichtlich – an Untersuchungen zu der hier vorliegenden konkreten Fragestellung. In der rechtspolitischen Diskussion kann festgehalten werden, dass gegenwärtig parteiübergreifend an dem Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten festgehalten werden soll.30 Dieser Konsens hat auch durch die Aufarbeitung des NSU-Komplexes und des damit verbundenen Vorwurfs der mangelhaften Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Sicherheitsbehörden (bislang) keine Aufweichung erfahren.31 Kapitel 2

Konkretisierung der Untersuchung Aufgrund der aufgezeigten Vielschichtigkeit, die mit dem Schlagwort des Trennungsgebots verbunden ist, ist an dieser Stelle Klarheit zu schaffen, welche konkreten Fragen sich im Rahmen dieser Untersuchung vor dem Hintergrund des Trennungsgebots überhaupt stellen und welche Schritte zur Klärung dieser Fragen erforderlich sind. Im Nachfolgenden kann es nicht darum gehen, das Trennungsgebot insgesamt zu analysieren. Vielmehr geht es darum, ob die in dem dritten Teil herausgearbeiteten Formen der Mitwirkungsmöglichkeiten des BfV in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren mit dem Trennungsgebot (in seinen verschiedenen Dimensionen) vereinbar sind. Es sind daher die folgenden Themen näher zu hinterfragen: • (Einzelfallbezogene) Informationsübermittlung Darf der Verfassungsschutz Daten an die Strafverfolgungsbehörden – auch solche, die mit Methoden ermittelt worden sind, die den Strafverfolgungsbehörden nicht zur Verfügung stehen – übermitteln?32 Sofern eine solche – einzelfallbezogene, nicht institutionalisierte33 – informationelle Mitwirkungsmöglichkeit im Grundsatz möglich ist, stellt sich die Frage, ob diese Mitwirkungsmöglichkeit begrenzt ist auf allein solche Daten, die im Übermittlungszeitpunkt auch noch von nachrichtendienstlicher Relevanz sind, oder ob aus nachrichtendienstlicher Perspektive betrachtet auch (relative) Zufallsfunde34 den Strafverfolgungsbehörden übermittelbar sind. Das schließt die Frage ein, inwieweit der Verfassungsschutz auch solche Daten übermitteln darf, die er nicht in unmittelbarer Ausübung seines Beobachtungsauftrags (vgl. § 9 Abs. 1 30

Verwiesen werden kann hier auf die Antwort Bundesregierung, BT-Drs. 17/3335,

S. 3. 31 32 33 34

Zum NSU-Komplex vgl. oben Erster Teil: C. Vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. bis Dritter Teil: Kapitel 2 D. In Abgrenzung zur Fragestellung 3: Zusammenarbeit. Hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. b) bb).

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

259

Nr. 1 Alt. 1 BVerfSchG), sondern zu Zwecken der Eigensicherung oder Quellen-Abklärung (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 und Nr. 2 BVerfSchG) erhoben hat.35 Denn auch diese Daten stellen – sofern sich nicht im Rahmen der nachrichtendienstlichen Auswertung ein direkter Bezug zum eigentlichen Beobachtungsauftrag ergibt – Zufallsfunde dar. • Legalitätsprinzip Inwieweit darf der Verfassungsschutz aus Gründen des Geheimschutzes oder aus sonstigen nachrichtendienstlichen Erwägungen ohne Einschaltung von Strafverfolgungsbehörden eigenständig auch, d.h. im Rahmen seiner eigenen Aufgabenwahrnehmung, zugleich in repressiver Hinsicht (mit)ermitteln und in der Folge dann einen insoweit (zumindest in Teilen) bereits „ausermittelten“ Sachkomplex den Strafverfolgungsbehörden übermitteln?36 • Zusammenarbeit Inwieweit dürfen Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutz im Hinblick auf die Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens – jenseits der einzelfallbezogenen Informationsübermittlung37 – zusammenarbeiten? Hierbei ist sowohl auf die Institutionalisierung der Zusammenarbeit, wie sie mit GTAZ, GASIM, GAR, GETZ, dem Gemeinsamen Internetzentrum sowie der Bildung von Verbunddateien (Antiterrordatei, Rechtsextremismusdatei, gemeinsame Projektdateien) ihren gegenwärtigen Abschluss gefunden haben38, als auch auf die klassischen Formen der Zusammenarbeit wie die gemeinsame Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen (z. B. Beobachtung und Observationen) einzugehen.39 Kapitel 3

Historische Herleitung des Trennungsgebots Nachdem Klarheit darüber besteht, auf welchen konkreten Inhalt hin das Trennungsgebot überhaupt zu untersuchen ist, kann die Untersuchung beginnen. Dabei ist eine historische Herleitung indiziert. Denn zum einen besteht – wie aufgezeigt40 – Uneinigkeit über den konkreten Inhalt des Trennungsgebots und dessen Rang und zum anderen wird der Ursprung des Trennungsgebots bei allem Streit 35 36 37

Zum Umfang der Befugnisnorm oben Zweiter Teil: Kapitel 1 D. Vgl. oben Zweiter Teil: Kapitel 1 C. II. 2. und Dritter Teil: Kapitel 2 G. V. In Abgrenzung zur Fragestellung 1: (Einzelfallbezogene) Informationsübermitt-

lung. 38 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 1 B., Dritter Teil: Kapitel 2 E. und Dritter Teil: Kapitel 2 F. 39 Vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 1 A. 40 Vgl. oben Vierter Teil: Kapitel 1.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

herkömmlicherweise in dem sog. Polizeibrief der Alliierten vom 14. April 1949 gesehen.41 Daher ist zur Ermittlung der Bedeutung des Trennungsgebots sowohl auf die Entstehungsgeschichte des Polizeibriefes als auch auf dessen Umsetzung in Grundgesetz und BVerfSchG zu schauen (Abschnitte E. bis G.). Der Polizeibrief war eine Vorgabe der West-Alliierten an den Parlamentarischen Rat.42 Sowohl die Beratungen im Parlamentarischen Rat als auch der Polizeibrief der West-Alliierten standen unter dem Eindruck des bis zum 8. Mai 1945 herrschenden nationalsozialsozialistischen Terrorregimes in Deutschland und dessen brutalen Sicherheitsapparat.43 Daraus wiederum ergibt sich die Notwendigkeit, die Untersuchung nicht erst zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Polizeibriefes zu beginnen. Vielmehr ist zu schauen, durch wen und wie in den Zeiten der Weimarer Republik (Abschnitt B.) und des Nationalsozialismus (Abschnitt C.) die Aufgaben des heutigen Verfassungsschutzes wahrgenommen worden sind und inwieweit diese Behörden ihre Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden weitergeben konnten oder mussten. Die Erstreckung auf die Zeit der Weimarer Republik ist deshalb notwendig, weil zum einen die Alliierten, insbesondere die USA, die Ursache für den Exzess im Sicherheitsapparat unter den Nationalsozialisten bereits in der Weimarer Republik angelegt sahen.44 Zum anderen stellt es für die Nachzeichnung der Entscheidungsvorgänge im Parlamentarischen Rat ein notwendiges Hintergrundwissen dar. Um die Vorgänge in der Weimarer Republik wiederum richtig einordnen zu können, sind in einem kurzen Vorspann die wesentlichen Entwicklungslinien der inlandsnachrichtendienstlichen Organisationen bis zur Gründung der Weimarer Republik zu skizzieren (Abschnitt A.).45 Zwar ist das BfV ein „Produkt“ der neu entstandenen Bundesrepublik Deutschland. Doch gab es schon vor 1950 verschiedentlich von der Polizei losgelöste rein nachrichtendienstlich tätige inländische Aufklärungsorganisationen.46 Gleichwohl sind in Deutschland vor 1945 die klassischen Kernaufgaben eines Inlandsnachrichtendienstes, nämlich die Beobachtung von staats- bzw. verfassungsfeindlichen Bestrebungen, grundsätzlich von der Polizei – speziell von der Politischen 41 Z. B. MD/Ibler, GG, Art. 87 Rn. 142; Isensee/Kirchhof/Götz, HdbStR, § 79 Rn. 43; Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 377; Zöller, JZ 2007, 763 (767). 42 Vgl. hierzu unten Vierter Teil: Kapitel 3 F. III. 43 Vgl. hierzu unten Vierter Teil: Kapitel 3 C. 44 Vgl. unten Vierter Teil: Kapitel 3 E. 45 Die Entwicklung im Zusammenhang mit dem Trennungsgebot vor 1945 berücksichtigen in einer gewissen Intensität soweit ersichtlich lediglich König, S. 24 ff.; Dorn, S. 24 ff.; Buschfort, S. 13 ff. (die allerdings sämtlich nicht auf die spezielle Blickrichtung der Mitwirkung des Nachrichtendienstes in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren abstellen). Üblicherweise findet sich – wenn überhaupt – ein kursorischer Rückgriff auf die Zeit vor 1945; beispielhaft seien hierfür genannt: Klee, S. 21 ff.; Hirsch, S. 90; Droste, Handbuch, S. 1 ff.; Baumann, FS Posser, S. 299 (302 f.). Speziell mit der Geschichte der Entstehung des Polizeibriefes beschäftigt sich zudem die – allerdings soziologische – Arbeit von Imle, passim. 46 Vgl. unten Vierter Teil: Kapitel 3 B. I. und Vierter Teil: Kapitel 3 B. II. 2.

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

261

Polizei – wahrgenommen worden.47 Als synonyme Bezeichnung für die Politische Polizei hatte sich auch der Begriff der Staatspolizei etabliert.48 Von daher ist es für eine Nachzeichnung der Entwicklung der Inlandsnachrichtendienste in Deutschland notwendig, den Blick nicht nur auf die rein nachrichtendienstlich tätigen Überwachungsorganisationen, sondern auch und gerade auf die Politische Polizei zu richten.

A. Etablierung deutscher Inlandsnachrichtendienste bis 1918 Die Anfänge der (modernen) Politischen Polizei in Deutschland sind zwar bis auf die Zeit der französischen Revolution von 1789, des aufgeklärten Absolutismus, der Revolutionskriege und der Zeit der Besetzung durch Napoleon I. und damit vor 1815 zurückzuführen.49 Ein merklicher Etablierungsschub ist auf dem Gebiet des Deutschen Bundes (1815–1866) allerdings erst nach 1815 auszumachen.50 Wenn von der modernen Politischen Polizei gesprochen wird, ist damit gemeint, dass die Abwehr der klassischen Spionage fremder Mächte (d.h. insb. der von anderen Staaten) schon immer stattgefunden hat.51 Modern ist, dass das Tätigkeitsfeld sich erweitert hat: Die eigene Bevölkerung geriet in das politischpolizeiliche Blickfeld, die Sicherung des politischen Systems vor innerer Unruhe erschien notwendig.52 Der Hintergrund hierfür ist vereinfacht darin zu sehen, dass im Zuge der Besetzung weiter Teile Europas durch Napoleon I. die Bevölkerung politisiert worden ist.53 Es begann auf dem Gebiet Deutschlands die Entwicklung eines politischen Vereins- und Versammlungswesens sowie der Publikation von öffentlicher Meinung.54 Aber auch nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 und der Überwindung der napoleonischen Vorherrschaft,55 blieb das Volk politisch; es sah die Forderung nach nationaler Einheit und Freiheit in den Ergebnissen des Wiener Kongresses von 1814/15 als nicht erfüllt.56 In der Folge fürchteten und bekämpften die Herrschenden innere Unruhen.57 Sie agierten und reagierten mit Repression, wie die Karlsbader Beschlüsse von 1819 zei-

47

Vgl. unten Vierter Teil: Kapitel 3 B. III. 2. Weiss, S. 25. 49 Siemann, S. 31. Funk, S. 255: „Die Organisation der ,Politischen Polizei‘ als einer diesen Namen führenden besonderen Geschäftsabteilung des kgl. Polizeipräsidiums zu Berlin datiert vom Jahre 1878.“ 50 Vgl. Dorn, S. 26; Lisken/Denninger/Boldt/Stolleis, HdbPolR, A 31. 51 Siemann, S. 41. 52 Siemann, S. 31. 53 Frotscher/Pieroth, Rn. 263 ff. 54 Siemann, S. 31 f. 55 Hierzu Huck, passim. 56 Frotscher/Pieroth, Rn. 263. 57 Siemann, S. 31. 48

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

gen.58 Doch konnte damit die entstandene nationalliberale und radikaldemokratische Opposition zwar unterdrückt, aber nicht ausgeschaltet werden:59 Als Schlaglichter hierfür stehen das Wartburgfest von 181760, das Hambacher Fest von 183261 sowie der Frankfurter Wachensturm von 183262. All dies führte letztlich zu einer Etablierung der modernen Politischen Polizei in Deutschland.63 Die Politische Polizei etablierte sich insbesondere innerhalb der einzelnen Länder64, die sich wiederum untereinander rege und intensiv austauschten.65 Hervorzuheben ist hierbei der zwischen 1851 und 1866 bestehende sog. Polizeiverein, der insbesondere über die Instrumente der „Polizeikonferenzen“ und der „Wochenberichte“ einen regelmäßigen Informationsaustausch zwischen den Politischen Polizeien der Länder gewährleistete.66 Auf Bundes- bzw. Reichsebene wurden zwar gelegentlich ebenfalls entsprechende Zentralstellen eingerichtet; doch waren diese immer nur für eine begrenzte Zeit tätig.67 Zudem sind sie aufgrund der bestehenden Aufgaben- und Kompetenzverteilung in ihren Befugnissen gegenüber den Politischen Polizeien der Länder regelmäßig begrenzt gewesen.68 Als Beispiel hierfür kann die „Central-Untersuchungs-Commission“ gegen „revolutionäre Umtriebe und demagogische Verbindungen“ mit Sitz in Mainz genannt werden, die von 1818 bis 1828 existierte.69

B. Inlandsnachrichtendienste in der Weimarer Republik Wie bereits zuvor lag auch zu Zeiten der Weimarer Republik die Polizeihoheit bei den Ländern.70 Zwar gab es verschiedene Versuche, die polizeilichen Tätig58 Frotscher/Pieroth, Rn. 266 ff. Zu den Karlsbader Beschlüssen: Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 732 ff. 59 Frotscher/Pieroth, Rn. 269 ff. 60 Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 717 ff., zum Wartburgfest. 61 Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 133, zum Hambacher Fest. 62 Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 164 ff., zum Frankfurter Wachensturm. 63 Zur europäischen Geschichte der Politischen Polizei Weiss, S. 29 ff. 64 Funk, S. 259: Aufgabe der Politischen Polizei in den Ländern war, dargestellt am Beispiel Preußen, sowohl die Sammlung von Informationen als auch die Durchführung von exekutiven Maßnahmen (Durchsuchungen, die Aufhebungen von Versammlungen, die Verhaftung von Personen). – Zu widersprechen ist damit Lisken/Denninger/Boldt/ Stolleis HdbPolR, A Rn. 31, nach denen die Politische Polizei im 19. Jahrhundert keine Exekutivgewalt besaß und ihre Aufgabe im Wesentlichen allein in der „Bespitzelung“, der Sammlung von Informationen bestand. 65 BK/Werthebach/Droste, GG, Art. 73 Nr. 10 Rn. 30; König, S. 52. 66 Siemann, S. 242 ff. (254, 259); ferner König, S. 52. 67 BK/Werthebach/Droste, GG, Art. 73 Nr. 10 Rn. 27. 68 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 1016, 1018. 69 Dorn, S. 27. Zur Entwicklung der Politischen Polizei zwischen 1806 und 1866 Siemann, passim; zur Entwicklung der preußischen politischen Polizei zwischen 1848– 1918 Funk, S. 255 ff., sowie Weiss, S. 48 ff.

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

263

keiten der Länder im Hinblick auf die Kriminalpolizei und die Politische Polizei auf Reichsebene zu vereinheitlichen. 71 Doch waren diese Bemühungen im Ergebnis vergeblich.72 Im Folgenden wird die Entwicklung des Inlandnachrichtendienstes auf Reichsebene und – beispielhaft für die Entwicklungen auf Länderebene – in Preußen während der Weimarer Republik aufgezeigt. Preußen erscheint deshalb geeignet, weil es als das größte und bevölkerungsreichste Land auch in Sachen Polizei das maßgebende Land innerhalb des Reiches gewesen ist.73 I. Reichsebene Auch wenn die Polizeihoheit bei den Ländern lag, wies die Weimarer Reichsverfassung (WRV)74 in ihrem Art. 9 dem Reich den „Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ als Gegenstand der Bedarfsgesetzgebung kompetenzmäßig zu. Allerdings wurde von dieser Befugnis nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht.75 Bereits vorhandene Zentralisierungstendenzen scheiterten regelmäßig am Widerstand der Länder; so wehrte sich Bayern im Ergebnis erfolgreich gegen die Einrichtung eines Reichskriminalpolizeiamtes, mit der auch eine gewisse Vereinheitlichung der Politischen Polizeien bzw. der Inlandsnachrichtendienste durch die Schaffung einer Zentralstelle verbunden gewesen wäre.76 Die entsprechenden Regelungen des Reichskriminalpolizeigesetzes 77 wurden nie umgesetzt.78 70

Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 648; Dorn, S. 33. Graf/Hofer, S. 8. 72 Vgl. Vierter Teil: Kapitel 3 B. I. 73 Lisken/Denninger/Boldt/Stolleis, HdbPolR, A Rn. 57; Dorn, S. 42. Zur Entwicklung der nachrichtendienstlichen Inlandstätigkeit der anderen Länder Ritter, Lageberichte und Meldungen, S. XIII. Speziell zur Entwicklung der Bayerischen Politischen Polizei (und deren Bedeutung für die Entstehung der nationalsozialistischen Gestapo) Aronson, S. 94 ff. 74 Weimarer Reichsverfassung vom 11.8.1919, RGBl. S. 1383. 75 Dorn, S. 28; Lisken/Denninger/Boldt/Stolleis, HdbPolR, A Rn. 57; Ritter, Lageberichte und Meldungen, S. XVI Anm. 46. 76 Graf/Hofer, S. 9, ferner BK/Werthebach/Droste, GG, Art. 73 Nr. 10 Rn. 32 und 34. Nach den Vorstellungen des Reichsministeriums des Innern „sollte das zu errichtende Reichskriminalpolizeiamt gegliedert sein in ein ,Reichsfahndungsamt‘, ein ,Reichsabwehramt‘ zur Spionagebekämpfung und ein ,Reichsinformationsamt‘ mit der Aufgabe, ,diejenige Elemente zu beobachten, deren Gebaren eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und mögliche Konflikte mit den Gesetzen besorgen lässt‘ und die Arbeit der Nachrichtenzentralen in den Ländern so gut wie überflüssig machen sollte“; so Ritter, Lageberichte und Meldungen, S. XIV. 77 Gesetz vom 21.7.1922, RGBl. I S. 593. Das Gesetz stand in unmittelbaren Zusammenhang mit der Ermordung der Reichsminister Matthias Erzberger [y 26.8.1921] und Walther Rathenau [y 24.6.1922] sowie dem ersten Republikschutzgesetz vom 21.7.1922, RGBl. I S. 585; vgl. Lisken/Denninger/Boldt/Stolleis, HdbPolR, A Rn. 57. 78 König, S. 54; Lisken/Denninger/Boldt/Stolleis, HdbPolR, A Rn. 57; Dorn, S. 38. 71

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

Formal betrachtet gab es auf der Reichsebene zwischen 1920 und 1929 gleichwohl einen eigenen Nachrichtendienst und zwar in Gestalt des „Reichskommissars für die Überwachung der öffentlichen Ordnung“.79 Amtsinhaber war durchgängig Hermann Kuenzer.80 Diesem oblag die Aufgabe, verfassungsfeindliche Bestrebungen aller Richtungen zu beobachten.81 Hierzu konnte der Reichskommissar eigenständig Informationen sammeln und über eigene V-Personen verfügen; jedoch standen ihm im Grundsatz keine exekutiven (Zwangs-)Befugnisse zur Verfügung.82 Eine eigenständige gesetzliche Grundlage mit der Benennung von Aufgaben und Befugnissen bestand nicht.83 Da der Reichskommissar nur mit eng begrenzten Mitteln ausgestattet war (so umfasste die Stelle im Jahre 1929 nur 23 hauptamtliche Mitarbeiter)84, konnte er in tatsächlicher Hinsicht keine ausreichende eigene nachrichtendienstliche Tätigkeit wahrnehmen.85 Stattdessen war er weitgehend auf Informationen Dritter und damit auf die Politischen Polizeien der Länder angewiesen.86 Seine Bedeutung in der Praxis war entsprechend gering.87 Das mit der Schaffung des Reichskommissariats verfolgte Ziel, das Reich von den Nachrichtendiensten der Länder unabhängig zu machen, wurde de facto zu keinem Zeitpunkt erreicht.88 Die Arbeitsergebnisse des Reichskommissars fanden sich im Wesentlichen in den Lageberichten wieder.89 79 Dorn, S. 39 f.; König, S. 55. Graf/Hofer, S. 10, und BK/Werthebach/Droste, GG, Art. 73 Nr. 10 Rn. 33, führen ihn unter der Bezeichnung: „Reichskommissar für die öffentliche Ordnung“. – Mit Ritter, Lageberichte und Meldungen, S. IX, ist darauf hinzuweisen, dass in der Anfangszeit der Weimarer Republik (1919/20) aufgrund des krisenhaften Zustandes der inneren Lage etwa 60 „militärische oder militärisch aufgezogene“ staatliche Nachrichtenagenturen entstanden, wie z. B. die „Deutsche Nachrichtenzentrale“ (Tarnbezeichnung: „Deutsche Ostmarkhilfe“). 80 Ritter, Lageberichte und Meldungen, S. XIII ff., mit weiterführenden Angaben insbesondere zum Verhältnis zum preußischen Staatskommissar für die öffentliche Ordnung. 81 Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 649: Die Notwendigkeit zeigte sich aus Sicht der Reichsregerierung in dem Kapp-Putsch von 1920. Ferner Dorn, S. 39. 82 Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 649; BK/Werthebach/Droste, GG, Art. 73 Nr. 10 Rn. 33; Dorn, S. 39 f.; König, S. 55. 83 Gusy, Weimar, S. 287: Das Reichskommissariat war eine gem. Art. 14 WRV durch Haushaltsgesetz (RGBl. 1920 S. 918) eingerichtete zentrale Reichsbehörde. 84 Gusy, Weimar, S. 287. 85 Dorn, S. 39 f. 86 Gusy, Weimar, S. 288; Dorn, S. 40. – Dabei blockierten Bayern (Grund: Schutz der eigenen rechtsgerichteten Tätigkeit) und Preußen (Grund: Sicherung der Vormachtstellung im Reich) zunächst die Zusammenarbeit weitgehend; Ritter, Lageberichte und Meldungen, S. XVII. 87 Vgl. Graf/Hofer, S. 10; BK/Werthebach/Droste, GG, Art. 73 Nr. 10 Rn. 33; Dorn, S. 39 f.; König, S. 55. 88 Gusy, Weimar, S. 289. Euphemistischer jedoch die Beurteilung bei Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 649: „Für die Reichsregierung war die Informationsarbeit des Reichskommissars von außerordentlichem Wert. Sie war nun nicht mehr auf die Ermittlungsarbeit der Länder angewiesen.“ 89 Ritter, Lageberichte und Meldungen, S. XVIII f.

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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Adressaten dieser Lageberichte waren u. a. die Reichsregierung, die Reichswehr, die Landesregierungen sowie größere Polizeiverwaltungen.90 Nachdem das Reich 1922 mit dem Versuch der Etablierung eines Reichskriminalpolizeiamts gescheitert war, wurden ab 1924 über den Reichskommissar sog. Nachrichtenkonferenzen eingeführt und koordiniert.91 Bei den Nachrichtenkonferenzen trafen Vertreter der Landesbehörden und der Reichsbehörde zum Austausch von Informationen, zur gemeinsamen Fortbildung und zur Effektivierung ihrer Zusammenarbeit zusammen.92 Nach der Auflösung des Reichskommissariats im Jahre 192993 sind die Aufgaben von einer – allerdings noch schwächeren, da nicht mehr selbst ermittelnden94 – zentralen Nachrichtensammelstelle im Reichsministerium des Inneren (Abteilung I)95 fortgeführt worden.96 II. Preußen In Preußen wurden während der Weimarer Republik die inlandsnachrichtendienstlichen Aufgaben zum einen von der Politischen Polizei (1.) und zum anderen vom „Staatskommissar für die öffentliche Ordnung“ (2.) wahrgenommen.97 Dabei verdankt der Staatskommissar seine Existenz der offiziellen Auflösung der Politischen Polizei in Preußen zu Anfang der Weimarer Republik.98 1. Politische Polizei Die bereits schon im Kaiserreich (1871–1918) bestehende politisch-polizeiliche Abteilung (Abteilung V) im Berliner Polizeipräsidium wurde zunächst 1919 offiziell aufgelöst.99 Die Auflösung der Politischen Polizei war eine unmittelbare Folge der Regierungsübernahme durch die Sozialdemokraten nach der sog. No90

Ritter, Lageberichte und Meldungen, S. XVIII Anm. 67. Dorn, S. 40; ferner Gusy, Weimar, S. 289 f. 92 Gusy, Weimar, S. 289; Dorn, S. 40. 93 Die Auflösung veranlasste der damalige Reichsinnenminister Severing, dem die Selbständigkeit des Reichskommissars innerhalb des Ministeriums unerwünscht war; Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 649. 94 Graf/Hofer, S. 11; Gusy, Weimar, S. 289: Die neue Zentralstelle im Reichsinnenministerium verfügte insbesondere über keine eigenen V-Personen mehr. 95 Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 649. 96 Ritter, Lageberichte und Meldungen, S. XXI f.; Dorn, S. 40. Gusy, Weimar, S. 289 f.: mit dem Hinweis, dass nach anfänglicher Skepsis seitens der Länder dann doch eine recht unbürokratische Zusammenarbeit erfolgt ist. 97 Anfänglich unterhielt auch die sog. uniformierte Polizei einen eigenen politischen Nachrichtendienst, der jedoch – im Zuge der von den Alliierten verfügten Auflösung der Sicherheitspolizei – noch im Jahre 1921 verboten worden ist; Weiss, S. 137; Graf/ Hofer, S. 8. 98 Unten Vierter Teil: Kapitel 3 B. II. 2. 99 Weiss, S. 52 f. 91

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

vemberrevolution (9. November 1918)100 und liegt in der vorangegangenen intensiven Verfolgung der Sozialdemokraten als Staatsfeinde durch die Politische Polizei (auf der Grundlage der Sozialistengesetze) begründet.101 Da jedoch auch die nunmehr politisch Verantwortlichen gleichwohl von der weiteren Notwendigkeit eines polizeilichen Staatsschutzes ausgingen, wurde eine politische Abteilung verdeckt innerhalb der mit anderen Aufgaben betrauten Abteilung I des Berliner Polizeipräsidiums aufrechterhalten (Abteilung IA).102 Offiziell wurde diese Abteilung IA erstmals im Jahre 1925 erwähnt.103 Eine spezielle gesetzliche Grundlage für Aufgaben und Befugnisse der Politischen Polizei existierte in Preußen (auch) zu Zeiten der Weimarer Republik nicht.104 Stattdessen erwiesen sich als die maßgebenden gesetzlichen Vorschriften zum einen das preußische Polizeiverwaltungsgesetz (PrPVG)105, welches allerdings erst 1931 in Kraft getreten ist,106 und die bereits seit 1879 geltende StPO107. Hinzukamen zwei Organisationserlasse des preußischen Innenministers aus dem Jahre 1928, die nähere Ausführungen zu Aufgaben und Organisation der Politischen Polizei enthielten.108 Ansonsten ist bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage nach der Tätigkeit der Politischen Polizei zu Zeiten der Weimarer Republik vor allem auf die 1928 erschienene Monografie „Politik und Polizei“ des damaligen Berliner Polizeivizepräsidenten Bernhard Weiss zurückzugreifen, die allerdings die Organisationserlasse aus dem gleichen Jahr noch nicht berücksichtigen konnte.109 a) Aufgaben und Befugnisse Der Organisationserlass von 1928 legte als Aufgaben für die Politische Polizei fest: „Die Aufgaben der politischen Polizei bestanden in verwaltender und vollziehender Tätigkeit. Die vollziehende Tätigkeit umfasste Beobachtung, Vorbeugung und Strafverfolgung.“ 110 Damit war die Politische Polizei sowohl nachrich100

Weiss, S. 52, und Graf/Hofer, S. 6. Vgl. Weiss, S. 52 f., und Graf/Hofer, S. 6 f. 102 Weiss, S. 53 f.; Graf/Hofer, S. 7. 103 Graf/Hofer, S. 12 f. 104 Vgl. Graf/Hofer, S. 15. 105 Gesetz vom 1.6.1931, PrGS S. 77. 106 Graf/Hofer, S. 17: wichtigste landesgesetzliche Grundlage für die preußische Politische Polizei. 107 Gesetz vom 1.2.1877, RGBl. S. 253. 108 Graf/Hofer, S. 13: Organisationserlass vom 12.12.1928, PrMBliV S. 1189 (Einrichtung, Behörden, Beamte der Polizeiverwaltung) und S. 1198 (Organisation der Politischen Polizei). Letzter Erlass wurde ergänzt durch Erlass vom 28.6.1930, PrMBliV S. 613. 109 Jedoch stehen die Ausführungen von Bernhard Weiss in ihren wesentlichen Punkten in keinem Widerspruch zu den Organisationserlassen; vgl. Graf/Hofer, S. 13 ff. 110 Organisationserlass vom 12.12.1928, PrMBliV S. 1198. 101

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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tendienstlich als auch repressiv-polizeilich tätig. Die einzelnen Sachgebiete der Politischen Polizei innerhalb der Polizeiverwaltung waren dabei nach dem Geschäftsverteilungsplan von 1928:111 a) „Einrichtung und Aufbau der politischen Polizei; Geheimschriftverkehr; Nachrichtenwesen. b) Verfassungsangelegenheiten, Wahlen, Ausnahmezustand. c) Pressewesen; Beobachtung der Presseerzeugnisse; Handhabung der pressepolizeilichen Bestimmungen; Schmutz- und Schundbekämpfung. d) Vereins- und Versammlungswesen, insbesondere Handhabung der vereins- und versammlungspolizeilichen Bestimmungen. e) Schutz des Staates. Beobachtung der staatspolitischen Bewegungen, insbesondere Überwachung der dem Bestand und der Sicherheit des Staates und seiner Einrichtungen feindlichen Bestrebungen von Einzelpersonen oder Personengemeinschaften; Republikschutzgesetz; Hochverrat. f) Vorbeugende Maßnahmen gegen Unruhen und sonstige Störungen der öffentlichen Sicherheit; Reichswehrangelegenheiten, Technische Nothilfe, Bahnschutz. g) Abwehr der Spionagetätigkeit ausländischer Staaten. h) Beobachtung der für die staatspolitischen Bewegungen besonders bedeutsamen kultur- und wirtschaftspolitischen Bewegungen. i) Waffen- und Schießsportwesen; Sprengstoffangelegenheiten. Der Abt. I obliegt auch die Vorbereitung und Unterstützung der Strafverfolgung aller strafbaren Handlungen mit politischem Einschlag.“ 112

Wie der letzte Punkt aufzeigt, unterschied sich die strafverfolgende Tätigkeit der Politischen Polizei von derjenigen der Kriminalpolizei nur dadurch, dass sie sich auf politische Straftaten beschränkt hat, wobei der Begriff der politischen Straftat neben den typischen politischen Verbrechen wie Hochverrat, Landesverrat, Spionage sowie Straftaten nach den Republikschutzgesetzen113 auch sonstige – an sich gemeine – Delikte erfasste, sofern bei deren Begehung politische Motive zugrunde lagen.114 In der polizeilichen Praxis wurde allerdings der präventi111

Organisationserlass vom 12.12.1928, PrMBliV S. 1189, 1194 f. Organisationserlass vom 12.12.1928, PrMBliV S. 1189, 1194 f. Nach Graf/Hofer, S. 16, bestanden dabei die wichtigsten konkreten Aufgaben der Politischen Polizei „in der Beobachtung und gegebenenfalls dem Verbot, der Beschlagnahme etc. von Presseerzeugnissen, in der Beobachtung und gegebenenfalls dem Verbot oder der Auflösung von Vereinen und Versammlungen, in der Beobachtung und Verfolgung staatsfeindlicher Personen, Personenkreise und Aktivitäten (Hochverrat), in der Spionageabwehr (Landesverrat), der Überwachung des Waffen- und Sprengstoffbesitzes usw.“ Zur Waffenentziehung vgl. Weiss, S. 114 ff. 113 Gesetz vom 21.7.1922, RGBl. I S. 585; Gesetz vom 25.3.1930, RGBl. I S. 91. 114 Weiss, S. 63 ff., mit dem der Zeit zu 1929 zugehörigen – kritischen – Hinweis, dass es auch Polizeibehörden gab und gibt, bei denen die Politische Polizei allein präventiv tätig und die repressive Tätigkeit allein der allgemeinen Kriminalpolizei überlassen ist. 112

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

ven Tätigkeit der Politischen Polizei, also der Verhütung politischer Straftaten, gegenüber der repressiven Tätigkeit die größere Bedeutung zugemessen.115 Zu diesem Zwecke wurde die Politische Polizei auch nachrichtendienstlich tätig.116 Inhalt und Ziel nachrichtendienstlicher Tätigkeit war es, „Mitteilungen über staatsfeindliche Strömungen und Pläne zu sammeln und die eingehenden Nachrichten zu Zwecken des polizeilichen Vorgehens“, d.h. die Einleitung von verwaltungs- und strafrechtlichen Maßnahmen, sowie zur Erstellung von politischen Lageberichten auszuwerten.117 Neben den eigenen Beamten (die auch schon verdeckt ermittelnd tätig waren)118 bediente sich der Nachrichtendienst sog. Mittelsmänner119, der heutigen sog. V-Personen.120 b) Organisatorische Stellung In Preußen war die Politische Polizei Teil der ordentlichen staatlichen Polizei und wurde als Abteilung I der Verwaltungspolizei geführt121, der jedoch – im Unterschied zu den anderen Verwaltungspolizeien – eine Exekutive, der sog. Außendienst, zugeteilt gewesen ist.122 Wie die gesamte Verwaltungspolizei war auch 115 Weiss, S. 99: zum einen weil durch politische Delikte ein hohes Rechtsgut (der Staat) bedroht ist und zum anderen weil politische Verbrechen – besonders in politisch erregten Zeiten – „weit ansteckender wirken als andere Missetaten“. Die Politische Polizei muss daher „rechtzeitig dem ersten Keim einer Verschwörung nachgehen, um zu verhindern, daß die geplante Unternehmung sich zu einer akuten Gefährdung des Staates auswächst.“ 116 Weiss, S. 99. 117 Weiss, S. 99 f. 118 Weiss, S. 101 ff. 119 Weiss, S. 104. 120 Zu den V-Personen vgl. oben Zweiter Teil: Fn. 105. 121 Erlass, PrMBliV 1928, S. 1189. 122 Erlass, PrMBliV 1928, S. 1191. Zwischen den einzelnen Arbeitsbereichen der Politischen Polizei vertrat Weiss, S. 138, die Ansicht, dass zwischen dem (repressiv handelnden) Exekutivdienst und dem (präventiv handelnden) Nachrichtendienst keine organisatorische Trennung, sondern eine organische Verbindung stattfinden müsse: „In machen Ländern werden die Aufgaben des eigentlichen Exekutivdienstes und des Nachrichtendienstes von völlig getrennten Beamtengruppen erledigt. Wer den Nachrichtendienst versieht, also den Verkehr mit den Vertrauensmännern, den „Spitzeln“ pflegt, wird zu keiner Exekutivaufgabe, zu keiner Durchsuchung, keiner Verhaftung, keiner Vernehmung herangezogen, er hat lediglich politisch-polizeilich wissenswerte Nachrichten zu sammeln, die dann von der eigentlichen Exekutive zur Grundlage für ihre Exekutivmaßnahmen genommen werden. Umgekehrt wird in jenen Ländern der mit der strafverfolgenden Tätigkeit, mit Durchsuchungen, Verhaftungen, Vernehmungen betraute Beamte zu keiner präventiv-polizeilichen Tätigkeit im Nachrichtendienst herangezogen. Eine solche Arbeitstrennung hat erstens den Nachteil, dass die Beamten der politischen Polizei allzu einseitig werden, wenn sie nicht wechselnd in allen Zweigen des politischpolizeilichen Dienstes beschäftigt werden; und zweitens wird es dem Nachrichtendienst abträglich sein, wenn die mit ihm befassten Beamten sich nicht zugleich praktisch in der Exekutive betätigen.“ Aus diesen Ausführungen ist zu schließen, dass zumindest bei

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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die Politische Polizei von der uniformierten Schutzpolizei und der Kriminalpolizei organisatorisch getrennt.123 Auch wenn zwischen der Politischen Polizei und der Kriminalpolizei sowie der uniformierten Polizei eine organisatorische Trennung bestand, sollte sich nach Ansicht der damaligen polizeilichen Führung die Politische Polizei gleichwohl sowohl der Hilfe der Kriminalpolizei (z. B. Kriminaltechnik und Fahndung) als auch der uniformierten Polizei (z. B. Durchführung von Festnahmen) bedienen können.124 In der Praxis wurde ihr allerdings die Hilfe oftmals versagt, obwohl die Politische Polizei aufgrund der hohen Fallzahl an politischen Delikten und der geringen eigenen Ressourcen auf entsprechende Unterstützung dringend angewiesen war.125 2. Staatskommissar für die öffentliche Ordnung 1919 wurde eine zentrale Sammelstelle für den politischen Nachrichtendienst beim Polizeipräsidenten von Berlin mit der Bezeichnung „Staatskommissar für die öffentliche Ordnung“ eingerichtet.126 Eine gesetzliche Regelung zu Aufgaben und Befugnissen des Staatskommissars gab es nicht.127 Ziel der Einrichtung des Staatskommissariats war es, „die Funktionen aller derjenigen Dienststellen zu vereinheitlichen, die sich die Überwachung und Abwehr radikaler Umsturzbestrebungen und verbrecherischer Störungen der öffentlichen Ordnung zur Aufgabe“ gemacht hatten.128 Zu diesem Zweck wurden u. a. der Staatsregierung periodische Berichte über republikfeindliche Organisationen, Personen und Bestrebungen erstellt und ggf. auch Einzelmitteilungen durchgeführt.129 Zur Erfüllung dieser Aufgaben nutzte der Staatskommissar aufgelaufene Meldungen von der Anfertigung des Buches in Preußen die von Bernhard Weiss geforderte organische Verbindung zwischen Exekutiv- und Nachrichtendienst bestanden hat. Ob sich daran etwas durch den Ministererlass von 1928 (PrMBliV S. 1191) geändert hat, ist fraglich. Dafür spricht, dass sich nach dem Ministerlass der Exekutivdienst der Politischen Polizei aus Kriminalbeamten zusammenzusetzen hatten und in eigene Kommissariate etc. zusammenzufassen waren. 123 Organisationserlass vom 12.12.1928, PrMBliV S. 1189, 1191. 124 Weiss, S. 135 ff. 125 Graf/Hofer, S. 26: Die Hilfe wurde im Hinblick auf die allgemeine Unbeliebtheit der Politischen Polizei verweigert – mit der Folge, dass die Politische Polizei selber ein „isoliertes und unpopuläres Schattendasein“ führte und „von der Kritik der extremen Parteien aufgerieben“ worden ist. 126 Eimers, S. 133: Die ursprüngliche Bezeichnung lautete Preußisches Staatskommissariat zur Überwachung der öffentlichen Ordnung. 127 Eimers, S. 133; Gusy, Weimar, S. 284: Die Errichtung des Staatskommissars erfolgte auf Beschluss des preußischen Staatsministeriums vom 21.7.1919. – Ritter, Lageberichte und Meldungen, S. X: Gegliedert war das Staatskommissariat „zunächst in eine Nachrichtendienststelle, die Exekutive und die Presseabteilung“. Allerdings verloren die beiden letzteren Ebenen schnell an Bedeutung. 128 Eimers, S. 133; ferner Gusy, Weimar, S. 284. 129 Gusy, Weimar, S. 284 f.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

anderen Stellen, insbesondere der (gegenüber der Öffentlichkeit verdeckt agierenden) Politischen Polizei, nahm Mitteilungen von Privaten entgegen und unterhielt auch eigene V-Personen.130 Exekutivbefugnisse standen dem Staatskommissar – entgegen ursprünglichen Planungen131 – für diese Aufgabenstellung nicht zu.132 Zum 1. April 1924 wurde das Amt als solches aufgelöst.133 Seine politischen Aufgaben übernahm das Innenministerium und dort die Polizeiabteilung; die nachrichtendienstlichen Aufgaben wurden dem Polizeipräsidenten in Berlin zugewiesen.134 – Damit war die Trennung zwischen Politischer Polizei und nachrichtendienstlicher Berichterstattung gegenüber den politisch Verantwortlichen wieder rückgängig gemacht worden; auch die Berichterstattung oblag der Politischen Polizei.135 III. Schlussfolgerungen Für die Kommissariate und die Politische Polizei in Preußen zu Zeiten der Weimarer Republik können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: 1. Kommissariate Bereits zu Zeiten der Weimarer Republik gab es über einen längeren Zeitraum hinweg bereits Inlandsnachrichtendienste, die nach ihrer Grundstruktur durchaus den heutigen Behörden für Verfassungsschutz entsprechen.136 So waren letztlich sowohl der „Reichskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung“ (zwischen 1920 und 1929) als auch der preußische „Staatskommissar für die öffentliche Ordnung“ (zwischen 1919 und 1923) mit dem Auftrag betraut, verfassungsfeindliche bzw. republikfeindliche Bestrebungen im Inland zu beobachten und aufzuklären. Primärer Adressat ihrer Erkenntnisse waren die Reichs- bzw. preußische Landesregierung. Jedoch übermittelten beide Kommissariate ihre Erkenntnisse auch an andere Behörden. Zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe wurden ihnen von anderen Behörden (wie der Polizei) zumindest dem Grundsatz nach entsprechende Informationen übermittelt. Die Kommissariate konnten auch eigenständig aufklären und sich hierzu nachrichtendienstlicher Mittel (z. B. V-Per130

Gusy, Weimar, S. 285. Gusy, Weimar, S. 284 f. 132 Gusy, Weimar, S. 285: bis 1923 hatte der Staatskommissar aber insoweit exekutive Befugnisse als dass ihm auch der Sicherheitsdienst für den Reichspräsidenten und der Reichsregierung oblag. – Zum Verständnis ist hierzu anzumerken, dass sich auch die Reichsregierung in den Anfangsjahren der Weimarer Republik des preußischen Staatskommissars bediente; Ritter, Lageberichte und Meldungen, S. XI. 133 Gusy, Weimar, S. 286; ausführlich Ritter, Lageberichte und Meldungen, S. XII f. 134 Gusy, Weimar, S. 286; Dorn, S. 41 f. 135 Gusy, Weimar, S. 286. 136 So auch König, S. 89. 131

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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sonen) bedienen. Exekutiv-polizeiliche Befugnisse standen den Kommissariaten aber nicht zur Verfügung. Beide Kommissariate waren finanziell und personell nur schwach ausgerüstet. Allein das schon stellt einen gewichtigen Unterschied zum heutigen Verfassungsschutz dar.137 Von den politisch Verantwortlichen wurden beide Einrichtungen als wenig effizient eingestuft. Entsprechend verwundert es nicht, dass – erstens – beide Einrichtungen noch in der Phase der Weimarer Republik (ohne Zutun von Gegnern der Republik) durch die jeweilige Regierung aufgelöst worden sind, ohne dass sich – zweitens – hiergegen spürbarer Protest geregt hätte.138 Die politische Einschätzung der mangelnden Effizienz der Kommissariate resultiert aber weniger aus einer etwaigen geringen Informationsgewinnung durch diese Behörden als vielmehr aus dem Fehlen exekutiver Befugnisse. Die überwiegende Mehrheit der politisch Verantwortlichen zu Zeiten der Weimarer Republik – namentlich sind hier Carl Wilhelm Severing und Bernhard Weiss zu nennen – ging davon aus, dass „ein Nachrichtendienst ohne Exekutive ,in der Luft‘ hänge“ und zudem gefährlich sei.139 So führte Bernhard Weiss in seiner Monografie „Politik und Polizei“ aus: „In manchen Ländern werden die Aufgaben des eigentlichen Exekutivdienstes und des Nachrichtendienstes von völlig getrennten Beamtengruppen erledigt. Wer den Nachrichtendienst versieht, also den Verkehr mit den Vertrauensmännern, den ,Spitzeln‘ pflegt, wird zu keiner Exekutivaufgabe, zu keiner Durchsuchung, keiner Verhaftung, keiner Vernehmung herangezogen, er hat lediglich politisch-polizeilich wissenswerte Nachrichten zu sammeln, die dann von der eigentlichen Exekutive zur Grundlage für ihre Exekutivmaßnahmen genommen werden. Umgekehrt wird in jenen Ländern der mit der strafverfolgenden Tätigkeit, mit Durchsuchungen, Verhaftungen, Vernehmungen betraute Beamte zu keiner präventiv-polizeilichen Tätigkeit im Nachrichtendienst herangezogen. Eine solche Arbeitstrennung hat erstens den Nachteil, dass die Beamten der politischen Polizei allzu einseitig werden, wenn sie nicht wechselnd in allen Zweigen des politisch-polizeilichen Dienstes beschäftigt werden; und zweitens wird es dem Nachrichtendienst abträglich sein, wenn die mit ihm befassten Beamten sich nicht zugleich praktisch in der Exekutive betätigen.“ 140

Die Aufgaben und Befugnisse wurden für beide Kommissariate weder durch Gesetz noch sonst verbindlich näher umschrieben. Folglich bestanden auch für die Übermittlung von Informationen durch die Kommissare an die Strafverfolgungsbehörden keine speziellen Regelungen. Das Fehlen gesetzlicher Regelungen erklärt sich daraus, dass in der nachrichtendienstlichen Informationserhebung sowie im Datentransfer zwischen verschiedenen Behörden keine gesetzliche Regelung für notwendig erachtet worden ist.141 Der Frage, ob und inwieweit die 137

Zu den Strukturdaten des BfV siehe oben Zweiter Teil: Fn. 2. Ritter, Lageberichte und Meldungen, S. XII f. und XX. 139 Buschfort, S. 15 f. 140 Weiss, S. 138. 141 Die Diskussion um die Notwendigkeit von legitimierenden gesetzlichen Regelungen in diesem Bereich begann erst Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik 138

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

Kommissariate trotz ihrer personellen wie finanziellen Schwäche im Bereich der Strafverfolgung überhaupt mitgewirkt haben, ist soweit ersichtlich bislang noch nicht explizit nachgegangen worden. Auch die vorliegende Arbeit soll und kann diese Untersuchung nicht leisten. Zu vermuten ist, dass es schon aufgrund der geringen personellen Ausstattung der Kommissariate kaum zur Mitwirkung gekommen sein kann. Rechtlich jedoch wäre eine solche Mitwirkung möglich gewesen: Sowohl spontan als auch auf ausdrückliches Verlangen (§ 161 Abs. 1 S. 1 RStPO) hätten die Kommissare den Strafverfolgungsbehörden die Informationen übermitteln können bzw. müssen, sofern sie keine Sperrung der Informationen herbeigeführt haben (§ 96 RStPO). Die Übermittlung wäre dabei nicht auf Straftaten begrenzt gewesen, die in einem direkten Zusammenhang zum Aufklärungsauftrag der Kommissare standen. Vielmehr wären auch Zufallsfunde mit erfasst gewesen. Zum Verständnis hierzu kann auf das herrschende Amtshilfeverständnis zu Zeiten der Weimarer Republik abgestellt werden, das vom Gedanken der Einheit des Staates geprägt war: Jede Behörde war – auch ohne gesetzliche Regelung – verpflichtet, einem Auskunftsersuchen einer anderen Behörde nachzukommen.142 Da beide Kommissariate kein Bestandteil der Polizei waren, unterlagen sie nicht dem Legalitätsprinzip der §§ 152 Abs. 2, 163 Abs. 1 S. 1 RStPO. Das bedeutete im Hinblick auf ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit: Sofern das Kommissariat im Rahmen seiner Beobachtung von (politisch wie nicht politisch motivierten) Straftaten Kenntnis erlangt hat, musste es diese weder aufklären noch seine Kenntnis zwecks strafrechtlicher Aufklärung an die Strafverfolgungsbehörden weiterleiten. Auch konnte der Kommissar aus übergeordneten präventiven Gründen (Aufklärung der Gesamtlage) einzelne Straftaten nachrichtendienstlich aufklären, ohne dass er an die Anforderungen der RStPO gebunden gewesen wäre. 2. Politische Polizei Als der eigentliche Inlandsnachrichtendienst wurde zu Zeiten der Weimarer Republik in Preußen die Politische Polizei wahrgenommen. Das lag jedoch weniger daran, dass sie etwa qualitativ oder quantitativ mehr Informationen zusamDeutschland, insbesondere unter dem Eindruck des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung; vgl. zu diesem Komplex oben Dritter Teil: Kapitel 2 A. I. und unten Vierter Teil: Kapitel 3 G. II. 142 Vgl. z. B. Jellinek, S. 15, mit weiteren Nachweisen zum damaligen Streitstand; allerdings galt die auch ohne spezielle gesetzliche Regelung geltende Übermittlungspflicht nur zwischen den Behörden eines Landes bzw. den Behörden des Reiches. – Im Hinblick auf das Auskunftsersuchen durch die Strafverfolgungsbehörden bestand jedoch mit § 161 RStPO eine gesetzliche Auskunftspflicht, sodass auch der Reichskommissar der preußischen Staatsanwaltschaft Informationen hätte übermitteln müssen; zum damaligen Verständnis des Auskunftsverlangen nach § 161 RStPO LR/Rosenberg, StPO, (18. A.), § 161 Anm. 2.

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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mentragen konnte als die Kommissariate (was aufgrund ihrer finanziellen und personell besseren Ausstattung durchaus wahrscheinlich ist). Vielmehr galt die tradierte Vorstellung, ein Nachrichtendienst sei nur dann effizient und wirksam, wenn er zugleich mit exekutiven Befugnissen ausgestattet ist, um einer erkannten Gefahr wirksam begegnen zu können, und nicht auf die Mitwirkung anderer Behörden angewiesen ist. Eine vergleichbare Struktur gibt es in der Bundesrepublik Deutschland (eben aufgrund des Trennungsgebots) – trotz der zunehmenden Vorverlagerung der polizeilichen Tätigkeiten und damit auch der des polizeilichen Staatsschutzes – nicht. Neben den exekutiven Befugnissen, die der Politischen Polizei zustanden, ist auch der Auftrag der Politischen Polizei nicht mit der des Verfassungsschutzes vergleichbar. So war etwa die Politische Polizei nicht nur für die Beobachtung staatspolitischer Bewegungen oder der Spionageabwehr zuständig, sondern auch mit versammlungs-, presse- und waffenpolizeilichen Aufgaben betraut. Auch war – im Gegensatz zur gegenwärtigen Aufgabenbestimmung der Verfassungsschutzbehörden – der Politischen Polizei die Vorbereitung und Unterstützung der Strafverfolgung aller strafbarer Handlungen mit politischem Einschlag ausdrücklich zugewiesen. Als gesetzliche Grundlage zur Umsetzung der der Politischen Polizei kraft ministeriellen Erlasses zugewiesenen Aufgaben fungierten zum einen das PrPVG und zum anderen die RStPO. Mittels dieser gesetzlichen Grundlagen war die Politische Polizei befugt, auch Zwangsmaßnahmen wie Verhaftungen oder Durchsuchungen durchzuführen. Da sowohl die RStPO als auch das PrPVG für die Politische Polizei galten, die Politische Polizei ihrerseits als eine Einheit geführt worden und nicht etwa organisationsrechtlich zwischen einem nachrichtendienstlichen und einem exekutiven Teil differenziert worden ist, galt zumindest nach der Gesetzeslage im Hinblick auf die nachrichtendienstliche Tätigkeit das Folgende: Wie die Kriminal- und Schutzpolizei war auch die Politische Polizei gem. § 14 Abs. 2 PrPVG143 und § 163 Abs. 1 RStPO dem Legalitätsprinzip verpflichtet gewesen, mit der Folge erstens jeden Verdacht einer Straftat nachgehen und zweitens hierbei den Vorschriften der RStPO entsprechen zu müssen.144 Das wiederum bedeutet zweierlei: Erstens konnte die Politische Polizei nicht unter Rückgriff auf übergeordnete – abstrakte – nachrichtendienstliche Beobachtungsaufträge eine vermeintlich politisch motivierte Straftat ignorieren oder allein nach nachrichtendienstlichen Gesichtspunkten aufklären. Zweitens galt dies nicht nur für vermeintlich politisch motivierte Straftaten, sondern hinsichtlich jeder Straftat (und damit auch 143 § 14 PrPVG: „Die Polizeibehörden haben im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßen Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird. Daneben haben die Polizeibehörden diejenigen Aufgaben zu erfüllen, die ihnen durch Gesetz besonders übertragen sind.“ Zu § 14 PrPVG vgl. Scheer/Trubel, S. 32 ff., 101 ff., 115 ff. 144 Zum Legalitätsprinzip vgl. Zweiter Teil: Kapitel 2 A.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

gegenüber Zufallsfunden). Die nachrichtendienstliche Aufklärung war also bei jedem Verdacht einer Straftat von den Grundsätzen des Strafverfahrensrechts überlagert. Damit ist zumindest nach heutigem Verständnis die nachrichtendienstliche Aufklärung stark eingeschränkt gewesen, ist doch einer der herausragenden Unterschiede der Verfassungsschutzbehörden gegenüber den Polizeibehörden die Nichtgebundenheit an das Legalitätsprinzip. Ob freilich das Legalitätsprinzip in der hier dargestellten Konsequenz zu damaliger Zeit auch tatsächlich seitens der Polizeibehörden berücksichtigt worden ist, muss an dieser Stelle offenbleiben. Grund zum Zweifel bieten bereits die damaligen Kommentierungen zum Legalitätsprinzip im strafverfahrensrechtlichen Schrifttum: So enthielt etwa die Kommentierung von Löwe/Rosenberg zu § 152 StPO zwar Ausführungen zum Legalitätsprinzip und dessen Bedeutung für die Staatsanwaltschaft, allerdings ohne Ausführungen zur Erstreckung auch auf die Polizeibehörden.145 Die Kommentierung zu § 163 StPO enthielt ausschließlich Ausführungen zur Kriminalpolizei.146 Dass und inwieweit sich § 163 StPO auch auf andere Polizeibereiche jenseits der Kriminalpolizei erstreckt, wurde von Löwe/Rosenberg nicht thematisiert.147

C. Inlandsnachrichtendienste im Nationalsozialismus Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933148 begannen diese damit, die staatliche Ordnung des Reiches und der Länder grundlegend ihrem totalitären Machtanspruch entsprechend neu zu gestalten.149 Die Schlagworte hierzu waren „Verreichlichung“ und „Entstaatlichung“.150 Zunächst wurden mit dem Reichsgesetz über den Neuaufbau des Reiches151 sämtliche Hoheitsrechte der Länder auf das Reich übertragen; von daher hatte nun der Reichsminister (und nicht mehr die Landesminister) des Innern die Weisungsrechte gegenüber den Polizeien der Länder.152 Zudem wurde noch im Jahre 1934 das preußische Innenministerium mit dem Reichsinnenministerium vereinheitlicht.153 Die Polizei wurde in zwei Hauptämter gegliedert und entspre-

145 LR/Rosenberg, StPO, (18. A.), § 152; im Unterschied zu heutigen Kommentierungen (u. a. bei LR/Beulke, StPO, § 152 Rn. 13; HK/Gercke, StPO, § 152 Rn. 6 und 7). 146 LR/Rosenberg, StPO, (18. A.), § 163. 147 Vgl. LR/Rosenberg, StPO, (18. A.), § 163; im Unterschied zu heutigen Kommentierungen (u. a. bei LR/Beulke, StPO, § 163 Rn. 11 ff.; HK/Zöller, StPO, § 163 Rn. 7). 148 Dorn, S. 47. 149 König, S. 56. 150 König, S. 56; ferner Lisken/Denninger/Boldt/Stolleis, HdbPolR, A Rn. 62 und 63. 151 Gesetz vom 30.1.1934, RGBl. I S. 75. 152 Lisken/Denninger/Boldt/Stolleis, HdbPolR, A Rn. 62; König, S. 56. 153 König, S. 56.

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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chend organisatorisch voneinander getrennt: Hauptamt Sicherheitspolizei (bestehend aus Kriminalpolizei und Politischer Polizei, d.h. Gestapo) und Hauptamt Ordnungspolizei (bestehend aus Schutzpolizei, Gendarmerie und Gemeindepolizei).154 Insbesondere die Stellen in den Sicherheitspolizeien wurden frühzeitig mit Angehörigen der SS besetzt.155 Die SS war als reines Parteiorgan der NSDAP nicht in den staatlichen Verwaltungsapparat eingebunden; somit verselbständigte sich zumindest faktisch die Sicherheitspolizei von der übrigen inneren Verwaltung.156 Die Entwicklung der Verschmelzung mit der SS und der organisatorischen Verselbständigung der Polizei von der übrigen Verwaltung gipfelten in der Ernennung des Reichsführers SS Heinrich Himmler zum Chef der deutschen Polizei im Jahre 1936.157 Durch die Verschmelzung von Sicherheitspolizei und SS konnte „der Dienstweg bis hin zu den untersten Ebenen der Sicherheitspolizei [. . .] vollständig über die SS-Befehlskette abgewickelt werden“.158 Im Folgenden ist der Blick auf die Entwicklung der Inlandsnachrichtendienste zu werfen. Während der SS-Herrschaft wurden die Aufgaben des Inlandsnachrichtendienstes zum einen von der Geheimen Staatspolizei (Abschnitt I.) und zum anderen von dem Sicherheitsdienst Reichsführer SS (Abschnitt II.) wahrgenommen. Nachdem beide Dienste zunächst anfänglich miteinander konkurrierten, agierten beide schließlich ab 1939 gemeinsam unter dem Dach des Reichssicherheitshauptamtes (Abschnitt III.). I. Geheime Staatspolizei Durch insgesamt drei Gestapo-Gesetze159 wurden in Preußen über mehrere Stufen die nachrichtendienstlichen und exekutiven Aufgaben der klassischen Politischen Polizei auf die Geheime Staatspolizei (Gestapo) übertragen und massiv erweitert.160 Zudem wurde als oberste Landesbehörde der Gestapo ein Geheimes Staatspolizeiamt (Gestapa) errichtet.161 Die Gestapo wurde von der ordentlichen Polizeiverwaltung ausgegliedert und bildete einen eigenen Zweig der inneren Verwaltung; damit galt für die Gestapo nicht einmal formal mehr das PrPVG.162 Sie unterstand unmittelbar dem preußischen Ministerpräsidenten Hermann Gö154

Lisken/Denninger/Boldt/Stolleis, HdbPolR, A Rn. 64; König, S. 56. König, S. 56; ferner Lisken/Denninger/Boldt/Stolleis, HdbPolR, A Rn. 64. 156 König, S. 56. 157 Erlass vom 17.6.1936, RGBl. I S. 487; Lisken/Denninger/Boldt/Stolleis, HdbPolR, A Rn. 61. 158 König, S. 57. Ferner schon Buchheim, S. 15 (101 ff., 113 ff.). 159 Gesetz vom 26.4.1933, PrGS S. 122; Gesetz vom 30.11.1933, PrGS S. 413; Gesetz vom 10.2.1936, PrGS S. 21. 160 Dorn, S. 50 ff. 161 § 3 GestapoG vom 10.2.1936. 162 Dorn, S. 51. 155

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

ring; allerdings führte die Gestapo in tatsächlicher Hinsicht bereits frühzeitig der Reichsführer SS Heinrich Himmler.163 Die Gestapo hatte „die Aufgabe, alle staatsgefährlichen Bestrebungen im gesamten Staatsgebiet zu erforschen und zu bekämpfen, das Ergebnis der Erhebungen zu sammeln und auszuwerten, die Staatsregierung zu unterrichten und die übrigen Behörden über für sie wichtige Feststellungen auf dem laufenden zu halten und mit Anregungen zu versehen“.164 Zur Erfüllung dieses Auftrags standen der – überwiegend im Geheimen agierende – Gestapo nahezu unbeschränkte Befugnisse zu.165 So oblag ihr u. a. die Verhängung der sog. Schutzhaft, über die politische Gegner aus letztlich beliebigen Gründen ohne richterlichen Beschluss in ein Konzentrationslager interniert werden konnten.166 Zudem führte die Gestapo auch sog. Sonderbehandlungen durch, hinter denen sich Folter und Mord verbargen.167 Eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung der „Verfügungen und Angelegenheiten“ der Gestapo war gesetzlich ausgeschlossen.168 Die Gestapo steht für den staatlich organisierten Terror als Mittel des Machterhalts der Nationalsozialisten; sie ist Synonym für die Bekämpfung und Vernichtung von politischen Gegnern.169 – Die Aufgaben der Gestapo wurden „in der Mittelinstanz von Staatspolizeistellen für die einzelnen Landespolizeibezirke wahrgenommen“; die speziellen Grenzaufgaben oblagen „besonderen Grenzkommissariaten“; und im Übrigen wurden die Aufgaben der Gestapo „von den Kreis- und Ortspolizeibehörden als Hilfsorganen der Staatspolizeistellen durchgeführt.“ 170 Über das

163

Klee, S. 35 f. § 1 Abs. 1 S. 1 GestapoG vom 10.2.1936. In § 1 der Ausführungsverordnung zum GestapoG (PrGS S. 22) heißt es zudem: „Die Geheime Staatspolizei kann polizeiliche Ermittlungen in Hoch-, Landesverrat und Sprengstoffsachen sowie bei sonstigen strafbaren Angriffen auf Partei und Staat führen“. Durch die letzte Variante ist der Angriff auf die Partei einem Angriff auf den Staat gleichgestellt. 165 König, S. 59. 166 Roewer, Lexikon, S. 410; ferner König, S. 59. Grundlage für die Verhängung von Schutzhaft und die Errichtung von Konzentrationslagern bildete die auf Art. 48 Abs. 2 WRV gestützte „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28.2.1933 (RGBl. S. 83), deren § 1 wie folgt lautete: „Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reiches werden bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung, einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahmen sowie Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig.“ Zur Verordnung: Klee, S. 33; zur Schutzhaft Maunz, Recht der Polizei, S. 49 ff.; Graf/Hofer, S. 255 ff. 167 Roewer, Lexikon, S. 168. 168 § 7 GestapoG vom 10.2.1936; hierzu König, S. 59 f. 169 Roewer, Lexikon, S. 167; König, S. 59. 170 § 4 GestapoG vom 10.2.1936. 164

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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Gestapa konnten „Ersuchen an die Ober- und Regierungspräsidenten sowie an alle Polizeibehörden“ gerichtet werden, denen nachzukommen war.171 Die Entwicklung in Preußen griff schließlich auf das gesamte Reich über:172 So wurde im Jahr 1936 (nach der Ernennung Heinrich Himmlers auch zum Chef der deutschen Polizei) für alle Dienststellen der Politischen Polizei im gesamten Reich die einheitliche Bezeichnung „Geheime Staatspolizei“ angeordnet und das Gestapa mit der Wahrnehmung der Aufgaben des politischen Polizeikommandeurs der Länder beauftragt.173 Damit war die Gestapo seit 1936 ein unabhängiger Zweig der Verwaltung mit Wirkung für das gesamte Reich.174 II. Sicherheitsdienst Reichsführer SS Der bereits 1931 – von Reinhard Heydrich für den Reichsführer SS Heinrich Himmler – gegründete Sicherheitsdienst Reichsführer SS (SD) war Teil der SS (Schutzstaffel) und fungierte als Nachrichtendienst der NSDAP.175 Nachdem es den Nationalsozialisten gelungen war, die Kontrolle über die Politischen Polizeien in allen Ländern zu übernehmen, war die aus der bloßen Überwachung von NSDAP-Mitgliedern weiterentwickelte Aufgabe des SD – nämlich die staatliche Politische Polizei einmal überflüssig zu machen – de facto erledigt.176 Gleichwohl blieb der SD bestehen – mit der Folge, dass die „nationalsozialistische Gegnerbekämpfung“ zwei Organisationen im Reich oblag: der Gestapo und der Staatspartei NSDAP (SD).177 Durch Erlass des Reichsführer SS Heinrich Himmler im Jahre 1937 wurden SD und Gestapo dergestalt voneinander getrennt, dass die Gestapo für Einzelfälle und der SD für allgemeine und grundsätzliche Fragen zuständig waren; eine Differenzierung der in der Praxis keine Bedeutung zukam.178 Jedoch standen dem SD nunmehr keine exekutiven Befugnisse mehr zu, was dieser allerdings durch eine intensive Zusammenarbeit mit der Gestapo zu kompensieren wusste.179 Dem Trennungserlass entsprechend wurde der SD ein reiner Nachrichtendienst, dessen Aufgaben in der nachrichtendienstlichen Beschaffung und Auswertung von relevanten Informationen sowie in der Weiterleitung der gewonnenen Erkenntnisse an die jeweils zuständigen Stellen, u. a. die 171

§ 7 Ausführungsverordnung zum GestapoG vom 10.2.1936 (PrGS S. 22). Dorn, S. 53. 173 RMBliV S. 1339, 1344. 174 Dorn, S. 53. 175 Dorn, S. 55 f.; Roewer, Lexikon, S. 413. Über die tatsächliche Bedeutung des SD innerhalb des NS-Machtapparates besteht keine endgültige Gewissheit; König, S. 58. Zum SD eingehend Buchheim, S. 15 (59 ff.). 176 Vgl. Dorn, S. 55 f. 177 Buschfort, S. 21. 178 Buschfort, S. 21. 179 König, S. 57 f. Ferner Buschfort, S. 21; Buchheim, S. 15 (60). 172

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

Gestapo, bestanden.180 Methoden der Informationsbeschaffung waren u. a. Spionage, Einsatz von menschlichen Quellen wie V-Personen sowie die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs.181 III. Reichssicherheitshauptamt Das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) wurde im Oktober 1939 gegründet.182 In diesem wurden die obersten Behörden von SD und Sicherheitspolizei vereinigt.183 Das RSHA war sowohl dem Innenministerium des Reiches als auch dem Reichsführer SS nachgeordnet, „so dass auch hier eine Umgehung der ,staatlichen‘ Dienstwege möglich war.“ 184 Durch diesen institutionellen Zusammenschluss war eine intensive Zusammenarbeit zwischen SD und Sicherheitspolizei sichergestellt, der einen ungehinderten Informationsaustausch ermöglichte.185 Das RSHA war ganz seiner Funktion als Zentralstelle bei der Verfolgung politischer Gegner omnipräsent:186 Seine Steuerungsfunktion nahm es durch Vorgaben von Zielsetzungen gegenüber unteren Gliederungen der Staatspolizeien, durch die Übernahme von Ermittlungen sowie durch die Einsetzung von Sonderkommissionen wahr. IV. Zusammenfassung Die Nationalsozialisten bauten die Sicherheitsarchitektur grundlegend um. Sie schufen eine auf die Diktatur des Nationalsozialismus maßgeschneiderte Polizeiund Nachrichtendienstorganisation. Staatliche Sicherheitsbehörden und solche der Partei verfolgten und unterdrückten die Gegner des Nationalsozialismus und sicherten so das bestehende Herrschaftssystem. Inbegriff des organisierten Staatsterrors war die Politische Polizei, die Gestapo.187 Ihre Tätigkeit war einer gerichtlichen Kontrolle entzogen; ihr Tätigwerden im Einzelnen bedurfte keiner Befugnisnorm.188 In der Sprache der damaligen Rechtswissenschaft liest sich das mit den Worten von Maunz aus dem Jahre 1943 wie folgt: „Zweck und Arbeitsumfang der Geheimen Staatspolizei nach dem heute erreichten Stand können in keiner Weise durch die gesetzlichen Bestimmungen erschöpft werden, die für sie 180

König, S. 57. König, S. 57. 182 Roewer, Lexikon, S. 385. 183 König, S. 58; Roewer, Lexikon, S. 385: RSHA Amt III (SD-Inland), Amt IV (Gestapo), Amt V (Reichskriminalamt), Amt VI (SD-Ausland). (Hinweis: Bei Buschfort, S. 22, findet sich eine abweichende Einteilung.) 184 König, S. 58. Ferner Roewer, Lexikon, S. 385: „Behörde mit Doppelfunktion als staatliche Dienststelle und Parteigliederung“, Buchheim, S. 15 (66 ff., 113 ff.). 185 König, S. 58. 186 Dorn, S. 57. 187 König, S. 60. 188 Dorn, S. 51, der ebenfalls zur Verdeutlichung auf Maunz (Fn. 1380) abstellt. 181

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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erlassen worden sind.“ 189 Mit Blick auf die Machtverteilung ist das Dritte Reich als SS-Staat zu bezeichnen, denn die Macht im Inland konzentrierte sich auf die SS; die Polizei wurde insoweit entstaatlicht. 190 Ein weiteres Kennzeichen für diesen SS-Staat stellt der SD dar, ein eigener Nachrichtendienst der SS, der zwar (formal) ohne polizeiliche Befugnisse agierte, dafür aber eng mit der Gestapo kooperierte und mit ihr im RSHA eingebunden war.

D. Zwischenfazit Zur Entwicklung des politischen Inlandsnachrichtenwesens lassen sich für die Zeit bis zum Nationalsozialismus die folgenden Kernaussagen treffen: Wie das Polizeiwesen als solches wurde auch der politische Inlandsnachrichtendienst allein auf Länderebene wirksam betrieben. Auf Bundes- bzw. Reichsebene gab es zwar nachrichtendienstliche Organisationen, wie die Central-UntersuchungsCommission (1818 bis 1828) und der Reichskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung (1920 bis 1929) jeweils zeigen. Ihre tatsächliche Bedeutung war aber gering. Kennzeichen dieser Dienste ist gewesen, dass sie entgegen ihrer eigentlichen Intention auf die Mitwirkung der Länder angewiesen waren und ihnen zudem keine exekutiv-polizeilichen Befugnisse zustanden. Die WRV sah zwar die Möglichkeit der Schaffung eines Reichskriminalpolizeiamtes vor, welches auch Aufgaben der Politischen Polizei hätte zentralisieren können, jedoch scheiterte eine entsprechende Umsetzung aufgrund des Widerstandes einzelner Länder. Auch auf Länderebene, so lässt sich über das Beispiel Preußen und dessen Staatskommissar für die öffentliche Ordnung zeigen, konnten sich von der Politischen Polizei losgelöste Inlandsnachrichtendienste nicht durchsetzen. Ihre Wirksamkeit wurde gerade wegen des heutigen Kennzeichens des Inlandsnachrichtendienstes, der Loslösung vom Polizeiapparat und den damit verbundenen fehlenden exekutiv-polizeilichen Befugnissen, von Beginn an in Zweifel gezogen. Entsprechend wurde – entgegen den Bekundungen nach außen – die Existenz einer Politischen Polizei bereits unmittelbar nach der Gründung der Weimarer Republik für unabdingbar gehalten. Nach dem tradierten Verständnis war die Politische Polizei sowohl Nachrichtendienst als auch Abwehrbehörde für politische Gefahren sowie Strafverfolgungsbehörde hinsichtlich politischer Straftaten. Zumindest bei dogmatischer Betrachtung unterlag die Politische Polizei als Teil der Polizei dem Legalitätsprinzip, sofern sie mit der Beobachtung von Straftaten in Berührung kam.191 189

Maunz, Recht der Polizei, S. 49. Buschfort, S. 22. 191 Ob dieses Prinzip auch tatsächlich umgesetzt worden ist, muss im Rahmen dieser Untersuchung offen bleiben. 190

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

In der Übermittlung von nachrichtendienstlich erlangten Informationen an andere Behörden, z. B. die Staatsanwaltschaften, waren – soweit ersichtlich – weder die Politische Polizei noch die von ihnen losgelösten nachrichtendienstlichen Organisationen in irgendeiner Form begrenzt.192 Herauszuheben ist, dass einerseits die Politische Polizei mit der Etablierung seitens der politisch Verantwortlichen (mit Zugriff auf die Polizeihoheit) stets für unabdingbar gehalten worden ist. Andererseits aber ist die Öffentlichkeit der Politischen Polizei von Beginn an mit Unbehagen gegenübergetreten. Als Grund hierfür führte (schon) im Jahre 1928 Bernhard Weiss zwei Gründe an: Erstens, dass „die politische Polizei in manchen Zeiten und in gewissen Zeiten tatsächlich gar oft [. . .] den Boden des Rechts verlassen und zu Maßnahmen gegriffen hat, die der Ausfluß parteipolitischer Willkür waren.“ 193 Zweitens, dass die Politische Polizei ihr Tun stets mit einem Schleier des Geheimen, Undurchdringlichen umwob und so „bis fast auf den heutigen Tag das Wirken der politischen Polizei mit einem Nimbus des Dunklen, Geheimnisvollen umgeben ist.“ 194 Der Nationalsozialismus schließlich führte zu einem Exzess der Politischen Polizei. Sie wurde unter der Bezeichnung „Gestapo“ zu einem umfassenden Terrorinstrument ausgebaut, ausgestattet mit einem umfassenden politischen Beobachtungs- und Bekämpfungsauftrag und faktisch unbeschränkten Befugnissen. Neben der Gestapo fungierte mit dem SD noch ein (letztlich) ohne polizeiliche Befugnisse ausgerüsteter Nachrichtendienst der SS, der eng mit der Gestapo zusammenarbeitete, und seit 1939 mit dieser über das RSHA vereinigt war.

E. Alliierter Kontrollrat Bereits auf den Konferenzen in Jalta (4. bis 11. Februar 1945) und Potsdam (17. Juli bis 2. August 1945) kamen die Alliierten überein, den gesamten deutschen Polizeiapparat umfassend neu zu organisieren.195 Gemeinsames Ziel war es, die deutsche Polizei zu entnazifizieren, zu entmilitarisieren, zu dezentralisieren und zu demokratisieren.196 Hierbei bestand darüber Einigkeit, dass sich dieses Ziel nicht mit einem bloßen Rückstellen auf den Zustand vor 1933 erreichen ließe.197 Vielmehr waren die Alliierten davon überzeugt, dass die Grundlage für den nationalsozialistischen Exzess auf polizeilichem Gebiet bereits in den Struk-

192 Das gilt jedenfalls innerhalb einer Staatsebene (also z. B. innerhalb der preußischen Behörden). 193 Weiss, S. 26. 194 Weiss, S. 25 ff. 195 Dorn, S. 60. 196 Lisken/Denninger/Boldt/Stolleis, HdbPolR, A Rn. 67; Dorn, S. 60. 197 Imle, S. 26 f., 38.

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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turen der Polizei zu Zeiten der Weimarer Republik gelegen hat, die es nunmehr zu beseitigen galt.198 Mit der vollständigen Besetzung Deutschlands durch die Alliierten ging auch die Polizeigewalt auf die Siegermächte über und wurde in den einzelnen Besatzungszonen von der jeweiligen Militärregierung verantwortet.199 Als zentrale Verwaltungsinstanz wurde der Alliierte Kontrollrat mit Sitz in Berlin eingerichtet, dessen Aufgabe in der Durchsetzung („oberste Machtgewalt“) der gemeinsamen Richtlinien der Alliierten „in Angelegenheiten, die Deutschland als Ganzes angehen“, bestehen sollte.200 Durch zahlreiche Proklamationen und Gesetze zerschlug der Kontrollrat die zentralen Strukturen der nationalsozialistischen Sicherheitsarchitektur.201 Hierbei wurde ein besonderes Augenmerk auf die dauerhafte und vollständige Eliminierung von Gestapo und SD gelegt.202 Hervorzuheben ist das Kontrollratsgesetz Nr. 31 vom 1. Juli 1946203, mit dem sämtliche Formen der politischen Überwachung und Kontrolle der deutschen Bevölkerung durch staatliche Stellen dauerhaft verboten worden sind. Untersagt wurden damit nicht nur die Wiedererrichtung der tradierten Form der Politischen Polizei, sondern auch jede Etablierung einer sonstigen Form eines staatlichen Inlandsnachrichtendienstes.204

198 Imle, S. 26 f., 38: Herausgestrichen wurden dabei die folgenden Punkte: Politische Polizei, Militarismus der preußischen Polizei, ungenügende Kontrolle durch die Rechtsprechung, zu weitgehende polizeiliche Befugnisse. 199 Lisken/Denninger/Boldt/Stolleis, HdbPolR, A Rn. 66, Dorn, S. 60. Zur unterschiedlichen Neustrukturierung der Länderpolizeien in den einzelnen Besatzungszonen siehe Dorn, S. 63 ff., und Lisken/Denninger/Boldt/Stolleis, HdbPolR, A Rn. 68: im Wesentlichen stand das jeweilige Polizeimodell der Besatzungsmacht für die Neuorganisation der Polizei in den Besatzungszonen Pate. 200 Proklamation Nr. 1 vom 29.10.1945, Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Nr. 1, S. 4; Dorn, S. 60. 201 Dorn, S. 61. 202 Imle, S. 25 ff., Dorn, S. 61 f., die jeweils einen Überblick zu den entsprechenden Kontrollratsaktivitäten bieten. 203 Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, S. 163: „Art. I: Alle deutschen Polizeibüros und -agenturen, die die Überwachung oder Kontrolle der politischen Betätigung von Personen zum Zweck haben, werden hiermit für ganz Deutschland aufgelöst. Diese Bestimmung ist auf alle Polizeibüros und -agenturen anwendbar, die entweder gesetzmäßig eingesetzten deutschen Polizeidienststellen unterstehen oder unter die Kontrolle von Ortsbehörden gestellt sind. Art. II: Jede Neueinrichtung sowie jede Tätigkeit von Polizeibüros oder -agenturen der in Artikel I näher bezeichneten Art wird hierdurch verboten. Art. III: Wer einer der Bestimmungen dieses Gesetzes zuwiderhandelt, setzt sich strafrechtlicher Verfolgung vor einem Gericht der Militärregierung und gegebenenfalls einer Strafe aus, die das Gericht für angemessen erachtet. Der Versuch ist strafbar. Art. IV: Jede Bestimmung der deutschen Gesetzgebung, die im Widerspruch zu diesem Gesetz steht, wird hierdurch aufgehoben. Art. V: Dieses Gesetz tritt am Tag seiner Verkündung in Kraft.“ 204 Imle, S. 31 ff.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

Mit dem zunehmend eskalierenden Ost-West-Konflikt zwischen den Alliierten und der sich damit abzeichnenden dauerhaften Teilung Deutschlands205 verlor auch der Kontrollrat (der seit März 1948 nicht mehr zusammentrat) samt seiner Zielsetzung an Bedeutung und entsprechend verflüchtigte sich die Verbindlichkeit einzelner Kontrollratsgesetze in den Besatzungszonen. Im Hinblick auf die Wiedererrichtung einer Politischen Polizei bzw. die Errichtung eines staatlichen Inlandsnachrichtendienstes wich bereits im August 1947 die Sowjetische Militäradministration von den Vorgaben des Kontrollrates ab.206 Die West-Alliierten (namentlich die Amerikaner und Briten) entschlossen sich Mitte 1948, nachrichtendienstliche Inlandstätigkeiten durch deutsche Behörden in den von ihnen besetzten Ländern zuzulassen.207 Damit war de facto das Alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 31 von den Alliierten selbst wieder aufgehoben worden.

F. Beratungen im Parlamentarischen Rat Nachdem für die Westalliierten feststand, dass eine einheitliche deutsche Lösung nicht erreicht werden kann208, forderten sie am 1. Juli 1948 die Regierungschefs der Länder in ihren Zonen auf, „eine Verfassunggebende Versammlung einzuberufen“, die eine „demokratische Verfassung [. . .] föderalistischen Typs“ schaffen soll (sog. Frankfurter Dokumente).209 Diesem Auftrag folgend konstituierte sich am 1. September 1948 der Parlamentarische Rat als verfassunggebende Versammlung.210 I. Vorüberlegungen Im Hinblick auf die Frage nach der Einrichtung eines Inlandsnachrichtendienstes auf Bundesebene muss das Folgende vorausgeschickt werden211: Ein von der Polizei losgelöster eigenständiger Nachrichtendienst ist im Rahmen der Verhandlungen im Parlamentarischen Rat bis zur Übergabe des Polizeibriefes vom 14. April 1949 weder angedacht noch erörtert worden. Stattdessen ist bis 205 Spätestens mit dem Scheitern der Londoner Konferenz der Außenminister der vier Siegermächte (25. November bis 15. Dezember 1947) stand fest, dass es zumindest vorübergehend kein Deutschland als einheitlichen Staat geben werde; Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 1, S. XI ff. 206 Auf der Grundlage des Befehls der Sowjetischen Militäradministration Nr. 201 vom 16. August 1947 wurde in der Sowjetischen Besatzungszone eine Politische Polizei reinstalliert; Dorn, S. 67 f.; Buschfort, S. 40. Zur Entwicklung der politischen Überwachung in der Sowjetischen Besatzungszone Imle, S. 39 ff. 207 Buschfort, S. 38 f. Zu beachten ist hierbei, dass in Nordrhein-Westfalen deutscherseits an den Briten vorbei bereits ein nachrichtendienstlich und politisch-polizeilicher Dienst über das Staatskommissariat geführt worden ist; Buschfort, S. 52 ff. 208 Vgl. oben Fn. 205. 209 Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 1, S. 22 ff., S. 30 ff. (Zitat: S. 30 f.). 210 Vgl. Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 1, S. 414. 211 Hierzu unten Vierter Teil: Kapitel 3 F.

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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dahin allein die Frage nach dem Ob und dem Umfang einer Bundeskompetenz in Polizeifragen Gegenstand von Erörterungen gewesen. Sie wurden innerhalb des Parlamentarischen Rates im Wesentlichen im Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung212 sowie darauf aufbauend im Hauptausschuss213 besprochen und sind Gegenstand von interfraktionellen Besprechungen214 gewesen.215 Die Beratungen des Parlamentarischen Rates fanden hierzu weitgehend autonom, d.h. ohne Wissen über die Haltung der Alliierten zu dieser Frage statt.216 Ein wesentlicher Grund für die lange Zurückhaltung mit entsprechenden Vorgaben seitens der Alliierten ist darin zu sehen, dass zwischen den Alliierten selbst lange Zeit keine Einigkeit über diese Fragen bestand.217 Aber auch ohne einschränkende Vorgaben durch die Alliierten ist die Frage nach einer etwaigen Bundeskompetenz in Polizeifragen seitens des Parlamentarischen Rates äußerst restriktiv diskutiert worden. Hierfür sind mehrere Faktoren ursächlich: Zum einen ging es den dortigen Vertretern um die Verhinderung jeglicher Form von Neuauflage einer Gestapo im Speziellen und ihrer gemeinsamen Furcht vor einer übermächtigen zentralen Gewalt des Bundes im Allgemeinen.218 Darüber hinaus waren die Diskussionen von äußeren Faktoren beeinflusst. So lehnte erstens die (west)deutsche Öffentlichkeit alles, was auch nur entfernt an die Gestapo erinnerte, entschieden ab (sog. Gestapo-Syndrom).219 Zweitens galt es, sich gegenüber den Vorgängen in der Sowjetischen Besatzungszone positiv abzugrenzen: Den grundgesetzlichen Regelungen sollte eine politische Anzie212 Der Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung beriet über die künftige Aufteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern sowie über die die „,Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung‘“; Dorn, S. 93. 213 Die Aufgabe des Hauptausschusses bestand zum einen in der Koordinierung der Arbeit der einzelnen Fachausschüsse und zum anderen in der Verabschiedung der politischen Vorentscheidungen für die abschließende Beratung im Plenum; Dorn, S. 110. 214 Seit der Konstituierung des Parlamentarischen Rats fanden immer wieder nichtoffizielle interfraktionelle Besprechungen statt, um festgefahrene Diskussionen durch einen verkleinerten Personenkreis aufzubrechen; Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 11, S. VIII. 215 Vgl. hierzu unten Vierter Teil: Kapitel 3 F. II. Die Frage wurde – soweit ersichtlich – nicht im Ausschuss für Grundsatzfragen und im Ausschuss für Organisation des Bundes erörtert. Entsprechend war zunächst auch keine spezielle Verwaltungskompetenz des Bundes bzgl. Polizei/Verfassungsschutz vorgesehen (Art. 116 E-GG); vgl. Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 7, S. 36, 72; 91, 119. 216 Imle, S. 112. 217 Vgl. Imle, S. (112 und) 129: „Bis März 1949 war es immer noch nicht zu einer abschließenden Übereinkunft der Militärgouverneure für den gesamten Bereich der Polizeiorganisation in Westdeutschland gekommen.“ 218 Vgl. Imle, S. 113. Insbesondere die bayerischen Vertreter vertraten einen radikalen Föderalismus, der jede Bundeskompetenz in Polizeifragen ausschloss; so z. B. der CSU-Abgeordneten Wilhelm Laforet (Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 3, S. 53, 186 ff., 206 ff., 411). 219 Imle, S. 119.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

hungskraft für die Menschen in der Sowjetischen Besatzungszone zukommen und so die Gefährdung der Einheit Deutschland überwunden werden (sog. Magnettheorie).220 Von daher musste nach Möglichkeit alles vermieden werden, was propagandistisch in Richtung Wiedererrichtung eines Polizeistaates ausgeschlachtet werden konnte.221 Drittens bestand ein entsprechender Druck auch durch das kritische Interesse der Weltöffentlichkeit an der westdeutschen Staatsgründung und ihrer künftigen Gestalt.222 Gleichwohl wurden sich führende Vertreter des Parlamentarischen Rates letztlich darüber einig, dass dem Bund eine irgendwie geartete Zuständigkeit gegenüber inneren Bedrohungen der Staatsgewalt zuzuweisen ist.223 Vor dem Hintergrund des sich zunehmend verschärfenden internationalen Ost-West-Konfliktes und der noch immer instabilen wirtschaftlichen Lage wurde die Gefahr einer kommunistischen Unterwanderung des Westens erblickt; insbesondere hatte man Angst vor der „Fünften Kolonne“ 224 des Kommunismus und der Instrumentalisierung der West-KPD als trojanisches Pferd durch die politische Führung der Sowjetischen Besatzungszone.225 II. Verlauf der Beratungen bis zur Übergabe des Polizeibriefes Im Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung wurde nun von deutscher Seite erstmals226 die Frage diskutiert, ob und in welchem Umfang der Bund neben den Ländern eigene Kompetenzen auf dem Gebiet des Polizeirechts haben sollte.227 Im Grundsatz kam der Ausschuss mehrheitlich relativ schnell darin überein, dass dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz für das Bundeskriminalwesen zuzuwei220

Imle, S. 118. Imle, S. 118. 222 Imle, S. 119. 223 Imle, S. 122 f. 224 Der Begriff „Fünfte Kolonne“ steht als Synonym für politische Untergrundaktivitäten im Inland und geht zurück auf eine Bezeichnung von dem General der Falange Emilio Mola im Spanischen Bürgerkrieg (1936–39); Roewer, Lexikon, S. 155; Meyers, S. 539; Brockhaus, S. 671. 225 Imle, S. 122. 226 Entsprechende Bundeskompetenzen (polizeilicher oder nachrichtendienstlicher Art) sind in den bis dahin von den west-deutschen Parteien und Organisationen konzipierten Entwürfen einer künftigen Verfassung nicht vorgesehen gewesen. Einen Überblick über die wesentlichen (sozialdemokratischen, christlich-bürgerlichen und liberalen) Konzepte bietet Dorn, S. 72 ff. Auch der in Vorbereitung des Parlamentarischen Rates gefertigte „Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948“ enthielt keinen Hinweis darauf, ob der Bund die Kompetenz erhalten sollte, sich durch eigene Sicherheitsbehörden (Polizei und Verfassungsschutz) zu schützen; Dorn, S. 83 f.; König, S. 75. Lediglich die Sachverständigen Hermann Brill (Hessen) und Josef Schwalbe (Bayern) wiesen in den Beratungen darauf hin, dass auch auf Bundesebene künftig Kompetenzen im Hinblick auf die (Brill: auch Politische) Polizei bestehen müssen; Dorn, S. 85 ff. 227 Dorn, S. 93 f. 221

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sen ist; der hiergegen von den CSU-Abgeordneten (teilweise erbittert) geführte Widerstand setzte sich nicht durch.228 Über die Frage, welcher konkrete Umfang mit der zugewiesenen Kompetenz verbunden sein sollte, fand sich bis zum Schluss kein abschließendes einheitliches Meinungsbild229: So blieb offen, ob dem Bund eine irgendwie geartete Exekutivkompetenz oder aber eine bloße Zentralstellenfunktion in den Bereichen Erkennungsdienst, Nachrichtenwesen und Verfolgung zugestanden werden sollte. Auch die Frage, ob die Bundeskompetenz auf bestimmte Kriminalitätsbereiche zu beschränken ist, fand keine abschließende Klärung. Der Zuständigkeitsausschuss einigte sich schließlich auf den Vorschlag, dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung über „das Bundeskriminalwesen zur Bekämpfung des gemeingefährlichen Verbrechertums“ einzuräumen.230 Trotz der vielen Unklarheiten und Meinungsverschiedenheiten bestand im Zuständigkeitsausschuss doch über einen Punkt allgemeiner Konsens231: Über den Kompetenztitel Bundeskriminalwesen sollte auf Bundesebene keine Politische Polizei errichtet werden können. Die über diesen Titel zugewiesene Kompetenz sollte allein auf das Gebiet der Strafverfolgung begrenzt sein. Da die nachrichtendienstliche Tätigkeit bis dahin Bestandteil der Politischen Polizei war, ist im Umkehrschluss zu folgern, dass nach Sicht des Zuständigkeitsausschusses eine nachrichtendienstliche Tätigkeit des Bundes ausgeschlossen sein sollte.232 Der Hauptausschuss folgte in seinen Beratungen mehrheitlich dem Vorschlag des Zuständigkeitsausschusses.233 Jedoch wurde vor dem Hintergrund der fehlen228 Dorn, S. 97 ff. (103). Zum bayerischen Widerstand ist insbesondere auf die Beiträge des CSU-Abgeordneten Wilhelm Laforet zu verweisen, der (zunächst) einen radikalen Föderalismus vertrat und in der Etablierung eines Bundeskriminalwesens die Gefahren der Aushöhlung der Polizeihoheit der Länder und des missbräuchlichen Aufbaus einer zentralisieren Politischen Polizei erblickte; Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 3, S. 53, 186 ff., 206 ff., 411. 229 Vgl. den wiedergegebenen Diskussionsverlauf in Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 3, S. 52 ff. (dritte Sitzung), S. 156 ff. (vierte Sitzung), S. 174 ff. (fünfte Sitzung), S. 410 ff. (zehnte Sitzung). 230 Art. 35 Nr. 10 GG-Entwurf; Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 7, S. 10. 231 Vgl. Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 3, S. 52 f. (dritte Sitzung): „Vors. [Wagner]: Wir sind uns darüber klar, daß das gar nichts zu tun hat mit Gestapo oder irgendeiner derartigen politischen Polizei.“ – Die Folgerung teilt auch Dorn, Trennungsgebot, S. 99. 232 Zu widersprechen ist damit König, S. 76, der aus der fehlenden ausdrücklichen Erörterung des Verfassungsschutzes den Schluss zieht, der Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung hätte sich nicht mit den Fragen des Verfassungsschutzes beschäftigt. 233 PR-Hauptausschuss, S. 645. Die Vertreter der CSU konnten sich auch im Hauptausschuss mit ihren hiergegen gerichteten grundsätzlichen Bedenken nicht durchsetzen. In der ersten Lesung (19.11.1948) verlangten sie alternativlos die Streichung des Kompetenztitels; PR-Hauptausschuss, S. 79 ff. In der zweiten Lesung (5.1.1949) forderten sie – diesmal mit Unterstützung der CDU – die Streichung des Titels aus dem Kompetenzbereich der ausschließlichen Bundesgesetzgebung und die Aufnahme des Titels „Grundsätze für die Zusammenarbeit der Länder in der Kriminalpolizei“ in die Vorranggesetzgebung; PR-Hauptausschuss, S. 353. In der dritten Lesung (9.2.1949) stellte die CSU keinen eigenen Antrag mehr; vgl. PR-Hauptausschuss, S. 645.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

den Bestimmtheit die Begrenzung auf das „gemeingefährliche Verbrechertum“ bereits in der ersten Lesung am 19. November 1948 aufgegeben.234 Da über die (mögliche) Reichweite der Bundeskompetenz, die mit dem Begriff Bundeskriminalwesen eingeräumt werden würde, keine Einigkeit erzielt werden konnte (so war wiederum unklar, ob damit dem Bund auch ein Exekutivrecht eingeräumt werden soll)235, einigte sich der Hauptausschuss nach Zwischenschaltung einer interfraktionellen Besprechung (ohne Beteiligung der KPD)236 sowie des Fünferausschusses (bestehend nur aus Vertretern von SPD, CDU und FDP)237 am 9. Februar 1949 in seiner dritten Lesung darauf, den Kompetenztitel dahingehend umzuformulieren, dass dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für „die Zusammenarbeit der Länder in der Kriminalpolizei und die Einrichtung eines Bundeskriminalamtes“ eingeräumt wird.238 Interessant ist nun, dass in der dritten Lesung auf Nachfrage des CSU-Abgeordneten Wilhelm Laforet durch den Referenten des Fünferausschusses Robert Lehr (CDU) der Eindruck vermittelt worden ist, mit dem Bundeskriminalamt sollen nur polizeitechnische Themen wie das „Polizeinachrichtenwesen zur Bekämpfung internationaler Taschendiebe [. . .], Identifizierung namentlich Vermißter und unbekannter Toter und [. . .] die Polizeistatistik“ abgedeckt werden, also – im Umkehrschluss – keine Exekutivkompetenzen beinhalten.239 Doch wurde in der interfraktionellen Besprechung wie auch im Fünferausschuss mit der Errichtung des Bundeskriminalamtes die Möglichkeit als eröffnet angesehen, dass das Bundesamt „selbständige Verhaftungen besonders in Hochverratsangelegenheiten und bei Verbrechen gegen die Verfassung anordnen könne“.240 Die im Zuständigkeitsausschuss festgelegte Begrenzung des Bundes auf das Feld der Strafverfolgung wurde weder in den entsprechenden ersten drei Lesungen des Hauptausschusses noch in der interfraktionellen Besprechung oder vom Fünferausschuss infrage gestellt.241

234

PR-Hauptausschuss, S. 79 ff. PR-Hauptausschuss, S. 79 ff. (erste Lesung, 19.11.1948), und PR-Hauptausschuss, S. 353 (zweite Lesung, 5.1.1949). 236 Interfraktionelle Besprechung vom 25.1.1949, Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 11, S. 62, 64. 237 Sitzung des Fünferausschusses vom 26. und 27.1.1949, Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 11, S. 66. 238 Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 7, S. 396, 423 f. Der Hauptausschuss übernahm den Vorschlag des Fünfer-Ausschusses, vgl. Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 7, S. 339, 367. 239 PR-Hauptausschuss, S. 645. Entsprechend ging Wilhelm Laforet noch bei der Besprechung der CDU/CSU-Fraktion zu den Auswirkungen des Polizeibriefes am 5.5.1949 – ohne dass ihm hier widersprochen wurde – davon aus, dem Bund seien bislang über Art. 35 Nr. 10 GG-E nur Angelegenheiten der Koordination kriminalpolizeilicher Tätigkeiten sowie polizeitechnische Maßnahmen zugewiesen; Salzmann, S. 550. 240 Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 11, S. 64. – So auch die Interpretation der Quellen seitens Dorn, S. 120. 241 Vgl. die Nachweise oben. 235

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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Gleichwohl gingen die Vertreter der CDU/CSU-Fraktion und zumindest auch der SPD-Abgeordnete Adolph Schönfelder von der Möglichkeit und der Notwendigkeit aus, über den Kompetenztitel Bundeskriminalamt auch einen Inlandsnachrichtendienst im zu errichtenden Bundeskriminalamt verdeckt zu etablieren: So ist bekannt, dass bereits unmittelbar nach der zweiten Lesung des Hauptausschusses eine CDU/CSU-Faktionssitzung stattfand, an der auch Schönfelder teilnahm, um über die Frage des Bundeskriminalwesens zu sprechen; Schönfelder trug – sekundiert von Adenauer – der Fraktion vor, dass es „unbedingt notwendig ist, eine Stelle beim Bund zu schaffen, eine Art geheime Staatspolizei, da die östliche Politik und Propagandaarbeit das unbedingt erfordert.“ 242 Dabei wies Schönfelder auch auf die Haltung der Briten hin; nach deren Ansicht „brauchten die deutschen Behörden eine eigene Nachrichtenstelle gegen die Tätigkeit der KPD“.243 Allerdings müsse diese verdeckt tätig sein, deswegen brauche man ein Bundeskriminalpolizeiamt, „um unter diesem ,Deckmantel‘ etwas Derartiges zu errichten.“ 244 Die CDU/CSU-Fraktion stimmte den Ausführungen von Schönfelder und Adenauer – insbesondere auch vor dem Hintergrund, damit den Wünschen der Alliierten zu entsprechen – zu.245 Damit ist das Folgende festzustellen: Aufgrund des differenzierten Wissenstandes kann von keinem einheitlichen Lagebild ausgegangen werden. Diejenigen, die nur an den Lesungen des Hauptausschusses teilnahmen – namentlich die Vertreter der KPD – mussten davon ausgehen, dass dem Bund zwar die Kompetenz zur Errichtung eines Bundeskriminalamtes eingeräumt werden soll, dieses aber allein auf Zentralstellenmaßnahmen zur Verbrechensverfolgung beschränkt ist. Die Vertreter hingegen, die auch am Fünferausschuss bzw. der interfraktionellen Besprechung zum Bundeskriminalwesen teilnahmen, mussten mit der eingeräumten Bundeskompetenz darüber hinaus auch die Möglichkeit verbinden, dem Bund exekutive Befugnisse im Bereich der Strafverfolgung einzuräumen. Hatten diese Mitglieder zudem Kenntnis von der CDU/CSU-Fraktionssitzung vom 5. Januar 1949, an der auch Schönfelder teilnahm, konnten sie mit dem Kompetenztitel ohne Weiteres die Möglichkeit der heimlichen Reinstallation einer Art Politischen Polizei verbinden: Dem Bund sollten über das Bundeskriminalamt sowohl repressiv-exekutive Befugnisse als auch ein Inlandsnachrichtendienst zugestanden werden. An eine Installierung eines eigenständigen Inlandsnachrichtendienstes auf Bundesebene – etwa in Anlehnung an den Reichskommissar zu Zeiten der Weimarer Republik – dachte keiner der Beteiligten.

242

Salzmann, S. 325 f. Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 3, S. XXIX. 244 Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 3, S. XXIX. Dorn, S. 118 Fn. 142, weist zutreffend darauf hin, dass es Beachtung finde müsse, dass diese Ausführungen nicht im offiziellen Protokoll der CDU/CSU-Fraktion – also bei Salzmann a. a. O. – enthalten sind. 245 Vgl. Salzmann, S. 326. 243

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

III. Der Polizeibrief An sich galt das Kapitel Polizei bzw. Inlandsnachrichtendienst seitens der Vertreter des Hauptausschusses inhaltlich als abgeschlossen. Die differenzierte Wissensverteilung war von denen, die über ein Informationsplus verfügten, mehrheitlich gewollt. Jedoch erfuhr die Thematik kurz vor dem Abschluss der Beratungen zum Grundgesetz nochmals erhebliche Beachtung.246 Im Rahmen einer Besprechung zwischen den Alliierten und Vertretern des Parlamentarischen Rates über Fragen im Zusammenhang mit dem künftigen Besatzungsstatut überreichte USGeneral Lucius D. Clay den Vertretern des Parlamentarischen Rates ein Schreiben der Militärgouverneure zu den Polizeikompetenzen des Bundes (sog. Polizeibrief),247 der übersetzt wie folgt lautet: „Wie wir Ihnen bereits in unserem Aide Mémoire vom 22. November 1948 mitgeteilt haben, sollen die Befugnisse der Bundesregierung auf dem Gebiet der Polizei auf die von den Militärgouverneuren während der Besatzung ausdrücklich genehmigten und nach diesem Zeitpunkt auf durch internationale Vereinbarungen bestimmten Befugnisse beschränkt sein. Die Militärgouverneure sind nun, wie folgt, übereingekommen: 1. Der Bundesregierung ist es gestattet, unverzüglich Bundesorgane zur Verfolgung von Gesetzesübertretungen und Bundespolizeibehörden auf folgenden Gebieten zu errichten: a) Überwachung des Personen- und Güterverkehrs bei der Überschreitung der Bundesgrenzen; b) Sammlung und Verbreitung von polizeilichen Auskünften und Statistiken; c) Koordinierung bei der Untersuchung von Verletzungen der Bundesgesetze und die Erfüllung internationaler Verpflichtungen hinsichtlich der Rauschgiftkontrolle, des internationalen Reiseverkehrs und von Staatsverträgen über Verbrechensverfolgung. 2. Der Bundesregierung wird es ebenfalls gestattet, eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten. Diese Stelle soll keine Polizeibefugnisse haben. 3. Die Befugnisse, Zuständigkeit und Aufgaben jedes zu errichtenden Bundesorgans zur Verfolgung von Gesetzesübertretungen oder jeder Bundespolizeibehörde sind durch ein der Ablehnung durch die Militärgouverneure unterliegendes Bundesgesetz zu bestimmen. Keine Bundespolizeibehörde darf Befehlsgewalt über Landes- oder Ortspolizeibehörden besitzen. 4. Jede Bundespolizeibehörde unterliegt, insbesondere hinsichtlich ihrer Kopfstärke, Bestimmungen, soweit sie anwendbar sind, die die Militärgouverneure auf Grund 246

Vgl. Dorn, S. 121. Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 4, S. 112 ff. An der Besprechung nahmen keine Vertreter von DP und KPD teil (vgl. Teilnehmerliste S. 112); Übergabe Polizeibrief S. 128 ff. 247

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der den Besatzungsbehörden nach dem Besatzungsstatut vorbehaltenen Befugnissen erlassen. 5. Falls der Parlamentarische Rat oder die Bundesregierung Bundesorgane zur Verfolgung von Gesetzesübertretungen oder Bundespolizeibehörden auf anderen Gebieten in Vorschlag bringen sollte, so sind, vorbehaltlich der Bestimmungen in den Absätzen 3 und 4, Vorschläge dieser Art den Militärgouverneuren zur Genehmigung vorzulegen.“ 248

Der Polizeibrief erfolgte ohne vorherige Konsultation des Parlamentarischen Rates und überraschte deren Mitglieder.249 Wie einleitend erläutert, liegt ein wesentlicher Grund für das Vorgehen der Alliierten darin begründet, dass sich die Alliierten selbst erst sehr spät auf die im Polizeibrief niedergelegten Grundsätze einigen konnten.250

248 Memorandum der Militärgouverneure zur Regelung der Polizeigewalt vom 14.4.1949, Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 8, S. 230 f. Die englische Originalfassung hat den folgenden Wortlaut: „As we informed you in the aide-mémoire of 22 November 1948, the powers of the federal government in the police field would be limited to those expressly approved by the Military Governors during the occupation period and thereafter as defined by international agreement. The Military Governors have now agreed the following: 1. The federal government will be permitted to establish without delay federal law enforcement and police agencies in the fields of: a) Control over movement of persons and goods across the frontiers of the federal state; b) The collection and dissemination of police information and statistics; c) The coordination of the investigation of violation of federal laws and the implementation of international responsibilities in such fields as narcotics, international travel and crime compacts. 2. The federal government will also be permitted to establish an agency to collect and disseminate information concerning subversive activities directed against the federal government. This agency shall have no police authority. 3. The powers, jurisdiction, and functions of each federal law enforcement or police agency to be established shall be defined by federal law which shall be subject to the disapproval of the Military Governors; provided that no federal police agency shall have command authority over any Land or local police agency. 4. Each federal police agency shall be subject, so long as they are applicable, to such provisions, particularly in respect of effectives, as the Military Governors may prescribe pursuant to the powers reserved to the occupation authorities under the occupation statute. 5. If the Parliamentary Council or the federal government should propose other federal law enforcement or police agencies, such proposals shall be submitted to the Military Governors for their approval, subject to the provisions of paragraphs 3 and 4 hereof.“ 249 Siehe die Reaktionen nach der Übergabe des Polizeibrief, Der Parl. Rat 1948– 1949, Bd. 4, S. 129 f. Die Feststellung teilend: Dorn, S. 123. Der damals vom bayerischen Ministerpräsidenten Hans Ehard (CSU) formulierte Verdacht, die SPD wäre über Existenz und Inhalt des Polizeibrief vorab informiert gewesen, ist falsch; Dorn, S. 125 f., 130. 250 Zum alliierten Entwicklungsgang vgl. Imle, S. 126 ff., 136.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

Seitens der Vertreter des Parlamentarischen Rates kann von keiner einheitlichen Bewertung des Polizeibriefes ausgegangen werden, da bereits die Vergleichsgrundlage, die bisherige Ausarbeitung des Hauptausschusses zur Polizeifrage, unterschiedlich verstanden worden ist.251 Das gilt insbesondere für die zugestandene Bundeskompetenz im nachrichtendienstlichen Bereich. So ist bereits zu bezweifeln, dass diejenigen Vertreter des Parlamentarischen Rates (wie z. B. die der KPD), die bis dahin von der Planung eines verdeckten Inlandsnachrichtendienstes innerhalb des Bundeskriminalamtes keine Kenntnis hatten, in dem Punkt 2 des Polizeibriefes überhaupt die Klausel zur Errichtung eines Inlandsnachrichtendienstes erblicken konnten. Zumindest aber müssen diese Vertreter in der Zubilligung der Alliierten gegenüber dem Bund, eine entsprechende Auskunftsstelle einzurichten, eine Aufwertung der Bundeskompetenz erblickt haben. Wer hingegen bislang – wie z. B. Adenauer – von einer geplanten verdeckten Einrichtung eines Inlandsnachrichtendienstes im Bundeskriminalamt ausging und diesem wiederum auch Exekutivkompetenzen zusprach, musste in dem Polizeibrief eine Zurückweisung von bereits fest eingeplanten Bundeskompetenzen erblicken.252 Aussagen zum konkreten Inhalt und zur Reichweite der geforderten Trennung zwischen Inlandsnachrichtendienst sowie Polizei bzw. Strafverfolgungsbehörden lassen sich aus dem Wortlaut des Polizeibriefes selbst und dem Zeitpunkt sowie den Umständen seiner Abfassung und Übermittlung nicht entnehmen. So ist insbesondere davon auszugehen, dass sich zu diesem Zeitpunkt die Alliierten selbst über die Tragweite der in dem Polizeibrief angelegten Trennung zwischen den entsprechenden Behörden noch keine abschließende Meinung gebildet haben. Für diese Annahme sprechen drei Gründe: Erstens ist der hier maßgebende

251 Kritisch äußerte sich z. B. der CDU-Abgeordnete Walter Strauß, der in dem Polizeibrief einen Verlust der Länderkompetenz in der Polizeifrage erblickte; Imle, S. 139 ff. Von einer Erweiterung der Bundeszuständigkeit auf dem Gebiet der Polizei ging offenbar auch Anton Pfeiffer (CSU) aus; vgl. Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 4, S. 129. Kritisch insbesondere im Hinblick auf die zugewiesene Bundeskompetenz in Angelegenheiten der Grenzpolizei Wilhelm Laforet vgl. Salzmann, S. 550. – Mit der hiesigen Interpretation in Übereinklang steht offenbar die Bewertung von Dorn, S. 123 f. und 139, der in dem Polizeibrief eine teilweise Restriktion gegenüber den Vorstellungen des Parlamentarischen Rates erblickt (ohne allerdings zwischen dem unterschiedlichen Wissensstand seitens der einzelnen Abgeordneten zu differenzieren). Anders hingegen die Bewertung bei König, S. 83, der undifferenziert in der deutschen Reaktion auf den Polizeibrief keineswegs das Empfinden von Beschränkung oder Verwehrung begehrter Kompetenzen erblicken will. 252 Bei der Auswertung des Polizeibriefes formulierten – unabhängig voneinander – die CDU-Abgeordneten Konrad Adenauer und Walter Strauß Zweifel an der praktischen Wirksamkeit der zugewiesenen isolierten nachrichtendienstlichen Bundeskompetenz; Imle, S. 137 f., 140. Diese Reaktion überrascht nicht vor dem Hintergrund der negativen Erfahrungen mit den rein nachrichtendienstlich tätigen Kommissariaten zu Zeiten der Weimarer Republik (hierzu oben Vierter Teil: Kapitel 3 B.), die nicht zuletzt auch aufgrund ihrer mangelnden Effizienz aufgelöst worden sind.

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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zweite Satz von Ziffer zwei („Diese Stelle soll keine Polizeibefugnisse haben.“) in einem ersten Entwurf des Polizeibriefes vom 8. April 1949 noch nicht enthalten gewesen, sondern erst nachträglich eingefügt worden.253 Zweitens beauftragten die Alliierten erst am 10. November 1949 – und damit reichlich sechs Monate nach Übergabe des Polizeibriefes –ihre Nachrichtendienste („Intelligence-Abteilungen“), mit der Erarbeitung der grundlegenden Prinzipien zu Organisation und Arbeitsweise eines künftigen Inlandsnachrichtendienstes auf Bundesebene.254 Drittens lehnten die Militärgouverneure eine Interpretation von Ziffer zwei des Polizeibriefes zum Zeitpunkt der Übergabe ab.255 IV. Verlauf der weiteren Beratungen Innerhalb des Parlamentarischen Rates wurde der Redaktionsausschuss beauftragt, den bisherigen Verfassungsentwurf an Vorgaben des Polizeibriefes anzupassen.256 Er war es übrigens auch, der für den in Ziffer zwei des Polizeibriefes umschriebenen Tätigkeitsbereich den Begriff Verfassungsschutz etablierte.257 Der Redaktionsausschuss258 war bestrebt, „die Ergänzungen der Zuständigkeiten des Gesetzgebungskataloges so gering wie möglich zu halten“.259 Da die zu 253

Buschfort, S. 48. Imle, S. 152. 255 Vgl. Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 4, S. 129: „Präs. Dr. Adenauer: Ich darf mir noch eine Bemerkung gestatten. Ziffer 2 ist doch nicht sehr eng zu interpretieren; denn sonst würde die Tätigkeit dieser Stelle im Hinblick auf gewissen Strömungen sehr unbefriedigend sein. Gen. Clay: Ich glaube, es ist unmöglich, unsererseits dazu jetzt einen Kommentar abzugeben, bevor uns die spezifische Gesetzgebung vorliegt. Präs. Dr. Adenauer: Bevor die Stelle ihre Tätigkeit begonnen hat. Gen. Clay: Ich meinte, dass das bundesgesetzgeberische Organ die Gesetze erlassen muss, die die Aktionsfähigkeit dieses Gremiums festlegen. Die Hohe Kommission muss dann die Gesetzgebung dahingehend überprüfen, ob sie mit den Grundprinzipien übereinstimmt, wie wir sie hier festgelegt haben.“ – Die Folgerung von Dorn, S. 125, aus der Reaktion von Gen. Clay und aus dem Memorandum der Alliierten vom 2.3.1949 (oben Fn. 216) ergebe sich, dass die Alliierten mit dem Polizeibrief allein auf ihr künftiges zeitlich begrenztes Besatzungsrecht und nicht auf die (dauerhafte) Ausgestaltung des Grundgesetzes selbst abstellen wollten, kann nur die Eigenschaft einer Behauptung beigemessen werden, da die Aussage eine entsprechende zwingende Folgerung nicht erkennen lässt. 256 Dorn, S. 131. Kritisch hierzu Imle, S. 143 f.: Der Redaktionsausschuss hat sich damit über seine originär redaktionelle Aufgabe hinweggesetzt. 257 Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 11, S. 271: „Bei Ziff. 2 [des Polizeibriefes] handele es sich um die Einrichtung einer Bundeszentralstelle, die nur Sammlungsaufgaben haben solle. Man habe sie Zentralstelle für Verfassungsschutz genannt.“ 258 Der Redaktionsausschuss setzte sich zunächst zusammen aus: Heinrich von Brentano (CDU), Thomas Dehler (FDP) und Georg August Zinn (SPD); Der Parl. Rat 1848– 1949 Bd. 11 S. 40, Bd. 14 S. XIX. Für den Abgeordneten von Brentano nahm später der Abgeordnete Hermann von Mangoldt für die CDU den Sitz im Ausschuss ein; Dorn, S. 131 Fn. 193. 259 Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 11, S. 271. 254

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

bildende Zentralstelle für Verfassungsschutz allein „der Sammlung von Nachrichten zur Bekämpfung von umstürzlerischen Bestrebungen diene“, müsse dem Bund hierfür keine materielle Zuständigkeit zugewiesen werden.260 Entsprechend schlug der Redaktionsausschuss (im Wesentlichen setzte sich hierbei der CDUAbgeordnete Hermann von Mangoldt durch) vor, dem Bund keine Gesetzgebungskompetenz für den Verfassungsschutz, sondern allein die Kompetenz zur Errichtung einer Zentralstelle für den Verfassungsschutz zuzubilligen.261 Dass der Redaktionsausschuss dem Bund im Hinblick auf die Zentralstelle für Verfassungsschutz keine Gesetzgebungskompetenz zusprach, darf dabei allerdings nicht dahingehend missverstanden werden, der Ausschuss wollte dem späteren BfV eine eigene nachrichtendienstliche Tätigkeit bewusst verweigern: So wurde nach dem damaligen allgemeinen Verständnis in der bloßen (nachrichtendienstlichen) Sammlung (Auswertung und Weitergabe) von Informationen (einschließlich personenbezogene Daten) keine dem Gesetzesvorbehalt unterliegende Eingriffsverwaltung erblickt.262 Entsprechend musste dem Bund – neben der bereits vorgesehenen Organisationskompetenz – keine weitere Gesetzgebungskompetenz zugewiesen werden.263 Der Hauptausschuss wiederum folgte in seiner vierten und abschließenden Lesung im Hinblick auf die Verwaltungskompetenz im Wesentlichen dem Vorschlag des Redaktionsausschusses.264 Zudem wurde abweichend vom Vorschlag des Redaktionsausschusses dem Bund auch eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für „die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder [. . .] in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes“ zugebilligt, ohne dass hierüber eine Aussprache stattfand.265 Dass dem Bund im Bereich des Verfassungsschutzes für die Zusam260

Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 11, S. 271 f.: vgl. Art. 35 und Art. 36 GG-E. Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 11, S. 271 f.: Als Art. 116 Abs. 1 S. 2 wurde vorgeschlagen: „Durch Bundesgesetz können Bundesgrenzschutzbehörden und Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen, die Kriminalpolizei und den Verfassungsschutz eingerichtet werden.“ 262 Dorn, S. 177 f.; hierzu auch unten Vierter Teil: Kapitel 3 G. II. 263 So auch Dorn, S. 177 f.; hierzu auch unten Vierter Teil: Kapitel 3 G. II. 264 PR-Hauptausschuss, S. 767: Beschlossen worden ist als Art. 116 Abs. 1 S. 2: „Durch Bundesgesetz können Bundesgrenzschutzbehörden, Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen, zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und für die Kriminalpolizei eingerichtet werden.“ 265 PR-Hauptausschuss, S. 767. Eine Besprechung des Vorschlags des Redaktionsausschusses fand nur im Rahmen einer Interfraktionellen Besprechung am 5.5.1949 statt, an der Vertreter von CDU, SPD, FDP und DP teilnahmen; Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 11, S. 269, 271 ff. Im Rahmen der vierten Lesung wurden auch die Artikel umgestellt: Art. 35 wurde zu Art. 73 und Art. 116 wurde zu Art. 87. Nach Art. 73 Nr. 10 GG-E hatte der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die „Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei und in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes sowie die internationale Verbrechensbekämpfung“. Zum Abdruck in Neuzählung der Artikel: Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 7, S. 532, 549, 554. 261

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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menarbeit des Bundes und der Länder letztlich doch eine – ausschließliche – Gesetzgebungskompetenz zugesprochen worden ist, dürfte damit erklärt werden können, dass – entgegen der Rechtslage zu Zeiten der Weimarer Republik – der Bund die Länder zur Zusammenarbeit verpflichten können sollte.266 Im Plenum des Parlamentarischen Rates (zweite Lesung am 6. Mai 1949 und dritte Lesung am 8. Mai 1949 des Grundgesetzentwurfs) schließlich wurde der Vorschlag des Hauptausschusses mehrheitlich angenommen, ohne dass über den damit verbundenen Inhalt eine Erörterung erfolgt ist.267 In Anbetracht der geschilderten Genese der Bundeskompetenz Verfassungsschutz kann zunächst davon ausgegangen werden, dass letztlich nur die wenigsten der insgesamt 65 Mitglieder des Parlamentarischen Rates (plus der fünf Vertreter aus Berlin als „Gäste mit beratender Stimme“)268 eine Vorstellung über Inhalt und Bedeutung der beschlossenen Ausführungen zum Verfassungsschutz hatten.269 Vor dem Polizeibrief war die Errichtung eines Inlandsnachrichtendienstes nur verdeckt betrieben worden. Weder der Polizeibrief selbst noch die im Hinblick auf die Ziffer zwei erfolgten Einfügungen in den Grundgesetzentwurf wurden im Hauptausschuss oder im Plenum ausführlich erörtert. Dass sich also hinter dem bis dahin im Verfassungsrecht ungebräuchlichen Begriff Verfassungsschutz270 die Kompetenz zur Etablierung eines Inlandsnachrichtendienstes auf Bundesebene verbirgt, dürfte nur den wenigsten Abgeordneten bewusst gewesen sein. Aber auch die, die sich über die Tragweite des Polizeibriefes im Hinblick auf die damit verbundene Kompetenz der Einrichtung eines Inlandsnachrichtendienstes auf Bundesebene im Klaren gewesen sind, haben sich über Fragen nach der Trennung zwischen Polizei und Verfassungsschutz – soweit erkennbar – keine näheren Gedanken gemacht. Erst recht sind keine etwaigen Gedanken hierzu in 266

Dorn, S. 180. König, S. 80; Dorn, S. 134 ff.: Einzig wurde diskutiert, ob Art. 73 Nr. 10 GG-E der Zustimmung des Bundesrates bedürfe, was jedoch mehrheitlich abgelehnt worden ist. Anträge zur Änderung von Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG-E wurden nicht zu mehr zugelassen. 268 Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 9, S. VII (auf S. 703 ff. sind die Mitglieder des Parlamentarischen Rates alphabetisch aufgelistet). 269 Im Ergebnis ebenso, aber vorsichtiger formulierend Imle, S. 147: „So muss es fraglich bleiben“ und König, S. 80: „ist es durchaus nicht fern liegend zu vermuten“. 270 Ebenso König, S. 80; Imle, S. 110. Jedoch war der Terminus nicht gänzlich neu, sondern war im juristischen Sprachgebrauch auch schon vor 1949 in Gebrauch. So führt Schneider, S. 93 (95), aus: „Ursprünglich wurden unter ,Verfassungsschutz‘ nur diejenigen Vorkehrungen verstanden, welche die Verfassungen selbst zur Sicherung ihres Bestands getroffen haben.“ Erfasst wurde damit so der konstitutionelle Verfassungsschutz wie die Möglichkeit der Klage gegen einen Minister wegen Verletzung der Verfassung oder die Schaffung eines Staatsgerichtshofes zum Schutz der Verfassung; Schneider, S. 93 (95). 267

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

den Verfassungstext eingeflossen. Dieser setzt allein die ausdrücklichen Vorgaben des Polizeibriefes um: Es wurde darauf geachtet, dem künftigen Bundesverfassungsschutzamt keine Exekutivkompetenz zukommen zu lassen. Entsprechend ist dem Bund allein die Kompetenz zur Errichtung eines Bundesverfassungsschutzamtes sowie zur Regelung der Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes eingeräumt worden.271 V. Zusammenfassung Entgegen den Vorgaben des Alliierten Kontrollrates und entgegen den bis dahin mehrheitlich herrschenden Vorstellungen über die künftige Verteilung der Polizeikompetenzen ist der Parlamentarische Rat bereits vor der Übergabe des Polizeibriefes davon ausgegangen, dem Bund eine gewisse Polizeikompetenz zuzugestehen. So sollte der Bund ein Bundeskriminalamt errichten und die Zusammenarbeit der Länder in der Kriminalpolizei koordinieren können. Mehrheitlich gingen die Mitglieder des Parlamentarischen Rates aber davon aus, dass über die zugewiesene Kompetenz „Bundeskriminalpolizei“ der Bund weder Exekutivkompetenzen noch gar Aufgaben jenseits der Strafverfolgung wahrnehmen könne. Abweichend hiervon sahen einige Vertreter des Parlamentarischen Rates sehr wohl auch diese Kompetenzen von dem Grundgesetzentwurf als mit umfasst an. Diese wenigen Vertreter gehörten aber zu den führenden Mitgliedern des Parlamentarischen Rates, wie z. B. der Präsident des Parlamentarischen Rates Adenauer. Es kann durchaus davon ausgegangen werden, dass diese unter Täuschung der offiziellen Beratungsorgane des Parlamentarischen Rates die Installation einer unter dem Deckmantel des Bundeskriminalamtes agierenden Politischen Polizei planten und sie sich dabei (aufgrund verschiedener informeller Besprechungen) in Übereinklang mit den Vorstellungen der Westalliierten sahen. – In gewisser Hinsicht bahnte sich eine Wiederholung der Geschehnisse in Preußen nach Gründung der Weimarer Republik an. Es sollte unter einem unverfänglich wirkenden Deckmantel eine Politische Polizei errichtetet werden.272 Von diesen Plänen mussten sie aber aufgrund des Polizeibriefes der Alliierten Abstand nehmen. Nach dessen Vorgaben war die Errichtung einer nachrichtendienstlich tätigen Polizei auf Bundesebene ebenso ausgeschlossen wie die Errich-

271 Aus genau diesen Folgerungen erscheint die Feststellung von Dorn, S. 139, als zu pauschal, wenn er ausführt: „Obwohl [im Polizeibrief] vorgesehen war, dass [das BfV] keine Polizeibefugnisse haben dürfe, war eine Aufnahme dieses Vorbehalts in den Text des Grundgesetzes weder von den Alliierten gefordert, noch je im Parlamentarischen Rat beschlossen oder auch nur angesprochen worden.“ Gerade weil dem Verfassungsschutz keine exekutiven Befugnisse eingeräumt worden sind, ist der Polizeibrief und dessen Vorbehalt vom Grundgesetz beachtet worden. 272 Zur Politischen Polizei in Preußen zu Zeiten der Weimarer Republik vgl. oben Vierter Teil: Kapitel 3 B. II. 1.

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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tung eines von der Polizei losgelösten Inlandsnachrichtendienstes mit Exekutivkompetenzen. Allerdings sind zu der damit verbundenen Trennung zwischen Polizei und Inlandsnachrichtendienst zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Grundgesetzes keine weiteren Ausführungen erfolgt. Die Alliierten verweigerten eine weiterführende Interpretation des Polizeibriefes und auch in den anschließenden Beratungen des Parlamentarischen Rates fand keine entsprechende Thematisierung statt. Letztlich kann davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Grundgesetzes weder bei den Alliierten noch bei den Vertretern des Parlamentarischen Rates über die Tätigkeit, Organisation und Funktionsweise des späteren Bundesamtes für Verfassungsschutz eine hinreichend konkrete Vorstellung herrschte, sodass im Umkehrschluss auch keine detaillierten Vorstellungen zu Umfang und Ausgestaltung der Trennung zwischen Verfassungsschutz und Polizei bestanden haben können.273 Bekannt ist stattdessen, dass bei einigen Vertretern des Parlamentarischen Rates – wie den CDU-Vertretern Adenauer und Strauß – Zweifel an der praktischen Wirksamkeit der zugewiesenen isolierten nachrichtendienstlichen Bundeskompetenz aufkamen.274 Diese Reaktion überrascht vor dem Hintergrund der negativen Erfahrungen mit den rein nachrichtendienstlich tätigen Kommissariaten zu Zeiten der Weimarer Republik, die auch aufgrund ihrer mangelnden Effizienz aufgelöst worden sind, nicht. Auch wenn weder Adenauer noch Strauß – soweit ersichtlich – einen entsprechenden Vergleich ausdrücklich gezogen haben. Insgesamt lässt sich als positiv bestimmbares Minimum das Folgende festhalten: Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Grundgesetzes durch den Parlamentarischen Rat mussten sämtliche Mitglieder davon ausgehen, dass nach der Konzeption des Grundgesetzes auf Bundesebene keine Politische Polizei oder ein entsprechendes Surrogat errichtet werden durfte. Zudem war es ein festes Anliegen der Abgeordneten, durch das Grundgesetz ein Wiederentstehen einer Gestapo dauerhaft unmöglich gemacht zu haben. Auch die Westalliierten mussten hiervon zu diesem Zeitpunkt ausgehen. Ausdrücklich zu widersprechen ist jenen Vertretern in der Literatur275, die in der Verhinderung des Aufbaus einer Politischen Polizei bzw. einer Restrukturierung der Gestapo kein Motiv für den Polizeibrief der Alliierten erblicken wollen.

273 In diesem Maße, mit dieser Konkretisierung, kann der oben Fn. 271 zitierten pauschalen Einschätzung von Dorn zugestimmt werden. 274 Vgl. Imle, S. 137 f., 140. 275 Roewer, DVBl. 1986, 205 (206): die Gestapo-Erfahrungen hätten für den Polizeibrief und für die Beratungen des Parlamentarischen Rates keine Rolle gespielt. Hirsch, S. 90: zu diesem Zeitpunkt hätte es keine Bestrebungen zum Wiederaufbau einer Gestapo gegeben und auch in der Weimarer Republik seien bereits reine Nachrichtendienste existent gewesen, ohne dass diese die Entstehung der Gestapo verhindert hätten.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

G. Beratungen zum Bundesverfassungsschutzgesetz Bereits Anfang des Jahres 1950 begannen seitens der Bundesregierung die Vorbereitungen zur Erarbeitung eines Bundesverfassungsschutzgesetzes.276 Dem Projekt wurde eine hohe Priorität eingeräumt, denn es wurde nach wie vor die Gefahr der kommunistischen Unterwanderung als gegenwärtig eingestuft.277 Die allgemeinpolitische Lage war noch nicht stabilisiert, und es galt, Bestand und Funktionieren des neuen Staates zu gewährleisten.278 I. Alliierte Vorgaben Entgegen der bei Übergabe des Polizeibriefes geäußerten Absicht, vor einer weiteren Stellungnahme zunächst einen Gesetzesentwurf seitens der Bundesregierung abzuwarten279, nahmen die Alliierten bereits auf die Erarbeitung des Regierungsentwurfs eines BVerfSchG Einfluss. So fand am 9. Januar 1950 und damit vor der Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs durch die Bundesregierung eine vertrauliche Besprechung zwischen Vertretern der Bundesregierung (Staatssekretär des Bundesinnenministeriums Ritter von Lex und Ministerialdirigent im Bundeskanzleramt Blankenhorn) und den Vertretern der Besatzungsmächte statt.280 Die Alliierten übergaben den deutschen Vertretern ein 14-Punkte-Papier, in dem die von ihnen erwogenen Grundsätze eines künftigen Bundesverfassungsschutzamtes zusammengefasst waren281: Der künftige Inlandsnachrichtendienst soll „ausschließlich Funktionen defensiver Art“ haben (Punkt 1). Es müsse eine „völlige Trennung von jeder Polizei“ gewährleistet werden (Punkt 2). Der Nachrichtendienst dürfe „keine polizeilichen oder exekutiven Befugnisse“ wie z. B. die Anordnung oder Durchführung von Verhaftungen innehaben (Punkt 3). Der Nachrichtendienst des Bundes soll keine Weisungs- oder Kontrollbefugnisse gegenüber anderen Bundes- oder Landesbehörden – einschließlich der Nachrichtendienste in den Ländern – erhalten (Punkt 4). Der Inlandsnachrichtendienst dürfe nicht im Ausland tätig werden (Punkt 5). Das Verhältnis zwischen dem künftigen Nachrichtendienst des Bundes und den Alliierten soll „möglichst eng gehalten werden“. Es sei sicherzustellen, dass die Alliierten „alle Informationen erhalten und, wenn nötig, auch Einsicht in die Vorgänge nehmen können“, die für ihre

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Dorn, S. 140 f. König, S. 85. 278 König, S. 85 f. und 90: „Eilbedürftigkeit“. 279 Vgl. oben Fn. 255 der Wortwechsel zwischen Adenauer und Gen. Clay. 280 Dorn, S. 141. 281 Dorn, S. 142 f. Das 14-Punkte-Papier wird wiedergegeben nach Dorn, S. 142 ff.; die wörtlichen Zitate sind auch bei Dorn als solche gekennzeichnet. 277

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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Sicherheit von Bedeutung sind. Dies beinhalte zugleich die Pflicht zur eigeninitiativen Unterrichtung durch die deutsche Seite (Punkt 6). Als zentrale Aufgabe des Inlandsnachrichtendienstes des Bundes wird die Unterrichtung der Bundesregierung über alle illegalen bzw. subversiven Vorgänge – „links oder rechts“ – angesehen (Punkt 7). Die zugewiesenen Aufgaben soll der Nachrichtendienst mit maximal 50 bis 70 Beschäftigten erfüllen. Etwaige Polizeibeamte müssten während ihrer Beschäftigung beim Nachrichtendienst aus dem Polizeidienst ausscheiden (Punkt 8). Zur Gewährleistung der angestrebten engen Zusammenarbeit ist eine Berufung von drei besonderen alliierten Verbindungsoffizieren vorgesehen (Punkt 9). Um eine Assoziierung des künftigen Inlandsnachrichtendienstes mit einer Polizeibehörde oder der Politischen Polizei zu vermeiden, wird eine möglichst neutrale Bezeichnung angemahnt: „Es sei wohl richtig, eine harmlose, nichtssagende Bezeichnung zu wählen, wie zum Beispiel Bundesinformationsstelle“ (Punkt 10). Die Punkte 11 bis 13 beschäftigen sich mit Fragen der gesetzlichen Grundlagen für den Nachrichtendienst, seiner Einordnung in die Geschäftsordnung der Bundesregierung sowie seiner finanziellen Ausstattung. Punkt 14 formuliert den Wunsch einer guten gemeinsamen Zusammenarbeit zwischen den Alliierten und der deutschen Behörde.282 Die beiden deutschen Vertreter akzeptierten die 14 Punkte weitgehend.283 Zu einer Diskussion kam es hinsichtlich der Frage einer Weisungsbefugnis des BfV gegenüber den entsprechenden Landesbehörden (dem diesbezüglichen Wunsch der deutschen Vertreter standen die Alliierten im Hinblick auf das Ziel der Vermeidung einer als gefährlich eingestuften zentralistischen Machtstellung skeptisch gegenüber) und der künftigen Zusammenarbeit zwischen den deutschen und den alliierten Nachrichtendiensten.284 Fragen zum Umfang der nachrichtendienstlichen Ermittlungstätigkeit oder der Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden wurden nicht gestellt.285

282 Dorn, S. 142 ff. Konrad Adenauer wurde am 12.1.1950 der wesentliche Inhalt der 14 Punkte vertraulich mitgeteilt; Dorn, S. 145 f. In dem an Adenauer übergebenen Schreiben (Principles for the Control of German Activities in the Field of Security) formulierten die Alliierten zugleich Bedingungen an die zu errichtenden Nachrichtendienstbehörden der Länder: Auch sie sollten kein Recht zur Vornahme von polizeilichen Befugnissen und keine Überwachungs- oder Befehlsbefugnisse über Polizeibehörden haben. Die Alliierten begrenzten das Exekutivverbot also nicht allein auf den Nachrichtendienst des Bundes; König, S. 87 f., und Imle, S. 153 Fn. 15. Dass also auch die Verfassungsschutzbehörden auf Landesebene keine Exekutivbefugnisse eingeräumt bekommen haben, ist kein Zufall. Es wäre entgegen Nollau, Wie sicher ist die Bundesrepublik?, S. 165, seitens der Landesregierungen nicht möglich gewesen, die Landesverfassungsschutzbehörden mit polizeilichen Exekutivbefugnissen auszustatten. 283 Dorn, S. 144. 284 Dorn, S. 144 f. 285 Zum Diskussionsverlauf: Dorn, S. 144 f.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

II. Parlamentarische Beratung Den alliierten Vorgaben entsprechend286 verfasste die Bundesregierung einen Entwurf eines BVerfSchG, welchen sie nach Vorlage gegenüber den Alliierten und Umsetzung der alliierten Änderungswünsche287 in die parlamentarische Beratung einbrachte.288 Aus dem Wortlaut des Entwurfs ließ sich für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages – die von der vertraulichen Besprechung vom 9. Januar 1950 keine Kenntnis hatten – entnehmen, dass neben den entsprechenden Landesbehörden auch das BfV befugt sein soll, verfassungsschutzrelevante Informationen zu sammeln und auszuwerten, und dass dem BfV keine polizeilichen Befugnisse oder Kontrollbefugnisse zustehen sollen und es keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert werden darf. Zu der Frage, an wen das BfV seine Informationen übermitteln soll, enthält der Gesetzentwurf grundsätzlich keine 286

Vgl. Imle, S. 152. Hierzu Dorn, S. 149 f.: Die Alliierten forderten u. a. die Trennung zwischen Polizei und Verfassungsschutz deutlicher als vorgesehen hervorzuheben. Es müsse deutlich werden, dass der Verfassungsschutz keine Kontrollen oder Durchsuchungen vornehmen dürfe. Ferner sei sicherzustellen, dass die Beschränkungen für den Verfassungsschutz nicht durch eine Angliederung an die Polizei umgangen werden könne. 288 Dorn, S. 150 ff.; BT-Drs. I/924. Der Entwurf hatte den folgenden Wortlaut: „§ 1 Der Bund und die Länder sind verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. § 2 (1) Für die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern errichtet der Bund ein Bundesamt für Verfassungsschutz als Bundesoberbehörde. Es untersteht dem Bundeskanzler, der sein Tätigkeitsgebiet im Rahmen der Vorschrift des § 3 Absatz 1 bestimmt. Der Bundeskanzler kann seine Befugnisse über die Führung dieses Amtes, auch soweit es sich auf die Verwaltung des Haushalts, die Personalfragen und die übrigen Angelegenheiten der Verwaltung beziehen, auf den Bundesinnenminister für die Zeitdauer und in dem Maße übertragen, wie er es für notwendig erachtet. (2) Für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund bestimmt jedes Land eine Behörde zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. § 3 (1) Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der nach § 2 Absatz 2 bestimmten Behörden ist die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über Bestrebungen, die eine Aufhebung, Änderung oder Störung der verfassungsmäßigen Ordnung im Bund oder in einem Land, oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben. (2) Polizeiliche Befugnisse oder Kontrollbefugnisse stehen dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zu. Das Amt darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden. § 4 (1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterrichtet die in jedem Lande gemäß § 2 Absatz 2 bestimmte Behörde über alle Unterlagen, deren Kenntnis für das Land zum Zwecke des Verfassungsschutzes erforderlich ist. (2) Die in den Ländern bestimmten Behörden unterrichten das Bundesamt über alle Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, von denen sie Kenntnis erhalten und die für den Bund, die Länder oder eines von ihnen von Wichtigkeit sind. (3) Ist gemäß § 2 Absatz 2 eine andere als die oberste Landesbehörde bestimmt, so ist die oberste Landesbehörde gleichzeitig zu benachrichtigen. § 5 Der Bundeskanzler oder mit dessen Vollmacht der Bundesminister des Inneren kann den nach § 2 Absatz 2 bestimmten Behörden Weisung für Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Verfassungsschutzes erteilen. § 4 Absatz 3 gilt sinngemäß.“ 287

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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Ausführungen. Allein für den Informationsaustausch zwischen den Verfassungsschutzbehörden der Länder und dem BfV sah der Entwurf eine Regelung vor. Zu den Fragen nach der Zusammenarbeit zwischen BfV und den Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden enthielt der Gesetzentwurf keine ausdrücklichen Regelungen. Auch im Verlauf der parlamentarischen Beratung wurde diese Thematik keiner näheren Erörterung unterzogen.289 Stattdessen standen die folgenden Fragen im Mittelpunkt290: Bedarf das BVerfSchG der Zustimmung des Bundesrates? Ist das BfV dem Bundeskanzler oder dem Bundesinnenminister zu unterstellen? Inwieweit können Bundeskanzler bzw. Bundesregierung den Landesregierungen bzw. den Verfassungsschutzbehörden der Länder gegenüber Weisungen erteilen? Soll das vorgesehene eigenständige BfV aufgegeben und stattdessen als eine Abteilung innerhalb des Bundesinnenministeriums eingegliedert werden?291 Die Ausführungen, die im Hinblick auf das Verhältnis zwischen BfV und Polizeibzw. Strafverfolgungsbehörden erfolgten, konzentrierten sich allein auf die Betonung, dass mit der Errichtung des BfV nicht die Gefahr der Wiederentstehung einer Gestapo verbunden sein dürfe. Diese Gefahr wurde jedoch zugleich mehrheitlich kraft des vorgesehenen Ausschlusses von polizeilichen Befugnissen und Kontrollbefugnissen seitens des BfV292 und dem begrenzten Beobachtungsauftrag293 als ausgeschlossen erachtet.294 Hervorzuheben ist, dass aus der Tatsache der Nichtregelung von Zusammenarbeit wie Informationsübermittlung zwischen Verfassungsschutz und Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörde nicht geschlossen werden darf, nach Sicht des Gesetzge289

Zum parlamentarischen Verlauf: Imle, S. 155 ff. Protokoll Deutscher Bundestag, 65. Sitzung, 1.6.1950, S. 2387 ff. (Erste Beratung), sowie 81. Sitzung, 28.7.1950, S. 3077 ff. (Zweite und Dritte Beratung); zu den Beratungen im Ausschuss zum Schutz der Verfassung vgl. Dorn, S. 157 ff. 291 In den Beratungen des Bundesrates bildeten das Weisungsrecht gegenüber den Ländern und die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes durch den Bundesrat den Schwerpunkt der Auseinandersetzung; vgl. Protokoll Bundesrat, 17. Sitzung, 30.3.1950, S. 286 ff. 292 So MdB Greve (SPD, Protokoll Deutscher Bundestag, 65. Sitzung, 1.6.1950, S. 2391); Staatssekretär Ritter von Lex (Protokoll Deutscher Bundestag, 65. Sitzung, 1.6.1950, S. 2394); MdB Merkatz (DP, Protokoll Deutscher Bundestag, 65. Sitzung, 1.6.1950, S. 2393). 293 So MdB Greve (SPD, Protokoll Deutscher Bundestag, 65. Sitzung, 1.6.1950, S. 2391). 294 Anders hingegen MdB Fisch (KPD, Protokoll Deutscher Bundestag, 65. Sitzung, 1.6.1950, S. 2390): Errichtung „eine[r] neue[n] Gestapo als verlängerten Arm der Besatzungsmächte und ihrer Militärpolizei“. Kritisch im Hinblick auf die Befugnis des BfV zur Beobachtung auch von gesetzeskonformen Bestrebungen zur Änderung der verfassungsmäßigen Grundordnung auch MdB Etzel (Bayernpartei, Protokoll Deutscher Bundestag, 81. Sitzung, 28.7.1950, S. 3079): „Wir halten es für absolut unmöglich und unerträglich, daß gesetzliche Bestrebungen zur Änderung der Grundordnung selbst, also verfassungsmäßige Bestrebungen, hier aufs Korn genommen werden sollen. [. . .] Wir wollen weder eine Schnüffelorganisation noch einen Geheimdienst.“ 290

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

bers von 1950 dürfe zwischen diesen Behörden auch keine Zusammenarbeit oder Informationsübermittlung stattfinden. Zum einen war bereits zu Zeiten der Weimarer Republik zwischen den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden eine Zusammenarbeit möglich.295 Zum anderen herrschte auch in den 1950er-Jahren noch immer das Bild von der Einheit der Staatsgewalt vor, wonach sich die Behörden auch ohne einfachgesetzliche Regelung im Grundsatz gegenseitigen Beistand zu leisten hatten.296 Auch wurde in dieser Zeit der Übermittlung personenbezogener Daten zwischen verschiedenen Behörden keine Grundrechtsrelevanz beigemessen.297 Wenn also der Gesetzgeber den Informationstransfer hätte beschränken wollen, so hätte er dies aus Sicht des damaligen Rechtsverständnisses ausdrücklich thematisieren müssen.298 III. Feststellung Das noch heute gültige einfachgesetzliche normierte Trennungsgebot hat seinen Ursprung im BVerfSchG (1950), welches wiederum die Vorgaben der Alliierten aus dem sog. 14-Punkte-Papier umgesetzt hat. Eine weiter gehende Regelung des Trennungsgebots enthielt gegenüber der heutigen Gesetzeslage auch die damalige Gesetzesfassung nicht. Bei der Beratung des Gesetzes im Bundestag erfolgte keine weitere Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit Verfassungsschutz und Polizei bzw. Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten können. Stattdessen konzentrierten sich die 295

Vgl. für das Land Preußen oben Vierter Teil: Kapitel 3 B. III. Zur Veranschaulichung kann auf das Verständnis der Amtshilfe der 1950er Jahre und der damit verbundenen Interpretation von Art. 35 GG verwiesen werden: Forsthoff, S. 78 ff. (80), und von Mangoldt, BK – 1. Auflage, Art. 35 Anm. 2. Zur Entwicklungsgeschichte des Verständnisses um die Einheit der Staatsgewalt vgl. Schlink, Amtshilfe, S. 63 ff. 297 Dass auch der Übermittlung von personenbezogenen Daten zwischen Behörden eine Grundrechtsrelevanz zukommt, sind Erkenntnisse, die sich erst im Laufe eines längeren Diskussionsprozesses zur heute faktisch allgemeingültigen Meinung herausgebildet haben; vgl. z. B. für den Diskussionsprozess Schatzschneider, Ermittlungstätigkeit, S. 180 ff., und Schlink, Amtshilfe, S. 62 ff., ferner Schlink, NVwZ 1986, 249 ff., und Simitis, NJW 1986, 2795 ff. Aus der Rechtsprechung des BVerfG sind die sog. Scheidungsaktenentscheidungen (Beschlüsse vom 15.1.1970, BVerfGE 27, 344 [350 ff.] und vom 18.1.1973, BVerfGE 34, 205 [208 ff.]) sowie das sog. Volkszählungsurteil (BVerfGE 65, 1 [44 ff.]) hervorzuheben. 298 Hierfür spricht auch die parlamentarische Aussprache „zum Gesamtproblem des Verfassungsschutzes“ vom 8.7.1954, die zur Aufarbeitung der sog. Vulkanaffäre erfolgt ist (Protokoll 2. Deutscher Bundestag, 37. Sitzung, 8.7.1954, S. 1720–1743). Die Aussprache fand nur knapp vier Jahre nach der Verabschiedung des BVerfSchG (1950) statt. Hierbei wurde die im Zuge der Vulkanaffäre erfolgte Übermittlung nachrichtendienstlich erlangter Informationen an die Strafverfolgungsbehörden nicht infrage gestellt. Stattdessen wurde darüber diskutiert, ob jenseits von Regierung und Strafverfolgungsbehörden sonst noch jemand – wie z. B. der Arbeitgeber – über nachrichtendienstliche Erkenntnisse informiert werden darf. 296

Kap. 3: Historische Herleitung des Trennungsgebots

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Abgeordneten mehrheitlich zu betonen, dass mit der Errichtung des BfV nicht die Gefahr der Wiederentstehung einer Gestapo verbunden sein dürfe. Im Gegensatz hierzu könnten prima facie aus dem 14-Punkte-Papier der Alliierten weiter gehende Aussagen gezogen werden. Bei dessen isolierter Betrachtung könnte jede Form der Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden als mit dem Trennungsgebot unvereinbar erachtet werden. So verlangte Punkt 2 eine „völlige Trennung“ des Verfassungsschutzes von jeder Polizei. Und als Adressaten nachrichtendienstlicher Informationen führte das Papier ausschließlich die Bundesregierung (Punkt 7) sowie alliierte Stellen (Punkte 6 und 9) auf. Aus dieser Zusammenschau könnte der Schluss gezogen werden, die gewollte Trennung zwischen Polizei und Verfassungsschutz sei nicht nur organisatorisch, sondern auch informatorisch zu verstehen. Doch spätestens wenn man die Intervention der Alliierten gegenüber dem ersten Regierungsentwurf zum BVerfSchG mit in die Betrachtung einbezieht, wird deutlich, dass das 14-Punkte-Papier nicht wortwörtlich, sondern programmatisch zu verstehen war. Den Alliierten kam es neben der Sicherung des alliierten Einflusses auf die deutsche Inlandsnachrichtendiensttätigkeit299 und der Unterbindung jeder Möglichkeit eines zentralistischen Exzesses auf dem Gebiet der nachrichtendienstlichen Inlandsaufklärung300 vor allem auf die Verhinderung der Entstehung einer Politischen Polizei an.301 Auch wenn bei der Namenswahl der zu errichtenden Behörde die Vermeidung von Assoziationen zur Politischen Polizei besonders hervorgehoben worden ist, kann daraus nicht etwa im Umkehrschluss gefolgert werden, allein bei der Gestaltung der Fassade der künftigen Behörde sei auf eine deutliche Abgrenzung zur Politischen Polizei zu achten. Vielmehr zwingen (neben der Einbeziehung der Entstehungsgeschichte des Polizeibriefes) die Punkte 1 bis 3 des 14-Punkte-Briefes sowie das korrigierende Eingreifen in den ersten Regierungsentwurf zum BVerfSchG zu der Feststellung, dass es den (West-)Alliierten auch in tatsächlicher Hinsicht darauf ankam, die Entstehung einer Politischen Polizei zu verhindern. Damit gehen die im unmittelbaren Zusammenhang zum einfachgesetzlichen Trennungsgebot stehenden Aussagen zur Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei bzw. Strafverfolgungsbehörden nicht über das hinaus, was bereits zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Grundgesetzes galt: Verhinderung der Wiederentstehung einer Politischen Polizei. Diese Feststellung bezieht sich sowohl auf die Abgeordneten des Deutschen Bundestages als auch auf die Alliierten.302 299

Vgl. die Punkte sechs, neun und vierzehn des Schreibens. Vgl. die Punkte vier des Schreibens. 301 Vgl. die Punkte eins bis vier, acht und zehn des Schreibens. 302 Gegenüber den Beratungen zum BVerfSchG (1950) gingen die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates nicht nur von der Verhinderung einer Gestapo, sondern jeder Politischen Polizei aus; vgl. oben Vierter Teil: Kapitel 3 F. V. 300

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

Kapitel 4

Grundpfeiler eines Trennungsgebots Ging es den Alliierten sowohl bei der Abfassung des Polizeibriefes als auch im Rahmen des sog. 14-Punkte-Papiers um die Verhinderung der Wiederentstehung einer Politischen Polizei und war dies auch der Wille des Parlamentarischen Rates, ist nach den Kennzeichen der Politischen Polizei zu fragen, die es nun zu verhindern galt. Hierbei kann es nur um die Kennzeichnung der Strukturen einer Politischen Polizei in Deutschland gehen und nicht um die Beschreibung von Exzessen, denn dies sind bereits die Folgen des Bestehens einer Politischen Polizei. Eine bloße Beschreibung der Gestapo-Tätigkeit würde daher z. B. fehl gehen.303 Zugleich ist hiermit nach den Folgen für die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei bzw. Strafverfolgungsbehörden zu fragen. Um die Kennzeichen einer Politischen Polizei in Deutschland im Allgemeinen erfassen zu können, ist auf die Politische Polizei in Preußen zurückzugreifen.304 Deren zentrales Merkmal war die eigenständige Wahrnehmung der Aufgaben: Beobachtung, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Vor diesem Hintergrund kann als Kennzeichen der Politischen Polizei ausgemacht werden, dass sowohl nachrichtendienstliche Aufklärungstätigkeit als auch polizeiliche bzw. exekutive Befugnisse innerhalb einer Behörde zusammengefasst sind.305 Damit verbunden sind eine enorme Machtkonzentration und die stete Gefahr des Exzesses, einer umfassenden staatlichen Verfolgung von Gegnern der politisch Verantwortlichen. Dies künftig zu verhindern, war das Anliegen der Alliierten und des Parlamentarischen Rates. Damit ist die Frage in den Blick zu nehmen, nach welchen abstrakten Kriterien die Wiederentstehung der eben skizzierten Gefahren verhindert werden kann, soll weder auf einen Nachrichtendienst noch auf Polizei und Strafverfolgungsbehörden als solches verzichtet werden. Wie muss sich die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei bzw. Strafverfolgungsbehörde gestalten? Einen wesentlichen Beitrag hierzu liefert das einfachgesetzlich normierte Trennungsgebot (§ 2 Abs. 1 S. 3 und § 8 Abs. 3 BVerfSchG) mit seinen organisations- und befugnisrechtlichen Dimensionen306: Polizei und Verfassungsschutz müssen unterschiedliche Behörden sein und dem Verfassungsschutz stehen keine polizeilich-exekutiven (Weisungs-)Befugnisse – auch nicht durch die Polizei im Wege der Amtshilfe – zu. 303 Überdies sahen die Alliierten, wie bereits oben – Vierter Teil: Kapitel 3 E. – erwähnt, die Ursache des nationalsozialistischen Exzesses gerade in den Polizeistrukturen der Weimarer Republik. 304 Zur Bedeutung Preußens vgl. bereits oben Vierter Teil: Kapitel 3 B. 305 Vgl. hierzu oben Vierter Teil: Kapitel 3 B. II. 1. 306 Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (483 ff.). Vgl. ferner oben Vierter Teil: Kapitel 1.

Kap. 4: Grundpfeiler eines Trennungsgebots

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Doch stellen diese organisatorischen und befugnisrechtlichen Ausgestaltungen des Trennungsgebots zwar notwendige, nicht jedoch hinreichende Kriterien zur Verhinderung (der Gefahr) der Wiederentstehung einer Politischen Polizei dar. So muss auch sichergestellt sein, dass die – starren – organisations- und befugnisrechtlichen Dimensionen des Trennungsgebots nicht umgangen werden können:307 Zu verhindern gilt auch die Möglichkeit einer funktionellen Verschmelzung von Verfassungsschutz und Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden hin zu einer Politischen Polizei. Dabei ist mit dem Begriff der funktionellen Verschmelzung die (faktische) Umgehung des materiellen Gehalts des Trennungsgebots trotz Einhaltung der einfachrechtlichen formalen Vorgaben zum Trennungsgebot gemeint. Eine funktionelle Verschmelzung liegt daher stets vor, wenn entweder aufseiten des Verfassungsschutzes oder aufseiten der Polizei die Merkmale bzw. Kennzeichen einer Politischen Polizei vorliegen. In diese zuordnende Betrachtung sind auch die wechselseitigen Arbeitsabläufe in Fällen kooperativer Aufgabenwahrnehmung durch Verfassungsschutz und Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörde im Wege einer Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen. 308 Klarstellend soll angemerkt werden, dass mit dem hier verwandten umfassenden Begriffsverständnis von funktioneller Verschmelzung nicht (zwangsläufig) deckungsgleich das Verständnis vom funktionellen Trennungsgebot ist, welches in der Literatur mitunter als eine Dimension des Trennungsgebots diskutiert wird309: So wird unter diesem Terminus überwiegend die Frage nach der Notwendigkeit und den Folgen einer Unterscheidbarkeit in der Aufgabenstellung von Verfassungsschutz und Polizei diskutiert. Ebenso ist das hier verwendete Verständnis von funktioneller Verschmelzung nicht (zwangsläufig) deckungsgleich mit dem in der Literatur diskutierten informationellen Trennungsgebot: Dort geht es (allein) um Zulässigkeit und Grenzen des Austausches von Informationen zwischen Polizei und Nachrichtendiensten.310 307

So schon Gusy, ZRP 1987, 45 (49), und Lang, S. 125 ff. Da dem Begriff der Funktion in fachübergreifender Hinsicht ein mehrdeutiges und in fachspezifischer Hinsicht kein klar umrissenes Verständnis zugrunde liegt (vgl. Brockhaus, S. 680 ff.; Meyers, S. 548 ff.), ist die Verwendung des Terminus funktionelle Verschmelzung mit dem hier vorgenommenen Bedeutungsgehalt möglich. 309 Z. B. Stubenrauch, S. 37 ff.; Streiß, S. 173 ff.; Lang, S. 116 ff.; sowie SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310 (1311 f.), in Fortführung zu SächsVerfGH LKV 1996, 273 (289). Von einer funktionalen Bedeutung des Trennungsgebots spricht auch Rogall, JZ 1987, 847 (850). Darunter fasst Rogall allerdings offenbar allein, dass der Verfassungsschutz keine Verfügungsgewalt über die Ausübung polizeilicher Befugnisse hat. Im Ergebnis ebenso Schapper, DRiZ 1987, 221 (223): danach bedeutet funktionale Trennung nichts anderes als befugnisrechtliche Trennung. Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 223, nennt als mögliche Kriterien zur Klärung des Vorliegens einer funktionellen Verschmelzung die Unterscheidbarkeit hinsichtlich Aufgabengebiete, Maßnahmeadressaten, Vorgehensweise, Mitteleinsatz und Zweck des Vorgehens. Zum funktionellen Trennungsgebot ferner (weiterführend) Albers, S. 227 f.; Möstl, Staatliche Garantie, S. 410 ff. 310 Hierzu Lang, S. 124 ff.; abl. Streiß, S. 178 ff. 308

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

Damit lassen sich als Grundpfeiler des Trennungsgebots zur Verhinderung (der Gefahr) der Wiederentstehung einer Politischen Polizei formulieren: • Verhinderung der „Entstehung eines perfekten politischen Überwachungsapparates“ 311; • ein Nachrichtendienst, der „(fast) alles weiß, soll nicht alles dürfen“ und die Polizei/Strafverfolgungsbehörde, die „(fast) alles darf, soll nicht alles wissen“;312 • Verbot der Umgehung traditioneller Eingriffsschwellen von Gefahrenabwehrund Strafverfolgungsbehörden durch die gezielte Nutzung des Nachrichtendienstes.313 Kapitel 5

Grundsätze für die nachrichtendienstliche Mitwirkung Aus den Grundpfeilern des Trennungsgebots lassen sich nun die Antworten zu den im Eingang dieses Kapitels aufgeworfenen Fragen im Hinblick auf die nachrichtendienstliche Mitwirkungsmöglichkeit im Strafverfahren entwickeln.

A. (Einzelfallbezogene) Informationsübermittlung Die Frage, ob das Trennungsgebot einer (anlassbezogenen, gelegentlichen314) Übermittlung nachrichtendienstlich erlangter Informationen an die Strafverfolgungsbehörden entgegensteht, ist im Grundsatz zu verneinen. Denn der Sinn und Zweck des Trennungsgebots besteht nicht in einer (umfassenden) Abschottung zwischen Verfassungsschutz und Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden. Insoweit kann der allgemeinen Meinung zugestimmt werden.315 Allerdings ist zur 311 So schon Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 228 f.; ferner Stubenrauch, S. 44. Zu weitgehend hingegen – weil nicht auf die politische Komponente begrenzt – die Folgerung von Nehm, NJW 2004, 3289 (3289); Soria, S. 359 (361): Verhinderung der Entstehung eines „allmächtigen Überwachungsstaates“. 312 Gusy, KritV 1994, 242 (243); Zöller, JZ 2007, 763 (767); ähnlich Singer, S. 88; Möstl, InnenA-Drs. 16(4)131 A, S. 2 f. 313 Zöller, JZ 2007, 763 (767); Stellungnahme Schaar, InnenA-Drs. 16(4)131 G, S. 4; sowie SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310 (1311 f.). 314 Zur institutionalisierten, dauerhaften Zusammenarbeit vgl. unten Vierter Teil: Kapitel 5 C. II. 315 Wie z. B. Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (487); Stellungnahme Hilgendorf, InnenA-Drs. 16(4)131 B, S. 2; Evers, Rechtsstaat, S. 65 (75 ff.); Baumann, FS Posser, S. 299 (306 f.); Borgs/Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 131; Gröpl, S. 315 f.; Stubenrauch, S. 48 f.; Baumann, DVBl. 2005, 798 (801); Zöller, JZ 2007, 763 (767); Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (876); Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 BVerfSchG Rn. 198; Scholz/Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung, S. 192; Paeffgen/Gärditz, KritV 2000, 65 (68). Letztlich ist so auch Denninger, Rechtsstaat, S. 19 (38 ff.), zu verstehen.

Kap. 5: Grundsätze für die nachrichtendienstliche Mitwirkung

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Begründung hierfür nicht auf die oft bemühte – allerdings rein ergebnisorientierte – Behauptung abzustellen, nach der die Informationsweiterleitung an die Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden mangels eigener exekutiver Befugnisse seitens der Verfassungsschutzbehörden notwendig sei.316 Stattdessen genügt der schlichte Hinweis, dass das Verbot der Bildung einer Politischen Polizei als solches nicht berührt wird, wenn ein Nachrichtendienst seine Erkenntnisse jenseits der Regierung auch der Polizei bzw. den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellt. Denn nicht jede Informationsübermittlung führt zu einer die Politische Polizei kennzeichnenden zentralen Machtkonzentration infolge eines Zusammentreffens von Vorfelderkenntnissen und exekutiven Zwangsbefugnissen. Die Grenze zulässiger informationeller Zusammenarbeit wird jedoch in den folgenden drei Konstellationen überschritten: 1. Der Verfassungsschutz übermittelt den Strafverfolgungsbehörden Informationen, die für diese nicht von Relevanz – d.h. nicht erforderlich – sind; gemeint sind damit solche Daten, die die Strafverfolgungsbehörden nicht verwenden dürfen (z. B. Vorfelderkenntnisse).317 Denn dann kommt es zu einem Zusammentreffen von allein nachrichtendienstlich relevanten Informationen und zeitgleich exekutiven Befugnissen innerhalb einer Behörde, es entsteht mithin die Machtkonzentration, die das Kennzeichen einer Politischen Polizei ist. Zwar liegt in der beschriebenen Konstellation die Konzentration nicht bei den Verfassungsschutzbehörden, sondern bei den Strafverfolgungsbehörden vor. Doch wenn das Trennungsgebot das Wiederentstehen einer Politischen Polizei verhindern soll, muss auch sichergestellt sein, dass nicht die Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden zur Politischen Polizei mutieren können.318 Folglich muss den Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden ein Zugriff auf allein nachrichtendienstlich relevante Informationen verwehrt sein. – Dass dieser Fallgruppe durchaus eine praktische Bedeutung zukommen kann, zeigt die folgende Überlegung: Aus dem Schluss der strafverfahrensrechtlich zu bestimmenden fehlenden Relevanz (Erforderlichkeit) darf nicht der Schluss eines auch fehlenden tatsächlichen Interesses seitens der Strafverfolgungsbehörden geschlossen werden. So könnten die Strafverfolgungsbehörden solchen Daten im Hinblick auf das Erstellen von Persönlichkeitsprofilen oder Allerdings hält er einen institutionalisierten Informationsaustausch wie z. B. gemeinsam genutzte elektronische Informationssysteme mit dem Trennungsgebot für unvereinbar. 316 So z. B. Möstl, Staatliche Garantie, S. 412; Nehm, NJW 2004, 3289 (3293); Soria, S. 359 (365); Stellungnahme Weber, InnenA-Drs. 16(4)131 E, S. 6; Stellungnahme Schmid, InnenA-Drs. 16(4)131 F neu, S. 2. 317 So im Ergebnis auch Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (185); Zöller, Informationssysteme, S. 325; Gusy, ZRP 1987, 45 (50). 318 Zum wechselseitigen Verständnis des Trennungsgebots bereits (auf organisationsrechtlicher Ebene bezogen) Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (483 f.); speziell zur informatorischen Ebene Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (487 ff.).

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

zur Nutzung als Baustein für Vorfeldermittlungen mit Interesse entgegensehen. 2. Die Strafverfolgungsbehörde allein prüft die Erforderlichkeit der übermittelten Daten. Denn soll ein Wiederentstehen einer Politischen Polizei verhindert werden und ist es hierzu notwendig, dass die Strafverfolgungsbehörden keinen Zugriff auf rein nachrichtendienstlich relevante Daten haben, muss die Prüfung der Erforderlichkeit der Daten für die Strafverfolgungsbehörden bereits durch die Verfassungsschutzbehörde erfolgen; eine alleinige Prüfung bereits übermittelter Informationen auf ihre Verwendbarkeit durch die Strafverfolgungsbehörden selbst wäre hingegen nicht ausreichend, weil zu spät319: Es wäre nicht sichergestellt, dass die Strafverfolgungsbehörde keine Kenntnis von entsprechenden Vorfelderkenntnissen erlangt. 3. Der Verfassungsschutz betreibt gezielt unter dem Gesichtspunkt einer späteren Strafverfolgung eine nachrichtendienstliche Aufklärung, um eben diese Erkenntnisse den Strafverfolgungsbehörden übermitteln zu können.320 Hierbei ist es irrelevant, ob der Verfassungsschutz im Auftrag einer Strafverfolgungsbehörde oder eigeninitiativ bewusst nach vermeintlichen Zufallsfunden für nicht nachrichtendienstliche Zwecke sucht. Stets wird die organisatorische Trennung zwischen Verfassungsschutz und Polizei bzw. Strafverfolgungsbehörde bewusst umgangen: Strafverfolgungsbehörde und Verfassungsschutz erscheinen faktisch als Einheit und wirken damit als Politische Polizei. An einer Grenzüberschreitung fehlt es hingegen in den folgenden zwei Konstellationen: 1. Der Verfassungsschutz übermittelt Informationen an die Strafverfolgungsbehörden, die für ihn zum Übermittlungszeitpunkt nicht – mehr – von Relevanz sind (sog. Zufallsfunde).321 Zwar erlangt hier die Strafverfolgungsbehörde von dem Verfassungsschutz Daten, die keinen Bezug zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes haben. Solange aber diese Daten zur Aufgabenerfüllung der Strafverfolgungsbehörde erforderlich sind und der Verfassungsschutz seinerseits nicht gezielt zur Erlangung solcher Zufallsfunde – also zu alleinigen 319 320

Im Ergebnis ebenso Gusy, ZRP 1987, 45 (50). So u. a. auch Zöller, JZ 2007, 763 (767); Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876

(876). 321 Die im Jahre 1967 von Salzwedel, S. 756 (792), herausgearbeitete Begrenzung des zulässigen Datentransfers auf Delikte nach den §§ 80 ff. StGB mit der Folge, dass Daten, die lediglich der allgemeinen Verbrechensbekämpfung dienen, nicht transferiert werden könnten, begründet dieser nicht mit dem Trennungsgebot, sondern mit der begrenzten Aufgabenstellung in § 3 Abs. 1 BVerfSchG (1950). Die Begrenzung von Salzwedel bezogen auf die alte Rechtslage im Ergebnis ablehnend: Borgs/Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 32. Eine – allerdings grundrechtlich motivierte – Begrenzung auf den Transfer solcher Daten, die zugleich im Aufgabenfeld des Verfassungsschutz liegen – vertritt auch BfD, 1. Tätigkeitsbericht 1979, BT-Drs. 8/2460, S. 24.

Kap. 5: Grundsätze für die nachrichtendienstliche Mitwirkung

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Zwecken künftiger Strafverfolgung – tätig geworden ist, wird das Trennungsgebot nicht berührt.322 2. Der Verfassungsschutz übermittelt Informationen an die Strafverfolgungsbehörden, die er mit Methoden erlangt hat, welche den Strafverfolgungsbehörden nicht zur Verfügung stehen.323 Aus dem Trennungsgebot lässt sich das Erfordernis eines sog. doppelten Vorbehalts, nach dem der Empfänger nur solche Informationen bekommen darf, die dieser selbst hätte erheben dürfen, nicht entnehmen.324 Entscheidend ist in diesem Zusammenhang allein, dass nur solche Informationen übermittelt werden, die für den Empfänger erforderlich sind. Sollte also das Recht des Informationsempfängers eine Begrenzung auf die Verwendung solcher Daten kennen, die der Empfänger auch selber hätte erheben können, dann verstößt zwar auch nach der hier vertretenen Ansicht der Transfer gegen das Trennungsgebot, doch liegt der Grund hierfür in der fehlenden Erforderlichkeit. Sofern das Recht des Empfängers einen solchen Vorbehalt nicht kennt, die ermittelten Daten für den Empfänger erforderlich sind und der Verfassungsschutz nicht gezielt für den Datenempfänger zur Umgehung von dessen beschränkten Ermittlungskompetenzen tätig wird, liegt keine Gefahr einer Machtkonzentration vor, die das Trennungsgebot verhindern soll.

B. Legalitätsprinzip Die Informationsübermittlung vom Verfassungsschutz an die Strafverfolgungsbehörde verstößt auch dann nicht gegen das Trennungsgebot, wenn der Verfassungsschutz trotz eines aus seiner Sicht bestehenden strafrechtlichen Anfangsverdachts einen Sachkomplex weiterhin nachrichtendienstlich aufklärt, hierbei die Strafverfolgungsbehörden nicht einschaltet und nach Abschluss seiner nachrichtendienstlichen Aufklärungstätigkeit die hierbei gewonnenen Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt. Entscheidend ist, dass der Verfassungsschutz nicht gezielt strafverfolgend tätig wird und die weitergeleiteten Erkennt322 Unklar in diesem Zusammenhang Wolff/Scheffczyk, JA 2008, 81 (84). Im Ergebnis wie hier auch Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (487 f.). Entgegen Baumann, DVBl. 2005, 798 (801 Fn. 32), beschränkt Gusy nicht im Generellen den Datenaustausch auf das Gebiet der übereinstimmenden Aufgaben zwischen Polizei und Verfassungsschutz, sondern nur im Zusammenhang mit der Nutzung von gemeinsamen Datenbanken. 323 Das Erfordernis eines doppelten Vorbehalts lehnen u. a. ebenfalls ab: Wolff/ Scheffczyk, JA 2008, 81 (84); Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (185); Stellungnahme Möstl, InnenA-Drs. 16(4)131 A, S. 4 f. Ferner im Ergebnis ebenso Nehm, NJW 2004, 3289 (3295); Soria, S. 359 (366); Singer, S. 91. 324 So aber Baumann, DVBl. 2005, 798 (801): der Datenaustausch ist „auf solche Informationen beschränkt, die der Empfänger zum einen auch selber erheben dürfte und die zum anderen durch Methoden gewonnen worden sind, die auch der Empfänger selbst hätte anwenden dürfen“; ähnlich Lisken/Denninger/Petri, HdbPolR, G Rn. 468; Lang, S. 132.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

nisse für die Strafverfolgungsbehörden erforderlich sind.325 Eine Verpflichtung des Verfassungsschutzes, bei Kenntnisnahme eines Straftatverdachts die Strafverfolgungsbehörde einzuschalten, lässt sich dem Trennungsgebot nicht entnehmen.

C. Formen der Zusammenarbeit Im Hinblick auf die Mitwirkung an strafrechtlichen Ermittlungsverfahren jenseits der einzelfallbezogenen Informationsübermittlung ist zwischen den klassischen (anlassbezogenen) und den modernen (institutionalisierten) Formen der Mitwirkung zu differenzieren. I. Klassische (anlassbezogene) Zusammenarbeit Zunächst kann festgehalten werden, dass es dem Trennungsgebot im Grundsatz nicht widerspricht, wenn Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden (anlassbezogen, d.h. gelegentlich326) zusammenwirken. Denn die bloße Zusammenarbeit führt nicht zu einem Wiederentstehen einer Politischen Polizei. Entscheidend ist insoweit, dass die Strafverfolgungsbehörden von den nachrichtendienstlichen Vorfelderkenntnissen ferngehalten und umgekehrt die Nachrichtendienste keine polizeilichen Befugnisse erhalten. Das Wissen des Verfassungsschutzes, das in das Vorfeld des strafverfahrensrechtlichen Interesses fällt, darf nicht mit den Zwangsbefugnissen der Strafverfolgungsbehörden zusammengeführt werden.327 Daraus ergeben sich die folgenden Grundregeln: 1. Die Zusammenarbeit darf zu keinem organisatorischen Zusammenschluss zwischen Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörde führen: Ausgeschlossen ist damit die Durchführung gemeinsamer Einsätze von Angehörigen beider Behörden unter einer gemeinsamen Leitung.328 Auch dürfen beide Behörden nicht vereinigt oder personell miteinander verbunden werden; von daher wäre die Wahrnehmung von Aufgaben beider Stellen durch gemeinsames Personal unzulässig.329 2. Die nachrichtendienstliche Mitwirkung in einem Strafverfahren darf auch nicht dazu führen, dass hierdurch dem Verfassungsschutz polizeiliche Befug-

325 Hierzu bereits oben (Zufallsfunde) Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. b) bb) sowie Zöller, Informationssysteme, S. 325. 326 Zur institutionalisierten, dauerhaften Zusammenarbeit vgl. unten Vierter Teil: Kapitel 5 C. II. 327 Gusy, ZRP 1987, 45 (49); ähnlich Baumann, FS Posser, S. 299 (304). 328 Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (484); Stubenrauch, S. 47 f.; Baumann, DVBl. 2005, 798 (804). 329 Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (484); Stubenrauch, S. 47 f.; Baumann, DVBl. 2005, 798 (804).

Kap. 5: Grundsätze für die nachrichtendienstliche Mitwirkung

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nisse zu nachrichtendienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellt werden.330 Dies würde eine Grenzüberschreitung und die Gefahr einer Verschmelzung zur Politischen Polizei seitens des Nachrichtendienstes bedeuten. 3. Der Verfassungsschutz darf nicht die Funktion einer Strafverfolgungsbehörde übernehmen: Weder darf er das strafrechtliche Ermittlungsverfahren leiten, noch darf er im Rahmen seiner Tätigkeit primär strafverfolgend tätig sein.331 Ansonsten bestünde die Gefahr, dass gerade außerstrafverfahrensrechtliche Erkenntnisse für die Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren motivierend sind, damit würde eine Verschmelzung zur Politischen Polizei vorliegen. 4. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen im Zuge der Zusammenarbeit keine ausschließlich nachrichtendienstlich relevanten Erkenntnisse (z. B. Vorfelddaten) erhalten. Sonst würde ein „Exzess“ seitens der Strafverfolgungsbehörden vorliegen und die Gefahr der Verschmelzung zur Politischen Polizei begründet sein.332 II. Moderne (institutionalisierte) Zusammenarbeit Im Rahmen der eben aufgestellten Grundsätze ist auch eine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörde möglich.333 Aus dem Trennungsgebot ergibt sich nicht ohne Weiteres ein entsprechendes Verbot.334 So lässt sich z. B. weder aus der organisatorischen noch aus der befugnisrechtlichen Trennungsebene ableiten, Datenübermittlungen zwischen Polizei und Verfassungsschutz seien als gesetzlicher Ausnahmefall vorzusehen.335 Stattdessen ist allein entscheidend, dass eine Verschmelzung von Verfas330

Ähnlich Gusy, Die Verwaltung 1991, 467 (486). Zumindest zweifelnd – wenn nicht gar den Ausführungen zustimmend – Schäfer, Gutachten, Rn. 355: „Ob es mit den dem Verfassungsschutz vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben auch vor dem Hintergrund des Trennungsgebots vereinbar und damit zulässig sein kann, mit Haftbefehl gesuchte Personen aufzuspüren, ist fraglich, soweit nicht gleichzeitig Informationssammlung im Sinne des § 3 Abs. 1 BVerfSchG betrieben wird. Gezielt und ohne Absprache mit den zuständigen Strafverfolgungsbehörden wird es nicht zulässig sein, nach Beschuldigten in einem konkreten Ermittlungsverfahren zu ,fahnden‘“. 332 Vgl. insoweit die obigen (Vierter Teil: Kapitel 5 A.) Ausführungen zur Übermittlung nachrichtendienstlich erlangter Informationen. 333 Im Ergebnis spiegelt dieser Ausgangspunkt zunächst einmal die herrschende Auffassung wieder; vgl. z. B. Nehm, NJW 2004, 3289 (3295). Von dieser Ausgangslage werden jedoch unterschiedliche Konsequenzen gezogen. 334 Kritisch hingegen Kutscha, NVwZ 2013, 324 (325), nach dem das Trennungsgebot „einen planmäßigen Austausch“ von personenbezogenen Daten „zwischen Polizei und Verfassungsschutzbehörden“ untersage. 335 Andere Ansicht die Stellungnahmen von Roggan/Bergemann, InnenA-Drs. 16(4)131 D, S. 3 f., und Hilbrans, InnenA-Drs. 16(4)131 K, S. 3 f.; wohl auch Roggan/ Bergemann, NJW 2007, 876 (877). 331

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

sungsschutz und Strafverfolgungsbehörden zu einer Politischen Polizei ausgeschlossen ist. Sofern eine Zusammenarbeit allerdings nicht mehr allein einzelfall- und anlassbezogen, sondern institutionalisiert und dauerhaft erfolgen soll, bedarf dies einer eigenständigen gesetzlichen Regelung. Diese hat sicherzustellen, dass eine funktionelle Verschmelzung der dauerhaft zusammenarbeitenden Behörden verhindert wird. Notwendig ist eine eigenständige gesetzliche Regelung aus zweierlei Gründen. Zum einen rücken die über das Trennungsgebot voneinander getrennten Behörden näher zusammen. Es bedarf daher einer besonderen Gewährleistung, dass die Gefahr der Wiederentstehung einer Politischen Polizei ausgeschlossen ist. Zum anderen ist die gesetzliche Regelung auch zur Information der Öffentlichkeit notwendig: Es soll keine Geheimpolizei entstehen können. Dass und warum diese Gefahr nicht besteht, muss transparent sein. Im Hinblick auf die von Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden gemeinsam genutzten Verbunddateien – einschließlich gemeinsam genutzter Projektdateien – bedeutet dies:336 • Trotz der Nutzung einer Verbunddatei müssen die Teilnehmer organisatorisch getrennt bleiben. Daran kann man zwar prima facie bei einem Datenverbund, an dem sowohl Nachrichtendienste als auch Strafverfolgungsbehörden gemeinsam Daten einspeisen, zweifeln. Solange jedoch jede Behörde im Hinblick auf Speicherung, Abfrage und Übermittlung von Daten in oder aus der Verbunddatei eigenverantwortlich tätig und damit von den anderen Verbundteilnehmern unabhängig ist, liegt keine organisatorische Vermengung vor.337 Die hierbei zu fordernde Eigenständigkeit des jeweiligen Verbundteilnehmers muss sich sowohl auf das Personal als auch auf die (datenschutz)rechtliche Verantwortung und Überprüfbarkeit beziehen.338 • Es muss zudem eine funktionelle Verschmelzung zwischen Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörde ausgeschlossen sein. Das ist dann der Fall, wenn die Strafverfolgungsbehörde nur solche Daten abrufen kann, die sie auch tatsächlich verwenden kann, die für sie also relevant, d.h. erforderlich sind. Der Zugriff auf bloße Vorfelddaten muss gesperrt sein.339 Da die Daten für die Strafverfolgungsbehörden erst bei einem Datenabruf zur Verfügung stehen, ist zur Beurteilung der funktionellen Trennung zwischen Verfassungsschutz und

336 Ausführlich zu den Anforderungen an eine Verbunddatei auch im Hinblick auf den Zugriff durch die Verfassungsschutzbehörden (Notwendigkeit der Begrenzung auf den gemeinsamen Aufgabenteil: Staats-/Verfassungsschutzdelikte, Zugriffsmöglichkeit des Verfassungsschutzes auf polizeiliche Daten): Stubenrauch, S. 51 ff. 337 Stubenrauch, S. 52. 338 Stubenrauch, S. 52. 339 Im Ergebnis auch Stubenrauch, S. 54. Zu widersprechen ist Nehm, NJW 2004, 3289 (3295), nach dem das Trennungsgebot einer staatsanwaltlichen Einsichtnahme in eine reine Indexdatei nicht entgegenstehen würde.

Kap. 5: Grundsätze für die nachrichtendienstliche Mitwirkung

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Polizei nicht auf den Moment der Dateneingabe, sondern auf den des Datenabrufs abzustellen.340 Sofern eine entsprechende Begrenzung des Datenabrufs besteht, verschwimmen trotz automatisierter und damit „planmäßiger“ Zusammenführung der jeweils vorhandenen Erkenntnisse allein die gesetzlichen Voraussetzungen für die unterschiedlichen Datenerhebungen bei Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendiensten nicht.341 Da jede Kenntnisnahme von nachrichtendienstlichen Vorfelddaten den Strafverfolgungsbehörden gegenüber gesperrt sein muss (unabhängig von der Frage, ob die Strafverfolgungsbehörde mit den Informationen etwas anfangen kann), wäre auch ein ungefilterter (bzw. nur thematisch, aber nicht auf Vorfelddaten begrenzter) Zugriff auf nachrichtendienstliche Indexdateien seitens der Strafverfolgungsbehörden ein Verstoß gegen das Trennungsgebot.342 • Eine Verbunddatei bedarf schließlich einer gesetzlichen Regelung, die die vorgenannten Punkte regelt.

D. Ergebnis Das historisch auf den Polizeibrief zurückgeführte Trennungsgebot steht einer sowohl informationellen343 als auch institutionalisierten Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden im Grundsatz nicht entgegen, schränkt den Umfang möglicher Zusammenarbeiten aber ein. Die Mitwirkungsmöglichkeiten des Verfassungsschutzes im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sind insoweit beschränkt, als es zur Verhinderung (der Gefahr) der Wiederentstehung einer Politischen Polizei notwendig ist. Das führt im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten des Verfassungsschutzes in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu den folgenden Grenzen: • Verfassungsschutz- und Strafverfolgungsbehörden dürfen nicht miteinander organisatorisch verschmolzen werden. 340

Wie hier Stubenrauch, S. 52 ff. (S. 53); enger Gusy, ZRP 1987, 45 (50). Anders aber offenbar Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (876); Zöller, JZ 2007, 763 (770). 342 Wie hier Stubenrauch, S. 54. Zu widersprechen ist Nehm, NJW 2004, 3289 (3295), der einen Zugriff mit der Überlegung legitimiert, dass das Trennungsgebot keine informationellen Aspekte berücksichtige. Entsprechend verstießen die früheren Praxen – vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 1 C. – gegen das Trennungsgebot: (im Hinblick auf Vorfelderkenntnisse ungefilterte) Zugriffsmöglichkeit des polizeilichen Staatsschutzes auf den Zentralen Kartennachweis beim BfV, Zugriffsmöglichkeit des BKA Abteilung Staatsschutz auf NADIS. 343 Damit kann sich der herrschenden Meinung im Schrifttum angeschlossen werden: u. a. Zöller, JZ 2007, 763 (767); Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (185); Nehm, NJW 2004, 3289 (3292); Soria, S. 359 (365 f.); Schafranek, S. 174; Stellungnahme Schaar, InnenA-Drs. 16(4)131 G, S. 5. Die konkrete Frage nach den Grenzen der Zusammenarbeit wird allerdings im Detail unterschiedlich beantwortet. 341

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

• Die Strafverfolgungsbehörden dürfen keinen Zugriff auf und keine Kenntnis über rein nachrichtendienstlich relevante Erkenntnisse (Vorfeldinformationen) haben. • Polizeiliche Befugnisse dürfen für keine nachrichtendienstlichen Zwecke eingesetzt werden. • Der Verfassungsschutz darf im Rahmen seiner Aufklärungstätigkeit nicht primär zu Zwecken späterer Strafverfolgung tätig sein. • Institutionalisierte Formen der Zusammenarbeit bedürfen einer eigenständigen gesetzlichen Regelung. Kapitel 6

Vereinbarkeit mit dem Ist-Zustand der Mitwirkungsmöglichkeiten Aus den bislang entwickelten abstrakten Kriterien ergeben sich für die im Rahmen dieser Arbeit herausgearbeiteten konkreten Formen der Mitwirkungsmöglichkeiten des Verfassungsschutzes in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die nachfolgenden Konsequenzen.

A. Übermittlung nachrichtendienstlicher Informationen Wie aufgezeigt hindert das Trennungsgebot den Transfer von nachrichtendienstlichen Informationen an die Strafverfolgungsbehörden im Grundsatz nicht. Allerdings dürfen in den Machtbereich der Strafverfolgungsbehörden nur solche Informationen gelangen, die diese auch in rechtlich zulässiger Weise verwenden können. Überdies ist erforderlich, dass die Prüfung der Erforderlichkeit für die Strafverfolgungsbehörden bereits aufseiten des Verfassungsschutzes vor Übermittlung der Daten erfolgt.344 Mit Blick auf die nachrichtendienstlichen Übermittlungsvorschriften zur Spontanübermittlung ist dieses Erfordernis im Grundsatz erfüllt. Denn danach müssen die nachrichtendienstlichen Informationen stets für die Strafverfolgungsbehörden erforderlich sein, was eben die strafverfahrensrechtliche Verwendbarkeit und damit das Vorliegen eines strafrechtlichen Anfangsverdachts bedingt.345 Im Hin344

Vgl. oben Vierter Teil: Kapitel 5 A. Vgl. Datei oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. und Dritter Teil: Kapitel 2 C. Wird bei § 20 Abs. 1 BVerfSchG in dem Erfordernis der tatsächlichen Anhaltspunkte ein Absenken unter dem strafrechtlichen Anfangsverdacht vertreten [vgl. hierzu Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. a) bb)], so würde der so gewährte Transfer gegen das Trennungsgebot verstoßen. Auch die Forderung von Griesbaum/Wallenta, NStZ 2013, 369 (374), nach einer frühzeitigen Informationsübermittlung an die Staatsanwaltschaft zur „Vorklärung 345

Kap. 6: Vereinbarkeit mit dem Ist-Zustand der Mitwirkungsmöglichkeiten

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blick auf die spezifischen strafverfahrensrechtlichen Grenzen der Datenverwendung, von denen gegenüber den Nachrichtendiensten allein § 161 Abs. 2 StPO greift, gilt das Folgende: Sofern mit der Rechtsprechung und dem Gesetzgeber davon ausgegangen wird, dass sämtliche Daten jenseits der Verwendungsgrenzen zumindest als Spurenansatz verwendet werden können, liegt auch kein Verstoß gegen das Trennungsgebot vor. – Wird aber vertreten, dass die Verwendungsbegrenzung in § 161 Abs. 2 StPO auch für den Spurenansatz mit gilt, so liegt bei einem Transfer von Daten, die unter die Verwendungsbegrenzung fallen, ein Verstoß gegen das Trennungsgebot vor. Denn eine erst im Machtbereich der Strafverfolgungsbehörden etablierte Verwendungsbegrenzung käme zu spät, weil sie die tatsächliche Kenntniserlangung von strafverfahrensrechtlich nicht verwendbaren nachrichtendienstlichen Daten nicht verhindern könnte.346 – Dass über § 19 Abs. 1 BVerfSchG auch nachrichtendienstliche Zufallsfunde übermittelt werden können, steht dem Trennungsgebot seiner Grundkonzeption nach nicht entgegen.347 Maßgebend ist insoweit nur, dass der Verfassungsschutz die entsprechenden Daten nicht zielgerichtet zu strafverfahrensrechtlichen Zwecken erhoben hat. Ein Verstoß gegen das Trennungsgebot liegt jedoch im Hinblick auf das Auskunftsersuchen vor. Sofern die Strafverfolgungsbehörden über § 161 Abs. 1 S. 1 bzw. § 163 Abs. 1 S. 2 StPO den Verfassungsschutz um Auskunft ersuchen, erfolgt nach der gesetzlichen Konzeption zumindest für den Regelfall348 keine Prüfung der Erforderlichkeit der Daten durch den Verfassungsschutz in dem Sinne, dass dieser prüft, ob überhaupt ein Anfangsverdacht vorliegt. Die Prüfung der Erforderlichkeit erfolgt vielmehr allein durch die Strafverfolgungsbehörde.349

B. Sonstige klassische Formen der Mitwirkung Für die klassischen (anlassbezogenen) Zusammenarbeitsformen, die im Rahmen dieser Arbeit herausgearbeitet worden sind350, sollen beispielhaft zwei nachrichtendienstliche Mitwirkungsformen herausgegriffen und auf ihre Vereinbarkeit mit dem Trennungsgebot überprüft werden: die Mitwirkung des Verfassungs-

von Sachverhalten“ (vgl. hierzu oben Dritter Teil: Fn. 299) wäre bezogen auf die Nachrichtendienste mit dem Trennungsgebot nicht vereinbar. 346 Zu dem Fragenkomplex von § 161 Abs. 2 StPO und Zufallsfunden vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 2. b). 347 Vgl. oben Vierter Teil: Kapitel 5 A. Widersprochen werden muss damit Ostheimer, S. 121, der in der Übermittlung von Zufallsfunden das Trennungsgebot zur bloßen Makulatur verkommen sieht. 348 Unberücksichtigt bleiben an dieser Stelle die bereichsspezifischen Geheimhaltungsvorschriften. 349 Zum Auskunftsersuchen vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 C. I. 2. 350 Hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 1 A.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

schutzes an strafverfahrensrechtlichen Observationen und die Mitwirkung an strafverfahrensrechtlichen Durchsuchungen. I. Mitwirkung an strafverfahrensrechtlichen Observationen In der Literatur werden die gemeinsame Durchführung von Observationen sowie die Beteiligung von Angehörigen des Verfassungsschutzes an strafverfahrensrechtlichen Observationen regelmäßig als zulässig erachtet:351 Es liege aufgrund einer bestehenden Befugnisparallelität kein Verstoß gegen das Trennungsgebot vor, sofern – vor dem Hintergrund des organisationsrechtlichen Trennungsgebots – die Durchführung der Maßnahme nicht unter einer gemeinsamen Leitung erfolge. Die Grenze der generellen Zulässigkeit liege (erst) in der Bildung einer „joint section“, etwa zur dauerhaften Observation einer Residentur eines ausländischen Nachrichtendienstes.352 Den Ausführungen ist im Grundsatz zuzustimmen sofern nur auf die Durchführung der Maßnahme selbst abgestellt wird. Weder ist zu befürchten, dass rein nachrichtendienstlich relevante (Vorfeld-)Daten den Strafverfolgungsbehörden zugänglich gemacht werden, noch, dass den Verfassungsschutzbehörden eine (mittelbare) Nutzung ihnen verwehrter polizeilicher Befugnisse gewährt wird. Gegen die formalen organisationsrechtlichen Grenzen wird nicht verstoßen, solange weder die Polizei dem Verfassungsschutz noch umgekehrt der Verfassungsschutz der Polizei bei der Durchführung des Einsatzes untergeordnet ist. – Anders stellt sich jedoch die Rechtslage dar, wenn z. B. aus Kosten- und Personalgründen ein Verfassungsschützer in Personalunion die Observation sowohl für den Verfassungsschutz als auch für die Strafverfolgungsbehörde durchführt.353 Bildlich gesprochen geht es dann nicht allein darum, ob in dem Überwachungsauto zwei Personen – ein Verfassungsschützer und ein Polizist – gemeinsam sitzen dürfen, sondern ob in dem Auto nur eine Person sitzen darf, die sowohl für den Verfassungsschutz als auch für die Polizei Observationsaufgaben wahrnimmt. In einer solchen Konstellation wäre das Trennungsgebot verletzt, wenn und weil ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zugleich und damit gleichrangig Straf351 Borgs/Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 130; Nehm, NJW 2004, 3289 (3294); Droste, Handbuch, S. 571; Baumann, DVBl. 2005, 798 (804). 352 Borgs/Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 130; ferner Droste, Handbuch, S. 571. Im Ergebnis ist diesen Ansichten wohl auch Schäfer, Gutachten, Rn. 354, zuzuordnen: „Maßnahmen von Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutz in demselben Ermittlungskomplex bedürfen aber auch aus rechtlichen Gründen der Abstimmung. [. . .] Übernimmt der Verfassungsschutz [. . .] im Rahmen eines gemeinsamen Vorgehens mit der Polizei einzelne Maßnahmen, die zugleich der Strafverfolgung dienen, darf die Leitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft nicht ausgehöhlt werden.“ 353 Die umgekehrte Konstellation – ein Strafverfolger fungiert in Doppelfunktion – bleibt hier unberücksichtigt, da dies in keinem Zusammenhang zum Untersuchungsgegenstand steht.

Kap. 6: Vereinbarkeit mit dem Ist-Zustand der Mitwirkungsmöglichkeiten

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verfolgungsaufgaben wahrnimmt. Erstens ist schon die Vereinbarkeit einer solchen Aufgabenwahrnehmung mit dem (formalen) Erfordernis der organisatorischen Trennung zwischen Verfassungsschutz und Polizei sehr zweifelhaft. Zweitens – und das ist der entscheidende Punkt – ist der funktionale Grundgedanke des Trennungsgebots betroffen: Es besteht die Gefahr, dass hierbei auch rein nachrichtendienstlich relevante Vorfelderkenntnisse in die Durchführung und Auswertung der Observation einfließen und den Strafverfolgungsbehörden zugänglich gemacht werden. II. Mitwirkung an strafverfahrensrechtlichen Durchsuchungen Bei der Mitwirkung an strafverfahrensrechtlichen Durchsuchungen stellen sich zwei Problemkomplexe: Zum einen stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem befugnisrechtlichen Trennungsgebot. Stehen dem Verfassungsschutz polizeiliche Befugnisse wie die Durchsuchung nicht zu (§ 8 Abs. 3 BVerfSchG), kann er sich diese auch nicht mittelbar über die Strafverfolgungsbehörden „verschaffen“. Von daher muss ausgeschlossen sein, dass der Verfassungsschutz entsprechende Situationen zu nachrichtendienstlichen Zwecken nutzen kann.354 Dies versucht die Praxis dadurch zu erreichen, dass die Angehörigen des Verfassungsschutzes als Sachverständige und damit mit ausschließlich strafprozessualer Funktion auftreten.355 Dahinter steht die folgende Überlegung356: So stehe den Verfassungsschützern aufgrund der dann bestehenden Weisungsunterworfenheit gegenüber den Strafverfolgungsbehörden kein Raum zur Verfügung, weitere eigenständige nachrichtendienstliche Interessen zu verfolgen. Ihre Tätigkeit sei allein darauf beschränkt, das sachverständig zu bewerten, was ihnen die Staatsanwaltschaft zum ausschließlichen Zwecke einer Klärung der strafprozessualen Verdachtslage zugänglich macht. – Bei (sehr) formaler Betrachtung ist mit diesem Vorgehen das befugnisrechtliche Trennungsgebot nicht verletzt. Doch darf nicht verkannt werden, dass es hier (wie im Grunde bei allen Formen der unmittelbaren Zusammenarbeit von Mitarbeitern aus unterschiedlichen Behörden) auch eine faktische Medaillenseite gibt. Denn selbst wenn der Verfassungsschützer nur in der Funktion eines Sachverständigen bei der Durchsuchung anwesend ist, so nimmt er gleichwohl die dabei wahrgenommenen Erkenntnisse mit in seine eigentliche nachrichtendienstliche Funktion „hinüber“. Auch kann der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes bei einer Durchsuchung über die rein strafprozessual relevanten Erkenntnisse hinaus Sachverhalte wahrnehmen, die von nachrichtendienstlicher Relevanz 354 Droste, Handbuch, S. 571 f. Auf die hier gegebene zwangsläufige Problematik weist auch Nehm, NJW 2004, 3289 (3294), hin. 355 Nehm, NJW 2004, 3289 (3294); Droste, Handbuch, S. 572. 356 Nehm, NJW 2004, 3289 (3294); ferner Droste, Handbuch, S. 572.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

sind.357 Ein Verstoß gegen den funktionalen Kern des Trennungsgebots liegt aber gleichwohl nicht vor, wenn und weil der Verfassungsschutz die polizeiliche Maßnahme weder auslösen noch inhaltlich steuern kann. Die polizeiliche Maßnahme selbst ist im Hinblick sowohl auf das „Ob“ als auch auf das „Wie“ der Durchführung weder durch nachrichtendienstliche Interessen noch durch nachrichtendienstliche Vorfelderkenntnisse beeinflusst. Ein nachrichtendienstlicher Exzess liegt insoweit nicht vor. Zum anderen stellt sich aber auch die Frage, inwieweit in diesen Konstellationen ein Exzess seitens der Strafverfolgungsbehörden vorliegt. Bei sämtlichen Formen der Zusammenarbeit ist auszuschließen, dass der Verfassungsschutz seine rein nachrichtendienstlich relevanten Vorfelderkenntnisse den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellt. Denn sonst kommt es zu der Kombination von Vorfelderkenntnissen und Zwangsbefugnissen innerhalb einer Behörde, die das Trennungsgebot verhindern will. So sind in den Formen der Zusammenarbeit, die auch personenbezogene Daten zum Inhalt haben, stets die Übermittlungsvorschriften mit zu beachten.

C. Institutionalisierte Formen der Zusammenarbeit Bei den modernen Formen der Zusammenarbeit ist der Blick zunächst auf die von den Strafverfolgungsbehörden und dem Verfassungsschutz gemeinsam genutzten Dateien zu richten (Antiterrordatei, projektbezogene gemeinsame Dateien, Rechtsextremismusdatei). Daran anschließend ist zu prüfen, inwieweit die neu errichteten örtlichen Zentren, die eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden ermöglichen sollen (Information- und Analysezentren, GTAZ, GASIM, GAR), mit dem Trennungsgebot vereinbar sind. I. Antiterrordatei Ob die Errichtung der Antiterrordatei gegen das Trennungsgebot verstößt, ist in der Literatur umstritten.358 Nach der hier verfolgten Konzeption ergibt sich 357

Nehm, NJW 2004, 3289 (3294). Einen Verstoß gegen das Trennungsgebot bejahen: Lisken/Denninger/Petri, HdbPolR, G Rn. 468; Stubenrauch, S. 214 ff.; Zöller, JZ 2007, 763 (770); Lang, S. 221 ff.; Stellungnahme Schaar, InnenA-Drs. 16(4)131 G, 5 ff. (Allgemein jede Form von planmäßiger Zusammenfügung von nachrichtendienstlichen und polizeilichen Daten ablehnend: Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 [877]; Stellungnahme Hilbrans, InnenA-Drs. 16(4)131 K, S. 3 f.) Verneinend hingegen: Klee, S. 151 ff.; Wolff/Scheffczyk, JA 2008, 81 (83 f.); Stellungnahme Möstl, InnenA-Drs. 16(4)131 A, S. 1 und 5; Stellungnahme Weber, InnenA-Drs. 16(4)131 E, S. 5; Stellungnahme Schmid, InnenA-Drs. 16(4)131 F neu, S. 2; Stellungnahme Ziercke, InnenA-Drs. 16(4)131 H, S. 2. Zweifelnd: Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (189): im Hinblick auf das Freitextfeld (Einspeisung von Daten, die nicht zur Erfüllung der Aufgaben sämtlicher beteiligter Behörden geeignet oder erforderlich ist); Stellungnahme Poscher, InnenA-Drs. 16(4)131 J, 358

Kap. 6: Vereinbarkeit mit dem Ist-Zustand der Mitwirkungsmöglichkeiten

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das Folgende: Die geschaffene Antiterrordatei verstößt nicht gegen das organisationsrechtliche Trennungsgebot. Zwar wird gem. § 1 Abs. 1 ATDG die Antiterrordatei beim BKA geführt. Doch bedeutet das keine organisatorische Anbindung. So obliegen in eigener Zuständigkeit und Verantwortung jeder teilnehmenden Behörde die Speicherung der Daten (§ 2 S. 1, § 4 Abs. 1 S. 2 ATDG), die Aufgaben des Quellenschutzes und die datenschutzrechtliche Verantwortung (§§ 4, 8 ATDG) sowie die Berichtigung, Löschung und Sperrung der Daten (§ 11 ATDG).359 Die bei einer Institutionalisierung geforderte Schaffung einer gesetzlichen Grundlage wurde mit dem ATDG jedenfalls in formaler Hinsicht gewahrt. Auch wenn in der Antiterrordatei seitens des Verfassungsschutzes rein nachrichtendienstlich relevante Vorfelddaten gespeichert werden (vgl. § 2, 3 ATDG)360, liegt darin allein noch keine für das Trennungsgebot relevante funktionelle Verschmelzung zwischen Verfassungsschutz und Polizei vor.361 Maßgebend ist vielmehr ein Folgeschritt in der Datenverarbeitung: Haben die Strafverfolgungsbehörden im Rahmen des Datenabrufs einen Zugriff auf diese Daten? Im Rahmen der Nutzung der Datei erhält jede abfragende Behörde im Falle eines Treffers die sog. Grunddaten und das Akten- bzw. Geschäftszeichen (von der Behörde, die über die Kenntnisse verfügt). Der Zugriff auf die erweiterten Grunddaten erfolgt jedoch nicht automatisiert. Stattdessen müssen die Daten erst durch die Behörde freigeschaltet werden, die die Daten in die Datei eingestellt hat. Die Anforderungen an die Freischaltung richten sich nach den jeweils geltenden Übermittlungsvorschriften.362 Der automatisierte Zugriff auf die Grunddaten verstößt gegen das Trennungsgebot363: Auch wenn die Nutzung der in der Antiterrordatei gespeicherten Daten

S. 3 ff.: im Hinblick auf die Aufnahme von Befürwortern und Kontaktpersonen in die Antiterrordatei; Stellungnahme Hilgendorf, InnenA-Drs. 16(4)131 B, S. 3: im Hinblick auf den Eilfall in § 5 Abs. 2 ATDG. 359 So auch Stubenrauch, S. 214 f.; im Ergebnis ebenso Klee, S. 152. 360 Zu den erfassten Personen und Objekten vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 1.; sowie zum Speicherinhalt vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 2. 361 Anders hingegen Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (189), im Hinblick auf das Freitextfeld (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b Doppelbuchst. rr ATDG) in das auch solche Daten eingespeist werden könnten, die nicht zur Erfüllung der Aufgaben sämtlicher beteiligter Behörden geeignet oder erforderlich seien. Poscher, InnenA-Drs. 16(4)131 J, S. 3 ff., zweifelt in seiner Stellungnahme an einer Vereinbarkeit mit dem Trennungsgebot im Hinblick auf die Aufnahme von Befürwortern und Kontaktpersonen in die Antiterrordatei (Gefahr einer Gesinnungsdatei, Verwendung solcher Daten für die Polizei nicht verständlich). Ebenso bereits auf der Ebene der Dateneingabe einen Verstoß gegen das Trennungsgebot annehmend: Stellungnahme Schaar, InnenA-Drs. 16(4)131 G, S. 5 ff. 362 Vgl. zur Antiterrordatei ausführlich oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. An dieser Stelle unberücksichtigt bleibt die Modalität der unmittelbaren Abfrage der erweiterten Grunddaten im Eilfall, denn diese Möglichkeit besteht nur zu präventiven Zwecken und gerade nicht zum Zwecke der Strafverfolgung (§ 5 Abs. 2 S. 1 ATDG). 363 Im Ergebnis ebenso (wenn auch mit anderer Begründung) Stubenrauch, S. 218.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

unter der Voraussetzung steht, dass dies zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich ist (§ 5 Abs. 1 ATDG), so kann im Moment des Datenabrufs noch nicht feststehen, ob auch die konkret abgerufenen Grunddaten erforderlich sind. Hierzu müssen die entsprechenden Daten zunächst durch den Abrufenden geprüft werden (vgl. hierzu die Verwendungsregelung in § 6 ATDG). Entsprechend besteht die Möglichkeit, dass die Strafverfolgungsbehörde auch von rein nachrichtendienstlich relevanten Daten Kenntnis erlangt. Zwar betrifft dies (zunächst) nur die Grunddaten, doch führt auch das bereits zu einer Verletzung des Trennungsgebots. Die Strafverfolgungsbehörde erhält über rein nachrichtendienstlich relevante Daten Kenntnis. Ob sie mit diesen Daten etwas anfangen kann, ist unerheblich. Dass der Abrufende in der weiteren Verwendung der abgerufenen Grunddaten beschränkt ist (§ 6 ATDG), ist irrelevant, weil der Vorgang der Kenntnisnahme durch nachträgliche Verwendungsbeschränkungen nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Im Hinblick auf den Abruf der erweiterten Grunddaten stellen sich mehrere Probleme. Zwar ist das gesetzgeberische Bemühen zu erkennen, einen ungehinderten Zugriff auf rein nachrichtendienstlich relevante Daten durch Polizei- bzw. Strafverfolgungsbehörden zu verhindern. Jedoch ist die Ausgestaltung vor dem Hintergrund des Trennungsgebots nur unzureichend erfolgt. Zum einen erfolgt die Abfrage nach den Regelungen des Auskunftsersuchens, also wiederum nach § 161 Abs. 1 S. 1 und § 163 Abs. 1 S. 2 StPO. Dies genügt jedoch – wie bereits bei der Übermittlung einzelfallbezogener Informationen ausgeführt364 – nicht den Anforderungen des Trennungsgebots.365 Zum anderen stellt sich die Frage, ob das Antiterrordateiengesetz als solches den Anforderungen gerecht wird, die an ein Gesetz zur Regelung institutionalisierter Zusammenarbeit zu stellen sind. So lassen sich bei den erweiterten Grunddaten über das Freitextfeld (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b Doppelbuchst. rr ATDG) de facto enorme Mengen an Daten einstellen. Sie werden eingestellt, um für einen Abruf bereitzustehen. Zwar muss vor einer Übermittlung der Verfassungsschutz das Vorliegen der Übermittlungsvoraussetzungen prüfen. Doch wie sorgfältig kann und wird dies bei zumindest

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Oben Vierter Teil: Kapitel 6 A. Einen Verstoß gegen das Trennungsgebot ebenfalls, wenngleich mit anderer Begründung annehmend: Stubenrauch, S. 218, die in der hier vorgenommenen Interpretation von Erforderlichkeit in den Übermittlungsnormen der §§ 18 ff. BVerfSchG, die auch die Prüfung der strafverfahrensrechtlichen Verwendbarkeit mit einbezieht, eine unübliche restriktive verfassungskonforme Auslegungsform erblickt (die vom Gesetzgeber selbst nicht bedacht worden sei) und eben wegen des so begründeten Ausnahmestandes einen Verstoß gegen das Trennungsgebot begründet. Nach Lisken/Denninger/Petri, HdbPolR, G Rn. 468, liegt durch die Zuschaltung der erweiterten Grunddaten ein Verstoß gegen das Trennungsgebot vor. Eine Datenübermittlung dürfe nur erfolgen, wenn der Empfänger die Daten selbst zulässig hätte erheben dürfen; ähnlich wohl Zöller, JZ 2007, 763 (770). 365

Kap. 6: Vereinbarkeit mit dem Ist-Zustand der Mitwirkungsmöglichkeiten

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großen Mengen bereits „versandfertig“ eingespeister Daten erfolgen? Diese Frage beantwortet das Gesetz nicht. Insgesamt zeigt das Gesetz nicht genügend Antworten auf die Frage, wie die Möglichkeit eines Exzesses durch einen Teilnehmer an der Verbunddatei wirksam ausgeschlossen ist. Ein weiteres Beispiel hierfür bietet die Tatsache, dass die Nutzung der Datenbank davon abhängig ist, dass sie zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben zur Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus erforderlich ist. Das aber prüft allein der jeweilige Verbundteilnehmer allein.366 II. Gemeinsame Projektdateien Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen zur Institutionalisierung der Zusammenarbeit ist für die gemeinsamen Projektdateien im Hinblick auf die nachrichtendienstliche Mitwirkung im Strafverfahren festzustellen: Ein Verstoß gegen das organisationsrechtliche Trennungsgebot liegt nicht vor. Trotz der Schaffung der Projektdatei, die entweder bei BfV, BKA oder BND eingerichtet wird, obliegen jeder teilnehmenden Behörde in eigener Zuständigkeit und Verantwortung die Einspeicherung der Daten, die Aufgaben des Quellenschutzes und die datenschutzrechtliche Verantwortung sowie die Berichtigung, Löschung und Sperrung der Daten (vgl. z. B. § 22a Abs. 2, 3 und 5 BVerfSchG).367 Auch wurde die bei einer Institutionalisierung der Zusammenarbeit zu fordernde Schaffung einer gesetzlichen Grundlage jedenfalls in formaler Hinsicht gewahrt.368 Die gemeinsamen Projektdateien führen nur dann zu keinem funktionalen Verstoß gegen das Trennungsgebot, wenn sichergestellt ist, dass die Strafverfolgungsbehörden keinen Zugriff auf allein nachrichtendienstlich relevante Daten (Vorfelddaten) haben. Mit anderen Worten: Sie dürfen nur auf solche Daten Zugriff haben, die auch für sie verwendbar sind. Im Unterschied zur Antiterrordatei sieht die gemeinsame Projektdatei vor, dass nur solche Daten aufzunehmen sind, die auch allen an der Projektdatei teilnehmenden Behörden übermittelt werden dürfen (vgl. z. B. § 22a Abs. 2 S. 1 BVerfSchG). Damit richtet sich die Dateneinspeisung durch das BfV nach den §§ 18 ff. BVerfSchG (und nicht nach § 161 Abs. 1 S. 1 und § 163 Abs. 1 S. 2 StPO). Aufgrund der bereits zu den §§ 18 ff. BVerfSchG durchgeführten Prüfung steht fest, dass grundsätzlich kein Verstoß gegen das Trennungsgebot vorliegt, eben weil die §§ 18 ff. BVerfSchG durch die 366 Das Problem des möglichen Exzesses zwischen den Teilnehmern an institutionalisierten Arbeitskreisen stellt für viele Kritiker der Institutionalisierung offenbar eine Hauptsorge dar; vgl. etwa Zöller, JZ 2007, 763 (770). 367 Vgl. Stubenrauch, S. 214 f.; im Ergebnis ebenso Klee, S. 152. 368 Zu den gesetzlichen Regelungen der gemeinsamen Projektdateien vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. II.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

Erforderlichkeitsklausel eine Übermittlung nur zulassen, wenn die Daten auch für den Empfänger verwendbar sind. Die Einspeisung von Daten bloßer – nachrichtendienstlich relevanter – Kontaktpersonen ist unzulässig.369 Ist formal damit das Trennungsgebot nicht verletzt, bestehen in tatsächlicher Hinsicht Bedenken, was sich aus der Kombination zweier Besonderheiten der gemeinsamen Projektdateien ergibt.370 Die Projektdateien sind als Volltextdateien angelegt, d.h., es gibt keinen von vornherein limitierten Datenkatalog. Vorstellbar ist also, dass umfangreiche Daten auch durch den Verfassungsschutz in eine Projektdatei des BKA eingespeist werden. Nun muss bereits im Moment der Dateneingabe hinsichtlich jeden Datums das geprüft werden, was sonst im Einzelfall auf eine konkrete Anfrage hin eigenständig geprüft wird, nämlich ob die Voraussetzungen für eine Übermittlung gem. §§ 18 ff. BVerfSchG vorliegen. Besonders bei der Eingabe von umfangreichen Daten stellt sich die Frage, ob wirklich sichergestellt werden kann, dass nur solche Daten aufgenommen werden, die auch übermittelt werden können.371 Doch hierauf liefern die gesetzlichen Grundlagen für die gemeinsamen Projektdateien keine Antwort. Aber hierzu hätte es einer Regelung bedurft, rücken doch gerade auch in dieser Hinsicht die über das Trennungsgebot voneinander getrennten Behörden zusammen. Die klassischen Übermittlungsvorschriften, auf die zurückzugreifen ist, sind für die anlassbezogene, einzelfallorientierte Übermittlung entwickelt worden und gerade nicht für den Informationsaustausch mittels gemeinsamer Projektdateien. Von daher verstößt die gegenwärtige Ausgestaltung der Projektdateien gegen das Trennungsgebot. III. Rechtsextremismusdatei Die bei der Antiterrordatei herausgearbeiteten Punkte gelten gleichermaßen auch bei der Rechtsextremismusdatei. Im Hinblick auf die der Rechtsextremismusdatei zusätzlich eingeräumte Analysefunktion (§ 7 RED-G) ist das Folgende festzuhalten. Ein pauschaler Verweis auf die Ausführungen zu den gemeinsamen Projektdateien nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz372 verbietet sich aufgrund der herausgearbeiteten erheblichen Unterschiede zwischen den beiden Formen von gemeinsamen Projektda369 Andere Ansicht Stellungnahme Roggan/Bergemann, InnenA-Drs. 16(4)131 D, S. 18: Die Regelungen zum Datenaustausch enthalten keinen Maßstab für einen Verdachtsgrad. Durch den so ermöglichten Austausch von Vorfelderkenntnissen könnten auch solche Personen betroffen sein, „die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, insbesondere Kontaktpersonen.“ 370 Keinen Verstoß gegen das Trennungsgebot annehmend: Klee, S. 164 ff. 371 Kritisch zu diesen Phänomenen – wenngleich nicht auf das Trennungsgebot bezogen – die Stellungnahmen von Roggan/Bergemann, InnenA-Drs. 16(4)131 D, S. 18 f., und Geiger, InnenA-Drs. 16(4)131 I, S. 14 ff. 372 Vgl. oben Vierter Teil: Kapitel 6 C. II.

Kap. 6: Vereinbarkeit mit dem Ist-Zustand der Mitwirkungsmöglichkeiten

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teien.373 Vielmehr stellt sich hier die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem funktionellen Trennungsgebot vor dem Hintergrund, dass es den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht wird, nach kriminaltaktischen Suchkriterien eine mit – auch – nachrichtendienstlichen Daten gespeisten Datei analytisch zu nutzen. Dabei ist insbesondere hervorzuheben, dass die Daten überhaupt nicht primär zu Zwecken einer solchen Projektnutzung in die Datei eingestellt worden sind, sondern zu Zwecken der qualifizierten Kontaktanbahnung einschließlich Fundstellennachweis. Dass bedeutet, dass der Verfassungsschutz überhaupt nicht geprüft hat, ob und inwiefern die Daten eine strafverfahrensrechtliche Relevanz besitzen und die Daten auch nicht zu diesen Zwecken primär eingestellt hat. Gleichwohl kann zur analytischen Suche auf die gesamte Datei zugegriffen werden. Zwar erhalten die Strafverfolgungsbehörden zunächst „nur“ die Grunddaten (sofern diese offen sind). Aber gleichwohl werden bei einer strafverfahrensrechtlichen Ermittlung sämtliche nachrichtendienstliche Daten zur Filterung mit genutzt. Entscheidend ist, dass damit auch nachrichtendienstliche – im Rahmen der Vorfeldaufklärung erhobene und allein dessen Aufklärung dienenden – Daten zur kriminaltaktischen Filterung mit zur Verfügung stehen. Damit aber tritt auf elektronischem Wege eine Verschmelzung von Nachrichtendienst und Polizei ein. Der Nachrichtendienst stellt mittelbar sämtliche seiner in der Rechtsextremismusdatei eingespeisten Daten den Strafverfolgungsbehörden zur elektronischen kriminaltaktischen Analyse zur Verfügung. Von daher ist die Frage nach einem – weiteren – Verstoß gegen das funktionelle Trennungsgebot zu bejahen.374 Darüber hinaus werden die unzureichenden gesetzlichen Regelungen über die Funktionsweise der Rechtsextremismusdatei als Analysefunktion ebenfalls den Anforderungen an das Trennungsgebot nicht gerecht.375 IV. Informations- und Analysezentren Bislang wurde der Blick bei der Überprüfung von Antiterrordatei, gemeinsamer Projektdatei sowie Rechtsextremismusdatei im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Trennungsgebot allein darauf gerichtet, ob und wie bereits vorhandene nachrichtendienstliche Daten an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden dürfen und ob die sich hierzu aus dem Trennungsgebot ergebenden Anforderungen in den gesetzlichen Regelungen zu den Dateien wiederfinden. Dies 373 Zu den Unterschieden vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 F. VI. (insbesondere Dritter Teil: Kapitel 2 F. VI. 2.). 374 Ebenfalls kritisch im Hinblick auf die Vereinbarkeit von § 7 RED-G mit dem Trennungsgebot äußern sich in ihren Stellungnahmen Hilbrans, InnenA-Drs. 17(4)460 F neu, S. 5 f.; Roggan, InnenA-Drs. 17(4)460 C, S. 7; Wolff, InnenA-Drs. 17(4)460 B, S. 4 f. Keinen Verstoß gegen das Trennungsgebot sieht hingegen offenbar Stellungnahme Kugelmann, InnenA-Drs. 17(4)460 H, S. 2 und 5 f. 375 Zu den unzureichenden gesetzlichen Regelungen vgl. bereits oben Dritter Teil: Kapitel 2 F. VI. 3.

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

kann als eine abstrakte oder technische Analyse charakterisiert werden. Im Folgenden ändert sich die Blickrichtung. In den Zentren (Informations- und Analysezentren, GTAZ376, GASIM, GETZ) fanden und finden gemeinsame Analysen und Besprechungen zwischen Mitarbeitern u. a. von BfV und BKA statt. Erfolgten solche Zusammenkünfte zunächst nur anlassbezogen (Koordinierungs- und Informationsgruppen), gibt es sie nunmehr auch als permanent bestehende Einrichtung (GTAZ, GASIM, GETZ).377 Kennzeichen sämtlicher Zentren ist, dass sie ohne eigenständige gesetzliche Grundlage geschaffen worden sind. Das formale organisatorische Trennungsgebot ist dabei nicht verletzt378: Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutz bleiben eigenständig. In den Zentren hat keine teilnehmende Behörde gegenüber der anderen ein Kontroll- oder Weisungsrecht. Auch haben die beteiligten Behörden keine gesetzliche Aufgabenerweiterung erfahren. Fraglich ist jedoch, ob die erfolgte Institutionalisierung mit dem funktionalen Trennungsgebot vereinbar ist. Der Anlass der Zentren-Bildung spricht zunächst solange nicht dagegen, als die Schlagworte hierzu lauten: Verbesserung des Informationsaustausches und des Informationsmanagements. Aufhorchen lässt aber die Äußerung von Klaus Ulrich Kersten, der als damaliger BKA-Präsident zu den Informations- und Analyseboards ausführte: „[E]s gehe darum, angesichts verschiedener Informationsinseln Kooperationsformen auszubilden, die ein inselübergreifendes Denken und Handeln zulassen.“ 379 So geht es in den polizeilicherseits eingerichteten Zentren u. a. auch darum, dass die an den Zentren beteiligten Behörden ihre kriminalpolizeilich relevanten Informationen – fall- und projektabhängig – an einem Tisch zusammentragen. Keinesfalls werden nur abstrakte Lagebilder erstellt und erörtert. Im Hinblick auf den Austausch von Informationen richtet sich dies, mangels eigener Regelung, nach den klassischen Vorschriften zur Datenübermittlung. Es kann von daher auf die bereits erfolgten Ausführungen verwiesen werden. Die dortigen Bedenken und Defizite greifen auch hier. Diese Bedenken werden durch folgende Überlegungen weiter verstärkt: Sie konzentrieren sich auf die nicht mehr nur anlassbezogenen, sondern permanent eingerichteten Zentren, in denen die Mitarbeiter der verschiedenen Behörden regelmäßig aufeinandertreffen. Wie ist sichergestellt, dass die dort agierenden Mitarbeiter die gesetzlichen Übermittlungsgrenzen nicht jenseits des offiziellen 376 Die Ausführungen zum GTAZ lassen sich auch auf das Gemeinsame Internetzentrum übertragen. 377 Zu den institutionalisierten Zusammenarbeitsformen vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 1 B. 378 Eine ausführliche Prüfung der organisatorischen Trennung im GTAZ unternimmt – zum gleichen Ergebnis kommend – Baumann, DVBl. 2005, 798 (804 f.). 379 Kersten, S. 59 (64).

Kap. 6: Vereinbarkeit mit dem Ist-Zustand der Mitwirkungsmöglichkeiten

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Dienstweges übermitteln? Wie können überhaupt bei einem Informationsaustausch im unmittelbaren persönlichen Kontakt die differenzierenden Übermittlungsregelungen eingehalten werden? Wie ist sichergestellt, dass die Nachrichtendienste strafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht (auch) zu rein nachrichtendienstlichen Zwecken initiieren bzw. steuern (lassen) können? Die Fragen stellen sich z. B. vor dem Hintergrund, dass sich im GTAZ in der polizeilichen Analysestelle (PIAS) Vertreter u. a. von BKA und BfV in der Arbeitsgruppe Operativer Informationsaustausch dreimal wöchentlich380 zur Identifizierung von Ermittlungsansätzen und zur Abstimmung operativer Maßnahmen zusammenfinden.381 Die aufgeworfenen Fragen können mangels Wissens nicht geklärt werden. Die Bundesregierung begründet ihre restriktive Informationspolitik regelmäßig damit, dass eine „öffentliche Darstellung [. . .] operativer, taktischer oder strategischer Überlegungen der Sicherheitsbehörden [. . .] die Wirksamkeit der Bekämpfungsmaßnahmen wesentlich beeinträchtigen würde“ und den beteiligten Behörden gerade keine neuen Aufgaben oder Befugnisse zugestanden worden sind.382 In der fehlenden Transparenz liegen aber das Problem und zugleich der Verstoß gegen das Trennungsgebot.383 Denn danach bedürfen sämtliche Formen der institutionalisierten Zusammenarbeit einer gesetzlichen Regelung.

D. Ergebnis Die erfolgte Untersuchung nach der Vereinbarkeit der gegenwärtig möglichen Formen der Mitwirkung des Verfassungsschutzes in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren mit den Grundsätzen des Trennungsgebots führt zu den folgenden Ergebnissen: • Die Regelungen zur einzelfallbezogenen spontanen Übermittlung von Informationen durch das BfV an die Strafverfolgungsbehörden verstoßen nicht gegen das Trennungsgebot.384 Übermittlungen aufgrund eines Auskunftsersuchens 380

Stand 2005. Zum GTAZ vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 1 B. III. Entsprechendes fragt sich auch für GASIM (vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 1 B. IV.) Forum 7: Operative Maßnahmen im Zusammenhang mit Illegaler Migration. 382 Vgl. z. B. BT-Drs. 13/1117, S. 2. 383 Auf die Problematik der Sicherstellung der Einhaltung von Übermittlungsvorschriften bei persönlichem Kontakt geht auch Gusy, Jahrbuch 2008/09, S. 177 (188), ein, ohne jedoch eine gesetzliche Regelung zu fordern; kritisch ferner Zöller, JZ 2007, 763 (767). Keinen Verstoß gegen das Trennungsgebot nehmen im Hinblick auf die institutionalisierten Formen der Zusammenarbeit an: Klee, S. 112 ff.; Baumann, DVBl. 2005, 798 (805) (im Hinblick auf das GTAZ). 384 Das liegt vor allem darin begründet, dass im Zuge datenschutzrechtlicher Entwicklungen die Nachrichtendienste Übermittlungsbefugnisse erhalten haben, die (spätestens aufgrund des Kriteriums Erforderlichkeit) eine Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden erst zulassen, wenn die Daten auch strafverfahrensrechtlich verwendbar sind, mithin im Regelfall ein strafrechtlicher Anfangsverdacht vorliegt. Das Trennungs381

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

durch die Strafverfolgungsbehörden verstoßen jedoch gegen das Trennungsgebot, als dass die Prüfung der Erforderlichkeit vor Übermittlung nicht stets auch in den Händen des Verfassungsschutzes liegt. • Klassische Formen der Mitwirkung (jenseits der Informationsübermittlung) wie die Beteiligung des Verfassungsschutzes an strafverfahrensrechtlichen Observationen oder Durchsuchungen stehen grundsätzlich nicht im Widerspruch zum Trennungsgebot. Die Grenze bildet das Erlangen von rein nachrichtendienstlich relevanten Vorfelderkenntnissen. • Die Antiterrordatei und die Rechtsextremismusdatei verstoßen im Hinblick auf den automatisierten Zugriff auf die Grunddaten durch die Strafverfolgungsbehörden gegen das Trennungsgebot, da diese so auch von rein nachrichtendienstlich relevanten Vorfelddaten Kenntnis erlangen können. In dem ermöglichten Zugriff auf die erweiterten Grunddaten liegt ein Verstoß gegen das Trennungsgebot, als dass sich dieser nach den Übermittlungsvorschriften zum Auskunftsverlangen der Strafverfolgungsbehörden richtet. Darüber hinaus werden das ATDG und das RED-G den Anforderungen, die an ein Gesetz zur institutionalisierten Zusammenarbeit zu stellen sind, nicht gerecht. So hätte insbesondere die Frage, wie über die Eingabe von unbegrenzt vielen Daten in das Freitextfeld die Einhaltung der Übermittlungsvorschriften sichergestellt werden soll, einer Antwort bedurft. • Die gesetzlichen Regelungen zur Schaffung gemeinsamer Projektdateien genügen ebenfalls nicht den Anforderungen, die an ein Gesetz zur institutionalisierten Zusammenarbeit zu stellen sind. So ist es nicht ausreichend, für die Übermittlung von Informationen auf die tradierten einzelfallbezogenen Datenübermittlungsvorschriften zu verweisen. • Die in der Rechtsextremismusdatei über § 7 RED-G (Projektdatei) eingeführte Möglichkeit der analytischen Nutzung der vorhandenen Datenbestände verstoßen vor dem Hintergrund, dass damit eine kriminaltaktische Analyse von nachrichtendienstlichen Daten durch Strafverfolgungsbehörden vorgenommen werden kann, gegen das Trennungsgebot, als dass die Daten gerade nicht zum primären Zweck der Strafverfolgung gesichtet und eingespeist worden sind. Darüber hinaus sind die gesetzlichen Regelungen für die Gestaltung und den Ablauf der Projektnutzung unzureichend. • Die Informations- und Analysezentren sowie GTAZ, GASIM und GETZ verstoßen insoweit gegen das Trennungsgebot, als sie einer gesetzlichen Regelung bedürfen, die nicht erfolgt ist. gebot und das datenschutzrechtliche Kriterium der Zweckbindung verfolgen insoweit parallele Ziele; so auch Stubenrauch, S. 128. Dabei ist dem grundrechtlichen Zweckbindungsgrundsatz gegenüber dem Trennungsgebot eine größere Begrenzungswirkung zuzusprechen; ebenso im Ergebnis Stubenrauch, S. 128; Albers, S. 229; Gärditz, Strafprozeß und Prävention, S. 418 f.

Kap. 7: Verfassungsrang des Trennungsgebots

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Kapitel 7

Verfassungsrang des Trennungsgebots Ob dem Trennungsgebot auf Bundesebene ein Verfassungsrang zukommt, ist in der Literatur – noch immer – lebhaft umstritten.385 Selbst hinsichtlich der Frage, welche Ansicht hierbei als die herrschende zu gelten hat, besteht Uneinigkeit.386 Die Rechtsprechung hat (soweit ersichtlich387) bislang konkrete Aussagen zu Rang und Reichweite eines Trennungsgebots weitgehend vermieden. Das gilt zunächst für die ordentlichen wie die Verwaltungsgerichte.388 Auch das BVerfG 385 Einen Verfassungsrang des Trennungsgebot bejahen: MD/Ibler, GG, Art. 87 Rn. 143; Isensee/Kirchhof/Götz, HdbStR, § 79 Rn. 43; Bull, S. 133 (149 f.): unter Berufung auf den Polizeibrief und dem Genehmigungsschreiben der Alliierten zum Grundgesetz; Gusy, ZRP 1987, 45 (45 ff.); Zöller, Informationssysteme, S. 318; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 223; Hefendehl, GA 2011, 209 (218 und 225): Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips; Stubenrauch, S. 27 ff.; Lang, S. 141 ff. (169); Wittmoser, S. 69 ff.; Schafranek, S. 168 ff.; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 223; Albers, S. 222 ff.; Ostheimer, S. 69 ff.; Kutscha, HdbIS, S. 23 (80); Schapper, DRiZ 1987, 221 (223); Sachs/ Sachs, GG, Art. 87 Rn. 45; wohl auch Schünemann, NStZ 2008, 305 (306): der in dem „Trennungsgebot eine besonders markante Ausprägung des spezifisch deutschen Rechtsstaatsprinzips“ sieht und Soria, S. 359 (362 ff. [365]): das „Trennungsgebot ist [. . .] als Ausprägung des Rechtsstaats mehr als ein besonderes Organisationsprinzip“. Der Annahme eines Verfassungsrangs zugeneigt Möstl, Staatliche Garantie, S. 411; Wolff/Scheffczyk, JA 2008, 81 (84); Roggan/Bergemann, NJW 2007, 876 (876); Paeffgen/Gärditz, KritV 2000, 65 (67). An einen Verfassungsrang äußern Zweifel: Scholz/ Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung, S. 186; Gärditz, Strafprozeß und Prävention, S. 416. Bestritten wird der Verfassungsrang hingegen von: Jarass/Pieroth, Art. 87 Rn. 7; BK/Werthebach/Droste, GG, Art. 73 Nr. 10 Rn. 233 ff.; Droste, Handbuch, S. 14 ff.; König, S. 195 f.; Roewer, Nachrichtendienstrecht, § 3 BVerfSchG Rn. 187 ff.; Albert, ZRP 1995, 105 (108); Baumann, DVBl. 2005, 798 (803); Hirsch, S. 91 f.; Singer, S. 92 ff.; Klee, S. 48 ff.; Haedge, S. 131; Streiß, S. 153 ff. (164); Middel, S. 74. Ronellenfitsch, S. 71 (74 ff., 84 ff.), lehnt einen spezifischen eigenen Verfassungsrang ab und leitet ein Trennungsgebot aus dem Zweckbindungsgebot des grundrechtlichen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung her. Hiervon ausgehend fordert er eine Ersetzung des Trennungsgebots durch das Trennungsprinzip. Nehm, NJW 2004, 3289 (3292): der jedoch dem Trennungsgebot einen besonderen Rang einräumt, „dem sich die demokratischen Kräfte übereinstimmend verpflichtet fühlen.“ Im Sinne von Nehm ist wohl auch Rödder, S. 128 ff. (137), zu verstehen. Auch Ziercke, Kriminalistik 2002, 346 (348), sieht in dem Trennungsgebot eine „wesentliche Errungenschaft unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates“. Für Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 377, ist jedenfalls unbestreitbar, „dass das Trennungsgebot staatliche Macht vor ihrer vollständigen Entfesselung bewahrt.“ 386 Nach Schafranek, S. 167, und Wolff/Scheffczyk, JA 2008, 81 (84), geht die herrschende Meinung von einem Verfassungsrang aus. Nach Baumann, FS Posser, S. 299 (302), hingegen vertritt die herrschende Meinung das Gegenteil. 387 Eine Unvollständigkeit der Analyse ergibt sich schon allein daraus, dass die Entscheidungen in Staatsschutzstrafsachen regelmäßig nicht veröffentlicht werden. 388 Eine Ausnahme hierzu stellt die – isoliert und in der Literatur weitgehend unreflektiert gebliebene – Entscheidung des VG Köln vom 6.9.1984 (GewArch 1985, 330 f.) dar. In dem Urteil negierte das Gericht eine Befugnis zur Erteilung bzw. Widerruf einer Verschlusssachenermächtigung auf Grundlage des BVerfSchG und stellte hierbei insbe-

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

hat konkrete Aussagen bislang vermieden. Angesprochen hat das BVerfG das Trennungsgebot bislang in drei Entscheidungen389 und hierbei zumindest in einer Entscheidung mit dem Gedanken des Verfassungsrangs des Trennungsgebots sympathisiert, indem es ausführte: „Das Rechtsstaatsprinzip, das Bundesstaatsprinzip und der Schutz der Grundrechte können es verbieten, bestimmte Behörden miteinander zu verschmelzen oder sie mit Aufgaben zu befassen, die mit ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabenstellung nicht vereinbar sind. So werden die Zentralstellen für Zwecke des Verfassungsschutzes oder des Nachrichtendienstes – angesichts deren andersartiger Aufgaben und Befugnisse – nicht mit einer Vollzugsbehörde zusammengelegt werden dürfen (vgl. schon ,Polizeibrief‘ der westalliierten Militärgouverneure vom 14. April 1949).“ 390

In seiner jüngsten Entscheidung391 hierzu, dem Nichtannahmebeschluss der Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung einer Wohnraumdurchsuchung wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, der sich u. a. auf die Auswertung von Bankdaten aus Liechtenstein gründete, die den Strafverfolgungsbehörden unter Zwischenschaltung des BND zugespielt worden ist,392 hat das BVerfG zwar ohne Weiteres den geltend gemachten Verstoß gegen das Trennungsgebot aufgegriffen und einen solchen Verstoß auch geprüft.393 Doch kann allein deswegen nicht davon ausgegangen werden, dass das BVerfG nunmehr einen Verfassungsrang annimmt. Das schon deshalb nicht, weil das BVerfG vorliegend einen Verstoß gegen das Trennungsgebot im Ergebnis verneint hat.394 Darüber hinaus hätte bei einer entsprechenden Annahme eines Verfassungsrangs das BVerfG mit Sicherheit eine deutliche Bezugnahme zu seinen bisherigen Stellungnahmen zum Verfassungsrang hergestellt. Gegen einige der jüngsten Schritte der Annäherung wurden Verfassungsbeschwerden eingelegt: die Schaffung des ATDG sowie die Erweiterung des BKAG um den Bereich der Gefahrenabwehr.395 Über die Verfassungsmäßigkeit des

sondere auf die vom Verfassungsgeber gewollte Trennung von Informations- und Exekutivfunktion ab. 389 BVerfGE 97, 198 (217) – (Beschluss vom 28.1.1998, sog. BundesgrenzschutzEntscheidung); BVerfGE 100, 313 (369 f.) – (Urteil vom 14.7.1999, sog. dritte G-10 Entscheidung); BVerfG NJW 2011, 2417 (2420) – (Beschluss vom 9.11.2011). 390 BVerfGE 97, 198 (217). Wittmoser, S. 68, will m.w. N. aus dieser Passage folgern, dass das BVerfG ein Trennungsgebot grundsätzlich anerkannt und nur seine genaue Reichweite offen gelassen hat. 391 BVerfG Beschluss vom 9.11.2011, NJW 2011, 2417. 392 Vgl. hierzu bereits die Nachweise oben Erster Teil: in Fn. 13. 393 BVerfG Beschluss vom 9.11.2011, NJW 2011, 2417 (2420). 394 BVerfG NJW 2011, 2417 (2420). In seiner Urteilsanmerkung hat Wohlers, JZ 2011, 252 ff. (253), die Frage Rund um das Trennungsgebots ausgeschlossen, da im Komplex ,Ankauf von Steuer-CDs‘ dieser Umstand keine Wiederholung erwarten lässt. 395 Die Verfassungsbeschwerden gegen das BKAG tragen die Aktenzeichen 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09.

Kap. 7: Verfassungsrang des Trennungsgebots

327

ATDG hat das BVerfG396 im April 2013 entschieden. Zum Trennungsgebot hat das Gericht keine Ausführungen gemacht.397 Ob das BVerfG in der noch ausstehenden Entscheidung zum BKAG oder in der von einem Angeklagten im laufenden sog. NSU-Prozess vor dem OLG München jüngst eingereichten Verfassungsbeschwerde398 gegen Übermittlungsvorschriften des BfV an die Strafverfolgungsbehörden die Gelegenheit nutzen wird, um über Verfassungsrang und – sollte es einen solchen bejahen – Reichweite des Trennungsgebots ausdrücklich zu entscheiden, bleibt abzuwarten. Auch die Verfassungsgerichte der Länder haben sich bisher zurückgehalten.399 Eine Ausnahme stellt hier der SächsVerfGH dar, der sich bereits in zwei Entscheidungen mit dem Trennungsgebot auf Landesebene auseinandergesetzt hat.400 Allerdings hat in der sächsischen Verfassung das Trennungsgebot eine ausdrückliche Normierung erfahren (vgl. Art. 83 Abs. 3 S. 1 SächsVerf.). Fest steht, ein ausdrücklicher positiv formulierter Niederschlag des Trennungsgebots entsprechend dem einfachgesetzlich normierten Trennungsgebot findet sich im Grundgesetz nicht.401 Wie aufgezeigt, ist das Trennungsgebot aber unmittelbar auf den Polizeibrief vom 14. April 1949 rückführbar402 und auf diesen wiederum nahm das Genehmigungsschreiben der Alliierten Militärgouverneure zum Grundgesetz (,Letter of Approval‘ vom 12. Mai 1949) Bezug.403 Von daher 396

BVerfGE 133, 277. Hierzu unten Sechster Teil. 398 1 BvR 2354/13; hierzu BT-Drs. 18/2921, S. 3. 399 Vgl. König, S. 123 ff., und Gusy, Jahrbuch 2008/09, S. 177 (178). 400 Zum einen ging es um die Erweiterung der Polizeibefugnisse um klassische nachrichtendienstliche Befugnisse wie den Einsatz von Verdeckten Ermittlern. Hierin sah das Gericht keinen Verstoß gegen das Trennungsgebot als solches; SächsVerfGH LKV 1996, 273 (289). Zum anderen ging es um die Erweiterung des Beobachtungsauftrags des LfV um das Feld der Organisierten Kriminalität. Hierin sah das Gericht insoweit einen Verstoß gegen das Trennungsgebot als das das Beobachtungsfeld Organisierte Kriminalität keinen spezifischen Bezug zum klassischen nachrichtendienstlichen Beobachtungsauftrag aufweist; SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310 (1311 f.). 401 Vgl. MD/Werthebach/Droste, GG, Art. 73 Nr. 10 Rn. 233; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 222; Stubenrauch, S. 37; Lang, S. 168 f.; Ronellenfitsch, S. 71 (77). 402 Vgl. oben Vierter Teil: Kapitel 3 F. III. 403 Der Parl. Rat 1948–1949, Bd. 8, S. 273 ff. Nr. 2 und 3 des Genehmigungsschreibens lauten: „Indem wir die Verfassung genehmigen, damit sie gemäß Artikel 144 (1) dem deutschen Volke zur Ratifizierung unterbreitet werde, nehmen wir an, daß Sie verstehen werden, daß wir verschiedene Vorbehalte machen müssen. Zum ersten unterliegen die Befugnisse, die dem Bund durch das Grundgesetz übertragen werden, sowie die von den Ländern und den örtlichen Verwaltungskörperschaften ausgeübten Befugnisse den Bestimmungen des Besatzungsstatutes, das wir Ihnen schon übermittelt haben und das mit dem heutigen Datum verkündet wird. Zweitens versteht es sich, daß die Polizeibefugnisse, wie sie in Artikel 91 (2) enthalten sind, nicht ausgeübt werden dürfen, bis sie von den Besatzungsbehörden ausdrücklich gebilligt sind. In gleicher Weise sollen die übrigen Polizeifunktionen des Bundes im Einklang mit dem in dieser Frage an Sie gerichteten Schreiben vom 14.4.49 ausgeübt werden.“ Auch wenn das Genehmigungs397

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

kam dem im Polizeibrief fixierten Trennungsgebot die Geltungswirkung von Besatzungsrecht zu und stand damit in seinem Ausgangspunkt noch über dem Verfassungsrecht.404 Mit Erlangung der vollen Souveränität der Bundesrepublik405 ist die unmittelbare Wirkung des Besatzungsrechts erloschen.406 Die überwiegende Meinung zieht daraus die Konsequenz, dass der Polizeibrief von 1949 den (einfachgesetzlichen) Gesetzgeber nicht mehr bindet.407 Von daher ist die Frage in den Blickpunkt gerückt, ob das Trennungsgebot, wenn nicht ausdrücklich, so doch zumindest mittelbar im Grundgesetz verankert ist und mithin weiterhin den (einfachgesetzlichen) Gesetzgeber bindet. Als mögliche Anknüpfungspunkte werden hierbei diskutiert: Art. 87 Abs. 1 und Art. 73 Nr. 10 GG, das Rechtsstaatsprinzip, das Bundesstaatsprinzip, das Demokratieprinzip sowie die Grundrechte und das Verfassungsgewohnheitsrecht.408 Nach einer anderen Ansicht hingegen stellt trotz Ablösung der Alliierten Vorbehaltsrechte der Polizeibrief – nach wie vor – eine Rechtsquelle mit verfassungsrechtlicher Bindungswirkung dar, denn „weder die Westmächte noch die zuständigen Organe der Bundesrepublik haben

schreiben nur auf die Polizei abstellt, ist damit auch der Verfassungsschutz (Nr. 2 des Polizeibriefes) mit umfasst. Im Hinblick auf den künftigen Charakter des Verfassungsschutzes ging die deutsche Seite anfangs davon aus, dass der Verfassungsschutz eine spezielle Polizeibehörde sei (polizeilicher Verfassungsschutz): vgl. oben Fn. 27. Erst im Laufe der wissenschaftlichen Auseinandersetzung hat sich die mittlerweile nicht mehr bestrittene Auffassung herausgebildet, dass der Verfassungsschutz keine Polizeibehörde sondern eine Behörde sui generis ist; vgl. z. B. Borgs/Ebert, A § 3 BVerfSchG Rn. 120; Ronellenfitsch, S. 71 (72). Ausdrücklich offen gelassen von Nollau, Wie sicher ist die Bundesrepublik?, S. 163: „Die Entscheidung hängt davon ab, wie man den Begriff Polizei heute definiert.“ Zumindest missverständlich insoweit Ronellenfitsch, S. 71 (85): „Von der Aufgabenstellung her ist der Verfassungsschutz Sonderpolizei.“ 404 Zum Besatzungsrecht vgl. Hesse, Rn. 94; Roewer, DVBl. 1986, 205 (206); Dorn, S. 137: „Wollte der Bund also künftig von seinen verfassungsmäßigen Kompetenzen auf dem ,Gebiet der Polizei‘ oder in ,Angelegenheiten des Verfassungsschutzes‘ Gebrauch machen, hatte er hierbei insbesondere auch die Restriktionen des ,Polizeibriefs‘ zu beachten.“; Baumann, DVBl. 2005, 798 (799), König, S. 74, jeweils m.w. N. Zum Verhältnis zwischen Besatzungsrecht und Grundgesetz ferner BVerfGE 3, 368 (374 ff.). 405 Dass die Bundesrepublik nicht mehr unter Besatzungsrecht steht, ist unstreitig. Fraglich ist nur, wann die Bundesrepublik ihre Souveränität zurückerlangt hat. Denkbar sind mit König, S. 152 ff., drei Anknüpfungspunkte: (1.) das Inkrafttreten des Deutschlandvertrages am 5.5.1955, BGBl. II S. 305; (2.) die Drei-Mächte-Erklärung vom 27.5.1968, BGBl. I S. 714, II S. 570; die Notstandsverfassung vom 24.6.1968, BGBl. I S. 709; das Gesetz zu Art. 10 GG vom 13.8.1968, BGBl. I S. 949 sowie (3.) Gesetz – zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands und der Vereinbarung vom 18. September 1990 – vom 23.9.1990, BGBl. II S. 885. 406 Vgl. König, S. 152 ff.; Zöller, Informationssysteme, S. 314 f.; Stubenrauch, S. 27; Nehm, NJW 2004, 3289 (3290). 407 So u. a. König, S. 156 f.; Zöller, Informationssysteme, S. 315; Schafranek, S. 169; Stubenrauch, S. 29. 408 Vgl. König, S. 158 ff., und Klee, S. 48 ff., die auch einen Überblick mit Nachweisen hierzu bieten, ihrerseits allerdings einen Verfassungsrang verneinen.

Kap. 8: Zusammenfassung

329

jemals ihre Absicht bekundet, das im ,Polizeibrief‘ enthaltene Trennungsgebot aufzugeben.“ 409 Die bisherigen Ausführungen zur Entstehung des Trennungsgebots führen im Hinblick auf die Verfassungsfrage zu dem folgenden Ergebnis: Im Moment der Verabschiedung des Grundgesetzes gingen die Vertreter des Parlamentarischen Rates davon aus, dass mit dem Grundgesetz die Wiedererrichtung einer Politischen Polizei auf Bundesebene ausgeschlossen ist. Es ist bewusst keine entsprechende Kompetenznorm in das Grundgesetz aufgenommen worden.410 Sämtliche Ableitungen im Zusammenhang mit den Möglichkeiten der Mitwirkung des BfV in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sind auf eben diese Grundaussage zurückzuführen. Von daher haben die hier herausgearbeiteten Kriterien des Trennungsgebots Verfassungsrang. Seinen bewussten Niederschlag hat das Trennungsgebot zwar nicht in Art. 87 Abs. 1 und Art. 73 Nr. 10 GG gefunden, es ist aber gerade als ein Wesensmerkmal der künftigen Republik aufgefasst worden, eine Wiederentstehung einer Politischen Polizei auf Bundesebene wirksam zu begegnen. Das so verstandene Trennungsgebot ist somit ein wesentlicher Bestandteil des im Grundgesetz verankerten Rechtsstaats- und Demokratieprinzips geworden. Das Grundgesetz verpflichtet daher, der Gefahr der Wiederentstehung einer Politischen Polizei wirksam zu begegnen.411 Kapitel 8

Zusammenfassung Die Untersuchung hat gezeigt, das Trennungsgebot ist mehr als ein bloßes politisches, nicht näher definierbares Schlagwort ohne jede aktuelle Bedeutung. Vielmehr lassen sich aus der Entstehungsgeschichte des Trennungsgebots konkrete und verbindliche Aussagen für Zulässigkeit und Grenzen der Mitwirkungsmöglichkeiten des BfV in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren treffen.

409 Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 223; ferner Kutscha, ZRP 1986, 194 (195); ähnlich Ostheimer, S. 70. 410 Vgl. oben Vierter Teil: Kapitel 3 F. V. Anders die Interpretation der Vorgänge von Dorn, S. 183: „Es läßt sich demnach im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte des Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG sagen, daß nach damaliger Vorstellung die Zentralstelle zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes keine exekutiven Befugnisse haben, daß aber hierdurch zugleich noch keine Aussage über ihr Verhältnis zu anderen Stellen im Sinne eines verfassungsrechtlichen Trennungsgebots getroffen werden sollte.“ 411 Ähnlich Lang, S. 169: „Das Trennungsgebot stellt [. . .] ein verfassungskräftiges Postulat dar. [. . .] Zwar hat es keine ausdrückliche Aufnahme in das Grundgesetz erfahren, allerdings lässt sich sein verfassungsrechtlicher Rang einer historischen und zugleich systematischen Auslegung des Art. 87 Abs. 1 S. 2 G i.V. m. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG sowie dem Rechtsstaatsprinzip entnehmen.“

330

4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

Der Terminus Trennungsgebot ist zwar – soweit ersichtlich – erst seit den 1980er-Jahren gebräuchlich. Zurückführen lässt sich der damit verbundene Inhalt aber auf die deutsche Geschichte und die Entstehung des Grundgesetzes. Kerngedanke des Trennungsgebots ist die Sicherstellung der Verhinderung der Gefahr der Wiederentstehung einer Politischen Polizei. Nicht nur eine Gestapo, sondern generell eine Politische Polizei wie sie auch zu Zeiten der Weimarer Republik in Preußen etabliert war, sollte auf Bundesebene nicht wieder entstehen können. Der Parlamentarische Rat ging bei der Verabschiedung des Grundgesetzes durch eine bewusste Nichtregelung davon aus, dass keine Politische Polizei auf Bundesebene wieder errichtet werden kann. Einfachgesetzlich verankert ist das Trennungsgebot in § 2 Abs. 1 S. 3 und § 8 Abs. 3 BVerfSchG. Neben der darin ausdrücklich enthaltenen organisatorischen und befugnisrechtlichen Dimension enthält das Trennungsgebot auch eine funktionale Dimension, die eine Umgehung der ausdrücklich normierten organisatorischen und befugnisrechtlichen Grenzen ausschließt. Ein wesentliches Kennzeichen der Politischen Polizei in Deutschland ist gewesen, dass sowohl nachrichtendienstliche Aufklärungstätigkeit als auch polizeiliche bzw. exekutive Befugnisse innerhalb einer Behörde zusammengefasst gewesen sind. Damit verbunden waren eine enorme Machtkonzentration und die stete Gefahr des Exzesses. Ein zentrales Anliegen des Trennungsgebots ist es folglich, zu verhindern, dass die Strafverfolgungsbehörden mit rein nachrichtendienstlich relevanten Informationen in Berührung kommen. Denn die Gefahr der Wiederentstehung einer Politischen Polizei gilt es sowohl aufseiten des Nachrichtendienstes als auch aufseiten von Polizei und Strafverfolgungsbehörden zu verhindern. Damit ist eine Mitwirkung des BfV in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht per se ausgeschlossen. So ist die Übermittlung von sowohl nachrichtendienstlich relevanten als auch von bloßen Zufallsfunden an die Strafverfolgungsbehörden ebenso möglich wie die tatsächliche Zusammenarbeit z. B. in Form der Mitwirkung des BfV an strafverfahrensrechtlichen Durchsuchungen. An der Zulässigkeit der Informationsübermittlung ändert sich im Grundsatz auch dann nichts, wenn diese durch nachrichtendienstliche Mittel erlangt worden sind, die den Strafverfolgungsbehörden selbst unbekannt sind. Gleiches gilt, wenn der Verfassungsschutz trotz eines aus seiner Sicht bestehenden strafrechtlichen Anfangsverdachts einen Sachkomplex weiterhin nachrichtendienstlich aufklärt, hierbei die Strafverfolgungsbehörden nicht einschaltet und erst nach Abschluss seiner nachrichtendienstlichen Aufklärungstätigkeit die hierbei gewonnenen Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt. Auch eine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den über das Trennungsgebot voneinander getrennten Behörden ist zulässig. Allerdings müssen sämtliche Formen der Mitwirkung den Grundsätzen des Trennungsgebots entsprechen. Als wesentliche Grenzen lassen sich hierzu ausmachen:

Kap. 8: Zusammenfassung

331

• Den Strafverfolgungsbehörden dürfen nur solche Information offenbart werden, die für diese auch erforderlich sind. Informationen, die die Strafverfolgungsbehörden nicht verwenden dürfen, sind ihnen nicht zugänglich zu machen. Ausgeschlossen ist mithin insbesondere die Übermittlung von bloßen Vorfelderkenntnissen. • Die Überprüfung der Erforderlichkeit darf nicht erst durch die Strafverfolgungsbehörden erfolgen, sondern muss bereits durch den Verfassungsschutz selbst geschehen. Es gilt zu verhindern, dass die Strafverfolgungsbehörden überhaupt mit für sie nicht verwendbare nachrichtendienstliche Informationen in Berührung kommen. Ein bloßes strafverfahrensrechtliches Verwendungsverbot kann eine einmal erfolgte tatsächliche Wahrnehmung von rein nachrichtendienstlich relevanten Daten durch die Strafverfolgungsbehörden nicht mehr rückgängig machen. • Der Verfassungsschutz darf weder im Auftrag der Strafverfolgungsbehörden noch aus eigenem Anlass heraus gezielt unter dem Gesichtspunkt einer späteren Strafverfolgung eine nachrichtendienstliche Aufklärung betreiben, um eben diese Erkenntnisse den Strafverfolgungsbehörden übermitteln zu können. • Institutionalisierte Zusammenarbeitsformen bedürfen einer eigenständigen gesetzlichen Regelung. Aus ihr muss hervorgehen, wie trotz der dauerhaften Annäherung der organisatorisch und befugnisrechtlich getrennt zu haltenden Behörden die Grundsätze des Trennungsgebots, also das Gebot der Verhinderung der Gefahr der Wiederentstehung einer Politischen Polizei, sichergestellt sind. • Bei der tatsächlichen Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden muss in Ergänzung zu den bisherigen Grenzen weiterhin sichergestellt sein, dass sie zu keinem organisatorischen Zusammenschluss der Behörden führt. Ausgeschlossen sind folglich gemeinsame Einsätze von Mitarbeitern beider Behörden unter gemeinsamer Leitung oder eine personelle Verflechtung dergestalt, dass ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zugleich Aufgaben der Strafverfolgung mit übernimmt. Schließlich muss auch sichergestellt sein, dass dem Verfassungsschutz keine polizeilichen (exekutiven) Befugnisse zu nachrichtendienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellt werden. Den eben skizzierten Grenzen werden die gegenwärtig auszumachenden Formen der Mitwirkungsmöglichkeiten des BfV in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in wesentlichen Teilen nicht gerecht. Bei der klassischen Informationsübermittlung richtet sich das Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden nach § 161 Abs. 1 S. 1 und § 163 Abs. 1 S. 2 StPO. Damit aber liegt die Erforderlichkeitsprüfung allein in den Händen der Strafverfolgungsbehörden und nicht beim BfV. Im Hinblick auf die Institutionalisierung der Zusammenarbeit haben zwar die Antiterrordatei, die Rechtsextremismusdatei und die Möglichkeit der Errichtung gemeinsamer Projektdateien jeweils eine eigenständige gesetzliche Grundlage erhalten, doch genügen diese nicht den Anforderungen, die das Tren-

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4. Teil: Vereinbarkeit der Mitwirkung mit dem Trennungsgebot

nungsgebot hieran stellt. Insbesondere verweisen hinsichtlich des eigentlichen Datentransfers die jeweiligen Gesetze auf die klassischen Übermittlungsvorschriften, die für einzelfall- und anlassbezogene Informationsübermittlungen zugeschnitten sind. Auf die sich damit stellende Frage, wie im Rahmen der Institutionalisierung die klassischen Übermittlungsvorschriften eingehalten werden sollen, liefern die Gesetze keine hinreichende Antwort. Überdies liegen bei dem ATDG und dem RED-G mit den Möglichkeiten des automatischen Trefferabrufs der Grunddaten sowie dem Verweis auf die Auskunftsersuchensvorschriften der StPO zur weiteren Datenübermittlung zusätzliche Verstöße gegen das Trennungsgebot vor. Die Informations- und Analysezentren, GTAZ, GASIM sowie GETZ (und dessen Vorläufer GAR) sind jeweils ohne einer eigenständigen gesetzlichen Grundlage geschaffen worden. Ihre Errichtung verstößt gegen das Trennungsgebot. Gerade das Ansinnen der Bundesregierung der Öffentlichkeit nicht mitzuteilen, wie sich die Zusammenarbeit der Behörden in den Zentren im Konkreten gestaltet, ist mit dem Trennungsgebot nicht vereinbar. Mit diesem Grundsatz ebenfalls unvereinbar ist die in der Rechtsextremismusdatei eingeführte „erweiterte Datennutzung“, durch die die Verbunddatei neben der Kontaktanbahnungsbzw. Fundstellenfunktion zugleich auch eine Analysefunktion innehat, ohne dass deren Funktionsweise vom Gesetzgeber hinreichend und nachvollziehbar erklärt worden ist. Die hier herausgearbeiteten Dimensionen des Trennungsgebots lassen sich sämtlich auf das Gebot der Verhinderung der Gefahr der Wiederentstehung einer Politischen Polizei zurückführen. Da dies das bewusste Anliegen auch des Parlamentarischen Rates war und der Bund bewusst keinen Kompetenztitel zur Errichtung einer Politischen Polizei erhalten hat, besitzt das Trennungsgebot zumindest in den hier relevanten Dimensionen Verfassungsrang. Das Trennungsgebot ist Ausdruck und Kennzeichen eines demokratischen Rechtsstaats.

5. Teil

Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung Das BfV ist ein Inlandsnachrichtendienst des Bundes und stellt innerhalb des Verfassungsschutzverbundes in Deutschland die größte und aufgrund seines bundesweiten Tätigkeitsgebiets auch die bedeutendste Verfassungsschutzbehörde dar. Es handelt sich weder um eine strafverfahrensrechtliche Ermittlungsbehörde noch um eine (sonstige) Polizeibehörde, sondern um eine Behörde sui generis.1 Gerade die von den Ermittlungsbehörden einschließlich der Polizei gesonderte Stellung macht das BfV für das Ermittlungsverfahren interessant, gewinnt es doch seine Informationen unter anderen Vorzeichen und Kautelen. Sein originärer Auftrag besteht nach derzeitiger Gesetzeslage in der Beobachtung des politischen Extremismus und Terrorismus, der Spionageabwehr, der Aufklärung des Ausländerextremismus sowie der Sicherung des Friedens unter den Völkern und Staaten. Das BfV hat nicht den Auftrag, die Kriminalität und ihre Entwicklung zu beobachten und aufzuklären. Dementsprechend hat es auch nicht die Aufgabe, die Organisierte Kriminalität zu beobachten. Jedoch können und werden bestimmte Formen der Organisierten Kriminalität wie auch sonstige Formen der Kriminalität gleichwohl durch das BfV beobachtet bzw. aufgeklärt und zwar dann, wenn zugleich auch eines der dem BfV zugewiesenen Beobachtungsfelder betroffen ist.2 Da der Beobachtungsauftrag die vorherige Abklärung der Frage, ob ein Beobachtungsfeld betroffen ist, bedingt und insoweit eine nachrichtendienstliche Aufklärung bereits bei Vorliegen von tatsächlichen Anhaltspunkten für ein Beobachtungsfeld erfolgen muss, ist das potenzielle Feld an Überschneidungen zur allgemeinen Kriminalität als hoch einzustufen. Bereiche nachrichtendienstlicher Aufklärung bilden sowohl das legale Vorfeld als auch die Phasen von polizeilicher Gefahr und Straftatverdacht. Auch wenn die strategische Aufklärung das zentrale Kennzeichen nachrichtendienstlicher Tätigkeit des BfV darstellt, fallen trotz der damit verbundenen primären Ausrichtung auf Erlangung von Strukturerkenntnissen zwingend auch Informationen über das konkrete und damit für die Strafverfolgung relevante Verhalten von Einzelnen an.3 Die nachrichtendienstliche Tätigkeit hebt sich erheblich von der Strafverfolgung ab. Die Strafverfolgungsbehörden arbeiten aus dem Selbstverständnis des 1 2 3

Vgl. Zweiter Teil: Kapitel 1 B. und Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 1. c). Vgl. Zweiter Teil: Kapitel 1 A. Vgl. Zweiter Teil: Kapitel 1 C. II. 1.

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5. Teil: Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung

Strafverfahrens heraus nicht genauso „effizient“ wie das BfV. Sie müssen und dürfen es auch nicht. Das Strafverfahren dient der Straftataufklärung und nicht der Ermittlung von Gefahren, die sich als staatsgefährdend erweisen können, oder von Strukturen, die sich zu einer Gefahr für den Staat entwickeln könnten. So bedingt die Strafverfolgung einen konkreten Straftatverdacht, sie unterliegt dem Legalitätsprinzip. An diesen Grundsätzen ist dem Rechtsstaatsprinzip folgend zwingend festzuhalten. Sie sind zu verteidigen gegen die unverkennbaren Tendenzen zur Vorverlagerung des Strafrechts seitens der Gesetzgebung und der Strafverfolgungspraxis.4 Zur eigenen aktiven Informationsbeschaffung ist das BfV neben der offenen Informationsbeschaffung auch zum Besonderen Auskunftsverlangen und zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel befugt.5 Der Gesetzgeber hat den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel sowohl im Hinblick auf die Frage, was alles nachrichtendienstliche Mittel sein können, als auch im Hinblick auf die Frage, wann diese Mittel unter welchen Bedingungen konkret eingesetzt werden können, u. a. durch eine Schaltung von zwei Generalklauseln bewusst vage geregelt. Gleichwohl ist der dadurch zunächst unbegrenzt scheinende Spielraum an Informationserhebungsmöglichkeiten durch das Verfassungsrecht in zumindest zweifacher Weise begrenzt. Da die Generalklausel zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel keine dem Art. 19 Abs. 1 GG entsprechende Zitierklausel enthält, sind hierüber insbesondere keine Eingriffe in Art. 13 und Art. 10 GG möglich. Zudem erfüllt die nachrichtendienstliche Generalklausel zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel auch nicht die Anforderungen, die an eine spezialgesetzliche Regelung zur Legitimierung eines besonders intensiven Grundrechtseingriffs zu stellen sind. Von daher ist nach dem derzeitigen Regelungsstand das BfV zu Eingriffen in die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und damit zum sog. Computerhacking nicht befugt. Zu Eingriffen in Art. 10 und Art. 13 GG ist das BfV allein durch spezielle Ermächtigungsnormen im BVerfSchG und dem G10 befugt. Diese Normen haben gegenüber der Generalklausel eine deutlich höhere Regelungsintensität.6 Über die Befugnisnormen zum Besonderen Auskunftsverlangen steht dem BfV gegenüber Luftfahrtunternehmen, Betreibern von Computerreservierungssystemen und Globalen Distributionssystemen für Flüge sowie Banken und Erbringern von Telekommunikationsdienstleistungen und Telediensten ein Anspruch auf Auskunftserteilung über bestimmte Kundendaten zu. Die hierüber in Anspruch genommenen Unternehmen sind zur Auskunft verpflichtet. Jedoch könnte das BfV seinen Auskunftsanspruch infolge der ihm verwehrten polizeilichen Befugnisse nicht zwangsweise durchsetzen. Um auch eine faktische Zwangswirkung zu vermeiden, muss das BfV die in An4

Zweiter Teil: Kapitel 2. Zweiter Teil: Kapitel 1 D. I. 6 Zweiter Teil: Kapitel 1 D. II., Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 1. und Zweiter Teil: Kapitel 1 D. III. 2. 5

5. Teil: Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung

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spruch genommenen Unternehmen über die fehlende Durchsetzbarkeit der Verpflichtung ausdrücklich informieren.7 Das auf den Polizeibrief der Alliierten zurückzuführende und über § 8 Abs. 3 BVerfSchG ausdrücklich normierte Verbot polizeilicher Befugnisse besagt, dass das BfV keinem Bürger etwas befehlen oder Ermittlungen unter Einsatz von rechtlichen oder faktischen Zwangsmitteln durchführen darf. Dieses Verbot kann auch nicht über einen Rückgriff auf straf(verfahrens)rechtliche Rechtfertigungsgründe umgangen werden.8 Demgegenüber sind die Strafverfolgungsbehörden zum Einsatz von Zwangsmitteln befugt. Hierüber, insbesondere über das Mittel der Beschlagnahme sowie über § 100g StPO (Erhebung von Verkehrsdaten gegenüber Telekommunikationsdienstleistern) und über § 24c Abs. 3 Nr. 2 KWG (Auskunftsanspruch gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen zu Kontostammdaten) können die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig auch die Auskünfte erlangen, die dem BfV über das Besondere Auskunftsverlangen eingeräumt worden sind.9 Darüber hinaus stehen mittlerweile auch den Strafverfolgungsbehörden zumindest im Prinzip dieselben nachrichtendienstlichen Mittel, zu denen das BfV befugt ist, zu. Allerdings haben diese in der StPO jeweils eine eigenständige Regelung erhalten. Auf die strafverfahrensrechtliche Ermittlungsgeneralklausel in § 161 Abs. 1 S. 1 und § 163 Abs. 1 S. 2 StPO lässt sich ein Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel infolge der damit verbundenen erheblichen Grundrechtsintensität regelmäßig nicht gründen. Im Unterschied zum BfV sind die Strafverfolgungsbehörden jedoch nicht zur optischen Wohnraumüberwachung sowie zum heimlichen Öffnen und Einsehen von Sendungen, die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegen, befugt. Mangels eigenständiger Regelung dürfte nach derzeitiger Rechtslage auch der Einsatz von V-Personen eine den Strafverfolgungsbehörden verwehrte Ermittlungsmaßnahme sein. Gleichwohl wendet die Praxis auch dieses Ermittlungsinstrument an und stützt sich zur Legitimierung auf die Befugnisgeneralklausel. Die Rechtsprechung hat dies akzeptiert.10 Auch wenn den Strafverfolgungsbehörden mittlerweile dem Grunde nach mit den vorgenannten Ausnahmen die Befugnisse des BfV ebenfalls zustehen, darf nicht verkannt werden, dass im Hinblick auf die Voraussetzungen zum Einsatz, der Dauer und der Richtung des Einsatzes gleichwohl erhebliche Unterschiede bestehen. Sie gründen sich auf den Unterschied der Aufgaben Vorfeldaufklärung und Straftataufklärung.11 Eine Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden und damit auch die Mitwirkung des BfV in strafrechtlichen Ermittlungsver7

Vgl. Zweiter Teil: Kapitel 1 D. IV. 2. Vgl. Zweiter Teil: Kapitel 1 D. V. 9 Vgl. Zweiter Teil: Kapitel 2 C. II. 2. 10 Vgl. Zweiter Teil: Kapitel 2 C. und Zweiter Teil: Kapitel 2 C. II. 1. 11 Vgl. Zweiter Teil: Kapitel 3. 8

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5. Teil: Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung

fahren fand in der Praxis de facto von Beginn an, also mit der Errichtung des BfV statt. Die Bedeutung der Zusammenarbeit ist hierbei allerdings in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Mittlerweile gibt es neben einer einzelfall- und anlassbezogenen Zusammenarbeit auch institutionalisierte Formen der Zusammenarbeit. Für diese jüngere Entwicklung stehen GTAZ, GASIM und GETZ. Mit dem jüngsten Zusammenarbeitszentrum GETZ wird der gesamte primäre Aufklärungsbereich des BfV von einer institutionalisierten Zusammenarbeit auch mit Strafverfolgungsbehörden begleitet, sodass von einer weitreichenden, strukturell bewusst angelegten Beteiligung des BfV an strafprozessualen Ermittlungsverfahren ausgegangen werden kann.12 Demgegenüber sollen nach öffentlichen Stellungnahmen die einer engen Zusammenarbeit zwischen dem BfV und den Strafverfolgungsbehörden entgegenstehenden „natürlichen“ Barrieren, wie z. B. der Quellenschutz als ein klassisches Kennzeichen eines Nachrichtendienstes, zunehmend zurückgetreten sein. Das Vertrauen in die Richtigkeit dieser Aussagen ist jedoch im Rahmen der Aufarbeitung des NSU-Skandals nachhaltig erschüttert worden.13 Auf die Frage, in welchen Formen das BfV in Ermittlungsverfahren mitwirken kann, lassen sich aus den gesetzlichen Regelungen allein Angaben zur Übermittlung von Informationen bzw. personenbezogenen Daten unmittelbar entnehmen. D.h. aber nicht, dass die Mitwirkungsmöglichkeiten sich hierauf beschränken. Vielmehr sehen Gesetzgeber und Praxis auch Formen der gemeinsam ermittelnden Zusammenarbeit wie z. B. die Mitwirkung des BfV an Observationen oder Durchsuchungen als zulässig an. Eine gesetzliche Regelung dieser Bereiche ist jedoch aufgrund der damit ermöglichten Flexibilität und des Strebens, diesen Bereich möglichst wenig einsehbar zu gestalten, bewusst unterlassen worden. Aus dem gleichen Grund haben auch die neuen Zentren der institutionalisierten Zusammenarbeit als solche keine gesetzliche Normierung erfahren. Letztlich haben die Vorgaben zur Übermittlung von personenbezogenen Daten nur deshalb eine gesetzliche Ausgestaltung erfahren, weil dies vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung unablässig gewesen ist.14 Den tatsächlichen Zuständen im Strafverfahren entsprechend findet die Zusammenarbeit zwischen dem BfV und den Strafverfolgungsbehörden nicht zwischen dem BfV und den Staatsanwaltschaften, sondern regelmäßig zwischen dem BfV und den Polizeibehörden statt.15 Hiervon machen auch die institutionalisierten Formen der Zusammenarbeit keine Ausnahme. So sind am GTAZ und GETZ (sowie ehemals GAR) neben BfV, BKA, LfV und LKA zwar auch der General12 13 14 15

Vgl. Dritter Teil: Kapitel 1. Vgl. Zweiter Teil: Kapitel 3 und Dritter Teil: Kapitel 1. Vgl. Dritter Teil, speziell Dritter Teil: Kapitel 2. Vgl. Zweiter Teil: Kapitel 2.

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bundesanwalt beteiligt, als regelmäßige Teilnehmer fehlen aber die Staatsanwaltschaften der Länder.16 Bei der Antiterrordatei und der Rechtsextremismusdatei schließlich sind weder die Staatsanwaltschaften der Länder noch der Generalbundesanwalt unmittelbare Verbundteilnehmer.17 Gesetzliche Regelungen für die Übermittlungen von Informationen durch das BfV an die Strafverfolgungsbehörden zum Zwecke der Strafverfolgung im umfassenden Sinn (als Beweismittel, zur Erforschung des Sachverhalts und zur Ermittlung des Aufenthaltsortes) finden sich im BVerfSchG, im G10, in der StPO, im ATDG sowie im RED-G. Danach kann das BfV regelmäßig seine Informationen eigeninitiativ an die Strafverfolgungsbehörden übermitteln, sofern aus seiner Sicht ein strafrechtlicher Anfangsverdacht gegeben ist und der Minderjährigenschutz gem. § 24 BVerfSchG nicht entgegensteht. Ausgeschlossen ist damit die Übermittlung von bloßen nachrichtendienstlichen Vorfelddaten. Nicht ausgeschlossen ist jedoch die Übermittlung von solchen Informationen, die sich für das BfV im Übermittlungszeitpunkt als bloße Zufallsfunde darstellen, d.h. nicht mit dessen eigener Aufgabenwahrnehmung im Zusammenhang stehen. Sofern das BfV Daten übermitteln will, die aus einem Eingriff in Art. 13 oder Art. 10 GG oder aus Besonderen Auskunftsverlangen stammen, gelten zwar gesteigerte Übermittlungs- und Verwendungsvoraussetzungen. Aber auch hiernach können Zufallsfunde übermittelt werden. Im Einzelnen ist die Ausgestaltung der Übermittlungsvorschriften im G10, auf die auch die Regelungen zum Besonderen Auskunftsverlangen in wesentlichen Teilen verweisen, trotz hoher Regelungsintensität aufgrund der verwendeten Verweisungstechnik in der konkreten Anwendung nicht hinreichend präzise erfolgt. Aufgrund des Opportunitätsprinzips muss das BfV die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig nicht über strafrechtlich relevante Informationen informieren. Entschließt es sich zur Übermittlung, ist es im Hinblick auf das Wann einer Übermittlung frei. Möglich ist daher, dass das BfV einen bereits faktisch eigenständig „ausermittelten“ Sachkomplex den Strafverfolgungsbehörden übermittelt.18 Die an sich über § 20 Abs. 1 BVerfSchG gesetzlich vorgesehene Pflicht des BfV, die Strafverfolgungsbehörden bei dem Vorliegen des Verdachts von Staatsschutzdelikten eigeninitiativ in Kenntnis zu setzen, wird durch die dem BfV eingeräumte Möglichkeit der Berufung auf überwiegende Sicherheitsinteressen de facto ausgehebelt und stattdessen in das Belieben des BfV selbst gesetzt.19 Von daher kann von einer Übermittlungspflicht nur dann ausgegangen werden, wenn die Strafverfolgungsbehörden das BfV um konkrete Auskunft ersuchen (vgl. §§ 161 Abs. 1 S. 1, 163 Abs. 1 S. 2 StPO). Eine Berufung auf überwiegende Si16 17 18 19

Vgl. Dritter Teil: Kapitel 1 B. Vgl. Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. und Dritter Teil: Kapitel 2 F. Vgl. Dritter Teil: Kapitel 2 B. Vgl. Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. a) und Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 3.

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5. Teil: Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung

cherheitsinteressen ist dem BfV zwar auch hier nicht verwehrt, doch kann dies dann nur im Wege einer strafverfahrensrechtlich beachtlichen Sperrerklärung (vgl. §§ 54, 96 StPO) erfolgen. Ein eigenes Prüfungsrecht hinsichtlich des Vorliegens eines strafrechtlichen Anfangsverdachts steht dem BfV nicht zu. Wohl aber stellen alle sonstigen Übermittlungsvoraussetzungen jenseits der Regelungen in den §§ 17 ff. BVerfSchG, die an eine Spontanübermittlung gestellt werden, sowie der über § 24 BVerfSchG zu gewährleistende Minderjährigenschutz als bereichsspezifische Geheimhaltungsvorschriften bzw. entgegenstehende Verwendungsregelungen zugleich auch die Grenzen des Auskunftsersuchens aus nachrichtendienstlicher Sicht dar. Von daher besteht weder die Gefahr einer Aushöhlung der nachrichtendienstlichen Regelungen zur Spontanübermittlung durch eine Umgehung über das Auskunftsersuchen. Noch wird – umgekehrt – das Grundanliegen des nachrichtendienstlichen Opportunitätsprinzips infrage gestellt.20 Der Verfassungsschutz muss seine eigene Aufklärungstätigkeit nicht durch die Einschaltung von Strafverfolgungsbehörden gefährden. Eine weiter gehende Mitwirkungspflicht wird zudem weder über § 138 StGB noch über das Gemeinsame-Dateien-Gesetz (Antiterrordatei und gemeinsame Projektdateien) oder das RED-G begründet.21 Die strafverfahrensrechtliche Verwendbarkeit der infolge Übermittlung in den Machtbereich der Strafverfolgungsbehörden gelangten nachrichtendienstlich gewonnenen personenbezogenen Daten bestimmt sich dem Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers folgend allein nach § 161 Abs. 2 StPO. Keine Anwendung findet hingegen die Verwendungsregelung in § 100d Abs. 5 Nr. 3 StPO, infolge ihres ausschließlichen Bezuges auf polizeirechtlich erlangte Daten. Aus dem gleichen Grund würde auch § 161 Abs. 3 StPO nicht greifen. Sämtliche Daten können daher stets als Spurenansatz verwendet werden. Zu Beweiszwecken sind die Daten hingegen nur verwendbar, wenn die nachrichtendienstliche Maßnahme, mittels derer die Daten erlangt worden sind, auch eine strafverfahrensrechtliche Entsprechung hat. Sofern die Entsprechungsmaßnahme nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig ist, muss zudem die Voraussetzung des hypothetischen Ersatzeingriffs gegeben sein. Die nachrichtendienstlichen Daten hätten also in dem konkreten Strafverfahren zum Zeitpunkt der Übermittlung auch auf der Grundlage des Strafverfahrensrechts erhoben werden können müssen. Zudem müssen seitens der Strafverfolgungsbehörden die über § 160 Abs. 4 StPO erfassten entgegenstehenden Verwendungsregelungen aus dem Verfassungsschutzrecht berücksichtigt werden.22

20

Vgl. Dritter Teil: Kapitel 2 C. I. Vgl. Dritter Teil: Kapitel 2 G. 22 Vgl. Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. Zu den Konsequenzen hieraus vgl. Dritter Teil: Kapitel 2 D. 21

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Das Gemeinsame-Dateien-Gesetz aus dem Jahr 2006 schuf die gesetzlichen Grundlagen zur Errichtung der Antiterrordatei sowie die Möglichkeit der Errichtung gemeinsamer Projektdateien auf Grundlage von BVerfSchG, BNDG oder BKAG. Mit dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz wurde u. a. die Möglichkeit eröffnet, Informationen des Verfassungsschutzes planvoll und systematisch auch den Strafverfolgungsbehörden zum Erkennen und ggf. Abruf bereitzustellen. Kennzeichen der gemeinsamen Projektdatei ist, dass auf Grundlage der jeweils bestehenden Übermittlungsregelungen die beteiligten Sicherheitsbehörden Daten in eine zu errichtende Projektdatei einstellen und auch abrufen können. Damit werden Daten auf Vorrat dem unmittelbaren Datenabruf einer anderen Sicherheitsbehörde zur Verfügung gestellt. Eine individuelle Prüfung der Übermittlungsvoraussetzungen für die jeweiligen Daten zum Zeitpunkt der tatsächlichen Übermittlung erfolgt nicht. Damit ist zugleich der vermeintlich praktische Vorteil als auch das rechtsstaatliche Problem aufgezeigt. Von der Möglichkeit der Errichtung einer gemeinsamen Projektdatei wurde bislang noch kein Gebrauch gemacht.23 Die seit 2007 in Betrieb befindliche Antiterrordatei stellt eine permanente Verbunddatei dar, an der sowohl BfV als auch Strafverfolgungsbehörden teilnehmen. Mit dem ATDG wurde zwar keiner der beteiligten Behörden eine neue Aufgabe eröffnet. Insbesondere darf das BfV in die Datei nicht mehr Informationen einstellen, als es ohnehin im Rahmen seiner bisherigen Aufgabenwahrnehmung erlangt. Auch die Strafverfolgungsbehörden erhalten einen Zugang zu den eigentlichen Daten nur auf Grundlage der klassischen Übermittlungsvorschriften. Allerdings fehlt jedes hinreichende Konzept zu der Frage, wie die Überprüfung der Übermittlungsvoraussetzungen vor dem Hintergrund von bereits gesammelten und versandfertigen Daten noch sichergestellt sein kann. Darüber hinaus erhält die Strafverfolgungsbehörde Kenntnis von den durch das BfV verpflichtend eingespeisten Grunddaten, sofern diese nicht versteckt gespeichert worden sind. Unabhängig von einer nachrichtendienstlichen Prüfung der Übermittlungsvoraussetzungen erhalten die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig also darüber Kenntnis, ob der Verfassungsschutz Kenntnisse über eine bestimmte Person etc. besitzt. An diesem tatsächlichen Wissen ändert auch ein umfassend angeordnetes Verwendungsverbot für den Fall der nachrichtendienstlichen Weigerung einer Datenübermittlung nichts. Von daher geht die Antiterrordatei in ihrer Bedeutung weit über ein bloßes „Kommunikationsanbahnungsinstrument“ zwischen den beteiligten Behörden hinaus.24 Die eben getroffenen Feststellungen zur Antiterrordatei können auch auf die seit 2012 in Betrieb befindliche Rechtsextremismusdatei übertragen werden, da diese in ihrer Konzeption im Wesentlichen der Antiterrordatei nachgebildet worden ist. Darüber hinaus hat die Rechtsextremismusdatei mit der sog. erweiterten 23 24

Vgl. Dritter Teil: Kapitel 2 E. II. Vgl. Dritter Teil: Kapitel 2 E. I.

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5. Teil: Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung

Datennutzung eine Verwendungsmöglichkeit erfahren, die es den Verbundteilnehmern erlaubt, die Datei nicht nur als qualifiziertes Kontaktanbahnungs- und Fundstellennachweisinstrument, sondern darüber hinaus zu Zwecken einer Datenanalyse im Rahmen von gemeinsamen Projekten zu nutzen. Allerdings hat es der Gesetzgeber (bewusst) versäumt, die neue Befugnis hinreichend genau zu beschreiben und damit auch zu begrenzen. Das RED-G stellt aufgrund der Verknüpfung von Kontaktanbahnungs- bzw. Fundstellenfunktion und Analysefunktion in einer Verbunddatei ein Mehr als die bloße Kombination der mit dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz eingeführten Antiterrordatei und gemeinsame Projektdateien dar.25 Das Trennungsgebot ist mehr als ein bloßes politisches Schlagwort. Es beinhaltet für die Frage nach Zulässigkeit und Grenzen der Mitwirkungsmöglichkeiten des BfV in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren konkrete Vorgaben. Hierzu darf allerdings nicht allein auf den sog. Polizeibrief der Alliierten vom 14. April 1949 und die polizeilichen Exzesse während der nationalsozialistischen Diktatur geschaut werden. Vielmehr sind auch die Entwicklungen des administrativen Staats- und Verfassungsschutzes in der Weimarer Republik mit in die Betrachtung einzubeziehen.26 Kernaussage des Trennungsgebots ist die Verhinderung der Gefahr der Wiederentstehung einer Politischen Polizei. Eine zentrale Folgerung hieraus ist wiederum das Gebot der Verhinderung der Kenntniserlangung über rein nachrichtendienstlich relevante Informationen durch Polizei und Strafverfolgungsbehörden.27 Für die Zulässigkeit und die Grenzen der Mitwirkungsmöglichkeiten des BfV in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hat dies die folgenden Auswirkungen: Eine Mitwirkung des BfV in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist nicht per se ausgeschlossen. Die Übermittlung von sowohl nachrichtendienstlich relevanten Informationen als auch von bloßen Zufallsfunden an die Strafverfolgungsbehörden ist im Grundsatz ebenso möglich wie die tatsächliche Zusammenarbeit z. B. in Form der Mitwirkung des BfV an strafverfahrensrechtlichen Durchsuchungen. An der Zulässigkeit der Informationsübermittlung ändert sich auch dann nichts, wenn diese durch nachrichtendienstliche Mittel erlangt worden sind, die den Strafverfolgungsbehörden selbst unbekannt sind. Gleiches gilt, wenn der Verfassungsschutz trotz eines aus seiner Sicht bestehenden strafrechtlichen Anfangsverdachts einen Sachkomplex weiterhin nachrichtendienstlich aufklärt, die Strafverfolgungsbehörden nicht einschaltet und erst nach Abschluss seiner nachrichtendienstlichen Aufklärungstätigkeit die hierbei gewonnenen Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt. Auch eine institutionalisierte Zusam-

25 26 27

Vgl. Dritter Teil: Kapitel 2 F. Vgl. Vierter Teil: Kapitel 3. Vgl. Vierter Teil: Kapitel 4.

5. Teil: Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung

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menarbeit zwischen BfV und Strafverfolgungsbehörden ist zulässig. Jedoch dürfen den Strafverfolgungsbehörden nur solche Information offenbart werden, die für diese auch erforderlich sind. Informationen, die die Strafverfolgungsbehörden nicht verwenden können, sind ihnen nicht zugänglich zu machen. Ausgeschlossen ist mithin insbesondere die Übermittlung von bloßen Vorfelderkenntnissen. Dabei darf die Überprüfung der Erforderlichkeit nicht erst durch die Strafverfolgungsbehörden erfolgen, sondern muss bereits durch den Verfassungsschutz selbst geschehen. Der Verfassungsschutz darf weder im Auftrag der Strafverfolgungsbehörden noch aus eigenem Anlass heraus gezielt unter dem Gesichtspunkt einer späteren Strafverfolgung eine nachrichtendienstliche Aufklärung betreiben, um eben diese Erkenntnisse den Strafverfolgungsbehörden übermitteln zu können. Institutionalisierte Zusammenarbeitsformen bedürfen einer eigenständigen gesetzlichen Regelung. Aus ihr muss hervorgehen, wie trotz der dauerhaften Annäherung der organisatorisch und befugnisrechtlich getrennt zu haltenden Behörden das Gebot der Verhinderung der Gefahr der Wiederentstehung einer Politischen Polizei sichergestellt ist. Bei der tatsächlichen Zusammenarbeit von BfV und Strafverfolgungsbehörden muss überdies sichergestellt sein, dass diese zu keinem organisatorischen Zusammenschluss der Behörden führt. Ausgeschlossen sind folglich gemeinsame Einsätze von Mitarbeitern beider Behörden unter gemeinsamer Leitung oder eine personelle Verflechtung dergestalt, dass ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zugleich Aufgaben der Strafverfolgung mit übernimmt. Schließlich muss auch sichergestellt sein, dass dem Verfassungsschutz keine exekutiv-polizeilichen Befugnisse zu nachrichtendienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellt werden.28 Diesen Grenzen werden die untersuchten Formen der eingeräumten Mitwirkungsmöglichkeiten in wesentlichen Teilen nicht gerecht. Herauszugreifen sind hierbei das Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden nach § 161 Abs. 1 S. 1 und § 163 Abs. 1 S. 2 StPO gegenüber dem BfV, die unzureichenden gesetzlichen Regelungen der Antiterrordatei, Rechtsextremismusdatei und der gemeinsamen Projektdateien sowie die fehlenden gesetzlichen Regelungen bezüglich Informations- und Analysezentren, GTAZ, GASIM und GETZ.29 In den hier angewandten Dimensionen kommt dem Trennungsgebot Verfassungsrang zu. Es ist Ausdruck und Kennzeichen eines demokratischen Rechtsstaates. Von daher stellen die aufgezeigten Verstöße nicht nur einen Widerspruch zu der historischen Idee des Trennungsgebots, sondern auch einen Verstoß gegen das Verfassungsrecht dar.30

28 29 30

Vgl. Vierter Teil: Kapitel 5. Vgl. Vierter Teil: Kapitel 6. Vgl. Vierter Teil: Kapitel 7.

6. Teil

Nachtrag zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2013 Am 24. April 2013 und damit nach Abschluss der Untersuchung1 hat das BVerfG sein Urteil zu der bereits im Jahre 2007 erhobenen Verfassungsbeschwerde gegen das ATDG verkündet.2 Die die Antiterrordatei unmittelbar selbst betreffenden Ausführungen des Gerichts (Abschnitte D.IV. und D.V. des Urteilsabdrucks) wurden, soweit sie im Rahmen dieser Untersuchung von Relevanz waren, bereits bei der Vorstellung der Antiterrordatei eingearbeitet.3 Doch hat das BVerfG in seiner Entscheidung nicht allein Ausführungen zu den spezifischen Problemen der Antiterrordatei gemacht. Vielmehr hat das Gericht auch generelle Aussagen zum Verhältnis zwischen Verfassungsschutz bzw. Nachrichtendiensten und Polizei getroffen.4 Sie finden sich in den Abschnitten D.II. und D.III. der Entscheidung. Unter D.II. werden staatsorganisationsrechtliche Fragen und unter D.III. wird der Bezug zu den Grundrechten thematisiert. Aus diesem Grund ist der vorliegende Nachtrag verfasst worden. Hier soll das Urteil des BVerfG zu der (bisherigen) Untersuchung in Beziehung gesetzt werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, welche Aussagen das BVerfG zum Trennungsgebot trifft (A.). Darüber hinaus werden die Auswirkungen des Urteils auf die in dieser Untersuchung thematisierten Formen der Mitwirkung skizziert (B.).

A. Aussagen zum Trennungsgebot Die für diese Untersuchung wohl bemerkenswerteste Feststellung ist, dass das BVerfG den Terminus Trennungsgebot und die damit verbundenen Auseinandersetzungen überhaupt nicht aufgreift, obwohl der Beschwerdeführer hierauf expli1

Die Arbeit wurde im November 2012 abgeschlossen. BVerfG – 1 BvR 1215/07 – Urteil vom 24.4.2013, BVerfGE 133, 277. In der Literatur hat die Entscheidung ein geteiltes Echo erfahren. Während z. B. Arzt, NVwZ 2013, 1328 (1332), von dem Urteil nicht überzeugt ist, sieht Frenz, DVBl. 2013, 783 (789), die Terrorbekämpfung und die individuellen Rechte in der Entscheidung sorgfältig austariert. 3 Zur Antiterrordatei oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 4 Gärditz, JZ 2013, 633 (633), spricht gar von einer „Grundsatzentscheidung, die die halboffenen Informationsschleusen zwischen Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendiensten verfassungsrechtlich einhegt.“ 2

6. Teil: Nachtrag zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.4.2013

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zit abstellt.5 Auch setzt sich das BVerfG mit seinen eigenen bisherigen Ausführungen zum Trennungsgebot nicht auseinander.6 Nach der Lektüre allein dieses Urteils bliebe gänzlich unbekannt, dass sich das BVerfG mit dem Trennungsgebot überhaupt schon einmal – wenngleich auch nur erwähnend – befasst hat. Stattdessen leitet das BVerfG aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein „informationelles Trennungsprinzip“ zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden her7, wohlgemerkt ohne dieses mit der Diskussion um das Trennungsgebot in Beziehung zu setzen.8 Im Hinblick darauf stellt sich die Frage an welcher Stelle eine Beschäftigung mit dem Terminus Trennungsgebot zu erwarten gewesen wäre und weshalb das BVerfG dies unterlassen hat. Zugleich ist zu überlegen, in welcher Beziehung das klassische Trennungsgebot und das informationelle Trennungsprinzip zueinander stehen. I. Staatsorganisationsrechtliche Ebene Ausgehend vom Stand der bisherigen Auseinandersetzung mit dem Trennungsgebot wäre eine Thematisierung unter D.II. der Entscheidung zu erwarten gewesen, da das Trennungsgebot staatsorganisationsrechtliche Relevanz aufweist9 und seine verfassungsrechtliche Herleitung aus Art. 87 Abs. 1 und Art. 73 Nr. 10 GG, dem Rechtsstaatsprinzip, dem Bundesstaatsprinzip und dem Demokratieprinzip diskutiert wird.10 Tatsächlich finden sich unter D.II. auch Ausführungen zu Art. 73 Nr. 10 und Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG. Allerdings stehen diese – ausgehend vom bisherigen Diskussionsverlauf um die Frage (nach dem Verfassungsrang) des Trennungsgebots – unter geradezu umgekehrten Vorzeichen.11 So leitet das BVerfG aus der Gesetzgebungskompetenz von Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG für den Bund eine Kompetenz zur Regelung einer fachübergreifenden

5 So gibt das BVerfG in seiner Entscheidung (BVerfGE 133, 277 [299]) selbst die Ausführungen des Beschwerdeführers wie folgt wieder: „Durch das Antiterrordateigesetz werde [. . .] das Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten teilweise aufgehoben. Der Verfassungsrang dieses Trennungsgebots folge aus Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG; es sei Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und des Grundrechtsschutzes.“ 6 Hierzu oben Vierter Teil: Kapitel 7. 7 BVerfGE 133, 277 (329). 8 Diese Phänomene finden bei Gärditz, JZ 2013, 633 ff. (634), keine Erwähnung. Stattdessen geht er implizit ohne nähere Begründung davon aus, dass sich das BVerfG in seiner Entscheidung mit dem Trennungsgebot auseinandersetzt, welches es grundrechtlich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit herleite. 9 Zu den Grundpfeilern des Trennungsgebots vgl. oben Vierter Teil: Kapitel 4. 10 Hierzu oben Vierter Teil: Kapitel 7. 11 Im Unterschied zum hiesigen Verständnis enthalten für Gärditz, JZ 2013, 633 (633), aus der Binnensicht des BVerfG „die Ausführungen zu den bundesstaatlich-organisatorischen Kompetenzfragen [. . .] nichts Überraschendes.“

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6. Teil: Nachtrag zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.4.2013

Zusammenarbeit von (präventiv wie repressiv tätigen) Polizei- und Verfassungsschutzbehörden ab. Zur Begründung führt das Gericht aus: „Dies entspricht nicht nur einem funktionalen Verständnis der Norm, die allgemein eine Effektivierung der Zusammenarbeit der verschiedenen Sicherheitsbehörden über föderale Kompetenzgrenzen hinweg ermöglichen will, sondern wird auch durch ihre ursprüngliche Fassung nahegelegt, die noch nicht in einzelne Buchstaben aufgegliedert war. Den Materialien lässt sich ebenfalls nichts für ein engeres Verständnis entnehmen. Die Änderung der Vorschrift im Jahr 1972 hatte nicht das Ziel, der Norm in dieser Hinsicht einen anderen Sinn zu geben (vgl. BT-Drucks. VI/1479).“ 12 Damit zielt das Gericht in eine zur bisherigen Diskussion entgegengesetzte Richtung. So wird bei der Auseinandersetzung um das Trennungsgebot diskutiert, ob Art. 73 Nr. 10 bzw. Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG diesem einen Verfassungsrang vermitteln.13 Dann aber geht es um die Frage, ob den beiden Artikeln eine die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz begrenzende Funktion zukommt. Das BVerfG jedoch thematisiert die Frage nach einer Beschränkungsfunktion nicht, sondern leitet geradezu umgekehrt aus Art. 73 Nr. 10 GG letztlich ein Gebot der Effektivierung einer fachübergreifenden Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei her. Weshalb freilich dem Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG ein solches funktionales Verständnis zukommen soll, bleibt unklar.14 Die Ausführungen des Gerichts jedenfalls können nicht überzeugen. Zwar zielt Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG tatsächlich auf eine Effektivierung der Zusammenar12 BVerfGE 133, 277 (318) – Der ursprüngliche Wortlaut von Art. 73 Nr. 10 GG lautete: „Die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei und in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes sowie die internationale Verbrechensbekämpfung“ (BGBl. 1949, S. 1). Durch die Grundgesetzänderung von 1972 (Gesetz vom 28.7.1972, BGBl. I S. 1305) erhielt Art. 73 Nr. 10 GG die folgende Fassung: „10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder a) in der Kriminalpolizei, b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und c) zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung.“ 13 Hierzu sei auf die folgenden jüngeren monografischen Auseinandersetzungen verwiesen. Ein verfassungsrechtliches Trennungsgebot aus Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG (i.V. m. Art. 73 Nr. 10 GG) bejahend: Stubenrauch, S. 29 ff.; Lang, S. 144 ff.; Zöller, Informationssysteme, S. 315 ff.; verneinend hingegen: König, S. 158 ff.; Streiß, S. 153 ff.; Klee, S. 51 ff., 56. 14 Auch Gärditz, JZ 2013, 633 (633), liefert letztlich keine hinreichende Begründung, wenn er auf die „allgemeine Zurückhaltung, bundesstaatlichen Kompetenznormen materielle Gehalte zuzusprechen“ abstellt.

6. Teil: Nachtrag zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.4.2013

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beit. Aber es geht hierbei um die Effektivierung der Zusammenarbeit innerhalb der jeweiligen Fachbereiche von Polizeibehörden (Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. a GG) und Verfassungsschutzbehörden (Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b und lit. c GG)15 zwischen Bund und Ländern. Dass zudem eine Effektivierung der Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Fachbereichen angestrebt wird, lässt sich aus dieser Kompetenznorm weder grammatikalisch noch systematisch oder teleologisch entnehmen: Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG weist dem Bund die Kompetenz zur Regelung der Zusammenarbeit für die dort aufgelisteten Bereiche zu. Doch enthält allein deshalb die Norm für den Bund noch nicht den Auftrag, zwischen den einzelnen Fachbereichen für effektive Formen der Zusammenarbeit zu sorgen. Denn dann müsste der Norm auch eine rein bundesinterne Wirkung zu entnehmen sein, die Aufgaben und Arbeitsweisen von BKA (Kriminalpolizei) und BfV (Verfassungsschutz) unter den Vorzeichen der Effektivität aufeinander abzustimmen. Ein solches Verständnis geht über den Regelungsgehalt von Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG hinaus. Entsprechend erfasst die Norm auch keine Kompetenz für „Regelungen über die verbandsinterne Zusammenarbeit, also über die Kooperation mehrerer Bundesbehörden oder mehrerer Behörden eines Landes.“ 16 Stattdessen geht es allein um Regelungen der Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern und der Zusammenarbeit der Länder untereinander.17 Im Übrigen spricht gerade der historische Kontext um die Einfügung des Verfassungsschutzes in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG (wie auch in Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG) gegen ein solches Verständnis. Maßgebender Bezugspunkt hierfür ist in der Tat nicht die Änderung der Verfassung im Jahre 1972. Insoweit ist dem BVerfG zuzustimmen. Stattdessen ist auf 15 Neben der ausdrücklichen Zuweisung via Legaldefinition von Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG dient im Ergebnis auch lit. c der Zuweisung von Regelungskompetenz für die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden. So steht die Einfügung von lit. c in das Grundgesetz im Jahr 1972 in unmittelbaren Zusammenhang mit der insoweit identischen ausdrücklichen Aufgabenerweiterung für den Verfassungsschutz durch Einfügung von § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG (1950), geändert durch Gesetz vom 7.8.1972, BGBl. S. 1382; vgl. BT-Drs. VI/1179, S. 1. Hintergrund für die ausdrückliche eigenständige Aufnahme des sog. Ausländerextremismus in GG wie BVerfSchG war die bestehende Ungewissheit, ob von dem klassischen Verständnis von Verfassungsschutz auch die Aufklärung von solchen Bestrebungen ausländischer Gruppen im Inland erfasst werden können, deren terroristische Aktionen sich nicht gegen die Bundesrepublik Deutschland sondern gegen die politischen Verhältnisse ausländischer Staaten richten; vgl. BT-Drs. VI/1479, S. 3, VI/1179, S. 3. Diese bestehende Unsicherheit sollte durch eine positivrechtliche Klarstellung beseitigt werden. (Das offenbar verkennend König, S. 163, der insoweit von verschiedenen Aufgaben ausgeht.) 16 MD/Uhle, GG, Art. 73 Rn. 232. Ferner von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.73 Rn. 610. Ähnlich auch Jarass/Pieroth, Art. 73 Rn. 31, mit Verweis auf BVerfGE 113, 63 (79): „Der Bund hat nach Art. 73 Nr. 10 Buchstabe b GG zwar die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder im Bereich des Verfasungsschutzes, nicht aber für den Verfassungsschutz allgemein. Insoweit ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz der Länder aus Art. 70 Abs. 1 GG.“ 17 MD/Uhle, GG, Art. 73 Rn. 232; von Mangoldt/Klein/Starck, GG Art. 73 Rn. 608 f.

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die Beratungen des Polizeibriefes der Alliierten vom 14. April 194918 im Parlamentarischen Rat und dessen Abstimmung über das Grundgesetz abzustellen. Denn der Polizeibrief bildete den unmittelbaren Anlass für die ausdrückliche Aufnahme des Verfassungsschutzes in beide Artikel.19 Das bereits herausgearbeitete allgemeine Anliegen des Parlamentarischen Rates, (auch mit dieser Kompetenznorm) keine Politische Polizei wiederentstehen zu lassen20, fordert eher eine restriktive Haltung bei der Beurteilung von Annäherung zwischen Verfassungsschutz und Polizei, keinesfalls jedoch zu dem Verständnis nach der Ermöglichung einer „Effektivierung der Zusammenarbeit“. Denn gerade damit wird die Gefahr der Wiederentstehung einer Politischen Polizei – deren Kennzeichen das Zusammenfallen von nachrichtendienstlicher Aufklärungstätigkeit und polizeilichen bzw. exekutiven Befugnissen ist21 – erhöht. Hiervon ausgehend können auch die Überlegungen des BVerfG zu Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG nicht überzeugen. So führt das Gericht aus: „Dahinstehen kann, ob es für die Führung der Antiterrordatei als Verbunddatei zusätzlich [d.h. neben einer Gesetzgebungskompetenz] einer Verwaltungskompetenz des Bundes bedarf. Denn eine solche Kompetenz ergäbe sich für die beim Bundeskriminalamt geführte Antiterrordatei jedenfalls aus der Befugnis zur Einrichtung von Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen gem. Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG.“ 22 Zwar legitimiert die Verfassungsvorschrift die Errichtung von Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen und damit die Errichtung des BKA sowie dessen Ausstattung mit Dateien zur Aufgabenwahrnehmung.23 Doch wird bei einem solch stark vereinfachten Blick übersehen, dass hierüber auch nur Daten für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen erfasst werden.24 Bei der beim BKA geführten Antiterrordatei werden die Daten jedoch von Nachrichtendienst- und Polizeibehörden eingespeist und abgerufen.25 Ob eine solche fachübergreifende Verbunddatei auch von Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG legitimiert ist, unterliegt den gleichen Grundfragen wie sie soeben für Art. 70 Abs. 1 Nr. 10 GG erörtert wurden. Der bloße Hinweis darauf, dass die Datei beim BKA geführt wird, genügt jedenfalls nicht, um die mit der Diskussion um das

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Hierzu oben Vierter Teil: Kapitel 3 F. III. Hierzu oben Vierter Teil: Kapitel 3 F. IV. 20 Vgl. zusammenfassend oben Vierter Teil: Kapitel 3 F. V. 21 Vgl. oben Vierter Teil: Kapitel 4. 22 BVerfGE 133, 277 (320). 23 U. a. Dreier/Hermes, GG, Art. 87 Rn. 46 ff.; 50 ff. 24 Umstritten; vgl. Jarass/Pieroth, Art. 87 Rn. 5; Dreier/Hermes, GG, Art. 87 Rn. 35 f.; MD/Ibler, GG, Art. 87 Rn. 124, 143. Im Ergebnis geht es auch hier um die Frage nach dem verfassungsrechtlichen Trennungsgebot. 25 Zur Antiterrordatei oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. I. 19

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verfassungsrechtliche Trennungsgebot verbundenen staatsorganisationsrechtlichen Zweifel auszuräumen. II. Grundrechtliche Ebene Eine Auseinandersetzung mit dem bisherigen Diskussionsverlauf zum Trennungsgebot wäre ebenso unter D.III. der Entscheidung zu erwarten gewesen, da dessen Herleitung auch aus den Grundrechten diskutiert wird.26 Das BVerfG erwähnt jedoch auch in diesem Abschnitt den Terminus Trennungsgebot nicht. Allerdings entwickelt das Gericht aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein „informationelles Trennungsprinzip“ zwischen Nachrichtendienst- und Polizeibehörden.27 Dessen Kernaussage lautet: „Daten zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden [dürfen] grundsätzlich nicht ausgetauscht werden. Einschränkungen der Datentrennung sind nur ausnahmsweise zulässig. Soweit sie zur operativen Aufgabenwahrnehmung erfolgen, begründen sie einen besonders schweren Eingriff. Der Austausch von Daten zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden für ein mögliches operatives Tätigwerden muss deshalb grundsätzlich einem herausragenden öffentlichen Interesse dienen, das den Zugriff auf Informationen unter den erleichterten Bedingungen, wie sie den Nachrichtendiensten zu Gebot stehen, rechtfertigt.“ 28 Die Grundlage für ein informationelles Trennungsprinzip zwischen Nachrichtendienst- und Polizeibehörden sieht das BVerfG in den bestehenden erheblichen Unterschieden in Aufgaben, Befugnissen und Arbeitstätigkeiten zwischen (präventiv wie repressiv tätiger) Polizei und Nachrichtendiensten. So kommt das BVerfG nach einer hierauf gerichteten Analyse29 zu dem Fazit: „Die Rechtsordnung unterscheidet damit zwischen einer grundsätzlich offen arbeitenden Polizei, die auf eine operative Aufgabenwahrnehmung hin ausgerichtet und durch detaillierte Rechtsgrundlagen angeleitet ist, und den grundsätzlich verdeckt arbeitenden Nachrichtendiensten, die auf die Beobachtung und Aufklärung im Vorfeld zur politischen Information und Beratung beschränkt sind und sich deswegen auf weniger ausdifferenzierte Rechtsgrundlagen stützen können. Eine Geheimpolizei ist nicht vorgesehen.“ 30 Diese Begründung weist jedoch zwei Schwächen auf: Erstens entspricht zwar diese Feststellung der ursprünglichen Idee einer Differenzierung von Nachrichtendiensten und Polizei, aber diese ist längst nicht mehr 26 27 28 29 30

Vgl. oben Vierter Teil: Kapitel 7. BVerfGE 133, 277 (329). BVerfGE 133, 277 (329). BVerfGE 133, 277 (324–328). BVerfGE 133, 277 (328 f.).

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(alleinige) Realität. So ist im Bereich des Ermittlungsverfahrens das Prinzip des offenen Visiers kaum mehr als Regel anzusehen31, die Tendenzen einer Vorverlagerung des Strafrechts gegenüber seinen klassischen Eingriffsschwellen sind unverkennbar32 und auch ist der Verfassungsschutz längst nicht nur für die Unterrichtung von politischen Entscheidungsträgern, sondern sehr wohl auch operativ tätig, wie beispielhaft das Tätigkeitsgebiet Spionageabwehr33 oder die sowohl in GATZ als auch GETZ existierende Arbeitsgruppe „Operativer Informationsaustausch“ zeigen.34 Das BVerfG hat diese Entwicklungsschritte in seiner Analyse weitgehend ausgeklammert. Zweitens begründet das BVerfG die Frage, warum die Rechtsordnung die Differenzierung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten vornimmt und warum eine sog. Geheimpolizei nicht vorgesehen ist, ebenso wenig überzeugend wie es den Begriff der Geheimpolizei gänzlich unbestimmt lässt.35 So kann dem Urteil zur Begründung allein das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und den hieraus entwickelten Grundsatz der Zweckbindung entnommen werden.36 Hiervon ausgehend kommt das Gericht zu der Feststellung, dass die „Aufgliederung der Sicherheitsbehörden nach fachlichen und föderalen Gesichtspunkten [. . .] für den Datenschutz auch eine besondere grundrechtliche Dimension [entfaltet]. Dass Informationen zwischen den verschiedenen Sicherheitsbehörden nicht umfassend und frei ausgetauscht werden, ist nicht Ausdruck einer sachwidrigen Organisation dieser Behörden, sondern von der Verfassung durch den datenschutzrechtlichen Grundsatz der Zweckbindung grundsätzlich vorgegeben und gewollt.“ 37 Mit dieser Begründung lässt sich aber nicht erklären, warum es die Existenz von verschiedenen Sicherheitsbehörden – einerseits die Polizeibehörden und andererseits die Nachrichtendienste bzw. Verfassungsschutzbehörden – gibt. Vielmehr setzt diese Begründung die Differenzierung als gegeben voraus. Das freilich ist vom gewählten Begründungsansatz (Recht auf informationelle Selbst31 Zur „Vernachrichtendienstlichung“ des Strafverfahrens bereits oben Zweiter Teil: Kapitel 2 C. I. 32 Hierzu bereits Zweiter Teil: Kapitel 2 B. 33 Hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 1 A. 34 Vgl. zum GTAZ oben Dritter Teil: Kapitel 1 B. III. und zum GETZ Dritter Teil: Kapitel 1 B. VII. 35 Eine entsprechende Auseinandersetzung kommt auch bei Gärditz nicht vor. Stattdessen wählt nach seiner Ansicht (JZ 2013, 633, 634) das Gericht „konsequent einen grundrechtlichen Begründungsansatz [. . .] der dogmatisch als besondere Form des Grundrechtsschutzes durch Organisations- und Informationsrecht einzuordnen ist: Die Verwaltung wird konsequent akteursbezogen disaggregiert konstruiert; über eine Entflechtung von Zuständigkeiten wird es möglich, eine (informationelle) Verkopplung konkreten Regeln zu unterwerfen.“ 36 Siehe insbesondere BVerfGE 133, 277 (320 f., 323). 37 BVerfGE 133, 277 (323).

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bestimmung und die darauf aufbauende Zweckbindung) aus zweierlei Gründen geradezu zwingend. Zum einen lässt sich die Differenzierung zwischen Polizei und Verfassungsschutz eben nur aus staatsorganisatorischer Sicht begründen. Und zum anderen gab es das (einfachgesetzliche) Trennungsgebot schon bevor der datenschutzrechtliche Grundsatz der Zweckbindung überhaupt entwickelt worden war. Es darf nicht vergessen werden, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der damit verbundene Grundsatz der Zweckbindung erst durch das Volkszählungsurteil grundrechtliche Relevanz erlangt hat.38 Auch die – wenn man so will – Vorläuferentscheidungen lassen sich allein auf die Zeit ab 1969 zurückführen39 und damit deutlich später als die seit den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland bestehende Trennung zwischen Polizei- und Verfassungsschutzbehörden. III. Verhältnis zwischen Trennungsgebot und informationellem Trennungsprinzip Vor diesem Hintergrund ist die folgende Schlussfolgerung zu ziehen: Das informationelle Trennungsprinzip ist etwas anderes als das Trennungsgebot mit dem in dieser Untersuchung herausgearbeiteten Bedeutungsgehalt.40 Folglich kann das vom BVerfG postulierte informationelle Trennungsprinzip das klassische Trennungsgebot (mit dem hiesigen inhaltlichen Verständnis) nicht ersetzen. Von daher stehen beide Institute nebeneinander.41 Ob diese Sicht auch vom BVerfG geteilt wird, muss aufgrund dessen verweigerter ausdrücklicher Auseinandersetzung mit dem Trennungsgebot freilich offen bleiben.42

B. Auswirkungen auf die Formen der Mitwirkung Standen bislang die – fehlenden – Ausführungen des BVerfG zum Trennungsgebot und die damit für das Trennungsgebot verbundenen Folgen im Mittelpunkt, sollen nun die Auswirkungen des Urteils auf die in dieser Untersuchung thema38 Hierzu bereits Dritter Teil: Kapitel 2 A. I.; Zöller, Informationssysteme, S. 25 ff.; Stubenrauch, S. 63 ff. 39 Die von Stubenrauch, S. 63 Rn. 177, hierzu als älteste aufgeführte Entscheidung des BVerfG (Mikrozensus-Beschluss, BVerfGE 27, 1) stammt vom 16.7.1969. 40 Anders offenbar Gärditz, JZ 2013, 633 (634), der in den Ausführungen des BVerfG per se eine Auseinandersetzung mit dem Trennungsgebot erblickt, welches das Gericht nunmehr grundrechtlich herleite. 41 Ein thematisches Nebeneinander von Trennungsgebot und informationellen Trennungsprinzip vermuten auch Bruch/Jost/Müller/Vahldieck, S. 363. 42 Pessismistisch in dieser Hinsicht die Einschätzung von Arzt, NVwZ 2013, 1328 (1329): „Ohne [. . .] auch den Begriff des Trennungsgebots zu erwähnen, scheint das Gericht diesem implizit eine Absage zu erteilen und an dessen Stelle ein ,informationelles Trennungsprinzip‘ zu setzen.“

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tisierten Formen der Mitwirkung skizziert werden. Welche Anforderungen sind durch das BVerfG zusätzlich an die Mitwirkung des Verfassungsschutzes in strafprozessualen Ermittlungsverfahren (jenseits der speziellen Konstellation von Verbunddateien)43 zu stellen? Auf die Zeichnung einer bloßen Skizze können die Ausführungen schon deshalb beschränkt werden, weil insbesondere die grundrechtlichen Anforderungen an die Mitwirkungsformen in der gesamten Untersuchung (weitgehend) ausgeklammert worden sind44 und das BVerfG seine Anforderungen ausschließlich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und damit grundrechtlich ableitet.45 Das Urteil des BVerfG enthält aus Sicht der bisherigen Regelungssystematik zwei „Paukenschläge“. Erstens wird für die Übermittlung von personenbezogenen Daten zwischen Nachrichtendiensten und Polizei (und damit auch zwischen Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden) das Erfordernis eines hypothetischen Ersatzeingriffs gefordert, wenn die Daten durch einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht erhoben worden sind.46 Darüber hinaus wird – zweitens47 – gefordert, dass die Übermittlung von nachrichtendienstlichen personenbezogenen Daten zu operativen Zwecken (und damit auch zu Zwecken der Strafverfolgung) „grundsätzlich einem herausragenden öffentlichen Interesse dienen“ muss.48 Beiden Erfordernissen wird die bisherige Regelungssystematik in ihrer Gesamtheit nicht gerecht. Verdeutlichen lässt sich dies an den allgemeinen Übermittlungsvorschriften.49 Aus Sicht des nachrichtendienstlichen Binnenbereichs sind dies die Exportregelungen in § 19 Abs. 1 S. 1 und § 20 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG. Der als fakultative Übermittlungsvorschrift ausgestaltete § 19 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG enthält weder das Erfordernis eines hypothetischen Ersatzeingriffs noch verlangt die Norm ein „herausragend öffentliches Interesse“. Vielmehr ist es ausreichend, dass die Da43 Die unmittelbar für die Antiterrordatei zu ziehenden Konsequenzen wurden bereits oben bei der Vorstellung der Antiterrordatei (Dritter Teil: Kapitel 2 E. I.) selbst eingearbeitet. Die Vorgaben sind der weitgehend parallel aufgebauten RechtsextremismusDatei entsprechend zu übertragen. 44 Zum Untersuchungsgegenstand Erster Teil: B. 45 BVerfGE 133, 277 (320 f.). 46 Mit den Worten des BVerfG (BVerfGE 133, 277 [324]) formuliert: „Ausgeschlossen ist eine Zweckänderung [. . .] dann, wenn mit ihr grundrechtsbezogene Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Ermittlungsmethoden umgangen werden, also die Informationen für den geänderten Zweck selbst auf entsprechender gesetzlicher Grundlage nicht oder nicht in dieser Art und Weise hätten erhoben werden dürfen“. Die Einstufung dieser Ausführungen als hypothetischen Ersatzeingriff nimmt Gärditz, JZ 2013, 633 (635), ebenfalls vor. 47 Dieses – zusätzliche – Kriterium wird von Gärditz, JZ 2013, 633 ff., weder terminologisch noch thematisch aufgegriffen. 48 BVerfGE 133, 277 (329). 49 Zur Klassifizierung der Übermittlungsvorschriften vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. I., Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. und Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 1. a).

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ten für die Strafverfolgungsbehörden zum Zwecke der Strafverfolgung erforderlich sind.50 Das allein bildet jedoch kein „herausragend öffentliches Interesse“. So stellt das BVerfG klar, dass Übermittlungsvoraussetzungen wie „Erforderlichkeit der Aufgabenwahrnehmung“ oder „Wahrung der öffentlichen Sicherheit“ nicht ausreichend sind.51 Anders könnte insoweit die Bewertung von § 20 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG ausfallen, als dass eine obligatorische Datenübermittlung nicht zur Verfolgung von beliebigen Straftaten, sondern nur zur Verfolgung von Staatsschutzdelikten vorgesehen ist. Ob freilich insbesondere die hiervon mit erfassten sog. unechten Staatsschutzdelikte52 den Anforderungen, die an ein „herausragend öffentliches Interesse“ zu stellen sind, genügen, muss an dieser Stelle offenbleiben. Zumindest ist aber auch in § 20 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG das Erfordernis eines hypothetischen Ersatzeingriffs nicht integriert und genügt insoweit den verfassungsgerichtlichen Vorgaben nicht. Auch im strafverfahrensrechtlichen Binnenbereich wird das Gesetz den zu stellenden Anforderungen bislang nicht gerecht. So bedingt zwar der als allgemeine Importregelung ausgestaltete § 161 StPO in Abs. 2 die Prüfung des hypothetischen Ersatzeingriffs, dies aber allein dann, wenn die entsprechende strafprozessuale Parallelmaßnahme nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig ist.53 Im Übrigen wird auf dieses Erfordernis verzichtet. Die Abhängigkeit eines Datenimports von dem Vorliegen eines „herausragenden öffentlichen Interesses“ wiederum ist der StPO (zumindest in der Allgemeinheit und im hier relevanten Bereich) unbekannt und es ist davon auszugehen, dass die Strafverfolgung nicht per se ein herausragendes öffentliches Interesse darstellt. Schließlich werden auch bei einer Zusammenschau von nachrichtendienstlichen und strafprozessualen Übermittlungsvorschriften die Anforderungen nicht erfüllt. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Das Urteil des BVerfG zwingt nicht nur zu einer teilweisen Neuregelung der Antiterrordatei und der hierzu weitgehend analog aufgebauten Rechtsextremismusdatei. Auch die Übermittlungsvorschriften im nachrichtendienstlichen und strafprozessualen Binnenbereich bedürfen einer Überarbeitung. Darüber hinaus ist fraglich, inwieweit mit den nunmehrigen Vorgaben die Errichtung gemeinsamer Projektdateien (§ 22a BVerfSchG, § 9a BNDG, § 9a BKAG)54 überhaupt praktikabel ist. Denn Kennzeichen der gemeinsamen Projektdateien ist, dass im Rahmen eines behördenübergreifenden gemeinsamen Projekts personenbezogene Daten in eine gemeinsame Datei zum Zwecke eines späteren Datenabrufs durch eine Teilnahmebe50

Hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. b). BVerfGE 133, 277 (330 f.). 52 Zur Problematik der schwierigen Bestimmbarkeit, ob ein unechtes Staatsschutzdelikt gegeben ist, vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 B. III. 2. a) aa) (2). 53 Zum Verdacht bestimmter Straftaten vgl. oben Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 2. a) bb). 54 Zu den Projektdateien bereits Dritter Teil: Kapitel 2 E. II. 51

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hörde eingespeist werden und daher bereits zum Zeitpunkt der Dateneinspeisung die Voraussetzungen zum Datenabruf durch jede Teilnehmerbehörde gegeben sein müssen.55 Dass umfassende Neuregelungen erforderlich sind, hat offenbar auch das BVerfG gesehen und daher die Überprüfung bestehender Datenübermittlungsvorschriften in die Begründung für die Gewährung der langen Frist von 20 Monaten zur Umsetzung des Urteils mit einbezogen.56 Die Umsetzung der Vorgaben wiederum lässt wegen den vagen verfassungsgerichtlichen Ausführungen57 größere Auseinandersetzungen in Praxis, Wissenschaft und Gesetzgebung erwarten.58 Das BVerfG hat sich jedenfalls mit seinem Urteil deutlich gegen den rechtspolitisch vorherrschenden Zeitgeist positioniert, der vor dem Hintergrund des NSUSkandals ein engeres Zusammenrücken von Polizei und Verfassungsschutz fordert.59

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Zur Dateneingabe in eine Projektdatei siehe oben Dritter Teil: Kapitel 2 E. II. 3. Vgl. BVerfGE 133, 277 (375, 377). 57 So ist die konkrete Umsetzung der Figur des hypothetischen Ersatzeingriffs im Strafverfahrensrecht nicht frei von Unklarheiten [vgl. hierzu oben Dritter Teil: Kapitel 2 C. II. 2. b)]. Weiterhin lässt das Gericht den Begriff vom „herausragenden öffentlichen Interesse“ undefiniert und bietet auch keine greifbaren Anhaltspunkte für die Bestimmung der Ausnahmen von dem grundsätzlichen Erfordernis des herausgehobenen Interesses. 58 BMI, ADTG-Urteil, S. 43: Das BMI folgert aus der Entscheidung gesetzgeberischen Änderungsbedarf ausschließlich im Antiterrordateigesetz und im Rechtsextremismus-Datei-Gesetz selbst und sieht keinen „[d]arüber hinausgehenden Regelungsbedarf, insbesondere im Hinblick auf die Zusammenarbeit in den gemeinsamen Zentren sowie die Vorschriften zu projektbezogenen gemeinsamen Dateien.“ 59 Vgl. hierzu bereits die Feststellung in der Einleitung (Erster Teil: C.). 56

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Sachverzeichnis 14-Punkte-Papier 296, 300 ff. Alliierter Kontrollrat 280 ff. Amtshilfe 63, 111, 113, 118 ff., 256, 272 Analyseboard – siehe Informations- und Analyseboards Analysedatei/-funktion (Rechtsextremismusdatei) 239 ff., 244 ff., 321 – Unterschied zur Projektdatei 245 f. Anfangsverdacht 68 f., 70 ff., 84, 128 f., 131, 140, 142, 157 f., 161, 176 ff., 183, 198, 200, 206 f., 208 f., 312 f. Antiterrordatei 108, 218 ff., 220 ff. – Behörden 220 – Datenabruf 225 f. – Datenverwendung 226 ff. – Erfasste Personen und Objekte 221 f. – Freitextfeld 223 f., 228 f. – Speicherinhalt 222 ff. – Trennungsgebot 316 ff., 324 – Urteil BVerfG 342 ff. Aufgaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz 33 ff. – Beobachtungsauftrag 33 f. – Frühwarnsystem der Demokratie 32 – Mitwirkungsaufgaben 35 – Organisierte Kriminalität 34 Aufgedrängte Datenübermittlung (StPO) 174 f. Auskunftsanspruch (StPO) – siehe Auskunftsersuchen (StPO) Auskunftsersuchen (StPO) 170, 175 ff., 206, 208, 272, 318 Befugnisvergleich (Bundesamt für Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden) 75 ff.

– Rasterfahndung 199 Bereichsspezifische Geheimhaltungsvorschriften 180 ff., 203 f., 209 f., 210 ff. Beschlagnahme 62, 77, 79 f., 89 Besonderes Auskunftsverlangen 58 ff. – Befugnisvergleich (StPO) 78 ff. – Erhebung (Befugnis) 59 ff. – Rechtspolitischer Hintergrund 58 f. – Übermittlung 169 – Verbot polizeilicher Befugnisse 64 f. Brief- und Postüberwachung – siehe G 10 Bundesverfassungsschutzgesetz 1950 33 f., 42 f., 296 ff. Computerhacking 52, 54, 57 Durchsuchung 79, 94, 189, 271 f. – Trennungsgebot 315 f. – Verbot polizeilicher Befugnisse 61 ff. Entsprechensklausel (§ 161 Abs. 2 StPO) 195 ff., 209 f., 210 ff. – Brief- und Postkontrolle 196 – optische Wohnraumüberwachung 196 Erforderlichkeit 127 ff., 139 f., 142, 146, 161, 164, 168, 178, 207, 305 ff., 312 f. Ermittlungsgeneralklausel 74, 76 ff., 176 ff. Fernmeldeüberwachung – siehe G 10 Festnahme (Verbot polizeilicher Befugnisse) 61 ff. Freitextfeld 223 f., 228 f., 237, 242 f., 318, 324

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Sachverzeichnis

Funktionelle Verschmelzung 303, 310 f., 321 G 10 – Befugnisvergleich (StPO) 76 f. – Erforderlichkeit (Übermittlung) 161 – Erhebung (Befugnis) 56 – fehlende Äquivalente zu §§ 17 ff. BVerfschG 162 ff. – Qualifizierter Anfangsverdacht (Übermittlung) 157 f. – Übermittlung 148 ff. – Zufallsfunde (Übermittlung) 154 ff. – Zweckbindung (Übermittlung) 161 f. Geheime Staatspolizei 275 ff., 287 Geheimhaltungsvorschriften (StPO) – siehe Bereichsspezifische Geheimhaltungsvorschriften – siehe Sperrerklärungen Gemeinsame Projektdateien – siehe Projektdateien Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus 28, 104, 235 Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration – Institutionalisierung der Zusammenarbeit 101 ff. – Trennungsgebot 321 ff. Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum Schleusungskriminalität – siehe Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum – Institutionalisierung der Zusammenarbeit 105 f. – Nationalsozialistischer Untergrund 28 – Trennungsgebot 321 ff. Gemeinsames Internetzentrum 103 f. Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum – Antiterrordatei 218 f. – Institutionalisierung der Zusammenarbeit 97 ff. – Trennungsgebot 321 ff.

Grenzen der Datenverwendung (StPO) 186 ff. – § 161 Abs. 2 StPO 195 ff. – Genese 187 ff. – Regelungssystematik 186 f. – Verwendungsverbote (§ 160 Abs. 4 StPO) 203 f. Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme 54, 225 Herausragend öffentliches Interesse 347, 350 ff. Hypothetischer Ersatzeingriff 191 ff., 200, 202 f., 207, 350 ff. IMSI-Catcher 52, 55 f. – Übermittlung 121, 165, 168 f., 172 f., 183, 198, 208, 210, 213 f. Informationelles Trennungsprinzip 343, 347 ff., 349 Informations- und Analyseboards 91, 95 ff., 321 ff. Informationsgruppe Rechtsextremismus/ -terrorismus 92 ff. Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer/ -terroristischer, insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte – siehe Informationsgruppe Rechtsextremismus/-terrorismus Institutionalisierung der Zusammenarbeit 91 ff. – Antiterrordatei 108 f., 220 ff. – Gemeinsame-Dateien-Gesetz 108 f., 218 ff. – Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus 104 – Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration 101 ff. – Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum Schleusungskriminalität 101 – Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum 105 f. – Gemeinsames Internetzentrum 103 f.

Sachverzeichnis – Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum 97 ff. – Informations- und Analyseboards 95 ff. – Informationsgruppe Rechtsextremismus/ -terrorismus 92 ff. – Koordinierungsgruppe Internationaler Terrorismus 94 f. – Koordinierungsgruppe politisch motivierte Kriminalität rechts 94 – Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung 92 – Projektdateien 108 f., 230 ff. – Rechtsextremismusdatei 108 f., 234 ff. – Trennungsgebot 316 ff. Intelligence cycle 40 ff. Klassische Mitwirkungsformen 89 ff. – Trennungsgebot 312 ff. Kontaktanbahnungs- und Fundstellennachweis – Antiterrordatei 229, 252 – Rechtsextremismusdatei 239, 242 ff., 252 Koordinierungsgruppe Internationaler Terrorismus 94 f. Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung 92 Legalitätsprinzip 67 ff., 83 ff., 174 ff., 272 ff. – Anfangsverdacht 68 – mehrstufige Ermittlungsmethoden 69 f. – Trennungsgebot 259, 307 f. – Verdachtsschöpfung 68 f. Mehrstufige Ermittlungsmethoden 69 f. Minderjährigenschutz 145 ff., 164 f., 168, 170, 172, 184, 207, 222 Mitwirkung im Strafverfahren – siehe Institutionalisierung der Zusammenarbeit – siehe klassische Mitwirkungsformen

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Mitwirkungspflicht 247 ff. – Antiterrordatei 248 – nachrichtendienstliches Binnenrecht 247 – Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138 StGB) 248 f. – Projektdatei 248 – Rechtsextremismusdatei 248 – Strafverfahrensrechtliches Ersuchen 247 f. Nachrichtendienste – Aufklärungsgebiete 38 f., 83 – Begriff 23 – Bundesamt für Verfassungsschutz 33 ff. – Bundesnachrichtendienst 38 – Landesämter/-behörden für Verfassungsschutz 36 f. – Militärischer Abschirmdienst 37 f. Nachrichtendienstliche Mittel 49 ff. – Befugnisvergleich (StPO) 76 ff. – Begriff 49 ff. – Beispiele 51 f. – Generalklausel 53 f. – IMSI-Catcher 55 – Überwachung der Telekommunikation und des Postverkehrs 56 – Wohnraumüberwachung 54 f. – Wohnraumüberwachung zur Eigensicherung 56 f. NADIS 108 f., 228, 234 Nationalsozialismus 274 ff. – Geheime Staatspolizei 275 ff. – Reichssicherheitshauptamt 278 – Sicherheitsdienst Reichsführer SS 277 f. Nationalsozialistischer Untergrund 27 ff., 46, 67, 83 ff., 90, 104, 108, 234, 240, 327, 352 Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138 StGB) 121, 248 f.

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Sachverzeichnis

Observation 51, 81, 111, 135, 216 f., 225 – klassische Zusammenarbeitsform 90 – Trennungsgebot 314 f. Öffentliche Sicherheit 88, 132 f., 140, 177, 351 Opportunitätsprinzip 44 f., 47, 82, 247 ff. Organisierte Kriminalität 34, 36 f., 102, 190, 231, 327 Parlamentarischer Rat 282 ff. – Bundeskriminalwesen 284 ff., 294 – Inlandsnachrichtendienst 287, 290 f., 293, 295 – Politische Polizei 285, 287, 294 f. – Polizeibrief 288 ff. Politische Polizei 62, 261 f., 262 ff., 272 ff., 275 ff., 279, 280 f., 285, 287, 296 f., 302 ff., 304 ff., 308 ff. Polizeibrief 61 f., 259 f., 288 ff., 291 ff., 296, 302, 325 ff., 346 Preußen 265 ff., 270 ff., 275, 302 Prognoseentscheidung 128, 140, 148, 171 ff., 208 Projektdateien 108, 218 f., 230 ff., 248, 351 f. – Trennungsgebot 319 f. – Unterschied zur Analysefunktion (§ 7 RED-G) 245 f. Rasterfahndung 192, 198 f., 205, 210, 217 Recht auf informationelle Selbstbestimmung 112 ff., 201, 347 ff., 349 f. Rechtsextremismusdatei 108, 234 ff. – Behörden 235 f. – Datenabruf 238 f. – erweiterte Datennutzung 239 ff., 245 – Freitextfeld 237, 242 f. – Nationalsozialistischer Untergrund 28 – Personen und Objekte 236 – Speicherinhalt 237 f. – Trennungsgebot 320 f. – Verwendung der Daten 239 ff.

Regelungen der Mitwirkung 117 ff. – Mitwirkungspflicht 123 ff., 141 ff. – nachrichtendienstrechtliche Regelungen 122 ff., 148 ff., 165 ff. – strafverfahrensrechtliche Regelungen 173 ff. – Zusammenführung der Verwendungsregelungen 207 ff. Reichskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung 263 ff. 270 ff., 279, 287 Reichskriminalpolizeiamt 263 ff., 279 Reichssicherheitshauptamt 278 Sicherheitsdienst Reichsführer SS 277 f. Sperrerklärung 184 f., 206 f., 248 Spontanübermittlung 123, 128, 140, 171, 175, 178, 182 f., 206 ff., 232, 248 – Begriff 116 Spurenansatz 156, 159, 165, 183, 200 ff., 208, 211 ff., 313 Staatskommissar für die öffentliche Ordnung 269 f., 270 ff., 279 Staatsschutzdelikte 124 ff., 127 f., 130, 153, 170 f., 182, 247 f., 351 – echte (Begriff) 125 f. – unechte (Begriff) 126 f. Strafprozessuale Verwertbarkeit 27 Strafverfahrensrechtliche Verwendungsregelungen – siehe Verwendungsregelungen Straf(verfahrens)rechtlicher Anfangsverdacht – siehe Anfangsverdacht Strafverfolgungsbehörden – Befugnisse 74 ff. – Kennzeichen 67 ff. Strafverfolgungsvorsorge 73 Strategische Aufklärung 42 ff. Tatsächliche Anhaltspunkte 43, 53, 124, 126 ff., 152, 215, 224, 237 f. Telekommunikationsüberwachung – siehe G 10

Sachverzeichnis Trennungsgebot 253 ff. – Antiterrordatei 316 ff. – Dimensionen (Ebenen) 254 f. – Durchsuchung 315 f. – einfachgesetzlich 61, 254 f., 257, 301 f., 327 f., 349 – funktionelle Verschmelzung 303, 310 f., 321 – Grundpfeiler 302 ff. – Grundsätze für die nachrichtendienstliche Mitwirkung 304 ff. – historische Herleitung 259 ff. – informationelles Trennungsprinzip (Verhältnis) 349 – Informations- und Analysezentren 321 ff. – Informationsübermittlung 258 f., 304 ff., 312 f. – Institutionalisierung der Zusammenarbeit 316 ff. – klassische Mitwirkungsformen 312 f., 313 ff. – Legalitätsprinzip 259, 307 f. – Observation 314 f. – Projektdateien 319 f. – Rechtsextremismusdatei 320 f. – Rechtsprechung 325 ff., 342 ff. – Schlagwort (politisches) 253, 256 ff. – Urteil des BVerfG zum Antiterrordateigesetz 342 ff. – Vereinbarkeit mit dem Ist-Zustand 312 ff. – Verfassungsrang 325 ff. – Vorfelddaten/-informationen/-erkenntnisse 305 f., 308 ff., 313 ff., 316 ff., 324 – Zufallsfunde 258 f., 272, 274, 306, 313 Übermittlungspflicht 123 ff., 144, 162 f., 171 Übermittlungsverbote (§ 23 BVerfSchG) 141 ff., 168, 171, 183 ff., 227 – entgegenstehende Verwendungsregelungen 144

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– überwiegende Sicherheitsinteressen 143 f. – überwiegendes Individualinteresse 142 f. Übermittlungsvorschriften (Nachrichtendienstrecht) 117 ff. – Auskunftsersuchen 170 f. – Besonderes Auskunftsverlangen 169 – G 10-Überwachung 148 ff. – Genese 118 ff. – IMSI-Cachter 168 f. – Übermittlung gem. §§ 17 ff. BVerfSchG 122 f. – Wohnraumüberwachung 167 f. Under-Cover-Agent 46, 50, 52, 54, 84 V-Person 46, 51, 54, 77 f., 264, 268, 270, 278 Verbot polizeilicher Befugnisse (§ 8 Abs. 3 BVerfSchG) 61 ff., 254 f., 288, 296 ff., 302, 308 f., 314, 323 Verdacht bestimmter Straftaten 187, 195 ff., 207, 351 Verdachtsschöpfung 68 f., 72 Verdeckter Ermittler 69, 74, 76 ff., 84, 192, 198, 210, 215 Vergleich der Befugnisnormen 75 ff. Vernachrichtendienstlichung des Strafverfahrens 74 Verwendungsbeschränkung gem. § 161 Abs. 2 StPO 186 f., 195 ff., 209 f., 210 ff. – Spurenansatz 200 ff. – Verwendung zu Beweiszwecken 200 ff., 209 f., 210 ff. Verwendungsregelungen (StPO) – Genese 187 ff. – nachrichtendienstliche Daten 195 ff. – Regelungssystematik 186 f. – Verwenden (Begriff) 117 – Verwendungsverbote (§ 160 Abs. 4 StPO) 203 f., 210 ff. – Zusammenführung der Verwendungsregelungen 207 ff.

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Verwendungsverbote (§ 160 Abs. 4 StPO) 203 f., 210 ff. Volkszählungsurteil 112 ff., 176 f., 349 Vorermittlungen 70 f., 176 ff., 206 Vorfeldaufklärung 43, 88, 321 Vorfelddaten/-informationen/-erkenntnisse 305 f., 308 ff., 313 ff., 316 ff., 324 Vorfeldermittlungen 71 ff., 306 Vorsorge für die künftige Strafverfolgung – Strafverfolgungsvorsorge Vorverlagerung des Strafrechts 70 ff., 348 – Strafverfolgungsvorsorge 73 – Vorermittlungen 70 f. – Vorfeldermittlungen 71 ff. – Vorverlagerung materiellen Strafrechts 73 f. Vorverlagerung materiellen Strafrechts 73 f. Weimarer Republik 262 ff. – Politische Polizei 265 ff., 272 ff., 279 f.

– Reichskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung 263 ff., 270 ff., 279 – Reichskriminalpolizeiamt 263 ff., 279 – Staatskommissar für die öffentliche Ordnung 269 f., 270 ff., 279 Wohnraumüberwachung 52, 54 f. – Befugnisvergleich (StPO) 76 f. – polizeiliche 187, 202 f. – Übermittlung 121, 165, 167 f., 183, 190, 196, 208 f., 211 – Verfassungsrecht 26, 54 f. Wohnraumüberwachung zur Eigensicherung 52, 56 f. Zitiergebot 53 ff., 76 Zufallsfund 133 ff., 141, 154 ff., 242, 245, 258 f., 272, 306, 313 – absoluter (Begriff) 135 – relativer (Begriff) 135 Zweckänderung 113 f., 201, 224, 238 Zweckbestimmung 113, 140 Zweckbindung 113, 139 f., 160 ff., 193, 348 f.